Suche in der Landtag-Intern-Datenbank

Hilfe

Suche

Mit diesem Suchfeld werden alle Wörter des Titels und des Artikels durchsucht, außerdem alle bei dem Artikel zusätzlich erfassten Angaben.

Trunkierung:
* am Ende eines Suchwortes ersetzt ein oder mehrere Zeichen.

Suchwortverknüpfungen:

–"und-Verknüpfung"
Mehrere hintereinander eingegebene Suchworte werden automatisch mit "und" verknüpft, d.h. alle Suchworte müssen in einem Artikel vorkommen.
–"oder-Verknüpfung"
Die Eingabe von "or" zwischen den Suchworten bewirkt eine "oder-Verknüpfung", d.h. es muss nur eines der Suchworte in einem Artikel vorkommen.
–"Phrasen-Suche"
Suchworte, die mit Anführungszeichen oder Hochkommata verbunden werden, werden nur dann gefunden, wenn sie in der vorgegebenen Reihenfolge in einem Artikel vorkommen.

Suchfeldverknüpfungen
Wenn Suchworte in mehreren Suchfeldern eingegeben werden, werden die Sucheinträge mit "und" verknüpft.

Autor

Beim Schreiben in das Feld "Autor" öffnet sich automatisch eine Vorschlagsliste, aus der durch Anklicken ausgewählt werden kann. Autoren sind Abgeordnete und Fraktionen. Journalisten sind nicht als Autoren, sondern über das Feld "Suche" recherchierbar. Mit dem Fraktionsnamen lassen sich nur die Beiträge des Feldes "Aus den Fraktionen" recherchieren.

Wenn kein Autor aus der Vorschlagsliste ausgewählt wird, bestehen folgende Verknüpfungsmöglichkeiten:

– "und-Verknüpfung"
Mehrere hintereinander eingegebene Namen werden automatisch mit "und" verknüpft, d.h. alle angegebenen Personen müssen Autoren eines gemeinsamen Artikels sein.
– "oder-Verknüpfung"
Die Eingabe von "or" zwischen mehreren Namen bewirkt eine "oder-Verknüpfung", d.h. nur eine der angegebenen Personen muss Autor eines Artikels sein.

Trunkierung
* am Ende eines Suchwortes ersetzt einen oder mehrere Buchstaben.

Suchfeldverknüpfungen
Wenn Suchworte in mehreren Suchfeldern eingegeben werden, werden die Sucheinträge mit "und" verknüpft.

Rubrik

In diesem Feld können Sie aus einer Liste die gewünschte Rubrik auswählen.
Rubriken sind über längere Zeiträume wiederkehrende Artikelformen, z.B. "Porträt" oder "Titelthema / Schwerpunkt".

Suchfeldverknüpfungen
Wenn Suchwörter in mehreren Suchfeldern eingegeben werden, werden die Sucheinträge mit "und" verknüpft.

Thema

In diesem Feld können Sie aus einer Liste von Themenbereichen auswählen.
Eine Suche mit "Themen" empfiehlt sich, wenn die freie Suchworteingabe zu viele oder gar keine Treffer ergibt.

Suchfeldverknüpfungen
Wenn Suchworte in mehreren Suchfeldern eingegeben werden, werden die Sucheinträge mit "und" verknüpft.

Lädt
Wählen Sie Suchergebnisse aus, die Sie gebündelt anzeigen oder ausdrucken lassen wollen.
  • Musik, Theater und das liebe Geld.
    Die Kulturförderung stand im Mittelpunkt einer Sachverständigenanhörung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 7 in Ausgabe 6 - 19.06.2018

    7. Juni 2018 - Wie steht es um die finanzielle Situation der kommunalen Theater und Orchester in Nordrhein-Westfalen? Zu dieser Frage haben sich Sachverständige im Ausschuss für Kultur und Medien geäußert.
    Hintergrund der Anhörung war ein Antrag der SPD-Fraktion ("Theater- und Orchesterpakt erneuern - Landesregierung soll Vielfalt der Theater- und Orchesterlandschaft in Nordrhein-Westfalen sicherstellen", Drs. 17/1992). Die Landesregierung hatte zudem angekündigt, im Kulturhaushalt mehr Geld für die kommunalen Theater und Orchester bereitzustellen. Bis zum Jahr 2022 sollen die Mittel um 30 Millionen Euro erhöht werden. 20 Millionen Euro seien als Basisförderung vorgesehen, 10 Millionen als zusätzliche Förderung für besondere Vorhaben und Profilbildung.
    Die angespannte finanzielle Situation vieler Städte und Gemeinden mache es "immer schwieriger, auskömmliche finanzielle Mittel" zur Bewahrung der kommunalen Theater und Orchester sicherzustellen, so die SPD-Fraktion in ihrem Antrag. Mit ihrem "Theater- und Orchesterpakt" habe die damalige rot-grüne Landesregierung deshalb im Jahr 2013 "ein Signal für den Erhalt der in den Kommunen vorhandenen Bühnen gesetzt". Die Landesförderung sei von 14,5 auf 19 Millionen Euro jährlich erhöht worden. Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen - etwa gestiegene Betriebskosten - reichten die Fördergelder aktuell nicht mehr aus. Der Pakt bedürfe einer Anpassung.
    Nordrhein-Westfalen verfüge mit 26 Theaterunternehmen und 22 Konzertorchestern über eine "vielfältige und in Europa einzigartige Theater- und Orchesterlandschaft", so Klaus Hebborn vom Städtetag in einer Stellungnahme für den Ausschuss. 18 Theater seien unter kommunaler Trägerschaft, ebenso 15 Orchester. Dass die Landesregierung die Förderung nun anheben wolle, sei zu begrüßen. Mit dieser Initiative werde auch "wesentlichen Forderungen des Antrags der SPD-Landtagsfraktion entsprochen". Der Städtetag halte jedoch an seiner Forderung fest, den Landesanteil der Gesamtförderung mittelfristig auf 20 Prozent zu erhöhen, sagte Hebborn. Mit der aktuell geplanten zusätzlichen Förderung seien es am Ende der Legislaturperiode etwa 9 Prozent.

    "Erster Schritt"

    Man begrüße das "Engagement der SPD-Fraktion, die kommunalen Theater und Orchester zu stärken", schrieb die "Orchesterkonferenz NRW" in ihrer Stellungnahme und hob vor allem die Personalkosten auf dem Kultursektor hervor. "Durch die Beschlüsse der gegenwärtigen Landesregierung wird bereits ein beträchtlicher Aufwuchs für die laufende Legislaturperiode geleistet", hieß es weiter. Dies könne aber nur "ein erster Schritt sein zu einem prozentual höheren Landesanteil der Theater- und Orchesterfinanzierung". Häufig sei die Vergabe zusätzlicher Fördermittel mit "Zusatzaufgaben" verbunden - zum Beispiel Angebote für Kinder, Jugendliche und ältere Menschen. Die Orchester in NRW hielten jedoch bereits entsprechende Programme vor. Sollten weitere Zusatzaufgaben gefordert werden, so Steffen Schrank von der Orchesterkonferenz, sollte es "möglichst unbürokratische und einfache Richtlinien geben".
    Der Landesanteil werde im Jahr 2022 zwar nicht bei 20 Prozent liegen, dennoch werde man "einen gewaltigen Schritt gegangen sein", sagte Michael Schmitz-Aufterbeck, Generalintendant des Theaters Aachen und Sprecher der ständigen Konferenz der Intendanten in NRW. Insgesamt begrüße man den eingeschlagenen Weg "außerordentlich". Wichtig seien nun Vereinbarungen zwischen Land, Kommunen und Theatern, "damit die Landesmittel wirklich zu einer Stabilisierung und Verbesserung der Theatersituation beitragen".
    Positiv sei, dass die Städte für die kommenden Jahre Planungssicherheit hätten, sagte Dr. Gert Fischer, Kulturdezernent der Stadt Mönchengladbach. Reinhard Knoll (Kulturrat NRW) wies ebenso wie andere Sachverständige auf die freie Theater- und Orchesterszene hin. Auch dort gebe es Unterstützungsbedarf.
    Die Schauspielerinnen Lisa Jopt (Bochum) und Julia Wolff (Wuppertal) machten auf die finanzielle Situation vieler Künstlerinnen und Künstler aufmerksam. Die Gagen seien zu niedrig, sagte Jopt. Es werde zwar "viel Kunst produziert", allerdings mit "zu wenig Leuten und zu wenig Geld". Kunst werde gefördert, soziale Standards aber würden nicht berücksichtigt. Nach Angaben von Julia Wolff setzen Männer zudem häufig bessere Gagen durch als Frauen. Außerdem sei es für Alleinerziehende schwierig, aufgrund der Arbeitszeiten eine Kinderbetreuung sicherzustellen.
    zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 8 und 9

    Systematik: 7100 Kunst/Kultur; 1220 Landesregierung

    ID: LI180610

  • Petelkau, Bernd (CDU); Bialas, Andreas (SPD); Deutsch, Lorenz (FDP); Keymis, Oliver (Grüne); Walger-Demolsky, Gabriele (AfD)
    Standpunkte: Meinungen zum Thema "Theater- und Orchesterpakt".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 6 - 19.06.2018

    Das kulturelle Angebot in Nordrhein-Westfalen ...

    Bernd Petelkau (CDU) ... zeugt von dem Reichtum seiner vielfältigen Regionen und seines kulturellen Erbes. Nordrhein-Westfalen ist ein europäisches Kulturland ersten Ranges. Die Kombination aus Industrie, Geschichte und moderner Kreativität, aus Denkmälern auf Weltniveau und kultureller Vielfalt in der Fläche sowie aus Spitzen- und Breitenkultur sticht dabei besonders hervor.
    Andreas Bialas (SPD) ... ist weltweit einzigartig. Es ist unsere Schuldigkeit und Aufgabe, es zu erhalten und stetig zu entwickeln.
    Lorenz Deutsch (FDP) ... ist vielfältig und facettenreich. Es gibt in Europa wenige Orte, wo auf so engem Raum so viele einzigartige Kulturinstitutionen unterschiedlichster Ausprägung vertreten sind. Gerade das Nebeneinander von sogenannter Hochkultur und einer ungeheuer vitalen freien Szene machen das Kulturland NRW einzigartig.
    Oliver Keymis (Grüne) ... ist in seiner Dichte und Vielfalt weltweit einzigartig und macht NRW attraktiv. Rund 350.000 Menschen in NRW arbeiten im Kultur- und Kreativbereich, vom Stadttheater über Werbeagenturen, dem WDR und RTL bis zur Games-Branche. Es ist gut und richtig, wenn das Land seinen Kulturhaushalt Zug um Zug verstärkt, so wie es auch auf Bundesebene geschieht.
    Gabriele Walger-Demolsky (AfD) ... ist vor allem den Kommunen zu verdanken. In den 60er und 70er Jahren waren die Städte besonders leistungsstark und haben die Kulturentwicklung im Land vorangetrieben. Diese Voraussetzungen haben sich aufgrund des Strukturwandels, aber auch durch Misswirtschaft drastisch verändert, meist verschlechtert.

    Kommunale Theater und Orchester ...

    Bernd Petelkau (CDU) ..., Opern, Tanztheater und die freie Szene prägen das Erscheinungsbild und die kulturelle Vielfalt unseres Landes. Nordrhein-Westfalens Theater- und Orchesterlandschaft ist einmalig. Ihre Vielfalt und Dichte sucht ihresgleichen in Europa. Die 18 rein kommunal getragenen Stadttheater und kommunalen Orchester sind überregional bedeutende Zentren der Produktion von Kunst.
    Andreas Bialas (SPD) ... sind für eine Demokratie systemrelevant; es sind Orte der Auseinandersetzung, der Selbstbetrachtung, der Verunsicherung, auch der Vergewisserung und der Unterhaltung.
    Lorenz Deutsch (FDP) ... erhalten nach jahrelangem Stillstand eine Jahr für Jahr steigende Landesfinanzierung. Sie sind wichtiger und fundamentaler Eckpfeiler der Kulturszene. Ihnen größtmögliche Unterstützung zu geben, ist auch ein Zeichen der Wertschätzung. Zudem werden mit der neuen Förderung die Anstrengungen der Kommunen anerkannt, die bisher den Großteil des Unterhalts leisten.
    Oliver Keymis (Grüne) ... sind die kulturellen Kristallisationspunkte einer Stadt oder einer Region. Wo Theater sind, gibt es freie Gruppen, wo Orchester sind, musizieren mehr Amateur*innen. Frühe Bühnenerlebnisse prägen Kinder und Jugendliche. Umso wichtiger ist es, Theater und Musik verstärkt zu fördern, damit dieses breite Angebot auch langfristig in NRW für alle garantiert werden kann.
    Gabriele Walger-Demolsky (AfD) ... sind von der Entwicklung der Städte abhängig und daher auch vielerorts in ihrer Existenz gefährdet. Wenn Städte gezwungen sind, im Rahmen der Haushaltssicherung ihre Ausgaben zu reduzieren, geschieht dies verständlicherweise in den meisten Fällen eher zulasten der Kultur als zulasten anderer Ressorts, insbesondere von z. B. Transferleistungen.

    Ihre Finanzierung ...

    Bernd Petelkau (CDU) ... muss so aufgestellt sein, dass sich Theater und Orchester gut entwickeln können und zukunftsfähig werden. Die Stabilisierung dieser Orte der Kunst wird auch die Kommunen und das Land stärken. Auf Initiative der NRW-Koalition werden die Landesmittel bis 2022 um 30 Millionen € erhöht. Dies ist auch ein Zeichen der Wertschätzung in Richtung der Kommunen, die das finanzielle Gros tragen.
    Andreas Bialas (SPD) ... ist abhängig von finanzkräftigen und gesunden Städten. Diese Stärke der Städte ist zu gewährleisten. Das Land muss zum Erhalt auf verschiedene Arten beitragen.
    Lorenz Deutsch (FDP) ... wird endlich aufgestockt. Das Land stellt für die kommunalen Theater und Orchester in diesem Jahr 6 Millionen Euro Basisförderung zur Verfügung. Bis 2022 werden die Mittel im Kulturhaushalt um 30 Millionen Euro auf dann 50 Millionen Euro erhöht. Auch die jährliche Landesförderung für die freien darstellenden Künste wird bis 2020 um 4,5 Millionen auf 12,5 Millionen aufgestockt. Dies schafft Planungssicherheit für die freie Theater und Ensembles.
    Oliver Keymis (Grüne) ... soll auch weiterhin durch die Städte gesichert werden. Richtig ist auch, wenn das Land sich zu dieser kulturellen Aufgabe künftig noch stärker bekennt. Die dichte Theater- und Orchesterlandschaft Nordrhein-Westfalens muss verstärkt mitgefördert werden. Damit muss NRW als Partner der Städte verlässlich zum Erhalt des Kulturlandes NRW beitragen, entsprechend der Landesverfassung Artikel 18.
    Gabriele Walger-Demolsky (AfD) ... kann mit der Weiterentwicklung des Theater- und Orchesterpakts gesichert werden. Das Land übernimmt einen Teil der Verantwortung und einen Ausgleich für viele Aufgaben, die in den letzten Jahren übertragen wurden. Wünschenswert wäre zudem eine konsequente Betrachtung der Steuerungskennzahlen. Hier zeigt sich, dass die Häuser ein sehr unterschiedliches Verhältnis von Besucherzahlen zum Finanzierungsbedarf haben.

    Die Gagen der Künstlerinnen und Künstler ...

    Bernd Petelkau (CDU) ... sind Investitionen in die Kreativität und die Qualität unseres Landes. Mit den zusätzlichen Landesmitteln hilft die NRW-Koalition denen, die sie bezahlen, dass sie das auf einem fairen und angemessenen Niveau tun können.
    Andreas Bialas (SPD) ... sind zum Teil beschämend. Neben der Produktion ästhetischer Inhalte ist die Betrachtung und Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensverhältnisse zwingend.
    Lorenz Deutsch (FDP) ... sind aktuell mit 2.000 Euro brutto zum Einstieg für Hochschulabsolventen erschütternd gering. Die zusätzlichen Mittel werden für mehr Spielraum sorgen. Dies zeigt auch die erfreuliche Aussage des Städtetags und der Intendantenkonferenz in der Anhörung, dass die Basisförderung insbesondere auch für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Künstlerinnen und Künstler eingesetzt werden soll.
    Oliver Keymis (Grüne) ... sind insgesamt viel zu niedrig und werden der Leistung nicht gerecht. Dringend müssen alle Künstler*innen bessere Gagen bekommen, hier fehlt es auf allen Ebenen. Wir brauchen kreative Kräfte. Und jeder Euro, den wir in die Kultur investieren, setzt circa drei Euro ökonomisch in Gang. Das nützt am Ende uns allen.
    Gabriele Walger-Demolsky (AfD) ... insbesondere in den Theatern, entsprechen vielfach nicht der allgemeinen Lohnentwicklung im Land. Mit der Erhöhung der Landeszuschüsse können die Theater die Gagen in den nächsten Jahren den tatsächlichen Lebenshaltungskosten anpassen. Wir neigen in Deutschland dazu, Menschen, die ihren Beruf mit Herzblut ausüben, besonders gering zu bezahlen - das darf nicht sein!

    ID: LI180611

  • Zurück zum Abi nach neun Jahren.
    Sachverständige äußerten sich in Anhörung zu G9.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 5 - 23.05.2018

    2. Mai 2018 - Es war eine Mammut-Anhörung: Im Mittelpunkt stand die geplante Rückkehr zum neunjährigen Bildungsgang an Gymnasien (G9); rund 40 Sachverständige äußerten sich dazu. Zwei Durchgänge waren erforderlich - der erste von 10 bis 13 Uhr, der zweite ab 14 Uhr. Weitere 27 Sachverständige waren ausschließlich um schriftliche Stellungnahmen gebeten worden.
    Grundlagen der gemeinsamen Anhörung des Ausschusses für Schule und Bildung sowie für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen im Plenarsaal waren das "Gesetz zur Neuregelung der Dauer der Bildungsgänge im Gymnasium" (Drs. 17/2115), ein Gesetzentwurf der Landesregierung, sowie der Antrag der SPD-Fraktion "Abitur nach 9 Jahren - (Oberstufen-)Reform richtig angehen" (Drs. 17/1818).
    Kernpunkte des Gesetzentwurfs sind, so die Landesregierung, "die Leitentscheidung der grundsätzlichen Umstellung auf den neunjährigen Bildungsgang an den öffentlichen Gymnasien, die Regelung einer einmaligen gemeinsamen Entscheidung von Schulkonferenz und Schulträger über die Beibehaltung von G8 sowie die Ermöglichung der individuellen Verkürzung des neuen neunjährigen Bildungsgangs am Gymnasium auch in Gruppen".
    Die SPD-Fraktion fordert in ihrem Antrag u. a. eine einheitliche Gestaltung der Reform. Den Bildungsgang G9 müsse es an allen Gymnasien geben. Zugleich müsse die Oberstufe so reformiert werden, "dass der Regelfall das Abitur nach neun Jahren ist, die Absolvierung nach acht Jahren schulrechtlich aber möglich bleibt".

    Leitentscheidung

    Der NRW-Städtetag begrüßte in der Anhörung die Leitentscheidung zu G9 und auch die "vorgesehene einmalige Möglichkeit, ein G8- Gymnasium auf der Grundlage eines qualifizierten Beschlusses der Schulkonferenz und der Zustimmung des Schulträgers fortzuführen". Der Verband deutscher Privatschulen in NRW sprach sich ebenfalls für eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Verbleib in G8 und der Rückkehr zu G9 aus.
    Die Wahlmöglichkeit entspreche den Zusagen der Landesregierung, die sie in ihrem Koalitionsvertrag gemacht habe, teilte der Philologen-Verband Nordrhein-Westfalen in seiner Stellungnahme mit. Die in Aussicht gestellte Stärkung von G8-Gymnasien müsse zeitnah konkretisiert werden.
    Das Katholische Büro NRW sowie das Evangelische Büro NRW erachten die Beibehaltung des achtjährigen Bildungsganges auch "pädagogisch" für "richtig". Kirchliche Schulen, die zu G9 zurückkehren wollten, benötigten die finanzielle Unterstützung des Landes und zudem Planungssicherheit.
    Gegen das Nebeneinander von G8 und G9 sprachen sich bei der Anhörung mehrere Verbände aus: Der Verband Bildung und Erziehung NRW etwa forderte in seiner Stellungnahme eine "konsequente Rückkehr zu G9". Das Nebeneinander zweier Schulformen könne zu Komplikationen führen, u. a. bei einem Schulwechsel, da Lehrpläne nicht kompatibel seien.
    Die Landeselternschaft der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen wies in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass die Beibehaltung der achtjährigen Gymnasialzeit zu "zwei unterschiedlichen Qualitätsstandards" führe. "Dies halten wir für nicht akzeptabel." Wollten leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler ihre Schulzeit verkürzen, könnten sie z. B. eine Klasse überspringen.
    Auch die Landeselternkonferenz NRW sieht "keine Vorteile in der Schaffung paralleler Strukturen". Ob Eltern ein G8- oder G9- Gymnasium befürworteten, könne vor Ort "sehr emotional geführte Diskussionen" nach sich ziehen. Es bestehe zudem die Gefahr, dass Schulen aus Kosten- und Realisierungsgründen bei G8 blieben.
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund NRW und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW wiesen darauf hin, dass "zwei gymnasiale schulische Subtypen" eine "grundsätzlich falsche schulpolitische Weichenstellung" darstellten. Dieser Ansicht waren auch die rheinische sowie die westfälisch-lippische Direktorenvereinigung. Sie regten in ihren Stellungnahmen an, alle Gymnasien ausnahmslos als G9-Gymnasien zu führen.
    Ähnlich äußerten sich der NRW-Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund in einer gemeinsamen Stellungnahme. Der Anteil der Schulen, die an G8 festhalten wollten, sei "deutlich kleiner als von den Koalitionsparteien offenbar angenommen".
    In der Stellungnahme der Landesschüler*-innenvertretung NRW hieß es: "Das gleichzeitige Bestehen von G8- und G9-Gymnasien würde ein weiteres Mal unnötige Unruhe in unser Bildungssystem bringen." Stattdessen forderten die Schülerinnen und Schüler eine "flexible Oberstufe, die zwei bis vier Jahre dauern kann".
    tob/zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 8 und 9

    Systematik: 4200 Schulen; 4100 Bildung

    ID: LI180504

  • Rock, Frank (CDU); Ott, Jochen (SPD); Müller-Rech, Franziska (FDP); Beer, Sigrid (Grüne); Seifen, Helmut (AfD)
    Standpunkte: Meinungen zum Thema "Rückkehr zu G9".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 5 - 23.05.2018

    Die Rückkehr zu G9 ...

    Frank Rock (CDU) ... ist von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen und wird durch die Leitentscheidung der Landesregierung umgesetzt. Nun gilt es, den Umstellungsprozess bestmöglich zu organisieren und das neue G9, beispielsweise durch die längst überfällige Entwicklung neuer Kernlehrpläne, qualitativ hochwertig umzusetzen.
    Jochen Ott (SPD) ... halten wir für richtig. Die Politik - auch die SPD - hat sich von Wirtschaftsverbänden in eine Verkürzung der Schulzeit treiben lassen. Verschärft haben das CDU und FDP bei der Umsetzung: Sie haben in der Mittelstufe gekürzt und damit den Druck auf die Kinder in der Pubertät damit deutlich erhöht.
    Franziska Müller-Rech (FDP) ... ist ein notwendiger und richtiger Schritt. Die Akzeptanz für G8 ist in großen Teilen der Bevölkerung nicht mehr ausreichend vorhanden, sodass die Leitentscheidung für G9 dem Wunsch vieler Eltern sowie Schülerinnen und Schüler entspricht. Wir nehmen die Sorgen und Wünsche der Familien ernst. Bei allen Überlegungen muss stets die Qualität gymnasialer Bildung im Zentrum stehen.
    Sigrid Beer (Grüne) ... ist die Lehre aus einem schwierigen Prozess. CDU und FDP haben den massiven Eingriff in der Sekundarstufe I zu verantworten. Das verlangte Schulen und Schulträgern viel ab. Es gelang dann trotz aller Bemühungen zur Schulentwicklung nicht, die Unzufriedenheit bei Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften aufzulösen. Deshalb tragen wir GRÜNE den Weg zurück zu G9 im Grundsatz mit.
    Helmut Seifen (AfD) ... ist die logische Konsequenz aus der Einsicht, dass der Versuch einer Effizienzsteigerung, der den Betroffenen viel zu lange schwerwiegende Belastungen auferlegt hat, grandios gescheitert ist. Die Beendung der verunglückten Schulzeitverkürzung am Gymnasium ist somit ein begrüßenswerter Schritt, wie ihn die AfD-Landtagsfraktion schon im Juli 2017 in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hat.

    Die Option, G8 beizubehalten ...

    Frank Rock (CDU) ... ist ein sinnvolles Angebot, welches die Wahlfreiheit von Schülern, Eltern und Lehrern respektiert. Durch die Entscheidungsmöglichkeit der Schulkonferenz wird Schulen mit einem gut funktionierenden achtjährigen Bildungsgang die Möglichkeit eröffnet, dieses System beizubehalten. Auch Schulen, die sich für die Beibehaltung des G8 entscheiden, erhalten zusätzliche Unterstützung für eine qualitativ hochwertige Umsetzung.
    Jochen Ott (SPD) ..., trägt erneut Unruhe in die Schulen. Eltern und Schülerinnen und Schüler, die selbst nicht betroffen sind, entscheiden über den Bildungsgang ihrer Nachfolger. Im ländlichen Raum gibt es keine Wahlmöglichkeit und in den Städten die zusätzliche Verunsicherung, ob man einen Platz an der gewünschten Schule bekommt.
    Franziska Müller-Rech (FDP) ... ist uns ein wichtiges Anliegen. Die Gymnasien, die G8 fortsetzen wollen, sollen diesen Weg auch weiterhin gehen können. Einen Zwang zur Rückkehr zu G9 lehnen wir Freie Demokraten ab. Wir hören auch die Meinung einer qualifizierten Minderheit und stärken die Eigenverantwortlichkeit der Schulen vor Ort. Darauf haben wir uns im Koalitionsvertrag mit der CDU verständigt und dabei bleiben wir auch.
    Sigrid Beer (Grüne) ... unterhöhlt die notwendige klare Leitentscheidung für G9. Sie macht Schulwechsel z.B. bei Umzügen schwieriger. Da Schwarz-Gelb im Gesetzentwurf trotz breiter Kritik vorsieht, dass Schulen auch nach 2019 zwischen G8 und G9 wechseln können, sorgt die Landesregierung für weitere Unsicherheit in Schulen und Kommunen. Sie verursacht zudem erheblichen Mehraufwand, da auch für G8 weiter Lehrpläne überarbeitet werden müssen.
    Helmut Seifen (AfD) ... bedeutet in erster Linie eine Übertragung von Verantwortlichkeit auf die einzelne Schule; damit würde die Politik die eigene Verantwortung fahrlässig abwälzen. Hinzu käme eine Verunsicherung, die Schüler, Eltern und Lehrer gleichermaßen beträfe. Für unser Land benötigen wir jedoch ein grundständiges G9 mit Individualisierungsoptionen.

    Die Finanzierung ...

    Frank Rock (CDU) ... wird aufgrund des Konnexitätsprinzips in einem transparenten und offenen Verfahren gemeinsam mit der kommunalen Familie sichergestellt. Eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für diese Gespräche bietet dabei ein Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Schule und Bildung.
    Jochen Ott (SPD) ... der Rückkehr zu G9 muss gesichert und die Kosten sollten zeitnah ermittelt werden. Das Gesetz zu G9 und das Gesetz zur Konnexität müssen zwingend zeitgleich wirksam werden. Dies alles muss geschehen, bevor die Schulkonferenzen eine Entscheidung treffen, damit alle handelnden Akteure die genauen Auswirkungen kennen. Und vor allem dürfen die Kommunen nicht unnötig belastet werden.
    Franziska Müller-Rech (FDP) ... ist für die Schulträger ein wichtiges Thema. Gleichzeitig zum 13. Schulrechtsänderungsgesetz wird ein Belastungsausgleichsgesetz in Kraft treten. Schulministerin Yvonne Gebauer hat zugesagt, den Trägern ein fairer Partner zu sein. Das Land hat angekündigt, die kommunalen Kosten, die im Rahmen des G9-Gesetzes entstehen werden, zu übernehmen.
    Sigrid Beer (Grüne) ... zusätzlicher Lehrerstellen und notwendiger Investitionen darf nicht zulasten anderer Schulformen und der Kommunen gehen. Die Kosten für den erhöhten Raumbedarf (z.B. Klassen-, Differenzierungsräume, Ausstattung, Außenanlagen), aber auch für Schülerfahrkarten und steigende Betriebskosten wie beispielsweise Sekretariate sind konnexitätsrelevant und müssen vom Land in voller Höhe ersetzt werden.
    Helmut Seifen (AfD) ... einer Rückkehr zu G9 gestaltet sich in Anbetracht der politisch auferlegten Probleme der letzten Jahre schwieriger als nötig. Unabhängig davon können Finanzierungshürden kein Argument sein, die Rückführung dieses Irrwegs infrage zu stellen: Jeder einzelne in die Bildung investierte Euro zahlt sich vielfach aus!

    Schülerinnen und Schüler ...

    Frank Rock (CDU) ... stehen im Mittelpunkt unserer Schulpolitik. Immer wieder wurde im Vorfeld der Leitentscheidung der Wunsch geäußert, Schülerinnen und Schülern mehr Zeit bis zum Schulabschluss zu geben. Diesem Wunsch kommt die NRW-Koalition mit dem Gesetzentwurf nach und gibt zugleich leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, auch an einem G9-Gymnasium, alleine oder in Gruppen Klassen zu überspringen.
    Jochen Ott (SPD) ... wollen mehrheitlich keine starren Bildungsgänge mehr, sondern die Möglichkeit für einen flexiblen Weg zum Abitur. Diese zusätzliche Zeit kann für ein Praktikum, einen Auslandsaufenthalt, ehrenamtliches Engagement oder zum Ausgleich von Defiziten genutzt werden. Dafür sollen Schulen den Rahmen bieten. Wir müssen die Zeit dringend für eine Oberstufenreform nutzen.
    Franziska Müller-Rech (FDP) ... sind der Ausgangs- und Mittelpunkt unserer Bildungspolitik. Der Wunsch nach G9 an Gymnasien entspringt aus der Mitte vieler Schülerschaften und deren Eltern. Im Gesetzesentwurf ist neben der Option für G8 aber auch das sogenannte Springermodell verankert. Leistungsstarken Schülerinnen und Schülern wird damit das Überspringen einer Klasse, auch in Gruppen, ermöglicht.
    Sigrid Beer (Grüne) ... benötigen in allen Schulen mehr individuelle Förderung und Möglichkeiten, durch individuelle Lernzeiten und Lernwege das Tempo ihrer Lernbiografie zu bestimmen. Ein G8-Zweig ist hierfür nicht der richtige Weg, stattdessen brauchen die Schulen die pädagogische Freiheit, solche individuellen Wege zu ermöglichen, wie es an einigen Gymnasien und Gesamtschulen im Land schon erfolgreich praktiziert wird.
    Helmut Seifen (AfD) ... erhalten durch eine Rückkehr zu G9 die notwendige und so überaus wertvolle Zeit für ihren persönlichen Reifungs- und Entwicklungsprozess zurück. Jungen Menschen wurden durch die Verdichtung der gymnasialen Bildung wertvolle Entfaltungschancen im außerschulischen Bereich entzogen.

    ID: LI180508

  • Landtag erinnert an die Gründung des Staates Israel vor 70 Jahren.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 5 - 23.05.2018

    14. Mai 2018 - Mit einer großen Festveranstaltung hat der Landtag den 70. Jahrestag der Gründung des Staates Israel gefeiert. Grußworte sprachen der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff, Ministerpräsident Armin Laschet und Dr. Oded Horowitz, der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein.
    André Kuper, der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen, begrüßte im Beisein der Vizepräsidentinnen Carina Gödecke und Angela Freimuth sowie des Vizepräsidenten Oliver Keymis mehrere Hundert Gäste im Plenarsaal - unter ihnen zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter des öffentlichen Lebens, u. a. aus Politik, Kultur und Kirche. Ein besonderer Willkommensgruß galt Günther Otten, dessen Großeltern Josef und Maria Otten während der Veranstaltung posthum als "Gerechte unter der Völkern" geehrt wurden, und Alexandra Nooitrust. Das Ehepaar Otten hatte ihrem Urgroßvater Emanuel Nooitrust während der Nazizeit das Leben gerettet (Bericht unten).

    Verlässliche Beziehungen

    Die Beziehungen zwischen Israel und Nordrhein- Westfalen seien verlässlich, sagte der Landtagspräsident: "Die deutsch-israelische Freundschaft lebt." Kuper erinnerte daran, dass der junge Staat noch in der Nacht seines Gründungstages seinen ersten Krieg zu bestehen hatte - "gegen sechs Staaten, die Israel zerstören wollten". Dank der Unterstützung durch die USA und der Sowjetunion sei dieser Plan nicht aufgegangen. Im Mittelpunkt des Festaktes stehe "das Bekenntnis unserer unzweifelhaften Solidarität, wohlwissend um die großen Herausforderungen und Aufgaben, in die nicht nur der Staat und die Menschen in Israel, sondern in die die ganze Völkergemeinschaft und wir alle gestellt sind".
    Jeremy Issacharoff, der Botschafter des Staates Israel in der Bundesrepublik Deutschland, hob in seinem Grußwort die engen Beziehungen zwischen Israel und Nordrhein- Westfalen hervor. Er erinnerte an zahlreiche Partnerschaften, etwa auf kultureller und sportlicher Ebene. "Diese Freundschaft besteht nicht nur auf dem Papier", sagte der Botschafter. Von großer Bedeutung seien der Austausch und die Begegnungen gerade junger Menschen. Wichtig sei aber auch, sich zu erinnern und aus der Vergangenheit zu lernen: "Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber die Vergangenheit kann uns ändern."
    Ministerpräsident Armin Laschet sprach von einem "besonderen Tag". Kein anderes Bundesland pflege so kontinuierliche, so enge und freundschaftliche Beziehungen zu Israel wie Nordrhein-Westfalen: "Alle nordrhein-westfälischen Landesregierungen haben sich mit besonderem Engagement für die Verständigung und Zusammenarbeit mit Israel eingesetzt." Wie Botschafter Issacharoff wies auch Laschet auf die Bedeutung des Jugendaustauschs hin. Diese Begegnungen seien wichtig für eine Generation, "für die der Holocaust immer weiter weg ist".
    "70 Jahre Israel stehen für Pioniergeist, für einen unbeugsamen Willen, für ökonomischen und wissenschaftlichen Erfolg, für eine demokratisch geprägte, vitale, junge und lebensbejahende Gesellschaft, für Toleranz, Akzeptanz und Vielfalt, für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft", sagte Dr. Oded Horowitz, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein. Was Israel jetzt aber vor allem brauche, seien "verlässliche Partnerinnen und Partner, Freundinnen und Freunde". Für den musikalischen Rahmen der Festveranstaltung sorgten der Kinderchor der Kulturakademie der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf sowie das Streichquartett der Robert-Schumann-Musikhochschule Düsseldorf.
    Zab

    "Liebe Großeltern, das habt ihr gut gemacht"

    Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat im Auftrag des Staates Israel bislang rund 26.500 nicht-jüdische Menschen als "Gerechte unter den Völkern" anerkannt, darunter 601 Deutsche. Sie alle hatten während der Nazizeit Mut bewiesen und ihr Leben riskiert, um jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern das Leben zu retten, ohne daraus einen persönlichen Vorteil oder Gewinn zu ziehen. Bei der Festveranstaltung im Landtag wurde das Düsseldorfer Ehepaar Josef und Maria Otten posthum als "Gerechte" geehrt. Ihr Enkelsohn Günther Otten nahm die Yad-Vashem-Medaille und die Urkunde entgegen.
    Maria (1904-1959) und Josef Otten (1903- 1979) - sie Hausfrau, er gelernter Mechaniker - hatten von Herbst 1944 an den Juden Emanuel Nooitrust in ihrem Keller versteckt und mit Lebensmitteln versorgt, später auch dessen Bruder Salomon. Das Ehepaar habe ständig mit der Gefahr gelebt, denunziert zu werden, sagte Sandra Witte von der Botschaft des Staates Israel in einer bewegenden Ansprache. Dennoch hätten Josef und Maria Otten "in der dunkelsten Zeit der Geschichte Menschlichkeit bewahrt".
    Günther Otten, Enkelsohn der Geehrten, richtete einige Worte im Namen seiner Familie an die Gäste der Festveranstaltung. Die posthume Auszeichnung sei eine große Ehre, sagte Otten. Seine Großeltern hätten den Mut gehabt, "der Stimme ihres Gewissens zu folgen" und sich von ihrem Mitgefühl leiten lassen. "Liebe Großeltern", sagte Otten, "das habt ihr gut gemacht." Zab

    Bildunterschriften:
    Günther Otten und Alexandra Nooitrust mit einem Foto von Maria und Josef Otten, die posthum als "Gerechte unter den Völkern" ausgezeichnet wurden.
    Die Yad-Vashem-Medaille für Josef und Maria Otten.

    ID: LI180509

  • Wenn es allein nicht mehr geht.
    Sachverständige äußern sich zum Wohnen im Alter und bei Pflegebedürftigkeit.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 4 - 02.05.2018

    11. April 2018 - Im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales ging es um Alternativen zu klassischen Heimeinrichtungen. Mehrfach haben Expertinnen und Experten in der Anhörung auf den Grundsatz "ambulant vor stationär" hingewiesen.
    In Nordrhein-Westfalen seien rund 640.000 Menschen pflegebedürftig, schreibt die Fraktion der Grünen in ihrem Antrag "Selbstbestimmtes Wohnen für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf in NRW weiter ausbauen" (Drs. 17/1279). Für 2060 seien bei herkömmlicher Fortschreibung 920.500 Betroffene prognostiziert. Umfragen zufolge suche ein Großteil der Menschen im Alter und bei Pflege "nach Alternativen zu den traditionellen Heimeinrichtungen". Vielerorts fehle es aber an Angeboten "außerhalb der klassischen stationären Großeinrichtung". Die Fraktion fordert die Landesregierung u. a. auf, "einen umfassenden Ausbau von Alternativen für ein selbstbestimmtes Wohnen mit intensiver Pflege und Unterstützung" zu befördern.
    Auf Nordrhein-Westfalen komme "ein tiefgreifender, gleichzeitig aber regional unterschiedlich verlaufender Wandel von Alters- und Pflegestrukturen zu", heißt es in einer Stellungnahme des Sozialverbands VdK für den Ausschuss. Der "Verbleib im eigenen Quartier" müsse zur Normalität werden. Erforderlich seien u. a. barrierefreie Wohnungen. Allerdings seien in NRW derzeit nur etwa 3 Prozent der 8,6 Millionen Wohnungen zumindest mit einem barrierearmen Standard ausgestattet. Bei Wohn- und Pflegeangeboten müsse der Grundsatz "ambulant vor stationär" gelten.
    Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände wies ebenfalls auf diesen Grundsatz hin. Er sei "bundesrechtlich verankert"; der Landesgesetzgeber habe keine Möglichkeit, abweichende Regelungen zu treffen. Insoweit unterstütze man den Antrag der Grünen-Fraktion. Allerdings sei festzustellen, "dass die Lebenswirklichkeit in Wohngemeinschaften für Intensivpflegepatientinnen und -patienten zum Teil nicht mehr einem selbstbestimmten Leben in der eigenen Häuslichkeit entspricht". Dies gelte zum Beispiel für Wachkomapatienten in ambulanten Wohngemeinschaften: "Derartigen Fehlentwicklungen sollte auch bei Anwendung des Grundsatzes ‚ambulant vor stationär‘ gegengesteuert werden."
    Helmut Wallraffen, Geschäftsführer der Sozial-Holding Mönchengladbach, teilte die Auffassung der Grünen-Fraktion, dass "der Großteil der Menschen im Alter und bei Pflege nach Alternativen zu den traditionellen Heimeinrichtungen sucht". Auf der anderen Seite sei es für einige Pflegebedürftige aber besser, in einer vollstationären Altenpflegeeinrichtung zu leben. Auch Wallraffen wies auf den Grundsatz "ambulant vor stationär" hin. Der "umfassende Ausbau von Alternativen für ein selbstbestimmtes Wohnen" müsse "unbedingt weiter vorangetrieben werden", weil er den Wünschen einer älteren Gesellschaft gerecht werde.

    "Komplexe Herausforderungen"

    Der Ausbau ambulanter Angebote sei wichtig, angesichts der "komplexen Herausforderungen allein aber nicht ausreichend", so die Freie Wohlfahrtspflege NRW in ihrer Stellungnahme. Der Sozialverband Deutschland begrüßte den Antrag. Allerdings müssten auch die "erforderlichen zusätzlichen finanziellen Ressourcen mobilisiert werden".
    Es gebe derzeit "zu wenige bezahlbare Wohnungen, die den individuellen Bedürfnissen für ein selbstbestimmtes Leben von pflegebedürftigen alten Menschen und Menschen mit Behinderung gerecht werden", so die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Nötig seien sowohl Investitionen in vollstationäre als auch in ambulante Angebote. Die "altersgerechte Weiterentwicklung von Wohnquartieren" sei ein "Schlüssel zur Bewältigung der Herausforderungen". In der Stellungnahme heißt es weiter: "Insbesondere sind die Angebote an altengerechten Wohnungen auszubauen und quartiersorientierte Prozesse z. B. durch alternative Wohnformen wie Gruppenwohnungen oder ambulante Pflegegemeinschaften für Demenzkranke im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung zu initiieren."
    Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste sieht den Antrag der Grünen-Fraktion eher kritisch: "Die Behauptung, dass vorrangig auf traditionelle Großeinrichtungen gesetzt wurde, lässt sich nicht belegen und entbehrt jeglicher Grundlage." Probleme sieht der Verband bei der Kurzzeitpflege - es gebe zu wenig Angebote. Er empfiehlt eine "Rückbesinnung auf marktwirtschaftliche Prinzipien mit einer Stärkung des in der Pflegeversicherung verankerten Wettbewerbsgedanken zwischen den Anbietern pflegerischer Leistungen". Außerdem: Wer ambulante Wohngemeinschaften "immer noch so stark hervorhebt und als Kompensation für vollstationäre Pflegeangebote ‚überhöht‘, verkennt die Realität und die großen Herausforderungen, vor denen wir (...) versorgungspolitisch stehen."
    zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 5060 Alte Menschen; 5110 Sozialversicherung

    ID: LI180403

  • Preuß, Peter (CDU); Neumann, Josef (SPD); Schneider, Susanne (FDP); Mostofizadeh, Mehrdad (Grüne); Dr. Vincentz, Martin (AfD)
    Standpunkte: Meinungen zum Thema "Selbstbestimmtes Wohnen".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 4 - 02.05.2018

    Selbstbestimmtes Wohnen ...

