24. Januar 2024 - Menschenmassen auf den Straßen. Allein in Nordrhein-Westfalen sind am vorangegangenen Wochenende insgesamt mehr als
100.000 Bürgerinnen und Bürger zu Demonstrationen zusammengekommen, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Rassismus und für
Vielfalt und Toleranz zu setzen. Auch im Landtag stand das Thema ganz oben auf der Tagesordnung: In einem gemeinsamen Antrag begrüßten die
Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP die Demonstrationen ausdrücklich.
Anlass für die anhaltenden Proteste ist ein Bericht
des Recherchezentrums Correctiv über
ein Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam,
bei dem Pläne u. a. zur Zwangsdeportation von
Millionen Menschen mit Migrationshintergrund
besprochen worden seien, so die Fraktionen
in ihrem Antrag (Drs. 18/7833). "Der friedliche
Protest macht deutlich, dass die Mehrheit der
Menschen in Nordrhein-Westfalen gegen jeglichen
Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus
einsteht."
Thorsten Schick, Vorsitzender der CDU-Fraktion,
dankte den "Hunderttausenden, die
aufgestanden sind", für ihre Zivilcourage. Die
Demonstrationen seien zugleich ein Vorschussvertrauen
für die Politik der Mitte und ein Aufruf,
jetzt zu handeln. Die Menschen erwarteten
Antworten auf die Herausforderungen der Zeit.
"Wir müssen schwierige Themen aus der Mitte
heraus lösen, um den Demokratiefeinden den
Stecker zu ziehen", sagte Schick. Die bekanntgewordenen
Pläne zur Vertreibung bezeichnete
Schick als ungeheuren Vorgang, als Tabubruch.
Aber: "Die Mehrheit in diesem Land schweigt
nicht mehr. Die Mehrheit zeigt Gesicht."
"Die Faschisten sind zurück in Deutschland",
sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende
Jochen Ott. Sie schienen stark, vor allem in den
sozialen Medien. Aber das vergangene Wochenende
habe gezeigt: "Die Demokratinnen und Demokraten
sind mehr. Sie sind mehr und stärker
als die Faschisten." Deutschland bleibe ein Land
der Menschenrechte und der Vielfalt, betonte Ott. Er wandte sich an Menschen mit Zuwanderungsgeschichte:
"Ich verspreche Ihnen: Wir
werden unsere Heimat gegen die Rechtsextremisten
verteidigen." Ott bot der Regierung einen
"Pakt für die Mitte" an: "Lassen Sie uns gemeinsam
unsere Demokratie stabilisieren."
"Ihr seid nicht allein"
Dass so viele Menschen auf die Straße gehen,
um parteiübergreifend für die Demokratie zu
demonstrieren, sei großartig, sagte Grünen-
Fraktionschefin Verena Schäffer. Die Menschen
hätten Angst vor "rassistischen Deportationsplänen",
die ihre Freundinnen und Freunde
sowie Familienmitglieder treffen würden. "Sie
machen sich Gedanken, ob sie aufgrund ihrer
Hautfarbe, ihrer Religionszugehörigkeit das
Land lieber verlassen sollten", sagte Schäffer.
Sie betonte: "Ihr seid nicht allein. Wir stehen
zusammen." Die AfD sei eine "Gefahr" für die
Demokratie. Die Demokratie sei aber stark und
wehrhaft. Ihre Verteidigung sei "unser aller
Pflicht".
Unter dem beschönigenden Begriff "Remigration"
hätten Rechtsextremisten in Potsdam
über die Abschiebung von Millionen Menschen
debattiert, sagte FDP-Fraktionschef Henning
Höne. Diese Pläne seien nicht nur rechts- und
verfassungswidrig, sondern auch rassistisch
und menschenfeindlich. Er wisse, dass sich
viele Menschen Sorgen machten, sagte Höne.
Angst sei aber noch nicht angebracht. In Potsdam hätten sich "Menschen mit schrecklichen
Plänen, aber ohne reelle Macht" getroffen. Dennoch
müsse man das Treffen ernst nehmen, da
die Beteiligten Verbindungen in Parlamente
und Wirtschaft hätten.
"Ablenken vom eigenen Versagen und Kritiker
in die rechte Ecke stellen - das ist das neue
Lieblingsspiel der Verantwortlichen für Wohnungsnot,
Abschiebeversagen, unpünktliche
Bahn und die steigende Kriminalität", entgegnete
Markus Wagner (AfD). Bei den Berichten
des Medienhauses Correctiv über die "private
Veranstaltung" in Potsdam handle es sich um
eine "Propagandakampagne". Kein Mensch mit
Migrationshintergrund, der "rechtstreu und assimiliert"
in Deutschland lebe und einen deutschen
Pass habe, werde durch die AfD deportiert
oder vertrieben. Anderes zu behaupten, sei
"vollkommener Schwachsinn".
Der Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar"
sei über Jahrzehnte "Grundkonsens
aller politischen Kräfte in den Parlamenten unseres
Landes", sagte Ministerpräsident Hendrik
Wüst (CDU). An diesem Fundament rüttelten
aktuell Kräfte, die "Menschen aus unserem Land
deportieren (...) und zurückführen wollen in das
dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte". Es
handle sich um Kräfte, die "leider in den meisten
Parlamenten sitzen, auch in unserem Landtag".
Die Demos der vergangenen Tage hätten gezeigt,
dass die "schweigende Mehrheit des Landes"
aufstehe. "Mich erfüllt das mit Freude, mit Stolz,
Erleichterung und Dankbarkeit."
sow, zab, tob
Systematik: 1010 Staatsaufbau; 1070 Politische Kräfte
ID: LI240103