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  • Porträt der Woche: Hartmut Schauerte (CDU).
    Porträt
    S. 31 in Ausgabe 6 - 30.03.1993

    "Ohne Spannung fließt kein Strom." Hartmut Schauerte bemüht gerne die Gesetzmäßigkeiten der Physik, um seinen provokanten Politikstil zu erklären. Mit scharfer und bildhafter Sprache stößt er nicht selten auch die eigenen Parteifreunde vor den Kopf, wenn er zum Beispiel der NRW- CDU .sozialpolitische Einseitigkeit" bescheinigt. Wirtschaftswachstum und eine möglichst niedrige Staatsquote sind für den haushalts- und finanzpolitischen Sprecher der Fraktion unerläßlich; nur so könnten die globalen Aufgaben gelöst werden, angefangen von der Deutschen Einheit bis hin zur weltweiten Flüchtlingsproblematik.
    Das politische Engagement begann in den Zeiten der Studentenbewegung, als der 1944 in Kirchhundem-Flape geborene Sauerländer den "Vormarsch des Marxismus in die politischen und gesellschaftlichen Eliten" zu beobachten glaubte. Als stellvertretender RCDS-Vorsitzender gründete er an vielen Unis in der Bundesrepublik Studentengliederungen der CDU und ließ keine Gelegenheit aus, den damaligen APO-Führern contra zu geben.
    Wahrscheinlich wäre der gelernte Jurist bis heute Kommunalpolitiker im Kreis Olpe geblieben, hätte ihm nicht Heinrich Köppler vor der Landtagswahl 1980 eine .wichtige Führungsaufgabe" im Düsseldorfer Parlament versprochen. Mit der Perspektive, sofort einer der führenden Oppositionsführer oder gar, im Fall eines politischen Machtwechsels, Minister zu werden, entschied sich Schauerte für den Landtag. Durch den Tod Köpplers hatte Schauerte zum Start seiner Abgeordnetentätigkeit 1980 auch den Mentor verloren. So wurde er zunächst einfacher Abgeordneter und normales Mitglied im Finanzausschuß. Seine beharrliche Forderung nach einem .schlanken Staat", die seinerzeit beispielsweise schon den Verkauf von West LB-Anteilen beinhaltete, stieß zwar zunächst auch in der eigenen Partei auf Widerstand. Doch heute verweist er mit Stolz darauf, daß viele seiner finanzpolitischen Vorstellungen in der eigenen Fraktion inzwischen eine Mehrheit gefunden haben. Konsequenterweise stieg der Sauerländer 1985 zum finanzpolitischen Sprecher seiner Partei auf. Seitdem sind die Haushaltsdebatten seine Domäne, die .Schuldenpolitik der Landesregierung" sein immerwährendes Angriffsziel. Als Fürsprecher des Mittelstandes kritisiert der CDU-Abgeordnete allerdings genauso unnachgiebig das Pflegeversicherungsmodell seines Parteichefs Norbert Blüm. Nicht zuletzt deshalb lehnte es Schauerte vor zwei Jahren ab, Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU zu werden. Als Blüms Statthalter hätte er die notwendige Loyalität nicht garantieren können.
    Solch forsches innerparteiliches Auftreten kann sich der Mann aus dem Sauerland leisten. Einmal hat er sein berufliches Standbein nie verlassen. Um möglichen Interessenkollisionen zwischen seiner Arbeit als Abgeordneter und als Rechtsanwalt zu entgehen, hat er zwar mittlerweile seine Sozietät verkauft. Inzwischen aber ist er Teilhaber einer florierenden Vertriebsgesellschaft für medizinische Geräte.
    Darüber hinaus sorgt die starke Hausmacht im Kreis Olpe für hinreichende Unabhängigkeit vom Landesverband. In seinem Wahlkreis Olpe ist Hartmut Schauerte seit 20 Jahren unumstrittener Kreisvorsitzender. Fast 60 Prozent der Wähler gaben ihm im Landtagswahlkampf 1990 ihre Stimme. Taktisch geschickt, machte er zum Beispiel im Kreisvorstand einen Mann der IG Metall zu seinem Stellvertreter. Im eigenen Wahlkreis setzt Schauerte auf Ausgleich und Kompromiß.
    Anders in Düsseldorf. Da zielt der CDU- Abgeordnete auf Polarisierung. Neben dem drohenden "finanzpolitischen Kollaps" prangert er seit zehn Jahren in der Asylpolitik "Scheinasylanten" an und schielt dabei ganz bewußt auf politisches Wählerpotential am rechten politischen Rand. Seiner Meinung nach werde der Rechtsstaat erschüttert, wenn das Gesetz "zu 95 Prozent mißbraucht wird".
    Nicht zuletzt wegen seines kompromißlosen, mitunter auch rücksichtslosen Eintretens für die eigene Überzeugung ist Hartmut Schauerte heute in den Reihen der CDU einer der profiliertesten Abgeordneten. Seine scharfen analytischen und rhetorisch oft brillanten Reden sorgen im Landtagsalltag für überdurchschnittliche Aufmerksamkeit. Und sein Wort gilt heute etwas in der Fraktion. Auf sein Drängen hin wurde Bernhard Worms nach dem Wahldebakel für die CDU 1990 als Fraktionsvorsitzender durch Helmut Linssen abgelöst, kurz darauf wurde Schauerte selbst zu einem der Stellvertreter gewählt. .Die Zelten sind vorbei, daß man sich entschuldigen mußte, CDU-Opposition in Düsseldorf zu machen", erklärt er heute. Und weil die Regierung Respekt vor der Opposition bekommen müsse, habe er auch auf die Ausweitung des derzeitigen Parlamentarischen Untersuchungsausschusses gedrängt. Denn: .Nicht Oppositionsparteien werden gewählt, sondern Regierungen werden abgewählt."
    Richard Hofer
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI930680

  • Porträt der Woche: Karl Knipschild (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 16.03.1993

    Die Tage des Sauerländers Karl Knipschild sind lang. Täglich fünf Stunden sitzt der fleißige CDU-Landtagsabgeordnete aus dem idyllischen Westernbödefeld in Bus und Bahn, um im Düsseldorfer Landtag seine Pflicht zu tun. Preußisch-korrekt versteht der gelernte Landwirt das Mandat der Bürger als Fulltime-Job. "Halb bewundere ich die anderen Abgeordneten für ihre gesteigerte Leistungsfähigkeit", blickt der Parlamentarier augenzwinkernd auf das Heer der Politikerkollegen mit den lukrativen Haupt-und Nebenberufen. "Halb verstehe ich aber nicht, wie man das Mandat ausüben und den Wahlkreis dann noch betreuen kann."
    Seit 1980 gehört der 57jährige Abgeordnete dem Landtag an. In 25jähriger Kommunalarbeit als Ratsherr und Bürgermeister in Bödefeld, später als stellvertretender Bürgermeister in Schmallenberg, hat Karl Knipschild die notwendige Erfahrung für die heutige Funktion erworben: Fast sieben Jahre steht der CDU-Abgeordnete an der Spitze des Düsseldorfer Petitionsausschusses. "Bei uns artikuliert sich die Staatsverdrossenheit der Bürger wie in einem Brennglas", weiß Knipschild. Mit den jährlich 1000 Petitionen sei der Ausschuß längst zum Katalysator zwischen dem bürgerlichen Unmut und der Politik geworden.
    Die knapp 13jährige Tätigkeit im Bürgerausschuß gestattet dem Vorsitzenden eine Langzeitbetrachtung. Zwar sei die Zahl der Petitionen seit 1980 stabil. Die Inhalte der Begehren und vor allem der Stil seien aber in den vergangenen fünf Jahren stetig aggressiver geworden. Weil "Politiker ja doch alle zum großen Haufen gehörten", seien Beschimpfungen und Beleidigungen an der Tagesordnung. Vor allem die abgelehnten Potenten — immerhin 60 Prozent — neigten zu Vorwürfen bis hin zu Vergleichen mit Gestapo-Methoden. "Einer stand sogar vor meiner Haustür und wollte zur Selbstjustiz schreiten."
    Der häufig unkonventionelle, unorthodoxe Arbeitsstil im Ausschuß mache dessen Wirken natürlich angreifbar, räumt Knipschild ein. Das hat der Petitionsausschuß gerade erst im "Fall Nehrling" erleben müssen, als er offensichtlich vorschnell dem Sohn des Staatssekretärs einen Persilschein ausstellte und daraufhin von Justizministerium wie Opposition heftig gerüffelt wurde. Das Gros der Petitionen dreht sich allerdings um Asyl- und Ausländerprobleme, Renten-, Sozialhilfe- und Versorgungsfrage sowie Eingaben von Häftlingen. Da Briefe an den Petitionsausschuß als einzige unzensiert die Gefängnismauern verlassen, macht mancher Knacki von diesem Grundrecht ausgiebig Gebrauch. "Ein Häftling hat jeden Tag eine Petition mit Beschwerden übers Essen bis zum Freizeitangebot eingereicht. Insgesamt 47 Stück — die Leute haben Zeit."
    Jede Woche ist der Ausschußvorsitzende mindestens einen Tag auf Ortsterminen im ganzen Land unterwegs. Da bleibt nicht mehr viel Freizeit. Schließlich darf auch die "Famillje" wie der Sauerländer mit den Worten des Kanzlers spricht, nicht zu kurz kommen. Der vierfache Familienvater genießt die Mußestunden im heimischen Westernbödefeld und widmet sich, so oft es nur geht, dem Hobby Waldarbeit. Schließlich besitzt Karl Knipschild sieben Hektar Wald, die gepflegt werden wollen. Bis vor drei Jahren war der bodenständige "Schwarze" auch noch an der grünen Platte beim Tischtennis aktiv.
    Derzeit überlegt der CDU-Politiker, ob er sich 1995 nach dann 15jähriger Abgeordnetentätigkeit im "schwierigsten geographischen und topographischen Wahlkreis des Landes" noch einmal zur Wahl stellt. Die Landtagsfraktion hofft jedenfalls, daß der sachliche und stets präsente Anwalt der Bürger dem Reiz des Ruhestandes widersteht. Dann kann er sich weiter seiner Leidenschaft, der Bauverwaltung, widmen. Gerade erst hat Knipschild wieder ein Paradebeispiel für die ungleiche Meßlatte auf den Tisch bekommen, die die Verwaltung manchmal anlegt. Während eine Weihnachtsbaumkultur mit 30000 Quadratmeter Fläche ohne Bedenken genehmigt wurde, erhielt der Nachbar im Ort eine Absage für ein nur 3 000 Quadratmeter großes Christbaum-Areal. Knipschild: "Da bin ich mal gespannt, wie die das begründen wollen."
    Daß der Alltag im politischen Düsseldorf nicht nur Streß, Ärger und Parteienstreit mit sich bringt, belegen gerade die späten Debatten im Landtag. Als die Grünen vor kurzem einen Antrag zum Umgang mit häuslichem Ungeziefer auf die Tagesordnung brachten, kamen den Abgeordneten bei den nicht immer ernstgemeinten Beiträgen vor Lachen die Tränen. Aber auch sonst will sich Karl Knipschild über sein Politikerdasein nicht beklagen. "Schließlich ist die Arbeit im Petitionsausschuß für einen Oppositionspolitiker die fruchtbarste Tätigkeit überhaupt", sagt Knipschild. "Da kann man wenigstens noch etwas bewegen."

    ID: LI930552

  • Porträt der Woche: Karin Hussing (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 19.01.1993

    Sie lehnt die "angepaßten" Politiker entschieden ab und auch jene, die den Bürgern "nach dem Munde reden". So hat denn auch Karin Hussing keine Scheu vor kritischen Worten gegenüber ihren Parteifreunden, und sie versteckt sich auch nicht, wenn sie in der Öffentlichkeit ihre eigene Meinung zu politischen Fragen vertritt und dabei mitunter "vorgeführt" wird. Die CDU-Landtagsabgeordnete aus Herne ist davon überzeugt, daß der Wähler ehrliche, bisweilen auch unangenehme Antworten der Politiker längerfristig honoriert. Wer sich bei seinen Antworten an dem öffentlichen Meinungsklima "orientiere", trägt nach ihrer Ansicht zur Politikverdrossenheit bei. Meinungsdifferenzen in der eigenen Partei sollten in deren Gremien ausgetragen werden, nicht aber über die Medien. Die Christdemokratin schätzt nach eigenem Bekunden harte Auseinandersetzungen in der Sache; persönliche Tiefschläge gegenüber Parteifreunden wie politischen Gegnern lehnt sie aber strikt ab. "Man sollte sich immer gegenseitig respektieren."
    Die in Recklinghausen geborene Parlamentarierin, Jahrgang 1941, war nach dem Abitur und bis zur sogenannten "Familienphase", der Geburt ihres ersten Kindes, etliche Jahre als Sparkassenangestellte tätig. Schon bevor sie 1974 der CDU beitrat, wurde die Mutter von zwei Söhnen als aktives Mitglied der Schulpflegschaft mit den Folgen politischer Entscheidungen konfrontiert. Nachdem Karin Hussing fünf Jahre später in den Rat der Stadt Herne gewählt wurde, galt ihr Engagement denn auch insbesondere Jugend-, Familien- und Sozialfragen. Nach gut einem Jahrzehnt kommunaler Tätigkeit schien für die Christdemokratin, die "Spaß an der Politik" hat, die "Zert reif "zu sein, sich um ein Landtagsmandat zu bewerben. In einer Kampfabstimmung setzte sie sich überraschend, aber deutlich gegenüber ihrem Mitkonkurrenten im Kreisverband durch und zog dann im Mai 1990 über die Landesliste in das Düsseldorfer Parlament. Da die Hernerin eine entschiedene Gegnerin des Doppelmandates ist ("mehrere Mandate kann man nicht hundertprozentig ausüben"), legte sie ihren Stadtratssitz nieder.
    Auf Anhieb gelang es Karin Hussing, von der Fraktion in ihren "Wunschausschuß" delegiert zu werden, den Ausschuß für Inneres. Nach dem Abitur wollte sie zur Kriminalpolizei, doch der ausbildungsbedingte Fortzug nach Süddeutschland fand damals nicht die Zustimmung des Elternhauses. So sieht die Parlamentarierin jetzt in diesem Landtagsausschuß die Chance, sich doch noch im polizeilichen Bereich zu engagieren. So beklagt die Abgeordnete die Unterbezahlung vieler Polizeibeamter angesichts ihrer vielfältigen und verantwortungsvollen Aufgabe, die innere Sicherheit zu gewährleisten. Und für die Politikerin ist es auch ein persönliches Anliegen, das Verhältnis zwischen Polizei und Bürger zu verbessern, den einzelnen Beamten als Helfer und nicht als "Buhmann" darzustellen.
    In den Petitionsausschuß, für viele Abgeordnete ein "ungeliebtes Kind" wegen der zeitaufwendigen Arbeit, ging die Hernerin freiwillig, weil sie insbesondere in diesem Parlamentsgremium für einen Oppositionspolitiker die Chance des persönlichen Kontaktes mit dem Bürger sieht und ihm direkte Hilfe angeboten werden könne. Sicherlich dürfe sich der Petitionsausschuß nicht über gesetzliche Regelungen hinwegsetzen, er könne aber vielfach bei festgefahrenen Verhandlungen zum Abbau von Frust beitragen und auch durch sehr viel Hartnäckigkeit die Petition schließlich zum Erfolg führen. Die Christdemokratin sieht in der Ausschußtätigkeit auch eine Selbstbestätigung dafür, daß die Arbeit eines Politikers sich nicht nur "irgendwo im Nebulösen" vollzieht, sondern konkrete Hilfe für Bürger leisten kann. Der Radius ihres Wirkens reicht weit über die parlamentarische Tätigkeit hinaus. So ist sie u.a. stellvertretende Landesvorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung der NRW-CDU, Mitglied des Landesvorstandes der Frauen-Union, des Bezirks- und Kreisvorstandes der Union. Ohne die Unterstützung und das Verständnis der Familie wäre dieses Arbeitspensum nicht zu schaffen, betont die Abgeordnete. Nach dem Hobby gefragt, kommt schnell die Antwort: "Meine Garderobe selbst nähen." Doch der Griff zu Schere und Nadel wird immer seltener. Die Politik bestimmt den Alltag.
    Jochen Jurettko (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI930139

  • Porträt der Woche: Dr. Annemarie Schraps (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 22 - 22.12.1992

    "Mehr Herz im Parlament und "Mehr Nachdenken über die Vorschläge der Opposition" haben sich für Annemarie Schraps nach zweijähriger Abgeordnetentätigkeit als persönliche Grundbedürfnisse herauskristallisiert. Die rüde Art, wie die Landesregierung Anregungen der Opposition verwerfe, sei für sie nach langjähriger Ratstätigkeit in Krefeld ein "Kulturschock" gewesen. Doch inzwischen habe sie auch gelernt, selbst "auszuteilen". Dabei hat sie es nicht leicht. Als umweltpolitische Sprecherin ihrer Fraktion wurde die promovierte Geologin zur Fachkontrahentin von Umweltminister Klaus Matthiesen. Und allein gegen dessen Erfahrung, Rhetorik und Taktik anzukommen, ist für einen Parlamentsneuling ein harter Brocken.
    Doch durchgebissen hat sich Annemarie Schraps in ihrem Leben schon häufig. 1936 in Oelsnitz/Vogtland geboren, erlebte sie in frühen Jahren "zwei Diktaturen", wie sie selbst betont: Erst die Nazis, dann die Kommunisten. Der Vater wurde nach dem Weltkrieg nach Sibirien verschleppt, sie selbst floh 1954 aus der damaligen DDR nach West-Berlin. Ihre auch durch die christliche Erziehung hervorgerufene Sympathie zur CDU erlebte einen Höhepunkt, als nach dem Besuch von Konrad Adenauer 1955 in Moskau ihr Vater aus dem sibirischen Straflager in Workuta entlassen wurde.
    Nach dem Geologiestudium in Braunschweig, der Geburt zweier Söhne und der Adoption einer Tochter begann 1969 die aktive Parteiarbeit bei der CDU. Aus beruflichen Gründen ihres Mannes war sie nach Krefeld gezogen und als "Mikätzchen" bis zu ihrem Einzug in den Landtag Lehrerin im Angestelltenverhältnis. Neben ihrem Beruf machte sich die Neu-Krefelderin auf den Weg zu einer linearen Parteikarriere: Erst im Parteivorstand, später in Bezirksvertretung und Kreisvorstand, schließlich im Landesvorstand der nordrhein-westfälischen CDU. Im Stadtrat brachte sie es bis zur stellvertretenden Bürgermeisterin, in der Frauen-Union ist sie heute die stellvertretende Landesvorsitzende. 1978 gründete sie den Verein "Sport für betagte Bürger", der heute, wie sie mit spürbarem Stolz erzählt, 1600 Mitglieder zählt.
    Nach 20 Jahren aktiver und erfolgreicher Kommunalpolitik war der Einzug von Annemarie Schraps in den Landtag über die CDU-Landesreserveliste nur folgerichtig. Der "Wille zur politischen Gestaltung", aber "natürlich auch der persönliche Ehrgeiz" haben sie zur Kandidatur getrieben. Im Umweltausschuß gilt sie als äußerst gewissenhaft, penibel darauf bedacht, Anträge vor allem der Landesregierung genau studieren zu können. Initiative zeigt sie in erster Linie dann, wenn es um Bodenschutz geht; da kennt sie sich aufgrund ihres Studiums bestens aus und bringt unermüdlich Anträge ein. "Das ist mein größtes Hobby", bekennt sie auch ohne Umschweife. Engagiert fordert sie für Nordrhein-Westfalen ein eigenes Bodenschutzgesetz, bisher vergeblich. "Das ist das Schicksal als Oppositionspartei", meint sie schon etwas resigniert.
    Beim ihrer Meinung nach drängendsten Umweltproblem, der Abfallbeseitigung, liegt die CDU-Abgeordnete mit Umweltminister Matthiesen prinzipiell auf einer Linie. Da beklagt sie nur, daß der sich mit dem Neubau weiterer Müllverbrennungsanlagen vor Ort nicht wirksam genug durchsetzen könne. Der "Ankündigungsminister", wie sie Matthiesen im Einklang mit ihren Fraktionskollegen gerne nennt, solle aber prinzipiell "nicht so viel reden", sondern "mehr konkret tun". Das gelte auch für den Abbau der Unmengen an Verordnungen im Umweltbereich. Da freut es die CDU-Abgeordnete, daß der SPD-Minister da "auch endlich etwas kapiert habe". Doch er müsse nicht immer nur nach Bonn und Brüssel zeigen, sondern in Nordrheinwestfalen selbst Veränderungen herbeiführen.
    Die Grünen sieht die CDU-Umweltexpertin nicht als Verbündete an. Da gebe es zu viele "utopische Forderungen "und im Parlamentsalltag zu häufig "unbewiesene Unterstellungen". Ihrer eigenen Partei will sie ins Stammbuch schreiben, daß die wirtschaftlichen Probleme dieser Tage den Umweltschutz nicht in den Hintergrund drängen dürften. Sie gesteht zu, daß es da mit den Fachkollegen aus der Wirtschaft oder dem Verkehrsbereich schon einmal Meinungsunterschiede gebe. Als "Ja-Sagerin" will sie auf keinen Fall gelten, auch nicht in der eigenen Partei.
    Persönlich am Herzen liegt ihr eine verstärkte Umwelterziehung junger Menschen. Energisch fordert sie nach dem Vorbild von Baden-Württemberg auch für Nordrhein-Westfalen ein freiwilliges "ökologisches Jahr". Außerhalb des Parlaments pflegt die Umweltfachfrau der CDU Verbindungen zu Verbraucherberatungsstellen und Umweltverbänden. Auch im Krefelder Stadtrat ist sie weiterhin aktiv. Mit ihren jetzigen Mandaten fühlt sie sich ausgefüllt, eine weitere Parteikarriere ist nicht geplant: "Wenn ich auch nach 1995 das bliebe, was ich heute bin, dann wäre ich zufrieden."
    Richard Hofer (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI922248

  • Porträt der Woche: Günther Langen (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 03.11.1992

    "Schwarz wie die Nacht und heiß wie die Liebe." Das Firmenmotto der größten und einzigen Kaffee-Rösterei des Hochsauerlandes paßt haargenau auf ihren Besitzer. Denn Günter Langen (57) ist nicht nur CDU-Landtagsabgeordneter im "schwarzen " Medebach — er ist auch Vater von fünf Kindern. "Wer schaffen will, muß fröhlich sein", weiß der singende Bürgermeister, der auch in der Landeshauptstadt Düsseldorf bei Fraktionsfesten der Christdemokraten den Ton angibt.
    Doch wie kommt ausgerechnet eine Kaffee-Rösterei ins Sauerland? Nach der Fachhochschulreife hatte es Langen zum Außenhandel nach Hamburg gezogen. Dort fand der Lehrling Gefallen an Tee und braunen Bohnen und sollte eigentlich als Tee-Tester ins ferne Kalkutta wechseln. Die Liebe machte einen Strich durch die Rechnung — Langen zog es zu Rosemarie ins Sauerland, wo er 1959 die Güla-Kaffee-Rösterei gründete. Und daß die Zahl der Röstereien seitdem in Deutschland von 3 000 auf 100 schrumpfte, stört Langen nicht die Bohne. Sein Kaffee dampft. Seit 1962 Mitglied der CDU, Kreisvorsitzender, Ratsherr, Kreistagsabgeordneter, Bürgermeister und ab 1990 Landtagsabgeordneter. Multifunktionär Langen hat seinen Weg gemacht — und ist zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Denn geboren ist der Kaufmann in unmittelbarer Nähe des Düsseldorfer Landtags, erst 1939 zog die Familie nach Medebach. Im Wahlkreis 143 verfügt die Union über satte 53,3 Prozent der Stimmen. "Da habe ich im Landtag eine neue Erfahrung gemacht, daß wir bei Abstimmungen immer unterliegen", erinnert sich der begeisterte Fußballfan, der für den FC Landtag — auf eigene Kosten — sogar in Simbabwe vor 40 000 Zuschauern gegen das Leder trat. Hier hat der frühere Kicker der 1. Mannschaft vom TuS Medebach auch sein "erstes Tor auf afrikanischem Boden geschossen".
    Als CDU-Kreisvorsitzender im Hochsauerland betreut Langen 8 000 Mitglieder. Im Landtag arbeitet der Sauerländer im kommunalpolitischen und im Verkehrs-Ausschuß. "Ich fühle mich als Wahlkreisabgeordneter", weiß Langen um die vorteile der kurzen Wege als Abgeordneter in die Ministerien. Auch deshalb möchte der Medebacher 1995 noch eine zweite Runde im Parlament drehen. Weil Langen aber auf keiner Landesliste abgesichert ist, muß wieder die eigene Mehrheit her."Auch im Sauerland muß mancher umdenken, ein schwarzer Besenstiel reicht da nicht mehr." Also hängt sich "Güla" rein und macht seinen Job.
    Nicht nur Langen beklagt, daß das Sauerland bei der Vergabe von Fördermitteln des Landes benachteiligt wird. 630 Millionen Mark habe die SPD für den Bau der Rheinuferstraße vor dem Amtssitz Johannes Raus bewilligt. Mit dem Geld hätten dringend notwendige Ortsumgehungen errichtet werden können. Benachteiligt werde die ländliche Region aber auch bei Fördermitteln für Kurorte und Abwassermaßnahmen. Langen: "Die SPD pflegt eben ihre Mehrheiten."
    In 28jähriger Kommunalpolitik hat der CDU-Politiker ("letztes Bollwerk vor Hessen") aber das Leben mit politischen Wirrnissen erlernt. Niemals über Dinge ärgern, die man nicht ändern kann, heißt die Parole. Die Rheinuferstraße wird gebaut, Langen macht weiter. Trotz der SPD- Betonmehrheit im Landtag legt der bodenständige Sauerländer denn auch Wert auf guten Kontakt zum politischen Gegner und bevorzugt den sachlichen Ton im Ausschuß. Auch das frühere Gruppendenken in der eigenen Fraktion sei mit den 40 Einsteigern vom Tisch. Langen: "Das Arbeitsklima ist gut, es gibt kein Stadt- Land-Denken."
    Demokratie lebt vom Wandel. Deshalb will Langen den CDU-Kreisvorsitz "irgendwann aufgeben". Schülergruppen, die den Medebacher Vertreter im Landtag besuchen, empfiehlt der Abgeordnete denn auch, frühzeitig ehrenamtlich Verantwortung zu übernehmen. Die Politik brauche ständig neue Ideen und neue Leute. Der "Senior" selbst genießt es, am Sonntag "die Seele baumeln zu lassen". Dann sitzt der Frühschoppenclub der alten Fußballfreunde wie seit Jahrzehnten schon in trauter Runde beim Bier zusammen. Eben: Wer schaffen will, muß fröhlich sein.
    Wilfried Goebels

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921854

  • Porträt der Woche: Helmut Harbich (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 17 - 20.10.1992

    Er sieht sich nicht als "Parteisoldat", und für ihn ist die Politik auch kein Vollzeit-Job: Aufgrund des Abgeordnetengesetzes mußte Helmut Harbich zwar das Amt des Hauptgeschäftsführers der Kreishandwerkerschaft Mönchengladbach niederlegen, doch auch heute noch ist er mannigfaltig für das Handwerk tätig und engagiert sich auch bei der Förderung des Nachwuchses. Der niederrheinische CDU-Landtagsabgeordnete hält es für eine politisch "ungesunde Entwicklung", daß immer mehr Parlamentskollegen sich sofort nach ihrer beruflichen Ausbildung ausschließlich der Politik zuwenden oder ihren Beruf nach der Mandatsübernahme an den Nagel hängen. Der Abgeordnete gewinne aber insbesondere im Beruf tägliche Erfahrungen für sein politisches Handeln. Seit 1975 bereits im Düsseldorfer Landesparlament, vermißt Helmut Harbich heute auch jene frühere Atmosphäre, wo Freundschaften quer durch die Fraktionen geschlossen wurden und es auch den "Mut zu Originalität" gab. Die Klimaverschlechterung ist nach seiner Einschätzung auch eine Generationsfrage.
    Der Christdemokrat, Jahrgang 1932, wurde im niederschlesischen Kreis Olmütz geboren und wie Millionen von Landsleuten nach Kriegsende aus seiner Heimat vertrieben. Nach mehreren Zwischenstationen fanden seine Eltern und er in Alpen am Niederrhein ein neues Zuhause. Dem Abitur folgte das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Freiburg und Münster mit anschließendem ersten und zweiten Staatsexamen. Zunächst für einige Jahre als Richter tätig, wechselte der Jurist dann als Hauptgeschäftsführer zur Kreishandwerkerschaft in Mönchengladbach.
    Vom Elternhaus her "politisch vorbelastet", schloß sich Helmut Harbich bereits 1965 der CDU-Mittelstandsvereinigung an, deren Kreisvorsitzender er heute noch ist, und trat später auch der Union bei. Schon seit 1969 gehört der Christdemokrat dem Stadtrat an, wo der Bausektor und die Wirtschaftsförderung die Schwerpunkte seiner kommunalpolitischen Aktivitäten sind. Der Parlamentarier, der sich als "politischer Ziehsohn" des früheren Ministerpräsidenten Franz Meyers sieht, holte seit 1975 auch dessen damaligen Wahlkreis Mönchengladbach II für die Unionspartei. Die CDU-Fraktion berief ihn in dieser Legislaturperiode in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales, deren stellvertretender Vorsitzender er ist, und in den Verkehrsausschuß. Noch in der preußischen Administration sieht der Abgeordnete die Ursache dafür, daß der niederrheinische Raum keine optimalen Verkehrsverbindungen habe. Mit dem Autobahnbau sei in dieser Region sehr spät begonnen worden, und auch heute noch fehlten eine Reihe von Teilabschnitten. Ein ähnliches Defizit sei im Schienenverkehr zu beklagen. Angesichts des nahenden EG-Binnenmarktes und des sehr starken Verkehrsflusses in Richtung der niederländischen/belgischen Häfen hält der Parlamentarier den Ausbau beider Verkehrswege für dringend erforderlich.
    Als insgesamt unzureichend beurteilt er die Mittelstandsförderung in Nordrheinwestfalen. Die Förderprogramme des Landes müßten sich stärker auf die Klein- und Mittelbetriebe ausrichten, die zahlenmäßig das Rückgrat der Beschäftigungspolitik seien. Während die Großbetriebe schrumpften, kämen von den mittelständischen Unternehmen die eigentlichen Innovationen. In diesem Zusammenhang kritisiert Helmut Harbich, daß das berufliche Bildungswesen sehr im argen liege. Bei den beruflichen Schulen herrsche ein großer Nachholbedarf. Da die Kommunen aber finanziell überfordert seien, diese Aufgabe zu lösen, sollte das Land ein solches Modernisierungsprogramm initiieren. Kritisch beurteilt er auch die Lehrpläne, wo man teilweise noch wie zu "Großvaters Zeiten" herumwerkele. Statt möglichst viel Allgemeinwissen nach wie vor vermitteln zu wollen, sollte die Technologie einen breiteren Raum im Unterricht erhalten.
    Der heute 60 jährige hielt sich schon immer fit durch den Sport. Doch während der Mönchengladbacher früher die Fußballstiefel schnürte, greift er heute zum Tennisschläger. Und die Ski gehören im Winter ebenso zum Urlaubsgepäck wie im Sommer und Herbst die Wanderschuhe. Von geselligem Charakter, schätzt Helmut Harbich die Diskussion mit Freunden und Bekannten. Und auch in den eigenen vier Wänden wird der Dialog gepflegt. Seine Ehefrau ist schon seit 34 Jahren Lehrerin — und da gibt es gegenseitig Gesprächsstoff genug.
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921753

  • Porträt der Woche: Alfons Löseke (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 13 - 07.07.1992

