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  • Stotko, Thomas (SPD); Stein, Robert (CDU); Bolte, Matthi (Grüne); Witzel, Ralf (FDP); Herrmann, Frank (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: Meinungen zum Schwerpunkt "Digitale Verwaltung in NRW".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 3 - 26.04.2016

    Die elektronische Verwaltung in NRW ist ...

    Thomas Stotko (SPD) ... eine Notwendigkeit im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft und zugleich eine wichtige Möglichkeit, um Verfahrensabläufe innerhalb der Verwaltung zu vereinfachen und effektiver zu gestalten.
    Robert Stein (CDU) ... längst überfällig.
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... an vielen Stellen auf einem guten Weg. Wir haben bei unserem zweiten GRÜNEN Online- Check in den Kommunen viele Verbesserungen erkannt. Mit dem E-Government-Gesetz schaffen wir einen im Ländervergleich vorbildlichen Rahmen, um die elektronische Verwaltung voranzubringen, zum Beispiel, indem Behörden Akten elektronisch führen und ihre Prozesse für die elektronische Abwicklung optimieren.
    Ralf Witzel (FDP) ... ein wichtiges Instrument zur Verwaltungsmodernisierung. Sie bildet das Fundament einer dienstleistungsorientierten Behörde. Nicht nur die Kommunikation mit Wirtschaft und Bürgern wird so vereinfacht und schneller, auch verwaltungsintern werden Abläufe klarer strukturiert und effzienter. Kürzere Bearbeitungs- und Genehmigungszeiten fördern die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... leider seit über 20 Jahren immer noch "vor dem Durchbruch". Um die Vorteile einer elektronischen Verwaltung voll nutzen zu können, muss eine flächendeckende Service-Architektur geschaffen werden. Kompatibilität und Interoperabilität von Angeboten und Dienstleistungen der Verwaltungen in ganz Europa müssen oberstes Ziel der Reform sein.

    Für Bürgerinnen und Bürger ist die elektronische Verwaltung ...

    Thomas Stotko (SPD) ... wichtig, um mit Behörden einfach Kontakt aufzunehmen und zu kommunizieren. Künftig wird die Verwaltung nicht nur die Kontaktaufnahme vereinfachen, sondern einen sicheren Dokumentenaustausch unter anderem über verschlüsselte E-Mails oder elektronische Identitätsnachweise gewährleisten. Zudem verfolgen wir die elektronische Durchführung von Verwaltungsverfahren sowie die elektronische Zahlung.
    Robert Stein (CDU) ... bei richtiger Ausgestaltung eine Bereicherung, die flexibel und bürokratiearm kurze Behördengänge von überall ermöglichen kann. 
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... eine Erleichterung im Alltag. Wenn beispielsweise eine Urkunde online bestellt werden kann, entfällt der Gang ins Bürgerbüro. Auf unserer Fraktionsreise nach Estland haben wir erfahren, dass Bürgerinnen und Bürger durch das hervorragende E-Government eine Woche pro Jahr an Zeit sparen. Entwickelt sich E-Government zu Open Government, bieten sich Chancen für politische Transparenz und Beteiligung.
    Ralf Witzel (FDP) ... ... dann von Vorteil, wenn das Angebot ihrem Bedarf entspricht und sie beispielsweise durch online verfügbare Formulare und Informationen Zeit sparen können und nicht an die Öffnungszeiten von Ämtern gebunden sind. Digitalangebote sollten aber stets ergänzend angeboten werden, denn es gibt auch unverändert etliche Bürger, die eine persönliche Beratung wünschen oder sich mit Onlineplattformen schwer tun.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... eine Selbstverständlichkeit, die sie auch aus der Wirtschaft kennen. Einfach, bequem und sicher von zu Hause oder unterwegs die notwendigen Besorgungen und Geschäfte zu machen ist seit Jahren weit verbreitet. Offen, modern und serviceorientiert werden Eigenschaften der elektronischen Verwaltung sein, die Bürgerinnen und Bürger schätzen werden.

    Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltungen ...

    Thomas Stotko (SPD) ... benötigen Schulungen und breite Unterstützung bei diesem Prozess. Neben der Belastung der Umstellung werden sie von der Einführung der Prozesse ebenfalls profitieren, beispielsweise durch den Wegfall doppelter Aktenanlagen, den verwaltungsinternen Datenaustausch und den ständigen Zugriff auf Daten, ohne Akten anfordern zu müssen.
    Robert Stein (CDU) ... können profitieren, wenn durch die elektronische Verwaltung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (z.B. Telearbeit nach der Geburt eines Kindes) verbessert wird. 
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... profitieren ebenfalls, wenn durch E-Government Arbeitsabläufe vereinfacht werden und sie die Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern auch mithilfe des Internets erfüllen können. Wir wollen bei der Weiterentwicklung der Verwaltung die Beschäftigten und ihre Bedürfnisse einbeziehen und entsprechende Inhalte in der Verwaltungsausbildung stärken.
    Ralf Witzel (FDP) ... sollten die fortschreitende Digitalisierung und die Möglichkeiten, die sich daraus zur Kommunikation und Arbeitserleichterung ergeben, grundsätzlich als Chance betrachten. Auch Teleheimarbeit kann dadurch bei strikter Wahrung des Datenschutzes erleichtert werden. Auf die neuen Herausforderungen müssen Arbeitnehmer aber gut vorbereitet werden, damit keine Überforderung eintritt.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... sollen durch moderne IT-Landschaften unterstützt, einfache Arbeitsschritte sollen automatisiert werden. Dadurch kann die öffentliche Hand dem demografischen Wandel in der Verwaltung begegnen. Moderne Aktenführung erlaubt die gleichzeitige Kollaboration unterschiedlicher Behörden und ermöglicht so neue Formen der Beschäftigung, wie etwa Homeoffice.

    Eine Verwaltung ohne Papier ...

    Thomas Stotko (SPD) ... wird vorerst Zukunftsmusik sein. Aber sie würde eine ressourcenschonende Art der Kommunikation ermöglichen und zugleich die Grundlage für die Zukunftsfähigkeit der Verwaltungsabläufe darstellen.
    Robert Stein (CDU) ... muss einen hinreichenden Datenschutz sicherstellen und ausfallfrei funktionieren.
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... ... bringt auch den digitalen Wandel der Gesellschaft insgesamt voran. Wir wissen beispielsweise aus Estland, dem Paradebeispiel für eine digitale Gesellschaft, dass dort der öffentliche Sektor als Motor für die gesellschaftliche Digitalisierung fungiert hat. Auch die Wirtschaft profitiert von einer schnellen und professionellen Verwaltung, wenn Anträge zügig bearbeitet werden.
    Ralf Witzel (FDP) ... ... ist heute noch Zukunftsmusik, aber aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen in einigen Bereichen perspektivisch denkbar. E-Government ist oft kostengünstig und schnell. Digitalisierung stößt aber an ihre Grenzen, wenn es um hoch sensible Vorgänge oder offzielle Akte geht. Wahlen lassen sich kaum durch Abstimmungsautomaten ersetzen, und Zeugnisse sollten nicht auf CD überreicht werden.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... wird es auch mit dieser E-Government-Reform nicht geben. Zum einen gibt es durchaus Bereiche, in denen man im Notfall auf Papierverfahren zurückgreifen muss oder in denen es einfach wirtschaftlicher ist, zum anderen sollten Bürgerinnen und Bürger nach wie vor die Möglichkeit haben, die Verwaltung möglichst barrierearm zu erreichen, ob per Telefon, per Post oder elektronisch.

    Beiträge in alleiniger Verantwortung der Fraktionen

    Systematik: 1200 Öffentliche Verwaltung; 7740 Informations- und Kommunikationstechnologien

    ID: LI160309

  • Wenn zwei sich streiten.
    Sachverständige äußern sich zum Vorschlag einer Polizeibeschwerdestelle.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 2 - 22.03.2016

    16. Februar 2016 - Die PIRATEN-Fraktion regt die Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle in Nordrhein-Westfalen an. Bürgerinnen und Bürger könnten sich an sie wenden, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Zugleich sollten dort auch Polizistinnen und Polizisten eine Anlaufstelle haben, um über mögliche Missstände in ihrer Behörde zu berichten. In einer Anhörung des Innenausschusses äußerten sich Sachverständige zu dem Antrag.
    Die PIRATEN schlagen in ihrem Antrag (Drs. 16/8974) u. a. vor, zunächst einen "Runden Tisch" mit Vertreterinnen und Vertretern der Landesregierung, der Landtagsfraktionen und der Polizei-Gewerkschaften einzuberufen. Er solle später um Sachverständige aus der Wissenschaft ergänzt werden. Ein erfolgreiches Beispiel für eine unabhängige Beschwerdestelle sei der seit Juli 2014 in Rheinland-Pfalz tätige Beauftragte für die Landespolizei.
    Die Polizei-Gewerkschaften lehnten die Einrichtung einer solchen Beschwerdestelle ab. Es sei bereits jetzt problemlos möglich, "sich über tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten der Polizistinnen und Polizisten zu beschweren", hieß es in der Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ein internes Beschwerdemanagement sei ebenfalls vorhanden. Zudem sei eine solche Stelle nicht geeignet, mehr Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei zu schaffen: "Eher wahrscheinlich erscheint uns die Annahme, dass durch die Besonderheit einer Polizeibeschwerdestelle ein Misstrauen gegen die Polizei des Landes geschürt wird."

    "Kein Mehrwert"

    Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sah ebenfalls keine Notwendigkeit, eine unabhängige Beschwerdestelle einzurichten. Im Januar 2012 sei ein einheitliches Beschwerdemanagement bei der Polizei eingeführt worden, das Zuständigkeiten, Abläufe und Bearbeitungsstandards regle. Ein möglicher Mehrwert durch die von den PIRATEN angeregte Stelle sei nicht erkennbar.
    Ähnlich äußerte sich die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). Beschwerden und Eingaben aus der Bevölkerung würden bereits entgegengenommen und dem Beschwerdemanagement zugeleitet. Darüber hinaus sei sichergestellt, dass auch innerdienstliche Probleme aufgearbeitet würden.
    In Rheinland-Pfalz habe man mit der 2014 eingerichteten unabhängigen Beschwerdestelle gute Erfahrungen gemacht, berichtete Dieter Burgard, Bürgerbeauftragter des Landes und zugleich Beauftragter für die dortige Landespolizei. Ziel sei es, "Konflikte mit und in der Polizei einvernehmlich mit den Mitteln der partnerschaftlichen Kommunikation zu bereinigen". Als Beauftragter für die Landespolizei sei er "Ombudsmann für Bürger und Polizisten" und berichte einmal im Jahr dem Landtag. In seinem ersten Amtsjahr seien 54 Bürgerbeschwerden und 29 Eingaben von Polizistinnen und Polizisten an ihn gerichtet worden.
    Udo Behrendes, Leitender Polizeidirektor a. D., sah im rheinland-pfälzischen Modell einen "begrüßenswerten Schritt zu einer noch bürgerorientierteren, am Zielbild der Mediation ausgerichteten Beschwerdebearbeitung". Die Polizei sollte "selbstbewusst und offen dafür sein, die vorhandene Vertrauensbasis weiter zu verfestigen". Die Etablierung eines unabhängigen Polizeibeauftragten sei "kein Misstrauensvotum gegen die Polizei, sondern eine weitere vertrauensbildende Maßnahme für das Verhältnis der Gesellschaft zu ‚ihrer‘ Polizei".
    Die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle sei aus wissenschaftlicher Perspektive "uneingeschränkt zu begrüßen", befand Prof. Dr. Michael Bäuerle (Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung). Die im Antrag beabsichtigte Ansiedlung beim Landtag und eine entsprechende Berichtspflicht nannte er "zielführend".
    Prof. Dr. Hartmut Aden (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) sprach sich ebenfalls für die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle aus. Zwar hätten die meisten Polizeibehörden in Deutschland ein "mehr oder weniger effektives Verfahren, um mit Beschwerden umzugehen". Allerdings könnten sie nicht alle notwendigen Funktionen effektiv erfüllen. Empirische Untersuchungen hätten gezeigt, "dass Fälle, in denen Polizeieinsätze gegenüber Außenstehenden unangemessen oder gar rechtswidrig verlaufen, oft nicht hinreichend und nicht mit der gebotenen Neutralität aufgeklärt werden".
    Als "sinnvolles Instrument" bezeichnete Prof. Dr. Bernhard Frevel (Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW) eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle. Sie könne u. a. helfen, das Ansehen der Polizei zu stärken, den Kontakt zur Bevölkerung zu fördern sowie die Fehler- und Lernkultur innerhalb der Organisation zu verbessern.
    zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 1310 Polizei

    ID: LI160205

  • Stotko, Thomas (SPD); Kruse, Theodor (CDU); Schäffer, Verena (Grüne); Lürbke, Marc (FDP); Schatz, Dirk (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: Meinungen zum Schwerpunkt "Polizeibeschwerdestelle".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 2 - 22.03.2016

    Bei Problemen zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Polizei ...

    Thomas Stotko (SPD) ... handelt es sich nicht immer um Straftaten, sondern häufig um Missverständnisse oder Kommunikationsfehler. Außerhalb der polizeilichen Situation kann dies oft in Gesprächen bereinigt werden.
    Theo Kruse (CDU) ... können die Bürger schon heute formlos eine Beschwerde an die Polizei senden. Anschließend geht ein qualifiziertes Beschwerdemanagement der Angelegenheit nach und unterrichtet den Beschwerdeführer über das Ergebnis der Überprüfung. Sollten sich zureichende Anhaltspunkte für ein strafrechtliches Fehlverhalten der Polizei ergeben, wird der Vorgang der zuständigen Staatsanwaltschaft zugeleitet.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... ist es wichtig, durch offenen Umgang mit Kritik den Beschwerden und Anliegen aus der Bevölkerung gerecht zu werden und diese konstruktiv für die Polizeiarbeit aufzunehmen. Wir wollen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Arbeit der Polizei kontinuierlich stärken und die polizeiliche Arbeit im Sinne einer bürgernahen Polizei weiterentwickeln.
    Marc Lürbke (FDP) ... sind ein transparenter Umgang und eine unbelastete Aufarbeitung unerlässlich. Nicht erst die Kölner Silvesternacht zeigt, dass Bürgerinnen und Bürger wie auch am Einsatz beteiligte Beamte dies zu Recht erwarten. Es ist wichtig, dass eine unverzügliche Aufklärung künftig sichergestellt wird, ohne dass das Parlament dies von der Regierung erst einfordern muss.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... bieten die Mittel der Mediation im Rahmen eines unabhängigen Polizeibeauftragten neue Lösungsansätze. Den Betroffenen kommt es oft weniger auf straf- oder disziplinarrechtliche Sanktionen an. Vielmehr wollen sie mit ihrem Anliegen ernst genommen werden. Die Mediation kann helfen, das Verhältnis zwischen den Konfliktparteien zu klären und gemeinsam einen Konsens zu erarbeiten.

    Das derzeitige Beschwerdemanagement der Polizei ...

    Thomas Stotko (SPD) ... funktioniert einwandfrei. Nach dem jährlichen Beschwerdebericht der Polizei wurden 2014 mehr als 4.200 Beschwerden bearbeitet. Das zeigt, dass es eines gesonderten Verfahrens zur Beschwerdeentgegennahme nicht unbedingt bedarf.
    Theo Kruse (CDU) ... dient dazu, die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der täglichen Arbeit der Polizei zu erhalten bzw. weiter zu verbessern. Über die Arbeit des Beschwerdemanagements legt die Landesregierung dem Innenausschuss jedes Jahr einen Bericht vor. Diese Berichte verdeutlichen, dass das Beschwerdemanagement der Polizei von der Bevölkerung angenommen wird und gut funktioniert.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... hat die rot-grüne Landesregierung eingeführt und ist ein wichtiger Schritt, um die Hemmschwelle für Bürgerinnen und Bürger für die Eingabe von Beschwerden und Anliegen zu senken. Die Veröffentlichung der jährlichen Beschwerdeberichte gewährleistet einen transparenten Umgang mit dem Thema.
    Marc Lürbke (FDP) ... bietet zwar die Möglichkeit, im Wege einer Fach- und Dienstaufsichtsbeschwerde vorzugehen, jedoch wird über diese Beschwerde nur innerhalb der Organisationsstrukturen der Polizei selbst entschieden. Bei substanziellen Strafanzeigen sichert die Abgabe an eine andere Polizeibehörde und Staatsanwaltschaft grundsätzliche Neutralität auch im Sinne der Betroffenen und der Polizei selbst.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... greift zu kurz. Deshalb wollen wir für NRW etwas Neues schaffen. Einen niedrigschwelligen Zugang zu einer unabhängigen Stelle, die u.a. Beschwerden und Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern aber auch von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vertraulich und kompetent untersucht und bearbeitet.

    Innerdienstliche Probleme ...

    Thomas Stotko (SPD) ... werden nach der Modernisierung des Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG) auch mit Personalräten umfassend angesprochen. Durch Mitarbeiter-, Führungskräfte- und kollegiale Gespräche ist sichergestellt, dass niedrigschwellig Anreize bestehen, um die Fehlerkultur zu verbessern und Probleme offen anzugehen. Auch das Ausbildungs- und Fortbildungsprogramm der Polizei ist darauf ausgelegt.
    Theo Kruse (CDU) ... werden vor allem durch die landesweit 230 Sozialen Ansprechpartner der Polizei gelöst. Diese bieten Hilfen bei unterschiedlichsten Problemlagen an, wie z.B. bei Sucht, Mobbing, Arbeitsüberlastung oder sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Darüber hinaus stehen den Beamten Gleichstellungsbeauftragte, Polizeiärzte und -pfarrer sowie die Schwerbehindertenvertretung als Ansprechpartner zur Verfügung.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... werden bislang durch das bestehende Beschwerdemanagement nicht abgedeckt. Als GRÜNE Fraktion halten wir es für sinnvoll, diese Lücke zu schließen und für innerdienstliche Anliegen von Polizist*innen perspektivisch die Stelle einer bzw. eines unabhängigen Polizeibeauftragen einzurichten. Die Stelle sollte Verbesserungsvorschläge für die polizeiliche Arbeit anregen und Anliegen von Polizist/innen an die Politik herantragen.
    Marc Lürbke (FDP) ... müssen unter Wahrung der Anonymität gemeldet werden können, damit Hinweise auf Missstände und Fehler in den Behörden unabhängig überprüft werden können und abgeholfen werden kann. Das gilt auch für mangelnde interne Unterstützung bei der konsequenten Verfolgung von Beleidigungen und Angriffen auf Beamtinnen und Beamte, Unterbesetzungen wegen Personalnot vor Ort oder Überlastung in den Behörden.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... lassen sich häufig leichter mit einer außenstehenden Vertrauensperson besprechen. Selbstverständlich steht den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auch der reguläre Dienstweg zur Verfügung. Doch viele nutzen diesen Weg bewusst nicht, weil sie bei bestimmten Themen negative Konsequenzen fürchten. Dadurch geht das jeweilige Begehren der Beamtinnen und Beamten nicht selten unter.

    Eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle für NRW ...

    Thomas Stotko (SPD) ... ist unter Berücksichtigung der Aufgaben des Petitionsausschusses und vorher genannter Möglichkeiten derzeit schwer vorstellbar. Aufgrund des hohen bürokratischen Aufwands müsste die Notwendigkeit einer solchen Stelle umfassend begründet werden. Deshalb sollten weitere Erfahrungen aus anderen Ländern abgewartet werden.
    Theo Kruse (CDU) ... ist angesichts der vielfältigen vorstehend beschriebenen Kontrollmöglichkeiten in Bezug auf das Handeln der Polizei Nordrhein- Westfalen nicht erforderlich. Sollte sich in der Praxis dennoch Änderungsbedarf ergeben, ist es Aufgabe der Landesregierung, hier Abhilfe zu schaffen.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... streben wir als GRÜNE Fraktion im Sinne einer bzw. eines unabhängigen Polizeibeauftragten perspektivisch an. Diese Stelle soll sowohl Anliegen aus der Bevölkerung als auch Anliegen von Polizistinnen und Polizisten annehmen. Denkbar ist eine Schlichtungsfunktion bei Beschwerden von Betroffenen polizeilicher Maßnahmen gegen Polizist/innen. Die Person sollte unabhängig vom Innenministerium sein und vom Parlament gewählt werden.
    Marc Lürbke (FDP) ... wollen wir in der Form ermöglichen, dass Polizeibeamte sich auch an einen Polizeibeauftragten des Parlaments - ähnlich dem Justizvollzugsbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen bzw. Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages - als Ombudsmann wenden können.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... greift begrifflich zu kurz. Vielmehr geht es uns um einen ganzheitlichen Ansatz im Sinne eines vollwertigen Polizeibeauftragten, der weit über eine reine Beschwerdebearbeitung hinaus sowohl für die Belange der Bürger als auch der Beamten zuständig ist. Außerdem soll durch ihn aus wissenschaftlicher Sicht Polizeiforschung erleichtert, gefördert und ggf. selbst betrieben werden.

    ID: LI160210

  • Willkommen im neuen Besucherzentrum.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 2 - 22.03.2016

    Informationen rund um die Arbeit von Landtag und Abgeordneten - und zwar multimedial und interaktiv: Das gibt es seit Ende Februar im neuen Besucherzentrum des Landesparlaments in Düsseldorf. Herzstück des Zentrums ist eine 240-Grad-Panorama-Leinwand.

    Das Besucherzentrum ist an rund 40 Wochenenden im Jahr geöffnet - Besucherinnen und Besucher können samstags und sonntags jeweils von 11 bis 17 Uhr auf der Panorama-Leinwand einen etwa zehnminütigen Film sehen, der zeigt, wie die Abgeordneten des Landtags arbeiten und welche Aufgaben und Funktionen das Parlament hat. Dank der fast rundum verlaufenden Leinwand stehen sie dabei in der Mitte des parlamentarischen Geschehens. Der Film wird jeweils zur halben und zur vollen Stunde gezeigt. Für Besucherinnen und Besucher mit Hörschädigung steht eine Version mit Gebärdensprach-Dolmetscher zur Verfügung.

    Acht Informationsstelen

    Weitere Informationen können an acht interaktiven Stelen abgerufen werden. Dort erfahren Besucherinnen und Besucher mehr über das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen und über die Abgeordneten. Sie können verfolgen, wie ein Gesetz entsteht. Oder sie planen die exemplarische Arbeitswoche eines Parlamentariers. Ein Quiz mit Fragen zu Land und Landtag rundet das Angebot ab.
    Natürlich steht der Landtag an den Besucherwochenenden auch zur individuellen Erkundung bereit. Geöffnet sind der Plenarsaal, Fraktionssäle und der Raum, in dem Pressekonferenzen stattfinden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Besucherdienstes beantworten Fragen. Immer zur vollen Stunde finden zudem geführte Besichtigungstouren durch den Landtag statt.

    70.000 Besucherinnen und Besucher

    Für das neue Besucherzentrum ist der bisherige Vortragssaal des Landtags in rund sechs Monaten zunächst barrierefrei umgebaut und dann mit modernster Medientechnik ausgestattet worden. Das Angebot ergänzt das umfangreiche Besuchsprogramm für geführte Gruppen, an dem jedes Jahr rund 70.000 interessierte Bürgerinnen und Bürger teilnehmen.
    Das neue Besucherzentrum ist zugleich der zweite Teil eines Gesamtkonzepts zur Erweiterung der Informationsangebote des Landtags. Bereits seit vergangenem August können Interessierte auf den "Wegen der parlamentarischen Demokratie" die Orte in Düsseldorf entdecken, an denen der Landtag seit seiner Konstituierung 1946 getagt hat. Weitere Informationen zu diesem Angebot finden Sie unter: www.landtag.nrw.de.
    Gegen Ende des Jubiläumsjahres wird der Landtag dann in der Villa Horion eine landtagsgeschichtliche Ausstellung für geführte Besuchergruppen eröffnen. Sie werden dort auf eine Zeitreise durch sieben Jahrzehnte Landtagsgeschichte mitgenommen.
    wib

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Besucherzentrum lesen Sie auf den Seiten 14 und 15.

    ID: LI160211

  • "Man hat das Gefühl, man ist mittendrin".
    Neues Besucherzentrum lockt schon am ersten Wochenende 1.000 Menschen an.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 14-15 in Ausgabe 2 - 22.03.2016

    27. Februar 2016 - Zu sehen ist erst einmal: nichts. Also Augen zu und lauschen. Der Lore, die durch den Schacht rumpelt, und dann, Glückauf, dem Steigerlied. Dem Jubel im Stadion, der Stimmung im Karneval. Dem Vorbeirauschen der Autos, den Zügen, den Flugzeugen. Dem Lachen der Kinder, dem Zwitschern der Vögel. Dann die ersten bewegten Bilder: junge Reiterinnen an den Externsteinen im Teutoburger Wald, der Duisburger Hafenmeister in seinem Revier. Und natürlich der Blick ins Parlament. Willkommen in Nordrhein-Westfalen. Besser gesagt: Willkommen im neuen Besucherzentrum des Landtags.
    Samstag, 27. Februar. Blauer Himmel, strahlender Sonnenschein, Temperaturen um die 4 Grad. Perfektes Ausflugswetter. Und das nutzen viele, um den Landtag Nordrhein-Westfalen zu besichtigen. Gespannt sind sie vor allem auf das neue Besucherzentrum, das - nach der offziellen Eröffnung am 24. Februar 2016 - an diesem Tag erstmals seine Pforten für Gäste geöffnet hat. Das Fazit vorab: Man ist beeindruckt.
    Die Resonanz am Premieren-Wochenende ist groß. Rund 1.000 Besucherinnen und Besucher, junge und nicht mehr ganz junge Leute, schauen sich im Landtag um. Von großem Interesse ist natürlich das neue multimediale Besucherzentrum mit seinen Informationsstelen und der 240-Grad-Panaroma-Leinwand. Eine der ersten, die den etwa zehnminütigen Film über Land und Leute, die Arbeit der Abgeordneten und die Aufgaben der parlamentarischen Demokratie sehen, ist Romelia Fiering (18) aus Düsseldorf. "Das hat mir super gefallen", sagt die Schülerin, die sich "spontan" zu einem Besuch des Landtags entschlossen hatte. Vor allem die Visualisierung sei beeindruckend, meint die junge Frau. Ganz fachfremd ist sie nicht: In ihrer Freizeit fotografiert die 18-Jährige gerne.

    "Tolles 240-Grad-Kino"

    "Sehr gut! Klasse! Man hat das Gefühl, man ist mittendrin", lobt Petra Segschneider (52) aus Erftstadt-Gymnich. Der Film sei "mega-interessant". "Tolles 240-Grad-Kino, ein schöner Film", findet Bastian Schmale (35) aus Düsseldorf. Der Film zeige viele Facetten von NRW. Auch die Einstiegssequenz in der keine Bilder zu sehen, sondern ausschließlich Töne zu hören sind, hat es ihm angetan: Fußball, Karneval und ganz besonders das Steigerlied. "Das ist einfach gut gemacht", urteilt Bernd Abel (35) aus Meinerzhagen. Der Film sei sehr kompakt und nicht zu lang: "Ein Film kann einen schließlich auch erschlagen."
    Die acht interaktiven Stelen, an denen sich die Besucherinnen und Besucher u. a. über das Parlament und seine Aufgaben, die Wahl zum Landtag und die Gesetzgebung informieren oder ihr Wissen bei einem Quiz testen können, werden gerne ausprobiert. "Das ist vor allem für Jüngere interessant, weil sie selbst aktiv werden können", sagt Christoph Bluemcke (22) aus Berlin. Das Besucherzentrum sei "einladend gemacht". Den Film auf der 240-Grad-Panorama-Leinwand findet er ebenfalls eindrucksvoll: "Einen solchen Film habe ich in Berlin noch nicht gesehen."
    Das Angebot des Landtags beschränkt sich nicht auf die Besichtigung des neuen Besucherzentrums. Führungen durchs Gebäude, aber auch individuelle Rundgänge stehen ebenfalls auf dem Programm. Und so können Interessierte vieles, was sie aus dem Film kennen, noch einmal "in echt" betrachten - den Plenarsaal zum Beispiel, aber auch Fraktionssäle. Ein Blick in den Raum der Landespressekonferenz ist ebenfalls erlaubt.
    zab

    ID: LI160212

  • Pro und Contra Sperrklausel.
    Anhörung zur geplanten Wiedereinführung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 1 - 02.02.2016

    21. Januar 2016 - SPD, CDU und GRÜNE wollen eine Sperrklausel von 2,5 Prozent bei Kommunalwahlen einführen. Damit könne eine "Zersplitterung der Kommunalvertretungen", die die Handlungsfähigkeit der Räte und Kreistage beeinträchtige, verhindert werden. In einer Anhörung des Hauptausschusses und des Ausschusses für Kommunalpolitik äußerten sich zahlreiche Sachverständige dazu.
    Grundlage der Anhörung war ein Gesetzentwurf von SPD, CDU und GRÜNEN (Drs. 16/9795). Nachdem der NRW-Verfassungsgerichtshof 1999 die bis dahin geltende 5-Prozent-Sperrklausel für verfassungswidrig erklärt und das Land die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen dazu gestrichen hatte, sei es zu einer "Zersplitterung der Kommunalvertretungen" gekommen, heißt es im Entwurf. Die Handlungsfähigkeit der Räte und Kreistage sei dadurch beeinträchtigt. U. a. könnten sich Tagesordnungen und Sitzungen "in einem unvertretbaren Maß in die Länge ziehen".
    Dies bestätigte die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW (Städtetag, Landkreistag, Städte- und Gemeindebund): "Ausschuss- und Rats- sowie Kreistagssitzungen dauern teilweise bis weit in die Nacht, weil mitunter gerade die Vertreter von Splitterparteien und Einzelmandatsträger durch das Stellen immer neuer Anträge oder von Nachfragen die Entscheidungsfindung verzögern."
    Für die Verabschiedung des Haushalts 2016 sei in der Stadt Düsseldorf eine 15-stündige Ratssitzung erforderlich gewesen, so die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik, die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU und die Grünen/Alternativen in den Räten NRW in einer gemeinsamen Stellungnahme. Sie wiesen auf den zeitlichen Mehraufwand hin, denen ein ehrenamtliches Ratsmitglied ausgesetzt sei: "Extrem lange und strapaziöse Sitzungen belasten unmittelbar die Vereinbarkeit des kommunalen Mandats mit Beruf und Familie."
    Ulrich Roland, Bürgermeister in Gladbeck, kritisierte ebenfalls das Fehlen einer Sperrklausel. Folgen seien "mangelnde Effizienz kommunalpolitischer Arbeit" und eine "erhebliche Bündelung von Ressourcen in der Verwaltung". Das Fehlen einer Sperrklausel sei "letztlich keine Stärkung, sondern eine Schwächung der Demokratie". Die Mehrheitsbildung in den Räten werde schwieriger, befand auch Helmut Ludwig, Fraktionsgeschäftsführer der GRÜNEN im Rat der Stadt Aachen.
    Man begrüße die Einführung einer Sperrklausel von 2,5 Prozent ausdrücklich, schrieb die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Duisburg. Der Vorschlag sei vernünftig und sollte zur nächsten Kommunalwahl umgesetzt werden, so Stefan Weber, CDU-Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Münster.

    "Zersplitterung"

    Die Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen sei mittlerweile erheblich gestört, erklärte Prof. Dr. Jörg Bogumil (Ruhr-Universität Bochum). Es zeige sich eine "erhebliche Zersplitterung und Fragmentierung insbesondere in den Groß-, aber auch in den Mittelstädten".
    Eine Funktionsunfähigkeit der Räte und Kreistage sei nicht nachgewiesen, hieß es dagegen in einer Stellungnahme der Vereinigung Liberaler Kommunalpolitiker in Nordrhein-Westfalen. Der Gesetzentwurf sei nicht verfassungskonform. Die Piraten in der Kommunalpolitik in NRW sahen das ebenso. Die Einführung von Sperrklauseln sei demokratiefeindlich, widerspreche dem Wählerwillen und fördere Politikverdrossenheit.
    "Der verfassungsändernde Gesetzgeber des Landes ist unter keinem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt gehindert, eine verfassungsunmittelbare 2,5-Prozent-Sperrklausel für Kommunalwahlen in die Verfassung NRW einzufügen", schrieb Prof. Dr. Lothar Michael (Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf) in seiner Stellungnahme.
    Prof. Dr. Janbernd Oebbecke (Westfälische Wilhelms-Universität Münster) hingegen warnte vor der Wiedereinführung einer Sperrklausel. Ihre Aufnahme in die Verfassung setze "die Kommunalwahlen 2020 einem nicht unerheblichen Risiko aus, weil eine rechtzeitige Klärung der Verfassungskonformität" bei der zu erwartenden Klage vor dem Bundesverfassungsgericht nicht sicher erwartet werden könne. Die Einführung der Klausel könne nicht mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Funktionsfähigkeit der Selbstverwaltung zu sichern. Die kommunale Selbstverwaltung funktioniere in der großen Mehrzahl der Städte und Kreise. Der Gesetzentwurf genüge nicht "den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die Einschränkung der Wahlrechtsgleichheit in Bezug auf Kommunalvertretungen gestellt werden", meinte Prof. Dr. Hinnerk Wißmann (Westfälische Wilhelms-Universität Münster).
    zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 1080 Wahlen; 1230 Kommunale Angelegenheiten

    ID: LI160111

  • Müller-Witt, Elisabeth (SPD); Nettelstroth, Ralf (CDU); Mostofizadeh, Mehrdad (Grüne); Höne, Henning (FDP); Sommer, Torsten (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: Meinungen zum Titelthema "Sperrklausel bei Kommunalwahlen".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 1 - 02.02.2016

    Die Handlungsfähigkeit der Räte und Kreistage ...

    Elisabeth Müller-Witt (SPD) ... ist eindeutig gefährdet! Dazu erreichen uns viele und umfassende Korrekturwünsche aus Wissenschaft und kommunalpolitischer Praxis. Deshalb wollen und müssen wir die kommunale Demokratie weiter stärken. Wir haben bereits die Ausstattung der kommunalen Fraktionen verbessert; die Einführung der Sperrklausel ist jedoch ein weiteres notwendiges Instrument.
    Ralf Nettelstroth (CDU) ... hat seit der Abschaffung der Sperrklausel gelitten. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass diese Erschwernisse nicht die Funktionsfähigkeit der Räte bedrohen und damit die kommunale Selbstverwaltung gefährden. Eine Sperrklausel kann dafür sorgen, dass die kommunale Selbstverwaltung vor Ort weiter aufrechterhalten bleibt und von den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern zu bewältigen ist.
    Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) ... zu sichern, ist oberstes Ziel der Wiedereinführung der Sperrklausel. Momentan ist diese durch die zunehmende Zersplitterung leider gefährdet. Wenn in den meisten Räten und Kreistagen z.B. nur noch Große Koalitionen möglich sind, dann ist dies eher ein Verlust an mehr Demokratie und Gestaltungsmöglichkeiten.
    Henning Höne (FDP) ... ist nicht grundsätzlich gefährdet, nur weil eine Vielzahl an Ratsfraktionen, Gruppen und Einzelmandatsträgern zu erhöhtem Vorbereitungs- und Abstimmungsbedarf führt. Die Sperrklausel als ultima ratio darf ausschließlich bei nachweislicher Funktionsunfähigkeit der kommunalen Vertretungen zum Einsatz kommen. Dieser Nachweis wurde bislang nicht erbracht.
    Torsten Sommer (PIRATEN) ... ist unverändert gegeben. Keine kommunale Vertretung in NRW ist handlungsunfähig oder auch nur im Ansatz mit der Ratsarbeit überfordert. Auch auf Nachfragen konnte keine handlungsunfähige Kommune benannt werden.

    Sitzungen bis tief in die Nacht ...

    Elisabeth Müller-Witt (SPD) ... erschweren massiv die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und politischem Ehrenamt. Damit bilden sie eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die ehrenamtlich getragene kommunale Demokratie. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir diesen Umstand verbessern, das Ehrenamt erleichtern und attraktiver gestalten.
    Ralf Nettelstroth (CDU) ... sind seit dem Wegfall der Sperrklausel mehr die Regel anstatt die Ausnahme. Man darf nicht vergessen, dass sich hier vor allem Bürger ehrenamtlich engagieren. Sitzungen bis tief in die Nacht belasten die Ehrenamtler und sind so nur noch schwerlich mit Familie und Beruf vereinbar. Diese Rahmenbedingungen hemmen es, Menschen für die wichtige Aufgabe der ehrenamtlichen Kommunalpolitik vor Ort zu gewinnen.
    Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE)... sind ärgerlich, weil sie der Vereinbarkeit von Ehrenamt mit Familie und Beruf schaden, aber nur ein Teil des Problems in den kommunalen Vertretungen. Gleichwohl haben wir neben der Sperrklausel diverse einfachgesetzliche Maßnahmen geplant, die die Wahrnehmung eines Rats- oder Kreistagsmandats zusätzlich erleichtern und attraktiv machen sollen.
    Henning Höne (FDP)... sind für ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker ein großes Ärgernis. Untergesetzlich existieren viele Möglichkeiten, solche Situationen zu vermeiden. Das Spektrum reicht von Änderungen der Geschäftsordnung bis hin zu einer konsequenten Sitzungsleitung. Auch der angemessene Detaillierungsgrad kommunaler Beratungen ist letztendlich eine Frage der Selbstdisziplin.
    Torsten Sommer (PIRATEN)... hat es im Einzelfall immer schon gegeben und wird es auch zukünftig immer mal geben, völlig unabhängig von einer kommunalen Sperrklausel. Und schaut man in die Ratsunterlagen vor Abschaffung der kommunalen Sperrklausel, dann sieht man, dass sich vor allem SPD und CDU regelmäßig blockiert haben. Mehr Parteien bieten hier ein mehr an Möglichkeiten.

    Eine Sperrklausel von 2,5 Prozent ...

    Elisabeth Müller-Witt (SPD) ... sorgt für eine bessere Verhältnismäßigkeit der Stimmen: Bislang benötigen Einzelvertreter und Kleinstgruppen deutlich weniger Stimmen für ein Mandat als mittlere und große Parteien. Zudem sorgt die Sperrklausel für Transparenz und Gleichstellung zwischen den unterschiedlich großen kommunalen Gremien, bei denen bereits jetzt faktische Sperrklauseln bestehen.
    Ralf Nettelstroth (CDU)... bedeutet eine Stärkung für alle kommunalen Vertretungskörperschaften und für die kommunale Familie. Wenn die Räte und Kreistage durch die Zersplitterung in ihrer Funktionsfähigkeit und Handlungsfähigkeit bedroht sind, ist auch die Stärke der Kommunen bedroht. Die Zahl der Ratsfraktionen sowie der Gruppierungen und Einzelbewerber ohne Fraktionsstatus muss daher mithilfe einer Sperrklausel begrenzt werden.
    Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) ... ist sachgerecht und notwendig als Ausgestaltung und zur Reaktivierung eines funktionierenden Verhältniswahlrechts. Die Höhe von 2,5 Prozent wurde von den Sachverständigen als gut vertretbar angesehen, der Anteil der dadurch wegfallenden Stimmen ist hinnehmbar. Die aktuellen faktischen Sperrklauseln werden durch die geplante Sperrklausel weitestgehend eingeebnet.
    Henning Höne (FDP) ... ist ein umstrittener Versuch, um der weiteren Fragmentierung kommunaler Vertretungen Einhalt zu gebieten. Die Sperrklausel schränkt nicht nur die Gleichheit der Wählerstimmen ein, sondern stellt in der geplanten Form auch ein verfassungsrechtliches Wagnis dar, solange mildere Mittel zur Stärkung der Handlungsfähigkeit von Räten und Kreistagen noch nicht vollumfänglich ausgeschöpft wurden.
    Torsten Sommer (PIRATEN)... ist ein willkürlich gesetzter Wert, der in kleinen Gemeinden jetzt schon nicht zum Tragen kommt, da ein Bewerber in diesen kleinen Gemeinden jetzt schon mehr als 2,5 Prozent der abgegebenen Stimmen benötigt. In den großen Kommunalvertretungen stehen in den Verwaltungen genügend Ressourcen bereit, um auch Einzelbewerber und Gruppen ausreichend zu informieren.

    Verfassungsrechtlich ...

    Elisabeth Müller-Witt (SPD)... betrachtet, ist unser Gesetzentwurf zulässig. Die umfangreiche Anhörung hat uns in unserer Auffassung bestärkt, dass rechtlich tragfähige Gründe für die Verankerung einer 2,5-prozentigen Sperrklausel in der Landesverfassung vorliegen. Sowohl Politikwissenschaftler, als auch Verfassungsrechtler und Kommunalpolitiker haben die Verfassungskonformität und Sinnhaftigkeit bestätigt.
    Ralf Nettelstroth (CDU) ... liefert der Gesetzentwurf gute Voraussetzungen für eine verfassungsfeste Lösung. Die 2,5-Prozent-Sperrklausel scheint geeignet, den hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Dennoch werden wir uns auch mit den kritischen Stimmen der Anhörung intensiv auseinandersetzen. Unser Ziel ist deutlich: Wir wollen eine rechtssichere Lösung für die Probleme der ehrenamtlichen Kommunalpolitik.
    Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE)... hat die geplante Verankerung der Sperrklausel in der Landesverfassung nach Auskunft der juristischen Sachverständigen sehr gute Chancen, einer gerichtlichen Überprüfung standzuhalten. Es ist der bislang beste Versuch. Aber vor allem scheint es die richtige Antwort auf die derzeitige Lage der Räte zu sein.
    Henning Höne (FDP)... halten namhafte Juristen die Sperrklausel für bedenklich. Ohne den gerichtsfesten Nachweis einer Funktionsstörung kommunaler Vertretungen, die sich nicht mit untergesetzlichen Mitteln beseitigen lässt, besteht die Gefahr, eine verfassungswidrige Verfassungsnorm zu etablieren. Ein solches Scheitern der Sperrklausel wäre fatal und Wasser auf die Mühlen der politischen Ränder.
    Torsten Sommer (PIRATEN)... ist eine Sperrklausel bei Kommunalwahlen in NRW nicht zu halten. Egal, ob die entsprechende Regelung einfach-gesetzlich oder in der Verfassung verankert wird. Die Staatsrechtler waren bei der Anhörung dazu sehr eindeutig. Eine entsprechende Regelung kippt spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht. Das können wir dem Steuerzahler ersparen. Politik muss auch einfach mal auf Fachleute hören.

    Systematik: 1080 Wahlen

    ID: LI160126

  • Haushalt 2016: 4 Milliarden für Flüchtlingspolitik.
    Etat nach heftigem Schlagabtausch verabschiedet.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 4-5 in Ausgabe 9 - 22.12.2015

    16. Dezember 2015 - Mit den Stimmen der rot-grünen Koalitionsfraktionen hat der Landtag den Haushalt für 2016 verabschiedet. Die Oppositionsfraktionen von CDU, FDP und PIRATEN sowie der fraktionslose Abgeordnete Daniel Schwerd lehnten den Entwurf in dritter Lesung ab. Vorausgegangen war ein kontroverser Schlagabtausch über die Finanzpolitik des Landes.
    Der Haushalt 2016 (Drs. 16/9300) samt Ergänzung (Drs. 16/10150) hat ein Gesamtvolumen von 69,6 Milliarden Euro. Die Ausgaben für die Flüchtlingspolitik werden im Vergleich zu 2015 auf 4 Milliarden Euro verdoppelt. Die Neuverschuldung sinkt daher weniger als noch Mitte des Jahres vorgesehen - von 1,9 Milliarden Euro 2015 auf 1,8 Milliarden Euro. Zunächst geplant waren 1,5 Milliarden Euro.

    "Verfehlte Finanzpolitik"

    CDU-Fraktionschef Armin Laschet warf der Landesregierung eine verfehlte Finanzpolitik vor. Seine Fraktion habe immer wieder Vorschläge gemacht, um "Sparpotenziale" zu nutzen. Rot-Grün habe alle abgelehnt. Auch Vorschläge der CDU zur Stärkung der Wirtschafts- und damit der Steuerkraft des Landes seien ignoriert worden. Stattdessen seien die Ausgaben deutlich gesteigert worden. Der Bund und neun Bundesländer hätten dagegen in guten Zeiten finanziell vorgesorgt und könnten nun die Herausforderungen durch den Zustrom von Flüchtlingen leichter stemmen. Laschet betonte, die erste große Aufgabe sei, den Etat "in Ordnung zu bringen". Der Finanzminister solle nicht auf die Idee kommen, die Neuverschuldung mit der Flüchtlingspolitik zu erklären.
    Mit dem Haushalt 2016 stelle sich Nordrhein-Westfalen einer historischen Bewährungsprobe, sagte SPD-Fraktionschef Norbert Römer. Trotz der zusätzlich bereitgestellten Mittel für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge verzichte man nicht auf andere wichtige Investitionen. Römer nannte in diesem Zusammenhang u.a. Bildung und "bezahlbaren Wohnraum". So starte die Landesregierung eine Initiative, mit der innerhalb weniger Jahre 120.000 neue Wohnungen geschaffen werden sollen. Auch die Finanzen der Städte und Gemeinden würden weiter gestärkt: "Jeder dritte Euro aus dem Landeshaushalt geht an die Kommunen." Das Land sei stark, die Finanzen seien gesund. Die Hoffnung auf sozialen Aufstieg sei in NRW weitaus realistischer als die Angst vor einem Abstieg.
    "Dieser Landeshaushalt entspricht nicht den Anforderungen an eine gestalterische Landespolitik", kritisierte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner. Dass die Landesregierung in bewegten Zeiten Flexibilität benötige, erkenne die Opposition an, "aber auf Dauer kann das nicht so weitergehen". Es gelte, Aufgaben und Standards des Staates kritisch zu hinterfragen und gleichzeitig alle wirtschaftlichen Bremsen zu lösen. Trotz finanzpolitischer Ausnahmebedingungen werde der Haushalt in guten Zeiten ruiniert. Lindner warf der Regierung vor, Finanzkosmetik zu betreiben, um den Schein einer sinkenden Neuverschuldung erwecken zu können. Lindners Forderungen: Bürokratieabbau, eine moderne öffentliche, auch digitale Infrastruktur und beste Bildung.

