Premiere im Medienausschuss: Erstmals erörterte ein parlamentarisches Gremium Fragen der Finanzausstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Bisher liegt die Kompetenz über die Höhe der Gebühren zu beraten bei den Landesregierungen, die zu ihren Entscheidungen die Berichte der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) heranziehen und in Staatsverträgen niederlegen, die sie den jeweiligen Parlamenten zur Abstimmung vorlegen. Die 1975 gegründete KEF hat die Aufgabe, den Landesregierungen mindestens alle zwei Jahre einen Bericht zu erstatten, in dem sie die Finanzlage der Anstalten darlegt und zu der Frage Stellung nimmt, ob und in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt eine Änderung der Rundfunkgebühr notwendig ist.
Der Medienausschuss unter dem Vorsitz von Claudia Nell-Paul (SPD, r.) debattierte in seiner letzten Sitzung den gerade von der KEF vorgelegten 13. Bericht und hörte dazu den KEF-Vorsitzenden Dr. Franz Arnold (2.v r), den Intendanten Fritz Pleitgen (ARD, 3.v.r.), den Vorsitzenden der WDR-Rundfunkräte Reinhard Grätz (2. v.l.), den ZDF-Intendanten Professor Dr. Dieter Stolte (l.) und den (nicht abgebildeten) Intendanten des DeutschlandRadio, Ernst Elitz, an.
Rainer Conrad, Vorsitzender der KEF betonte, "die Rundfunkgebühr von derzeit 16,15 Euro reicht aus, um die Rundfunkanstalten bis Ende 2004 ihre Aufgaben erfüllen zu lassen". Das von der ARD bis dahin angemeldete Defizit von über einer halben Milliarde Euro werde nicht auftreten, sagte Arnold voraus: Im Gegenteil habe die KEF für die ARD - wenn auch mit bestimmten Risiken - einen Überschuss von 700 Millionen Euro ermittelt.
Der ARD-Vorsitzende und WDR-Intendant Fritz Pleitgen konterte: "Die 1,4 Milliarden Mark stehen erst auf dem Papier." Bei den Erträgen habe man alle Potentiale bis zum Äußersten erschöpft; was die Kriterien der Rationalisierungsmaßnahmen angehe, so sollten die objektivierbar und für alle nachvollziehbar sein. Ein Teil der aus Sparmaßnahmen erwirtschafteten Erlöse sei wieder in gesellschaftspolitisch bedeutsame Sendungen investiert worden, "das sollte man anerkennen". Was die Online-Angebote der Rundfunkanstalten angehe, so halte man sich hier an die Vorgaben des Gesetzes und wolle nicht in den E-Commerce einsteigen.
ZDF-Intendant Dieter Stolte überraschte auf der Sitzung die Ausschussmitglieder mit der Mitteilung, das ZDF komme, um sein wirtschaftliches Ziel zu erreichen, vermutlich nicht um Leistungseingriffe im Programm herum, die zum Kern des Programmauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehörten: Weniger Mittel ab 2003 für den Einkauf von Fußball, keine Mittel mehr für Tennis und Ski alpin.
Bei den Bemühungen um Einsparungen wies Stolte auf die Anstrengungen hin, die das ZDF unternommen habe, die Überversorgung ausscheidender Mitarbeiter, die es in der Vergangenheit gegeben habe, mit Erfolg abzubauen. Seit 1996 habe die Mainzer Anstalt 600 Stellen kostenmindernd abgebaut: 200 seien abgebaut und ohne Kostenerhöhung für neue Medienbereiche eingesetzt worden. In Richtung KEF meinte Stolte, die strukturelle Unterfinanzierung des ZDF werde dafür sorgen, dass der Sender sein Defizit nicht so bereinigen könne, wie die KEF das erwarte: Die gehe davon aus, dass es dem ZDF gelinge, dieses Defizit vollständig zu beseitigen.