    Politik mit Pfiff und Fair play mit dem politischen Gegner, das war schon immer die Parole des Arnsberger CDU-Abgeordneten Alfons Löseke. Daß dabei der Freizeitdreß des Hobby-Schiedsrichters mindestens ebenso schwarz war wie dessen politische Seele, daraus hat der 60jährige Christdemokrat freilich nie einen Hehl gemacht. Im Rat der Arnsberger CDU-Fraktion hört die eigene Mannschaft seit 1981 auf das Kommando ihres Fraktionsvorsitzenden Löseke.
    Als Rechtsaußen — was sonst — begann der begeisterte Fußballfan seine Karriere beim Arnsberger 09. Später dann pfiff er in der Oberliga West und hätte fast den Sprung ins Bundesliga-Geschäft geschafft — wenn nicht Politik und Beruf den ganzen Mann gefordert hätten. Denn Alfons Löseke ist mit Haut und Haaren Kommunalpolitiker. Und weil das so ist, gehörte er 1975 zum Club der Verweigerer, als die kommunale Neugliederung aus den Gemeinden Neheim-Hüsten und Arnsberg die 80000-Einwohner-Stadt Arnsberg zusammenfügte. Die Geschichte ist bekannt: Löseke unterlag, nahm die Niederlage sportlich und machte weiter.
    Geboren wurde Alfons Löseke am 26. April 1932 im kleinen Holsen, heute Kreis Paderborn. Mit Ehefrau Lili hat der gelernte Industriekaufmann fünf Kinder — natürlich spielen zwei davon Fußball. Fast 40 Jahre arbeitete Löseke im Bereich der Haustechnik, zuletzt als kaufmännischer Leiter und Prokurist einer Firma mit 100 Beschäftigten. Da fiel der Entschluß nicht leicht, den Chefsessel gegen die Abgeordnetenbank im Düsseldorfer Landtag einzutauschen.
    Er habe sich nicht danach gedrängt, sagt der CDU-Politiker heute. Selbst als die beiden Stadtverbandsvorsitzenden ihn gebeten hätten, habe er drei Monate Überlegenszeit verlangt. Schließlich war der Arnsberger da schon 58 Jahre alt. Dann aber hat es Alfons Löseke gehalten wie immer: Wenn die Entscheidung einmal gefallen ist, dann ganz. Vor zwei Jahren gelang ihm als Landtagskandidat das Kunststück, den fünf Jahre zuvor vom damaligen CDU-Matador Theo Schwefer an die SPD verlorenen Wahlkreis Arnsberg/Sundern für die CDU zurückzuerobern. Mit knappen 95 Stimmen Vorsprung lief Alfons Löseke vor dem SPD- Kandidaten Jochen Westermann über die Ziellinie. Westermann, von den Genossen nach dem überraschenden Flop gut versorgt, wurde Staatssekretär im Bauministerium.
    Im Düsseldorfer Landtag beschäftigt sich der spätberufene Sauerländer Löseke vorrangig mit der Familien- und Wirtschaftspolitik. Dabei räumt der Familienmensch ein, daß sich die CDU den gesellschaftlichen Realitäten neu anpassen mußte. Der wachsenden Zahl Alleinerziehender müsse durch verbesserte Familienausgleichsmaßnahmen geholfen werden. Dazu gehöre mehr Kindergeld, Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub. "Viele Familien gehen auseinander wegen des Geldmangels", sagt Löseke. "Deshalb kann man auch Politik mit Geld machen." Geld sparen dagegen könnte der Landtag nach Ansicht des Parlamentariers durch die Begrenzung der Abgeordnetenzahl von heute 239 auf höchstens 201. .Man muß auch mal an dem Ast sägen, auf dem man sitzt", fordert Löseke. Die Praxis zeige, daß sich das verschuldete Bundesland Nordrhein-Westfalen zuviele Abgeordnete und zuviel Ministerialbürokratie leiste. "Die Abgeordneten sollten die eigenen Gesetze einhalten." Politische Glaubwürdigkeit hat für den bodenständigen Sauerländer einen hohen Stellenwert.
    Im heimischen Arnsberg gilt Löseke über die Parteigrenzen hinweg als "Politischer Fuchs", der Politik mit dem Herzen macht und nicht nur für seine Wähler als Ansprechpartner ein offenes Ohr hat. Daß der CDU-Politiker dabei über die Jahre hinweg manche kritische Klippe umschifft hat, kommt nicht von ungefähr. Schließlich hat der begeisterte Segler seit 1965 ein Boot an der Mohne und sogar schon mit einer Jolle an der Kieler Woche teilgenommen. Heute geht es der 60jährige Seebär geruhsamer an und ist inzwischen auf ein Siebenmeter-Kajütboot umgestiegen.
    Und was ihn am Düsseldorfer Parlamentsgeschäft am meisten überrascht hat? "Geschockt hat mich die Papierflut", zögerte Löseke keine Sekunde. "Das könnte ich mir rationeller vorstellen." Denn Zeit ist knapp für einen Wahlkreisabgeordneten, der neben seiner zweistündigen Anreise zum Parlament und zahllosen repräsentativen Aufgaben vor Ort viel Arbeitszeit in Fraktion, Ausschüssen und Arbeitskreisen bindet. Trotzdem will Löseke 1995 noch einmal als Direktkandidat in Arnsberg antreten, um den direkten Draht zwischen Ratstraktion und Parlament zu nutzen. "Der trockene Stoff ist nicht meine Sache", räumt Löseke ein. Der typische Sauerländer ist eben Praktiker.
    Wilfried Goebels

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921350

  • Porträt der Woche: Dr. Rolf Hahn (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 10.06.1992

    Anders als manche junge Kollegen, die unmittelbar nach dem Studium den Entschluß fassen, "jetzt werde ich Politiker", und dann karrierebetont nach Mandat und Ämtern streben, schuf sich Rolf Hahn zunächst eine berufliche Existenz und gründete eine Familie. Als sogenannter Seiteneinsteiger trat der gebürtige Kölner erst mit 41 Jahren in die CDU ein und stieg dann relativ schnell auf der politischen Erfolgsleiter nach oben. Heute ist er Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises und Landtagsabgeordneter seiner Partei. "Als meine drei Söhne in weiterbildende Schulen wechselten, sagte ich mir, jetzt kannst du dich engagieren."
    Der Christdemokrat, Jahrgang 1937, studierte nach dem Abitur Rechtswissenschaften an den Universitäten Köln und Freiburg. Nach beiden juristischen Staatsprüfungen wurde er Staatsanwalt in seiner Geburtsstadt Köln. 22 Jahre lang, bis zu seinem Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag 1990, vertrat der promovierte Jurist die Anklage in politischen Verfahren und in Strafsachen gegen das Presserecht. "Die politischen Sitten sind rauher geworden, und die Grenze, wo die Beleidigung beginnt, hat sich deutlich verschoben", resümiert heute bedauernd Rolf Hahn.
    Bereits ein Jahr nach Parteieintritt wurde er Mitglied des Kreistages des Rheinisch-Bergischen Kreises, später Fraktionsvorsitzender, und nach der letzten Kommunalwahl 1989 zum Landrat gewählt. Dazwischen gehörte der Christdemokrat eine Legislaturperiode auch dem Rat der Gemeinde Overath an. Aufgrund dieser jahrelangen kommunalpolitischen Erfahrungen drängte es Rolf Hahn nach seinen Worten an den "Ort, wo die Wurzel des Übels" für die Gemeinden liegt — den Landtag. "Hier wird über die Finanzzuweisungen entschieden."
    Und für den CDU-Kommunalpolitiker steht fest, daß die ländlichen Regionen durch die sozialdemokratische Landesregierung vernachlässigt werden. So habe Ministerpräsident Johannes Rau in Bergkamen erklärt, die Kohlereviere sollten wissen, "daß sie Mittel bekommen, die Solidarbeiträge anderer Regionen sind". Auch das neue Flüchtlingsaufnahmegesetz und die Abwasserregelungen gingen nach seiner Einschätzung zu Lasten der Landgemeinden. "Und die Hilfen des Landes für die Landwirtschaft sind gleich Null." So ist das Mitglied des Landtagsausschusses für Kommunalpolitik auch Anwalt insbesondere der ländlichen Gemeinden.
    Im Rechtsausschuß engagiert sich Rolf Hahn für eine bessere Personalausstattung von Polizei und Justiz und sorgt sich um die innere Sicherheit. Denn bei zunehmendem Mangel an Polizeibeamten werde das Risiko für Straftäter geringer und wachse demzufolge auch die Kriminalität. Bei der Drogenbekämpfung sieht er eines der Probleme in der mangelnden Kommunikation zwischen den Jugendlichen. "Wenn sie isoliert leben, sind sie für Drogen anfälliger." So hätten insbesondere die Sportvereine eine neue wichtige Aufgabe, Jugendliche für die Mitarbeit zu gewinnen. Eher als andere Vereine könnten sie die Jugendlichen ansprechen und sie auch "von der Straße holen". Der CDU- Abgeordnete ist selbst seit zehn Jahren Vorsitzender des Heiligenhauser Sportvereins und war bis zum 23. Lebensjahr aktiver Fußballer bei Preußen Dellbrück.
    Nach fast zweijähriger Landtagszugehörigkeit äußert sich der Parlamentarier kritisch über den Verlauf der Plenarsitzungen. Für die Besucher seien sie oft unattraktiv, "weil sie nach einem Ritual ohne Spannungen ablaufen". Das beginne schon bei den starren Redezeiten, die die großen Parteien teilweise benachteiligten. So gebe es beispielsweise mit dem sogenannten Acht-Minuten-Block die gleiche Redezeit für alle vier Fraktionen. Im Interesse der Abgeordneten der beiden großen Fraktionen hält der Christdemokrat die Geschäftsordnung für dringend reformbedürftig. Kritik übt Rolf Hahn in diesem Zusammenhang auch an seiner eigenen Fraktion, in der nach seiner Einschätzung Sachverstand und Talent von Abgeordneten "nicht voll ausgeschöpft" würden. Der Fraktionsvorstand müsse diese Kollegen mehr in die Verantwortung nehmen.
    Mit Blick auf das künftige "Europa der Regionen" fragt der Christdemokrat, ob alle gegenwärtig installierten Verwaltungsebenen fortbestehen müßten. So hält er angesichts der vorgesehenen Zusammenarbeit der Regionen die Abschaffung von Mittelbehörden, wie die Regierungspräsidenten und Bezirksplanungsräte, für sinnvoll.
    An den Wochenenden schnürt der Overather des öfteren noch die Fußballschuhe oder aber verfolgt auf dem Sportplatz die Aktionen seiner drei Söhne — auch sie sind aktive Fußballer. Die Familie ist es auch, die für den Christdemokraten der ruhende Pol ist.
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921138

  • Porträt der Woche: Heinrich Meyers (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 10 - 26.05.1992

    "Meyers für Meyers" hieß im Frühjahr 1990 ein Wahlkampfslogan im Kreis Wesel. Der eine mit Vornamen Franz hatte zu diesem Zeitpunkt längst der politischen Plattform im Düsseldorfer Landtag den Rücken gekehrt, der andere wollte diese Hürde eben erstmals erklimmen. Franz Meyers, bis 1966 CDU-Ministerpräsident, warb auf einer Veranstaltung für Senioren in Wesel für den christdemokratischen Kandidaten Heinrich Meyers.
    Ob mit Erfolg oder nicht — das läßt sich heute statistisch nicht messen. Auf jeden Fall legte der andere — Heinrich — Meyers im Kreis Wesel gegenüber dem CDU-Wahlergebnis von 1985 noch um einige Punkte zu und rückte über die Landesreserveliste in die Landtagsfraktion. Ein Mandat, "das sich mit dem Amt des Bürgermeisters ideal ergänzt", sagt der 53jährige. "Ich halte es für ganz wichtig, auch als Landespolitiker permanent ganz konkret vor Ort mit den Ergebnissen der Landespolitik konfrontiert zu werden. Daraus wieder kann man Rückschlüsse für die Arbeit in Düsseldorf ziehen." Als Beispiele nennt er die Förderpraxis bei der Abwasserbeseitigung ("eine klare Benachteiligung des ländlichen Raums") und vor allem die Asylproblematik, Stichwort Novellierung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes, mit der er sich als Mitglied des Innenausschusses u.a. beschäftigt. "Gerade in der Innenpolitik ergeben sich viele Berührungspunkte zur Kommunalpolitik." Das trifft auch auf den Bereich Schule zu. Der 53jährige Rektor a. D., dessen Hauptschule wegen der Gesamtschule kurz vor der Landtagswahl geschlossen werden mußte, ist stellvertretendes Mitglied im Schulausschuß.
    Ein weiteres Anliegen ist für den CDU-Politiker die Kulturpolitik. Auch für ländliche Gemeinden dürfe nicht allein die materielle Infrastruktur zählen, sondern auch die geistige, meint er. "Es besteht die Pflicht, ein kulturelles Angebot vorzuhalten." Daher habe seine Gemeinde auch den Kulturetat bei der Durchforstung nach Einsparmöglichkeiten außen vorgelassen. Mit Betroffenheit denkt er noch an den vergangenen Herbst zurück, als bei einem Brandanschlag auf ein Asylantenwohnheim im benachbarten Hünxe zwei kleine Mädchen schwer verletzt wurden. Noch am gleichen Tag, am 3. Oktober 1991, brachte Heinrich Meyers mit städtischen Angestellten zwei Familien mit neun Kindern aus einem Wohnheim, dessen Fensterscheiben eingeworfen wurden, in einem sicheren Haus unter. Einen Tag später appellierte er in einer mit viel Beifall und Lob bedachten Rede im Plenum, "nicht den Teufel der Ausländerfeindlichkeit an die Wand zu malen und in die Köpfe der Menschen hineinzugeben.... Wenn wir mit dem Gerede von Ausländerfeindlichkeit so weitermachen, dann ist das eine Beleidigung für den überwiegenden Teil der Menschen in unserem Lande."
    Berührungs- und Gesprächspunkte mit den Bürgern im Kreis Wesel ergeben sich genug, sei es als CDU-Kreisvorsitzender, als einziger CDU-Landtagsabgeordneter für das Kreisgebiet oder als Bürgermeister von Hamminkeln. Für überregionale Schlagzeilen sorgte diese Gemeinde, als sie 1991 als erste in NRW gegen die Anrechnung der Fläche bei der Verteilung neuer Asylanten vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster Klage einreichte. Das Urteil steht noch aus, "aber ich bin überzeugt, daß sich diese Regelung im Gesetz nicht halten läßt".
    Für die Politik entschied er sich als junger Lehrer in der einklassigen Schule Marienthal im niederrheinischen Brünen. Dort herrschten 1966 — weit und breit wohl ein Kuriosum — außergewöhnliche politische Verhältnisse: Die F.D.P. besaß die absolute Mehrheit. Heinrich Meyers beschloß, sich der CDU anzuschließen "mit dem Ziel, im christlich-demokratischen Sinne die Verhältnisse in meiner Heimatgemeinde mitzugestalten". Dazu hatte er auch bald Gelegenheit. 1969 zog er in den Rat ein, avancierte zum Fraktionssprecher, bis die kommunale Neugliederung Brünen in die Gemeinde Hamminkeln aufgehen ließ. In Brünen gehörte der Pädagoge mit den Fächern Deutsch, Mathematik, Geschichte/Politik und katholische Religion noch der Oppositionsbank an, in Hamminkeln nun lernte er die andere, sicherlich angenehmere Seite kennen, "nämlich welche Möglichkeiten sich eröffnen, wenn man die Mehrheit hat." Im Landtag wiederum sitzt Heinrich Meyers erneut auf der Oppositionsbank. Er sieht da Parallelen zu seinem Lieblingsautor, dem er sich, wie er bedauert, wegen der politischen Arbeit nicht mehr viel widmen kann. In den Werken Franz Kafkas komme immer wieder das vergebliche Anrennen gegen festgefahrene Strukturen zum Ausdruck, die Zweifel an der eigenen Existenz. "Dieses Grundmotiv Kafkas ist bei den derzeitigen Verhältnissen im Landtag für die Opposition leicht nachzuvollziehen." Doch im Gegensatz zu Kafka, bei dem die Akteure vergeblich gegen das Unabwendbare aufbegehren, ist Meyers optimistisch, daß hier der Schriftsteller nicht recht behält.
    Peter Kummer

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921055

  • Porträt der Woche: Hermann-Josef Arentz (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 12.05.1992

    Auch wenn er längst nicht mehr der jüngste Abgeordnete des Landtags ist wie 1980, als seine Parlamentarierlautbahn begann, so sieht er für viele doch immer noch so aus. Hermann-Josef Arentz ist durchaus geneigt, dies auf der Habenseite abzubuchen, zum Berufsjugendlichen will er sich deshalb jedoch nicht machen lassen. Dazu ist das CDU-Mitglied mit inzwischen 39 Jahren auch viel zu alt und die Sozialpolitik außerdem seine große Leidenschaft.
    Aus kleinen Verhältnissen stammend, der Vater war Versicherungsangestellter, hätte er eigentlich auch den Weg in die Sozialdemokratie finden können, wo es viele Gleichgesinnte gab, die sich ebenfalls wie er "für die kleinen Leute einsetzen wollten". Daß es nicht so kam, liegt an dem rheinisch-katholischen Milieu, in dem er aufwuchs und das ihn bis heute prägt. Wer als kleiner Junge schon in der Knabenschola Gregorianische Gesänge schmetterte und jede Woche zum "Neu Deutschland" pilgerte, der läuft nie Gefahr, "Im Kohlenkeller Schlagschatten zu werten". Im heimischen Köln war es für die Arentz' eben klar, in welche Kirche sie sonntags zu gehen und welche Partei sie zu wählen hatten.
    Nur Sozialdemokrat sein und sich dann "für die kleinen Leute einsetzen,", das wäre dem Katholiken Arentz zu wenig gewesen. Er will nicht nur Solidarität, er will auch "Brücken bauen zwischen denen, die Hilfe brauchen, und denen, die sie geben wollen". Er will weg von der Allzuständigkeit des Staates hin zu einer Familie, die in der Lage ist, ihre Probleme weitestgehend selbst zu lösen; mit öffentlichen Hilfestellungen zwar, aber ohne die Mentalität: Der Staat wird's schon richten. Arentz will dieses Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre wieder stärker ins öffentliche Bewußtsein rücken, weil "Sozialpolitik auch Wirtschaftspolitik ist". Dieser Sozialstaat, in dem es für jedes "Wehwehchen" der Gesellschaft eine entsprechende Zuständigkeit gibt, werde wohl bald nicht mehr finanzierbar sein, so fürchtet Arentz. Auch deshalb müsse die Pflegeversicherung kommen und eine größere Bereitschaft der Bürger, sich persönlich einzusetzen.
    Der Anhänger von Oswald von Nell-Breuning sammelte sein theoretisches und praktisches Rüstzeug bei der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) und als Abteilungsleiter für Sozialpolitik in der Bundesgeschäftsstelle der CDU. Ans Gymnasium mit den Fächern Geschichte und Sozialwissenschaften wollte er nicht. Dafür hat es ihn immer zu sehr gereizt, theoretisches Wissen in praktische Politik umzusetzen, seit 1971 in der CDU und CDA, dem Arbeitnehmerflügel seiner Partei. Und er Ist einer der wenigen Christdemokraten in Nordrhein-Westfalen, der einem Bundesfachausschuß seiner Partei vorsitzt, dem für Sozialpolitik natürlich. Auf diesem Gebiet hat er sich von Anfang an durch Sachkompetenz und auch rhetorisches Geschick Aufmerksamkeit und Anerkennung erworben, auch bei seinem Hauptgegner in der parlamentarischen Arena, Sozialminister Hermann Heinemann. "Der ist ein Kämpfertyp", sagt Arentz über Heinemann, "und das mag Ich; der haut unheimlich drauf, aber das tu' Ich auch." Es macht Freude, ihm zuzuhören, weil es ihm Freude macht, zu argumentieren. Seine Lust am gesprochenen Wort ist unverkennbar, differenziert im Denken, volksnah In der Darstellung. Oder wie es der Abgeordnete selber ausdrückt: "Weizsäcker-Ideen in Adenauer-Deutsch." Daß er aus der Heimatstadt des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland stammt, hört man nicht nur an seiner Sprache, sondern ist fast zu spüren, wenn er mit Verve über den "Kölschen Klüngel" doziert. Seinen Werdegang in der Kölner CDU bezeichnet er als "Ranger-Ausbildung" In Sachen Politik: "wer das überstanden hat, der kann's". Andererseits kann natürlich auch ein Hermann-Josef Arentz nicht darüber hinwegsehen, "daß sich keiner mehr engagiert", weder in den Kirchen noch in den Gewerkschaften oder Parteien. Deshalb sei es unabdingbar, mehr "Mitwirkungsrechte" zu schaffen, mehr basisdemokratische Elemente einzuführen in den Parteirichtlinien, aber zum Beispiel auch in einer neuen Gemeindeordnung. Denn es stimme ja nicht, so hat Arentz festgestellt, 'daß die Leute sich nicht mehr engagieren wollten', sie wollten das bloß nicht mehr in so großen Einheiten wie den Kirchen oder den Parteien tun. Erkannt hat der Sozialpolitiker das vor allem in Berlin, wo von Weizsäcker und Fink vor Jahren zum ersten Mal selbstverwaltete kleine Projekte mit staatlichen Mitteln unterstützt haben und "auf eine große selbstlose Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung stießen". Wenn von den 30 Prozent, die damals in Berlin angaben, sich ehrenamtlich betätigen zu wollen, nur die Hälfte wirklich mitmache, so resümiert Arentz, "dann wären das schon fünfmal soviel, die es heute wirklich tun". Das "menschliche Potential", sich zu engagieren, gibt es also, "es wird nur nicht richtig genutzt". Oder nicht richtig angesprochen. Es müsse zum Beispiel auch die Möglichkeit geben, so findet der Abgeordnete, zeitlich begrenzt in einer Partei, in kirchlichen Gremien oder einer karitativen Institution mitzumachen, für ein bestimmtes Projekt oder eine bestimmte Aufgabe, für die man dann sein eigenes Spezialwissen einbringt. "Das nützt dem Projekt und dem, der es unterstützt." Das setzt allerdings auch eine hohe Flexibilität bei den Organisationen voraus. Die Leute wollen sich — so ein Modell — in einem festgelegten Zeitraum in einer Sache, die ihnen am Herzen liegt, engagieren. Dazu brauchen sie Mitwirkungs- und Stimmrechte, aber auch eine Arbeitsplatzsicherheit, die es ihnen ermöglicht, nach Beendigung ihres Engagements wieder auf ihren alten Posten zurückkehren zu können. "Die typische Parteikarriere mit Soldatenmentalität wird es vielleicht in Zukunft nicht mehr geben", denkt Arentz, und sie paßt vielleicht auch nicht mehr so ganz in die individualisierte Zeit des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Die dringend benötigte Hilfe und Erneuerung von außen können allerdings schon bald unerläßlich werden, wenn das gemeinsame Haus Europa seiner Vollendung entgegensieht. Arentz gehört nicht zu denen, die meinen, daß die Bundesländer, sprich Landtage und Landesregierungen, dann weniger zu sagen hätten als jetzt. "Europa der Regionen kann doch nur heißen", so ist er überzeugt, "weniger Bund und mehr Land." Vielleicht gelingt es dann auch "öfter als bisher, Landesthemen überzubringen, weil durch die Neugestaltung Europas die Landesparlamente auch mehr Zuständigkeiten erhalten". Wichtige Voraussetzung für eine selbstbewußte Landespolitik ist allerdings ein echtes Landesbewußtsein, das den Nordrhein-Westfalen bislang fehle. "Da sind uns die Bayern oder Hamburger ein gutes Stück voraus", findet Arentz, "aber danach bemißt sich auch der Stellenwert, den ein Landesparlament hat." Dessen Größe sei dagegen weniger wichtig als die Qualität. Weniger Abgeordnete, wie immer wieder diskutiert, bedeute außerdem weniger Kontakt zwischen Politik und Bürgern. Und wenn erst einmal der Bundestag nach Berlin umgezogen ist, "dann fehlen diese Kolleginnen und Kollegen auch noch in den Wahlkreisen", fürchtet Arentz. Viel wichtiger wäre ihm, "diese endlos langweiligen Rituale" abzubauen, um die Attraktivität des Landesparlaments zu erhöhen. Jeder Plenumstag solle zum Beispiel mit einer Fragestunde zwischen Parlamentariern und Regierungsmitgliedern beginnen, ohne Redemanuskripte und "abgekartete Fragen". Jeder solle so reden, wie "ihm der Schnabel gewachsen ist und nicht länger als 17.30 Uhr", wie Arentz schnell hinzufügt, "damit man auch die Chance hat, daß es am nächsten Morgen in der Zeitung steht". Denn was nützt die schönste Politik, wenn keiner darüber redet. "Da kann man sich ja gleich in die Toscana zurückziehen", was Hermann-Josef Arentz übrigens überhaupt nicht schwerfällt; allerdings nur in den Ferien.
    Rolf Kiefer

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI920940

  • Porträt der Woche: Franz-Josef Britz (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 17.03.1992

    Sein beruflicher und politischer Werdegang haben Franz-Josef Britz für zwei Parlamentsgremien prädestiniert: die Ausschüsse für Kommunalpolitik und Haushaltskontrolle. In beide bringt der CDU- Abgeordnete seine Erfahrungen als Kommunalpolitiker und Kenntnisse des Wirtschaftswissenschaftlers ein. Erst seit Mai 1990 im Landtag und in den beiden Gremien tätig, hat sein Wort aufgrund von Sachkenntnis und vorurteilslosem politischem Handeln bereits Gewicht.
    Der gebürtige Essener, Jahrgang 1948, studierte nach dem Abitur Wirtschaftswissenschaften an der Bochumer Ruhr-Universität mit dem Abschluß Diplom-Ökonom. Nach der anschließenden Referendarzeit an der berufsbildenden Schule in Gelsenkirchen und der Zweiten Staatsprüfung wurde er als Oberstudienrat nach Gladbeck berufen. Dort unterrichtete Franz-Josef Britz bis zur Wahl in den Landtag insbesondere Volkswirtschaft und allgemeines Rechnungswesen. Bereits in frühen Jahren in der katholischen Jugend und später in der Studentengemeinde aktiv, trat der Essener 1971 der CDU bei und gehört heute dem Kreisvorstand seiner Partei an.
    Kommunalpolitisch engagierte sich der Christdemokrat zunächst in der Bezirksvertretung des Stadtteils Steele/Kray mit seinen 80000 Einwohnern und wurde dann 1979 in den Essener Stadtrat gewählt. Als Finanzexperte seiner Fraktion und stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses machte sich Franz- Josef Britz stark für eine Privatisierung freiwilliger öffentlicher Leistungen bzw. dafür städtische Projekte in eine private Rechtsform zu überführen.
    Als Beispiel nennt der Abgeordnete das Theater in Essen, von der Stadt initiiert, aber von einer GmbH gebaut. Statt der geplanten Baukosten von 135 Millionen Mark kam man mit 120 Millionen Mark aus. "Durch diese private Rechtsform waren erhebliche Einsparungen möglich", resümiert der Christdemokrat. Diese Theaterbau GmbH hat das Theater dann an eine von der Stadt gegründete Gesellschaft verpachtet. Im Aufsichtsrat der Stadtwerke tätig, hat Franz-Josef Britz übrigens auch den Bau des Müllheizkraftwerkes mit Entschwefelung mitinitiiert. Inzwischen ist er aus dem Stadtrat ausgeschieden, weil nach einem ungeschriebenen Gesetz der örtlichen Partei Abgeordnete kein Doppelmandat ausüben sollen.
    Seine Motivation für die Arbeit im Landesparlament sieht der frühere Kommunalpolitiker insbesondere darin, auf die Probleme und Sorgen der Städte und Gemeinden aufmerksam zu machen und deren finanzielle Grundausstattung zu verbessern. In den früheren Jahren ärgerte es den Essener, daß Landtagsabgeordnete vor Ort die "Mütze des Kommunalpolitikers" aufsetzten und dann in Düsseldorf ausschließlich die Interessen des Landes vertraten. Der Landesparlamentarier drängt insbesondere darauf, daß die Zuweisungen des Landes an die Kommunen längerfristig verläßlich sind "andernfalls haben sie keine Planungsübersicht." Weiter tritt er dafür ein, daß bei einer Steigerung der Gemeinschaftssteuern auch der Anteil der Gemeinden wächst und sie die Zuweisungen des Landes möglichst nicht zweckgebunden erhalten. "Andernfalls besteht die Gefahr, daß die Kommunen manche Projekte planen, nur weil es dafür Zuschüsse gibt."
    Nachdrücklich plädiert der Parlamentarier auch für eine Reform der Gemeindeordnung mit Abschaffung der kommunalen Doppelspitze und der Urwahl des dann hauptamtlichen Bürgermeisters. Die Kommunalpolitik kann nach seiner Ansicht nur davon profitieren, wenn der Bürger unmittelbar darüber mitentscheiden kann, wer für sechs oder mehr Jahre die Geschicke einer Gemeinde verantwortlich leitet.
    Im Ausschuß für Haushaltskontrolle tritt Franz-Josef Britz dafür ein, daß das Parlament stärker seine Kontrollfunktionen gegenüber der Regierung wahrnimmt. Zu bemängeln sei auch, daß die Regierung aus den Berichten des Landesrechnungshofes nur selten, und dann ungenügend Folgerungen zieht. In diesem Zusammenhang erinnert er daran, daß die Rechnungsprüfer schon lange vor den Kienbaum-Gutachtern die Stellenberechnungen im Kultusministerium kritisiert hatten. "Ihre damaligen Feststellungen blieben aber ohne Resonanz."
    Auch in der Freizeit engagiert sich der Vater von zwei Kindern, acht und zwölf Jahre alt, noch regelmäßig im kirchlichen Raum; er gehört u.a. dem Pfarrgemeinderat an. In den Sommerferien geht's aber mit der ganzen Familie in die Berge, vornehmlich ins Salzburger Land. Dann wird von der Politik völlig abgeschaltet.
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI920556

  • Porträt der Woche: Heinz Paus (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 25.02.1992

    "Dort kann man einen Teil seiner zeitlichen Sündenstrafen sicherlich abbüßen." Heinz Paus (CDU) weiß, wovon er spricht: Seit 1985 hat er seine Fraktion in drei Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen des Landtags vertreten, die beiden ersten standen in Zusammenhang mit den Parteispenden, der dritte befaßte sich mit dem Gladbecker Geiseldrama.
    Unter parteien- und landesgeschichtlichen Aspekten seien seine beiden ersten Untersuchungsausschüsse durchaus "interessant und spannend" gewesen, zieht Paus ein Fazit aus heutiger Sicht. Festzuhalten bleibe, daß Spender verurteilt worden seien, während "Parteien sich in Grauzonen bewegt" hätten. Der Gladbeck-Ausschuß habe für ihn zutage gebracht, daß "die Führung sicherlich versagt hat". Doch die sich über 55 Sitzungen hinziehende Arbeit dieses Untersuchungsausschusses ließ bei ihm die Erkenntnis reifen, daß diese Form der Kontrolle durch das Parlament dringend reformbedürftig ist.
    Nach Auffassung von Paus mangelt es vor allem an "professioneller Zuarbeit" für die Mitglieder eines Untersuchungsausschusses. Denn diese würden mit einem "fast unübersehbaren Wust von Material konfrontiert", dessen Aufarbeitung so lange dauere, daß das öffentliche Interesse sehr rasch nahezu erlösche. Je länger ein Untersuchungsausschuß laufe, desto größer werde der Frust bei den Abgeordneten. Paus hält es für notwendig, daß ein Untersuchungsausschuß in kurzer Zeit — nach etwa sechs Wochen — ein Ergebnis seiner Arbeit vorlegen können muß. Neben einer verbesserten Zuarbeit von hauptamtlichen Fachkräften sei eine weitere Entlastung der Abgeordneten im Untersuchungsausschuß erforderlich: Während der Sitzungswochen des Ausschusses müßten sie weitgehend von anderer parlamentarischer Arbeit freigestellt werden.
    Seit fast sieben Jahren ist Paus, der 1980 erstmals in den Landtag gewählt wurde, innenpolitischer Sprecher und Justitiar der CDU-Fraktion. Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Notar sieht eines seiner Hauptarbeitsfelder im Landtag im Bereich der Inneren Sicherheit. Aus der Opposition heraus könne man zwar nicht viel bewegen; doch er zeigt sich zufrieden darüber, daß die Landesregierung jetzt erste Ansätze zu einer besseren Polizeibesoldung erkennen lasse, nachdem die CDU dazu bereits 1988 ein Gutachten vorgelegt habe. Eine Politik der Inneren Sicherheit nach dem Prinzig von "Law and Order" weist er keineswegs von sich, doch schränkt er sofort ein: "Eine friedliche Gesellschaft kann man aber nicht durch immer mehr Polizei erreichen." Im "Vorfeld" seien die Weichen zu stellen, in der Familienpolitik, in der Schule, in der Jugendarbeit.
    Durch den "Bagatell-Erlaß" von Innenminister Herbert Schnoor (SPD) sieht Paus "den Staat in seiner Glaubwürdigkeit nachhaltig betroffen". Es sei "schlimm", wenn die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen nur zwischen 16 und 17 Prozent liege. Durch den Erlaß werde die Polizei zwar "von Kleinkram entlastet". Wenn aber Straftaten nicht mehr verfolgt würden, dann könne dies "kriminelle Karrieren" fördern.
    In einem Punkt zeigt sich Paus "stolz" darüber, daß man aus der Opposition doch etwas bewegen könne. Jahrelang hätten SPD und Landesregierung die CDU-Forderungen nach Sammellagern und Sachleistungen statt Geld für Asylbewerber abgelehnt, jetzt seien sie aber auf diese Linie eingeschwenkt.
    Aus seiner lippischen Wahlheimat Detmold benötigt Paus, der im März 1948 im westmünsterländischen Alstätte geboren wurde, über zweieinhalb Stunden Zugfahrt, um die Landeshauptstadt zu erreichen. Nachdem er vor 20 Jahren in die CDU eingetreten war, übernahm er zunächst einige kommunale und regionale politische Aufgaben und Ämter. Neben seinem Landtagsmandat ist er Vorsitzender des Landesfachausschusses Innenpolitik der NRW-CDU und stellvertretender Vorsitzender des entsprechenden Ausschusses der Bundes-CDU. Dennoch, so versichert er, wendet er die Hälfte seiner Arbeitszeit für seine Anwaltssozietät in Detmold auf. Dort ist er auch in einem katholischen Kirchenvorstand und in einem Museumsverein aktiv. Als sportlichen Ausgleich nennt der Vater von zwei Söhnen das Joggen.
    Ludger Audick

