In einer Sondersitzung des Hauptausschusses unter Leitung seines Vorsitzenden Klaus Matthiesen (SPD) am 10. August hat Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) die Vorwürfe der CDU-Landtagsfraktion im Zusammenhang mit dem Technologiezentrum HDO zurückgewiesen. Die Union hatte um Bewertung der "Anzeichen und Berichte" gebeten, ob im Fall des Oberhausener Medienobjektes HDO "ein massiver Subventionsbetrug" vorliege. Ferner war von der Opposition vermutet worden, die Nähe von HDO-Gesellschaftern zu SED und PDS habe von Regierungsseite vertuscht werden sollen. Bei der dreistündigen, streckenweise emotional aufgeladenen Sitzung räumte der Regierungschef ein, daß sich HDO in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befinde. Er äußerte indessen die Hoffnung, daß bereits in überschaubarer Zeit renommierte Unternehmen des In- und Auslandes als neue Gesellschafter für das Oberhausener Technologiezentrum gewonnen werden könnten.
Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) meinte zunächst, eine Vielzahl von Veröffentlichungen in den letzten Wochen habe die Wirklichkeit des Projektes HDO in Oberhausen "in einer unglaublichen Weise" verzerrt. Die mehr als zehnjährige Geschichte des Projektes HDO könne man nur dann wirklich verstehen, wenn man sie mit der Geschichte der europäischen und deutschen Film- und Fernsehwirtschaft in einen Zusammenhang denke. Die Probleme, die bei der HDO (High Definition Oberhausen) in den vergangenen Jahren zutage getreten seien, reflektierten auch die Auf- und Abbewegungen und die strukturellen Defizite der europäischen und der deutschen Film- und Fernsehwirtschaft. HDO sei zunächst als ein Zentrum für die Produktion von Filmen für das hochauflösende Fernsehen konzipiert gewesen. HDTV sei das Stichwort gewesen. Anfang der 90er Jahre sei dann nach und nach deutlich geworden, daß die HDTV- Visionen der 80er Jahre unrealistisch gewesen seien. Damals, konkret in den Jahren 1992 und 1993, sei in den USA deutlich geworden, daß die gesamte Film- und Fernsehproduktion wirtschaftlich vor einem epochalen Wandlungsprozeß gestanden habe. "In diesem Prozeß der Digitalisierung gewann und gewinnt die computerunterstützte Herstellung von Bildern und Tönen bei der Film- und Fernsehproduktion immer mehr an Bedeutung", sagte der Regierungschef. HDO sei dann darauf ausgerichtet worden, diesen neuen Markt der digitalen Spezialeffekteproduktion für nordrhein-westfälische und deutsche Film- und Fernsehproduktionen zu erschließen.
"Aus unserer Sicht zeigt sich heute, daß diese konzeptionelle Ausrichtung richtig war", sagte Clement. HDO bestelle einen Markt, der weltweit mit einer beispielhaften Dynamik wachse. Die jährlichen Wachstumsraten auf dem wichtigsten Segment dieses Marktes, der Spezialeffekteproduktion betrügen rund 40 Prozent.
Clement schränkte indessen ein, man sei hier auf diesem Markt bisher ein weißer Fleck. Das sei das industriepolitische Problem. Als weiteres Problem benannte er die kleinzelligen parzellierten Strukturen der deutschen Film- und Fernsehproduktionswirtschaft. Unsere Unternehmen spielten auf dem internationalen Markt allenfalls eine marginale Rolle. Sie seien chronisch kapitalschwach, weil sie über keine Vermögensgüter verfügten. Der Ministerpräsident unterstrich, es sei nur möglich gewesen, mit Unterstützung der öffentlichen Hand den Standort Deutschland auf diesem Markt zu plazieren. "Diese Unterstützung haben wir als Landesregierung mit der Förderung des Technologiezentrums HDO geleistet. Ziel von HDO war und ist es, für die kleinen und mittleren Unternehmen unserer Film- und Fernsehwirtschaft einen Wachstumsmarkt zu erschließen." Bei HDO gehe es darum, unsere Film- und Fernsehproduktionswirtschaft in die Lage zu versetzen, auf dem boomenden Weltmarkt der digitalen Spezialeffekteproduktion Fuß zu fassen.
