20./21. Dezember 2022 - Kurz vor Weihnachten hat der Landtag grünes Licht für den Haushalt 2023 gegeben. Der Entwurf, der Ausgaben in Höhe von
94,7 Milliarden Euro vorsieht, wurde in 3. Lesung mit den Stimmen von CDU und Grünen verabschiedet. SPD, FDP und AfD stimmten dagegen. Mit einem
Sondervermögen in Höhe von bis zu fünf Milliarden Euro sollen die Folgen aus dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine aufgefangen werden.
Mit den Stimmen von CDU und Grünen stellte
der Landtag zudem eine "außergewöhnliche
Notsituation" für 2023 fest (Drs. 18/2231). Dies ermöglicht,
dass die sogenannte Schuldenbremse
ausgesetzt wird und "ein Haushaltsausgleich
durch Einnahmen aus Krediten zulässig" ist.
Zur Finanzierung des Sondervermögens werden
entsprechende Kreditermächtigungen vorgesehen.
SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty warf
der Regierung chaotische Haushaltsberatungen
und Inkompetenz in der Krise vor. Zu den
mehrfach erneuerten Vorlagen der Regierung
für ein schuldenfinanziertes Sondervermögen
aufgrund einer Notlage sagte er: "Erst bestreiten
Sie die Notlage, dann erklären Sie die Notlage,
dann bestreiten Sie die selbst erklärte Notlage."
Und nun liege laut Landesregierung wiederum
eine neue Situation vor. Die Regierung habe
ein verfassungswidriges, hektisches Haushaltsverfahren
damit begründet, dass sie noch in
diesem Jahr Krisenhilfen auszahlen wolle. Kein
einziger Cent komme aber noch in diesem Jahr bei den Menschen an. Kutschaty betonte: "Nach
Verfassungsbruch kommt der Wortbruch." Der
Ministerpräsident habe wegen fehlender Vorsorge
in der Energiekrise "grob fahrlässig" gehandelt.
"Was wir von Ihnen bekommen, sind
schöne Bilder. Sie wären ein guter Präsident von
Instagram" - aber kein Ministerpräsident, sagte
Kutschaty. NRW verdiene mehr Kompetenz,
Weitsicht, Verlässlichkeit und Mut.
"Politische Geländegewinne"
Der SPD gehe es bei ihrer Kritik am Haushalt
nicht um Hilfe für Menschen, sondern um
"Angriff" und "politische Geländegewinne",
erwiderte Thorsten Schick, Fraktionschef der
CDU. Gute Politik müsse Menschen eine Perspektive
geben. Dazu passe der Haushalt der
Landesregierung, da er Zukunft gestalte. Der Finanzminister habe ihn "in allerschwierigsten
Zeiten" aufstellen müssen - bedingt durch den
Krieg in der Ukraine sowie steigende Energie- und
Lebensmittelpreise. Die Landesregierung
stelle mehr Geld für Tafeln, Flüchtlinge und
die Schuldnerberatung bereit. Ziel sei zudem,
NRW zur ersten klimaneutralen Industrieregion
in Europa zu machen. Der Haushalt stärke
ferner die Innere Sicherheit, u. a. durch mehr
Polizeikräfte sowie mehr Investitionen in die
Bekämpfung von Cyberkriminalität und Kindesmissbrauch.
Die Besoldung aller Lehrkräfte
werde schrittweise in die Besoldungsgruppe
A 13 übergeleitet. Auch der Sportetat werde
erhöht. Insgesamt handle es sich um einen
"Zukunftshaushalt", der "in schwierigen Zeiten
Orientierung bietet".
FDP-Fraktionschef Henning Höne sprach von
einem "grottenschlechten" Etat und den "kürzesten
Haushaltsberatungen", die das Land je erlebt
habe. Er kritisierte ein "hektisches Verfahren"
und "Kehrtwenden". Die Rücknahme des
zweiten Nachtragshaushalts für 2022 reihe sich da nahtlos ein. In der Tat seien die Zeiten
dynamisch. Es gebe aber eine Konstante: "die
Unzuverlässigkeit der schwarz-grünen Landesregierung".
Mit ihrem ersten eigenen Haushalt unter der Verantwortung von Ministerpräsident
Wüst habe sie die Möglichkeit gehabt, die soziale
Infrastruktur im Land zu stärken. Tatsächlich
aber verpasse sie "Chance um Chance" und merke
das nicht einmal. Das Vertrauen der Bevölkerung
in die Regierung sei "nachhaltig, vielleicht
unwiderruflich gestört". Höne unterstellte "mindestens
Unvermögen, vielleicht sogar Vorsatz
oder Gleichgültigkeit". Die Koalitionsfraktionen
nannte er "Erfüllungsgehilfen der Staatskanzlei".
Seine Fraktion habe deutliche Zweifel an der Begründung
der "Notlage". Deshalb behalte sie sich
rechtliche Schritte vor.
Aktuelle Krisen
Grünen-Fraktionschefin Wibke Brems verteidigte
die Haushaltspolitik der Koalition gegen die
Kritik. Die Landesregierung sei mit politischen
Versäumnissen der vergangenen Jahre konfrontiert
und werde durch die aktuellen Krisen vor
große Herausforderungen gestellt. Zudem habe
es wochenlanges Tauziehen um die Finanzierung
des Entlastungspakets des Bundes gegeben.