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI920446

  • Porträt der Woche: Anne-Hanne Siepenkothen (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 1 - 14.01.1992

    Ihr parlamentarisches Herz gehört dem Petitionsausschuß, "kommt man doch dort viel mehr in Kontakt mit den Bürgern als in den anderen Ausschüssen", sagt Anne-Hanne Siepenkothen, die 1985 erstmals und 1990 erneut für die CDU ein Landtagsmandat errang. "Immerhin gehen rund ein Viertel aller Petitionen für die Potenten günstig aus — das sind schöne Erfolgserlebnisse für eine Politikerin in der Opposition." Zwar engagiert sich die Düsseldorferin bei dieser Arbeit besonders für die Behinderten und Kriegsverletzten, doch versucht sie, möglichst viele Themengebiete abzudecken. "Man darf sich nicht allein auf einen Bereich konzentrieren. Das macht nur betriebsblind."
    Nun arbeitet die 42jährige in ihrer zweiten Legislaturperiode für die CDU-Fraktion im Landtag. Ihr politisches Engagement geht auf eine spontane Entscheidung zurück: Als sie im Landtagswahlkampf 1975 auf einen Informationsstand der Jungen Union stieß, entschloß sie sich prompt, der Jungen Union und der CDU beizutreten. 1980 wurde sie in den vorstand der Düsseldorfer JU gewählt, wo sie zuletzt stellvertretende Kreisvorsitzende war. Sie wurde Mitglied der Frauenunion — dies aber anfangs, wie die Verbandsvorsitzende der KABF Westdeutschland heute freimütig gesteht, zuerst mit einer gewissen Skepsis. "Leider Gottes ist jedoch eine Vereinigung wie die Frauenunion auch heute noch sehr notwendig. Die Frauen brauchen eine Lobby, um sich durchzusetzen." Allerdings: Von einer Quotenregelung hält sie nichts, man sehe ja in der SPD, wohin dies führe, wenn zum Beispiel in Dortmund — trotz der Quote — alle sechs Wahlkreise mit Männern besetzt seien. Was nützten da die schönsten Absichtserklärungen? Frauen müßten statt dessen auch in der politischen Arbeit durch Qualität überzeugen.
    Als 1985 die damalige CDU-Landtagsabgeordnete des Wahlkreises, Margarete Verstegen, nicht mehr für ihren Düsseldorfer Bezirk antrat, schlug die JU mit Erfolg den Delegierten vor, Anne-Hanne Siepenkothen als neue Kandidatin vorzuschlagen. Als "waschechte" Düsseldorferin kannte sie die Probleme der dort lebenden Menschen. Allerdings waren in diesem "roten Wahlkreis" die Chancen für den direkten Einzug ins Parlament gering. Auch der Listenplatz schien nicht viel Hoffnung auf ein Landtagsmandat zu geben. Doch zur eigenen Überraschung schaffte sie den Sprung in den Landtag. Nach erstem Liebäugeln mit dem Schulausschuß entschloß sie sich dann — als aktive Reiterin und Vorsitzende des Reitsportvereins Düsseldorf-Eller lag dies nahe — für den Sport- und eben auch für den Petitionsausschuß, wo "eben ein ganz besonderes Klima herrscht. Hier geht man freundlicher und kooperativer miteinander um." Die Kleinarbeit im stillen, so porträtierte die Lokalpresse Frau Siepenkothen, sei mehr ihre Sache als die großen Reden. Sie sei "eine gute Adresse für alle, die von einem Abgeordneten nicht Gesten, sondern praktische Hilfen erwarten".
    Oft ist aber der Weg zum Erfolg mühevoll, wie das Beispiel der Düsseldorfer Polizeiwachen zeigt. Über eine Petition wurde sie auf die Zustände in der Wache an der Tannenstraße aufmerksam, durchgerostete Leitungen, mangelhaft ausgestattete Umkleideräume, alte Schreibmaschinen, bröckelnder Putz, der Personalmangel, der besonders deutlich wurde, als die Politikerin an einer nächtlichen Streifenfahrt teilnahm. "Da sieht man erst, wie groß der Schutzbereich ist und daß es zu wenig Einsatzwagen gibt, weil es an Beamten fehlt. Dann merkt man hautnah, wie schlecht es um die personelle Situation bei der Polizei bestellt ist."
    Inzwischen haben sich die Zustände in den Wachen gebessert, allerdings nur ansatzweise, denn "heute sitzen die Mäuse im Sofa".
    Peter Kummer

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist der Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI920138

  • Porträt der Woche: Gerhard Wächter (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 15 - 24.09.1991

    Herkunft, Beruf und Umgebung haben Gerhard Wächter mit dem ländlichen Raum fest verwurzelt. So sieht sich der CDU-Abgeordnete aus Wünnenberg-Helmern auch als Anwalt dessen Bewohner. Der heute 45jährige fordert für sie gleichwertige Lebensbedingungen — wirtschaftlich, sozial und kulturell — ein, wie in den städtisch geprägten Regionen.
    Im Kreis Paderborn geboren, besuchte Gerhard Wächter nach der Volksschule das Gymnasium; nach zweijährigem Bundeswehrdienst studierte er Volks- und Betriebswirtschaft an der Universität Münster. Während der Semesterferien halfen ihm In- und Auslandspraktika in Unternehmen und Behörden, sein Studium mitzufinanzieren. Anschließend wurde der Diplom-Volkswirt als Dozent für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an die Katholische Landvolkshochschule "Anton Heinen" in Hardehausen berufen. Ländliche Entwicklungspolitik war dabei sein Schwerpunkt. Auch heute noch als Landtagsabgeordneter lehrt er in zeitlich begrenztem Umfang an dieser Schule; nicht zuletzt deshalb, um selbst "vor Ort" praxisnahe Erfahrungen für seine Mandatstätigkeit zu sammeln.
    Der langjährige Diözesanreferent der Katholischen Landvolkbewegung im Erzbistum Paderborn trat 1971 der CDU bei und ist seitdem in mehreren Führungsämtern auf Orts- und Kreisebene tätig. Die parlamentarischen "Lehrjahre "absolvierte der Ostwestfale im Wünnenberger Stadtrat und Paderborner Kreistag. Als Nachfolger seines Parteifreundes Toni Schröder nominierten ihn die Delegierten einmütig 1990 zum CDU-Kandidaten für den Wahlkreis 117, Paderborn I, wo er im letzten Frühjahr mit einem deutlichen Wählervotum von 57,1 Prozent erstmals in den Düsseldorfer Landtag einzog. Die Fraktion berief ihren "Neuling "in den Verkehrs- und den Umweltausschuß.
    Der CDU-Abgeordnete sieht in einer bedarfs- und umweltgerechten Verkehrspolitik einen der Grundsteine für ein zukunftsorientiertes Nordrhein-Westfalen. Das Land im Schnittpunkt Europas müsse seine Chancen und Standortvorteile nutzen, die ihm die politische Öffnung des Ostens sowie der bevorstehende EG-Binnenmarkt bieten. Das gelte für alle Verkehrsträger. In einem neuen Verkehrskonzept sollte nach seiner Ansicht der öffentliche Nahverkehr mit seinen erwarteten starken Zuwachsraten ein Schwerpunkt sein. Ebenso entschieden lehnt der Christdemokrat allerdings eine "Verteufelung" des Autos ab.
    In der Umweltpolitik ist für Gerhard Wächter der Müll das gegenwärtig größte Problem. Die "Müll-Lawine" von jährlich 73 Millionen Tonnen müsse gestoppt werden. Dabei habe die Vermeidung von Abfällen in allen Bereichen die höchste Priorität. Und der unvermeidbare Restmüll müsse so entsorgt werden, daß alle denkbaren Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Natur auszuschließen seien. Weiter müsse die Recyclingquote weiter erhöht werden. Dazu zähle auch eine Optimierung der Abfallsortierung. Der CDU- Abgeordnete möchte Unternehmer wie Verbraucher stärker in die Pflicht nehmen. Die einen sollten im eigenen Interesse energiesparend produzieren, die anderen umweltbewußter kaufen. Angesichts des inzwischen hohen Standards der Umwelttechnologie zählt für Wächter zu einer umweltverträglichen Entsorgung auch die Müllverbrennung.
    Wenn Mandat und berufliche Tätigkeit es zulassen, widmet sich der heimatverbundene Ostwestfale den Vereinen. Nach der Kommunalreform 1975 hätten sie den drohenden Identitätsverlust der Dörfer aufgefangen und bildeten heute das Rückgrat der Ortsteile. Seine Vorliebe gilt dabei dem "runden Leder". Noch bis vor einem Jahr spielte der Abgeordnete als Rechtsaußen in der Altherren-Mannschaft des VfJ Helmern, jetzt zählt er zu den Stützen des FC Landtag. Dem Vater von zwei Kindern fiel im übrigen der Einstieg in das Landesparlament nach eigenem Bekunden "relativ leicht". Dafür nennt er das gute Fraktionsklima; aber auch Aufgeschlossenheit und Kontaktfreude des Paderborners mögen dazu beigetragen haben.
    Jochen Jurettko

    ID: LI911545

  • Porträt der Woche: Franz-Josef Balke (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 13 - 16.07.1991

    "Es ist schon ein Unterschied, ob man als Politiker Regierungsverantwortung mitträgt oder Oppositionsarbeit leisten muß." Seit er das Direktmandat im Gütersloher Wahlkreis 102 errang, hat Franz-Josef Balke ein neues Gefühl für Politik entwickelt. In seiner ostwestfälischen Heimat bestimmt der CDU-Politiker als Mitglied der Mehrheitsfraktionen im Verler Gemeinderat und Gütersloher Kreistag die Politik vor Ort mit. Im Landtag muß er mit den "harten Bänken der Opposition" vorlieb nehmen.
    Doch das ficht den 52jährigen Tischlermeister nicht an. Als Abgeordneter im Landesparlament hat er sich zwei Schwerpunkte für seine politische Arbeit vorgenommen. In erster Linie sieht er sich als Vertreter seines Wahlkreises, "denn dafür wurde ich gewählt", umreißt er den einen Teil seiner selbstgestellten Aufgabe. Zum anderen will sich Balke in den Dienst einer "verantwortungsvollen Politik" stellen. Das bedeutet für ihn, in die Arbeit seiner Fraktion — angesichts einer dritten oppositionellen Kraft in der neuen Legislaturperiode jetzt ohnehin schwieriger — seinen Sachverstand und seine immerhin zwanzigjährige politische Erfahrung einzubringen.
    Das alles wird allerdings, so Balkes eigene Einschätzung, eher "unauffällig" geschehen. Er hält nichts davon, sich unnötig in den Vordergrund zu spielen. Zuhören, sich erst sachkundig machen und in die parlamentarische Arbeit hineinwachsen, um ihr dann möglichst große Effizienz zu verleihen, ist seine Devise, nicht aber "Fensterreden in der Fraktion" zu halten. Sein Motto: "Wer hoch fliegt, kann tief fallen." Diese Unauffälligkeit entspricht auch seinem Prinzip, aus der Politik keinen Beruf zu machen. Selbst als er sich durch Veränderungen bei seinem Arbeitgeber im vergangenen Jahr zum Schritt in die Selbständigkeit entschloß, gab es für ihn zu keinem Zeitpunkt die Alternative, zum Berufspolitiker umzusatteln. Balke: "Die Sicherheit für meine Familie und mich kann nur in meiner beruflichen Arbeit liegen." So hat er bewußt die Bürde auf sich genommen, neben seinen Aufgaben auf kommunaler und Landesebene eine handwerkliche Vertriebsgesellschaft für Bauelemente aufzubauen.
    Zur Politik kam der gebürtige Paderborner "eher durch Zufall". Die Kolpingfamilie, der er seit über 25 Jahren angehört, überredete ihn 1970, den Vorsitz der Jungen Union (JU) in Verl zu übernehmen. Schon 1973 wurde er in den Kreistag Gütersloh gewählt. Die kommunalpolitische Arbeit als finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion prädestinierte ihn, der inzwischen zum stellvertretenden JU-Kreisvorsitzenden avanciert war, alsbald für ein zweites kommunalpolitisches Amt. 1975 begann seine erste Legislaturperiode im Gemeinderat von Verl, wo er als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union bis zur Kommunalwahl 1990 Verantwortung trug. Sein zurückhaltender, deswegen aber nicht weniger effektiver Arbeitsstil in der Politik brachte ihm nicht nur in den eigenen Reihen Anerkennung. 1985 wurde Balke vom Kreistag Gütersloh zum stellvertretenden Landrat gewählt, 1988 schließlich übernahm er das Landratsamt. Als "Neuling" in der Landtagsfraktion — Balke zog als Wahlkreis-Nachfolger von Hubert Doppmeier, dem langjährigen wohnungsbaupolitischen Sprecher und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU, ins Parlament ein — kam es ihm nicht darauf an, sich sein Arbeitsfeld frei auszusuchen. Er hätte auch die eher "undankbaren", weniger auffälligen Aufgaben übernommen, in der Einsicht, daß sie nicht nur gemacht werden müssen, sondern auch wichtige Rädchen im Getriebe der Volksvertretung sind. Mit seinen Sitzen in den Ausschüssen für Städtebau und Wohnungswesen sowie für Haushaltskontrolle ist er jetzt in zwei Entscheidungsgremien präsent, die gerade in der heutigen Zeit wichtige politische Funktionen haben. Balke ist zudem für beide Bereiche kompetent, hat er doch in den vielen Jahren kommunalpolitischer Arbeit seine Schwerpunkte im Bauwesen und Planungsrecht sowie in der Finanzpolitik gefunden.
    Mit seinen politischen Aufgaben in Wahlkreis, Kommune und Landtag ist Balkes Arbeitszeit ausgelastet. Die Abstimmung der Termine vor Ort in Verl und Gütersloh mit den neuen Herausforderungen in Düsseldorf klappt, und auch -die Mandate ergänzen sich gut. Doch ganz ohne Einschränkung läßt sich die Mehrbelastung auch für Tischlermeister Balke nicht verkraften. Hatte er es noch bis in den Wahlkampf hinein geschafft, sich die Mittwochabende freizuhalten für "seinen" Kirchenchor in Verl, nach der Devise: "Mein Chorsingen lasse ich mir von niemanden nehmen!", mußte der musikantische Handwerker nun doch "klein beigeben". Langen Atem zu beweisen, ist dem Westfalen jetzt erst einmal wichtiger im Konzert der Politik.
    Sievert Herms

    ID: LI911352

  • Porträt der Woche: Regina van Dinther (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 11 - 18.06.1991

    Regina van Dinther aus Wetter an der Ruhr gehört zur Riege der jungen und ehrgeizigen Frauen, die gleich zu Beginn ihrer Landtagsarbeit vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Helmut Linssen mit Führungsaufgaben bedacht wurden. Die 32jährige weist mit spürbarem Stolz darauf hin, daß sie nicht irgendwo in den hinteren Reihen, sondern in der zweiten Reihe im Plenum ihren Platz habe. Die Diplom-Ingenieurin für Bekleidungstechnik ist frauenpolitische Sprecherin der größten Oppositions- Fraktion; in dieser Eigenschaft ist sie im ganzen Land unterwegs.
    Manche Frauen, so klagt Frau van Dinther, hätten immer noch Hemmungen, Führungsaufgaben wahrzunehmen. Sie hingegen betrachte es als ganz normal, wenn Frauen in herausgehobener Funktion wirkten. Sie gesteht, auch überhaupt kein schlechtes Gewissen zu haben gegenüber Männern, die sich angesichts des Vormarsches der Politikerinnen vielleicht hintangesetzt fühlen. "Ich habe schon zehn Jahre intensiv für die Partei gearbeitet, davon acht Jahre als eine der wenigen weiblichen Kreisvorsitzenden der Jungen Union."
    Bei der Jungen Union hat die junge Abgeordnete ihren Mann kennengelernt, einen Wirtschaftswissenschaftler, der momentan vor dem zweiten juristischen Staatsexamen steht. Die Arbeit im Landtag betrachtet sie als ihren neuen Beruf; als Assistentin des Betriebsleiters sei es ihr in ihrem erlernten Beruf schnell aufgegangen, daß Frauen es im Arbeitsleben immer noch viel schwerer hätten als ihre männliche Kollegen. Frauen müßten ehrgeiziger sein, um das gleiche zu erreichen wie Männer, behauptet sie.
    Regina van Dinther legt jedoch Wert darauf, nicht als kühl kalkulierendes "Karriereweib" mißverstanden zu werden. Nie hätte sie unverheiratet bleiben wollen, um Karriere zu machen. Und auch die Mutterrolle nimmt sie mit Selbstverständlichkeit an. Die noch nicht ein Jahr alte Tochter wird von ihrer Zwillingsschwester in Wetter mitversorgt. Aus dem Ruhrgebiet will sie nicht weg. Dort leben die Verwandten, die Freunde. Sie sei sich mit ihrem Mann darin einig, daß selbst ein lukratives Angebot die Familie nicht fortlocken könnte aus der Heimat: "Ein paar Mark mehr oder weniger — was hat das mit Lebensqualität zu tun?" 1978 kam Regina van Dinther zur CDU. Als Grund für die Entscheidung nennt sie unschöne Schulerlebnisse. Linke Lehrer hätten ihr, der Tochter eines selbstständigen Handwerksmeisters, oft zu verstehen gegeben, sie sei ja eigentlich auch ein Kapitalisten-Sprößling. Der Ärger saß tief: Die Eltern hätten hart arbeiten müssen, zu Hause habe man auch manchmal verzichten müssen, und dann solch ungerechte Anspielungen!
    Schon bei ihren ersten Schritten in der Politik entdeckte van Dinther ein Thema, das sie heute noch sehr bewegt und beschäftigt: Die Problematik des Paragraphen 218 und den Schutz des ungeborenen Lebens. Sie vertritt eher konservative Positionen, wehrt sich aber ebenso entschieden gegen Sexualvorstellungen der Kirche wie einer Abtreibungs-Beliebigkeit, wie sie den Grünen vorschwebt. Das Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau dürfe nicht im Vordergrund stehen, es sei durch das andere, das werdende Leben, eingegrenzt. Sie tendiert zum Vorschlag von Rita Süssmuth, der eine Straffreiheit bei Abtreibung bis zur 12. Schwangerschaftswoche vorsieht, sofern sich die Frau zuvor einer Beratung unter-' zogen hat. Von ihrer katholischen Kirche, der sie sehr verbunden ist, erwartet sie einen Dialog und die Bereitschaft, neue Antworten zu suchen auf Fragen nach der Sexualität. Die strenge Sexualmoral des Papstes mißfällt ihr: "Gott hat uns Menschen schließlich nicht mit Sexualität ausgestattet, weil das was Schlimmes ist."
    Ihre politischen Vorbilder in der CDU gehören sämtlich zum sogenannten fortschrittlichen Parteiflügel: An erster Stelle nennt die 32jährige den früheren Generalsekretär Heiner Geißler, dann den ehemaligen CDU-Chef von NRW, Kurt Biedenkopf, und Rita Süssmuth. Über Helmut Kohl spricht sie anerkennend von der "Leistung" des Kanzlers. Die Qualitäten ihrer Fraktionsumgebung im Landtag möchte sie noch nicht beurteilen, dazu sei sie noch nicht lange genug dabei. Sie räumt ein, daß es für die CDU schwierig sei, "in der Opposition Stars zu entwickeln".
    Am historischen Abend vor der Wiedervereinigung war Regina van Dinther zunächst in der Kirche; anschließend wurde im großen Kreis gefeiert. Eine emotionale Beziehung zum vormals anderen Teil Deutschlands hatte sie nach eigenem Bekunden schon lange. Sie erinnert an zahlreiche Protestaktionen der Jungen Union an der Mauer. In Turnhallen habe man damals in West-Berlin übernachtet. Ihr Hobby ist Singen. Seit Jahren gehört sie einem Chor an, bei dem auch Behinderte mitwirken. Als politisches Credo gilt der jungen Frau der Satz Geißlers, wonach die Menschen spüren müßten, daß es bei einer CDU-Regierung gerecht zugehe im Lande.
    Reinhold Michels

    ID: LI911156

  • Porträt der Woche: Norbert Giltjes (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 30.04.1991

    Die Politik interessiert ihn nach seinen Worten schon von "Kindesbeinen an". Die ersten Lebensjahre von Norbert Giltjes, Jahrgang 1942, prägten stark sein späteres politisches Engagement: Sein Vater fiel im Krieg, seine Heimatstadt Emmerich wurde durch Bombenangriffe zerstört, und ein enger Freund seiner Familie, Kaplan Theodor Storm, starb im Konzentrationslager der Nationalsozialisten. Der heutige CDU-Landtagsabgeordnete wuchs in einer politisch interessierten Umgebung auf, die nach Kriegsende sich die Frage stellte, wie der neue demokratische Staat aufgebaut werden solle und die dann selbst Hand anlegte.
    So schloß sich Norbert Giltjes schon in frühen Jahren einer politischen Jugendorganisation an, der Jungen Union, wurde bald darauf Orts- und dann Kreisvorsitzender. Zur selben Zeit absolvierte er das Gymnasium in Emmerich und studierte anschließend Pädagogik und Geschichte an der münsterischen Universität. Zunächst Lehrer an einer Volks- bzw. Hauptschule, wurde er nach dem Zweiten Staatsexamen ins Lehrer-Studienseminar in Emmerich berufen und 1970 dann dessen Leiter. 1984 avancierte der Niederrheiner zum Schulrat beim Düsseldorfer Schulamt, wo er die Aufsicht über vierzig Schulen übernahm. Heute ist er als Schulamtsdirektor wegen seiner Mandatsübernahme vom Dienst freigestellt.
    Parallel zur beruflichen Tätigkeit engagierte sich Norbert Giltjes in der CDU und für seine Heimatstadt. Bereits 1969 wurde er Ratsmitglied und seit 1979 ist er Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion. Zwischendurch, 14 Monate lang, war der Christdemokrat Bürgermeister, bei der letzten Kommunalwahl 1989 fehlten seiner Partei genau 185 Stimmen, um wieder den "ersten Bürger" stellen zu können. Finanzen, Wirtschaftsförderung und natürlich der Schulbereich sind die Schwerpunkte seines kommunalpolitischen Wirkens.
    Der stellvertretende Vorsitzende des CDU- Kreisverbandes Kleve gewann 1990 den Wahlkreis 61 Kleve II wieder für die Union, wie zuvor schon mehrere Male sein Parteifreund und frühere Landtagsabgeordnete Gert Brock. Die Fraktion berief den Niederrheiner in den Schulausschuß sowie als stellvertretendes Mitglied in den Haupt- und kommunalpolitischen Ausschuß. Er ist auch Obmann der Fraktion für Europafragen.
    Als Kenner der Sorgen der Grenzregion plädiert der Emmericher für eine mittel- und langfristige Strukturhilfe für diesen Raum, um die unmittelbaren Nachteile nach Einführung des EG-Binnenmarktes 1993 auszugleichen. Am Beispiel der dort zahlreich ansässigen Zöllner und Spediteure weist er daraufhin, daß viele Bewohner derzeit "von der Grenze leben". Überhaupt müsse das Land nach seiner Auf fassung mehr Verantwortung gegenüber den Kommunen zeigen und sie an seinen Einnahmen angemessen beteiligen. Das Gemeinde finanzierungsgesetz 1991 trage dieser Verantwortung keine Rechnung.
    Als Lehrer mit den Problemen der Schule vertraut, plädiert er für eine größere Autonomie der Schulen. Ihnen müsse mehr Gestaltungsspielraum zugebilligt werden, was natürlich auch die Pädagogen selbst zu größerer Verantwortung verpflichten würde. Der CDU-Abgeordnete ist ein entschiedener Befürworter einer Verkürzung des Weges zur Hochschulreife um ein auf zwölf Jahre. Sie würde den Jugendlichen mehr Chancen im beruflichen Wettbewerb mit den anderen Europäern geben. Die jungen Menschen erreichten erst mit durchschnittlich 28 Jahren den Hochschulabschluß. Damit werde ihnen auch lange die Chance vorenthalten, ihr Leben selbst zu gestalten und in Beruf wie Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen.
    Norbert Giltjes macht es nach seinen Worten "Spaß", in einer sehr kollegial eingestellten Fraktion zu arbeiten. "Viele neue Abgeordnete müssen wie ich erst Erfahrungen sammeln, was den eigenen Start erleichtert." Der Vater von zwei Kindern empfindet die Abgeordnetentätigkeit denn auch als ein Hobby, wo man sehr viel dazulernen könne. Und anspielend auf die Diäten meint der Niederrheiner, "wer gut bezahlt wird, muß auch gute Leistungen bringen". So kümmert er sich intensiv um den eigenen Wahlkreis, hält Bürgerstunden ab und erkundigt sich bei seinen Gängen durch die Ortsteile vor der Haustür nach den Alltagssorgen der Bewohner.
    Jochen Jurettko

    ID: LI910848

  • Porträt der Woche: Maria Theresia Opladen (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 23.04.1991

    Natürlich war Maria Theresia Opladen von der CDU am Wahltag, 13. Mai 1990, in aller Munde. Sie hatte der SPD den Wahlkreis Bergisch-Gladbach abgenommen, gar den sich haushoch überlegen dünkenden damaligen Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen geschlagen. Frau Opladen bekam zwar nur 209 Stimmen mehr als Jochimsen, aber die Sensation war perfekt im Rheinisch-Bergischen. "Ich bin eben — anders als der Wirtschaftsminister es war — in Bergisch-Gladbach verwurzelt, bin dort bekannt, zur Schule gegangen, war ortskundig und wußte stets, worüber ich mit den Leuten redete." So versteht die Rechtsanwältin, die in einer Kölner Kanzlei bislang vier Stunden vormittags arbeitete ("Meinen Beruf werde ich wohl jetzt weitgehend drangeben"), politische Arbeit: Engagement vor Ort, Sorgen und Nöte der Bürger unmittelbar erfahren und dann möglichst schnell helfen.
    Sie habe gar nicht unbedingt in die Landespolitik gewollt, sagt die junge Mutter (Jahrgang 1948) von drei Kindern zwischen 16 und elf Jahren. Die CDU, der sie seit 1969 angehört und für die sie seit 1983 im Rheinisch-Bergischen Kreistag wirkt, sei an sie herangetreten. Natürlich habe sie ihren Mann, einen Studiendirektor für Mathematik und katholische Religion, um Rat gefragt. Der habe gemeint, sie müsse die "einmalige Chance" wahrnehmen.
    Frau Opladen, die sehr selbstbewußt wirkende Tochter des früheren Bundesinnenministers Paul Lücke (CDU), bekennt sich zur Frauenpolitik. Frauen hätten es in Politik und Beruf immer noch schwer, würden kritisch beäugt nach dem Motto: Kann die das, was hat die für Beine? Sie ist überzeugt, daß Frauenpolitik solange nötig ist, solange die Repräsentanz von Frauen in Politik und Gesellschaft noch nicht selbstverständlich ist. Sie könne sich wenig beklagen, habe als Tochter aus einer bekannten Politiker-Familie, als Anwältin vergleichsweise gute Startmöglichkeiten als Frau gehabt.
    Fast mehr noch als die Frauenpolitik interessiert sich die neue CDU-Abgeordnete für den Umweltschutz — nach ihrer Ansicht ein geradezu klassisches Thema für eine im besten Sinne konservative Partei wie die Union. Es dürfe nicht sein, daß sich die CDU im Zweifel für Wirtschaftsinteressen entscheide. Die Vorstöße von Bundesumweltminister Töpfer (CDU), etwa zum Pfand auf Plastikverpackungen, unterstützt sie lebhaft. Müllvermeidung, nicht hingegen Müllverbrennung, sei das Ziel. Wenn die Wohlstandsgesellschaft so weitermache wie bisher, sitze sie in 100 Jahren auf einer riesigen Müllgrube. Dem Umweltausschuß des Landtages gehört Frau Opladen nur als Stellvertretendes Mitglied an. Sie findet sich damit ab, meint gar, das helfe ihr, politisch nicht einseitig zu werden. Dafür möchte sie sich zum Beispiel im Innenausschuß künftig auch um hochaktuelle Themen wie Innere Sicherheit, Asylanten, Aussiedler kümmern.
    Im Gespräch mit ihr meint man eine gewissen Enttäuschung darüber zu spüren, daß sie in der CDU-Fraktion — anders als andere weibliche Abgeordnete — noch kein Sprecheramt erhalten hat. Sie widerspricht aber energisch beim Stichwort "Enttäuschung". Sie wolle erst einmal schauen, was werde. Sie halte nichts von Politikern, die kommen, sehen und siegen. Dann folgt der Satz: "Wenn ich gewollt hätte, wäre ich was geworden." Auf jeden Fall will sie in fünf Jahren den Wahlkreis Bergisch-Gladbach verteidigen. Sie will beweisen, daß sie "nicht umsonst einen Vorsprung gegenüber einem amtierenden Minister" erreicht hat.
    Zu Hause möchte sie trotz aller zusätzlichen Arbeit ihr Klavierspiel wieder verbessern; früher habe sie sehr gut gespielt, nun nehme sie noch einmal Unterricht. Zur weiteren Entspannung zählen Kriminalromane, bevorzugt die von Patricia Highsmith. Den großen Öko-Garten daheim pflegt und hegt der Ehemann, während die Dame des Hauses die ganze Familie aus eigenem Anbau "bekocht".
    Reinhold Michels

    ID: LI910740

  • Porträt der Woche: Hannelore Brüning (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 5 - 19.03.1991

