Abgeordnetenporträts

Hilfe

Suche

Mit diesem Suchfeld werden alle Wörter des Titels und des Artikels durchsucht, außerdem alle bei dem Artikel zusätzlich erfassten Angaben.

Trunkierung:
* am Ende eines Suchwortes ersetzt ein oder mehrere Zeichen.

Suchwortverknüpfungen:

–"und-Verknüpfung"
Mehrere hintereinander eingegebene Suchworte werden automatisch mit "und" verknüpft, d.h. alle Suchworte müssen in einem Artikel vorkommen.
–"oder-Verknüpfung"
Die Eingabe von "or" zwischen den Suchworten bewirkt eine "oder-Verknüpfung", d.h. es muss nur eines der Suchworte in einem Artikel vorkommen.
–"Phrasen-Suche"
Suchworte, die mit Anführungszeichen oder Hochkommata verbunden werden, werden nur dann gefunden, wenn sie in der vorgegebenen Reihenfolge in einem Artikel vorkommen.

Suchfeldverknüpfungen
Wenn Suchworte in mehreren Suchfeldern eingegeben werden, werden die Sucheinträge mit "und" verknüpft.

Wählen Sie Suchergebnisse aus, die Sie gebündelt anzeigen oder ausdrucken lassen wollen.
  • Porträt der Woche: Anke Brunn (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 12 - 27.04.1972

    Vorbei ist die Zeit, da sich der Türhüter erst ihres Abgeordneten-Status' versichern mußte, ehe er die zarte, miniberockte Person mit dem langen blonden Haar in das Hohe Haus am Schwanenspiegel einließ. Vorbei sind auch die Zeiten, da sie von den Massenmedien in verständlicher Begeisterung über "das junge Blut" zur "Miß Landtag" erkoren wurde.
    Inzwischen ist in die parlamentarische Arbeit der Anke Brunn, Diplom-Volkswirtin, wohnhaft in Köln-Lindenthal und mit 29 Lebensjahren die zweit-jüngste Abgeordnete, der Alltag eingezogen, sieht sie aus dieser Perspektive doch manches an ihrer Repräsentativfunktion nüchtern als fehlerhaft und reparaturbedürftig an.
    Nicht, daß sich die leichte Kühle aus dem Norden (Hamburg), die zu ihrer SPD-Kandidatur kam "wie die Jungfrau zum Kind" und die den Kölner Wahlkreis IV der weiland Katharina Focke (jetzt Staatssekretärin in Bonn) dann doch überzeugend gewann, Illusionen gemacht hätte. Ihr Soziologen-Wissen und ihr kluger Kopf, der hauptberuflich im Rechenzentrum der Kölner Universität die Computer programmiert, wird sie schon daran gehindert haben. Mit dem ihr eigenen schwesterlichen Lächeln kann die Ehefrau (des 31jährigen Historikers Dr. Gerhard Brunn) und Mutter (des sechsjährigen Knaben Carl) sogar behaupten: "Obwohl jung und Frau — in einem gewissen Sinne hat man mich akzeptiert." Und das gilt nicht nur für die SPD-Fraktion, sondern auch für das Plenum, vor dem sie 1970 über das Kindergartengesetz ihre (erfreulich kurze) Jungfernrede hielt — vom Jugendausschuß, in dem sie Vollmitglied ist, ganz zu schweigen.
    Aber, und dieses "aber" schreibt sie groß, inzwischen hat sie selbst erlebt, wie schwer es ist, im Landtag "politische Zielvorstellungen" zu artikulieren und durchzusetzen. Ihre Zwischenbilanz nach fast zweijähriger Abgeordneten-Tätigkeit fällt denn auch gezügelt aus: "Es hat sich gelohnt, aber Nerven gekostet." Die "Schuld dafür lastet sie niemand persönlich, wohl aber dem parlamentarischen Regierungssystem an, das dem einzelnen Mandatsträger — von der Bürokratie der Regierung, aber auch der Gegen-Bürokratie der Fraktionen einengt — nur wenig Spielraum läßt und ihn zum "Laufbahnabgeordneten" mediatisiert.
    Nicht zufällig gehörte Anke Brunn daher auch zu jenen rund 30 jungen SPD-Parlamentariern, die im September 1970 den "Aufstand von Wanne-Eickel" gegen das eigene Fraktions-Establishment probten. Bei der Probe ist es geblieben: Aus dem Impuls von damals, die Fraktion solle sich eine Geschäftsordnung geben, mehr und öfter über Grundsatzfragen diskutieren, wurde nichts — die jungen müssen mit den alten, manchmal allzu beharrenden Kräften weiterleben.
    Wie es scheint, hat sich Anke Brunn damit abgefunden. Wie es scheint, hat sie demzufolge die Linien ihrer politischen Aktivitäten sowohl verkürzt als auch verlängert. Im Parlament — Beschränkung auf das Notwendige, nach dem Motto: "Der Jugendausschuß ist kein Volkstanzkreis, er bietet echte Möglichkeiten, etwas zu tun." In der Partei — Besinnung auf das Grundsätzliche, nach der Devise: "Die SPD sollte sich noch stärker als Klassenpartei profilieren."
    Sie, die ihre ersten politischen Erfahrungen an der Hochschule im SHB, in der Humanistischen Studentenunion und später im Republikanischen Club sammelte, sie, die ihre Zivilcourage in Bürgerinitiativen für Schüler- und Kinderläden unter Beweis stellte, trat 1967 der SPD bei, "um den Sachen mehr Effizienz zu verleihen". Die nüchterne Abwägung von Aufwand und Ertrag ist Anke Brunns Sache, mögen sich auch die Relationen mitunter zuungunsten ihres Privatlebens und der wissenschaftlichen Arbeit verschieben. Ob sie 1975 wieder für den Landtag kandidieren will, wird sie sich daher wohl noch so manches Mal überlegen.
    Dr. Dirk Bavendamm

    ID: LI721202

  • Porträt der Woche: Hans-Günther Toetemeyer (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 11 - 20.04.1972

    So unwahrscheinlich es für viele CDU-Politiker im Landtag klingen mag, befragt nach einer politischen Alternative zu seiner Mitgliedschaft in der SPD antwortet Hans-Günther Toetemeyer: "Früher vielleicht einmal der linke Flügel der CDU." Denn im Gegensatz zu heute war für den 1930 in KeetmanshooplSüdafrika geborenen Toetemeyer die SPD durchaus nicht immer selbstverständliche politische Heimat. Die SPD vor dem Godesberger Programm kam für ihn nicht in Frage, weil sie seiner Meinung nach zu religionsfeindlich war.
    Nach Godesberg, nach der definitivprogrammatischen Absage an den dogmatischen Marxismus, wurde er sozialdemokratisches Mitglied. Aber noch 1963 hatte er es bei Wahlen zum Ortsvereinvorstand als Religionslehrer, der er nach dem Studium der evangelischen Theologie und Geschichte geworden war, schwer. Heute freilich fühlt sich der Christ Toetemeyer nicht mehr als Fremdkörper in der SPD, die Spannungen sind geschichtlich überwunden, Spannungen, deren Ursachen Toetemeyer wohlgemerkt nie bei der SPD, sondern bei der in früheren Jahrzehnten national-konservativen Kirche sah.
    Sohn einer bürgerlich-konservativen Beamten- und Kaufmannsfamilie, besucht er ein Gymnasium in der Arbeiter- und Industriestadt Gelsenkirchen. Nach dem Examen entscheidet er sich trotz der Qualifikation als Gymnasiallehrer für die Berufsschule. Die Jahre als Berufsschullehrer 1956—1964 sind der eigentliche Anlaß für Toetemeyer, aktive Politik zu betreiben. Denn die etwa 80 Prozent der jungen Menschen, die die Berufsschule durchlaufen, sind unterprivilegiert. Ihnen (und ebenso ihren Eltern) zu größerer sozialer und bildungsmäßiger Gerechtigkeit zu verhelfen, sieht Toetemeyer als seine zentrale politische Aufgabe an.
    Als Toetemeyer 1966 Landtagsabgeordneter wird, gilt sein Hauptinteresse deshalb dem Kulturausschuß, der Arbeit für Lernmittelfreiheit, Transportkostenerstattung und einer größeren Durchlässigkeit der Schulsysteme. Bildungspolitik ist für ihn Sozialpolitik, oder besser: ohne eine gerechte Bildungspolitik für alle bleibt Sozialpolitik nur ein Herumkurieren an Symptomen.
    Konkrete Arbeit im Bereich des Möglichen: Zum Beispiel die Initiierung eines "Instituts für politische Bildung" an der Universität Köln mit der Möglichkeit, die Fakultas in Politik zu erwerben. Im Haushaltsplan steht es, realisiert ist es noch nicht. Konkrete Arbeit im Bereich des Möglichen sieht Toetemeyer auch im Petitions- und Rechnungsprüfungsausschuß. Auch hier wieder mit dem Ziel, dem großen Be-, völkerungsteil, dem es schwer fällt sich durchzusetzen, zu seinem Recht zu verhelfen. Selbst wenn dies zu einer so unliebsamen Auseinandersetzung wie der mit dem Architekten Schneider-Essleben führt, die schließlich vor Gericht mit einem Vergleich endete.
    Es gibt einen von Orientierungslinien abgesteckten Bereich, in dem Toetemeyer sich bewegt: im Positiven ist dies die Bildungspolitik als Hebel zu größerer sozialer Gerechtigkeit und der christliche Glaube, im Negativen die Absage an national-konservatives und marxistischdogmatisches Denken. Wenn Toetemeyer allerdings innerhalb dieses so abgesteckten Bereiches einmal eine Position bezogen hat, verfolgt er sie mit Konsequenz. So zum Beispiel sein Kampf für die Gemeinschaftsschule, für die die augenblicklichen Kämpfe Nordirlands ihm ein "blutiges Plädoyer" bieten.
    Seit April dieses Jahres ist der Kölner SPD-MdL auch Beigeordneter der Stadt Hagen. Das hat natürlich Konsequenzen. Die Arbeit im Petitions- und Rechnungsprüfungsausschuß wird er niederlegen und für die Gründung einer Universität Hagen, die er "schon seit langem im Blick auf die 80er Jahre" befürwortet, wird er weder im Plenum noch im Kulturausschuß das Wort ergreifen. Die wichtigste Konsequenz: periode wird er sich zwischen Düs- 1975 nach Ablauf dieser Legislaturseidorf und Hagen entscheiden müssen. Mag für ihn selber die Alternative heute noch offen sein, die Voraussage sei gewagt, daß die Entscheidung gegen den Abgeordnetensitz und für die öffentliche Verwaltung ausfallen wird. Cornelius Bormann

    ID: LI721102

  • Porträt der Woche: Heinrich Lübke (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 10 - 13.04.1972

    Es war am 19. Mai 1947. Im Saal der Henkel-Werke in Düsseldorf- Holthausen trat der erste frei gewählte Landtag von Nordrhein- Westfalen zu seiner ersten Sitzung zusammen. Die erste Rede in diesem neuen Landesparlament hielt der jetzt verstorbene Altbundespräsident Heinrich Lübke, der einige Monate zuvor Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geworden war. Die damals alles überschattende Nahrungsnot bildete das Generalthema jeder politischen Erörterung, weshalb Lübke in jener Sitzung auch über die Ernährungslage sprach. Der sonst mehr nüchternen als leidenschaftlichen Darlegungen zugeneigte Minister zeichnete ein düsteres Bild und rief den Abgeordneten die dramatischen Worte zu: "Der Hunger durchbricht alle Dämme."
    Das ist heute beinahe vergessen. Im Archiv des Landtages existiert jedoch noch ein Foto, das diese historische Szene festhält, allerdings auch zeigt, auf welch unbequemen Stühlen die Abgeordneten sitzen müßten. Aber seinerzeit war alles unbequem, insbesondere auch die Tätigkeit der Abgeordneten, von denen viele ihren Weg nach Düsseldorf aus den entlegenen Teilen des Landes oft nur unter größten Schwierigkelten zurücklegen konnten und in den Sitzungspausen ihren Hunger allenfalls mit einer mageren Suppe aus der Gemeinschaftsküche zu stillen vermochten. Heinrich Lübke hat in der darauffolgenden Zelt noch häufiger im Landtag über die Notlage sprechen müssen, und es war für ihn ein gewisser Trost, daß er bei allen Fraktionen in der Regel Zustimmung fand, wie überhaupt seine redliche Art und sein charaktervolles Verhalten durchweg anerkannt wurden.
    In jenen Jahren hat Lübke durch seine unermüdlichen Bemühungen und eine erstaunliche Zähigkeit hervorragende Leistungen vollbracht. Seine Position im Kabinett blieb unbestritten stark, weil er dort wie auch im Ernährungsausschuß und im Plenum keine Anstrengungen scheute, um immer wieder durch den Vortrag sachlicher Argumente seine Zuhörer zu überzeugen. "Er läßt uns durch den glühenden Reifen springen, bis wir ihm recht geben müssen", sagte Dr. Carl Spieker, der ständige Bevollmächtigte beim Länderrat für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet.
    Mit der britischen Militärregierung gab es indessen häufig Ärger. Weihnachten 1947 wollte Lübke der darbenden Bevölkerung eine Sonderzuteilung Zucker verschaffen. Obwohl der Zucker vorhanden war, verbot die Besatzungsmacht die Zuteilung, weshalb der Minister sein Rücktrittsgesuch einreichte. Darüber aufgebracht, drohten die Briten mit Verhaftung, die sie jedoch klugerweise nicht durchführten. Der starrköpfige Sauerländer setzte sich durch.
    Mit Beharrlichkeit kämpfte Lübke nicht nur gegen den Hunger; als ein Verfechter der Bodenreform und der Genossenschaftsidee setzte er sich für fortschrittliche Regelungen ein, die ihm freilich manche Kritik und auch die Bezeichnung "roter" Lübke einbrachte, wenngleich damit eigentlich seine ehemals rötliche Haarfarbe gemeint war. Auch der Agrarpolitik vermittelte er neue Impulse, und vieles von dem, was später als "Grüner Plan" bekanntgeworden ist, war bereits von ihm zuvor in Nordrhein-Westfalen praktiziert worden.
    Am 31. Dezember 1952 schied Lübke freiwillig aus dem Ministeramt. Aber acht Jahre später trat er noch einmal an das Rednerpult des Landtages in Düsseldorf. Das geschah aus Anlaß des Staatsbesuches des Bundespräsidenten Heinrich Lübke in dem Land, um das er sich in den Notjahren sehr verdient gemacht hat. Werner Scheerer

    Bildunterschrift:
    Heinrich Lübke Beim Staatsbesuch In Düsseldorf am 15. Dezember 1960 vor dem Plenum des Landtags Nordrhein-Westfalen.