    Peter Preuß (CDU) ... muss auch bei Menschen mit Pflegebedürftigkeit und Unterstützungsbedarf eine Selbstverständlichkeit sein. Die CDU-Landtagsfraktion setzt sich für eine echte Wahlfreiheit in der Pflege ein. Das heißt, Menschen sollen, solange sie es möchten und dies aus medizinischer Hinsicht möglich ist, in ihrem gewohnten Umfeld leben können.
    Josef Neumann (SPD) ... im Alter - möglichst im eigenen Quartier - wünschen sich viele Menschen und ist zentrales Ziel einer guten Pflegepolitik. Um das zu erreichen, brauchen wir eine soziale Infrastruktur, die sich an den Bedürfnissen älterer und pflegebedürftiger Menschen orientiert. Dazu benötigen wir auch dringend mehr barrierefreie Wohnungen, die eine ambulante Pflege zu Hause und im Quartier ermöglichen.
    Susanne Schneider (FDP) ... bedeutet für uns, dass pflegebedürftige Menschen selbst oder mit ihren Angehörigen entscheiden können, wo und wie sie leben möchten. Wir wollen deshalb die Wahlmöglichkeiten zwischen ambulanter Betreuung im häuslichen Umfeld, Pflege-Wohngemeinschaften und stationären Pflegeheimen als gleichwertige Angebote stärken. Dazu brauchen wir auch mehr Plätze in Tages- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... ist ein Menschenrecht. Kein Mensch darf laut UN gezwungen werden, in einer stationären Einrichtung zu leben. Jeder Mensch muss die Pflege und Unterstützung erhalten, die es ihm erlaubt, möglichst selbstständig und selbstbestimmt zu leben. Deshalb müssen ambulante Angebote ausgebaut, Beratungen gesichert und der Bau von barrierefreien und rollstuhlgerechten Wohnungen vorangetrieben werden.
    Dr. Martin Vincentz (AfD) ... ist ein wichtiger Teil selbstbestimmten Lebens. Die Wahlfreiheit von Wohnort und Wohnform sollte es daher nicht nur in der Theorie (Artikel 19 UN-Behindertenrechtskonvention, oder SGB IX §9 Abs. 3), sondern auch in der Praxis geben. Dafür müssen wir uns einsetzen.

    Das eigene Quartier, die vertraute Umgebung ...

    Peter Preuß (CDU) ... sind besonders für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf wichtige Bezugspunkte in ihrem Leben. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation ist der Bewegungsradius begrenzt, so dass sie auf ein Viertel und eine Umgebung mit einer entsprechend entwickelten Infrastruktur angewiesen sind.
    Josef Neumann (SPD) ... sind wichtig für eine gute Pflege, denn die meisten Pflegebedürftigen wollen zu Hause wohnen bleiben. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der rasant steigenden Zahl von pflegebedürftigen Menschen müssen deswegen alle Anstrengungen unternommen werden, um gute und menschenwürdige Pflege zu sichern und den Menschen ein selbstbestimmtes Leben im Alter und im gewohnten Wohnumfeld zu ermöglichen.
    Susanne Schneider (FDP) ... ist für viele Menschen der Ort, an dem sie gerne alt werden möchten. Dazu braucht es u. a. ausreichende Angebote an bezahlbaren altengerechten Wohnungen sowie allgemeine Standards zur Barrierefreiheit anstelle einer nicht bedarfsgerechten starren Quote an rollstuhlgerechten Wohnungen. Zudem sollte die soziale Wohnraumförderung auch für Verbesserungen im Bestand eingesetzt werden.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... will die Mehrheit der Menschen auch bei Unterstützungsbedarf nicht verlassen. Sie muss auf ihre Belange ausgerichtet werden und die soziale Stadtentwicklung muss Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe in den Fokus nehmen. Das Quartiersmanagement muss weiter ausgebaut, die schwarz-gelbe Streichung der Quartiersentwicklerstellen zurückgenommen und der Vorrang ambulanter Lebens- und Unterstützungsformen erhalten werden.
    Dr. Martin Vincentz (AfD) ..., die Heimat sind gerade in Zeiten der Globalisierung und vieler Unsicherheiten ein fester Anker in der Welt. Nicht umsonst ist es der überwiegenden Mehrheit der Menschen so wichtig, auch im Alter in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben. Soweit möglich, müssen wir uns auch hier für diesen Wunsch starkmachen.

    Der Grundsatz "ambulant vor stationär" ...

    Peter Preuß (CDU) ... wird von uns unterstützt. Dennoch muss es aus unserer Sicht auch eine ausreichende Anzahl stationärer Pflegeplätze geben, weil es Situationen gibt, die eine Pflege zu Hause unmöglich machen. Menschen, die auf Unterstützung und Pflege angewiesen sind, müssen selbst entscheiden können, wie sie leben und versorgt werden möchten. Dafür muss eine echte Wahlmöglichkeit gegeben sein.
    Josef Neumann (SPD) ... steht für die Möglichkeit im Alter und bei Pflegebedürftigkeit länger in den eigenen vier Wänden bleiben zu können. Wichtig ist aber vor allem, dass die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen und nicht, ob "ambulant vor stationär" Vorrang haben sollte oder umgekehrt. Deswegen muss es eine große Vielfalt von Versorgungsangeboten geben, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen Rechnung trägt und ihre Selbstbestimmung stärkt.
    Susanne Schneider (FDP) ... ist zwar grundsätzlich durch den Bundesgesetzgeber vorgegeben und durch einen weiteren Ausbau ambulanter Versorgungsangebote sicherzustellen. Die rot-grüne Vorgängerregierung hat diese Prämisse aber so fehlgedeutet, dass sie darunter ein politisch motiviertes Zurückdrängen stationärer Einrichtungen verstanden hat. Dies führt zu Versorgungsengpässen und langen Wartezeiten auf einen Pflegeplatz.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... muss weiter gelten. Ambulante Wohn- und Pflegeformen spielen eine immer wichtigere Rolle auch für Menschen mit einem umfassenden Pflegebedarf. Der Großteil fordert Alternativen zum klassischen Heim. Dazu gehören WGs und Hausgemeinschaften mit umfassender Pflege, aber auch Mehrgenerationenwohnen und "Wohnen mit Versorgungssicherheit" in der eigenen Wohnung. Nur so gibt es eine Wahlmöglichkeit.
    Dr. Martin Vincentz (AfD) ... gilt aus diesem Grund natürlich genauso wie "Rehabilitation vor Rente" etc. Wir sollten uns hinsichtlich der Herausforderungen einer alternden Gesellschaft allerdings nicht in Versprechungen gegenseitig überbieten, sondern Chancen und Möglichkeiten realistisch abwägen.

    Klassische Altenpflegeheime

    ... Peter Preuß (CDU) ... sind unverzichtbarer Teil einer leistungsfähigen Pflegeinfrastruktur. Die stationäre Pflege ist ein wichtiger Pfeiler, um pflegebedürftige Menschen angemessen und entsprechend ihrer Wünsche und Vorstellungen zu versorgen. "Klassisch" hört sich in diesem Zusammenhang etwas rückständig an. Selbstverständlich brauchen wir moderne Altenpflegeheime, die den heutigen Standards und Ansprüchen entsprechen.
    Josef Neumann (SPD) ... sind ein wichtiger Baustein für die pflegerische Versorgung der Menschen. Auch deshalb, weil demografische und gesellschaftliche Veränderungen dazu führen, dass pflegebedürftige Menschen künftig weniger Unterstützungsleistungen aus dem unmittelbaren familiären Umfeld erhalten. Das bedeutet, dass auch die Nachfrage nach einer professionellen Betreuung und Versorgung in Pflegeheimen steigen wird.
    Susanne Schneider (FDP) ... sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Deshalb darf die Bereitschaft zu Investitionen in den Ausbau und die Modernisierung von Pflegeheimen nicht durch die aktuellen Förderbedingungen verhindert werden. Die NRW-Koalition wird das Alten- und Pflegegesetz NRW sowie die entsprechende Durchführungsverordnung in diesem Sinne zeitnah überarbeiten.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... sind ein Baustein für die Sicherung eines umfassenden Pflegeangebots vor Ort. Viele Einrichtungen müssen die Pflege aber weiter verbessern und sich zeitgemäß modernisieren, um selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen: Einzelzimmer, Öffnung zum Quartier als Begegnungszentrum für die Bewohner/innen, Vereine und Initiativen im Stadtteil, bis hin zur Umwandlung zu Wohnanlagen für alle Generationen.
    Dr. Martin Vincentz (AfD) ... sind für die Wenigsten die Idealvorstellung fürs Alter. Auf der anderen Seite gibt es oft durch fehlende Angehörige, Demenz oder Schwere einer Erkrankung nicht viele Alternativen. Und durch meinen beruflichen Hintergrund weiß ich auch, dass der Ruf vieler Heime schlechter ist als die gelebte Realität. In den meisten Heimen wird eine hervorragende Arbeit geleistet.

    ID: LI180409

  • Konzepte gegen Langzeitarbeitslosigkeit.
    Was tun, wenn der Einstieg ins Berufsleben nicht gelingt?
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 3 - 27.03.2018

    14. März 2018 - Die Arbeitslosigkeit geht zurück, Löhne steigen und die Beschäftigung ist auf einem Höchststand - dennoch stagniert die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Nordrhein-Westfalen. Wie Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, wieder einen Job finden können, dazu haben sich Sachverständige im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales geäußert.
    Grundlage der Anhörung waren zwei Anträge: Die Fraktionen von CDU und FDP stellen in ihrem Antrag (Drs. 17/1283) fest, dass es in Nordrhein-Westfalen aktuell rund 290.000 Langzeitarbeitslose gebe. Langfristig müsse das Ziel sein, diese Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Für "besonders arbeitsmarktferne langzeitarbeitslose Menschen" sollten zudem Fördermittel genutzt werden, um ihnen den "Zugang zu Arbeit und Teilhabe" zu ermöglichen. Dazu sei auch das Finanzierungsinstrument des Passiv-Aktiv-Transfers (PAT) geeignet: Demnach werden Leistungen wie Arbeitslosengeld II, Förderungen für Wohnung und Unterkunft sowie Krankenkassenbeiträge für Langzeitarbeitslose gebündelt, um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu finanzieren.
    Die Grünen-Fraktion geht in ihrem Entschließungsantrag (Drs. 17/1338) davon aus, dass es für langzeitarbeitslose Menschen teilweise "keine absehbare Perspektive auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt" gebe. Daher müsse "bundesweit ein flächendeckender sozialer Arbeitsmarkt aufgebaut" werden. Die ehemalige rot-grüne Landesregierung habe dazu Modellprojekte in Nordrhein-Westfalen eingeführt. Diese Modelle hätten sich bewährt und sollten die konzeptionelle Grundlage für weitere öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse bilden. Finanziert werden könnten diese Modelle teilweise über PAT.
    Die Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit präsentierte aktuelle Trends am Arbeitsmarkt: Der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen habe im Januar 2018 in Nordrhein-Westfalen bei 41,3 Prozent gelegen. Im Bundesdurchschnitt habe der Anteil nur 33,8 Prozent betragen. Je länger die Langzeitarbeitslosigkeit andauere, "desto geringer ist der Anteil der Abgänge in Beschäftigungen am ersten Arbeitsmarkt". Die Ursachen für Langzeitarbeitslosigkeit seien "sehr vielfältig", daher verfolge die Bundesagentur für Arbeit unterschiedliche Ansätze.
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund schreibt in seiner Stellungnahme, dass die Grundlagen für die Einführung von PAT in den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD in Berlin geschaffen worden seien. "In NRW könnten so die finanziellen Mittel für bis zu 50.000 Stellen bereitgestellt werden." Aber auch bestehende Projekte der öffentlich geförderten Beschäftigung in Nordrhein-Westfalen und die dazu bereitgestellten Mittel müssten "zukünftig erhalten bleiben". Dem öffentlichen Sektor falle dabei eine "Schlüsselrolle" zu. Öffentlich finanzierte Bauvorhaben eigneten sich beispielsweise "hervorragend" zur Beschäftigung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen - etwa im Garten- und Landschaftsbau oder im Hoch- und Tiefbau.
    Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung stellte fest, dass auch "sozialversicherungspflichtige öffentlich geförderte Beschäftigung oder ein sozialer Arbeitsmarkt" nötig seien, um Langzeitarbeitslosigkeit zu begegnen. Entsprechende Maßnahmen müssten "verlässlich" finanziert werden. "Es sollte allerdings nicht der Eindruck entstehen, das Finanzierungsinstrument des PAT könne eine selbsttragende Finanzierung von vollzeitiger sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bewerkstelligen." Dennoch sei PAT ein wichtiges Instrument, um Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen.

    "Teilhabe über Erwerbsarbeit"

    Das Institut der Deutschen Wirtschaft geht in seiner Stellungnahme davon aus, dass bisherige Ansätze der Arbeitsmarktpolitik "nur begrenzt Erfolge gezeigt" hätten. "Ein Grund dafür könnte sein, dass die Mittel der Jobcenter für Eingliederungsleistungen strukturell unterfinanziert sind." Seit 2012 seien die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik bundesweit um 386 Millionen Euro gesunken. "Zwar sank auch die Anzahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, dies reichte zur Kompensation aber nicht aus." Modellprojekte hätten gezeigt, dass eine individuelle Betreuung von Leistungsempfängern durch Mitarbeitende in Jobcentern die Integration in den ersten Arbeitsmarkt verbessern könne. "Diesen Ansatz gilt es auszubauen."
    Der Sozialwissenschaftler Stefan Sell von der Hochschule Koblenz stellt in seiner Stellungnahme fest, dass es "Förderketten" für Langzeitarbeitslose geben müsse, die eine "Schneise" in den ersten Arbeitsmarkt schlagen. Zudem seien Beschäftigungsangebote nötig, die eine Funktion als "Teilhabe-Arbeitsplätze" einnehmen. Sie richteten sich an Menschen, "die zum einen Teilhabe über Erwerbsarbeit bekommen möchten, die aber aus welchen Gründen auch immer so weit weg sind von den Anforderungen der Unternehmen, dass sie mittel- und langfristig nicht mehr von dort aufgenommen werden".
    tob

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 8 und 9.

    Systematik: 2400 Arbeit; 2410 Arbeitsmarkt

    ID: LI180304

  • Preuß, Peter (CDU); Neumann, Josef (SPD); Lenzen, Stefan (FDP); Mostofizadeh, Mehrdad (Grüne); Dworeck-Danielowski, Iris (AfD)
    Standpunkte: Meinungen zum Thema "Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 3 - 27.03.2018

    Teilhabe am Arbeitsmarkt ...

    Peter Preuß (CDU) ... ist eine zentrale Gerechtigkeitsfrage: Wer dies geschafft hat, hat die Perspektive, durch fortlaufende Qualifikation auch aufzusteigen und voranzukommen. Den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, eröffnet finanzielle Möglichkeiten und darüber hinaus eine gesellschaftliche Teilhabe für sich selbst und die Familie.
    Josef Neumann (SPD) ... ist für die Menschen wichtig. Arbeit stiftet Sinn, Identität und muss für ein auskömmliches Einkommen sorgen. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist insgesamt rückläufig. Langzeitarbeitslose profitieren jedoch kaum von der guten Konjunktur. Wir brauchen daher einen sozialen Arbeitsmarkt, um allen Menschen ein Leben in Würde und Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen.
    Stefan Lenzen (FDP) ... ist für das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft unverzichtbar. Wir wollen Menschen mit einer individuell ausgestalteten Förderung auch aus einer verfestigten Arbeitslosigkeit an den Arbeitsmarkt heranführen. Dazu setzt die FDP vorrangig auf Bildung und Qualifizierung, für die es angepasst an die Möglichkeiten der arbeitslosen Menschen auch zertifizierte Teilqualifikationen braucht.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... muss auch für Menschen ohne Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt möglich sein. Denn der Ausschluss aus Erwerbsarbeit führt zu materieller Armut sowie seelischen Belastungen und erschwert die soziale Teilhabe. Langzeitarbeitslose sollten die Möglichkeit haben, freiwillig eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben, mit der sie ihren Lebensunterhalt sichern können, um dabei Kompetenzen und Selbstbewusstsein aufzubauen.
    Iris Dworeck-Danielowski (AfD) ... verquickt die Begrifflichkeiten "Teilhabe" und "Arbeit". Während Arbeit qua Definition Produktivität voraussetzt, verstehen wir unter Teilhabe vor allem die Teilhabe am sozialen Miteinander. Wer arbeiten geht, hat sicher immer am sozialen Leben teil, aber nicht jeder, der am sozialen Leben teilhat, ist produktiv. Es täte gut, im Diskurs beides voneinander zu trennen.

    Der erste Arbeitsmarkt ...

    Peter Preuß (CDU) ... muss auch für langzeitarbeitslose Menschen das Ziel sein. Die Ursachen für Langzeitarbeitslosigkeit liegen oft in multiplen Vermittlungshemmnissen, wie etwa einem fehlenden Schul- oder Berufsabschluss. Durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen soll langzeitarbeitslosen Menschen der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erleichtert werden.
    Josef Neumann (SPD) ... befindet sich seit Jahren im Aufschwung. Dennoch sind zu viele Menschen schon seit zu langer Zeit ohne Job. Das muss sich ändern. Ziel muss Vollbeschäftigung und der Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit sein. Es ist daher gut, dass im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vereinbart ist, dass 4 Milliarden Euro für einen sozialen Arbeitsmarkt für langzeitarbeitslose Menschen bereitgestellt werden.
    Stefan Lenzen (FDP) ... ist Ziel der Integration von Langzeitarbeitslosen. Wir wollen Aufstiegsperspektiven durch eigene Leistung eröffnen. Dazu ist eine Neugestaltung der Freibeträge und Anrechnungssätze für eigenes Einkommen im SGB II nötig, um beim Übergang vom Minijob zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch tatsächlich mehr zu verdienen und so die Bedürftigkeit schrittweise verlassen zu können.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... ist wesentliche Basis für zukunftsfähige Arbeit, bietet aber trotz guter Konjunktur nicht ausreichend Chancen für langzeitarbeitslose Menschen. Die Arbeitsmarktpolitik muss neu ausgerichtet werden. Die Menschen müssen besser qualifiziert, bessere Beratung und Betreuung durch die Jobcenter müssen ermöglicht werden. Letztere müssen den Freiraum erhalten, individuellere und langfristigere Strategien zu entwickeln.
    Iris Dworeck-Danielowski (AfD) ... sollte für das Gros der Bevölkerung der Ort des beruflichen Wirkens sein. Technischer Fortschritt und Digitalisierung haben viele einfache Tätigkeiten überflüssig gemacht. Man könnte beispielsweise bei mittelständischen Unternehmen die Abgabenlast mindern, damit sie als Arbeitgeber auch wieder jemanden beschäftigen, dessen Arbeitskraft nicht ausschliefllich an Effizienz gemessen werden kann.

    Der öffentlich geförderte Arbeitsmarkt ...

    Peter Preuß (CDU) ... kann hilfreich für diejenigen langzeitarbeitslosen Menschen sein, für die jede Art der Qualifikation nicht ohne weiteres realisierbar ist. Er ist jedoch kein Allheilmittel gegen Langzeitarbeitslosigkeit und muss immer die Perspektive eröffnen, durch geeignete Maßnahmen eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erreichen.
    Josef Neumann (SPD) ... muss ein sozialer Arbeitsmarkt sein. Die fast 300.000 langzeitarbeitslosen Menschen in NRW haben oftmals keine Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe und müssen ein Leben in Perspektivlosigkeit führen. Deswegen brauchen wir einen sozialen Arbeitsmarkt als dauerhaftes Regelangebot für die betroffenen Menschen. Die Angebote müssen passgenau sein und den Lebensumständen der Menschen entsprechen.
    Stefan Lenzen (FDP) ... ist Ultima Ratio für diejenigen Langzeitarbeitslosen, die von anderen Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik nicht erreicht werden. Dabei sind privatwirtschaftliche Arbeitgeber einzubinden, um eine Förderung an der betrieblichen Realität zu orientieren. Eine Beschäftigung in gesonderten Maßnahmen jenseits des regulären Arbeitsmarktes würde hingegen die Betroffenen in eine Sackgasse führen.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... sollte als "Sozialer Arbeitsmarkt" sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse schaffen, in denen die Betroffenen betreut werden, um sie in ihrer Beschäftigung zu stabilisieren. Der Wechsel in reguläre Beschäftigung soll dabei jederzeit möglich sein. Als Arbeitgeber sollten privat-gewerbliche Betriebe, gemeinnützige Träger und Kommunen fungieren.
    Iris Dworeck-Danielowski (AfD) ... ist nichts Neues und als Instrument zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit kaum wegzudenken. Allerdings sind bei den erfolgreichen Projekten die Erfolgsquoten ernüchternd gering. Dieses Instrument behandelt die Symptome, löst aber nicht das Problem. Um künftige Kohorten Arbeitsloser zu verhindern, müssen wir die Werte einer humanistischen Leistungsgesellschaft wieder in den Vordergrund rücken.

    Der Passiv-Aktiv-Transfer ...

    Peter Preuß (CDU) ... und seine Grundidee, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, ist im Prinzip richtig. Diese Möglichkeit sollte jedoch nur für eine eng begrenzte Gruppe eröffnet werden. Dabei muss genau darauf geachtet werden, in welcher Form und in welchem Umfang der PAT umgesetzt werden kann. Grundsätzlich gilt aber, dass der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt dadurch nicht verschlossen werden darf.
    Josef Neumann (SPD) ... ist ein wichtiger Baustein für einen sozialen Arbeitsmarkt und wurde im Koalitionsvertrag auf Bundesebene verbindlich vereinbart. Die Idee dahinter ist, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und damit verbunden "Arbeit statt Langzeitarbeitslosigkeit" zu finanzieren.
    Stefan Lenzen (FDP) ... bildet ein geeignetes Instrument für eine verlässliche Finanzierung. Dazu werden die bereits vorhandenen Finanzmittel von Bund und Kommunen für passive Transferzahlungen wie Arbeitslosengeld II und Kosten der Unterkunft zur aktiven Förderung von Beschäftigung eingesetzt. Für diesen Passiv-Aktiv-Transfer müssen jetzt auf Bundesebene die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... ist ein Instrument, um durch Förderverschiebung richtigerweise sozialversicherungspflichtige Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu unterstützen. Allerdings reichen die von der Großen Koalition angekündigten Mittel nicht aus. Zudem darf diese Umwandlung das seit Jahren unterfinanzierte Eingliederungsbudget für Maßnahmen im Rahmen des SGB II nicht belasten.
    Iris Dworeck-Danielowski (AfD) ... wird vermutlich nicht den gewünschten Wandel bringen. Es ist immer besser, Mittel in die Aktivierung von Langzeitarbeitslosen zu stecken, als sich auf das reine Zahlen von Hilfen für den Lebensunterhalt zu beschränken. Aber wie die Konrad-Adenauer-Stiftung schon prognostiziert hat, werden für den Betreuungsapparat zusätzliche Kosten entstehen. Ob die neuen geförderten Arbeitsplätze mehr Erfolg bringen, ist hingegegen ungewiss.

    ID: LI180309

  • Sozialarbeit in der Schule.
    Sachverständige äußern sich zur Finanzierung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 2 - 06.03.2018

    31. Januar 2018 - Wie geht es mit der Schulsozialarbeit weiter? Wer soll die Finanzierung übernehmen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Sachverständigenanhörung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die Expertinnen und Experten äußerten sich zu einem Antrag der SPD-Fraktion.
    #Schulsozialarbeit sei ein "wichtiges Instrument, um Kindern und Jugendlichen aus finanziell benachteiligten Familien die Chance auf Teilhabe an schulischen und außerschulischen Aktivitäten zu ermöglichen", heißt es in dem Antrag ("Schulsozialarbeit in Nordrhein-Westfalen weiter sichern!", Drs. 17/810). Zudem leiste sie "wichtige Präventionsarbeit".
    Nach dem Ausstieg des Bundes aus der Finanzierung fördere das Land die Schulsozialarbeit seit 2015 jährlich mit rund 48 Millionen Euro. Das Förderprogramm sei bis 2017 befristet gewesen. Aufgrund einer Verpflichtungsermächtigung im Landeshaushalt 2017 könne den Kommunen das Geld jedoch auch in diesem Jahr zur Verfügung gestellt werden. Die SPD-Fraktion fordert eine Weiterfinanzierung über das Jahr 2018 hinaus. Außerdem solle sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass der Bund die Kosten wieder übernimmt.
    Die Landesregierung habe inzwischen eine Weiterförderung in gleicher Höhe wie bisher bis 2021 vorgesehen, heißt es in einer Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen (Städtetag, Landkreistag, Städte- und Gemeindebund) für den Ausschuss. Dies begrüße man ausdrücklich. Gleichwohl solle das Land seine Forderung aufrechterhalten, dass der Bund die Kosten künftig wieder übernimmt.
    Die "Planung zur erneut befristeten (Weiter-) Finanzierung" der Stellen für Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter bilde die Wertschätzung der neuen Landesregierung "nur begrenzt ab", so die Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit. Um ihre volle Wirksamkeit zu erfüllen, brauche Schulsozialarbeit eine "gesicherte, dauerhafte Finanzierung". Die Arbeitsgemeinschaft empfiehlt außerdem die Einführung von Mindeststandards - eine Fachkraft pro Schule, an größeren Schulen mindestens zwei Fachkräfte - und die Einrichtung einer "Landesfachstelle Schulsozialarbeit".

    Befristete Stellen

    Schulsozialarbeit helfe, "gelingendes Lernen gerade auch für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern zu ermöglichen", erklärte Daniela Schneckenburger, Beigeordnete der Stadt Dortmund, in ihrer Stellungnahme. Dennoch sei es "bis heute nicht gelungen, eine verlässliche, dauerhaft abgesicherte Finanzierungsperspektive" zu eröffnen. Dies sei "Ausdruck einer seit Jahren nicht geklärten Zuständigkeitsverantwortung". Folge sei, dass Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter lediglich befristet beschäftigt würden. Es stelle sich die Frage, "ob arbeitsrechtlich eine weitere Befristung der Verträge möglich ist" oder neu einzuarbeitende Kräfte eingestellt werden müssten: "Damit wäre ein erheblicher Verlust an Fachlichkeit an den Schulen verbunden." Erforderlich sei ein Signal der Landesregierung, "wonach das Land dauerhaft für die Finanzierung der Schulsozialarbeit als Regelangebot an den Schulen einsteht".
    Der Verein "Zoom - Gesellschaft für prospektive Entwicklungen" zitierte in seiner Stellungnahme Ergebnisse eines Evaluationsberichts zum Programm "Soziale Arbeit an Schulen in Nordrhein-Westfalen". Darin heißt es u. a., dass das Programm "deutliche Wirkungen hinsichtlich der Nutzung von Leistungen zur Förderung von Bildung und Teilhabe erzielt".
    zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 4200 Schulen; 4100 Bildung; 5100 Soziales

    ID: LI180208

  • Rock, Frank (CDU); Neumann, Josef (SPD); Lenzen, Stefan (FDP); Mostofizadeh, Mehrdad (Grüne); Seifen, Helmut (AfD)
    Standpunkte: Meinungen zum Thema "Schulsozialarbeit".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 2 - 06.03.2018

    Schulsozialarbeit ist ...

    Frank Rock (CDU) ... ein unabdingbarer Bestandteil einer modernen Schule geworden. Die Herausforderungen in unserer sich wandelnden Gesellschaft werden nicht weniger. Besonders die Inklusion und die Integration machen es notwendig, dass weitere Berufsgruppen Eingang in unsere Schulen finden müssen. Als Querschnittsaufgabe der Jugendhilfe, der Sozialhilfe, aber auch der pädagogischen Arbeit in den Schulen nimmt sie einen hohen Stellenwert ein. Meine persönlichen Erfahrungen als Schulleiter sind nur positiv.
    Josef Neumann (SPD) ... nach dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) unverzichtbar, um Kindern und Jugendlichen aus finanziell benachteiligten Familien die Chance auf Teilhabe zu ermöglichen. Schulsozialarbeit hilft, Bildungsarmut und Ausgrenzung zu vermeiden. Sie ist somit auch ein wichtiger Baustein für eine präventive Sozialpolitik an Schulen und kommt damit allen Schülerinnen und Schülern zugute.
    Stefan Lenzen (FDP) ... ein wichtiges Bindeglied und hilft dabei, dass Leistungen etwa aus dem Bildungs- und Teilhabepaket bei denen ankommen, die auf sie angewiesen sind. Schüler, Eltern und Lehrkräfte werden besser informiert und nehmen die Angebote zur Lernförderung und zur Teilhabe an kulturellen und sportlichen Aktivitäten verstärkt in Anspruch. So können Bildungschancen für alle Kinder eröffnet werden.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... an Schulen unverzichtbar. Gerade benachteiligte Schülerinnen und Schüler und ihre Familien benötigen Unterstützung, damit eine eigenverantwortliche und zukunftsorientierte Lebensgestaltung nachhaltig gelingt. Der Staat muss diese wichtige soziale Leistung übernehmen, um Bildungserfolg, Chancengleichheit und Teilhabe zu fördern. Sozialarbeit muss im multiprofessionellen Team eine feste Größe sein.
    Helmut Seifen (AfD) ... eigentlich dazu gedacht, Kinder und Jugendliche zur Selbständigkeit zu befähigen, wurde jedoch häufig als Reparaturinstrument politischer Fehlentscheidungen missbraucht. Hier ist vor allem der massenhafte, unkontrollierte Zuzug von Schülern aus dem Ausland zu nennen, die wenig bis keinerlei Voraussetzungen mitbringen, an den Schulen unseres Landes im Regelunterricht beschult zu werden.

    Eine Weiterfinanzierung über das Jahr 2018 hinaus ...

    Frank Rock (CDU) ... ist durch die mittelfristige Finanzplanung im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales gesichert. Wir werden als NRW-Koalition den Betrag von 48 Mio. € jedes Jahr (vorerst bis 2021) für die Weiterführung zur Verfügung stellen. Insgesamt sind fast 3.000 Stellen im Landeshaushalt enthalten, um den Herausforderungen gerecht zu werden.
    Josef Neumann (SPD) ... ist zwingend notwendig. Es reicht nicht aus, dass die Mitte-Rechts-Landesregierung die Schulsozialarbeit nur befristet mit rund 48 Millionen Euro jährlich bis 2020 finanzieren will. Die Schulsozialarbeit in NRW muss langfristig und dauerhaft finanziert werden, gleichgültig, ob der Bund seiner Verantwortung zukünftig nachkommen wird oder nicht.
    Stefan Lenzen (FDP) ... ist notwendig, um die wichtige Arbeit der Fachkräfte vor Ort in den kommenden Jahren zu sichern. Deshalb hat die NRW-Koalition über Verpflichtungsermächtigungen für 2019 und 2020 sowie in der mittelfristigen Finanzplanung auch für 2021 Mittel in unveränderter Höhe von 47,7 Millionen Euro vorgesehen. Die FDP-Fraktion sieht aber auch den Bund in der Verantwortung für eine verlässliche Finanzierung.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... ist zwingend erforderlich. Für die Qualität der Arbeit ist es wichtig, dass die Stellen gesichert sind und die wichtige Unterstützung kontinuierlich geleistet werden kann. Nur so wird Fachpersonal gehalten. Das Land muss die dauerhafte Finanzierung garantieren, denn Sozialminister Laumann hat auf Bundesebene bei den GroKo-Verhandlungen enttäuscht. Das darf nicht auf Kosten der Kinder, Schulen und Fachkräfte gehen.
    Helmut Seifen (AfD) ... ist zwingend notwendig, um auch nur eine einigermaßen gedeihliche Lernsituation an den Schulen des Landes sicherzustellen. Die schleichende und selbstverschuldete Bildungskatastrophe, die sich aus einem unverhältnismäßig hohen Migrantenanteil an den Schulen ergibt, wodurch letztlich das Lernniveau für alle sinkt, kann aber auch damit nicht abgewendet werden.

    Der Bund ...

    Frank Rock (CDU) ... ist in unseren Augen aufgrund der Sozialgesetzgebung in der Verpflichtung, die Länder und die Kommunen zu unterstützen. Die Teilhabe der Menschen am gesellschaftlichen Leben wird im Sozialgesetz geregelt. Auch dieses Arbeitsfeld ist ein wichtiges Aufgabengebiet für unsere Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter. Aus diesem Grund setzen wir auch auf eine Beteiligung des Bundes.
    Josef Neumann (SPD) ... kommt seiner Verpflichtung zur Finanzierung der Sozialarbeit an Schulen zur Umsetzung des BuT seit dem Jahr 2014 nicht mehr nach. Ziel ist es, dass der Bund die Finanzierungsverantwortung für diese Form der Schulsozialarbeit wieder vollständig übernimmt und als Regelleistung im SGB II gesetzlich verankert. Solange das nicht geschieht, muss die Landesregierung zwingend weiterfinanzieren.
    Stefan Lenzen (FDP) ... ist weiterhin in der Pflicht, die Voraussetzungen für ein Mindestmaß gesellschaftlicher Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zu erfüllen. Dazu zählt aus unserer Sicht die dauerhafte Finanzierung der zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes erforderlichen Beraterstellen. Leider sieht auch der neue Koalitionsvertrag von SPD und Union nicht vor, dieser Verantwortung gerecht zu werden.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... kommt seiner Verantwortung in diesem Feld schon seit Jahren nicht nach, die rot-grüne Landesregierung sprang ein. Dabei hätten CDU und SPD entsprechend der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichtes dafür sorgen müssen, dass die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes auch bei den Kindern und Jugendlichen ankommen. Hier hat schon die "alte" GroKo versagt und auch die neue will es offenbar nicht besser machen.
    Helmut Seifen (AfD) ... als der hauptsächliche Verursacher dieser Verwerfungen und der daraus resultierenden Belastungen, unter denen die Schulen heute zu leiden haben, steht dabei vorrangig in der Pflicht.

    Die Kommunen ...

    Frank Rock (CDU) ... benötigen eine breite - auch finanzielle - Unterstützung, damit die Aufgaben der Schulsozialarbeit vor Ort wirkungsvoll umgesetzt werden können.
    Josef Neumann (SPD) ..., die Träger der Schulsozialarbeit und die Beschäftigten benötigen dringend Planungssicherheit. Ohne eine dauerhaft gesicherte Finanzierung droht den Kommunen in NRW ein massiver Verlust von Fachkräften. Das hat eine Expertenanhörung im Sozialausschuss am 31.01.2018 deutlich gezeigt. Schulsozialarbeit braucht deswegen dringend Kontinuität durch eine dauerhafte finanzielle Unterstützung.
    Stefan Lenzen (FDP) ... benötigen finanzielle Planungssicherheit zur Fortführung der Schulsozialarbeit. Sie wird von der NRW-Koalition sichergestellt. Zudem wollen wir die Schulsozialarbeit im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets besser mit anderen Angeboten des Landes und der Kommunen verknüpfen wie Jugendhilfe, allgemeine Sozialarbeit an Schulen und Förderung des Übergangs in Ausbildung und Arbeitsmarkt.
    Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) ... brauchen eine eindeutige finanzielle Zusage des Landes, damit sie trotz der Untätigkeit des Bundes eine verlässliche sozialräumliche Jugendhilfe, Bildungs- und Sozialplanung vornehmen können. Eine solche Kooperation ist Basis für Bildungserfolg und faire Entwicklungschancen für alle Kinder. Die notwendige Stellenzuweisung muss anhand von Sozialindizes erfolgen, die Schulen bedarfsgerecht räumlich ausgestattet werden.
    Helmut Seifen (AfD) ... sind in der Pflicht zur Umsetzung der Maßnahmen und müssen sich - sofern sie überhaupt noch zahlungsfähig sind - nach ihrer Leistungsfähigkeit auch finanziell daran beteiligen.

    ID: LI180209

  • Wenn die Läden länger öffnen.
    Sachverständige äußern sich zum "Entfesselungspaket I".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 1 - 23.01.2018

    18. Dezember 2017 - Die Landesregierung will "unnötige und belastende Vorschriften" in Nordrhein-Westfalen abbauen. Zum sogenannten Entfesselungspaket I gehört u. a. eine Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes. In einer Anhörung der Ausschüsse für Wirtschaft, Energie und Landesplanung sowie Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen äußerten sich Sachverständige zu den vorgeschlagenen Änderungen.
    Gemeinden sollen künftig Ladenöffnungen an bis zu acht Sonn- und Feiertagen im Jahr erlauben dürfen, heißt es im Gesetzentwurf (Drs. 17/1046). Derzeit sind es vier. Außerdem sollen der bisherige "Anlassbezug" wegfallen und die für eine Sonntagsöffnung erforderlichen Sachgründe neu gefasst werden. Neben Märkten, Festen, Messen und anderen Veranstaltungen gelte dann zum Beispiel auch die Belebung der Innenstädte als Sachgrund. Die Öffnung an Samstagen soll auf 24 Stunden ausgedehnt werden.
    Der Gesetzentwurf der Landesregierung sei "durchaus zielführend", um die Genehmigungspraxis für Sonn- und Feiertagsöffnungen rechtssicherer zu gestalten, befand die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW (Städtetag, Landkreistag, Städte- und Gemeindebund): "Allerdings könnte dieses Ziel besser erreicht werden, wenn der Gesetzgeber von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch machen würde und die Kommunen nicht mit weiteren Darlegungs- und Beweislasten konfrontiert würden." Wünschenswert sei, die "Begründungslast" der Ladenöffnung "direkt auf den Landesgesetzgeber zu verlagern". Ähnlich äußerten sich die Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Handelsverband Nordrhein-Westfalen. Grundsätzlich setze der Gesetzentwurf aber an den richtigen Stellen an.
    Das Entfesselungspaket I sei ein "gutes Signal für mehr Wachstum und Beschäftigung am Wirtschaftsstandort NRW", so unternehmer nrw, die Landesvereinigung der Unternehmensverbände. Bei den angekündigten Maßnahmen handle es sich um "erste, wichtige Schritte für einen dringend erforderlichen und umfassenden Bürokratie-Abbau". Den Gesetzentwurf zur Ladenöffnung unterstütze man als "richtig und zielführend".

    Verkaufsoffene Sonntage

    Mehr verkaufsoffene Sonn- und Feiertage seien eine Chance, den stationären Einzelhandel gegenüber Online-Anbietern wettbewerbsfähiger zu machen, so die Verbraucherzentrale. Gerade an Sonntagen werde "im Internet überdurchschnittlich viel umgesetzt". Allerdings sollte untersucht werden, "welche konkreten Effekte von mehr verkaufsoffenen Sonntagen tatsächlich zu erwarten sind, insbesondere, ob sie den notwendigen Zuspruch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern finden würden".
    In der Anhörung kamen auch die Gegner erweiterter Ladenöffnungszeiten zu Wort. "Die Sonntagsheiligung ist ein fundamentales Anliegen der Kirchen", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Katholischen und Evangelischen Büros Nordrhein-Westfalen für die Ausschüsse. Die kollektive Sonntagsruhe sei "eines der höchsten kulturellen Güter" und auf den ersten Seiten der Bibel schöpfungstheologisch begründet. Sonn- und Feiertage böten Menschen die Gelegenheit, "sich einmal auf sich selbst, auf das eigene Menschsein zu besinnen". Ein wirksamer Schutz des Sonntags sei nur mit einer Begrenzung der Ladenöffnungszeiten am Samstag gewährleistet. Zusammen mit der Verdopplung der Verkaufssonntage und -feiertage werde der "Sonntagsschutz immer weiter ausgehöhlt".
    Aus Sicht der Beschäftigten solle das Ladenöffnungsgesetz "erneut verschlechtert werden", schreibt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Die wiederholte Erweiterung der Öffnungszeiten habe "zwei ohnehin vorhandene Trends verstärkt. Einerseits gab es eine Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen und andererseits sind starke Konzentrationsprozesse in der Branche zu beobachten". Der Gesetzentwurf der Landesregierung beseitige keine Rechtsunsicherheiten, sondern vergrößere sie. Er stelle sich "den Schutzbestimmungen und Interessen" der Beschäftigten im Einzelhandel entgegen.
    Der Schutz des Sonntags sei ein Verfassungsgebot, betont die "Allianz für den freien Sonntag". Träger der Allianz sind die Katholische Arbeitnehmerbewegung, die Gewerkschaft Verdi, die Katholische Betriebsseelsorge und der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt der Evangelischen Kirche Deutschland. Der Gesetzentwurf widerspreche höchstrichterlicher Rechtsprechung.
    zab

    Zusatzinformationen:
    "Entfesselungspaket I"
    Ziel des vorgelegten Gesetzentwurfs sei ein Neustart in der Wirtschaftspolitik, so die Landesregierung. Zum "Entfesselungspaket I" gehören neben einer Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes u. a. die Abschaffung der sogenannten Hygiene-Ampel und eine Vereinfachung des nordrhein-westfälischen Vergaberechts. Auch zu diesen Themen äußerten sich Sachverständige in der Anhörung. Das "Entfesselungspaket I" war zudem Thema von Anhörungen im Rechtsausschuss sowie im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 2020 Handel; 2000 Wirtschaft; 5000 Gesellschaft/Bevölkerung

    ID: LI180108

  • Rehbaum, Henning (CDU); Sundermann, Frank (SPD); Bombis, Ralph (FDP); Becker, Horst (Grüne); Strotebeck, Herbert (AfD)
    Standpunkte: Meinungen zum Thema "Ladenöffnungsgesetz.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 1 - 23.01.2018

    Das Ladenöffnungsgesetz ...

    Henning Rehbaum (CDU) ... muss überarbeitet werden. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Sonntagsöffnung sind eine enorme Belastung für Kommunen, Kaufleute und deren Mitarbeiter. Das neue Ladenöffnungsgesetz soll vor allem Rechtssicherheit gewährleisten und den viel zu bürokratischen Begründungsaufwand der Kommunen reduzieren. Dadurch wollen wir Geschäfte und Arbeitsplätze in unseren Städten stärken.
    Frank Sundermann (SPD) ... wie es derzeit gilt, bietet ausreichend Möglichkeiten für Ladenöffnungen an Sonn- und Feiertagen. Das Gesetz war Basis für einen konstruktiven Dialog zwischen Gewerkschaften, Einzelhandel und Kommunen. Diesen Dialog hat die Koalition aufgegeben und will nun die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten unter Verletzung des verfassungsrechtlich gebotenen Sonntagsschutzes durchsetzen.
    Ralph Bombis (FDP) ... in der bisherigen Form wird den aktuellen Kundenwünschen, den Wünschen der Händlerinnen und Händler sowie den Herausforderungen durch den Online-Handel nicht gerecht und wird daher von der NRW-Koalition reformiert. Die Neuregelung schafft verlässliche Rahmenbedingungen für Kunden, Handel, Kommunen und die Beschäftigten. Der stationäre Einzelhandel wird gestärkt.
    Horst Becker (Grüne) ... ermöglicht es schon heute dem Einzelhandel, an vier Sonntagen im Jahr seine Geschäfte zu öffnen, und schöpft so den Rahmen aus, der vom Verfassungsgericht gesetzt war. Die nun geplante Ausweitung auf acht Sonn- und Feiertage in Innenstädten und bis zu 16 innerhalb der Stadteile einer Kommune wird weder den Versandhandel zurückdrängen, noch ist sie wirtschaftlich notwendig.
    Herbert Strotebeck (AfD) ... bietet dem Verbraucher noch flexiblere Einkaufsmöglichkeiten. Nur so bekommt der Einzelhandel die Möglichkeit, auf die Konkurrenz zum Online-Handel zu reagieren und dessen 24/7-Öffnungszeiten mehr als nur seine Service- und Präsentationskompetenz entgegenzusetzen.

    Zusätzliche Öffnungen an Sonn- und Feiertagen ...

    Henning Rehbaum (CDU) ... werden in einem moderaten Rahmen möglich sein. So schaffen wir einen vernünftigen Ausgleich zwischen dem dringenden Wunsch vieler Händler nach einer Stärkung im Wettbewerb zu dem sieben Tage die Woche geöffneten Online-Handel einerseits und dem wichtigen Schutz des Sonntags andererseits. Den schützenswerten Charakter sowie die besondere kulturelle Bedeutung des Sonntags berücksichtigt die Reform angemessen.
    Frank Sundermann (SPD) ... belasten die Beschäftigten und bringen im Wettbewerb mit 24 Stunden und an 365 Tagen geöffneten Online-Angeboten keine wirklichen Vorteile. Zudem nutzen sie vor allem großen Einzelhandelsunternehmen und Einkaufszentren, weniger z.B. den inhabergeführten Geschäften.
    Ralph Bombis (FDP) ... geben dem stationären, oft inhabergeführten Einzelhandel die Chance, sich besonders zu präsentieren und damit dem Online-Handel etwas entgegenzusetzen, der gerade an Sonn- und Feiertagen starke Umsätze generiert. Zudem können die Innenstädte, die vielerorts von Verödungstendenzen bedroht sind, mit verkaufsoffenen Sonntagen belebt und beworben werden.
    Horst Becker (Grüne) ... heben die Unterscheidung zwischen Werk- und Ruhetagen weiter auf. Der freie Sonntag ist ein wichtiges Kulturgut, denn er bietet Beschäftigten und Kund*innen Erholung, stärkt das Miteinander in Familie und Gesellschaft, bietet Zeit zur freien Persönlichkeitsentfaltung und für die Ausübung von ehrenamtlicher Arbeit. Dies alles ist wichtiger als das Umsatz- und Shoppinginteresse.
    Herbert Strotebeck (AfD) ... sind zwiespältig zu sehen. Insbesondere müssen sie eindeutig geregelt sein und dürfen nicht willkürlich festgelegt werden. Dies sorgt für Planungssicherheit bei den Beschäftigten und den Unternehmen. Die Modernisierung des Ladenöffnungsgesetzes in der geplanten Form könnte die Situation für kleine und mittelständische Unternehmen verschlechtern, insbesondere gegenüber den großen Konzernen.