    "Gut investiertes Geld"

    Mehrdad Mostofizadeh, GRÜNEN-Fraktionschef, nannte die Aussagen Laschets zu den Kosten der Flüchtlingspolitik infam. Ebenfalls kritisierte er mit Blick auf ein Papier der CDU zur Flüchtlingspolitik die "christliche Weihnachtsbotschaft: Hauptsache, mehr Abschiebung". Als zentral im Haushalt beschrieb er die Bildung: Jeder dritte Euro fließe in dieses Zukunftsfeld - von der Kita bis zur Hochschule. In der Flüchtlingspolitik kämen auf jeden Euro vom Bund 2 Euro vom Land. Die Kommunen erhielten für die Unterbringung der Menschen im kommenden Jahr fast 2 Milliarden Euro. "Gut investiertes Geld" - wie der gesamte Etat für Flüchtlingsarbeit, meinte der GRÜNE und verwies auch auf Impulse für die Konjunktur. Wirtschaftliche Chancen sah Mostofizadeh zudem im Klimaschutz, speziell im "Wachstumsmotor Umweltwirtschaft".
    Michele Marsching, Fraktionschef der PIRATEN, sprach von einem "Haushalt der verpassten Chancen". "Investition, Integration und Innovation" bezeichnete er als "Säulen der Zukunft unseres Landes", die im Etat nicht ausreichend berücksichtigt seien. Er warf der Landesregierung Konzept- und Ideenlosigkeit vor. Wichtig seien u.a. Investitionen in Bildung und Digitalisierung. Ein Schwerpunkt seiner Rede war das schnelle Internet, die "Grundlage der modernen Wissensgesellschaft". Marsching forderte, alte Kupferkabel zügig durch moderne Glasfaserkabel zu ersetzen. Auch im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik warf Marsching der Landesregierung Versäumnisse vor. Die PIRATEN hätten bereits 2012 eine Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme gefordert.
    Landesfinanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) wies die Kritik der Opposition an der Finanzpolitik zurück. Es gehe um eine Reduzierung der Neuverschuldung bei gleichzeitiger Sicherstellung der Aufgaben des Landes und nicht um "konzeptloses Streichen", so wie es die Opposition fordere. Der Minister warb dafür, gemeinsam die Weichen für eine gelingende Integration von Flüchtlingen in Nordrhein-Westfalen zu stellen. Dies werde "teuer" und sei nur zu schaffen, wenn investiert werde. Dafür habe die Landesregierung die Voraussetzungen geschaffen, indem die Neuverschuldung in den vergangenen fünf Jahren "kontinuierlich" reduziert worden sei. Zugleich setze Rot-Grün Schwerpunkte, beispielsweise durch mehr Geld für die Bildung oder für Krankenhäuser.
    wib, sow, zab

    Die Eckpunkte des Etats

    Das Land Nordrhein-Westfalen verdoppelt im kommenden Jahr seine Ausgaben für die Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen. Wurden in diesem Jahr rund 1,9 Milliarden Euro dafür aufgebracht, so werden es 2016 rund 4 Milliarden Euro sein. Das sieht der Haushalt vor, den der Landtag am 16. Dezember 2015 in dritter Lesung beschlossen hat. Nach Angaben des Innenministeriums werden bis Ende 2015 rund 300.000 Schutzsuchende ins bevölkerungsreichste Bundesland kommen.
    Der Bund trägt nach Angaben des Finanzministeriums NRW mit rund 800 Millionen Euro etwa 19,6 Prozent dieser Kosten. Von den insgesamt 4 Milliarden Euro sollen 2,6 Milliarden Euro an die Kommunen gehen. Davon sind 1,95 Milliarden Euro pauschale Zuweisungen. Weitere 613 Millionen Euro werden für die Übernahme von Landesaufgaben gezahlt. Der Haushalt hat insgesamt ein Volumen von 69,6 Milliarden Euro - 3,3 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr. Davon sollen 52,5 Milliarden Euro über Steuereinnahmen finanziert werden.
    Die Neuverschuldung liegt bei 1,8 Milliarden Euro im Vergleich zu 1,9 Milliarden Euro 2015. Sie sinkt damit wegen der steigenden Kosten für die Flüchtlingsunterbringung geringer als zunächst geplant (1,5 Milliarden Euro). NRW-Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans hält an seinem Plan fest, ab 2019 keine neuen Kredite mehr aufzunehmen. Die Gesamtverschuldung des Landes liegt derzeit bei etwa 142 Milliarden Euro.
    Für Investitionen werden im kommenden Jahr 6,2 Milliarden Euro eingeplant (2015: 5,7  Milliarden Euro). Die Personalausgaben steigen von 24,4 auf 25,4 Milliarden Euro.
    Am 3. und 4. Dezember 2015 hatten die Abgeordneten in zweiter Lesung insgesamt mehr als 13 Stunden lang in kontroverser Debatte über die Einzelpläne beraten.
    In der Grundsatzdebatte zum Auftakt der zweiten Lesung fragte Dr. Marcus Optendrenk (CDU): "Wo ist eigentlich die Tatkraft der Ministerpräsidentin beim Haushalt 2016?" Die einzige klare Linie, die er im Etatentwurf sehe, sei das Geldausgeben - je mehr, desto besser.
    Es handle sich um keine gewöhnlichen Haushaltsberatungen, erklärte Stefan Zimkeit (SPD) und verwies auf die vielen Flüchtlinge, die Zuflucht suchten. Der Haushalt zeige: Die Landesregierung stelle sich dieser Herausforderung.
    "Das Haltbarkeitsdatum Ihrer Haushaltsplanung entspricht dem eines ablaufenden Bechers Joghurt", kritisierte Ralf Witzel (FDP) Nachtragshaushalte des Finanzministers, auch die der letzten Jahre. Zudem verschleiere der Minister das Ausmaß der Verschuldung.
    Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) sprach von einem "gelungenen Dreiklang" aus Konsolidierung, besserer finanzieller Ausstattung der Kommunen und Investitionen in zentrale Zukunftsfelder wie Bildung, Forschung und Innovation.
    Die geplanten Ausgaben für Flüchtlinge basierten auf falschen Zahlen, hielt Dietmar Schulz (PIRATEN) dagegen. Die Landesregierung gehe von 800.000 Asylsuchenden im nächsten Jahr aus. Fachleuten zufolge seien es aber bis zu 350.000 mehr.
    Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) sprach von einem "soliden Haushalt 2016". Rot-Grün sei seit fünfeinhalb Jahren in der Verantwortung. Nie zuvor sei "so kontinuierlich konsolidiert worden".

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung; 5070 Ausländer/Vertriebene/Aus- und Übersiedler

    ID: LI150907

  • Diskussion ums schnelle Internet.
    Anhörung zur Zukunft der Breitbandversorgung in NRW.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 9 - 22.12.2015

    9. Dezember 2015 - Megabit und Gigabit, Breitband, Glasfaser, Down- und Upload-Kapazitäten. Das klingt nicht nur kompliziert, das ist auch kompliziert - zumindest für Laien. Und doch ist jeder Mensch, der einen Internetanschluss besitzt, betroffen. Da die Datenmengen, die durchs Netz fließen, ständig größer werden, muss auch die technische Infrastruktur ausgebaut werden. Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat sich mit dem "schnellen Internet" in einer Anhörung befasst.
    Kurz gesagt: Es ging um die Zukunft der Breitbandversorgung in NRW. Sie soll eine hohe Datenübertragungsrate sicherstellen. Die Anträge, die der Anhörung zugrunde lagen, trugen die Titel: "Ohne Glasfaser-Strategie verhindert die Landesregierung den Sprung in die Gigabit-Gesellschaft" (PIRATEN, Drs. 16/9591), "Nordrhein-Westfalen braucht eine Digitalisierungs-Offensive" (FDP, Drs. 16/9595), "Landesregierung muss Breitbandförderfonds für flächendeckendes schnelles Internet in allen Kommunen auflegen" (FDP, Drs. 16/9596) sowie "Chancen für flächendeckenden Ausbau digitaler Infrastrukturen durch Breitbandförderrichtlinie des Bundes nutzen - Landesregierung muss Kommunen beim Breitbandausbau endlich unterstützen" (CDU und FDP, Drs. 16/10071).

    Flächendeckender Ausbau

    Die Rahmenbedingungen und Wachstumsvoraussetzungen seien für Unternehmen in NRW noch nicht optimal, hieß es in der Stellungnahme der Industrie- und Handelskammern (IHK). Das aktuelle Ziel der Bundes- und Landesregierung, alle Haushalte bis 2018 mit 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) im Download zu versorgen, greife zu kurz: Vor allem für die Versorgung von Unternehmen reiche dies dauerhaft nicht aus. Insbesondere Industrie- und Gewerbegebiete müssten zeitnah an leistungsstarke Netze angeschlossen werden. Absehbar werde "nur der Ausbau mit Glasfaser eine dauerhafte und zukunftsfähige Anschlussqualität bieten, welche die heute bereits erkennbaren Anforderungen von bis zu 300 Mbit/s im Download ermöglicht". Die neue Breitbandstrategie der Landesregierung sei ein "wichtiges Signal an die Verantwortlichen vor Ort, sich stärker als bisher zu engagieren". Für einen flächendeckenden Ausbau aber reichten die zusätzlichen Mittel nicht aus.
    Der Bundesverband IT-Mittelstand sah den Breitbandausbau als "Zukunftsinvestition in die Daseinsvorsorge". Wiederholt habe man sich für Breitbandverbindungen von 1 Gigabit/s bis zum Jahr 2020 für die Mehrzahl der Haushalte ausgesprochen. Dies sei derzeit nur mit Glasfaserkabeln erreichbar. Der Verband regte zudem an, "die Hürden zum Aufbau eines WLAN herabzusetzen". Insgesamt sehe man für das Land NRW "gute Chancen für den Ausbau von Breitbandinternet".
    Das Ziel, im Jahr 2018 eine flächendeckende Versorgung mit 50 Mbit/s zu erreichen, sei richtig, so die Landesvereinigung der Unternehmensverbände NRW. Es könne sich dabei jedoch nur um ein Zwischenziel handeln. Die Vereinigung favorisierte den "Wettbewerb von Anbietern und Technologien". Fördergelder seien in den Teilen des Landes notwendig, "wo Wettbewerb und Bandbreite fehlen". Von höchster Bedeutung sei der vorrangige Anschluss von Industrie- und Gewerbegebieten. Lediglich 10 Prozent dieser Gebiete verfügten über eine Verbindung, die dem 50-Mbit/s-Ausbauziel genüge. Wichtig sei zudem der parallele Ausbau der Upload-Kapazitäten.
    Einen "klaren Vorrang privater Investitionen vor Investitionen der öffentlichen Hand" forderte der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom). Man unterstütze "ausdrücklich ein Bekenntnis zum Technologiemix", hieß es in der Stellungnahme. Nur so sei es möglich, die Ziele kostengünstig und zeitnah zu erreichen. Es sei richtig, Industrie- und Gewerbegebieten Priorität einzuräumen. Förderprogramme seien in Gebieten sinnvoll, "in denen ein wirtschaftlicher Ausbau absehbar durch den Markt nicht stattfindet". Ähnlich äußerte sich die Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt.
    Die Telekommunikationsgesellschaft Südwestfalen, ein kommunales Unternehmen der Kreise Hochsauerlandkreis, Olpe, Soest, Siegen-Wittgenstein und Märkischer Kreis, unterstützte "ausdrücklich die offenbar allen Anträgen zugrunde liegende Auffassung, dass dem Ausbau der Breitbandinfrastruktur ein entscheidender Stellenwert beizumessen ist". Der Auf- und Ausbau sei vornehmlich eine Aufgabe der Wirtschaft. In ländlichen Regionen sei eine zielgerichtete Inanspruchnahme von Fördermitteln anzustreben. Welche Technologie dabei eingesetzt werden müsse, hänge von den strukturellen Voraussetzungen in den Erschließungsgebieten ab.
    Nachhaltige Zukunftssicherheit schaffen nur durchgehende Glasfaserleitungen vom Netzknoten bis in die Betriebe und Wohnungen, so die STZ Consulting Group (Erftstadt).
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    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 7740 Informations- und Kommunikationstechnologien; 7700 Informationsgesellschaft/Medien

    ID: LI150904

  • Sundermann, Frank (SPD); Wüst, Hendrik (CDU); Bolte, Matthi (Grüne); Bombis, Ralph (FDP); Lamla, Lukas (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: Meinungen zum Schwerpunkt "Breitbandausbau".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 9 - 22.12.2015

    Die Breitband-Versorgung in NRW ist derzeit ...

    Frank Sundermann (SPD) ... schon bundesweit führend. Wir werden sie weiter verbessern.
    Hendrik Wüst (CDU) ... außerhalb der Ballungszentren zu oft ungenügend. Dort verfügen immer noch 60 Prozent der Haushalte über kein schnelles Internet. Nach Berechnungen der Strategieberatung MICUS müssen mindestens 5,6 Milliarden Euro in den Netzausbau investiert werden, um alle Haushalte mit schnellem Internet zu versorgen.
    Matthi Bolte (Grüne) ... im Vergleich zu den Flächenländern an der Spitze. Über 75 Prozent der Haushalte in NRW haben heute Zugang zum schnellen Internet mit 50 Mbit/s. Unser Ziel ist natürlich 100 Prozent, damit alle Menschen in NRW von den Chancen der Digitalisierung profitieren können. Deshalb investieren wir bis 2018 eine halbe Milliarde Euro in den Breitbandausbau.
    Ralph Bombis (FDP) ... leider keine Priorität für die rot-grüne Landesregierung. Klägliche 1,9 Prozentpunkte beträgt die jährliche Ausbaudynamik. In diesem Schneckentempo erreichen wir die flächendeckende Versorgung mit Hochleistungsnetzen bis 2018 nicht. Von diesen hängt jedoch die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ab.
    Lukas Lamla (PIRATEN) ... besonders in den ländlichen Regionen in einem katastrophalen Zustand. Es gibt noch immer Regionen ohne schnelles Internet. Statt in zukunftsfähige Glasfasertechnologien zu investieren, setzt die rot/grüne Landesregierung auf veraltete Kupferkabel und die Vectoring- Technologie. In spätestens fünf Jahren wird Vectoring am Ende der Entwicklung stehen und den Breitbandausbau behindern, anstatt ihn zu fördern.

    Die nordrhein-westfälische Wirtschaft ...

    Frank Sundermann (SPD) ... hat das Potenzial und das Know-how, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen.
    Hendrik Wüst (CDU) ... hat überwiegend noch keinen Anschluss an die schnelle Datenautobahn. Laut der Strategieberatung MICUS verfügen neun von zehn Gewerbegebieten aktuell über kein schnelles Internet. Nordrhein-Westfalen droht zum Verlierer des digitalen Strukturwandels zu werden. Durch die Umsetzung von Industrie 4.0 könnte das jährliche Wachstum um 1,7 Prozentpunkte steigen - ohne schnelles Netz kann die NRW- Wirtschaft hiervon aber nicht profitieren.
    Matthi Bolte (Grüne) ... braucht Zugang zum schnellen Internet. Der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes wird zum großen Teil vom Mittelstand getragen. Diese Unternehmen liegen oft in Gewerbegebieten, die noch keine angemessene Breitbandversorgung haben. Mit dem Anschluss der Gewerbegebiete tragen wir den besonderen Bedürfnissen der Wirtschaft Rechnung und setzen auf zukunftsfähige Glasfaser.
    Ralph Bombis (FDP) ... benötigt mehr Bewegungsfreiheit: durch Bürokratieabbau, durch bezahlbare Energiepreise, durch eine Stärkung der schulischen, dualen und akademischen Ausbildung und vor allem durch leistungsfähige Infrastrukturen. Denn ohne moderne Breitbandnetze und schnelles Internet flächendeckend in NRW verliert unsere erfolgreiche Wirtschaft rasend schnell ihre Wettbewerbsfähigkeit.
    Lukas Lamla (PIRATEN) ... ist auf Breitbandanschlüsse angewiesen, wenn sie in Zukunft nicht abgehängt werden will. Schnelles Internet wird als Standortvoraussetzung in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Die von der Landesregierung angestrebte Versorgung von Industriegebieten mit Glasfaser wird dabei nicht ausreichen, da vor allem viele Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe in Wohngebieten angesiedelt sind.

    Für Privathaushalte ist das schnelle Internet ...

    Frank Sundermann (SPD) ... ein Teil der Daseinsvorsorge, die wir auch künftig sicherstellen. Das gilt auch für den ländlichen Raum.
    Hendrik Wüst (CDU) ... unverzichtbarer Alltagsbegleiter geworden. Streamingdienste und Online-Spiele werden bereits heute stark genutzt und benötigen große Bandbreiten. Zukünftig wird der Bedarf durch Haustechnik, E-Learning, E-Health oder E-Government noch zusätzlich steigen.
    Matthi Bolte (Grüne) ... der Zugang zum digitalen Zeitalter. E-Learning, E-Health, E-Democracy und moderne Lebens- und Arbeitsmodelle setzen einen Internetzugang voraus. Für ländliche Regionen ist schnelles Internet eine soziale, ökonomische und demografische Überlebensfrage. Deshalb ist es gut, dass wir den Großteil der Frequenzerlöse (65 Mio. Euro) für den Breitbandausbau in ländlichen Räumen bereitstellen.
    Ralph Bombis (FDP) ... Grundvoraussetzung, um nicht digital abgehängt zu werden. Partizipation, Kommunikation oder interkultureller Austausch hängen in der digitalen Gesellschaft vom Breitbandzugang ab. Niedrige Eintrittshürden für mediale und kulturelle Angebote aller Art und im Prinzip grenzenloser Zugang dazu ermöglichen darüber hinaus eine nie dagewesene Kultur- und Meinungsvielfalt - wenn die Infrastruktur dafür vorhanden ist.
    Lukas Lamla (PIRATEN) ... immer häufiger eine Entscheidung für oder gegen einen Wohnort. Regionen mit unzureichender Breitbandversorgung drohen künftig zu verwahrlosen. Immer mehr Arbeitnehmer machen sich selbstständig und arbeiten von zu Hause aus - auch bei großen Unternehmen geht der Trend eindeutig hin zum Homeoffce: Schnelles Internet ist in Privathaushalten mindestens genauso existenziell wichtig wie in Industriegebieten.

    Glasfaserkabel sind ...

    Frank Sundermann (SPD) ... die Internet-Infrastruktur der Zukunft.
    Hendrik Wüst (CDU) ... für die Gigabit-Gesellschaft unverzichtbar. Aufgrund der hohen Investitionskosten von 5,6 Milliarden Euro wird ein flächendeckendes Netz kaum ohne Förderung zu errichten sein. Die von der Landesregierung bislang bereitgestellte Förderung in Höhe von 292 Millionen Euro wird hierfür bei weitem nicht ausreichen. Das Land muss daher freiwerdende Steinkohlesubventionen in den Ausbau der schnellen Netze umleiten.
    Matthi Bolte (Grüne) ... die digitale Infrastruktur der Zukunft. Wir gehen von einem flächendeckenden Bedarf an Glasfaseranschlüssen bis in die Wohnung innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre aus. Bis dahin gilt es, Übergänge zu schaffen, die aber nicht zulasten der Ausbaudynamik gehen dürfen.
    Ralph Bombis (FDP) ... das zentrale Nervensystem einer modernen Gesellschaft und einer starken Wirtschaft. Hochleistungsfähige digitale Netze sind Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, für Chancen für alle Menschen und für den gesellschaftlichen Fortschritt. Die FDP- Fraktion setzt sich daher dafür ein, dass eine leistungsfähige Infrastruktur als Staatsziel in der Landesverfassung verankert wird.
    Lukas Lamla (PIRATEN) ... im Gegensatz zu Kupferkabeln eine Technologie, die noch in Jahrzehnten ausreichenden Datendurchsatz bieten wird. Leider sind Glasfaseranschlüsse in NRW mit nur 7 Prozent die absolute Ausnahme. Wir fordern eine Strategie, die zum Ziel hat, Glasfaser bis in jedes Haus, bis in jedes Unternehmen zu legen. Schleswig- Holstein ist mit einer Anschlussquote von 23 Prozent ein Glasfaser-Vorbild.

    ID: LI150910

  • NRW macht fit für den Mars.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 6-7 in Ausgabe 8 - 10.11.2015

    Von Köln aus ins All

    Deutschland zählt zu den führenden europäischen Raumfahrtnationen - und Nordrhein-Westfalen spielt dabei eine besondere Rolle. Unternehmen aus NRW haben für die Raumfahrt wichtige Komponenten und Programme entwickelt. In Köln befindet sich mit dem DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin sogar eine weltweit führende Forschungseinrichtung. Anlass genug also für einen Parlamentarischen Abend zum Thema "Raumfahrt aus Nordrhein-Westfalen für Deutschland".
    Nordrhein-Westfalen gilt als einer der wichtigsten deutschen Raumfahrtstandorte. Die Industrie entwickelt in NRW zum Beispiel Komponenten für die europäische Trägerrakete "Ariane", aber auch Software zur Bahnund Lageregelung von Raumfahrzeugen. Systeme zur Steuerung und Überwachung des Columbus-Bodensegments wurden ebenfalls von der nordrhein-westfälischen Raumfahrtindustrie realisiert. Für alle, die in der Materie nicht ganz so firm sind: "Columbus" ist ein Weltraumlabor, angedockt an die Internationale Raumstation ISS.
    Die Bedeutung der Raumfahrt und die Leistungsfähigkeit der Raumfahrtindustrie sowie der mit ihr verbundenen Institutionen standen am 4. November 2015 im Mittelpunkt eines Parlamentarischen Abends in der Villa Horion. Landespolitik, Raumfahrtindustrie und Anwender diskutierten über aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Handlungsfelder. Eingeladen hatten neben Landtagspräsidentin Carina Gödecke auch Evert Dudok, Vizepräsident Raumfahrt im Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, sowie Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

    Bundesweit 16 Standorte

    Beim DLR handelt es sich um das Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt. Seinen Hauptsitz hat es in Nordrhein-Westfalen - die Hauptverwaltung mit den angegliederten Forschungseinrichtungen in Köln-Porz und Jülich, das Raumfahrt Management in Bonn-Oberkassel. "Das DLR erforscht Erde und Sonnensystem, es stellt Wissen für den Erhalt der Umwelt zur Verfügung und entwickelt umweltverträgliche Technologien für Energieversorgung, Mobilität, Kommunikation und Sicherheit", heißt es im Internetauftritt des Zentrums.
    Das DLR ist bundesweit an 16 Standorten vertreten. Darüber hinaus unterhält es Büros in Brüssel, Paris, Tokio und Washington. Insgesamt beschäftigt das Zentrum rund 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Etat für Forschung und Betrieb betrug im Geschäftsjahr 2014 DLR-Angaben zufolge 871 Millionen Euro. Davon seien 52 Prozent im Wettbewerb erworbene Drittmittel gewesen.
    Weltweit führend ist das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln. In der dort angesiedelten Forschungseinrichtung ":envihab" - der Name steht für "environment" (Umwelt) und "habitat" (Lebensraum) - werden u. a. die Wirkungen extremer Umweltbedingungen auf den Menschen und mögliche Gegenmaßnahmen erforscht. In acht nach einem "Haus-in-Haus-Prinzip" voneinander getrennten Modulen werden etwa die Folgen erhöhter Schwerkraft auf das Herz-Kreislaufsystem, auf Muskeln und Knochen untersucht. In einem anderen Labor des auf 3.500 Quadratmetern untergebrachten Instituts wiederum geht es um die Wirkung von Sauerstoffreduktion und Druck auf den Körper. Und da eine Reise zum Mars und zurück etwa anderthalb bis zwei Jahre dauern würde, werden im Psychologielabor entsprechende psychische Auswirkungen auf die Astronauten erforscht. Weitere Informationen zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt finden Sie im Internet unter der Adresse www.dlr.de.

    Als der Mars-Rover "Curiosity" am 6. August 2012 auf dem Roten Planeten landete, war auch Technik aus Nordrhein-Westfalen an Bord: das Strahlenmessgerät, eine gemeinsame Entwicklung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Hauptsitz in Köln und der Universität Kiel. Der Detektor misst den Strahlenhintergrund auf dem Planeten und liefert Daten, die für eine bemannte Mars-Mission in möglicherweise nicht allzu ferner Zukunft überlebenswichtig sind.

    Menschen auf dem Mars - Science Fiction? Nicht unbedingt. Die Nasa strebt eine solche Mission für die 2030er Jahre an. Allein der Hinflug würde ca. sechs Monate dauern. Hinzu kommt: Die Astronauten müssten mindestens ein Jahr lang auf dem Roten Planeten bleiben. Erst dann sind sich Erde und Mars wieder nahe genug, um den Rückflug antreten zu können. Um es in Kilometern auszudrücken: Im günstigsten Fall sind die Planeten rund 55 Millionen, im ungünstigsten etwa 400 Millionen Kilometer voneinander entfernt. Hintergrund: Der Mars dreht sich in einer langgezogenen Ellipse um die Sonne.
    Eine lange Reise also, die Körper und Psyche extrem fordern wird. In der DLR-Forschungseinrichtung ":envihab" in Köln (siehe Text links) werden mögliche Auswirkungen erforscht - zum Beispiel im Rahmen einer "Bettruhe-Studie". Zwölf Männer im Alter zwischen 21 und 42 Jahren nehmen derzeit daran teil. Das heißt: Sie liegen zwei Monate lang im Bett, in sogenannter 6-Grad-Kopftieflage. "Auf diese Weise sollen die Auswirkungen von Schwerelosigkeit auch hier auf der Erde erreicht werden", erklärt DLR-Raumfahrtredakteurin Manuela Braun. Schwerelosigkeit macht dem Körper zu schaffen: Weil sich Astronauten kaum bewegen, kommt es zum Abbau von Muskeln und Knochenmasse, zur Verschiebung von Flüssigkeiten in die oberen Körperareale, was sich wiederum auf das Herz-Kreislaufsystem auswirkt.
    Die Teilnehmer müssen absolut gesund sein. Es sind übrigens ausschließlich Männer. Da sich Hormone auf den Stoffwechsel auswirken, seien Frauen wegen ihrer unterschiedlichen Zyklen nicht geeignet. "Die Studie würde dann keine vergleichbaren Daten liefern", erklärt Braun. Raucher werden nicht zugelassen, Leistungssportler ebenfalls nicht. Potenzielle Teilnehmer werden ausführlich über alle Experimente und Untersuchungen aufgeklärt. Sie erfahren auch, dass sie das Bett nicht einmal zum Toilettengang verlassen dürfen. Dass sie liegend duschen werden. Dass sie keinen Besuch empfangen dürfen. Dass Alkohol und Süßigkeiten tabu sind. Dass sie von ihren täglichen Mahlzeiten und Snacks nichts übrig lassen dürfen. Braun: "Jeder bekommt ausgewogenes Essen, das genau auf seinen Grundumsatz im Liegen ausgerichtet ist."
    Vor dem eigentlichen Experiment stehen zwei Wochen lang medizinische Untersuchungen auf dem Programm, ebenso nach der zweimonatigen Bettruhe. Hinzu kommen fünf weitere Nachuntersuchungen, die letzte nach zwei Jahren. Die Entschädigungen für die Strapazen sind gestaffelt: Wer alles durchsteht, darf sich über insgesamt 15.000 Euro freuen. Das Ziel dieser Studie: Die Wissenschaftler testen u.a. eine möglichst effektive Gegenmaßnahme für Knochen- und Muskelabbau - einen Sprungschlitten, in dem die Probanden im Liegen mit kurzen, kräftigen Sprüngen trainieren.
    Das DLR-Team erforscht aber auch mit anderen Geräten, wie sich Muskel- und Knochenschwund während einer Reise durchs All verhindern lassen. "Wenn Menschen eines Tages zum Mars fliegen, müssen sie dort fit ankommen. Es erwartet sie kein Arzt, der ihnen wieder auf die Beine hilft", erklärt Guido Petrat. Er ist für die Technik der Zentrifuge zuständig - ein 2,6 Millionen Euro teures Gerät, das künstlich Schwerkraft erzeugt. Vom Prinzip her funktioniert es wie ein Karussell, dreht sich allerdings deutlich schneller. Innerhalb dieser Zentrifuge absolvieren die Probanden Übungen: Radfahren, Kniebeugen, Sprünge. Im Nebenraum beobachten Ärzte und Wissenschaftler die Experimente auf Monitoren. Sie können mit den Probanden in der Zentrifuge über Mikrofone sprechen und sehen stets deren medizinische Werte wie Puls und Blutdruck. Die NASA, sagt Petrat, warte auf die Ergebnisse aus Köln. Werden die erhofften Resultate erzielt, könnten Raumschiffe mit Zentrifugen ausgerüstet werden.
    "Wir forschen nicht für einen konkreten Marsflug, sondern an dem Wissen, das dafür einmal notwendig sein wird", betont Manuela Braun. Von der Bettruhe-Studie zum Beispiel könne aber auch die Medizin auf der Erde profitieren. Patienten in Krankenhäusern, bettlägerige Menschen in Pflegeheimen befänden sich in vergleichbaren Situationen. Erforscht wird am DLR zudem, wie sich Pflanzen im All züchten lassen - ohne Erde. Das wiederum könnte auch Marsreisenden eines Tages gefallen: frische Tomaten auf der langen Reise statt der üblichen Astronautenkost.
    Im DLR-Zentrum passiert noch viel mehr. Einige Kontrollräume für das europäische Forschungslabor "Columbus" der ISS befinden sich in Köln. Von dort aus werden die materialphysikalischen und biologischen Experimente auf der Internationalen Raumstation betreut. Auch der Lander "Philae", der am 12. November 2014 auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko aufsetzte, wird vom DLR von Köln aus gesteuert.
    Zurück zu den zwölf Männern, die derzeit das Bett hüten. "Der erste soll am 8. November aufstehen", sagt Manuela Braun. Wobei "aufstehen" nicht ganz richtig ist. Er wird mithilfe eines Kipptisches in die Senkrechte befördert.
    zab

    Bildunterschriften:
    Guido Petrat im Kontrollraum. Er befindet sich neben der Zentrifuge.
    Die Zentrifuge erzeugt künstlich Schwerkraft.

    Systematik: 2700 Raumfahrt; 4400 Wissenschaft/Forschung

    ID: LI150811

  • Kampf gegen den Krebs.
    Neues Register soll auch Daten über die Behandlung erfassen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 8 - 10.11.2015

    21. Oktober 2015 - Krebs gilt in Deutschland nach Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems als zweithäufigste Todesursache. Zur Bekämpfung der Krankheit existiert in Nordrhein-Westfalen bereits seit 2005 ein sogenanntes epidemiologisches Krebsregister, in dem bevölkerungsbezogen Informationen zu Krebserkrankungen sowie den betroffenen Menschen erfasst, gespeichert und interpretiert werden. Nun soll es durch ein klinisches Krebsregister ergänzt werden. Das heißt: Auch Daten zur Behandlung sollen einfließen.

    Die Landesregierung hat einen entsprechenden Gesetzentwurf (Drs. 16/9518) vorgelegt und will die klinische und epidemiologische Registrierung im "Landeskrebsregister NRW" zusammenführen. Das neue Gesetz soll eine Meldepflicht für Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser enthalten. "Nur bei einer vollzähligen und auch weitestgehend vollständigen, flächendeckenden Meldung an das Register kann es seinem gesetzlichen Auftrag nachkommen und in erheblichem Maße zur Verbesserung der Versorgungsqualität beitragen", heißt es in dem Entwurf. Patientinnen und Patienten werde nicht freigestellt, ob sie eine Meldung an das Register zulassen oder nicht. Sie könnten jedoch verlangen, dass ihre Daten verschlüsselt gespeichert werden. Durch die verpflichtende Meldung werde eine Datenbasis über die Häufigkeit, die regionale Verbreitung, die Überlebensraten und den Erfolg von Behandlungsmethoden geschaffen, so die Landesregierung.
    In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses äußerten sich Expertinnen und Experten zu dem Gesetzentwurf. Das Epidemiologische Krebsregister NRW versprach sich von der Organisationsstruktur des neuen Registers"hohe Synergieeffekte". Es sei zu begrüßen, "dass für das bevölkerungsreichste Bundesland eine Kombination aus einer landeszentralen Krebsregisterdatenbank und regionalen Qualitätskonferenzen" gewählt wurde. Das Konzept gewährleiste "hohe Datenqualität und Auswertungstransparenz", zudem sei es auch datenschutzrechtlich "beispielgebend". Änderungsbedarf sah man bei einigen technischen Details.
    Die Ärztekammer Nordrhein begrüßte die Initiative der Landesregierung. Der Gesetzentwurf folge den Zielsetzungen des Nationalen Krebsplans sowie des Krebsfrüherkennungs- und -registergesetzes (KFRG). Allerdings sollte die regionale Zusammenarbeit stärker betont werden. Ähnlich sahen es die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und die Krebsgesellschaft NRW. Die Anforderungen des KFRG seien im Entwurf "in weiten Teilen erfüllt". Gleichwohl sehe man "punktuellen, aber wesentlichen Verbesserungsbedarf ". So sollte neben der Regionalstruktur des Registers auch die Funktion "Qualitätssicherung" deutlicher herausgestellt werden.

    "Meldeaufwand steigt"

    Aus Sicht der Kommunen als Träger von Krankenhäusern sei der Entwurf überarbeitungsbedürftig, kritisierte die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände (Städtetag sowie Städte- und Gemeindebund NRW). U.a. werde der Meldeaufwand der Kliniken steigen, die zu meldende Datenmenge sei "deutlich zu umfangreich".
    Grundsätzliche datenschutzrechtliche Bedenken gegen die geplante Neuregelung bestünden nicht, erklärte die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW, Helga Block. Zwar sei die vorgesehene umfassende Meldepflicht ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Patientinnen und Patienten. Dennoch würden Datenschutzrechte durch eine mögliche Verschlüsselung angemessen berücksichtigt. "Die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen erscheint für die Erfüllung des Gesetzeszweckes grundsätzlich gerechtfertigt zu sein", befand auch das Institut für Sicherheit und Datenschutz im Gesundheitswesen. Kritisch äußerte sich die Deutsche Krebshilfe, die den Ausbau der klinischen Krebsregister in den Bundesländern finanziell unterstützen will. Das vorgesehene Datenschutzkonzept erfülle nicht das entsprechende Förderkriterium. Zudem habe man "erhebliche Zweifel, ob die vom Land Nordrhein-Westfalen sehr ausgeprägte zentrale Struktur dazu führen wird, den gesetzlich formulierten Aufgaben nachzukommen".
    zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 5210 Gesundheitsschutz; 7750 Datenschutz

    ID: LI150813

  • Scheffler, Michael (SPD); Preuß, Peter (CDU); Ünal, Arif (Grüne); Schneider, Susanne (FDP); Düngel, Daniel (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: Meinungen zum Schwerpunkt "Landeskrebsregister NRW".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 8 - 10.11.2015

    Das bisherige epidemiologische Krebsregister ...

    Michael Scheffler (SPD) ... wurde vor zehn Jahren eingeführt. Es erfasst, speichert und interpretiert Informationen zu Krebserkrankungen und den betroffenen Menschen mit dem Ziel, Krebserkrankungen besser bekämpfen zu können. In Deutschland ist das die zweithäufigste Todesursache. Das Land NRW hat die Krebsbekämpfung zu einem seiner wichtigsten Gesundheitsziele erklärt.
    Peter Preuß (CDU) ... hat in den zehn Jahren seines Bestehens durch die Erfassung, Speicherung und Interpretation der Informationen zu Krebserkrankungen wertvolle Arbeit geleistet. Das klinische Krebsregister wird hier integriert werden, wodurch hohe Synergieeffekte zu erwarten sind und es zu einem der größten Krebsregister in Europa wird.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... ist eine Datenbank, die die Häufigkeit, die regionale Verteilung bestimmter Krebsarten und die Überlebensraten von Krebserkrankungen abbildet. Mithilfe des Registers und der Analyse der Daten können wir in zentralen Bereichen Verbesserungen erzielen: bei der Vorbeugung, ebenso bei der Versorgung der an Krebs Erkrankten und in der wissenschaftlichen Forschung.
    Susanne Schneider (FDP) ... ist ein sinnvolles Instrument, um eine gesicherte Datengrundlage aufzubauen und zum Beispiel auffällige regionale Häufungen dieser schweren Krankheit erkennen zu können. Es hat die Möglichkeiten einer flächendeckenden Datenerhebung aufgezeigt und damit den Weg für klinische Krebsregister bereitet.
    Daniel Düngel (PIRATEN) ... erfasst, speichert, interpretiert Informationen zu Krebserkrankungen und den betroffenen Personen bevölkerungsbezogen. Es stellt dar, wie viele Menschen in einer Region (z. B. im Rheinischen Braunkohlerevier) erkranken und wie sich diese Erkrankungen nach Alter und Geschlecht verteilen. Diese anonymen Daten könnten für sinnvolle Gesundheitspolitik genutzt werden, z. B. Schließung des Tagebaus.

    Die geplante Erweiterung um ein klinisches Register ...

    Michael Scheffler (SPD) ... soll die Krebsfrüherkennung und Qualitätssicherung verbessern, indem eine einheitliche und verpflichtende Erhebung und Auswertung von behandlungsbezogenen Daten ermöglicht wird.
    Peter Preuß (CDU) ... ermöglicht die Erhebung und Auswertung behandlungsbezogener Daten wie Diagnose, Therapie und Krankheitsverläufe. Hierdurch werden sowohl die onkologische Versorgungsqualität wie die Datengrundlagen für die Forschung verbessert. Damit verbessern sich die Möglichkeiten der Krebsbekämpfung und die Versorgung erkrankter Menschen deutlich.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... bewirkt eine qualitative Erweiterung des epidemiologischen Krebsregisters. So werden im klinischen Krebsregister nicht nur die regionale Verteilung verschiedener Krebsarten gemeldet, sondern auch die Behandlungsmethoden und Therapie-Erfolge. Nur so können die wichtigen Informationen für eine Verbesserung der Prävention und Versorgung zusammengetragen werden.
    Susanne Schneider (FDP) ... stellt mit dem Ziel der Verbesserung der Behandlungsqualität den nächsten Schritt dar. Das Gesetz zur bundesweiten Einführung klinischer Krebsregister war deshalb ein großer Erfolg des früheren Bundesgesundheitsministers Daniel Bahr im Kampf gegen den Krebs. Ich freue mich, dass das klinische Krebsregister jetzt endlich auch in NRW umgesetzt wird.
    Daniel Düngel (PIRATEN)... ist eine erweiterte Ansammlung von Daten mit dem Versuch, die onkologische Versorgungsqualität zu verbessern. Dazu werden alle personenbezogenen und klinischen Daten im Verlauf einer Krebsbehandlung gesammelt; welche Medikamente helfen und welche Medikamente helfen nicht. Die American Autoimmune Related Diseases Association stellt fest, dass nur 20 % aller Krebsmedikamente wirksam sind.

    Für Patientinnen und Patienten ...

    Michael Scheffler (SPD) ... in NRW bedeutet dies eine Verbesserung der Behandlung und der onkologischen Versorgung. Angesicht der hohen Krankheitszahlen und Sterbefälle hat dieser Schritt eine enorme gesellschaftliche und gesundheitspolitische Bedeutung und stimmt mit dem Ziel des Nationalen Krebsplans überein.
    Peter Preuß (CDU) ... verbessert sich die Versorgungsqualität auch durch die Möglichkeit des Abrufs von fachbezogenen Daten zu einzelnen Krebserkrankungen. Das gibt den behandelnden Ärzten die Chance, ihre Behandlungsmethoden innovativen und erfolgreichen Prozessen für die Gesundheit der Menschen anzupassen und den Betroffenen damit eine medizinische Versorgung auf hohem Niveau zu gewährleisten.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... ermöglicht dies eine ständige Verbesserung der Versorgung bei einer Krebserkrankung - außerdem die ständige Verbesserung der präventiven Arbeit. Und natürlich kommen ihnen auch zusätzliche Forschungserkenntnisse zugute.
    Susanne Schneider (FDP) ... bedeutet das klinische Krebsregister eine große Chance. Die flächendeckende Erfassung von Behandlungsdaten hilft, Erfolg versprechende Therapien besser zu erkennen und so die Qualität der Krebsbehandlung zu steigern. Dazu brauchen wir aber auch eine stärkere Verankerung der regionalen Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärztinnen, Ärzten und Krankenhäusern.
    Daniel Düngel (PIRATEN) ... bedeutet das auf der einen Seite möglicherweise eine Verbesserung der onkologischen Versorgungsqualität in ferner Zukunft (20 % + X). Auf der anderen Seite bedeutet das aber auch eine sofortige Einschränkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, eine Einschränkung des Grundrechts auf Datenschutz und eine Einschränkung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

    Datenschutzrechtlich ...

    Michael Scheffler (SPD) ... werden die sensiblen Auskünfte der betroffenen Menschen durch ein umfassendes Datenschutzkonzept gesichert. Die Identitätsdaten werden durch eine Kontrollnummer verschlüsselt gespeichert, so dass ihre Identität nicht mehr erkennbar ist.
    Peter Preuß (CDU) ... enthält das Gesetz alle Sicherheitsstandards, die die Landesdatenschutzbeauftragte gefordert hat. Über eine Verlängerung der Datenspeicherung bei Forschungsvorhaben sollte noch einmal nachgedacht werden, da Versorgungsforschung, klinische Studien und patientenorientierte Forschung klinische Verlaufsdaten über einen längeren Zeitraum als im Gesetzentwurf vorgesehen benötigen.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... gilt es, insbesondere darauf zu achten, dass die Daten wie geplant anonymisiert bleiben und nicht auf konkrete Fälle zurückverfolgt werden können. Rückschlüsse auf einzelne Personen müssen ausgeschlossen sein.
    Susanne Schneider (FDP) ... halte ich es für richtig, das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen zu erhalten, indem jeder einen Widerspruch gegen die Angabe seiner Identität einlegen kann und dann seine Daten lediglich verschlüsselt gespeichert werden. Es wird jetzt darauf zu achten sein, dass ein konsequenter Datenschutz auch technisch umgesetzt wird, ohne dadurch Forschungsvorhaben völlig auszuschließen.
    Daniel Düngel (PIRATEN) ... bestehen somit erhebliche Bedenken. Die Betroffenen können nur mit einem Widerspruch erreichen, dass die persönlichen Daten in Verbindung mit ihrem Medikamentenkonsum gelöscht werden. Anstatt vorsorglich die Ursachen von Krebserkrankungen entschlossen zu bekämpfen, versucht die Landesregierung mit einer grundrechtsverletzenden Datensammlung, die Nachsorge zu verbessern.

    ID: LI150814

  • Rote Karte für Intoleranz.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 7 - 06.10.2015

    Es ist das dominierende politische Thema: Tausende Flüchtlinge kommen jede Woche nach Nordrhein-Westfalen - eine große Herausforderung für Land und Kommunen.
    Die Abgeordneten beschäftigen sich seit Monaten mit den Fragen, die die große Zahl an Asylsuchenden an die Politik stellt. Am Donnerstag, 1. Oktober 2015, beschloss der Landtag nun in einem verkürzten Verfahren den dritten Nachtragshaushalt der rot-grünen Landesregierung für 2015. Durch ihn werden zusätzliche Mittel für die Unterbringung und Betreuung der Asylsuchenden zur Verfügung gestellt. Bei der ersten Lesung des Entwurfs einen Tag zuvor hatte es deutliche Kritik der Opposition an der rot-grünen Flüchtlingspolitik gegeben.
    Was tun, wenn Rechtsextremisten versuchen, den Sport für ihre Zwecke zu missbrauchen? In einer Aktion des Bundesinnenministeriums zeigen Politiker und Spitzensportler gemeinsam die Rote Karte. Sie sind "VorBILDER" gegen Intoleranz und für Menschenwürde und Fairplay. Wir berichten, wie der Landtag die Kampagne unterstützt und welche Erfahrungen ein Jugendtrainer in NRW mit Neonazis machte - und wie er sich gegen sie zur Wehr setzte.
    Diskriminiert, nur weil sie keine Jungen sind: Millionen Mädchen in den Entwicklungsländern haben keinen Zugang zu Bildung oder gesundheitlicher Betreuung, werden zwangsverheiratet, ausgebeutet. Am 20. Oktober 2015 wird dies Thema in einer gemeinsamen Veranstaltung von Landtag und dem Kinderhilfswerk "Plan" sein. Im Interview mit Landtag Intern sprach die Geschäftsführerin von "Plan Deutschland", Maike Röttger, über die Probleme und wie diesen begegnet werden könne.

    Finanzgeschäfte

    Ein weiteres Schwerpunktthema der neuen Ausgabe ist die Finanzsituation der Städte und Gemeinden. In einer Anhörung des Ausschusses für Kommunalpolitik ging es im September um einen gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU- und FDP-Fraktion, mit dem Kommunen vor Risiken aus Fremdwährungskrediten und spekulativen Finanzgeschäften geschützt werden sollen. Wir berichten, was geladene Sachverständige dazu sagten und wie die Experten der fünf Fraktionen den Sachverhalt bewerten.
    wib

    ID: LI150706

  • Geschäfte mit Risiko.
    Schutz der Kommunen bei Fremdwährungskrediten Thema im Ausschuss für Kommunalpolitik.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 7 - 06.10.2015

    11. September 2015 - Als die Schweizerische Nationalbank am 15. Januar 2015 die Abkopplung des Franken vom Euro verkündete, schrillten in vielen Rathäusern die Alarmglocken - auch in NRW. Denn: Etliche Kommunen hatten vermeintlich günstige Fremdwährungskredite aufgenommen, meist in Schweizer Franken. Deren Rückzahlung könnte nun deutlich teurer werden als gedacht.
    Im Ausschuss für Kommunalpolitik stand das Thema nun erneut auf der Tagesordnung. Grundlage war ein gemeinsamer Gesetzentwurf von CDU und FDP, der Kommunen vor Risiken aus Fremdwährungskrediten und spekulativen Finanzgeschäften schützen soll. Zugleich regen die Christdemokraten die Gründung einer "Kommunalfinanzagentur" an. Sie soll Städte und Gemeinden im Zins- und Schuldenmanagement unterstützen. In einer Anhörung äußerten sich Expertinnen und Experten dazu.
    Aktuellen Angaben des Innenministeriums zufolge sind 27 NRW-Kommunen mit rund 1,7 Milliarden Schweizer Franken verschuldet. Die bestehende Gesetzeslage habe es bisher nicht vermocht, "die Kommunen vor Verlusten aus Fremdwährungskrediten und riskanten Finanzgeschäften mit spekulativen Zinsderivaten zu bewahren". Die Fraktionen fordern daher u.a. eine Genehmigungspflicht dieser Kredite sowie ein Verbot spekulativer Finanzgeschäfte.
    Die CDU hält zudem eine "Kommunalfinanzagentur" für erforderlich und schlägt eine interkommunale Zusammenarbeit vor. "Die Möglichkeiten eines Zins- und Schuldenmanagements können aktuell in kleineren und mittelgroßen Kommunen kaum ausreichend genutzt werden, weil weder die personelle Stärke noch das entsprechende Know-how zur Umsetzung" vorhanden seien, heißt es in dem Antrag.
    Skeptisch äußerte sich die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW (Städtetag, Landkreistag sowie Städte- und Gemeindebund). Der Gesetzentwurf von CDU und FDP würde die Kommunen "derart weitgehend reglementieren, dass ein aktives Zinsund Schuldenmanagement faktisch nicht mehr möglich wäre". Außerdem werde nicht klar definiert, "welche Geschäfte konkret als spekulativ gewertet werden". Eine Finanzagentur könne ein sinnvolles Instrument sein. Gleichwohl halte man den Antrag für verfrüht, sagte Claus Hamacher. Zunächst müsse ein ausführliches Konzept entwickelt werden. Ähnlich argumentierte Dr. Jörg Hopfe von der NRW.Bank.

    "Zügig umsetzen"

    Der Bund der Steuerzahler NRW sah im Gesetzentwurf langjährige eigene Forderungen aufgenommen und empfahl, den Vorschlag von CDU und FDP zügig umzusetzen. Die Vorteile einer kommunalen Finanzagentur könne man jedoch nicht erkennen, "denn üblicherweise werden Kommunen, städtische Gesellschaften sowie öffentliche Sondervermögen heute schon kompetent von den kreditgebenden Banken, genossenschaftlichen Instituten und Sparkassen beraten", erklärte Eberhard Kanski. Eine solche Agentur "würde weder das Produkt- noch das Dienstleistungsspektrum vergrößern", befand Norbert Hornung von der Landesbank Hessen- Thüringen. Franz-Josef Arndt vom Bankenverband NRW sah ebenfalls "keine unmittelbare Notwendigkeit".
    "Zum besseren Schutz der Kommunen vor dem Abschluss spekulativer Geschäfte sind eine Konkretisierung des Spekulationsverbots und ausdrückliche gesetzliche Verankerung außerordentlich hilfreich", so Dr. Jochen Weck ("Rössner Rechtsanwälte", München). Er empfahl, bei spekulativen Geschäften die "Rechtsfolge der Nichtigkeit" in Anspruch zu nehmen. Sie würde das Risiko auf die Banken verlagern. "Das Konzept ‚Spekulation‘ und seine Definition" seien im vorliegenden Gesetzentwurf nicht zielführend, erklärte Dr. Manfred Busch, Kämmerer der Stadt Bochum. Jede Entscheidung könne sich im Nachhinein als falsch herausstellen. Den Gesetzentwurf bezeichnete er als "Beruhigungspille für die Öffentlichkeit". Manfred Abrahams, Stadtdirektor in Düsseldorf, sah im Gesetzentwurf einen "weitgehenden Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung" und lehnte auch die Gründung einer kommunalen Finanzagentur ab: "Unterschätzen Sie nicht die Kompetenz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kommunalverwaltungen."
    Nach Ansicht von Sabine Noll, Kämmerin in Monheim, ist der Gesetzentwurf weniger als Eingriff in die kommunale Finanzhoheit, sondern eher als Schutz zu sehen. Auch die Einrichtung einer Finanzagentur als Projekt interkommunaler Zusammenarbeit sei sinnvoll und zu unterstützen. Der Entwurf helfe den Kommunen letztlich nicht, die mit Kreditgeschäften verbundenen Risiken zu minimieren, meinte dagegen Hubert Große-Ruiken, Kämmerer in Dorsten. Zwar wolle der Entwurf die Aufnahme von Fremdwährungskrediten und Derivaten (Termingeschäfte) stark reglementieren, schrecke aber vor deren Verbot zurück.
    zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 8 und 9.

