"Sein Buch" hat der Journalist im Gewände des Politikers nicht mehr geschrieben, obwohl er mit 69 Jahren, bei seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik, ein Stück Parlamentsgeschichte mitgenommen hatte, um es zu durchforschen und zu beschreiben. Schade, denn gerade sein Buch wäre eine Fundgrube deutscher Nachkriegs- und nordrhein-westfälischer Landesgeschichte geworden. Aber Dobbert war, wie er selbst bescheiden bekannte, intellektuell zu redlich, um ohne Notizen und Zettelkasten, sich nur auf sein Gedächtnis verlassend, ein Stück Zeitgeschichte zu schreiben. In dieser Woche starb Dobbert, 78 Jahre alt, in seiner Heimatstadt Wuppertal.
So mutig und wichtig Dobberts Haltung als sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter bei der Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes war, seine bedeutendste Zeit lag in den ersten Nachkriegsjahrzehnten, in denen er 18 Jahre lang als erster Vizepräsident des Landtags und Mitglied des Vorstandes seiner Fraktion, kämpferisch und fair zugleich, den parlamentarischen Stil des neuen Landtags durch seine überzeugende persönliche Haltung mitprägte.
Auch nach seinem Tode bleibt Dobberts Handschrift in der Landesverfassung, in der Geschäftsordnung des Landtages, nicht zuletzt auch in den sozialen Absicherungen des Abgeordneten- Entschädigungsrechtes erhalten. Sein Name ist in zahllosen Landtags- und Ausschußprotokollen zu finden, aber selbst das getreueste Wortprotokoll vermag auch nicht annähernd die menschliche Ausstrahlung, die Persönlichkeit dieses Politikers wiederzugeben, der es wie kein anderer zu seiner Zeit verstanden hat, Brücken zu schlagen, auch über ideologische Gräben hinweg, wenn es darum ging, das Gemeinwohl zu fördern. Dazu hatte Dobbert in einer Zeit, in der es, wie gerade in den ersten Nachkriegsjahren, darum ging, Not zu lindern und die Kriegswunden zu heilen, nur allzuoft Gelegenheit.
Dobbert, dem noch beim Eintritt in die Berufsausbildung als Riemendreher niemand hätte weismachen können, daß er einmal zu den Spitzenpolitikern an Rhein und Ruhr zählen würde, hat sich den brennenden Fragen der Zeit über seine berufliche Tätigkeit hinaus als Stadtverordneter und zeitweilig auch Bürgermeister in Wuppertal, als Vorsitzender des SPD-Parteibezirks Mittelrhein, als Mitglied des sozialdemokratischen Parteivorstandes auf Bundesebene, später des Parteirates, ebenso gestellt wie als Landtagsabgeordneter, Fraktionsvorstandsmitglied und Landtagsvizepräsident.
Dobbert hat dabei nicht immer nur Sternstunden erlebt und Ehrungen, wie 1961 bei seiner Auszeichnung mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und fünf Jahre später auch mit dem Schulterband oder 1967 mit dem Ehrenring der Stadt Wuppertal, sondern sogar auch Stunden bitterer Enttäuschung, wie die des Jahres 1952. Damals wurde er wegen seines testen Eintretens für die prowestliche Allianz aus dem Parteivorstand, dem höchsten Gremium seiner Partei, herausgewählt. Auch als Dobbert Mitte der sechziger Jahre, wie schon einmal Anfang der fünfziger Jahre, sich für eine Große Koalition von Sozialdemokraten und Christdemokraten in diesem Lande einsetzte, fand er, der ein Leben lang Toleranz und Fairneß auch dem politischen Gegner gegenüber übte, nicht nur Zustimmung für diese Einstellung.
In den letzten Jahren sah Dobbert, mit Abstand vom politischen Alltagsgeschäft und mit der Weisheit des Alters, die Vergangenheit, auch seine eigene, und die Zeitgeschichte in vielen Dingen in einem etwas anderen Licht als in der Zeit, in der er selbst noch mit Engagement Politik betrieb. Die Konturen waren weicher geworden. Karl Fischer
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