    Die "Nüchternheit des Landtagsbetriebes" und der Wust von Anträgen, durch den sich die Landespolitiker ständig durchzuarbeiten haben, nennt Hannelore Brüning als gravierendste Eindrücke in ihrem ersten Jahr als Abgeordnete der CDU-Fraktion.
    Andererseits aber habe ihr die gute Zusammenarbeit der Abgeordneten untereinander Mut gemacht: "Wir Kollegen helfen uns gegenseitig", nennt sie eine ihrer positiven Erfahrungen in ihrer noch jungen parlamentarischen Laufbahn. Dabei hat die Münsterländerin mit dem Direktmandat des Wahlkreises 95 (Steinfurt I — Coesfeld II) Hilfe zumindest in einem Bereich kaum mehr nötig: Bei der Mittelstandspolitik.
    Dieses Metier hat sie von der Pike auf gelernt, angefangen von der kaufmännischen Lehre über die Arbeit als Buchhalterin bis hin zur "Chefin" des kaufmännischen Bereichs in dem Handwerksbetrieb, den sie vor 20 Jahren zusammen mit ihrem Ehemann, einem Gas- und Wasserinstallateurmeister und Heizungsbauermeister, in Neuenkirchen/Kreis Steinfurt aufbaute und der heute zehn Mitarbeiter beschäftigt. Die Mitarbeit im Handwerksunternehmen liegt ihr sehr am Herzen. Die daraus erwachsende wirtschaftliche Unabhängigkeit macht ihr das politische Geschäft leichter, selbst wenn zusätzliche Belastungen damit verbunden sind, und Firma und Familie immer wieder einmal hinter den politischen Pflichten rangieren müssen. Seit 1979 ist die CDU-Politikerin auf kommunaler Ebene aktiv, hat inzwischen einen reichen Erfahrungsschatz über den rein mittelständischen Bereich hinaus sammeln können. Unter anderem als Ratsmitglied in ihrer Heimatgemeinde, wo sie den Jugend- und Kulturausschuß leitet und als stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion amtiert. "Für das Mandat muß gearbeitet werden", nimmt sich Frau Brüning selbst in die Pflicht ihres direkten Wahlerfolges vom Mai 1990. Jetzt trägt sie doppelt auf ihren Schultern, im Neuenkirchener Rat und in Düsseldorf, wo sie neben ihrer Heimatgemeinde weitere 14 Kommunen vertritt: "Der Wahlkreis erwartet etwas."
    Für ihre Düsseldorfer Tätigkeit macht sich zusätzlich zu ihren kommunalpolitischen Kenntnissen bezahlt, daß sie ihre beruflichen Erfahrungen in die politische Arbeit einbringen kann. So setzt sie sich beispielsweise dafür ein, den ausufernden Bürokratismus einzudämmen und den Paragraphendschungel zu lichten, der vor allem die kleinen und mittelgroßen Betriebe zu überwuchern droht. "Das Handwerk braucht Bewegungsfreiheit und nicht immer noch mehr Einengung durch oft viel zu strenge und belastende behördliche Auflagen", lautet eine ihrer aus Erfahrung gewonnenen Überzeugungen.
    Als besonders wertvoll empfindet es Hannelore Brüning, daß sie aus ihrer kommunalpolitischen Arbeit heraus die Landespolitik besser auf ihre Auswirkungen hin überprüfen kann. Dabei schneidet das Land nicht gerade gut ab: "Die Gemeinden brauchen viel mehr Spielraum, aber das Land blockiert eine gewerbefreundliche Kommunalpolitik." Gerade bei der Wirtschaftsförderung vermißt sie die nötige Phantasie, die dann auch den kleinen und mittleren Betrieben im ländlichen Bereich einmal Vorteile brächte. Ein weites Betätigungsfeld tut sich da der Politikerin auf, die bei der Nominierung für die Parlamentsausschüsse durch ihre Fraktion an zwei wichtige Schaltstellen politischer Entscheidungen delegiert wurde.
    Die Mitarbeit im Ausschuß für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie ist bei Frau Brünings Hintergrund schon nahezu als Pflicht anzusehen, aber auch im Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen ist sie als ausgewiesene Mittelständlerin und Handwerksfrau eine "Bank" für die Union. Dabei gerät weder für die CDU-Abgeordnete noch für ihre Fraktion ihr wichtigstes Anliegen aus den Augen, nämlich dem Mittelstand und dabei besonders Handwerk und Handel mehr Gehör zu verschaffen und damit auch eine gewisse Portion Öffentlichkeitsarbeit für die kleinen und mittleren Unternehmen in NRW zu betreiben.
    Immer wieder hat Hannelore Brüning die Erfahrung gemacht, daß selbst profilierte Wirtschaftsfachleute — und besonders die aus der Politik — die Funktionen, Aufgaben und Organisationsformen des Mittelstandes nur gerade eben oberflächlich kennen, von den Auswirkungen politischer Entscheidungen und den daraus oftmals existenzbedrohenden Nöten ganz zu schweigen. Besonders die Unübersichtlichkeit der Wirtschaftsförderung mit ihrer undurchschaubaren Programmvielfalt geht ihr als praxisverbundene Mittelständlerin gegen den Strich: "Der Papierkram wächst jedem kleinen und mittleren Unternehmer über den Kopf." Für Frau Brüning ist daher die Gewerbeförderung mit ihren jetzigen Auswüchsen eine schiere "Wirtschafts-Verhinderungspolitik".
    Den Verdacht, daß die Neuenkirchenerin ihren Wahlkreis der herrschenden Modeströmung frauenfreundlicher Politik verdanken könnte, als sie für die Nachfolge des langjährigen CDU-Abgeordneten Franz Riehemann kandidierte, räumt allein schon das Gespräch mit ihr aus. Aber sie macht aus ihrem Selbstbewußtsein auch kein Hehl: "Ich bin keine Quotenfrau, sondern möchte aufgrund meiner Kenntnisse und Fähigkeifen anerkannt werden." Die Tendenz, sich in den parteilichen Personaldiskussionen mehr auf die Frauen zu besinnen, möchte sie in diesem Sinne weiter unterstützen. "Es müßten noch viel mehr Frauen in der Politik aktiv mitarbeiten, und zwar jede auf dem Fachgebiet, das sie am besten beherrscht." Das muß beileibe nicht immer der alibibehaftete Sozialbereich sein. Das beste Beispiel dafür, daß es auch anders geht: Hannelore Brüning selbst.
    Sievert Herms

    ID: LI910532

  • Porträt der Woche: Dr. Jürgen Schwericke (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 2 - 29.01.1991

    Lange zu fackeln — das ist Jürgen Schwerickes Sache nicht. Wenn Dinge, die er für entscheidungsreif hält, noch lange und breit begutachtet, beredet, hinterfragt werden, versteht er die Welt nicht mehr. Seit Mai sitzt der Chefjurist der Bayer AG für die CDU im nordrhein-westfälischen Landtag. Blüm und Worms haben ihm zur Kandidatur geraten, mehr noch: Sie haben die Kandidatur gewünscht. Der 59jährige gebürtige Berliner, der seit 1961 in Leverkusen lebt, ist ein Mann der Wirtschaftspraxis, der im politischen Gespräch sehr zurückhaltend wirkt, wenn nicht über sein Fachgebiet, sondern über allgemeinpolitische Angelegenheiten oder gar über Personalfragen diskutiert wird. Dann blickt er manchmal geradezu hilflos in die Runde, sagt etwas eher Belangloses oder verweist darauf, daß er doch erst seit wenigen Monaten im Landtag sei.
    Schwericke ist skeptisch gegenüber den Parlamentskollegen, die zu allem und jedem etwas beizutragen haben. Das geht seiner Ansicht nach zu Lasten der Sachkompetenz. Im Landtag werde zu lange geredet, findet er; es müsse doch möglich sein, zu einem Thema nach der Devise zu reden: Wo liegt das Problem? Welche Lösungsmöglichkeiten bestehen? Für welche davon entscheiden wir uns? Basta, und dann solle gefälligst gehandelt werden. Er ärgert sich über Verzögerungen etwa zum weiteren Braunkohleabbau im rheinischen Revier Garzweiler II, oder über mangelnde Entscheidungsfreude in punkto "Transrapid". Die Landesregierung wolle bei Garzweiler nur Zeit schinden, er halte den weiteren Braunkohleabbau unter Berücksichtigung von Naturschutzgesichtspunkten für geboten. Und zu "Transrapid" habe er noch kein grundsätzliches Nein gehört. "Warum", so scheint er zu fragen, "sagen wir dann nicht einfach Ja?"
    "Ich bin für schnelle und robuste Entscheidungen", ergänzt der Fußball- und Boxsportfreund, der von 1974 bis 1984 Präsident von Bayer 04 Leverkusen war. An den Bundesligaaufstieg von 1979 erinnert sich Schwericke besonders gerne. Bei seinen Fußballern fühle er sich wohler als bei manch feinem Essen, meint er und blickt da etwas mißmutig auf das schaumige Dessert im Erster-Klasse-Restaurant: "Lieber wäre mir statt dessen eine anständige Portion roter Grütze."
    Er sei halt ein Naturbursche. Geradeheraus und ehrlich, auch unkompliziert, so gibt er sich: Politik betrachtet er wie sportlichen Wettkampf. Bis 1969 gehörte er der F.D.P. an. Als die Liberalen den historischen Schwenk zur SPD machten, wandte sich Schwericke ab: Er sei politisch immer gegen die Sozialdemokraten gewesen. 1975 folgte der Eintritt in die CDU, mit der er besonders wegen Kohls Führung sehr zufrieden sei. Er nimmt sich als unabhängiger Mensch natürlich die Freiheit, in manchen Dingen anderer Meinung zu sein als die NRW-Union. Zur CO2-Abgabe sagt er deutlich Nein, das Regierungssitz-Votum pro Bonn lehnt er ab. Die Historie spreche für Berlin als Sitz von Parlament und Regierung, man werde sich in einigen Jahren ."dorthin orientieren".
    Über sich selber gibt Schwericke freimütig weitere Auskünfte: Er repräsentiere nicht den Kultur- und Sozialflügel der CDU, sondern den wirtschaftskonservativen Flügel der Partei. Er sei aus Überzeugung und Freude in der Landespolitik tätig und nicht wegen der Diäten, die es im Landtag gebe. Offen bekennt er seine auch wirtschaftliche Unabhängigkeit. Kapitalist sei er aber nicht, eher ein Kumpel in der CDU. Mit den handfesten Betriebsmeistern bei Bayer kommt er nach eigenem Bekunden oft politisch und menschlich besser klar als mit Theoretikern, die "so furchtbar lange studiert haben". Von des Gedankens Blässe sieht man bei Schwericke nichts: das politische Leben sollte sich ein bißchen an den Gepflogenheiten beim Fußball orientieren: Schuß und Tor, so muß es sein. Schwericke liebt die schlichten Botschaften. Eine davon lautet: Privatisierung öffentlicher Aufgaben, wo immer möglich. An das Thema "Privatisierung " will er "rangehen", über dieses und anderes solle bloß nicht lange "rumgeredet" werden. Immer wieder kommt diese Botschaft: Probleme erkennen und lösen, nur nichts allgemeinpolitisch oder auch parteipolitisch "zerquatschen".
    Das gilt auch für die Debatte über die Senkung der Unternehmenssteuern. Daß die Koalition damit bis 1995 warten will und daß gar aus der Wirtschaft selbst dafür Verständnis signalisiert wird, versteht er überhaupt nicht. Spätestens zum 1. Januar 1993, wenn der Binnenmarkt komme, müßten die deutschen Firmen aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit steuerlich entlastet werden.
    Jürgen Schwericke, der so provozierend nüchtern redet, leistet sich eine schwärmerische Erinnerung an journalistische Anfänge in Berlin. Beim Vater der Publizistik, Emil Dovivat, habe er studiert, bis der eigene Vater, ein Militär, den Sohn drängte, doch besser etwas Handfesteres, eben die Juristerei, zu treiben. Gerne denkt er zurück an die Austausch-Studentenzeit in den USA; 1952 durfte er aus unmittelbarer Nähe den schließlich erfolgreichen Wahlkampf von Eisenhower miterleben. Die unideologische, äußerst pragmatische Art der Nordamerikaner, Politik zu machen, hat ihn seither beeindruckt. Schwericke ist verheiratet und Vater einer Tochter.
    Reinhold Michels
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI910249

  • Porträt: Dr. Wilhelm Lenz (CDU).
    Porträt
    S. 12 in Ausgabe S1 - 23.10.1990

    Über Dr. Wilhelm Lenz, den CDU-Politiker, einstigen Fraktionsvorsitzenden, Oppositionsführer und Ministerpräsidenten-Kandidaten seiner Partei, ein Porträt zu schreiben, würde nicht schwerfallen. Den Landtagspräsidenten gleichen Namens würdigen zu wollen, ist kaum ein Vierteljahr nach seiner Wahl in dieses hohe Amt unmöglich.
    Die siebente Wahlperiode, für die Dr. Lenz am 27. Juli dieses Jahres als Nachfolger von Ernst Gnoss, Robert Lehr, Josef Gockeln, Wilhelm Johnen, Josef Hermann Dufhues und John van Nes Ziegler berufen wurde, ist erst "vier Plenarsitzungen alt". Allerdings: Es kündigen sich Veränderungen sowohl innerhalb der parteipolitischen Landschaft als auch auf parlamentarischer Ebene an. Da man in naher Zukunft wahrscheinlich mit noch knapperen Mehrheitsverhältnissen im Landtag als bisher wird rechnen müssen, dürfte bereits mit den nächsten Sitzungen die erste "heiße Phase" für den Präsidenten beginnen.
    Sie wird von ihm jene Art der Amtsführung erfordern, die Wilhelm Lenz unmittelbar nach seiner Wahl für sich, für die neuen Vizepräsidenten, aber auch für die Fraktionen so umschrieb: "Diese Arbeit sollten wir trotz aller politischen Gegensätze, die sein müssen, in jener sachlichen Atmosphäre vollziehen, die dieses Parlament seit seinem Bestehen ausgezeichnet hat."
    Diesen Landtag kennt sein neuer Präsident seit mehr als zwölf Jahren. Als der damals 37-jährige Kölner im Juli 1958 als Abgeordneter ins Haus am Kaiserteich zog, war noch sein wenige Monate später tödlich verunglückter Parteifreund Josef Gockeln Landtagspräsident, stellte die SPD mit Alfred Dobbert zum vierten Male den Vizepräsidenten, saß die heutige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages noch in den Reihen der F.D.P.-Landtagsfraktion.
    Diese beinahe schon historischen Fakten findet man im Handbuch, das über Lenz selbst nur fünf Zeilen enthält. Sie umschreiben seinen nichtpolitischen Werdegang sogar in nur zwei dürren Zeilen: Geboren am 2. Juli 1921 in Köln; verheiratet fünf Kinder, Abitur Dr. phil., Geschäftsführer. Schon bei der letzten Angabe wäre zu ergänzen "...des Deutschen Beamtenbundes". Es ist ebenso erwähnenswert, daß der junge Philologe eine sprachwissenschaftliche Doktorarbeit über Georg Büchner schrieb, an einer privaten Abendschule Deutsch, Englisch und Geschichte lehrte und einmal davon geträumt haben soll, Publizist zu werden, was der Parlamentsjournalist um so lieber vermerkt, als sich ihm damit die Gelegenheit bietet, die Pressefreundlichkeit des Parteipolitikers Lenz zu loben und die gleiche Tugendübung vom Landtagspräsidenten Lenz zu erwarten.
    In einem Porträt über den Landtagspräsidenten Lenz darf man Anmerkungen über den Politiker Lenz ungestraft vernachlässigen, da die Elle am Parteimann anzulegen wäre, von dem hier nicht die Rede ist. Als man noch über "diesen" Lenz schrieb, gab es Attribute in Hülle und Fülle. Sie reichten von "unauffällig im Auftreten "und "ohne Neigung zu politischen Höhenflügen" bis "immens fleißig, zielstrebig und ehrgeizig". Man bescheinigte ihm "politisches Profil" sowie "überzeugende Haltung "und vermißte gleichzeitig "charismatische Züge" und eine "große Ausstrahlung". Auf der Wertungs-Waagschale lag hüben ein "klar denkender wie scharf analysierender Kopf" eines "mit allen kölnischen Wassern gewaschenen Taktikers " und häufte man drüben Lenzsche "pragmatisch-politische Fähigkeiten" und seine "Begabung", ein Team zu leiten.
    Nun wohl: Ein Landtagspräsident zieht mit dem neuen Amt das Gewand des Politikers nicht aus. Parteiliche Überzeugung im besten Sinne dürfte parteiisches Handeln sogar ausschließen. Man darf daher dem Präsidenten des Hohen Hauses sogar wünschen, daß er diese ihm zugeschriebenen Eigenschaften in das neue neutrale Amt mitnehmen möge. Sie sind der handwerkliche Nachweis eines, wie Wilhelm Lenz sich selbst schlicht nennt, "praktizierenden Demokraten ".
    Max Karl Feiden
    (Erschienen am 8. Oktober 1970)

    ID: LI90S124

  • Porträt der Woche: Jörg Twenhöven (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 09.10.1990

    Er zählt zwar zu den vierzig "Neulingen" in der Düsseldorfer Landtagsfraktion — ein politischer Newcomer ist Jörg Twenhöven, Oberbürgermeister der Stadt Münster, aber wahrlich nicht! So ist denn auch nicht überraschend, daß seine Fraktionskollegen ihn gleich als Vorsitzenden des Landtagsausschusses für Kommunalpolitik vorschlugen. Nur kurze Zeit später wählte die Kommunalpolitische Vereinigung (KPV) der NRW-CDU den gebürtigen Sauerländer aus Bigge auch zu ihrem Vorsitzenden. So dürfte der heute 49jährige künftig ein noch gewichtigeres Wort in der Kommunalpolitik des bevölkerungsreichsten Bundeslandes mitreden.
    Nach dem Abitur studierte er Geschichte, Jura sowie Philologie an den Universitäten in Münster und Fribourg (Schweiz) und promovierte im öffentlichen Recht. Nach Erlangung seiner Doktorwürde zunächst Assistent im Franz-Hitze-Haus, wechselte Jörg Twenhöven bald zum Bischöflichen Generalvikariat. Mit großem Engagement packte er dort die Neustrukturierung des Bildungswesens der Diözese Münster an, erwarb sich Verdienste beim Aufbau des Diözesan-Bildungswerkes mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung und des Büchereiwesens.
    Mit der CDU kam der Vater von vier Kindern schon früh in Berührung, zunächst über den Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS), später über die Junge Union, deren Kreisvorsitzender er eine Zeitlang war. 1975 wählten ihn die Münsteraner dann in den Stadtrat, seit 1984 ist er ihr "erster Bürger". Daß die CDU bei den letzten Kommunalwahlen 1989 wieder stärkste Partei in der Universitätsstadt wurde, verdankte sie vor allem ihrem Oberbürgermeister Jörg Twenhöven, war die übereinstimmende Meinung von Analytikern der Oktoberwahl.
    Der münsteraner OB setzt bei seinem erfolgreichen Wirken auf Bürgernähe, Selbsthilfe und Subsidiarität. "Nicht der Bürger geht zum Oberbürgermeister, sondern umgekehrt." So besucht der Christdemokrat samstags einen Stadtteil, hört die Sorgen und Anliegen von deren Bewohnern und anschließend werden die Fragen in der Verwaltung "nachgearbeitet". Dabei ist die soziologische Struktur Münsters eine besondere: Jeder zweite Bürger ist unter 30 Jahre alt und wohnt nicht länger als erst zehn Jahre in der Stadt. Von hundert Ehen werden vierzig geschieden. Achtzig Prozent der Beschäftigten sind im Dienstleistungsbereich tätig. Jörg Twenhöven vertraut bei der Lösung vieler Probleme der Mitverantwortung und Mitarbeit der Bürger. So spricht er in diesem Zusammenhang häufig vom "Selbsthilfe-Staat", der solidarischen Gesellschaft, wo dem Einzelnen seine persönliche Entfaltung aber gesichert werden müsse. Eher skeptisch steht das Stadtoberhaupt Großorganisationen gegenüber, die nicht immer die Gewähr für Subsidiarität bieten würden. Die Stadt Münster unterstützt daher gezielt Selbsthilfe-Gruppen und Bürgerinitiativen. Die Bürger ermuntert der OB, öffentliche Einrichtungen nicht nur zu benutzen, sondern sich auch für sie mitverantwortlich zu fühlen.
    So erhalten beispielsweise Sportvereine die Schlüsselgewalt über städtische Anlagen. Die Mittel, die die Stadt für die Unterhaltung eines Sportplatzes in der Regel aufwenden müßte, empfängt der einzelne Verein, der dann für die Anlage verantwortlich ist. Ein anderes Beispiel: Die Schulen bekommen pauschale Zuwendungen, sie können so in Eigenverantwortung Prioritäten setzen.
    Als neuer Landtagsabgeordneter will sich Jörg Twenhöven für ein stärkeres Gewicht des Münsterlandes in der Landespolitik einsetzen. "Mich ärgert die 'Ruhrgebiet- Fixierung' der Landesregierung. Sie sieht das Münsterland als die Erholungsreserve und den Vorhof des Reviers." Tatsächlich sei das Münsterland aber eine strukturell höchst innovative Region mit einem Exportanteil über dem Landesdurchschnitt. Eine große Bedeutung hätten auch Universität und Fachhochschule. "Die regionale Entwicklung ist entscheidend abhängig von der Entwicklung dieser beiden Einrichtungen." So sieht der CDU-Parlamentarier die Hochschulpolitik als einen zweiten Schwerpunkt seiner künftigen Arbeit im Landtag.
    Zweifellos zählt Jörg Twenhöven zu den personellen Aktivposten des neugewählten Düsseldorfer Landesparlamentes.
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI901639

  • Porträt der Woche: Dr. Reiner Klimke (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 18.09.1990

    Man braucht nicht lange, um Superlative für den Münsteraner Reiner Klimke zu finden: Er ist der erfolgreichste bundesdeutsche Olympionike, der erfolgreichste Reiter der Welt mit dem erfolgreichsten Pferd des Jahrhunderts. Nach einer beispiellosen sportlichen Karriere begann für den Ehrenbürger seiner Heimatstadt jetzt eine neue "Laufbahn" — die des Parlamentariers.
    Bereits seit 1959 Mitglied der CDU, verhehlte er zwar niemals seine politische Überzeugung, in die Pflicht nehmen ließ sich der promovierte Rechtsanwalt und Notar aber erst durch seinen Landesvorsitzenden Norbert Blüm. Sein Ja zur Offerte Blüms, über die CDU-Landesliste für den nordrhein-westfälischen Landtag zu kandidieren, begründet der heute 54jährige: "Wenn ich mich schon immer offen zur Union bekannt habe, dann sollte man sich für sie auch engagieren."
    Der Münsteraner, der in seiner sportlichen wie beruflichen Karriere stets selbstkritisch war, will es auch als Abgeordneter sein. "Ich werde nur das tun, wozu ich die Fähigkeit habe und wo ich über Sachkenntnis verfüge." Und das werden insbesondere der Sport und die Sportpolitik sein. Als stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses will er sich auch um einen möglichst breiten Konsens mit den anderen Fraktionen bemühen — und um Fairneß vor allem gegenüber dem politischen Gegner. "Etwas anderes habe ich auch als Sportler nicht gekannt."
    Als Parlamentarier möchte er das Subsidaritätsprinzip auch im Sport realisieren. "Mir gefällt es nicht, daß beispielsweise die vom Staat finanzierten Volkshochschulen Sportdisziplinen anbieten." Das Geld sollten statt dessen die Vereine erhalten, um ihr Angebot vervielfältigen zu können. Die Vereine stünden ohnehin in beschwerlicher Konkurrenz zu den vielen Sport- und Fitneßstudios. In diesem Zusammenhang kritisiert der erfahrene Sportler, daß dort teilweise unausgebildete Kräfte die Kunden beispielsweise an die Hanteln bringen. "Es muß Auflagen geben, um die Menschen vor gesundheitlichen Schäden zu schützen."
    Der CDU-Abgeordnete spricht sich weiter dafür aus, anstelle von "Prachtbauten" die Instandsetzung vorhandener Sportstätten der Vereine öffentlich zu fördern. Da sei ein großer Nachholbedarf vorhanden, und man dürfe die Vereine finanziell nicht "im Regen stehen lassen". "Ich bin gegen den Bau weiterer Großstadien."
    Der Parlamentarier stammt aus einer angesehenen münsterischen Professorenfamilie, studierte Jura und promovierte im öffentlichen Recht. Heute in einer Sozietät mit fünf Anwälten, widmet sich der Jurist insbesondere dem Verwaltungs-, Handels- und Beamtenrecht. Zu seinen Klienten zählen verschiedene Banken. Der Beruf erlaubte es Reiner Klimke nach eigenen Angaben auch, sich "diesen Sport zu leisten" — die Reiterei.
    Die Liebe zum Pferd wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt. Sein Vater, seine Mutter, seine Geschwister, alle ritten, er hatte das größte Talent. Mit 18 Jahren, 1954, war er bereits der erfolgreichste deutsche Amateur in der Dressur. Die erste Station auf dem folgenden beispiellosen Karriereweg: Sechsmal Olympisches Gold und zweimal Olympische Bronze, zehn Europameister- und sechs Weltmeistertitel. Trotz Erfolg und Ruhm blieb der Westfale stets bescheiden, kritisch gegenüber sich selbst.
    Die größte Freude: Die drei Kinder traten in die sportlichen Fußstapfen ihres Vaters. Sohn Michael und Tochter Ingrid sind bereits auf den internationalen Turnierplätzen erfolgreich. Der erfolgreichste Reiter der Welt ist nicht nur Betreuer seiner Kinder — er möchte möglichst viele Jugendliche zum Sport heranführen. "Und jeder, der am Sport interessiert ist, sollte ihn dann auch betreiben können." Er sei im übrigen die preiswerteste Gesundheitsvorsorge.
    Jochen Jurettko

    ID: LI901444

  • Porträt der Woche: Heinrich Dreyer (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 12 - 21.08.1990

    Heinrich Dreyer wurde zu einem Zeitpunkt Mitglied der CDU, als die Partei in Nordrhein-Westfalen die Regierungsverantwortung einbüßte: 1966. War der Beitrittsentschluß Dreyers eine Art Trotzreaktion nach dem Motto: Nun erst recht? "Nein", sagt der Landtagsabgeordnete aus Löhne im Kreis Herford, "ich war damals als Vertreter der Christlichen Jugend Beauftragter für politische Bildung." "Da", so fährt Dreyer fort, "erschien es mir irgendwie ehrlicher, mich zu meiner politischen Überzeugung auch als Mitglied in der CDU zu bekennen." Eine Mitgliedschaft etwa bei den Sozialdemokraten habe er sich nicht vorstellen können, er sei schon vor 1966 langjähriger Unions-wähler gewesen.
    Der 55jährige ist ein Mann der Sozialausschüsse CDA, er spricht von "seiner politischen Heimat". Im Landtag, dem er seit 1975 angehört, befaßte sich Dreyer zunächst mit Sozialpolitik. "Mein politisches Standbein war zehn Jahre lang die Sozialpolitik, Verkehrspolitik war das Spielbein." Seit 1985 ist es umgekehrt. Als Bundesbahn-Beamter hat sich Dreyer beurlauben lassen; er lebt von und für die Politik. Ein Landtagsmandat werde als Vollzeitjob angesehen, da könne der Bürger auch erwarten, daß er sich mit seiner ganzen Arbeitskraft für das Mandat einsetze. Bei Freiberuflern sei das vielleicht anders, räumt Dreyer ein; er könne anders als Freiberufler ohne Probleme wieder zur Bahn zurück nach Beendigung des Mandats.
    Das Ende als Abgeordneter sieht er noch längst nicht gekommen. Ob er jemals mit der Bundespolitik, mit einem Mandat als Bundestagsabgeordneter, geliebäugelt habe? "Nein, nie ", sagt Dreyer. "Ich komme aus der Kommunalpolitik, habe die Landespolitik stets als Kommunalpolitik mit anderen Mitteln betrachtet. Bonner Politik ist abstrakter, hier im Landtag ist man politisch näher an den Menschen und deren Problemen."
    Sehr überzeugt zeigt sich der Sozialausschüßler vom CDU-Bundesvorsitzenden Kanzler Kohl, dem er ausgezeichnete Führungseigenschaften bescheinigt. Kohl könne Menschen zur Leistung motivieren, könne qualifizierte Menschen neben sich dulden. Den Einwand: "Und was war mit Geißler?" läßt Dreyer nicht gelten. Geißler sei erst von Kohl gefeuert worden, nachdem er ihn als untreu empfunden habe. Als nordrhein-westfälischer Politiker plädiert Dreyer nicht für den vollständigen Umzug der Bundespolitik von Bonn nach Berlin. Gut, Berlin könne Hauptstadt sein, aber auch andere Länder hätten schließlich Hauptstadt und Stadt des Regierungssitzes getrennt. Der Bundespräsident könne in Berlin seinen Amtssitz haben, auch eine Fülle von Parlamentssitzungen dort sei möglich.
    Als Verkehrspolitiker im Landtag bekennt sich der Abgeordnete zur Magnetbahn "Transrapid" als einer technischen Innovation, welche die Geschwindigkeitslücke zwischen Flugzeug einerseits und Straße sowie Schiene andererseits schließe. "Transrapid ist auch industriepolitisch von großer Bedeutung, in dieser Technik sind wir Japan um fünf Jahre voraus." Die Landesregierung vollführe hier einen politischen Eiertanz. Dreyer setzt sich ferner für mehr Straßenbau in NRW ein. Bis zum Jahre 2000 werde es 4,5 Millionen zusätzlicher Fahrzeuge auf unseren Straßen geben, man brauche also aus Sicherheitsgründen zusätzlich Ortsumgehungen und Autobahn-Teilstücke. Dreyer nennt die A 33 in Ostwestfalen, die A 30 (Nordumgehung Bad Oeynhausen) A 44 im Revier, die Sechsspurigkeit von A 2 und Ruhrschnellweg, der heute "Ruhrschleichweg" heiße. Auch die Verlängerung der A 44 in die DDR hinein sei sinnvoll. Alle Maßnahmen seien an NRW-Verkehrsminister Zöpel (SPD) gescheitert.
    Der Privatmann Heinrich Dreyer, dessen Haus auf einem 2000 Quadratmeter großen Grundstück steht, arbeitet oft im Garten, liest jeden Tag, oder besser jede Nacht, ein paar Zeilen (früher nur Sachbücher, jetzt auch Belletristik). Außerdem malt er, bevorzugt Landschafts-Aquarelle. Die vier Kinder sind längst aus dem Gröbsten raus — zwischen 20 und 29 Jahren, aber ohne den Hang, sich wie der Vater politisch zu engagieren.
    Reinhold Michels

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI901244

  • Beim Abschied Hoffnung auf "Friedensmacht Europa".
    Stellvertretend für alle scheidenden Abgeordneten: Heinrich Meuffels (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 02.05.1990