    ID: LI721002

  • Porträt der Woche: Wollgang Heinz (FDP).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 9 - 16.03.1972

    Wollte man unter den Abgeordneten des derzeit amtierenden Landtages das Prädikat "parlamentarischer Senkrechtstarter" vergeben, so wäre der Abgeordnete Wolfgang Heinz (34) gewiß einer der Anwärter. Seine erste Bewerbung um das Landtagsmandat deckte seine Partei mit dem ebenso prominenten wie sicheren Platz 4 auf der Landesliste ab. In der Fraktion war ihm von Anfang an die verwaiste Funktion des bildungspolitischen Sprechers zugedacht. Waren diese Startvorgaben auch vor allem bestimmt durch die Struktur seiner Partei, in der solche Karrieren ebenso nötig wie möglich sind, so wären sie ohne eine entsprechende Persönlichkeitssubstanz nicht zu nutzen gewesen. Denn in der Mini-Fraktion der FDP, die bei Abrechnung zweier zu Ministern avancierter Abgeordneter auf nur sieben voll einsetzbare Parlamentarier kommt, bedeuten derlei Ehren praktisch Doppel- und Dreifacharbeit.
    Daß das MdL Heinz arbeitet, davon zeugt ein auch abends regelmäßig ausgebuchter Terminkalender. "Familienleben findet nur beim Frühstück statt", so kommentiert er seine Situation, die es ihm zur Gewohnheit werden ließ, nach Veranstaltungen nachts auch noch aus den entferntesten Teilen des Landes zu Frau und Kindern nach Hennef zurückzufahren.
    Daß Heinz auch über Sachverstand, politisches Denkvermögen und rhetorische Fähigkeiten verfügt, hat er im Plenum bewiesen, wo er — so radikal argumentierend wie es die Sache und so schlagfertig parierend wie es die Zwischenrufer erfordern — sich rasch Respekt verschaffte.
    Erfahrungsgrundlagen für seine jetzigen Tätigkeiten legte Heinz während seines Studiums in Mainz. Damals teilte er seine Zeit nicht nur zwischen Fachstudien (Geschichte, Politik, Pädagogik) und Weinstudien im "Haus des deutschen Weins", sondern er arbeitete auch sieben Semester in der studentischen Selbstverwaltung. Wahrend seiner Zeit als Mainzer AStA-Chef und als rheinland-pfälzischer VDS- Vorsitzender wurde Politik für ihn zwangsläufig identisch mit Bildungspolitik. Durch seine Mitarbeit an der Bildungswerbungs-Kampagne und als hauptamtlicher Leiter der Abteilung Innenpolitik des VDS kann ihm das ursprünglich anvisierte Berufsziel Studienrat trotz guter Beurteilungen aus dem Blick: das reformbedürftige Bildungssystem, so war ihm klargeworden, läßt sich nicht "von innen her" verbessern ohne Hilfe "von außen". Heinz ging "nach außen", zu den Liberalen. Der gewesene LSD-Vorsitzende und Ex-Landesvorsitzende der Jungdemokraten leitete von 1966-68 das bildungspolitische Referat beim FDP-Bundesvorstand und ist seither tätig als Referent selbstverständlich für Bildungspolitik im parteieigenen "Institut für Planung und Kybernetik".
    Die Arbeit in der FDP-Bundeszentrale brachte zwangsläufig den Umzug vom Rheingau in den damaligen Siegkreis mit sich (1965). Heinz wurde nicht nur binnen drei Jahren FDP-Kreisvorsitzender und Fraktionsvorsteher im Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises, sondern er lernte auch die hier wachsenden Weine schätzen.
    Die politisch-berufliche Entwicklung von Wolfgang Heinz erscheint als Praktizierung der Erkenntnis, daß Bildungspolitik isoliert nicht möglich ist, sondern auf allen Ebenen gleichzeitig betrieben werden muß. Während er im Landtag für eine demokratische Hochschulreform, für mehr Schulversuche, für ein neues Lehrerausbildungsgesetz arbeitet, sucht Heinz im Kreistag einen Schulversuch in seinen Kreis zu ziehen. Und zusammen mit seiner Frau versucht er zu Hause, seine vier Kinder unautoritär zu erziehen, wobei er allmählich auch Anklang bei den Lehrern findet, wie er sagt. Hartwig Suhrbier

    ID: LI720902

  • Porträt der Woche: Dr. Hans-Ulrich Klose (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 8 - 09.03.1972

    Dr. Hans-Ulrich Klose selber will es nicht wahrhaben, aber seinem Gesprächspartner drängt sich der Eindruck auf: preußisch-brandenburgisch ist nicht nur das breite, gedehnte "berlinerische" Idiom seiner Sprache, preußisch-brandenburgisch sind auch seine politischen Leitvorstellungen. Der Aufbau des Staates und der einzelnen gesellschaftlichen Gruppen soll klar gegliedert sein. Es muß deutlich voneinander unterscheidbare Verantwortungsbereiche geben. Nur dann ist eine wirksame Kontrolle der Macht — von unten und von oben — möglich. Die klare Ordnung ist iür Klose in der bundesrepublikanischen Realität zu schwach entwikkelt und deshalb auch das Instrumentarium für eine wirksame Machtkontrolle nicht genügend ausgebildet. Man sollte eine solche an Ordnungsvorstellungen orientierte Position nicht durch den Hinweis auf "law and order" diskreditieren, sie hat es mit Überschaubarkeit und Sauberkeit auf allen Ebenen zu tun. "Preußisch" vielleicht auch die Feststellung Dr. Kloses, daß es zu den bösen Nachwirkungen der NS-Zeit gehöre, daß der Wille zur Gemeinschaftsarbeit und das normale Nationalgefühl zerbrochen seien. Dadurch erhalte die Bundesrepublik zwangsläufig ein instabiles Moment.
    Der 1935 in Rüdersdorf bei Berlin geborene Klose allerdings fühlt sich nicht als Preuße im Rheinland, für ihn ist "Preußen" eine abgeschlossene historische Phase. Noch vor dem Abitur wurde der 17jährige Mitglied der Ost-CDU. Während des Jura-Studiums an der Freien Universität Berlin hatte er selbstverständlich Kontakte mit der dortigen CDU West-Berlins. Damals war noch möglich, was heute kaum vorstellbar: man konnte in der DDR wohnen und in West-Berlin studieren. Aber: 1956 verhaftete ihn der Staatssicherheitsdienst, er wurde wegen West-Kontakten zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt. Kein anderer und kein geringerer als der "linke" hessische Kirchenpräsident Martin Niemöller setzte sich für Kloses Begnadigung ein.
    Als er nach 10monatiger Haft am 22. Dezember im Zuchthaus Brandenburg von seiner Mutter abgeholt wurde, gingen die beiden gar nicht mehr nach Hause, sondern gleich nach West-Berlin. Konsequenz der Zuchthaus-Erfahrungen: der Politiker Klose wehrt sich gegen jede Erscheinungsform politischen Terrors, gegen jeden Extremismus von rechts oder links. Nebenergebnis der Zuchthauszeit: der Student Klose konnte in den Semesterferien als Dreher arbeiten, das hatte er nämlich im Zuchthaus gelernt.
    Die weiteren Stationen: Juraexamen, Promotion über Kirche und Staat im Lande Hessen, RCDS-Vorsitzender in NRW, Gemeinderatsmitglied in Korschenbroich, Kreistagsmitglied in Grevenbroich, Landtagsabgeordneter seit 1966, Vorsitzender des Evgl. Arbeitskreises der CDU Rheinland. In der Landespolitik beschäftigt sich Klose in erster Linie mit Rechtspolitik, in der Kommunalpolitik in erster Linie mit Sozialpolitik. Denn beides, so sagt er, gehöre für ihn zusammen: die Landes- und die Kommunalpolitik wie auch die Rechts- und die Sozialpolitik.
    Es sind nicht Ideologien, die Klose reizen. Er freut sich, daß sich das Image der CDU als katholische Partei abgeschliffen hat. Er wünscht sich die CDU als liberale Partei, gerade gegenüber einer sich seiner Meinung nach immer mehr ideologisierenden SPD. Es sind auch nicht die großen politischen Ziele, die Klose reizen. Mängel und Fehler in der Gesellschaft zu beseitigen, kleine alltägliche Dinge durch Einflußnahme zu ändern, darin sieht er eine wesentliche Aufgabe des Politikers.
    Zu bescheiden? Vielleicht. Der Politiker Dr. Hans-Ulrich Klose fasziniert nicht, aber er überzeugt durch gediegene Ehrlichkeit.

    ID: LI720802

  • Porträt der Woche: Dr. Till Kalsbach (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 7 - 02.03.1972

    Abseits stehen und immer nur mekkern genüge eben nicht, fand er, sondern man müsse mitmachen. Inzwischen macht der SPD-Abgeordnete und Rechtsexperte seiner Fraktion, Dr. Till Kalsbach (36) nicht nur im Düsseldorfer Landtag so engagiert mit, daß Privatleben und Frau zu kurz kommen und seine Tätigkeit als Anwalt zumindest vorläufig "im Eimer" ist. Dabei gehörte aktives politisches Engagement — und dazu noch für die Sozaldemokraten — bestimmt nicht zur Familientradition seines gutbürgerlichen Elternhauses, eher schon die Karriere zu einem erfolgreichen Anwalt. Kalsbachs Vater war als Strafverteidiger weit über die Grenzen seiner Heimatstadt Wuppertal hinaus bekannt.
    Mit seinem Eintritt in die SPD wartete Till Kalsbach so lange, bis ihm 1964 seine fast abgeschlossene Referendarausbildung etwas mehr Zeit ließ. Denn der Parteineuling wollte mehr als nur Karteileiche sein. Fünf Jahre später wurde er in Wuppertal Stadtverordneter. Kalsbach hatte als erster den Wahlkreis Barmen Mitte für die SPD gewonnen. So fand er es dann doch "auch etwas schade", als er 1970 für den Einzug in das Nordrhein-Westfälische Landesparlament seinen Sitz im Wuppertaler Stadtrat aufgeben mußte.
    Von scharfen und hitzigen Kontroversen im Landtagsplenum hält er eigentlich wenig. Vielmehr ist er froh, daß die gelegentliche Polarlsierung zwischen Regierungskoalition und Opposition sich nicht in den Ausschüssen fortsetze, sondern daß insgesamt doch nüchterne Zweckmäßigkeit die politische Arbeit bestimme. Er sei zwar Advokat, unterstreicht Kalsbach, aber er streite nicht gerne.
    Sehr schnell profilierte er sich zum Rechtsexperten seiner Fraktion. Gleich zu Beginn der Legislaturperiode wurde er zum Vorsitzenden des SPD-Arbeitskreises für Rechts- und Verfassungsfragen gewählt. Er ist auch Mitglied des Justizausschusses und stellvertretender Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Landtag. Maßgeblich beteiligt war Kalsbach im letzten Jahr am SPD-Entwurf für ein Richterwahlgesetz. Jetzt gilt sein Engagement vor allem der Reform der Juristenausbildung. Dem promovierten Anwalt — sein Doktorvater war der jetzige Staatssekretär im Justizministerium Prof. Ulrich Klug — liegt diese Aufgabe "innerlich am Herzen".
    Rechtstheorie und -praxis dürften während der Ausbildung nicht länger in säuberlich voneinander getrennten Portionen verabreicht werden, wolle man jene Juristen, die die gesellschaftlichen Zusammenhänge kritisch erkennen und würdigen können. Vorrangig ist für Kalsbach auch die Humanisierung des Strafvollzugs. Experimente wie in Düren müßten gewagt werden. Und mögliche Fehlschläge dürften nicht Entmutigung bei den Verantwortlichen nach sich ziehen.
    Neben seinem politischen full-timejob hat Kalsbach auch den Beruf eines wissenschaftlichen Assistenten am Kriminalwissenschaftlichen Institut der Kölner Universität. Und schließlich gehört er noch dem Strafrechtsausschuß der Bundesrechtsanwaltskammer an.
    So gehört er dann nur wenig sich selbst, seiner Frau und seinen Hobbys. Kalsbach ist Musikliebhaber, spielt zwar kein Instrument ("leider"), legt aber, wenn er Zeit hat, "schöne Platten vom Barock bis zur Moderne" auf. Und dann liest er noch am liebsten "schöne dicke Romane". Im letzten Urlaub ging's nicht unter ein paar tausend Seiten Gottfried Keller ab. Basteln würde Kalsbach auch gern mehr. Meint Politiker, Literatur- und Musikliebhaber, Wissenschaftler und Bastler Kalsbach von sich selbst: "Ich hätte gut auch Architekt werden können." Christoph Lütgert