    Systematik: 8400 Finanzmarkt; 1540 Europapolitik

    ID: LI150704

  • Hübner, Michael (SPD); Nettelstroth, Ralf (CDU); Krüger, Mario (Grüne); Abruszat, Kai (FDP); Sommer, Torsten (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: Meinungen zum Schwerpunkt "Fremdwährungskredite".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 7 - 06.10.2015

    Fremdwährungskredite sind ...

    Michael Hübner (SPD) ... auch für Kommunen ein übliches und geeignetes Mittel, wenn bei der Gesamtfinanzierung die Risiken hinreichend gestreut werden und die Kredite in einer soliden Währung wie dem Schweizer Franken aufgenommen werden. Trotz des 2015 gestiegenen Wechselkurses für den Franken hatten die günstigen Konditionen dieser Kredite sehr lange zu einer deutlichen Entlastung vieler kommunaler Haushalte geführt.
    Ralf Nettelstroth (CDU) ... insbesondere für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen ein großes finanzielles Risiko. 27 NRW-Kommunen haben sich mit rund 1,7 Milliarden Schweizer Franken verschuldet, mit dem großen Risiko der Zins- und Währungsänderung. Die Praxis zeigt, dass die geltenden rechtlichen Regelungen in NRW unzureichend sind, die Kommunen vor diesen finanziellen Risiken zu schützen.
    Mario Krüger (Grüne) ... eine Möglichkeit der kommunalen Kreditbeschaffung. Dies eröffnet Chancen verbilligter Kreditaufnahme, allerdings müssen vor allem die Risiken beachtet werden. So können die Wechselkursrisiken erheblich sein, wie dies einige NRW-Kommunen schmerzhaft erfahren mussten. Aus diesem Grunde sollten Fremdwährungskredite nur sehr zurückhaltend und unter sorgfältiger Risikoabwägung aufgenommen werden.
    Kai Abruszat (FDP) ... schwer kalkulierbar, weil sie sowohl erheblichen Zinsänderungs- als auch Wechselkursrisiken unterliegen. Als solide kommunale Finanzierungsquelle sind sie daher weitgehend ungeeignet. Städte und Gemeinden sollten nicht dem Risiko ausgesetzt sein, die Option der Fremdwährungsaufnahme bei der Abwägung vorteilhafter Finanzierungsalternativen berücksichtigen zu müssen.
    Torsten Sommer (PIRATEN) ... Teil der aktuellen Verschuldungssituation der Kommunen in NRW und damit eine zusätzliche Belastung. Gerade Kommunen wie Essen versuchen, durch Prolongation das Problem vor sich her zu schieben. Kreditgeschäfte ohne entsprechende Absicherung des Währungsrisikos und die daraus resultierenden Prolongationen sind spekulativ.

    Eine Genehmigungspflicht ...

    Michael Hübner (SPD) ... ist weder notwendig noch sinnvoll. Mit dem Erlass des Innenministeriums zu Krediten und kreditähnlichen Rechtsgeschäften besteht bereits ein umfassendes Regelwerk, um spekulative und zu riskante Finanzgeschäfte der Kommunen zu unterbinden. Zudem ist der in manchen Kreisen vermittelte Eindruck falsch, dass entweder naive Entscheidungsträger oder besonders risikoaffine Zocker am Werk seien.
    Ralf Nettelstroth (CDU) ... soll die verschuldeten Kommunen vor Verlusten aus riskanten Krediten in fremden Währungen bewahren. Wenn eine Aufsichtsbehörde sich Kreditverträge kontrollierend ansehen kann, ist das kein Eingriff in die kommunale Finanzhoheit, sondern schützt die Kommunen. Das finanzielle Risiko kann durch die Genehmigungspflicht von Fremdwährungskrediten verringert werden.
    Mario Krüger (Grüne) ... ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht erforderlich. Die bestehenden Regelungen für Fremdwährungskredite sind hinsichtlich der Risikoabwägung und -vorsorge ausreichend klar definiert.
    Kai Abruszat (FDP) ... für die Aufnahme von Fremdwährungskrediten halten wir für sinnvoll. In einzelnen Fallkonstellationen kann sich die Fremdwährungsaufnahme als zweckmäßig erweisen. Eine unabhängige Prüfung und Genehmigung durch die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde wäre dabei ein zusätzlicher Sicherungsmechanismus. Die Landesregierung würde hierdurch mit in die Verantwortung genommen.
    Torsten Sommer (PIRATEN) ... ist ein weiterer Aufbau von Bürokratie und würde aktuell nicht zu einer Verbesserung der Lage führen, da geeignetes Personal in der Aufsichtsbehörde nicht vorhanden ist. Dieses Personal wäre aber dringend notwendig, wenn die Genehmigungspflicht eine sinnvolle Auflage darstellen soll. Geeignete Maßnahmen zur Schulung müssen als Vorbereitung zwingend erfolgen.

    Ein grundsätzliches Aufnahmeverbot ...

    Michael Hübner (SPD) ... ist ein untaugliches Mittel, da hierdurch die Kommunen in ihrer Handlungsfähigkeit derart weitgehend reglementiert würden, dass ein aktives Zins- und Schuldenmanagement faktisch nicht mehr möglich wäre. Die Städte und Gemeinden würden von wichtigen Finanzierungsmöglichkeiten abgeschnitten werden. Dies hätte im Endeffekt deutlich negative Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte.
    Ralf Nettelstroth (CDU) ... sollte für spekulative Finanzgeschäfte gesetzlich festgeschrieben werden, denn diese gehören nicht in Rathäuser. Der Abschluss von Finanzgeschäften, deren wirtschaftlicher Erfolg für Gemeinden von Entwicklungen abhängig ist, die nicht vorhersehbar und nicht beeinflussbar sind, ist mit der Pflicht zur sparsamen Haushaltsführung unvereinbar. Daher ist ein Verbot spekulativer Geschäfte notwendig.
    Mario Krüger (Grüne) ... ist ein erheblicher Eingriff in das Recht auf kommunale Selbstverwaltung, den wir ablehnen. Außerdem liefert er keine Lösung für diejenigen Kommunen, die in der Vergangenheit bereits Fremdwährungskredite aufgenommen haben. Sie hätten große Schwierigkeiten, wenn sie ihre bestehenden Fremdwährungskredite nicht verlängern dürften.
    Kai Abruszat (FDP) ... für Fremdwährungskredite empfehlen wir ausdrücklich nicht. Ob und inwieweit die Aufnahme von Fremdwährungskrediten ökonomisch sinnvoll und mit Blick auf die Sicherheit für das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vertretbar ist, hängt nicht nur vom Einzelfall ab, sondern ändert sich auch mit den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Auf ein absolutes Verbot sollte daher verzichtet werden.
    Torsten Sommer (PIRATEN) ... kann man überdenken. Allerdings gibt es auch Mittel und Wege, ein solides Fremdwährungsgeschäft abzuschließen und die Währungsrisiken auszugleichen. Vielen Kommunen war das allerdings zu teuer bzw. es war geplant, die spekulativen Gewinne einzustreichen. Daraus resultieren jetzt die Krisen mit den Krediten in Schweizer Franken.

    Eine Kommunalfinanzagentur ...

    Michael Hübner (SPD) ... ist nach derzeitiger Einschätzung nicht zwingend erforderlich, da in den Kommunen grundsätzlich eine ausreichende fachliche Expertise im Hinblick auf Finanzierungsfragen vorhanden ist. Mittelfristig könnte aber ausgewertet werden, welche Erfahrungen in denjenigen Ländern gemacht wurden, in denen eine solche Agentur besteht, beispielsweise in Frankreich oder in einigen skandinavischen Ländern.
    Ralf Nettelstroth (CDU) ... kann zur Unterstützung kleinerer Kommunen eine große Hilfe sein. Denn nicht jede der 396 NRW-Gemeinden hat ausreichend eigene Fachleute, um die hoch komplexen Instrumente beim Schuldenmanagement üblich zu überblicken. Hauptaufgabe einer Kommunalen Finanzagentur ist die Information und Bündelung der Kapitalnachfrage, um Kapital zu günstigen Konditionen am Finanzmarkt zu beschaffen.
    Mario Krüger (Grüne) ... ergibt nur Sinn, wenn sie von den Kommunen breit getragen wird. Dies scheint aktuell nicht der Fall zu sein, wie auch die Sachverständigenanhörung gezeigt hat. Zudem würde eine solche Agentur zusätzliche Bürokratiekosten auslösen. Ihr Mehrwert für die Kommunen ist aber fraglich, da diese schon jetzt kompetent beraten werden. Eine Ausweitung interkommunaler Zusammenarbeit kann aber sinnvoll sein.
    Kai Abruszat (FDP) ... birgt Licht und Schatten. Einerseits ließen sich durch eine Bündelung der Nachfrage am Kreditmarkt günstige Konditionen erzielen. Andererseits könnte dies langfristig zu einer Verringerung des Angebots führen. Grundsätzlich lassen sich die Zielsetzungen, die durch den Aufbau einer kommunalen Finanzagentur bei der NRW.Bank verfolgt werden, auch auf dem Wege der interkommunalen Zusammenarbeit erreichen.
    Torsten Sommer (PIRATEN) ... kann gerade kleineren Kommunen eine Hilfestellung geben. Die NRW.Bank kann aber nicht einerseits beraten, wie im Antrag der CDU gefordert, und gleichzeitig als Anbieter von günstigen Darlehen auftauchen. Es stellt sich die Frage, wer in NRW diese Finanzagentur betreiben soll. Es muss eine unabhängige Stelle geschaffen werden, in der fachkundiges Personal unparteiisch beraten kann.

    ID: LI150730

  • "Vier Schrauben für Zivilcourage".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 7 - 06.10.2015

    "VorBILDER" sagen Nein zu Hass und Intoleranz

    Ein Zeichen setzen gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit - dies will die Wanderausstellung "VorBILDER", die Teil einer Kampagne des Bundesinnenministeriums ist. Ziel ist, Sportvereine im Kampf gegen Rechtsextremismus zu stärken. Unterstützung kommt u.a. vom Landtag.
    In der Wanderausstellung, die im September im Landtag gastierte, sind Schwarz-Weiß-Porträts von "Paaren" aus Politik und Sport zu sehen, fotografiert von Angelika und Bernd Kohlmeier. Jedes Plakat trägt eine andere Botschaft im Kampf gegen Rechtsextremismus und für Toleranz und Menschenwürde. Unter dem Motto "Vielfalt ist Zukunft" reihte sich nun Landtagspräsidentin Carina Gödecke gemeinsam mit Landesjustizminister Thomas Kutschaty in die Gruppe der prominenten Unterstützer ein. Das Schwarz-Weiß-Porträt zeigt die beiden gemeinsam mit dem Bundesligaspieler Ilkay Gündogan von Borussia Dortmund sowie den Jugendspielern Maxime, Tanay, Anton und Daniel.

    Gauck, Lammert und Jogi Löw

    Auf anderen Schwarz-Weiß-Porträts zu sehen sind Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), die Düsseldorfer FDP-Politikerin Gisela Piltz oder Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (GRÜNE) sowie Spitzenvertreter des deutschen Sports, darunter Fußballnationaltrainer Joachim Löw, der frühere Bundesligaprofi Gerald Asamoah, der Bochumer Langstreckenläufer Jan Fitschen und die Hammerwerferin Betty Heidler.
    Die Kampagne "Foul von Rechtsaußen - Sport und Politik verein(t) für Toleranz, Respekt und Menschenwürde" wurde 2011 gegründet. Träger sind neben dem Bundesinnenministerium u. a. der Deutsche Olympische Sportbund, die Deutsche Sportjugend und der Deutsche Fußball-Bund.
    Weitere Informationen zur Kampagne finden Sie unter: www.vereint-gegen-rechtsextremismus. de

    Talkrunde im Landtag zum Thema Rechtsextremismus im Sport

    15. September 2015 - Einer der Teilnehmer war Jo Ecker. Er setzt sich seit 14 Jahren gegen Gewalt und Rassismus auf dem Fußballplatz ein. "Fußball gegen Rechts" hat er seine Initiative genannt. Sie hat bereits zahlreiche Projekte umgesetzt.
    Jo Eckers Schlüsselerlebnis liegt 14 Jahre zurück. Er trainierte damals die C-Jugend des FC Düren-Niederau. Während eines Spiels um den Mittelrheinpokal wurden die Nachwuchskicker, viele von ihnen mit Migrationshintergrund, von einer Horde Neonazis beleidigt und beschimpft. Die Eltern, sagt Ecker, hätten sich nicht gewehrt und auch der Schiedsrichter habe die Begegnung weiterlaufen lassen. Nach dem Schlusspfiff seien die Kinder aus Niederau mit Baseballschlägern bedroht worden. Er habe sich über die Vorfälle beschwert, seine Schilderungen aber seien als "Lappalie" abgetan worden. Jo Ecker beschloss, selbst aktiv zu werden und gründete die Initiative "Fußballvereine gegen Rechts" (siehe Kasten).
    Was sich seither getan hat, davon berichtete er in einer Talkrunde aus Anlass der Ausstellungseröffnung "VorBILDER" im Landtag. Weitere Teilnehmer waren der Läufer Jan Fitschen (Europameister über 10.000 Meter), Peter Flore (Redakteur Neue Medien bei Borussia Dortmund), Antje Gansewig (Deutsches Forum für Kriminalprävention) und NRW-Justizminister Thomas Kutschaty. Die Moderation hatte der Sportjournalist Sven Pistor übernommen.
    Ecker hatte ein Schild mitgebracht, um seine Aktion "Vier Schrauben für Zivilcourage" noch bekannter zu machen. "Kein Platz für Rassismus und Gewalt" steht auf den Schildern, die mit vier Schrauben problemlos an jedem Fußballplatz angebracht werden können. Exakt 519 davon hatte er bis zu diesem Tag schon an Vereine in ganz Deutschland verschickt. In Neonazi-Kreisen sei er bekannt, erklärte Jo Ecker: "Das ist auch gut so." In den vergangenen Jahren habe er "einige Morddrohungen" erhalten, einmal habe er eine tote Katze in seinem Garten gefunden, zweimal sein Garagentor wegen Hakenkreuzschmierereien neu streichen müssen. Angst habe er trotzdem nicht. "Die Angst ist weg", sagte er.

    "Nicht geduldet"

    Borussia Dortmund befasse sich seit Jahren mit dem Problem "Rechtsextremismus", berichtete Peter Flore. Der Verein begreife es als eine seiner wichtigsten Aufgaben, klarzumachen, "dass diese Haltung nicht geduldet wird". Dies sei gerade in Dortmund wichtig, da die Stadt in NRW als "Neonazi-Hochburg" gelte. "Wir suchen den Dialog mit Fans, die sich aktiv antirassistisch beteiligen wollen", sagte Flore. Diese Fans hätten die Rückendeckung des Vereins und würden unterstützt.
    Rechtsextremismus sei vor allem ein Problem in den unteren Ligen, meinte Antje Gansewig vom Deutschen Forum für Kriminalprävention. Bei der Prävention sei aber auch der sogenannte Alltagsrassismus Thema.
    "Ich war in Kenia, ich habe mit Kenianern trainiert", berichtete 10.000-Meter-Europameister Jan Fitschen. Viele Leute, die rechtsextreme Gedanken in sich tragen, hätten dagegen nie Kontakt zu anderen Kulturen gehabt. Andere Kulturen kennenzulernen, sei spannend. Man müsse keine Angst vor ihnen haben.
    Um Rechtsextremismus vorzubeugen, müsse man früh ansetzen, erklärte Justizminister Thomas Kutschaty. Aus diesem Grunde biete man in den Schulen u.a. Arbeitsgemeinschaften zum Thema an.
    zab

    Zusatzinformation:
    Fußballvereine gegen Rechts
    "Vier Schrauben für Zivilcourage" ist nur eine von vielen Aktionen, die die Initiative "Fußballvereine gegen Rechts" bislang gestartet hat. Weitere Projekte hießen "Teamfotos gegen Rechts", "Integration durch Tore", "Schule gegen Rassismus und Gewalt", "Fußballfeste gegen Rechts" oder "Wir vermieten nicht an Nazis". Bei der Aktion "Promis gegen Rechts" hatten sich u.a. aktive und ehemalige Sportlerinnen und Sportler, aber auch Politikerinnen und Politiker mit dem Emblem oder der Fahne der Initiative fotografieren lassen.
    Die Initiative wurde für ihr Engagement mehrfach ausgezeichnet - u.a. 2008 mit dem Julius-Hirsch-Preis des DFB.
    Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.fussballvereine-gegen-rechts.de/

    ID: LI150710

  • Engagement und Hilfsbereitschaft.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 4-5 in Ausgabe 6 - 08.09.2015

    2. September 2015 - Bundesweit werden in diesem Jahr etwa 800.000 Flüchtlinge erwartet. Mindestens 170.000 von ihnen, so die offizielle Prognose, wird allein Nordrhein-Westfalen aufnehmen. NRW werde diese Herausforderungen bewältigen, erklärte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Die Opposition jedoch vermisste konkrete Vorschläge.
    In einer Unterrichtung des Landtags sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD): "Ich bin dankbar dafür, dass in NRW so viele helfen, und ich bin stolz auf unser Land und die Welle der Hilfsbereitschaft, die es gibt." NRW werde die Herausforderungen, vor die es derzeit gestellt sei, bewältigen. Mit Blick auf rassistische Hetze und Gewalt betonte sie: "Diesen Brandstiftern in Wort und Tat sagen wir unmissverständlich: Ihr werdet diese Gesellschaft nicht vergiften mit Euren dumpfen und dummen Parolen." Den Bund forderte die Regierungschefin auf, noch im September verbindliche Zusagen zu machen, wie er sich dauerhaft und strukturell an der Flüchtlingshilfe beteiligen wolle. Kraft sprach sich zudem für ein Einwanderungsgesetz auf Bundesebene aus.
    Auch CDU-Fraktionschef Armin Laschet würdigte das Engagement der vielen Helfer, ohne die das "Klima der Willkommenskultur" nicht möglich sei. Deutliche Kritik äußerte er an der Flüchtlingspolitik der rotgrünen Landesregierung. Die Kommunen seien enttäuscht, dass sie nicht mehr Hilfe vom Land erhielten. So werde ihnen derzeit nur ein Drittel der entstehenden Kosten erstattet. In anderen Bundesländern gebe es eine Vollerstattung. NRW brauche zudem Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern, von wo diese schneller zurückgeführt werden könnten, ehe sie die Kommunen erreichten. Auch versage das Land bei der Registrierung der Hilfesuchenden und brauche einen Krisenstab. Wie Kraft warb er für ein Einwanderungsgesetz.
    Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Norbert Römer, wies die Kritik zurück. Laschets Auftreten sei "streckenweise populistisch" gewesen. Deutschland stehe vor einer großen nationalen Bewährungsprobe. NRW müsse improvisieren und die Landesregierung wisse, dass sie den Kommunen viel zumute. Es gehe aber derzeit nicht anders. Weil das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Asylanträge nicht schnell genug bearbeite, lasse der Unterbringungsdruck nicht nach. Dies wisse auch Laschet. Er versuche aber, aus dieser Situation landespolitisches Kapital zu schlagen. Römer appellierte zudem an Bundeskanzlerin Angela Merkel und die CDU, sich bei der Debatte um ein Einwanderungsgesetz zu bewegen.
    "Wir bekennen uns uneingeschränkt zu der humanitären Verpflichtung, verfolgten Menschen Schutz zu gewähren", erklärte Dr. Joachim Stamp, der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion. Das Boot sei nicht voll, es werde aber sehr schlecht gesteuert. Leidtragende seien die Flüchtlinge in den Unterkünften, aber auch die Kommunen, die "Unterbringung auf Zuruf organisieren müssen". Von Ministerpräsidentin Kraft habe er erwartet, dass sie konzeptionell und konkret Stellung beziehe, sagte Stamp. Dies sei jedoch nicht geschehen. SPD und GRÜNE zeigten nur auf den Bund, die CDU nur aufs Land. Tatsächlich aber müssten beide in ein Gesamtkonzept eingebunden werden, der Bund als Gesetzgeber die Verantwortung für die Kosten übernehmen.

    "Scheindebatte"

    GRÜNEN-Fraktionschef Mehrdad Mostofizadeh dankte der Ministerpräsidentin für ihre "klaren Worte". Man werde "ihren Kurs eins zu eins mit aller Kraft unterstützen". Ausführungen der CDU nannte er "widersprüchlich". Die Landesregierung habe nie den Flüchtlingsprognosen aus Berlin geglaubt, sondern sei stets von höheren Zahlen ausgegangen. Aus diesem Grund seien zusätzliche Lehrerstellen geschaffen worden. Die Diskussion über sichere Herkunftsländer nannte Mostofizadeh eine "Scheindebatte". Er kritisierte zudem "schleppende Asylverfahren" und den "bürokratischen Aufwand". Außerdem forderte der GRÜNEN-Fraktionschef: "Die Zugangsschranken am Arbeitsmarkt müssen fallen. Wir brauchen Zuwanderung in die Arbeitsmärkte." "Refugees welcome. Wir PIRATEN heißen Euch willkommen in Deutschland und Nordrhein- Westfalen", sagte Fraktionsvorsitzender Michele Marsching. Er habe von der Ministerpräsidentin keine klaren Worte gehört. Die "Untätigkeit der Landesregierung" in den vergangenen Jahren habe aus der Flüchtlingssituation erst ein Problem gemacht. Bis heute habe Rot-Grün "kein Konzept für moderne Asylpolitik vorgelegt". Die weltweiten Migrationsströme seien seit Jahren bekannt gewesen. Marsching forderte die Einrichtung eines Ministeriums für Integration, Flucht und Einwanderung. Dank des Einsatzes Ehrenamtlicher werde man die Herausforderungen bewältigen. Allerdings solle niemand hoffen, "dass die Zivilgesellschaft regelmäßig die Landesregierung rettet".

    Zusatzinformation:
    Anträge
    Verbunden war die Debatte mit Anträgen von SPD und GRÜNEN (Drs. 16/9652), FDP (Drs. 16/9512), CDU (Drs. 16/9514 und Drs. 16/9583) sowie den PIRATEN (Drs. 16/9588 und Drs. 16/9653).
    wib/zab

    Steigende Flüchtlingszahl - Herausforderung für Land und Kommunen.

    Die Bilder von Flucht, Not und Elend, die Herausforderungen für Bund, Länder und Kommunen, die alarmierenden Übergriffe auf Unterbringungseinrichtungen sowie rassistische Hetze, aber auch eine große Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft. Kein Zweifel: Die stetig steigende Zahl an Flüchtlingen ist derzeit das bestimmende politische Thema in Deutschland. Allein Nordrhein-Westfalen wird einer Prognose zufolge in diesem Jahr rund 170.000 Menschen aufnehmen - mehr als je zuvor.
    Zahlen von Mitte August zufolge werden in diesem Jahr nach ganz Deutschland insgesamt 800.000 Menschen kommen, die eine neue Heimat suchen. Pro Woche erreichen mehr als 7.000 Flüchtlinge Nordrhein-Westfalen. Das Land nimmt damit mehr Hilfesuchende auf als ganz Frankreich.
    Dies stellt das Land und die Kommunen an Rhein und Ruhr vor enorme Herausforderungen. So wurde die Erstaufnahmestelle in Dortmund mehrmals für kurze Zeit geschlossen, weil sie die ankommenden Flüchtlinge nicht alle unterbringen konnte.
    Bis zum Jahresende wird die Zahl der Flüchtlingsplätze in Landeseinrichtungen nach Angaben der Landesregierung auf 60.000 verdoppelt. Weil es derzeit an dauerhaften Unterbringungsplätzen mangelt, leben Tausende Flüchtlinge in Turnhallen. Diese gelten als für die Unterbringung besonders geeignet, weil sie über sanitäre Einrichtungen verfügen. Das Landesinnenministerium will zur Erstaufnahme zudem künftig auch Jugendherbergen nutzen und bis zu zehn Zelthallen im ganzen Land errichten lassen.
    Neben einer solchen Unterkunft in Köln-Chorweiler mit 1.000 Plätzen sollen Rheine, Selm-Borg und Schloss Holte-Stukenbrock Standorte werden. In der Prüfung sind zudem Düsseldorf, Duisburg, Bergkamen, Krefeld, Hopsten und Olfen. Sozialminister Guntram Schneider (SPD) fragte zudem bei den Schützenverbänden des Landes nach, ob sie kurzfristig Kapazitäten bereitstellen können.
    In der Flüchtlingsarbeit sind viele Ehrenamtliche engagiert. Zudem meldeten sich bereits mehrere hundert Beamtinnen und Beamte im Ruhestand, um mitzuarbeiten - darunter ehemalige Polizeibeamte und pensionierte Lehrerinnen und Lehrer. Mitarbeiter aus den Landesministerien helfen zudem bei der Registrierung von Flüchtlingen in den Erstaufnahmeeinrichtungen.
    Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) kündigte im Landtag an, die Landesregierung werde zusätzlich mehr als 310 Millionen Euro für Flüchtlingseinrichtungen zur Verfügung stellen und zudem 50 Millionen Euro für zusätzliche Gebäude und Grundstücke. Geplant sei darüber hinaus, im Haushalt 2015 knapp 400 neue Stellen für die hauptamtliche Betreuung der Flüchtlinge zu schaffen, um ehrenamtliche Helfer zu entlasten. Ein entsprechender Nachtragshaushalt für diese und weitere Maßnahmen werde vom Kabinett noch im September beschlossen. Darüber hinaus werde Rot-Grün im Lauf des Jahres weitere Maßnahmen für den Haushalt 2016 auf den parlamentarischen Weg bringen.
    Zur medizinischen Versorgung der Flüchtlinge wurde den Kommunen ermöglicht, eine Gesundheitskarte für Asylsuchende einzuführen. Eine entsprechende Vereinbarung wurde von Vertretern von neun Krankenkassen unterzeichnet. Die Landesregierung erwartet, dass diese Karten für rund 180.000 Flüchtlinge infrage kommen. Sie können dann direkt zum Arzt gehen, wenn sie krank sind.

    Systematik: 5070 Ausländer/Vertriebene/Aus- und Übersiedler

    ID: LI150630

  • Hoffnung auf einen festen Job.
    Experten äußern sich im Sozialausschuss zu Wegen aus der Langzeitarbeitslosigkeit.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 6 - 08.09.2015

    26. August 2015 - Ein 55-jähriger Mann ohne Berufsausbildung, aber mit Lese-Rechtschreib-Schwäche und womöglich noch einer Vorstrafe. Eine 40-jährige Frau, die schon Jahre aus ihrem erlernten Beruf als Bürogehilfin heraus ist und nach überwundener Suchtkrankheit noch die aus der Privatinsolvenz resultierenden Schulden via Lohnpfändung abstottern muss. Beide sind arbeitslos und die Wahrscheinlichkeit, dass sich daran etwas ändert, ist gering.
    Der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln hatte die Beispiele in einer Stellungnahme für den Sozialausschuss genannt. Dort stand eine Anhörung zum Thema "Langzeitarbeitslosigkeit" auf der Tagesordnung. Mehr als 300.000 Frauen und Männer sind in NRW davon betroffen. Im Ausschuss ging es um die Frage, wie die Chancen dieser Menschen auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden können. Grundlage waren Anträge von SPD und GRÜNEN (Drs. 16/8655) sowie der FDP (Drs. 16/6681).
    SPD und GRÜNE setzen sich für die Förderung eines dauerhaften sozialen Arbeitsmarkts ein. Das Motto: "Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren". Viele Menschen, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II ("Hartz IV") beziehen, schafften den Schritt aus der Arbeitslosigkeit nicht mehr alleine. Notwendig sei deshalb eine "echte Neuorientierung der Arbeitsmarktpolitik für Langzeitarbeitslose mit der Möglichkeit einer dauerhaft angelegten Beschäftigung". Die Finanzierung solle u.a. durch einen "Passiv-Aktiv-Transfer" erfolgen. Das heißt: Die Kosten für Regelbedarf und Unterkunft sollen als Zuschuss für eine Beschäftigung gezahlt werden.
    Die FDP will einen anderen Weg gehen. "Die Erfahrungen zeigen, dass ein sozialer Arbeitsmarkt als einziges Mittel völlig unwirksam ist, um die strukturell verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern", schreiben die Liberalen in ihrem Antrag. Nur eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt werde mittel- oder langfristig daran etwas ändern. Daher müssten die "Belange der kleinen und mittleren Unternehmen, deren Sorgen bei der Einstellung von Personal, insbesondere wenn es sich um die Teilhabe von Langzeitarbeitslosen handelt, beachtet werden". Qualifikation sei der "Schlüssel, der Menschen die Tür in die Arbeitswelt öffnet". Für bestimmte Zielgruppen böten sich z.B. Teilqualifikationen an.
    Der Städtetag NRW empfahl ein "grundlegendes Umsteuern in der Arbeitsmarktpolitik" und die Schaffung eines sozialen Arbeitsmarkts. Dass die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt stets Vorrang vor öffentlich geförderter Beschäftigung habe, stehe dem nicht entgegen. Die Einführung des "Passiv-Aktiv-Transfers" und eine bessere finanzielle Ausstattung der Jobcenter seien sinnvoll. "Der Vorrang der Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt vor einer geförderten Beschäftigung ist selbstverständlich", bestätigte Prof. Dr. Matthias Knuth (Institut für Arbeit und Qualifikation, Universität Duisburg-Essen) in seiner Stellungnahme. Das eine schließe das andere aber nicht aus.

    "100.000 ohne Chance"

    Trotz vielfältiger Angebote erreiche man nicht alle "marktfernen" Langzeitarbeitslosen, so die Bundesagentur für Arbeit (Regionaldirektion NRW). Diese Menschen würden von einem sozialen Arbeitsmarkt profitieren. Die Freie Wohlfahrtspflege geht davon aus, dass rund 100.000 Menschen in NRW mittel- bis langfristig keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Für besonders benachteiligte Langzeitarbeitslose müsse die "Möglichkeit einer langfristigen öffentlich geförderten Beschäftigung" bestehen. So sah es auch der Diözesan-Caritasverband. Teilqualifizierungen, wie sie die FDP vorschlage, ließen sich mit öffentlich geförderter Beschäftigung kombinieren. Der Antrag der Regierungsfraktionen gehe in die richtige Richtung.
    Nach Ansicht von "Unternehmer NRW", der Landesvereinigung der Unternehmensverbände, ist eine dauerhaft öffentlich geförderte Beschäftigung dagegen nicht zielführend, "da so Fehlanreize gesetzt werden, reguläre Arbeitsplätze des ersten Arbeitsmarkts verdrängt werden könnten und die Finanzierung durch das Konzept des Passiv-Aktiv-Transfers systematisch zweifelhaft ist".
    Der Arbeitsplatz entscheide nicht nur über das Einkommen, sondern auch über die Möglichkeiten sozialer Teilhabe, so der Paritätische NRW. Auch schwer vermittelbare Arbeitslose hätten ein Recht auf Erwerbsarbeit. Wenn es der erste Arbeitsmarkt nicht schaffe, diese Menschen einzubinden, müsse der Staat Hilfen anbieten.
    Der DGB Bezirk Nordrhein-Westfalen kritisierte Mittelkürzungen bei den Jobcentern. Es sei wichtig, die Weiterbildungsförderung der Jobcenter zu stärken. Einem Teil der Langzeitarbeitslosen könne aber auch durch einen sozialen Arbeitsmarkt geholfen werden. Er sei aber "kein Allheilmittel".
    zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 2410 Arbeitsmarkt

    ID: LI150609

  • Scheffler, Michael (SPD); Preuß, Peter (CDU); Maaßen, Martina (Grüne); Alda, Ulrich (FDP); Sommer, Torsten (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: Meinungen zum Schwerpunkt "Langzeitarbeitslosigkeit".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 6 - 08.09.2015

    Langzeitarbeitslosigkeit ist ...

    Michael Scheffler (SPD) ... eine Herausforderung. Dieser begegnet NRW mit dem Projekt "Öffentlich geförderte Beschäftigung" aktiv. Bei diesem Thema ist es wichtig, dass der Bund weiterhin mitzieht. Zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit sind neben den bereits erfolgten Maßnahmen vor allem mehr Geld und bessere Rahmenbedingungen nötig. Die Kürzungen aus der Vergangenheit müssen zurückgenommen werden.
    Peter Preuß (CDU) ... vor dem Hintergrund einer boomenden Konjunktur und insgesamt sinkender Arbeitslosenzahlen nicht hinnehmbar. Für die Betroffenen bedeutet Langzeitarbeitslosigkeit den Verlust einer Perspektive. Den eigenen Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft sichern zu können, wirkt sich auch auf die gesellschaftliche Teilhabe bis hin zur Gesundheit aus.
    Martina Maaßen (Grüne) ... eine sehr schwierige Lebenssituation für die betroffenen Menschen und eine gesellschaftliche Herausforderung. Zu den Folgen für die Einzelnen gehören insbesondere die finanzielle Lage, geringe Möglichkeiten der sozialen Teilhabe, häufig gesundheitliche Beeinträchtigungen, Perspektivlosigkeit, Gefahr von Altersarmut und das individuelle Empfinden, nicht mehr gebraucht zu werden.
    Ulrich Alda (FDP) ... ein Problem, das leider in NRW bisher nicht wirksam angegangen worden ist. Jeder dritte Langzeitarbeitslose in Deutschland lebt in NRW. Das sind über 300.000 Menschen, denen aufgrund dieser hohen verfestigten Arbeitslosigkeit Lebensperspektiven fehlen. Die Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Landesregierung hat hier versagt.
    Torsten Sommer (PIRATEN) ... ein deutliches Zeichen dafür, dass das System Hartz IV auf ganzer Linie gescheitert ist. Speziell die Sanktionen entwickeln keine nachweisbare Steuerungswirkung. Wo es keine passenden Arbeitsstellen gibt, kann man auf den Arbeit suchenden Menschen so viel Druck ausüben, wie man möchte, er wird keine Arbeitsstelle finden können.

    Die bisherigen Förderprogramme der Jobcenter ...

    Michael Scheffler (SPD) ... sind nicht flexibel genug. Sie sind unzureichend, um die Menschen in ihrer individuellen Situation zu erreichen. Eines unser langfristigen Ziele ist, möglichst für alle Erwerbsfähigen eine gute Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Deshalb initiiert NRW zusammen mit den Jobcentern seit 2013 Projekte auf dem öffentlich geförderten Sektor.
    Peter Preuß (CDU) ... führen offensichtlich nicht zu dem gewünschten Erfolg. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist in NRW höher als in den anderen Bundesländern. Gleichzeitig sind die Erfolge bei der Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit ernüchternd. Wir müssen über Teilqualifizierungen und Begleitung dieser Menschen die Möglichkeiten für Teilhabe am Arbeitsleben intensivieren.
    Martina Maaßen (Grüne) ... sind leider in den letzten Jahren immer mehr gekürzt worden. Sie konzentrieren sich auf "noch arbeitsmarktnahe" Personen, für die mit wenig Unterstützungsbedarf eine Integration in den Arbeitsmarkt möglich scheint. Hier ist dringend ein Umdenken erforderlich. Die finanziellen Mittel müssen spürbar aufgestockt werden, und der Fokus muss stärker auf Menschen mit besonderen Schwierigkeiten liegen.
    Ulrich Alda (FDP) ... sind vielfältig, sie zielen aber aufgrund von Fehlanreizen oft eher auf kurzfristige Erfolge und konnten den Sockel der Langzeitarbeitslosigkeit nicht wirklich abbauen. So gehen etliche Qualifizierungsmaßnahmen an den Erfahrungen und grundlegenden Vermittlungshemmnissen der Arbeitslosen vorbei.
    Torsten Sommer (PIRATEN) ... sind größtenteils wirkungslos und zu teuer. Immer neue Programme helfen weder den Arbeit suchenden Menschen, noch den Jobcentern. Es braucht ein dauerhaftes, umfassendes Förderungssystem, das es den Jobcentermitarbeitern ermöglicht, auf den einzelnen Arbeit Suchenden einzugehen. Wir müssen weg vom Gegeneinander und hin zum Miteinander zwischen Jobcenter und Arbeit suchenden.

    Ein sozialer Arbeitsmarkt ...

    Michael Scheffler (SPD) ... ermöglicht es, auch schwer zu vermittelnde Menschen wieder in Lohn und Brot zu bringen. Wer trotz intensiver Förderung nicht integriert werden kann, erhält durch einen sozialen Arbeitsmarkt die Chance auf Erwerbsbeteiligung und soziokulturelle Teilhabe. Das wirkt sozialen Ausgrenzungs- und Verarmungsprozessen entgegen und erhöht die persönliche Lebensqualität.
    Peter Preuß (CDU) ... kann eine Zukunftsperspektive für Langzeitarbeitslose schaffen. Die Frage ist nur, in welcher Form das wirksam und finanzierbar geschehen kann, ohne einen geschlossenen zweiten Arbeitsmarkt zu installieren. Öffentlich geförderte Beschäftigung darf nicht die Chance auf einen Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt verbauen. Bund und Länder stehen hier gleichermaßen in der Verantwortung.
    Martina Maaßen (Grüne) ... und öffentlich geförderte Beschäftigung sind unverzichtbare Instrumente, um Perspektiven und Chancen für langzeitarbeitslose Menschen zu eröffnen - hin zur Inklusion in den Arbeitsmarkt. Zukünftig sollen privat-gewerbliche Unternehmen stärker eingebunden werden und eine Förderung über mehr als zwei Jahre soll möglich sein. Außerdem muss am Ende einer Förderung immer eine Anschlussperspektive aufgezeigt werden.
    Ulrich Alda (FDP) ... kann eine sinnvolle Hilfe sein, um sonst nur schwer erreichbare Menschen wieder an Arbeit und geregelte Tagesabläufe zu gewöhnen sowie um Grundqualifikationen zu erwerben. Er sollte aber das Ziel haben, den betroffenen Langzeitarbeitslosen einen Zugang in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen, und nicht zu einem teuren und wenig effektiven dauerhaften Sektor werden.
    Torsten Sommer (PIRATEN) ... ist wichtig, um Arbeit suchenden Menschen entsprechende Perspektiven zu geben. Hier können normale Wirtschaftsunternehmen ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und gleichzeitig Mitarbeiter gewinnen, ohne die sie in Zukunft nicht auskommen werden. Der sozial geförderte Arbeitsmarkt ist ein wichtiger Bestandteil für einen funktionieren Arbeitsmarkt. Aber er ist kein Allheilmittel.

    Die Betreuung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen ...

    Michael Scheffler (SPD) ... ist uns wichtig. Sie erfordert Fachwissen, Fingerspitzengefühl und Flexibilität. Deshalb brauchen die Jobcenter beispielsweise unbedingt mehr Personal, um diese Aufgabe erfüllen zu können. Die Landesregierung hat bereits große Schritte in die richtige Richtung unternommen. Nun muss jedoch der Bund folgen.
    Peter Preuß (CDU) ... muss den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt ermöglichen. Dafür müssen wir die Ursachen genau in den Blick nehmen. Langzeitarbeitslosigkeit kann nur durch Prävention und ein Maßnahmenpaket verringert werden, das auf die einzelnen Vermittlungshemmnisse und eventuell fehlenden Qualifikationen der Betroffenen abgestimmt ist.
    Martina Maaßen (Grüne) ... sind Schlüssel und Chance, die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Es bedarf jedoch auch hier mehr finanzieller Mittel. Die Maßnahmen zur Unterstützung sollten zudem einvernehmlich zwischen Jobcentermitarbeiterinnen und -mitarbeitern und Betroffenen vereinbart werden. Sie sollten auch ein freiwilliges Angebot sein. Die Bedarfslage der Langzeitarbeitslosen muss hier im Vordergrund stehen.
    Ulrich Alda (FDP) ... sollte möglichst im ersten Arbeitsmarkt ohne Vorverurteilung und Misstrauen gegenüber potenziellen Arbeitgebern durchgeführt werden. In Bezug auf die Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen können niedrigschwellige Angebote wie zum Beispiel Teilqualifikationen die Chancen auf eine Beschäftigung erhöhen.
    Torsten Sommer (PIRATEN) ... funktioniert nur im Zusammenspiel mit Arbeit Suchenden, Jobcentern und Unternehmen. Dazu muss der Betreuungsschlüssel von aktuell 1 Jobcenter-Mitarbeiter auf 150 Arbeit Suchende auf 1:50 angepasst werden. Anders ist eine nachhaltige Vermittlung und Qualifizierung nicht möglich. Die Unternehmen müssen bei Aus- und Weiterbildung wieder stärker in die Verantwortung genommen werden.

    ID: LI150610

  • Kontrolle gegen Gebühr?
    Experten äußern sich zur Lebensmittelüberwachung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 5 - 29.06.2015

    10. Juni 2015 - Pferdefleisch in der Lasagne, Dioxin in Eiern, gefährliche Keime im Gemüse: Es sind Lebensmittelskandale wie diese, die die Verbraucherinnen und Verbraucher in den vergangenen Jahren aufgeschreckt haben und die die staatliche Überwachung der Lebensmittelherstellung in den Fokus des Interesses rückten. Um die Finanzierung dieser amtlichen Kontrollen an Rhein und Ruhr ging es nun in einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses.
    Sachverständige äußerten sich dort zu der Frage, ob die Unternehmen der Lebensmittelbranche künftig Gebühren für die Regelkontrollen zahlen sollen. Anlass war ein Antrag der FDP-Fraktion (Drs. 16/7167), die entsprechende Pläne der rot-grünen Landesregierung kritisch sieht.
    Die Fraktion will vielmehr am Grundsatz festhalten, dass die amtliche Lebensmittelüberwachung aus Steuermitteln finanziert wird. Die Absicht der nordrhein-westfälischen Landesregierung, auf eine Gebührenfinanzierung umzustellen, gehe zulasten der Verbraucher und führe zu einer "unzumutbaren Belastung speziell für kleine und mittlere Betriebe", heißt es im Antrag. In der Anhörung prallten die Meinungen aufeinander. Die Verbraucherzentrale NRW unterstützt eine Gebührenfinanzierung. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, dass es in den vergangenen Jahren eine "Besorgnis erregende Zunahme von Betrugsfällen" vor allem bei hochpreisigen Lebensmitteln gegeben habe. Die amtliche Kontrolle stoße derzeit an ihre Grenzen. "Um zu vermeiden, dass die Lebensmittelkontrolle zum Nachteil des Verbraucherschutzes in Abhängigkeit von der jeweiligen öffentlichen Haushaltslage erfolgt, sollten für Regelkontrollen verpflichtende Gebühren erhoben werden."
    Die niedersächsische Landesregierung erhebt seit Dezember vergangenen Jahres solche Gebühren. Franz-Christian Falck vom dortigen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit betonte, die Regelkontrollen seien kein Bestandteil der staatlichen Daseinsvorsorge. Vielmehr seien die Unternehmen Veranlasser der Kontrollen durch ihre risikogeneigte Unternehmung selbst. Die Einführung der Gebühren sei daher verfassungsrechtlich zulässig.
    Auch der Landesrechnungshof NRW unterstützt eine Gebührenfinanzierung zur Entlastung der kommunalen Haushalte, wie es in einer Stellungnahme für die Anhörung heißt. Ebenso - grundsätzlich - der Landkreistag, allerdings mit der Forderung, dass die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insbesondere von Kleinunternehmen dadurch nicht gefährdet wird", wie aus der Stellungnahme hervorgeht.

    Aufwand größer als Ertrag?

    Im Städtetag NRW gibt es nach Angaben von Regine Meißner dagegen kein einheitliches Bild. Die Tendenz sei allerdings eher ablehnend bei den kreisfreien Städten, unter anderem, weil ein erhöhter Verwaltungs- und Personalbedarf befürchtet werde. Die Lebensmittelüberwachungsämter und Veterinärämter der Kreise und Städte sind für die Kontrollen zuständig.
    Deutliche Kritik an den Plänen zur Gebührenfinanzierung äußerten die Verbände der Lebensmittelbranche. So betonte Klaus Hübenthal von der Dehoga NRW für den Bereich Hotels und Gaststätten, sein Verband halte die Einführung einer Gebührenfinanzierung für verfassungsrechtlich bedenklich. Zudem bestehe die Befürchtung, dass der Aufwand größer sein werde als der Ertrag.
    Der Fleischerverband NRW sieht in den Kontrollen - im Gegensatz beispielsweise zum Land Niedersachsen - eine staatliche Aufgabe der Daseinsvorsorge, die nicht über Gebühren finanziert werden dürfe. Dr. Sabine Görgen vom Verband warnte darüber hinaus, dass gerade kleinere Betriebe Gebühren nicht schultern, sie aber wegen des hohen Konkurrenzdrucks auch nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben könnten. Zudem gebe es ein gutes System der Eigenkontrolle. Die Betriebe würden durch die Einführung von Gebühren daher "doppelt zur Kasse gebeten".
    Der Verband des Rheinischen Bäckerhandwerks äußerte sich ähnlich und warnte vor einem Anstieg des Sterbens kleinerer Bäckereien. Walter Dohr vom Verband verwies wie der Fleischerverband auf die Konkurrenz durch Supermärkte und Discounter. Den kleinen Handwerksbetrieben drohe eine enorme Belastung durch die Einführung von Gebühren für die Regelkontrollen.
    Die Landesverbände der Lebensmittelkontrolleure im öffentlichen Dienst sowie der Lebensmittelchemikerinnen und -chemiker im öffentlichen Dienst warnten in der Anhörung vor einem steigenden Verwaltungsaufwand durch die Einführung von Gebühren.
    wib

    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 5210 Gesundheitsschutz

    ID: LI150510

  • Blask, Inge (SPD); Schulze Föcking, Christina (CDU); Dr. Beisheim, Birgit (Grüne); Bombis, Ralph (FDP); Schwerd, Daniel (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: Meinungen zum Titelthema "Finanzierung der Lebensmittelüberwachung".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 5 - 29.06.2015

    Die Lebensmittelskandale der vergangenen Jahre ...