    Rechtssicherheit ...

    Henning Rehbaum (CDU) ... ist ein zentrales Ziel der Reform des Ladenöffnungsgesetzes. Die aktuelle, permanente Rechtsunsicherheit für Einzelhändler, Beschäftigte und Kommunen muss ein Ende haben. Ein entscheidender Schritt dahin ist die Einführung von Sachgründen im öffentlichen Interesse, die eine Sonntagsöffnung im Einzelfall rechtfertigen.
    Frank Sundermann (SPD) ... wird das Gesetz mit Blick auf die Ladenöffnung nicht verbessern, da die durch Rechtsprechung vorgegebenen Grundsätze des Sonntagsschutzes durch den vorliegenden Entwurf verletzt und die Konflikte in den Kommunen eher verstärkt als befriedet werden. Stattdessen wäre eine Fortsetzung des "Runden Tisches Ladenöffnung" sinnvoll, um zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen.
    Ralph Bombis (FDP) ... ist bei der Reform das zentrale Anliegen. Die momentane Situation, in der immer wieder kurzfristig verkaufsoffene Sonntage durch Klagen verhindert wurden, ist untragbar, weil sie die Kommunen und den Einzelhandel mit Planungsunsicherheit belastet. Die bisherige Regelung des Anlassbezugs, die zu einem absurden Prognose- und Darlegungsaufwand geführt hat, wird durch lebensnahe Sachgründe ersetzt.
    Horst Becker (Grüne) ... bietet der Gesetzentwurf nicht - im Gegenteil! Das OVG hat noch im Dezember festgehalten, dass der Landesgesetzgeber den Sonntag gesetzlich vor bloßen Umsatzinteressen zu schützen hat. Auch die Anhörung im Ausschuss zeigte, dass der Ersatz des Anlassbezugs durch die neuen "Sachgründe" höchstwahrscheinlich nicht rechtssicher ist, weil es sich eher um Scheingründe handelt. Auf die Kommunen wird wohl eine Klagewelle zurollen.
    Herbert Strotebeck (AfD) ... ist conditio sine qua non und muss endlich durch das Land NRW hergestellt werden. Eine klare gesetzliche Vorgabe ist unerlässlich und muss vor allem auch der Forderung nach Praktikabilität entsprechen.

    Die Beschäftigten im Einzelhandel ...

    Henning Rehbaum (CDU) ... profitieren von der Reform. Sie stärkt den örtlichen Einzelhandel und sichert dadurch Arbeitsplätze. Außerdem stellt das Gesetz sicher, dass die Sonntagsruhe als hohes kulturelles Gut für Gesellschaft und Familie nicht zu sehr gestört wird. Denn Geschäfte dürfen nur außerhalb der üblichen Gottesdienstzeiten geöffnet werden. Ebenso legen wir Wert darauf, dass nur ein Sonntagnachmittag im Advent verkaufsoffen sein darf.
    Frank Sundermann (SPD) ... sind die Leidtragenden der von der Koalition angestrebten Reform. Wir werden uns im Interesse von ihnen und ihren Familien dafür einsetzen, dass die Ladenöffnungszeiten nicht immer weiter ausgeweitet werden.
    Ralph Bombis (FDP) ... bekommen mit dem novellierten Ladenöffnungsgesetz verlässliche Regelungen. Die jährlich bis zu acht verkaufsoffenen Sonntage können mit zeitlichem Vorlauf und mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geplant werden. Die kaum in Anspruch genommene Möglichkeit der Sonntagsöffnung an Heiligabend im letzten Jahr zeigt, dass der Handel mit den Interessen der Beschäftigten verantwortungsvoll umgeht.
    Horst Becker (Grüne) ... sind die Leidtragenden. Ihre Sonntagsruhe wird nachhaltig gestört, mehr schlecht bezahlte Teilzeitarbeit und weniger existenzsichernde Beschäftigung in der Branche sind die Folgen. Auch die Vielfalt der Geschäfte und des Angebots in den Städten nimmt ab, weil inhabergeführte Läden die weitere Ausweitung nicht mitmachen können. Große Ketten und Malls werden die Gewinner dieses schädlichen Konzentrationsprozesses sein.
    Herbert Strotebeck (AfD) ... sind keine nach Belieben einzusetzende "Unternehmensmasse", sondern Menschen mit einem Freizeitanspruch und mehrheitlich auch Familien. Deren Bedürfnisse dürfen nicht einer allzu großzügigen Regelung der Ladenöffnungszeiten geopfert werden. Wer an dieser Stelle einseitig den Interessen der Unternehmen nachgibt, handelt grob fahrlässig. Augenmaß und differenziertes Handeln sind unbedingt geboten.

    ID: LI180109

  • Eine Frage der Betrachtung.
    Anhörung zu Philosophieunterricht an Grundschulen.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 11 - 22.12.2017

    6. Dezember 2017 - Was ist Glück? Bleibt Freundschaft für immer? Warum versinkt die Sonne abends nicht, wenn sie doch untergeht? Damit Kinder Fragen wie diesen nachgehen können, fordert die Grünen-Fraktion, Philosophieunterricht als Ersatzfach ergänzend zum konfessionellen Religionsunterricht an nordrhein-westfälischen Grundschulen anzubieten. Bei einer Anhörung im Ausschuss für Schule und Bildung haben sich Sachverständige dazu geäußert.
    Als Grundlage diente der Antrag "Philosophie verleiht Flügel!" der Grünen-Fraktion (Drs. 17/533)Philosophieunterricht sei "als Ergänzung des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts" an Grundschulen "notwendig", heißt es darin. Die Gesellschaft habe sich hin zu mehr Pluralität in Glaubens- und Konfessionsfragen entwickelt. Bereits 18,9 Prozent der Schülerinnen und Schüler an nordrhein-westfälischen Grundschulen seien laut amtlicher Statistik konfessionslos. Diesen Kindern müsse ein Unterrichtsfach angeboten werden, in dem es um Sinn- und Wertefragen gehe, so die Forderung der Grünen-Fraktion.
    Bei der Anhörung haben sich alle Sachverständigen positiv zur Einführung von Philosophieunterricht an Grundschulen geäußert. "Ich stimme dem Anliegen, ein Fach ‚Ethik‘ bzw. ‚Praktische Philosophie‘ als Ersatzfach für den konfessionellen Religionsunterricht an Grundschulen einzurichten, ohne Vorbehalt zu", betonte Thomas Nisters, Philosophieprofessor an der Universität zu Köln, in seiner Stellungnahme. Es sei "kaum zu verantworten", Schülerinnen und Schülern einen Unterricht vorzuenthalten, dessen besondere Aufgabe es sei, "Fragen der Sittlichkeit" und "des guten Lebens" in den Blick zu nehmen.
    Anne Goebels, Mitarbeiterin des Zentrums für schulpraktische Lehrerausbildung Köln, wies darauf hin, dass ein Ersatzfach für den Religionsunterricht dringend eingerichtet werden müsse. Bislang würden Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, oft in "Auffanggruppen" betreut, dort aber nicht unterrichtet. "Diese Situation ist weder für die wissbegierigen Kinder und ihre Erziehungsberechtigten noch für Lehrerinnen und Lehrer akzeptabel", stellte Goebels fest. Der Unterrichtsausfall widerspreche dem im Schulgesetz verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag.
    Auch Barbara Wenders, Lehrerin für Sonderpädagogik an der "Primus"-Grundschule in Münster, sprach sich für die Einführung von Philosophieunterricht aus. An der Primus-Schule - einer Modellschule des Landes Nordrhein-Westfalen - fänden regelmäßig Projektwochen statt, bei denen Philosophieunterricht erprobt werde. Die Erfahrungen seien sehr positiv, sagte Wenders. Es gebe "keinen pädagogisch sinnvollen Grund, die Einführung des Faches Philosophie als Ersatzfach für Religion in der Grundschule nicht alsbald umzusetzen".

    Nicht allein auf Ethik beschränkt

    Laut Klaus Blesenkemper, Philosophieprofessor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, seien auch in anderen Bundesländern positive Erfahrungen gesammelt worden: "Philosophischer Unterricht an Grundschulen ist zum Teil schon seit Jahrzehnten Wirklichkeit in nunmehr insgesamt acht Bundesländern", äußerte sich Blesenkemper in seiner Stellungnahme. Philosophieunterricht sollte allerdings nicht als Ethikunterricht bezeichnet werden, wie teilweise im Antrag der Grünen geschehen: "Mit ‚Ethik‘ ist ein wichtiger Bereich des Philosophierens angesprochen, aber bei weitem nicht der einzige. Auch der konfessionelle Religionsunterricht ist bekanntlich nicht auf christliche Ethik beschränkt."
    Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche haben sich ebenfalls dafür ausgesprochen, einen Ersatzunterricht für Kinder anzubieten, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. "Die Auseinandersetzung mit existenziellen sowie Sinn- und Wertfragen ist auch und gerade in der Grundschule zu fördern", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Kirchenrat Dr. Thomas Weckelmann, Beauftragter der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung, und Dr. Antonius Hamers, Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen. "Wenn Eltern eine solche Auseinandersetzung für ihre Kinder außerhalb des bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts wünschen, ist diesem Wunsch aus Sicht der Kirchen Rechnung zu tragen."
    tob

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 8 und 9.

    Systematik: 4200 Schulen; 4100 Bildung; 5000 Gesellschaft/Bevölkerung

    ID: LI171104

  • Rock, Frank (CDU); Ott, Jochen (SPD); Müller-Rech, Franziska (FDP); Beer, Sigrid (Grüne); Seifen, Helmut (AfD)
    Standpunkte: Meinungen zum Thema Philosophieunterricht an Grundschulen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 11 - 22.12.2017

    Philosophieunterricht an Grundschulen ...

    Frank Rock (CDU) ... ist als Alternative für Schülerinnen und Schüler in der Primarstufe, die nicht am konfessionellen Religionsunterricht teilnehmen, grundsätzlich eine sinnvolle Idee. Philosophieunterricht wird ja bereits in verschiedenen Modellversuchen erprobt. Vor einer flächendeckenden Einführung sollten allerdings sorgsame Prüfungen der damit verbundenen Auswirkungen stehen.
    Jochen Ott (SPD) ... ist eine gute Ergänzung zum bisherigen konfessionellen Religionsunterricht. Wir haben viele Kinder, die konfessionell nicht so stark gebunden sind, dass sie am Religionsunterricht teilnehmen wollen oder sollen, dennoch haben sie ein Anrecht auf einen adäquaten Ersatz. Philosophie scheint mir da eine gute Wahl zu sein.
    Franziska Müller-Rech (FDP) ... bzw. ein nicht konfessioneller Werteunterricht ist angesichts der Zahl von Familien ohne konfessionelle Bindung richtig. Die FDP-Landtagsfraktion hat deshalb bereits 2014 die Initiative ergriffen, die von Grünen und SPD jedoch abgelehnt wurde. Die NRW-Koalition hat die Einführung von Ethikunterricht an Grundschulen im Koalitionsvertrag verabredet und er soll daher in naher Zukunft Bestandteil des Lehrplans werden.
    Sigrid Beer (Grüne) ... erweitert konsequent, was weiterführende Schulen mit dem Fach Praktische Philosophie in NRW längst erfolgreich anbieten. Kinder können philosophieren, stellen Fragen nach dem Sinn, nach dem Warum, dem Woher und Wohin. Und sie tun das oft direkter und unverstellter als Jugendliche und Erwachsene. Sie haben ein Recht darauf, sich damit in der Schule unabhängig von einer Bekenntnisorientierung zu beschäftigen.
    Helmut Seifen (AfD) ... kann eine notwendige und hilfreiche Ergänzung zum Religionsunterricht für alle Schülerinnen und Schüler sein, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen und dadurch keine Gelegenheit haben, über existenzielle Fragen nachdenken zu können.

    Für das Fach Religion bedeutet das ...

    Frank Rock (CDU) ... den Wert des bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts zu stärken. Das Unterrichtsfach Philosophie ist keine Ergänzung zum Fach Religion, sondern eine Alternative für Kinder, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Die Eigenständigkeit des konfessionellen Unterrichts darf nicht eingeschränkt werden, betonten auch die Experten der beiden Kirchen in der Anhörung zum Thema. Zudem werden ethische Fragen auch bisher nicht nur im Religionsunterricht, sondern auch in anderen Fächern thematisiert.
    Jochen Ott (SPD) ... eine Entwicklung. Philosophieunterricht bietet Chancen zur Weiterentwicklung und Kooperation mit anderen Fächern. Religion ist tief in der Gesellschaft verwurzelt und Kinder haben ein Interesse an religiösen und philosophischen Fragestellungen. Schulen sollten den Kindern die Möglichkeit bieten, diese Fragen zu stellen. Philosophie und Religion ergänzen sich hervorragend.
    Franziska Müller-Rech (FDP) ... keine Veränderung. Es wird weiterhin fester Bestandteil des Curriculums der Grundschulen bleiben. Das neue Fach Ethikunterricht soll lediglich eine vorhandene Lücke schließen oder als Ergänzung gesehen werden. Der FDP- Landtagsfraktion ist es wichtig, dass Grundschulkinder, die keiner Konfession angehören, die Chance erhalten, im Unterricht Sinnfragen, Werte sowie Respekt vor unterschiedlichen Lebensentwürfen vermittelt zu bekommen.
    Sigrid Beer (Grüne) ... eine Bereicherung. Im Dialog mit anderen Bekenntnissen und Weltanschauungen und dem ergänzenden Fach Philosophie sind z. B. gemeinsame Projektwochen unter Berücksichtigung des eigenständigen fachlichen Zugangs möglich. Die Schülerinnen und Schüler präsentieren die Ergebnisse. Vielfältige didaktischmethodische Zugänge im Miteinander sind denkbar. Pluralitätskompetenz ist ein wichtiges Bildungsziel.
    Helmut Seifen (AfD) ... neben einer Konkurrenz gleichzeitig eine Ergänzung, denn im Fach Philosophie werden religiöse Fragen von einem anderen Standpunkt betrachtet, womit auch der Bezug zur Transzendenz geschlossen wird und den Kindern somit auch religiöse Fragestellungen vermittelt werden.

    Für Schulen bedeutet das ...

    Frank Rock (CDU) ... Einbringen neuer Fächer in den Lehrplan stets auch mehr Verwaltungsaufwand, gerade im Hinblick auf die Unterrichts- und Raumplanung. Zudem würde der Lehrerbedarf erhöht.
    Jochen Ott (SPD) ... sich weiter den Ansprüchen der heutigen Zeit zu öffnen. Die Einführung eines neuen Schulfaches darf keinesfalls mit der Diskussion über den allgemeinen Lehrermangel vermengt werden. Philosophieunterricht ist eine Chance für Kinder, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, aber über religiöse und philosophische Fragen diskutieren wollen. Davon haben auch Schulen einen Mehrwert.
    Franziska Müller-Rech (FDP) ..., dass mit der Einführung des Ethikunterrichts konfessionslosen Familien ein gutes Angebot gemacht werden kann. Organisatorisch müssen einige Veränderungen im Schulablauf vorgenommen werden, Stunden- und Raumpläne müssen angepasst und Lehrerinnen sowie Lehrer eingestellt werden. Die Politik wird bei der Einführung des neuen Fachs Ethik darauf achten, dass Schulen nicht überfordert werden.
    Sigrid Beer (Grüne) ... eine wertvolle Ergänzung und Anerkennung der vielfältigen Schülerschaft. Im Schuljahr 2016/17 waren 18,9 Prozent der Grundschulkinder konfessionslos. In der Praxis nehmen sie an einem anderen Fach oder mangels Alternative doch an einem Religionsunterricht teil. Teils entfällt für diese Jungen und Mädchen einfach Unterricht. Es fehlt ein eigenes Angebot für sie, sich mit Sinnfragen auseinanderzusetzen.
    Helmut Seifen (AfD) ... eine organisatorische Erleichterung, weil alle Kinder unabhängig ihrer Religions- und Konfessionszugehörigkeit parallel unterrichtet werden können. Gleichzeitig weist sich damit der geistige Horizont innerhalb einer Klassengemeinschaft.

    Philosophielehrerinnen und -lehrer ...

    Frank Rock (CDU) ... auszubilden, würde noch viele Jahre dauern. Noch unklar ist beispielsweise, ob es eines komplett eigenständigen Studienganges bedarf, um den komplexen Anforderungen des Philosophierens mit Kindern gerecht werden zu können. Vor allem im Hinblick auf den bereits bestehenden Lehrermangel im Primarbereich und die vielfältigen anderen Herausforderungen ist die Einführung eines neuen Faches kritisch zu hinterfragen.
    Jochen Ott (SPD) ... für die Grundschule müssen eine fachliche Ausbildung durchlaufen. In der Anfangsphase könnte dies durch ein berufsbegleitendes Studium geschehen, allerdings müssten die Universitäten perspektivisch ein Studienfach mit der nötigen Fachdidaktik entwickeln.
    Franziska Müller-Rech (FDP) Lehrerinnen und Lehrer, die zukünftig Ethik an Grundschulen unterrichten, müssen natürlich sowohl inhaltlich als auch pädagogisch auf die neue Aufgabe vorbereitet werden. Den Freien Demokraten ist es wichtig, dass die Lehrinhalte verständlich und altersgerecht vermittelt werden.
    Sigrid Beer (Grüne) ... müssen zusätzlich für die Grundschule ausgebildet und qualifiziert werden. Das Studienangebot ist entsprechend zu erweitern. Eine Reihe von Hochschulen würde diese Aufgabe gerne übernehmen. Für den Übergang sind Zertifikatskurse und Zusatzqualifikationen für Lehrkräfte denkbar, die bereits im Schuldienst sind. So müssten die Schülerinnen und Schüler nicht zu lange auf das entsprechende Angebot warten.
    Helmut Seifen (AfD) ... sollten eng mit Religionslehrern zusammenarbeiten.

    ID: LI171107

  • Heftiger Schlagabtausch über die geplante schwarze Null.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 4-5 in Ausgabe 10 - 24.11.2017

    15. November 2017 - Einen Haushaltsentwurf ohne Neuverschuldung - das hatte es in Nordrhein-Westfalen zuletzt 1973 gegeben. Für 2018 hat die Landesregierung von CDU und FDP nun wieder einen Etatentwurf vorgelegt, mit dem sie plant, nicht mehr Geld auszugeben als eingenommen wird. In der ersten Lesung diskutierten Koalition und Opposition, wessen Verdienst der ausgeglichene Haushalt ist.
    Grundlagen der Debatte waren unter anderem der Entwurf für das "Haushaltsgesetz 2018" (Drs. 17/800) und die "Finanzplanung 2017-2021" (Drs. 17/801). "Zusätzliche Mittel in nennenswertem Umfang", heißt es, sollen in folgende Bereiche fließen: Bildung, Innere Sicherheit, Breitbandausbau, Digitalisierung, Verkehr und Integration. Gespart werden sollen 131 Millionen Euro vornehmlich bei Förderprogrammen aus unterschiedlichen Landesressorts.
    Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) sagte, mit dem ersten schuldenfreien Haushalt seit 1973 werde die Landesregierung den politischen Aufbruch des Landes flankieren. Er kündigte an, dass alle regulären Haushalte dieser Wahlperiode ohne eine Neuverschuldung auskommen sollen. Das sparsame Wirtschaften werde "zur DNA dieser Landesregierung". Zugleich würden bei Investitionen die richtigen Impulse gesetzt und es werde das notwendige Geld zur Verfügung gestellt, damit das Land wieder nach vorne gebracht werden könne. Die Finanzpolitik von CDU und FDP sei "geplant, verlässlich und ehrlich". Sie bestehe aus dem Dreiklang "Konsolidieren, Modernisieren, Investieren". Ziel sei, das alte nordrhein-westfälische Versprechen des Aufsteigerlandes einzulösen: dass es jedem, der lerne und hart arbeite, gut gehen solle.

    "Fantasiezahl"

    SPD-Fraktionschef Norbert Römer kritisierte: Erben sei keine Leistung. Die Regierung habe von der rot-grünen Vorgängerin "robustes Wirtschaftswachstum und solide Finanzen, Steuereinnahmen auf Rekordniveau und die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren geerbt". Vor der Wahl habe die damalige Opposition hohe Erwartungen geweckt und viele Versprechen abgegeben, von denen sie gewusst habe, dass sie diese niemals einhalten könne. Als Beispiele nannte Römer die Pauschale des Bundes zur Integration von Flüchtlingen, die nicht wie gefordert an die Kommunen weitergeleitet und den Pensionsfonds für Beamtinnen und Beamte, der nicht wie gefordert aufgestockt werde. Zudem seien die geplanten 100 Millionen Euro für die Universitäten aus Gebühren ausländischer Studierender eine "reine Fantasiezahl".
    Man wolle NRW wieder zu einem Aufsteigerland machen, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Bodo Löttgen. Dieses Ziel habe man mit dem Haushaltsentwurf fest im Blick. Das Land wieder in die Spitzengruppe zu führen, sei Anspruch und Ziel der NRW-Koalition. Er wies darauf hin, dass zur geplanten Konsolidierung des Haushalts "gute und stabile Steuereinnahmen", aber auch "Einsparerfolge" sowie eine "umsichtige Ausgabenpolitik" beigetragen hätten: "Sparen und die Zukunft aktiv gestalten, das geht zusammen." Daher würden z. B. 2.048 neue Stellen für Lehrerinnen und Lehrer, 1.135 neue Stellen in der Justiz sowie 500 Stellen für die Polizeiverwaltung geschaffen. Der "Verzicht auf eine weitere Neuverschuldung des Landes" sei "das Ergebnis einer verantwortungsbewussten und maßvollen Haushaltspolitik der NRW-Koalition".

    "Politikwechsel"

    Grünen-Fraktionschefin Monika Düker warf der Landesregierung vor, ihr Programm von Maß und Mitte verkomme "zu Mutlosigkeit, Rückschritt und Modernisierungsverweigerung". CDU und FDP litten unter einem "kollektiven Gedächtnisverlust", wenn nun nicht mehr die Rede davon sei, dass Neuausgaben mit Einsparungen finanziert werden sollten. Zudem gebe es keine klare Aussage, wie Schulden in Zukunft abgebaut werden sollten. Fehlende Investitionen in die Liegenschaften würden sich in der Zukunft rächen. Mit Kürzungen beim Sozialticket würde Politik auf Kosten der Schwächsten gemacht. An der Braunkohle festzuhalten, sei keine Modernisierung, sondern rückwärtsgewandte Politik. "Was Sie uns vorgestellt haben, ist eben kein Gestaltungsplan. Hier wird keine Vision von NRW in den nächsten Jahren formuliert."
    Die NRW-Koalition wolle das Land sicherer, moderner und chancenreicher machen, sagte FDP-Fraktionschef Christof Rasche. Dies sei geplante schwarze Null am Haushalt erkennbar. Erstmals seit 1973 lege eine Landesregierung wieder einen ausgeglichenen Etat vor. CDU und FDP hätten die von der SPD im Stich gelassenen Kitas gerettet. Die SPD habe "sieben Jahre lang auf eine grundlegende Reform der Kita-Finanzierung verzichtet, aber regelmäßig über die Notwendigkeit geredet". Rasche sprach von einem "Politikwechsel". Auch in der Wirtschaftspolitik hätten sich wesentliche Änderungen vollzogen. Es gehe nicht mehr darum, etwas zu verhindern, sondern darum, etwas zu ermöglichen. In der Energiepolitik sei ein "Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie" erforderlich. Auch in der Verkehrspolitik sei eine Trendwende eingeleitet worden.
    Entscheidend für die "schwarze Null" sei die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, sagte Markus Wagner, Vorsitzender der AfD-Fraktion. Davon habe die Landesregierung profitiert. Sparer würden "geschröpft", Steuerzahler "ausgenommen". Außerdem beklagte Wagner eine "katastrophale Verschlechterung der Sicherheitslage" speziell in Köln und wies auf den schlechten Zustand vieler Polizeiwachen im Land hin, auf "Schimmel und Schädlingsbefall". Die Polizei brauche "akzeptable Rahmenbedingungen". Dazu gehörten auch "Toiletten-Lastwagen" bei Demonstrationen. Der "Investitionsstau" sei über Jahre hinweg entstanden, insbesondere unter der rot-grünen Landesregierung. Die neue Landesregierung müsse der Sanierung maroder Polizeiwachen oberste Priorität einräumen. Dieser Wille sei im Haushalt nicht erkennbar.
    Das Haushaltsgesetz 2018 wurde zur weiteren Beratung an den Haushalts- und Finanzausschuss (federführend) überwiesen.
    ell, sam, tob, wib, zab

    Zusatzinformation:
    Die Landesregierung von CDU und FDP legt mit dem Entwurf für den Haushalt 2018 ihren ersten regulären Etat vor. Erstmals seit 1973 ist geplant, keine neuen Schulden aufzunehmen. Das Gesamtvolumen des Etats umfasst 74,5 Milliarden Euro (2017: 73,9 Mrd.). Schwarz-Gelb plant mit Steuereinnahmen in Höhe von 58 Milliarden Euro (56,2 Mrd.). 131 Millionen Euro sollen in den verschiedenen Ressorts eingespart werden. 7,1 Milliarden Euro (6,9 Mrd.) werden investiert. Schwerpunkte sind dabei die Bereiche Innere Sicherheit, Verkehr, Bildung, Digitalisierung, Integration und Kultur. So sollen 58,2 Millionen Euro in eine verbesserte Polizeiausstattung fließen, 38,35 Millionen Euro mehr werden für den Erhalt von Landesstraßen eingeplant, für den Breitbandausbau (schnelles Internet) 220 Millionen Euro. Laut der Mittelfristigen Finanzplanung soll 2019 ein Überschuss von 30 Millionen Euro ausgewiesen werden, ab 2020 sollen es Haushaltsüberschüsse von mehr als einer Milliarde Euro sein.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung; 1220 Landesregierung

    ID: LI171003

  • Diskussion um Landesbauordnung.
    Sachverständige äußern sich in Anhörung über möglichen Aufschub.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 10 - 24.11.2017

    10. November 2017 - Die im Dezember 2016 vom Landtag mehrheitlich beschlossene Bauordnung soll ein Jahr später als geplant in Kraft treten. Dies sieht ein Gesetzentwurf der Landesregierung vor. Ursprünglich sollte sie vom 28. Dezember 2017 an gelten. Die SPD-Fraktion dagegen lehnt einen Aufschub ("Moratorium") ab. In einer Anhörung des Ausschusses für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen haben sich Sachverständige geäußert.
    Ziel sei es, "dass das Bauen durch Entbürokratisierung, die Vermeidung von Baukostensteigerung und Verfahrensdigitalisierung vereinfacht, beschleunigt und somit gefördert wird", heißt es im Gesetzentwurf der Landesregierung ("Gesetz zur Änderung der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen", Drs. 17/493). Die Landesbauordnung müsse auf diese Zielsetzungen hin kritisch überprüft werden. Aus diesem Grund solle das Inkrafttreten um ein Jahr aufgeschoben werden.
    Die SPD-Fraktion ist dagegen. Für ein einjähriges Moratorium bestehe kein Anlass, schreibt sie in ihrem Antrag "Vernunft statt Vergangenheit: Finger weg von der neuen Landesbauordnung!" (Drs. 17/512). Zentrale Vorschriften beträfen den vorbeugenden Brandschutz und den stärkeren Einsatz von Holz. Zudem solle sichergestellt werden, dass Gebäude und Wohnungen auch von Senioren und Menschen mit Behinderung sicher genutzt werden können. Verfahrensregelungen seien gestraff worden.
    Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW (Städtetag, Landkreistag, Städte- und Gemeindebund) bedauert das geplante Moratorium. Bereits seit Anfang 2017 hätten die Behörden "intensive Vorbereitungen zur Anpassung der Verwaltungsabläufe sowie Schulungen des Personals vorgenommen". Es liege auch im Interesse der Kommunen, das Bauen schneller zu ermöglichen. Die "angespannte Personalsituation" bei den unteren Bauaufsichtsbehörden setze diesem Ziel jedoch "natürliche Grenzen".
    Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland-Westfalen dagegen begrüßt den Gesetzentwurf der Landesregierung "ausdrücklich". Viele Vorgaben der Novelle machten das Bauen "noch komplizierter und langwieriger und führen nachweislich zu weiteren erheblichen Baukostensteigerungen", heißt es in einer Stellungnahme des Verbands für den Ausschuss. Grundsätzlich müsse sich die Landesbauordnung stärker an der Musterbauordnung orientieren - eine Forderung, die die Architektenkammer NRW teilt: Die "Vielzahl von landesspezifischen Abweichungen" sei ein "Baukostentreiber".

    "Kostensteigerungen"

    Ähnlich äußerten sich der Eigentümerverband "Haus & Grund NRW", der Bauindustrieverband NRW sowie der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW, Landesverband Nordrhein-Westfalen) in ihren Stellungnahmen. "Mit der im Dezember beschlossenen Landesbauordnung wurden Vorschriften ins Gesetz aufgenommen oder geändert, die zu Kostensteigerungen führen würden", schreibt "Haus & Grund". So werde eine rollstuhlgerechte Wohnung bei Neubauten bereits bei mehr als acht Wohnungen, die zweite bei mehr als 15 verlangt. Dies gehe "über den tatsächlichen Bedarf hinaus und verteuert den Neubau von Wohnungen deutlich". Der BFW schreibt: "Das Moratorium ist aus Sicht der mittelständischen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft kein Rückschritt, sondern die Chance und dringende Notwendigkeit, kostenauslösende Auflagen im Wohnungsbau auf ihre Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit zu prüfen."
    Der Sozialverband VdK wiederum lehnt die Verschiebung und eine erneute Überprüfung ab: "Für die Betroffenen bedeutet das Moratorium ein weiteres verlorenes Jahr, in dem keine neuen barrierefreien Wohnungen entstehen. Für Bauherren wird die ohnehin bestehende Unsicherheit, welche Regeln zu beachten sind, noch verstärkt." Zudem sei barrierefreies Bauen nicht teurer als konventionelles Bauen. Die 2016 novellierte Bauordnung enthalte "deutliche Verbesserungen" beim barrierefreien Bauen. Sie dürften nicht zurückgenommen oder abgeschwächt werden. Der Verein "Selbstbestimmt Leben" fordert eine "sofortige Sicherstellung des barrierefreien Bauens ohne Moratorium".
    Ein Moratorium führe stets zu Rechts- und Planungsunsicherheiten, so der Mieterbund NRW. Dies könne dazu führen, dass der Neubau von Wohnraum nicht beschleunigt, sondern verlangsamt werde. Mit Blick auf die Zukunft könne es sinnvoll sein, alle Wohnungen barrierefrei zu planen. Der Mieterbund regt die Einrichtung einer zentralen kommunalen Stelle an, bei der alle barrierefreien Wohnungen sowie der Bedarf registriert werden. Kommunen sollten so nicht nur öffentlich geförderte barrierefreie Wohnungen vermitteln, sondern auch frei finanzierte.
    zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 2800 Bauwesen

    ID: LI171006

  • Schrumpf, Fabian (CDU); Wolf, Sven (SPD); Paul, Stephen (FDP); Klocke, Arndt (Grüne); Beckamp, Roger (AfD)
    Standpunkte: Meinungen zum Thema Landesbauordnung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 10 - 24.11.2017

    Die Landesbauordnung ...

    Fabian Schrumpf (CDU) ... ist in unserem Land die Grundlage für sicheres, qualitatives, barrierefreies, familienfreundliches und generationengerechtes Bauen. Der Brandschutz, die Standsicherheit von Gebäuden sowie die gegenseitige Rücksichtnahme werden darin geregelt. Die Landesbauordnung sichert damit die Lebens- und Wohnqualität der Menschen in unserem Land.
    Sven Wolf (SPD) ... regelt die Grundlagen des Bauens in NRW. Sie ist das Ergebnis eines intensiven und vielfältigen Beratungsprozesses mit ganz unterschiedlichen Akteuren: Architekten und Bauingenieuren, Fachverbänden und Bauexperten, Bau-, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, Feuerwehren, Hochschulen und Kommunen sowie den Interessenverbänden von Menschen mit Behinderungen.
    Stephen Paul (FDP) ... muss ein effzienter Handlungsrahmen sein, um allen Beteiligten das Bauen in Nordrhein- Westfalen schneller, sicher und unbürokratischer zu ermöglichen. Das ist unser Anspruch. Dazu werden wir unter anderem das von Rot- Grün abgeschaffe, unbürokratische Freistellungsverfahren wieder einführen. Dies ist auch ein Beitrag, um viele Kommunen administrativ zu entlasten.
    Arndt Klocke (Grüne) ... wurde von Rot-Grün umfassend modernisiert. Insbesondere die Vereinfachung beim Bauen mit Holz, die Schaffung barrierefreier und rollstuhlgerechter Wohnungen, die Abschaffung des Freistellungsverfahrens, das in der Praxis zu mehr Prüfaufwand geführt hat, und die Übertragung der Stellplatzregelung auf die Kommunen sind die zentralen Verbesserungen im Vergleich zur seit 2000 gültigen Landesbauordnung.
    Roger Beckamp (AfD) ... regelt über bauliche Anforderungen, wie die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleistet sowie soziale Mindeststandards sichergestellt werden. Das Regelwerk sollte daher nicht mit überzogenen Wunschvorstellungen außerhalb des Gesetzeszwecks überfrachtet werden, die systemfremd sind und zu unnötigen Kosten und Verfahrensaufwand führen. Nur so ist bezahlbarer Wohnraum möglich.

    Ein Moratorium ...

    Fabian Schrumpf (CDU) ... in den Landtag einzubringen bedeutet, die gesetzliche Grundlage der Landesbauordnung um ein Jahr aufzuschieben. Diese Zeit soll genutzt werden, um die Landesbauordnung auf Vorschriften hin zu untersuchen, die das Bauen verteuern, verkomplizieren und verlängern. Die überarbeitete Vorschrift soll das Bauen günstiger, leichter und schneller machen.
    Sven Wolf (SPD) ... führt zu Unsicherheit bei Investoren und Bauherren. Es hemmt Investitionen und verzögert die Einführung wichtiger Neuerungen und Erleichterungen beim Bauen, beim Brandschutz, bei der Barrierefreiheit und bei der Verwendung des ökologisch wertvollen Baustoffes Holz. Skandalös, dass die Landesregierung das Gesetz aussetzt, ohne bislang eigene konkrete Änderungsvorschläge vorzulegen.
    Stephen Paul (FDP) ... ist erforderlich, um die von SPD und Grünen im Rahmen der Novelle der Landesbauordnung beschlossenen baukostensteigernden Maßnahmen noch aufhalten zu können. In der Zeit des Moratoriums werden wir das Gespräch mit allen Beteiligten suchen, um auf die an der rot-grünen Bauordnung vorgetragene Kritik sachgerecht reagieren zu können.
    Arndt Klocke (Grüne) ... sorgt für eine Verschärfung der Wohnungsnot. Das hat die Anhörung noch einmal verdeutlicht. Zu befürchten ist eine Hängepartie, die Investor*innen abschreckt, dringend benötigte Wohnungen zu schaffen. In NRW fehlen in den nächsten zwei bis drei Jahren voraussichtlich 200.000 Wohnungen. Mit dieser unsozialen und kurzsichtigen Politik sitzt Schwarz-Gelb dieses Problem in verantwortungsloser Art und Weise aus.
    Roger Beckamp (AfD) ... ermöglicht es zu prüfen, welche Vorgaben als notwendige Verbesserung aufgenommen und welche als überzogener Ideologieballast aus der Landesbauordnung entfernt werden sollten. Sofern es gelingt, etwas in diesem Sinne sinnvoll zu ändern, können die Landesbauordnung von überflüssigen Stolpersteinen befreit und absehbar bezahlbarer Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen gebaut werden.

    Barrierefreie Wohnungen ...

    Fabian Schrumpf (CDU) ... sind ein wichtiger Baustein für ein inklusives, selbstbestimmtes und generationengerechtes Leben. Durch die Überarbeitung der Landesbauordnung und ein zeitlich gestuftes Maßnahmenpakt, werden wir sicherstellen, dass ausreichend barrierefreier Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann.
    Sven Wolf (SPD) ... sind Mangelware in Nordrhein-Westfalen. Die wichtigen Fortschritte für das barrierefreie Bauen mit der LBO 2016 anzuhalten und rückgängig zu machen, ist sozialpolitisch unverantwortlich. Es stellt zugleich eine Missachtung der von der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009 unterzeichneten UN-Menschenrechtskonvention für Menschen mit Handicap dar.
    Stephen Paul (FDP) ... wird die NRW-Koalition unter anderem durch Fördermaßnahmen im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung unterstützen. Viele Barrieren treten nämlich erst im Laufe des Lebens auf. Es ist deshalb gut, Wohnungen so zu gestalten, dass auch körperlich eingeschränkte Menschen durch entsprechende Umbaumaßnahmen möglichst lange in ihrer Wohnung und im sozialen Umfeld leben bleiben können.
    Arndt Klocke (Grüne) ... und rollstuhlgerechter Wohnraum sind wichtig, um allen Menschen in NRW so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben in ihren eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Dazu hat sich Deutschland mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet. Allerdings hat NRW hier noch Nachholbedarf. Das Moratorium sorgt dafür, dass diese Fehlentwicklung weitergeht statt ihr entgegenzuwirken.
    Roger Beckamp (AfD) ... sind für immer mehr Menschen notwendig, um unbeschwert ihr Leben führen zu können. Barrierefreiheit betriff insofern nicht nur den öffentlichen Raum, sondern auch den privaten Wohnbereich. Preiswerte Angebote sollten über verstärkte Förderung des Wohnungsbaus durch kommunale Wohnungsbaugesellschaften oder gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften geschaffen werden.

    Beschleunigtes Bauen ...

    Fabian Schrumpf (CDU) ... ist ein wichtiger Faktor, um die Wohnungsknappheit insbesondere in Ballungsräumen und Universitätsstädten zu bekämpfen und ein bedarfsgerechtes Wohnraumangebot für die Bürger sicherzustellen. Vereinfachte, rechtssichere Vorschriften sollen Anreize für die Bauwirtschaft setzen, um schnellstmöglich den Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu beheben.
    Sven Wolf (SPD) ... ist wünschenswert. Dafür sind die genaue Prüfung von Bauanträgen und die Abstimmung mit allen Akteuren notwendig. Auch der Bauherrenschutz ist zu beachten. Eine gute personelle und technische Ausstattung der Bauämter in den Kommunen ist Garant für die schnelle Bearbeitung. Das Land muss die finanziellen Rahmenbedingungen für die Kommunen schaffen.
    Stephen Paul (FDP) ... ist dringend erforderlich. Die NRW-Koalition führt daher verbindliche Fristen zur Bearbeitung von Bauanträgen in den Kommunen ein. Weiter werden wir die kommunale Familie dabei unterstützen, ein einheitliches und digitales Verfahren zur Einreichung von Bauanträgen einzuführen. Anders als Rot-Grün werden wir auch Transparenz hinsichtlich der Dauer der Genehmigungsverfahren schaffen.
    Arndt Klocke (Grüne) ... ist ein wichtiger Baustein, um zeitnah den fehlenden Wohnraum schaffen zu können. Daher haben wir uns dafür eingesetzt, im Rahmen der Digitalisierungsoffensive die flächendeckende Digitalisierung der Baugenehmigungsverfahren in den Kommunen zu unterstützen. Gleichzeitig muss aber auch bedacht werden, dass Prüfprozesse in den Bauämtern oftmals der Gefahrenabwehr und damit dem Verbraucherschutz dienen.
    Roger Beckamp (AfD) ... setzt vor allem zügige Genehmigungsverfahren und den Verzicht auf ideologisch überfrachtete Umweltvorschriften voraus. Auch der Einsatz von unkonventionellen und alternativen Wohnbaukonzepten durch Nutzung von Baulücken oder Dachgeschossen sowie der Einsatz von preisgünstigen Baustoffen wie Holzbauweise können hier einen Beitrag leisten.

    ID: LI171008

  • "Licht und Schatten".
    Sachverständige bewerten Nachtragshaushalt.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 7 in Ausgabe 9 - 17.10.2017

    28. September / 12. Oktober 2017 - Der Landtag hat den Nachtragshaushalt 2017 verabschiedet. Zuvor hatten sich Sachverständige zu dem Gesetzentwurf geäußert. Dabei gab es Lob und Kritik.
    Der Nachtragshaushalt 2017 der Landesregierung wurde am 12. Oktober 2017 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP angenommen. Der Haushalt hat ein Volumen von 73,9 Milliarden Euro. Gegen den Entwurf (Drs. 17/821, Drs. 17/871, Drs. 17/872, Drs. 17/873) stimmten die Fraktionen von SPD, Grünen und AfD. Die Nettoneuverschuldung beträgt 1,52 Milliarden Euro. 885 Millionen Euro sind für die Rückabwicklung vorgezogener Darlehenstilgungen seitens des landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB) eingeplant. 500 Millionen Euro erhalten die Träger von Kindertagesstätten, 250 Millionen Euro werden in Krankenhäuser investiert. Rund 18 Millionen Euro sind für Personal und Ausstattung von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz vorgesehen. Und im Zusammenhang mit einer Neuregelung des Unterhaltsvorschussgesetzes tragen künftig das Land und die Kommunen jeweils die Hälfte der Ausgaben für den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende, die der Bund nicht übernimmt.