    ID: LI720702

  • Poträt der Woche: Hermann Josef Neuhaus (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 6 - 24.02.1972

    Der Münsteraner Hermann Josef Neuhaus ist ein Christlich-Sozialer; nicht, daß er Mitglied der CSU wäre. Im Gegenteil: Er bekennt sich ausdrücklich zur "dynamischen Entwicklung der Gesellschaft".
    Ein Christlich-Sozialer — gemeint ist ein militanter Vertreter der christlichen Soziallehre. Selbst wenn man hier feiner differenziert zwischen evangelischer Sozialethik und katholischer Soziallehre, so stellt man fest, daß beide das Koordinatensystem für seine politischen Aktivitäten bestimmen.
    Als Angehöriger der katholischen Jugendorganisation "Neu-Deutschland", von der Gestapo jahrelang observiert, gehörte er 1945 zu den Mitbegründern der CDU und der Jungen Union in Hamburg, wo er sich nach Kriegsende als ehemaliger Luttwaffenangehöriger aufhielt.
    Dann Parteikarriere im heimischen Münster, über den Stadtrat in den Landtag, wo er seit 1958 emsig wirkt.
    In einer schwierigen Zeit war er Vorsitzender des städtischen Wohnungsausschusses, später im Landtag im wichtigten Ausschuß für Arbeit, Soziales und Gesundheit, und heute ist er maßgeblich tätig im Ausschuß für Jugend, Familie und politische Bildung.
    Der fast 52jährige, Vater von acht Kindern, hat dazu noch das Amt des Präsidenten im Deutschen Familienverband gerne übernommen, weil auch dies vielfältige Möglichkeiten eröffnet, Anstöße zu gesellschaftspolitischen Reformen zu geben und im ständigen Dialog neue Modelle familiengerechter Politik zu entwickeln.
    In dieser Position führt sein Weg stracks nach Europa, nach Brüssel, wo er am Sitz der EWG-Kommission seines Amtes als Vizepräsident des Europäischen Familienverbandes waltet.
    "Das Soziale steckt im Blut" (Neuhaus über Neuhaus). Es gibt kein sozial-politisch relevantes Gesetz, das im Landtag beraten und verabschiedet wurde, bei dem Neuhaus nicht entscheidend mitgewirkt hätte, im stillen, beharrlich, mitunter "pingelig", ohne großes Aufheben.
    Es ist ein umfangreicher Katalog: Krankenhausplan, Kindergartengesetz, Familienerholung, Lernmittelfreiheit, Sozialhilte, um nur einige Positionen zu nennen.
    Gradlinig und konsequent wie seine Parteikarriere, verlaufen auch sein beruflicher Werdegang und die damit verbundenen berufspolitischen Aktivitäten.
    Nach dem Gymnasium die Lehre in einer privaten Sachversicherung, Prüfung für den gehobenen Dienst in der Arbeiterrentenversicherung, Beamter der LVA Westfalen, Personalratsvorsitzender, Vorsitzender der Fachgruppe LVA Westfalen im Deutschen Beamtenbund und Vorstandsmitglied der Bundesfachgruppe "Rentenversicherung" in seiner Standesorganisation.
    Das sind die Stationen, die seinen beruflichen Aktionsradius umreißen und ihn gleichzeitig als einen sozialpolitischen Menschen charakterisieren, dem eine sinnvolle Symbiose geglückt ist von beruf« liehen Neigungen und politischen Ambitionen.
    Vorsitzender der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft in Münster, das ist sein Standort in der Partei. Damit gehört er zu denjenigen, die nicht mit "systemüberwindenden" revolutionären Schüben die Gesellschaft umkrempeln wollen, sondern den evolutionären Weg wählen, wohlwissend, daß nicht der Klassenkampf zum "Paradies auf Erden" führt, sondern nur die Entspannung der Klassengegensätze menschenwürdige Verhältnisse schafft.
    Viel Zeit hat der Familienverbands- Präsident Neuhaus für seine eigene Familie die Woche über nicht. Damit teilt er das Los mit jenen Politikern, die nicht nur einspurig als Parlamentarier fahren. In seiner kargen Freizeit betätigt er sich als Hobbygärtner und Amateurfilmer, und überdies liebt er — Chanties. Lambert Dalbert

    ID: LI720602

  • Porträt der Woche: Heinz Kühn (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 5 - 10.02.1972

    Man müsse als Politiker, so sagte er während des Neujahrsempfanges 1972 in kleinem Kreis, immer etwas vom ,,Genuß des Ärgers" verspüren können; man müsse angreifen können in dem Wissen, daß Angriff Ärger, vielleicht sogar verletzenden Ärger, bringt. Er jedenfalls trachte danach, dem Kampf nicht aus dem Wege zu gehen, auch wenn er Ärger schafft.
    Das Wort vom Genuß des Ärgers stammt von Heinz Kühn. Am 18. Februar feiert er seinen 60. Geburtstag. Keinem seiner Vorgänger war es vergönnt, an einem solchen Tage in solchem Umfang Macht zu demonstrieren: Er ist Ministerpräsident des größten Bundeslandes, Landesvorsitzender einer großen Partei, "Königsmacher" in Bonn mit direktem Draht zu Heinemann und Brandt und nun auch im richtigen Zeitpunkt Präsident des Bundesrates.
    Hier ist von dem Parlamentarier Kühn zu sprechen, der am 27. März 1948 in den nordrheinwestfälischen Landtag einzog und heute mit Abstand der dienstälteste Abgeordnete in diesem Haus ist. 1954 schied er, inzwischen in den Bundestag gewählt, aus, um 1962 zurückzukehren. Als Oppositionsführer und Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion wurde er bei dem Regierungswechsel 1966 Regierungschef. Heute ist er unangefochten die Nummer eins seiner Partei in Nordrhein-Westfalen.
    Journalisten haben ihrem Kollegen Kühn zu danken, daß er ihnen zu jeder Zeit in großer Offenheit den Anspruch auf ausreichende Information einräumt. Information ist für ihn ein unverzichtbares Führungsmittel. Mit Hilfe seiner Kontakte (oft unter Umgehung des amtlichen Presse- und Informationsapparates) sucht er Verständnis für seinen Aufgabenkreis und die damit verbundenen Lasten und Pflichten.
    Kühn ist ein Mann des Wortes und des Wörterbuches zugleich. Der Rheinländer Kühn - Meister der freien Rede wie neben ihm nur der inzwischen in den Bundestag abgewanderte CDU-Abgeordnete Prof. Mikat — ist nie pingelig, wenn es gilt, den politischen Gegner mit beißendem Spott bloßzustellen. Aber es ist immer "Stil" in seiner Rede, trotz aller Schwänzchen, Einrollungen und künstlicher Verzierungen. Noch immer ist er, obwohl er sich in der letzten Zeit vor dem Plenum zunehmend zurückhält, in seiner Formulierungskunst und dem oft verblüffenden Bilderreichtum seiner Sprache unter den 200 Abgeordneten unübertroffen. Kühn hat den Sarkasmus in Erbpacht genommen: "Ich respektiere eines Mannes Wort, auch wenn es ein törichtes Wort ist!" — "Der Text ist formal einwandfrei, aber die Heuchelei sitzt zwischen jeder Interpunktion!" Unvergeßlich sind seine Vergleiche. Er wollte nicht "das Schicksal der Bergleute als Wahlspeck in die Mausefalle des Wahlkampfes hängen".
    Im politischen Kampf ist er frei von jeder Zimperlichkeit. Daß nach geschlagener Feldschlacht dem Beobachter in den Gängen des Landtages oft ein ganz anderer Kühn entgegentritt - ein Mensch nämlich, dem stets das Rauhe und Disharmonische zuwider ist, gehört auch mit zum Bild dieses Ruhelosen und Einsamen zugleich, der im Zweier-Gespräch nie für sich in Anspruch nimmt, etwas Besonderes zu sein. Kühn ist ein Pflichtmensch mit viel Phantasie. Er weiß das und pflegt das Image des Politikers, in dem Herz und Verstand zusammenspielen. Dr. GERHARD MALBECK

    ID: LI720502

  • Poträt der Woche: Alfred Dobbert (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 4 - 03.02.1972

    Mit seinen 75 Jahren möchte Alfred Dobbert in dem aufregenden Karussell unserer Tage nicht mehr auf den Pferdchen sitzen, aber die Politik interessiert ihn immer noch brennend. 18 Jahre lang Vizepräsident des nordrhein-westfälischen Landtags und Mitglied des Fraktionsvorstandes der SPD, einer der wenigen noch lebenden Reichstagsabgeordneten und früherer Abgeordneter im sächsischen Landtag, verfügt Dobbert darüber hinaus noch über Erfahrungen in drei Kommunalparlamenten: Grossenhain, Meißen und Wuppertal. Der Abstand vom politischen Alltagsgeschäft und die Weisheit des Alters lassen ihn die Vergangenheit auch seine eigene — heute in manchem etwas anderes sehen als in der Zeit, in der er selbst mit Engagement Politik betrieb. Die Konturen sind weicher geworden.
    Der "Liberale" unter den Sozialdemokraten, dem man schon in seinen Kampfjahren von allen Seiten Toleranz und Fairneß attestierte, vergleicht und wägt ab. Urteile kommen ihm nicht leicht über die Lippen, und wenn er sie abgibt, spürt man ihre Abgewogenheit, die Schweigen gemahnt, wenn Verletzen auch nur denkbar erscheint.
    Dobberts bedeutendste Zeit liegt in dem ersten Nachkriegsjahrzehnt, so mutig und gewichtig seine Haltung auch im Reichstag, beispielsweise bei der Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes, gewesen sein mag. Er war einer der Männer der ersten Stunde, die sich in einem Anfall von Selbstironie " Trümmer-Metropoliten" nannten, und ist fest davon überzeugt, daß dieser Landtag von Nordrhein- Westfalen seiner Aufgabenstellung gerecht geworden ist.
    Sein persönliches Verdienst — es ist vom Bundespräsidenten mit der Verleihung des Bundesverdienstordens mit Stern und Schulterband gewürdigt worden — lag in der Fähigkeit, Brücken geschlagen und sich immer wieder dem schwierigen Amt eines ehrlichen Maklers unterzogen zu haben und das alles, ohne je auch nur in den Verdacht gekommen zu sein, seine Hand für faule Kompromisse zu reichen.
    Wenn einmal die nordrhein-westfälische Landesgeschichte in allen Details geschrieben wird, wird sie auch Dobberts Bemühungen um eine Große Koalition in diesem Lande zu würdigen haben. Das war Anfang der fünfziger Jahre unter Karl Arnold und Mitte der sechziger Jahre unter Franz Meyers. Beide Versuche sind nicht am mangelnden Verhandlungsgeschick Dobberts gescheitert. Der Vor^ kampier für die Kulturhoheit der Länder wünscht sich heute ein Stückchen mehr Zentralismus im Bildungsbereich und zugleich ein wenig mehr Ruhe an der Reformfront.
    Memoiren schreibt er zunächst nur für seine Enkel, vielleicht auch noch ein wenig mehr für den Landtag. Vor einer umfassenden Autobiographie aber schreckt er zurück, nicht, weil er nichts zu sagen hätte, sondern weil er es heute im nachhinein bedauert, nur als Geschäftsmann, nie aber als Politiker Aktennotizen gemacht zu haben. Ohne ausreichende Notizen aber, ohne einen umlassenden Zettelkasten, möchte er "sein Buch" nicht schreiben. Dazu ist er viel zu gründlich und intellektuell zu ehrlich. Das Stück deutscher Parlamentsgeschichte, das er mit 69 Jahren, bei seinem Ausscheiden aus dem Landtag mit nach Hause nahm, um es zu durchforschen, wird nicht geschrieben werden. Leider... Karl Fischer

    ID: LI720402

  • Porträt der Woche: Richard Fellmann (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 3 - 27.01.1972