    Inge Blask (SPD) ... haben gezeigt, dass das Kontrollniveau in der Lebensmittelüberwachung weiter ausgebaut werden muss. Durch vermehrte Kontrollen steigt die Wahrscheinlichkeit, Missstände frühzeitig zu entdecken, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Wirtschaft rechtzeitig zu schützen. Die amtlichen Kontrollen zur Lebensmittelsicherheit können durch eine kostendeckende Gebührenfinanzierung verbessert werden.
    Christina Schulze Föcking (CDU) ... sind noch in den Köpfen, täuschen aber darüber hinweg, dass es Ausnahmen waren. Noch nie waren Lebensmittel in Deutschland so sicher wie heute. Durch unser engmaschiges Kontrollnetz konnten viele Vorfälle aufgedeckt werden. Dennoch müssen wir unsere Kontrollen zielorientiert, angemessen und verhältnismäßig weiterentwickeln, um weiterhin ein solch hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten.
    Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE) ... haben gezeigt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor Gesundheitsgefahren, Täuschungen und Tricksereien geschützt werden müssen. Der Verbraucherschutz war und ist grünes Kernanliegen. Grundsätzlich schützt die Lebensmittelüberwachung in NRW vor gesundheitlichen Gefahren, sie liegt in der Verantwortung des Grünen Umweltministers.
    Ralph Bombis (FDP) ... waren meist Einzelfälle, geprägt von erheblicher krimineller Energie. Trotzdem zeigt sich, dass Lebensmittelkontrollen nicht immer optimal funktionierten. Bundesweite Standards und ein verbesserter Austausch zwischen den Ländern sind notwendig. Zudem müssen die inhaltlichen Standards der Kontrollen gestärkt werden, dabei wäre die von Rot-Grün beabsichtigte Einführung von Regelgebühren kontraproduktiv.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... haben immer wieder zu hektischen Reaktionen seitens der Regierungsbehörden geführt. Wir brauchen mehr staatliche und auch Eigenkontrollen, um proaktiv die Sicherheit unserer Lebensmittel gewährleisten zu können.

    Amtliche Kontrollen der Kommunen und die Eigenkontrolle in den Unternehmen ...

    Inge Blask (SPD) ... sind die zwei Säulen der Lebensmittelüberwachung. Beide Formen der Kontrolle gilt es, auszubauen und zu optimieren. Dabei wollen wir vor allem die Kontrollintensität und -qualität durch die staatlichen Behörden erhöhen. Bei den Eigenkontrollen in den Unternehmen sind die Qualitätsstandards zu stärken sowie die Pflicht zur Dokumentation zu konkretisieren.
    Christina Schulze Föcking (CDU) ... ergänzen sich und haben sich in den letzten Jahren bewährt. Die Unternehmen haben ein großes Interesse daran, Erzeugnisse zu verkaufen, die höchsten Qualitätsansprüchen genügen. Die Kommunen vor Ort sind nah am Geschehen und kennen die einzelnen Betriebe. Arbeiten Kommunen und Betriebe partnerschaftlich zusammen, sind die Ergebnisse besser, als wenn man eine entfernte Behörde damit beauftragt.
    Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE) ... sind zwei wichtige Bausteine des Verbraucherschutzes. Noch effizienter kann die Qualität gesichert werden, wenn sich die Beteiligten stärker abstimmen und auf gemeinsame Standards einigen. Dies kann auch zu Kosteneinsparungen führen.
    Ralph Bombis (FDP) ... müssen qualitativ gestärkt werden. Die Eigenkontrollkonzepte der Unternehmen sollten mit umfassenden Qualitätsmanagement- und Produktsicherheitskonzepten ergänzt und deren verbindliche Einhaltung von unabhängigen Kontrollinstituten überprüft werden. Aufgabe der amtlichen Lebensmittelkontrolle wäre dann in erster Linie die "Kontrolle der Kontrolleure" - was zudem öffentliche Haushalte entlastet.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... stehen nicht in Konkurrenz, sondern ergänzen sich. Beide Säulen der Lebensmittelüberwachung sind notwendig, um Verbraucher konsequent vor Gesundheitsgefahren zu schützen und ein möglichst engmaschiges Netz an Kontrollen zu schaffen. Dies nützt nicht zuletzt den Unternehmen selbst. Klar ist: An der Lebensmittelüberwachung darf nicht gespart werden!

    Wenn Unternehmer der Lebensmittelbranche Gebühren für die Kontrollen zahlen, ....

    Inge Blask (SPD) ... wird die Stärkung des Verbraucherschutzes auf eine erweiterte finanzielle Basis gestellt. Auf diese Weise bezahlt nicht mehr allein der Steuerzahler die Kontrollen, sondern die Unternehmen leisten einen eigenen Beitrag. Damit sichern wir eine qualitativ höhere Überwachung. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht darauf, dass die Lebensmittelkontrolle nicht von der Kassenlage abhängig ist.
    Christina Schulze Föcking (CDU) ... dann stellt man die Daseinsvorsorge des Staates infrage. Warum soll ein Autofahrer für eine Verkehrskontrolle zahlen, wenn er sich ordnungsgemäß verhalten hat? Ziel muss es sein, die Kontrollen zu verbessern und das Niveau der Lebensmittelsicherheit weiterhin hochzuhalten. Wir müssen konsequent die bestrafen, die sich nicht an die Regeln halten. Aber pauschales Misstrauen ist fehl am Platz.
    Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE) ... werden diese zweckgebunden für die Verbesserung des Verbraucherschutzes eingesetzt. Um die Gebühren gerechter zu verteilen, sollte der risikoorientierte Kontrollansatz verbessert werden. Betriebe mit geringerem Gefährdungspotenzial und jene, die ohne Mängel kontrolliert wurden, werden in der Folge seltener überprüft und damit auch finanziell geringer belastet werden.
    Ralph Bombis (FDP) ... führt das in NRW nicht zu mehr Lebensmittelsicherheit, dafür aber zu Belastungen und Wettbewerbsnachteilen, die Unternehmen in anderen Bundesländern nicht zu tragen haben. Betriebe, die sauber arbeiten, sich an hohe Standards halten und sich nichts vorzuwerfen haben, dürfen nicht zum Ausbügeln der von Rot-Grün verursachten kommunalen Haushaltsschieflage herangezogen werden.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... dann muss sichergestellt werden, dass die daraus erzielten Einnahmen tatsächlich der verbesserten Lebensmittelkontrolle zugutekommen. Eine Zweckbindung würde verhindern, dass die Gelder im allgemeinen Kommunalhaushalt versickern. Der Eindruck, dass Kontrollen nur deshalb durchgeführt werden, um Einnahmen zu generieren, muss durch eine transparente Arbeitsweise vermieden werden.

    Kleine und mittlere Betriebe wie Bäckereien und Metzgereien ...

    Inge Blask (SPD) ... sollen durch eine mögliche Einführung von gebührenfinanzierten Regelkontrollen nicht unangemessen belastet werden. Deshalb streben wir an, die Höhe der Gebühren nach der Größe der Unternehmen zu staffeln.
    Christina Schulze Föcking (CDU) ... wären genau die Betriebe, die die Gebühren empfindlich treffen würden. Wenn wir regionale Lebensmittel und die regionale Vielfalt fördern wollen, macht es keinen Sinn, bei den Kleinen die Hand aufzuhalten. Wir sollten um jeden heimischen kleinen und mittleren Lebensmittelerzeuger froh sein. Diese leisten für die Versorgung mit guten Produkten Großes und sichern Arbeitsplätze vor Ort.
    Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE) ... haben ebenso wie die Döner- oder die Würstchenbude andere Bedingungen als Großbetriebe. Die Gebühren sollen sich auch an der finanziellen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Betriebes orientieren. Auch die Verbesserung des Sachkundenachweises könnte Kosten senken: Im Bäckerhandwerk gehört der Umgang mit Lebensmitteln zur Ausbildung, ein Sushi- Restaurant kann man heute fast ohne Qualifikation eröffnen.
    Ralph Bombis (FDP) ... sind als mittelständische Handwerksbetriebe lokal verwurzelt und bilden das Rückgrat unserer nordrhein-westfälischen Wirtschaft. Sollte Rot-Grün ernst machen und die Pflichtgebühren einführen, müssen sie je nach Umfang der Kontrolldichte mit teils erheblichen Sonderbelastungen bis hin zur Existenzgefährdung, rechnen. Das wäre ein Schlag ins Gesicht für tausende Ausbildungsbetriebe.
    Daniel Schwerd (PIRATEN) ... dürfen durch eine gebührenfinanzierte Regelkontrolle nicht über ihre Verhältnisse belastet werden. Bereits die Kosten der Auswertung einzelner Lebensmittelproben können für Kleinstbetriebe existenzbedrohend sein. Eine intelligent gestaffelte Gebührenordnung ist daher notwendig. Es darf nicht dazu kommen, dass Beratungsgespräche durch eine zeitabhängige Gebührenabrechnung erschwert werden.

    ID: LI150511

  • Kopftuch im Unterricht sorgt für Kopfzerbrechen.
    Fachleute diskutieren bei Anhörung Verbot des Verbots.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 4 - 28.05.2015

    13. Mai 2015 - Im Grunde ist die Sache klar: Lehrerinnen in Nordrhein-Westfalen dürfen im Unterricht künftig ein Kopftuch tragen. So hat es das Bundesverfassungsgericht entschieden und damit die bisherige Regelung in NRW gekippt. Das Tragen eines Kopftuchs dürfe nur dann untersagt werden, wenn der Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gefährdet seien, befand das Gericht. Nur: Wann ist der Schulfrieden gefährdet?

    Bislang galt in NRW das Kopftuchverbot. Gestützt wurde es durch Paragraf 57 des Schulgesetzes. Dort heißt es u.a.: "Lehrerinnen und Lehrer dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören." Einen Zusatz, der die Privilegierung zugunsten der Darstellung christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte vorsieht, erklärte das Gericht für nichtig.
    Der Schulausschuss hat sich in einer Anhörung mit dem Thema beschäftigt. Grundlage war ein Entwurf von SPD, CDU und GRÜNEN zum 12. Schulrechtsänderungsgesetz. Neben der Aufhebung des Kopftuchverbots werden darin auch die Einrichtung von Hauptschul- Bildungsgängen an Realschulen und die Besetzung von Schulleitungsstellen geregelt.
    Die Landeselternschaft NRW fürchtete, dass Schulen künftig in jedem Einzelfall über eine mögliche Störung des Schulfriedens befinden müssen. Dies würde sie völlig überfordern, Rechtsunsicherheit festschreiben und ein landeseinheitliches Verfahren unterlaufen, so Eberhard Kwiatkowski. Ähnlich äußerte sich Udo Beckmann vom Verband Bildung und Erziehung. Die Landesregierung müsse eine landesweit einheitliche Regelung vorlegen, die den Schulleitungen rechtssicheres Handeln ermögliche Auch Maike Finnern, die den Deutschen Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vertrat, forderte eine "generelle Verfahrensregelung durch den Gesetzgeber".
    Peter Silbernagel (Philologen-Verband NRW) kritisierte, dass im Entwurf die "Bedeutung der christlichen und abendländischen Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen nicht mehr angemessen zum Ausdruck kommt". Er schlug vor, den vom Verfassungsgericht bemängelten Hinweis im Gesetz zu belassen und einen Zusatz einzufügen, der auch andere Religionen und Weltanschauungen erfasse.

    Klarstellung gefordert

    Dr. Antonius Hamers (Katholisches Büro NRW) sah im Beschluss der Verfassungsrichter ein "starkes Signal für die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit", bedauerte jedoch, dass der Hinweis auf christlich-abendländische Werte gestrichen werde. Das Gericht bemühe sich um einen "Ausgleich zwischen der Glaubensfreiheit der einzelnen Lehrkraft und den legitimen Anliegen des Staates, den Schulfrieden und die staatliche Neutralität zu wahren". Um Störungen des Schulfriedens zu vermeiden, empfahl die Vertretung der Bischöfe "eine Formulierung, die es Lehrerinnen und Lehrern in der Schule verbietet, politische, religiöse, weltanschauliche oder ähnliche äußere Bekundungen abzugeben". Die Klarstellung, dass Religionsunterrricht und öffentliche Bekenntermögnisschulen nicht betroffen seien, müsse jedoch erhalten bleiben. Öffentliche Schulen seien kein religionsfreier Raum, sagte Kirchenrat Dr. Thomas Weckelmann (Evangelisches Büro NRW). Die Gerichtsentscheidung sei ein Beitrag zum Schutz der Religionsfreiheit. Mit der geplanten Gesetzesänderung würden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes umgesetzt: "Dies begrüßen wir." Lehrerinnen und Lehrer dürften das Neutralitätsgebot nicht verletzen, mögliche Konflikte jedoch "nicht auf die Schulen abgewälzt werden".
    Nach Ansicht von Anne-Kathrin Kenkmann (Ruhr-Universität Bochum) hat das Bundesverfassungsgericht die Gestaltungsspielräume des Landesgesetzgebers verletzt. Außerdem: Begreife eine Lehrerin das Kopftuch als zwingendes Gebot, gehe von dem Kleidungsstück das Signal aus, dass auch andere muslimische Frauen das Kopftuch tragen müssten. Durch die Schulpflicht setze der Staat Schüler diesem Signal aus.
    Der Gesetzesentwurf setze die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Vorgaben loyal um und werfe keine verfassungsrechtlichen Probleme auf, so Prof. Dr. Fabian Wittreck (Westfälische Wilhelms-Universität Münster). Er sei "verfassungsrechtlich unauffällig". Um mögliche Konflikte an Schulen zu vermeiden, empfahl auch er entsprechende Verwaltungsvorschriften. zab
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 7300 Religionsgemeinschaften; 4220 Allgemeinbildende Schulen

    ID: LI150408

  • Flüssig oder überflüssig?
    Anhörung im Schulausschuss zum Thema "Handschrift".
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 3 - 30.04.2015

    Grundschulkinder schreiben ihre ersten Texte in Druckbuchstaben. Danach lernen sie die Schreibschrift und verbinden einzelne Buchstaben zu einer Einheit, also zu ganzen Wörtern. Das Ziel: eine flüssige, gut lesbare Handschrift. Offenbar wird dies aber nicht immer erreicht.
    22 April 2015 - Kinder sollten am Ende der Grundschulzeit eine gut lesbare, verbundene Handschrift beherrschen - daran erinnern CDU und FDP in einem gemeinsamen Antrag. Tatsächlich aber klagten Eltern und auch Lehrer weiterführender Schulen, dass dies nicht immer der Fall sei. Im Schulausschuss äußerten sich Expertinnen und Experten zum Thema.
    "Der Lehrplan Deutsch für die Grundschule sieht vor, dass Kinder am Ende der Schuleingangsphase flüssig und formklar in Druckschrift, am Ende der 4. Klasse flüssig in einer gut lesbaren verbundenen Handschrift schreiben können sollen", heißt es in dem Antrag. Der Landesregierung liege jedoch offenbar "kein belastbarer Kenntnisstand" vor, ob diese Ziele tatsächlich erreicht werden. CDU und FDP fordern daher u.a. eine Datenerhebung an Grundschulen samt anschließendem Bericht an den Landtag.
    Flüssiges Schreiben mit der Hand sei auch in Zeiten von Laptop und PC nicht überflüssig, so Benedicte Deerberg, Lehrerin an der Grundschule Dankersen-Leteln, in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Die Zunahme motorischer und feinmotorischer Schwierigkeiten sollte nicht dazu führen, "diese Defizite mit falsch verstandener Schonung der Kinder noch weiter zu verstärken". Im Gegensatz zur Druckschrift lasse sich die Schreibschrift mit ihren "weichen Schwungbewegungen" fließender und somit für die Hand entspannter und schneller schreiben. Viele Kinder kämen mit der Schreibschrift besser zurecht, sie sei zur Ausbildung der Feinmotorik wichtig und sinnvoll. Zur Vermittlung der Rechtschreibung sei sie aufgrund unterschiedlicher Groß- und Kleinbuchstaben außerdem eindeutiger als die Druckschrift. Aus der verbundenen Schrift könnten Kinder später ihre individuelle Handschrift entwickeln.
    Dass Kinder lernen, mit der Hand zu schreiben, sei nach wie vor wichtig, sagte Prof. Dr. Ingrid Barkow (Pädagogische Hochschule Ludwigsburg). Die erzwungene Umstellung auf die Schreibschrift werde jedoch zunehmend kritisch gesehen. "Kinder fallen in der Entwicklung des Textschreibens häufig zurück, da die korrekte Ausführung der Buchstabenformen und -verbindungen kognitive Aufmerksamkeit bindet, die zulasten der inhaltlichen Textgestaltung geht." Studien hätten gezeigt, dass sich Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe 1 weitgehend von der erlernten Ausgangsschrift trennen und zu einer "geläufigen Form der Druckschrift zurückkehren". Die Abkehr von einer normierten Ausgangsschrift sei zu begrüßen, "da sie den Kindern die Chance auf eine eigenständige und bewusste Schriftentwicklung bietet". Voraussetzung sei jedoch, "dass im Unterricht dem Schreiben die angemessene Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet wird".
    Ähnlich argumentierten Linda Kindler und Maxi Brautmeier-Ulrich (beide Grundschulverband, Landesgruppe NRW). Kindlers Überzeugung zufolge benötigen Kinder lediglich die erste Ausgangsschrift, also Druckbuchstaben, um daraus eine eigene Handschrift zu entwickeln. Auch bei dieser Methode verliere die Handschrift nicht an Bedeutung. An ihrer Schule sei vereinbart worden, vom Schuljahr 2010/2011 an kein gesondertes Arbeitsmaterial mehr zum Erlernen einer weiteren Ausgangsschrift anzuschaffen, so Brautmeier-Ulrich in ihrer Stellungnahme. Im Gegenzug sollte der Entwicklung einer persönlichen Handschrift mehr Raum gegeben werden. Alle Kinder ihrer Schule verfügten am Ende der Grundschulzeit über eine gut lesbare persönliche Handschrift.

    Neue Methoden

    Dr. Christian Marquardt, wissenschaftlicher Beirat im Schreibmotorik-Institut (Heroldsberg bei Nürnberg), empfahl, neue wissenschaftlich fundierte Methoden für den Schreibunterricht vor allem ab der 3. Klasse zu entwickeln. Eine Umfrage des Instituts und des Deutschen Lehrerverbandes unter Pädagogen habe ergeben, dass Schülerinnen und Schüler immer häufiger Probleme mit dem Handschreiben hätten. Hintergrund sei die veränderte Lebenswelt der Kinder, ihre motorische Leistungsfähigkeit nehme ab. In diesem Zusammenhang sei Prävention wichtig. Ein weiteres Ergebnis der Umfrage sei das "zu langsame und zu unleserliche Schreiben in den weiterführenden Schulen". "Unsere wissenschaftlichen Untersuchungen weisen nun tatsächlich darauf hin, dass Kinder beim Beschleunigen der ursprünglich gelernten Ausgangsschriften große Probleme haben und darunter vor allem die Lesbarkeit leidet", so Marquardt in seiner Stellungnahme. Eine unverbundene Handschrift sei flüssiger als eine verbundene: "Wer eine verbundene Ausgangsschrift lernt, schreibt nicht, sondern malt."
    zab

    Systematik: 4200 Schulen; 4100 Bildung; 5030 Kinder/Jugendliche

    ID: LI150304

  • Hendricks, Renate Maria (SPD); Korte, Kirstin (CDU); Beer, Sigrid (Grüne); Schmitz, Ingola (FDP); Pieper, Monika (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: Meinungen zum Titelthema.
    Diesmal: Schreibschrift.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 3 - 30.04.2015

    Eine individuelle Handschrift ...

    Renate Maria Hendricks (SPD) ... ist auch in Zeiten digitaler Kommunikation sehr sinnvoll. Sie fördert vielfältige kognitive und motorische Kompetenzen und ist zudem bedeutsam für die Persönlichkeitsentwicklung.
    Kirstin Korte (CDU) ... ist Ausdruck der Persönlichkeit und auch ein wichtiges Kommunikationsmittel. Sie ist - gerade im Zeitalter von Handy und PC - nach wie vor ein wichtiges Kulturgut. Sie ist äußeres Erscheinungsbild von Gedanken, Ideen und Vorstellungen. Die Graphologie will sogar den Charakter einer Person an der Handschrift ablesen können. Wie weit dies tatsächlich möglich ist, will ich nicht beurteilen. Aber die Handschrift ist eine Fähigkeit, die man pflegen sollte.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... sollte klar und leserlich sein und dabei den Schreibenden leicht von der Hand gehen. Dabei geht es darum, dass der Bewegungsablauf flüssig ist, die Bewegung "in der Luft" gehört dazu. Es geht eben nicht darum, dass die Buchstaben auf dem Papier verbunden sind. Eine krampfhaft geführte Hand schreibt weder schön noch gerne.
    Ingola Schmitz (FDP) ... ist ein bedeutender Ausdruck der individuellen Persönlichkeitsentwicklung und der neuronalen Verarbeitung von Sprache, Schrift und Schriftlichkeit. Sie ist zudem die Folge wichtiger motorischer Entwicklungsprozesse. Kindern müssen Schreibfertigkeiten so vermittelt werden, dass sie ohne Verkrampfungen fließend schreiben können.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... sollten alle Schülerinnen und Schüler entwickeln. Auch wenn die Bedeutung der Handschrift im Alltag zugunsten digitaler Schriftanwendungen zurückgeht, bleibt die persönliche Handschrift Merkmal der individuellen Persönlichkeit. Es müssen Schreibanlässe angeboten werden, welche die Bedeutung von Flüssigkeit, Lesbarkeit und Geschwindigkeit nachvollziehbar machen.

    Ob Druckschrift oder verbundene Schreibschrift ...

    Renate Maria Hendricks (SPD) ... in jedem Fall sollte die Schreibkompetenz am Ende in eine flüssige und flotte Schrift münden. Dies ist auch aus der Druckschrift heraus möglich. Dazu sind aber Schreibanlässe und Vorbilder, die Lust am Schreiben vermitteln, wichtig. Die Schule sollte entsprechende Zeitkontingente für die Kinder bereitstellen und die Freude an der Entwicklung der Schrift unterstützen.
    Kirstin Korte (CDU) ... in allererster Linie müssen Lesbarkeit und Fehlerfreiheit das Ziel beim Ausführen einer Handschrift sein. Wichtig beim Erlernen der Schrift ist das Engagement der Lehrerinnen und Lehrer. Sie müssen hinter der für den Unterricht gewählten Schrift stehen.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... ist eben genau die falsche Frage. Es geht darum, ein flüssiges Schreiben zu entwickeln. Und das gelingt sehr gut mit der Grundschrift, wie die Erfahrung der Grundschulen zeigen. Die Kinder entwickeln daraus ihre persönliche Handschrift und nutzen die Buchstabenverbindungen, die zu ihrer Handschrift passen und die geeignet sind, flüssig und gut lesbar zu schreiben.
    Ingola Schmitz (FDP) ... Kinder sollen eine fließende und lesbare individuelle Handschrift entwickeln. Wenn laut einer Umfrage 79 Prozent der Lehrkräfte an weiterführenden Schulen sich verschlechternde Handschriften beklagen und die Wissenschaft auf den wichtigen Einfluss der Schreibfertigkeit auf den Schulerfolg verweist, müssen wir dies sehr ernst nehmen.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... in den Schulen bevorzugt wird, unterliegt den schuleigenen Konzepten. Eine verbundene Schrift ist nicht zwingend notwendig. Wichtiger als das bloße Einüben der Buchstabenformen, das wir als "Schönschreibstunde" kennen, ist die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Schrift. Ausprobieren, Experimentieren und Reflektieren sollten im Vordergrund stehen.

    Eine Datenerhebung mit Blick auf eine flüssige Handschrift in den Grundschulen ...

    Renate Maria Hendricks (SPD) ... scheint angesichts der vielfältigen Ansätze und Annahmen, wie Schreiben gelernt werden soll, erforderlich. Denn erstaunlicherweise gibt es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die die angewandten Methoden und dahinterstehenden Annahmen untermauern.
    Kirstin Korte (CDU) ... ist notwendig, um den Erfolg beim Erlernen einer flüssigen Schrift an unseren Grundschulen feststellen zu können. Sie wird auch die Datenbasis für die wissenschaftliche Erforschung von Handschrift, Schreibmotorik und Lernmethoden verbessern. Hier hat die Landesregierung Nachholbedarf. Denn eine belastbare Datenbasis liegt ihr offenkundig nicht vor.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... zu fordern, ist vom Ansatz her zu pauschal und undifferenziert. Unterrichtsforschung muss die Vergleichbarkeit von Lehrkräften, Schülergruppen und didaktischen Konzepten berücksichtigen. Das bedeutet eine umfängliche Langzeitstudie mit großer Stichprobe, damit die Wirksamkeit einzelner Faktoren überhaupt betrachtet werden kann.
    Ingola Schmitz (FDP) ... ist dringend geboten. Wissenschaftler haben in einer Expertenanhörung auf die herausragende Rolle der Handschrift für die kognitive und motorische Entwicklung hingewiesen und unzureichende Grundlagenkenntnisse beklagt. Rot-Grün muss im Interesse der Kinder handeln, Daten erheben und auswerten, um für beste Förderbedingungen zu sorgen.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... wäre hilfreich. Es würde die Diskussion um die Handschrift, nämlich Druckschrift oder verbundene Schrift, versachlichen. Aktuell stützt man sich nur auf allgemeine Beobachtungen, die darauf hindeuten, dass die individuellen Handschriften von den gelernt verbundenen eher zurück zu druckschriftähnlichen Schriften führen.

    Meine eigene Handschrift ist ...

    Renate Maria Hendricks (SPD) ... vielseitig. Sie ist oft nur für mich selber lesbar. Es gibt daneben eine Schönschreibform, die ich bewusst langsamer und lesbarer verfasse. Die Handschrift ist für mich unverzichtbar, um Stichpunkte und Gesprächsnotizen festzuhalten. Ich möchte nicht immer von anspruchsvoller Technik abhängig sein.
    Kirstin Korte (CDU) ... lesbar, könnte aber deutlich schöner sein. ;-)
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... manchmal eine Herausforderung für mein Team. Ich schreibe gerne und flott mit der Hand, mit der rechten, allerdings, z.B. bei langen Texten, auch einmal mit der linken Hand. Als ich zur Grundschule ging, wurde noch versucht, Linkshänderinnen konsequent auf "rechts" zu trimmen. Umprogrammieren auf "rechts", das hat jedoch bei mir schon früher nicht funktioniert.
    Ingola Schmitz (FDP) ... individuell.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... der Situation angepasst. Als Lehrerin muss ein Tafelbild für alle Schülerinnen und Schüler gut lesbar sein. Wenn ich mir selber Notizen mache, steht die Geschwindigkeit im Vordergrund. Die Schrift ist dann sehr verwaschen. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, Schrift situations- und adressatenbezogen einzusetzen. Was und wen will ich mit dem Geschriebenen erreichen.

    ID: LI150310

  • "Arbeit unter anderen Bedingungen".
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 6-7 in Ausgabe 2 - 18.03.2015

    Zur Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses NSU (PUA) sprach Landtag Intern mit der Vorsitzenden Nadja Lüders (SPD) sowie ihrem Stellvertreter Peter Biesenbach (CDU).

    Frau Lüders, Herr Biesenbach, der Untersuchungsausschuss hat sich bis zum Ende der Legislaturperiode viel vorgenommen. Wir haben mal nachgezählt und kommen auf vier große Themenkomplexe und 181 Einzelfragen. Haben Sie dafür ausreichend Zeit?

    Nadja Lüders: Wir hätten uns die Aufgabe nicht so gestellt, wenn wir das nicht im Blick gehabt hätten. Es ist der gemeinsame Wille aller Fraktionen, dass der PUA auch zu einem Abschluss kommt. Deshalb wollen wir alle so arbeiten, dass wir den Auftrag, den uns das Parlament gegeben hat, auch erfüllen.
    Peter Biesenbach: Wenn Sie 181 Einzelfragen gezählt haben, sind die ja nicht alle vollkommen unterschiedlich. Aus meinem Verständnis heraus stellen sie vielmehr die inhaltliche Gliederung unserer Arbeit dar. Bisher ist die Zusammenarbeit im Ausschuss wirklich gut. Da gibt es keine Eifersüchteleien, die Chemie stimmt.

    Dieser PUA unterscheidet sich von anderen - Stichwort Geheimhaltung. Der Raum, in dem Sie tagen, ist abhörsicher. Gab es das schon einmal?

    Lüders: Nein, natürlich nicht. Wir haben uns lange und intensiv mit der Landtagsverwaltung beraten und auch die Erkenntnisse aus Berlin und Thüringen einbezogen, wie denn Sicherheitsvorkehrungen zu gewährleisten sind und was zwingend notwendig ist, um diesen Untersuchungsausschuss überhaupt durchführen zu können. Das ist von baulicher Seite, aber auch für unsere Arbeit teilweise Neuland.
    Biesenbach: Wir werden, die Auseinandersetzung ist absehbar, auch mit den zuliefernden Dienststellen und Behörden zu einem späteren Zeitpunkt darüber diskutieren müssen, was denn nun als geheim oder vertraulich eingestuft bleiben soll und was nicht. Ansonsten wären die zuliefernden Behörden in der Lage, uns zu blockieren. Es geht uns ja darum, dass wir auch vieles öffentlich verwenden dürfen.

    Es gilt also auch verfahrenstechnisch einiges zu beachten.

    Lüders: Genau. Wenn zum Beispiel eine Fraktion beantragt, einen V-Mann zu vernehmen - wie arrangieren wir uns dann? Vernehmung mit Perücke? Oder in einem gesonderten Raum mit Videoübertragung? Hinter einer spanischen Wand? Das ist schon speziell. Aber da sind wir noch lange nicht.

    Arbeiten unter erschwerten Bedingungen?

    Lüders: Unter anderen Bedingungen.
    Biesenbach: Ja, unter anderen Bedingungen. Es erfordert aber auch eine ungeheure Disziplin der Mitglieder.

    Warum?

    Biesenbach: Auch wir dürfen zwar alle in den als geheim eingestuften Akten lesen, bei den Zeugenbefragungen dürfen wir aber Dinge, die wir aus diesen Akten haben, nicht verwenden. Wir dürfen also nur nach Dingen fragen, die auch öffentlich behandelt werden können. Hinzu kommt: Einerseits verbietet das PUA-Gesetz den Mitgliedern bis zum Abschluss die Abgabe von Wertungen, andererseits warten die Medien auf Stellungnahmen. Wir werden versuchen, Presseerklärungen gemeinsam abzugeben.

    Sie haben auf die anderen NSU-Untersuchungsausschüsse hingewiesen. Kommt dem Ausschuss in Nordrhein-Westfalen eine besondere Bedeutung zu? Beim Anschlag in der Keupstraße in Köln hatte es Medienberichten zufolge Indizien für einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund gegeben.

    Lüders: Ja, das sehe ich schon so. Neben Probsteigasse und Keupstraße hatten wir in der Serie in NRW auch einen Mord in Dortmund. Wenn man den Bericht aus Berlin liest, wird sehr schnell klar, dass die Kolleginnen und Kollegen nicht viel Zeit hatten, diese Fälle intensiv zu behandeln. Deshalb ist es unsere Aufgabe, das zu tun. Wir haben nicht nur die Aufgabe, sondern auch die Verantwortung, für NRW sehr gründlich hinzugucken, was da genau passiert ist.
    Biesenbach: Aus heutiger Sicht besteht auch der Verdacht, dass es bei dem Anschlag in der Keupstraße Bildmaterial gab, das unmittelbar zur Ermittlung der beiden Täter geführt hätte, wenn es in die Datei auf Bundesebene eingepflegt worden wäre.

    Ihre Ermittlungen reichen bis Oktober 1991 zurück. Das ist eine lange Zeit.

    Lüders: Wir haben Oktober 1991 gewählt, weil zu diesem Zeitpunkt der Brandanschlag in Hünxe war. Wir wollen sehen, wie sich die rechtsextreme Szene in NRW seither entwickelt hat, sprich: Wie hat die Radikalisierung eingesetzt, und hätte man daraus vielleicht etwas ableiten können? Hätte man Hinweise haben können, dass es in der Szene eine Untergrundorganisation geben kann, geben wird oder gegeben hat?
    Biesenbach: Es gab im Ausschuss in den Vorbesprechungen den Wunsch, doch seit 1991 alle noch vorhandenen Akten zu bekommen, die mit Personen zusammenhängen, die im rechtsradikalen Bereich aktiv gewesen sind. Wir haben uns dann an das Landesinnenministerium gewandt, dort hieß es: Bitte überlegt euch das genau, denn die Zahl wird irgendwo zwischen 40.000 und 80.000 liegen.
    Lüders: Außerdem - wo setzt man an bei rechtsradikalen Personen? Bei der Hakenkreuzschmiererei eines betrunkenen Jugendlichen oder erst beim harten Kern? Ein anderes Problem: Welche Akten gibt es noch, bekommen wir tatsächlich ein rundes Bild? Wo laufen wir vielleicht auch Gefahr, uns zu verzetteln?
    Biesenbach: Die Zahl der Akten hätte uns erschlagen. Als Anwalt habe ich an Großverfahren mitgearbeitet, aber wenn wir da mehr als 300 Akten hatten, wurde es schon sehr schwierig, die Details zuzuordnen.

    Haben Sie einen Überblick, mit wie vielen Akten Sie sich im Untersuchungsausschuss beschäftigen werden?

    Biesenbach: Wenn wir mit einer vierstelligen Zahl auskommen, haben wir Glück.
    Lüders: Ja. Und Akte heißt ja nicht 30 Seiten und dann Ende.

    Auf den Spuren des NSU-Terrors in NRW.

    Die Blutspur des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) zieht sich über Jahre hinweg quer durch die Bundesrepublik. Die Straftaten des NSU in Nordrhein-Westfalen sind Gegenstand eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA), den der Landtag NRW auf Antrag aller fünf Fraktionen am 5. November 2014 eingesetzt hat.
    Zu seinen Aufgaben gehört die Ermittlung der Aktivitäten des NSU, die Nachverfolgung der Ermittlungsverfahren, die Erarbeitung von Schlussfolgerungen für die Sicherheits- und Justizbehörden sowie die Erörterung einer möglichen Verbesserung der Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalt. Im Einsetzungsbeschluss (Drs. 16/7148) werden dazu 181 Einzelfragen aufgeführt. Der Untersuchungszeitraum geht zurück bis zum Oktober 1991.
    Zur Begründung der Untersuchungsarbeit des Landtags führt der Beschluss aus: "Das Bekanntwerden des NSU hat zu umfangreichen Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt. In diesem Zusammenhang wurde der Vorwurf erhoben, dass es bei den Ermittlungen bezüglich der mutmaßlichen Taten des NSU zu Defiziten bei Sicherheits- und Justizbehörden in verschiedenen Bundesländern und auf Bundesebene gekommen sei. Zudem wurden Spekulationen geäußert, Verfassungsschutzbehörden könnten mit dem Trio in Verbindung gestanden und ihm 1998 möglicherweise zur Flucht verholfen haben." Hier wollen die Abgeordneten Klarheit schaffen.

    Ursachensuche

    Kritisch zu diskutieren sei im Rahmen der NSU-Debatte auch die Rolle von V-Leuten und Vertrauenspersonen, heißt es im Einsetzungsbeschluss. Hier gebe es auch im Hinblick auf Nordrhein-Westfalen Fragen.
    In ihre Arbeit werden sie unter anderem die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses des Bundestags einbeziehen. Neben dem Bundestag haben auch die Landtage von Thüringen, Sachsen, Bayern und Hessen parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Auch bei diesen ging und geht es um die Frage, weshalb die Entstehung des NSU nicht rechtzeitig erkannt und die von den Mitgliedern dieser Gruppierung mutmaßlich begangenen Verbrechen nicht aufgeklärt bzw. verhindert werden konnten.

    Abschluss bis 2017

    Zum Zeitrahmen erklärte Ausschussvorsitzende Nadja Lüders (SPD), der Untersuchungsausschuss werde seine Arbeit bis Mai 2017 beenden und noch vor Ende der Legislaturperiode einen Bericht vorlegen. Man werde hoffentlich viele wertvolle Hinweise geben, wie die Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei untereinander verbessert werden könne, erklärte ihr Stellvertreter Peter Biesenbach (CDU).
    Seiner Meinung nach begegnet man der Gefahr von Rechts am besten durch politische Auseinandersetzung zu jedem Augenblick und an jedem Ort. Nadja Lüders unterstrich auch das Engagement der Zivilgesellschaft, genaueres Hinsehen, Bildung, Nicht-Vergessen und die Aufgabe, den Staat handlungsfähig zu halten.
    Text und Interview Christoph Weißkirchen, Michael Zabka

    Zeitstrahl NSU
    Abbildung Tabelle: hier nicht erfasst!

    Systematik: 1300 Innere Sicherheit; 1320 Verfassungsschutz/Spionage

    ID: LI150203

  • Rätsel Pfandflasche.
    Anhörung: Was steckt hinter Mehrweg und Einweg?
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 2 - 18.03.2015

    12. März 2015 - Sind Pfandflaschen automatisch Mehrwegflaschen? Rund 50 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher gehen einer Umfrage zufolge genau davon aus, sagen SPD, GRÜNE und PIRATEN. Das sei aber falsch. In einem gemeinsamen Antrag setzen sich die Fraktionen deshalb für eine eindeutige Kennzeichnung am Produkt und am Supermarktregal ein.
    Die Maßnahmen sollen zu einer Erhöhung der Mehrwegquote beitragen. In einer Anhörung des Umweltausschusses zum Thema gingen die Meinungen jedoch auseinander.
    Die derzeitige Marktentwicklung tendiere eindeutig zur Einwegflasche, heißt es in dem Antrag (Drs. 16/6852). Dies liege vor allem an den Discountern, die sich "dem Mehrwegsystem verweigern". Aus ökonomischen und ökologischen Gründen müsse diesem Trend entgegengesteuert werden.
    So sieht es auch die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten. Es müsse dringend gehandelt und für alle Beteiligten Klarheit und Verbindlichkeit geschaffen werden. Sonst bestehe die Gefahr, dass das Mehrwegsystem zumindest bei Mineralwasser und Erfrischungsgetränken komplett zusammenbreche. Zehntausende Arbeitsplätze könnten dann wegfallen, kleine und mittelständische Betriebe wären in ihrer Existenz bedroht. Außerdem: Mehrweg schone Ressourcen und die Umwelt.

    Bessere Information

    Der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels unterstützte den Vorstoß von SPD, GRÜNEN und PIRATEN ebenso wie die Deutsche Umwelthilfe und die Initiative Mehrweg. Diese hielten eine zusätzliche Abgabe auf "unökologische Getränkeverpackungen" für dringend erforderlich. Aus sozioökonomischer Sicht sei das Mehrwegsystem "Garant für regional strukturierte Wirtschaftskreisläufe", hieß es in der Stellungnahme der Genossenschaft Deutscher Brunnen. "Bürgerinnen und Bürger brauchen mehr Durchblick beim Getränkekauf ", so die Verbraucherzentrale NRW. Nur so könne "der dramatische Einbruch des Verkaufs von Mehrwegflaschen gestoppt werden".
    Der Gesamtbetriebsrat von Coca-Cola sprach sich ebenfalls für Mehrwegflaschen aus, sie seien Einwegverpackungen "aus ökologischer und sozialer Hinsicht überlegen". Dennoch sei die Stabilität des Mehrwegsystems "aufgrund der steigenden Nachfrage nach Einwegverpackungen durch die Handelsriesen gefährdet". Man lehne daher die Entscheidung der Coca-Cola-Unternehmensleitung, mittelfristig 25 Prozent des bisherigen Mehrwegvolumens abzubauen und den Vertrieb von Einweg-Getränkeverpackungen zu erhöhen, entschieden ab.
    Eine andere Position bezogen der "Bund Getränkeverpackungen der Zukunft" und die Firma "Lekkerland". Die im Antrag gestellten Forderungen seien "unverhältnismäßig und nicht zielführend für eine sinnvolle und zukunftsweisende Kreislaufwirtschaft". Vielmehr gefährdeten sie die "nachweislich erzielten Erfolge des DPG-Pfandsystems in Deutschland". Ein- und Mehrwegsysteme müssten "mit ihren spezifischen Eigenschaften in Bezug auf Gewicht, Rück-, Umlauf- und Recyclingquoten sowie Transportdistanzen als gleichwertige Systeme beurteilt werden". Bereits heute würden bis zu 96 Prozent der zurückgegebenen Einwegflaschen recycelt. Ähnlich argumentierte die "Arbeitsgemeinschaft konsumenten- und ökologieorientierte Getränkeverpackungen". Zusätzliche Abgaben auf Einwegflaschen würden eine "unangemessene und durch nichts zu rechtfertigende Diskriminierung darstellen".
    Es gebe keine aktuellen Ökobilanzen für Getränkeverpackungen, die den notwendigen Anforderungen an Methode, Datenherkunft und Transparenz genügten, so die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung. Die Ergebnisse aus den Jahren 1995 und 2000 seien zumindest hinsichtlich der Datengrundlagen überholt: "Die Hypothese einer Annäherung der Verpackungssysteme Einweg und Mehrweg ist jedoch naheliegend." Eine eindeutige Kennzeichnung der Systeme sei sinnvoll, kaufentscheidend seien jedoch eher Qualität und Preis. Daran werde die Kennzeichnung nichts ändern.
    Der Handelsverband Nordrhein-Westfalen unterstütze grundsätzlich alle Maßnahmen zur Stärkung der Mehrwegquote. Gleichwohl seien auch bei Einwegflaschen in den vergangenen Jahren ökologische Fortschritte erzielt worden, die bei Systemvergleichen meist nicht berücksichtigt würden. Beide Systeme hätten ihre Daseinsberechtigung, so die IG Metall Koblenz. Die "Bedingungen guter Arbeit" sollten bei der Gesamtbetrachtung eine wesentliche Rolle spielen.
    zab

    Systematik: 6200 Abfall

    ID: LI150204

  • Ott, Jochen (SPD); Deppe, Rainer (CDU); Markert, Hans Christian (GRÜNE); Höne, Henning (FDP); Brand, Simone (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Kreislaufwirtschaft.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 2 - 18.03.2015

    Die derzeitige Kennzeichnung von Getränkeverpackungen (Einweg, Mehrweg, Pfand) ...

    Jochen Ott (SPD) ... muss schnell geändert werden. Die Verbraucher müssen klar erkennen können, was eine Mehrweg- und was eine Einwegflasche ist. Eine Erhebung der Verbraucherzentrale hat gezeigt, dass die Verbraucher den Überblick verloren haben. Es bestehen großer Aufklärungsbedarf und der Bedarf einer klaren Kennzeichnung der Flaschen.
    Rainer Deppe (CDU) ... ist für viele Verbraucherinnen und Verbraucher nicht eindeutig genug. Wir setzen uns für eine klare Kennzeichnung auf der Flasche, der Verpackung und am Verkaufsregal ein.
    Hans Christian Markert (GRÜNE) ... ist für die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher verwirrend und erschwert unnötig die Kaufentscheidung. Daher brauchen wir eine eindeutige und leicht verständliche Kennzeichnung am Produkt selber.
    Henning Höne (FDP) ... ist für den Verbraucher nicht aussagekräftig genug. Eine einheitliche und eindeutige Kennzeichnung ist wünschenswert.
    Simone Brand (PIRATEN) ... ist vollkommend unzureichend und für den Verbraucher zum Teil sogar irreführend. Untersuchungen der Verbraucherzentralen mit Kommunalpolitikern und Bürgern zeigten, dass es niemandem möglich war, Einweg, Mehrweg und Pfandflaschen zu unterscheiden. Eine eindeutige Kennzeichnung ist dringend erforderlich.

    Das Mehrwegsystem halte ich grundsätzlich für ...

    Jochen Ott (SPD) ... zukunftsfähig. Mehrweg ist ressourcenschonend. Durch das Wiederauffüllen entsteht weniger Müll und der Rohstoffverbrauch wird gesenkt. Es ist klimaschonend, da Einwegflaschen bei der Produktion höhere Emissionen verursachen. Mehrwegsysteme wirken sich positiv auf die Beschäftigung aus: Laut Verband des Getränkefachgroßhandels schaffen die regionalen Wirtschaftskreisläufe bundesweit 170.000 Arbeitsplätze.
    Rainer Deppe (CDU) ... sinnvoll. Beim Bier liegt der Mehrweganteil beispielsweise immer noch bei 86 Prozent. Seitdem viele Getränke aber nicht mehr in Einheitsflaschen, sondern in individuelle Flaschen abgefüllt werden, hat sich der ökologische Vorteil von Mehrwegflaschen allerdings verringert. Nach 25 Jahren ist deshalb eine neue Studie zur Ökobilanz von Getränkeverpackungen dringend erforderlich.
    Hans Christian Markert (GRÜNE) ... eine nachhaltige und ressourcenschonende Idee, die es zu stärken gilt. Gleichzeitig muss sich das Mehrwegsystem weiterentwickeln können und den Anforderungen der Kundinnen und Kunden entsprechen, um auch im Markt akzeptiert zu werden.
    Henning Höne (FDP) ... eine gleichberechtigte Säule neben dem Einwegsystem. PET-Einweg hat ökologisch in den vergangenen Jahren erheblich aufgeholt. Die Entscheidung über Mehrweg oder Einweg muss beim Verbraucher liegen. Er soll frei und gut informiert wählen können. Deswegen ist es auch dringend notwendig, die Ökobilanzen im Getränkebereich neu zu bewerten.
    Simone Brand (PIRATEN) ... ökologisch überlegen. In der Abfallhierarchie steht Abfallvermeidung deutlich vor Abfallverwertung. Gerade regionale Getränkeversorger arbeiten dank der kurzen Transportwege zudem ökonomischer und erhalten mit Mehrweg mehr Arbeitsplätze als Unternehmen, die mit Einwegpfandflaschen arbeiten.

    Eine Abgabe auf Einwegflaschen ...

    Jochen Ott (SPD) ... muss geprüft werden, ob und wie sie rechtlich möglich ist. Grundsätzlich haben sich Abgaben als umweltpolitisches Steuerungsinstrument bewährt. Bei einer Abgabe auf die Einwegflasche ist vor allem zu untersuchen, ob sie mit europarechtlichen Vorgaben in Einklang zu bringen ist und ob sie praktikabel im Mehrwegsystem umsetzbar ist.
    Rainer Deppe (CDU) ... würde die Kunden teuer zu stehen kommen. Auf die Flasche Mineralwasser, beim Discounter aktuell ab 19 Cent erhältlich, käme zusätzlich zum Pfand eine Abgabe von 20 Cent obendrauf. Der Preis für das Grundnahrungsmittel Wasser würde sich also verdoppeln. Ein Vier-Personen-Haushalt wird so schnell 200 Euro pro Jahr zusätzlich los. Die CDU lehnt eine zusätzliche Abgabe auf Einwegflaschen deshalb ab.
    Hans Christian Markert (GRÜNE) ... ist ein Lenkungsinstrument, welches angegangen werden sollte, wenn es nicht gelingen sollte, das Mehrwegsystem dauerhaft akzeptiert zu erhalten.
    Henning Höne (FDP) ... lehne ich ab. Sie ist kaum praktikabel umzusetzen und letztlich eine rein ideologische Stigmatisierung von Einweg. Denn der ökologische Vorteil von Mehrweg ist heute nicht mehr generell gegeben. Wer die Abgabe fordert, missachtet auch den Verbraucherwillen, der sich immer häufiger für PET-Einweg entscheidet und für ein solches Abkassieren kein Verständnis hätte.
    Simone Brand (PIRATEN) ... sollte zunächst gründlich auf ihre Auswirkungen überprüft werden. Sinnvoll eingesetzt kann die sogenannte Lenkungsabgabe eventuell für einen schonenderen Umgang mit unseren begrenzten Ressourcen sorgen.

    Die Belange des Einzelhandels ...