    Viele Abgeordnete scheiden mit dem Ende der 10. Wahlperiode aus dem Landtag aus. Unter ihnen ist auch Heinrich Meuffels (CDU), der mit 24 Parlamentsjahren zu den Parlamentariern zählt, die am längsten dem Landtag angehört haben. Von Kollegen auch aus den anderen Fraktionen wegen seiner Rechtschaffenheit und seiner geradlinigen Art geschätzt, soll Meuffels, Realschullehrer a.D. und Vater von zehn Kindern, stellvertretend für alle stehen, die Abschied nehmen:
    Ein Anpasser ist er wahrlich nicht — während seiner 24jährigen Parlamentstätigkeit las der CDU-Landtagsabgeordnete Heinrich Meuffels aus Geilenkirchen nicht nur den Sozialdemokraten die Leviten, auch seine eigene Fraktion tadelte er des öfteren. Mit dem damaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Heinz Kühn zählte er 1974 zu den vehementesten Gegnern der Errichtung von Spielbanken im Lande und vier Jahre später kämpfte er ebenso engagiert gegen eine auch von der Opposition unterstützte üppige Diätenerhöhung. Und der Vater von zehn Kindern wetterte schließlich gegen Geißlers "Leisetreterei zum Paragraph 218". Seine mit großer Leidenschaft im Düsseldorfer Landtag vorgetragenen schulpolitischen Reden sind heute noch in Erinnerung. Leisetreterei und Anpassung an den Zeitgeist sind dem heute 63jährigen nach eigenem Bekunden immer ein Greuel gewesen.
    Diese Charaktereigenschaft wurde zweifellos von Elternhaus, Kriegsjahren und deren Nachwehen bestimmt. Als Sohn eines Fabrikarbeiters und überzeugten Zentrumsangehörigen geboren, meldete sich Heinrich Meuffels beispielsweise als 14 jähriger zur freiwilligen Feuerwehr, um nicht Mitglied der Hitlerjugend zu werden. Es folgten Flackeinsatz und englische Kriegsgefangenschaft. Sein späteres Studium finanzierte er sich mit Schreiner- und Schlosserarbeiten. Anschließend absolvierte er die Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen. 1975 mußte der Pädagoge gemäß Landesrechtstellungsgesetz in den Ruhestand treten.
    Aus seiner Grundhaltung heraus, das öffentliche Leben auch nach christlichen Grundsätzen zu gestalten, war es für den gebürtigen Birgdener eine Selbstverständlichkeit, in die CDU einzutreten (1948). Inzwischen steht er bereits 25 Jahre dem Kreisverband Heinsberg seiner Partei vor. Bodenständig, gilt sein Engagement seit Jahrzehnten auch der Kommunalpolitik. Einer seiner größten Erfolge war Anfang der siebziger Jahre, als es ihm gelang, die drohende Zerstückelung seiner Heimatregion, des Selfkantkreises Geilenkirchen-Heinsberg, zu verhindern. 1966 erstmals in den Landtag gewählt, konnte der CDU-Abgeordnete dank guter Wahlergebnisse, ja von der rheinischen Union mit den besten, ein hohes Maß an Unabhängigkeit für sich in Anspruch nehmen. "Ich galt als einer der Eigenwilligsten in der Fraktion und im Landtag, geachtet und verspottet", resümiert der Christdemokrat heute. Und nicht ohne gewissen Stolz fügt er hinzu: "Was mich immer belastet und bedrückt hat, ist die Erfahrung, daß meine Vorschläge und Meinungen erst Jahre später anerkannt wurden." Als Beispiel nennt der entschiedene Gegner der Gesamtschule die heutige Bestätigung der Erziehungswissenschaftler, daß kleine Schulen leistungsfähig seinen. Die Gesamtschule hält der Pädagoge für eine "gutgemeinte Illusion". Die innere Differenzierung werde in ihr nicht gemeistert, und damit sei deren Leistungsfähigkeit nicht gewährleistet.
    Der CDU-Abgeordnete gehörte während seiner Parlamentszugehörigkeit einer Reihe von Ausschüssen in teils führender Position an. Als Europa-Beauftragter seiner Fraktion und Mitglied der Euregio Maas-Rhein setzte sich Heinrich Meuffels in der Vergangenheit engagiert für ein vereintes Europa ein. Ein vereintes Europa, demokratisch und stark, könnte einmal die "große Friedensmacht" dieser Erde sein.
    Der Christdemokrat, dessen Geradlinigkeit und Fairneß auch bei seinen politischen Widersachern wiederholt Anerkennung fanden, scheidet ohne Wehmut aus dem Landtag. Die Begründung gibt er schonungslos offen: Ich bin ein Mensch, der sich gern mit Grundsätzlichem auseinandersetzt und seine Zeit nicht mit Kleinkrämerei vergeudetet. Die Alltagsarbeit im Landtag wird aber immer mehr von Kleinkram beherrscht." Und Heinrich Meuffels freut sich, wieder über seine Zeit selbst verfügen zu können und nicht mehr vom Terminkalender "verplant" zu werden. Langeweile wird er sicherlich nicht haben. Schließlich hat der Geilenkirchener ein ungewöhnliches Hobby — Holzschnitzerei. Schon als 18jähriger schnitzte er ein Kruzifix...
    Jochen Jurettko

    ID: LI900848

  • Porträt der Woche: Lothar Hegemann (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 27.03.1990

    1965 hat Lothar Hegemann (Jahrgang 1947) für sich die Politik entdeckt. Sie ließ ihn nicht mehr los. Der Mann aus Recklinghausen machte einen im Revier nicht unüblichen CDU-Weg: Über die katholische Jugend in die Junge Union. Die CDU im Ruhrgebiet — das ist ein Kapitel für sich. Sie wird fast erdrückt von den mächtigen Sozialdemokraten. Hegemann weiß um die süffisanten Bemerkungen, man habe sich inzwischen mit der Rolle des ewig Zweiten abgefunden und sei schon froh, ein paar politische Brotkrumen vom Tische der Herrschenden abzubekommen.
    Jawohl, da sei ein Fünkchen Wahrheit dran, aber als CDU-Kreisvorsitzender von Recklinghausen gebe er zu bedenken, daß man als CDU im Revier nicht jeden Tag Konfrontationskurs gegen die SPD steuern könne. »Wir müssen auch mal leise Politik machen." Hegemann trifft eine bildhafte Wortwahl: "Die SPD umarmt uns im Revier kräftig. Wenn wir dann nach Luft schnappen, steckt sie uns Zucker in den Mund in der Absicht, daß wir Karies bekommen." Den prominenten Kritiker der CDU im Ruhrgebiet, den FDP-Vorsitzenden in NRW und Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann, nimmt sich der stämmige Abgeordnete kräftig zur Brust: Möllemann sei für ihn eine der schwächlichsten Figuren im Bundeskabinett; er habe nur den Vorteil, daß er das wenige, was er zu sagen habe, gut verkaufe.
    Über den nordrhein-westfälischen Umweltminister Klaus Matthiesen (SPD) redet der Vorsitzende des Umweltausschusses des Landtages differenzierter. An Matthiesen imponiere ihm dessen korrekter Umgang mit dem Parlament; der Minister kenne die "Kleiderordnung". Ein negativer Zug in Matthiesens Politik sei das teilweise unsachliche Vorgehen, das insgesamt der Umweltpolitik schade: "Wenn ich mich zum Thema Molkepulver, Kernenergie, Kälbermast unsachlich äußere, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn die weniger informierten Leute draußen emotional und unsachlich reagieren und sagen, jetzt brauche man auch keine Müllverbrennungsanlagen mehr." Matthiesen kommt nach Hegemanns Ansicht mit dem Entsorgungsproblem nicht zurecht, dabei sei es nicht etwa Fünf vor Zwölf, sondern schon später. Es sei falsch gewesen, die Müllentsorgungsplanungen den Regierungspräsidenten zu übertragen, das müsse das Land wieder an sich ziehen.
    Beim Thema "Transrapid" scheint den CDU-Abgeordneten zu stören, wie schnell die Landesregierung auf ein Nein zusteuert. "Transrapid" sei eine Technologie, um die uns die ganze Welt beneide, es wäre nach dem Tod des THTR ein weiterer Anachronismus, die Magnetbahn-Technologie in NRW gerben zu lassen". Eine Eisenbahntrasse zerschneide die Landschaft mehr als die Transrapid-Strecke auf Stelzen. Hegemann: "Darunter kann sich Flora und Fauna entwickeln."
    Hegemann, der auch dem CDU-Landesvorstand angehört, hat wenig Verständnis für die jüngst in der CDU-Fraktion laut gewordene Kritik am Parteivorsitzenden Norbert Blüm wegen dessen mangelnder Präsenz im Lande. Natürlich wäre es gut, wenn Blüm permanent als Herausforderer von Johannes Rau hier aufträte, aber er sei nun einmal auch Bundesminister für Arbeit und Soziales in Bonn. Hegemann: "Niemand hat die Fähigkeit zur Bilokalität, und Blüm braucht auch nicht auf jeder Katzenkirmes aufzutreten."
    Der Privatmann Lothar Hegemann ist Sammler von Fotoapparaten, seit ihm ein Parteifreund einst eine Leica geschenkt hat. Seine Dunkelkammer im Haus hat er inzwischen nicht mehr. Jedesmal, wenn er am politikfreien Sonntagabend dort verschwunden sei, habe der Haussegen schief gehangen. Hegemann ist verheiratet, hat einen siebenjährigen Sohn und führt mit anderen Kollegen in Mülheim eine Versicherungs-Agentur.
    Reinhold Michels

    ID: LI900638

  • Porträt der Woche: Helmut Elfring (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 13.03.1990

    Nach Ministerpräsident Johannes Rau ist er der "dienstälteste" Abgeordnete des nordrhein-westfälischen Landtags — Helmut Elfring aus Dülmen. Seit 1962 gehört der münsterländische Christdemokrat dem Düsseldorfer Landesparlament an und seitdem "holte" er auch bei jeder Wahl den Wahlkreis Coesfeld für seine Partei. Mit Ende der Legislaturperiode im Mai wird der heute 57jährige aus eigenem Wunsch aus dem Landtag ausscheiden. "Ich gehe leicht und locker, vor allem dankbar als Privatmann nach Dülmen zurück." 28 Jahre Parlamentarier, davon lange Zeit in führenden Positionen der Fraktion, sie prägten entscheidend einen bedeutenden Lebensabschnitt des gebürtigen Billerbekkers.
    Nach dem Abitur 1953 studierte Helmut Elfring Rechts- und Politische Wissenschaften an der Universität Münster. Bereits während dieser Zeit engagierte er sich für seine nähere Umgebung, war Vorsitzender des Allgemeinen Studentenausschusses. Während des Studiums kam auch ein "Stück Begeisterung" für die spätere politische Betätigung. In die CDU trat der Dülmener übrigens schon 1955 ein; einige Jahre später wurde er in den Coesfelder Kreisvorstand gewählt und seit 1987 führt er den CDU-Stadtverband seiner Heimatstadt.
    Nach der ersten juristischen Staatsprüfung 1960 entschied sich Helmut Elfring für den Journalismus, volontierte bei den "Ruhr-Nachrichten" und wurde dann Mitglied der politischen Redaktion dieser Dortmunder Tageszeitung. Als die Landtagsfraktion von ihm immer mehr abverlangte, ließ er sich beurrlauben - bis beute übrigens. Wegen eines erst im letzten Jahr überstandenen Herzinfarktes will er allerdings nicht mehr in seinen Beruf zurückkehren — die Vernunft obsiegte.
    Als der Münsterländer 1962 in den Landtag einzog, war er mit 29 Jahren einer der jüngsten Abgeordneten im Parlament. Damals regierte noch die CDU unter Ministerpräsident Franz Meyers in Düsseldorf. In den fast drei Jahrzehnten beriefen ihn seine Fraktionskollegen in die verschiedensten Gremien des Parlamentes und der Fraktion. Allein elf Jahre war Helmut Elfring stellvertretender Vorsitzender der Fraktion, davon zwei Jahre gleichzeitig auch ihr Parlamentarischer Geschäftsführer. Auch die Landespartei suchte seine Mitarbeit, sei es im Vorstand oder als stellvertretender Vorsitzender des damaligen Landesverbandes Westfalen-Lippe.
    Ungeachtet, daß der CDU-Abgeordnete die meiste Parlamentszeit die harte Oppositionsbank drücken mußte — "ich habe auch hier hohe Befriedigung gefunden", resümiert Helmut Elfring. Natürlich sei es oft frustrierend und entmutigend, wenn man so lange von der Gesetzgebung und damit politischen Gestaltung des Landes ausgeschlossen sei. Doch könne die Opposition trotzdem einiges bewegen. Als Beispiele nennt der Parlamentarier das erfolgreiche Volksbegehren gegen die Kooperative Schule oder das Abwenden der drohenden Auflösung des Regierungsbezirkes Münster. Schließlich biete das Fragerecht dem Abgeordneten die Möglichkeit, die Regierung zu kontrollieren.
    Der Christdemokrat, der lange Zeit die Medienpolitik der Landtagsopposition mitprägte, war und ist ein Verfechter der Vielfalt auch in den elektronischen Medien. So engagierte er sich vehement für die Einführung des Privatfunks in Nordrheinwestfalen und zählte zu den Vätern der Landesanstalt für Rundfunk (LfR). Heute ist er stellvertretender Vorsitzender der LfR-Rundfunkkommission. Steinig und dornenvoll nennt Elfring den Weg, auf dem sich der private Rundfunk im bevölkerungsreichsten Bundesland noch immer befinde.
    Wenn der Dülmener Abgeordnete im Mai aus dem Landtag ausscheiden wird, so wird er sich aber noch lange nicht gänzlich ins Privatleben zurückziehen. Seit der letzten Kommunalwahl im Oktober 1989 stellte er seine lange parlamentarische Erfahrung als Ratsmitglied dem Dülmener Stadtrat zur Verfügung. Auch wird er weiterhin der LfR-Rundfunkkommission angehören. Trotzdem dürfte der Vater von zwei Töchtern und einem Sohn dann mehr Zeit für die Familie haben und für die Hobbys Wandern, Fahrradfahren und Schwimmen. Langeweile — das dürfte für den Münsterländer auch weiter ein Fremdwort bleiben.
    Jochen Jurettko

    ID: LI900547

  • Porträt der Woche: Heinz Hardt (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 20 - 05.12.1989

    Den Antrag auf Mitgliedschaft in der CDU hat Heinz Hardt am 13. August 1961 ausgefüllt: In Berlin hatte Walter Ulbricht mit dem Mauer-Bau begonnen. Der damals 25jährige Düsseldorfer Hardt war gerade zu Besuch bei den Schwiegereltern. In der Rückschau erinnert er sich: Jetzt müßte jeder Demokrat Flagge zeigen. Vom Elternhaus politisch vorgeprägt, gab es für den praktizierenden Katholiken und Pfarrjugendführer keinen Zweifel, welcher Partei er sich anschließen sollte.
    Mittlerweile ist Heinz Hardt fast schon politisches Urgestein im Landtag. Dem Düsseldorfer Parlament gehört er seit 1970 an. Damals hatte der Ingenieur für Heizungs- und Lüftungstechnik bei der Stadt Düsseldorf als Kreisvorsitzender der Jungen Union den Wahlkreis im Norden der Landeshauptstadt erhalten, eine Vorentscheidung auch für die politischen Themen- Schwerpunkte des Jungparlamentariers. In Düsseldorf-Nord liegt der Groß-Flughafen Lohausen, ferner betrifft das Verkehrsproblem A44 dieses Stadtgebiet besonders. Heute ist Hardt zwar in erster Linie als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion für möglichst reibungsloses Fraktions-Management zuständig; aber sein Augenmerk gilt nach wie vor der Verkehrspolitik. Kürzlich hat er sich auf einem Kurztrip nach Dallas/Texas über die dortige Zusammenarbeit, zum Beispiel bei der Flugsicherung der drei Flughäfen, informiert.
    Mögliche Kritik an solchen Ausflügen in die weite Welt läßt Hardt unbeeindruckt. Erstens sei so etwas keine Erholung: Neun Stunden Flugzeit pro Strecke in der Touristenklasse, das alles an einem Wochenende, seien wahrlich kein Luxus. Wenn zudem über bessere Kooperation der beiden Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn, über eventuelle Verbindung durch die Magnetschnellbahn Transrapid diskutiert werde, also über ein Investitionsvolumen von rund drei Milliarden Mark, müßten sich nordrhein-westfälische Verkehrspolitiker ausreichend informieren. Hardt: "Das Land ist zur Hälfte am Flughafen Düsseldorf und zu 34 Prozent an Köln/Bonn beteiligt, da finde ich es selbstverständlich, daß sich Politiker und nicht nur Beamte Kooperationen wie in Dallas ansehen."
    Wie fast alle Abgeordneten der CDU im Landtag, hat auch Heinz Hardt seine Partei im Parlament nur als Opposition erlebt. Er gibt zu, daß er sich vor allem 1975 sehr geärgert hat, als es mit der Regierungsübernahme wieder einmal nicht klappte. Damals habe man mit Heinrich Köppler gut 47 Prozent der Stimmen geholt, aber die F.D.P. unter Riemer hat sich geweigert, den Koalitionspartner zu wechseln. Bleibt der Zorn über die Liberalen haften? "Nein", sagt Hardt, Politik sei eine Sache der nüchternen Betrachtung und nichts für Emotionen. Im übrigen gebe es heute zur F.D.P.- Fraktion unter Achim Rohde größere politische Nähe als seinerzeit.
    Hardt spekuliert darüber, wie Nordrhein- Westfalen jetzt aussehen würde, hätte 1975 die Union wieder das Regierungsschiff gesteuert: Das wirtschaftspolitische Klima wäre besser, man hätte eine andere Schullandschaft ohne Ideologisierung, und es gäbe wohl auch nicht hundert Milliarden Mark Schulden. Hardt hofft, daß der Regierungswechsel im Land 1990 trotz gegenteiliger Vorhersagen der Demoskopen klappt. Die CDU dürfe nicht "den Hochrechnungen nachlaufen". Sie müsse die Wähler zurückgewinnen, die sich der Partei verweigert hätten. Das könne beispielsweise geschehen durch Betonung des Themas "Umweltschutz", für Hardt ein "Urthema der CDU".
    Schnell ist er auch hier wieder bei der Verkehrspolitik. Er plädiert für Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften, für eine Schadstoffsteuer anstelle der Kfz-Steuer; er bedauert, daß die Mittel für den Personennahverkehr in den Ballungsgebieten nicht schon früher und konzentrierter geflossen sind. Und immer wieder streicht er das Magnetschnellbahn-Projekt Transrapid als enorm zukunftsträchtige deutsche Erfindung mit geringem Verschleiß und geringen Emissionen heraus. Der Ingenieur Hardt fasziniert diese Technik. Auch in seiner Freizeit liest er Fachbücher über technische Möglichkeiten für eine moderne, umweltfreundliche Verkehrspolitik.
    Das unpolitische Leben des dreifachen Familienvaters spielt sich mindestens einmal im Jahr im oberbayerischen Mittenwald ab. Fast 50mal war er in dem malerischen Bergort — zum Wandern oder zum Skilanglauf.
    Reinhold Michels

    ID: LI892046

  • Porträt der Woche: Hans Wagner (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 10.10.1989

    Das katholisch-sozial eingestellte Elternhaus hat Hans Wagner geprägt, und es bestimmte auch wesentlich seinen bisherigen Lebensweg. Der gebürtige Oberhausener, Jahrgang 1934, engagierte sich schon früh für die Mitmenschen, ob zunächst in der katholischen Jugend, später in der CDU, ob in der katholischen Arbeiterbewegung, im Diözesanrat, in der Kommune oder in der Bewährungshilfe. Ungeachtet seiner großen Aktionsradien und der Berufung in eine Vielzahl von Ämtern, der CDU-Landtagsabgeordnete sucht das Gespräch zum einzelnen Menschen, für ihn ist "Bürgernähe" kein modisches Schlagwort und das "Zuhören" keine lästige Notwendigkeit.
    Die beruflichen Stationen: Nach Besuch der Volksschule Schlosserlehre, Gesellenprüfung, mehrjährige Tätigkeit im Beruf. Dann Besuch der Höheren Fachschule für Sozialarbeit der Diözese Essen, anschließend Bewährungshelfer im Strafvollzug. Bald nach seiner Wahl in den Landtag mußte er gemäß Landesrechtsstellungsgesetz diese Tätigkeit aufgeben. "Zu meinem großen Bedauern", wie er noch heute betont. Der CDU schloß sich Hans Wagner bereits 1956 an, später auch der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) und der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV).
    Die Funktionen in der CDU seit seinem Eintritt aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Porträts sprengen. Nur soviel, Hans Wagner zählt zu den führenden Repräsentanten der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene, ist Mitglied des CDU-Bezirksvorstandes Ruhrgebiet und steht seit vielen Jahren an der Spitze des Kreisverbandes der Oberhausener Union. Mit der Revierstadt fest verwurzelt, bestimmt er als Ratsvertreter und Fraktionsvorsitzender seit langem deren Entwicklung mit. Registriert sei noch, daß der aktive Katholik auch Mitglied des Diözesanrates des Bistums Essen ist.
    Bis auf eine eineinhalbjährige Unterbrechung gehört der Oberhausener seit 1970 dem nordrhein-westfälischen Landtag an. Während dieser Zeit berief ihn seine Fraktion in mehrere Ausschüsse. Heute leitet er als Vorsitzender den gewichtigen Ausschuß für Kommunalpolitik, der ihm nur noch wenig zeitlichen Spielraum für die Mitarbeit in anderen Parlamentsgremien läßt. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen vor Ort zählt der Christdemokrat zu den entschiedensten Befürwortern einer Änderung der Gemeindeordnung, die nach seiner Überzeugung allerdings nur im Konsens der großen Parteien vollzogen werden dürfte.
    Mit der derzeit gültigen Gemeindeordnung könnten die vielen Zukunftsaufgaben der Kommunen nicht bewältigt werden. In diesem Zusammenhang tendiert er für die Abschaffung der sogenannten "Doppelspitze " Bürgermeister/Hauptverwaltungsbeamte. Statt dessen sollte ein alleinverantwortlicher hauptamtlicher Ober- bzw. Bürgermeister an die Spitze von Rat und Verwaltung gestellt werden. Die Bürger würden heute fälschlicherweise den Bürgermeister als den "Chef" der Kommune sehen, das gesamte Verwaltungshandeln liege jedoch nach der Gemeindeordnung in der Verantwortung der Stadt- bzw. Gemeindedirektoren.
    Der Oberhausener plädiert dabei für eine Urwahl des Bürgermeisters, also dessen direkte Wahl durch die Bürger. Eine Abschaffung der Doppelgleisigkeit sei nach seiner Ansicht nur sinnvoll, wenn die dann dominierende Position des "ersten Bürgers" von der Bürgerschaft direkt legitimiert werde. Auch wären dann nicht nur die Parteien gezwungen, "nur gute Leute"bei der Kommunalwahl zu präsentieren, auch unabhängige Persönlichkeiten hätten eine Chance, Bürgermeister zu werden.
    Eine Änderung der Gemeindeordnung müsse auch bewirken, daß die Räte über langfristige Konzeptionen ihrer Kommunen diskutierten und nicht — wie heute häufig — über die "Einstellung von Reinigungskräften". Die Kommunalparlamente würden mit Papieren und Anträgen zu allgemeinen politischen Themen überfüttert. Für Hans Wagner ist die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung das wichtigste Ziel der Reform. Wie notwendig dies sei, habe jüngst das Auswahlverfahren der "ZIN"-Förderungsprojekte bestätigt, wo die kommunalen Selbstverwaltungsorgane ausgeschaltet worden seien. In diesem Zusammenhang macht sich der Oberhausener auch dafür stark, daß das Revier trotz aller parteipolitischen Unterschiede möglichst mit einer Stimme spricht. Derzeit blicke jeder Oberbürgermeister noch zu sehr auf den eigenen Kirchturm.
    An seine Landtagskollegen appelliert der Ausschußvorsitzende, bei der Verabschiedung von Gesetzen, die die Städte und Gemeinden tangieren, mehr als bisher zu prüfen, ob deren Vorschriften und Normen überhaupt erforderlich seien. Er habe oft den Eindruck, daß viele Kollegen bei der Abstimmung im Landtag gar nicht die finanziellen Folgen für die Kommunen kennen würden.
    Zum aktuellen Zustrom von Aus- und Übersiedlern meint der Christdemokrat, daß neben der öffentlichen Hilfe die Einstellung der Mitbürger gegenüber diesen Menschen noch viel wichtiger sei. "Empfangen wir sie mit offenen Herzen und begleiten wir sie auf ihren ersten Schritten in der Bundesrepublik", rät der Abgeordnete. Freizeit, Entspannung des Familienvaters mit drei Kindern? "Ich wandere gern, greife zu einem Buch — beides aber viel zu selten. " Eine häufige Antwort...
    Jochen Jurettko

    ID: LI891648

  • Porträt der Woche: Margarete Verstegen (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 15 - 19.09.1989

    Im nächsten Frühjahr verläßt Margarete Verstegen den Landtag. Aber sie sagt nicht der Politik ade. Nach dann fast 21 Jahren parlamentarischer Arbeit im Düsseldorfer Parlament wird sich die gebürtige Emmericherin als Ratsfrau in ihrer Heimatstadt nützlich machen. Von ihren Parteifreunden in der niederrheinischen Stadt sei sie gefragt worden; sie habe gerne zugesagt, für den Rat der Stadt zu kandidieren.
    Das ruhende Dienstverhältnis mit der Stadt Emmerich besteht seit dem 1. Juli dieses Jahres endgültig nicht mehr. Die Verwaltungsangestellte im städtischen Sozialamt ist künftig nur noch Politikerin. Politik begreift die 60jährige als praktisches Tun für die Menschen. Mit Leuten wie dem früheren CDU-Fraktions- und Landesvorsitzenden Professor Kurt Biedenkopf — einem theoretischen Kopf — verbindet sie wenig. Die Arbeit im Petitionsausschuß des Landtags paßt gut zu Margarete Verstegens Verständnis von Politik: Helfen, wo der Schuh drückt. Das könne man im Petitionsausschuß besser als woanders. "Hier kann ich auch als Oppositions-Politiker etwas bewegen, sonst werden die Oppositions-Anträge ja meist von der Mehrheits-Fraktion niedergestimmt."
    Auch in Emmerich ist Frau Verstegen als Helferin bekannt. So mancher junge Mann, der zur Bundeswehr muß, wendet sich an die CDU-Politikerin, weil er aus den verschiedensten Gründen möglichst ortsnah eingezogen werden möchte. Zur Bundeswehr hat Margarete Verstegen ein durch positive Erfahrung geprägtes enges Vertrauensverhältnis. In Emmerich liegt ein schweres Pionierbataillon. Die Soldaten seien wirkliche Bürger der Stadt, stünden nicht im gesellschaftlichen Abseits. Sie selbst habe vor acht Jahren die Festansprache zur 25jährigen Ortsansässigkeit der Pioniere in Emmerich gehalten. In der Offiziersheim-Gesellschaft sei sie die einzige Frau.
    Zum Thema Frauen in der Politik hat sie eine klare Meinung. Sie habe nie versucht, die Männer zu kopieren. Gut, es habe vor zwei Jahrzehnten im örtlichen Bereich mal Probleme mit "Paschas" gegeben, aber gravierend sei dies nicht gewesen. Frau Verstegen machte als Frau ihren Weg in der Politik: 1952 Junge Union, 1956 CDU, starkes Engagement bei Sozialausschüssen und Deutscher Angestellten Gewerkschaft (DAG), 1964 Mitglied des Landesvorstandes der rheinischen CDU, elf Jahre stellvertretende Vorsitzende unter Heinrich Köppler und Bernhard Worms. Für Emanzentum hat sie wenig Sinn. Bei der Landtagskommission für Frauenpolitik mache sie nicht mit, dort diskutiert man für ihren Geschmack teilweise zu extrem. Man könne nicht Politik machen nach dem Motto: Männer alle an die Seite, nur noch Frauen nach vorn.
    Kritisch setzt sich Frau Verstegen mit der F.D.P. im Landtag auseinander. Für deren Behauptung, sie sei die eigentliche Opposition, hat sie kein Verständnis: "Die machen viele Anträge, aber es fehlt mir ein bißchen das Seriöse und Kontinuierliche." Als langjähriges Landtags-Mitglied klagt die CDU-Abgeordnete auch über das kühler gewordene menschliche Klima unter den Volksvertretern. Das Verhältnis untereinander sei sowohl zum politischen Gegner als auch zum Parteifreund von Legislaturperiode zu Legislaturperiode schlechter geworden. Karrieredenken vermutet sie als Ursache. Seit die SPD 1980 die absolute Mehrheit im Düsseldorfer Parlament innehabe, seien die Beziehungen zur sozialdemokratischen Fraktion noch schlechter geworden. Frau Verstegen: "Die meinen, sie brauchten die Opposition nicht mehr, man spürt Überheblichkeit."
    Von neuen Parteien wie der Senioren- Truppe "Die Grauen" hält die 60jährige nicht viel. Sie habe Politik immer so verstanden, daß man für alle Gesellschaftsgruppen und Altersschichten da zu sein habe. Bei den GRÜNEN sind ihrer Ansicht nach nur wenige Politiker erwähnenswert: Schily, Fischer oder Frau Vollmer, weil sie zumindest Realpolitiker seien. Dagegen seien die grünen "Fundis" doch nach wie vor ein chaotischer Haufen.
    Privat führt die Politikerin vom Niederrhein — wie sie sagt — "ein offenes Haus" mit viel Besuch; vor allem mit ihrem Bruder und dessen Familie hat sie intensiven Kontakt.
    Reinhold Michels

    ID: LI891545

  • Porträt der Woche: Hubert Doppmeier (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 07.09.1989

    "Noch nie bin ich in eine Situation geraten, in der mich etwas umgeworfen hätte."Der stellvertretende Vorsitzende der CDU- Landtagsfraktion, Hubert Doppmeier, formuliert diesen Satz auf eine Art und Weise, die gar nicht erst die Vermutung aufkommen läßt, ein Mangel an Situationen könnte vielleicht die Ursache solcher Standfestigkeit sein: Nahezu unerschütterliches Selbstbewußtsein, das kaum Selbstzweifel zu kennen scheint, speist diese Art der Selbstsicherheit.
    Man glaubt Hubert Doppmeier unbesehen, wenn er ungefragt hinzufügt, er verfüge noch über "erhebliche Kraftreserven". Worauf diese zurückzuführen seien? Da wendet sich der 45jährige, Vater von drei Kindern im Alter zuwischen zwei und acht Jahren, seiner Kindheit und Jugend zu: In Langenberg (Kreis Gütersloh) geboren und aufgewachsen als Sohn eines Nebenerwerbslandwirts, der im Hauptberuf einen anderen Hof verwaltete. Mit 14 Entlassung aus der Volksschule, Ausbildung zum Holzfacharbeiter. Heute sagt er darüber: "Die neun Jahre an der Maschine in der Fabrik waren meine wichtigsten Jahre." Sein Lebensziel sah er darin allerdings nicht: Neben der Fabrikarbeit und der Mithilfe auf dem elterlichen Hof trieb er — ohne Billigung durch die Eltern — seine schulische Bildung voran: Als Externer erwarb er im Alter von 22 Jahren den Realschulabschluß, mit 24 folgte das Abitur. Nach dem Jurastudium in Münster und der Referendarzeit ließ er sich in seinem Geburtsort als Rechtsanwalt nieder; vor wenigen Wochen erhielt er — zum frühestmöglichen Zeitpunkt — auch die Bestellung zum Notar.
    Daß er diesen "dritten Bildungsweg" geschafft hat, daraus schöpfe er noch heute seine Kraft, versichert der Politiker Doppmeier. Der politische Weg führte ihn vom Vorsitzenden des RCDS in Münster und der Jungen Union in Gütersloh hin zu den Ämtern des Kreis- und des Bezirksvorsitzenden der CDU. Sein Erfolgsrezept? Vor Entscheidungen gründlich nachdenken, dann das Ziel sehr beharrlich und mit Risikobereitschaft ansteuern: "Bisher habe ich gesteckte Ziele immer erreicht."
    Die Bereitschaft zum politischen Risiko war nach Doppmeiers heutiger Darstellung auch mit im Spiele, als er vor der Europawahl Helmut Kohls politische Zukunft von der Hohe der Verluste bei dieser Wahl abhängig machte; oder als der Gütersloher CDU-Kreisverband unter seiner Führung im vergangenen Jahr damit drohte, keine Beiträge an die Bundespartei mehr abzuführen, falls private Flieger keine Steuern für ihr Flugbenzin zahlen müßten. Die "politische Prügel" habe er gut verkraften können, denn durch die eigene Existenzgrundlage sei er unabhängig von der Politik.
    Solche Art von Unabhängigkeit wird im Kreis Gütersloh honoriert: Der CDU-Kreisvorstand nominierte Hubert Doppmeier für den dortigen Bundestagswahlkreis, der als sicher für die CDU gilt: den Landtag wird er also im nächsten Jahr verlassen.
    Nach neun Jahren im Landesparlament und kurz vor dem "Sprung" nach Bonn unterschätzt Doppmeier nicht den Wert der Landespolitik: In Bonn würden die Grundentscheidungen getroffen, ihre Ausformungen aber, die die Bürger unmittelbar beträfen, würden in den Ländern gestaltet, etwa beim Fernstraßenbau, bei der Wohnungsbauförderung oder in der Sozialpolitik. Dennoch befinde sich der nordrhein-westfälische Landtag — da ist er sich ganz sicher — noch in einer "vorparlamentarischen Phase". Das Parlament stehe einer "aufgeblähten und übermächtigen Exekutive" gegenüber, deren Stellenpläne "völlig unbegründet" seien. Den Abgeordneten mangele es an "Zuarbeitung". Es sei doch ein Witz, wenn er als wohnungspolitischer Sprecher seiner Fraktion mit einem " Viertel-Referenten" ein ganzes Ministerium kontrollieren solle. Deshalb seien eine qualifizierte Gesetzgebungsarbeit und eine echte Haushaltspolitik des Parlaments "nicht möglich". Der Haushalt sei zu einem "Selbstbedienungsladen" für hohe Ministerialbeamte geworden. Sofort spürt er die Gefahr eines Mißverständnisses: Er meine natürlich nicht für die eigene Tasche, sondern für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich. An den Etatvorschlägen dieser Beamten würden vom Parlament allenfalls noch "Marginalien" geändert.
    Als Abgeordneter im Bundestag werde er zumindest mehr Mitarbeiter haben, hat Doppmeier inzwischen erfahren. Ob dort aber die Arbeitsmöglichkeiten besser sein werden, darüber will er sich heute noch nicht äußern.
    Ludger Audick