    Der Onkel und die Cousine, der Vater und natürlich auch der Sohn, wo man hinschaut: Apotheker. Dabei wollte Richard Fellmann eigentlich Jurist werden. Doch nach dem Abitur 1929 in Glatz, nach einer Lehrzeit in Köln und nach dem Studium an der Universität Bonn fand er sich im Familienberuf wieder: Apotheker. Mehr noch, der CDU-Abgeordnete hat aus dem Familienberuf Standespolitik gemacht. Seit 1951 ist er Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, seit 1969 auch Präsident der Bundesapothekerkammer.
    Fellmann ist der dienstälteste Abgeordnete dieses Parlaments. Seit 1950 gehört er dem Landtag ununterbrochen an, immer als Vertreter eines Direktmandates des Wahlkreises Euskirchen. Er hat in diesem Parlament mehr Minister kommen und gehen gesehen, als man an beiden Händen abzählen kann. Sein Anekdotenschatz von Christine Teusch über Wilhelm Johnen und Walter Möller bis zu Alfred Dobbert ist unerschöpflich und — bei seinem Humor — nie ermüdend. Aber bei der Landtagswahl 1975 will Richard Fellmann endgültig Schluß mit der aktiven Politik machen. Er wird dann 67 Jahre alt sein.
    Wie kam dieser Mann zur Politik? Er ist katholisch. Das Zentrum, sagt er, war ihm zu eng. Konfessionspolitik ist nicht seine Sache, die Entscheidung für die CDU lag nahe, und zwar sofort als Gründungsmitglied 1945. An der NSDAP ist er mit "Taschenspielertricks" vorbeigekommen. "Der Ton war mir von Anfang an zu rüde", lange bevor aus dieser Partei ein unseliges Gewaltregime wurde. Vor dem Kriegsdienst habe er sich "gedrückt", erzählt Fellmann. Doch beim Wiederaufbau war er unverzüglich zur Stelle, zuerst als Amtsvertreter und Ratsherr, dann als Bürgermeister in Lechenich, spater als Kreistagsmitglied in Euskirchen.
    Im Landtag ist dieser Abgeordnete in den vielen Mandatsiahren in fast allen Sätteln gerecht geworden, im Verkehrsausschuß und im Gesundheitsausschuß, im Wasserwirtschaftsausschuß, im Landesplanungsausschuß, im Kulturausschuß und jetzt wieder im Verkehrs- und Sozialausschuß. Er meint, daß Politik im wesentlichen Ordnungspolitik und soziales Engagement sei, was man aber wiederum nicht mit Sozialismus verwechseln dürfe. Der berufliche Erfolg als Unternehmer hat ihn schon sehr früh in jeder Hinsicht unabhängig gemacht, eine wesentliche Voraussetzung, um Politik frei von Pressionen guter und falscher Freunde betreiben zu können.
    Interessenkollisiorien zwischen Beruf und Politik sieht Fellmann nicht. Im Gegenteil, er argumentiert, daß Sachverstand im eigenen Bereich politische Entscheidungen erleichtere. Einmal in all den Jahren hat er mit dem Gedanken gespielt, als Bundestagsabgeordneter nach Bonn zu gehen. Die Entscheidung fiel aber dann doch wieder für das alte Ständehaus in Düsseldorf, das ihm ans Herz gewachsen ist.
    Schon auf der "humanistischen Penne" entstand eine Liebe zu griechischen und römischen Münzen. Daraus ist ein Hobby geworden und ein Fachmann der Numismatik entstanden. Der Rest, der an der wenigen Freizeit noch verbleibt, wird fürs Lesen verwandt. Den Wallenstein von Golo Mann hat er gerade hinter sich, einen Solschenyzin vor sich. Doch Richard Fellmann kann auch herrlich viel Zeit aufs Plaudern verwenden, Stunden um Stunden. Und dann bleibt es nicht bei einem Gläschen Wein.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI720302

  • Porträt der Woche: Günter Kalinowski (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 2 - 20.01.1972

    Günter Kalinowski, Abgeordneter des Landtags Nordrhein-Westfalen in der SPD-Fraktion, ist tot. Die Beisetzung in seiner Heimatstadt Gladbeck war ein Ereignis. Trübe Monate waren dem vorausgegangen. Rund 2000 Bürger erwiesen ihm die letzte Ehre. Er hatte sie mühsam erkämpft durch Taten, die aus der Geschichte der Stadt nicht zu tilgen sind.
    Wer Günter Kalinowski kannte, wird ihn so in der Erinnerung behalten: Unscheinbar von Statur, ein hartes, angespanntes Gesicht mit kühlen Augen, wenn es um politische Dinge ging. Doch dieses Gesicht, das schon lange die Spuren von Krankheit trug, konnte auch lachen. Sein Humor war trocken und schlagfertig sein Witz.
    Der Politiker Kalinowski hatte ein großes Programm, aus den Erkenntnissen der Vergangenheit und der nüchternen Sicht des für eine lebenswerte Zukunft Unerläßlichen im Eigenbau zurechtgezimmert. Nichts ging ihm schnell genug. Als er im Sommer 1962 seinen Platz im Sitzungssaal der SPD-Fraktion einnahm, war er vom Start weg ein unbequemer, ein ungeduldiger Himmelsstürmer gegen eingefahrene parlamentarische Arbeitsweisen.
    Damals, knapp 41 Jahre alt (Kalinowski wurde am 11. Dezember 1921 in Gladbeck geboren), war er bereits aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fähig, einen handwerklichen Beruf auszuüben. Der Krieg und die Arbeit als Bergmann hatten ihn zum Invaliden gemacht. Sein "Hobby" war neben seiner Familie, Frau und zwei Kinder, die verbissen verfolgte Idee, aus Gladbeck zu machen, "was nur eben daraus zu machen ist".
    Hier wurde er 1956 Stadtverordneter, 1961 Bürgermeister und 1965 Oberbürgermeister. Die Situation war miserabel. Das Zechensterben hatte dem kommunalen Gefüge tiefe Risse versetzt. Es fehlten nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die dynamischen Schwungkräfte, die eine Stadt braucht, wenn sie das nächste Jahrhundert überleben will.
    Günter Kalinowski setzte überall den Hebel an. Als Landtagsabgeordneter karrte er Hilfen des Landes herbei. Im städtischen Bereich, wo er sich als der große Initiator zum "Kaiser von Gladbeck" entwickelte, war er hinter jedem Quadratmeter Land, auf dem man Industrien ansiedeln oder ganze Stadtteile bauen konnte, her wie der Teufel hinter armen Seelen.
    Schon in den letzten fünfziger wie in den ersten sechziger Jahren sprühte er vor Eifer und Stolz, wenn er auswärtigen Besuchern aus dem Auto heraus weite Ackerflächen am Rande der Stadt präsentierte: "Das haben wir bereits gekauft." und: "Da verhandeln wir noch mit dem Bauern."
    Es liegt eine gewisse Tragik darin, daß Günter Kalinowski ausgerechnet dort gestolpert ist, wo seine Verdienste am größten sind: Eine Grundstücksaffäre, deren Hintergründe bis heute unklar sind, führten im Frühjahr 1971 zu seinem Rücktritt als OB. - Im Landtag ehrten die Fraktionskollegen den Verstorbenen: "Hier hat er mehr als nur seine Pflicht getan."
    Heinz Meyer-Wrekk

    ID: LI720202

  • Porträt der Woche: Karl Trabalski (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 1 - 13.01.1972

    Einer seiner Großväter war Ministerpräsident von Sachsen, der andere Völkerbundbeauftragter für die polnische Minderheit. Alle Männer seiner Familie haben unter Hitler gesessen, sein Vater wurde dann auch noch von Ulbricht eingesperrt. Karl Trabalski möchte heute dazu beitragen, daß die Politik humaner wird, denn noch entdeckt er "Elemente des Honoratiorensystems" in ihr. Und er fordert von sich für andere: "Wer sich als Abgeordneter zur Verfügung stellt, muß wissen, daß er dafür bezahlen muß. Mit seinen Aufstiegserwartungen im Beruf beispielsweise." Doch Karl Trabalski hat schon einen höheren Preis gezahlt: Erst warf ihn ein Herzinfarkt aufs Krankenlager, dann ein Kreislaufkollaps. Auf die Frage, wann er sich Zeit für sich selbst nimmt, antwortet er nur: "Das ist das große Thema meiner Familie!" Von sich selbst spricht er nicht.
    Das Gespräch kann an jedem beliebigen Punkt beginnen, es endet fast zwangsläufig beim Wohnungsbau. Mehr noch als seine Hobbys, als klassische Musik, als lange Wanderungen, sein Gärtchen und farbige Fotos, fesselt den leidenschaftlich engagierten Politiker Karl Trabalski der Bau von menschenwürdigen, familiengerechten und preiswerten Wohnungen. Für ihn schaffen sie den ersten Freiheitsraum des Menschen; alles andere kommt später.
    Der 48jährige Sozialdemokrat ist wie eine Dampfmaschine: äußerlich kühl und still, aber drinnen läuft die Maschine auf Hochtouren, stets unter Dampf, stets unter Druck. Sein Ehrgeiz greift nicht nach Ämtern, er hat genug davon. Sein Ehrgeiz liegt viel näher. Karl Trabalski möchte seine Arbeit stets und ständig möglichst besser tun als gut. Sein "intellektueller Filter" gestattet ihm nur dann den Weg nach außen, wenn er sich und seiner Sache völlig sicher ist. In dieser Eigenschaft liegen Schwäche und Stärke zugleich. Wenn andere in der Cafeteria des Landtags politische Grundsatzgespräche führen, kaut der äußerlich fast unscheinbare Mann ein Butterbrot und diktiert seine Post. Er hat ohnehin schon viel zu wenig Zeit. Am Samstag und am Sonntagvormittag ist er für jeden zu sprechen, der ihn anruft oder besuchen möchte. Die restliche Zeit des Wochenendes geht für gewerkschaftliche Schulungstätigkeit drauf. Die Woche über ist Karl Trabalski im Parlament, auf den verschiedensten Ebenen seiner Partei und als ehrenamtliches Vorstandsmitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft für sein politisches Lieblingskind in Aktion. Nebenbei arbeitet er im DRK und im Arbeitersamariterbund. Für ihn ist die Tätigkeit in zwei verschiedenen Hilfsorganisationen fast selbstverständlich, denn nach Trabalskis Meinung sollen sich die caritativen Verbände keine Konkurrenz machen. "Sie sollen sich die Arbeit teilen und Schwerpunkte setzen." In der Altenbetreuung beispielsweise und auch sonst.
    Die politische Triebfeder für den DDR-Flüchtling aus Leipzig, im Kriege schwer verwundet, liegt im Elternhaus.
    Helmut Locher
    Bildunterschrift:
    Karl Trabalski (SPD), Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wohnung- und Städtebau

    ID: LI720102

  • Porträt: Prof. Dr. Wolfgang Brüggemann (CDU) Stellvertretender Vorsitzender des Kulturausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 34 - 16.12.1971

    Als der Krieg zu Ende ging, war er gerade neunzehn Jahre alt. Als Soldat ging er für ein Jahr in Gefangenschaft. Den meisten seiner Altersgenossen mochte die deutsche Kapitulation zugleich den Zusammenbruch ihrer bisherigen Glaubensinhalte bedeutet haben; für Wolf gang Brüggemann war sie, umgekehrt, deren Bestätigung. Herkunft und eigenes Nachdenken hatten ihn davor bewahrt, der Anziehungskraft des Nationalsozialismus zu erliegen. Von der auf Hitler eingeschworenen Staatsjugend hatte er sich fernhalten können; in der illegalen "Kathofischen Jugend" fand er eine andere, oppositionelle Solidarität.
    Frühe Erfahrungen. Aber sie wirken fort und leisten bereits einen Beitrag zum politischen Credo des jetzigen CDU-Parlamentariers: Hier Konfliktbereitschaft — Brüggemann zitiert gern Dahrendorfs Wort "Konflikt ist Freiheit" —, dort ein verbindliches, grundlegendes Wertsystem, das des Christentums.
    Und es wirken fort: die langen Jahre eines, nach heutigen Begriffen, keineswegs auf direkte "Effektivität" ausgerichteten Studiums, das Brüggemann in einer existenziell dialektischen Situation absolviert. Hier, in Münster, die Aneignung theoretischen Wissens; dort, in der Vaterstadt Bochum, als Werkstudent im Pütt und im Bochumer Verein, der direkte Kontakt zu den sozialen Wirklichkeiten. Solidaritäts- und Konflikterfahrungen doppelter Natur in ihrer zweiten Phase.
    Die Studieninteressen sind breit angelegt. Was bewegt die Welt und was hält sie zusammen, die Frage steht hinter ihnen. Geschichte und Philosophie, Germanistik und — nun nicht, wie Faust: leider, sondern mit innerer Logik — auch Theologie. Zieht man, etwas verwegen, eine imaginäre Quersumme aus dem, wofür die Namen seiner akademischen Lehrer stehen, so läßt sich behaupten, der Student Brüggemann habe seinerzeit im Studium geistiger Prozesse der Vergangenheit hauptsächlich nach deren Anwendbarkeit auf die Gegenwart gesucht. Dem jetzigen Bischof von Mainz, Hermann Volk, der damals systematische Theologie in Münster lehrte, über "Politik als Aufgabe" schrieb und von dem aus sich Verbindungslinien zu Karl Barth ziehen lassen, weiß Brüggemann sich ebenso verbunden, wie seinem Doktorvater Herbert Grundmann, dem nachmaligen, kürzlich verstorbenen Präsidenten der Monumenta Germaniae historica. Weitere Lehrer: Der Sozial- und Wirtschaftsgeschichtler Werner Conze, die Historiker Hans Stier und Kurt von Raumer, der Germanist Benno von Wiese. Nicht zu vergessen der schwedische Theologe Nügren, damals Professor, jetzt Bischof in Lund.
    Theorie und Praxis. Das zerstörte Deutschland im Kopf und vor Augen, vollzog Brüggemann schon 1946 seinen Beitritt zur CDU. Es war die Partei, die sich auf das 1947 verkündete Ahlener Programm hinbewegte. Praxis und Theorie: Man muß Erlerntes und Erfahrenes weitergeben und miteinander verbinden. So wird Brüggemann zum Pädagogen. Lehrer, Fachleiter, endlich Professor an der Pädagogischen Hochschule Ruhr in Dortmund mit dem Lehrauftrag politische Bildung und Didaktik der Geschichte. Gleichzeitig aber auch Stadtverordneter in Bochum, dann Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, endlich Bürgermeister von Bochum: Der Jugendtraum, es darin dem Großvater gleich zu tun, hat sich erfüllt.
    Seit 1966 gehört der ehemalige Bundesvorsitzende des RCDS dem Landtag an. Er ist der hochschulpolitische Sprecher seiner Partei. Er ist Parlamentarier aus dem Gefühl einer Verpflichtung, und wie er stets und überall in der komplementären Dialektik von Wissen und Handeln, von "Unterscheidung und Harmonie" den Ansatz für realistische Perspektiven erblickt hat, so faßt er seine Aufgabe im Landtag auf: Solidarisch mit der Fraktion, verpflichtet aber dem Ganzen. Es ist seine dritte Phase eigenster und generationsgebundener Erfahrungen. Sie haben ihn im historischen Rückblick skeptisch werden lassen. Ob es gelingt, das Wohl des sozialen Ganzen in der — legitimerweise — von Interessen und Konflikten bestimmten Gesellschaft der modernen Demokratie zu sichern, ist seine Sorge.
    Hans Schwab-Felisch