    Folgen für Kommunen

    In einer Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses am 28. September nahmen Sachverständige Stellung zum Gesetzentwurf. Der Nachtragshaushalt enthalte aus kommunaler Sicht "Licht und Schatten", hieß es in der schriftlichen Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände. In der Anhörung sagte Dr. Matthias Menzel vom Städte- und Gemeindebund NRW, das Kita-Rettungspaket sei zu begrüßen. Auch die Investitionen in Krankenhäuser seien grundsätzlich positiv, allerdings müssten die Kommunen aufgrund des Automatismus der kommunalen Beteiligung an der Krankenhausfinanzierung 100 Millionen Euro zusätzlich aufbringen. Dies sei nicht akzeptabel. Stefan Hahn vom Städtetag Nordrhein-Westfalen sagte, die Neuregelung des Unterhaltsvorschusses führe zu einem "erheblichen bürokratischen Aufwand" für die Kommunen.
    Der DBB NRW Beamtenbund und Tarifunion Nordrhein-Westfalen begrüßte in seinen schriftlichen Anmerkungen zum Gesetzentwurf die Absicht, Kitas besser auszustatten und Stellen bei der Polizei zu schaffen. Der DBB NRW kritisierte, dass Mittel, die im Personalhaushalt eingeplant waren, nicht verbraucht worden seien. Es sei offenbar nicht gelungen, eine hohe Zahl an offenen Stellen zu besetzen.
    Die Deutsche Steuergewerkschaft NRW (DSTG NRW) schrieb in ihrer Stellungnahme, dass "angesichts der zusätzlichen Steuereinnahmen und der bereits absehbaren Minderausgaben" eine niedrigere Nettoneuverschuldung machbar gewesen wäre. Die Rückabwicklungen der Sondertilgungen des BLB hält die DSTG NRW aufgrund "erheblicher Mehrkosten gegenüber der bisherigen Regelung" für nicht sinnvoll. Die zusätzlichen Mittel für Kitas und Krankenhäuser bezeichnete sie als "sachgerechte Verwendung zusätzlicher Steuereinnahmen". Kritisch sieht die Gewerkschaft, dass den Kommunen eine Investitionsverpflichtung bei den Krankenhäusern entstehe. Diese folgt daraus, dass Kommunen und Land gemeinsam die Krankenhäuser finanzieren.
    Dr. Katja Rietzler vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung begrüßte in ihrer Stellungnahme die Entlastung der Kommunen beim Unterhaltsvorschuss ebenso wie die Krankenhausinvestitionen. Hierbei sei aber problematisch, dass die Kommunen dabei sehr kurzfristig und ohne Abstimmung in die Finanzierung eingebunden werden sollten. Die zusätzlichen Mittel für Kindertageseinrichtungen sorgten "zeitweise für eine Entspannung der Lage".
    Dr. Tobias Henze vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln schrieb in seiner Stellungnahme, die Haushaltslage in Nordrhein-Westfalen bleibe angesichts des weiterhin bestehenden Defizits und der Unwägbarkeiten der konjunkturellen Entwicklung herausfordernd. Investitionen in die Infrastruktur seien auch künftig erforderlich. Eine sinkende Neuverschuldung sei vor dem Hintergrund der ab 2020 geltenden Schuldenbremse von großer Bedeutung. Die Rückabwicklung der Tilgung durch den BLB eröffne zukünftige Handlungsspielräume.
    In der schriftlichen Stellungnahme des Landesrechnungshofs hieß es, dass alle mit der Regierungsneubildung begründeten Stellen als "künftig wegfallend" vermerkt werden sollten. Der Landesrechnungshof stellte zudem fest, dass trotz günstiger Rahmenbedingungen wie Rekordsteuereinnahmen und geringen Zinsausgaben weitere Anstrengungen für eine Haushaltskonsolidierung erforderlich seien.
    Birgit Westphal von der Gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft Herne warnte in der Anhörung vor einer Kürzung der Landesförderung für den Sozialen Arbeitsmarkt. Die aktuell gute konjunkturelle Entwicklung wirke sich auf Langzeitarbeitslose nicht aus. Durch den Sozialen Arbeitsmarkt verbesserten die Betroffenen ihre Zugangsvoraussetzungen für den Ersten Arbeitsmarkt. Eine Kürzung der Landesmittel würde zu einer Einschränkung der pädagogischen und fachlichen Anleitung in den Maßnahmen führen.
    Sam

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 8 und 9.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung; 1220 Landesregierung

    ID: LI170908

  • Moritz, Arne (CDU); Zimkeit, Stefan (SPD); Witzel, Ralf (FDP); Düker, Monika (Grüne); Loose, Christian (AfD)
    Standpunkte: Meinungen zum Titelthema "Nachtragshaushalt 2017".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 9 - 17.10.2017

    Der geplante Nachtragshaushalt der Landesregierung ist ...

    Arne Moritz (CDU) ... ein reiner "Reparaturhaushalt", der Fehler aus sieben Jahren rot-grüner Regierungsarbeit repariert.
    Stefan Zimkeit (SPD) ... unsolide und unsozial, durch ihn werden die Kommunen zusätzlich belastet und Langzeitarbeitslose im Stich gelassen. Gleichzeitig werden 139 Stellen in den Ministerien geschaffen. Die Landesregierung wird ihrem eigenen Anspruch, neue Ausgaben durch Einsparungen zu realisieren, nicht gerecht: Die Neuverschuldung beträgt 1,5 Mrd. Euro.
    Ralf Witzel (FDP) ... naturgemäß ein Sofortprogramm zur Reparatur der schlimmsten rot-grünen Hinterlassenschaften. Das Land holt dringend notwendige Maßnahmen nach, die Rot-Grün sträflich vernachlässigt hat: Unterfinanzierte Kitas werden vor der Schließung bewahrt, Überstundenberge im öffentlichen Dienst abgebaut und die Innere Sicherheit durch mehr Polizeipersonal gestärkt. Ferner werden unsolide Haushaltstricks rückgängig gemacht.
    Monika Düker (Grüne) ... der Offenbarungseid der neuen schwarz-gelben Landesregierung. Er zeigt, dass die Aussagen von CDU und FDP in ihren Wahlprogrammen, neue Ausgaben durch Einsparungen zu decken, keine Gültigkeit mehr haben. Trotz sprudelnder Steuermehreinnahmen werden Schulden aufgenommen. Den Rotstift setzt die Koalition beim Sozialen Arbeitsmarkt an - ein fatales Signal für die Langzeitarbeitslosen in unserem Land.
    Christian Loose (AfD) ... ein Zeugnis dafür, dass FDP und CDU leider dort weitermachen, wo SPD und Grüne aufgehört haben. Statt Prioritäten bei den Ausgaben zu setzen und schwarz-gelbe Wahlgeschenke durch Sparen an geeigneter Stelle gegenzufinanzieren, wird auf die zusätzlichen Steuereinnahmen zurückgegriffen.

    Die Höhe der Neuverschuldung ist ...

    Arne Moritz (CDU) ... trotz Investitionen in innere Sicherheit, Kitas und Krankenhäuser und trotz Rückabwicklung der Darlehenstilgung von 885 Millionen Euro gegenüber dem BLB, über 90 Millionen Euro geringer, als von der Vorgängerregierung geplant.
    Stefan Zimkeit (SPD) ... vor dem Hintergrund der steigenden Mehreinnahmen nicht nachvollziehbar. Hier müssen sich CDU und FDP an ihren Wahlversprechen messen lassen, neue Ausgaben nur durch Steuermehreinnahmen oder Einsparungen gegenzufinanzieren. Dies geschieht mit dem Nachtrag aber eben nicht, die Nettoneuverschuldung wird nur minimal reduziert.
    Ralf Witzel (FDP) ... im Vergleich zur rot-grünen Haushaltsplanung trotz der Vielzahl notwendiger Initiativen des Politikwechsels von der schwarz-gelben Mehrheit um fast 100 Millionen Euro abgesenkt worden. So wird mit der Umsetzung unseres Versprechens einer niedrigeren Neuverschuldung begonnen, die es spätestens ab 2020 gar nicht mehr geben wird. Durch sinkende Zinslasten wird die Abhängigkeit des Landes vom Kapitalmarkt reduziert.
    Monika Düker (Grüne) ... gemessen an den finanziellen Spielräumen mit 1,2 Mrd. Euro Steuermehreinnahmen und 400 Mio. Euro Personalminderausgaben zu hoch. Da hilft auch die Ausrede eines "Reparaturhaushalts" nicht weiter, wenn man zunächst 139 neue Stellen in der Ministerialbürokratie schafft. Der ehemalige Finanzminister Walter-Borjans hatte aufgezeigt, dass bereits 2017 ein ausgeglichener Haushalt möglich wäre.
    Christian Loose (AfD) ... Beleg dafür, dass Sparen von FDP und CDU nicht gewollt ist. Von den zusätzlich sprudelnden Steuereinnahmen von fast 1,3 Mrd. Euro werden nicht mal 10 % für die Tilgung von Schulden eingesetzt, so dass eine hohe Nettoneuverschuldung verbleibt. Eine verantwortungsvolle Politik für unsere Nachkommen sieht anders aus.

    Die geplanten Investitionen sind ...

    Arne Moritz (CDU) ... notwendig, weil sie dafür sorgen, dass keine Kita geschlossen wird, Überstunden bei Polizei und Justiz bezahlt werden und Krankenhäuser endlich wieder investieren können.
    Stefan Zimkeit (SPD) ... teilweise richtig, etwa bei den Polizeineueinstellungen. Diese Forderung wurde unverändert aus dem SPD-Wahlprogramm übernommen. Das begrüßen wir. Sie stehen aber in einem krassen Missverhältnis zu anderen Maßnahmen, wie beispielsweise der wirtschaftlich unnötigen Rückabwicklung einer Sondertilgung des BLB. Diese kostet alleine 885 Mio. Euro und dient nur dazu, der Regierung ein Finanzpolster für die nächsten Jahre zu verschaffen.
    Ralf Witzel (FDP) ... langfristig nicht ausreichend, um den vom Landesrechnungshof kritisierten Verfall der öffentlichen Infrastruktur zu bremsen. Durch den Nachtrag beginnt das Land aber mit Investitionen in die Krankenhäuser von zusätzlichen 250 Millionen Euro. Dringende Sanierungen wie beispielsweise bei der Verkehrsinfrastruktur folgen in den kommenden regulären Haushalten. Der öffentliche Substanzverzehr ist zu stoppen.
    Monika Düker (Grüne) ... grundsätzlich notwendig. Die Krankenhausinvestitionsfinanzierung bringt finanzschwache Kommunen jedoch in große Bedrängnis, da sie die gesetzliche Eigenbeteiligung in ihren Haushalten nicht mehr aufbringen können. Eine Verschiebung des Einnahmeanspruchs nach 2018 nützt da gar nichts. Zu Recht kritisieren die Kommunalen Spitzenverbände diesen Aktionismus, der nicht mit ihnen abgestimmt wurde.
    Christian Loose (AfD) ... lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein. Rot-Grün hat die Sachinvestitionen in unsere Infrastruktur wie Straßen, Krankenhäuser, Schulen sträflich vernachlässigt. Die geplanten Investitionen reichen lediglich, um den Verfall unserer Infrastruktur zu verlangsamen. Es fehlt ein klares Bekenntnis zu einem Aufbau der Infrastruktur in NRW.

    Die Neuregelung beim Unterhaltsvorschuss ist ...

    Arne Moritz (CDU) ... gegenüber den Kommunen endlich fair geregelt. Im Moment zahlen die Kommunen 80 % des Landesanteils, das Land nur 20 %. Mit der Neuregelung reparieren wir diesen Rot-Grünen Fehler. Zukünftig teilen sich Land und Kommunen die Kosten zur Hälfte.
    Stefan Zimkeit (SPD) ... richtig und zu begrüßen. Der finanziellen Entlastung beim Unterhaltsvorschuss stehen gleichwohl 100 Mio. Euro Mehrbelastungen durch die Krankenhausfinanzierung gegenüber. Für die Kommunen heißt das: Wie gewonnen, so zerronnen.
    Ralf Witzel (FDP) ... eine wichtige Entlastung der kommunalen Haushalte. Diese bezweckt die Abfederung der dort durch bundesrechtliche Änderung des Unterhaltsvorschusses für Minderjährige gestiegenen Kosten. Seither fällt für zahlreiche Kinder Anspruch auf Unterhaltsvorschuss an. Land und Kommunen teilen sich die Kosten jetzt hälftig. Das ist sachgerecht und fair. Rot-Grün hat dieses Problem vor der Abwahl nicht gelöst.
    Monika Düker (Grüne) ... ein vernünftiger und folgerichtiger Kompromiss zur Entlastung von Alleinerziehenden und Kommunen. Sie folgt aus der wichtigen Verständigung auf Bundesebene, auch Kindern bis zu einem Alter von 18 Jahren einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zu gewähren und die Höchstbezugsdauer abzuschaffen.
    Christian Loose (AfD) ... eine Entlastung der Kommunen. Jedoch darf die Ausdehnung des Unterhaltsvorschussanspruchs auf 12- bis 17-jährige Kinder und das Entfallen der Höchstbezugsdauer von 72 Monaten nicht zu einer Gratis-Mentalität bei säumigen Unterhaltszahlern führen. Die Behörden müssen einem solchen Verhalten durch entsprechende Sanktionierung entgegenwirken.

    ID: LI170909

  • "Mit Maß und Mitte".
    Ministerpräsident Armin Laschet bringt Regierungserklärung ein.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 3 in Ausgabe 8 - 19.09.2017

    13. September 2017 - Der Regierungschef sprach von Umbrüchen und Herausforderungen, vor denen das Land stehe. Politik müsse entschlossen handeln und den Menschen Orientierung geben.
    Nordrhein-Westfalen stehe vor erheblichen Umbrüchen und Herausforderungen, sagte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Mit den Schließungen der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop und des Bergwerks Ibbenbüren endet 2018 die Ära der Steinkohleförderung: "Jene Branche, die die Grundlagen für den wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands und Nordrhein-Westfalens schaffe, wird endgültig Teil der Industriegeschichte und der Landesgeschichte sein." Ein Jahr später, 2019, werde das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen - auch dies habe Folgen für NRW. Das Vereinigte Königreich sei einer der wichtigsten Handelspartner des Landes. Und schließlich: Im Jahr 2022 werden die letzten drei deutschen Kernkraftwerke vom Netz gehen. "Was bedeutet dieser Meilenstein in der Energiewende für das Energieland Nordrhein-Westfalen?", fragte Laschet.
    Der Ministerpräsident nannte weitere Umbrüche, u. a. Digitalisierung, Globalisierung, internationale Konflikte, weltweite Migrationsströme. Europa sei das Hauptziel vieler Flüchtlinge, ihr Weg führe "von Aleppo nach Ahlen, aus Rakka nach Recklinghausen, aus Libyen ins Lipperland". Außenpolitik sei Teil der Kommunalpolitik geworden.
    In diesen "bewegten Zeiten" müsse Politik den Menschen Orientierung bieten und entschlossen handeln. Wichtig seien "Maß und Mitte" - zum Beispiel beim Ausstieg aus der Kernenergie. Wer den Ausstieg wolle, könne nicht gleichzeitig auch den Ausstieg aus Steinkohle, Braunkohle und Gas fordern. "Vision und naturwissenschaftliche Realität" müssten wieder in Einklang gebracht werden. Dies gelte auch in der Diesel-Diskussion.

    "Zusammenhalt der Gesellschaft"

    Die "Nordrhein-Westfalen-Koalition" von CDU und FDP stehe für einen Ansatz, "der Maß und Mitte wahrt". Gemeinsam mit Kirchen, Gewerkschaften, Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen wolle man den gesellschaftlichen Wandel aktiv mitgestalten und "einen neuen Aufbruch wagen". Das Wichtigste sei, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu garantieren. Wesentlich seien dabei sozialer Friede und das "Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft: Wer viel lernt und hart arbeitet, der wird auch in Wohlstand leben können".
    Von großer Bedeutung sei das Thema "Bildung". Zahlreiche Kindertagesstätten im Land seien unterfinanziert. Die Landesregierung werde den Kitas noch in diesem Jahr eine halbe Milliarde Euro für die nächsten beiden Kindergartenjahre zur Verfügung stellen. "Wir stehen an der Seite der Familien", sagte Laschet. In weiteren Schritten sollen das Kinderbildungsgesetz reformiert, die Qualität in den Kitas gesteigert und flexiblere Öffnungszeiten angeboten werden.
    Der Ministerpräsident sagte dem Unterrichtsausfall an Schulen den Kampf an. Man werde eine "digitale und schulscharfe Erfassung" einführen und "alles dafür tun, dass Lehrerstellen keine Leerstellen bleiben". Am Ziel der Inklusion halte die neue Landesregierung fest. Viele Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderungen seien aber bei unzureichender personeller und sächlicher Ausstattung in ein System gebracht worden, das alle Beteiligten überfordere.
    Mit der Rückkehr zu G9 korrigiere die Landesregierung eine Fehleinschätzung. "Mit dem Schuljahr 2019/2020 werden alle Gymnasien in Nordrhein-Westfalen durch Gesetz zu G9- Gymnasien", sagte Laschet, "es sei denn, die Schulen vor Ort wünschen es anders." Dann werde es eine "unbürokratische Möglichkeit geben, für G8 zu votieren".
    Laschet ging auf Chancen und Risiken der digitalen Arbeitswelt ein. Auch bei diesem Thema seien "Maß und Mitte" gefragt. Zu den großen Zukunftshoffnungen gehöre die Künstliche Intelligenz. Der Ministerpräsident warb für die Gründung eines Instituts in NRW, das sich mit ethischen Rahmenbedingungen und der gesellschaftlichen Dimension im Zusammenhang mit selbstlernenden Maschinen und Systemen befasst.
    zab

    Bildunterschrift:
    Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bei seiner Regierungserklärung

    Zusatzinformation:
    Die Aussprache zur Regierungserklärung auf den Seiten 4 und 5.

    Systematik: 1220 Landesregierung; 1100 Parlament

    ID: LI170806

  • Landtag streitet über Regierungserklärung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 4-5 in Ausgabe 8 - 19.09.2017

    14. September 2017 - Mehr als vier Stunden dauerte die Debatte: Einen Tag nach der Regierungserklärung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) lieferten sich Koalition und Opposition im Landtag einen heftigen Schlagabtausch über die Leitlinien der Landesregierung von CDU und FDP.
    Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Norbert Römer, warf CDU und FDP in seiner Erwiderung auf die Regierungserklärung vor, eine "ideologische Marktentfesselungspolitik" zu planen. Er kritisierte u. a. das Vorhaben zum Mieterrecht, das "mehr als zehn Millionen Mieter in NRW entrechten" werde. Keine Pläne habe die Landesregierung dagegen in der Sozialpolitik - zu ihr stehe nichts im Koalitionsvertrag. Auch in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten habe sie keine Rolle gespielt. CDU und FDP seien nicht auf die Regierungsübernahme vorbereitet gewesen und "von den eigenen Wahlkampfversprechen überfordert". So habe die Regierung ihre Versprechen in der Verkehrs- und Finanzpolitik bereits zurückgenommen. Römer: "Die Wahl ist vorbei. Sie müssen jetzt liefern." Mit Blick auf die Diskussion um eine geplante Stahlfusion von Thyssenkrupp und dem indischen Konzern Tata Steel rief Römer dem Ministerpräsidenten zu: "Wann endlich beginnt Ihr Kampf um die Arbeitsplätze bei Thyssenkrupp?" In der Vergangenheit habe sich jeder nordrhein-westfälische Ministerpräsident für den Erhalt des Stahlstandortes NRW eingesetzt. Ministerpräsident Laschet habe dagegen "die Hände in die Hosentaschen gelegt" und stelle sich gegen die Interessen von Betriebsrat und Gewerkschaft.

    "Lösungen anbieten"

    CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen begrüßte die Regierungserklärung von Ministerpräsident Laschet. Bei allen Entscheidungen "Maß und Mitte" im Blick zu haben, sei "wichtig für unser Land". Die "NRW-Koalition" aus CDU und FDP werde "Lösungen anbieten, die eine Mentalität des Einstiegs fördern, und nicht bei der Verwaltung von Fragen stehen bleiben". Die rot-grüne Vorgängerregierung dagegen habe zu viel Bürokratie geschaffen, etwa mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz, dem Transparenzgesetz, der Klimaschutzverordnung und dem Klimaschutzgesetz, dem Landesentwicklungsplan und der "Hygieneampel". Das sei nur "die Spitze des rot-grünen Bürokratie-Eisbergs". Die "NRW- Koalition" wolle nun "entrümpeln" und fragen: "Wird diese Regelung noch gebraucht oder kann das weg?" Es gehe darum, "schneller" zu werden und "Planungssicherheit" zu geben. Die "NRW-Koalition" werde "investieren, Arbeitsplätze schaffen, auskömmliche Einkommen sichern, Armut insgesamt und Kinderarmut im Besonderen verhindern" sowie "Bildung und Bildungschancen unabhängig vom Geldbeutel der Eltern ermöglichen". Die schwarz-gelbe Koalition und die Landesregierung wollten "den Wandel verantwortlich gestalten", sagte Löttgen, und dabei "den Anspruch, unser Bundesland wieder in die Spitzengruppe der deutschen Bundesländer zu führen, nicht aus den Augen verlieren".
    Dem Thema "Innere Sicherheit" habe Ministerpräsident Laschet in seiner rund 90-minütigen Regierungserklärung lediglich fünf Minuten gewidmet, sagte AfD-Fraktionschef Marcus Pretzell. Auf der einen Seite habe Laschet von 300 neuen Polizeianwärterinnen und -anwärtern gesprochen, auf der anderen würden 139 neue Stellen durch die Regierungsumbildung geschaffen. Dies zeige die Schwerpunktsetzung und lasse "nichts Gutes" für die nächsten fünf Jahre erahnen. Die AfD-Fraktion unterstütze die angekündigte Abschiebung "ausländischer Rechtsbrecher", werde der Landesregierung aber "auf die Finger schauen, ob Sie das tatsächlich umsetzen". Er vermisse eine Schwerpunktsetzung bei der Kriminalitätsbekämpfung und eine Strategie zur Bekämpfung des Linksextremismus‘. Zudem fehle "eine Zielsetzung bei der Quote der Abschiebung vollziehbarer Ausreisepflichtiger". Es sei offen geblieben, wie die Landesregierung zu "Doppelpass" und "Vollverschleierung" stehe und wie Schulden abgebaut werden sollen. Sorge bereite der Fraktion die "Unklarheit in der Umweltpolitik" und der Zustand vieler Straßen. Etwa die Hälfte sei sanierungsbedürftig. Dies lähme die Wirtschaft. In der Familienpolitik sei es falsch, den Fokus "ausschließlich auf Fremdbetreuung" zu legen. Die Förderung der familiären Betreuung dürfe nicht vergessen werden.

    "In die Spitzengruppe"

    Der Vorsitzende der FDP-Fraktion Christian Lindner betonte: "Unser Anspruch ist es, Nordrhein-Westfalen wieder in die Spitzengruppe der Länder zu führen." Der Koalition gehe es um sozialen Ausgleich und sozialen Aufstieg, um Freiheit und Sicherheit, Ökonomie und Ökologie, Bewahren und Gründen und das Leben in Städten und auf dem Land. Die Landesregierung stehe für eine neue Balance. Die Koalition wolle das Bildungssystem verbessern. Daher wolle sie eine Reform des Kinderbildungsgesetzes auf den Weg bringen, um die Kitafinanzierung langfristig zu sichern. Aber auch flexiblere Betreuungszeiten sowie mehr Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen seien wichtig. Zum Thema "Innere Sicherheit" sagte Lindner: "Wir bringen mehr Polizei auf die Straße." Außerdem wolle die Koalition verdachtsunabhängige Kontrollen ermöglichen, sofern ein konkreter Anlass bestehe. In der Energiepolitik brauche es einen Neustart: "Wenn wir die Akzeptanz für die Energiewende erhalten wollen, dann muss der Ausbau in geordnete Bahnen gelenkt werden." Die Koalition wolle sehen, wie die Netze den schon geplanten Ausbau verkraften und erst danach über weitere Maßnahmen sprechen. Auch für den Abbau von Bürokratie stehe Schwarz-Gelb. So sollten Handwerk und Mittelstand gestärkt, aber auch die Gründung von innovativen Unternehmen gefördert werden.
    Grünen-Fraktionschef Arndt Klocke sagte, die Überschrift der Regierungserklärung "Maß und Mitte" sei in unruhigen Zeiten "unambitioniert und mutlos". Die Regierungserklärung habe eine Melodie aus "Vergangenem, fehlendem Mut, Restauration, Klientelinteressen und vor allem wenig Aufbruch" durchzogen. Die Wohnungspolitik sei z. B. eine zentrale Fragestellung und dazu habe der Ministerpräsident nichts gesagt. Notwendig sei die Schaffung von bezahlbarem Mietwohnungsbau. Auch die Mobilitäts- und Energiepolitik stellte Klocke in den Mittelpunkt: Die Frage sei, wie der politische Rahmen für eine prosperierende Automobilindustrie aussehe, die in Richtung eines emissionsfreien Antriebs gehe. Klocke kritisierte zudem das Vorhaben, den Mindestabstand von Windanlagen zur Wohnbebauung auf 1.500 Meter auszuweiten. Dadurch kämen 90 Prozent der möglichen Windenergieflächen nicht mehr infrage. "Das vernichtet Arbeitsplätze." Der Ministerpräsident habe zwar von Klimaschutz gesprochen, sei aber unkonkret geblieben. Die meisten Kohlekraftwerke im Rheinischen Braunkohlerevier seien "zu Zeiten Sepp Herbergers" gebaut worden. Es sei Zeit, diese abzuschalten. Klocke: "Legen Sie einen Masterplan für Nordrhein-Westfalen vor, der wirklich Mut hat, der zukunftsorientiert, nachhaltig und durchfinanziert ist."
    zab, tob, ell, sam, wib

    Zusatzinformation:
    Weitere Themen aus der Regierungserklärung
    Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat in seiner Regierungserklärung die Schwerpunkte der CDU/FDP-Koalition vorgestellt. Neben Energie, Bildung, Inklusion, Mobilität und Digitalisierung (Bericht Seite 3) ging es um zahlreiche weitere Themen. So kündigte Laschet u. a. den Abbau von Bürokratie ("Entfesselung") an. Dazu gehöre beispielsweise die Abschaffung der sogenannten Hygieneampel. Bis 2025 müsse zudem überall im Land schnelles 5G-Internet verfügbar sein. Angesichts von Telemedizin und autonomem Fahren sei dies "von lebensnotwendiger Bedeutung". Zum Thema "Innere Sicherheit" sagte er, dass noch in diesem Jahr 300 zusätzliche Polizeianwärterinnen und -anwärter eingestellt würden. Außerdem solle der Eintritt in den Polizeidienst auch ohne Abitur möglich werden. Weiterer Schwerpunkt sei der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Erforderlich sei ein "Schulterschluss" von Politik, Wirtschaft und Bürgerschaft. Angesichts der Entwicklungen bei Kohle und Stahl wolle die Landesregierung eine "Ruhrgebietskonferenz" einberufen. Ziele seien bessere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, mehr Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze.

    Systematik: 1220 Landesregierung; 1100 Parlament

    ID: LI170807

  • Befördern - aber wie?
    Diskussion über das Landesbeamtengesetz.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 8 - 19.09.2017

    5. September 2017 - Der Landtag hat das Landesbeamtengesetz geändert. Anlass war Kritik an der Beförderungsregelung für Beamtinnen und Beamte. Bereits Anfang September hatten sich Sachverständige zu dem Entwurf der Fraktionen von CDU und FDP geäußert.
    Der Gesetzentwurf Drs. 17/78, Drs. 17/542 und Drs. 17/611 wurde am 13. September 2017 in zweiter Lesung mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP und AfD angenommen. SPD und Grüne stimmten dagegen.
    Die Kritik von CDU und FDP hatte sich an Paragraf 19 Absatz 6 des von der rot-grünen Vorgängerregierung verabschiedeten Gesetzes entzündet. Gegen die Regelung gebe es verfassungsrechtliche Bedenken, begründeten die Fraktionen. Der Paragraf besagte, Frauen seien "bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen". Hierbei war es bereits ausreichend, wenn die jeweils aktuelle Bewertung gleichwertig war. Frühere Qualifikationen wurden demnach nicht beachtet. Das widerspreche, so die Fraktionen von CDU und FDP, dem im Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes verankerten Leistungsprinzip. Dieses besage, dass jeder Deutsche "nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte" habe.
    In einer Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses hatten Sachverständige den Gesetzentwurf zuvor unterschiedlich bewertet. Der Landesverband NRW der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG NRW) hielt die Änderung des Landesbeamtengesetzes der früheren rot-grünen Regierung für dringend notwendig. Die Formulierung "bei im Wesentlichen gleicher Eignung" führe bei der Polizei zu erheblichen Problemen, da Beurteilungen zuvor auf einer anderen Grundlage zustande gekommen seien. Dadurch seien Männer in der Beförderungsliste nach hinten gerutscht, und Frauen werde unterstellt, sie würden nur wegen ihres Geschlechts befördert.
    Auch der Deutsche Beamtenbund Nordrhein-Westfalen (DBB NRW) begrüßte in der Anhörung den Gesetzentwurf. Das Gesetzesvorhaben sei jedoch nur als erster Schritt zu sehen. Darüber hinaus müsse es u. a. weitere Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf geben. Teilzeitbeschäftigte würden häufig schlechter bewertet und hätten dadurch kaum Aussichten auf Führungspositionen, so Roland Staude, Vorsitzender des DBB NRW. Da 95 Prozent der Teilzeitbeschäftigten Frauen seien, treffe es vor allem diese.
    Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW nahm schriftlich Stellung. Sie hielt es zwar für konsequent, bei gleicher Qualifizierung allein nach der aktuellen dienstlichen Beurteilung und dem darin enthaltenden gleichwertigen Gesamturteil zu entscheiden. Die Formulierung "bei im Wesentichen gleicher Eignung" hielt sie jedoch für verfassungsrechtlich bedenklich. Daher unterstützte sie den Gesetzentwurf von CDU und FDP.
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) war hingegen der Ansicht, dass die rot-grüne Regelung beibehalten werden solle. Die vorherige Gesetzeslage habe die Gleichstellung der Beamtinnen und Beamten nicht erfüllt. Die stellvertretende Vorsitzende des DGB NRW, Dr. Sabine Graf, forderte zudem ein umfassenderes Konzept, in dem u. a. Schulungen von Vorgesetzten zur Genderkompetenz vorgesehen seien.

    "Drahtseilakt"

    Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros (BAG) lehnte die Gesetzesänderung ab. Bundessprecherin Christel Steylaers betonte, dass die Weiterentwicklung des Rechts Zeit brauche und auch ein verfassungsrechtlicher Drahtseilakt sei. "Quoten sind unbeliebt, aber manchmal der einzige Weg, um Nachteile auszugleichen", so Steylaers. Die BAG bedauere, dass es keine verfassungsrechtliche Prüfung des rot-grünen Gesetzes mehr geben werde.
    Dr. Martin Heidebach vom Institut für Politik und Öffentliches Recht der Universität München sah eine Änderung der Regelung als verfassungsrechtlich nicht notwendig an. Er widersprach damit vor allem einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, das den infrage stehenden Paragrafen 19 Absatz 6 des rot-grünen Gesetzes als verfassungswidrig eingestuft hatte.
    Professor Dr. Christian von Coelln vom Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungs-, Wissenschafts- und Medienrecht an der Universität Köln begrüßte die Änderung. Die kritisierte Regelung zur Beförderung sei nicht mit dem verfassungsrechtlichen Leistungsgrundsatz vereinbar gewesen.
    Auch der Rechtsanwalt Mark Fröse hielt die Gesetzesänderung für sinnvoll. In der vorherigen Praxis würden relevante Einzelbewertungen nicht beachtet.
    ell

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 8 und 9.

    Systematik: 1240 Öffentlicher Dienst; 5040 Frauen; 2400 Arbeit

    ID: LI170808

  • Dr. Optendrenk, Marcus (CDU); Butschkau, Anja (SPD); Witzel, Ralf (FDP); Seifen, Helmut (AfD); Paul, Josefine (Grüne)
    Standpunkte: Meinungen zum Schwerpunktthema "Landesbeamtengesetz".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 8 - 19.09.2017

    Frauen im Öffentlichen Dienst werden bei Beförderungen ...

    Marcus Optendrenk (CDU) ... zukünftig überall im Landesdienst fair und gerecht, aber auch rechtssicher berücksichtigt. Dazu beenden wir das Regelungschaos von Rot-Grün, das Tausende Beförderungsverfahren blockiert oder belastet hat.
    Anja Butschkau (SPD) ... leider immer noch nicht gleich behandelt. Während in einigen Bereichen, wie im Schulbereich, schon deutliche Fortschritte erzielt worden sind, müssen andere Bereiche hier noch aufholen. Gerade in höheren Positionen sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Dabei bestreitet inzwischen niemand mehr, dass sie sowohl die besseren Abschlüsse machen und ihre Kompetenz unabdingbar für den Öffentlichen Dienst ist.
    Ralf Witzel (FDP) ... und Einstellungen nicht mehr in unverhältnismäßiger Weise bevorzugt gegenüber Männern, die sich eine bessere Leistungsbewertung erarbeitet haben. Gegen diese rot-grüne Willkür, die leistungsstarke Frauen ablehnen, haben viele Betroffene mit Erfolg geklagt. Ergebnis war eine landesweite Beförderungsblockade und Demotivation. Wir haben nun unser Versprechen eingelöst, Diskriminierungen im Personalbereich abzuschaffen.
    Helmut Seifen (AfD) ... üblicherweise immer dann berücksichtigt, wenn sie von der Qualifikation, ihrem fachlichen und persönlichen Hintergrund und ihren eigenen Karrierewünschen daran interessiert sind. Sollte dem nicht so sein, müssen die entsprechenden Vergabestellen auf korrekte Arbeitsweise überprüft werden.
    Josefine Paul (Grüne) ... leider noch immer strukturell benachteiligt. Zwar haben die Anstrengungen der vergangenen Jahre den Anteil der weiblichen Beschäftigten deutlich erhöht, aber es gilt leider noch immer: Je höher die Position, desto geringer der Frauenanteil. Frauen sind so in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert, obwohl sie zum Beispiel im Schnitt die besseren Schul- und Hochschulabschlüsse machen.

    Bewertungskriterien für Beförderungen sollten ...

    Marcus Optendrenk (CDU) ... unbedingt im Einklang zwischen dem in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Prinzip der Bestenauslese und dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Gleichstellung von Mann und Frau stehen. Dafür brauchen wir ein Gesetz, das diese Ziele gut umsetzt. Dazu werden wir mit Verbänden, Gewerkschaften und Beschäftigten zeitnah in Gespräche eintreten.
    Anja Butschkau (SPD) ... objektiv sein und blind gegenüber Geschlecht und anderen persönlichen Merkmalen. Leider ist die Realität eine andere. Frauen werden bei der Beförderung häufig immer noch benachteiligt, was vor allem mit ihrem Berufsweg zu tun hat. Teilzeit oder Mutterschutz gelten immer noch als Makel. Dies kann sich der Öffentliche Dienst gar nicht mehr leisten. Wer die besten Köpfe will, kann nicht auf Frauen verzichten.
    Ralf Witzel (FDP) ... geschlechtsneutral und gerecht ausgestaltet sowie rein leistungsbezogen sein. Für Führungspositionen ist Sozialkompetenz ebenso wichtig wie Durchsetzungsstärke. Den Ratschlägen von Praktikern folgend werden wir die Richtlinien zur Personalbeurteilung überprüfen und bei Bedarf notwendige Veränderungen vornehmen. Personalbeurteilungen müssen stets objektiv und transparent erfolgen und damit Akzeptanz finden.
    Helmut Seifen (AfD) ... ausschließlich die fachliche und persönliche Eignung darstellen. Automatische Beförderung nach Dienstjahren sowie Quotenregelungen lehnt die AfD-Fraktion ab.
    Josefine Paul (Grüne) ... grundsätzlich dafür Sorge tragen, dass die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befördert werden. Selbst eine aktuelle DBB-Studie zeigt: Frauen erhalten deutlich seltener Bestnoten. Bewusst oder unbewusst fließen bestimmte Rollenvorstellungen in Bewertungen ein. Das Problem lässt sich nicht allein über Bewertungskriterien lösen. Wir brauchen auch einen Wandel unserer Arbeits- und Behördenkultur.

    Eine Änderung des Landesbeamtengesetzes ...

    Marcus Optendrenk (CDU) ... ist dringend erforderlich und geboten, um für Tausende Beamtinnen und Beamte in Nordrhein- Westfalen Rechtssicherheit zu schaffen, die sie aufgrund der jetzigen Regelung des § 19 Abs. 6 LBG nicht haben. Dennoch kann dies nur ein notwendiger Zwischenschritt sein. Die Landesregierung wird weitere Maßnahmen einleiten, um die Förderung von Frauen und Familien im Öffentlichen Dienst weiter voranzutreiben und die endgültige Gleichstellung von Mann und Frau auch in der Praxis sicherzustellen.
    Anja Butschkau (SPD) ... ist ein Schnellschuss von Schwarz-Gelb. Ohne Not wird jetzt ein Gesetz wieder abgeschafft, ohne eine adäquate Anschlussregelung zu schaffen. Die Anhörung hat deutlich gemacht, dass die Verfassungswidrigkeit noch nicht festgestellt wurde. Die Landesregierung hat eine entsprechende Prüfung vor dem Verfassungsgerichtshof NRW wieder zurückgezogen. Jetzt nur ein Gesetz abzuschaffen und keinen Plan zu haben, wie es weitergeht, ist dann zu wenig.
    Ralf Witzel (FDP) ... war nach allen Gerichtsentscheidungen verfassungsrechtlich geboten: Art. 33 (2) GG verlangt die Bestenauslese für den öffentlichen Dienst, da nur diese für jeden Beamten Leistungsanreize schaff und gerecht ist sowie zugleich die staatliche Handlungsfähigkeit sichert. Aufstieg und Stellenbesetzungen müssen dem Leistungsprinzip folgen und dürfen nicht von Herkunft, Religion oder Geschlecht abhängig sein.
    Helmut Seifen (AfD) ... ist überfällig, muss aber ergebnisoffen und ohne ideologische Vorgaben pragmatisch nach rein rationalen Gesichtspunkten debattiert werden.
    Josefine Paul (Grüne) ... war zwingend notwendig, um die Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen in Nordrhein-Westfalen weiter zu verbessern. Umso bedauerlicher ist nun die Rolle rückwärts von CDU und FDP. Wer Gleichberechtigung und Frauenförderung wirklich ernst nimmt, muss beides auch aktiv gestalten. Dazu verpflichtet auch die Verfassung die neue Landesregierung.

    Der verfassungsrechtliche Auftrag zur Gleichstellung ...

    Marcus Optendrenk (CDU) ... ist für die CDU-Fraktion von höchster Bedeutung und auch der tragende Grund für die aktuelle Reform des Landesbeamtengesetzes. Wir wollen eine wirkungsvolle Frauen- und Familienförderung einführen. Unser Ziel ist die Chancengleichheit für Frauen und Männer. Daher muss die Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere auch für berufliche Aufstiegschancen gelten.
    Anja Butschkau (SPD) ... muss mehr sein als nur geschriebene Worte. Gerade das Land als Arbeitgeber hat die Pflicht, in seinem unmittelbaren Bereich dafür zu sorgen, dass die Gleichstellung auch Realität wird. Wenn Frauen bei der Beförderung im Öffentlichen Dienst immer noch benachteiligt werden, muss er aktiv werden. Da reicht es nicht, sich in Sonntagsreden dazu zu bekennen, sondern aktiv daran zu arbeiten, dass diese Missstände behoben werden.
    Ralf Witzel (FDP) ... entspricht einem modernen Genderverständnis, das beide Geschlechter mit ihrer jeweiligen Situation in den Blick nimmt. Diese Betrachtung verbietet einseitige ideologische Bevorzugungen nur eines Geschlechts und muss individuell erfolgen. Es ist daher nicht gerechtfertigt, einer durchgängig in Vollzeit arbeitenden Frau einen Bonus zuzusprechen gegenüber einem Mann, der familienbedingt seine Tätigkeit unterbricht.
    Helmut Seifen (AfD) ... ist im Grundgesetz nicht zu finden. Die Rede dort ist korrekterweise von Gleichberechtigung, für die wir uns kompromisslos einsetzen.
    Josefine Paul (Grüne) ... und das Prinzip der Bestenauslese müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Die Landesregierung muss einen schonenden Ausgleich zwischen diesen Staatzielen finden. Bis jetzt haben CDU und FDP das Rad nur zurückgedreht. Verschließen sie die Augen weiter vor bestehenden Problemen? Wir sind skeptisch, dass sie den Frauen wirklich zu ihrem Recht und zu echter Gleichberechtigung verhelfen werden.

    ID: LI170809

  • Juniorwahl: Jugendliche in NRW üben Demokratie.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 6-7 in Ausgabe 3 - 21.03.2017

    Nur noch zwei Monate bis zur Landtagswahl. Niemand unter 18 Jahren ist wahlberechtigt - und doch werden Tausende Jugendliche ihre Stimme abgeben. Sie wählen zwischen denselben Parteien und denselben Wahlkreiskandidatinnen und -kandidaten wie die tatsächlichen Wahlberechtigten. Die Rede ist von der Juniorwahl. Dabei simulieren Jugendliche ab der 7. Klasse in ihrer Schule den Wahltag, und zwar kurz vor der regulären Landtagswahl. Schirmherrin der Juniorwahl 2017 ist Landtagspräsidentin Carina Gödecke.
    Die Schülerinnen und Schüler nehmen nicht nur an der Wahl teil. Sie verantworten die Wahl selbst. Sie verteilen Wahlbenachrichtigungen, legen Wählerverzeichnisse an, organisieren den Wahlakt, zählen aus. Oder bereiten alles für eine Online-Wahl vor. Um Punkt 18 Uhr am 14. Mai 2017, am tatsächlichen Tag der Landtagswahl, schließen nicht nur die regulären Wahllokale in ganz NRW, sondern dann wird auch das landesweite Gesamtergebnis der Juniorwahl bekanntgegeben. Ein Projekt zur politischen (Willens-) Bildung, das den Wahltag in die Schulen holt.
    Vor dem Wahlraum ist es unruhig, Gespräche, hibbeliges Warten, bis man dran ist. In der Hand die persönliche Wahlbenachrichtigung oder den "Wahlschlüssel", ein Kärtchen mit einem Tan-Code für die elektronische Stimmabgabe am Wahlcomputer. Schließt sich die Tür des Wahlraums, ist es darinnen still. Die Schülerinnen und Schüler gehen mit großer Ernsthaftigkeit an die Wahlsimulation.

    Erfahrungen

    Das alles sind Eindrücke von Petra Wöhl-Beer und Alexander Kallenbach, die am Heinrich- Heine-Gymnasium in Dortmund Politik unterrichten und bereits zwei Juniorwahlen begleitet haben. Auch bei der anstehenden Simulation zur Landtagswahl 2017 haben sie ihre Schule wieder angemeldet. Alle Klassen der Stufen 8, 9, 10 und 11 nehmen teil - rund 350 Jugendliche.
    Wenn Unterricht zur Aktion wird, soll ein so abstraktes, aber wichtiges Thema wie "Demokratie & Wahlen" unmittelbar begreiflich werden. Vor der Wahl befassen sich die Jugendlichen mit verschiedenen politischen Fragen. Da geht es um Wahlen auf verschiedenen Ebenen, von der Kommune bis zu Europa, um den Landtag und seine Funktionsweisen, um Wahlkampf, -plakate und -programme oder im Matheunterricht auch um die Rechenverfahren, die bei der Mandatsverteilung zum Einsatz kommen. In diesem Jahr ist für die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe des Heinrich-Heine-Gymnasiums sogar eine Podiumsdiskussion mit Wahlkreiskandidatinnen und -kandidaten angedacht. Wissen erwerben, mitreden, Meinung bilden, selbst wählen - "Die Schüler fühlen sich ernst genommen", berichtet Politiklehrerin Wöhl-Beer.
    Eine Schülerin, die am Wahltag ihre Wahlbenachrichtigung nicht dabei hatte, fragte besorgt, ob sie trotzdem wählen dürfe, erinnert sich die Pädagogin. Das Interesse an der Wahl ist groß. Eine Wahlbeteiligung von mehr als 95 Prozent - ein Traum für jede Demokratie. Am Freitag, 12. Mai 2017, so die Planung, ist in der Dortmunder Schule Wahltag. Da stellen auch die fachfremden Lehrerinnen und Lehrer aus dem Kollegium ihre Stunde zur Verfügung, damit die Klasse, die im Zeitplan gerade dran ist, wählen gehen kann.
    Am Montag nach dem Wahl-Freitag brennen die Jugendlichen erfahrungsgemäß aufs Wahlergebnis, berichten Kallenbach und Wöhl-Beer. Am Heinrich-Heine-Gymnasium im Dortmunder Norden sorgte das Ergebnis der Junior-Bundestagswahl 2013 für Überraschung: Das Wahlergebnis der Schülerinnen und Schüler entsprach ziemlich genau dem tatsächlichen Wahlergebnis im Wahlkreis. Es beinhaltete damit auch eine nennenswerte Anzahl an Stimmen für rechte Parteien. Die Juniorwahl hatte ein allgemein diskutiertes Phänomen in die Mitte der Klassen gerückt. "Da sind möglicherweise auch Proteststimmen an die Lehrerinnen und Lehrer dabei", vermutet Lehrerin Wöhl-Beer - aber sicher nicht nur. Aus gutem Grund endet die Unterrichtseinheit "Juniorwahl" nicht mit dem Wahlakt, sondern schließt die Wahlanalyse mit ein.

