Zu einem ersten Kontaktgespräch sind die Mitglieder des Sportausschusses mit der Leitung von Verlag und Redaktion des Sportinformationsdienstes (SID) in Neuss zusammengekommen. Das Gespräch diente dem gegenseitigen Kennenlernen und sollte die Chancen einer engeren Zusammenarbeit ergründen. In der Diskussion beklagten die Abgeordneten, daß Sportpolitik auf Landesebene kaum in den Spalten der Zeitungen vorkomme, während dem Leistungssport und dem Lokalsport breiter Raum zugestanden würde.
Von den Sprechern des SID - Rede und Antwort standen an diesem Nachmittag Alfons Gerz, geschäftsführender Gesellschafter und Verleger des SID, Chefredakteur Dieter Kühnle, Erich Acker, stellvertretender Chefredakteur und Chef vom Dienst, sowie Alfons Kranz, Verlagsleiter der Neusser Zeitungsverlag GmbH - wurde dieser landespolitische Nachholbedarf neben weiteren Bereichen, denen sich der Sport noch zu öffnen habe, gar nicht bestritten: Sie sahen das Problem eher in den einzelnen Sportredaktionen angesiedelt als bei sich. Man verwies auf die eigenen Anstrengungen, gesellschaftspolitische Aspekte in das eigene Angebot einfließen zu lassen, um von der 1:0- Berichterstattung zu mehr Hintergrundinformationen zu kommen. Hier habe man schon einen Prozentsatz von 20 vom Hundert erreicht, während der Ergebnisdienst 80 Prozent ausmache. Kühnle: "Wir lassen uns nicht entmutigen. Auch wenn es nicht gedruckt wird, bleiben wir uns unserer Verantwortung bewußt." Und Geschäftsführer Gerz ergänzte: Selbst nicht veröffentlichte Berichte blieben im Bewußtsein des Sportredakteurs haften, das zahle sich dann irgendwann aus.
Als Beispiele für Informationsangebote, die noch zuwenig Gegenliebe bei den Zeitungsredaktionen finden, wurde neben der Sportpolitik des Landes die Frage der Integration von Gastarbeitern im und durch den Sport genannt. Auch die Probleme, die derzeit Diplomsportlehrer auf dem Arbeitsmarkt haben, seien noch zuwenig ins Bewußtsein von Journalisten gedrungen; ganz abgesehen von der Bedrängnis, in die der Breitensport durch die aktuelle Finanzlage der öffentlichen Hände zu geraten drohe. Dazu Vorsitzender Richard Winkels (SPD): "Sport könnte zu einem Luxus werden, den sich bald niemand mehr leisten kann." Er erinnerte an die Initiative des Sportausschusses, der gegen die Absicht der Landesregierung die Gebührenfreiheit für Vereine bei Benutzung landeseigener Sporteinrichtungen gesichert hat. Nun kämen auf die Vereine in den Kommunen Gebühren zu. Erich Acker erklärte, daß die Agentur dies Thema schon aufgegriffen habe.
Kühnle nannte noch einen anderen Grund für die mangelnde Berücksichtigung sozialpolitischer Themen. Der Sport müsse lernen, daß er mit dem Platz, der ihm von den Verlagen eingeräumt wird, nicht auskommen könne: "Mit den derzeitigen Platzverhältnissen kann es keinen Fortschritt geben." Neben mehr Raum für sportliche Belange forderte der SID-Chefredakteur, daß auch Rundfunk und Fernsehen in stärkerem Maße sozialpolitische Aspekte im Sport behandeln. Eine weitere wichtige Sache sei es, die Weiterbildung von Sportredakteuren zu fördern. In diesem Zusammenhang stellte Gerz die Frage: "Wo bleibt der Lehrstuhl für Sportpublizistik an der Deutschen Sporthochschule in Köln?" NGZ-Verleger Kranz stellte fest, daß der Sport immer noch nicht den gesellschaftlichen. Rang eingenommen habe, der ihm zustehe; der Sport spiele in der Öffentlichkeit eine untergeordnete Rolle. Ausschußvorsitzender Winkels gab dem Sport für diese Entwicklung die Mitschuld: Jahrelang habe der Sport politische Neutralität mit politischer Abstinenz verwechselt. Winkels: "Sport hat deswegen keine Lobby." Der Sport müsse sich ändern, denn durch die finanzielle Entwicklung könne er bald an seinem Nerv getroffen werden.
Die Zeit vor diesem Austausch grundsätzlicher Fragen war von den Vertretern des SID genutzt worden, um ihre Arbeit vorzustellen. Der SID, dessen Zentrale in Neuss liegt, hat etwa 60 Mitarbeiter, von denen rund 35 im redaktionellen Bereich tätig sind. Als Zulieferer dienen die drei Zweigstellen in Hamburg, München und Frankfurt mit je drei Beschäftigten. Sie geben ihre Berichte und Informationen an die Nachrichtenzentrale in Neuss weiter, die von hier für die bundesweite und in Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtenagenturen auch für die weltweite Verbreitung sorgt. Hilfreich ist dabei die modernste Nachrichtentechnik, auf die man sich inzwischen umgestellt hat- per Funk, nicht mehr per Draht. SID-Chefredakteur Kühnle stolz: "Unser Sportangebot kann bis in die Setzerei hineingesendet werden." Den für eine Agentur lebensnotwendigen Nachrichtenfluß halten die rund 400 bundesdeutschen freien Mitarbeiter in Gang. In Neuss entstehen Tag für Tag zwischen 2000 und 3000 Zeilen, in Spitzenzeiten sogar mitunter 5000 Schreibmaschinenzeilen, mit denen sich Tag für Tag eine ganze Zeitung füllen ließe, die nur über sportliche Ereignisse berichtet. Angeschlossen sind dieser reinen Sportagentur (die Konkurrenz, die Deutsche Presse-Agentur, widmet sich dem Sport nur als einem von mehreren Gebieten) rund 95 Prozent aller bundesdeutschen Tageszeitungen. Dort finden die zuständigen Redakteure oft nicht mehr die Zeit, die einlaufende Nachrichtenmenge nach eigenen Maßstäben zu bearbeiten. Bei der Nachdruckkontrolle stellt man in der Neusser Zentrale immer wieder fest, daß ganze Artikel wortgetreu, ohne Veränderung von Überschrift oder Aufmachung, übernommen werden.
Bei SID erklärt man dies mit dem enormen Zeitdruck, unter den man immer stärker gerate: Längst sei Sport keine Wochenendveranstaltung mehr, er dränge in die Abende der Woche und lasse vielen Journalisten nicht mehr die Zeit, kritisch über ihr eigenes Tun nachzudenken. Hinzu komme der Umstand, daß der Leistungssport nachhaltig die Terminkalender erobere. Kühnle: "Vieles muß einfach mit der heißen Nadel genäht werden."
Bildunterschrift:
Der Computer hilft, daß nur zwei Minuten nach Ende eines Spiels Ergebnis und Spielbericht den angeschlossenen Zeitungsredaktionen vorliegen, über die Arbeit an Schreibmaschine und Bildschirm informierte sich der Sportausschuß bei einem Rundgang. Das Bild zeigt im Kreis der Ausschußmitglieder den Ausschußvorsitzenden Richard Winkels (SPD, zweiter von rechts) und den stellvertretenden Vorsitzenden Kurt Schmelter (CDU, Bildmitte) im Gespräch mit Chefredakteur Kühnle (rechts).
Systematik: 7600 Sport
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