Frequenzmangel in NRW
Der Intendant des 1994 gegründeten DeutschlandRadio, Ernst Elitz, wies darauf hin, dass sich die beiden Hörfunkprogramme, die seine Anstalt -komplementär zu den Landesrundfunkanstalten - bundesweit aus Köln und Berlin ausstrahle, auf Information und Kultur erstreckten. Elitz sah sich zu einem weiteren Personalabbau nicht in der Lage: Der Sender verfüge derzeit über 710 Planstellen, seine Vorgängeranstalten hätten 1 800 Planstellen gehabt. Der Intendant: "Dieser Abbau im öffentlich-rechtlichen Bereich hatte keinerlei Beispiel." Elitz kritisierte, dass die Anstalt immer noch über zu wenig Frequenzen im bevölkerungsreichsten Bundesland verfüge und das, obwohl mit Köln ein Sitz des Senders in NRW liege. Dieser Umstand, fuhr er fort, stelle die Zukunftsfähigkeit dieser Einrichtung in Frage.
Zum Ende der Sitzung formuliere Reinhard Grätz als Vorsitzender der WDR-Rundfunkräte die Position der größten Landesanstalt in der ARD. Er sah eine "moderate" Gebührenanpassung für 2005 als notwendig an; "aus heutiger Sicht", urteilte er, "ist es nicht vertretbar, die nächste Gebührenerhöhung erst im Jahr 2006 vorzunehmen." Ob sich die Produktivität der Sender wie von der KEF vorausgesagt, um drei Prozent steigern lasse, "bleibt dahingestellt". Für die Sender müsse sich ihr wirtschaftliches Handeln lohnen, forderte der Sprecher, das bedeute, dass die erwirtschafteten Gelder "straffrei" zu bleiben hätten, also in das Programm wieder investiert werden könnten. Auch sollte das beschäftigungspolitische Engagement der Sender im Ausbildungsbereich von der KEF honoriert werden.
Für die SPD bemerkte Jan Marc Eumann, Gebührenerhöhungen seien politische Fragen. Auch wenn die Regierungen darüber entschieden, "der Ärger wird bei uns in den Parlamenten abgeladen". Bei seiner Fraktion werde das Online-Angebot, gerade mit Blick auf die jüngeren Hörerinnen und Hörer, als "unverzichtbar" angesehen. Angesichts der Aufgabe, die der WDR bei der Regionalisierung habe, reichten die Mittel dazu nicht aus; hier sei eine neue Bewertung erforderlich.
Lothar Hegemann (CDU) legte die Rolle der Parlamente beim Verfahren der Gebührenerhöhung dar und fand es nützlich, wenn im Vorfeld solcher Beratungen der "Reichtum" der ARD öffentlich bekannt würde. Für das dem DeutschlandRadio auferlegte Werbeverbot habe er kein Verständnis, fuhr er fort und forderte den ZDF-Intendanten auf, seinerseits die Zahlen aus dem eigenen Gutachten zu den (zu hohen) Produktionskosten beim Zweiten Deutschen Fernsehen bekannt zu machen.
Kritisch zu den angekündigten Mittelkürzungen bei Fußball und Tennis äußerte sich Dr. Stefan Grüll (FDP): Eine Sendung wie der Musikantenstadl aus Dubai sei nicht nur "gebührenpflichtig, sondern auch schmerzensgeldpflichtig" gewesen. Die mangelnde technische Ausstattung des Deutschland-Radio in NRW bezeichnete er als "blamabel" für das Medienland Nordrhein-Westfalen.
Oliver Keymis (GRÜNE) sah in der Frequenzfrage des DeutschlandRadios ebenfalls Handlungsbedarf. Beim Online-Angebot müssten sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten im Interesse der Weiterentwicklung positionieren können. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland müsse "in der Breite seines Angebots und unter Verzicht auf Kommerzialisierung" konkurrenzfähig sein - darauf legten die GRÜNEN großen Wert. Seine Fraktion sage Ja zu Einsparungen und Veränderungen, aber das öffentlich-rechtliche System ist, wie Keymis wörtlich sagte, "wesentliches Element der gesellschaftlichen Stabilität in Deutschland".
Systematik: 7720 Rundfunk/Fernsehen
ID: LIN02696