Clement unterstrich, das Unternehmen Philips, das dieses Technologiezentrum im Auftrag der Betreibergesellschaft HDA GmbH errichtet habe, habe mit diesem Auftrag absolutes Neuland betreten. "In Europa war und ist HDO bislang ohne Beispiel." So habe es bei der Fertigstellung Verzögerungen gegeben. Tatsächlich sei HDO jetzt erst seit wenigen Monaten in Betrieb. Der Ministerpräsident bekräftigte, es mache deshalb keinen Sinn, zum jetzigen Zeitpunkt die Fördermittel des Landes gegen die Zahl der festangestellten Mitarbeiter von HDO aufzurechnen. Eine Bilanz über Erfolg oder Mißerfolg des Engagements des Landes sei frühestens in einigen Jahren möglich. Zur Kritik der CDU, mit den Fördermitteln des Landes seien bis heute bei HDO nur 25 feste Arbeitsplätze geschaffen worden, sagte der Ministerpräsident, diese Darstellung sei der Sache nicht angemessen. Das Technologiezentrum habe jetzt 25 feste Mitarbeiter, weitere 50 Mitarbeiter seien bei HDO im Rahmen von Projekten beschäftigt, die dort durchgeführt würden. Ferner könne man feststellen, daß es bereits heute Unternehmensansiedlungen in NRW gebe, die eng mit HDO zusammenarbeiteten. Auch bei Zulieferunternehmen seien Arbeitsplätze zumindest gesichert worden.
Zu den Erfolgen zählte Clement, daß bereits mehrere große internationale Spielfilme in Oberhausen bearbeitet worden seien. Mit Roland Emmerich sei es gelungen, den wohl renommiertesten Hollywood-Regisseur für Spezialeffekteproduktion nach Oberhausen zu holen. Er wandte sich auch gegen den Vorwurf der CDU-Landtagsfraktion und von Mitgliedern von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Oberhausen, die von einer "typischen sozialdemokratischen Krankheit der Subventionitis" gesprochen hätten. Man möge es bedauern, aber es sei so, ohne Filmförderungsmittel sei es bis heute in der Regel noch nicht möglich, Topfilmemacher aus den USA für den Produktionsstandort Deutschland zu gewinnen. Clement räumte ein, daß bereits vor Monaten absehbar gewesen sei, daß der Start des operativen Geschäfts der HDA GmbH schwierig werden würde. Er setzte auf die Bemühungen, neue Gesellschafter für die Betreibergesellschaft HDA zu gewinnen.
Der Ministerpräsident gab dann einen Überblick über die Förderung des Projektes HDO aus Mitteln des Landes seit 1989. Für den Aufbau des Technologiezentrums wurden nach seinen Angaben zu Lasten der Haushaltsjahre 1990/91 und 1992 aus dem NRW/EG-Programm für die Ziel-2-Gebiete Betriebsmittel in Höhe von 5,87 Millionen Mark bereitgestellt. Aus den Mitteln des Sonderprogramms für die Montanregionen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" wurde die Errichtung des Technologiezentrums HDO in zwei Aufbaustufen gefördert: In der ersten Ausbaustufe mit 12,799 Millionen Mark zu Lasten des Haushaltsjahres 1990; in der zweiten Ausbaustufe mit 92,978 Millionen Mark zu Lasten der Haushaltsjahre von 1991 bis 1996. Clement unterstrich, unter diesen Investitionsmitteln seien keine europäischen Mittel. Mit Bescheid des Finanzministeriums vom 19. Dezember 1991 sei der Stadtsparkasse Oberhausen eine Haftungsfreistellung für einen Kredit in Höhe von 2,5 Millionen Mark an HDO gewährt worden. Eine Inanspruchnahme des Landes aus dieser Haftungsfreistellung sei nicht erfolgt.
Clement meinte weiter, die CDU-Landtagsfraktion habe hinsichtlich des Zuwendungsbetrages von rund 92 Millionen Mark für die zweite Ausbaustufe von HDO "vom Verdacht des Subventionsbetruges" gesprochen. Er wies diesen Verdacht als "unverantwortbar" zurück. Die Landesregierung habe für die zweite Ausbaustufe von HDO zu Gesamtausgaben von 116,037 Millionen Mark eine Zuwendung von 92,978 Millionen Mark gewährt. Die Förderung sei für eine Infrastrukturmaßnahme gewährt worden. Zuwendungsempfängerin sei die Besitzgesellschaft HDT GmbH gewesen. Gesellschafter der HDT GmbH seien zum Zeitpunkt der Bewilligung die Stadt Oberhausen mit 75 Prozent und die WestLB mit 25 Prozent gewesen. Heute sei die Stadt Oberhausen alleinige Gesellschafterin der HDT GmbH. Am 5. November 1993 habe die HDT GmbH einen überarbeiteten Investitionsplan vorgelegt. Diesem Plan habe das Wirtschaftsministerium am 15. November 1993 zugestimmt. Die Besitzgesellschaft HDT GmbH habe dann die Betreibergesellschaft HDA GmbH durch Geschäftsbesorgervereinbarung mit der Errichtung des Technologiezentrums betraut. Die HDA wiederum habe per Generalunternehmervertrag die Philips-Tochter PEP damit beauftragt, das Technologiezentrum schlüsselfertig zu erstellen. Der Aufbau sei im Herbst 1997 abgeschlossen worden.