    Jochen Ott (SPD) ... vor allem die großen Discounter haben dazu beigetragen, dass das Mehrwegsystem in Gefahr geraten ist. Sie bieten ihre Getränke ausschließlich in Einwegverpackungen an. Zugleich ködern sie die Verbraucher beim Verkauf von Mineralwasser mit Dumpingpreisen. So wird aufgrund der Marktmacht der Discounter das Mehrwegsystem unter Druck gesetzt und gefährdet.
    Rainer Deppe (CDU) ... hängen nicht vom Flaschenpfand ab. Frische, Qualität, Individualität, Lifestyle, ökologische Fragen, Kauferlebnis und nicht zuletzt die Preise entscheiden darüber, was der mündige Kunde in seinen Einkaufswagen packt. Der Staat sollte sich da heraushalten und nicht versuchen, den Menschen vorzuschreiben, wo, was und wie sie einzukaufen haben.
    Hans Christian Markert (GRÜNE) ... spielen bei der Beurteilung aller Argumente eine große Rolle, allerdings brauchen wir eine aktualisierte Datenbasis (Ökobilanz) zur Entscheidung und Abwägung aller Interessen.
    Henning Höne (FDP) ... dürfen nicht außer Acht gelassen werden, wenngleich der Verbraucher für uns stets im Mittelpunkt steht. Als die rot-grüne Bundesregierung das Einwegpfand eingeführt hat, hat dies Umstellungskosten von rund 2 Milliarden Euro verursacht. Der Vertrauensschutz in getätigte Investitionen muss gewahrt bleiben.
    Simone Brand (PIRATEN) ... sollten in jedem Fall bei der Steigerung der Mehrwegquote berücksichtigt werden. Deshalb muss die Lenkungsabgabe sorgfältig geprüft werden, um den Einzelhandel nicht weiter zu verunsichern. Getätigte Investitionen in Einwegpfand-Automaten dürfen nicht umsonst gewesen sein.

    ID: LI150210

  • Körfges, Hans-Willi (SPD); Kruse, Theodor (CDU); Bolte, Matthi (Grüne); Dr. Orth, Robert (FDP); Schatz, Dirk (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema "Einsatz von Mini-Schulterkameras (Body-Cams) bei der Polizei NRW".
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 12-13 in Ausgabe 1 - 29.01.2015

    Das sagen die Fraktionen zum Schwerpunktthema.

    Übergriffe auf Polizistinnen und Polizisten ...

    Hans-Willi Körfges (SPD) ... haben in den letzten Jahren zugenommen. Die Polizeibeamtinnen und -beamten sind bei ihrer Tätigkeit oft aggressivem Verhalten ausgesetzt. Häufig müssen sie nicht nur Beschimpfungen und Beleidigungen, sondern auch körperliche Übergriffe erleben.
    Theo Kruse (CDU) ... haben in den vergangenen Jahren ein unerträgliches Ausmaß erreicht. Nach Berechnung der Gewerkschaft der Polizei wird in NRW inzwischen alle 50 Minuten ein Polizist Opfer eines Angriffs. Die CDU fordert deshalb schon seit Jahren härtere Strafen für die Täter. Dass die rot-grüne Landesregierung dies vehement ablehnt, ist aus meiner Sicht unverantwortlich und ein Affront gegenüber unseren Polizistinnen und Polizisten.
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... nehmen wir sehr ernst. Jede Straftat gegen die Polizei ist eine zu viel. Allerdings brauchen wir statt immer mehr Überwachung vernünftige Konzepte, um Deeskalation und schlichtendes Verhalten in der Polizeiausbildung zu verankern. Bei dem Modellversuch mit Body-Cams in Hessen waren die Fallzahlen so gering, dass man schlicht keine belastbare Aussage über die Wirkung treffen kann.
    Robert Orth (FDP) ... sind verachtenswert und durch nichts zu rechtfertigen. Klar sein muss, dass bei Beleidigungen von und bei Übergriffen auf Polizeibeamte immer ein öffentliches Interesse des Staates an einer schnellen und konsequenten Verfolgung, Anklage und Bestrafung besteht. Es gilt, die Nummern 229 bis 234 der Richtlinien für das Strafverfahren (RiStBV) entsprechend zu ergänzen.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... müssen konsequent verfolgt werden. Body-Cams sind aber kein geeignetes Mittel, um die Angriffe zu verhindern. Beim Frankfurter Pilotversuch gab es auch einige Angriffe auf Polizisten mit Body-Cams. Der allgemeine Rückgang der Übergriffe geht wohl eher, wenn es sich nicht bloß um eine statistische Abweichung handelt, auf die Erhöhung von zwei auf vier Beamte je Streife während der Pilotphase zurück.

    Der Einsatz von Body-Cams ...

    Hans-Willi Körfges (SPD) ... wird derzeit in Hessen getestet. Dabei wird untersucht, ob Body-Cams geeignet sind, Polizeibeamtinnen und -beamte in bestimmten Situationen - etwa problematischen Personenkontrollen - besser zu schützen. Die Anhörung im Innenausschuss hat gezeigt, dass es noch keine abschließenden Erkenntnisse dazu gibt. Nach der wissenschaftlichen Evaluierung des Modellversuchs in Hessen müssen wir Schlüsse für NRW daraus ziehen.
    Theo Kruse (CDU) ... schreckt potenzielle Angreifer ab und ist daher gut geeignet, um die Anzahl der Übergriffe auf Polizeibeamte zu reduzieren. Das belegt auch ein Pilotprojekt der hessischen Polizei, das nach einer erfolgreichen einjährigen Testphase nunmehr ausgeweitet wird. Sofern es dennoch zu Straftaten gegen Polizistinnen und Polizisten kommt, können die Täter mithilfe der Body- Cam-Aufnahmen beweiskräftig überführt werden.
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... bringt nur eine scheinbare Sicherheit für die Beamtinnen und Beamten, denn die meisten Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten geschehen im Affekt. Dadurch stellt sich keine Abschreckungswirkung durch Body-Cams ein. Ihr Einsatz stellt zugleich einen klaren Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung und damit die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger dar.
    Robert Orth (FDP) ... schürt Misstrauen der Bürgerschaft gegenüber der Polizei. Notwendige unabhängige Evaluierungen fehlen, insbesondere zu bereits vorhandenen Kameras in Streifenwagen. Zur wirksamen Prävention erscheint dieses eingriffsintensive Mittel laut Experten kaum geeignet. Die personelle Verstärkung der Streifen an Brennpunkten auch unter Einbindung von Diensthundeführern wäre zielführender.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... verhindert Affekttaten tendenziell nicht und wirkt daher eher nicht präventiv. Das haben unabhängige Studien zur Videoüberwachung immer wieder bestätigt. Der blinde Glaube an die Technologie Videoüberwachung muss generell endlich infrage gestellt werden. Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten wollen richtige Unterstützung und nicht praxisuntaugliche Spielereien.

    Rechtliche Bedenken ...

    Hans-Willi Körfges (SPD) ... müssen vor einem Einsatz von Body-Cams vollständig ausgeräumt werden. Derzeit fehlt es schon an einer geeigneten Rechtsgrundlage. Nur unter präventiven Aspekten ist der Einsatz rechtlich denkbar.
    Theo Kruse (CDU) ... gegen den Einsatz von Body-Cams sind unbegründet. Hessen zeigt ja, dass man den Body-Cam-Einsatz auf eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage stellen kann. Wenn der CDUVorschlag zur Erprobung von Body-Cams in NRW abgelehnt wird, liegt das nicht an vermeintlich unüberwindbaren rechtlichen Hürden, sondern am fehlenden politischen Willen von SPD und Grünen.
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... haben wir insbesondere dann, wenn es um die Nutzung der aufgezeichneten Daten für die Strafverfolgung geht. Das Land hat hierfür keine Gesetzgebungskompetenz. Das bestehende Polizeigesetz bietet keine ausreichende Rechtsgrundlage für einen etwaigen Modellversuch mit Body-Cams.
    Robert Orth (FDP) ... sind nachvollziehbar. Datenschutz ist wichtig. Hier stehen erhoffter Nutzen und tatsächliche negative Wirkung in keinem Verhältnis. Betrunkene oder Affekttaten schreckt das kaum ab, es schafft aber eine kritische Distanz zwischen Beamten und Bevölkerung. Der Einsatz primär zur Beweiserleichterung wäre nach dem Polizeigesetz laut Sachverständigen unzulässig, ebenso der Einsatz in Privaträumen.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... sind bei einem möglichen Einsatz von Body- Cams eindeutig vorhanden. Die Body-Cam als Instrument der Prävention oder Abschreckung müsste im Polizeigesetz NRW neu geregelt werden. Aus guten Gründen darf die Polizei in NRW Videoüberwachung nur in Ausnahmesituationen nutzen. Eine mobile und allgegenwärtige Schulterkamera ist mit dem Recht auf Datenschutz und Privatsphäre nur schwer zu vereinbaren.

    Das Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Polizei ...

    Hans-Willi Körfges (SPD) ... ist ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Frage, ob wir Body-Cams einsetzen wollen. In NRW besteht ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Polizei. Der Einsatz darf nicht zu einer künstlichen Distanz führen.
    Theo Kruse (CDU) ... durch den Einsatz von Body-Cams in Gefahr zu sehen, ist angesichts eines derart niedrigschwelligen Eingriffs absurd. Die hessische Polizei hat im Rahmen ihres Pilotprojekts das genaue Gegenteil festgestellt: Der Body-Cam- Einsatz ist dort auf ein durchweg positives Echo in der Bevölkerung gestoßen. Ich kann mir nicht vorstellen, wieso das hierzulande anders sein sollte.
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... wird gefährdet, wenn Bürgerinnen und Bürger nicht mehr unbefangen auf Beamtinnen und Beamte zugehen können. Allgegenwärtige Videoaufnahmen können Konformitätsdruck bei der Bevölkerung erzeugen. Wir wollen, dass sich Bürgerinnen und Bürger an die Polizei wenden, wenn sie Hilfe brauchen. Body-Cams drohen genau das zu verhindern.
    Robert Orth (FDP) ... würde leiden. Kommunikation von und mit der Polizei ist wichtig. Die Polizei soll vom Bürger als jederzeit ansprechbarer Freund und Helfer und nicht als mobile Überwachungseinheit wahrgenommen werden. Mit Body-Cams ausgestattete Polizeistreifen senden ein bedenkliches Signal an die Gesellschaft und erhöhen die Hemmschwelle für Bürger, sich mit Fragen und Hinweisen vertrauensvoll an solche Beamte zu wenden.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... kann durch den Einsatz von Body-Cams negativ beeinträchtigt werden. Wenn Bürger das Gefühl bekommen, die Polizei müsse sich vor ihnen mithilfe von Body-Cams schützen, dann ist das für unseren Rechtsstaat fatal. Solch eine Schulterkamera schafft schnell Distanz zwischen Polizeibeamten und Bürgern und könnte im schlechtesten Fall auch zu einem ungesunden Konformitätsdruck bei den Bürgern führen.

    Systematik: 1310 Polizei; 1300 Innere Sicherheit

    ID: LI150111

  • Das Ziel im Blick.
    Der Etat 2015 im Detail - Richtung umstritten.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 4-9 in Ausgabe 11 - 17.12.2014

    3./4. Dezember 2014 - Man ist auf der Zielgeraden. Dies gilt für den Haushalt 2015, der nunmehr die Hürde der zweiten Lesung nahm (dritte Lesung siehe Seite 10/11). Dies gilt für die Legislaturperiode, deren zweite Hälfte angebrochen ist. Und das gilt für den Weg zur Schuldenbremse, die ab dem Jahr 2020 keine Neuverschuldung mehr zulässt. Alles drei führte zu einem heftigen Schlagabtausch über den finanzpolitischen Kurs der Landesregierung.

    Grundsatzdebatte - Allgemeine Finanzen

    Für die CDU-Fraktion warf Dr. Marcus Optendrenk der Landesregierung eine verfehlte Finanzpolitik vor. Deren einzige wirkliche Sparmaßnahme, die Kürzungen bei der Beamtenbesoldung, sei vom Landesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden. Der Abschlussbericht des "Effizienzteams" der Landesregierung über mögliche Einsparpotenziale liege nicht vor. Stattdessen plane sie eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer, was bei einer Anhörung von der Mehrzahl der Experten kritisiert worden sei. Die SPD-Fraktion wies die Kritik zurück. Die Opposition habe keinen einzigen "sachdienlichen Hinweis" gegeben, was sie in der Haushaltspolitik anders machen wolle, und nehme die Fakten nicht zur Kenntnis, sagte Martin Börschel. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen sei der Haushaltsentwurf von Rot-Grün ein weiterer Schritt auf dem Weg zur geplanten Einhaltung der Schuldenbremse im Jahr 2020. Zugleich setze die Koalition die richtigen inhaltlichen Prioritäten und reduziere die Neuverschuldung. Ralf Witzel (FDP) sprach von einem Jahr "der haushaltspolitischen Peinlichkeiten". So sei eine monatelange Haushaltssperre verhängt worden, den Gästen der Landesregierung sei nur noch Leitungswasser serviert worden und es habe "Warhol-Verkäufe auf dem Kunstbasar" gegeben. Die Landesregierung habe sich von einer ernsthaften Sanierung der Landesfinanzen verabschiedet. Der Etatentwurf sei "unsolide finanziert" und biete keine Perspektive, dass NRW 2020 die Schuldenbremse einhalten könne. "Sie reden das Land schlecht", hielt Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) den Fraktionen von CDU und FDP vor. Von beiden habe er "keinen einzigen Haushaltsänderungsantrag substanzieller Art" gehört. Gleichwohl gebe es "versteckte Vorschläge" der Christdemokraten, die unter anderem Kürzungen im Kulturbereich beträfen. Die Opposition verschweige, dass die rot-grüne Landesregierung eine Absenkung der Nettoneuverschuldung um eine Milliarde Euro vorschlage. CDU und FDP dagegen "mäkelten nur herum". Dietmar Schulz (PIRATEN) bewertete die rot-grüne Haushaltspolitik mit "Mangelhaft minus". Die Finanzplanung beinhalte vor allem weitere Schulden. Seine Fraktion habe Anträge zur Finanzierung der Hochschulen, der offenen Ganztagsschulen, der Schulsozialarbeit und der Flüchtlingspolitik eingebracht, die aber abgelehnt worden seien. Die entsprechenden Anträge von SPD und GRÜNEN vermisse er in der zweiten Lesung. NRW müsse sich beim Bund für die "Eliminierung von Steuerschlupflöchern" einsetzen. Die Opposition scheue sich nicht, die Situation Nordrhein-Westfalens schlecht zu reden, sagte Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD). Tatsächlich aber rede man "über die Perspektiven eines finanzstarken Landes" und den "sparsamsten Haushalt aller Bundesländer". Gemessen an seinem Volumen, werde für diesen Haushalt der niedrigste Prozentsatz an Krediten seit 40 Jahren gebraucht. "Dieser Haushalt ist auf dem Weg, die Schuldenbremse einzuhalten", sagte der Finanzminister.

    Ministerpräsidentin und Staatskanzlei

    Zum Einzelplan der Staatskanzlei habe die CDU beantragt, die Zuschüsse für jüdische Gemeinden um 1 Million Euro zu erhöhen, so Werner Jostmeier. Diese müssten ihre Gebetsstätten leider stärker schützen. Kritik übte er an den geplanten "TatKraft"-Tagen. Der Einzelplan der Ministerpräsidentin bleibe auf gleichem Niveau wie seit 2010, erläuterte Elisabeth Müller-Witt (SPD). Sie begrüßte die "TatKraft"-Tage, die einen barrierefreien Kontakt der Ministerpräsidentin mit Bürgerinnen und Bürgern ermöglichten. Holger Ellerbrock (FDP) griff den Aspekt "Landesplanung" auf und kritisierte unter anderem, die Energie-, Klima- und Umweltpolitik verschlechtere die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in NRW. Gleichzeitig seien die Verkehrswege chronisch unterfinanziert. Gemeinsamkeiten hinsichtlich einer "Erinnerungskultur" und Aktivitäten des Landtags hierzu - 100 Jahre Erster Weltkrieg, 75 Jahre Zweiter Weltkrieg - hob Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) hervor. Auch deshalb wandte er sich gegen Kürzungsvorschläge der CDU. Der Etat der Ministerpräsidentin zeichne sich insgesamt durch Kontinuität und Sparsamkeit aus, so Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD). Die "TatKraft"-Tage orientierten sich an Themen wie Zukunft der Logistik oder Situation des Einzelhandels.
    Die Arbeit für Europa sowie die Eine-Welt-Arbeit seien praktisch eingefroren. Dies ist in den Augen von Ilka von Boeselager (CDU) "keine gute Zukunft". Sie hoffe auf neue Ansätze und Initiativen zum kommenden "Europäischen Jahr der Entwicklung". Mit knappen Haushaltsmitteln werde im Bereich "Europa" und "Eine Welt" viel getan, widersprach Volker Münchow (SPD) und verwies unter anderem auf die Jugendarbeit. NRW sorge dafür, dass sich seine Partnerländer und -regionen positiv entwickelten. Die Einigkeit im Landtag über die Wichtigkeit Europas unterstrich Dr. Ingo Wolf (FDP). Anders sei es beim Thema "Eine Welt": Hier verwies Wolf auf die Zuständigkeit des Bundes. Die Landesmittel seien in ihrer Wirksamkeit mehr als zweifelhaft. Angesichts der niedrigen Summen konzentriere man sich auf die Förderung von Europaschulen und europaaktiven Kommunen, betonte Herbert Franz Goldmann (GRÜNE). Auch weltweit leiste NRW seinen Beitrag dazu, einzelne Regionen etwas krisenfester zu machen. Die Europapolitik begrüßte Dr. Joachim Paul (PIRATEN). Gleichzeitig forderte er mehr Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an europäischen Prozessen. In der Eine-Welt-Politik warte man auf neue Ansätze; 20.000 Euro seien für humanitäre Hilfe zu wenig. Man verfüge zwar über einen Verstärkungsansatz von 500.000 Euro, könne aber nicht alle humanitären Katastrophen abwenden, antwortete Europaministerin Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD). Wichtig sei, in der Bevölkerung Unterstützung für diese Arbeit zu finden.
    Der Medienstandort NRW sei nicht mehr führend in Deutschland, konstatierte Thorsten Schick (CDU). Verantwortlich dafür sei für ihn vor allem der "Murks" im neuen Landesmediengesetz, das Rot-Grün wenige Monate nach Inkrafttreten habe ändern müssen. Auf die zahlreichen Aktivitäten in der "Medienkompetenzvermittlung" wies Alexander Vogt (SPD) hin. Dies sei in der neuen, digitalen Medienlandschaft von hoher Bedeutung. Auch fördere NRW über die Film- und Medienstiftung den Film- und Gamestandort. Gute Ergebnisse im Medienland NRW seien das Ergebnis von kräftigen Unternehmen, aber nicht der Leistung der rot-grünen Landesregierung, meinte Thomas Nückel (FDP). So werde der Medienstandort durch eine Auszehrung der Film- und Medienstiftung geschwächt. Immer mehr Aufgaben bei immer weniger Geld, das könne nicht funktionieren, kritisierte Daniel Schwerd (PIRATEN) vorgesehene Kürzungen bei der Film- und Medienstiftung. Auch müsse die Förderung der Medien- und Kreativwirtschaft unbürokratischer erfolgen.

    Schule und Weiterbildung

    Klaus Kaiser (CDU) kritisierte, dass in der Bildungspolitik "klare Zielvorgaben und klar definierte Standards" fehlten, unter anderem bei der Inklusion. Hier müsse es "Bildungsqualität" für alle Schüler geben. "Davon sind wir weit entfernt." Renate Hendricks wies für die SPD-Fraktion die Kritik am rot-grünen Bildungshaushalt zurück. Die Landesregierung belasse alle demografischen Gewinne im System. Dies bedeute mehr Geld pro Schülerin und Schüler und damit mehr Lehrerinnen und Lehrer. Rot-Grün betone zwar , dass Bildung oberste Priorität habe, sagte Yvonne Gebauer (FDP). Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung habe in fünf Jahren mehr als 8.000 Lehrerstellen geschaffen. Rot-Grün habe dagegen seit 2012 mehr als 4.000 Stellen gestrichen. Für die Fraktion der GRÜNEN sagte Sigrid Beer, dass Rot-Grün bei den Grundschulen eine Schüler-Lehrer-Relation von unter 22 erreicht habe. Das sei eine Leistung. Und dies sei so geschehen, dass viel mehr kleine Grundschulen im Land Bestand hätten. Monika Pieper (PIRATEN) beklagte, dass die Rahmenbedingungen für die Inklusion an den Schulen nicht stimmten. So kämen nicht genug Sonderpädagogen an die allgemeinen Schulen. Diese stiegen ohne die notwendige Unterstützung in die Inklusion ein. Schulministerin Sylvia Löhrmann (GRÜNE) verteidigte den Bildungsetat. Er zeige deutlich, dass SPD und GRÜNE Wort hielten bei ihrer Priorität Bildung. Die Landesregierung mache das Schulsystem zukunftsfest und stelle die richtigen Weichen.

    Innovation, Wissenschaft und Forschung

    Rot-Grün werde mit diesem Haushalt dem Wissenschafts- und Forschungsstandort NRW nicht gerecht, sagte Dr. Stefan Berger (CDU). Mit ihrer Wissenschaftspolitik habe die Koalition verbrannte Erde hinterlassen. Als Beispiel nannte er das Hochschulgesetz. Der Haushalt biete Perspektive, Solidität und Planungssicherheit für die Hochschulen, entgegnete Karl Schultheis (SPD). Das neue Hochschulgesetz sorge dafür, dass Ressourcen sinnvoll eingesetzt und die Qualität der Studienangebote gefestigt würden. In keinem anderen Bundesland werde so wenig Geld je Studierendem zur Verfügung gestellt wie in NRW, sagte Angela Freimuth (FDP). Statt in Bürokratie müsse mehr Geld in Lehre und Forschung sowie in die Betreuung junger Menschen investiert werden. Das Land gebe so viel Geld für seine Hochschulen aus wie noch nie, erklärte Dr. Ruth Seidl (GRÜNE). Deshalb sei auch mehr Transparenz gegenüber dem Parlament erforderlich. Der Hochschul- und Wissenschaftshaushalt sei eine echte Erfolgsstory. Dr. Joachim Paul (PIRATEN) sprach von einer Unterfinanzierung der Universitäten und Fachhochschulen. Rot-Grün verharre trotz hoher Studierendenzahlen in der Mängelverwaltung und wolle die Qualität der Studienbedingungen und der Lehre nicht verbessern. Die 7,8 Milliarden Euro seien eine enorme Summe, sagte Ministerin Svenja Schulze (SPD). Damit könne man sich im Ländervergleich sehr gut sehen lassen. Es handle sich um sehr gut angelegtes Steuergeld für Wissenschaft, Forschung und Innovationen.

    Arbeit, Integration und Soziales

    Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei NRW bundesweit Schlusslicht, bemängelte Matthias Kerkhoff (CDU). Die Wirtschaft in NRW wachse unterdurchschnittlich, Produktivität, Innovation, Arbeitszeit seien geringer als in anderen Bundesländern. "Wir stellen Chancen und Teilhabe für alle sicher", erklärte Michael Scheffler (SPD) den aktuellen Kurs. Dies geschehe zum Beispiel durch Schulsozialarbeit. Weitere Pfeiler seien die Vorbeugung vor Armut und sozialem Ausschluss sowie eine Politik der Inklusion. Von einem "Betonblock bei der Rekordarbeitslosigkeit", fehlenden Ausbildungsplätzen und Ideenlosigkeit bei der sozialen Inklusion sprach dagegen Ulrich Alda (FDP). Der Kurs von Umverteilung und Schulden statt wirtschaftlicher Freiheit sei falsch. Es gelinge vielen Menschen nicht, Fuß zu fassen, andere wiederum gerieten aus dem Tritt, beklagte Manuela Grochowiak-Schmieding (GRÜNE). Der Haushalt 2015 komme der Verantwortung nach, hier zu helfen. Zum Beispiel unterstütze er die Betreuungsvereine. Mehr Arbeitsplätze bedeuteten nicht unbedingt weniger Armut, so Olaf Wegner (PIRATEN). So brauche man zur Bekämpfung der Altersarmut einen Mindestlohn von 12,50 Euro. Die Schulsozialarbeit habe die Landesregierung durch ihre abwartende Haltung praktisch zerstört.
    NRW sei nicht mehr Vorreiter in der Integrationspolitik, wandte sich Serap Güler (CDU) gegen die Politik der Landesregierung. Das liege auch daran, dass der zuständige Minister in der Zuwanderungs- und Integrationspolitik keine Rolle spiele. "Wir haben in der Integrationspolitik seit vielen Jahren viel Gutes bewirkt", betonte demgegenüber Ibrahim Yetim (SPD). Er verwies auf kommunale Integrationszentren und das Integrationslotsenprogramm - und den Einsatz des Integrationsministers. Es fehle eine frühe, sprachliche Förderung und Integrationsförderung der Flüchtlinge in NRW, bemängelte Dr. Joachim Stamp (FDP). Andererseits freue er sich, dass man bei der "Armutsmigration" wahrscheinlich zu einer gemeinsamen Beschlussfassung komme. Integration finde in den Kommunen statt, erklärte Jutta Velte (GRÜNE). Es sei richtig gewesen, die Kommunalen Integrationszentren zu installieren. Man müsse gemeinsam, fraktionsübergreifend für Integration werben, denn verordnen könne man sie nicht. Jeder Zuwanderer bezahle pro Jahr 3.300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben, als er an staatlichen Leistungen erhalte, meinte Simone Brand (PIRATEN). Damit Integration gelinge, müsse der entsprechende Etatansatz auf 60 Millionen Euro verdoppelt werden.
    Das Ziel der Vollbeschäftigung unterstrich Arbeits- und Sozialminister Guntram Schneider (SPD). Man brauche aber die Unterstützung des Bundes. Zur Integration erklärte Schneider, NRW sei das erste Bundesland mit einem Teilhabe- und Integrationsgesetz.

    Inneres und Kommunales

    Theo Kruse (CDU) sprach von einem "schleichenden Ausverkauf der inneren Sicherheit", die Bürgerinnen und Bürger verlören zunehmend das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates. Im vorliegenden Einzelplan seien keine Perspektiven zu erkennen. Thomas Stotko (SPD) wies auf 1.522 Neueinstellungen bei der Polizei hin. Man sorge dafür, dass genug Polizei auf der Straße sei. Darüber hinaus werde die ehrenamtliche Tätigkeit der rund 80.000 Feuerwehrleute mit 2,7 Millionen Euro gefördert. Nach Ansicht von Dr. Robert Orth (FDP) hat sich die Sicherheit in NRW seit 2010 massiv verschlechtert. So sei die Zahl der Wohnungseinbrüche seit 2010 von 44.769 auf 54.953 gestiegen. Die Polizei benötige mehr Geld, um ihren Auftrag zu erfüllen. Die Landesregierung habe die Kommission "Bürgernahe Polizei" eingerichtet, erinnerte Verena Schäffer (GRÜNE). Ziel sei, dass die Polizei bei den Menschen vor Ort sei und nicht in den Behörden sitze. Der Frage werde man sich stellen müssen. Dirk Schatz (PIRATEN) sprach die personelle Situation bei der Polizei an. Die Hundertschaften seien überlastet, viele Dienstgruppen könnten an manchen Tagen nicht einmal ihre Sollstärke erfüllen, Einbruchskriminalität werde nur noch verwaltet.
    Das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) sorge nicht für hinreichende Gerechtigkeit, sagte Ina Scharrenbach (CDU). Erneut werde es nicht gelingen, die Ausgabenanstiege in den kommunalen Haushalten zu begrenzen. Das Gesetz habe strukturelle Schwächen. Bei der Regierungsübernahme durch Rot-Grün seien 138 Kommunen im Nothaushalt gewesen, sagte Hans-Willi Körfges (SPD). Im vergangenen Jahr seien es vier gewesen. Die Politik der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen sei kommunalfreundlich. Die Lage bei den kommunalen Finanzen sei alarmierend wie nie zuvor und die Verschuldung exorbitant gestiegen, meinte Kai Abruszat (FDP). Rot-Grün habe keine Konzepte entwickelt, um gegenzusteuern. Das GFG sei in der Masse völlig unzureichend. Die Probleme der kommunalen Haushalte ließen sich nicht von heute auf morgen lösen, sagte Mario Krüger (GRÜNE). Von den Stärkungspaktkommunen erwarte man bis 2020 bzw. 2021 ausgeglichene Haushaltsergebnisse ohne Einbeziehung von Landesgeld.
    An der Sicherheit werde in NRW nicht gespart, betonte Minister Ralf Jäger. Beim Verfassungsschutz würden 29 neue Stellen zur Bekämpfung des Salafismus eingerichtet. Den Kommunen werde die höchste Ausgleichsmasse aller Zeiten zur Verfügung gestellt.

    Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk

    Die Schuldenbremse 2020 werde man laut Hendrik Wüst (CDU) ohne eine Wachstumspolitik nicht erreichen. Die Wachstumsschwäche sei unter anderem durch die Vorgaben zu Tariftreue und Klimaschutz hausgemacht. Auch müsse man die Infrastruktur verbessern. Fast ein Viertel des deutschen Bruttoinlandsprodukts werde in NRW erwirtschaftet, unterstrich Thomas Eiskirch (SPD). Die Wirtschaftspolitik des Landes folge dem Prinzip der Vorschau: in der Standortpolitik, der Ressourcen- wie auch der Außenwirtschaft. Unter Rot-Grün sei NRW durch schwaches Wachstum auf den drittletzten Platz der westdeutschen Flächenländer gefallen, so Ralph Bombis (FDP). Das bedeute ein niedrigeres Durchschnittseinkommen. Die aktuelle Politik belaste Menschen, Betriebe und Kommunen. In der Außenwirtschaft seien 2014 rund 2.000 neue Stellen entstanden - für Daniela Schneckenburger (GRÜNE) Zeichen eines starken Wirtschaftsstandorts. Damit dies so bleibe, fördere die Landesregierung die Innovation, zum Beispiel im Energiebereich. NRW habe den Strukturwandel bei Kohle und Stahl noch nicht ganz verdaut und drohe nun, bei der digitalen Revolution ins Hintertreffen zu geraten, meinte Daniel Schwerd (PIRATEN). So fehle es an der Förderung der Zukunftsinvestition "Breitbandausbau". Um Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, wolle man Unternehmensgründungen, aber auch die Verknüpfung digitaler Chancen mit der "klassischen Industrie" fördern, erklärte Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD). Gleiches gelte für Chancen durch die Energiewende.

    Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport

    Walter Kern (CDU) kritisierte die Revision des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) durch Rot-Grün. Die Erzieherinnen in den Kitas stünden mit dem Rücken zur Wand, weil ihnen zusätzliche Aufgaben übertragen worden seien. Das gehe zulasten der Kinder. Rot-Grün habe die Mittel für den Elementarbereich seit Regierungsübernahme 2010 auf mehr als zwei Milliarden Euro verdoppelt, sagte Wolfgang Jörg (SPD). Dies sei einmalig in Deutschland. Rot-Grün investiere in die Zukunft des Landes, in die Kinder. Marcel Hafke (FDP) kritisierte, Rot-Grün nehme die Sorgen von Eltern und Erzieherinnen nicht ernst. Die Reform des KiBiz sei ein kleiner Wurf geblieben. Die Situation sei verkompliziert worden, in vielen Bereichen sei das System unfair ausgestaltet. Andrea Asch (GRÜNE) warf der Opposition vor, "mühsam" Punkte der Kritik zu suchen. Der Etat sei indes ein deutlicher Beleg dafür, dass SPD und GRÜNE die richtigen Prioritäten setzten. Die Koalition investiere in Kinder, Jugendliche und Familien. Daniel Düngel (PIRATEN) forderte, den Kinder- und Jugendförderplan um 10 Millionen Euro zu erhöhen. Seine Fraktion wolle dieses Geld für Kinder und Jugendliche zur Verfügung stellen. Die Landesregierung und die Koalition ignorierten dies aber. Familienministerin Ute Schäfer (SPD) verteidigte die Familienpolitik. Die Situation der frühkindlichen Bildung habe sich gebessert. Man habe viel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht und sei einen "Riesenschritt" vorangekommen.
    Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg (CDU) kritisierte, der Etat 2015 bedeute letztlich eine Kürzung der Kulturmittel. Die Botschaft an die Kulturszene laute: "Haltet die Füße still. Seid froh, wenn nichts gekürzt wird." Dies sei ein "fatales, lähmendes" Signal. Der Kulturetat sei stabil, ausgewogen und verlässlich, betonte dagegen Andreas Bialas für die SPD-Fraktion. Er setze Impulse und steige sogar leicht an - obwohl zugleich der Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt in NRW konsequent beschritten werde. Der Kulturetat verharre auf niedrigem Niveau, sagte Ingola Schmitz (FDP). Sie kritisierte auch den Verkauf von Warhol-Bildern durch Westspiel, einer Tochter der landeseigenen NRW-Bank. Damit sei der "Ausverkauf der NRW-Kultur" eingeleitet worden. Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) verteidigte den Entwurf für den Kulturetat. Er bleibe konstant. Dies sei in Zeiten von Schuldenbremse und Sparnotwendigkeiten ein gutes Signal, auch an die Kommunen, die den Löwenanteil der Kulturförderung leisteten. Für die PIRATEN-Fraktion bemängelte Lukas Lamla insbesondere das Kulturfördergesetz der Landesregierung. Es sei mehr eine gute Absichtserklärung als eine wirkliche Stärkung der Kunstund Kulturlandschaft, weil es eine "finanzielle Nullnummer" sei. Das Kulturfördergesetz biete Verlässlichkeit, entgegnete Kulturminister Ute Schäfer (SPD). NRW sei das erste Bundesland, das ein solches Gesetz haben werde. Dies könne stolz machen. Alle Vorhaben, die im Gesetz formuliert seien, seien auch finanziert.
    Holger Müller forderte für die CDU eine Erhöhung des Betrages für die Übungsleiterpauschale in Höhe von 1 Million Euro im Sportetat. Dies sei auch nötig, um das Ehrenamt zu stärken. Zudem sei es zur Heranbildung des Nachwuchses wichtig. Rainer Bischoff (SPD) lobte den "Pakt für den Sport" im Etat - ein Vertrag zwischen Landesregierung und Landessportbund, in dem Förderbeträge pro Jahr festgeschrieben würden. Dieser Pakt schaffe für die Sportorganisationen Planungssicherheit. Für die FDP-Fraktion kritisierte Marc Lürbke "einige grobe Fouls" im Sportetat. So werde an der Sportinfrastruktur gespart. Schon allein das sei besorgniserregend. Betroffen seien der Leistungssport und die Nachwuchstalente in den Sportschulen. Josefine Paul (GRÜNE) sagte, die Kritik laufe ins Leere. Das Sporttreiben habe sich verändert und damit die Anforderungen an die Sportstätten. Zugleich erfordere dies andere Anlagen oder gar keine, etwa, weil Menschen joggten oder Fahrrad führen. Lukas Lamla (PIRATEN) forderte 5 Millionen Euro für die Förderung der Inklusion im Sport. Die SPD habe seine Fraktion aufgefordert, über ihren Schatten zu springen und dem Sportetat zuzustimmen.

    (siehe Fortsetzung)

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung; 1220 Landesregierung

    ID: LI141106

  • Das Ziel im Blick.
    Der Etat 2015 im Detail - Richtung umstritten (Fortsetzung).
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 4-9 in Ausgabe 11 - 17.12.2014

    Dafür solle Rot-Grün dem Änderungsantrag zustimmen. Ministerin Ute Schäfer (SPD) betonte, dass im Sportetat 62,1 Millionen Euro vorgesehen seien. Damit könne das Vorhaben, das Sportland NRW weiterzuentwickeln, vorangetrieben werden. Und damit könnten neue innovative Impulse gesetzt werden.

    Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz

    Rainer Deppe (CDU) sagte, der Umweltminister habe seit 2010 seinen Etat um 28 Prozent erhöht. Die Akzeptanz für Umweltschutz habe aber unter Rot-Grün nachgelassen, weil der Minister den Menschen vorschreibe, was sie zu tun und zu lassen hätten. Ein zentraler Baustein der Umweltpolitik sei der Klimaschutz, sagte Norbert Meesters (SPD). Der Klimaschutzplan, den Rot-Grün 2015 beschließen wolle, werde konkrete Maßnahmen enthalten. Er sei ein Fahrplan, mit dem die Ziele erreicht werden sollten. Henning Höne (FDP) hielt Umweltminister Johannes Remmel (GRÜNE) vor, dass sein Etat seit 2010 kontinuierlich anwachse. Damit habe er einen wesentlichen Anteil am Landesetat. Dieser Beitrag bewege sich allerdings in die komplett falsche Richtung. Hans Christian Markert (GRÜNE) verwies auf die Rolle der Verbraucherberatung, damit Konsumenten auf Augenhöhe agieren könnten. Rot-Grün sei ein verlässlicher Partner der Verbraucherzentralen. Der Etat 2015 sehe eine Erhöhung der Förderung vor. Für die PIRATEN kritisierte Hanns-Jörg Rohwedder, dass SPD und GRÜNE bei der Umweltpolitik "Beton anrühren" und jeglichen Antrag der Opposition "in Bausch und Bogen ablehnen". Die konstruktive Oppositionsarbeit sei offensichtlich unerwünscht.
    Christina Schulze Föcking (CDU) kritisierte, der Landwirtschaftsminister habe sich einen Apparat geschaffen, mit dem er mehr Kontrollaufgaben zentral wahrnehmen könne - Ausdruck einer Politik des Misstrauens etwa gegen Landwirte oder Tierärzte. Norwich Rüße (GRÜNE) lobte, der Minister habe den Naturschutzetat verdoppelt und die Arbeit der biologischen Stationen abgesichert. Das sei ein entscheidender Schritt. Denn die Naturschutzgebiete seien die letzten Refugien der heimischen Arten. Simone Brand (PIRATEN) forderte den Bau von neun weiteren Grünbrücken, damit Tiere gefahrlos Straßen queren könnten. Das sei gut auch für die Menschen, weil es weniger Wildunfälle gebe. Die derzeit 18 fertigen oder geplanten Brücken seien zu wenig. Henning Höne (FDP) warf dem Minister vor, bei der Umsetzung von Projekten die Beteiligten nicht ausreichend mitzunehmen. Auf diese Weise laufe er Gefahr, Akzeptanz zu verlieren. Und dann käme er inhaltlich nicht einen einzigen Schritt weiter.
    Umweltminister Johannes Remmel (GRÜNE) verteidigte die Erhöhung seines Etats. Es gehe im Wesentlichen um Investitionen. Der Haushalt biete Ansätze für die Strukturentwicklung im ländlichen Raum, Energieeffizienz, Energieeinsparung und Klimaschutz.

    Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter

    Der Haushalt sei weitgehend unspektakulär, meinte Peter Preuß (CDU). Das ausgewiesene Geld reiche aber bei weitem nicht aus, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Unter anderem drohe ein Ärztemangel. Es fehlten Perspektiven für die Zukunft. Der vorliegende Einzelplan werde den Ansprüchen an eine sich verändernde Gesellschaft gerecht, sagte Serdar Yüksel (SPD). Die nordrhein-westfälische Landespolitik stehe für ein leistungsfähiges und sozial gerechtes Gesundheits- und Altenpflegewesen. Die Landesregierung bleibe hinter ihren Möglichkeiten zurück und schiebe Probleme vor sich her, befand Susanne Schneider (FDP). Sie verzettele sich und liefere keine Antworten auf Probleme wie zum Beispiel die Unterfinanzierung der NRW-Kliniken. Trotz knapper Kassen und höherer Sparanforderungen werde man auch 2015 in eine präventive, vom Menschen her gedachte Gesundheitspolitik investieren, unterstrich Arif Ünal (GRÜNE). Die patientenorientierte Gesundheitspolitik werde ausgebaut. Olaf Wegner von den PIRATEN sprach die Altenpflegeseminare an. Mit dem dafür vorgesehenen Geld sei die notwendige Ausbildungsqualität der Altenpflegerinnen und Altenpfleger nicht zu erreichen. Dies sei auch bei einer Anhörung deutlich geworden.
    Mehr als ernüchternd sei, was eine bessere Teilhabe der Frauen in guten Berufen sowie beim Aufstieg und bei der Besetzung von Gremien angehe, sagte Regina van Dinther (CDU). Mädchen nutzten ihre Chancen trotz eines Studiums häufig nicht optimal. Daniela Jansen (SPD) hob die Novellierung des Landesgleichstellungsgesetzes hervor. Es stärke die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen. Insbesondere wolle man eine Festschreibung der Aufgaben und des Stellenumfangs erreichen. Die Kompetenzzentren "Frau und Beruf" seien überflüssig, kritisierte Susanne Schneider (FDP). Sie seien einseitig ausgerichtet. Gleichstellungspolitik werde in Nordrhein-Westfalen allzu oft gleichgesetzt mit Frauenpolitik und dem Ruf nach Quote. Der Haushalt dokumentiere, dass der Landesregierung Frauenförderung sowie die Unterstützung der Fraueninfrastruktur wichtig seien, betonte Josefine Paul (GRÜNE). Ein Schwerpunkt des Haushaltsplans sei die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Marc Olejak (PIRATEN) plädierte für eine "nachhaltige Finanzierung" von Frauenhäusern über 2017 hinaus. Auch würden besondere Angebote für männliche Opfer häuslicher Gewalt nicht berücksichtigt. Er sah in diesem Zusammenhang "viel Luft nach oben".
    NRW sei mit seinem Krankenhausplan das erste Bundesland, das Strukturqualität geplant habe, sagte Ministerin Barbara Steffens (GRÜNE). Den Frauenhäusern wolle man durch Verpflichtungsermächtigungen mehr Sicherheit in der Finanzierung geben.

    Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr

    Die geplante Erhöhung der Grunderwerbsteuer sei "der jüngste Knüppel" zwischen die Beine von Menschen, die Wohneigentum kaufen wollen, sagte Klaus Voussem (CDU). Sie füge sich ein in eine Reihe von rot-grünen Fehlentscheidungen in der Wohnungspolitik. Andreas Becker (SPD) warf der CDU vor, sie rede das Land schlecht. Schon mit Blick auf die Städtebauförderung und die Wohnraumförderung werde aber deutlich, dass NRW auch bei Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung bei Rot-Grün in guten Händen sei. Holger Ellerbrock (FDP) verwies auf die angespannte Haushaltslage. Ziel müsse daher sein, privates Kapital für öffentliche Aufgaben zu mobilisieren. Im Bereich Bauen und Wohnen gebe es unter Rot-Grün aber Tendenzen, die genau das Gegenteil bewirkten. Gutes Leben heiße für Rot-Grün auch gutes Wohnen, betonte Daniela Schneckenburger (GRÜNE). Dazu gehöre vor allem bezahlbarer Wohnraum, energetische Sanierung und barrierefreies Wohnen. Die FDP habe dagegen ein Programm der "sozialen Kälte". Die PIRATEN vermissten einen intelligenten Ansatz, mit dem die sehr unterschiedlichen Probleme in Regionen und Städten gelöst werden könnten, so Oliver Bayer. Wachsende Wohnungsmärkte benötigten eine andere Begleitung als scheinbar entspannte. Bauminister Michael Groschek (SPD) verteidigte die Prioritätensetzung in seinem Etat. Mit einem großen Bündnis für Wohnen und Stadtentwicklung fördere und stärke Nordrhein-Westfalen soziale Vielfalt und keine Gettoisierung. Dies bestätige die Debatte.
    Bernhard Schemmer (CDU) sagte, Minister Groschek sollte "Forderungsminister" genannt werden. Das sei, was er am besten könne. Das einzige, das in NRW neben den Schulden steige, seien die Forderungen des Ministers an den Bund. Dieser solle mehr Geld geben. Reiner Breuer (SPD) wies die Kritik zurück. Mit dem Etat liefere Rot- Grün "umweltfreundlichen Treibstoff" für mehr Mobilität in NRW. Im Bereich Landesstraßenbau gehe weiter Erhalt vor Neubau. Der Schwerpunkt werde auf den Substanzerhalt gelegt. Christof Rasche (FDP) hielt Rot-Grün vor, zu wenig zu investieren. Die Quote sei pro Kopf niedriger als in den anderen Flächenländern. 2009 hätten für die Landesstraßen 172 Millionen Euro zur Verfügung gestanden, 2015 seien es 155 Millionen Euro. Arndt Klocke (GRÜNE) appellierte an den Bund: "Motten Sie endlich diese Pkw-Maut ein." Mittlerweile gehe man davon aus, dass die Kosten der Einführung aufgrund technischer Notwendigkeiten höchstwahrscheinlich höher seien als die Einnahmen durch die Maut. Für die PIRATEN warf Stefan Fricke der Landesregierung vor, sie lasse die Verkehrsinfrastruktur und ganz besonders den schienengebundenen Verkehr "verlottern". Seine Fraktion stimme daher gegen den Etat und fordere, ihn deutlich nachzubessern. Laut Minister Groschek (SPD) stehen für die Landesstraßen 155 Millionen Euro bereit, für die Kommunalstraßen inklusive der Radwege fast 150 Millionen Euro: "Wir machen NRW mobil." Ziel sei, den Reparaturstau aufzulösen und damit den Stau auf den Straßen.

    Justiz

    Keine Strukturveränderungen, keine Dienstrechtsreform, für die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizei- und Feuerwehrzulage fehle das Geld, gleichzeitig sei NRW Spitzenreiter beim Schuldenmachen - für Jens Kamieth (CDU) Zeichen einer verfehlten Finanzpolitik. Im Bereich Justiz werde der Personalstand in den kommenden Jahren stabil bleiben können, erläuterte Sven Wolf (SPD). Gleichzeitig plane man an den Landgerichten Köln und Düsseldorf zusätzliche Richterstellen ein und bilde zusätzliche Amtsanwälte aus. Er habe sich im Fall Hoeneß in fremde Justizangelegenheiten eingemischt, Zahnärzte diffamiert und zu lange die hohe Belastung der Landgerichte in Köln und Düsseldorf geleugnet: Dirk Wedel (FDP) kritisierte deutlich Justizminister Kutschaty. "Unsere Justiz ist trotz starker Belastung leistungsfähig", widersprach Dagmar Hanses (GRÜNE) ihrem Vorredner. Der Haushaltsentwurf setze die Weichenstellungen für eine bürgernahe Justiz sowie einen humanen, resozialisierenden Strafvollzug fort. Die zusätzlichen 50 Stellen für Richter und Amtsanwälte reichten bei weitem nicht aus, meinte Dietmar Schulz (PIRATEN). Nachbesserungen seien notwendig, denn man brauche für den Rechtsgarantieanspruch eine solide personelle Ausstattung der Gerichte. Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) schätzte dies anders ein und erklärte, der Haushaltsentwurf könne die Leistungsfähigkeit und die Arbeit der Justiz sichern. Wo nötig, werde nachgesteuert, so im Bereich der Wirtschaftsdelikte.
    Red, Wibke Busch

    Zusatzinformation:
    Eckdaten zum Haushalt
    Für das Jahr 2015 sah der Haushaltsplan vor der dritten Lesung (Drs. 16/6500 bzw. Ergänzung Drs. 16/6710) laut Beschlussempfehlung (Drs. 16/7600) Ausgaben von rund 64,28 statt ursprünglich 64,09 Milliarden Euro vor. Dabei geht der Finanzminister von Steuereinnahmen in Höhe von 48,2 Milliarden Euro aus. Die Nettoneuverschuldung soll auf 1,93 Milliarden Euro sinken. Für die Gemeinden sind Zuweisungen in Höhe von 9,6 Milliarden Euro vorgesehen (GFG, Drs. 16/6502 bzw. Ergänzung Drs. 16/6990; Beschlussempfehlung Drs. 16/7601).

