19. Oktober 2023 - Die Fachausschüsse des Landtags beraten derzeit über den Entwurf der Landesregierung für den Haushalt 2024. Für Dezember ist die Verabschiedung geplant. In einer Anhörung des federführenden Haushalts- und Finanzausschusses äußerten sich nun Sachverständige zu den finanzpolitischen Plänen der Landesregierung.
Der Haushaltsentwurf der schwarz-grünen Landesregierung (Drs. 18/5000) sieht Ausgaben in Höhe von rund 101,9 Milliarden Euro und damit 7,2 Milliarden Euro mehr als im laufenden Jahr vor. Es ist keine Aufnahme neuer Schulden vorgesehen.
Die Landesregierung rechnet mit Steuereinnahmen in Höhe von 77,7 Milliarden Euro im Vergleich zu 74,4 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Personalausgaben betragen 34,5 Milliarden Euro (32,1). Die Summe der Investitionen steigt von 9,9 auf 10,8 Milliarden Euro. Schwerpunkte bei den Investitionen sind laut Landesregierung Bildung, Klimaschutz und die Energiewende.
Zu der mehrstündigen Anhörung waren Vertreterinnen und Vertreter von mehr als
50 Verbänden, Vereinen und anderen Organisationen eingeladen worden - darunter Gewerkschaften, Bildungs- sowie Umwelt- und Naturschutzverbände, Interessenvertretungen aus der Justiz, dem Justizvollzug, der Wohlfahrt, von Polizei und weiteren gesellschaftlichen Gruppen. Alle eingegangenen Stellungnahmen und ein Video der Anhörung finden Sie im Internet unter www.landtag.nrw.de.
Schulden und Zinsbelastung
Der Landesrechnungshof begrüßte die Entscheidung der Landesregierung, ohne die Aufnahme neuer Schulden auskommen zu wollen. "Vor allem wegen des Rekordschuldenstandes des Landes von über 160 Milliarden Euro und der durch den Schuldenstand hervorgerufenen Zinsbelastung ist die strikte Beachtung des Regel-Ausnahmeprinzips der Schuldenbremse unumgänglich." Als "im Grundsatz begrüßenswerte Schritte" erkenne der Landesrechnungshof auch u. a. die erfolgte Bildung von Ausgabenschwerpunkten und einzelne Prioritätensetzungen an. Dennoch bezweifle man, "ob die Aufstellung eines soliden, nachhaltigen und generationengerechten Haushalts in der erforderlichen Stringenz" gelungen sei. So sei die Finanzierung der Priorisierungen "nicht durchgängig durch Ausgabenkürzungen an anderer Stelle" belegt.
Die Städte, Gemeinden und Kreise verwiesen auf ihre finanzpolitisch schwierige Situation. Sie müssten "kurz- und mittelfristig eine nie dagewesene Kumulation gleichzeitig auftretender Herausforderungen bewältigen", heißt es in der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen. Den Spitzenverbänden sei bewusst, dass sich auch das Land in einer schwierigen Haushaltslage befinde. Viele Herausforderungen, vor denen die Kommunen stünden, gälten "in ähnlicher und zum Teil gesteigerter Form für den Landeshaushalt". Die Verbände mahnen zugleich, dass das Ziel der Schwarzen Null "nicht auf dem Rücken der Kommunen erreicht werden" dürfe. Trotz schwieriger Ausgangslage steige das Haushaltsvolumen um ca. 7,6 Prozent, die Mittel zugunsten der Kommunen würden aber nur um 0,3 Prozent angehoben. "Dieses Missverhältnis ist durch eine Anhebung der Mittel für die Kommunen anzupassen."
Der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen wies ebenfalls auf die schwierige allgemeine Lage hin und nannte u. a. sinkende
Steuereinnahmen aufgrund der schwächelnden
Wirtschaft bei zugleich zahlreichen Herausforderungen.
Vor diesem Hintergrund werde
positiv gesehen, dass die Landesregierung 2024
"im Kernhaushalt keine neuen Schulden" aufnehmen
wolle, nicht bei den Investitionen spare
und zusätzlich in die Tilgung der aufgenommenen
Sonderschulden aus den vergangenen
Jahren einsteigen wolle. Begrüßt würden auch
die Einsparbemühungen. Der Steuerzahlerbund
kritisiert auf der anderen Seite u. a. den
Anstieg der Personalausgaben und den Stellenzuwachs.
Er fordert einen Subventionsbericht,
um Einsparungen zu identifizieren, sowie eine
schnellere Tilgung der Schulden aus den Sondervermögen,
um ein weiteres Anwachsen der
Zinskosten zu verhindern.
Schuldenbremse
Das RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
sieht "deutlich reduzierte Handlungsspielräume"
im Landeshaushalt aufgrund
der wirtschaftlich angespannten Lage.
Durch die Rückkehr zur Schuldenbremse sei
es erforderlich, mit der Tilgung der in den
vergangenen Jahren aufgenommenen Kredite
zu beginnen. Für die Mittel aus dem coronabedingten
NRW-Rettungsschirm sei ein
Tilgungszeitraum von 50 Jahren vorgesehen,
"was insgesamt wenig ambitioniert" erscheine.
Allerdings werde für 2024 mit einer Rückzahlung
von 3 Milliarden Euro ein "deutliches
Signal" gesetzt, dass die Rückzahlung konjunkturgerecht
erfolgen solle.
Auch das Institut der Deutschen Wirtschaft
(IW) sieht enge finanzpolitische Spielräume.
Die Schuldenbremse zwänge die Haushaltspolitik
"in den kommenden Jahren in ein enges
Korsett". Dies gehe zulasten wichtiger Aufgaben.
"Es stellt sich offenkundig die Frage, wie
diese vielfältigen Herausforderungen gleichzeitig
finanziert werden sollen, ohne auf zusätzliche
Kredite zurückzugreifen", heißt es in
der Stellungnahme. Das IW bringt daher eine
"wohlbedachte Öffnung der Schuldenbremse"
ins Spiel. Sie würde wichtige Spielräume eröffnen,
ohne nachhaltig Staatsfinanzen zu gefährden.
Das Institut schlägt die Möglichkeit
für eine Nettoneuverschuldung in Höhe von
0,15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor.
"Für NRW würde dies im Jahr 2024 einen
zusätzlichen Haushaltsspielraum von knapp
1,4 Milliarden Euro bedeuten, der im Zeitverlauf
kontinuierlich steigen dürfte."
wib
Systematik: 1220 Landesregierung; 8300 Öffentlicher Haushalt
ID: LI230704