    ID: LI713403

  • Porträt: Heinz Netta (SPD) Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Landesplanung.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 33 - 09.12.1971

    Sein Wunsch, den Männern zu helfen, die noch weit über 1945 hinaus vom Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen besonders in Mitleidenschaft gezogen worden waren, sein Verlangen, den Spätheimkehrern zu einem neuen Start im Frieden zu verhelfen, führten den jungen Heinz Netta zur Politik. Denn Netta hatte am eigenen Leib erfahren, was es heißt, noch Jahre nach Kriegsende von zu Hause fort zu sein und dann unter Schwierigkeiten Fuß fassen zu müssen.
    Er war selbst erst 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden. Netta hatte das Pech gehabt, noch 1945 durch Einzug in den Reichsarbeitsdienst in den Strudel der Geschehnisse hineingezerrt worden zu sein.
    Seinen politischen Weg begann der SPD-Landtagsabgeordnete im nördlichen Ruhrgebiet, dort, wo sich schon das weite Münsterland abzeichnet, in seiner Geburtsstadt Oer-Erkenschwick. 1956 wurde Heinz Netta Mitglied des Rates der Stadt. 1960 wählte ihn die SPD von Oer-Erkenschwick zu ihrem Vorsitzenden, 1963 übernahm er das Amt des Bürgermeisters in seiner Gemeinde. Nettas politische Ambitionen endeten jedoch nicht an der Stadtgrenze. 1966 erfolgte erstmalig die Wahl in den Landtag.
    Engagement zeichnen den Mann des Ausgleichs aber auch aus bei Dingen, die sich noch weiter draußen taten und tun. Er war 1958 bei der ersten offiziellen deutschen Gruppe dabei, die Kontakte in Israel aufnahm. Der Mann aus dem Revier erinnert sich, daß es harte Diskussionen vor allem mit jüdischen Gewerkschaftlern und Studenten gegeben habe. Das hatte einen besonderen Grund. Der Fall Eichmann wurde damals gerade aufgerollt. Zur Zeit bemüht er sich um die Bildung eines Ausschusses zur Gründung des Rates der Gemeinden Europas, der im französischen Lille seinen Sitz erhalten soll.
    Im Landtag ist Heinz Netta im Ausschuß für Wohnungs- und Städtebau sowie im Ausschuß für Landesplanung tätig, dessen stellvertretender Vorsitzender er seit 1968 ist. Den Schwerpunkt seiner Arbeit sieht er selbst in der Landesplanung. Heinz Netta möchte Nordrhein-Westfalen sinnvoll aufgeteilt wissen: Industriestandorte, Wohnsowie Erholungs- und Freizeitbereiche, das ist sein Konzept.
    Trotz aller Aufgaben außerhalb von Oer-Erkenschwick hat er die Belange seiner Revier-Kommune nicht vergessen. Die Umstrukturierung, die auf Unabhängigkeit vom Bergbau abzielte, wurde schon früh unternommen und die ansehnliche Zahl von 2000 neuen Arbeitsplätzen geschaffen. Mit einigem Stolz verweist der Bürgermeister Netta auch auf den Freizeitpark Stimberg, der eingerichtet wurde und nun Bewohner aus dem ganzen nördlichen Revier anzieht. Der Staat honorierte des SPD-Politikers besondere kommunalpolitische Leistungen mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande.
    Der 43jährige, der nach dem Krieg als Waldarbeiter sein Brot verdiente, sich zum Chemieingenieur hocharbeitete und heute den Beruf eines Maschinensteigers auf der heimischen Schachtanlage Ewald-Fortsetzung ausübt, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Lassen ihm seine vielen politischen Aufgaben einmal Muße, so geht er zum Schwimmen oder angelt im Halterner Stausee.
    Eckhard Hohlwein

    ID: LI713302

  • Porträt: Dr. Egbert Möcklinghoff (CDU) Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Verwaltungsreform.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 32 - 02.12.1971

    Wenn es richtig ist, daß Menschen durch den Ort, in dem sie aufwachsen und in dem sie längere Zeit beruflich tätig sind, geprägt werden, dann sind Egbert Möcklinghoff und Münster ein Beispiel dafür. Hier wurde Möcklinghoff 1929 geboren, hier wuchs er auf, und hier war er nach Jurastudium und ersten Berufsetappen als Beigeordneter tätig. Obgleich Möcklinghoff CDU-Politiker und katholisch ist, gilt diese Prägung nicht im parteipolitischen oder konfessionellen Sinne. Münster ist für Möcklinghoff "eine schöne Stadt". Warum schön? Weil die Stadt "homogen, überschaubar und geistig aufgeschlossen" ist. So wie Möcklinghoff seine Geburtsstadt Münster sieht, so sehe ich ihn: homogen, überschaubar und geistig aufgeschlossen. Beginnen wir beim letzten Attribut: "geistig aufgeschlossen": Nicht Polemik, sondern Argumente machen für ihn Debatten interessant. Er ist bereit, die Position des anderen zumindest gedanklich nachzuvollziehen, ja er ist bereit, bei besseren Argumenten sich geschlagen zu geben. Daß diese Bereitschaft in parlamentarischen Auseinandersetzungen oft fehlt — auf allen Seiten — bekümmert den MdL Möcklinghoff. Weil für ihn das Reflektieren zwangsläufiger Ansatzpunkt politischer Betätigung ist, hat er eine "widernatürliche Begabung zur Polemik" (von Möcklinghoff akzeptiertes Diktum Kühns über Möcklinghoff). Anders als für Adenauer sind Wahlkämpfe für Möcklinghoff deshalb auch kaum erträglich. Mit diesem Naturell konnte und wollte der Jurist kein Anwalt werden, sondern ging in die Verwaltung.
    Das zweite Attribut: "überschaubar": Möcklinghoff ging in die kleine Welt der Kommunalverwaltung, heute Oberkreisdirektor in Lüdinghausen. Die Probleme sind hier konkret, und ebenso konkret sind die Lösungsmöglichkeiten. Für Möcklinghoff ist deshalb die Kommunalpolitik der schönste Beruf. Im Landtag fühlt er sich als "politischer Kommunalpolitiker", und sollte er einmal nicht mehr im Landtag sein, dann: "Ausschließlich Kommunalpolitik."
    Ein solcher Politiker muß die Kommunalpolitik als immer wichtiger werdendes Betätigungsfeld des Landtags sehen. "Wenn erst einmal die Schulfrage gelöst worden ist, was bleibt denn dann außer Landesplanung,Infrastruktur usw.?" Überschaubarkeit ist auch der Impetus für den Verwaltungsreformexperten Möcklinghoff, deren eigentlichen Sinn er darin sieht, die öffentlichen Aufgaben für die Bürger weniger anonym zu gestalten. Im Zeichen der Überschaubarkeit auch fordert er, das Neben- und Gegeneinander der verschiedenen Haushalte abzulösen dadurch, daß alle Aufgaben auf eine Ebene transponiert werden, um dann Prioritäten festzusetzen.
    Das erste Attribut: "homogen": Möcklinghoff treibt Politik als Versuch, aus dem Bewahren des Gegebenen heraus die kritische Frage nach möglichen Veränderungen zu stellen. In diesem Sinne sollte die NRW-CDU seiner Meinung nach in der Bundespartei sehr viel aktiver werden, nicht als konservative Kraft, sondern im Sinne Arnolds afs "soziales Gewissen". Alles, was der Homogenität widerstrebt, hält Möcklinghoff für "lebensgefährlich". So z. B. die Polarisation in der öffentlichen Auseinandersetzung, die die gerade im Parlamentarismus nötige Fluktuation unmöglich mache. Möcklinghoff wünscht sich die leider viel zu seltenen Sachfraktionen, die sich ad hoc jenseits der starren Fraktionsbarrieren bilden (Homogenität also nicht als politischer Eintopf). Wer aber die Grenzen des homogenisierenden Bereiches überschreitet — die radikale NPD und DKP ist für Möcklinghoff weder im Parlamentarismus noch im öffentlichen Leben erträglich.
    Münster ist für Möcklinghoff "homogen, überschaubar und geistig aufgeschlossen". Die Politik ist es für ihn noch nicht, aber so wünscht er sie sich. Cornelius Bormann

    ID: LI713202

  • Porträt: Karl van Berk (SPD) Vorsitzender des Parlamentarischen Ausschusses für Grubensicherheit.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 31 - 25.11.1971

    Er spricht nicht gern von sich, — und als er dieses sagte, lächelte er ein ganz klein wenig: "Ich mache jetzt das, von dem es heißt, daß jemand sein Haus bestellt." Karl van Berk, im Landtag Abgeordneter der SPD-Fraktion und Vorsitzender des Parlamentarischen Ausschusses für Grubensicherheit, ist seit dem 1. Oktober 1971 hauptberuflich ein "freier Mann". Sein Amt im Dienste der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie hat er zu diesem Zeitpunkt an den berühmten Nagel gehängt, mit gut 60 Jahren, wie es einem gestandenen Bergmann ziemt.
    Am 12. Dezember 1926 begann der Votksschulabsolvent Karl van Berk auf einer Kohlenzeche in Duisburg- Hamborn seine berufliche Laufbahn. Was im Handbuch des Landtags nüchtern als "Schlepper" vermerkt ist, erhält ein freundlicheres Gesicht, wenn er im persönlichen Gespräch von "Pferdejunge" spricht. Die Entwicklung deckt sich mit seiner Persönlichkeit, an der er ununterbrochen durch Engagement und Selbststudium formte: Hauer, Lehrhauer und Ortsältester, Betriebsratsvorsitzender (1945), ein Jahr später bei der Gewerkschaft, die er mit aufgebaut hat, Sekretär, Bezirksleiter und schließlich 2. Vorsitzender im Hauptvorstand.
    Für ihn und seine Auffassung vom Leben zeugt, was ihm rein zufällig entfährt: "Wenn ich mit meinem VW-Käfer über die Ardennen nach Luxemburg schaukele, macht es mir geradezu Spaß, auf mich allein angewiesen zu sein." Nun, rund 25 Jahre fang stand ihm als Gewerkschaftsmann ein Dienstwagen mit Fahrer zur Verfügung. Jetzt fühlt er sich als "eigener Herr" in einer bescheidenen "Schuhnummer" wohl. Und das, obwohl er noch immer Amter von bedeutenden Würden wahrnimmt. Zum Beispiel: Präsident des Beratenden Ausschusses der EG für Kohle und Stahl in Luxemburg, Vorsitzender der gewerkschaftlichen Stiftung Mitbestimmung.
    Dem Bergbau mit seinen Sorgen und Schmerzen wird er noch lange verhaftet bleiben. Wie der Vater waren auch alle fünf Brüder Karl van Berks vor dem Kohlenstoß. Unfälle und Berufskrankheiten in diesem Metier gehören sozusagen zum Familiengut. Der sachliche, sich meist betont unterkühlt gebende Karl van Berk sieht im Landtagsausschuß für Grubensicherheit nicht nur ein gutes, sondern auch ein unbedingt harmonisch wirkendes Instrument in der Hand von parlamentarischen Fachleuten: "Der ständige erhebliche technische Wandel unter Tage schafft immer neue Probleme." Durch den Austausch von Erfahrungen will der Ausschuß sein Blickfeld erweitern. Mit den Kollegen in Niedersachsen ist er bereits erfolgt. Bald ist das Saarland an der Reihe. Bestimmte "Spezialitäten" möchte van Berk mit Fachleuten des polnischen Bergbaus an Ort und Stelle diskutieren.
    In seinem kleinen Haus am Rande einer Bergarbeitersiedlung in Alsdorf hat der "Pensionär" in diesem Sommer (statt Urlaub) mit einem handfesten Zeitvertreib begonnen: "Ich habe entdeckt, daß das Gärtnern auf eigenem Grund eine feine Sache ist. Nebenbei warten viele Bücher darauf, endlich gelesen zu werden." Heinz Meyer-Wrekk

    ID: LI713102

  • Porträt: Heinrich Ostrop (CDU) Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 30 - 18.11.1971