    Effekte

    "Demokratie lebt vom Mitmachen", betont die Schirmherrin der Juniorwahl, Landtagspräsidentin Carina Gödecke. Tatsächlich belegt laut Veranstalter Kumulus e. V. die Wissenschaft, dass sich die Teilnahme an der Juniorwahl lohne: Die Zahl der jugendlichen Zeitungsleserinnen und -leser verdreifache sich. Überhaupt steige bei den Schülerinnen und Schülern das Interesse am politischen Geschehen. Die Wahlbeteiligung bei den Eltern steige um bis zu 9 Prozent. In den Familien zu Hause werde vermehrt politisch diskutiert, was auch Kallenbach und Wöhl-Beer aus der Praxis berichten. Wenn die Kinder bei der Juniorwahl gewählt haben, werden die Eltern es bei der regulären Wahl wahrscheinlich auch tun.
    Sow

    Zusatzinformation:
    Zum Thema Juniorwahl

    Die Juniorwahl ist ein Projekt zur politischen Bildung. Schülerinnen und Schüler aus 258 weiterführenden Schulen Nordrhein-Westfalens nehmen daran teil: Ab einer Woche vor der Landtagswahl, die am 14. Mai 2017 stattfindet, sind die Jugendlichen gefragt, ihre Erst- und Zweitstimme abzugeben - wie bei der richtigen Landtagswahl, an der erst teilnehmen darf, wer mindestens 18 Jahre alt ist.
    - Das Ergebnis der Juniorwahl fließt nicht in das Gesamtergebnis der regulären Landtagswahl ein. Aber: Das landesweite Gesamtergebnis aller teilnehmenden Schülerinnen und Schüler wird am Tag der Landtagswahl um 18 Uhr veröffentlicht. Interessierte finden es im Internet unter www.juniorwahl.de und unter www.landtag.nrw.de.
    - Bevor die Jugendlichen wählen, bearbeiten sie das Thema "Demokratie & Wahlen" im Unterricht. Anstelle einer Klassenarbeit steht am Ende die Juniorwahl. Die Wahl selbst wird von den Schülerinnen und Schülern organisiert und verantwortet. Der gemeinnützige Verein Kumulus, der die Juniorwahlen seit 1999 organisiert, stellt den Klassen die nötigen Wahl-Utensilien wie Wahlkabinen, Wahlurnen und Stimmzettel zur Verfügung. Auch eine digitale Wahl per Mausklick am Computer ist möglich.
    - Die Kosten für die Juniorwahl NRW 2017 übernehmen der Landtag NRW und die Landeszentrale für politische Bildung. Es handelt sich bereits um die 5. Juniorwahl, die parallel zu einer NRW-Landtagswahl stattfindet.
    - Bundesweit haben bereits 1,5 Millionen Jugendliche an einer Juniorwahl teilgenommen.

    ID: LI170307

  • Steuern und Gerechtigkeit.
    Sachverständige äußern sich im Haushalts- und Finanzausschuss.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 3 - 21.03.2017

    9. März 2017 - Das Thema "Steuergerechtigkeit" stand im Mittelpunkt einer Sachverständigen-Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses. Anlass war ein Antrag der Fraktionen von SPD und GRÜNEN. Sie fordern u. a. eine "echte Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen". Zugleich müssten die Ressourcen der Finanzverwaltung zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung weiter gestärkt werden.
    Die Deutsche Steuergewerkschaft schätze den Schaden durch Steuerhinterziehung für Deutschland auf jährlich 30 Milliarden Euro, schreiben die Fraktionen in ihrem Antrag ("Nordrhein-Westfalen für Steuergerechtigkeit! Steuerkriminalität bekämpfen - Steuergerechtigkeit herstellen - gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern", Drs. 16/13997). Dabei werde das Geld dringend gebraucht - "für nachhaltige Zukunftsinvestitionen in Bildung, Kommunen und Infrastruktur, zur Bekämpfung von Armut, im Kampf für Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit sowie um unsere natürlichen Ressourcen und Lebensgrundlagen zu schützen".
    Die Vermögensverteilung in Deutschland werde immer ungerechter, heißt es im Antrag weiter. Große Vermögen und große Erbschaften würden im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich besteuert, "mittlere und insbesondere kleine Einkommen durch steigende und nicht progressiv gestaltete Sozialabgaben übermäßig belastet". Es sei eine "Parallelgesellschaft entstanden, in der internationale Konzerne und besonders Vermögende von staatlichen Leistungen profitieren, sich aber einem angemessenen Finanzierungsbeitrag für das Gemeinwesen entziehen".
    Es sei folgerichtig, "die höchsten Einkommen und größten Vermögen wieder stärker in die Pflicht für die solidarische Finanzierung eines modernen und zukunftsfesten Gemeinwesens zu nehmen", so der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einer Stellungnahme für den Ausschuss. Die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung sei in Deutschland "außerordentlich groß", das private Nettovermögen konzentriere sich "in sehr wenigen Händen". Deshalb bedürfe es einer Wiedereinführung der Vermögensteuer.

    Vermögensteuer

    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sah das anders und warnte vor der Wiedereinführung der Vermögensteuer - sie würde dem Standort Deutschland schaden: "Allein die Erhebungs- und Vollzugskosten wären für Unternehmen und Finanzverwaltung enorm hoch aufgrund der jährlichen Bewertung aller Vermögensarten." Es handle sich um eine "komplexe und wachstumsfeindliche Steuer". Die Forderung "Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache" sei in Deutschland seit langem erfüllt. Berechnungen des Bundesfinanzministeriums zufolge hätten die oberen 10 Prozent der Einkommensteuerpflichtigen im Jahr 2014 insgesamt 55,5 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens getragen.
    In der Steuerpolitik bestehe auf Landesebene "nur ein sehr eingeschränkter Spielraum", befand Dr. Katja Rietzler vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in ihrer Stellungnahme. Das Land Nordrhein-Westfalen gehe deshalb den richtigen Weg, wenn es auch den Bund in die Pflicht nehmen wolle. Unerlässlich sei ein konsequenter Steuervollzug: "Der Staat muss alles tun, um Steuerrecht auch durchzusetzen." In diesem Zusammenhang seien weitere Anstrengungen erforderlich. Deutliche Mehreinnahmen seien möglich, dies hätten die Erfahrungen mit dem Ankauf von "Steuer-CDs" in den vergangenen Jahren gezeigt. Rietzler empfahl zudem eine "deutlich ausgeweitete Erbschaft- und Schenkungsteuer". Eine zusätzliche Vermögensteuer käme für "sehr hohe Vermögen" infrage.
    Der Antrag enthalte "viele richtige und wichtige Forderungen", so das "Netzwerk Steuergerechtigkeit". Zu begrüßen sei, dass der Schutz von Hinweisgebern, die Initiative für ein Unternehmensstrafrecht, die Wiedereinführung einer Vermögensteuer, die Stärkung der Finanzverwaltung und das Schließen von Lücken im Strafrecht im Hinblick auf Geldwäsche und Schwarzgeld erwähnt bzw. gefordert werden.
    Zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 8100 Abgaben

    ID: LI170305

  • Zimkeit, Stefan (SPD); Optendrenk, Marcus (CDU); Abel, Martin-Sebastian (Grüne); Witzel, Ralf (FDP); Kern, Nicolaus (PIRATEN)
    Standpunkte: Meinungen zum Thema "Steuergerechtigkeit".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 3 - 21.03.2017

    Die Verteilung der Steuerlast in Deutschland ist ...

    Stefan Zimkeit (SPD) ... in seiner progressiven Ausgestaltung richtig. Starke Schultern tragen mehr als schwache. Gleichwohl gilt für uns bei allen Debatten um Steuersenkungen immer, dass vor allem die kleinen und mittleren Einkommen entlastet werden müssen. Außerdem müssen besonders hohe Vermögen und Einkommen stärker zur Finanzierung des Gemeinwohls einbezogen werden.
    Marcus Optendrenk (CDU) ... immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. So müssen insbesondere kleine und mittlere Einkommen entlastet werden. Gleiches gilt für Familien, die das Fundament unserer Gesellschaft bilden. Auch die Abflachung des sogenannten Mittelstandsbauchs im Tarifanstieg ist ein wichtiger Schritt für eine gerechtere Steuerlastverteilung.
    Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) ... ungerecht! Kleine und mittlere Einkommen werden überproportional belastet. Wir wollen eine deutliche Entlastung zum einen durch eine höhere Besteuerung von Vermögen und zum anderen durch eine Reduzierung der Abgabenlast.
    Ralf Witzel (FDP) ... regional unterschiedlich und insgesamt differenziert zu betrachten. Fakt ist, dass mehr als 55 Prozent der progressiv ausgestalteten Einkommensteuer von den oberen 10 Prozent der Einkommensteuerpflichtigen geleistet werden. Ungerecht ist, dass der Staat sich durch die Kalte Progression weiterhin bei allen Steuerzahlern zunehmend bedient und 30 Jahre nach der Einheit immer noch einen Soli abkassiert.
    Nicolaus Kern (PIRATEN) ... sozial ungerecht! Seit der Aussetzung der Vermögensteuer im Jahr 1997 und der Erbschaftsteuerreform aus dem letzten Jahr voller Ausnahmetatbestände, ist Vermögen in Deutschland praktisch keinerlei Besteuerung unterworfen. Das führt dazu, dass Deutschland mittlerweile die höchste Vermögensungleichheit im Euroraum aufweist. Das ist ein Skandal!

    Steuergerechtigkeit ist ...

    Stefan Zimkeit (SPD) ... vor allem dank der Initiativen des NRWFinanzministers ein ständiges Thema in der Öffentlichkeit. Die SPD-Landtagsfraktion hat deutlich gemacht, dass es nicht sein kann, dass der Bäcker um die Ecke ordnungsgemäß seine Steuern zahlt und Konzerne wie Starbucks, Amazon und Co. durch das Verschieben von Gewinnen letztlich keinen Cent zur Finanzierung des Staates beitragen. Solche Entwicklungen gilt es zu stoppen.
    Marcus Optendrenk (CDU) ... nicht mehr als ein leeres Versprechen, wenn in unseren Finanzämtern über 1.000 Stellen nicht besetzt sind. Nicht nur die Steuergewerkschaft kommt zu dem Ergebnis, dass unter der aktuellen Personalsituation auch die Steuergerechtigkeit in NRW leidet. Das steht in einem deutlichen Widerspruch zu den vielen Ankündigungen und Versprechungen der Landesregierung, für mehr Steuergerechtigkeit einzutreten.
    Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) ... nur teilweise gegeben: Wer über findige BeraterInnen oder die finanziellen Möglichkeiten verfügt, kann Schlupflöcher in unserem System nutzen. Wir brauchen europäische Mindeststeuersätze für Unternehmen und gemeinsame Regeln. Steuerdumping innerhalb der EU und Lizenzmodelle schaden dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und unserem Mittelstand. Wir wollen ein faires und einfacheres Steuersystem.
    Ralf Witzel (FDP) ... ein zentrales Ziel unserer Politik. Wir kritisieren daher, dass junge Familien durch die von Rot-Grün nahezu verdoppelte Grunderwerbsteuer am Wohneigentumskauf gehindert werden, während große Investoren oft völlig steuerfrei bleiben. Gerecht wäre es, in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen eine Entlastung von Bürgern und Betrieben vorzunehmen. Auch die Kommunalsteuern sind in NRW bundesweit leider am höchsten.
    Nicolaus Kern (PIRATEN) ... absolut wichtig in einer Demokratie. Wenn man sich die bestehenden Regelungen zu Vermögen-, Erbschaft- und Einkommensteuer und dann noch die internationalen Doppelbesteuerungsabkommen ansieht, kann man nicht mehr von Steuerschlupflöchern sprechen, sondern von einer sechsspurig ausgebauten Autobahn ins Steuerparadies für Kapital und Konzerngewinne.

    Zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung ...

    Stefan Zimkeit (SPD) ... müssen auch andere Bundesländer dem Vorbild von NRW folgen. Es darf nicht sein, dass durch die Ausdünnung bei der Betriebsprüfung, beispielsweise in Bayern, Standortpolitik betrieben wird. Steuerhinterziehung kostet den Staat und seine Bürger jährlich einige Milliarden Euro, die für wichtige Zukunftsaufgaben fehlen. Deshalb werden wir auch in Zukunft die Finanzverwaltung stärken.
    Marcus Optendrenk (CDU) ..., Steuerumgehung und unsozialer Steuergestaltung unterstützen wir die Initiativen des Bundesfinanzministers. Deutschland gehört wegen seiner beharrlichen Arbeit im Kabinett, in Europa, in der OECD und G 20 zu den Vorreitern. Seit Wolfgang Schäuble Bundesfinanzminister ist, hat Deutschland auf diesem Feld mehr erreicht als die 30 Jahre davor. Das schließt besonders die Zeit von 1998 bis 2009 ein.
    Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) ... haben wir viel erreicht, etwa durch zusätzliche Betriebs- und Außenprüfungen und die Verhinderung des Steuerabkommens mit der Schweiz. Auf Bundesebene dürfen striktere Transparenz- und Meldevorschriften nicht blockiert werden. Zudem brauchen wir 2.000 zusätzliche Stellen bei der Finanzverwaltung. 250 haben wir mit dem letzten Haushalt bereits realisiert.
    Ralf Witzel (FDP) ... ist eine gut ausgestattete und motivierte Finanzverwaltung wichtig. Windige Deals mit dubiosen Datendieben sind im Rechtsstaat keine Alternative dazu. In NRW sind leider 1.000 Stellen in Finanzämtern nicht besetzt, da Leistungsträger das Finanzamt verlassen. Rot-Grün demotiviert Beamte durch eine verfassungswidrige Frauenquote, durch deren Klagen über Jahre etliche Beförderungsstellen gesperrt sind.
    Nicolaus Kern (PIRATEN) ... brauchen wir eine personell gut aufgestellte Finanzverwaltung mit einer IT-Ausstattung auf der Höhe der Zeit. Zudem müssen die Ausbildungskapazitäten der Landesfinanzverwaltung dringend ausgebaut werden, um die demografiebedingten Abgänge in den nächsten Jahren zu kompensieren.

    Die Finanzverwaltung ...

    Stefan Zimkeit (SPD) ... hat als Einnahmenbehörde für das Land eine wichtige Aufgabe. In der Regierungszeit von Rot-Grün haben wir die Einstellungszahlen mehr als verdoppelt. Diesen Kurs werden wir fortsetzen. Mit dem Projekt "Zukunft der Finanzverwaltung" setzt das Finanzministerium wichtige Impulse, um diese als Arbeitgeber attraktiv zu halten. Nur mit gut ausgebildeten Beschäftigten ist der Kampf gegen Steuerbetrug weiter effektiv zu führen.
    Marcus Optendrenk (CDU) ... ist die Einnahmeverwaltung unseres Landes. Ziel muss es sein, sie für die Zukunft zu rüsten und gut aufzustellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung leisten hervorragende Arbeit. Sie haben trotz ausufernder Steuergesetzgebung unter Beweis gestellt, dass sie in der Lage sind, sich neuen Herausforderungen mit Erfolg zu stellen.
    Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) ... sichert die Einnahmebasis des Landes und ist der Schlüssel für Steuergerechtigkeit. Unser Dank gilt daher den Beschäftigten, die durch ihren täglichen Einsatz das Funktionieren unseres Gemeinwesens gewährleisten! Damit NRW auch weiterhin Vorreiter in Sachen Steuergerechtigkeit bleibt, setzen sich GRÜNE für zusätzliche Stellen bei Steuerverwaltung und -fahndung ein.
    Ralf Witzel (FDP) ... muss dafür sorgen, dass Steuern von Bürgern und Betrieben in NRW korrekt und gerecht gezahlt oder erstattet werden. Sie schafft mit den öffentlichen Einnahmen die Grundlage für die Handlungsfähigkeit des Staates, zum Beispiel bei der Finanzierung von Bildung und Polizei. Moderne Technik und ein einfacheres Steuerrecht würden schnellere Bearbeitungszeiten ermöglichen und Bürgern das Leben erleichtern.
    Nicolaus Kern (PIRATEN) ... ist das Herzstück des Steuervollzugs. Sie ist aber darauf angewiesen, dass die Politik den zahlreichen Steuergestaltungsmöglichkeiten, wie z. B. Share-Deals bei der Grunderwerbsteuer, endlich einen Riegel vorschiebt.

    ID: LI170309

  • So funktioniert die Landtagswahl.
    Von den Wählerstimmen zum neuen Parlament.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 6-7 in Ausgabe 2 - 21.02.2017

    Am 14. Mai 2017 wählt Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag. Wie sich das neue Parlament zusammensetzt, entscheiden die Wählerinnen und Wähler. Von den knapp 18 Millionen Menschen, die in Nordrhein-Westfalen leben, sind mehr als 13 Millionen wahlberechtigt. Wählen dürfen alle, die mindestens 18 Jahre alt sind, die deutsche Staatsbürgerschaft haben und mindestens seit dem 16. Tag vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen wohnen. Mindestens 181 Parlamentssitze sind zu vergeben. 128 Abgeordnete werden direkt in den Landtag gewählt. Das sind diejenigen, die in ihren Wahlkreisen die meisten Wählerstimmen erhalten haben. Mindestens 53 weitere Abgeordnete ziehen über die Landesreservelisten ihrer Parteien in den Landtag ein.

    Zwei Stimmen

    Mit der Erststimme auf dem Wahlzettel unterstützen die Wählerinnen und Wähler eine konkrete Person aus ihrem Wahlkreis, die für den Landtag kandidiert. Mit der Zweitstimme entscheiden sie sich - unabhängig von der Erststimme - für eine der Parteien, die auf dem Stimmzettel aufgelistet sind. Die Reihenfolge der Kandidatinnen und Kandidaten auf dem Stimmzettel richtet sich nach dem Ergebnis der letzten Landtagswahl. Neue Kandidaten und Parteien erscheinen daran anschließend in alphabetischer Reihenfolge. Auf dem Stimmzettel dürfen nur die beiden Kreuze gemacht werden. Wer etwas anderes darauf notiert oder den Stimmzettel leer lässt, macht ihn ungültig. Ungültig ist der Stimmzettel außerdem, wenn der politische Wille nicht klar erkennbar ist. Wenn nur ein Kreuz gemacht ist statt der vorgesehenen zwei Kreuze, bleibt der Stimmzettel gültig. Auch Briefwahl ist möglich: Auf der Wahlbenachrichtigung, die jeder Wahlberechtigte erhält, steht, wo die Briefwahlunterlagen angefordert werden können.

    Mandatsverteilung

    Das nordrhein-westfälische Wahlrecht stellt eine Verbindung von Mehrheits- und Verhältniswahlrecht dar. Wie viele Mandate einer Partei zustehen, richtet sich nach ihrem Zweitstimmenanteil und wird somit nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt. 128 der gewonnenen Sitze jedoch werden mit den Personen besetzt, die in ihrem Wahlbezirk die meisten Stimmen auf sich vereinen konnten. Das ist das Prinzip des Mehrheitswahlrechts. Weil das NRW-Wahlrecht beide Prinzipien berücksichtigt, spricht man von einer personalisierten Verhältniswahl.
    In jedem der 128 Wahlkreise des Landes genügt bei der Erststimme die einfache Mehrheit: Wer die meisten Stimmen in einem Wahlkreis erreicht, ist gewählt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.
    Dann wird in einem zweiten Verfahren ausgerechnet, wie viele Mandate insgesamt jeder Partei zustehen. Dazu werden zuerst die abgegebenen gültigen Zweitstimmen zusammengezählt. Das ergibt die Gesamtstimmenzahl. Nur Parteien, die mindestens 5 Prozent der Zweitstimmen bekommen haben, ziehen ins Parlament ein.
    Für jede dieser Parteien wird die Zahl der Mandate - etwas vereinfacht - wie folgt errechnet: Es wird die Zahl der Zweitstimmen, die eine Partei erhalten hat, mit der Zahl der insgesamt zu vergebenden Mandate multipliziert. Die Zahl, die sich daraus ergibt, wird durch die Gesamtstimmenzahl geteilt. Heraus kommt die Zahl der Mandate dieser Partei im Landtag von Nordrhein-Westfalen.
    Steht fest, wie viele Mandate den einzelnen Parteien zustehen, werden zunächst die erfolgreichen Direktkandidatinnen und -kandidaten berücksichtigt - auch diejenigen, deren Partei an der 5-Prozent-Hürde gescheitert ist.
    Stehen einer Partei mehr Sitze im Landtag zu, als sie "direkt" in den Wahlkreisen erringen konnte, besetzt sie eine entsprechende Zahl der Restplätze mit Kandidatinnen und Kandidaten aus ihrer Reserveliste.

    Ausgleich und Aufstockung

    Gewinnt eine Partei mehr Direktmandate, als ihr gemäß ihres Zweitstimmenanteils Sitze im Landtag zustehen, wird der Landtag vergrößert. "Überverhältnismäßig" errungene Mandate bleiben erhalten und werden als Überhangmandate bezeichnet. Um das Stimmenverhältnis wieder herzustellen, bekommen die anderen Parteien sogenannte Ausgleichsmandate.
    Die Gesamtzahl der Mandate muss immer ungerade sein. Ist das rechnerische Ergebnis eine gerade Zahl, wird die Gesamtmandatszahl um 1 erhöht. Fertig ist der neue Landtag.
    sow, sam

    Wahlbeteiligungen
    Diagramm:
    64,0%
    12. Landtagswahl 1995
    56,7%
    13. Landtagswahl 2000
    63,0%
    14. Landtagswahl 2005
    59,3%
    15. Landtagswahl 2010
    59,6%
    16. Landtagswahl 2012

    Zusatzinformation:
    Grundsätze der Wahl
    - Die Wahl ist allgemein. Jede Bürgerin und jeder Bürger ist grundsätzlich berechtigt, an der Wahl teilzunehmen.
    - Die Wahl ist gleich. Jede Stimme hat das gleiche Gewicht.
    - Die Wahl ist unmittelbar. Es gibt keine Zwischenschaltung eines Gremiums, das dann die Wahl vornimmt.
    - Die Wahl ist geheim. Die Wählerinnen und Wähler geben ihre Stimme allein ab.
    - Die Wahl ist frei. Die Wählerinnen und Wähler treffen ihre Entscheidungen selbst und unterliegen dabei keinen Weisungen.

    Systematik: 1080 Wahlen; 1100 Parlament

    ID: LI170208

  • Stadt, Land, Polizei.
    Anhörung zur Verteilung des Personals in NRW.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 2 - 21.02.2017

    7. Februar 2017 - Die Präsenz der Polizei in ländlichen Gebieten war Thema einer Anhörung des Innenausschusses. Grundlage war ein Antrag der CDU-Fraktion, in dem sie darstellte, dass die Polizeibehörden in ländlichen Kreisen in den vergangenen Jahren Personal verloren hätten.
    In dem Antrag (Drs. 16/13413) heißt es, dass die Zuweisung von Polizeikräften an die 29 Kreispolizeibehörden im ländlichen Raum (Landratsbehörden) reduziert worden sei. Die Polizeisollstärke sei zwischen 2000 und 2016 um 5,4 Prozent zurückgegangen. Hingegen sei im gleichen Zeitraum die Zielsollstärke im Bereich der 18 Polizeipräsidien der Großstädte in NRW um 6,8 Prozent gestiegen.
    Grund für die Entwicklung sei das Berechnungssystem für die Verteilung der Beamten, die sogenannte Belastungsbezogene Kräfteverteilung (BKV). Seit 1996 werden die Polizeistellen abhängig von der Verkehrsunfall- und Kriminalitätsstatistik verteilt. Die CDU-Fraktion fordert, dass geografische bzw. topografische Besonderheiten berücksichtigt werden sollten. Aufgrund der größeren Fläche der Landkreise würden diese damit gestärkt.
    Die Sachverständigen bewerteten den Antrag unterschiedlich. Thomas Hendele, Landrat des Kreises Mettmann, sagte, in den Kreisen in NRW lebten mehr Menschen als in den Städten. Darauf nehme das Verteilsystem für die Polizei keine Rücksicht. Die Städte benötigten zwar viel Polizei, aber die Verteilung dürfe nicht einseitig sein. Es habe viele Umorganisationen in den Kreispolizeibehörden gegeben: "In den Landratsbehörden fahren wir auf der letzten Rille."
    Dr. Olaf Gericke, Landrat des Kreises Warendorf, stimmte zu: "Wir haben keine ungenutzten Potenziale mehr." Er berichtete, dass es an einem durchschnittlichen Wochenende dazu kommen könnte, dass alle Fahrzeuge im Kreisgebiet gleichzeitig gebraucht würden. Dann müssten Einsätze priorisiert werden. In seine Behörde seien in zehn Jahren 25 Stellen weggefallen. Diese Stellen könne man gut gebrauchen, u. a. für Präventionsprogramme.
    "Wir können insgesamt mehr Polizei gebrauchen, angesichts der Herausforderungen, die wir haben", sagte Norbert Wesseler, Polizeipräsident Düsseldorf. Das System der BKV sei im Prinzip gut. Die Fläche in die Berechnung einzubeziehen, lehnte er in seiner Stellungnahme ab: "Die Fläche an sich ist noch keine Belastung, sondern in aller Regel - verglichen mit den Ballungsräumen - eher ein Vorteil bezogen auf die Kriminalitätshäufigkeit." Er warb für eine Aufgabenkritik und Strukturreformen, um die Polizeipräsenz zu erhöhen.

    "Ziehen an einer Tischdecke"

    Die Gewerkschaft der Polizei äußerte in ihrer Stellungnahme, sie erkenne Probleme bei der Personalausstattung der Landratsbehörden. Die Fläche als Rechenfaktor einzubeziehen, wäre aber kein großer Gewinn für die Landkreise, sagte Volker Huß, Sachverständiger der Gewerkschaft. Er warnte vor "Personalkannibalismus". In der Stellungnahme schrieb die Gewerkschaft, solange zu wenig Personal vorhanden sei, "stellt jede Form der Personalverteilung lediglich das Ziehen an einer Tischdecke von verschiedenen Seiten dar. Mit dem Ergebnis, dass eine Seite des Tisches bloßliegt."
    Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) Nordrhein-Westfalen warb in seiner Stellungnahme dafür, ein neues System der Personalverteilung zu erarbeiten. Denn die BKV berücksichtige keine qualitativen Elemente, "der Mord zählt so viel wie der Diebstahl eines Joghurtbechers". Der Antrag der CDU greife aber auch zu kurz, weil er diese qualitativen Aspekte der Polizeiarbeit nicht berücksichtige. In der Anhörung sagte Verbandsvertreter Oliver Huth, die Dimensionen der Kriminalität hätten sich verschoben. Früher sei beispielsweise ein Ladendieb im lokalen Umfeld gesucht worden, heute müsse es zum Teil internationale Ermittlungen geben, weil die Banden grenzüberschreitend agierten.
    Michael Frücht, Direktor des Landesamts für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen, lobte das Verteilsystem: "Das BKV ist ein taugliches und ein lernendes System." Und durch Sockelstellen werde die Grundausstattung der Behörden sichergestellt. Er sagte, dass es zu wenig Polizei gebe, bei der Ausbildung neuer Polizisten gehe es aber voran. "Wir brauchen Kontinuität in der Ausbildung."
    Die Deutsche Polizeigewerkschaft führte in ihrer Stellungnahme aus, dass verkehrs- und kriminalitätsspezifische Entwicklungen u. a. "von polizeilicher Präsenz, Einsatzkonzepten sowie Schwerpunkteinsätzen" mit beeinflusst würden. Eine Bekämpfung dieser Phänomene könne zu einer Reduzierung des künftig zugewiesenen Personals führen. Es gebe aber für jede Kreispolizeibehörde einen Grundsockel an Planstellen, um Schwankungen abzufangen.
    sam

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 1310 Polizei; 1230 Kommunale Angelegenheiten

    ID: LI170204

  • Stotko, Thomas (SPD); Kruse, Theo (CDU); Bolte, Matthi (Grüne); Lürbke, Marc (FDP); Schatz, Dirk (PIRATEN)
    Standpunkte: Meinungen zum Thema "Polizei im ländlichen Raum".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 2 - 21.02.2017

    Die Personalausstattung der Polizeibehörden in ländlichen Gebieten in NRW ist ...

    Thomas Stotko (SPD) ... ausbaufähig. Dies gilt allerdings auch für die Personalausstattung in den Städten. Deshalb werden wir die Zahl der Polizeibeamtinnen und -beamten im Land weiter erhöhen. Wir wollen auch in Zukunft jedes Jahr mindestens 2.000 Polizeianwärterinnen und -anwärter einstellen. Die Polizeibehörden vor Ort werden wir unterstützen, indem wir die Zahl der Bezirksbeamten verdoppeln.
    Theo Kruse (CDU) ... von der Landesregierung in unverantwortlicher Weise reduziert worden. Das betrifft sowohl das Personal als auch die Fahrzeuge der Polizei. Die sogenannte belastungsbezogene Kräfteverteilung weist für das Jahr 2016 nur noch 12.509 Stellen aus. Das bedeutet einen Abbau von 721 Stellen seit dem Jahr 2000. Das System der Kräfteverteilung muss künftig dringend auch die Bedürfnisse des ländlichen Raums stärker berücksichtigen, ohne neue Engpässe in den Städten zu produzieren.
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... nach objektiven Kriterien angemessen berechnet. Die Kriterien sind vor allem Belastung durch Verkehrsunfälle und Kriminalitätsbekämpfung. Die vorhandene Anzahl an PolizistInnen in NRW wird angemessen verteilt. Um eine Präsenz in allen Bereichen sicherzustellen, erhalten einige Landratspolizeibehörden sogar mehr PolizistInnen, als ihnen allein nach diesen Kriterien zustehen würden.
    Marc Lürbke (FDP) ... aktuell auf Kante genäht und geprägt durch eine enorme Überalterung, die sich in den kommenden Jahren weiter verstärken wird. Es gilt, nicht nur die großen Polizeipräsidien mit jungen Polizeibeamten auszustatten, sondern auch die gute Einsatzfähigkeit der Landratsbehörden in den ländlichen Gebieten Nordrhein-Westfalens sicherzustellen.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... sicherlich verbesserungsbedürftig. Das betrifft jedoch vermutlich jede Polizeibehörde in NRW und nicht nur die in ländlichen Gebieten. Die Personalzuteilung erfolgt im Rahmen der Belastungsbezogenen Kräfteverteilung (BKV), die die Verteilung weitgehend objektiviert. Das Problem liegt daher eher in der im Allgemeinen geringen Personalstärke der Polizei in NRW.

    Das System der Verteilung von Polizeistellen in NRW ...

    Thomas Stotko (SPD) ... hat sich bewährt, es ist flexibel und lernfähig. Es ist kein starres Verteilungssystem. Wir werden die Rahmenbedingungen für die Verteilung von Polizeistellen im Auge behalten und bei Bedarf anpassen. Einen Flächenfaktor für die Verteilung - wie die CDU ihn fordert - lehnen wir ab. Dadurch würden Polizeikräfte aus Kriminalitätsschwerpunkten abgezogen.
    Theo Kruse (CDU) ... benachteiligt den ländlichen Raum. Mangelnde Ausstattung der Landratsbehörden mit Dienstfahrzeugen führt zu erhöhten Einsatzreaktionszeiten. Die geringe Polizeipräsenz leistet reisenden, professionellen Tätern Vorschub, sich Tatorte entsprechend auszusuchen.
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... verteilt die vorhandenen Kapazitäten für das gesamte Land so gerecht wie möglich. Die Verteilung richtet sich nach den genannten Kriterien und wird regelmäßig angepasst. Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass z. B. Änderungen mittels eines Flächenfaktors zu keiner Verbesserung führen.
    Marc Lürbke (FDP) ... muss den ländlichen Raum ausreichend berücksichtigen. Wir brauchen bestmögliche Sicherheit in ganz NRW. Es darf nicht sein, dass Rot-Grün für die Menschen auf dem Land nur noch eine Mindestsicherheit gewährt und diese einseitig die Zeche für Brennpunktbehörden im Ruhrgebiet und im Rheinland zahlen. Im ganzen Land ist eine personelle Unterstützung unserer Polizei notwendig. Nur so kann dem Personalnotstand begegnet werden.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... ist nicht optimal. Die BKV stand, auch nicht durchweg unberechtigt, schon immer in der Kritik. Fakt ist aber auch, dass bisher von noch keiner Stelle ein besseres System vorgeschlagen werden konnte, das alle Faktoren und die verschiedenen Bedarfe in derselben, ausgewogenen Weise berücksichtigt. Das heißt aber natürlich nicht, dass die BKV nicht verbessert werden könnte.

    Die Arbeit der Polizei in ländlichen Gebieten ...

    Thomas Stotko (SPD) ... ist bürgernah und effektiv. Damit das so bleibt, wollen wir die Polizei von Aufgaben entlasten, die nicht zu ihrem Kerngeschäft gehören.
    Theo Kruse (CDU) ... ist geprägt von besonderen Anforderungen. Die Bandbreite möglicher Einsätze ist größer als in einem eher spezialisierten Ballungsraum. Verstärkung kommt oft erst spät und es muss eine Vielzahl von Aufgaben alleine wahrgenommen werden. Das verlangt ein hohes Maß an Erfahrungswissen und eine große Qualifikation.
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... unterscheidet sich deutlich von den Herausforderungen in den Großstädten. Dort ist die Kriminalitäts- und Verkehrsunfallbelastung deutlich größer und die Ermittlungsverfahren sind komplexer, z. B. in Verfahren gegen organisierte Kriminalität. Daraus folgt eine höhere Kräftezuweisung. Die Behörden im ländlichen Raum erhalten ausreichend Planstellen, um ihre Aufgaben ebenfalls bestmöglich zu erledigen.
    Marc Lürbke (FDP) ... ist vorbildlich und verdient unseren Dank und Respekt. Gleichzeitig brauchen unsere Landratsbehörden aber mehr Unterstützung. Jede Polizeiwache und Funkstreife vor Ort ist wichtig. Um Einsatzreaktionszeiten zu verbessern und bürgernahe Präsenz zu ermöglichen, darf es keinen Personalabbau, einseitige Personalverschiebungen, Schließungen von Wachen oder Reduzierungen von Streifenwagenbesatzung geben.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... unterscheidet sich von der in städtischen Gebieten. Geringere Bevölkerungsdichte, mehr Fläche und meist verlängerte Anfahrtszeiten beeinflussen die Polizeiarbeit in nicht geringem Maße. Daher darf es dort nicht zu einer Zentralisierung kommen. Auch kleine Polizeiwachen erfüllen gerade dort einen wichtigen Zweck. Bei der Frage der Wirtschaftlichkeit dieser Wachen sollte man großzügiger sein.

    Die Polizei in NRW braucht ...

    Thomas Stotko (SPD) ... eine gute personelle Ausstattung, eine verlässliche technische Ausrüstung und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb haben wir in einem Pilotversuch die Beamtinnen und Beamten mit Bodycams ausgerüstet und eine Kennzeichnungspflicht für die Bereitschaftspolizei eingeführt. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass alle Einsatzfahrzeuge mit Tablets ausgerüstet werden.
    Theo Kruse (CDU) ... den größtmöglichen Respekt seitens der Bevölkerung, für die die Beamtinnen und Beamten ihre Arbeit täglich erledigen. Sie brauchen die Unterstützung der Politik, indem sie flächendeckend durch Verwaltungsangestellte entlastet werden, um ihrer originären Tätigkeit wieder verstärkt nachgehen zu können. Alle Instrumente, die dem Schutz der Polizeibeamten und der Erfüllung ihres Auftrags dienen, müssen zur Verfügung gestellt werden.
    Matthi Bolte (GRÜNE) ... beste Bedingungen. Deshalb hat Rot-Grün so viele Polizisten und Polizistinnen eingestellt wie keine Regierung zuvor. Ab diesem Jahr beginnen 2.000 Kommissaranwärter und Kommissaranwärterinnen ihre Ausbildung. Im letzten schwarz-gelben Haushalt 2010 waren es nur 1.000 Neueinstellungen. Daneben haben wir massiv in die Ausrüstung der Polizei investiert. Die Polizei NRW ist also gut für neue Herausforderungen aufgestellt.
    Marc Lürbke (FDP) ... neben spürbarer Personalaufstockung und einer sofortigen Besetzung der über 1.000 tatsächlich unbesetzten Stellen endlich auch eine Aufgabenkritik wie zum Beispiel im Bereich der Verwaltung, dem Objektschutz oder auch der Begleitung von Schwerlasttransporten. Nur so erreichen wir eine echte Entlastung und einen spürbaren Mehrwert für alle Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen.
    Dirk Schatz (PIRATEN) ... neben einem angemessenen Personalbestand vor allem kurz- und mittelfristig eine verbesserte technische Infrastruktur. Dadurch können Synergieeffekte freigesetzt werden, die auch bei weniger Personal von Verwaltungsarbeit entlasten und Kräfte freisetzen. Es ist ungeheuerlich, dass heutzutage jeder Paketbote eine bessere technische Ausstattung auf seinem Wagen hat als die Polizei in NRW.

    ID: LI170210

  • Als Nordrhein-Westfalen eine Rose erhielt.
    Lipper, Rheinländer und Westfalen feiern "70 Jahre" Lippe in NRW.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 1 - 31.01.2017

    21. Januar 2017 - Für die Lipper war es ein großer Schritt: Am 21. Januar 1947 entschied das Lippische Landesparlament, die rund 800-jährige Selbstständigkeit des Landes aufzugeben und Teil des neu gegründeten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen zu werden. Auf den Tag genau 70 Jahre später feierten dies Landtag, Landesregierung und Landkreis mit einem Festakt im Landestheater Detmold.
    Die Briten hatten Nordrhein-Westfalen erst im August 1945, also wenige Monate zuvor, mit dem Zusammenschluss der ehemals preußischen Provinzen Nordrhein und Westfalen gegründet. Lippe, einst u. a. Fürstentum und nun Freistaat, stellten sie vor die Wahl: Werdet Teil von Niedersachsen oder von Nordrhein-Westfalen. Nach harten Verhandlungen waren es dann die Zugeständnisse der Rheinländer und Westfalen, die entscheidend für den damaligen lippischen Ministerpräsidenten Heinrich Drake waren: Lippe wurde Teil von NRW - zu Rhein und Ross gesellte sich die lippische Rose auf die nordrhein-westfälische Landesflagge.
    Und so konnten rund 400 Gäste in Detmold "70 Jahre Lippe in NRW" feiern - wenige Monate nach dem 70. Geburtstag von Landtag und Land NRW. Beim Festakt im Landestheater war dabei viel von den "Eigenheiten und Eigenarten" der Lipper zu hören, die sich mit den Lippischen Punktuationen, dem damaligen Verhandlungsergebnis, viel Freiraum ausgehandelt hatten. So blieb das lippische Vermögen unangetastet. Dennoch waren sich die Gastgeber des Abends in ihren Reden einig: Rheinländer, Westfalen und Lipper haben in den vergangenen 70 Jahren zusammengefunden.

    "Ein Glücksfall für NRW"

    Landtagspräsidentin Carina Gödecke gratulierte Lippe im Namen aller 237 Abgeordneten des Landesparlamentes. Sie sagte: "Seit 70 Jahren gehören Rhein, Ross und Rose zusammen. Der Zusammenschluss, wie ihn der Landtag am 5. November 1948 auch gesetzlich besiegelte, war ein Glücksfall für Lippe und für ganz Nordrhein-Westfalen. Damals wurden die Weichen für eine gesicherte Zukunft Lippes und für die Vielfalt des ganzen Landes gestellt, wie wir sie niemals mehr missen möchten."
    Und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft betonte: "70 Jahre Lippe in Nordrhein-Westfalen geben uns Grund zur Dankbarkeit und Grund zum Feiern. Der 21. Januar 1947 war ein echter Glückstag in unserer NRW-Geschichte. Erst mit Lippe ist NRW komplett."
    Es habe nicht viel gegeben, was die drei Regionen 1947 verbunden habe, sagte Landrat Dr. Axel Lehmann. Heute aber könne man den Briten sagen: "Well done (gut gemacht)." Rheinländer, Westfalen und Lipper seien eine Partnerschaft auf Augenhöhe eingegangen - und: "Es ist etwas Positives erwachsen. Unsere Vielfalt, die uns stark macht. NRW ist weltoffen, bunt und tolerant."
    Dies zeigte sich auch im Musikprogramm des Abends. Das Symphonische Orchester des Landestheaters Detmold unter der Leitung von Generalmusikdirektor Lutz Rademacher spielte Beethoven, Lortzing und Brahms. Mit dem Chor "Groophonik" und Stücken u. a. von Robbie Williams wurde es dann aber auch noch rockig im Landestheater. Durch den Abend führte ARD-Moderatorin Judith Rakers ("Tagesschau"), die sich - wie konnte es anders sein - als Lipperin offenbarte: geboren in Paderborn, aufgewachsen in Bad Lippspringe.
    Wib

    Bildunterschriften:
    Die drei Gastgeber des Festaktes: Landtagspräsidentin Carina Gödecke (l.), der Landrat des Kreises Lippe, Dr. Axel Lehmann, und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
    Rund 400 Gäste waren ins Landestheater gekommen, darunter viele Abgeordnete des Landtags.
    Durch den Abend führte Judith Rakers, hier im Gespräch mit Landrat Dr. Axel Lehmann.
    Die Landtagspräsidentin gratulierte im Namen aller Abgeordneten.
    Die "Groophoniks" sangen u. a. ein Lied von Robbie Williams.

    Zusatzinformation:
    Ausstellung im Landtag
    Die Jubiläumsfeierlichkeiten zu "70 Jahre Lippe in NRW" waren bereits am 10. Januar 2017 im Landtag eingeläutet worden. Dort erinnerte eine Ausstellung an den Beitritt vor sieben Jahrzehnten, die Landtagspräsidentin Carina Gödecke, Vizepräsident Eckhard Uhlenberg und die Verbandsvorsteherin des Landesverbandes Lippe, Anke Peithmann, eröffneten. "Ohne Lippe wäre unser Land heute weniger vielfältig, weniger liebens- und lebenswert, weniger bunt", sagte die Landtagspräsidentin in ihrer Rede. Sie erinnerte auch an die Verhandlungen zwischen dem lippischen Landespräsidenten Heinrich Drake und dem ersten NRW-Ministerpräsidenten Dr. Rudolf Amelunxen. Der Anschluss an NRW sei die "große Lebensleistung" Drakes gewesen. Auch an sein Schaffen erinnerte die Ausstellung.
    Sie wurde vom Landesverband Lippe zusammen mit dem Landesarchiv NRW (Regionalstelle Detmold) und dem Lippischen Landesmuseum konzipiert.

    Systematik: 7100 Kunst/Kultur

    ID: LI170111

  • Zahlen, Zukunft, Ziele.
    Letzter Etat vor der Landtagswahl: Haushalt für 2017 verabschiedet.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 4-5 in Ausgabe 10 - 20.12.2016

    14. Dezember 2016 - Die dritte und entscheidende Lesung eines Haushaltsplans gerät traditionell zur Generaldebatte über die politischen Leitlinien. So war es auch, als die Fraktionen den Entwurf für den Etat 2017 und damit den letzten vor der Landtagswahl abschließend berieten. Es wurde eine kontroverse Debatte über die Bilanz der rot-grünen Landesregierung.
    Der Haushaltsplan sieht Ausgaben von rund 72,7 Milliarden Euro vor. Die Nettoneuverschuldung liegt bei 1,6 Milliarden Euro.
    Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Armin Laschet, sagte, Rot-Grün habe das Land bei den Finanzen, dem Wirtschaftswachstum, der Inneren Sicherheit und der Bildung auf Schlusslichtplätze katapultiert: "Das muss sich ändern!" Laschet warf der Regierung vor, mit "Finanztricks" zu arbeiten und an den Empfindungen der Menschen im Land vorbeizureden. Zudem kritisierte er eine "Schuldenpolitik" der Regierung und sinkende Investitionen. Ein ausgeglichener Haushalt sei trotz niedriger Zinsen und steigender Steuereinnahmen um rund 45 Prozent nicht in Sicht. Laschet forderte, die Landesverwaltung effizienter und sparsamer zu gestalten: "Die Landesverwaltung muss sich konzentrieren auf die Kernaufgaben."
    SPD-Fraktionsvorsitzender Norbert Römer wies die Kritik zurück. Nach sechs Jahren Rot-Grün befänden sich die "Zukunftsinvestitionen des Landes für Bildung, Forschung, Kommunen und Infrastruktur auf Rekordniveau". Gleichzeitig sei die Neuverschuldung deutlich gesenkt worden. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in NRW sei gestiegen, die Arbeitslosenquote "auf den niedrigsten Stand seit 1993" gedrückt worden. "Nordrhein-Westfalen ist heute in einer besseren wirtschaftlichen Verfassung als am Ende der schwarz-gelben Regierungszeit." Römer warf seinerseits der Opposition vor, sie könne nicht erklären, was sie anders oder besser machen würde. "Ihre Alternativen sind blass und begrenzt."