    ID: LI891442

  • Porträt der Woche: Antonius Rüsenberg (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 12 - 22.08.1989

    Wenn es um die vielfältigen Probleme der Familie im nordrhein-westfälischen Landesparlament oder anderswo im Land geht, wenn über die Nöte der Jugend gesprochen oder um den Schutz des ungeborenen Lebens gerungen wird — der CDU-Landtagsabgeordnete Antonius Rüsenberg meldet sich mit viel persönlichem Engagement zu Wort. Für den 46jährigen Ostwestfalen aus Steinheim im Kreis Höxter, der bis zu seiner Wahl in den Landtag 1980 als Sozialarbeiter tätig gewesen war, sind dabei Standfestigkeit und Toleranz keine Gegensätze — dem Zeitgeist nachlaufen", das jedoch will er nicht.
    Die starke Verwurzelung mit Elternhaus, ländlich orientierter Kleinstadt und den sozialen Komponenten in Kirche und Gesellschaft prägen auch heute noch den Sohn einer Handwerkerfamilie. Nach Besuch der Volksschule und anschließender Lehre übte er zehn Jahre lang den Beruf eines Landmaschinen-Mechanikers aus. Später entschloß er sich, die Höhere Fachschule für Sozialarbeit in Köln zu besuchen. Nach deren Abschluß war er als Sozialarbeiter beim Kreisjugendamt Höxter tätig. Schon viel früher hatte sich Antonius Rüsenberg in der katholischen Jugendarbeit engagiert. Die aktive Mitgliedschaft in Kolpingfamilie und Katholischer Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) beeinflußten ebenfalls seine späteren politischen Aktivitäten.
    Schon früh, mit 18 Jahren, trat der Ostwestfale in die CDU ein, wo er seitdem in eine Reihe von Parteigremien berufen wurde. Seit 1973 Vorsitzender des Kreisverbandes Höxter, gehörte er längere Zeit auch dem Landesvorstand der CDU Westfalen-Lippe an, und seit der Fusion mit der rheinischen Union ist er im Führungsgremium der Landespartei. Dort leitet er den Fachausschuß Jugend und Familie. Bereits zum zweiten Mal wurde der Christdemokrat im Wahlkreis 116 Höxter direkt in den Landtag gewählt. Die Landtagsfraktion berief ihn in den Vorstand und zu ihrem jugend- und familienpolitischen Sprecher.
    In dieser Eigenschaft hat der praktizierende Katholik die Positionen von Partei und Fraktion zur Familienpolitik wie zum Schutz des ungeborenen Lebens formuliert und mit persönlichem Engagement im Landesparlament wie in der Öffentlichkeit vertreten. Vehement fordert der Christdemokrat von der SPD-geführten Landesregierung die Einführung eines Landeserziehungsgeldes als Ergänzung zur Bundesregelung und plädiert für die Gründung einer Landesstiftung "Mutter und Kind".
    Von Bonn erwartet er die Verabschiedung eines Bundesberatungsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode. Die Union könne nach seiner Ansicht nicht um der F.D.P. wegen auf ihre Identität als christliche Partei verzichten. Die Beratung müsse den Schutz des ungeborenen Lebens dienen und der Sorge der Mütter. Sie solle daher auch insbesondere über solche Hilfen informieren, die die Fortsetzung der Schwangerschaft erleichterten. Gleichzeitig tritt er dafür ein, daß eine Indikationsstellung erst nach der Beratung erfolgen dürfe. Und wer diese Beratung durchgeführt habe, dürfe nicht die Indikationsstellung vornehmen.
    In seinem Wahlkreis sucht Antonius Rüsenberg das Gespräch mit möglichst vielen Bürgern, und er kümmert sich um deren persönliche Probleme. Denn, "was aus Düsseldorfer Sicht vielleicht ein Staubkorn im Getriebe der Landespolitik ist", sei für den betroffenen Menschen das für ihn im Augenblick unüberwindbare Problem.
    Eine solche Einstellung könnte nach seiner Meinung auch das oft gestörte Verhältnis zwischen Bürgern und Politikern verbessern. In diesem Zusammenhang meint der CDU-Abgeordnete, daß jeder Politiker eine klare und für den Bürger verläßliche Grundhaltung haben und trotzdem offen für die Ansicht des Andersdenkenden sein müßte.
    Trotz seines landesweiten Aktionsradius' und der Anerkennung seiner Parteifreunde zwischen Rhein und Weser, am wohlsten fühlt sich Antonius Rüsenberg daheim in Steinheim. Und wen wundert es da, daß die Mitbürger ihn auch schon zum Schützenkönig und Karnevalsprinzen proklamiert haben.
    Jochen Jurettko

    ID: LI891256

  • Porträt der Woche: Hanns Backes (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 09.05.1989

    Mit seinen beiden Söhnen macht er einmal im Jahr eine Segeltour — die letzte führte an die Costa Brava, mit einer Schulklasse fährt er jeden Winter in eine Ski-Gegend, und im Sommer unternimmt er eine respektable Rad-Wanderung, im vergangenen Jahr von München nach Wien. Und Spaziergänger können ihn oft noch spät abends durch das Nettetal radeln sehen. Hanns Backes, Landrat, Landtagsabgeordneter und Realschuldirektor a. D., will sich durch diese vielseitigen sportlichen Aktivitäten nicht nur fit halten, sie bieten dem heute 64jährigen Christdemokraten willkommene Entspannung und machen vor allem viel Spaß.
    Die Grundstimmung des gebürtigen Kaldenkircheners ist Optimismus, und diese Eigenschaft verhalf ihm sicherlich auch über manche Klippen seines wechselvollen Lebensweges. So wurde er als Siebzehnjähriger 1942 zur Marine verpflichtet und war bis Kriegsende Soldat. Nach dem Abitur ließ sich der Niederrheiner in sechs Wochen als "Schulhelfer" ausbilden und unterrichtete anschließend ein Jahr lang an einer Volksschule. Es folgten Lehrerstudium und Examen. Bereits als 38jähriger avancierte der Pädagoge in Kaldenkirchen zum Realschuldirektor — er war damals einer der jüngsten in Nordrhein-Westfalen. Fast zwanzig Jahre leitete dann Hanns Backes diese Schule und führte sie von ihrer Einzügigkeit zur Vierzügigkeit.
    Als Angehöriger eines vom Krieg besonders betroffenen Jahrgangs fühlte er sich verpflichtet mitzuhelfen am Ausbau eines demokratischen Staates; er trat bereits 1949 in die CDU ein. Schon drei Jahre später ließ er sich als damals 27jähriger in den Kaldenkirchener Stadtrat wählen — wegen der katastrophalen Schulverhältnisse. "Die Stadtväter versprachen, sie zu ändern, aber es geschah nichts, so wollte ich das selbst in die Hand nehmen", erinnert sich der Christdemokrat heute. In der Zeit von 1956 bis 1970 war er Vorsitzender der CDU-Fraktion, dann kam die Kommunalreform und Kaldenkirchen wurde nach Nettetal eingegliedert. Seit 1970 gehört Hanns Backes dem Parlament des Kreises Kempen und nach dessen Auflösung dem Viersener Kreistag an.
    Bereits seit 1975 Landrat des 260000 Einwohner zählenden Kreises, profitierte diese niederrheinische Region erheblich von Backes' Engagement und Ideen. So bündelte er als Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsförderungsgesellschaft erfolgreich die Aktivitäten der Gemeinden in diesem Bereich. Das Ergebnis: Allein zwanzig japanische Firmen etablierten sich bislang im Kreis. Und auf Initiative von Hanns Backes soll ein "Berufliches Weiterbildungswerk" in Zusammenarbeit zwischen Berufsschule, Berufsorganisationen und Firmen jungen Arbeitnehmern angesichts fortschreitender Technik eine Reihe von Nachqualifikationen bieten. Manche Sorgen der Bevölkerung lernt der passionierte Radler kennen, wenn er mit den Bürgern auf dem Stahlroß unter dem Motto "Fahr Rad mit dem Landrat" unterwegs ist. "Wenn man seine Aufgabe als Landrat ernst nimmt, bringt sie einem sehr, sehr viel Arbeit", stellt Hanns Backes fest. Und er nimmt sie ernst.
    Dem Landtag gehört der Christdemokrat seit 1980 an, bislang zweimal holte er für seine Partei im Wahlkreis 57, Viersen II, dort die Mehrheit. Als stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses hebt er die "sachliche Arbeit" in diesem Parlamentsgremium hervor. Der "gemeinsame Nenner" sei dort viel häufiger als anderswo. Insbesondere setzt er sich in diesem Ausschuß für die Sanierung bestehender Sportstätten ein, da man schon aus finanziellen Gründen alte Anlagen möglichst erhalten sollte. Auch im Kommunalpolitischen Ausschuß, dem er angehört, gibt es nach seinen Feststellungen viele Gemeinsamkeiten unter den Fraktionen, die Stärkung der Selbstverwaltung der Gemeinden beispielsweise.
    Der niederrheinische Christdemokrat ist kein Theoretiker, sondern im wahrsten Sinne des Wortes ein Mann der Praxis. Und er ist vor allem kein Ideologe. Mit seinem ausgleichenden Wesen hat er auch Sympathien bei politischen Kontrahenten gewonnen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI890937

  • Porträt der Woche: Johannes Wilde (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 8 - 03.05.1989

    Die Sorge um die Wahrung und Stärkung eines vielfältigen und eigenständigen Lebens in den städtischen, dörflichen und kirchlichen Gemeinschaften ist für Johannes Wilde (CDU), Landtagsabgeordneter aus Alfter-Impekoven im Rhein- Sieg-Kreis, Grundlage und Ausgangspunkt seines politischen Handelns.
    Seit 1972 gehört Johannes Wilde dem nordrhein-westfälischen Landtag an. Mit 36 Jahren war er von den damals 200 Abgeordneten nicht nur einer der jüngsten, sondern er brachte schon als Vorsitzender der Katholischen Landvolkbewegung in Nordrhein-Westfalen, aber auch als Vorsitzender der Bundesbeamtensparte der Diplomlandwirte ehrenamtliche Erfahrung mit. Sein Eintreten für die eigenverantwortliche und unmittelbare Gestaltung der vom Bürger gewählten Stadt- und Gemeinderäte haben ihn zu einem zuverlässigen und engagierten Partner seiner sechs Wahlkreisgemeinden Alfter, Bornheim, Mekkenheim, Rheinbach, Swisttal und Wachtberg werden lassen. Stets ist Johannes Wilde am Ort des Geschehens zu finden, und in enger Zusammenarbeit mit den Stadt- und Gemeindedirektoren versucht er den betroffenen Bürgern schnell zu helfen. Seine fachliche Qualifikation, Leistungsfähigkeit und sein Einsatz für die Bürger seines Wahlkreises, immer freundlich, froh und zielbewußt, zur rechten Zeit ein ehrliches und aufmunterndes Wort haben Johannes Wilde Anerkennung und Sympathie eingebracht. Die Bürgerinnen und Bürger des Rhein-Sieg-Wahlkreises haben ihn 1975, 1980 und 1985 direkt in den Landtag von Nordrhein-Westfalen gewählt. Für die rheinische CDU erzielte Wilde stets das viertbeste Ergebnis von allen 85 Wahlkreisen im Rheinland. Selbst Landtagspräsident Josef Denzer kam zum 50. Geburtstag von Johannes Wilde in das Rathaus seiner Heimatgemeinde und überreichte ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
    Zählt man die vielen täglichen Wünsche und die Anforderungen an den Abgeordneten Wilde zusammen, so kommt ein umfangreicher und vielfältiger Aufgabenkatalog zustande. Zu den wichtigsten Aufgaben gehören demnach die wirtschaftliche und kulturelle Förderung und Entwicklung der Städte und Gemeinden, die Verbesserung der Verkehrssicherheit, der notwendige Neu- und Ausbau von Straßen, die Ausstattung der Gemeinden mit den erforderlichen Landesfinanzen, der Schutz von Natur und Landschaft, die Sorge um die Existenzsicherung landwirtschaftlicher, mittelständischer und industrieller Betriebe sowie die Sicherung des gegliederten Schulsystems mit Gymnasium, Real- und Hauptschule.
    Seine Mitgliedschaften im Ausschuß für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, im Innen-, Haupt-, Verkehrs- und Rechnungsprüfungsausschuß haben mit dazu beigetragen, daß der Landtagsabgeordnete Johannes Wilde im Düsseldorfer Landesparlament zu jenen Politikern zu zählen ist, die sich stets um einen vernünftigen und realistischen Ausgleich zwischen den Gesamtinteressen des Landes Nordrhein-Westfalen und den Erfordernissen der Menschen in seinem Wahlkreis bemühen. Belegt wird dies durch eine Vielzahl verwirklichter Maßnahmen zum Nutzen zahlreicher Bürger sowie durch entsprechende mündliche und schriftliche Anfragen, Reden im Plenum und in den Ausschüssen des nordrhein-westfälischen Landtags. Mit seinem anerkannten Fachwissen, seiner praktischen Erfahrung zunächst als Diplomlandwirt bei der Landwirtschaftskammer Rheinland, später als Ministerialrat im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat Johannes Wilde an der inhaltlichen Gestaltung des Landschafts-, des Landesforst-, des Landesfischerei- und des Landeswassergesetzes mitgewirkt und so die Landwirtschaft-, die Umwelt- und die Wasserwirtschaftspolitik für das Land Nordrhein- Westfalen mitgeprägt.
    Eberhard Gottwald

    ID: LI890822

  • Porträt der Woche: Otti Hüls (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 28.02.1989

    "Wir werden kämpfen für den Erhalt der Zeche Ibbenbüren, auch über 1995 hinaus". Otti Hüls (46), CDU-Abgeordnete aus Ibbenbüren, formuliert diesen Satz mit Entschlossenheit, allerdings auch fast wie jemand, der laut in den Wald hineinruft, um so die eigene Angst zu verscheuchen.
    Denn die Zukunft der Zeche Ibbenbüren ist wieder einmal mit Fragezeichen versehen, so viele waren es noch nie. Noch gar nicht lange ist es her, daß durch den Neubau eines Kraftwerks die drohende Zechenstillegung verhindert werden konnte; die Zechengesellschaft Preussag mußte die Belegschaft von 8000 auf 5000 verringern. Daß die Weiterexistenz der Zeche Ibbenbüren jetzt wieder ins Gerede gekommen ist, liegt an den überdurchschnittlich hohen Subventionen, die für die niederflüchtige Anthrazit-Kohle erforderlich sind.
    Trotzdem zeigt sich Otti Hüls zuversichtlich. Diese Zuversicht drückt sie in der Frage aus: "Kann es sich heute jemand politisch leisten, in Ibbenbüren die Zeche dichtzumachen?" Sie jedenfalls glaubt das nicht, da die Einstellung der Kohleförderung für die Region zur Katastrophe werden könnte. Die CDU-Politikerin verweist darauf, daß das Durchschnittsalter der Ibbenbürener Bergleute bei 33 Jahren liegt, ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben also nur für sehr wenige in Frage kommt. Eine Zechenschließung würde nicht nur die 5000 Arbeitsplätze bei dem größten Arbeitgeber vernichten, sondern direkt oder indirekt auch weitere Tausende in den ohnehin strukturell schwach entwickelten Regionen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Kreis Steinfurt bereits den Strukturwandel in der Textilindustrie verkraften müssen, die Landwirtschaft befindet sich in einer Dauerkrise. Nach einer Stillegung der Zeche verbliebe ein Elektrochemiewerk als einziger größerer Arbeitgeber in der 42000- Einwohner-Stadt Ibbenbüren. Die gute Verkehrsinfrastruktur mit dem nahen Flughafen Münster/Osnabrück, dem Mittellandkanal und Autobahnen könnte sich auf lange Sicht als positiver Faktor erweisen.
    Bis dahin aber — und darüber läßt Otti Hüls nicht mit sich diskutieren — muß auf der Zeche Ibbenbüren welter gefördert werden, im Interesse der Region und der dort lebenden Menschen. Deshalb sei es notwendig, über den Wärmemarkt den Absatz der Ibbenbürener Kohle zu sichern. Nicht nur der Staat, auch die Energieversorgungsunternehmen seien hier in besonderem Maße gefordert.
    Auch im Landesparlament setzt sich die CDU-Abgeordnete mit Nachdruck für die Ibbenbürener Kohle ein, obwohl Wirtschafts- und Strukturpolitik nicht ihre eigentlichen Arbeitsbereiche sind. Die ehemalige Apothekenhelferin, verheiratet mit einem Finanzbeamten und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen, ist Mitglied in den Ausschüssen für Arbeit und Soziales sowie für Jugend und Familie. Obwohl ihre Wurzeln in der Frauenpolitik liegen, hat sie die Entscheidung ihrer Fraktion mitgetragen, einen Frauenausschuß abzulehnen und stattdessen einen Unterausschuß des Ausschusses für Jugend und Familie zu fordern.
    In die CDU ist sie 1970 eingetreten, als Reaktion auf die 68er Entwicklungen. Im damals noch bestehenden Kreis Tecklenburg gründete sie die Frauenvereinigung ihrer Partei. Bei ihrem Eintritt zählte der Kreisverband 92 weibliche Mitglieder, vier Jahre später waren es bereits rund 400. Der heutige — größere — Kreisverband Steinfurt hat insgesamt 7000 Mitglieder, darunter 1700 Frauen. Rückblikkend stellt Otti Hüls fest: "Es war gar nicht so leicht, Frauen zu politischem Engagement zu bringen." Mittlerweile sei es fast selbstverständlich, daß die Zahl der CDU-Frauen in den Räten des Kreises Steinfurt sich bei der letzten Kommunalwahl um ein Drittel erhöht habe. Bei der bevorstehenden Kommunalwahl erwartet sie eine weitere Steigerung. Vor diesem Hintergrund hält sie eine Quotenregelung für einen ungeeigneten Weg.
    Radikale Lösungen entsprechen ohnehin nicht dem Naturell der CDU-Politikerin. So ist sie nicht Mitglied der CdL ("Christen für das Leben"), obwohl sie die hohe Zahl der Abtreibungen für unerträglich hält: "Da muß etwas geschehen!" Nach ihrer Auffassung jedoch keine Änderung des Paragraphen 218 StGB, sondern eine Verbesserung der Beratungspraxis. Es sei doch nicht hinnehmbar, daß in einem Wohlfahrtsstaat wie der Bundesrepublik über 80 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche aufgrund sozialer Indikationen vorgenommen würden. Bei der sozialen Indikation müßten nach ihrer Ansicht ähnlich scharfe Maßstäbe angelegt werden wie bei der medizinischen.
    In fast 20 Jahren politischer Arbeit ist für private Interessen nur noch wenig Raum geblieben. Abwechslung bieten Reisen, um .andere Menschen und Länder kennenzulernen". Für Otti Hüls ist auch dies mit Politik verbunden: In besonderem Maße interessiert sie sich für osteuropäische Länder.
    Ludger Audick

    ID: LI890444

  • Porträt der Woche: Dr. Bernhard Worms (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 21 - 20.12.1988

    Den jungen Politikern eine Chance geben: das ist das Motto, nach dem Oppositionschef Bernhard Worms die 88köpfige CDU-Fraktion im NRW- Landtag führt. In der Tat haben die neuen bildungs-, finanz-, sozial- und wirtschaftspolitischen Sprecher der Union unter seiner Leitung soviel Gestaltungsmöglichkeiten und Freiraum wie nie zuvor.
    Der alte Fahrensmann Worms, seit 1970 im Düsseldorfer Landtag und damit einer der dienstältesten Landtagsabgeordneten, hatte selber einmal unter dem CDU-Ministerpräsidenten Franz Meyers eine "Chance", als dieser ihn 1965 unverhofft als persönlichen Referenten in die Staatskanzlei zu der für ihn zeitlebens prägenden "Lehrzeit" holte. Worms weiß daher, wie wichtig die Förderung des politischen Nachwuchses ist.
    Nach den langjährigen Turbulenzen der nordrhein-westfälischen CDU, bei denen Worms seinen Part als rheinischer CDU-Vorsitzender, als Spitzenkandidat und Herausforderer von Ministerpräsident Johannes Rau bei der Landtagswahl 1985 spielte, hat sich der Unionsmann jetzt ganz auf die Fraktionsarbeit konzentriert. Von Düsseldorf aus spinnt er feine, aber wichtige Fäden nach Bonn und nach Europa.
    "Ich freue mich, daß es mir gelungen ist, nicht nur innerhalb der eigenen Fraktion die politischen Schwerpunkte gesetzt, sondern auch die unmittelbar notwendige Verzahnung zwischen den Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen mit der CDU- CSU-Bundestagsfraktlon, aber auch mit den Europa-Abgeordneten der Union im europäischen Parlament erreicht zu haben", sagt der frühere Landrat des Erftkreises, der angesichts der Wichtigkeit des europäischen Binnenmarktes ab 1992 für Nordrhein-Westfalen längst Fühler zu seinen christdemokratischen Amtskollegen in den Anrainer-Staaten Holland, Belgien und Luxemburg ausgestreckt hat. Jis gibt schon eine ganze Reihe von Kontakten, die wir natürlich noch ausbauen und vertiefen werden", bilanziert Worms die bereits geleistete Arbeit.
    Ein anderes Thema, um das sich der CDU-Fraktionschef, der von sich selber sagt, daß ein "unbändiger Drang nach Freiheit und Toleranz gegenüber politisch Andersdenkenden" seine Wesensmerkmale sind, in den kommenden Jahren besonders bemühen will, zielt über die Parteigrenzen und über Nordrhein-Westfalen hinaus. "Ich möchte, beginnend hier im Lande Nordrhein- Westfalen, aber für alle anderen Bundesländer offen, analog dem deutsch-französischen, ein deutsch-israelisches Jugendwerk ins Leben rufen", erklärt der CDU-Politiker und fügt erläuternd hinzu: "Schwerpunktmäßig geht es mir darum, daß wir etwas Praktisches tun, um der Forderung nach Aufarbeitung des schrecklichen Geschehens in der Hitlerzeit gerecht zu werden." Nach Auffassung von Worms wäre das deutschisraelische Jugendwerk das geeignete Instrument, um die bereits bestehenden örtlichen Initiativen zu bündeln und zu unterstützen.
    Neben diesem weiten, überparteilichen Arbeitsfeld gilt sein Hauptinteresse auch weiterhin der Landesentwicklungsplanung. Von Beginn seiner politischen Laufbahn an hat der CDU-Politiker auf diesem Feld gearbeitet, wo sich die Landes- und die Kommunalpolitik oft in konfliktträchtiger Weise verzahnen. Er war einer der Väter der kommunalen Neugliederung, und es gehörte in den 70er Jahren schon Mut dazu, sich in diesem problembeladenen Bereich zu engagieren. Der Erfolg hat dem zähen, fleißigen und stetigen Politik-Arbeiter Worms recht gegeben.
    Auch nach 1990 will Worms, für den es außer Frage steht, daß er noch einmal als Landtagsabgeordneter auftritt, sich mit einem ähnlich brisanten Thema befassen: dem Abbau von Bürokratie. "Wir müssen mehr Marktwirtschaft in den Bereich der öffentlichen Verwaltung bringen", sagt er und denkt dabei vor allem an ein größeres Engagement der Bürger vor Ort bei den eigenen Belangen.
    Von Resignation oder Entmutigung ist bei Worms nichts zu spüren, obwohl seine Partei nun schon im 22. Jahr die Oppositionsbank drücken muß. Sicher schmerzt es ihn, daß so mancher gute politische Einfall, wie etwa die Notwendigkeit der Schaffung einer Landesentwicklungsbank jetzt — wenn auch in modifizierter Form — von der Regierung verwirklicht wird. Gewiß liegt es dem positiven rheinischen Charakter von Worms auch nicht sonderlich, als Oppositionsmann Immer dagegen" sein zu müssen, vor allem aber von der Gestaltungsmöglichkeit der Regierung ausgeschlossen zu sein. Daß der CDU-Politiker nie verzagt hat, hängt sicher auch mit seiner Persönlichkeitsstruktur zusammen, die von einem tiefen Harmoniestreben und einer festen Verwurzelung im Christentum geprägt ist.
    In der Politik hat sich Bernhard Worms von unten nach oben durcharbeiten müssen. Auch privat wurde ihm nichts geschenkt. Als Sohn eines Postschaffners im rheinischen Stammeln am 14. März 1930 geboren, wuchs er zusammen mit drei Geschwistern im Kölner Stadtteil Pesch auf, besuchte dort eine einklassige Volksschule und machte nach kriegsbedingtem viermaligem Schulwechsel 1951 sein Abitur. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften in Köln und dem österreichischen Graz hat ersieh weitgehend selber finanziert. Nach der Promotion führte der Weg von Worms zur Bundespost, bevor er 1966 in die Politik überwechselte. Ende der 60er Jahre kehrte er noch einmal zu seinem alten Arbeitgeber zurück, brachte es bis zum Abteilungspräsidenten der Oberpostdirektion Düsseldorf, ehe er 1982 ganz für die Politik beurlaubt wurde.
    Daß der Weg von Bernhard Worms zielstrebig zur CDU führte, erklärt sich aus der Familientradition. Seine Großmutter war die erste Frau, die als Zentrumsabgeordnete in den Stadtrat von Mülheim gewählt wurde, und auch sein Vater war vor 1933 Zentrumsvertreter im damaligen Gemeinderat von Sinnersdorf. Worms selber hat am Gründungstag der Kölner CDU teilgenommen und ist schon 1946 Parteimitglied geworden. Mit dem Jahr 1952 begann seine aktive politische Laufbahn zunächst als Vorsitzender des Gemeindeverbandes Pulheim, dann als Vorsitzender des Kreisverbandes Köln-Land. 1968 wurde er Landesvorstandsmitglied Rheinland, schließlich rheinischer Landesvorsitzender, Mitglied im Präsidium der NRW-CDU und im Bund und ist auch heute noch im Landes- und Bundesvorstand seiner Partei. Zu seinem politischen Durchbruch hat wohl maßgeblich beigetragen, daß es ihm Mitte der 70er Jahre gelang, eine damals sehr seltene Koalition zwischen CDU und F.D.P. zustande zu bringen.
    Bei aller politischen Geschäftigkeit findet Bernhard Worms noch immer Zeit für seine Fußbaileidenschaft. Dabei ist er nicht nur Fan des 1. FC Köln, sondern er fördert auch andere Sportclubs. Wenn daneben noch ein paar Mußestunden bleiben, nutzt sie der CDU-Politiker, um selber zu joggen oder zu lesen. Sein Spezialgebiet: das Reich der Hethiter.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI882136

  • Porträt der Woche: Franz Riehemann (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 11.10.1988

    "In meinem Wahlkreis kann ich nicht viel damit anfangen, aber es muß ja Leute geben, die sich darum kümmern." Seit 1966 kümmert sich Franz Riehemann (67) darum und will es bis zum Ende der Legislaturperiode weiter tun. Gemeint ist die Arbeit im Ausschuß für Haushaltskontrolle, der früher einmal Rechnungsprüfungsausschuß hieß. Nach seiner ersten Wahl in den Landtag wurde er Mitglied dieses Ausschusses, vier Jahre später dessen Vorsitzender. Vermutlich ist dies ein Rekord: Nach jeder folgenden Wahl wurde der CDU-Abgeordnete erneut in das Vorsitzendenamt gewählt, das er jetzt über 18 Jahre innehat.
    Doch von Rekorden hält der bodenständige Münsterländer, dem überall Sachlichkeit, Zuverlässigkeit und Fairneß nachgesagt wird, nicht allzuviel: "Der Ausschuß pocht darauf, daß die Landesregierung nach Recht und Gesetz handelt." Ohne Bedauern in der Stimme fügt er an: "Das ist nicht spektakulär". Ebensowenig spektakulär ist die Arbeit der Kommission für Wirtschaftsbetriebe des Landtags, die sich im wesentlichen mit der Verpflegung der Abgeordneten und der Landtagsmitarbeiter befaßt, und die er seit vielen Jahren leitet. Mit ganz leiser Ironie merkt er an: "Damit hat man mich wohl betraut, weil ich Hotelier bin."
    Im Zentrum von Steinfurt-Borghorst steht das mittelständische Hotel der Riehemanns. Kurz nach Rückkehr aus dem Krieg, in dem er als Fallschirmjägeroffizier fünfmal verwundet worden war, trat er dort 1945 in die CDU ein. Zu diesem Entschluß hätten die Erfahrungen aus der Nazi-Zeit und die Prägung durch das Elternhaus beigetragen, erklärt er. In seiner Heimat ist er fest verwurzelt, dort ist er Ehrenvorsitzender des Heimatvereins Borghorst und der Kreis-Mittelstandsvereinigung der CDU.
    Solides Selbstbewußtsein ist festzustellen, wenn er darauf hinweist, daß er bei allen Landtags wahlen seit 1966 in seinem Wahlkreis, der heute Steinfurt I/Coesfeld II heißt, mehr als 50 Prozent der Stimmen errungen hat. Vor der Kandidatennominierung 1985 hat er erklärt, 1990 nicht erneut kandidieren zu wollen; dabei bleibt es natürlich. Für bemerkenswert hält er jedoch diesen Umstand: Als er sich 1966 um die Kandidatur bemühte, hatte er es mit neun Mitbewerbern zu tun. Um seine Nachfolge bewerben sich bislang erst drei Kandidaten. Er führt dies u.a. darauf zurück, daß mittlerweile das Ansehen der Politik "ein wenig ramponiert"sei, teilweise trügen die Politiker selbst die Schuld daran. Nach seinem Empfinden sind die physischen und politischen Belastungen für den Mandatsträger auch schwerer geworden. Vor Ort müsse der Landtagsabgeordnete mehr auf Aktivitäten und Proteste von Bürgerinitiativen eingehen. Stärker als damals werde heute vom Abgeordneten erwartet, daß er stundenlag bei Festivitäten aller Art herumsitzt".
    Von Resignation will Franz Riehemann nichts wissen, obwohl er bis auf wenige Monate in 22 Jahren immer einer Oppositionsfraktion angehört hat. Die Landtagswahl 1966 hatte der CDU/F.D.P-Koalition eine knappe Mehrheit von 101 zu 99 Sitzen gebracht, die schon wenige Monate später zerbrach. Ein wenig Bedauern schwingt mit, wenn er feststellt, daß das Beispiel Niedersachsen zeige, daß man auch mit so knapper Mehrheit regieren könne; damals habe man wohl daran gezweifelt.
    Die heutigen Mehrheitsverhältnisse im Landtag, dessen Präsidium er seit 1969 angehört, sieht er kritischer. Wenn sich die SPD-Fraktion mit ihrer absoluten Mehrheit eine Meinung gebildet habe, sei kaum noch etwas daran zu ändern: "Der Regierungsfraktion fällt es schwer, die Regierung zu kontrollieren."
    Nach Riehemanns Beobachtungen sind die menschlichen Beziehungen zwischen den Fraktionen im Vergleich zu den 60er Jahren heute "stark abgekühlt", was sehr zu bedauern sei. Das sei wohl auf die zunehmende Hektik in der Politik zurückzuführen. Um so zufriedener ist er darüber, daß sich einige Freundschaften über Parteigrenzen hinweg gehalten hätten.
    Ludger Audick

    ID: LI881540

  • Porträt der Woche: Dr. Manfred Sanden (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 13 - 20.09.1988