    Ein politisches Mädchen für alles verliert sehr schnell seine Unschuld, auch im Düsseldorfer Landtag. Wer am Schwanenspieget mithalten will, muß sich daher auf eine Aufgabe beschränken, muß sich mühen, Fachmann zu sein ohne Fachidiot zu werden. Heinrich Ostrop, Vorsitzender des Ernährungsausschusses, handelt danach. Er will glaubhafter Anwalt für den ländlichen Raum und seine Bewohner und damit für die Landwirtschaft sein.
    Der Christdemokrat, seit fünf Jahren Mitglied des Hohen Hauses, ist zwar ein Landwirtschaftsvertreter, aber einer ohne Ar und Halm. Er gehört nicht zu den drei Landwirten, die heute noch den Bauernstand im Parlament repräsentieren. Das war nicht immer so. Kaum 20 geworden und aus Gefangenschaft zurückgekehrt, hatte Ostrop im westfälischen Olfen bei Lüdinghausen, ohne nach seinen Plänen gefragt zu werden, den elterlichen Hof übernehmen müssen. Zehn Jahre lang bewirtschaftete er 40 ha, dann übergab er den Hof an den jüngeren Bruder, um Diözesanreferent der Landjugend im Bistum Münster und ein Jahr später Schriftleiter der Jugendzeitschrift "der Sämann" zu werden. Heute zieht er als Leiter des Referats für Jugend- und Erwachsenenbildung, aufgeschlossen für gesellschaftspolitische und soziale Fragen, über die Dörfer, von Veranstaltung zu Veranstaltung. Zehn Autos "verbrauchte" Heinrich Ostrop bisher bei seinen "Bildungsreisen". Bei einem Unfall verunglückte er so schwer, daß er zwei Jahre lang auf Krücken laufen mußte.
    Sein Vater, der noch kurz vor seinem Tod den Gründungsaufruf für die CDU unterschrieb, hatte Ostrop den Weg zum Politiker gewiesen. Aber erst 1952, sieben Jahre später, trat er der CDU bei, wurde noch im selben Jahr Gemeindevertreter in Olfen-Kirchspiel, 1964 in seiner neuen Heimat Nienberge bei Münster. 1966 glückte der Sprung nach Düsseldorf.
    Gesundes Bauerntum und gesicherte Ernährung aus eigener Scholle, das waren einmal einzige Ziele einer klassischen Agrarpolitik. Der Agrarpolitiker Heinrich Ostrop fordert mehr: Die in der Landwirtschaft tätigen Menschen sollten in vollem Umfang am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fortschritt beteiligt werden. Und dafür kämpft Ostrop im Ernährungsausschuß, in dem Sachkunde die erste Geige spielt, politische Kontroversen fast gänzlich fehlen. Diese kollegiale Zusammenarbeit über alle Fraktionshürden hinweg wurde dem Ausschuß nicht erst einmal übel vermerkt. Ostrop, und das wird auch von politischen Gegnern anerkannt, besitzt eine besondere Fähigkeit zum Ausgleich, er ist geradezu peinlich darauf bedacht, keinem weh zu tun.
    Ein Hinterbänkler war der heute 46jährige nie. Energisch ficht der Westfale in seiner Fraktion für "sein" Münsterland. Er war es auch, der die zwölf CDU-Abgeordneten dieser Region im Düsseldorfer Landtag unter einen Hut brachte. Seit der letzten Legislaturperiode tagt der "schwarze Block", die Münsterland-Konferenz, regelmäßig. Auf die Wahl in Parteiämter verzichtet Ostrop dagegen, "denn Doppelarbeit tut dem Mandat weh". Dennoch fordert die Parteiarbeit ihren Tribut. Bis zum Christfest ist im Terminkalender kein Abend mehr frei.
    Den vollen Terminkalender bekommen auch seine Frau Brunhilde sowie die vier Kinder Maria, Markus, Agnes und Teresa zu spüren. Für gemeinsame Unternehmungen bleiben nur wenige Stunden. Zeit für Hobbies hat Ostrop, der sich selbst als außerordentlichen "Fernsehmuffel" bezeichnet, schon gar nicht. Dennoch entwickelt er ab und zu einen kaum zu bremsenden "km- Ehrgeiz" beim Radfahren oder Wandern. Diesem Ehrgeiz frönte Ostrop auch in den letzten Parlamentsferien mit Erfolg: 27 "abgetrimmte" Pfunde waren der Lohn. Rüdiger Knott

    ID: LI713002

  • Paul Schmitz (CDU).
    Vorsitzender des Ausschusses für Wohnungs- und Städtebau.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 28 - 28.10.1971

    Als der Ex-Flugzeugführer Paul Schmitz 1946 nach Krieg und Gefangenschaft Bilanz zog, war das Resultat recht unerfreulich: das Elternhaus im münsterländischen Dorf Südlohn völlig zerstört, ein Bruder in den Bombenangriffen umgekommen, ein Schwager in Dachau umgebracht. "Ich hatte die Nase gestrichen voll", erinnert sich Schmitz auch nach 25 Jahren noch genau.
    Doch die gleichzeitige Erkenntnis, "daß so etwas nicht mehr passieren darf", schickte den jungen Textilarbeiter auf den Weg, der ihn 1965 mit 70 Prozent aller Wählerstimmen in den Landtag führte. Er gründete die Werkmannschaft der KAB, die junge Union im Kreise Ahaus, wurde in den Gemeinderat gewählt, avancierte zum hauptamtlichen KAB-Bezirkssekretär und gab 1961 sein Debüt Im Kreistag.
    Der Landtagsabgeordnete Paul Schmitz spiegelt diese Entwicklung heute im selbstgesteckten Ziel seiner politischen Arbeit wider: "Mehr Freiheit durch mehr Bildung, mehr Eigentum und mehr Mitbestimmung." Ganz in der christlich-sozialen Arbeit verwurzelt, bleibt Schmitz dabei der kühl denkende und nur das Mögliche anstrebende Westfale: An die Forderung nach Mitbestimmung knüpft er gleich die Mitverantwortung, mehr Bildung beginnt bei ihm schlicht in der Erhöhung der Chancengleichheit bereits in der Grund- und Hauptschule — "Die Gesamtschule könnte uns da als Angebotsschule einen großen Schritt nach vorne bringen". Und hinter das Wort vom Eigentum für alle stellt sich Schmitz nur dort, uneingeschänkt, wo es sich ohne irreparablen Schaden für die Gesamtwirtschaft verwirklichen läßt.
    Mit beneidenswerter Gesundheit und einem strapazierfähigen Nervenkostüm ausgestattet, setzt Schmitz Beständigkeit und Fleiß an erste Stelle der Eigenschaften, die einen Politiker erfolgreich sein lassen. Seine Gabe, anderen zuzuhören, das Gehörte zu analysieren und daraus praktikable Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten, führten ihn letztlich auch in den Landtag und in den Ausschuß für Wohnungs- und Städtebau, in dem sich ein wesentlicher Bestandteil christlicher Sozialarbeit, die Eigentumsbildung, zumindest im Bereich des Wohnungsbaus auch auf Landesebene verwirklichen läßt.
    So entspricht dem politischen Werdegang Paul Schmitz', der nie Protektion erfahren hat und dennoch mit einem der besten Wahlergebnisse Nordrhein-Westfalens in den Landtag gelangt ist (1965: 70 Prozent, 1970: 72,6 Prozent), daß er sich in erster Linie als Abgeordneter seines Wahlkreises versteht, immer jedoch in voller Solidarität zur Partei und Fraktion arbeitend. Um diesem Anliegen gerecht zu werden, fährt Paul Schmitz nach jedem "Düsseldorfer Tag" abends nach Hause, wo er von sechs bis halbacht für jeden zu sprechen ist — eine Einrichtung, die im Wahlkreis Ahaus oft ganz ungeniert bis Mitternacht ausgedehnt wird. Zwischen acht und zehn Uhr abends allerdings ist der Abgeordnete auch für Frau, Tochter und vier Söhne kaum einmal zu erreichen: In politischen Versammlungen oder KAB-Veranstaltungen sammelt er Ansichten, Erfahrungen und Reaktionen auf die Arbeit in Düsseldorf. Denn Demokratie bedeutet für den Abgeordneten Paul Schmitz die ständige Auseinandersetzung mit dem Willen des Volkes und den Auftrag, diesem Willen im Parlament Geltung zu verschaffen.
    Walter Pfeifer

    ID: LI712802

  • Porträt: Friedel Neuber (SPD) Stellvertretender Vorsitzender des Haushalls- und Finanzausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 27 - 21.10.1971

    Das Auffallendste an ihm sind Statur und Haarfarbe: ein blonder Hüne. Sonst hält er sich im Landtag eher im Hintergrund, mit kühlem Blick kalkulierend. Friedel Neuber tut dies bewußt und mit Methode: "Das Parlament braucht die Bereitschaft einiger Abgeordneten, sich mit Detaitfragen zu befassen."
    Detailfragen — das sind für den gelernten Sparkassenmann die alljährlich neuen Zahtenkumnen des Landeshaushaltes. Als Vorsitzender des Arbeitskreises 5 "Steuern und Finanzen" seiner Fraktion, als stellvertretender Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses und als Mitglied des Wirtschaftsausschusses betreibt er, sozusagen, legal die Verquickung von Politik und Beruf, wobei das Finanz-Fachwissen dem Politiker und die anfallenden politischen Informationen dem Finanz-Fachmann zugute kommen.
    Lorbeeren hat der 36jährige sich in seinem Beruf, der ihn eigenen Angaben zufolge ausfüllt, bereits geholt: der derzeitige Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giro-Verbandes, der zugleich auch dem Vorstand des Deutschen Sparkassen- und Giro-Verbandes angehört, beschreibt seine Karriere im Landtagshandbuch stichwortartig selbst so: "Volksschule, kaufmännische Lehre, Buchhalter, Revisor, Geschäftsführer, Verbandsvorsteher." Da er seine Arbeitszeit im Verhältnis eins zu zwei auf Politik und Beruf verteilt, dürften weitere Stichworte erforderlich werden.
    Wenn Politik und Beruf ihn nicht auslasten, dann geht er sowohl handfestgeselligen (Treibjagden) als auch weniger geselligen Beschäftigungen (Briefmarkensammeln, Musik) nach.
    Daß Neuber beschloß, Politiker zu werden, ist wesentlich von der politischen Nestwärme in seinem Elternhaus mit veranlaßt worden: sein Vater, ein Eisenbahner, war überzeugter Sozialdemokrat und ist sein politisches Vorbild. Diese Beziehung dürfte auch Neubers Verhältnis zur Partei entscheidend bestimmt haben. Er gehört noch zu jener "Vor-Münchener" Generation der Jungsozialisten, die ihre Juso- Phase mehr als Gesellenzeit zur Vorbereitung auf eine Parteikarriere ansahen, statt sich wie heute als der notwendig kritische Sauerteig der Partei zu begreifen.
    Als Parteimann war Neuber nicht ohne Erfolg. Schon im Jahr seines Parteieintrittes (1957) wurde er Juso- Kreis-Vorsitzender und blieb es bis 1968. Von 1959 bis 1962 führte er den Juso-Bezirk Niederrhein. Dem SPD-Kreisvorstand Moers gehört Neuber seit 1958 an. Von 1961 bis 1969 hatte er den stellvertretenden Fraktionsvorsitz für seine Partei im Stadtrat von Rheinhausen inne. "MdL" darf er sich seit 1962 nennen. Nicht wenig für einen Mann, der beruflich in zahlreichen Gremien tätig zu sein hat. Und auf dessen Zeit auch noch seine Frau und zwei Kinder Anspruch erheben. Hartwig Suhrbier

    ID: LI712702

  • Porträt: Helmut Kumpf (CDU) Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 26 - 14.10.1971

    "Kumpf ist Trumpf" steht auf den Skatkarten, mit denen der 43jährige Diplom-Volkswirt Heimut Kumpf im Sommer 1970 seine Gegner zum Wahlkampf reizte. Und er spielte sie im Wahlkreis Olpe sogar Schneider: Der einzige ernsthafte Gegenkandidat, der Sozialdemokrat Klaus Liepelt vom Godesberger Infas-Institut, sank auf 27,4 Prozent der Stimmen ab; Kumpf kassierte für die CDU 69,5 Prozent. Freilich kein allzu schweres Spiel in einer christlich-demokratischen Hochburg an der Grenze zwischen Sauer- und Siegerland, in einer westfälischen, vormals kurkölnischen Landschaft, die von einem fleißigen und aufstrebenden katholischen Bürgertum beherrscht wird.
    Helmut Kumpf liebt dieses Spiel ä tout, ihn reizt das kalkulierte Risiko, der immer neue Versuch, die Grenzen des Berechenbaren zu erkunden. Was mancher in der Politik für Mut halten mag, ist bei ihm kritisches Selbstbewußtsein. Es hat den Parlamentsneuling gar nicht erschrocken, als ihm schon nach wenigen Monaten der durch den Tod von Josef Hermann Dufhues vakant gewordene Vorsitz des Haushalts- und Finanzausschusses angetragen wurde. Die große Rede ist nicht sein Geschäft, aber die hellwachen, auch listigen Augen verraten den schnellen Blick für's Wesentliche, für die großen Zusammenhänge in der erdrückenden Fülle der finanzpolitischen Details eines Zweiundzwanzig-Milliarden- Haushalts. Kumpf hat Respekt vor dem Können, dem politischen Talent des sozialdemokratischen Finanzministers Hans Wertz, doch er setzt gerade diesen Respekt in eigenen Lern- und Leistungsanreiz um.
    Ist dieser Mann ehrgeizig? "Ja, ich will Einfluß haben, gestalten können." Er wollte Journalist werden und wurde Dozent. Das Studium der Geschichte und der Wirtschaftswissenschaften in Marburg hat er sich buchstäblich erarbeitet, in einem Hüttenwerk und einer Papierfabrik. Im Elternhaus in Herrntrop bei Kirchhundem — neun Geschwister, der Vater Bremser bei der Reichsbahn — gab's keinen roten Teppich. Luftwaffenhelfer wider Willen, Kriegsverwundung, Katholische Arbeiterbewegung, das waren die ersten Stationen.
    Kumpf kann sich einen Berufspolitiker namens Kumpf nicht vorstellen. Er behauptet, "extrem gut faulenzen" zu können, weil er gelernt habe, konzentriert zu arbeiten. Er liest zwei Tages- und drei Wochenzeitungen und — zur Zeit — die Neuausgabe von Zuckmayers Novellen. Die Wochenenden gehören der Familie, den Kindern und — Schalke 04. Zur CDU stieß er schon 1948. Soziale Marktwirtschaft, Ordnungspolitik, neoliberale Schule. Da habe es für ihn parteipolitisch niemals eine Alternative gegeben, sagt er. Aber berufliche Abhängigkeit von einer Partei, Ämterhäufung, der Tanz auf allen Hochzeiten sind ihm "ein Greuel". Das Amt des Landrats im Kreis Olpe gab er auf, als er Landtagsabgeordneter wurde. Die Leitung des Seminars für Staatsbürgerkunde (Haus Wildenstein) will er beibehalten. Das ist sein Beruf, seine Freiheit, seine Leistungskontrolle.
    Wenn es in der Politik Ziehväter gibt, dann hat der 1968 allzu früh gestorbene Abgeordnete Josef Hennemann diese Rolle für Helmut Kumpf gespielt. Hennemann engagierte Kumpf vor nunmehr fünfzehn Jahren für das weite Feld der Arbeiterbildung und für die politische Verantwortung, die sich daraus ergibt. Kumpf hat seither versucht, beides miteinander zu verbinden. Wahrscheinlich wird aber auch er sich bald zwischen Beruf und Politik entscheiden müssen. Denn als Hinterbänkler hat Helmut Kumpf in diesem Landtag bezeichnenderweise gar nicht erst angefangen. Lothar Bewerunge