Die Koalition von CDU und Grünen habe
aber den Mut und das Land habe das Knowhow
und die Menschen, um gut durch diese
Krisen zu kommen. Die Koalition sei dabei
handlungsfähig und übernehme Verantwortung.
Mit dem Sondervermögen in Höhe von
bis zu fünf Milliarden Euro gehe man nun den
entscheidenden Schritt und ergänze die Entlastungspakete
des Bundes. Mit der ersten Tranche
von 1,6 Milliarden Euro werde u. a. die soziale Infrastruktur unterstützt. Als weitere politische
Schwerpunkte nannte Brems u. a. Hilfe
für Kommunen und die Betreuung und Unterbringung
von Geflüchteten, die Verkehrs- und Energiewende im Kampf gegen den Klimawandel
und den Kampf gegen Kinderarmut.
Die Landesregierung gehe von falschen Annahmen
aus, kritisierte Dr. Martin Vincentz, Vorsitzender
der AfD-Fraktion. Das habe schon
in der Vergangenheit nicht funktioniert. "Die
Menschen werden unter Ihnen immer ärmer",
sagte der AfD-Abgeordnete. Seit 2015 setze sich
zudem das Scheitern einer Integrationspolitik
fort, die schon zuvor erfolglos gewesen sei.
Die Notlage habe sich als allgemeines Problem
verstetigt. Die "etablierten Parteien" von CDU,
SPD, Grünen und FDP aber seien nicht Teil einer
Lösung, "sondern die maßgebliche Ursache
für unsere Probleme". Im Land gebe es eklatante
Mängel: in der Gesundheits-, Sport, Wohnraum-,
Verkehrs-, Bildungs- und Baupolitik
sowie in der Inneren Sicherheit. Die anderen
Parteien seien und blieben das "Belastungspaket"
für NRW. Das einzige "Entlastungspaket"
sei die AfD. "Ein schlanker Staat, niedrige Steuern
und mehr Freiheit - das gibt es eben nur
mit der AfD", sagte Vincentz. An die Landesregierung
gewandt fügte er hinzu: "Treten Sie zurück.
Machen Sie den Weg frei für neue Ideen,
für frische Gedanken."
Die Folgen des russischen Angriffskriegs
auf die Ukraine seien auch in Nordrhein-
Westfalen zu spüren, sagte Ministerpräsident
Hendrik Wüst (CDU). Ziel der Landesregierung
sei es, die Menschen gut durch diese Krise zu
bringen. "Wir müssen jetzt Vorsorge für Unwägbarkeiten
treffen, um den Menschen Sicherheit
zu geben", sagte Wüst. Und: "Wir werden diese Krise gemeinsam meistern. Wir sind das
Land der Solidarität und des Zusammenhalts."
Nordrhein-Westfalen unterstütze die Entlastungsmaßnahmen
des Bundes jährlich mit vier Milliarden Euro. Das sei eine "große Belastung",
sagte der Ministerpräsident. Hinzu kämen Aufwendungen
zur Versorgung der Flüchtlinge. Für
Kommunen werde dies zunehmend schwierig.
Allerdings könne niemand sagen, in welcher
Größenordnung die Unterstützung erforderlich
sein werde. Zudem müsse das Land eigene
Hilfsprogramme finanzieren. In einer ersten
Tranche seien 1,6 Milliarden Euro u. a. für Kitas,
Wohnungslose, Mittelstand, Krankenhäuser
und den ÖPNV vorgesehen. Wüst sprach zudem
Investitionen in den Klimaschutz an: "Wir sind
die erste Generation, die wirklich nicht mehr
weggucken kann."
sow, tob, zab, wib
Zusatzinformation:
Der Haushalt 2023 wurde am 20. Dezember 2023 verabschiedet.
Er sieht Ausgaben in Höhe von 94,7 Milliarden
Euro vor (Drs. 18/1200, Drs. 18/1500, Drs. 18/2121, Drs. 18/2233, Drs. 18/2234,
Drs. 18/2235, Drs. 18/2236). Zahlreiche Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen
wurden mit Mehrheit abgelehnt.
Einen Tag später kam der Landtag zu einer Sondersitzung
zusammen und verabschiedete das NRW-Krisenbewältigungsgesetz
(Drs. 18/1951, Drs. 18/2123). Es sieht
die Errichtung eines Sondervermögens in Höhe von bis zu
fünf Milliarden Euro vor. Mit dem Geld sollen die Folgen
für Nordrhein-Westfalen aus dem Krieg in der Ukraine aufgefangen
werden.
In einer ersten Tranche fließen 1,6 Milliarden Euro
(Vorlage 18/617). Der ursprünglich für 2022 vorgesehene
zweite Nachtragshaushalt wurde von der Landesregierung
zurückgezogen (siehe auch S. 8).
Alle Drucksachen sind auf der Internetseite des Landtags
veröffentlicht unter https://lt.nrw/Haushalt.
Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung; 1220 Landesregierung
ID: LI221003