Nach den Förderbestimmungen des Landes habe die Zuwendungsempfängerin einen Schlußverwendungsnachweis zu erstellen. Derzeit erarbeite die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO diesen Nach-weis. Nach Vorliegen werde dieser Schlußverwendungsnachweis von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft C & L geprüft. Clement erwartet das Prüfungsergebnis für Sommer 1998. Er betonte, die Interessen und Rechte des Landes seien umfassend abgesichert. Zum einen habe der Philipskonzern eine Fertigstellungsgarantie für das HDO-Technologiezentrum gegeben; zum anderen habe Philips Vorauszahlungsbürgschaften in Höhe von 34,284 Millionen Mark übernommen. Zusätzlich sei noch die Unternehmensberaterfirma Kienbaum eingeschaltet, die für einen reibungslosen Fortgang der Arbeiten Sorge trage. Der Regierungschef will den Landtag umfassend über die Prüfungsergebnisse unterrichten.
Abschließend ging der Ministerpräsident auf die Beteiligung des Unternehmens EMG (Elektronische Medien-Beteiligungsgesellschaft), in der Wendezeit mit Mitteln aus SED/PDS-Vermögen entstanden, an der Betreibergesellschaft ein. Bei der Gründung der HDH GmbH sei die EMG Mitte 1993 lediglich in der Position eines Minderheitsgesellschafters gewesen. Zum zweiten sei bekannt gewesen, daß die EMG seit 1992 mehrheitlich einem renommierten Investmentfond, dem East-German-Investment- Trust mit Sitz in London gehört habe. Im Januar 1992, "bevor die ganze Geschichte hier in Düsseldorf begann", habe dieser Trust 80 Prozent an der EMG von der Treuhandanstalt Berlin erworben. Als 1994 deutlich geworden sei, daß die EMG in die Rolle eines Mehrheitsgesellschafters bei der HDA geschlüpft sei, sei man daran gegangen, sich dieses Unternehmen eingehender anzuschauen. Im Sommer 1994 habe man eingehende Recherchen, insbesondere über den Geschäftsführer und die leitenden Mitarbeiter des Unternehmens angestellt. Man sei dann zu dem Ergebnis dieser Untersuchungen im Herbst 1994 gekommen, daß diese EMG wegen personeller Konstellationen nicht Gesellschafter der HDA GmbH sein sollte. Dieser Umdenkungsprozeß habe Zeit gekostet. Dennoch sei das Ziel des Starts des operativen Geschäfts der HDA GmbH ohne die EMG erreicht worden. Am 15. November 1996 habe die EMG alle Anteile, die sie an der HDA gehalten habe, veräußert. Ebenfalls am 15. November 1996 sei der Geschäftsführer Wolfgang Wenzel aus der Gesellschaft ausgeschieden.
Zu Beginn der Aussprache machte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Helmut Linssen den Vorschlag, die Diskussion zu strukturieren. Er schlug vor, sich in Blöcken mit der Entwicklung der frühen HDO-Gesellschaft bis zur Neustrukturierung 1993 zu beschäftigen, sich über die Gesellschafter, über die Finanzierung und auch über die in Oberhausen handelnden Personen zu unterhalten. Vorsitzender Matthiesen sagte dazu: "Strukturieren können wir, wenn alle Fraktionen einverstanden sind." SPD-Sprecher Reinhard Grätz hatte nichts dagegen, daß diese Punkte nacheinander abgehandelt würden. GRÜNE-Fraktionssprecher Roland Appel meinte, die CDU solle systematisch fragen, man werde dann auch einsteigen. In einer Vorbemerkung machte Linssen deutlich, er habe dem Ministerpräsidenten in einem Brief nicht persönlich Aktenbereinigung vorgeworfen. Er habe ihn nur darauf aufmerksam gemacht, daß ihm Informationen vorlägen, daß Akten bereinigt würden.
Linssen kündigte an, er wolle den Brief dem Vorsitzenden des Hauptausschusses zur Verfügung stellen. Clement reagierte vehement mit dem Hinweis, es werde nicht zu seinen Lasten passieren, daß man ihm unterstelle, er würde Akten manipulieren. Reinhard Grätz stellte dazu fest, nach dem sehr ausführlichen Bericht des Ministerpräsidenten handele künftig derjenige charakterlos, der noch von dunkelrotem Filz und Vertuschungsversuchen spreche. "Das ist für mich eindeutig."