    ID: LI712602

  • Porträt: Jubilar Richard Ey (SPD) 60 Jahre, 20 Jahre MdL.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 25 - 07.10.1971

    "Nur keine Lobhudelei", meinte Richard Ey, Landtagsabgeordneter der SPD seit dem 12. August 1951. Nun sagt das jeder, der von dieser Stelle aus der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Nur, Richard Ey gehört zu den ganz Wenigen, denen man diese Abwehrreaktion abnimmt. Der gelernte Bergmann übt eine persönliche Zurückhaltung, die beispielhaft für viele Politiker sein sollte. Sie äußert sich schon in den spärlichen Angaben zur Person im Handbuch des Landtags. Außer den obligatorischen Angaben über Wohnort, Geburt, Familienstand und "Abgeordneter seit ...", nimmt der autobiographische Teil seiner Angaben noch nicht einmal zwei Zeilen ein.
    Richard Ey wurde am 23. September 1911 geboren. Er lebt und wirkt in Dortmund. Mit 18 Jahren trat der Bergmann Ey der SPD und Gewerkschaft bei. Von diesem Zeitpunkt an darf von ihm gesagt werden, daß er für die Idee und nicht von der Idee lebt. Dieser bildungsbeflissene Arbeiter war bewußt Mitglied jener beiden Organisationen geworden, weil er den arbeitenden Menschen frei haben wollte von materieller Not, politischer Unterdrückung und geistiger Unzulänglichkeit.
    Zwei größere menschliche Gegensätze als der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Heinz Kühn und der kleine Funktionär Richard Ey lassen sich schwerlich aufzeigen. Und doch sind beide derselben Idee verpflichtet. Jeder arbeitet für sie, seinen Möglichkeiten entsprechend. Richard Ey ist hierbei vom Schicksal und aus eigenem Wollen der Part des Mannes zugefallen, der nicht schillert und nicht glitzert, sondern zuverlässig, stetig und unbeirrbar von Zeiterscheinungen oder Zeitgrößen an den Idealen seiner Jugend und seiner Partei festhält. Für ihn ist immer noch Links da, wo das Herz sitzt, er ist nach wie vor für das Du der Genossen untereinander, und er sieht in der roten Fahne der Sozialdemokratie nicht die Farbe der Anarchie, sondern das Symbol der verpflichtenden Tradition!
    Richard Ey gehört seit 1958 dem Landtagspräsidium an. Im Ausschuß für Arbeit und Soziales, im Grubensicherheitsausschuß und im Hauptausschuß ist er herangereift zu einem Kenner und Könner von hohen Graden. Nicht nur als Mitglied des Fraktionsvorstandes, sondern auch als der "gute Mensch" wird in seiner Fraktion auf ihn gehört und sein Rat gern befolgt.
    Das Leben hat Richard Ey nicht geschont. Im letzten Kriegsjahr verlor er einen Arm. Wer etwas von der Schwere des Untertageberufs des Bergmanns weiß, würdigt den Behauptungswillen dieses Mannes, der mit einem Arm nach Kriegsende jahrelang bei der Harpener Bergbau AG unter Tage arbeitete. Und dann nicht als brillierender Redner, als mitreißender Demagoge, sondern als stiller, jedoch fleißiger Arbeiter in der Gewerkschaft von den Kollegen zum Gesamtbetriebsratsvorsitzenden (über zehn Jahre hindurch) gewählt zu werden, das ist der echte Richard Ey!
    Er ist nie an "das große Geld" gekommen. Es unterscheidet ihn von Kollegen in der eigenen Fraktion oder in den politischen Parteien, daß er solches auch nie angestrebt hat. Ja, die jungen alerten Politiker und Genossen mögen über Traditionalisten wie Richard Ey, die mehr an das Gemeinwohl als an sich denken, lächeln und ironisch fragen: "Gibt es sowas überhaupt noch?" Die Wähler aber können gar nicht genug Menschen wie Richard Ey in die Parlamente, in die politische Verantwortung schicken. Fritz Przytulla

    ID: LI712502

  • Portät: Karl Frey (CDU) Vorsitzender des Petitionsausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 23 - 23.09.1971

    Der Düsseldorfer Journalist, der das schöne Wochenende in der Eifel verbracht hatte und nun über Nebenstraßen der Landeshauptstadt zustrebte, wurde — wieder im Flachland - durch Polizei aufgehalten. Auf einer im flirrenden Sonnenlicht liegenden Dorfstraße zog ein bunt getupfter Lindwurm dahin: ein Dorf-Schützenverein, der mit einem Dutzend befreundeter Nachbarvereine und mit Trommeln und mit Pfeifen einen Umzug veranstaltete. Inmitten dieser von der Hitze total erschöpften Schar waren drei Schwarzgekleidete. Einer von diesen wurde als der Landtagsabgeordnete Karl Frey aus Hambach über Jülich ausgemacht. Auch an diesem Sonntagnachmittag war der 41jährige im Dienst. Er machte — wie dies jeder Abgeordnete in seinem Wahlkreis tun muß - in Kontakt- und Brauchtumspflege.
    Im Landtag erlebt der Beobachter einen anderen Frey. Der Jurist, der von 1964 bis 1968 Rechtsrat und 1. Beigeordneter der Stadt Jülich war und dann ins Bundesministerium für Verteidigung überwechselte, wo er jetzt als Regierungsdirektor tätig ist, hat seit 1970 den undankbaren, strapaziösen und oft so wenig anerkannten Vorsitz im Petitionsausschuß inne.
    In diesem Amt wird er an seinem Vorgänger Schulze-Stapen gemessen. Als Landtagsabgeordneter (seit 1966) hat der Bürgermeister der Stadt Hambach die Dimensionen vor sich, die sein Vorgänger im Wahlkreis, der "Herzog von Jülich" und ehemalige Landtagspräsident Johnen, setzte.
    Frey, der inzwischen von Johnen das Amt des CDU-Kreisvorsitzenden übernahm, steht zwischen beiden in der Mitte, ohne Mittelmaß zu sein.
    Der Bauernsohn Frey ist kein Beamtentyp, vom Beamtentum aber wird er schwerlich Abschied nehmen, wenn das Gesetz der Unvereinbarkeit von Amt und Mandat Wirklichkeit werden sollte. Weder verliert er die Herrschaft über sich, weil er die Leidenschaft steigert, noch arbeitet er schattenlos, engherzig und kleinlich. Das Urteil seiner Mitarbeiter: Ein Jurist, der poltern kann und niemals nur stummer Zuschauer ist; ein engagierter Fachmann in Verwaltungsfragen, der ohne langes Erwägen zur Entscheidung kommt; ein Verwaltungsjurist, der im Gegensatz zu den durchweg ruhigen und betulichen, ja ängstlichen Leuten, die das Bild dieses Standes prägen, über Erwarten schnell und vor allem "politisch" reagiert. Im Amt des Vorsitzenden des Petitionsausschusses zeigt er Fleiß und Unbestechlichkeit, dazu den notwendigen Wahrheitsdrang, offene Augen und auch ein offenes Herz. Die Frage, ob sich diese Kärnerarbeit auszahle, will er nicht beantworten. An jedem Wochenende nimmt er wie seine Ausschußkollegen dicke Bündel von Eingaben mit nach Hause. Hobbies kennt er nicht: "Ich bin absolut unabhängig und habe mir meine Selbständigkeit erhalten. Im waldreichen Voreifelgebiet habe ich aus gutem Grund bisher an keiner Jagd teilgenommen ..." Dr. Gerhard Malbeck

    ID: LI712302

  • Porträt: Prof. Dr. Hans Lauber (SPD), stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 22 - 16.09.1971

    Die Formel vom Professor, den der Zufall in die Politik verschlug, ist nicht ganz richtig und nicht ganz falsch: Richtig, weil Professor Hans Lauber (50) "gar nicht so begeistert" und wohl auch etwas überrascht war, als ihm die Parteifreunde im Sommer 1969 eine Direktkandidatur für den Rhein-Wupper-Wahlkreis I antrugen, in dem sich auch der jetzige FDP-Fraktionschef Hans Koch um Stimmen bewarb. Falsch, weil der Professor für Psychiatrie und Neurologie, SPD-Mitglied seit 1955, nie nur medizinisch, sondern immer auch politisch gedacht und wohl auch gehandelt hat.
    Das fing nach dem Kriege an, als der viermal verwundete Fliegersoldat, zuletzt "Feldunterarzt", sein medizinisches Staatsexamen ablegte, promovierte und dann als Assistenzarzt am Krankenhaus zu Süchteln von einem Pfleger für die ÖTV geworben wurde. Zum erstenmal war der Zufall im Spiel, denn eigentlich wollte Lauber den hartnäckigen Gewerkschafter auf diese Weise nur beschwichtigen.
    Als der damals 29jährige Mediziner dann 1950 an die Düsseldorfer Universitätsklinik überwechselte, um sich dort über den Oberarzt (1955) zum außerplanmäßigen Professor hochzuarbeiten, gesellte sich die politische Einsicht bald hinzu. Anlaß war "die trostlose Situation der Psychiatrie", die er damals überall im Lande beobachtete. Lauber kam die Erkenntnis, "daß Wissenschaft allein nicht reicht", wenn man das Los der Menschen verbessern will.
    Sein Debüt im Düsseldorfer Landtag, 1951 bei einem Hearing über die Errichtung von Ärztekammern, war vermutlich eher standespolitischer Natur. Die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft soizaldemokratischer Ärzte, die 1957 für den Bezirk Niederrhein unter Laubers Mithilfe zustandekam, erfolgte aber dann im Zeichen seines parteipolitischen Engagements, das sich freilich noch zügeln mußte.
    Denn Lauber zimmerte damals an seiner wissenschaftlichen Laufbahn, veröffentlichte mehr als 40 Arbeiten vor allem auf dem Gebiet der Intelligenzforschung, die er um ein eigenes Untersuchungsverfahren bereicherte, bis er sich 1961 habilitierte. Ein Jahr später übernahm er die Leitung des Landeskrankenhauses Langenfeld — heute eine psychiatrisch-neurologische Mammut-Klinik mit 1700 Betten, 45 Ärzten und 600 anderen Kräften.
    Daß sich die psychiatrische Versorgung der Bevölkerung von dieser Stelle aus allein nicht verbessern ließ, wurde Lauber immer klarer. Daß die enge Wechselbeziehung zwischen Wissenschaft und Politik von ihm am Ende ein persönliches Opfer verlangte, war nur die Konsequenz. Die Grenze zwischen Zufall und Notwendigkeit begann zu verschwimmen. Was Lauber zusammen mit Gleichgesinnten über die Reorganisation des gesamten Krankenhaus- und Gesundheitswesens in Nordrhein- Westfalen erdacht hatte, drängte nun unmittelbar in die politische Realität.
    Aber noch einmal schlich sich der Zufall ein: Kaum hatte der frischgebakkene Landtagsabgeordnete den stellvertretenden Vorsitz im Arbeitskreis für Arbeit, Soziales und Gesundheit der SPD-Landtagsfraktion übernommen, starb dessen Vorsitzender Karl Schröder, und Lauber rückte nach. Sein erstes politisches Meisterstück legte er nur wenig später ab: Die Landesregierung akzeptierte den Antrag, einen Plan für die psychiatrische Versorgung der nordrhein-westfälischen Bevölkerung zu erarbeiten. Weitere solch' konzeptioneller Pfeile hat der Professor noch im Köcher.
    "Ich bin in erster Linie Arzt" — aber politische Leidenschaft vermag Lauber nun auch nicht mehr zu leugnen. Für die beiden halberwachsenen Söhne und die Frau, einst eine nicht unbedeutende Konzertpianistin, bleibt da nur noch wenig Zeit. Dirk Bavendamm

    ID: LI712202

  • Porträt: Gerd Lemmer (CDU) Vorsitzender des Ausschusses für Landesplanung.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 21 - 09.09.1971