    "Keine Impulse"

    Der Schuldenstand in NRW sei seit 2010 um 19 Milliarden Euro gewachsen und belaufe sich aktuell auf 143 Milliarden Euro - dies sei die Schlussbilanz der Landesregierung, sagte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Trotz Rekordeinnahmen und historisch niedrigem Zinsniveau mache Rot-Grün weiter Schulden. Die Kaufkraft liege als Folge einer Wachstumsschwäche unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Die Landesregierung schrecke Unternehmen durch das Tariftreue- und Vergabegesetz, den Landesentwicklungsplan und das Landeswassergesetz ab - sie habe sich in den "grünen Lianen eines Paragrafendschungels verfangen". Ein weiterer Kritikpunkt Lindners: Von NRW gingen keine Impulse mehr für die Bundespolitik aus.
    "Kluge Köpfe fördern, jedes Kind mitnehmen, Klima schützen und damit Arbeitsplätze schaffen, Infrastruktur modernisieren, Kommunen stabilisieren" - so beschrieb der GRÜNEN-Fraktionsvorsitzende Mehrdad Mostofizadeh den "Grundakkord rot-grüner Haushaltspolitik". Die Koalition habe in Kitas, Schulen, Hochschulen, Verkehr und in die "Herzenssache" Kommunen investiert. Der Fraktionsvorsitzende erklärte Mehreinnahmen in Milliardenhöhe mit konsequenter Verfolgung von Steuerhinterziehung. Er verteidigte eine "smarte und ökologische" Wirtschaftspolitik und eine Schulpolitik, die jedem Kind eine individuelle Lernzeit bis zum Abitur einräume und für ein wohnortnahes Schulangebot in Nordrhein-Westfalen sorge.
    Der fraktionslose Abgeordnete Dietmar Schulz sagte, der Haushalt 2017 sei geprägt durch Stagnation. Das "Diktum der Schuldenbremse" führe zu "Schattenhaushalten", die die junge Generation belasteten. Sie müssten später mit ihren Steuern "die Zeche dafür zahlen". Zudem fehlten Zukunftsinvestitionen.
    Seit Jahren werde zu wenig in wichtige Zukunftsthemen investiert, sagte Michele Marsching, Fraktionschef der PIRATEN. Wesentliche Probleme seien Kinderarmut, Arbeitslosigkeit, "Kita- und Verkehrskollaps" sowie das "marode Bildungssystem". Diese Probleme habe Rot-Grün zu verantworten. Die Landesregierung verwalte, statt zu gestalten. Die Schuldenbremse sei eine "Ausgabenbremse", mit der sich das Land selbst die "Luft zum Atmen" nehme. Bei niedrigem Zinsniveau grenze es an "Wahnsinn", keine Schulden aufzunehmen. Sparen bedeute, nicht in die Zukunft zu investieren. Dringenden Investitionsbedarf sah er vor allem bei der IT-Sicherheit in Krankenhäusern, bei Kindergärten und beim Ausbau des Glasfasernetzes.
    Die Landesregierung respektiere die Schuldenbremse, sorge für bessere Einnahmen und investiere in die Zukunft, beschrieb Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die rot-grüne Haushaltspolitik. Jeder dritte Euro fließe in die Bereiche Kinder, Bildung und Familie. Es gebe Erfolge in Kitas, Schulen und Hochschulen, sagte Kraft. Die Arbeitslosigkeit sei in NRW stärker gesunken als im westdeutschen Durchschnitt. "Wir haben die Kommunen von der Intensivstation geholt", betonte Kraft. Auch die Investitionen in die Innere Sicherheit zahlten sich aus. "Konkret wird Politik im Haushalt", sprach Kraft die Opposition an. Nach Durchsicht der Haushaltsanträge der Opposition lösten sich deren politische Forderungen in Luft auf.
    bra, zab, wib, sow

    Zusatzinformation:
    Abstimmung
    Für den Haushaltsentwurf der rot-grünen Landesregierung stimmten die Koalitionsfraktionen von SPD und GRÜNEN. Die Fraktionen von CDU, FDP und PIRATEN stimmten dagegen. Den Haushaltsentwurf sowie die Ergänzung, die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses, Änderungs- und Entschließungsanträge wie auch das mitberatene Gemeindefinanzierungsgesetz 2017 und weitere mitberatene Initiativen finden Sie unter www.landtag.nrw. de: Klicken Sie oben rechts im Kalender auf den 14. Dezember und dann auf "Aktuelle Tagesordnung". Wie die einzelnen Fraktionen jeweils abgestimmt haben, können Sie dem Beschlussprotokoll entnehmen.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8200 Finanzverwaltung; 1220 Landesregierung

    ID: LI161007

  • Diskussion um Heilpraktiker.
    Sachverständige äußern sich im Gesundheitsausschuss zu Ausbildung und Anforderungen.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 10 - 20.12.2016

    23. November 2016 - Die FDP-Fraktion will die Anforderungen an Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker erhöhen. Das Gesetz, das deren Tätigkeit bislang regle, stamme aus dem Jahr 1939. Die Inhalte seien jedoch bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben. In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses haben sich Sachverständige zum Thema geäußert.
    Es gebe keine festgeschriebene Ausbildung für Heilpraktiker, kritisiert die FDP-Fraktion in ihrem Antrag (Drs. 16/12846). Um den Beruf ausüben zu dürfen, sei eine Erlaubnis der örtlich zuständigen Kreise und kreisfreien Städte erforderlich. Sie werde nach bestandener Kenntnisüberprüfung erteilt. Dabei gehe es nur um die Feststellung, dass von den Kandidatinnen und Kandidaten keine Gefährdung ausgehe.
    Eine "geregelte Qualitätskontrolle" sei ebenso wenig vorgesehen wie die Pflicht zur Weiterbildung. Trotzdem dürften zugelassene Heilpraktiker Injektionen setzen. Ohne abgeschlossenes Medizinstudium behandelten sie zudem "Knochenbrüche, Blinddarmentzündungen, Krebs und viele andere schwerwiegende Erkrankungen". Die Fraktion führt Todesfälle in Brüggen-Bracht (Kreis Viersen) an, "die mit einer alternativen biologischen Krebsbehandlung durch einen Heilpraktiker in Verbindung stehen". Die Landesregierung möge sich auf Bundesebene u. a. für eine Neuregelung des Heilpraktikergesetzes einsetzen, "die für eine Erlaubnis den Abschluss eines Studiums oder einer Ausbildung in einem Heilberuf oder in einem anderen Gesundheitsfachberuf voraussetzt". Ein eigenständiger Studiengang oder eine eigenständige Ausbildung seien abzulehnen.

    "Reformbedürftigkeit"

    "Die Reformbedürftigkeit des Heilpraktikerrechts in Deutschland dürfte unumstritten sein", hieß es in einer Stellungnahme der Ärztekammer Nordrhein für den Ausschuss. Die tragischen Ereignisse in Bracht hätten deutlich gemacht: "Es gibt eine Gruppe von Heilpraktikern, die ihre Erlaubnis nutzen, um schwerstkranke Patientinnen und Patienten nicht nur finanziell zu schädigen, sondern auch unvertretbaren gesundheitlichen Risiken auszusetzen." Invasive Eingriffe müssten von der Heilpraktikererlaubnis ausgenommen sein. Dies enge das Betätigungsfeld der meisten nicht ein, verhindere aber "besonders patientengefährdende Maßnahmen".
    Schaden könne nicht nur aus aktivem Handeln, sondern auch aus dem Unterlassen einer medizinisch gebotenen Maßnahme resultieren, schrieb die Ärztekammer Westfalen-Lippe und berichtete in ihrer Stellungnahme von einem Heilpraktiker, der geglaubt habe, bei einer Patientin eine Krebserkrankung durch "Pendeln" ausschließen zu können. Die Frau sei später an unbehandeltem Brustkrebs gestorben. Dies sei kein Einzelfall. Der Patientenschutz müsse höher gewichtet werden.
    Die "European Federation for Naturopathy (EFN)", ein europaweiter Zusammenschluss naturheilkundlicher Therapeutinnen und Therapeuten, befürwortete eine bundeseinheitliche Ausbildungsregelung. Dass Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker Blinddarmentzündungen oder Knochenbrüche behandelt hätten, sei jedoch nicht richtig. Heilpraktiker seien sich ihrer Sorgfaltspflicht bewusst und wüssten, dass solche Fälle "in die Obhut schulmedizinischer Behandlung gehören". Weiterbildung sei selbstverständlich. Der FDP-Fraktion gehe es offenbar darum, den Heilpraktikerberuf abzuschaffen.
    Der Beruf stelle in seiner rechtlichen Ausgestaltung einen "Anachronismus im deutschen Berufsrecht der Heilberufe dar", befand Prof. Dr. Winfried Kluth, Jurist an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er hatte dem Ausschuss eine schriftliche Stellungnahme zukommen lassen. Die Ausübung der Heilkunde werde ohne Einschränkung gestattet, "obwohl im Gesetz keine konkreten Anforderungen an die nachzuweisende Ausbildung und Qualifikation normiert sind". Andererseits leiste der Berufsstand "in sehr vielen Bereichen und den allermeisten Fällen einen wertvollen Beitrag zur Gesundheitsversorgung". Kluth empfahl, sich auf Bundesebene für eine "angemessene berufsrechtliche Gesetzgebung zu engagieren".
    Der Verband der Ersatzkassen sprach sich für eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen aus. Der erste Schritt dazu müsse aber vom Bund ausgehen. Auf Landesebene könnten dann die Themen "Weiterbildung" und "Kontrolle" geregelt werden.
    "Heilpraktiker üben eine heilkundliche Tätigkeit aus, die in keinerlei Hinsicht den Erkenntnissen der Medizin seit Mitte des 19. Jahrhunderts genügt", schrieb die Autorin, Journalistin und ausgebildete Heilpraktikerin Anousch Mueller in ihrer Stellungnahme. Heilpraktiker setzten "verquere Vorstellungen von körperlichen Prozessen in die Welt" und verunsicherten Patienten. Ihre Befugnisse sollten "stark eingeschränkt" werden.
    zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 5230 Medizinische Berufe; 5200 Gesundheit; 2420 Berufsausbildung

    ID: LI161003

  • Scheffler, Michael (SPD); Preuß, Peter (CDU); Ünal, Arif (Grüne); Schneider, Susanne (FDP); Düngel, Daniel (PIRATEN)
    Standpunkt: Meinungen zum Titelthema "Heilpraktiker".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 10 - 20.12.2016

    Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker sind für die Gesundheitsversorgung ...

    Michael Scheffler (SPD) ... als Ergänzung zur Schulmedizin zu bewerten. Bei einer ordnungsgemäßen Ausübung des Heilpraktikerberufs kann durchaus ein Nutzen für das Patientenwohl zu erwarten sein.
    Peter Preuß (CDU) ... unter bestimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Ergänzung, weil sie das Bedürfnis nach naturheilkundlichen oder alternativen Behandlungsformen befriedigen und auf die persönlichen Sorgen und Nöte der Menschen verstärkt eingehen können. Hohe Qualitätsansprüche und Qualitätssicherung erfordern Nachweise beruflicher Qualifikation, die Heilpraktiker bisher aber nicht erbringen müssen.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... grundsätzlich eine Bereicherung. Komplementärmedizinische Behandlungsmethoden können eine sinnvolle Ergänzung zur Schulmedizin sein, wenn qualitative Standards eingehalten werden. Wir sollten auf das Wissen, die Kompetenzen und Techniken anderer Gesundheitssysteme und -kulturen nicht verzichten. Auch das SGB V erkennt Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen an.
    Susanne Schneider (FDP) ... nicht unerlässlich. Seriös arbeitende Heilpraktiker, die auch ihre Grenzen kennen, können zwar für manche Menschen eine Ergänzung darstellen. Im Vordergrund muss aber immer die Sicherheit von Patientinnen und Patienten stehen. Wir wollen nicht, dass Heilpraktiker ohne fundierte medizinische Kenntnisse und ohne nachgewiesene praktische Fähigkeiten Krankheiten behandeln dürfen.
    Daniel Düngel (PIRATEN) ... allenfalls eine Ergänzung zwischen Arzt und Apotheker.

    Ihre Ausbildung ...

    Michael Scheffler (SPD) ... ist nicht einheitlich geregelt. Im Gegensatz zu anderen Gesundheitsfachberufen gibt es keine Ausbildungs- und Prüfungsordnung. Es sind weder die Ausbildungsinhalte noch Dauer oder Zugangsvoraussetzungen staatlich geregelt. Außerdem gibt es keine umfassende Abschlussprüfung. Die Erlaubnis wird nach einer knappen Überprüfung der medizinischen Grundkenntnisse, im Sinn der Gefahrenabwehr, vergeben.
    Peter Preuß (CDU) ... kennt keine gesetzlichen Mindest- oder fachlichen Qualifikationsanforderungen. Die Erlaubnis zur Heilkunde ergibt sich aus einer Gefahrenabwehrprüfung. Das muss für Tätigkeiten im medizinischen Bereich verbessert werden. Ein hohes Maß an Fachlichkeit muss sichergestellt sein. Hierzu berät das Bundesministerium für Gesundheit derzeit neue Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... muss bundeseinheitlich geregelt werden, da für die gesetzliche Grundlage der Bund zuständig ist. Das Heilpraktikergesetz enthält jedoch bislang keine Vorgaben, welches Grundwissen und welche Grundkompetenzen Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker haben müssen. Deshalb setzen wir uns für eine entsprechende Änderung des Bundesgesetzes ein.
    Susanne Schneider (FDP) ... genügt derzeit nicht den Anforderungen zur Ausübung der Heilkunde. Ein Arzt benötigt ein sechsjähriges Medizinstudium sowie eine Facharztweiterbildung, bevor er sich niederlassen darf, für Heilpraktiker gibt es hingegen keine geregelte Ausbildung, sondern nur Mindestvoraussetzungen wie einen Hauptschulabschluss und eine nur auf die Gefahrenabwehr zielende Prüfung medizinischer Grundkenntnisse.
    Daniel Düngel (PIRATEN) ... muss besser geregelt werden und sich an schulmedizinischen Ausbildungen orientieren.

    Patientinnen und Patienten sollten ...

    Michael Scheffler (SPD) ... sich bewusst sein, dass der Besuch eines Heilpraktikers nicht die Untersuchung, Diagnose und Therapie durch einen Arzt ersetzt.
    Peter Preuß (CDU) ... sich darüber im Klaren sein, dass sie ihre Gesundheit Personen anvertrauen, deren Aus- und Weiterbildung sowie Qualifikationen in keiner Weise positiv festgestellt worden sind. Sie erfolgen ausschließlich auf freiwilliger Basis. Dieser fehlende Qualifikationsnachweis sollte den Menschen, die die Unterstützung eines Heilpraktikers für ihre gesundheitlichen Probleme suchen, bewusst sein.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... sich bei ernsten Erkrankungen immer auch schulmedizinisch untersuchen und behandeln lassen, nicht ausschließlich von Heilpraktikerin oder Heilpraktiker. Dies kann zum Beispiel auch bei homöopathisch und naturheilkundlich orientierten Ärztinnen und Ärzten erfolgen. Die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt sollte in jedem Fall darüber informiert werden, wenn auch naturheilkundlich behandelt wird.
    Susanne Schneider (FDP) ... vor unsachgemäßen Behandlungen geschützt werden. Sie sollten auch im Vertrauen in eine vermeintlich alternative Medizin nicht auf eine angezeigte ärztliche Therapie verzichten. Heilpraktiker agieren hingegen auch außerhalb fachlich anerkannter medizinischer Standards und bieten teilweise Behandlungen aus dem Bereich der Esoterik wie Bioresonanztherapie oder Magnetfeldtherapie.
    Daniel Düngel (PIRATEN) ... sich umfassend informieren und in jedem Fall schulmedizinischen Rat holen, bevor sie Heilpraktiker aufsuchen.

    Eine Änderung des Heilpraktikergesetzes ...

    Michael Scheffler (SPD) ... ist notwendig, um das Heilpraktikerwesen den Anforderungen unseres modernen Gesundheitswesens anzupassen. Eine umfassende Reform der Ausbildungs- und Prüfungsstandards ist zum Wohle der Patienten erforderlich. Außerdem sind auch die Möglichkeiten von gesetzgeberischen Vorgaben zur Berufsausübung in die Überlegungen zu einer Aktualisierung des Heilpraktikerrechts miteinzubeziehen.
    Peter Preuß (CDU) ... ist dringend erforderlich. Die Erlaubnis der unteren Gesundheitsbehörde nach Durchführung einer "Gefahrenabwehrprüfung" erlaubt Tätigkeiten wie Blutabnahmen, Injektionen, Infusionen und sogar chirurgische Eingriffe, ohne den Nachweis einer Aus- oder Fortbildung. Es muss gesetzlich klargestellt werden, dass derartige Eingriffe Ärzten vorbehalten bleiben.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... ist notwendig, um eine hohe Qualität bei Naturheilverfahren und in der Komplementärmedizin sicherzustellen. Wie bei den Pflege- und Gesundheitsfachberufen muss der Bund die Ausbildung gesetzlich einheitlich regeln. Dazu gehört die verbindliche Festlegung einer Ausbildungs- und Prüfungsordnung mit Ausbildungsdauer, -inhalten und -zielen, von Zugangsvoraussetzungen und einer staatlichen Abschlussprüfung.
    Susanne Schneider (FDP) ... als ein vor 77 Jahren in Kraft getretenes Gesetz ist dringend erforderlich. Dabei geht es aber nicht darum, Heilpraktiker durch eine staatlich regulierte Ausbildung oder gar einen eigenständigen Studiengang aufzuwerten. Vielmehr sollten ihre Befugnisse eingeschränkt und z. B. invasive Eingriffe untersagt werden.
    Daniel Düngel (PIRATEN) ... ist dringend erforderlich, damit Scharlatane nicht mit der Gesundheit der Menschen spielen können.

    ID: LI161011

  • Grün, Gelb oder Rot.
    Pro und Kontra zur geplanten Hygiene-Ampel für Lebensmittelbetriebe.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 9 - 15.11.2016

    2. November 2016 - Brötchen, Bratwurst, Bauernsalat: Was wir essen, soll schmecken. Was neben dem Geschmack die Appetitlichkeit von Lebensmitteln ausmacht, entzieht sich in der Regel unserer Kenntnis. Und das soll sich nach Planung der Landesregierung ändern. Vorgesehen ist ein Barometer, auch Hygiene-Ampel genannt, das von Grün über Gelb zu Rot verläuft. Es soll mit entsprechender Pfeilmarkierung Verbraucherinnen und Verbraucher über die Hygiene im verkaufenden Betrieb informieren. In einer kontroversen Anhörung im Ausschuss für Verbraucherschutz bezogen Sachverständige zu diesem Vorhaben Stellung.
    Im Jahr 2011 hatten sich die Verbraucherschutzministerinnen und -minister der Länder auf das Ziel geeinigt, für mehr Transparenz bei der Lebensmittelhygiene zu sorgen. Da es eine bundesweite Regelung bisher nicht gibt, will nun Nordrhein-Westfalen ein eigenes Hygienebarometer einführen (Gesetzentwurf Drs. 16/12857, Vorlage 16/4289). An der Ladentür oder im Schaufenster von Betrieben, die Lebensmittel verkaufen, soll es für Transparenz sorgen. Betriebe ohne direkten Kundenkontakt müssen das Kontrollergebnis im Internet veröffentlichen, so der Plan.
    Die Verbraucherzentralen sprachen sich für den Gesetzentwurf aus. Neben der Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher sei auch von einem Anreiz für die Betriebe auszugehen, die in einen Qualitätswettbewerb einstiegen. Aus einer Testphase des Modells in Bielefeld und Duisburg lasse sich großes Interesse ablesen: Mehr als 400.000 Bewertungen seien in rund 1.000 Tagen abgerufen worden.

    "Mangelnde Objektivität"

    Vonseiten der Betriebe hingegen fiel wiederholt das Argument mangelnder Objektivität. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) verwies in seiner Stellungnahme etwa auf unterschiedliche Bewertungen der gleichen Sachlage durch verschiedene Kontrolleure.
    Als geschäftsschädigend bewerteten einige Verbände die Wartezeit, bis ein schlechter Ruf rehabilitiert werden könne. Denn nach einer schlechten Bewertung hätten die Betriebe zwar Gelegenheit nachzubessern. Aber die Nachkontrolle könne bis zu drei Monate in Anspruch nehmen, kritisierte unter anderem der Bundesverband Großhandel, Einzelhandel, Dienstleistungen.
    Insgesamt sei der bürokratische Aufwand für die Betriebe zu hoch, befand die Hallo Pizza GmbH in ihrer Stellungnahme. Denn um einwandfrei bewertet zu werden, müssten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Hygienemaßnahmen dokumentieren. Und da mangelnde Dokumentation ebenso zur Abwertung führe wie tatsächliche Hygienemissstände, hielten die Vertretungen der Rheinischen und westfälischen Bäckerinnen und Bäcker das Kontrollergebnis nicht für aussagekräftig. Dr. Matthias Mainz von der Industrie- und Handelskammer problematisierte zudem veraltete Informationen, wenn seit der letzten Kontrolle einige Zeit vergangen sei. DEHOGA-Sprecher Thorsten Hellwig sprach in der Anhörung von einer "Pseudotransparenz".
    Der Fleischerverband Nordrhein-Westfalen stellte infrage, ob die Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehen könnten, wie das Kontrollergebnis zustande gekommen sei. Der Verband bewertete die bisherigen Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten als ausreichend. Johannes Heeg vom Verein Foodwatch entgegnete, das bisherige System bevorteile diejenigen, die sich nicht an die geltenden Hygienevorschriften hielten und somit billiger produzieren könnten: "Betrügen lohnt sich. Die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, ist gering." Und die Zahl der Verstöße werde nicht geringer.
    Der Rechtsanwalt Prof. Dr. Alexander Schink befasste sich in seiner Stellungnahme mit juristischen Bedenken zum Gesetzentwurf wegen der tangierten Grundrechte auf freie Berufsausübung und informationelle Selbstbestimmung. Er bezeichnete den Gesetzentwurf als verfassungskonform.
    Städtetag und Landkreistag sahen im Gesetzentwurf das Konnexitätsprinzip verletzt: Die Kontrollen seien mit erheblichem Mehraufwand verbunden. Kontrollen, Nachkontrollen, Beschwerden, Anhörungen - dafür fehle das Personal. Pro Jahr seien zwischen 5,7 und 8 Millionen Euro notwendig, geht aus den Stellungnahmen der Verbände hervor. Wenn das Land den Kommunen die Aufgaben übertrage, müsse es auch für die Kosten aufkommen. Die Kostenabschätzung der Landesregierung sei "völlig unzureichend".
    Aus der Erfahrung in Dänemark, wo es ein fünfstufiges Smiley-System zur Lebensmittelhygiene in Betrieben und Gaststätten gibt, berichtete Poul Ottosen, ehemals Staatssekretär im dänischen Lebensmittelministerium. Auch dort habe es bei Einführung des Kontrollsystems im Jahr 2001 erhebliche Sorgen gegeben. Heute, nach 15 Jahren Praxis, seien 8 von 10 Betrieben dem Smiley gegenüber positiv eingestellt. sow

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.

    Systematik: 6800 Ernährung; 5200 Gesundheit; 2010 Gewerbliche Wirtschaft/Industrie

    ID: LI160908

  • Blask, Inge (SPD); Schulze Föcking, Christina (CDU); Dr. Beisheim, Birgit (Grüne); Höne, Henning (FDP); Brand, Simone (PIRATEN)
    Standpunkte: Meinungen zum Titelthema "Hygiene-Ampel".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 9 - 15.11.2016

    Eine Hygiene-Ampel für Lebensmittelbetriebe ...

    Inge Blask (SPD) ... hat das Ziel, die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen den Verbrauchern öffentlich und transparent zu machen. Wer ins Restaurant geht, will gut essen und die Gewissheit haben, dass es sauber zugeht. Dies leistet die Hygiene- Ampel. Zugleich wollen wir die Betriebe anspornen, das Niveau der Lebensmittelhygiene zu steigern. So sorgen wir für einen Wettbewerb um die beste Qualität.
    Christina Schulze-Föcking (CDU) ... ist in der angedachten Version ein Instrument, das Pseudotransparenz schaff und die Bedürfnisse der Verbraucher kaum berücksichtigt. Die Kernfrage und Relevanz für den Verbraucher, ob der Betrieb hygienisch sauber arbeitet und qualitativ gute Produkte anbietet, wird nicht klar beantwortet. Gerade die kleine Bäckerei oder die Metzgerei im Ort wird dadurch erheblich belastet und die großen Discounter mit den SB-Produkten werden bevorzugt. Ergebnis wird sein, dass die großen Anbieter den traditionellen Bäcker von nebenan verdrängen.
    Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE) ... ist ein richtiges und wichtiges Instrument zur Schaffung von Transparenz, Sicherheit und Vertrauen sowie zur Förderung des Wettbewerbs. Durch die landesweite Veröffentlichung der Kontrollergebnisse werden die Beanstandungsquoten bei Betrieben deutlich gesenkt. Außerdem erhöht sie den Druck auf die Betriebe, die die Standards nicht einhalten und die ganze Branche in Verruf bringen können.
    Henning Höne (FDP) ... ist reine Symptombekämpfung, denn sie überprüft vor allem die Dokumentation des Hygienemanagements. Viel wichtiger sind aber die tatsächlichen Zustände und damit auch die Ausbildung sowie das Hygienebewusstsein der mit Lebensmitteln in Kontakt kommenden Personen. Als FDP-Landtagsfraktion setzen wir uns daher für die Einführung eines Hygiene-Führerscheins ein.
    Simone Brand (PIRATEN) ... ist lange überfällig. Wenn ein Verbraucher bisher Informationen über einen Betrieb haben will, muss er bis zu drei Monate auf eine Auskunft warten. Das ist nicht praktikabel und muss geändert werden. Die übersichtliche Aufteilung in die Ampelfarben und die Informationen, was zu der Einstufung geführt hat, werden gut arbeitende Betriebe belohnen und dem Verbraucher die notwendige Sicherheit bieten.

    Die Ausgestaltung des Instruments ...

    Inge Blask (SPD) ... ist so angelegt, dass das "Hygienebarometer" zukünftig in allen Gaststätten und an allen Verkaufsstellen für Lebensmittel über die Ergebnisse der jüngsten Kontrollen durch die amtliche Lebensmittelüberwachung informieren soll. Dies verschaff den Verbrauchern einen schnellen Überblick über die hygienische Situation des Betriebes.
    Christina Schulze-Föcking (CDU) ... sorgt in unseren Kommunen für finanzielle Zusatzbelastungen und mehr Bürokratie. Die Lebensmittelkontrolleure haben erhebliche Bedenken gegenüber dem Gesetzentwurf und die Betroffenen sehen weitere Belastungen, die an der Existenz ihrer Betriebe rührt. Wenn für einen Schädlingsbefall, etwa durch Mäuse, maximal 3 Mängelpunkte vergeben werden und eine mangelhafte Dokumentation bei einem schädlingsfreien Betrieb zu 2 Mängelpunkten führt, steht das in keinem Verhältnis und hilft keinem Kunden weiter.
    Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE) ... hat sich in den Pilotprojekten in Duisburg und Bielefeld bewährt. Viele Betriebe haben ihre Bewertung in nur kurzer Zeit verbessert und die Kontrollen als Ansporn gesehen, die Mitarbeiter*innen stärker zu schulen und die Vorgaben noch besser zu erfüllen. Auch zahlreiche Verbraucher*innen haben die bereitgestellten Informationen genutzt, um sich über die Betriebe zu informieren.
    Henning Höne (FDP) ... ist verfehlt. Dutzende Einzelmerkmale mit unterschiedlicher Gewichtung letztlich in drei Farben plakativ darzustellen, führt Verbraucher in die Irre und lenkt von den eigentlich wichtigen Fragen ab. Eine verlässliche Orientierung bei der Konsumentscheidung bietet sie hingegen nicht. Zudem wurden ausreichend Schlupflöcher zur Umgehung geschaffen.
    Simone Brand (PIRATEN) ... muss sowohl den Bedürfnissen der Verbraucher nachkommen, als auch die Datenschutz- Interessen der Betriebe schützen. Dänemark hat bereits sehr gute Erfahrungen gemacht. Nach ersten Bedenken befürwortet inzwischen die Mehrheit der Betriebe die Hygieneampel. Der vorliegende Gesetzentwurf wird diesen Anforderungen gerecht und bildet einen wichtigen Schritt zum mündigen und informierten Verbraucher.

    In der Abwägung von Verbraucher- und Betriebsinteressen ...

    Inge Blask (SPD) ... haben Verbraucher ein berechtigtes Interesse zu wissen, wie die hygienische Situation in ihrer Bäckerei, in der sie einkaufen, ist. Diese Information steht ihnen gemäß des Verbraucherinformationsgesetzes auch rechtlich zu. Mit dem Transparenzgesetz haben wir hierfür eine pragmatische Lösung gefunden. Die Betriebe bekommen gleichzeitig das Recht, ein negatives Kontrollergebnis durch eine "zusätzliche Kontrolle" korrigieren zu können.
    Christina Schulze-Föcking (CDU) ... haben wir bereits eine sehr gut aufgestellte Lebensmittelüberwachung, welche die Bedürfnisse der Verbraucher, aber auch die Belange der kontrollierten Betriebe berücksichtigt. Ein Betrieb, der erheblich gegen die Ansprüche der Lebensmittelhygiene verstößt und Verbraucher gefährdet, muss geschlossen werden und nicht nur eine "rote Ampel" bekommen. Mir liegt ein Verbraucherschutz am Herzen, der auch wirksam und transparent ist.
    Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE) ... ist das Gesetz für beide Seiten ein Gewinn. Die Verbraucher*innen erhalten notwendige Kenntnisse, um eine gezielte Entscheidung treffen zu können. Aber auch die gut arbeitenden Lebensmittelbetriebe, die die gesetzlichen Vorgaben mit großem Engagement erfüllen, können diese Bemühungen nun öffentlich zeigen und verschaffen sich somit einen berechtigten Wettbewerbsvorteil gegenüber denjenigen, die es nicht tun.
    Henning Höne (FDP) ... ist festzustellen, dass man beiden nicht gerecht wird. Unternehmen werden an den Pranger gestellt und Verbrauchern wird Transparenz lediglich vorgegaukelt, statt schwarze Schafe wirksam aus dem Verkehr zu ziehen. Eine Hygiene-Ampel, die nur rot, gelb, grün kennt, erfüllt diesen Zweck nicht.
    Simone Brand (PIRATEN) ... gilt es, dem schwächeren Partner ausreichend Schutz zu gewähren, ohne die Betriebe über die Maßen zu belasten. Nur ein gut informierter Verbraucher kann richtige Entscheidungen treffen. Eine Hygieneampel bietet diese Möglichkeit. Dabei gibt es kaum zusätzliche Lasten für die Betriebe, da nur die Dinge öffentlich gemacht werden, die zum jetzigen Zeitpunkt bereits gesetzliche Verpflichtung sind.

    Die Einführung nur in NRW ist aus meiner Sicht ...

    Inge Blask (SPD) ... ein weiterer wichtiger Schritt der rot-grünen Landesregierung, die Lebensmittelkontrolle zu stärken und damit auch die Ernährungswirtschaft in NRW zu verbessern. Nicht nur die Verbraucher in NRW haben das Interesse an mehr Transparenz. Diesem Wunsch könnte CSU-Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt durch ein entsprechendes Bundesgesetz leicht nachkommen.
    Christina Schulze-Föcking (CDU) ... in der vorgelegten Entwurfsfassung ein Experiment auf Kosten der kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe im Lebensmittelbereich. Schon jetzt arbeiten unsere Bäckereien hygienisch auf höchstem Niveau. Wir sollten lieber eine Auszeichnung von Betrieben mit einem überdurchschnittlichen Hygienestandard vorantreiben statt der vorgesehenen Negativbewertung.
    Dr. Birgit Beisheim (GRÜNE) ... schade, da der Bund immer noch kein Gesetz geschaffen hat. Es ist einmal mehr ein Beleg dafür, dass der Verbraucherschutz in NRW innovativ vorangeht. Dank des vorgelegten Gesetzentwurfs sind wir das erste Bundesland, das ein Transparenzsystem für die amtlichen Lebensmittelkontrollen einführt. In vielen anderen europäischen Ländern, wie z. B. Dänemark, werden diese Maßnahmen seit Jahren erfolgreich ausgeführt.
    Henning Höne (FDP) ... ein weiterer Beleg, wie wackelig die Gesetzgebungszuständigkeit des Landes ist. Diese Unsicherheit soll nun auf dem Rücken unserer Lebensmittelunternehmen und der Verbraucher ausgetragen werden.
    Simone Brand (PIRATEN) ... eine Möglichkeit, dass NRW eine Vorreiterrolle in Sachen Verbraucherschutz einnehmen kann. Die Sorgen der Betriebe wegen eines starken Konkurrenzdrucks aus Nachbarländern sind meiner Meinung nach unbegründet. Die breite Mehrheit aller Betriebe in NRW arbeitet vorbildlich und kann vielmehr eine gute Einstufung als Werbevorteil anderen gegenüber nutzen.

    ID: LI160909

  • Beruf und Betreuung.
    Familienausschuss hört Sachverständige zur Rolle von Betriebskitas.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 7 in Ausgabe 8 - 11.10.2016

    22. September 2016 - Papa arbeitet, Mama hütet daheim das Kind - neben diesem traditionellen Modell haben sich längst andere etabliert, um Beruf und Kinder miteinander zu vereinbaren. Welche Rolle spielen betriebliche Kindertagesstätten im System der Kinderbetreuung? Wie hoch ist der Bedarf, wie sind die Rahmenbedingungen? Zu diesen Fragen hat der Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend Sachverständige angehört.
    Der Anhörung lag ein Antrag (Drs. 16/11700) von CDU und FDP zugrunde, die sich für bessere Fördermöglichkeiten für Betriebskitas aussprechen. Betriebliche Betreiber von Kitas sollten mit anerkannten freien Trägern gleichgestellt werden, ebenso wie private Träger, die im Auftrag von Unternehmen Kitas betreiben. Zudem solle das Land mit "Best Practise"-Beispielen werben, so die Forderungen im Antrag.
    Niemand unter den Sachverständigen konnte im Ausschuss den tatsächlichen Bedarf an Betriebskitas beziffern, da keine entsprechende Erhebung vorliege. Claudia Dunschen vom Verband "Unternehmer NRW" berichtete aber, dass  Unternehmen aus dem ländlichen Raum des Öfteren einen solchen Bedarf meldeten.
    In der Tat liege Potenzial brach, heißt es in der Stellungnahme von David Brabender, dem Geschäftsführer des Unternehmens Kita Concept, das Betriebskindergärten in NRW und Hessen betreibt. Die Förderbeschränkungen für Betriebskitas seien nicht nachvollziehbar. Schließlich müssten sie dieselben qualitativen Anforderungen erfüllen wie jede andere Kita, um eine Betriebsgenehmigung zu erhalten. Außerdem könnten Betriebskitas mit zusätzlichen Plätzen einen Betreuungsbedarf abdecken, den zurzeit andere Träger abdecken würden, die die Landesförderung erhielten. Mehr Plätze kämen der Öffentlichkeit zugute.
    "Eine quantitativ ausreichende und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung ist eine gesamtgesellschaftliche staatliche Aufgabe", stellte der Verband "Unternehmer NRW" in seiner Stellungnahme fest. Wenn Unternehmen diese öffentliche Aufgabe wahrnähmen, müssten sie auch aus öffentlichen Mitteln in NRW gefördert werden, so die Forderung. Zudem sei mehr Flexibilität wünschenswert, sodass Kinder auch innerhalb des Kindergartenjahres starten oder Kontingente kurzfristig angepasst werden könnten, forderte Verbandsvertreterin Dunschen.
    Häufig schreckten Betriebe sowohl vor der Komplexität an Anforderungen als auch vor den Kosten zurück, erklärte Dolf Mehring, Leiter des Bochumer Jugendamtes. Eine Lösung finde sich meist in Kooperationen von Betrieben mit anerkannten freien Trägern, die im Auftrag des Unternehmens eine Kita betreiben könnten und dafür auch Landesförderung erhielten.
    Es gebe sehr viel mehr betriebliche Kitas als die 23 im Antrag genannten, erklärte Martin Künstler vom Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege. Die meisten seien Kooperationsmodelle zwischen einem Betrieb und einem anerkannten Träger.

    Förderkriterien

    Grundsätzlich seien betriebliche Kindertageseinrichtungen nicht von der Landesförderung ausgeschlossen, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe - es komme lediglich auf die Rechtsform an. Wenn der Betrieb z. B. eine gemeinnützige GmbH gründe, stehe einer Förderung nichts im Wege.
    Der Landesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe sieht in der bestehenden Unterscheidung nach der Rechtsform des Trägers eine "willkürliche Ungleichbehandlung". Diese sei unvereinbar mit dem Grundgesetz und Europarecht, argumentiert der Verband in seiner Stellungnahme.
    Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe wies darauf hin, dass sich Eltern in der Regel eine Kinderbetreuung im Wohnumfeld wünschten. Eltern wollten ihren Kindern Sozialkontakte ermöglichen, die auch außerhalb der Betreuung gepflegt werden könnten.
    Kritisch zu beleuchten sei der Anspruch, die Kinderbetreuung den Arbeitserfordernissen anzupassen: "Wir dürfen den sehr jungen Kindern nicht zumuten, was für Beschäftigte undenkbar wäre." Ähnlich argumentierte Dr. Matthias Menzel von den Kommunalen Spitzenverbänden. Die Rolle der Betriebskitas dürfe zudem nicht überbewertet werden. Interessant seien diese vor allem für Beschäftigte mit wechselnden Arbeitszeiten oder Schichtdienst. Hier aber dürften die Kinder nicht das Nachsehen haben. Stattdessen gelte es, auch auf der Seite der Arbeitgeber Arbeitszeiten anzupassen.
    Helga Siemens-Weibring von der Evangelischen Kirche im Rheinland kritisierte die Zielrichtung von Betriebskitas, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darin unterstützen sollten, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. "Wir verstehen Kitas zuallererst als Bildungseinrichtung für Kinder, nicht als Betreuungsangebot", sagte sie in der Anhörung.
    sow

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 8 und 9.

    Systematik: 4260 Vorschulische Erziehung; 2400 Arbeit

    ID: LI160809

  • Jörg, Wolfgang (SPD); Tenhumberg, Bernhard (CDU); Asch, Andrea (Grüne); Hafke, Marcel (FDP); Wegner, Olaf (PIRATEN)
    Standpunkte: Meinungen zum Schwerpunkt "Betriebskitas".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 8 - 11.10.2016

    Im System der Kinderbetreuung sind Betriebskitas ...

    Wolfgang Jörg (SPD) ... eine Ergänzung zu Angeboten in der Kommune, da die Eltern so die Betreuung besonders junger Kinder am Arbeitsort und mit ihren Arbeitszeiten vereinbarer gestalten können. Einige Unternehmen übernehmen so Verantwortung; es dürften aber gerne mehr werden. Darüber hinaus versprechen wir uns von einer Familienarbeitszeit mehr Zeit für Eltern und Kinder.
    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... eine wichtige Säule. Sie tragen zum Ausbau von Betreuungsplätzen bei. Sie sind für Eltern eine Möglichkeit zur Vereinbarung von Familie und Beruf. Vor allem in Regionen, wo Betreuungsplätze fehlen, stellen sie für Unternehmen einen attraktiven Standortvorteil dar, wenn es um die Gewinnung von Fachkräften geht.
    Andrea Asch (GRÜNE) ... die Unternehmen gemeinsam mit einem frei-gemeinnützigen Träger einrichten, ein Baustein, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Auch die Unternehmen profitieren massiv von einer qualitativ hochwertigen und gut ausgebauten Kinderbetreuung - gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.
    Marcel Hafke (FDP) ... ein wichtiger Baustein für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade Eltern mit Kindern unter drei Jahren wünschen sich eine arbeitsplatznahe Unterbringung, um auch räumlich schnell beim Kind sein zu können. Mit einer staatlichen Förderung würde ermöglicht, dass mehr Betriebe und Unternehmen den Wünschen der Eltern nach optimaler Bildung und Betreuung nachkommen können.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... möglicherweise hier und da eine Alternative. Ihr zahlenmäßiger Anteil ist jedoch gering. In einem System der frühkindlichen Bildung sind sie genauso fehl am Platz wie Betriebsschulen im restlichen Bildungssystem. Gefordert werden Betriebskitas vor allem dort, wo Eltern keine wohnortnahe reguläre Betreuungsmöglichkeit für ihr Kind finden.

    Die gegenwärtigen Förderrichtlinien im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) ...

    Wolfgang Jörg (SPD) ... lassen bereits die Einrichtung einer Betriebskita mit einem anerkannten Träger der Jugendhilfe zu. In der jüngsten Anhörung wurde deutlich, dass die Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zwischen investitionswilligen Unternehmern und freien Trägern an diesem Punkt völlig ausreichen.
    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... ermöglichen Unternehmen zwar mit dem Paragraf 6 Absatz 2 die Trägerschaft von Kindertageseinrichtungen, aber ein Landeszuschuss gemäß Paragraf 21 Absatz 1 ist für sie nicht möglich. Hier muss es zu einer Änderung kommen. Die Qualität der Betreuung sollte im Vordergrund stehen, nicht die Trägerschaft.
    Andrea Asch (GRÜNE) ... ermöglichen, dass freie Träger und Unternehmen kooperieren. Privatgewerbliche Träger, die mit einer Kita Gewinne erzielen wollen, sind durch Bundesgesetz von einer öffentlichen Förderung ausgeschlossen. Mit Steuergeldern sollen keine gewerblichen Einrichtungen gefördert werden, die sich im Zweifel in einem Zielkonflikt zwischen Gewinnerwartung und Betreuungsqualität und Kindeswohl befinden.
    Marcel Hafke (FDP) ... benachteiligen Unternehmen, die eigenverantwortlich eine Betriebskita eröffnen wollen. Selbstverständlich gelten auch für diese Kitas alle gesetzlichen Standards und Qualitätsanforderungen und in fast allen anderen Bundesländern ist deshalb auch eine direkte Förderung möglich - in NRW werden jedoch nur Kooperationen mit anerkannten Trägern gefördert.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... orientieren sich viel sich zu wenig an den besten Interessen des Kindes, oft unglücklich als Kindeswohl bezeichnet. Außerdem machen sie die Förderung viel zu wenig davon abhängig. Sie erlauben aber schon heute eine Förderung betrieblicher Kitas, wenn die Betriebe mit gemeinnützigen Trägern kooperieren und nicht auf privat-gewerblicher Trägerschaft bestehen.

    Die Möglichkeit für Unternehmen, mit anerkannten Trägern zu kooperieren, ...