    Er sieht sich als ein Mittler zwischen Politik und Wirtschaft, deren gegenseitiges Verhältnis nach seinen Erkenntnissen sehr im argen liegt — Dr. Manfred Sanden, Rechtsanwalt, Kaufmann und CDU-Landtagsabgeordneter. Diese Kombination von Beruf und Politik scheint geradezu ideal zu sein, die zweifellos schwierige Aufgabe auch erfolgversprechend anzupacken. Für den heute 48jährigen Wuppertaler ist beispielsweise die große Diskrepanz zwischer der erfolgreichen Wirtschaftspolitik der Bonner Regierung und ihrer Bewertung auch von vielen Wirtschaftlern ein Exempel für die Notwendigkeit eines verstärkten Dialogs zwischen beiden Seiten bis auf die Ortsebene.
    So ist Manfred Sanden auch persönlich davon überzeugt, daß viele Reformen, die in der Vergangenheit bereits erreicht worden sind oder in der Zukunft noch bewältigt werden müssen, nur unter einem Kanzler Kohl möglich sind. Kohl sei einer der wenigen Politiker, die sich nicht durch kurzfristige Stimmungen oder Strömungen beeinflussen ließen, sondern ihre einmal als richtig erkannten Ziele unbeirrt weiterverfolgten. Im übrigen auch auf die Gefahr, in der öffentlichen Beliebtheitskurve zu sinken. Für den Christdemokraten ist es daher "absolut ungerecht", dem Kanzler anzulasten, er würde "alles aussitzen". Im Gegenteil, man sollte ihn, meint Sanden, "dafür loben".
    Der promovierte Jurist ficht auch in zahlreichen Gremien, wie der Industrie- und Handelskammer in Wuppertal oder im öffentlichkeitsausschuß des Arbeitgeberverbandes für die Steuerreform, die vielen Unternehmern nach seiner Ansicht "erhebliche Vorteile" bringe. Andererseits sei es aber auch wichtig, Gedanken und Anliegen der Wirtschaft in die Politik einzubringen. So unterstützt der Wuppertaler, der sich als Sozius einer größeren Anwalts-Sozietät auf Gesellschafts-, Steuer- und Wirtschaftsrecht spezialisiert hat, die Forderung nach Abschaffung der Gewerbesteuer. Als Ersatz für die finanziellen Ausfälle der Kommunen müsse eine Abgabe geschaffen werden, die größere Bevölkerungsgruppen ebenfalls entrichten sollten. Bei der Gewerbesteuer handelt es sich nach seiner Auffassung um eine sehr problematische, einseitige Belastung der Unternehmer.
    Seit 1975 im nordrhein-westfälischen Landtag, gehört der CDU-Abgeordnete verständlicherweise dem Wirtschaftsausschuß an, und er ist stellvertretendes Mitglied des Rechtsausschusses. "In beiden Gremien kann ich meinen Sachverstand anbieten." Nach seiner Einschätzung gibt es nur eine sehr begrenzte Wirtschaftspolitik der Bundesländer. Sie konzentriere sich auf die äußere Darstellung des Landes und auf nur einzelne Projekte. Eine umfassende Imagepflege, die Präsentation als modernes Industrieland, habe Nordrhein-Westfalen lange vernachlässigt. Die Düsseldorfer Regierung habe sich zu sehr an ihren "Problemkindern" festgehalten, an Kohle und Stahl, meint Sanden.
    Der gebürtige Königsberger, Jahrgang 1940, absolvierte sein erstes Staatsexamen 1964 in München. Es folgten Promotion in Köln und zweites Examen in Düsseldorf. Nach Wuppertal schließlich zogen Manfred Sanden die "ehelichen Bande". Dort leitete er auch eine zeitlang als geschäftsführender Gesellschafter ein mittelständisches Unternehmen. Anfang der 70er Jahre führte ihn sein Entschluß, sich politisch zu engagieren, in die CDU. Bei den folgenden Landtagswahlen holte er erstmals den Wahlkreis 59, Wuppertal IV, für seine Partei. Zwei weitere Male kam Manfred Sanden als einer der Repräsentanten der CDU-Wirtschaftsvereinigung über die Landesliste in den Düsseldorfer Landtag.
    Der Alltag ist für den engagierten Juristen nicht selten ein Balanceakt zwischen Beruf und Mandat. Dennoch möchte er auf beide nicht gern verzichten.
    Jochen Jurettko

    ID: LI881329

  • Porträt der Woche: Karl Ernst Strothmann (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 31.05.1988

    Er hat sich bislang nie nach einem Mandat gedrängt — sfefs war es seine Partei, die in plötzliche "personelle Notlage" geraten, den Christdemokraten Karl Ernst Strothmann in die Pflicht nahm. Das war bei der Übernahme des Fraktionsvorsitzes im Gütersloher Stadtrat 1980 ebenso wie fünf Jahre später, als er Bürgermeister der ostwestfälischen Stadt wurde. Und auch die Kandidatur für den nordrhein-westfälischen Landtag hatte der gebürtige Bielefelder, Jahrgang 1928, nicht angestrebt. Drei Jahre nach seinem Einzug in das Düsseldorfer Landesparlament möchte der Abgeordnete das neue politische Wirkungsfeld aber nicht mehr missen.
    Der gelernte Industriekaufmann brachte eine Menge an kommunalpolitischer und beruflicher Erfahrung mit nach Düsseldorf. Seit 1961 bereits Mitglied des Rates der Stadt Gütersloh, berief ihn die Stadtvertretung während dieser Zeit in die verschiedensten Gremien und wählte ihn schließlich 1985 zum Bürgermeister. Schon früh setzte sich Karl Ernst Strothmann für mehr Attraktivität der Stadt- und Ortskerne ein. So förderte er die Schaffung von Fußgängerzonen und bemühte sich den Trend einzudämmen, Einkaufszentren auf der "grünen Wiese" zu errichten.
    Als langjähriger Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen und der regionalen Zweigstelle des Vereins zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs sorgt sich der Gütersloher ohnehin um die Zukunft der kleinen mittelständischen Geschäfte. In diesem Zusammenhang hält er eine Verschärfung des Kartellrechts für unerläßlich. Die Interessen des Mittelstandes vertritt er auch als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Stadtsparkasse Gütersloh.
    Die CDU-Landtagsfraktjon berief Karl Ernst Strothmann in den Petitions- und den Verkehrsausschuß. Wie andere Kollegen schätzt auch er insbesondere die Tätigkeit im Petitionsausschuß, wo die Abgeordneten oft mit Problemen ihrer Mitbürger konfrontiert werden, "die wir vorher gar nicht kannten". Nach seiner Einschätzung ist es möglicherweise gerade der "Perfektionismus" in der Gesetzgebung, der "vernünftige Lösungen " oft nicht möglich macht. Um so größer sei die Freude, wenn dann doch geholfen werden könne.
    Im Verkehrsausschuß setzt sich der Ostwestfale verständlicherweise für eine bessere Anbindung der Region an die nationalen und internationalen Verkehrsnetze ein, vor allem in Nord-Süd- Richtung. Ein solcher Ausbau würde auch die Infrastruktur dieses Raumes positiv beeinflussen. Für wünschenswert hält der CDU-Abgeordnete auch die zivile Mitbenutzung des NATO—Flughafens in Gütersloh, wenigstens teilweise. Nach mehr a/s zwanzig/äbrigem kommunalen Wirken war der Einstieg in die Landespolitik für den Gütersloher Bürgermeister eine große Umstellung. Im Gegensatz zur Tätigkeit in der Gemeinde befasse man sich in Düsseldorf oft mit abstrakten Themen, und alles sei weniger durchschaubar, meint Karl Ernst Strothmann. Nach seiner Ansicht sollte daher jeder Landtagsabgeordnete zunächst die "parlamentarischen Lehrjahre" in den Kommunen absolvieren. Er werde dann auch sicherlich praxisnäher entscheiden können. Von sogenannten Berufspolitikern, die es heute leider immer mehr gebe, hält er nicht viel.
    Der Christdemokrat ist ein Freund der klassischen Musik und hört in seiner Freizeit gern Konzerte. Aber wie er keinen Komponisten bevorzugt, so hat der Ostwestfale, der ebenfalls gern liest, auch keinen "Lieblingsautor": "Ich möchte gegenüber allem Neuen unbefangen sein."
    Jochen Jurettko

    ID: LI880939

  • Porträt der Woche: Kurt Krebs (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 15.03.1988

    Die Abgeordneten im nordrhein-westfälischen Landtag, die als Arbeitnehmer neben der parlamentarischen Tätigkeit auch noch ihren Beruf aktiv ausüben, sind nicht in der Überzahl. Zu ihnen gehört Kurt Krebs aus Wuppertal. Der CDU-Abgeordnete, der über die Landesreserveliste seiner Partei im Mai 1985 den Sprung in das Düsseldorfer Landesplenum schaffte, ist Busfahrer bei den Wuppertaler Stadtwerken. Und auch nach seiner Mandatsübernahme sitzt er weiter am Lenkrad. Die Stadtwerke ermöglichten dem 43jährigen, Beruf und Mandat miteinander in Einklang zu bringen. So gehört er auch weiter dem Betriebsrat und Aufsichtsrat des städtischen Unternehmens an.
    Der gebürtige Wismarer fühlte sich schon in jungen Jahren der Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer verpflichtet. Nach Besuch der Volksschule und Ausbildung zum Kraftomnibusfahrer trat Kurt Krebs schon früh in die Gewerkschaft ein. Sehr bald fand er dann auch den Weg zu den Sozialausschüssen der CDU und über sie in die Union. Seitdem erhält der Christdemokrat viel Anerkennung für seine stets "basisbezogene" Arbeit, bei Gewerkschaftskollegen ebenso wie bei Parteifreunden. So fühlt er sich auch als "Anlaufstelle" der Sorgen und Probleme der Mitbürger.
    Als Mitglied des Verkehrsausschusses des Landtages bringt Kurt Krebs seine praktische Erfahrung in dieses Parlamentsgremium ein. Mit Nachdruck setzt er sich dort für einen "bürgernahen" öffentlichen Personennahverkehr ein. Bürgernah bedeutet für ihn, daß sich die Verkehrsbetriebe stärker nach den Bedürfnissen der Fahrgäste richten. So berücksichtigten sie noch zu wenig die Tatsache, daß der Arbeitnehmer immer mehr Freizeit habe und auch dann ein öffentliches Verkehrsmittel in Anspruch nehmen möchte. "Die Fahrpläne sind zu einseitig auf den Berufsverkehr ausgerichtet." Für den CDU-Landtagsabgeordneten sollte der öffentliche Nahverkehr nicht nur ein "Service-Angebot" sein, sondern eine Verpflichtung des Staates gegenüber seinen Bürgern.
    Der Wuppertaler ist sich im klaren darüber, daß solch ein Anliegen viel Geld kostet, das die Städte und Kreise allein nicht aufbringen können. So plädiert er auch für ein stärkeres Engagement des Landes und des Bundes. Gleichzeitig läßt Kurt Krebs keinen Zweifel daran, daß er den Individualverkehr nicht mit "Gewalt" zurückdrängen wolle. Nur ein "Miteinander" sei sinnvoll. Als stellvertretendes Mitglied gehört er auch dem Ausschuß für Jugend und Familie, dem Sport- und Petitionsausschuß an.
    Der Christdemokrat, der im politisch Andersdenkenden nicht seinen "Gegner" sieht, beklagt ebenso wie jüngst der Landtagspräsident den oft "verbissenen Umgang" zwischen den Düsseldorfer Abgeordneten. Die Bürger würden nach seiner Ansicht zwar akzeptieren, daß Politiker "hart diskutieren", sie würden aber nicht billigen, wenn Auseinandersetzungen bis an die Grenze der persönlichen Beleidigung gingen, sie sogar manchmal überschritten. Respekt und Toleranz gegenüber einer anderen Meinung sollte gerade in einem Parlament eine Selbstverständlichkeit unter Demokraten sein. Neben Beruf und politischer Tätigkeit hatte er mehrere Jahre lang noch eine weitere Aufgabe als ehrenamtlicher Richter am Verwaltungsgericht Düsseldorf übernommen. Seit seiner Mandatsübernahme ist der Abgeordnete Schöffe am Wuppertaler Landgericht.
    Auch in der Freizeit sitzt Kurt Krebs häufig am Steuer — er ist begeisterter Camper. Mit Ehefrau und vier Kindern hat er schon mehrmals die nordischen Länder besucht und kaum eine deutsche Landschaft ist für ihn unbekannt.
    Jochen Jurettko

    ID: LI880553

  • Porträt der Woche: Wilhelm Lieven (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 21 - 22.12.1987

    Wilhelm Lieven ist ein handfester Mann der Basis - zudem einer von nur noch fünf Landwirten im nordrhein-westfälischen Parlament. "Ich fühle mich als Klammerzwischen den Bürgern vor Ort und den politisch Verantwortlichen im Landtag", nimmt er selber eine Standortbestimmung vor. Aus der Gemeinde, aus dem Kreis, vor allem aber aus seinen landwirtschaftlichen Gremien bringt Lieven Erfahrungen mit in den Landtag und dessen Ausschüsse und sagt dort recht deutlich, ob die Menschen in den Kommunen mit den Gesetzen und Vorschriften, die die Parlamentarier und Experten mehr am grünen Tisch erarbeiten, auch leben können. "Meistens", so der Unionsmann aus Erfahrung, "können die Planungen der Gemeinden mit den Vorgaben des Landes bei ein bißchen gutem Willen in Einklang gebracht werden."
    Der gestandene Landwirt, der seinen Hof an der Wegstrecke zwischen Neuss und Aachen in Tietz von 13 Hektar im Jahr 1950 auf heute gut 70 Hektar ausgebaut hat, weiß sehr gut, wie er für seine vorwiegend ländliche Klientel eine wirksame Lobby zu betreiben hat. Ein bißchen verschmitzt meint Wilhelm Lieven, daß er schon immer gut "vor die Worte" kommen konnte, daß ihm seit Kindesbeinen "immer etwas eingefallen" sei, und es ihm nie schwerfiel, "mit Leuten ins Gespräch" zu kommen. All diese Fähigkeiten haben sicher dazu beigetragen, daß der am 2. September 1934 in seiner Heimatgemeinde Tietz geborene Wilhelm Lieven privat, beruflich und politisch gute Ausgangschancen hatte.
    Nach der Volksschule, einer Müllerlehre mit Gesellenprüfung, Weiterbildung zum Landwirt, der heute vor allem Zuckerrüben, Weizen, Kartoffeln, Gurken und Zwiebeln anbaut und die unrentabel gewordene Mühle 1964 drangegeben hat, wurde der erfolgreiche Bauer, von den berufsständischen Organisationen sehr rasch in die Pflicht genommen und hat dort auch kräftig mitgearbeitet.
    Mit der Politik hatte er dagegen zunächst nichts zu tun. Weder der Vater noch sonst jemand in der Familie interessierte sich sonderlich aktiv für die großen Geschehnisse in der weiten Welt. Über seine Arbeit im vorparlamentarischen Raum, dazu zählen auch Schützenverein, Heimatpflegerverbände und handfester Fußball, wurden die Politiker auf Wilhelm Lieven aufmerksam. Der damalige Landrat Johnen habe ihm dann die "Politik verordnet", indem er schlicht erklärte: "Wir brauchen Dich", erinnert sich der heutige CDU- Parlamentarier.
    Darüber, daß die CDU seine Partei sein würde, gab es keinerlei Diskussionen. Entwaffnend offen, meint Wilhelm Lieven: "Bei uns gab es damals nur Einheitslisten. Da lief alles unter CDU, auch, wenn die Leute gar nicht in der Partei waren. " Das allerdings hat sich inzwischen geändert. Immerhin hat bei den letzten Landtagswahlen ein SPD-Mann den Wahlkreis 7 in Düren geholt, allerdings nicht gegen Lieven, der bislang über die Reserveliste in das Parlament eingerückt ist. 1990 möchte er diesen Wahlkreis nun für die CDU zurückholen. Nachdem er sich vom Listenplatz 37 über die Nummer 32 auf den sicheren 25. Platz vorgearbeitet habe, meint Lieven nun auch einen direkten Wahlkreis ziehen zu können.
    Ende der fünfziger Jahre war der junge Landwirt über seine Berufsorganisationen zur Jungen Union gekommen. 1959 trat er der CDU-Nachwuchsorganisation bei. Fünf Jahre später wurde er CDU-Mitglied. Noch im gleichen Jahr wählten ihn die neuen Parteifreunde zum Ortsvorsitzenden. Seither mischen sich politische und landwirtschaftliche Posten, daß man nicht so recht auseinanderhalten kann, ob der Landwirt in eine politische Funktion geholt oder der Politiker mit der Betreuung von Standesaufgaben betraut worden ist.
    Zu den wichtigsten Funktionen des Landtagsabgeordneten gehören heute zweifellos seine Arbeit als Kreislandwirt, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Bonn, Mitglied des Kreistages in Düren, Mitglied des Rates und zugleich Bürgermeister von Tietz. Im Landtag, wo der CDU-Politiker während seiner ersten Legislaturperiode neben dem Westfalen Heinrich Ostrop den "rheinischen Part" in der Landwirtschaft übernommen hatte, ist Lieven jetzt Vorsitzender im Ausschuß für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, zugleich ordentliches Mitglied im Ausschuß für Grubensicherheit und Stellvertreter im Wissenschaftsausschuß.
    Mit den Ämtern haben auch die Aufgaben zugenommen. So bekennt Wilhelm Lieven: "Ich muß viel Prügel einstecken", nimmt das aber als selbstverständlich hin. Da er an vielen Fronten für die Belange der Landwirtschaft kämpfe, könne er es nicht allen recht machen. Der CDU-Mann steht zu den Vorgaben der EG-Agrarpolitik. Von der Landesregierung wünscht er sich, daß Sie nicht nur die kleinen und Nebenerwerbsbetriebe stützt, sondern gerade heute verstärkt auch für die Vollerwerbsbetriebe eintritt, damit diese auf Dauer überleben können. Der Versuch mit Mitteln der Agrar- und Sozialpolitik alle oder möglichst alle Grenzbetriebe zu erhalten, kann nach Auffassung von Landwirt Lieven nicht erfolgreich sein. Dieser Versuch verzögere das Ausscheiden dieser Betriebe und verschärfe bei dem bestehenden Verdrängungswettbewerb zudem noch den Abwanderungsdruck zu Lasten der noch wettbewerbsfähigen Betriebe, argumentiert Lieven, der als Vater von drei Söhnen und einer Tochter sehr genau weiß, daß heutzutage nur am Markt ausgerichtete, modern geführte Betriebe eine Überlebenschance haben. Was in NRW fehle, bedauert Lieven, sei ein Agrarkreditprogramm, mit dem Maßnahmen zur Strukturverbesserung durch Zinsverbilligungen erleichtert würden.
    Trotz fester Standpunkte übt sich der CDU-Politiker als Ausschußvorsitzender im Ausgleich. Man müsse immer so miteinander umgehen, daß nach harter Debatte das Zusammensetzen nicht schwerfalle. Wenn es um Sachfragen geht, ist Lieven übrigens kein absoluter Parteibuch-Politiker. Als unlängst Mitarbeiter des Regierungspräsidenten Köln für eine vernünftige Realisierung der Schutzverordnungen sorgten, hat er ihnen gedankt. Lieven: " Wenn der RP dem Kreis geholfen hat, muß man sich bedanken, auch, wenn Franz-Josef Antwerpes ein Sozialdemokrat ist". Nach Hobbys und Freizeit gefragt, lacht der CDU-Mann nur. Bei seinen vielen Verpflichtungen, von denen er aber beileibe auf keine verzichten möchte, sei das kaum drin. .Aber", so räumt Landwirt Lieven ein, "in freier Luft im Feld auf dem Trecker zu sitzen", das bereite ihm noch immer große Freude und "das mache ich auch so oft wie möglich".
    Gerlind Schaidt

    ID: LI872146

  • Porträt der Woche: Hildegard Matthäus (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 20.10.1987

    Ihr Engagement gilt derzeit der Durchsetzung einer Kulturstiftung für Nordrhein-Westfalen. "Ich will die Stiftung als eine Art Bevölkerungsbewegung, für die jeder Bürger eintreten kann", sagt Hildegard Matthäus. Die CDU- Abgeordnete, die seit 1980 im Landesparlament sitzt, hat ganz konkrete Vorstellungen, wie diese Einrichtung zu finanzieren wäre. Ihrer Meinung nach würde eine solche neue Stiftung auch dazu beitragen, das Bewußtsein der Bevölkerung für Kultur zu stärken. Darüber hinaus sieht sie eine Chance, den Landeshaushalt zu entlasten und andere bisher nicht geförderte Projekte zu unterstützen.
    "Beispielsweise halte ich es für möglich, daß Bürger sich mit 100 DM beteiligen. Ganz sicher würde ihr Interesse für Kunst steigen, wenn sie finanziell auch nur ein klein wenig beteiligt wären", meint die Parlamentarierin. Die geplante Kulturstiftung sollte unter anderem die Kurzfilmtage in Oberhausen, die Akzente in Duisburg oder das Wuppertaler Tanztheater bezahlen. Die Mittel, die dafür bislang von der Landesregierung aufgebracht werden, könnten in andere Kultureinrichtungen fließen. " Vielleicht könnte man sie auch für die Weiterbildung nutzen, um die es augenblicklich im Land arg schlecht bestellt ist", regt Frau Matthäus an und hat damit bereits ein weiteres Thema ihrer Parlamentsarbeit angeschnitten. Kultur und Kunst haben die lebhafte kleine Person zeit ihres Lebens interessiert, ohne daß sich Hildegard Matthäus nun von Anfang an das Ziel gesetzt hätte, als Abgeordnete in die Politik zu gehen. Die am 13. April 1934 in Mülheim an der Ruhr geborene CDU-Dame kommt aus einem Beamtenhaus, das sich durch seine evangelische Prägung und eine damit verbundene Gegnerschaft zum Dritten Reich auszeichnete. " So richtig parteipolitisch engagiert war mein Elternhaus nicht", meint Hildegard Matthäus.
    Ihre Schuljahre waren durch die Kriegs wirren gekennzeichnet. Teilweise wurde sie in einem Sammelgymnasium in einem Bunker unterrichtet. Kurz nachdem sie die Mittlere Reife erreicht hatte, verließ sie aus familiären Gründen die Schule und bereitete sich auf der Höheren Handelsschule aufs' Geldverdienen vor. Einige Jahre war sie dann bei der Hugo Stinnes GmbH als Sachbearbeiterin für Bankfragen beschäftigt.
    Auf dem zweiten Bildungs weg absolvierte sie eine Ausbildung als Lehrerin für Kurzschrift, Maschinenschreiben und Informatik an einer berufsbildenden Schule und legte 1964 noch die Prüfung als englischer Übersetzer ab.
    Politisches Interesse hat bei ihr ein Lehrer in der Handelsschule geweckt, der sie während des Unterrichts häufig mit seinen Ansichten zum Widerspruch reizte. Dieser Pädagoge nahm sie mit zu einer politischen Diskussions runde, die er in der Volkshochschule leitete.
    Hier schärfte Hildegard Matthäus ihre politische Urteilskraft. Als sie 1961 das Lehrerinnenexamen ablegte, war ihr gleichzeitig klar, daß sie auch "politisch aktiv" werden wollte. Damals zog sie nach Oberhausen um, weil die Stadt mit dem ursprünglichen Arbeiterflair der richtige Boden für ihre politische Arbeit schien, trat in die CDU ein und zugleich auch in die Frauen vereinigung der Partei.
    Bereits drei Jahre später war sie Ratsmitglied in Oberhausen, was sie übrigens auch heute noch, 23 Jahre später, ist. "Damals hat es mir wohl geholfen, daß ich eine Frau und noch dazu evangelisch war", meint Frau Matthäus in der Erinnerung. Von Anfang ihrer Ratsarbeit an saß sie im Kulturausschuß. "Meine Jungfernrede habe ich allerdings über den Müll gehalten", erinnert sich die CDU-Politikerin lebhaft.
    Die Ratsmitgliedschaft brachte es mit sich, daß Frau Matthäus auch in die Kommunalpolitische Vereinigung (KPV) eintrat und hier nach zwei Jahren stellvertretende Vorsitzende des Fachausschusses Kultur wurde. Seit 17 Jahren hat sie den Vorsitz im Kulturausschuß der Bundes-KPV. Auch auf der Stufenleiter der möglichen Posten in der Frauenbewegung ging es rasch bergauf. Frau Matthäus ist Vorsitzende der Vereinigung in Oberhausen, stellvertretende Chefin im Bezirk Ruhr und Pressebeauftragte in der Landesgruppierung.
    Bei ihrer Basisarbeit im Rat der Stadt Oberhausen ärgerte sich die zielstrebige Politikerin zuweilen recht heftig über die Entscheidungen " vom grünen Tisch", mit der die Landespolitik den Kommunen Auflagen aufdrückte. "Das war der Ansatzpunkt, um mich für ein Landtagsabgeordnetenmandat zu bemühen", sagt Frau Matthäus. Erste Schützenhilfe für dieses Vorhaben erhielt sie von der Jungen Union, danach stellten sich auch die Frauen mit Nachdruck hinter sie. Bei der Landtagswahl 1975 langte es dann allerdings noch nicht für den Sprung in den Landtag. Doch seit 1980 ist sie Parlamentarierin in Düsseldorf.
    In der Sitzordnung des Parlaments hat sie sich inzwischen bis in die zweite Reihe gleich hinter der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Christa Thoben hochgearbeitet. In der Facharbeit ist ihr Platz im Kultur- und Schulausschuß. "In beiden gibt es soviel zu tun, daß ich auch im nächsten Landtag wieder dabeisein möchte", weiß die Oberhauserin schon heute.
    Abgeordnetendasein, Privatleben und Hobby laufen bei der CDU-Politikerin zusammen. "In Oberhausen besuche ich jede Premiere", berichtet sie und fügt hinzu: "Ich reise auch durch das Land und sehe mir interessante Aufführungen und Ausstellungen an". Wenn dann noch ein bißchen Freizeit bleibt, dann vergräbt sich Hildegard Matthäus gern in Büchern: "Ich lese mit Begeisterung: vor allem Biographien von Regisseuren, Schauspielern und natürlich Politikern!"
    Gerlind Schaidt

    ID: LI871637

  • Porträt der Woche: Beatrix Philipp (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 29.09.1987

    "Das ist zu kurz gesprungen", kritisiert Beatrix Philipp die jüngsten Pläne von Innenminister Herbert Schnoor zur Quotenregelung im öffentlichen Dienst Nordrhein-Westfalens. Zwar meint auch die CDU-Abgeordnete aus Düsseldorf, es sei "gar keine Frage", daß "wir noch neue Wege finden müssen, um die Frauen nach vorn zu bringen", doch die Quotenregelung hält sie für keine besonders glückliche Möglichkeit.
    Als Vorsitzende der CDU-Frauenvereinigung Düsseldorf und Mitglied des Landesvorstandes der CDU-Damen betont Beatrix Philipp: "Ich arbeite dafür, daß die Frauenvereinigung einmal überflüssig wird", fügt allerdings realistisch hinzu, "vermutlich wird noch meine Tochter recht aktiv in dieser Gruppierung tätig sein, ehe dieses Ziel erreicht wird."
    Als Begründung für ihre ablehnende Haltung zur Quotenregelung meint die engagierte CDU-Politikerin: "Mir wäre es peinlich, wenn ich in ein Amt gewählt würde und anschließend nicht wüßte, ob ich nun gewählt worden bin, weil ich gut oder nur deshalb, weil ich eine Frau bin."
    Diese Einstellung nimmt man der 42jährigen Rheinländerin ab. Resolut und robust unterstützt sie seit zwei Jahren die 13köpfige Parlamentarierinnenriege der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. Neben Frauenfragen interessiert sich die Pädagogin für ihr gelerntes Metier, die Schule. Besonders hingezogen fühlt sie sich jedoch zu allen Themen des Gesundheitswesens.
    Als Tochter eines Arztes war für Beatrix Philipp zunächst klar, daß auch sie einmal Medizin studieren würde. Doch dann entschied sie sich für die Pädagogik. Nach zwei Semestern in Freiburg fand sie an der Frankfurter Uni eine ideale Kombinationsmöglichkeit, die ihr einerseits das Pädagogikstudium ermöglichte, zum anderen aber auch die Gelegenheit "zum Herumschnüffeln" in anderen Fakultäten bot, wie sie es nennt. Ausgiebig machte sie von dieser Chance Gebrauch. Hier in Frankfurt wurde sie Ende der 60er Jahre auch erstmals so richtig für die Politik sensibilisiert. "Ich erinnere mich sehr nachhaltig an die Auftritte von Daniel Cohn-Bendit, vor allem daran, wie es ihm gelang, die Studenten zu provozieren, zu emotionalisieren und schließlich zu manipulieren." Einer dieser Polit-Auftritte wurde für die am 7. Juli 1945 in Mönchengladbach geborene Arzttochter zum Schlüsselerlebnis für ihr späteres politisches Engagement. Beatrix Philipp: "Damals wurde mir klar, es reicht einfach nicht aus, sich leise seine Meinung zu bilden und alle paar Jahre ein Kreuzchen zu machen, man muß selber Stellung nehmen." Diesen Entschluß setzte die Studentin jedoch nicht gleich in die Praxis um. Das kam erst 1972, als nach Studienabschluß, Heirat, Umzug nach Düsseldorf, zwei Kindern und Bestallung als Lehrerin an einer katholischen Grund- und Hauptschule "alles so lief", daß wieder Zeit und Raum für etwas Neues war.
    Christdemokratische Freunde hatten ein wenig gedrängelt und ihr klargemacht, daß sie genau die Richtige für die Parteiarbeit vor Ort sei. Schließlich wollte sie selber ihren Entschluß aus Studienzeiten verwirklichen. Bereits drei Jahre später trug der Ortsverein der durchsetzungsfreudigen Unionsdame die Kandidatur für ein Ratsmandat der Stadt Düsseldorf an. Der Sprung ins Stadtparlament klappte gleich beim ersten Anlauf. Schwerpunkte ihrer Arbeit dort waren der Jugendwohlfahrtsausschuß und der Ausschuß für öffentliche Einrichtungen. Innerhalb der Ratsfraktion fiel die Lehrerin, die 1982 Schulleiterin geworden war, rasch die Karriereleiter hinauf. Beim Auf- und Durchbruch in die Landespolitik hat dann die langjährige CDU-Landtagsabgeordnete Maria Hölters eine gewichtige Rolle gespielt. Sie wollte Beatrix Philipp als ihre Nachfolgerin für den Wahlkreis II in den Düsseldorfer Landtag holen. Doch die Ratsdame zögerte. Zu sehr hatte sie sich in der Lokalpolitik engagiert, als daß sie sich rasch davon lösen konnte. Erschwert wurde die Entscheidung dadurch, daß die Düsseldorfer Parteisatzung ein Doppelmandat verbietet. Schließlich gelang es Maria Hölters aber doch, ihre "Ziehtochter" von der Richtigkeit des Wechsels in die Landespolitik zu überzeugen.
    1985 zog Beatrix Philipp in den Landtag ein. Sie ist Mitglied im Ausschuß für Jugend und Familie und Mitglied im Ausschuß für Schule und Weiterbildung. "Damit sind meine Ausschußwünsche erfüllt", meint die CDU-Dame, verhehlt allerdings nicht, daß sie nur allzugern auch noch im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales sein würde, doch das erlaubt schon der Zeitplan derzeit nicht, da beide Gremien parallel tagen. Doch der Gesundheitsausschuß wird ihr nächstes Ziel.
    Denn eines steht fest: Nachdem Beatrix Philipp in der Landtagsfraktion Fuß gefaßt hat und das Arbeitszimmer in der Elisabethstraße zu ihrer zweiten Heimat geworden ist, möchte sie bei der nächsten Landtagswahl 1990 wiederantreten.
    Ihr Arbeitspensum ist im zweiten Abgeordnetenjahr bereits so gedrängt, daß für Hobbys nicht viel Zeit bleibt. Die Motorfliegerei hat sie längst an den Nagel gehängt. Gemeinsames Reisen mit ihren Kindern, die sie allein erzieht, steht allerdings auf dem Wunschzettel von Tochter und Sohn und wird auch erfüllt. Gelegentlich ist Beatrix Philipp durchaus für einen zünftigen, aber nicht allzu ernsten Skat zu haben.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI871438

  • Porträt der Woche: Dr. Helmut Linssen (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 11 - 14.07.1987