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung; 1220 Landesregierung

    ID: LI141126

  • Chancen geschaffen oder Chancen nicht genutzt?
    Generaldebatte zur dritten Lesung des Haushalts 2015.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 11 - 17.12.2014

    17. Dezember 2014 - Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD und GRÜNEN hat der Landtag den Haushalt 2015 verabschiedet. Die Oppositionsfraktionen von CDU, FDP und PIRATEN lehnten den Etat in der dritten Lesung ab. Der Abstimmung vorausgegangen war eine teils heftig geführte Debatte über die Politik der Landesregierung und deren Bilanz zur Mitte der Legislaturperiode. Die Oppositionsfraktionen nutzten die Generaldebatte, um deutliche Kritik an Rot-Grün zu üben. Die Koalition dagegen verteidigte ihre Arbeit als erfolgreich.
    CDU-Fraktionschef Armin Laschet wies Äußerungen aus den Reihen von SPD und GRÜNEN zurück, die Opposition rede mit ihrer Kritik an Rot-Grün das Land schlecht. Nur wer Defizite benenne, könne besser werden, betonte er. Auch sei Hannelore Kraft (SPD) zwar die Ministerpräsidentin des Landes, aber nicht das Land. Die Kritik an der Opposition sei ein Ausdruck der "Arroganz der Macht". Laschet warf der Regierung seinerseits vor, das Bild von einem "insolventen Land" gezeichnet zu haben. So habe sie eine Haushaltssperre in Zeiten "blühenden Wachstums und sprudelnder Steuereinnahmen" verhängt. Auch mit dem Flüchtlingsskandal und der eskalierten Demonstration von Hooligans in Köln sei ein schlechtes Bild vom Land erzeugt worden. NRW sei "ein Land mit Profil, Potenzial und Perspektive". Es brauche eine Politik für mehr Wachstum, für mehr Sicherheit und mehr Aufstiegschancen. Die Landesregierung tue aber das Gegenteil, indem sie mehr Bürokratie insbesondere für den Mittelstand schaffe, zu wenig in die Verkehrsinfrastruktur investiere und eine verfehlte Bildungspolitik betreibe. "Sie machen das Land schlecht. Ihr Haushalt wird die Chancen des Landes und seiner Menschen weiter verschlechtern."
    SPD-Fraktionschef Norbert Römer warf Laschet vor, das Bild von einem Land zu zeichnen, das "nur in ihren parteipolitischen Fantasien existiert". Er habe es erneut schlecht geredet. "Sie kennen das Land nicht, sie haben keine Ahnung von NRW", rief er dem CDU-Politiker zu. Römer verteidigte die Politik von Rot-Grün. Seit Amtsantritt der Regierung 2010 sei NRW "stärker und gerechter geworden". Es sei "ein Land auf dem Weg zu echter Chancengleichheit und bestmöglicher Bildung in Kita und Uni". Der Etat 2015 demonstriere die rot-grünen Prioritäten, beispielsweise indem rund 25 Milliarden Euro für Kinderbetreuung, frühkindliche Bildung, Schulen, Universitäten sowie für Wissenschaft und Forschung ausgegeben würden. Die Landesregierung habe die Zahl der Kitaplätze für Unter-Dreijährige deutlich erhöht. Durch den Ausbau der Offenen Ganztagsschule werde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert. Der Haushalt 2015 zeichne sich aber nicht nur durch Zukunftsinvestitionen aus, sondern durch eine abermalige Senkung der Neuverschuldung. "Die rot-grüne Koalition unter der Führung von Hannelore Kraft kann zur Mitte dieser Legislaturperiode auf eine beachtliche Leistungsbilanz hinweisen."
    "Dieses Land ist eigentlich stark, aber es wird schwach regiert. Es könnte großartig sein, aber es ist kleingeistig," kritisierte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Er betonte, dass keine Konsolidierungsstrategie erkennbar sei. Dass die Neuverschuldung unter zwei Milliarden Euro liege, sei in erster Linie auf die Erhöhung der Grunderwerbsteuer zurückzuführen, die auf Mieterinnen und Mieter umgelegt werde. "Sie greifen den Menschen in die Kasse, statt selbst etwas zu tun", sagte Lindner, "Sie sind die Mietpreistreiber." Dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft angekündigt habe, im Karneval als Vampir gehen zu wollen, sei eine echte Innovation: "Normalerweise verkleidet man sich im Karneval." Unter Krafts Regierungsverantwortung habe das Land Kurs auf den Staatsbankrott genommen. Lindner forderte u.a. ein Sonderprogramm für den Landesstraßenbau, den Abbau von Bürokratie, eine wirtschaftlichere Führung der Landesbetriebe und mehr Polizei-Anwärter. Beim Thema "Innere Sicherheit" unterstellte er Innenminister Ralf Jäger (SPD) ein "katastrophales, systematisches Versagen in den letzten Monaten" und "unsensible Brutalo-Rhetorik" im Zusammenhang mit islamfeindlichen Demonstrationen.
    Als "solide und vernünftig" verteidigte GRÜNEN-Fraktionsvorsitzender Reiner Priggen den Haushaltsentwurf. Die Neuverschuldung werde Schritt für Schritt zurückgefahren, gleichzeitig setzten die Koalitionsfraktionen Schwerpunkte. Dazu zählten mehr Finanzmittel für die Kommunen. Zudem seien die Aufwendungen für frühkindliche Bildung im Vergleich zu 2010 um 1 Milliarde auf 2,3 Milliarden Euro erhöht worden. Für die Hochschulen werde ebenfalls mehr Geld ausgegeben. Zur Bewältigung der Flüchtlingsströme unternehme das Land "ein Erhebliches, um die Kommunen zu unterstützen". So habe sich der Haushaltsansatz mit nun 390 Millionen Euro seit 2010 mehr als versechsfacht. Der CDU-Opposition warf Priggen vor, "nicht einen konkreten Einsparvorschlag" außer der "unsozialen" Wiedereinführung von Studien- und Kita-Gebühren zu machen. Alle anderen Forderungen seien "Luftbuchungen" oder Streichungen nach dem "Rasenmäher-Modell". Mit Blick auf die Mittelverteilung für die Bundesländer sagte Priggen: "Es gibt eine strukturelle Benachteiligung dieses Landes seit mehr als 20 Jahren." So könne es nicht sein, dass NRW als großes Verkehrsland über 400 Millionen Euro pro Jahr weniger bekomme, als ihm zustehe.
    "Innovative Zukunft kommt nicht vor", fasste Dr. Joachim Paul (PIRATEN) seine Kritik am Haushaltsentwurf zusammen. Die Landesregierung verwalte den Notstand, bewahre Besitzstände, schreibe Altlasten fort. Notwendig sei zum Beispiel ein Ausbau der digitalen Infrastruktur; dazu gehöre ein Ausbau des Breitbands einerseits ebenso wie ein besserer Schutz der Daten und der Privatsphäre andererseits. Mit Blick auf die gegebenen Gefahren müsse die Vermittlung von Medienkompetenz verstärkt werden. In all diesen Bereichen stehe die Landesregierung auf der Bremse. Angesichts der höchsten Studierendenzahlen in NRW gelte Gleiches auch für die solide Finanzierung der Hochschulen. Heftige Kritik übte Paul an der geplanten Erhöhung der Grunderwerbsteuer: Während sie für alle erhöht werde, schaue der Finanzminister weg, wenn sie in einem Geschäft zwischen der landeseigenen Portigon AG und einem Großinvestor vermieden werde. Ein solches Vorgehen fördere die Politikverdrossenheit. Mit Blick auf die Flüchtlingspolitik des Landes sagte Paul: "Dafür schäme ich mich." Trotz der bekanntgewordenen "schockierenden" Vorfälle sei niemand bereit, die vom Flüchtlingsrat geforderten Standards einzuführen.
    Ein Satz im Beitrag von FDP-Fraktionschef Lindner habe sie wütend gemacht, sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Dass er Nordrhein-Westfalen als "kleingeistig" bezeichne, sei ein "Skandal" und "frevelhaft". Es sei unzumutbar, dass er die Menschen im Land in dieser Form angreife. "Wem unser Land am Herzen liegt, der redet es nicht schlecht", so die Ministerpräsidentin. Verglichen mit dem Fußball, bewege sich NRW nicht in der Abstiegszone, sondern vielfach auf Championsleague-Niveau. Lindner verweigere sich diesen Realitäten. Amüsiert habe sie sein Hinweis auf ihre Karnevalskostümierung. Ihm empfahl die Ministerpräsidentin, als "Heißluftballon" zu gehen. Kraft wies auch die anderen Kritikpunkte der Opposition an Haushalt und der Politik der Landesregierung zurück: "Wir sind auf Kurs und müssen uns nicht verstecken." Als Beispiele nannte sie Investitionen in Bildung, Kinder und Kommunen. Von einem Qualitätsverlust bei den Hochschulen könne keine Rede sein, bei der Inklusion gelte NRW als Vorreiter. Die Ministerpräsidentin ging auch auf die Flüchtlingspolitik ein: Das Geld vom Bund werde eins zu eins an die Kommunen weitergegeben, das Land gebe zusätzlich 91 Millionen Euro.
    Red, Wibke Busch, Christian Wolf

    Zusatzinformation:
    Angenommen
    Der Landtag hat mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU, FDP und PIRATEN in dritter Lesung den Gesetzentwurf zum Haushalt 2015 (Drs. 16/6500 bzw. Ergänzung Drs. 16/6710) laut Beschlussempfehlung (Drs. 16/7600) und Änderungsantrag (Drs. 16/7609) angenommen.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung; 1220 Landesregierung

    ID: LI141107

  • Regierung will aktivierenden Strafvollzug.
    Neues Gesetz soll im Dezember beschlossen werden.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 10 - 03.12.2014

    Der Schutz von Leib und Leben ist eine der zentralen Aufgaben des Staates. Daraus ergeben sich das Gewaltmonopol und die Verpflichtung, Unrecht zu ahnden. In der Bundesrepublik Deutschland lag bis zum Jahr 2006 die Regelung des Strafvollzugs in der alleinigen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das änderte sich mit der Föderalismusreform I, die den Ländern die Möglichkeit gab, beim Strafvollzug eigene landesrechtliche Regeln zu beschließen.
    Das Land Nordrhein-Westfalen geht diese Aufgabe Schritt für Schritt an. So wurden zunächst für den Jugendstrafvollzug sowie für den Jugendarrestvollzug eigene Landesgesetze erlassen. Im letzten Jahr folgte dann die Sicherungsverwahrung. Nunmehr hat die Landesregierung den Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes vorgelegt (Drs. 16/5413). Die Beratungen im zuständigen Rechtsausschuss laufen (siehe auch Seite 13); die zweite und damit endgültige Lesung im Plenum soll noch dieses Jahr erfolgen.
    Dem Regierungsentwurf vorausgegangen war ein eigener Vorschlag der CDU (Drs. 16/4155). Beide sprechen gleiche Punkte an, unterscheiden sich aber in ihren Antworten.

    Resozialisierung als Ziel

    Ihr Ansatz beruhe auf dem Gedanken eines "aktivierenden Strafvollzugs", schreibt die rot-grüne Regierung. Auf der Grundlage einer "sorgfältigen Diagnostik", einer "individuell zugeschnittenen Behandlung" und einer auf "Motivierung gerichteten Vollzugsplanung" möchte sie das "Fördern und Fordern" in den Mittelpunkt stellen. Während des Strafvollzugs soll also schon an die Zeit danach gedacht - und auf sie hingearbeitet werden. Konkret heißt das: Um soziale Kontakte zu erhalten, will man zum Beispiel die Regelbesuchszeit der Gefangenen auf zwei Stunden im Monat erhöhen. Für den Besuch minderjähriger Kinder sollen zwei weitere Stunden in Anspruch genommen werden können.
    Einen möglichst großen Stellenwert soll in der Praxis auch der offene Strafvollzug erhalten. Er wird zwar nicht als Regelvollzugsform definiert, aber inhaltliche Vorgaben sollen gewährleisten, dass er auch tatsächlich angewandt wird. Erweitert werden soll der Kreis der Straftäter, die zur Sozialtherapie zugelassen werden. Damit will man eine zu starke Einengung der Vorschriften auf Sexualstraftaten vermeiden. Daneben will man zur Betreuung ehemaliger Gefangener sozialtherapeutische Nachsorgeambulanzen einrichten. Dieses Angebot soll auch dem "bestmöglichen Schutz der Bevölkerung" dienen.
    Der Entwurf will ebenfalls die Bestimmungen zur schulischen beziehungsweise beruflichen Bildung, der Vergütung von Arbeit sowie der Gesundheitsfürsorge neu ordnen. Ein wichtiger Punkt ist die Neudefinition von Disziplinarmaßnahmen. Diese sollen künftig nicht allein einen strafenden, sondern auch einen pädagogischen Effekt haben. Mit Blick auf die gewünschte Resozialisierung der Gefangenen sieht der Gesetzentwurf erweiterte Regelungen zur Entlassungsvorbereitung sowie zum sogenannten Übergangsmanagement vor. Darin wird die Zusammenarbeit der Justizvollzugsanstalten (JVA) mit öffentlichen Stellen, freien Trägern und anderen Organisationen, die der Wiedereingliederung der Gefangenen förderlich sein könnten, betont.
    Zu nennen ist auch die Hervorhebung des Opferschutzes im geplanten Landesrecht. Dieser umfasst zum Beispiel den Schutz von opferrelevanten Daten sowie die Erteilung von Auskünften an Opfer.
    Im Gegensatz zur Regierung betont die CDU in ihrem Antrag, die Eingliederung der Gefangenen und die Sicherheit der Allgemeinheit seien gleichrangige Aufgaben des Strafvollzugs. So sollen für sogenannte vollzugsöffnende Maßnahmen strenge Prüfmaßstäbe gelten. Arbeit sei das zentrale Mittel der Eingliederung, so die CDU. Gefangene sollen an ihrer Eingliederung aktiv mitarbeiten. Der Antrag der CDU sieht vor, dass Vorschriften zum Schutz der Anstalten, der Gefangenen und der Bediensteten ein "Höchstmaß an Sicherheit und Ordnung" gewährleisten sollen.

    Mehr Stellen

    Der von der Landesregierung angestrebte Ansatz im Strafvollzug bedeutet mehr Arbeit. Daher wurden bereits im Landeshaushalt 2011 vor allem für die psychologischen und sozialen Fachdienste 50 neue Stellen eingerichtet. Jetzt sollen in der Sozialtherapie 63 sowie für Behandlungsuntersuchungen weitere 47 neue Stellen geschaffen beziehungsweise vorhandene umgewandelt werden. Hinzu kommen 16 zusätzliche Stellen im Bereich des erhöhten Besuchskontingents und neun für die sozialtherapeutischen Nachsorgeambulanzen. Für die insgesamt 135 neuen Stellen rechnet die Landesregierung mit Mehrkosten von 4,8 Millionen Euro im Jahr, hinzu kommen rund 450.000 Euro für Sachmittel.
    cw

    Systematik: 3330 Justizvollzug; 5030 Kinder/Jugendliche

    ID: LI141005

  • Wolf, Sven (SPD); Kamieth, Jens CDU); Hanses, Dagmar (Grüne); Wedel, Dirk (FDP); Schulz, Dietmar (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Strafvollzug.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 10 - 03.12.2014

    Der Strafvollzug soll strafen, aber die Gefangenen gleichzeitig auch auf ein straffreies "Leben danach" vorbereiten.

    Wiedereingliederung gelingt am besten ...

    Sven Wolf (SPD) ... wenn die Gefangenen von Anfang an auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden. Dem Gesetzentwurf der Landesregierung liegt daher der Gedanke eines "aktivierenden Strafvollzugs" zugrunde. Der Vollzug der Freiheitsstrafe beruht also auf Basis einer sorgfältigen Diagnostik und einer individuell zugeschnittenen Behandlung. Die Gefangenen sollen befähigt werden, ein Leben ohne Straftaten führen zu können.
    Jens Kamieth (CDU) ... wenn Verurteilte die Gelegenheit haben, sich mit ihrer Tat und den Folgen für das Opfer auseinandersetzen zu können. Während der Haft muss eine optimale Vorbereitung auf das Leben in Freiheit stattfinden. Hierzu gehört, dass die Gefangenen rechtzeitig und intensiv bei Behördengängen, Arbeitsplatzsuche, Wohnungssuche etc. unterstützt und wenn erforderlich auch entsprechend geschult werden.
    Dagmar Hanses (GRÜNE) ... durch effektives und frühzeitiges Übergangsmanagement. Nur so können sich Strafgefangene wirklich eine neue Existenz ohne erneute Straftaten aufbauen. Voraussetzungen sind das Erlernen neuer Handlungsstrategien, eine gute fachliche Betreuung und der Zugang zur Sozialtherapie für mehr Gefangene als vorher. Am sinnvollsten ist eine Haftvermeidung, wo immer sie möglich und geboten ist.
    Dirk Wedel (FDP) ... neben der Stabilisierung familiärer Beziehungen, mit einem beschäftigungsorientierten Übergangsmanagement für Gefangene und Haftentlassene, mit dem bereits aus der Haft heraus wichtige Kontakte beispielsweise zum Jobcenter geknüpft werden. Durch eine Vermittlung in stabile Wohn- und Lebensverhältnisse, Arbeit oder Ausbildung wird das Rückfallrisiko erheblich geringer.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) ... wenn soziale Belange im Vollzug Berücksichtigung finden. Unsere Vorschläge hierzu: längere Besuchszeiten für Kinder inhaftierter Eltern auch an Wochenenden zur Sicherung des Umgangsrechts, Installation von Kinderbeauftragten im Gefängnis, Fernstudium, Mediation vor Disziplinarmaßnahmen, Akteneinsichtsrecht, Schusswaffenverbot für Bedienstete. Hier besteht noch gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

    Der offene Strafvollzug ...

    Sven Wolf (SPD) ... und vollzugsöffnende Maßnahmen haben einen hohen Stellenwert, wenn es darum geht, die Gefangenen fit zu machen für ein selbstständiges straffreies Leben. Zwingend ist es daher für mich, dass Strafgefangene vor der Entlassung Schritt für Schritt über den offenen Vollzug wiedereingegliedert werden.
    Jens Kamieth (CDU) ... spielt in der nordrhein-westfälischen Vollzugspraxis keine große Rolle. Er soll tatsächlich erst in der letzten Phase der Haft im Rahmen der Entlassungsvorbereitung als Lockerung gewährt werden. Vollzugsöffnende Maßnahmen sind kein Selbstzweck, sondern am Eingliederungsauftrag zu orientieren. Gesichtspunkte des Opferschutzes sind bei der Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen jederzeit mit zu berücksichtigen.
    Dagmar Hanses (GRÜNE) ... hat in NRW einen hohen Stellenwert. Besonders durch offenen Strafvollzug ist eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft möglich. Wichtig sind soziale Kontakte, die für das "Leben danach" Anker und Anlaufstelle sind. Durch eine Arbeitsmöglichkeit fassen Gefangene wieder Fuß im Leben. Das bietet eine stabile Grundlage für die Zeit nach der Haft und einen Neustart.
    Dirk Wedel (FDP) ... hat sich bewährt und steht zu Recht gleichrangig neben dem geschlossenen Vollzug. Mit seiner Öffnung nach außen bietet er die besten Voraussetzungen für eine an den Lebensverhältnissen in Freiheit orientierte Vollzugsgestaltung, beispielsweise durch Arbeit außerhalb der Anstalt. Er ist damit in besonderer Weise dazu geeignet, den Übergang von Gefangenen in die Freiheit zu erleichtern.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) ... ist bei uns noch nicht so weit gediehen wie in anderen Ländern, wie z.B. in Schweden. Er war im Rechtsausschuss Thema des Symposiums "Vollzug in freien Formen". Eine weitere Öffnung des Vollzugs ist wünschenswert. Wir haben mit einem Gesetzesänderungsvorschlag nachdrücklich auf die Diskriminierung lebenslänglich Inhaftierter hingewiesen, die erst nach fünf Jahren Haft Langzeitausgang bekommen.

    Die Sicherheit der Allgemeinheit ...

    Sven Wolf (SPD) ... ist auch ein wichtiger Aspekt des Strafvollzugs, aber nicht der alleinige. Denn ich bin mir sicher, wenn uns eine gute Wiedereingliederung gelingt und wir verhindern, dass Taten wiederholt werden, so ist dies der beste Schutz der Allgemeinheit und der Opfer.
    Jens Kamieth (CDU) ... steht mindestens auf gleicher Stufe wie der Wiedereingliederungsanspruch der Verurteilten. Moderne Sicherungsmittel wie die Fußfessel, Videoüberwachung etc. müssen daher in angemessenem Umfang eingesetzt werden, um dem Schutz der Allgemeinheit Rechnung zu tragen. Eingliederung und Sicherheit der Allgemeinheit sind beides tragende und selbstständige Elemente des Strafvollzugs.
    Dagmar Hanses (GRÜNE) ... wird nicht allein durch Wegsperren erreicht. Strafvollzug muss vor allem der Resozialisierung dienen. Dies ist ein wegweisender Paradigmenwechsel. Strafgefangene müssen ihre Tat und ihr weiteres Handeln reflektieren, um Wiederholungen vermeiden. Sie lernen in der Haft oft zum ersten Mal andere Handlungsstrategien als Kriminalität kennen. Wir GRÜNEN bekennen uns daher klar zum aktivierenden Behandlungsvollzug.
    Dirk Wedel (FDP) ... ist ein wichtiges Ziel des Justizvollzugs. Zum Schutz vor weiteren Straftaten bedarf es zum einen baulicher, technischer und organisatorischer Sicherungsmaßnahmen der Anstalten; zum anderen vor allem auch umfangreicher Behandlungsangebote für die Gefangenen, mit denen diese angehalten werden sollen, ein straffreies Leben nach der Entlassung zu führen, und die damit der Resozialisierung dienen.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) ... ist mit den Rechten der Gefangenen in Einklang zu bringen. Schriftwechsel mit Gerichten sollte nicht nur für das Verfassungsgericht von Kontrolle freigestellt sein, sondern für sämtliche Gerichte. Nur der unbehelligte Gefangene wird seine rechtlichen Interessen auszuschöpfen wagen. Dieses Recht bedeutet Garantie effektiven Rechtsschutzes für Inhaftierte und damit Rechtsstaatlichkeit im Gefängnis.

    Opferschutz bedeutet für mich ...

    Sven Wolf (SPD) ... die Interessen von Geschädigten und Betroffenen auch im Strafvollzug zu berücksichtigen. Mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung setzen wir ein Zeichen und haben eine Regelung zur opferbezogenen Gestaltung des Vollzugs bereits in den Grundsätzen aufgenommen. Gerade familiäre Opfer haben ein Recht darauf, dass ihre Interessen bei der Vollzugsgestaltung berücksichtigt und sie über Freigänge des Täters informiert werden.
    Jens Kamieth (CDU) ... dass Opfern Hilfe angeboten werden muss bei der Bewältigung der Tatfolgen und bei der Geltendmachung von Schadensersatz. Opfer haben das Recht zu erfahren, wann der Täter wieder auf freien Fuß kommt. Letztlich verhindert ein stringenter Strafvollzug mit optimaler Wiedereingliederung, dass es weitere Opfer gibt.
    Dagmar Hanses (GRÜNE) ... dass sich die Opfer von Straftaten nicht wie in der Vergangenheit alleingelassen fühlen! Sie brauchen Informationsrechte über Freigänge, zur Entlassung oder wohin Täter ziehen, aber auch über die Vermögensverhältnisse, um Schadensersatzansprüche auch noch nachträglich durchzusetzen. Umgekehrt gehören Opferdaten konsequent geschützt. Dafür soll es in jeder JVA eine feste Ansprechperson geben.
    Dirk Wedel (FDP) ... dass Opfer von Straftaten und ihre Angehörigen nicht mit den Folgen der Tat alleingelassen werden, sondern konkrete Hilfsangebote erhalten. Dabei ist die Arbeit von ehrenamtlichen Organisationen wie dem WEISSEN RING zu stärken. Modelle von Opferschutzstiftungen aus verschiedenen Bundesländern sollten auch für NRW geprüft werden. Justizpolitik muss opfer- und täterorientiert denken.
    Dietmar Schulz (PIRATEN) ... ein anhand gesetzlicher Kriterien scharf konturierter Opferbegriff. Die Kriterien hierfür müssen weiter ausgestaltet und verbessert werden, zumal der kriminologische Opferbegriff in der Wissenschaft heftig umstritten ist. Er kann Schutz, aber auch Stigmatisierung sein. Kein Opferschutz gegen die Interessen des Opfers! Die künftige Rechtsanwendung wird hier Tendenzen und Handlungsbedarf aufzeigen.

    ID: LI141011

  • Landesrecht für Strafhaft bedingt Landesrecht für Abschiebehaft.
    Ausschuss verschiebt Abstimmung über Strafvollzugsgesetz.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 13 in Ausgabe 10 - 03.12.2014

    26. November 2014 - Das Strafvollzugsgesetz war zentrales Thema der Sitzung des Rechtsausschusses. Aus aktuellen Gründen wurde die Debatte jedoch um den Aspekt "Abschiebehaft" erweitert. Als Folge wurde die geplante Beschlussfassung über die beiden vorliegenden Gesetzentwürfe zur Strafhaft auf die nächste Sitzung verschoben.
    Dem Ausschuss lagen für den Strafvollzug sowohl ein Entwurf der Landesregierung (Drucksache 16/5413) als auch der CDU (Drucksache 16/4155) vor. Eigentlich war vorgesehen, dass in dieser Ausschusssitzung über beide Entwürfe abschließend beraten und abgestimmt wird, da das Plenum in der ersten Dezemberwoche hierüber endgültig befinden sollte.

    Verzahnung Strafhaft - Abschiebehaft

    In der Sitzung bat die Landesregierung allerdings darum, die abschließende Beratung des Entwurfs zu verschieben. Hintergrund ist die Notwendigkeit, auch für den Vollzug der Abschiebehaft eine sichere Rechtsgrundlage zu schaffen. Denn wenn Nordrhein-Westfalen für die Strafhaft Landesrecht schaffe, müsse auch für die Abschiebehaft Landesrecht geschaffen werden. Für beide Sachverhalte gilt bislang Bundesrecht; regelt das Land gemäß der Föderalismusreform den einen Bereich, muss es auch Bestimmungen für den anderen treffen.
    Auslöser dafür sind die Pläne der Landesregierung, die Justizvollzugsanstalt Büren zügig zu räumen und die Liegenschaft dem Ministerium für Inneres und Kommunales zum Zwecke der Vollstreckung der Abschiebehaft zur Verfügung zu stellen. Minister Thomas Kutschaty (SPD) teilte dem Ausschuss mit, dass sich das Justizministerium und das Ministerium für Inneres und Kommunales hierüber geeinigt hätten.

    Sichere Rechtsgrundlage

    Mit Blick auf diese Übereinkunft betonten die Fraktionen, dass sie es für wichtig erachteten, dass auch für den Vollzug der Abschiebehaft eine sichere Rechtsgrundlage bestehe. Um hier eine schnelle Lösung zu erreichen, beschlossen sie, diese Frage im Zusammenhang mit der Debatte über das geplante neue Strafvollzugsgesetz zu erörtern. Die CDU erklärte, auch ihren Gesetzentwurf zum Strafvollzug so lange zurückzustellen.
    Dagmar Hanses (GRÜNE) betonte, dass der Vollzug von Abschiebehaft etwas gänzlich anderes sei als Strafhaft. Für diese habe man jetzt aus ihrer Sicht einen guten Gesetzentwurf seitens der Landesregierung, der aber nicht 1:1 auf die spezielle Situation der Abschiebehaft übertragen werden könne.
    Sven Wolf (SPD) hob hervor, dass er die Ausführungen des Ministers nachvollziehen könne. Er halte insbesondere den Standort Büren für geeignet. Um größtmögliche Rechtssicherheit zu schaffen, könne man den guten Gesetzentwurf der Landesregierung jetzt nicht einfach beschließen.
    Dirk Wedel (FDP) hatte einige Fragen zu dem beabsichtigten Vorgehen. Beim Entwurf des Strafvollzugsgesetzes gehe es um Strafhaft. Auch hier warte die Praxis auf einen Beschluss des Gesetzes. Seines Erachtens sei die Neuregelung der Abschiebehaft keine Angelegenheit der Justiz mehr. Er sei gespannt, was die regierungstragenden Fraktionen nunmehr vorlegen werden.
    Das Thema und beide Gesetzentwürfe sollen in der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses am 10. Dezember 2014 erneut beraten werden. Wenn möglich wird eine Beschlussfassung im Plenum noch in diesem Jahr anvisiert.

    Zusatzinformation:
    Föderalismusreform
    Das Recht, Gesetze zu erlassen, haben in der Bundesrepublik Deutschland der Bund und alle 16 Länder. Immer mehr vom Bund verabschiedete Gesetze sind von der Zustimmung der Länder abhängig. Dies führt zu teils langwierigen Entscheidungsprozessen. Daher wurden in zwei Föderalismusreformen (in den Jahren 2006 und 2009) Gesetzgebungskompetenzen klarer verteilt und auch die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu geregelt.

    Systematik: 3330 Justizvollzug; 5070 Ausländer/Vertriebene/Aus- und Übersiedler

    ID: LI141013

  • "Mehr Daheim als Heim".
    Längeres Leben zu Hause durch wohnortnahe Gesundheitsversorgung.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 8-9 in Ausgabe 9 - 05.11.2014

    1. Oktober 2014 - Angesichts der höheren Lebenserwartung wolle man mehr selbstbestimmte und aktivere Lebensjahre. Dieser Zielsetzung von Gesundheitsministerin Steffens schlossen sich alle Landtagsfraktionen an. Daher fand der Ansatz des "GEPA NRW", die notwendigen wohnortnahen Betreuungs- und Pflegeangebote deutlich auszubauen, allgemeine Zustimmung. Denn die Zahl der pflegebedürftigen Menschen werde, auch angesichts des demografischen Wandels, deutlich ansteigen.
    Die Sicherung von Würde und Selbstbestimmung auch bei Pflege- und Unterstützungsbedarf sei Leitlinie des Gesetzentwurfs, erläuterte Günter Garbrecht (SPD). Um es Menschen zu ermöglichen, in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben, müssten Pflege- und Betreuungsstrukturen quartiersnah ausgerichtet werden. Mehr Daheim als Heim, mehr ambulant als stationär - das sei die Grundausrichtung der zukünftigen Strukturen, so Garbrecht. Dazu gehöre auch, die pflegenden Angehörigen mehr als bisher als integralen Bestandteil der Pflegeinfrastruktur in NRW zu verstehen. Ebenso seien alle Versorgungsbereiche notwendig: die ambulanten, die stationären und die teilstationären.
    Was jetzt verabschiedet werden solle, sei gut, bekräftigte auch Peter Preuß (CDU). Der vorliegende Gesetzentwurf berücksichtige in angemessener Weise die Interessen aller, die in der Altenpflege tätig seien und Verantwortung trügen, sowie auch die Interessen der Pflegebedürftigen selbst. Preuß begrüßte den gemeinsamen Änderungsantrag aller Fraktionen vor allem hinsichtlich der finanziellen Rahmenbedingungen. Gleichzeitig unterstützte er den Ansatz, alternative Wohnformen, betreutes Wohnen, Hausgemeinschaften und ambulante Pflege zu fördern. Pflege werde zu einem großen Teil in der Familie geleistet, sei aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
    Die Zahl der älteren sowie auch der pflegebedürftigen Menschen werde zunehmen, so Arif Ünal (GRÜNE). Zunehmen werde auch die Zahl derjenigen, die keine Familienangehörigen hätten. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, wie auch pflegebedürftige Menschen im Alter in ihren Wohnungen und Quartieren bleiben könnten. Es sei notwendig, bei Bedarf die gesundheitliche und pflegerische Versorgung im unmittelbaren Wohnumfeld zu gewährleisten. Zu den Angeboten zählten das Wohnen mit Versorgungssicherheit in der eigenen Wohnung, Pflege- und Wohngruppen oder Haus- und Wohngemeinschaften, die auch rund um die Uhr Pflege und Unterstützung anböten.

    Entscheidungsfreiheit

    Die Menschen müssten die Chance haben, in Würde zu altern. Dies sei der FDP-Landtagsfraktion besonders wichtig, erklärte Susanne Schneider: "Liberal heißt hier, die Freiheit zu haben, sich für eine Pflegeform zu entscheiden." Notwendig seien die ideale Pflege und der optimale Pflegeort, und zwar für jeden individuellen Fall. Dies schließe auch den Wunsch vieler Menschen ein, so lange wie möglich in der eigenen Wohnung zu bleiben. Das vorliegende Gesetz bedeute eine Verbesserung der Betreuung und der Angebote: in Heimen, in Wohngemeinschaften und zu Hause. Ein Beispiel sei die notwendige Entlastung pflegender Familienangehöriger durch eine Kurzzeitpflege.
    Durch das angestrebte Gesetz werde es möglich sein, die 70 Prozent der Pflegebedürftigen besser zu unterstützen, die heute im häuslichen Umfeld gepflegt würden und denkbar schlechte Versorgungsstrukturen hätten, meinte Olaf Wegner (PIRATEN). Dies betreffe auch Menschen, die aufgrund ihrer Hilfsbedürftigkeit zu Hause einsam verwahrlosten. So profitierten vor allem Menschen mit Gehbehinderung und Menschen ohne versorgende Familien von altersgerechten Mehrgenerationenhäusern und Quartiersentwicklungen. Das angestrebte Gesetz wecke allerdings die unrealistische Hoffnung, dass der Bedarf an stationären Pflegeeinrichtungen zurückgehe, kritisierte Wegner.
    Den Gesetzentwurf hätten Landesregierung, Landtag, Verbände und Initiativen gemeinsam erarbeitet, hob Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, hervor. Er sei daher ein "Meilenstein für die Pflegepolitik in Nordrhein-Westfalen". Leider sei in den letzten zehn Jahren der Ausbau entsprechender quartiernaher Angebote nicht wirklich vorangekommen. Dies reiche von Einkaufsmöglichkeiten bis zur gesundheitlichen Versorgung. Auch brauchten viele pflegende Angehörige Unterstützung. Aufgrund einer verfehlten Steuerung hätten sich nicht wenige Kommunen aus der aktiven Pflegepolitik verabschiedet. Dieser Entwicklung steuere das aktuelle Gesetz entgegen.
    cw

    Zusatzinformation:
    Dem "Gesetz zur Entwicklung und Stärkung einer demographiefesten, teilhabeorientierten Infrastruktur und zur Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen, Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen" (GEPA, Drs. 16/3388) stimmten SPD, CDU, GRÜNE, FDP, ein Teil der Fraktion der PIRATEN und der fraktionslose Abgeordnete Stein zu.

    Systematik: 5060 Alte Menschen

    ID: LI140903

  • Garbrecht, Günter (SPD); Preuß, Peter (CDU); Ünal, Arif (Grüne); Schneider, Susanne (FDP); Wegner, Olaf (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum neuen Ansatz des Zusammenlebens.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 9 - 05.11.2014

    Menschen sollen künftig so lange wie möglich zu Hause leben können.

    Eine entsprechende Ausgestaltung des jeweiligen Wohnquartiers ...

    Günter Garbrecht (SPD) ... ist angesichts des demografischen Wandels und der damit verbundenen Steigerung der Pflegedürftigkeit unverzichtbar. Dies ist eine Aufgabe vieler Politikfelder: Stadtentwicklung-, Wohnungsbau- und Sozialpolitik müssen hier Hand in Hand arbeiten. Nur so kann Heimat im Quartier für alle Generationen gelingen.
    Peter Preuß (CDU) ... fordert die Kreativität der Familien, der Politik und unserer gesamten Gesellschaft. Wir können den demografischen Wandel nicht aufhalten und dürfen uns deshalb keine Denkverbote bei der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen auferlegen. Die Idee von Wohnquartieren wird niemals Familienstrukturen ersetzen können, aber vielleicht eine lebenswerte Alternative zu Heimunterbringungen darstellen.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... ist deshalb notwendig, denn die meisten Menschen wollen ihr Leben bis ins hohe Alter in der vertrauten Umgebung verbringen. Dazu brauchen wir Quartierskonzepte, die ein Wohnen im Alter und die gesellschaftliche Teilhabe quartiersnah ermöglichen. Dabei gilt es auch, durch eine Stärkung der Infrastruktur die gesundheitliche und pflegerische Versorgung im Bedarfsfall im unmittelbaren Wohnumfeld zu gewährleisten.
    Susanne Schneider (FDP) ... ist eine ambitionierte Aufgabe. Wohnen und ambulante Pflegedienstleistungen in unmittelbarer Nachbarschaft sind erstrebenswert. Daher klingt das Wort "Pflege-WG" erst mal verlockend. Ein 90-jähriger Patient mit einem schweren Schlaganfall profitiert hiervon jedoch sicher nicht. Man muss daher genau hinschauen, für wen es geeignet ist.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... muss in erster Linie auf Menschen bauen, die aufgrund einer fundierten Berufsausbildung in der Lage sind, pflegebedürftigen und häufig orientierungsschwachen Menschen die Unterstützung geben zu können, die sie für einen würdigen Alltag benötigen. Allein die baulichen Voraussetzungen zu verbessern, ist nicht ausreichend.

    Die Rolle der Familie in der Pflege ...

    Günter Garbrecht (SPD) ... ist groß und für deren Erhalt müssen wir uns einsetzen. Pflegende Angehörige zu unterstützen, ist eine vorrangige Aufgabe. Das beschlossene Familienpflegezeitgesetz ist dabei eine wichtige Hilfe, denn die Familie ist das größte Pflegeunternehmen Deutschlands. Besonders wichtig sind ausreichende Angebote der Tages-und Nachtpflege sowie der Kurzzeitpflege.
    Peter Preuß (CDU) ... muss sich den veränderten Gesellschaftsstrukturen anpassen. Männer und Frauen werden gleichermaßen als Arbeitskräfte gebraucht und können Pflegeleistungen nur noch partiell wahrnehmen. Trotzdem sollte die Familie die Stütze und der Halt für pflegebedürftige Menschen bleiben und in dieser Rolle größtmögliche Unterstützung aus der Politik und der Gesellschaft bekommen.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... hat nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung abgenommen. Auch deshalb setzen wir uns für den Aus¬bau ambulanter Wohn- und Pflegeangebote im Quartier ein. Unterschiedliche Lebensstile, kulturelle Vielfalt und unterschiedliche sexuelle Orientierungen der Menschen erfordern differenzierte Wohn-, Pflege- und Unterstützungsarrangements sowie neue Solidar- und Hilfsformen.
    Susanne Schneider (FDP) ... ist durch nichts zu ersetzen. Familien sind bei einem Pflegefall besonders starken Belastungen ausgesetzt. Viele pflegende Angehörige sind körperlich und seelisch überlastet. Pflegebedürftige und ihre Angehörigen brauchen mehr gezielte Beratung - möglichst bei sich zu Hause -, fachliche Informationen, auch was die finanziellen und rechtlichen Belange betrifft.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... darf bei den neuen Konzepten zur Verwirklichung von seniorengerechten Wohnquartieren auf keinen Fall im Vordergrund stehen. Die Familie ist schon heute überbelastet und kann eine Dauerversorgung bei Pflegebedürftigkeit oft nicht gewährleisten. Die Entlastung der Familie muss ein wesentlicher Bestandteil der neuen Konzepte sein.

    Für die Kommunen bedeutet der lokal ausgerichtete Ansatz ...

    Günter Garbrecht (SPD) ... eine große Chance der Gestaltung der pflegerischen Versorgungslandschaft. Eigene Häuslichkeit kann durch gezieltes Handeln vor Ort bewahrt werden. Mehr Daheim statt Heim wird nur umgesetzt, wenn Kommunalpolitik, Pflegekassen, Träger und Wohnungsunternehmen an einem Strang ziehen. Scheinbar leichter ist das Errichten von stationären Einrichtungen. Sie sind aber teurer und nicht gewollt von den Menschen.
    Peter Preuß (CDU) ... die Möglichkeit von Planungen angepasst an die örtlichen Strukturen und Bedürfnisse. Diese können im ländlichen und städtischen Bereich sehr unterschiedlich sein. Berücksichtigt werden können auch die effektiven Bedarfe, die in den einzelnen Regionen bestehen.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... auch einen Paradigmenwechsel weg von traditionellen Großeinrichtungen hin zu ambulanten Wohn- und Pflegearrangements in den Quartieren, die eine Versorgungssicherheit bieten. Zudem ist für einen Verbleib im Quartier auch die Sicherung der Nahversorgung von großer Bedeutung. Wichtig sind hier Geschäfte, Dienstleistungen für den alltäglichen und haushaltsnahen Bedarf, die Gesundheitsversorgung und soziale Angebote.
    Susanne Schneider (FDP) ... eine große Herausforderung, denn die Pflege muss an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet werden. Das ist schwierig, weil der Anteil der Menschen mit Pflegebedarf in den Kommunen sowie deren Bedürfnisse nicht zwangsläufig bekannt sind. Damit die Planung funktioniert, sind daher detaillierte Informationen notwendig. Zudem müssen die Menschen in den Städten und Gemeinden bei den Planungen mitgenommen werden.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... zum einen Freiheit und individuelle Planungsmöglichkeiten, aber zum anderen auch eine große Verantwortung. Dieser gerecht zu werden, wird für die Kommunen mit immensen finanziellen Belastungen verbunden sein. Die Kommunen werden diese Aufgabe nicht meistern können, wenn sie vom Land NRW im Stich gelassen werden.

    Das ergänzende Angebot an stationären Pflegeeinrichtungen ...

    Günter Garbrecht (SPD) ... wird immer notwendig sein. Wir brauchen alle Segmente der pflegerischen Versorgung. Auch die stationären Einrichtungen werden sich wandeln müssen, sie müssen sich ins Quartier öffnen. Der sozialpolitische Grundsatz heißt "ambulant vor stationär". Diesem tragen wir Rechnung, wandeln ihn aber nicht in "ambulant statt stationär" ab. Die individuellen Bedürfnisse der Menschen sollten das Maß der Dinge sein.
    Peter Preuß (CDU) ... muss an die Bedarfslagen der Städte und Kommunen angepasst werden. Zudem müssen der Erhalt der bestehenden Platzkapazitäten gesichert und die Qualität der stationären Pflegeplätze gewährleistet sein. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, bei Pflegebedürftigkeit sowohl stationär als auch ambulant versorgt zu sein.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... wird sich verändern. Viele Heime müssen zeitgemäß modernisiert und zum Quartier hin geöffnet werden. Ihr Angebot kann in Kooperation mit den anderen Akteuren vor Ort eine Stärkung der Quartiere bewirken. Es ist so zeitgemäß wie notwendig, wenn sich die Großeinrichtungen schrittweise umgestalten hin zu überschaubaren Hausgemeinschaften, die den Bewohnerinnen und Bewohnern ein selbstbestimmtes Wohnen ermöglichen.
    Susanne Schneider (FDP) ... ist nicht zielführend. Stationäre Einrichtungen müssen ein gleichberechtigter Partner bleiben. Liberal heißt hier, die Freiheit zu haben, sich für eine Pflegeform zu entscheiden. Ob zu Hause, in Pflege-WGs oder im Pflegeheim - für jeden individuellen Fall die ideale Pflege und der optimale Pflegeort, das muss unser Anspruch sein.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... muss weiter ausgebaut werden, da immer mehr Menschen intensiv gepflegt werden müssen. Auch zukünftig wird es nicht möglich sein, viele schwerstpflegebedürftige Menschen in einem häuslichen Umfeld ihren Bedürfnissen entsprechend zu pflegen und zu versorgen, da dazu oft eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch eine Fachkraft notwendig ist.

    ID: LI140914

  • Börschel, Martin (SPD); Optendrenk, Marcus (CDU); Mostofizadeh, Mehrdad (Grüne); Witzel, Ralf (FDP); Schulz, Dietmar (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Haushalt 2015.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 8 - 01.10.2014

    Der Haushalt 2015 bedeutet für die finanzielle Konsolidierung ...

    Martin Böschel (SPD) ... einen weiteren Schritt Richtung Schuldenbremse 2020. Durch die zusätzlichen Ausgaben für die Beamtenbesoldung kann die Konsolidierung nicht so schnell erfolgen, wie ursprünglich geplant. Die Mehrausgaben werden jedoch rasch kompensiert.
    Marcus Optendrenk (CDU) ... die Offenbarung der letzten vier verlorenen Jahre in der Haushaltspolitik: ein jährlicher Schuldensockel von 3 Milliarden Euro. Die Gesamtverschuldung steigt damit auf 140 Milliarden Euro. Rot-Grün überschätzt die Steuereinnahmen in ihrer Finanzplanung und hat kein Konzept, um den Landeshaushalt endlich in den Griff zu bekommen. Von der Einhaltung der Schuldenbremse ist Rot-Grün meilenweit entfernt.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... einen weiteren Schritt zum Ziel. Obwohl wir im Ländervergleich sehr effizient sind, muss der Kurs durch konkrete Projekte ergänzt werden, wie z.B. durch Strukturreformen bei der Polizei, dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb oder der Zusammenlegung von Institutionen wie bei den Oberfinanzdirektionen. Nicht hilfreich sind immer neue Ausgabewünsche der Opposition, gepaart mit dem Vorwurf, die Regierung würde nicht sparen.
    Ralf Witzel (FDP) ... nichts Gutes: Anders als in anderen Ländern wächst der Schuldenberg in NRW weiter auf gigantische 143 Milliarden Euro an. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist daher auch nach Berechnungen des Finanzministers selbst für den spätestmöglichen Termin 2020 in Gefahr. Wer nach Jahren ökonomischer Bestbedingungen und immer neuer Einnahmerekorde bei Steuern so erfolglos ist, wird bei der Sanierung scheitern.
    Dietmar Schulz (Piraten) ... keinen wirklichen Fortschritt. Er ist ziellos, planlos und kraftlos. Weder verbessert sich die Lage im Land, noch kann der Finanzminister einen vernünftigen Weg aufzeigen, wie er mit der Situation in NRW umgehen will. Wir brauchen mehr Investitionen in Bildung, Schuldenbremse hin oder her. Sonst verlieren wir den Anschluss. Schüler und Studenten sind die Zukunft dieses Landes und Förderziel Nr. 1.

    Schuldenbremse und weitere Investitionen zum Beispiel in die Infrastruktur sind aus meiner Sicht ...

    Martin Börschel (SPD) ... kein Widerspruch! Nur wenn wir es schaffen, die Ausgaben des Landes soweit wie möglich von konsumtiven in investive Maßnahmen umzuschichten, können wir höhere Reparaturkosten beispielsweise im sozialen Bereich und bei der Infrastruktur dauerhaft reduzieren. Gleichzeitig müssen wir die Erträge zur Einhaltung der Schuldenbremse erwirtschaften und NRW so zukunftsfähig gestalten.
    Marcus Optendrenk (CDU) ... zwei Seiten einer Medaille. Die Schuldenbremse ist kein Selbstzweck, sie konkretisiert das Prinzip der finanziellen Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit. Wir sollten unseren Kindern Zukunftschancen mit auf den Weg geben, keinen immer schwereren Schuldenrucksack. Nur über eine Konsolidierung des Landeshaushalts wird es möglich, dauerhaft finanzielle Spielräume für Investitionen zu eröffnen.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne)... zwei Seiten einer Medaille. Sie lassen sich nur durch einen Konsolidierungskurs mit klaren Prioritäten verwirklichen. NRW investiert zusätzlich z.B. in Betreuung und Bildung. Der Erhalt statt des ziellosen Ausbaus der öffentlichen Infrastruktur muss im Vordergrund stehen und bedarf endlich einer sachgerechten Finanzbeteiligung des Bundes.
    Ralf Witzel (FDP)... kein Widerspruch. Die Abfolge muss stimmen: Je eher sich die öffentliche Hand aus der Abhängigkeit von den Finanzmärkten befreit, umso früher werden auch wieder Zukunftsinvestitionen möglich. Auch deshalb ist die derzeitige Mangelverwaltung mit pauschalen Haushaltssperren so bedenklich und konzeptlos. Rot-Grün steckt bis zum Hals im Schuldensumpf fest und kann daher nichts positiv gestalten.
    Dietmar Schulz (Piraten) ... kein Widerspruch. Die Schuldenbremse muss in volkswirtschaftlicher, fiskalischer und gesamtgesellschaftlicher Hinsicht neu betrachtet werden. Investitionen in Bildung und Infrastruktur sind dringend notwendig und überfällig! Wir müssen vermehrt auf schienengebundenen Verkehr setzen. Diesen gilt es zu stärken und fokussiert auszubauen. Dazu haben wir eine Enquete ins Leben gerufen.