Roland Appel fragte dann, mit welcher Begründung die WestLB, die ja von Anfang an dabei gewesen sei, aus dem Projekt ausgestiegen sei. Der für die Medienwirtschaft zuständige Experte der Landesregierung, Dr. Hans Gert Prodoehl erläuterte, die WestLB habe sich 1993 entschlossen, sich an dem Bankenkonsortium zu beteiligen, das einen Kredit von 30 Millionen Mark für das Projekt zur Verfügung gestellt habe. Die WestLB sei der Auffassung gewesen, man könne nicht gleichzeitig Gesellschafter und Kreditgeber sein. Prodoehl beantwortete auch Appels weitere Frage nach CDU-Mitgliedern im Aufsichtsrat. So sei der Landtagsabgeordnete der CDU, Dr. Eckhold, seit Dezember 1992 Mitglied im Aufsichtsrat der HDO gewesen. Seines Wissens von Beginn an habe ferner der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Ruprecht Vondran als Mitglied dem Aufsichtsrat angehört.
Dr. Heinz-Jörg Eckhold, der bei der Sitzung anwesend war, gab daraufhin zu Protokoll, wann und wie lange er exakt im Aufsichtsrat der Besitzgesellschaft gewesen sei. Nach dem Tode des Landtagsabgeordneten Hans Wagner sei er auf Ratsbeschluß (Oberhausen) am 21. September 1992 in den Aufsichtsrat gewählt worden. Der habe das erste Mal am 10. November 1992 getagt. Er sei am 1. Februar 1995 ausgeschieden, habe also die Jahresrechnung 1994 nicht mehr mit verabschiedet. Eckhold fügte an, sein Wissensstand gegenüber der Situation von 1992 lasse sich dahingehend zusammenfassen, nur durch Haftungsfreistellung des Landes habs damals die Besitzgesellschaft weiterarbeiten können, sonst wäre das nicht möglich gewesen.
Zur Arbeitsplatzsituation äußerte sich der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Laurenz Meyer. Er berief sich auf Oberhausener Presseberichte, in denen in der Anfangsphase von 2000, dann von 1 200 Arbeitsplätzen die Rede gewesen sei. Es seien jetzt 25. Meyer wollte wissen, von welchen Arbeitsplatzerfolgen die ursprüngliche Zuschußbewilligung ausgegangen sei und wie hinterher unter Umständen habe korrigiert werden müssen. Prodoehl meinte dazu, 1991 sei man von 200 Arbeitsplätzen ausgegangen. Er verwies darauf, daß der Ministerpräsident mitgeteilt habe, man sei jetzt schon bei der Hälfte, obwohl das Unternehmen gerade erst am Markt sei.
CDU-Fraktionschef Linssen stellte die Frage, ob es vielleicht so sein könnte, daß die Irritationen über die handelnden Personen, die Gesellschafter, den Streit, den sie vor Gericht austrügen, die Unmöglichkeit, die Gesellschaft bisher überhaupt auf gesunde Füße zu stellen das eigentliche Dilemma der "Veranstaltung" sei und alles andere Ablenkungsmanöver? Der Ministerpräsident antwortete, es sei nie ein Geheimnis gewesen und seit Jahren bekannt, welche Schwierigkeiten dort bestünden. Man habe immer wieder naue Gesellschafter suchen müssen und sei auch jetzt dabei. "Wir führen Investitionsgespräche im internationalen Raum", Gesprächspartner wollte er nicht nennen. "Dann können wir den Laden gleich dichtmachen." Fragen nach einer Landesbürgschaft beantwortete Clement mit dem Hinweis auf eine Äußerung von ihm im "Spiegel", daß es eine solche Landesbürgschaft gebe, wenn es notwendig sein sollte und wenn die Voraussetzungen vorlägen. Im übrigen gehe er davon aus, daß unverändert noch internationale Investoren gefunden werden könnten. Er schloß: "Das ist das, worum wir uns zur Zeit bemühen."
Bildunterschrift:
Ein Technologiezentrum und mit ihm die Medienpolitik in der Diskussion: Im linken Bild v. l. die CDU-Fraktion mit der Abgeordneten Ruth Hieronymi, dem Fraktionsvorsitzenden Dr. Helmut Linssen und dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Lothar Hegemann; im rechten Bild v. l. Ministerpräsident Wollgang Clement und Ausschußvorsitzender Klaus Matthiesen (beide SPD).
Systematik: 2000 Wirtschaft; 7730 Film/Video
ID: LI981206