Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Rainer Schmeltzer (SPD), der 1. Vizepräsident des Landtags. Der 61-Jährige wurde in Lünen geboren und lebt dort mit seiner Familie bis heute. Er war von 2015 bis 2017 Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen.
Lünen. Nordöstliches Ruhrgebiet, das Münsterland ist nahe. Ein Mittelzentrum, um die 88.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Einer von ihnen: Rainer Schmeltzer. Der 61-Jährige ist dienstältester Abgeordneter der SPD-Landtagsfraktion, 1. Vizepräsident des Landtags und einer der jüngsten Sänger des MGV Germania Niederaden. Für alle, die Niederaden nicht kennen: Es ist ein Ortsteil Lünens. Das Singen im Chor, sagt er, mache "tierischen Spaß". Niemanden interessiere, ob da ein Abgeordneter, ein Vizepräsident oder ein Minister auf der Bühne stehe.
Schmeltzer hat eine Ausbildung als Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft gemacht, es folgte die Qualifikation zum Wohnungsfachwirt. "Für mich kam damals nur eine kaufmännische Ausbildung infrage", sagt er. "Zig Bewerbungen" habe er geschrieben, auch an das damals noch städtische Wohnungsunternehmen in Lünen. Er bekam die Zusage. Sein Ausbilder habe gesagt: "Das ist einer der krisensichersten Jobs, denn gewohnt wird immer."
Mit zehn Jahren, so erzählt es der 1. Vizepräsident Kindern und Jugendlichen bei Besuchen im Landtag zuweilen, sei er in die Politik gekommen: "Ich blicke dann immer in ungläubige Gesichter." Er klärt auf: Mit zehn Jahren sei er das erste Mal Klassensprecher geworden, später dann Schülersprecher: "Ich habe die Interessen der Schülerinnen und Schüler vertreten. Das ist Politik."
Sein Weg zur SPD führte über die Essener Gruga. Es war im Jahr 1976. Schmeltzer,
15 Jahre jung, wollte eigentlich mit seiner Mutter und einem Freund zur Kirmes auf dem Gruga-Vorplatz. Was er nicht wusste: In der Halle fand eine Parteiveranstaltung mit Willy Brandt und Heinz Kühn statt. Brandt war damals SPD-Vorsitzender, Kühn Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen. Schmeltzer wurde neugierig, ging in die Halle, hörte zu, was die Sozialdemokraten zu sagen hatten. "Ich konnte sogar kurz mit Willy Brandt sprechen", erinnert sich der Abgeordnete. An ein Autogramm des früheren Bundeskanzlers kam er nicht, deshalb schrieb er an die SPD-Zentrale. "In einer Zeitschrift hatte ich eine Karikatur von Willy Brandt entdeckt", erzählt der Lünener. Die habe er abgemalt und nach Bonn geschickt. Die Zeichnung kam tatsächlich unterschrieben zurück, dazu noch ein paar Fotos und ein "nettes Anschreiben". Das ungewöhnliche Autogramm hat er noch heute.
Als dienstältester Abgeordneter der SPD-Fraktion denkt er natürlich manchmal an vergangene Zeiten zurück: "Da war nicht alles besser, einiges aber anders - zum Beispiel die Kommunikation." Früher, sagt er, habe man im Plenum "parlamentarisch noch richtig gestritten". Dabei konnte es auch mal lauter werden: "Nur unter die Gürtellinie durfte es nicht gehen."
22 Abgeordnetenjahre - was bleibt im Gedächtnis? Bedeutend seien natürlich die aktuellen Themen, sagt Schmeltzer: der Umgang mit der Corona-Pandemie, die Energiekrise, der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Er erinnere sich aber auch an seine ersten Jahre im Landtag, an Debatten u. a. über Kampfhunde und die Landeshundeverordnung. "Ich hatte das Gefühl, da ging es nicht um Rot gegen Schwarz oder Gelb gegen Grün, da ging es um Hundehalter gegen Nicht-Hundehalter. Das waren hitzige Debatten."
Dann die Zeit als Minister für Arbeit, Integration und Soziales. "Ich hätte das gerne noch länger gemacht", sagt er. Es kam anders. 2017 wurde Rot-Grün abgewählt, CDU und FDP übernahmen das Ruder. Als Minister habe er die Möglichkeit gehabt, direkt zu gestalten: "Mir hat das immer sehr viel Spaß gemacht. Ich habe aber auch Wert darauf gelegt, dass ich nie den Bezug zu den Menschen vor Ort verliere. Das hat mein ganzes Abgeordnetenleben geprägt."
Als 1. Vizepräsident des Landtags komme ihm seine Erfahrung als Minister zugute - zum Beispiel bei diplomatischen Begegnungen. Schmeltzer: "Ich weiß, auf welchem Parkett ich mich da bewege." Dass er als Vizepräsident parteipolitisch neutral bleiben müsse, sei eine Umstellung, aber kein Problem. Hochinteressant sei die Vielseitigkeit der Termine, die er wahrnehme. Angefangen vom Weltkindertag, bei dem der Nachwuchs im Landtag kindgerecht an das Thema "Demokratie" herangeführt werde, bis hin zu Gesprächen mit dem britischen Generalkonsul oder dem ukrainischen Minister für Kommunen und Wiederaufbau.
Seine Freizeit verbringt Rainer Schmeltzer gerne mit der Familie und engen Freunden. Und natürlich mit dem Männergesangverein Germania Niederaden. Die Stimmlage des
1. Vizepräsidenten: Tenor. Auf zwei bis drei Auftritte kommen die Herren im Jahr, meist bei befreundeten Vereinen. Das Repertoire bestehe überwiegend aus alten Volksliedern, sagt Schmeltzer. Gelegentlich singe man auch Modernes, zum Beispiel ein Udo-Jürgens-Potpourri. Wobei "modern" in diesem Zusammenhang relativ sei, wie er anmerkt.
Michael Zabka
Zur Person
Nach der Mittleren Reife 1977 absolvierte Rainer Schmeltzer eine Ausbildung als Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Im selben Jahr trat er in die SPD und zwei Jahre später in die Gewerkschaft ÖTV (Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, heute Verdi) ein. Von 1980 bis 1992 war Schmeltzer bei der Dortmunder Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft beschäftigt. Es folgten Tätigkeiten als ÖTV-Gewerkschaftssekretär beim Hauptvorstand in Berlin und in der Kreisverwaltung Unna. In der rot-grünen Landesregierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) war Schmeltzer von Oktober 2015 bis Juni 2017 Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit Juni 2022 ist er 1. Vizepräsident des Landtags, seit Juni 2000 Abgeordneter. Rainer Schmeltzer ist verheiratet und Vater eines erwachsenen Sohns.
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