    Sie wollen künftig "Tandem" fahren, um die Union in Nordrhein-Westfalen wieder nach vorn zu bringen: Norbert Blüm, Bundesarbeitsminister und neuer CDU- Landesvorsitzender in Düsseldorf, und Helmut Linssen, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion und neuer Generalsekretär unter Blüm für den Landesverband der Partei. In seiner bisherigen politischen Karriere scheint Linssen damit einen kräftigen Sprung nach vorn getan zu haben. Zwar hätte er sich im Frühjahr auch schon um den Vorsitz der Landtagsfraktion und damit um die Position des Oppositionsführers im Parlament bewerben können, wenn er es gewollt hätte. Der kühl kalkulierende Kaufmann aus Geldern am Niederrhein wartete aber erst den Klärungsprozeß an der Parteispitze im Lande ab, bevor er sich entschied, am personellen Erneuerungsprozeß in herausgehobener Stellung mitzuwirken. Der neue hauptamtliche Generalsekretär im CDU-Landesverband hat "politische Vollmachten", und Linssen wird sie im Einvernehmen mit Blüm auch zu nutzen wissen.
    In der Landtagsfraktion galt Linssen schon lange als Geheimtip für kommende Aufgaben. Sein politischer Aufstieg war stetig und eher unauffällig. Linssen gehört der Fraktion seit 1980 an. Er hat am Niederrhein noch einen der wenigen direkten Wahlkreise der CDU mit fast sechzig Prozent der Wählerstimmen inne. Den Schritt vom selbständigen Großhandelskaufmann in der Landwirtschaft zum Berufspolitiker hat er sich sorgsam überlegt. Mit einigem Stolz wies er gelegentlich darauf hin: "Ich lebe nicht vom Mandat." Das belegt auch sein beruflicher Werdegang. Nach dem Abitur in Krefeld besorgte sich Linssen zuerst eine kaufmännische Ausbildung, bevor er in Hamburg und München Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studierte und 1972 promovierte. Der 44 Jahre alte-Unternehmer hat auch danach keine Funktionsträger-Karriere in der Partei angestrebt.
    Erste politische Erfahrungen sammelte er als Kommunalpolitiker in Geldern, dann auch in der Mittelstandsvereinigung der Partei. Im Landtag machte er sich seit 1980 einen Namen als Sprecher der CDU für Umwelt- und Raumordnungspolitik. Seit geraumer Zeit ist er Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der sich mit Geschäftsverquickungen der Neuen Heimat, der landeseigenen Wohnungsbauförderungsanstalt und - möglicherweise - betrügerischen Machenschaften in diesem Zusammenhang im politischen und vorpolitischen Raum beschäftigt. Auch in den Parlamentsausschüssen für Wirtschaft, für Jugend, Familie und politische Bildung hat er längere Zeit mitgearbeitet. Jetzt als einer der stellvertretenden Fraktionschefs hinter Worms und als Landesgeneralsekretär der Partei unter Blüm wird Linssen sich wohl um eine Konzentration auf das Wesentliche bemühen. Weniger kann da durchaus Mehr bedeuten.
    Man muß Helmut Linssen nach den jüngsten, zum Teil schmerzhaften Personalentscheidungen in der CDU von Nordrhein-Westfalen zur kommenden Führungsmannschaft rechnen. Er repräsentiert auch innerhalb der Union eine Generation, die auf Erneuerung drängt. Selbstbewußtsein paart sich da mit schneller Auffassungsgabe, Darstellungsfähigkeit mit einer gehörigen Portion von Durchsetzungsvermögen.
    Es liegt nahe, daß Linssen in nächster Zeit vor allem versuchen wird, die politische Arbeit der Landtags fraktion mit der des Landesvorstandes der Partei und auch der Nordrhein-Westfalen-Gruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion so eng wie möglich miteinander zu verzahnen. Linssen muß auch den hauptamtlichen Apparat der Partei nach mannigfachen Reibungsverlusten im Zusammenhang mit der Fusion von Rheinländern und Westfalen in der CDU wieder neu zu motivieren verstehen. Das wird mannigfache und mühsame Arbeit eher "in der Stille" bedeuten, denn von den auf offenem Markt ausgetragenen Konflikten ist diese nordrhein-westfälische CDU lange genug gebeutelt worden. Linssen bringt unternehmerische und auch organisationspolitische Erfahrung in seinen neuen Parteiauftrag ein. Er gilt zugleich als ein heller, am pragmatischen Denken orientierter politischer Kopf.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI871159

  • Porträt der Woche: Georg Gregull (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 10.06.1987

    Er zählt zu jenen Menschen, die sich insbesondere um die Schwächeren in der Gesellschaft kümmern - sozusagen von Berufs wegen, nicht minder aber auch aus innerer Einstellung. Der CDU-Landtagsabgeordnete Georg Gregull ist Sozialarbeiter. Und als Geschäftsführer im Caritasverband wird der Remscheider fast täglich mit den Problemen der sozial Schwachen, der behinderten und älteren Mitbürger, der kinderreichen Familien konfrontiert. Sein Anliegen: Den Anspruch dieser Menschen auf einen ihnen zustehenden Platz in der Gemeinschaft zu unterstützen und möglichst durchzusetzen. Eine schwere, eine nahezu unlösbare Aufgabe.
    Die schweren Jugendjahre von Georg Gregull dürften sicherlich die spätere Lebensplanung entscheidend beeinflußt haben. Nach der Besetzung des ostpreußischen Reichenberg durch die Sowjets wurde sein Vater deportiert. Als Sechzehnjähriger kam der gebürtige Ostpreuße 1948 allein und völlig mittellos in die Bundesrepublik, in ein Jugenddorf nach Delmenhorst. Er absolvierte die Lehre als Betonbauer, machte anschließend die Facharbeiterprüfung und war mehrere Jahre in diesem Beruf tätig. Später besuchte er die Fachoberschule für Sozialarbeit in Köln und schloß sie als graduierter Sozialarbeiter ab. Mehrere Praktika folgten.
    Nach seinem Eintritt in die CDU 1962 widmete sich Georg Gregull schon bald als sachkundiger Bürger im Sozial- und Gesundheitsausschuß des Remscheider Stadtrates den sozial Schwachen. Seit 1969 gehört der Christdemokrat auch dem Stadtparlament an und seit 1977 ist er Vorsitzender der CDU-Fraktion. Der Jugend- und Sozialbereich ist außerdem sein Wirkungsfeld in der Landschaftsversammlung Rheinland, wo er Vorsitzender des Landesjugendwohlfahrtsausschusses ist. Den CDU-Kreisverband führte er gut zehn Jahre lang, bis 1981.
    Der CDU-Landtagsabgeordnete zog nach der letzten Landtagswahl 1985 über die Reserveliste seiner Partei in das Düsseldorfer Landesparlament ein. Aufgrund seiner mannigfaltigen praxisorientierten Erfahrungen berief seine Fraktion ihn in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge, sowie in den Ausschuß Jugend und Familie. Zwei Parlamentsausschüsse, die ein besonderes Engagement ihrer Mitglieder erfordern.
    Die wachsende Zahl älterer Menschen ist für Georg Gregull eine Herausforderung an die anderen Mitbürger. "Sie brauchen vor allem unsere persönliche Zuwendung." Große Bedeutung mißt er in diesem Zusammenhang der Nachbarschaftshilfe bei. Die Altenpflege dürfe sich nicht nur auf die materielle Versorgung beschränken, ihre Helfer müßten "auch die Zeit dafür haben, um auf die persönlichen Anliegen dieser Menschen eingehen zu können". Daher sei ein enges Zusammenspiel zwischen haupt- und ehrenamtlichen Kräften notwendig. Aber auch das Freizeitangebot muß sich nach Ansicht des CDU-Abgeordneten stärker der Bevölkerungsveränderung anpassen.
    Zu einem weiteren Schwerpunkt seiner parlamentarischen Arbeit zählt der Jugendbereich. So war Georg Gregull federführend bei der Großen Anfrage seiner Fraktion zur Situation der Kindertagesstätten in NRW. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten übereinstimmend festgestellt, daß Kinder, die solche Einrichtungen besuchten, die folgenden Lebensabschnitte besser meistern könnten. Daher müsse allen Kindern auch die Möglichkeit geboten werden, Kindergärten aufsuchen zu können, fordert der CDU-Abgeordnete. Alleinerziehenden Berufstätigen sollte es darüber hinaus möglich sein, ihre schulpflichtigen Kinder in Horte zu schicken.
    Schließlich plädiert der Parlamentarier für einen höheren Stellenwert der Familienpolitik. Ungeachtet der Finanzmisere des Landes müßten dafür auch im Haushalt ausreichend Gelder bereitgestellt werden. Statt dessen würden diese wichtigen gesellschaftlichen Zukunftsinvestitionen seit 1980 ständig gekürzt, kritisiert der Remscheider.
    Trotz eines großen Arbeitspensums versucht der Familienvater noch Zeit für seine vier Kinder zu haben - und gelegentlich auch für seine Hobbys: Skat- und Tischtennisspielen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI870947

  • Porträt der Woche: Klaus Stallmann (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 7 - 19.05.1987

    Persönliche Unabhängigkeit hat für Klaus Stallmann (41) einen hohen Stellenwert: Niemals möchte er in den Verdacht geraten, als Lobbyist, als Interessenvertreter Politik zu betreiben. So ist er nie der Versuchung erlegen, einer Freiwilligen Feuerwehr beizutreten, obwohl er sich während seiner zehnjährigen Mitgliedschaft im Rat der Stadt Lünen und seit Mai 1985 als CDU-Abgeordneter im Landtag zum Feuerwehr-Experten entwickelt hat.
    In seinem Streben nach Unabhängigkeit scheut Stallmann auch vor persönlichen Risiken nicht zurück. Über einen eigentlich aussichtslosen Listenplatz zog er 1985 - für ihn selbst überraschend - in den Landtag ein. Noch heute ist ihm seine Stimmung am späten Abend des 25. Mai voll gegenwärtig: Trauer über die hohe Wahlniederlage seiner Partei und gleichzeitig Jubel über das errungene Mandat. Trotz des überraschenden Wahlausgangs habe er keinen Moment gezögert, das Mandat anzunehmen, versichert er glaubwürdig. Ebenso war für den gelernten Industriekaufmann selbstverständlich, seinen Arbeitsplatz als Fahrdienstleiter eines großen Dortmunder Bauunternehmens aufzugeben, ohne jede Rückversicherung, dorthin zurückkehren zu können. Natürlich möchte er auch dem nächsten Landesparlament angehören; falls ihm dies nicht gelingen sollte, ist er jedoch zuversichtlich, als dann 45jähriger aufgrund seiner beruflichen Qualifikation wieder einen Arbeitsplatz zu finden.
    Wer so handelt, bringt auch wenig Verständnis auf für Parlamentskollegen, die neben der Abgeordnetentätigkeit ihre berufliche Arbeit fortsetzen: " Wenn ein Abgeordneter sich voll reinhängt in seine Aufgaben im Parlament, im Wahlkreis und in der Partei, dann ist er voll ausgelastet."
    In Brambauer, einem Bergbau-Stadtteil von Lünen, ist die Familie Stallmann seit 1849 "fest verankert", wie er sich ausdrückt. Sie gehört dort zu den "alten Familien". Schon als Jugendlicher engagierte Klaus Stallmann sich in katholischen Verbänden, Freunde brachten ihn 1972 zur CDU. In der Partei brachte er es bis zum stellvertretenden Stadtverbandsvorsitzenden, im Stadtrat von Lünen wurde er Vorsitzender des Ausschusses für städtische Einrichtungen.
    Mit der Wahl in den Landtag verzichtete er auf sein kommunales Mandat; in dem Ausschuß, dem er früher vorgesessen hat, ist er jetzt noch als Bürgervertreter tätig.
    Wunschgemäß kann Stallmann im Innenausschuß des Landtags in einem Bereich weiterarbeiten, in dem er schon zahlreiche kommunalpolitische Erfahrungen gesammelt hat. Sein zweiter Wunsch, der Ausschuß für Wohnungswesen, wurde nicht erfüllt; auch dort hätte er auf Kenntnisse und Erfahrungen zurückgreifen können, denn seit 13 Jahren ist er Vorsitzender des Haus- und Grundeigentümer-Vereins in Brambauer. Heute bedauert er allerdings nicht, statt dessen von seiner Fraktion in den Kulturausschuß geschickt worden zu sein. Früher habe er sich mit Kulturpolitik nie befaßt, jetzt sei er aber froh, daß er in den knapp zwei Jahren viel habe dazulernen können.
    In seinem Heimatort ist Stallmann auf vielfältige Weise aktiv: nicht nur in der CDU und im Hauseigentümerverein, sondern auch als stellvertretender Vorsitzender der Gemeinschaft Brambauer Vereine und als stellvertretender Vorsitzender des Schützenkreises Lünen sowie als Mitglied des Aufsichtsrates des Krankenhauses in Brambauer. Als "Schützenoberst" ist er im Schützenverein von Brambauer besonders tief verwurzelt, 1986 wurde er dort Schützenkönig. So nennt er denn auch - neben dem Lesen - die Aktivitäten im Schützenverein seine liebste Freizeitbeschäftigung.
    Ludger Audick

    ID: LI870767

  • Porträt der Woche: Peter Bensmann (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 05.05.1987

    Schon ein Blick in das Düsseldorfer Büro des Christdemokraten sagt viel über den Privatmann Peter Bensmann aus. Überall Bilder der Familie, Fotos der Bundeswehr, herrliche landschaftliche Aufnahmen. Der Naturfreund besitzt ein Haus mit drei Morgen Gelände und sechs Damhirschen. Hier verbringt Peter Bensmann seine knapp bemessene Freizeit. Unter dem Druck der Termine hat er sich ein zeitliches Refugium geschaffen. "Von jeweils sechs Tagen halte ich mir stets einen halben Tag frei..." Dann wird gelesen, gejoggt und gejagt. Der durchtrainierte Soldat a.D. ist ein leidenschaftlicher Sportler. Schließlich gelte die Pflicht zur Gesunderhaltung nicht nur beim Bund, sondern auch gegenüber der Familie und dem Beruf.
    In der Politik wünscht sich der Unnaer mehr Loyalität und Solidarität untereinander. Wenn eine Entscheidung getroffen sei, müsse sie verteidigt werden, das habe schon beim Bund gegolten. So hat Peter Bensmann denn auch dem neugewählten CDU-Fraktionsvorsitzenden Bernhard Worms vor der Wahl persönlich mitgeteilt, daß er ihn nicht wählen werde. Nun, da Worms wiedergewählt sei, gebe es wahrscheinlich keinen, der loyaler zu Worms stehe als er, sagt Peter Bensmann mit Nachdruck.
    Nur einem Losentscheid ist es zu verdanken, daß der beurlaubte Major überhaupt im Landtag sitzt. Hätte nicht 1983 der heimische Bundestagskandidat Richard Heintzel nach dem dritten Wahlgang durch Los gewonnen, wäre Peter Bensmann 1983 vielleicht für die Unnaer CDU in den Bundestag gezogen. Heute aber, nach knapp zwei Jahren in Düsseldorf, fühlt sich der begeisterte Zugfahrer in der Landeshauptstadtpudelwohl. Er ist seinem Motto, "Mit Arbeit kann man viel erreichen", treu geblieben und hat sich in die Fraktionsarbeit hineingekniet.
    Kein Zweifel, Peter Bensmann läßt sich nicht gern in eine Schablone pressen. Der optimistische CDU-Landtagsabgeordnete kann mit seinen gerade 44 Lenzen auf eine bewegte Biographie verweisen: Lehre, zweiter Bildungsweg, Soldat, fünffacher Familienvater, Sportler, passionierter Jäger, kurzum ein Allround-Talent. "Ich bedauere all die, die den Blick für andere Dinge neben der Politik verloren haben", sprudelt es aus dem Politiker hervor. Man hört's und glaubt's.
    Der Major a.D. hat in seinem 22jährigen Soldatendasein beinahe die gesamte Bundesrepublik kennengelernt. Hamburg, Hannover, München, Ahlen und Hemer sind nur einige Stationen seiner vergleichlichen Laufbahn. Aber schon beim Bund ist er "kein ganz typischer Soldat" gewesen. "Ich habe immer für mich in Anspruch genommen, auch eigene Gedanken zu haben." Bereits als 28jähriger hat Kompaniechef Peter Bensmann Verantwortung übernommen und Menschen geführt. Eine Erfahrung, die der Soldat auch in der Politik nutzbringend einzusetzen weiß.
    Schon während der Wehrzeit zog es den gerade 37jährigen denn auch folgerichtig in die Kommunalpolitik. Seit fast sechs Jahren leitet Peter Bensmann den CDU-Stadtverband Unna, im Mai 1985 dann der "große Sprung" in den Düsseldorfer Landtag auf die harte Oppositionsbank. Der vom Heimatverband her "gelernte Oppositionspolitiker" hat die Ziele nicht in den Himmel gesteckt, ist bescheiden geblieben und glücklich, im Ausschuß für Familienpolitik mitmischen zu können. Schließlich habe ihn gerade die Familienfrage überhaupt an die Politik herangeführt. Im Einzugsbereich Unna mit seinen 6000 stationierten Soldaten gibt es keine einzige Bundeswohnung für eine siebenköpfige Familie. "Die größeren Familien werden ständig benachteiligt." Hier setzt Peter Bensmann an.
    Da bleibt Kritik an der "Maschinerie des Parlamentarismus" nicht aus. "Die Berufspolitiker kleben zu sehr in ihrer Welt", hat der Abgeordnete erfahren. "Man muß den Blick behalten für links und rechts". Deshalb sei das Zuhören eine der wichtigsten Eigenschaften des Politikers. Ehrlich und aufrichtig müsse die Politik sein, damit man auch später einmal in den Spiegel schauen könne.
    Und dann zieht Peter Bensmann Bilder seiner Familie aus der Brieftasche. Er scheint rundum im reinen mit sich und seiner Umgebung. Eigentlich die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Politik.
    Wilfried Goebels

    ID: LI870612

  • Porträt der Woche: Rüdiger Goldmann (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 31.03.1987

    Der gebürtige Gablonzer Rüdiger Goldmann zählte zu jenem Millionen-Heer von Flüchtlingen und Vertriebenen, das 1945 und später seine Heimat verlassen mußte. Nach der Volkszählung 1950 befanden sich im Bundesgebiet und in der DDR jeweils rund 4,4 Millionen Menschen, die zu Kriegsbeginn 1939 in den Gebieten östlich der Oder-Neiße wohnten. Vom Sudetenland zunächst nach Österreich verschlagen und später ins Rheinland, fand der heute 45jährige Düsseldorfer CDU-Landtagsabgeordnete schließlich in der Landeshauptstadt eine endgültige Bleibe. Nach Abitur und Studium für das Lehramt trat der Pädagoge in den Schuldienst ein und unterrichtete bis zur Mandatsübernahme 1985 als Oberstudienrat an einem Düsseldorfer Gymnasium. Die Erlebnisse der Kindheit und Jugend prägten Rüdiger Goldmann und beeinflussen auch heute noch seine zahlreichen politischen Aktivitäten.
    Über die Deutsche Jugend des Ostens (DJO) fand er schon früh, 1958, zur Jungen Union und später auch zur CDU. Dort engagierte er sich insbesondere in der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU, deren rheinischer stellvertretender Landesvorsitzender er bis zur Fusion beider Landesverbände im letzten Jahr war. Der Ortsvorsitzende seiner Partei im Düsseldorfer Stadtteil Garath kam 1975 in den Rat der Landeshauptstadt, wo er sich vor allem mit Strukturfragen sowie der Kultur- und Schulpolitik beschäftigte. Da die Satzung der Düsseldorfer CDU ein Doppelmandat verbietet, mußte er nach seinem überraschenden Einzug in das Landesparlament den Sitz im Stadtrat aufgeben. Der Verlust zahlreicher Direktmandate bei den letzten Landtagswahlen 1985 hatte für die Union andererseits zur Folge, daß schier chancenlose Listenplätze "zogen", also auch der 51. Rang der Landesliste, auf dem der Düsseldorfer plaziert war.
    Seine Fraktion berief ihn in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie in den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung. Nicht zuletzt wegen seines langjährigen Engagements für die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge beauftragte die Fraktion Rüdiger Goldmann, die kultur-, bildungs- und sozialpolitischen Anliegen der Ost- und Mitteldeutschen in Nordrhein- Westfalen zu vertreten. Eine ebenso wichtige wie zeitraubende Aufgabe.
    Der Christdemokrat sieht insbesondere in Nordrhein-Westfalen einen großen "Nachholbedarf". So beklagt er, daß im Kultusministerium das "Gespür" für die Notwendigkeit fehle, die deutsche Frage stärker in die Lehrpläne einzubauen. Das sei nicht nur eine "historische Angelegenheit", sondern eine ständig aktuelle Verpflichtung. So rügt der Abgeordnete in diesem Zusammenhang, daß das Düsseldorfer Ministerium im Gegensatz zu den Behörden anderer Bundesländer sich weigere, das vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen herausgegebene "Literatur-Paket" zur deutschen Frage den Schulen an Rhein und Ruhr zu empfehlen. Es sei zu befürchten, daß den Jugendlichen in NRW ein "anderes" Deutschland-Bild vermittelt werde als in Flensburg oder München.
    "Nachholbedarf" besteht nach seiner Ansicht auch bei der Erhaltung des reichen und vielfältigen ostdeutschen Kulturgutes. Wer wisse beispielsweise über den hohen Rang, den Dichtkunst und Philosophie seit je im Land zu beiden Seiten der Oder beanspruchten? Insbesondere fehle ein Institut für ostdeutsche Landeskunde, das an einer Universität eingerichtet werden sollte. Diese Forderung werde im übrigen auch von seiner Partei unterstützt, betont der Düsseldorfer Abgeordnete. Wünschenswert wäre auch eine musisch-kulturelle Bildungsstätte.
    Auch in der Sudetendeutschen Landsmannschaft aktiv, kümmert sich Rüdiger Goldmann nicht nur intensiv um die Eingliederung der Spätaussiedler und der in die Bundesrepublik übergesiedelten Mitteldeutschen, sondern pflegt auch Kontakte zu den Bewohnern in der DDR. In diesem Zusammenhang bedauert er es, daß das Land bereits vor drei Jahren seine Zuschüsse für das sogenannte Besuchsgeld für DDR-Bürger gestrichen hat und nun auch Gemeinden diesem "Negativ-Beispiel" folgen. Das aber widerspreche allen Bemühungen um innerdeutsche Kontakte. Der Christdemokrat ist Vater von zwei Kindern, zwei und drei Jahre alt. Und auch eines seiner Hobbys hat Beziehungen zu den Sudeten - der Kunstliebhaber Rüdiger Goldmann sammelt Bilder und Zeichnungen aus Böhmen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI870541

  • Porträt der Woche: Christa Thoben (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 10.02.1987

    Wann immer es in Nordrhein-Westfalen politische Konflikte über Kernenergie und Kokskohlesubventionen, über Strompreise oder Gewerbesteuersätze gibt, mischt da seit geraumer Zeit eine Frau im Heer der Männer kräftig mit: Die 45 Jahre alte CDU-Landtagsabgeordnete Christa Thoben hat sich in erst sechs Parlamentsjahren zur wirtschafts- und energiepolitischen Sprecherin ihrer Fraktion hochgearbeitet. Und nun greift sie gar nach dem Fraktionsvorsitz der CDU. Sie will Bernhard Worms in dieser Funktion ablösen. An Argumenten fehlt es ihr nicht: Die CDU in Nordrhein-Westfalen müsse wieder eine Sprache finden, die nahe bei den Menschen sei; sie müsse Themen aufgreifen, die die Menschen beschäftigen. Einfach "Weiter so", das genüge nicht. "Wenn wir wieder Boden gewinnen wollen für die Landtagswahl 1990, dann müssen wir Barrieren abbauen und wieder mehr Menschen gewinnen. Wir müssen auch wieder zuhören lernen. Vor uns liegt unendlich viel Arbeit."
    Christa Thoben kann den politischen Ehrgeiz, der aus ihr spricht, mit viel Fleiß belegen. Sie ist fast überall präsent, am Rednerpult im Landtag, in Ausschußsitzungen, auf Kongressen und auch auf Podiumsdiskussionen. Sie hält auch Ehrgeiz und Leistungswillen für redliche Antriebskräfte. Außerdem sei es die "verdammte Pflicht" von Abgeordneten, den Auftrag ernst zu nehmen, den man auf Zeit von den Wählern erhalte.
    Eine Zeitlang galt Frau Thoben als eine vor allem vom CDU-Landesvorsitzenden Biedenkopf geförderte politische Nachwuchskraft. Davon will sie heute - mit einigem Recht - nichts mehr hören. "Das klingt ja so, als könne ich nicht selbständig denken. Jeder schwimmt sich irgendwann frei." Die Wirtschaftspolitikerin vertritt innerhalb der CDU das System der sozialen Marktwirtschaft mit starken ordoliberalen Akzenten. Ihr Werdegang zeigt, wieviel Energie sie in ihre Ausbildung investierte. Die aus Dortmund stammende Wattenscheiderin studierte Volks- und Betriebswirtschaft in Münster. Auslandssemester in Wien und Innsbruck erweiterten den Horizont. Nach dem akademischen Diplom erwarb sie erste Berufserfahrungen beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Frau Thoben kennt das Ruhrgebiet und seine anhaltenden strukturellen Sorgen heute besser als viele, die ständig darüber reden. Auch politische Wettbewerber und Gegner in SPD und F.D.P. bescheinigen ihr hohe Sachkenntnis auf ihren Arbeitsgebieten, schnelle Auffassungsgabe und eine selbstbewußte Kraft der politischen Darstellung.
    1968 ging Frau Thoben zur Jungen Union. Hauptberuflich war sie noch längere Zeit als Geschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer in Münster tätig. Aber sie wollte, sagt sie, auch jungen Leuten beibringen, "wie man den Wirtschaftsteil einer Zeitung liest". Verstehen, Erkennen, Erfassen und das Zuordnen von politischen Sachzusammenhängen, darum ging es zunächst. 1970 wurde sie in der CDU aktiv. Fleißige Arbeit in der Partei brachte ihr 1980 zum erstenmal das Landtagsmandat in Düsseldorf ein. Zügig erklomm sie weitere Sprossen der Leiter: stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag, auch stellvertretende Vorsitzende in der Landespartei, schließlich Mitglied des Bundesvorstandes der Union in Bonn.
    Vor wenigen Monaten noch munkelte man in der CDU, Frau Thoben sei als hauptamtliche Generalsekretärin des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen vorgesehen. Aber sie winkte ab. "Dieser Posten wäre nichts für mich, ich arbeite gern weiter als gewählte Parlamentarierin." Von daher muß man ihren Anspruch, künftig auch die Landtagsfraktion der CDU zu führen, als konsequent betrachten. Die Entscheidung zwischen ihr und dem amtierenden Vorsitzenden Worms wird am 17. Februar fallen. Christa Thoben will damit auch "ein Zeichen für die Frauen in der CDU, in der Politik setzen". Das liegt auf der Linie der Zeit, wenn es nicht in verkrampftes Emanzentum ausartet. Doch solche Vorwürfe braucht die stets freundliche, zugleich aber kühl agierende Abgeordnete auch nicht zu fürchten. In ihr steckt viel natürliches Selbstbewußtsein, das sich mit Mut und Engagement in der Sache verbindet. Vielleicht wird sie ein Beispiel dafür werden, daß man Karrieren in der Politik auf Dauer auch ohne "Seilschaften" begründen kann.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI870236

  • Porträt der Woche: Prof. Dr. Horst Posdorf (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 18.11.1986

    Am Abend des 12. Mai 1985 fiel Mathematik-Professor Dr. Horst Posdorf fast aus allen Wolken, konnte es zunächst gar nicht glauben. Ganz unvermittelt und unerwartet wurde er mit der Tatsache konfrontiert, nun Landtagsabgeordneter zu sein: "Es war mein erster Anlauf, da hatte ich nicht mit einem vernünftigeren Listenplatz als dem 64. rechnen können." Und erst recht nicht damit, daß er mit dieser Plazierung als letzter Listenkandidat der CDU ins Landesparlament "rutschen" würde. Das unerwartete Wahlergebnis machte es möglich.
    Mittlerweile hat sich der 38jährige Bochumer an die Parlamentsarbeit gewöhnt. Die Vielschichtigkeit der Aufgaben und Themen haben - so meint er- sein Blickfeld erweitert, interessant auch die komplexen Fragestellungen. Kurzum: "Die Arbeit macht mir Spaß." Ein wenig auch zur eigenen Überraschung habe er feststellen müssen, daß die Wahrnehmung des Landtagsmandats ein "Full-Time-Job" sei. Häufig bleibe kaum Zeit, "einen Gedanken zu Ende zu denken". Mit einigen Kollegen sei er sich deshalb einig darüber, daß eine Halbtagskraft zur Unterstützung im Grunde zu wenig sei. Eine Angleichung an den Bundestag hält er für erstrebenswert, damit sich jeder Landtagsabgeordnete einen Vollzeit-Mitarbeiter leisten könne.
    Seine naturwissenschaftliche Ausbildung betrachtet Posdorf als gute Voraussetzung für die parlamentarische Arbeit und bedauert gleichzeitig, daß nur wenige Naturwissenschaftler den Schritt in die Politik wagen. Der naturwissenschaftliche Denkansatz ist aus seiner Sicht "sehr sinnvoll, um Probleme anzugehen und Lösungen zu suchen, denn man erkennt so eher Kern und Hintergründe". Als Grund für die politische Zurückhaltung vermutet er, daß es vielen Naturwissenschaftlern nicht liege, auf Menschen zuzugehen. Auch mit der emotionalen Seite der Politik hätten viele Naturwissenschaftler - er schließt sich da selbst nicht aus - ihre Schwierigkeiten. Auch wenn er einräumt, daß die meisten politischen Entscheidungen auch emotional bedingt seien, sieht er hier jedoch Gefahren: "Es ist sachlich unangemessen, wenn Politik mit zuviel Emotion nach außen verkauft wird, denn dann werden die Menschen oft eher verführt als überzeugt."
    Nach dem Studium der Mathematik und Physik hat Posdorf zunächst als wissenschaftlicher Angestellter am Rechenzentrum der Universität Bochum und danach als Studienrat gearbeitet, bevor er 1981 Professor für Angewandte Mathematik im Fachbereich Maschinenbau der Fachhochschule Dortmund wurde. Die Mitgliedschaft im Landtagsausschuß für Wissenschaft und Forschung - außerdem gehört er dem Ausschuß für Haushaltskontrolle an kommt seinen beruflichen und privaten Interessen entgegen.
    Aus eigener Erfahrung weiß Horst Posdorf, daß an vielen Hochschulen dringend neue Großgeräte benötigt werden. Die vielfach noch aus den frühen 70er Jahren stammenden Rechner seien längst veraltet. Mittlerweile seien es keine Einzelfälle mehr, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft keine Mittel für Forschungsprojekte an NRW-Hochschulen vergebe, weil die dafür erforderlichen modernen Geräte nicht vorhanden seien. Deshalb fordert er, daß bei Investitionen in diesem Bereich Prioritäten gesetzt werden sollten.
    Auf die Hochschulen sieht Posdorf neue Aufgaben zukommen, insbesondere wenn Mitte der 90er Jahre die Studentenzahlen drastisch zurückgehen werden. Da die Veränderungen immer kurzlebiger würden, werde die Notwendigkeit wissenschaftlicher Weiterbildung der Berufstätigen immer zwingender. Wichtig sei in den nächsten Jahren auch eine Reform der Studiengänge. So erlange beispielsweise die Informatik in immer weiteren Bereichen Bedeutung, sie müsse deshalb praxisorientiert in die Studiengänge eingebaut werden. Bislang gebe es zwar an den Hochschulen schon erfreuliche Eigeninitiativen auf diesem Gebiet, sie reichten jedoch nicht aus, um die Probleme zu bewältigen.
    Posdorfs Parteikarriere ist noch kurz: 1979 Eintritt in die CDU, seit 1981 einige Ämter und Funktionen, beispielsweise Vorsitzender des Stadtbezirksverbandes Bochum-Südwest und Vorsitzender der CDU-Fraktion in der dortigen Bezirksvertretung; seit vier Jahren ist er auch Vorstandsmitglied des Fachausschusses für Schul- und Bildungspolitik der CDU Westfalen-Lippe.
    Die Frage nach Freizeit-Interessen beantwortet Posdorf (zwei Töchter, elf und acht Jahre alt) nur indirekt mit dem Hinweis auf seine Familie, die ihm Rückhalt sei für seine Arbeit. Im übrigen zitiert er einen Lieblingsspruch seines Schwiegervaters: "Lust und Liebe sind die Fittiche zu großen Taten."
    Ludger Audick

    ID: LI861841

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