    Zur finanziellen Stabilisierung benötigen die Kommunen ...

    Martin Börschel (SPD) ... vor allem dauerhafte Entlastungen bei Sozialkosten und Altschulden. Die bisherigen Hilfen, beispielsweise durch den Stärkungspakt oder die zu erwartenden bei den Eingliederungshilfen, sind notwendig, um die besonders belasteten Kommunen überhaupt in die Lage zu versetzen, durch eigene Einsparungen auch einen nachhaltigen Konsolidierungserfolg zu erzielen.
    Marcus Optendrenk (CDU) ... eine verlässliche und ihren Aufgaben entsprechende Finanzausstattung. Mit der Übernahme der Grundsicherung und der Entlastung bei der Eingliederungshilfe leistet der Bund einen wichtigen Beitrag. Zudem benötigen die Kommunen ein nachhaltiges Hilfsprogramm, das das flächendeckende Problem der kommunalen Verschuldung angeht. 61 ausgewählten Kommunen eine völlig unzureichende Hilfe zu gewähren, hilft nicht weiter.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... die Unterstützung, die sie durch Rot-Grün erhalten. Der Stärkungspakt Stadtfinanzen, die deutliche Aufstockung des GFG, die Rückzahlungen bei den Einheitslasten oder die stärkere Beteiligung am U3-Ausbau sind wichtige Schritte zur Gesundung der kommunalen Haushalte. Dies ist eine klare Abkehr vom schwarz-gelben Kurs, der nichts anderes als ein Fiasko für die kommunale Selbstverwaltung war.
    Ralf witzel (FDP) ... vier Dinge: das eigene Verantwortungsbewusstsein für Einsparungen, die volle Konnexität aller Beauftragungen durch das Land, einen radikalen Abbau sinnloser Bürokratie und Überstandards sowie ein wirksames Einschreiten der Kommunalaufsicht, wenn einzelne Kommunen sündigen wie bei der Steag-Verstaatlichung. Vergabegesetz, Inklusion und Abundanzumlage sind ein rot-grüner Anschlag auf solide Kommunalfinanzen.
    Dietmar Schulz (Piraten) ... eine genaue Analyse, warum die NRW-Kommunen im bundesweiten Vergleich immer weiter zurückfallen. Die Frage des menschenwürdigen Umgangs mit Flüchtlingen, die marode Verkehrsinfrastruktur und die solide Finanzausstattung von Schulen sind die wichtigsten Dinge, die wir angehen müssen. Die gilt es vernünftig zu finanzieren. Bund, Land und der Länderfinanzausgleich/Soli sind da gleichermaßen gefragt.

    Die Einnahmen von Bund und Ländern sollten zukünftig ...

    Martin Börschel (SPD) ... so erhoben und verteilt werden, dass sie jeweils dem tatsächlichen Bedarf von Bund, Ländern und Kommunen entsprechen und gleiche Lebensverhältnisse ermöglichen. Bei einer reinen Verteilung nach Himmelsrichtung oder Steueraufkommen sind Über- oder Unterfinanzierungen unvermeidlich und "goldene Wasserhähne" auf der einen und kaputte Infrastrukturen auf der anderen Seite die Folge.
    Marcus Optendrenk (CDU) ... wieder als das angesehen werden, was sie sind: das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, mit dem sparsam umzugehen ist. Bei der Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern muss die Balance zwischen Eigenstaatlichkeit der Länder und bundesstaatlicher Solidargemeinschaft auch in Zukunft gewahrt bleiben. Die Länder sollten sich nicht als Bittsteller gegenüber dem Bund darstellen.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... fairer verteilt werden. Nicht länger die Himmelsrichtung, sondern Bedürftigkeit muss Maßgabe für die Verteilung von Geldern in einem solidarischen Länderfinanzausgleich werden. Die frei werdenden Solidarpaktmittel sollten in diesem Zusammenhang zur Tilgung von Altschulden verwendet werden.
    Ralf Witzel (FDP) ... die Ausgaben decken. Wir müssen die Neuverschuldung stoppen und mit dem Schuldenabbau beginnen. Dabei gibt es kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem durch immer mehr Umverteilung und vermeintliche Wohltaten auf Pump. Diese Mentalität muss beendet werden. Das setzt ernsthafte Strukturreformen voraus, die sich dauerhaft positiv auswirken. Eine Aufweichung der Schuldenbremse aber wäre Gift.
    Dietmar Schulz ... anders aufgeteilt werden. Dabei kann es aber zu weiteren Aufgabenübernahmen im Bund kommen. Wir müssen vor allem im Bildungssektor ernsthaft über die Abschaffung des Kooperationsverbotes nachdenken. Weder der Bund noch das Land NRW kann sich hier leisten, die Weichenstellung NICHT auf Zukunft zu stellen.

    ID: LI140809

  • Das Wasser schützen ....
    ... auch vor Fracking in den Niederlanden - Breiter Konsens im Landtag.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    4. Juni 2014 - Fracking bedeutet "Aufbrechen". Mit dieser Methode will man im Untergrund Risse erzeugen, um leichter an das dort lagernde Gas zu gelangen. Welche Chemikalien dazu genau eingesetzt werden, ist öffentlich nicht bekannt. Befürchtet wird jedoch, dass diese auch ins Grundwasser gelangen könnten. Dies vor Augen, lehnen alle im Landtag alle Fraktionen beim bisherigen Stand der Technik das Fracking ab. Nicht nur in NRW, sondern grundsätzlich. Auch mit Blick auf geplante Vorhaben in den Niederlanden. Ein entsprechender Antrag wurde von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP unterstützt. Den PIRATEN ging er nicht weit genug.
    "Trinkwasser ist und bleibt unser Lebensmittel Nummer eins", betonte Reiner Schmeltzer (SPD). Daher trete man im Landtag einheitlich für dessen Schutz ein und lehne das Fracking ab. Denn die derzeitigen Methoden könnten zu vergiftetem Grundwasser führen. "Deswegen gibt es hier auch keine Genehmigungen", so der Abgeordnete. Grundwasser mache an Ländergrenzen nicht halt. Daher fordere der vorliegende Antrag die Landesregierung auf, zum Schutz des Grund- und Trinkwassers den direkten Austausch mit der niederländischen Regierung zu suchen. Jedenfalls müsse man jede erdenkliche Möglichkeit nutzen, die dort geplanten Vorhaben zum Fracking zu verhindern.
    Man habe in Nordrhein-Westfalen ein gemeinsames Interesse, dass die Niederländer ihre Pläne mit Rücksicht auf die Nachbarschaft noch einmal ernsthaft durchdächten, schloss sich Josef Hovenjürgen (CDU) seinem Vorredner an. Bewohnerinnen und Bewohner der Grenzregion sollten auch von NRW aus alle Einspruchsmöglichkeiten, ggf. auch per Internet, nutzen. Chemie, insbesondere wassergefährdende Chemie, habe im Boden nichts verloren. Diese Position müsse man auch gegenüber Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel deutlich machen, appellierte Hovenjürgen an die SPD. Gegen nordrhein-westfälische Interessen dürften in Berlin keine Entscheidungen gefällt werden.
    Als beunruhigend bewertete Wibke Brems (GRÜNE) die Überlegungen der niederländischen Regierung, die für das Wasser "hochriskante" Fracking-Methode anzuwenden. Da niemand sagen könne, welche Wege das Wasser unterirdisch wirklich zurücklege, reiche es nicht, ein Verbot nur in Wasserschutzgebieten auszusprechen, wie es die Pläne auf Bundesebene vorsähen. "Die Bundesregierung muss gesetzlich festschreiben, dass Fracking nicht verantwortbar ist", verwies Brems auf den vorliegenden Antrag. Nordrhein-Westfalen müsse bei der Umweltprüfung eine Stellungnahme abgeben und sich, auch gegenüber den niederländischen Nachbarn, gegen den Einsatz von Fracking wenden.
    "Wir sind nicht bereit - unter gar keinen Umständen -, ein Risiko für unser Trinkwasser durch giftige Chemikalien einzugehen", sprach sich auch Ralph Bombis (FDP) für ein starkes Zeichen des Landtags aus. Man müsse das eindeutige Signal senden, dass Gesundheitsgefährdung nicht toleriert werde. Was die Gespräche mit den Niederlanden angehe, sei er zuversichtlich, so Bombis. Außerdem würden angesichts der dortigen Kriterien für die Umweltverträglichkeitsprüfung die Belange der Umwelt in ausreichender Weise berücksichtigt. Notwendig seien aber auch eine umfassende Aufklärung der Menschen und die Schaffung einer ausreichenden Datenbasis über das Fracking.

    Aufsuchungserlaubnisse

    "Heuchlerisch" und "unzureichend" sei der Eilantrag der vier anderen Landtagsfraktionen, befand dagegen Hanns-Jörg Rohwedder (PIRATEN). So werde darin nur über das Fracking mit giftigen, nicht aber mit angeblich wasserunkritischen Chemikalien gesprochen. Außerdem werde auch in Niedersachsen unter rot-grüner Regierung "munter drauflos gefrackt". Und schließlich würden in NRW die unter der damaligen CDU/FDP-Regierung insgeheim ausgegebenen Aufsuchungserlaubnisse stiekum verlängert. Es sei notwendig, Stellungnahmen in Richtung der Niederlande abzugeben. Diese sollten sich aber vor allem an Vorlagen von Umweltschutzverbänden orientieren, so Rohwedder.
    "Das, was Sie als Trennendes gerade in den Raum geworfen haben, ist Fiktion", widersprach Umweltminister Johannes Remmel (GRÜNE) seinem Vorredner: "Da trennt uns nichts." Der vorliegende Antrag sei jedenfalls ein starkes Signal von vier Fraktionen, dass die Landesregierung die Position Nordrhein-Westfalens zum Ausdruck bringen müsse. Wasser und Böden hätten ein langes Gedächtnis. Gerade am Niederrhein habe man einen Wasserschatz. In Europa gebe es kein vergleichbares Reservoir. Von daher müsse man - auch vom Bund - beim Fracking eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die Klärung offener Fragen sowie das Verbot des Einsatzes giftiger Chemikalien einfordern.
    cw

    Systematik: 2300 Technologie; 6100 Umwelt

    ID: LI140705

  • Mehr Erneuerbare, mehr Wettbewerb, mehr Arbeitsplätze?
    Landtag diskutiert über bundesweite EEG-Reform.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 11 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    4. Juli 2014 - Nordrhein-Westfalen ist das Energieland Nummer eins in Deutschland. Werden die Rahmenbedingungen der Energieerzeugung geändert, ist das Bundesland daher in besonderem Maße betroffen. Vor diesem Hintergrund diskutierte der Landtag in einer von der FDP beantragten Aktuellen Stunde (Drs. 16/6191) über die vor einer Woche im Bundestag beschlossene Reform des Erneuerbare-Energien Gesetzes (EEG). FDP, GRÜNE und PIRATEN kritisierten diese aus unterschiedlichen Perspektiven; CDU und SPD, die im Bund gemeinsam regieren, verteidigten das neue Gesetz. Ein zentraler Punkt: Wer muss wieviel an EEG-Umlage zahlen?
    Die Korrektur des EEG sei überfällig gewesen, meinte Dietmar Brockes (FDP). Bereits seit Jahren von der FDP angemahnt, habe sich diese Erkenntnis bei den anderen Parteien erst im vergangenen Bundestagswahlkampf durchgesetzt. Zu kritisieren sei allerdings, dass es beim "Subventionsmonster" geblieben sei, bei dem 24 Milliarden Euro von unten nach oben verteilt würden. Mittlerweile seien 52 Prozent des Strompreises durch den Staat zu verantworten. Dabei blicke die Wirtschaft insbesondere aufgrund der neuen Regelungen zum Eigenstrom "in den Abgrund", so Brockes. Die Landesregierung schaue trotz anderslautender Erklärungen und Beschlüsse der drohenden Deindustrialisierung tatenlos zu.
    Die FDP sei doch in den Jahren 2009 bis 2013 Teil der Bundesregierung gewesen, erinnerte Rainer Schmeltzer (SPD). Und in dieser Zeit sei die EEG-Umlage von 1 auf 5 Cent gestiegen. Die jetzige Reform sei unter anderem deshalb notwendig geworden, da die EU-Kommission das EEG an seiner empfindlichsten Stelle, der Ausgleichsregelung für energieintensive Unternehmen, angegriffen habe. Aufgrund der besonderen Bedeutung für NRW freue er sich, dass hier nicht zuletzt durch den Einsatz der Landesregierung ein rechtssicherer Kompromiss gefunden wurde. Zudem habe man den Brüsseler Vorstoß abwehren können, die bestehenden Anlagen ab dem Jahr 2017 automatisch mit Neuanlagen gleichzusetzen.
    Die Energiewende sei ein Projekt für mehrere Generationen, betonte Thomas Kufen (CDU). Durch die aktuelle Reform habe man das Kostenbewusstsein gestärkt, die Unwucht als politisches Problem erkannt und das System auf mehr Wettbewerb ausgerichtet. Dabei sei für NRW erreicht worden, dass die besonderen Ausgleichsregelungen grundsätzlich beibehalten werden könnten. Offen geblieben sei die Frage, wie konventionelle Kraftwerke in Zukunft wirtschaftlich betrieben werden könnten. Gelöst werden müsse auch das Problem der Subventionsspirale sowie die noch offenen Regelungen zur Nutzung des Eigenstroms. Hier brauchten vor allem die Stahlund Chemieunternehmen in NRW Planungssicherheit.

    Investitionssicherheit

    Das Eiltempo, mit dem das Reformgesetz am Ende durch den Bundestag gebracht worden sei, war einer der Kritikpunkte von Wibke Brems (GRÜNE) in der Debatte. Vor allem aber wandte sie sich dagegen, dass sich die FDP-Forderung nach Investitionssicherheit ausschließlich auf die konventionelle Energiewirtschaft beziehe. Dem stünden 26.000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien gegenüber. Deren Deckelung sichere Kohlekraftwerke und helfe damit eben nicht dem Klima, beanstandete Brems die getroffene Neuregelung. Faktisch hebele diese den Einspeisevorrang für erneuerbare Energien aus, wenn aufgrund der nicht regelbaren Großkraftwerke ein Überangebot an Strom herrsche.
    Dieser Deckel bedeute das Risiko sinkender Renditen für Windenergie und erschwere damit deren Finanzierung, meinte auch Kai Schmalenbach (PIRATEN). Dies stelle insbesondere für kleine Unternehmen ein Problem dar. Nach seiner Ansicht hätten es kleine- und mittelgroße Stromanbieter zukünftig schwerer, an den Markt zu gehen. Insofern versuche die aktuelle Reform, die bestehenden Oligopole zu erhalten. Da aber die Arbeitsplätze in diesen Strukturen auf lange Sicht doch wegfallen würden, sei es sinnvoller, sich schon heute auf die Zukunftsbranchen der erneuerbaren Energien zu konzentrieren und den Ausstieg aus der konventionellen Energieversorgung konstruktiv zu begleiten.
    "Sie hätten etwas verändern können", erinnerte auch Umweltminister Johannes Remmel (GRÜNE) die FDP an deren Zeit in der Bundesregierung. Mit Blick auf die Ausgleichsregelung oder die bestehenden Anlagen sei sie bewusst untätig gewesen. Die rot-grüne Landesregierung habe dafür gesorgt, dass die jetzige Reform den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht ausbremse und dass gleichzeitig die Ausgleichsregelung für stromintensive Betriebe gesichert werde, betonte Remmel ebenso wie Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD). Beide erklärten, auch wenn man sich beim Eigenstrom anderes gewünscht habe, werde man die Gesamtreform nicht daran scheitern lassen und damit Arbeitsplätze gefährden.
    cw

    Systematik: 2100 Energie

    ID: LI140712

  • Solardächer, vereinigt Euch!
    Landtag will virtuelles Kraftwerk für NRW.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    5. Juni 2014 - Wenn Energie auf Dauer sauberer werden soll, sind künftig Sonne, Wind und Co. mehr gefragt als Kohle. Weil aber Sonne und Wind nicht so zuverlässig und regelmäßig Energie liefern wie konventionelle Kraftwerke, sind letztere als Lieferant für eine konstante Versorgung bisher unverzichtbar. Zu dieser sogenannten Grundlast kommen erneuerbare Energien hinzu. Sie stammen von einzelnen, dezentralen Stromlieferanten, aus Kraftwerken, vom Dach der Nachbarin oder der Biogasanlage des Bauern. Wenn es gelänge, all diese Stromlieferungen zusammenzuschalten, könnten sie als Ganzes eine gesicherte Energiemenge zur Verfügung stellen. Dieser Gedanke verbirgt sich hinter dem Stichwort "Virtuelles Kraftwerk", das mithilfe von Computertechnik zentral gesteuert werden und so langfristig konventionelle Großkraftwerke ersetzen könnte. SPD und GRÜNE wollen ein solches virtuelles Kraftwerk (Antrag), das die Große Koalition in Berlin als Pilotvorhaben prinzipiell anstrebt, nach NRW holen. Alle anderen Fraktionen unterstützen das Vorhaben.
    Nordrhein-Westfalen müsse sich als Energieland Nummer eins nicht nur besonders engagieren, warb Rainer Schmeltzer (SPD) für den Antrag, sondern könnte auch von dem Vorhaben profitieren: "Ein virtuelles Kraftwerk, das die unterschiedlichen vorhandenen Energieträger nutzt, zusätzliche Wertschöpfung ermöglicht, zum Beispiel im Bereich der Informationstechnologie oder bei Investitionen in Verteilnetze, sowie Strom- und Wärmeerzeugung verbindet, wäre von besonderer Bedeutung für die energie- und industriepolitische Innovationskraft Nordrhein-Westfalens."
    Auch Wibke Brems (GRÜNE) sah für das Projekt gute Voraussetzungen in NRW, wo Industrie wie auch Menschen in den Ballungszentren entsprechend viel Strom verbrauchten: "Ich bin davon überzeugt, mit diesem Pilotprojekt können wir praktisch und zusammen mit der Industrie und mit allen, die in Nordrhein-Westfalen innovativ unterwegs sind, zeigen, dass wir das, was wir eigentlich schon lange wissen, auch wirklich hinbekommen und dass das auch wirklich klappt mit einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energien und gleichzeitig mit Versorgungssicherheit."
    "Ein wärmendes Feuer aus Berlin für die Energiepolitik in Nordrhein-Westfalen!", freute sich Thomas Kufen (CDU). Es gehe darum, gemeinsam mehr zu erreichen, erklärte er das Prinzip des virtuellen Kraftwerks. So könnten dann auch die erneuerbaren Energien Systemverantwortung mit übernehmen. Hürden sah Kufen noch in der aufwändigen Informations- und Datenverarbeitung. Das betreffe auch Sicherheitsfragen wie Cyberkriminalität. Insgesamt vermisste der Abgeordnete im Zusammenhang mit der Energiewende entsprechende forschungspolitische Weichenstellungen in Nordrhein-Westfalen.
    Die Idee sei nicht neu, meinte Dietmar Brockes (FDP). Im Bundeswirtschaftsministerium sei das Anliegen bereits seit Jahren unterstützt und vorangebracht worden. "Wohin würde dieses Pilotprojekt der Bundesregierung besser hinpassen als nach Nordrhein-Westfalen, dem Energieland Nummer eins?", fragte der Abgeordnete. An die Zustimmung seiner Fraktion, das Projekt nach NRW zu holen, knüpfte Brockes aber auch die Erwartungen an die Landesregierung, "bitte nicht so dilettantisch vorzugehen" wie bei der "Schlappe beim Landeswettbewerb Elektromobilität".

    Grundstein für zentrale Energiewende

    "Ohne jeden Zweifel ist das Anliegen des Antrags richtig, wichtig und unterstützenswert", betonte Kai Schmalenbach (PIRATEN). Darin liege der Grundstein für eine zentrale Energiewende. Es sei aber auch zu klären, welche Daten erfasst würden, denn bei einem virtuellen Kraftwerk sei es notwendig, zu jeder Zeit zu wissen, welcher Verbrauch im Netz vorherrsche und welche Reserven das Kraftwerk noch habe. Virtuelle Kraftwerke bräuchten vermutlich kaum große Stromautobahnen, denn die Leistung käme aus der Nachbarschaft, warnte Schmalenbach vor falschen Investitionen.
    Klimaschutzminister Johannes Remmel (GRÜNE) freute sich über die breite parlamentarische Unterstützung als Rückenwind für Verhandlungen mit dem Bund. Als gute Voraussetzungen nannte er die in Europa einzigartig dichte Forschungs- und Entwicklungslandschaft. Politik, Wissenschaft und Energiewirtschaft arbeiteten nun an einem "gescheiten und ordentlichen Vorschlag" für ein virtuelles Kraftwerk, das bisher zwar am Computer simuliert, aber in der Praxis noch nicht realisiert worden sei - "eine gewaltige Aufgabe", meinte Remmel, "aber eine richtige."
    sow

    Zusatzinformation:
    Der Landtag hat den Antrag (Drs. 16/5967) einstimmig angenommen.

    Systematik: 2100 Energie

    ID: LI140713

  • Wertvolle Speicher fürs Klima.
    Land soll beim Bau von Speicherkraftwerken haften.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 13 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    5. Juni 2014 - Abgesehen von der schlechten Klimabilanz haben Kohle- und Gaskraftwerke einen großen Vorteil: Sie können jederzeit Strom produzieren. Wer hingegen vermehrt auf erneuerbare Energien setzt, muss im Prinzip so lange warten, bis der Wind weht und die Sonne scheint - oder er baut Anlagen, die Energie für windstille und lichtarme Zeiten speichern. Zum Beispiel Pumpspeicherkraftwerke. Die Fraktionen von SPD und GRÜNEN fordern in einem Antrag mehr solcher Anlagen für NRW. Um Unternehmen die Angst vor Investitionen zu nehmen, müsse das Land - wie von der Regierung vorgesehen - die finanziellen Risiken gescheiterter Vorplanungen absichern.
    "Wir wollen, dass in Nordrhein-Westfalen Rahmenbedingungen bestehen, unter denen man in Pumpspeicherkraftwerke investieren kann und will", betonte Thomas Eiskirch (SPD). Doch so, wie sich der Strommarkt derzeit gestalte, scheuten sich viele Unternehmen, mögliche Standorte für viel Geld zu erkunden. Falls eine Voruntersuchung negativ ausfalle, werde das Land daher die Kosten maßgeblich übernehmen, erläuterte der Abgeordnete. Dies sei bundesweit einmalig. Bei allen weiteren Schritten liege das Risiko dann wieder bei den Konzernen. Zudem forderte Eiskirch den Bund auf, seinerseits Investitionssicherheit zu schaffen.
    Wibke Brems unterstrich für die GRÜNEN-Fraktion: "Wir brauchen Pumpspeicher neben Lastmanagement, neben einem Netzausbau und anderen Speichertechnologien als technische Ergänzung der erneuerbaren Energien." Am Rursee sei ein solches Projekt unter anderem mangels Unterstützung der CDU vor Ort gescheitert, kritisierte die Abgeordnete. Zukünftig komme es zum einen darauf an, dass die Unternehmen sicher planen könnten. Zum anderen müsse aber auch bei den Marktbedingungen etwas passieren, damit die Anlagen wieder rentabel laufen könnten. Brems forderte die Bundesregierung auf, an dieser Stelle endlich aktiv zu werden.
    Auch die SPD in Düren sei gegen das Rursee-Kraftwerk gewesen, betonte Hubertus Fehring (CDU). Es führten eben nicht alle Gespräche vor Ort zum Erfolg. "Umso mehr sollten wir endlich diejenigen unterstützen, die solchen Infrastrukturprojekten positiv gegenüberstehen", appellierte er. Wegen der bislang fehlenden Strommarktdesign-Debatte und der daraus resultierenden Unsicherheit für Unternehmen sei es gerechtfertigt, das Risiko - wie vorgeschlagen - abzusichern. Allerdings forderte Fehring, beim Bau von Pumpspeichern vom üblichen Flächenausgleich abzusehen und die Eingriffe mit Ersatzzahlungen abzugelten.

    Energiewende vor Ort

    "Wenn man den Prozess richtig angeht, kann die Energiewende vor Ort auch gelingen und erfolgreich sein", lobte Kai Abruszat (FDP) den Bürgerdialog bei den Plänen für ein Speicherkraftwerk im Kreis Höxter. Die Pumpspeichertechnologie müsse langfristig so ausgestattet sein, dass sie ein tragfähiges Geschäftsmodell werde. Rot-Grün habe hier bislang aber wenig Konkretes getan, eine Gesamtstrategie fehle. Das "reine Bereitstellen eines Blankoschecks von 50 Millionen Euro" als Risikostütze reiche nicht aus, kritisierte Abruszat. Er forderte unter anderem ein Speicherpotenzialkataster, das mögliche Kraftwerksflächen ausweise.
    In der Tat steckten konventionelle Kraftwerke in der Krise - und mit ihnen die Pumpspeicherkraftwerke, befand Kai Schmalenbach (PIRATEN). Da letztere für die Energiewende essenziell seien, müssten sie an geeigneten Standorten wirtschaftlich zu betreiben sein. Zudem könne es sinnvoll sein, Unternehmen bei gescheiterten Planungen zu unterstützen, meinte Schmalenbach. Im Gegenzug müssten diese dann aber auch die Menschen vor Ort in ihr Vorhaben einbeziehen. Kritisch merkte er an, dass der rot-grüne Antrag zu sehr auf Pumpspeicher fokussiere: "Wir werden für die Energiewende nahezu jeden Speicher benötigen, den wir bekommen können."
    "Wir haben im Haushalt die Option zur Planungssicherung verankert", unterstrich Umweltminister Johannes Remmel (GRÜNE). Auch er betonte die Bedeutung von Pumpspeichern, machte aber ebenso klar, dass es NRW nicht an Speicheroptionen mangele: Vier Unternehmen planten derzeit Projekte. Die Regierung habe zudem eine Potenzialanalyse beauftragt, deren Ergebnisse laut Remmel möglichst noch in diesem Jahr vorliegen sollen. In Richtung Berlin sagte der Minister einschränkend: "Aber es nützt nichts, Flächen zur Verfügung zu stelle oder räumliche Optionen zu eröffnen, ohne gleichzeitig die Marktbedingungen geklärt zu haben."
    bra

    Zusatzinformation:
    Ergebnis der Abstimmung
    Der Landtag hat den Antrag von SPD und GRÜNEN (Drs. 16/5969) gegen die Stimmen von CDU und FDP sowie des fraktionslosen Abgeordneten Robert Stein angenommen. Ein Entschließungsantrag (Drs. 16/6039), den die CDU-Fraktion zu diesem Tagesordnungspunkt vorgelegt hatte, wurde mit den Stimmen von SPD, GRÜNEN und der PIRATEN-Fraktion abgelehnt.

    Systematik: 2100 Energie

    ID: LI140715

  • Schmeltzer, Rainer (SPD); Kufen, Thomas (CDU); Brems, Wibke (Grüne); Brockes, Dietmar (FDP); Bayer, Oliver (Piraten)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Schadstoffe.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 14-15 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    NRW will den Ausstoß der Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um 25 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 einsparen. Um dies zu erreichen, ...

    Rainer Schmeltzer (SPD) ... ist aktives Handeln auf allen Ebenen gefordert. Jeder Einzelne, die Gemeinde, eine Region und auch das Land NRW müssen jeweils ihren spezifischen Beitrag leisten. Derzeit werden unter breiter öffentlicher Beteiligung die Maßnahmen für einen Klimaschutzplan NRW erarbeitet.
    Thomas Kufen (CDU) ... brauchen wir keine Insellösungen wie den Klimaschutzplan, sondern einen wirksamen Emissionshandel auf europäischer Ebene sowie ein ambitioniertes, weltweites Klimaschutzabkommen. Auch muss der Fokus stärker auf dem Thema Energieeffizienz liegen.
    Wibke Brems (Grüne) ... haben wir im letzten Jahr das bundesweit erste Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Klimaschutzzielen verabschiedet. Die Landesregierung erstellt derzeit unter Beteiligung vieler gesellschaftlicher Gruppen den Klimaschutzplan, die Road-Map, mit der die ambitionierten NRW-Ziele erreicht werden.
    Dietmar Brockes (FDP) ... ist der europäische Emissionshandel das zentrale Instrument. Er erfasst die Hälfte der deutschen CO2-Emissionen. Zudem sind weitere Anstrengungen erforderlich. Dabei darf NRW keine gefährlichen Alleingänge unternehmen, die dem Klima nichts nützen, aber Arbeitsplätze in NRW gefährden.
    Oliver Bayer (PIRATEN) ... brauchen wir einen schnellen Ausstieg aus der Kohleverstromung, ein Braunkohleausstiegsgesetz, ein Frackingverbot, Effizienzsteigerungen und eine echte Energiewende, die auch Gebäude und Industrieanlagen umfasst sowie eine Verkehrswende, die auf einen starken ÖPNV setzt.

    Wer Bus und Bahn anstelle des eigenen Autos nutzt, produziert unterm Strich weniger Treibhausgase. Andererseits ist der Erhalt bzw. Ausbau dieses Angebots gerade in einem Flächenland nicht billig. Der öffentliche Personennahverkehr ...

    Rainer Schmeltzer (SPD) ... in NRW steht und fällt mit der finanziellen Unterstützung des Bundes. Sie beträgt derzeit rund 90 Prozent. NRW braucht eine nachhaltige und bedarfsgerechte Ausfinanzierung seiner Verkehrsinfrastruktur, die der Größe und Bedeutung gemessen an anderen Bundesländern entspricht.
    Thomas Kufen (CDU) ... gehört zu einem gesunden Mix aus unterschiedlichen Verkehrsmitteln, der den spezifischen Bedürfnissen der Nutzer gerecht wird. Nötiger denn je braucht Nordrhein-Westfalen eine funktionsfähige Infrastruktur. Dazu müssen die vom Bund bereitgestellten Mittel auch verbaut werden, statt sie verfallen zu lassen.
    Wibke Brems (Grüne) ... ist ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz und muss gut koordiniert werden, um attraktiver und kostengünstiger zu werden: Einfache Tarife, Fahrgastinformation, abgestimmte Takte, bedarfsgerechte Angebote und Vernetzungen mit anderen Verkehrsmitteln erhöhen die Effizienz und die Attraktivität.
    Dietmar Brockes (FDP) ... muss attraktiver und dem wachsenden Bedarf entsprechend ausgeweitet werden. Dafür müssen die vom Bund zur Verfügung gestellten Gelder endlich sachgerecht verteilt werden. Obwohl NRW rund 22 Prozent der Einwohner Deutschlands hat, bekommen wir nur knapp 16 Prozent der Mittel zur Finanzierung des ÖPNV.
    Oliver Bayer (PIRATEN) ... kostet die Gesellschaft und auch das Land weniger als der individuelle Autoverkehr. Der ÖPNV muss auch aus wirtschaftlichen Gründen ausgeweitet und attraktiver gestaltet werden - von den gesamtgesellschaftlichen, ökologischen und sozialen Gewinnen ganz abgesehen.

    Im Sinne einer umweltfreundlichen Verkehrspolitik sollte man Elektromobilität ...

    Rainer Schmeltzer (SPD) ... entlang der Wertschöpfungskette und den infrastrukturellen Erfordernissen unterstützen. Dabei geht es nicht nur um Forschung zum Beispiel für Batterien, elektrische Speicherung, Fahrzeuge und Antriebe, sondern auch um wirtschaftliche sowie stadtplanerische Vorgaben wie Ladestationen und Parkplätze.
    Thomas Kufen (CDU) ... besser nutzen. Sie bietet die Chance, die Abhängigkeit vom Erdöl und umweltschädliche Emissionen zu reduzieren. Die CDU-Fraktion hat deshalb bereits vor geraumer Zeit eine Initiative gestartet, um Elektromobilität für eine nachhaltige Energie- und Klimaschutzpolitik eine höhere Bedeutung zukommen zulassen.
    Wibke Brems (Grüne) ... als ein vernetztes Konzept verstehen und mit erneuerbarem Strom antreiben. E-Bikes, Elektro- Roller, Hybridautos, Elektro-Transporter und Hybridbusse gehören genauso in eine umfassende Strategie für die Elektromobilität wie der weitere Ausbau der elektrifizierten Bahn mit Ökostrom.
    Dietmar Brockes (FDP) ... weiter voranbringen. Die Chancen der Technologie sollten vom Innovationsstandort NRW genutzt werden. Dazu sind weitere Anstrengungen von der Automobilindustrie, aber auch von Bund, Land und Kommunen notwendig.
    Oliver Bayer (PIRATEN) ... weiter fördern. Es wäre jedoch verkehrt, Elektromobilität auf Autos zu reduzieren. Die eigentlich bedeutsamen elektrisch betriebenen Verkehrsmittel sind Busse und Bahnen. Hier existiert die technische Infrastruktur bereits. Autos und Fahrräder ergänzen die E-Flotte. Hybridfahrzeuge sind marktreif.

    Die Idee, alle über das Land verstreuten Windräder, Biogasanlagen und Solarzellen für NRW zentral in einem virtuellen Kraftwerk zusammenzuführen, ist ...

    Rainer Schmeltzer (SPD)... wünschenswert, aber in einer allumfassenden Form derzeit unrealistisch. Sehr gut ist jedoch, gesicherte Energie dadurch zur Verfügung zu stellen, dass dezentral verschiedene Stromerzeugungsquellen in einem virtuellen Kraftwerk integriert und gesteuert werden. Deshalb wollen wir das im Bundes-Koalitionsvertrag angekündigte Pilotvorhaben in das dicht besiedelte NRW holen.
    Thomas Kufen (CDU) ... ein sinnvolles Vorhaben der schwarz-roten Bundesregierung, weil so erneuerbare und volatile Energieerzeuger mehr Systemverantwortung übernehmen können. Allerdings müssen noch Herausforderungen bei der elektronischen Vernetzung und der Sicherheit gemeistert werden.
    Wibke Brems (Grüne) ... ein wichtiger Ansatz, mit dem die erneuerbaren Energien trotz fluktuierender Produktion eine sichere Stromversorgung gewährleisten. Deshalb hat der Landtag vor wenigen Wochen die Landesregierung beauftragt, sich für ein Pilotprojekt zur Erforschung virtueller Kraftwerke in NRW einzusetzen.
    Dietmar Brockes (FDP) ... ein Ansatz, um die dringend notwendige Integration der schwankenden Stromerzeugung von erneuerbaren Energien voranzubringen. Ein entsprechendes Pilotprojekt in NRW bietet die Chance, neue technische Lösungen zu entwickeln, damit NRW endlich einen konkreten Beitrag zur Umsetzung der Energiewende leistet.
    Oliver Bayer (PIRATEN) ... interessant. Die Energiewende ist jedoch lokal, regional und dezentral angelegt, so dass die Option mehrerer kleiner dezentraler virtueller Kraftwerke ebenfalls zu prüfen ist. Diese können dann zusammengeschlossen werden - und auch über die Landesgrenzen hinaus vernetzt sein.

    Um auch in wind- und sonnenarmen Zeiten Strom aus erneuerbaren Energiequellen nutzen zu können, wird unter anderem der Bau von Pumpspeicherkraftwerken diskutiert. Hier ist es aus meiner Sicht wichtig, ...

    Rainer Schmeltzer (SPD) ... Unternehmen, die Standorte gefunden haben und an der Umsetzung interessiert sind, darin zu bestärken, die aufwendigen und kostenintensiven Erkundungen auch vorzunehmen und in konkrete Vorplanungen einzutreten. Dafür hat das Land ein Programm zur Risikoabsicherung für die ersten Projektphasen initiiert.
    Thomas Kufen (CDU) ... effiziente und bezahlbare Energiespeicher zu entwickeln, die eine verlässliche Integration der erneuerbaren Energien in das Energiesystem sicherstellen. Hierbei können Pumpspeicherwerke einen wichtigen Beitrag leisten. Den einen universellen Energiespeicher für das Stromnetz wird es nicht geben.
    Wibke Brems (Grüne) ... sichere Investitionsbedingungen für Pumpspeicher zu bieten, wie es die Landesregierung mit einem Programm der NRW-Bank tut. Die Vollversorgung mit erneuerbarem Strom ist möglich. Dafür sind zunächst Lastmanagement sowie regionaler Netzausbau und nicht zuletzt verschiedene Speichertechnologien nötig.
    Dietmar Brockes (FDP) ... dass Natur- und Artenschutz sowie Akzeptanz vor Ort gewährleistet sind. Sie sind ein wichtiger Baustein der Energiewende, aber nicht der einzige. Wir müssen daher auch andere Technologien weiterentwickeln und dürfen nicht nur auf Pumpspeicherkraftwerke setzen.
    Oliver Bayer (PIRATEN) ... die Bevölkerung von Anfang an demokratisch zu beteiligen und derartige Großspeicher als lebenswichtige Infrastruktur zu definieren, die nicht in die Hände von Oligopolen gehört, sondern unter öffentliche Kontrolle.

    ID: LI140716

  • Antrieb aus der Steckdose.
    Sachverständige diskutieren Zukunft der Elektromobilität.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 16 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    25. Juni 2014 - Tankst Du noch oder lädst Du schon? Über den Einsatz elektrischer Fahrzeuge in den kommenden Jahrzehnten haben Sachverständige im Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk auf Antrag der CDU-Fraktion (Drs. 16/4827) beraten. Die größte Herausforderung sahen die Fachleute in den derzeit noch relativ hohen Anschaffungskosten. An den Kapazitäten des Stromnetzes jedenfalls dürfte das Wachstum des Elektromobilitätsmarktes wohl nicht scheitern.
    " Wenn der Preis für ein Elektromobil sinkt, egal wie dies geschieht, dann steigt die Nachfrage", prognostizierte Dr. Mark Walcher von der Smartlab Innovationsgesellschaft aus Aachen. In den Niederlanden etwa hätten Förderprojekte den Elektromobilitätsmarkt deutlich angeheizt. Hingegen passiert in dieser Richtung nach Auffassung des Unternehmers in Deutschland bislang relativ wenig. Mehr innovative Förderprojekte seien daher wünschenswert, um die Kosten für Fahrzeuge zu senken.
    Diese Einschätzung bestätigte Christoph Humpert vom Verband kommunaler Unternehmen für die Stadtwerke: Ohne Fördergelder gebe es dort meist keine größeren Elektromobilitätsprojekte. Insgesamt sei das Thema für die kommunalen Unternehmen bislang eher eine Marketingsache. Viel hänge aber auch vom persönlichen Engagement des jeweiligen Stadtwerke-Chefs ab und davon, wie sehr die einzelne Kommune hinter der Idee stehe. Dabei haben Elektrofahrzeuge laut Thomas Kiel vom Städtetag NRW für den gemeindlichen Einsatz - abgesehen von den hohen Kosten - einige Vorteile: So seien sie unter anderem leise und schadstofffrei - wobei der Vorsprung bei der CO2-Vermeidung eher noch Zukunftsmusik sei, wie Georg Wilke vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie einwarf. Der Effekt hänge von einem steigenden Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz ab.
    Als weiteren Vorteil hob Dr. Matthias Dürr vom Forschungszentrum Jülich hervor, dass Elektroautos weniger Fahrzeugteile hätten. So fielen etwa Auspuffsystem und Getriebe gegenüber dem konventionellen Auto weg, was sich positiv auf die Unterhaltskosten auswirke. Ein Nachteil hingegen sei die noch relativ geringe Reichweite der Batterie, berichtete Beatrice Degand vom Autohersteller Renault. Diese zu erhöhen, stehe aktuell im Fokus. Degand geht von 30 bis 50 Prozent mehr Kapazität in den kommenden zehn Jahren aus.
    Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland nach Angaben von Dürr rund 16.000 Elektrofahrzeuge. Und er stellte fest: "Die Kurve steigt stark nach oben." Ob am Ende das Ziel der Bundesregierung von einer Million E-Autos im Jahr 2020 erreicht werde, sei dabei gar nicht so entscheidend. Fest stehe aber, wie zahlreiche Fachleute wiederholt betonten, dass die Anschaffungskosten sinken müssten.
    Auch Sven Spurmann von der TU Dortmund kam zu dem Schluss: "Der elektrische Antrieb ist definitiv die Antriebsform für die nächsten 150 Jahre." Offen ist laut Thomas Puls, leitender Ökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft, allerdings noch die Frage, was letztendlich der Stromspeicher für die Elektroautos sein wird. Denkbar seien unter anderem gewöhnliche Batterien, Lithium-Luft-Batterien, Wasserstoff oder chemische Speicher, Stichwort Power to Gas. Puls geht davon aus, dass es in den kommenden 10 bis 15 Jahren einen evolutionären Übergang zum Elektromobil geben wird.
    Für das Stromnetz jedenfalls stelle das Millionenziel der Bundesregierung keine übermäßige Herausforderung dar. Ähnlich schätzte dies RWE-Vertreter Claus Fest ein. Wichtig sei, dass unter allen Umständen ein ordnungspolitischer Flickenteppich verhindert werde - denn dies wäre ein "Super-Gau" für die Elektromobilität. Fest rief deshalb dazu auf, dass sich die unterschiedlichen Akteure und Ebenen in Deutschland regelmäßig austauschten. Dem stimmte Andreas Allebrod von der Drive-Carsharing GmbH zu: "E-Mobilität ist ein Netzwerkthema, das macht keiner alleine."
    Um Fehlinvestitionen zu vermeiden, müsse die Infrastruktur von Ladestationen mit der Zahl der Fahrzeuge wachsen, betonte Städtetagsvertreter Kiel. Hierbei bräuchten die Kommunen Unterstützung, forderte Dr. Frank-Michael Baumann von der Energieagentur NRW. Gleichzeitig plädierte er für Projekte, die E-Autos sichtbar machten und auf die Straße brächten. Davon verspreche er sich mehr Akzeptanz für die Elektromobilität. Bevor sich diese jedoch im klassischen Alltag durchsetze, so zeigte sich Volker Wente vom Verband deutscher Verkehrsunternehmen überzeugt, werde der öffentliche Nahverkehr verknüpft mit Car-Sharing-Projekten und Co. wohl noch einiges an Pionierarbeit zu leisten haben.
    bra

    Systematik: 2300 Technologie; 2100 Energie

    ID: LI140717

  • Abgehängt?
    Anhörung zur Zukunft des Nahverkehrs.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 17 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    3. Juni 2014 - In einer Anhörung im Verkehrsausschuss waren sich alle Sachverständigen einig: Notwendig seien erstens ein leistungsfähiger öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), zweitens Anstrengungen, um zumindest den Erhalt zu sichern, und drittens eine stärkere Verantwortung des Bundes. Grundlage für die Anhörung war ein Antrag der PIRATEN.
    "Da wird ein bisschen was angestrichen und das nennt man dann Renovierung." Mit dieser Beschreibung der aktuellen Lage des ÖPNV durch Volker Wente (Verband deutscher Verkehrsunternehmen) stimmten alle Sachverständigen überein. Ihr Fazit: Es muss mehr investiert werden, um die Menschen von der Straße in Busse und Bahnen zu bewegen. Schon heute sei es so, dass ohne ÖPNV die Städte vor Blech überquellen würden, erläuterte Dr. Karl-Georg Schroll (Mobil mit Plan Verkehrs-Consult, Trier).
    Daher bestand in einer weiteren Feststellung Einigkeit unter den Experten: Notwendig sei ein leistungsfähiger ÖPNV vor allem in der Fläche. Auf dem Land seien die Menschen auf Pendelmöglichkeiten in die Ballungsgebiete angewiesen, so Dr. Markus Faber (Landkreistag). Dort seien aber auch leistungsfähige Möglichkeiten des Gütertransports notwendig, verwies er auf Zentren der industriellen Produktion im ländlichen Raum.
    Gerade hier aber sei der ÖPNV häufig abgeschnitten, so Schroll. Er sei eine freiwillige Aufgabe, die die sowieso schon klammen Kommunen nichts kosten dürfe. Dabei stelle es sich als Problem heraus, dass die Kosten für den ÖPNV offen sichtbar seien, während die Kosten für den motorisierten Individualverkehr in vielen kommunalen Haushaltstiteln versteckt blieben. Vor diesem Hintergrund plädierte er dafür, den ÖPNV als kommunale Pflichtaufgabe zu definieren.
    In der Regel sei gerade der Verkehr mit U- und S-Bahnen in den Städten als "Insellösung" angelegt, ergänzte Lothar Ebbers (Pro Bahn e. V. NRW). In einigen Städten wie Düsseldorf existierten sogar zwei unterschiedliche Netze nebeneinander. Und die Misere werde größer: Aufgrund steigender Trassen- und Schienenentgelte, die an die Deutsche Bahn abzuführen seien, stehe weniger Geld für Investitionen zur Verfügung. Und über die Bahn fließe das Geld dann weiter an den Bund.