    Wolfgang Jörg (SPD) ... ist für Unternehmen und Träger ein großer Gewinn. Unternehmen können auf das jahrelang gewachsene Know-how der anerkannten Träger bauen und diese ihre Expertise erweitern. Die Träger haben klare und bekannte pädagogische Leitlinien, die den Eltern und Unternehmen Sicherheit geben.
    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... ist notwendig und richtig. Unternehmen müssen aber die Möglichkeit zur freien Entscheidung haben: Möchte ich mit einem anerkannten Träger kooperieren oder möchte ich selbst als Träger fungieren? Diese Entscheidung darf nicht zu gravierenden Nachteilen in der finanziellen Förderung führen.
    Andrea Asch (GRÜNE) ... wird vielerorts bereits erfolgreich praktiziert. So arbeitet in Düsseldorf beispielsweise Vodafone mit der AWO zusammen oder die Metro mit dem Roten Kreuz. Freie Träger verfügen über Erfahrung und Expertise und bieten weitere familienunterstützende Angebote an.
    Marcel Hafke (FDP) ... ist eine Selbstverständlichkeit und in vielen Fällen naheliegend. Bei einem Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft ist die Eröffnung einer kirchlich getragenen Betriebskita ein logischer Schritt. Unternehmen sollten jedoch auch die Möglichkeit haben, eigene Wege gehen zu können und trotzdem gefördert zu werden. Diese Möglichkeit haben Elterninitiativen beispielsweise bereits auch.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... scheint angebrachter, als sich der Herausforderung als Betrieb allein zu stellen. Im besten Interesse des Kindes müssen Kitas einem komplexen Bildungsauftrag gerecht werden, auf individuelle Förderbedarfe eingehen und sich in das System der Jugendhilfe einfügen. Die Komplexität dieser Aufgabe sollte nicht unterschätzt werden und die etablierten Träger bringen hier Erfahrung und Ressourcen mit.

    Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ...

    Wolfgang Jörg (SPD) ... muss eine tatsächliche Vereinbarkeit von beidem sein. Dabei sollte der Beruf stärker auf die Bedürfnisse von Familien ausgerichtet sein und nicht umgekehrt. Junge Eltern sollten beispielsweise von Nachtschichten ausgenommen sein. Alleinerziehende müssen bei den Planungen der Schichtdienste ebenfalls anders berücksichtigt werden. Der öffentliche Dienst muss hier mit gutem Beispiel vorangehen.
    Bernhard Tenhumberg (CDU) ... ist ein wichtiges Thema unserer Zeit. Betriebskitas bieten die Möglichkeit, die Arbeitswelt familiengerechter zu machen. Das Engagement der Unternehmen für Familien muss unterstützt werden.
    Andrea Asch (GRÜNE) ... ist ein wichtiges Ziel grüner Politik. Seit 2010 haben wir für die Familien in NRW unter anderem die Zahl der Kitaplätze für Unterdreijährige verdoppelt. Unternehmen können mit flexiblen Arbeitszeitmodellen ermöglichen und sicherstellen, dass junge Eltern in Teilzeit gehen oder Erziehungszeit nehmen können, ohne dass dies zum Karrierekiller wird. Dies ist gerade für junge Frauen wichtig, um nicht ins berufliche Abseits zu geraten.
    Marcel Hafke (FDP) ... ist eines der zentralen Instrumente, um Familienarmut und damit Kinderarmut zu verhindern. Besonders allein- oder getrennterziehende Eltern sind auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angewiesen. Betriebskitas werden dabei aufgrund ihrer Flexibilität für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hoch geschätzt und sollten deshalb gefördert werden.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... darf nicht als gegeben angesehen werden, sobald Eltern ihre Kinder in Betreuung geben können, wann immer ihre Arbeitszeiten es erfordern. Vielmehr muss eingesehen werden, dass Kinder ein Recht auf einen gesunden Tagesablauf und Zeit mit ihren Eltern haben. Betriebe müssen familientaugliche Arbeitszeiten ermöglichen, statt einfach Kinderbetreuung zu allen Tages- und Nachtzeiten anzubieten.

    ID: LI160810

  • Datenspeicherung ab 14 Jahren?
    Sachverständige äußern sich zu einer Änderung des Verfassungsschutzgesetzes.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 7 - 21.09.2016

    30. August 2016 - Es waren mutmaßlich jugendliche Islamisten, die im April den Bombenanschlag auf einen Sikh-Tempel in Essen verübt haben. Landesregierung und CDU-Fraktion streben nun eine Änderung des NRW-Verfassungsschutzgesetzes an.
    Künftig soll es erlaubt sein, Erkenntnisse über jugendliche Extremisten bereits ab 14 Jahren zu speichern. Bislang ist eine Speicherung erst dann zulässig, wenn die Betroffenen das 16. Lebensjahr vollendet haben. In einer Anhörung des Innenausschusses äußerten sich Sachverständige dazu.
    Die CDU-Fraktion nennt in ihrem Gesetzentwurf (Drs. 16/11892) den Anschlag auf den Sikh-Tempel in Essen vom 16. April 2016 als Beispiel. Insbesondere bei militanten Islamisten sei eine "fortschreitende Verjüngung des potenziellen Täterkreises" festzustellen. Um eine »zuverlässige Einschätzung des Bedrohungspotenzials" zu ermöglichen, müssten Erkenntnisse über jugendliche Extremisten bereits vor Vollendung des 16. Lebensjahres gespeichert werden dürfen.
    Bei Minderjährigen sei zunehmend schon vor Vollendung des 16. Lebensjahres eine Hinwendung zu extremistischen Bestrebungen zu beobachten, heißt es im Gesetzentwurf der Landesregierung (Drs. 16/12120). Dies führe zu "Radikalisierungen und im weiteren Verlauf unter Umständen auch zu Gewaltanwendungen", wie sie sich bereits in islamistisch motivierten Anschlägen geäußert hätten.
    Die derzeitige Altersgrenze bei der Speicherung personenbezogener Daten Minderjähriger habe sich als zu hoch erwiesen, so NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier in seiner Stellungnahme für den Ausschuss. Man habe Erkenntnisse, dass sich unter den rund 2.700 Salafisten in NRW (Stand: August 2016) zahlreiche Minderjährige befänden. Salafisten hätten Jugendliche immer stärker als Zielgruppe im Blick, sagte Freier in der Anhörung. Er sprach von zunehmender Internetpropaganda, die die Kinderzimmer erreiche. Der Antrag der CDU-Fraktion gehe in die richtige Richtung, sei jedoch "nicht vollständig". Es seien weitere Änderungen erforderlich. Dies gelte beispielsweise für den Informationsfluss zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Den Entwurf der Landesregierung bezeichnete er als "ausgewogen".

    Schutz der Jugend"

    Grundsätzlich seien beide Entwürfe "geeignet, den neu erkannten Problemen zu begegnen", befand Prof. Dr. Christoph Gusy (Universität Bielefeld). Wie Freier hielt auch er den Entwurf der Landesregierung für "vorzugswürdig", weil dieser weitere erforderliche Änderungen im Gesetz berücksichtige. Gleichwohl sah er in beiden Entwürfen Schwächen: "Die Ersetzung der alten Altersgrenze durch eine neue lässt die Frage aufkommen, warum gerade diese und keine andere Altersgrenze sinnvoller wäre." Andererseits habe sie aber den "Vorzug der rechtlichen Klarheit".
    Es sei "nicht nur ein legitimes Interesse, dass der Verfassungsschutz auch eine Radikalisierung Minderjähriger in den Blick nimmt", so Prof. Dr. Lothar Michael (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf). Das Verfassungsrecht streite sogar "für einen Schutz der Jugend vor einer Radikalisierung" - und dazu könnten die Verfassungsschutzbehörden beitragen. Beide Initiativen seien von ihrer Zielsetzung her zu begrüßen. Der Regierungsentwurf gehe etwas weiter als der Entwurf der CDU-Fraktion. Michael empfahl, auf eine Altersgrenze ganz zu verzichten.
    Prof. Dr. Christian von Coelln (Universität zu Köln) hielt eine Absenkung der Altersgrenze ebenfalls für rechtlich unproblematisch. Schließlich könne man "real existierende Gefahren nicht ignorieren". Auch ein Verzicht auf Altersgrenzen sei seiner Ansicht nach zulässig.
    Helga Block, die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW, bewertete die geplante Erweiterung der Datenverarbeitung in ihrer schriftlichen Stellungnahme "grundsätzlich kritisch". Der Schutz der Minderjährigen werde "deutlich eingeschränkt".
    Die Herabsetzung der Altersgrenze von 16 auf 14 Jahre sei "keine unbeachtliche Kleinigkeit", befand der Jurist und frühere NRW-Innenminister Dr. Burkhard Hirsch. Er hatte dem Ausschuss ebenfalls eine schriftliche Stellungnahme zukommen lassen. Es falle auf, dass die "Radikalisierung islamistischer Jugendlicher in pauschalen Erklärungen ständig wiederholt und betont wird, ohne dafür, von minimalen Einzelfällen abgesehen, glaubhafte Tatsachen darzustellen, die zu dieser Aussage berechtigen und eine generelle Entwicklung belegen, die gesetzgeberische Handlungen erfordern würde". Eine "Ausdehnung der Datenerhebungen und Speicherung auf Kinder vor Vollendung des 16. Lebensjahres" sei nicht erforderlich und nicht sinnvoll.
    zab

    Zusatzinformation:
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 8 und 9.

    Systematik: 1060 Ideologien; 1010 Staatsaufbau; 5030 Kinder/Jugendliche

    ID: LI160705

  • Stotko, Thomas (SPD); Kruse, Theo (CDU); Schäffer, Verena (Grüne); Lürbke, Marc (FDP); Herrmann, Frank (PIRATEN)
    Standpunkte: Meinungen zum Schwerpunkt "Verfassungsschutzgesetz ".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 7 - 21.09.2016

    Die Gefahr, die von minderjährigen Extremisten ausgeht, ...

    Thomas Stotko (SPD) ... ist gestiegen und darf nicht unterschätzt werden.
    Theo Kruse (CDU) ... ist vor allem im Bereich des Islamismus zuletzt massiv gestiegen. In Nordrhein-Westfalen hat sich die Zahl der minderjährigen Salafisten allein in den vergangenen beiden Jahren verdoppelt. Welches Gefährdungspotenzial damit einhergeht, hat der erst kürzlich von einer Gruppe minderjähriger Salafisten verübte Terroranschlag auf einen Sikh-Tempel in Essen auf dramatische Weise vor Augen geführt.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... ist in den vergangenen Jahren aufgrund einer steigenden Radikalisierung und Gewaltbereitschaft bei Minderjährigen, insbesondere im gewaltbereiten Salafismus und im Rechtsextremismus, gestiegen. Es handelt sich hierbei jedoch um eine absolute Minderheit. Die allergrößte Zahl der Jugendlichen steht für eine demokratische und vielfältige Gesellschaft.
    Marc Lürbke (FDP) ... wächst leider zunehmend, da radikale Islamisten mittlerweile ganz bewusst besonders jüngere Zielgruppen ansprechen, um diese für ihre kruden Ideologien zu instrumentalisieren. Neben wirksamer Präventionsarbeit müssen daher auch Möglichkeiten zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz mit Maß und Mitte sowie im Einklang mit der Verfassung an diese besorgniserregende Entwicklung angepasst werden.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... darf grundsätzlich nicht unterschätzt werden. Sie darf aber auch nicht dazu genutzt werden, um dem Staat einen Freibrief zur Verletzung der Grundrechte einer besonders schutzbedürftigen Gruppe unserer Gesellschaft auszustellen. Hier werden ohne Not Gesetzesänderungen vorgenommen, denen immanent ist, das Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung zu erhöhen.

    Altersgrenzen zur Datenspeicherung ...

    Thomas Stotko (SPD) ... müssen abgewogen werden zwischen dem Schutz von Minderjährigen und dem berechtigten Interesse der Minimierung eines sicherheitspolitischen Risikos.
    Theo Kruse (CDU) ... sind verfassungsrechtlich gerade nicht geboten. Im Gegenteil: Das Verfassungsrecht streitet sogar für einen Schutz der Jugend vor einer Radikalisierung. Die CDU-Fraktion hat deshalb bereits am 3. Mai 2016 - also gut einen Monat vor der rot-grünen Landesregierung - einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Absenkung der derzeit bestehenden Altersgrenze von 16 auf 14 Jahre vorsieht.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... sind notwendig, weil Minderjährige besonders schutzbedürftig sind. Deshalb wollen wir als Fraktionen von SPD und Grünen eine Altersgrenze von 14 Jahren einziehen und die Datenspeicherung auf ihre Wirksamkeit hin evaluieren lassen. Darüber hinaus muss der Verfassungsschutz die Möglichkeit nutzen, Jugend- und Sozialämter zu informieren, damit den Jugendlichen Hilfen angeboten werden können.
    Marc Lürbke (FDP) ... müssen gründlich hinterfragt und sinnvoll festgesetzt werden. Es darf nicht passieren, dass die Festsetzung einer solchen Altersgrenze das Problem möglicherweise in noch jüngere Altersgruppen verlagert.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... sind klare und nachprüfbare Regeln für die Arbeit des Verfassungsschutzes. Eine Senkung auf 14 Jahren ist aber der falsche Weg, mit diesen Jugendlichen umzugehen. Anstatt diese Jugendlichen durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen, müssen andere Stellen handeln und sie aus dem schädlichen Umfeld herausholen.

    Datenschutzrechtlich ...

    Thomas Stotko (SPD) ... bestehen keine Bedenken, wenn die Erfassung, Nutzung und Löschung der Daten eindeutig und mit der geringsten Eingriffsintensität geregelt sind.
    Theo Kruse (CDU) ... ist die Speicherung personenbezogener Daten von Minderjährigen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unbedenklich. Bei allem Verständnis für datenschutzrechtliche Belange muss der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit immer Vorrang vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung genießen.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... ist die Erweiterung der Möglichkeit zur Speicherung personenbezogener Daten auf weitere Personengruppen natürlich problematisch. Der Gesetzentwurf der rot-grünen Landesregierung ist hinsichtlich des Datenschutzes verhältnismäßig, da er enge Voraussetzungen für die Speicherung von Daten Minderjähriger und strenge Löschfristen vorsieht.
    Marc Lürbke (FDP) ... ist sicherzustellen, dass der Staat sich auf die Kontrolle der Gefährder beschränkt, statt pauschal alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht zu stellen. Die besonders sensiblen Daten über Jugendliche müssen unbedingt strengsten Zugriffsregeln unterliegen. Die Freien Demokraten möchten, dass die Freiheit des Einzelnen geschützt, der Staat aber nicht seiner Wehrhaftigkeit beraubt wird.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... und auch jugend- und kinderschutzrechtlich ist dieses Gesetz höchst bedenklich und problematisch. Es können personenbezogene Daten von unbeteiligten Dritten gespeichert werden und Daten der Kinder und Jugendlichen können zwischen verschiedenen Behörden ausgetauscht werden. Die Löschung nach 2 bis 5 Jahren wird damit unkontrollierbar. Zudem ist die Weitergabe ins Ausland ungeregelt.

    Um Kinder und Jugendliche vor extremistischen Einflüssen zu schützen, ...

    Thomas Stotko (SPD) ... hilft die Speicherung von Daten Minderjähriger wenig. Eine präventive vorsorgende Kinder- und Jugendpolitik, ein engmaschiges Netz von Angeboten für Kinder und Familien und ein offener Diskurs mit gesellschaftlich relevanten Gruppen und der Zivilgesellschaft über die latente Gefahr extremistischer Einflüsse sind das Gebot der Stunde.
    Theo Kruse (CDU) ... bedarf es einer ganzheitlichen Strategie, die neben repressiven Maßnahmen auch eine flächendeckende Präventionsarbeit in Schulen und Moscheegemeinden umfasst. Daran hapert es in Nordrhein-Westfalen gewaltig. Die Folge: Seit dem Amtsantritt von Innenminister Jäger hat sich die Anzahl der Salafisten in NRW von 500 auf über 2.700 mehr als verfünffacht.
    Verena Schäffer (GRÜNE) ... braucht es Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder und Jugendlichen sowie Schutz vor Diskriminierung und Ausgrenzung. Unser Schwerpunkt bleibt die Prävention besonders durch Jugendarbeit. Dabei müssen immer auch die Belange von Mädchen in den Blick genommen werden, da der Anteil der Frauen und Mädchen im gewaltbereiten Salafismus weiter steigt.
    Marc Lürbke (FDP) ... müssen frühzeitig Präventionsmaßnahmen greifen - und zwar bevor Jugendliche radikalisiert werden. Vor allem muss beantwortet werden, weshalb eine Radikalisierung von bei uns geborenen und aufgewachsenen Jugendlichen innerhalb unserer Gesellschaft erfolgen kann. Außerdem muss konsequenter mit allen Mitteln des Rechtsstaates gegen die teilweise sogar bekannten Hintermänner und geistigen Brandstifter der Radikalisierungsprozesse vorgegangen werden.
    Frank Herrmann (PIRATEN) ... muss unsere Gesellschaft ihnen positive Leitbilder, Vorbilder und Perspektiven vermitteln. Außerdem muss immer wieder an die Notwendigkeit der Vermittlung von Medienkompetenz erinnert werden. Akzeptanz und echter Respekt zu Menschen mit Migrationshintergrund fördern die Gemeinschaft und lassen keinen Raum für extremistische Gedanken.

    ID: LI160709

  • 70 Jahre stabile Ehe: der Landesgeburtstag.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 7 - 21.09.2016

    Wo rote Teppiche sind, sind Kameras nicht weit. Und so sorgte am 23. August, dem Tag, als Nordrhein-Westfalen 70 Jahre alt wurde, nicht nur die strahlende Sonne für helles Licht, als Landtagspräsidentin Carina Gödecke und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vor der Tonhalle in Düsseldorf eintrafen. Sie hatten gemeinsam eingeladen, um den 70. Geburtstag des Landes Nordrhein-Westfalen mit einem feierlichen Festakt zu begehen. Im Blitzlichtgewitter stand Seine Königliche Hoheit, der Herzog von Cambridge, besser bekannt als Prinz William, als Vertreter des britischen Königshauses. Doch es gab noch mehr Fotomotive. Gödecke und Kraft begrüßten auf dem roten Teppich Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert und Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel.
    Was gab es zu feiern? Vor 70 Jahren, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, traf die britische Militärregierung die Entscheidung, zwei frühere preußische Provinzen, "die historisch gesehen nicht automatisch zusammengehören", wie Merkel später schmunzelnd anmerkte, zu einem Bundesland zu vereinen. Die "Operation Marriage" sei geglückt, das könne man nach 70 Jahren Ehe durchaus sagen, meinte Prinz William in seiner Rede, die er auf Deutsch mit "Alles Gute! Dankeschön!" beendete.
    Aber in der Tonhalle wurde keineswegs nur geredet. Zwei Chöre und das WDR-Sinfonieorchester füllten den Raum mit klassischer Musik. Während die Rheinische Sinfonie für Gänsehautmomente unter mehr als 1.300 geladenen Gästen sorgte, betrachteten diese zeitgleich NRW aus einer besonderen Perspektive: von oben. Luftaufnahmen brachten die unterschiedlichsten Winkel und Ansichten, Landschaften und Stadtbilder Nordrhein-Westfalens auf eine zentrale Leinwand im Saal.
    Die Gästeschar war so vielfältig wie das Bundesland: Gekommen waren die Landtagsabgeordneten, Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft, Vereinen und Verbänden, Kirchen und Religionsgemeinschaften. Vertreten waren ebenso Gewerkschaften, Bundeswehr, Rettungsdienst, Ehrenamtler und 40  Bürgerinnen und Bürger, die genau wie NRW am 23. August 2016 einen runden Geburtstag feierten.
    Tagesthemen-Moderator Thomas Roth führte durch den Abend. Während des Festakts konnten die Gäste filmisch auf sieben Jahrzehnte des Bundeslandes zurückblicken. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich viele fragten, ob und wie es in dem in weiten Teilen zerstörten Land überhaupt weitergehen könne, habe der Wille zum Weiterleben getragen, sagte Roth. Kohle und Stahl machten NRW quasi über Nacht zum Wirtschaftsmotor Deutschlands. NRW stieg wie Phoenix aus der Asche.
    Die "Operation Marriage" basiere weniger auf stürmischer Liebe, sondern sei von den Briten vielmehr als Ehe aus Vernunft auf Dauer angelegt worden, sagte Landtagspräsidentin Carina Gödecke in ihrer Rede. "Heute ist die Freude riesengroß, dass das britische Königshaus auch dem 70. Geburtstag des Landes seinen besonderen Glanz verleiht." Ein Jubiläum sei ein guter Grund zum Feiern, aber auch Anlass, kritisch zurückzublicken. "Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit", mahnte die Landtagspräsidentin. Demokratie sei verletzlich. Deshalb rief sie die Menschen in NRW zur Toleranz auf: "Bleiben wir warmherzig und weltoffen. Bleiben wir bunt. Bleiben wir Nordrhein-Westfalen."
    Auch die Geburtstagskinder hatten Wünsche für das Bundesland. "Einmal Olympia hier, solange ich noch da bin", wünschte sich Siegfried August Schulte aus Finnentrop am Biggesee, der wie NRW an dem Tag seinen 70. Geburtstag feierte. Jessica Rohregger, frisch 20, wünschte NRW "eine blühende Zukunft und weiterhin ein so friedliches Miteinander für die Bürger aller Herkunft".
    Ein Filmausschnitt erinnerte an die 60er-Jahre in NRW. Es herrschte Vollbeschäftigung und bald Fachkräftemangel. Eine Nebenerscheinung: Plötzlich gab es durch die Gastarbeiter an jeder Ecke Eis und Pizza im einstigen "Kartoffelland". Der erste Smog- Alarm schockierte das Land und das Zechensterben begann.
    "Nie haben wir in Nordrhein-Westfalen eindrucksvoller bewiesen, was an Wandel möglich ist, wenn alle gemeinsam anpacken", sagte Ministerpräsidentin Kraft in ihrer Rede und erinnerte an die Worte eines Briten, der das Ruhrgebiet nach dem Krieg als den "größten Schutthaufen, den die Welt je gesehen hat" bezeichnet habe. "Den Wandel zu gestalten, ist in der DNA unseres Landes angelegt", war Kraft überzeugt. Sie dankte den Briten "von ganzem Herzen" für das Vertrauen und die Chance zum Neubeginn und fügte auf Englisch an: "It’s something we’ll never forget" - das werden wir niemals vergessen.

    "Wunder der Freundschaft"

    Prinz William sprach sogar vom "miracle of friendship", vom Wunder der Freundschaft. Diese Freundschaft und Partnerschaft werde auch in Zukunft weiter bestehen - trotz der Entscheidung Großbritanniens, aus der Europäischen Union auszutreten, versprach er. In den 80er-Jahren wuchs im Duisburger Landschaftspark wieder Grün und Medien, Dienstleistung und die Kulturbranche wurden neue Arbeitgeber, hieß es im Film. Das ChorWerkRuhr sang im Anschluss "An die Sterne" und Bundestagspräsident Lammert lauschte den von Robert Schumann vertonten Gedichten mit geschlossenen Augen.
    Die Filmsequenzen erreichten die Gegenwart und Merkel zitierte den ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau. Er hatte, nicht ganz ernst gemeint, von "der Zuverlässigkeit der Rheinländer, der Leichtigkeit der Westfalen und der Großzügigkeit der Lipper" gesprochen. Die Bundeskanzlerin bezeichnete Nordrhein- Westfalen als "starkes Stück Deutschland", auf dem in Zeiten des Wandels ein großes Augenmerk gelegen habe.
    "Freude schöner Götterfunken" - wer dachte, emphatischer als mit Beethovens 9. Symphonie könne dieser Jubiläumsabend nicht enden, hatte sich getäuscht: Bei der Nationalhymne sangen viele Gäste des NRW-Festakts kräftig mit.
    sow/sam

    Bildunterschriften:
    Landtagspräsidentin Carina Gödecke und Prinz William auf dem Weg zur Tonhalle.
    Die NRW-Parlamentspräsidentin begrüßte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in Düsseldorf
    Freuten sich über 70 Jahre Nordrhein-Westfalen: Landtagspräsidentin Carina Gödecke, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Seine Königliche Hoheit Prinz William Arthur Philip Louis, Herzog von Cambridge, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert und Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel.

    Systematik: Landesjubiläum

    ID: LI160710

  • Uhlenberg, Eckhardt (Landtagsvizepräsident)
    Eine Schachtel Pralinen für die Sekretärin.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 7 - 21.09.2016

    Eckhard Uhlenberg ist seit mehr als 30 Jahren Abgeordneter des Landtags. Der CDU-Politiker war Landtagspräsident, Minister und ist in dieser - seiner letzten - Wahlperiode Erster Vizepräsident. Im Interview berichtet er von Erfahrungen, Veränderungen und seinen Wünschen zum 70. Geburtstag von Land und Landtag.

    Herr Vizepräsident, Sie sind jetzt seit mehr als drei Jahrzehnten Abgeordneter des Landtags, verfügen über sehr viel Erfahrung und haben viel erlebt. Gibt es noch Momente, die Ihr Herz als Parlamentarier höher schlagen lassen oder ist das alles längst Routine?

    Nein, das ist in all den Jahren für mich keine Routine geworden. Natürlich gibt es ein Stück Sicherheit, wenn man so lange Abgeordneter ist. Aber ich glaube, wenn es anfängt, Routine zu werden, dann hat man ein Problem. Es ist immer noch eine spannende Angelegenheit, kein Tag ist wie der andere. Ich bin immer gerne Landtagsabgeordneter gewesen. In den 80er-Jahren gab es auch die Möglichkeit, für das Europäische Parlament und den Bundestag zu kandidieren. Das habe ich nicht gemacht. Ich sah meine Aufgabe in der Landespolitik. Es ist nie Routine geworden, weil ich auch sehr unterschiedliche Aufgaben in dieser Zeit wahrgenommen habe - als stellvertretender Fraktionsvorsitzender, als Minister, als Landtagspräsident, jetzt als Erster Vizepräsident.

    Als Sie 1980 erstmals in den Landtag eingezogen sind, hat das Parlament noch im Ständehaus getagt.

    Der Unterschied zum heutigen Landtag bestand darin, dass die Arbeit der Abgeordneten in einem wesentlich kleineren Gebäude verrichtet wurde. Wir hatten zunächst keine Büros. Es gab einen Raum neben dem Fraktionssaal, der auch als Abstellraum genutzt wurde, dort gab es fünf Telefonapparate, von denen aus wir unsere Kommunikation führen konnten. Wir hatten keine eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landtag, nur im Wahlkreisbüro. Wenn man eine Kleine Anfrage stellen wollte, musste man die Sekretärin der wissenschaftlichen Mitarbeiter freundlich um Unterstützung bitten, was dann im Anschluss mit einer Schachtel Pralinen gedankt wurde. Vieles musste improvisiert werden.

    Vermutlich gab es auch keine Kantine.

    Doch. Die Kantine, die abgerissen ist, befand sich auf dem Landtagsgebäude am Schwanenspiegel. In einem ersten Raum konnte man schnell eine Suppe essen, der zweite war etwas edler. Da lagen sogar Bastdeckchen auf den Tischen.

    Wie war Ihr Eindruck vom neuen Gebäude?

    Die Arbeitsbedingungen im neuen Landtag wurden wesentlich besser.

    "Es begann mit Faxgeräten"

    Was hatte sich verändert?

    Im alten Plenarsaal war es eng. Es gab keine große Distanz zwischen dem Rednerpult und den Fraktionen. Und nicht zu unterschätzen war die Kaffeeklappe. Ich kann mich noch daran erinnern, dass der damalige Ministerpräsident Johannes Rau dort an Plenartagen Karten gespielt hat. Das wäre heute unvorstellbar. Der politische Druck auf Regierungsmitglieder und Abgeordnete war einfach nicht so hoch.

    Hängt der Druck heute auch mit der veränderten Medienwelt zusammen?

    Ja, das glaube ich schon. Es begann mit den Faxgeräten. Vorher hat es zwei, drei Tage lang gedauert, bis man beispielsweise einen Brief bekam.

    Welche Herausforderungen kommen in Zukunft auf die Landesparlamente zu? Es gibt ja immer wieder die Debatte, ob man sie überhaupt noch braucht.

    Ich glaube, das ist eine ganz entscheidende Debatte auch für die nächste Wahlperiode: die Frage nach der Zukunft des Föderalismus. Man muss sich das noch einmal vor Augen führen: Die Bundesländer sind älter als der Bund. Und die gleichwertigen Lebensverhältnisse sind ein Ergebnis des Föderalismus. Wir müssen darauf achten, dass die Kompetenzen der Länder nicht weiter geschwächt werden. Das permanente Rufen nach dem Bund, wenn es um die Finanzen geht, hat Vor- und Nachteile. Natürlich brauchen die Länder Finanzmittel, es muss einen fairen Ausgleich geben zwischen dem Bund und den Bundesländern, damit die Länder ihre Aufgaben wahrnehmen können. Ich habe den Eindruck, dass auch die Kernbereiche der Landespolitik - beispielsweise Schule und Kulturpolitik, Hochschulen, Innere Sicherheit, Rechtspolitik, Umweltpolitik, Kommunale Selbstverwaltung, regionale Wirtschaftspolitik - gefährdet sind.

    Der Landtag wird im Herbst eine landtagsgeschichtliche Ausstellung in der Villa Horion in Düsseldorf eröffnen - ein Projekt, das insbesondere auf Ihre Initiative hin realisiert wird. Welches Ziel steckt hinter dieser Idee?

    Es geht darum, die Arbeit des Landtags in den sieben Jahrzehnten erlebbar zu machen. Die Ausstellung soll über die vier verschiedenen Standorte, an denen das Parlament getagt hat, informieren und die Themen aufarbeiten, die in der jeweiligen Legislaturperiode im Landtag prägend waren. Ich habe einen kleinen Arbeitskreis dazu begleitet.

    Was wünschen Sie dem Land und dem Landtag Nordrhein-Westfalen zum 70. Geburtstag?

    Ich wünsche mir, dass Nordrhein-Westfalen auch in Zukunft ein friedliches, freundliches und weltoffenes Bundesland bleibt.

    Es ist Ihre letzte Wahlperiode, Sie werden nicht mehr antreten. Wissen Sie schon, wie Sie das Mehr an Zeit nutzen werden?

    Ich lasse das auf mich zukommen.

    Ganz ohne Politik?

    Ich werde immer ein politischer Mensch bleiben. Trotzdem ist es richtig, dass ich aufhöre. Eine neue Generation steht parat. Alles hat seine Zeit.
    Das Interview führten Wibke Busch und Michael Zabka

    Bildunterschriften:
    Eckhard Uhlenberg, Erster Vizepräsident des Landtags und seit mehr als 30 Jahren Abgeordneter, im Interview.

    Vier verschiedene Tagungsstandorte des Landtags
    2. Oktober 1946 Konstituierende Sitzung des ernannten Landtags im Düsseldorfer Opernhaus.
    12. November 1946 Bereits die zweite Plenarsitzung findet im Gesolei-Saal der Henkelwerke statt.
    15. März 1949 Der Landtag tagt zum ersten Mal im wiederaufgebauten Ständehaus.
    2. Oktober 1988 Nach rund sechsjähriger Bauphase wird das neue Landtagsgebäude eröffnet.

    Zusatzinformation:
    70 Jahre Landtag NRW: Feierlicher Festakt
    Am 5. Oktober 2016 feiert der Landtag sein 70-jähriges Bestehen. Landtagspräsidentin Carina Gödecke wird Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert als Festredner begrüßen. Im Plenarsaal halten feierliche Worte und Musik Einzug. Der Festakt wird live im Internet übertragen (www.landtag.nrw.de).
    Der Landtag NRW war nicht immer im heutigen Parlamentsgebäude zu Hause. In seiner 70-jährigen Geschichte hat er an vier verschiedenen Orten getagt. Die erste Sitzung fand am 2. Oktober 1946 im Düsseldorfer Opernhaus statt. Schon zur zweiten Sitzung tagten die Abgeordneten dann aber - auf Klappstühlen sitzend, die Unterlagen auf den Knien - in den Henkelwerken. Zwei Jahre nach der ersten Landtagswahl erhielt der Landtag im Jahr 1949 mit dem wiederaufgebauten Ständehaus erstmals ein eigenes Gebäude. Nach fast 40 Jahren dort entschieden sich die Abgeordneten aus Platzmangel für einen Parlamentsneubau auf dem Gelände des alten Berger Hafens. Seit dem Jahr 1988 findet hier die politische Arbeit unmittelbar am Düsseldorfer Rheinufer statt.
    sow

    Systematik: 1100 Parlament

    ID: LI160711

  • Tage der offenen Tür: 30.000 Gäste trotz Tropenhitze.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 14-15 in Ausgabe 7 - 21.09.2016

    27./28. August 2016 - Wenn der Landtag seine Türen öffnet, ist das Interesse groß. So war es auch am letzten Augustwochenende, beim großen NRW-Tag zum 70. Landesgeburtstag. Das Parlament hatte sich mit zwei Tagen der offenen Tür beteiligt - und rund 30.000 Besucherinnen und Besucher ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen, das Haus ganz genau kennenzulernen.
    Zunächst ein Wort zum Wetter, das es vielleicht schon eine Spur zu gut gemeint hatte. Der Samstag war der heißeste Tag des Jahres und auch in Düsseldorf wurden Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke gemessen. Was 12.000 Menschen allein an diesem Tag jedoch nicht davon abhielt, den Landtag zu besuchen. Um 11 Uhr vormittags ging es los, die ersten Neugierigen aber hatten sich schon früher vor dem Parlamentsgebäude versammelt.
    Zu sehen gab es allerhand. Den Empfangsraum von Landtagspräsidentin Carina Gödecke zum Beispiel. Gekrönte Häupter wie Königin Elisabeth II. und Königin Silvia von Schweden haben von dort aus bereits den herrlichen Blick auf Düsseldorf und den Rhein genossen. Bedeutende Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Sport werden in diesem Raum begrüßt - aber auch Menschen, die sich ehrenamtlich für andere einsetzen.

    Pikser in den Finger

    In der Wandelhalle, nur wenige Schritte vom Empfangsraum entfernt, konnten Interessierte am Stand der Deutschen Diabetes-Hilfe ihren Blutzuckerwert messen lassen. Ein kurzer Pikser in den Finger - und nach ein paar Sekunden stand das Ergebnis fest. Allein am Samstag ließen sich mehr als hundert Besucherinnen und Besucher testen. Direkt gegenüber hatte die Landeszentrale für politische Bildung ihre Informationsstände aufgebaut. Das Motto: Demokratie leben. Wer wollte, konnte zum Beispiel herausfinden, wie es um die eigene Toleranz gegenüber Andersdenkenden bestellt ist.
    Musikliebhaberinnen und -liebhaber kamen im Plenarsaal und in der Bürgerhalle auf ihre Kosten. Auf dem Programm standen zudem Lesungen und Theateraufführungen, viele Aktionen für den Nachwuchs. Kleine und große Kinder konnten am "Speed-Kicker" ihre Schussgeschwindigkeit testen oder gegen einen ehemaligen Bundesliga-Tischfußballer antreten. Ihre Chancen: gleich Null. Dafür gab es den nicht zu unterschätzenden Erkenntnisgewinn, dass auch Verlieren Spaß machen kann.
    Die Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP boten in der Wandelhalle eigene Aktionen und Programme an, die PIRATEN in der Bürgerhalle. Landtagspräsidentin Carina Gödecke und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft schauten am Samstag bei allen vorbei. Bei der SPD-Fraktion sahen sie sich eine Ausstellung an, bei der CDU die Tricks eines Zauberers, bei den GRÜNEN gab’s Popcorn, von der FDP Sofortbilder in der "Fotobox" und die PIRATEN servierten (alkoholfreie) Cocktails.
    Die Verwaltung hatte zahlreiche Informationsstände - etliche mit Gewinnspielen - auf- gebaut. Dort erfuhren die Besucherinnen und Besucher viel über Geschichte und Aufgaben des Parlaments, über den Landeshaushalt. Sehr gut angenommen wurde auch die "Schnitzeljagd" durchs Gebäude. Das Thema "Europa" kam ebenfalls nicht zu kurz. Und wer sich von Behörden falsch behandelt fühlte, konnte sein Anliegen am Stand des Petitionsausschusses vorbringen.
    Mit leeren Händen trat am Abend kaum jemand den Heimweg an. Eingedeckt mit Informationsbroschüren, kleinen Präsenten, aber auch mit vielen neuen Eindrücken über die Arbeit im Parlament verließen die Gäste den Landtag - und stellten fest, dass das Klima im Landtag auch nach 19 Uhr noch deutlich angenehmer war als draußen.
    zab

    Systematik: 1100 Parlament

    ID: LI160706

  • Schutz für Frauen und Mädchen.
    Anhörung zum Thema "Sexualisierte Gewalt".
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 6 - 12.07.2016

    29. Juni 2016 - Sexuelle Gewalt gegen Frauen: Mit diesem Thema hat sich der Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation befasst. Dabei ging es u. a. um die Frage: Wie lässt sich sexualisierte Gewalt bestrafen, besser noch: vermeiden? In einer Anhörung äußerten sich Sachverständige dazu. Grundlage waren zwei Anträge von SPD und GRÜNEN sowie von Daniel Schwerd (fraktionslos).
    Die Expertinnen und Experten hatten bereits schriftliche Stellungnahmen eingereicht und begrüßten im Landtag die Forderungen in den Anträgen. So gelte es, bestehende Gesetzeslücken bei sexualisierter Gewalt zu schließen, das Bewusstsein für sexuelle Übergriffe gegen Frauen gesamtgesellschaftlich zu stärken und die Arbeit von Frauenberatungsstellen und -notrufen weiter zu unterstützen. Auch die Prävention mit Hilfe geschlechtersensibler Pädagogik bewerteten die meisten Sachverständigen als wichtig.
    "Reichen die Angebote aus? Nein, ganz klar nein, und sie sind unzureichend finanziert", kritisierte Renate Janßen von der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) autonome Mädchenhäuser/ feministische Mädchenarbeit NRW den Ist-Stand. Vier Mädchenberatungsstellen landesweit seien einfach zu wenig. Auch bei den Frauenhäusern stehe die Ampel für verfügbare Plätze NRW-weit gerade auf Rot, sagte Claudia Fritsche von der LAG autonome Frauenhäuser in NRW. Die Aufklärungsarbeit sah sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich vom Kindergarten an durch alle gesellschaftlichen Bereiche ziehen müsse. "Die Frage ist doch: Werden die Dinge umgesetzt? Und wer kontrolliert sie?", gab Janßen zu bedenken.
    Frauke Mahr von der Initiative "lila in köln" betonte die Notwendigkeit, Frauen zu ermutigen. Wichtig seien aber auch die Fragen: "Was haben wir den Jungen mitzuteilen? Was haben wir von den Männern zu fordern?" Auch zum Entschluss, nach einem Übergriff Anzeige zu erstatten, brauche es Mut. Die Aussicht, dass beispielsweise in Düsseldorf von der Anzeige bis zum Prozess anderthalb bis zwei Jahre vergingen, sei nicht gerade ermutigend.

    "Tätliche Belästigung"

    Martina Lörsch, die für den Deutschen Juristinnenbund sprach, äußerte Irritation darüber, dass nach den Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht 2015 seitens der Politik eine zügige und harte Bestrafung der Täter gefordert worden sei. Denn nur ein minimaler Anteil der Taten sei nach bisherigem Recht strafbar. Der Straftatbestand erfordere Nötigungselemente und diese habe es vielfach nicht gegeben: Täter hätten die Frauen überrascht, bevor sie sich hätten wehren können. Vor diesem Hintergrund forderte sie einen Straftatbestand der "tätlichen Belästigung", der in diesen Fällen greifen könne.
    Des Weiteren problematisierte Lörsch, dass viele Verfahren auf Ebene der Staatsanwaltschaften wegen Personalmangels eingestellt würden. Außerdem forderte sie Fortbildungen in der Justiz, weil dies einiges verändere. "Wir haben gute Opferschutzregeln, aber es mangelt an der Praxis", kritisierte die Rechtsanwältin. Für notwendig hielt sie eine psychosoziale Prozessbegleitung für Opfer. Dafür müssten Mindeststandards gelten. Befähigt dazu seien nur Fachleute mit psychosozialer Ausbildung, die Berufserfahrung mit traumatisierten Menschen hätten.
    Rainer Bruckert vom Weißen Ring, Landesverband Niedersachsen, berichtete, dass es in Niedersachsen gelungen sei, die Opfersicht im Curriculum der Fachhochschulen, an denen Polizistinnen und Polizisten ausgebildet werden, festzuschreiben.
    Wie seine Vorrednerin kritisierte Bruckert den gesellschaftlichen Sprachgebrauch, konkret den Begriff des "Antanzens", der vielfach zur Beschreibung der vielen Übergriffe in der Silvesternacht gebraucht werde: Er bagatellisiere, denn er beziehe sich ursprünglich auf Eigentumsdelikte. Silvester seien aber viele Frauen sexuellen Übergriffen ausgesetzt gewesen, die Eigentumsdelikte begleitet hätten.
    Auch ein Vertreter der Deutschen Bahn stand dem Ausschuss Rede und Antwort, denn in der Kölner Silvesternacht war der Bahnhof zu einem Angstraum für viele Frauen geworden. Speziellen Schutz für Frauen und Mädchen gebe es in den Konzepten der Bahn nicht, erklärte Thorsten Buhrmester von der Bahn. Zwar habe das Sicherheitspersonal nun alleinreisende Frauen besonders im Blick. Generell wolle man aber alle Fahrgäste schützen. Es gebe nicht mehr Sicherheitspersonal, dieses werde jedoch anders eingesetzt.
    sow

    Zusatzinformation:
    Mehr lesen Sie auf den Seiten 8 und 9

    Systematik: 5020 Sexualität; 5040 Frauen

    ID: LI160604

  • Kopp-Herr, Regina (SPD); Dinther, Regina van (CDU); Paul, Josefine (Grüne); Schneider, Susanne (FDP); Rydlewski, Birgit (PIRATEN)
    Standpunkte: Meinungen zum Schwerpunkt "Sexualisierte Gewalt".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 6 - 12.07.2016

    Strafrechtlich ist das Thema "sexualisierte Gewalt" ...

    Regina Kopp-Herr (SPD) ... noch immer unzureichend im Strafgesetzbuch geregelt. Ein angemessener Schutz und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung werden zu wenig berücksichtigt. Sexuelle Handlungen sind nur straffrei, wenn sie einvernehmlich erfolgen. Nein heißt Nein! Das muss auch strafrechtlich gelten.
    Regina van Dinther (CDU) ... in Folge der Kölner Silvesternacht einer notwendigen Überarbeitung unterzogen worden. Wichtig ist, dass es jetzt auch den Straftatbestand der sexuellen Belästigung gibt. Insgesamt muss juristisch völlig klar sein: Nein heißt Nein!
    Josefine Paul (GRÜNE) ... noch immer nicht ausreichend geregelt. Die Lücken, die auch nach dem neusten Entwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts bestehen, müssen endlich geschlossen werden. Das Strafrecht muss jede Form von vorsätzlicher, nicht einvernehmlicher sexueller Handlung unter Strafe stellen. Bei Angriffen gegen die sexuelle Selbstbestimmung muss klar sein: "Nein heißt Nein!"
    Susanne Schneider (FDP) ... auf Schutzlücken zu überprüfen, denn die sexuelle Selbstbestimmung darf nicht durch mögliche Strafbarkeitslücken bei sexueller Gewalt und Vergewaltigung infrage gestellt werden. Die Istanbul-Konvention, die die Strafbarkeit aller nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen fordert, muss nun zügig ratifiziert und der 13. Abschnitt des StGB reformiert werden.
    Birgit Rydlewski (PIRATEN) ... immer noch täterzentriert. Die Erheblichkeitsschwelle sexualisierter Gewalt muss aus der Opferperspektive bewertet werden. Das Menschenrecht der sexuellen Autonomie verlangt auch eine Reform der Verfahrenswege, z.B. durch eine standardisierte psychosoziale Prozessbegleitung und eine Professionalisierung des Justizpersonals.

    Angebote zum Schutz und zur Unterstützung für betroffene Frauen und Mädchen ...

    Regina Kopp-Herr (SPD) ... sind unverzichtbar! Frauen und Mädchen, die Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind, sind auf geschützte Räume angewiesen. In den Beratungsstellen erhalten sie Hilfen abgestimmt auf ihre individuelle Situation. Sofern sie sich für eine Anzeigenerstattung entschieden haben, ist eine psychosoziale Begleitung notwendig. Wichtig ist auch geschultes und sensibilisiertes Personal bei Polizei und Justiz.
    Regina van Dinther (CDU) ... müssen stets den aktuellen Anforderungen angepasst werden. Die Betreuung von Flüchtlingen, die selbst sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind oder waren, stellt eine neue Herausforderung dar. Die Angebote müssen dezentral sein und auch von den Betroffenen gefunden werden können.
    Josefine Paul (GRÜNE) ... sind für die Opfer von sexualisierter Gewalt besonders wichtig. Viele von ihnen brauchen professionelle Unterstützung, um die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Die Opfer müssen sich durch Polizei und Justiz, aber auch von ihrem sozialen Umfeld und in der Öffentlichkeit ernst genommen fühlen. Nur dann können sie die Kraft aufbringen, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen.
    Susanne Schneider (FDP) ... müssen weiterhin niedrigschwellig für jede Frau und jedes Mädchen vorgehalten werden. Dabei müssen die Opferhilfemaßnahmen und -angebote zügig greifen und hierzu eng verzahnt werden. Ein Opferschutzkonzept kann zudem dazu beitragen, dass Opfer endlich ernst genommen werden. Besserer Umgang mit den Opfern, raschere und effektivere Verfolgung der Täter - das müssen die Leitlinien eines solchen Konzepts sein.
    Birgit Rydlewski (PIRATEN) ... sind in der Haushaltspolitik des Landes unterfinanziert. Diese professionellen Angebote müssen Frauen und Mädchen aller Nationalitäten zur Verfügung stehen. Die besonderen Schutzrechte von Geflüchteten stellen die Frauenhilfeinfrastruktur vor neue Herausforderungen. Das verlangt in der Haushaltspolitik des Landes eine gesetzlich garantierte Regelfinanzierung.

    Um das gesellschaftliche Bewusstsein zu schärfen, ...

    Regina Kopp-Herr (SPD) ... brauchen wir ein verstärktes, dauerhaftes und nachhaltiges gesamtgesellschaftliches Engagement gegen alltäglichen Sexismus und tradierte Geschlechterstereotypen. Dafür müssen wir gendersensible Angebote für Kinder und Jugendliche in schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen intensivieren. Öffentlichkeitswirksam muss auf das Recht der sexuellen Selbstbestimmung aufmerksam gemacht werden.
    Regina van Dinther (CDU) ... sollten gemeinsam mit dem Landesintegrationsrat und der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen Kampagnen und Programme durchgeführt werden, die klar machen: Vorstellungen über eine vermeintliche Unterlegenheit von Frauen müssen überwunden werden. Wir müssen das Bewusstsein für die Gleichstellung von Frauen und Männern fördern.
    Josefine Paul (GRÜNE) ... braucht es mutige Frauen und Mädchen, die nicht länger zu sexuellen Übergriffen und Nötigungen, die ihnen widerfahren sind, schweigen. Wir müssen sexuelle Gewalt öffentlich thematisieren und mit der noch immer weit verbreiteten Vorstellung, Betroffene würden durch ihr Verhalten einen Übergriff herausfordern, aufräumen. Allen muss klar sein: Nicht die Opfer sind schuld, sondern die Täter.
    Susanne Schneider (FDP) ... bedarf es einer bedingungslosen Benennung, Aufklärung und Ahndung der sexuellen Übergriffe ohne Rücksicht auf Herkunft und Status der Person. Der öffentliche Eindruck, solche Vorkommnisse würden versucht zu verharmlosen oder zu vertuschen, ist fatal. Zivilcourage von Außenstehenden zur Tatvereitelung muss darüber hinaus künftig besser von Staat und Gesellschaft honoriert werden.
    Birgit Rydlewski (PIRATEN) ... muss das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) europarechtskonform gestaltet werden. Schutz vor sexueller Belästigung und mittelbarer Diskriminierung würde sich dann auch auf den Waren- und Dienstleistungsverkehr, den öffentlichen Raum, Bildung und soziale Sicherung erstrecken. Dies wäre eine nachhaltige Grundlage, um das gesellschaftliche Bewusstsein zu schärfen.

    Notwendige Bestandteile für eine wirksame Präventionsarbeit ...

    Regina Kopp-Herr (SPD) ... sind starke und sichere Frauen und Mädchen. Selbstbehauptungskurse können hierfür ein Weg sein. Unabdingbar ist eine gendersensible Kinder- und Jugendarbeit für Jungen und Mädchen, die das Erlernen von Respekt, Wertschätzung, Toleranz und Verständnis füreinander fördern. Öffentliche Schutzkonzepte und ein gendergerechter Blick beim Städtebau können dazu dienen, sexualisierte Gewalt zu minimieren.
    Regina van Dinther (CDU) ... sind neben Maßnahmen der polizeilichen Kriminalprävention die zielgerichtete sichtbare Präsenz an Kriminalitätsbrennpunkten, konsequentes Einschreiten in Fällen häuslicher Gewalt und die schnelle Aufklärung von Straftaten. Der Rechtsstaat muss funktionieren. Die Silvesternacht in Köln hat den verheerenden Eindruck hinterlassen, dass Menschen nicht geschützt werden konnten.
    Josefine Paul (GRÜNE) ... sind neben einer Aufklärung zu sexualisierter Gewalt und ihren Folgen für die Betroffenen auch eine Sensibilisierung für Frauenfeindlichkeit, alltäglichen Sexismus und Homo-, Bi- und Transphobie. Zudem müssen insbesondere Kinder und Jugendliche lernen, wo ihre Grenzen liegen, diese zu artikulieren und sie bei anderen respektieren.
    Susanne Schneider (FDP) ... umfassen in erster Linie und vorrangig einen gesamtgesellschaftlichen Einstellungswandel, um das Thema sexuelle Gewalt zu enttabuisieren. Denn niemand - egal woher er kommt und wer er ist - hat das Recht, jemanden gegen dessen Willen anzufassen. Darüber hinaus muss nun zeitnah der erste Landesaktionsplan "Keine Gewalt gegen Frauen und Mädchen" von der Landesregierung vorgelegt werden.
    Birgit Rydlewski (PIRATEN) ... sind interdisziplinäre Fortbildungen der Polizei. Öffentliche Angsträume können durch städtebauliche und sicherheitspolitische Konzepte abgebaut werden. In den Kriminalitätsmonitor NRW muss "sexualisierte Gewalt" aufgenommen werden. Ebenso erforderlich ist eine periodische Dunkelfeldanalyse. Auf dieser Basis muss ein landesweites Präventionskonzept Aufgabe der interministeriellen Kooperation sein.

    ID: LI160609

  • Pflege im Fokus.
    Fachleute fordern Erhebung zu Personalbedarf.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 5 - 14.06.2016

    25. Mai 2016 - Wer im Krankenhaus liegt, hofft auf eine bestmögliche Pflege, um schnell wieder auf die Beine zu kommen. Doch in vielen Kliniken fehle es an Pflegepersonal, haben Fachleute im Landtag angemahnt. Eine dünne Personaldecke begünstige Fehler bei der Medikation, die Gefahr von Infektionen steige. Wie viele Pflegekräfte es folglich brauche? Dafür gebe es bislang keine Mindeststandards.
    Auf Antrag der PIRATEN-Fraktion (Drs. 16/9586) bezogen die Sachverständigen im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales Position zur Situation der Pflege in Krankenhäusern. Personal und Zeit seien zunehmend knapp - zum Leid der Patientinnen und Patienten, heißt es in dem Antrag. Die Fraktion fordert daher u. a., die Investitionskostenförderung im Landeshaushalt auf 1 Milliarde Euro zu verdoppeln und eine Kommission für NRW einzusetzen, die den tatsächlichen Personalbedarf sowie die entsprechenden Kosten ermitteln soll.
    "Wir können eine sehr starke Arbeitsverdichtung für das Pflegepersonal im Krankenhaus konstatieren", bestätigte Prof. Dr. Stefan Greß von der Hochschule Fulda. Weniger Personal, höhere Anforderungen: Insbesondere die seit dem Jahr 2004 geltenden Fallpauschalen hätten die Situation verschärft (siehe Infokasten). Greß sieht die Versorgungsqualität dadurch massiv gefährdet. Laut Martin Dichter vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe ist die Zahl der Pflegekräfte im Zeitraum von 1996 bis 2006 bundesweit um rund 50.000 Vollzeitstellen gesunken, die Zahl der behandelten Menschen sowie deren Pflegebedarf jedoch gestiegen.
    Hinzu komme, dass die Investitionsmittel für die Kliniken nicht reichten, mahnte Greß. In den Jahren 1991 bis 2013 habe NRW bei der Investitionskostenfinanzierung pro Bett im Bundesländervergleich den letzten Platz belegt. Auch Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, kritisierte die Finanzierung der Investitionskosten durch das Land - zu der es gesetzlich verpflichtet sei - als unzureichend. Rund 360 Krankenhäuser mit 120.000 Betten gab es im Jahr 2014 nach Angaben von Brink in NRW. Wenn hier Investitionslücken entweder gar nicht oder aus Betriebskosten gestopft würden, gehe dies auch zulasten des Pflegepersonals. Wie viele Pflegekräfte im Klinikalltag mindestens benötigt werden, ist laut der Fachleute bislang nicht bekannt. "Das DRG-System ist ein Ist-Kosten-System", unterstrich Greß. Es bilde keine Bedarfe ab. Nach Auffassung von Dichter sind quantitative Mindeststandards jedoch notwendig. Hierzu müsse es Studien in NRW geben - ein Prozess, der fünf bis zehn Jahre dauern werde.
    Brink äußerte hierzu die Hoffnung, dass die im vergangenen Jahr vom Bund eingesetzte Expertenkommission "Pflegepersonal im Krankenhaus" entsprechende Schwellenwerte erarbeiten werde. Greß warnte allerdings vor überzogenen Erwartungen: Bis zur Bundestagswahl 2017 rechne er lediglich mit einem Übergangsvorschlag. Eine weitere Kommission speziell für NRW befürwortete Brink nicht. Nach Ansicht von Dichter könnte ein solches Zusatzgremium unter Umständen sinnvoll sein, wenn es mit politischer Durchschlagskraft ausgestattet wäre.

    "Beruf attraktiver machen"

    Weniger Investitionslücken und mehr Personal seien nicht nur für die Qualität der Versorgung relevant, betonte Greß: Dies könne den Pflegeberuf auch wieder attraktiver machen. Denn laut Brink falle es den Kliniken zunehmend schwer, freie Stellen zu besetzen: "Das sind unsere beiden Hauptprobleme: Finanzierung und Arbeitsmarkt."
    Als mögliche Antwort auf den Fachkräftemangel schlug unter anderem Michael Süllwold vom Verband der Ersatzkrankenkassen vor, einen niederschwelligen Berufseinstieg - etwa über die Ausbildung zur Krankenpflegehilfe - zu ermöglichen. Nach Einschätzung von Dichter wird dies allerdings nur mit einer ausreichenden Zahl an anleitenden Pflegekräften funktionieren: "Wo es Indianer gibt, braucht es auch Häuptlinge."
    bra
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11.
    Zusatzinformation:
    DRG-Fallpauschalen
    Seit Anfang des Jahres 2004 rechnen deutsche Kliniken Behandlungen nicht mehr nach der Bundespflegesatzverordnung, sondern nach diagnosebezogenen Fallpauschalen ab, den "Diagnosis Related Groups" (DRG). Die DRG-Fallpauschalen und damit die Höhe der Vergütungssätze ergeben sich pauschal aus der Art und dem Schweregrad der diagnostizierten Krankheit. Der tatsächliche individuelle Krankheits- oder Genesungsverlauf sowie die real entstandenen Kosten bleiben unberücksichtigt.

    Systematik: 5220 Gesundheitseinrichtungen

    ID: LI160508

  • Scheffler, Michael (SPD); Burkert, Oskar (CDU); Ünal, Arif (Grüne); Schneider, Susanne (FDP); Wegner, Olaf (PIRATEN)
    Standpunkte: Meinungen zum Schwerpunkt "Pflege".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 5 - 14.06.2016

    Die Situation des Pflegepersonals in Krankenhäusern in NRW ...

    Michael Scheffler (SPD) ... verbessern wir kontinuierlich. Wir brauchen in der Pflege gut qualifiziertes und ausreichend Personal. Deshalb hat sich NRW im Bundesrat für zwei Förderprogramme zum Erhalt und Ausbau des Pflegepersonals eingesetzt. Wichtige Bausteine sind das Krankenhausstrukturgesetz mit dem enthaltenen "Pflegezuschlag" und das "Pflegestellen-Förderprogramm". Damit stehen jährlich mehrere Hundert Millionen Euro bereit.
    Oskar Burkert (CDU) ... ist deutlich verbesserungsfähig. Persönliche Ansprache, das Gefühl, versorgt und betreut zu werden und menschliche Zuwendung zu bekommen, müssen neben einer exzellenten medizinischen Versorgung wieder deutlich mehr Raum gewinnen. Dafür muss zwingend genügend Pflegepersonal vorhanden sein. Das kommt auch dem Pflegepersonal zugute, dessen Arbeitsbedingungen verbessert und aufgewertet werden.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... muss verbessert werden. Für die Pflege von Mensch zu Mensch muss bundesweit eine verbindliche Personalbemessung eingeführt werden, um ausreichend und entsprechend vergütete Pflegekräfte im Einsatz zu haben. Der Personalbedarf muss sich aus dem tatsächlichen Pflegebedarf der Patient*innen ableiten. Wir brauchen auf Bundesebene ein transparentes und leistungsbezogenes System der Pflegefinanzierung.
    Susanne Schneider (FDP) ... ist angesichts der knappen Personalbesetzung und der zunehmenden Anforderungen Besorgnis erregend. Aus meiner eigenen Berufserfahrung in der Pflege sind mir sowohl der wertvolle Beitrag zur Patientenversorgung wie auch die Arbeitsbelastung sehr wohl bekannt. Für eine gute Pflege benötigen wir deshalb genügend und qualifiziertes Personal.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... ist katastrophal und völlig unakzeptabel. Unattraktive Arbeitszeiten, miserable Arbeitsbedingungen, dafür aber schlechte Bezahlung, das ist die Realität des Pflegepersonals in NRW. Wobei die miserablen Arbeitsbedingungen im Bereich Pflege vor allem auf die stetige Arbeitsverdichtung durch den laufenden Personalabbau in den letzten Jahrzehnten zurückzuführen sind.

    Für eine bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten ...

    Michael Scheffler (SPD) haben wir 2014 einen zukunftsfesten Krankenhausplan erstellt. Darin sind als entscheidende Kriterien Qualität und Orientierung am Patienten verankert. Die Krankenhauslandschaft wird bedarfsgerecht und wohnortnah umgebaut: Die Entfernung zur nächsten Einrichtung darf höchstens 20 Kilometer betragen. Dementsprechend werden die Klinikstandorte kategorisiert und spezialisiert.
    Oskar Burkert (CDU) ... braucht man ein perfektes Zusammenspiel zwischen medizinischer und pflegerischer Versorgung. Man braucht Menschen, die mit Spaß und Freude ihren Beruf ausüben. Außerdem müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Die Qualität muss im Gesundheitsbereich oberste Priorität haben. Qualität bedeutet nicht nur moderne Geräte, sondern auch bestens ausgebildete Ärzte und Pfleger.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... müssen sich die Pflegenden auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen einrichten. Denn die Anforderungen nehmen weiter zu, da die Bedarfe vielschichtiger werden, etwa von Menschen mit Demenz, für eine kultursensible Pflege oder zur Wahrung der sexuellen Identität. Nicht zuletzt müssen natürlich auch die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention in der Pflege Berücksichtigung finden.
    Susanne Schneider (FDP) ... brauchen wir nicht nur eine ausreichende Personalausstattung. Ebenso sollte das Pflegepersonal von fachfremden Aufgaben entlastet werden, indem bürokratische Anforderungen reduziert werden und sowohl Serviceleistungen wie auch einzelne ärztliche Tätigkeiten nicht auch noch vom Pflegepersonal ausgeführt werden müssen.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... muss der Betreuungsschlüssel dringend deutlich erhöht werden. In den Niederlanden oder den skandinavischen Ländern liegt der Betreuungsschlüssel bei 1 zu 4,5 bzw. 5. In Deutschland bei 1 zu 10. Bei diesen Zahlen verwundert es nicht, dass sich z.B. in den Niederlanden anteilsmäßig viel weniger Menschen in einem Krankenhaus mit multiresistenten Keimen infizieren als in NRW.

    Die Investitionsmittel für die Krankenhäuser in NRW ...

    Michael Scheffler (SPD) ... sind ausreichend. Das Land stellt mehr als 500 Millionen Euro jährlich über die Krankenhausförderung sowie 210 Millionen Euro über den Strukturfonds bereit. Der überwiegende Teil des Geldes wird als jährliche Pauschale vergeben. Dadurch haben die Einrichtungen Planungssicherheit und können das Geld flexibel einsetzen. Die Krankenhäuser können eigenverantwortlich und bedarfsorientiert kalkulieren.
    Oskar Burkert (CDU) ... sind nicht ausreichend. Der Investitionsstau der letzten Jahre geht zulasten des Personals. Mit der Finanzspritze des Bundes muss die Personalsituation nachhaltig verbessert werden. Es muss auch ein Umdenken im stationären Bereich folgen. Bettenreduzierungen und Schließung von Fachabteilungen müssen stärker als Chancen gesehen werden, die eine weitere Qualitätsverbesserung mit sich bringen können.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... hat Rot-Grün um über 30 auf über 533 Millionen Euro gesteigert. Die Forderungen der Krankenhäuser liegen weit höher. Da diese Diskrepanz in allen Bundesländern besteht, muss geklärt werden, welche Investitionen notwendig sind, um die Versorgung zu gewährleisten. Weil die Länder auf Dauer nicht in der Lage sein werden, die Investitionsmittel zu stemmen, müssen sich auch Bund und Kassen beteiligen.
    Susanne Schneider (FDP) ... sind absolut unzureichend. Die Fördermittel des Landes liegen im Vergleich deutlich hinter anderen Bundesländern. So gibt Baden-Württemberg beispielsweise je Einwohner rund 40 % mehr aus. Diese fehlenden Mittel verursachen einen Kostendruck auch in anderen Bereichen und stehen so einer Aufstockung des Pflegepersonals im Wege.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... die von der Landesregierung bereitgestellt werden, sind völlig unzureichend. Bei einem Investitionsbedarf von 1,5 Milliarden Euro und einer Fördersumme von 500 Millionen Euro wird kein Taschenrechner benötigt, um auf eine Investitionslücke von 1 Milliarde Euro zu kommen. Die Folge ist, dass die Krankenhäuser noch mehr am Pflegepersonal sparen, um das Geld für Investitionen zu verwenden.

    Um mehr junge Menschen für die Krankenpflege zu gewinnen, ...

    Michael Scheffler (SPD) ... wollen wir gemeinsam mit dem Bund die Pflegeausbildung reformieren und den Pflegeberuf attraktiver gestalten. Zukünftig soll es einen einheitlichen Pflegeberuf geben. Eine gemeinsame generalistische Ausbildung soll die Voraussetzungen für eine leistungsgerechte und angemessene Vergütung schaffen, für Kinderkranken-, Kranken- und Altenpflege. Zudem wollen wir Aufstiegschancen verbessern.
    Oskar Burkert (CDU) ... kann der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg der Zusammenlegung der Ausbildungsfelder Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege das Berufsbild aufwerten. Dadurch können die Fachkräfte in allen Versorgungsformen tätig werden. Die kostenfreie Ausbildung bei einer angemessenen Ausbildungsvergütung wird ein weiterer Anreiz für viele potenzielle Auszubildende sein.
    Arif Ünal (GRÜNE) ... müssen vor allem die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Dazu gehören eine ausreichende Personalausstattung und teamorientierte Organisationsstrukturen. Familienfreundliche Arbeitszeiten können ebenso einen Anreiz bieten wie auskömmliche und langfristige Anstellungsverhältnisse. Die Attraktivität dieses sozialen Berufs steigt auch durch die Entlastung von pflegefremden Tätigkeiten.
    Susanne Schneider (FDP) ... brauchen wir vor allem mehr Wertschätzung des Pflegeberufs. Die Einführung einer generalistischen Pflegeausbildung darf nicht dazu führen, dass einerseits insgesamt weniger Ausbildungsplätze angeboten werden und andererseits Bewerber durch zu hohe Anforderungen abgeschreckt werden. Eine zweijährige Assistenzausbildung könnte zudem den Einstieg in das Berufsfeld erleichtern.
    Olaf Wegner (PIRATEN) ... muss der Beruf des/der Krankenpflegers/in attraktiver werden. Da sich an den unattraktiven Arbeitszeiten nur sehr wenig ändern lassen wird, kann dies ausschließlich durch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Bezahlung geschehen. Um bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, müssen in erster Linie mehr Pflegekräfte eingestellt und somit der Betreuungsschlüssel verbessert werden.

    Systematik: 5220 Gesundheitseinrichtungen

    ID: LI160509

  • Bischoff, Rainer (SPD); Müller, Holger (CDU); Paul, Josefine (Grüne); Dr. Kerbein, Björn (FDP); Lamla, Lukas(PIRATEN)
    Schlag auf Schlag: Meinungen zum Thema "Schwimmen lernen".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 4 - 18.05.2016

    Der Schwimmunterricht an Schulen ist ...

    Rainer Bischoff (SPD) ... die Basis, um sicher schwimmen zu lernen. Der Schwimmunterricht sollte in Abstimmung mit Vereinen, Verbänden und Kommunen angeboten werden. Dabei gilt: je früher, desto besser
    Holger Müller (CDU) ... so zu organisieren, dass nach der Grundschulzeit alle Kinder schwimmen können.
    Josefine Paul (GRÜNE) ... richtigerweise fest im Lernplan verankert. So ist sichergestellt, dass alle Kinder in NRW die Möglichkeit haben, Schwimmen zu lernen. Mit dem Landesprojekt "NRW kann schwimmen" unterstützt die Landesregierung darüber hinaus gezielt Schwimmkurse in den Ferienzeiten. So konnten bis 2015 mehr als 16.000 Schülerinnen und Schüler in rund 2.100 Kursen die Schwimmfähigkeit erlangen.
    Dr. Björn Kerbein (FDP) ... Grundfertigkeit und sollte am Ende der Grundschulzeit von allen Kindern sicher beherrscht werden. Das ist in NRW bei weitem nicht der Fall. Schwimmen können darf keine Frage der Herkunft sein. Das Problem muss endlich angepackt werden. Nur in der Schule erreichen wir jedes Kind und können den Lernerfolg überprüfen. Dazu hat die FDP eine Initiative in den Landtag eingebracht.
    Lukas Lamla (Piraten) ... eine ganz wichtige Möglichkeit, allen Kindern ein gewisses Maß an Schwimmfähigkeit anzueignen. Leider arbeiten an den Grundschulen in NRW zu wenige Sportlehrkräfte, um einen flächendeckenden Schwimmunterricht gewährleisten zu können. Hier ist es an der Landespolitik, mehr finanzielle Mittel für Lehrkräfte zur Verfügung zu stellen.

    Kinder mit Migrationshintergrund ...

    Rainer Bischoff (SPD) ...benötigen eine besondere Beachtung beim Erlernen des Schwimmens. Insbesondere Mädchen ist das Schwimmen aufgrund ihrer kulturellen Herkunft häufig fremd. Für sie muss der Schwimmunterricht deshalb besonders sensibel gestaltet werden.
    Holger Müller (CDU) ... oder aus sozial schwächeren Gesellschaftsgruppen haben tendenziell weniger Schwimmerfahrung vor der Grundschulzeit. Hier muss besonders gegengesteuert werden.
    Josefine Paul (GRÜNE) ... sind eine der Zielgruppen, die wir verstärkt in den Blick nehmen. Ebenso wie Kindern aus wirtschaftlich schwachen Schichten fehlt es ihnen besonders häufig an der sogenannten schwimmerischen Sozialisation. Sie haben zum Beispiel oft nicht die Möglichkeit zu regelmäßigen Schwimmbadbesuchen. Entsprechend braucht es für sie niedrigschwellige Angebote für die sogenannte Wassergewöhnung.
    Dr. Björn Kerbein (FDP) ... können in Deutschland leider seltener schwimmen als der Rest der Bevölkerung. Bei einer im Notfall lebenswichtigen Fähigkeit darf die Politik das nicht einfach so akzeptieren. Hier brauchen wir Aufklärung und Sensibilisierung der Eltern sowie einen qualitativ hochwertigen Schwimmunterricht in den Grundschulen. Die Landesregierung muss dafür sorgen, dass Schulen bestehende Vorgaben einhalten können.
    Lukas Lamla (Piraten) ... bedürfen besonderer Förderungen, um ihnen die Möglichkeiten von schulischen und außerschulischen Sportangeboten, auch zum Erlernen der Schwimmfähigkeit, aufzuzeigen. Die Angebote müssen auch bis zu den Kindern mit Migrationshintergrund vordringen. Hier gilt es, sprachliche und kulturelle Hürden zu überwinden

    Die Rolle der Eltern ...

    Rainer Bischoff (SPD) ... ist entscheidend bei der Gewöhnung der Kinder an das Wasser und bei einem spielerischen Umgang beim Schwimmen. Wir müssen verhindern, dass Schwimmbäder für Kinder nur noch als Ort des Prüfens wahrgenommen werden. Schwimmen macht Spaß!
    Holger Müller (CDU) ... ist wie immer von entscheidender Bedeutung. Eltern sind die ersten Ansprechpartner, die ihren Kindern das Schwimmen spielerisch näherbringen. Das sollte im Idealfall schon vor der Grundschule passieren.
    Josefine Paul (GRÜNE) ... ist sehr wichtig. Gerade wenn sie selbst schlechte oder gar keine Schwimmerinnen und Schwimmer sind, müssen sie überzeugt werden, wie wichtig es für ihre Kinder ist, Schwimmen zu können. Dazu muss man sie gezielt ansprechen und informieren. Die Netzwerke "Schwimmen lernen" in den Kommunen binden deshalb die Eltern häufig direkt ein und halten sie auch über die Fortschritte ihrer Kinder auf dem Laufenden.
    Dr. Björn Kerbein (FDP) ... kann nicht hoch genug bewertet werden. Schwimmende Eltern haben in der Regel schwimmende Kinder. Auch Eltern tragen Verantwortung dafür, dass ihre Kinder schwimmen lernen. Wenn Eltern jedoch Nichtschwimmer sind, sind Ermutigung, Aufklärung und qualitativ hochwertiger Schwimmunterricht umso notwendiger.
    Lukas Lamla (Piraten) ... kann nicht von der Politik vordiktiert werden. Jede Mutter und jeder Vater hat selbst die Freiheit, darüber zu entscheiden, für welche Bewegungs- und Freizeitaktivitäten sie ihre Kinder begeistern. Aufgabe der Landespolitik muss es sein, Kommunen finanziell so auszustatten, dass diese einen flächendeckenden Schwimm- unterricht im Schulsport anbieten können.

    Die Zusammenarbeit z.B. mit Vereinen ...

    Rainer Bischoff (SPD) ... und auch mit vielen weiteren kommunalen Akteuren wie Kitas, Bäderbetrieben oder Schulärzten ist essentiell wichtig, um ein nachhaltiges und funktionierendes Netzwerk für den Schwimmunterricht aufzubauen.
    Holger Müller (CDU) ... Kitas, Schulen, Sportämtern, Stadtämtern, Kreissportämtern und Badbetreibern muss weiter verstärkt werden, um das Ziel des frühzeitigen Schwimmens zu gewährleisten. Auch über das Schwimmenlernen hinaus sind diese Kooperationen wertvoll, um das Erlernte zu festigen.
    Josefine Paul (GRÜNE) ... ... hat einen sehr hohen Stellenwert. In vielen Kommunen unterstützen Vereine das Schwimmen lernen durch ihre fachliche Kompetenz beim Schwimmunterricht, aber auch durch Angebote im Offenen Ganztag und in den Schulferien. Durch das Zusammenwirken von Schule und Vereinen stellen wir in NRW - unterrichtlich und außerunterrichtlich - ein flächendeckendes Angebot zum Schwimmen lernen sicher.
    Dr. Björn Kerbein (FDP) ... und anderen lokalen Netzwerkpartnern ist von großer Bedeutung für den Erfolg des Schwimmunterrichts. In der Praxis zeigt sich, dass die Schulen mit der aktuellen Ausstattung nicht flächendeckend in der Lage sind, Kindern das Schwimmen beizubringen. Umso wichtiger ist, dass Partner vor Ort Hand in Hand zusammenarbeiten. Aber die Landesregierung muss die Beseitigung struktureller Defizite forcieren.
    Lukas Lamla (Piraten) ... muss unter der Prämisse, Potenziale des Sports für die Allgemeinheit zu nutzen, institutionell gefördert werden. Entscheidend dabei ist eine Landesförderung zur kommunalen Steuerung. So können Sportvereine, Kindertageseinrichtungen, Schulen und Schwimmbadbetreiber von den Sportämtern zusammengebracht werden und Angebote entwickeln.

    Systematik: 7600 Sport

    ID: LI160409

  • Rechtsextremismus: Altes Gedankengut, neuer Look.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 6-7 in Ausgabe 3 - 26.04.2016

    Rebellisch, unangepasst, cool: So präsentiert sich die rechtsextremistische Szene heute. Ihre wichtigste Zielgruppe sind Jugendliche und junge Erwachsene. Das war Thema der Veranstaltung "Im Feind vereint" im Besucherzentrum des Landtags am 14. April 2016. Der Landtag und die Landeszentrale für politische Bildung hatten rund 100 Schülerinnen und Schüler eingeladen, um mit ihnen die gefährlichen Tendenzen zu beleuchten. "Früher war die rechte Szene ein Alt-Herren-Verein", erklärte Dr. Thomas Pfeiffer, Referent des Innenministeriums. Aber davon sei heute nicht mehr viel zu sehen. Ebenso wenig wie von offenen nationalsozialistischen Parolen oder Symbolen. Stattdessen setze die "neue Rechte" auf Vorurteile, die auch über die Szene hinaus weit verbreitet seien. Rechtsextremistische Akteure machten sich vor allem die Ablehnung gegenüber Muslimen, Roma und Flüchtlingen zunutze, zeichneten Zerrbilder, schürten Angst.
    Die Rechtsextremisten suchten passgenaue Zugänge zu jungen Menschen, erläuterte der Referent: Freizeitangebote, Musik, soziale Medien würden genutzt. Dabei spiele die rechtsextreme häufig nur eine untergeordnete Rolle. Die Schülerinnen und Schüler aus Duisburg, Mettmann, Grevenbroich und Düsseldorf analysierten T-Shirts verbotener rechtsextremistischer Gruppierungen und die Bildsprache im Internet. Ihnen fiel auf, dass es eines geschulten Blicks bedarf, um Symbole zu erkennen und zunächst unscheinbare Gesten zu entlarven.
    Im Besucherzentrum wurde es dunkel, ein Film der Landeszentrale für politische Bildung begann. Zu sehen waren Interviews von Vertretern rechtsextremistischer Parteien in vielen europäischen Ländern. "Eigentlich dürften sich Nationalisten unterschiedlicher Länder nicht besonders gut verstehen", hieß es im Film. Aber: Sie hätten erkannt, dass die internationale Zusammenarbeit das autoritäre Selbstbewusstsein der einzelnen Parteien stärke. Und so erklärten mehrere Anführer rechtsextremistischer Parteien im O-Ton, Ziel sei es, ein "völkisches Europa" wiederherzustellen. Die jeweils (rassisch) Einheimischen gehörten in ihre Herkunftsländer. Alles solle völkisch geordnet, nichts durchmischt sein. Es fiel der Satz "Toleranz ist unser gemeinsamer Feind." In dem Film erklärte der Rechtsextremismusforscher Prof. Dr. Hajo Funke, Rechtspopulisten schliffen an den Ecken der Demokratie. Und genau das sei die Hoffnung der Rechtsradikalen in Europa, wie dann deutlich wurde: Rechtspopulisten sollten den Weg ebnen für rechtsextremistische Gruppierungen.

    "Was wollen Sie tun?"

    In der anschließenden Diskussion mit Mitgliedern des Hauptausschusses fragte der Schüler Robert Walter aus Düsseldorf die Abgeordneten, was sie gegen rechte Tendenzen unternehmen wollten. Angela Freimuth (FDP) antwortete, man müsse die Probleme lösen, aus denen beispielsweise die Partei AfD Kapital schlage. Außerdem gelte es, sie in Diskussionen zu entlarven, ergänzte Heiko Hendriks (CDU). Unter anderem sei das Gewerbetreiben der Zugewanderten ein ökonomischer Gewinn für Deutschland, sagte Elisabeth Müller-Witt (SPD). "Und damit meine ich nicht nur die Dönerbude um die Ecke." Sie nannte außerdem Aussteigerprogramme als wichtigen Baustein, um Menschen, die der rechten Szene den Rücken kehren wollten, sicher wieder in die Gesellschaft zu integrieren. "Seien Sie sich Ihrer Macht bewusst", sprach Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) die Schülerinnen und Schüler an. "Sie wählen, sie stellen die Parlamente zusammen." Dem Wahlaufruf schloss sich Maria Springenberg-Eich, die Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung, an. Mithilfe des Wahl-O-Mats könne jeder und jede testen, welcher Partei er oder sie am nächsten stehe. "Gegen Stiernacken-Nazis habe ich kein Mittel - die sind aber auch nicht das Problem", sagte Michele Marsching (PIRATEN). Sehr wohl aber komme es darauf an, in konkreten Alltagssituationen Nazis auch Nazis zu nennen, sich klar abzugrenzen, Rechtspopulisten nicht zu verharmlosen und ihnen keinen Raum zu geben.
    Die Schülerinnen und Schüler fragten nach den Gründen für Fremdenhass und thematisierten das Problem der Angst vor Fremden. "Wo kommt sie her, und was tut die Politik dagegen?", fragte ein Schüler. Angst speise sich aus Unwissenheit, meinte Müller-Witt und betonte die Wichtigkeit von Transparenz, Aufklärung und persönlichen Begegnungen.
    Bildung sei der Schlüssel, um rechtsextremistischen Neigungen vorzubeugen - darin waren sich alle Abgeordneten einig. Erstens: Wer zu Werten der Toleranz erzogen werde, werde mit großer Wahrscheinlichkeit nicht rechtsextrem, argumentierte Hendriks. Zweitens, führte Freimuth an, sei auch Perspektivlosigkeit ein Grund für das Abrutschen ins rechte Milieu. Deshalb komme es darauf an, Chancen zu schaffen und Arbeit zu ermöglichen. Die Schere zwischen Arm und Reich zu bekämpfen, sei nach wie vor eine wichtige Aufgabe von Politik, sagte Müller-Witt.

    "Keinen Millimeter"

    Landtagspräsidentin Carina Gödecke gab den Schülerinnen und Schülern eine Bitte mit auf den Weg: "Mischt Euch ein, wenn Menschen diskriminiert werden! Lasst nicht zu, dass Menschen Angst haben, weil sie anders sind. In unserem Land muss jede und jeder leben können - ohne Angst, verschieden zu sein. Und weicht vor den Rechten niemals zurück! Lasst Ihnen keinen Raum, keinen Platz, nicht einen Millimeter." Dass die Jugendlichen sich zu Wort meldeten und klar Stellung bezögen, sei deshalb so wichtig, weil sie für Gleichaltrige wesentlich authentischer seien als Erwachsene, erklärte Gödecke. Deshalb komme es ebenso auf sie an wie auf Aufklärung, Prävention, Unterrichtseinheiten oder Veranstaltungen. "Sie tragen auch Verantwortung", sagte die Landtagspräsidentin, "gemeinsam mit uns."
    sow

    Bildunterschrift:
    88" als Code für "HH", das Zeichen der "Schwarzen Sonne" mit Anklängen ans Hakenkreuz und der Schriftzug "SS" - Symbole der neonazistischen Szene bewegen sich "einen Millimeter unterhalb der Grenze des Verbotenen", erklärt der Experte Pfeiffer.
    Foto: Schälte

    "Das Interesse ist sehr groß"

    Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Grumke (46 , Bild) hat die Veranstaltung "Im Feind vereint" moderiert. Er berichtet über Eindrücke und die Situation in NRW.
    Herr Prof. Dr. Grumke, woran erkennt man Rechtsextremisten?
    Prof. Dr. Thomas Grumke: Der Stil im Rechtsextremismus hat sich in hohem Maße geändert. Das klassische Skinhead-Outfit mit Glatze und Springerstiefeln sehen wir in Nordrhein-Westfalen so gut wie gar nicht mehr. Das bedeutet, dass wir Rechtsextremisten und Neonazis von der Kleidung her nicht mehr erkennen können. Es gilt, auf die Symbolik und auf die Aussagen zu achten.
    Zum Beispiel auf die Zahl 88?
    Genau. Damit geht es los. Die Szene ist seit langer Zeit sehr aktiv und auch sehr kreativ, wenn es darum geht, geltendes Recht zu umgehen. Es darf sich natürlich niemand den "Hitlergruß" auf sein T-Shirt drucken. Aber die "88", die das Gleiche bedeutet, ist kein Problem. Wir haben es jedoch auch mit eindeutiger Symbolik zu tun, die ebenfalls nicht strafbar ist.
    Wie hat sich die rechtsextreme Szene in NRW entwickelt?
    Es gibt in Nordrhein-Westfalen Schwerpunkte, beispielsweise die Szene in Dortmund, die stellvertretend für diesen Stilwandel steht. Sie besteht vor allem aus autonomen Nationalisten, wie sie sich selbst nennen in Anlehnung an die Linksautonomen. Wir haben eine recht lebendige, nicht parteigebundene Szene.
    Wie groß ist diese Szene?
    Das lässt sich nicht auf die Zehnerstelle sagen. Sozialwissenschaftlich gesehen haben wir es mit einer sozialen Bewegung zu tun. Eine solche Bewegung besteht aus mehreren Ringen. Es gibt ein Zentrum, die Leute kennen wir. Dann haben wir einen zweiten Kern, das ist der Unterstützerkreis. Den dritten Ring bilden die Mitläufer. Es ist völlig unklar, wie viele das sind. Die gehen mal mit, mal nicht, einige sind sogar nur im Internet aktiv. Um sie herum ist ein weiterer Kreis von stillen Sympathisanten, die das Gedankengut teilen, sich aber nicht zu Wort melden. Einer Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung zufolge handelt es sich dabei um ca. 15 Prozent der Bevölkerung.
    Im Landtag haben sich junge Leute mit dem Thema befasst. Ist es ein Thema, das Jugendliche berührt?
    Ja, auf jeden Fall. Im Landtag waren es vor allem Schülersprecher und Schülerzeitungsredakteure, die besonders engagiert sind. Das hat man auch bei der Veranstaltung gemerkt, das ist sehr, sehr gut gelaufen. Aber grundsätzlich mache ich diese Erfahrungen auch bei anderen Veranstaltungen mit Schulklassen zu diesem Thema. Das Interesse ist sehr groß.
    Gab es etwas, das Sie besonders beeindruckt hat?
    Zwei Dinge haben mich beeindruckt: Die Schülerinnen und Schüler waren sehr gut informiert, und sie haben auch in der Diskussion mit den Politikerinnen und Politikern immer wieder nachgefragt. Die Vorstellung, dass junge Leute unpolitisch sind, ist falsch. Das war sehr eindeutig.
    zab

    Systematik: 1060 Ideologien

    ID: LI160306

  • Kontakt per Mausklick.
    Sachverständige äußern sich im Innenausschuss zur elektronischen Verwaltung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 3 - 26.04.2016

    14. April 2016 - Als Reinhard Mey 1977 vom "Antrag auf Erteilung eines Antragformulars" und seiner Odyssee durch die "Aktenhauptverwertungsstelle Nord" sang, konnte er natürlich nicht ahnen, wie Verwaltungen gut 40 Jahre später arbeiten würden. Vieles lässt sich mittlerweile online erledigen, der Kontakt ins Rathaus kommt per Mausklick zustande. Die Landesregierung hat nun ein Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebracht. Ziel ist es u. a., einen rechtlichen Rahmen für das sogenannte E-Government zu schaffen. In einer Anhörung des Innenausschusses haben sich Sachverständige zu dem Entwurf geäußert.

    Die Digitalisierung der Gesellschaft habe die öffentliche Verwaltung längst erreicht, heißt es in dem Gesetzentwurf (Drs. 16/10379): "Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Verbände erwarten zu Recht nicht nur ein umfassendes Online-Informationsangebot, sondern ebenso weitgehende Möglichkeiten, die Dienstleistungen der Verwaltungen elektronisch abzuwickeln." Unternehmen und private Haushalte könnten auf diese Weise Zeit und Geld sparen. Neben der Schaffung eines rechtlichen Rahmens gehe es um die Einheitlichkeit des Verwaltungsverfahrens in NRW und die "nachhaltige Förderung der Einführung elektronischer Verfahren".
    Zustimmend äußerte sich die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände (Städtetag, Landkreistag, Städte- und Gemeindebund). Der Gesetzentwurf schaffe "wichtige Rahmenbedingungen für den Einsatz moderner Technik, die kommunalen Verwaltungen in Verbindung mit der Optimierung von Geschäftsprozessen ermöglicht, Verwaltungsverfahren zu beschleunigen, Verfahrenskosten zu senken und das Dienstleistungsangebot für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft nachhaltig zu verbessern". Auf die Kommunen kämen jedoch Sach- und Personalkosten zu. Es müsse gewährleistet sein, dass auch Kommunen in finanzieller Schieflage die Möglichkeiten zur Modernisierung ihrer Verwaltungen nutzen können.
    Wichtige Änderungsvorschläge seien aufgegriffen und im Gesetzentwurf berücksichtigt worden, so Helga Block, Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, in ihrer Stellungnahme. Vor jeder Verwendung in einer anderen E-Government-Anwendung müsse die betroffene Person einwilligen, dass ihre Stammdaten verarbeitet werden. So behalte sie die "Hoheit über ihre Daten und kann frei entscheiden, ob die entsprechende Datenverarbeitung ihrem Willen entspricht".

    Hürden senken

    Der Gesetzentwurf sei geeignet, "bestehende Hürden der Verwaltungsmodernisierung im Land abzusenken und E-Government in NRW voranzubringen", hieß es in der Stellungnahme der Initiative D21. Auf kommunaler Ebene biete er jedoch wenig Innovationsimpulse und bindende Vorgaben. So sollen Gemeinden und Gemeindeverbände nicht verpflichtet werden, die elektronische Akte und die elektronische Vorgangsbearbeitung einzuführen: "Gerade diese Instrumente stellen aber die wesentlichen verwaltungsinternen digitalen Infrastrukturen dar, um in Zukunft medienbruchfreie, effziente Verwaltungsprozesse zu gestalten".
    Der Gesetzentwurf schaffe den Rahmen "für ein modernes, innovatives Handeln staatlicher Organisationen und Behörden untereinander und im Umgang mit den Unternehmen und den Bürgerinnen und Bürgern", so Volker Staupe (Stadt Witten). Die Möglichkeit, Verwaltungsleistungen auch elektronisch zu bezahlen, sei "konsequent und systemkonform". Der Entwurf sei ein "entscheidender gesetzgeberischer Schritt zu einem E-Government" in NRW, so der Wirtschaftsrechtler Prof. Dr. Alexander Roßnagel (Universität Kassel). Er habe Vorbildfunktion für vergleichbare Gesetze in anderen Bundesländern.
    Eine Evaluation der E-Government-Angebote könne genutzt werden, "den Weg zu weiteren Verwaltungsvereinfachungen in Nordrhein-Westfalen offensiv zu beschreiten", befanden die Industrie- und Handelskammern (IHK). So werde auch ein "deutliches Signal" gesetzt, den Wirtschaftsstandort im globalen Wettbewerb zu stärken.
    zab
    Mehr zum Thema lesen Sie auf den Seiten 10 und 11

    Systematik: 1200 Öffentliche Verwaltung; 7740 Informations- und Kommunikationstechnologien

    ID: LI160308

Lädt

Die Fraktionen im Landtag NRW