    Leben von der Substanz

    Sprach Faber noch von "Engpässen", meinte Wente: "Wir leben zurzeit von der Substanz." Der Zeitwert der Anlagen sei in den letzten Jahren um rund 10 Prozent zurückgegangen. Und angesichts der derzeitigen politischen Vorgaben befürchtete er einen Baustillstand für rund zehn Jahre, denn geplant werde wohl erst wieder nach dem Jahr 2019.
    Dabei sei Nordrhein-Westfalen auch eines der wichtigsten Transitländer, betonte Dr. Norbert Reinkober (Zweckverband Nahverkehr Rheinland) und warnte: "Wir werden durch Köln bald nichts mehr durchbringen." Er forderte, die Maßnahmen in der Verkehrsinfrastruktur an den größten Engpässen statt an den ärmsten Kommunen auszurichten.
    Die Verkehrsinfrastruktur müsse sich an den Zielen der Energie- und Klimapolitik ausrichten, trat demgegenüber Prof. Heiner Monheim (Institut für Raumentwicklung raumkom) für eine Ausweitung des Blicks ein. Man müsse "Lawinen" von der Straße hin zum öffentlichen Nahverkehr bewegen. Jener müsse sich daher zum "Jedermannverkehr" entwickeln. Mit dieser Aufgabe seien aber die Städte und Dörfer überfordert, die eigentlich die Hauptakteure der neuen Verkehrspolitik sein sollten. Konkrete Erweiterungsmöglichkeiten sah Monheim in der Reaktivierung stillgelegter Trassen in der Fläche. Statt Kahlschlag brauche man auch im ländlichen Raum Angebote mit SBahn- ähnlicher Qualität.
    Woher das hierfür notwendige Geld denn kommen solle, wollten die Abgeordneten in Nachfragen von den Experten wissen. Diese betonten nicht nur die Verantwortung des Landes, sondern auch des Bundes. Gegenwärtig, so Faber, erhalte NRW vom Bund nur 15,76 Prozent der Regionalisierungsmittel, obwohl hier 21,8 Prozent der Bundesbevölkerung lebten. Ziel müsse daher eine Gleichbehandlung mit den anderen Bundesländern sein. Das mache rund 450 Millionen Euro pro Jahr aus, bezifferte Wente die Größenordnung. Er kritisierte auch die vom Bund zusätzlich bereitgestellten 5 Milliarden Euro: Damit würden letztlich nur bestehende Projekte vor allem bei den Bundesstraßen finanziert, für die Verkehrsinfrastruktur im ländlichen Raum hingegen bleibe wenig übrig. Die Länder müssten grundsätzlich die Bittstellerrolle ablegen und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur als nationale Aufgabe einfordern, verlangte Monheim.
    cw

    Systematik: 2640 Schienenverkehr

    ID: LI140718

  • Zwischen Verkehrs- und Sozialpolitik.
    Sozialtickets sollen Mobilität fördern und Armut bekämpfen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 11.07.2014

    1. Juli 2014 - "Die Fahrscheine bitte!" Wer mit Bus oder Bahn fährt, hat diese freundliche Aufforderung wohl schon häufig gehört. Was aber, wenn der Ticketpreis für den eigenen Geldbeutel einfach zu hoch ist und man trotzdem fahren muss? Weil man kein eigenes Auto hat, weil das Einkaufszentrum zu weit weg ist, weil sich die Arbeitsstelle am anderen Ende der Stadt befindet. Für diese Fälle gibt es Sozialtickets. Ob und wie man dieses Instrument ausweiten kann und soll, darüber berieten auf Antrag der PIRATEN (Drucksache 16/5277) Fachleute im Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr.
    Rund 38 Euro koste es regulär, wenn man aus dem Kreis Wesel nach Düsseldorf fahren wolle, um dort den Landtag zu besuchen, erläuterte Roman Reisch (ATTAC Niederrhein). Mit Blick auf solche Preise sei es notwendig, über Sozialtickets allen Bevölkerungsschichten die Möglichkeit zu geben, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu nutzen. Ansonsten drohe ein "stetiger, schleichender, unsichtbarer Ausschluss von Menschen" aus der heutigen Mobilitätsgesellschaft, so Heiko Holtgrave (Institut für soziale und politische Planung, Dortmund). Gerade ärmere Bevölkerungsschichten wären vom ÖPNV abhängig, verwies er auf die teils beträchtlichen Distanzen zwischen Wohnsiedlungen, Einkaufsmöglichkeiten und Arbeitsstätten. Nehme man noch das Problem der Altersarmut hinzu, könne man den Problemkreis unter dem Begriff "Mobilitätsarmut" zusammenfassen.
    "Armut macht immobil", stimmte auch Holger Kirchhöfer (Altstadtarmenküche Düsseldorf) zu. Er erläuterte, dass der Regelsatz für Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger für die Nutzung des ÖPNV monatlich bei 19,20 Euro liege. Dies sei deutlich weniger als die 25 Euro, die selbst viele Sozialtickets kosteten. Daher müsse man sich überlegen, ob man die entsprechenden Mittel, mit denen das Land die Sozialtickets fördere, nicht in sinnvolleren Modellen einsetzen könne.
    Vor diesem Hintergrund waren sich die drei Fachleute darüber einig, dass die Sozialtickets übertragbar sein müssten, und lobten den entsprechenden Ansatz des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg. Um Mobilität herzustellen, müssten die Tickets im gesamten Verkehrsverbund und ohne zeitliche Einschränkungen gelten. Immerhin sei Mobilität ein Faktor, der helfen könne, Armut zu beseitigen, betonte Kirchhöfer. Daher regte Holtgrave an, die Nutzung des ÖPNV vollständig freizugeben und diesen über Steuern oder eine Umlage zu finanzieren. Ein Überdenken der in der Sozialhilfe geltenden bundesweiten Regelsätze hielt dagegen Dr. Michael Spörke (SoVD NRW) für notwendig. Denn das Sozialticket sei die richtige Antwort auf die Herausforderung, Menschen Mobilität zu ermöglichen. Allerdings fand auch er, dass dieses Instrument anders ausgestaltet werden sollte: Die Verkehrspolitik müsse noch stärker für sozialpolitische Fragen geöffnet werden.

    Ausgewogenheit von Leistung und Einnahme

    Genau dies sah Volker Wente (Verband deutscher Verkehrsunternehmen) anders. Die sozialpolitische Herausforderung anerkennend meinte er, das Modell des Sozialtickets solle nicht im Verkehrssektor, sondern im Sozialsektor angesiedelt werden. So könne die öffentliche Hand Tickets zum regulären Preis erwerben und diese dann zu einem angepassten, zielgruppenorientierten Preis an Bedürftige weitergeben. Dann hätte man das sozialpolitische Ziel erreicht und erfülle gleichzeitig die Vorgabe an die Verkehrsbetriebe, Einnahmen zu erzielen. "Wir müssen uns zurückhalten bei Angeboten, die sich nicht rechnen", meinte Wente. Auf jeden Fall benötigten die Verkehrsbetriebe auch für das Angebot des Sozialtickets einen angemessenen Ausgleich. Hier stünden der festgeschriebenen Landesförderung von 30 Millionen Euro seit Jahren steigende Fahrpreise gegenüber.
    Derzeit sei die Finanzierung des Sozialtickets noch auskömmlich, aber eine Finanzierungslücke bahne sich an, meinte auch José Luis Castrillo (Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, VRR). Es sei nun einmal notwendig, eine Ausgewogenheit von Leistungen einerseits und Preisen sowie Zuschüssen andererseits zu erreichen.
    Gute Erfahrungen mit einem Sozialticket habe der Zweckverband Nahverkehr Rheinland (NVR) gemacht, so dessen Vertreterin Anja Höhn. Man erreiche immerhin rund 37 Prozent der Berechtigten. "Wir fahren damit gut", zeigte sie sich zufrieden. Wichtig sei, die Landesförderung auch über das Jahr 2015 hinaus zu gewährleisten.
    Dieser Forderung konnte sich auch Lothar Ebbers (Pro Bahn NRW) anschließen. Er trat zudem dafür ein, die Mittel regelmäßig anzupassen. Es gehe schließlich um das Mobilitätsverhalten von Leuten mit wenig Geld. Die Gefahr sei, dass Fahrgäste aus dieser Zielgruppe einfach wegblieben; diesem Problem müsse man durch Sozialtickets entgegenwirken.
    cw

    Systematik: 5120 Sozialleistungen; 2600 Verkehr

    ID: LI140720

  • Der Druck steigt.
    Anhörung zum Hausärztemangel auf dem Land.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 6 - 04.06.2014

    22. Mai 2014 - In einer umfassenden Expertenanhörung haben zahlreiche Sachverständige zum Thema Ärztemangel in ländlichen NRW-Regionen Stellungnahmen und Einschätzungen abgegeben. Unter anderem ging es dabei um die Fragen, wie man die hausärztliche Versorgung in ländlichen Regionen sicherstellen und den Beruf attraktiver machen könne. Der Anhörung zugrunde lagen ein Antrag der CDU-Fraktion sowie ein Entschließungsantrag von SPD und GRÜNEN.
    Bezüglich einer allgemeinen Einschätzung waren sich die Sachverständigen nicht ganz einig. "Der Mangel ist da", sagte etwa Ansgar von der Osten von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Dirk Ruiss vom Verband der Ersatzkassen dagegen sah keinen direkten Ärztemangel und warnte davor, in Hysterie zu verfallen. Differenzierter sahen es die meisten Sachverständigen: Mit Blick auf den demografischen Wandel werde sich das Problem verschärfen. Es betreffe aber weniger Fachärztinnen und -ärzte und weniger das ärztliche Krankenhauspersonal als vielmehr den Hausarzt, und diesen vor allem in ländlichen Regionen. Weil man aber nicht mehr auf einen "Speckgürtel an Krankenhäusern" (von der Osten) zurückgreifen könne, es also auch dort nicht mehr übermäßig viele fachärztliche Kräfte gebe, fehlten perspektivisch auch Fachärzte, die eine Grundversorgung mitübernehmen könnten. Und für kleine Orte gelte: Wo der Hausarzt fehle, fehle der Facharzt erst recht, gab Dr. Theodor Windhorst von der Ärztekammer Westfalen-Lippe zu bedenken.
    "Wir haben keinen Arzt-Kopf-Mangel, sondern einen Arzt-Zeit-Mangel", konkretisierte Bernd Zimmer von der Ärztekammer Nordrhein. 50 bis 60 Wochenstunden und bei Bedarf noch drei Bereitschaftsdienste - dazu sei der medizinische Nachwuchs nicht mehr bereit. Wie auch immer: Demografiebedingt sei mehr Hausarzt-Zeit nicht mittelfristig notwendig, sondern übermorgen, betonte Wolfgang Meunier vom Deutschen Hausärzteverband.
    Insgesamt bewertete Windhorst die landespolitischen Bemühungen als ausgesprochen positiv. Ruiss unterstrich: In keinem anderen Bundesland gebe es vergleichbare Initiativen wie das Aktionsprogramm "Hausärztliche Versorgung" - allerdings gebe es auch nirgendwo ein Patentrezept.

    1. Stellschraube: Ausbildung

    Um mehr junge Menschen für den Beruf der Hausärztin oder des Hausarztes zu begeistern, müsse man an den Hochschulen ansetzen, meinten einige Sachverständige. Viele forderten, die Zahl der entsprechenden Studienplätze zu erhöhen. Meunier ergänzte, wacklige Stiftungslehrstühle nutzten dabei überhaupt nichts; notwendig seien genügend Lehrstühle im ganzen Land. Gerade das Fach Allgemeinmedizin dürfe nicht nur singulär, sondern müsse an allen medizinischen Fakultäten angeboten werden, forderte Thomas May vom Wissenschaftsrat. Da im Raum Ostwestfalen- Lippe (OWL) der drohende Ärztemangel besonders hoch sei, hielt Dr. Thomas Krössin vom Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft OWL es für besonders wichtig, vor Ort auszubilden. Er lobte eine entsprechende Kooperation mit der Universität Bochum, denn dezentrale Strukturen hätten einen Klebeeffekt: Bei sechs Jahren Studium plus ggf. Promotion plus fachärztlicher Ausbildung komme man leicht auf 15 Jahre - eine Zeit, in der Menschen Wurzeln schlügen und dann auch eher bereit seien, in der Region zu bleiben.

    2. Stellschraube: Unterstützung

    Die Situation sei in Krankenhäusern deshalb weniger dramatisch als bei niedergelassenen Ärzten, weil sich Kliniken ganz gezielt ärztliches Personal aus dem Ausland zur Unterstützung holten, erklärte Windhorst. Jedoch wandte Meunier ein, dass diese Ärztinnen und Ärzte in ihrer Heimat ebenso gebraucht würden. Ein rumänischer Arzt, der daheim pro Patient einen Euro verdiene und einmal nach Deutschland gekommen sei, gehe allerdings verständlicherweise nur ungern zurück. Auch wegen Sprachbarrieren sah er in einer Kompensation der Ärztelücke durch ausländische Kräfte keine Lösung.

    3. Stellschraube: Attraktivität

    Was kann Jungmedizinerinnen und -mediziner überzeugen, sich mit einer Hausarztpraxis niederzulassen? Um diese zentrale Frage drehte sich die Diskussion immer wieder. "Das Honorar ist okay", meinte der Kölner Hausarzt Dr. Axel Kottmann ebenso wie Ruiss. Vielfach wurde auch das Aktionsprogramm "Hausärztliche Versorgung" der Landesregierung gelobt. Dieses stellt denen, die sich als Hausärzte im ländlichen Raum niederlassen, 50.000 Euro Förderung in Aussicht und fördert daneben auch Weiterbildungen. Aber: "Wenn Sie jemanden wie mir, um die 50, mit Frau und Kindern, 50.000 Euro in die Hand drücken, werden Sie ihn niemals zum Wohnortwechsel bewegen", stellte Kottmann klar. Auch Zimmer meinte, die Niederlassung an einem Ort sei eine lebenslange Entscheidung, sie trage doppelt so lange wie eine durchschnittliche Ehe. Man entscheide sich mit einer Praxisniederlassung zugleich, dort alt zu werden.
    Eine andere finanzielle Frage sei aber schon relevant, gab Kottmann zu bedenken: Für junge Ärzte sei die Selbstständigkeit absolut unattraktiv. "Ich nehme nicht 100.000 Euro in die Hand und gucke dann, was passiert."

    Rolle der Kommunen

    Einige Sachverständige sahen Chancen, dass die Kommunen daran mitwirken könnten, Hausärztinnen und -ärzte zu überzeugen, sich bei ihnen vor Ort niederzulassen. Von der Osten etwa sprach davon, dass die Kassenärztliche Vereinigung entsprechende Medizinerinnen und Mediziner in puncto Niederlassung intensiv berieten, aber erst in einem Gesamtpaket gemeinsam mit der Kommune die besten Erfolge erziele. Stellschrauben der Kommunen sah er in Angeboten für Kinderbetreuung oder der Frage, ob Praxisräume zur Verfügung gestellt werden könnten. Windhorst sprach von einer gezielten Willkommenskultur, die seitens der Kommune gegenüber dem ärztlichen Nachwuchs notwendig sei. Ebenso wichtig sei es bei solchen Lebensentscheidungen, dass zum Beispiel für die Kinder alle weiterführenden Schulen zur Verfügung stünden, ergänzte Meunier. Allein diese Faktoren, meinte Dr. Anne Bunte vom Gesundheitsamt Köln, könnten es aber auch nicht richten: Köln gelte als attraktiv für junge Familien, habe alle relevanten Standortfaktoren - und trotzdem gebe es in manchen Stadtteilen Nachbesetzungsprobleme. Kommunen müssten maßgeschneiderte Profile für den Einzelfall anbieten, forderte Zimmer. Auch die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner müsse mitbedacht werden und in der Kommune eine Zukunft haben: "Es kann nicht sein, dass einer in Münster und einer in Düsseldorf arbeiten muss." Die Gewährleistungsverantwortung für eine ausreichende ärztliche Versorgung liege bei der Kassenärztlichen Vereinigung und solle auch da bleiben, betonte Dr. Kai Zentara, der für die Kommunalen Spitzenverbände sprach. Wo immer möglich, würden Kommunen gern ergänzend tätig, aber das habe Grenzen: Eine Gewährung von geldwerten Vorteilen sah er kritisch. Denn ein solcher Wettbewerb unter den Kommunen bringe alle in Zugzwang und treibe die Preise für die - selbst klammen - Kommunen hoch.

    Entlastung

    Ein weiterer Ansatzpunkt, um hausärztliches Personal zu finden und den Beruf attraktiver zu machen, bezog sich auf Entlastungsmöglichkeiten im Arztberuf. Immer wieder sprachen Sachverständige die Möglichkeit an, bestimmte Handlungen an anderes qualifiziertes medizinisches Personal zu delegieren. Allerdings problematisierte beispielsweise Dr. Peter Potthoff von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, dass man zwar viele Versorgungsassistenten ausgebildet habe, sie aber nur in unterversorgten Gebieten einsetzen dürfe. Da die Definition von "unterversorgt" einen erheblichen Aufwand bedeute, forderte er, diese Beschränkung aufzuheben. Ruiss plädierte für eine Landesförderung bezüglich arztentlastender Tätigkeiten. Generell kranke es nicht an Ideen auf diesem Gebiet, sondern an einer zögerlichen bis ausbleibenden Umsetzung, meinte Meunier.

    Arbeitszeit

    Zu den Dienstzeiten erklärte der Ärztevertreter: Vor allem die häufigen Bereitschaftsdienste seien es, die junge Menschen vom Hausarztberuf abschreckten. Windhorst hingegen hielt die Zeiten dank der Notfalldienstregelungen für relativ geregelt. Auch Kottmann bestätigte, die Honorarverordnung lasse es zu, Dienstzeiten zu verkürzen und - Beispiel Gemeinschaftspraxis - trotzdem annähernd gleichviel zu verdienen. Den Arbeitszeitmangel bekämen dann allerdings die Patientinnen und Patienten zu spüren, verwies er auf lange Wartezeiten.
    Vor dem Hintergrund, dass die Zukunft des ärztlichen Personals aus seiner Sicht weiblich sei, sei über Arbeitszeiten ohnehin noch einmal ganz neu nachzudenken, verwies Zimmer auf einen etwaigen Zwei-Drittel-Anteil von Frauen an der Medizin-Studentenschaft. In einer Gesellschaft, die auch noch andere Prioritäten als Arbeit habe, sei eine Wochenarbeitszeit von 37 Stunden für Frauen im Zusammenhang mit Kindererziehungszeiten nicht zumutbar. Da müsse man eher über 27 Stunden pro Woche reden.

    Teams bilden

    Eine große Chance sahen einige Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Gründen in der Bildung von Teams. Vorschläge reichten von der bereits genannten Gemeinschaftspraxis über Versorgungszentren bis hin zu regionalen multiprofessionellen Teams, die sowohl ärztliche als auch pflegerische Versorgung gemeinsam bewältigen könnten. Von der Osten regte beispielsweise an, Versorgungszentren nicht an fachärztliche Aspekte zu knüpfen sondern auch rein hausärztliche Zentren zu schaffen. Gemeinsam könne eine Dienstzeit von 7 bis 21 Uhr ermöglicht werden, ohne einzelne Kolleginnen oder Kollegen zu überlasten, erläuterte Meunier. Aus Schleswig-Holstein berichtete Dr. Wolfgang Wodarg, dass es dort bereits heute erfolgreiche Projekte zur kostenträgerübergreifenden Integration der für die Versorgung notwendigen Angebote in ländlichen Regionen gebe. Solche regionalen Vereinbarungen könnten eine hausärztlich-pflegerische Grundversorgung abdecken. Eine Arbeit in diesen Modellen fördere auch einen frühen Austausch der unterschiedlichen Professionen untereinander. Auch Weiterbildung lasse sich an solchen Zentren ansiedeln.
    Für eine generelle Umsteuerung hin zu einer multiprofessionellen Versorgung sprach sich Prof. Dr. Doris Schaeffer aus. Die Bielefelder Gesundheitswissenschaftlerin betonte, dass die Notwendigkeit einer solchen Entwicklung längst bekannt sei, nur nicht vollzogen werde. Und in der Pflege sei der Fachkräftemangel noch massiver als in der Medizin.
    sow

    Zusatzinformation:
    PTA-Ausbildung
    In der Anhörung ging es außerdem um die Zukunft der Ausbildung pharmazeutisch-technischer Assistentinnen und Assistenten (PTA). Gemeinnützige Vereine müssten das Schulgeld so erhöhen, dass Bewerberzahlen zurückgingen und Schulen schließen müssten, obwohl es einen erhöhten Bedarf gebe. Vor diesem Hintergrund sollten Land oder Bund die Ausbildungsfinanzierung übernehmen oder zumindest unterstützen, forderten Branchenverband und Praktikerinnen.

    Systematik: 5230 Medizinische Berufe; 5200 Gesundheit

    ID: LI140611

  • Neumann, Josef (SPD); Preuß, Peter (CDU); Ünal, Arif (Grüne); Schneider, Susanne (FDP); Wegner, Olaf
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema hausärztliche Versorgung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 6 - 04.06.2014

    Ärztinnen und Ärzte sind oftmals die Schnittstelle zwischen Mensch und Gesundheit. Um auch in Zukunft eine bedarfsgerechte, wohnortnahe hausärztliche Versorgung sicherzustellen, ...

    Josef Neumann (SPD) ... müssen wir vor allem für junge Medizinerinnen und Mediziner Anreize schaffen, die das Hausarztmodell attraktiver machen. Der Allgemeinmediziner ist als Lotse durch die medizinische Versorgung wichtiger denn je. Alles ist komplexer geworden. Das macht das Hausarztmodell umso unverzichtbarer. Wir brauchen den Doktor des Vertrauens im Quartier, im Dorf, in der Stadt, quasi den "Universalist", der den Menschen ganzheitlich sieht. Um dafür den ärztlichen Nachwuchs zu begeistern, brauchen wir weitergehende Finanzierungsmodelle und Abrechnungsmodi und Projekte wie Eva, die "Entlastende Versorgungsassistentin", um die drohende Unterversorgung abzufedern.
    Peter Preuß (CDU)... ist es wichtig, bereits bei der Medizinerausbildung anzusetzen und genügend Studienplätze zu schaffen. Das Interesse junger Menschen am Medizinstudium ist nach wie vor groß. Die Landesregierung muss darauf mit zusätzlichen Studienplätzen reagieren. Die CDU-Fraktion hat mit der Initiative "Wir wollen den Arzt vor Ort" ein Konzept entwickelt, um eine ortsnahe, allgemeinmedizinische Versorgung künftig umfassender sicherzustellen. Vor allem junge Ärztinnen und Ärzte müssen durch attraktive Anreize motiviert werden, sich in Gebieten niederzulassen, die bereits jetzt vom Ärztemangel bedroht sind oder es bald sein werden.
    Arif Ünal (GRÜNE)... müssen wir erreichen, dass sich wieder mehr Medizinerinnen und Mediziner hierfür entscheiden. Neue Arbeitszeit- und Kooperationsformen sind notwendig, mit denen sie Beruf, Familie, Pflege und Freizeit vereinbaren können. In Zukunft werden daher alternative Kooperationsformen und neue Niederlassungsmodelle wichtig sein, wie auch die Möglichkeit, im Angestelltenverhältnis tätig zu sein. Aufgabe wird es sein, die Sicherstellung einer flächendeckenden, zugänglichen, wohnortnahen ärztlichen, pflegerischen und psychosozialen Versorgung auch in ländlichen und strukturschwachen Regionen sowie in sozial benachteiligten Stadtteilen sicherzustellen.
    Susanne Schneider (FDP)... brauchen wir vor allem weiterhin motivierte und engagierte Ärzte. Deswegen ist es wichtig, attraktive Bedingungen für die Niederlassung zu schaffen. Das von der FDP im Bund auf den Weg gebrachte Versorgungsstrukturgesetz beinhaltet schon wichtige Schritte. Durch den Wegfall der Residenzpflicht können Ärzte nun frei entscheiden, wo sie leben möchten, und sind nicht mehr gezwungen, am Praxisstandort zu wohnen. Ebenso wurden die Möglichkeit einer bis zu zwölfmonatigen Praxisvertretung und die Option der Eröffnung von Teilzeitpraxen geschaffen. NRW braucht eine Bedarfsplanung, die regional verankert ist und Flexibilität gewährt.
    Olaf Wagner (PIRATEN)... muss der detaillierte Bedarf ermittelt und berücksichtigt werden. Die Anzahl der Ärzte lediglich pauschal für große Regionen zu planen, reicht nicht mehr aus: Auch die Bedürfnisse in den Vierteln und Stadtteilen müssen berücksichtigt werden. Nur dann kann mit Blick auf die unterschiedlichen Altersstrukturen eine bedarfsgerechte Versorgung vor Ort sichergestellt werden. Lediglich die sogenannten Alten- Wohngemeinschaften ins Leben zu rufen, ist zu wenig. Im hohen Alter ist häufig eine intensive Betreuung notwendig, die nur mit gut ausgebildetem Fachpersonal und einem angemessenen Betreuungs- und Fachkräfteschlüssel zu gewährleisten ist.

    Neben der ambulanten Versorgung stellt auch die Sicherung der stationären Versorgung eine Herausforderung dar. Um ausreichendes und gutes Personal für die Krankenhäuser zu gewinnen und auch zu halten, ...

    Josef Neumann (SPD)... ist es unerlässlich, dass das pflegerische und medizinische Personal endlich die gesellschaftliche Wertschätzung erfährt, die seiner Verantwortung gerecht wird. Dazu gehören eine entsprechende Entlohnung, akzeptable Arbeitsbedingungen, die auch junge Menschen anspornen, sich für "Rund-um-die-Uhr-Berufe" zu entscheiden. Auch hier gilt: Arbeitsbedingungen müssen sich hinsichtlich Arbeitszeit und Flexibilität am Lebensalltag orientieren. Dazu gehören unter anderem familienfreundliche Angebote wie Kinderbetreuung oder Freistellungsmöglichkeiten, um den Anforderungen in der Familie ebenfalls gewachsen zu sein.
    Peter Preuß (CDU)... müssen alle Tätigkeiten im Bereich der medizinischen Versorgung und Pflege mehr Wertschätzung erfahren. Dazu gehören neben einer angemessenen Vergütung auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowohl für medizinische als auch für pflegerische Fachkräfte. Die Unterstützung durch ausländische Fachkräfte ist ausdrücklich zu begrüßen. Hierfür muss die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse dringend vereinfacht und beschleunigt werden.
    Arif Ünal (GRÜNE)... ist die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig. Motivierende und gesunde Arbeitsbedingungen sowie eine angemessene Personalausstattung in den Krankenhäusern sind hierzu wichtig. Zunehmende Arbeitsverdichtung und ein massiver Personalabbau insbesondere in der Pflege gefährden die Versorgungsqualität. Daher muss der Bund die Rahmenbedingungen zur Finanzierung - vor allem - des Pflegepersonals in den Krankenhäusern verbessern. Eine neue Personalbemessung ist notwendig, bei dem der Personalbedarf aus dem Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten bemessen und sichergestellt wird, dass die vorgesehenen Mittel in der Pflege ankommen.
    Susanne Schneider (FDP)... muss die Familienfreundlichkeit der Krankenhäuser weiter verbessert werden. Dazu hat die FDP schon in der Vergangenheit Initiativen in den Landtag eingebracht. Viele Kliniken bieten bereits attraktive und flexible Arbeitszeitmodelle und Unterstützung bei der Kinderbetreuung an. Zudem benötigen Beschäftigte im stationären Bereich gesundheitsfördernde und weniger belastende Arbeitsbedingungen. Dazu gibt es in Krankenhäusern in NRW bereits gute Projekte - einige Kliniken bieten zum Beispiel Ausgleichssport oder eine 24-Stunden-Hotline an, die Mitarbeiter, deren psychische Belastung häufig sehr hoch ist, kontaktieren können.
    Olaf Wegner (PIRATEN)... müssen vor allem die Gesundheitsfachberufe attraktiver gestaltet werden. Es sind die schlechte Bezahlung und der enorme Stress bei enorm hoher Verantwortung, die viele dieser Berufe für die meisten Menschen unattraktiv machen. Da die Rund-um-die-Uhr-Pflege immer wichtiger wird, müssen wir endlich anfangen, unser Pflegepersonal wirklich zu unterstützen und die Ausbildung zu fördern. Ein weiteres großes Problem ist die verstärkte Unverträglichkeit von Familie und Beruf, die die meisten pflegenden Berufe mit sich bringen. Für dieses Problem wären z. B. Betriebs-Kindertagesstätten mit an den Arbeitszeiten angepassten Öffnungszeiten eine Lösung.

    Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wäre ein Fachkräftemangel in medizinischen Berufen fatal. Um dem vorzubeugen, ...

    Josef Neumann (SPD)... ist es wichtig, die bereits im Gesundheitswesen arbeitenden Fachkräfte zu halten und neue zu binden. Dafür sind unterschiedliche Stellenmodelle und Arbeitsangebote vonnöten. Es braucht viele Maßnahmen, um das vorhandene Personal zu stärken und nicht nur eine alleinige Zuwanderung von Fach- und Pflegekräften aus dem Ausland. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, das hohe Niveau des Gesundheitswesens gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung zu sichern. Da sind Arbeitgeber, Verbände und Staat gleichermaßen in der Verantwortung. Wir brauchen eine "Behaltekultur", für die bereits Beschäftigten, und für den Nachwuchs eine "Willkommenskultur".
    Peter Preuß (CDU)... müssen wir die Ausbildung von ausreichend medizinischen Fachkräften sicherstellen. Auch die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland kann dazu beitragen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Zudem muss der Telemedizin ein größerer Stellenwert eingeräumt werden. Sie ermöglicht es, unter Einsatz audiovisueller Kommunikationstechnologien trotz räumlicher Trennung Diagnostik, Konsultation und medizinische Notfalldienste anzubieten. Dies wird in Zukunft vor allem im ländlichen Raum ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung sein. Pflegebedürftigkeit muss durch Prävention und Rehabilitation so lange wie möglich vermieden werden.
    Arif Ünal (GRÜNE)... ist bereits durch Rot-Grün die Zahl der Medizinstudienplätze um zehn Prozent erhöht worden. 2011 bis 2015 werden jährlich rund 200 zusätzliche Medizinstudierende aufgenommen. 50 Millionen Euro stellt das Land hierfür bereit. Weitere Studienplätze werden im Rahmen einer Kooperation zwischen der Uni Bochum und den Kliniken in Ostwestfalen-Lippe eingerichtet. Gleichzeitig wollen wir die Studierenden auch für eine hausärztliche Tätigkeit interessieren und die Allgemeinmedizin in der Ausbildung stärken. Um die Ärztinnen und Ärzte auch für den ländlichen Raum zu gewinnen, bietet das Programm "Hausärztliche Versorgung" diverse Fördermöglichkeiten.
    Susanne Schneider (FDP)... ist es notwendig, die Wertschätzung für die Menschen in pflegerischen und medizinischen Berufen, die wichtigen Dienst in unserer Gesellschaft leisten, zu erhöhen. Die Ausbildung für Pflegeberufe muss generalisiert werden. Die Akademisierung zu fördern, ist sinnvoll - aber als Weiterbildung bereits ausgebildeter Pflegekräfte, nicht als Zugangsvoraussetzung. Um dem Ärztemangel im ländlichen Raum entgegenzuwirken, ist es notwendig, dass ein Medizinstudium mit guten Studienbedingungen in allen Landesteilen möglich ist. Damit die Studierenden wirklich im Arztberuf ankommen, müssen die Abbrecherquoten auf ihre Ursachen untersucht werden - hier ist Rot-Grün gefordert.
    Olaf Wegner (PIRATEN)... muss mehr in die Ausbildung der Altenpflege investiert und die Altenpflege selbst finanziell besser ausgestattet werden. Fehlt uns gut ausgebildetes Personal, riskieren wir, dass die durchschnittliche Lebenserwartung wieder sinkt. Dies gilt es, in jedem Fall zu verhindern. Wir müssen jetzt die Weichen für morgen stellen. Der Gesellschaft bleibt gar nichts anderes übrig, als die Pflege immer stärker finanziell zu unterstützen, wenn wir ein würdevolles Altern und Sterben ermöglichen wollen, was heutzutage schon immer seltener wird. Je länger wir warten, um so schlimmer wird die Notlage.

    Systematik: 5230 Medizinische Berufe; 5200 Gesundheit

    ID: LI140612

  • Voigt-Küppers, Eva-Maria (SPD); Kaiser, Klaus (CDU); Beer, Sigrid (Grüne); Gebauer, Yvonne (FDP); Pieper, Monika (PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: "Landtag Intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum Thema Bildung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 5 - 14.05.2014

    Um das Kinderbildungsgesetz sinnvoll zu reformieren, kommt es darauf an, ...

    Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) ... dass wir die frühkindliche Bildung finanziell weiter stärken und unterstützen, aber die anderen Beteiligten, vor allem Kommunen und Bund, nicht aus der Verantwortung entlassen. Das Land geht mit 390 Millionen Euro in Vorleistung. Wichtig sind für uns die Formulierung des Bildungsbegriffs und die Stärkung der Sprachförderung. Die neue Qualität setzt Maßstäbe für die Zukunft. Gleichzeitig entlasten wir Eltern und Fachkräfte.
    Klaus Kaiser (CDU) ... endlich wieder Qualität statt bloß Quantität in den Fokus zu rücken. Wer vom Kind aus denkt, der bemisst eine gute Kinderbetreuung in erster Linie an ihrer Qualität und weniger daran, ob sie beispielsweise kostenlos ist. Auch ist es nicht im Sinne der Kinder, wenn Betreuungsgruppen vollgestopft oder vergrößert werden.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... eine Weiterentwicklung zur Finanzierung und Qualitätsentwicklung zu finden, in der der Bund verlässlich mit im Boot ist. Platzangebot, Öffnungszeiten und Profil der Einrichtung sollen flexibler gestaltet werden. Der Spracherwerb soll einen höheren Stellenwert erhalten und die Qualität der Tagespflege gesichert werden.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... dass es für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege eine auskömmliche Grundfinanzierung gibt. Die Übernahme neuer Aufgaben muss mit entsprechenden Mitteln einhergehen, sonst werden die bereits an der Belastungsgrenze arbeitenden Erzieherinnen und Erzieher überfordert. Außerdem braucht es klare Regelungen, wie dem Wunsch der Eltern nach flexibleren Betreuungszeiten nachgekommen werden kann.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... dass die frühkindliche Bildung einen höheren Stellenwert bekommt. Die Maßnahmen müssen finanziell so ausgestattet werden, dass sie sinnvoll umgesetzt werden können. In einem eigenen Absatz müssen die Kinderrechte als zentraler Bezugsrahmen für die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen mit aufgenommen werden. Nur so werden die Rechte der Kinder im Alltag begreifbar und lebendig.

    Mit Blick auf die Diskussion um das Abitur nach acht Jahren sollte die gymnasiale Oberstufe zukünftig ...

    Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) ... in die Diskussion um die Länge des gymnasialen Bildungsganges miteinbezogen werden.
    Klaus Kaiser (CDU) ... so gestaltet sein, dass der Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen gestärkt wird durch fachlich und leistungsmäßig gut ausgebildete und damit studierfähige Abiturientinnen und Abiturienten.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... durchlässig und anschlussfähig für Schülerinnen und Schüler anderer Schulformen bleiben. Sekundarschulen haben Kooperationen mit der Oberstufe von Gymnasien beschlossen. Die Belastung der Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I (Klassen 5-9) soll unter anderem durch das Durchforsten der Lehrpläne und Integration der Schulaufgaben in den Ganztag gesenkt werden.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... in der dreijährigen Form an den unterschiedlichen Schulformen erhalten bleiben. Große Umstellungen an Gymnasien würden massiv Kräfte zehren. Es müssen jedoch endlich die Benachteiligung der Gymnasien beendet, die G8-Mängel behoben und ein vernünftiger Ausgleich zwischen Schul- und Freizeit für Kinder und Jugendliche hergestellt werden, so zum Beispiel durch mehr Stellen zur individuellen Förderung.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... flexible Angebote zur Verfügung stellen. Alle Gymnasien sollten sowohl G8 als auch G9 anbieten. Dies könnte durch die Alternativen zwei oder drei Jahre Oberstufe realisiert werden. Die sehr späte Entscheidung nach Klasse 10 hätte zum einen den Vorteil einer ziemlich sicheren Erfolgsprognose. Außerdem müssten durch das sowieso vorhandene Kurssystem in der Oberstufe keine extra Klassen gebildet werden.

    Damit Hochschulen zukunftsfähig und erfolgreich sein können, muss der Staat ...

    Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) ... alle Mitglieder der Hochschulen in den Mittelpunkt stellen und gute Rahmenbedingungen schaffen. Demokratische Mitbestimmung sowie gute Arbeitsbedingungen sind dafür genauso unverzichtbar wie eine solide Finanzierung und die Freiheit für Hochschulen, auch individuelle Lösungen zu finden. Hervorragende Forschung und Lehre müssen zudem in eine entsprechende Wissenschaftslandschaft eingebettet sein.
    Klaus Kaiser (CDU) ... den Hochschulen Autonomie und Wissenschaftsfreiheit zugestehen, statt sie - wie von Frau Schulze beabsichtigt - wieder ans bürokratisch bevormundende Gängelband zu nehmen.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... für eine ausreichende Finanzausstattung der Hochschulen sorgen, damit sie in Lehre und Forschung international Anschluss halten können. Die Lehrstühle wie die Stellen der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen müssen in Bezahlung und Perspektive attraktiv sein. Hier wie bei Kita und Schule muss endlich das Kooperationsverbot fallen.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... auf die Hochschulfreiheit setzen. In den letzten Jahren haben die nordrhein-westfälischen Hochschulen bewiesen, dass sie verantwortungsvoll und erfolgreich mit der ihnen übertragenen Autonomie umgehen. Nicht der diktierende Staat, sondern selbstständige Hochschulen führen zu exzellenter Forschung und Lehre. Nur eine Stärkung der Hochschulfreiheit kann diese Erfolge auch für die Zukunft sichern.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... als Garant der grundgesetzlich verankerten Freiheit von Forschung und Lehre handeln und wirken. Freiheit für Wissenschaft und Bildung beinhaltet ein Maximum an Unabhängigkeit sowohl von staatlichen Vorgaben als auch von Zwängen des Marktes. Denn der Kern guter Wissenschaft bedeutet ein möglichst offenes Fragen können.

    Noch immer hängt der Lernerfolg auch an der sozialen Herkunft der Kinder. Diesen Zusammenhang gilt es zu durchbrechen, indem ...

    Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) ... wir auf längeres gemeinsames Lernen setzen, um so zu einer größeren Bildungsgerechtigkeit zu gelangen.
    Klaus Kaiser (CDU) ... die Leistungsfähigkeit von Schülerinnen und Schülern gefördert wird, denn sozialer Aufstieg ist allein durch Leistung möglich.
    Sigrid Beer (GRÜNE) ... schon in der Kita bei allen Kindern alle Potenziale gefördert werden. Das muss sich in der Schule fortsetzen. Außerdem sind eine intensive Elternarbeit nötig sowie die Vernetzung im Schulumfeld, damit multiprofessionelle Unterstützung greifen kann. Der Sozialindex ist dabei ein sinnvolles Instrument.
    Yvonne Gebauer (FDP) ... insbesondere durch frühkindliche Förderung vor dem Schuleintritt und individuelle Förderung in der Schule diesem großen Problem entgegengewirkt wird. Leistungsvergleiche der Länder haben gerade wieder verdeutlicht, dass eine solche Entkopplung durch "längeres gemeinsames Lernen" als Änderung der Schulstruktur nicht gelingt, sondern der Fokus auf der inneren Schulentwicklung liegen muss.
    Monika Pieper (PIRATEN) ... genug personelle und sachliche Ressourcen in die Schulen gegeben werden, um eine echte individuelle Förderung sicherzustellen. Das umfasst sowohl die Lehrerversorgung als auch die flächendeckende Bereitstellung multiprofessioneller Teams, wie Sozialarbeiter und Psychologen. Daneben muss der Ganztag weiter ausgebaut werden. Auch hier müssen ausreichende Mittel für individuelle Förderung bereitstehen.



    Systematik: 4100 Bildung

    ID: LI140512

  • Abstand zwischen Bürger und Politik verkleinern.
    Die Landesverfassung auf dem Prüfstand - Bürgerbeteiligung erwünscht.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 8-9 in Ausgabe 4 - 09.04.2014

    Erstmalig nach 60 Jahren hat der Landtag eine Kommission zur Überarbeitung der Verfassung eingesetzt. Zwar wurde diese in der Zwischenzeit mehrmals geändert (siehe Seite 10), doch geschah dies im "normalen" parlamentarischen Verfahren. Jetzt soll einmal grundsätzlich überprüft werden, ob und inwieweit Anpassungen notwendig sind. So der Auftrag des Landtags an die Kommission. Landtag Intern sprach hierüber mit Prof. Dr. Rainer Bovermann, dem Vorsitzenden der Verfassungskommission.

    Wie kommt es zur heutigen Verfassungskommission?

    Prof. Dr. Bovermann: In den letzten Legislaturperioden hat es immer wieder Anträge zur Änderung einzelner Artikel der Verfassung gegeben, eingebracht von unterschiedlichen Fraktionen. Hinzu kommt der Wandel der gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Dadurch ist ein gewisser Beratungsdruck angewachsen. Auch wenn wir alle natürlich davon überzeugt sind, dass sich die Verfassung grundsätzlich bewährt hat.

    Ist die Landesverfassung teilweise aus der Zeit herausgewachsen?

    Im Jahr 1950 wurde die Verfassung in einem ganz bestimmten historischen Zusammenhang verfasst und in einem Referendum angenommen. Der Untergang der ersten Demokratie in Deutschland Anfang der 30er-Jahre sowie zwölf Jahre Diktatur und Weltkrieg hatten ihre Spuren hinterlassen. Also baute man auf eine starke repräsentative Demokratie. Im Laufe der Zeit ist aber der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach direkter Partizipation gewachsen. Gleichzeitig sinkt die Beteiligung an der repräsentativen Demokratie, nämlich an Wahlen. Darüber müssen wir nachdenken.

    Also könnten in der Verfassung künftig mehr Möglichkeiten direkter Demokratie festgeschrieben werden?

    Das ist nur ein Aspekt, mit dem sich die Kommission beschäftigen wird. Ob die erhoffte Wirkung dann auch eintritt, ist natürlich offen. Darüber hinaus ist es sinnvoll zu überlegen, wie sich unsere heutige repräsentative Demokratie erneuern kann, wie wir mehr Wissen über und Verständnis für unsere Form des Parlamentarismus erreichen können. Über die Verfassungsdiskussion im engeren Sinne hinaus betrifft diese Debatte zum Beispiel auch die Sprache der Politik und die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern. Schließlich geht es darum, das Interesse an Politik zu wecken und vor allem junge Menschen an die Demokratie heranzuführen.

    Ein konkretes Beispiel ...

    ... ist die Debatte über die Absenkung des Wahlalters. Immerhin liegt die Bildungspolitik in den Händen der Länder. Wesentliche politische Entscheidungen betreffen also genau die Menschen, die an Landtagswahlen nach derzeitigem Stand noch gar nicht teilnehmen können.

    Grundsätzlich geht es bei der Verfassungsdebatte also um die Organisation der Staatsgewalt?

    Ja, der Arbeitsauftrag betrifft nur den dritten Teil der Verfassung. Wir werden also nicht die Grundwerte unserer Landesverfassung infrage stellen, sondern uns mit Fragen der repräsentativen und der direkten Demokratie befassen, aber ebenso mit dem veränderten Verständnis von Gewaltenteilung. Heute kontrolliert weniger das Parlament die Regierung als vielmehr die Opposition die Regierung und die sie tragenden Fraktionen.
    Dazu gehört auch, die aktuelle Rolle des Verfassungsgerichtshofes zu erörtern, der sich vor allen Dingen mit Streitigkeiten zwischen Verfassungsorganen sowie der Normenkontrolle beschäftigt, der aber - anders als das Bundesverfassungsgericht - nicht von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern angerufen werden kann.

    Auch die Kommunen bilden einen Arbeitsschwerpunkt in Ihrer Kommission.

    Hier wird staatliches Handeln für die Bürgerinnen und Bürger häufig unmittelbar erfahrbar. Finanziell handlungsfähige Kommunen sind also notwendig. Diese dürfen zum Beispiel bei der Schuldenbremse - auch ein Thema für die Verfassungskommission - keine Ausfallbürgen des Landes werden. Daher wird sich die Verfassungskommission mit dieser politischen Ebene beschäftigen, auch wenn sie keinen eigenen Staatscharakter hat.

    Stichwort Schuldenbremse: Diese ist ja mittlerweile im Grundgesetz verankert.

    Hier haben wir zu überprüfen, ob und welche Regelungen in die Landesverfassung aufgenommen werden sollen und welchen Spielraum es überhaupt gibt. Dabei werden wir uns natürlich - wie bei vielen anderen Fragen - von externen Fachleuten beraten lassen.

    Haben auch die Bürgerinnen und Bürger Möglichkeiten zur Mitwirkung?

    Das Parlament verlangt in seinem Einsetzungsbeschluss ausdrücklich effektive und umfassende Mitwirkungsmöglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürger. Das heißt: Jede und jeder ist eingeladen, sich einzubringen. Dies kann über Briefe und E-Mails an die Verfassungskommission geschehen. Schon heute ist die Kommission auf der Webseite des Landtags präsent. In den nächsten Monaten soll eine eigene Homepage folgen. Auch über diese Kontaktseite sind dann Stellungnahmen willkommen. Erste Vorschläge zu konkreten Verfassungsänderungen haben wir schon erhalten. Sie finden natürlich Eingang in den Beratungsprozess.

    Die Bürgerinnen und Bürger können sich also schon heute beteiligen.

    Die Sitzungen der Verfassungskommission sind grundsätzlich öffentlich und werden auch live im Internet übertragen. Alle Protokolle und Stellungnahmen sollen offen zugänglich sein. Wir freuen uns also auf eigene Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger. Beides soll parallel laufen: die Beratungen in der Kommission gemeinsam mit Sachverständigen und die Anregungen der Bürgerinnen und Bürger.

    Auch mit dem Verfahren betritt der Landtag also Neuland?

    Zunächst ist spannend, dass wir ergebnisoffen diskutieren können und sollen. Zweitens suchen wir eine breite Beteiligung. Immerhin könnte der Landtag am Ende auch einen Volksentscheid über mögliche Verfassungsänderungen beschließen, was eine doppelte Legitimation bedeuten würde. Drittens brauchen wir in der Kommission wie auch im anschließenden parlamentarischen Verfahren mindestens eine Zweidrittelmehrheit. Insofern bin ich optimistisch, dass wir eine an der Sache orientierte Debatte führen werden. Nicht zuletzt haben wir den Druck der Öffentlichkeit: Alle, die das möchten, können selbst bewerten, ob da Fensterreden gehalten werden oder ob man sich aufeinander zubewegt. Meinem Eindruck nach sind die Diskussionen in der Kommission ausgesprochen konstruktiv und weniger parteipolitisch gekennzeichnet. Es hat schon seinen guten Grund, dass sich die Verfassung nicht mit einfacher Mehrheit ändern lässt.

    Ein offener Diskussionsprozess gerade auch im Internet ist ja nicht ohne Risiken.

    Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass es möglicherweise auch populistische Forderungen geben könnte. Ich werte aber die positiven Chancen höher als die Risiken. Insofern ist dies vielleicht für alle Beteiligten ein notwendiger Lernprozess. Jedenfalls ist es auch eine Aufgabe der parlamentarischen Demokratie, dass frei gewählte Abgeordnete mit den Bürgerinnen und Bürgern in Dialog treten und Meinungsverschiedenheiten austragen.

    Immerhin geht es möglicherweise auch um eine andere Verteilung von politischer Macht.

    Es wird gegebenenfalls nicht nur Gewinner geben. Wenn etwa das Landesparlament gestärkt werden sollte, kann es sein, dass eine andere Institution Macht abgeben muss. Und wenn die Bürger mehr direkte Mitwirkungsmöglichkeiten erhalten, werden die gewählten Repräsentanten auf Einfluss verzichten müssen. Dieses Spannungsfeld müssen wir aushalten.

    Daneben soll eine Verfassung ja auch geprägt sein von regionalen Eigenheiten.

    Auch wenn ich nicht weiß, ob wir NRW zum Freistaat erklären sollten - einen entsprechenden Vorschlag haben wir von Bürgerseite erhalten - so finde ich doch gut, dass in unserer Landesverfassung auch Besonderheiten wie zum Beispiel das Recht auf Arbeit und der Schutz des Kleingartenwesens enthalten sind. So etwas gehört einfach zu Nordrhein-Westfalen dazu.

    Wie ist nun der weitere Fahrplan der Verfassungskommission?

    Derzeit beraten wir über den Themenschwerpunkt Parlamentarismus und Landesregierung. Nach der Sommerpause wird es um Partizipationsmöglichkeiten und um die Schuldenbremse gehen. Danach befassen wir uns mit den Kommunen und dem Verfassungsgerichtshof. Bis Anfang 2016 wollen wir als Kommission fertig sein und dem Parlament unsere Empfehlungen vorlegen. Dann schließen sich das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren und gegebenenfalls ein Referendum an.

    Das Interview führten Sonja Wand und Christoph Weißkirchen.

    Zusatzinformation:
    Auf Antrag aller Fraktionen hat der Landtag die Kommission zur Reform der Landesverfassung eingesetzt. Geprüft werden solle laut Beschluss (Drs. 16/3428) zum Beispiel eine mögliche Änderung des Wahlalters, eine Stärkung der Abgeordnetenrechte, die Eidesformel, Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide sowie Beteiligungsmöglichkeiten von EU-Bürgerinnen und -Bürgern auf Landesebene.

    Die Arbeiten der Verfassungskommission können im Internet über verfassungskommission.landtag.nrw.de verfolgt werden. Die E-Mail-Adresse der Kommission lautet: verfassungskommission@landtag.nrw.de.

    Systematik: 1010 Staatsaufbau

    ID: LI140404

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Die Fraktionen im Landtag NRW