    Er begann als der unbekannte Neffe (des CDU-Politikers Ernst Lemmer), brachte es zum Minister und schließlich zum "Kronprinzen" (des Ministerpräsidenten Franz Meyers). Lange Zeit schien sein politischer Aufstieg vorgezeichnet und nicht aufzuhalten: nach dem "fixen Franz" der nicht minder fixe Gerd Lemmer. 1958 mit 33 als Abgeordneter seiner Heimatstadt Remscheid zum erstenmal in den Landtag gewählt, profilierte sich Lemmer als energischer, vornehmlich wirtschaftspolitischer Debatter; als Minister für Bundesangelegenheiten (1962-1966) spann er geschickt die Fäden zwischen Düsseldorf und Bonn. "Berechtigt zu den schönsten Hoffnungen", hätte Meyers ihm sicher unbesehen ins Zeugnis geschrieben.
    Die politischen Zeitläufte wollten es anders; später auch die CDU, bei deren Gerangel um die Führungsposition im Lande Lemmer bereits in Bonn "abseits" stand; und schließlich auch Gerd Lemmer selbst. Mit dem kühlen Verstand des Juristen (Studium in Göttingen, Große Staatsprüfung 1954 in Düsseldorf) erkannte er schon früh, "daß ich ja nicht von Beruf Landtagsabgeordneter bin", dies also kein Full-time-Job sei. Lemmer heute wie damals: "Mein Beruf aber geht vor" — eine Aufassung, die ihm mancherlei Ärger mit Parteifreunden eintrug, jedenfalls solange sein Beruf, eng mit der Bonner Politik verknüpft, ihn häufig von Düsseldorf fernhielt.
    Lemmer hatte beruflich als Referent beim NRW-Landkreistag und beim Landschaftsverband Rheinland begonnen und war dann zur Bonner Berlin-Vertretung gegangen. Als Beamter unter Willy Brandt verhandelte er in den schwierigen Jahren nach dem Berlin-Ultimatum der Sowjets für Berlin auf der Genfer Außenministerkonferenz, den Nato-Konferenzen und bei der UNO.
    Nach vier Jahren Minister-Tätigkeit warf der Sturz der Regierung Meyers Ende 1966 für Lemmer wieder die Berufsfrage auf. Nach einer Zwischenstation in der Krupp-Konzernleitung wurde er Staatssekretär in Bonn: im Vertriebenen-, dann im Postministerium. Seit dem Ende der Großen Koalition arbeitet Lemmer, agil wie eh und je, an seinem beruflichen Meisterstück: Als kaufmännisches Vorstandsmitglied einer 4000-Mann-Maschinenfabrik versucht er, die exportabhängige Firma aus den "roten Zahlen" zu schaffen. "In Neuss, vor der Haustür des Landtags, muß ich das mit meinem Mandat verbinden können", meint er selbstsicher.
    In rationeller Einteilung von Arbeitskraft und Zeit konzentriert er sich im Landtag auf den Vorsitz im Landesplanungsausschuß — ein sprödes, auf den ersten Blick politisch wenig attraktives Gebiet. "Aber eine Aufgabe, die nach vorn gerichtet ist, bei der über Strukturen von morgen entschieden wird, und die — auf die Gefahr von Kompetenzstreitigkeiten mit anderen Ausschüssen hin — immer größer und wichtiger wird", so Lemmer. Er meint, daß man gerade bei der Landesplanung den Mut aufbringen müsse, aus dem 19. Jahrhundert stammende Strukturen zu ändern. Hier bricht der "alte" Lemmer durch, der am kommenden Montag (13.9.) 46 wird und bereit ist, "jede Aufgabe zu machen, die ich übernehme", auch in der Politik.
    Wenngleich Lemmer (nach wie vor auch stellvertretender Vorsitzender der CDU-Rheinland) heute politisch kürzer tritt, ist sein Engagement für die Politik ungebrochen: "Wer einmal drin war, will immer wieder zurück." Helmut Müller-Reinig

    ID: LI712102

  • Porträt: Rolf Meyer (SPD).
    Vorsitzender des Sportausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 20 - 02.09.1971

    Sie nannten ihn vor zehn Jahren noch "den jungen Mann von Fritz Steinhoff". Für den Fraktionschef und Ministerpräsidenten der fünfziger Jahre hatte Rolf Meyer immer gearbeitet, wenn auch stets im Hintergrund.
    Dies überhaupt ist eine seiner auffallenden Eigenschaften, nie zog es den typischen Westfalen vom Jahrgang 1924 ins Rampenlicht, stets stand er im unbeleuchteten Teil der Bühne.
    Aus Schwelm stammt Rolf Meyer, der schon 1950 die Geschäftsführung örtlicher und regionaler SPD-Apparate übernahm. Seine Eltern wollten ihn zum Handwerker machen, und tatsächlich hat er sich auch das Patent des Maschinenschlossers erarbeitet, doch als er 1949 die Chance erhielt, an einer schwedischen Heimvolkshochschule zu studieren, griff er sofort zu.
    Gewiß darf man in diesem Zusammenhang von einer "skandinavischen Lehre" sprechen, die dem Sozialdemokraten Meyer die Augen öffnete und ihn mitunter zum skeptischen Freund der eigenen Partei werden ließ. Aber gerade dieser persönliche Läuterungsprozeß erwies sich für die SPD als Gewinn.
    Rolf Meyer hat später als Bezirksgeschäftsführer der mächtigen Parteiorganisation "Westliches Westfalen" das Image der SPD verändert. Sein größter Erfolg läßt sich in Prozenten ausdrücken, denn der Wahlkampfmanager Rolf Meyer verbuchte 1961 und 1965 in seiner Region nicht nur überdurchschnittliche SPD-Gewinne, sondern geradezu Aufsehen erregende Resultate. An Willy Brandts Seite stand dieser Antityp eines Parteisekretärs, und ob im Sauer- oder Münsterland, der Spitzenkandidat und Regierende Bürgermeister von Berlin, traf auf eine generalstabsmäßig vorbereitete Organisation, die nichts dem Zufall überließ.
    So wurde aus Rolf Meyer ein Manager, der heute zum Vorstand der Nordwest-Lottogesellschaft gehört.
    Die Liebe zur Politik ist deswegen jedoch nicht verkümmert, im Gegenteil: Der Landtagsabgeordnete seit 1958 wird von seinen Freunden auch als Landrat des Ennepe-Ruhr-Kreises immer wieder gewählt.
    Der Sport lobt ihn als aktiven Ballspieler und passionierten Förderer auf allen Ebenen, ob im Landtag oder Verband. "Er ist kein Mann des Bla-Bla", sagt über ihn sein Förderer, Minister Werner Figgen. Darin auch liegt der Erfolg. Die Einerseits-Andererseits-Politik, das Schaukeln und Lavieren, dies gibt es bei Rolf Meyer nicht. Als er vor über zwei Jahrzehnten durch das Unterholz seiner Partei schritt und der Gipfel im Dunst der Zweifel lag, wollte der aus der Kriegsgefangenschaft Heimgekehrte "nichts anderes als ein Demokrat sein". Auf diesem Weg hat er es weit gebracht, wobei sicher scheint, daß dies nicht die letzte Prüfung war, der sich Rolf Meyer mit Erfolg unterzog.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LI712002

  • Porträt: Franz Riehemann (CDU), Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschuases.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 19 - 01.07.1971

    Als der greise westfälische Oberpräsident Johannes Gronowski in dem ersten Nachkriegsjahr durch das Münsterland zog und die heimgekehrten Soldaten mit brüchiger Stimme aufforderte, sich trotz aller Enttäuschungen noch einmal für die Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen, da fühlte er sich angesprochen. Er, das war der damals 24jährige ehemalige Fallschirmjägeroffizier, Franz Riehemann. Ohne viel Aufhebens von sich zu machen, wollte er mittragen helfen beim Wiederaufbau, so wie er einst am Monte Cassino seinen verwundeten Kriegskameraden Conrad Ahlers, ohne auf eigene Gefahr zu achten, aus der Feuerzone getragen hatte.
    Ein Vierteljahrhundert später sitzen sie manchmal in Bonn für einige Stunden zusammen, die beiden früheren Fallschirmjäger. Ahlers, heute Staatssekretär und Bonner Regierungssprecher, und Riehemann, Vorsitzender des parlamentarischen Rechnungsprüfungsausschusses in Düsseldorf. Nach Kriegsende sind sie verschiedene Wege gegangen, der Journalist und der Hotelier, der Sozialdemokrat und der Christliche Demokrat. Das mag auch an ihren unterschiedlichen Temperamenten liegen. Aber sie fühlen sich beide der gleichen Staatsform verpflichtet, von der sie aus eigener Erfahrung wissen, daß sie zu den schwierigsten gehört.
    Riehemann hat sich nicht nach dem Landtag gedrängt. Die Sorge um seine Familie, um den Hotelbetrieb, der zunächst von der Besatzungsmacht beschlagnahmt war, um das Gaststätten- und Hotelgewerbe, um den Nachwuchs an Köchen und Kellnern und um den Heimatverein Borghorst, füllten ihn aus. Aber er hat sich auch nicht geziert, als man ihn, den damals politischen Außenseiter, dazu drängte, sich für die Landtagswahl als Direktkandidat aufstellen zu lassen. Mit einer Rükkendeckung von weit über 60 Prozent der Wahlkreisstimmen, die er 1966 auf sich vereinigen und 1970 noch einmal steigern konnte, hat er auch im Landtag sein Licht nicht unter den Scheffel gestellt. Er gehört zwar zu den Stillen im Parlament, aber nicht zu den Stummen und schon gar nicht zu den Hinterbänklern. Der einzige Hotelier unter den fast tausend Abgeordneten der sieben Wahlperioden, interessierte sich von Anfang an für den sonst nicht sonderlich begehrten RechnungsprüfungsausschuB des Parlaments.
    Heute ist er Vorsitzender dieses Ausschusses, ein bedachtsamer, aber auch energischer Vorsitzender. Die Ministerialbürokratie hat es gerade in den letzten Wochen zu spüren bekommen. Riehemann, und darin ist er sich mit den übrigen Ausschußmitgliedern aller drei Fraktionen einig, versucht das parlamentarische Kontrollrecht stärker als bisher sichtbar werden zu lassen. "Nur den Zeigefinger erheben, langt nicht", kommentiert er diese Bemühungen. Wer ihn kennt, weiß, daß er es ernst damit meint.
    Indes ein Freiberufler wie er hat es nicht leicht, Politiker zu bleiben. Für ihn ist das Landtagsmandat kein finanzieller Anreiz. Er muß die Kräfte aus eigener Tasche bezahlen, die seine Arbeit übernehmen, wenn er in Düsseldorf den Abgeordnetenpflichten nachgeht. "Hätte ich nicht eine tüchtige Frau und einen Oberkellner, der seit 32 Jahren im Betrieb ist, dann müßte ich aus beruflichen Gründen mein Mandat zurückgeben." Das klingt aus seinem Munde ehrlich und überzeugend, ebenso wie sein Bemühen, Angehörige seines Berufes und anderer Freiberufe davon zu überzeugen, daß auch sie sich für politische Verantwortung zur Verfügung stellen sollten. Karl Fischer

    ID: LI711902

  • Porträt: Karlheinz Böhm (SPD).
    Mitglied des Fraktionsvorstandes, des Hauptausschusses, des Kommunalpolitischen Ausschusses, des Arbeitskreises"Verwaltungsreform-Kommunalpolitik" und des Redaktionsbeirates für "Landtag Intern".
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 18 - 24.06.1971

    War er der landläufige Typ des Politikers? Sein Jugendwunsch, Architekt zu werden, beantwortet schon die Frage! Doch die heimatlosen Heimkehrer von 1945 wurden nicht nach ihren Plänen gefragt, und so war denn auch in seinem Stammkreis die Überraschung von der unerwarteten Wende im Leben des jungen Karlheinz Böhm, Journalist zu werden, gar nicht so groß. Erst als ihm der Mantel des Kommunalpolitikers angetragen wurde — darum gerissen hat es sich nicht —, rieben alte Freunde ihre Augen, denn sie wähnten den vor allem der Natur zugewandten Gefährten noch immer auf den Wegen der Romantik.
    Böhm war seinem Landsmann Eichendorff nahe, bei dem er die schchlesischen Wälder wiederfand, die er so vermißte, deren Rauschen er noch zu hören glaubte, als er schon seine neue Heimat am Teutoburger Wald aufzubauen begann, Stein um Stein.
    Das Mauern hatte er gelernt, hoch oben auf dem Bau legte er die Gesellenprüfung ab, bevor der Abiturient mit dem Studium begann. Der Krieg jedoch machte den angehenden Architekten zum Soldaten, der auf schrecklichen Schauplätzen des Wahnsinns das nackte Leben rettete, mit vielen Wunden und Narben.
    Nie hat er davon gesprochen, mehr Ekel als Schmerz hinderte ihn daran. Überhaupt war dieser stämmige, auf ersten Blick scheinbar derbe wirkende Mann meist stiller Dulder. Nur einmal brach es aus ihn heraus, begann er zu erzählen, nächtelang gebeugt über seine Schreibmaschine, Seite um Seite füllend, und die Leser der FREIEN PRESSE wurden seine Zeugen.
    Karlheinz Böhm war einer der ersten Journalisten, der in den fünfziger Jahren seine Heimat Wiedersehen durfte, und dieses Wiedersehen mit Breslau gehörte ganz ohne jeden Zweifel zu den großen bewegenden Erlebnissen dieses eingefleischten Schlesiers.
    Kreuz und quer durch die Bundesrepublik fuhr Böhm, seine Landsleute aufspürend, eigentlich aufweckend. Verantwortungsbewußt wie er war, sprach der Heimatvertriebene schon damals die Wahrheit aus — "wer die Polen wieder vertreiben will, ist ein Abenteurer!" Darum auch rang Böhm so zähe um die Integration der Flüchtlinge in der Bundesrepublik, dafür machte er im Rat der Stadt wie im Landtag Politik.
    Den Streit mochte er nicht, als Chefredakteur der kommunalpolitischen Fachzeitschrift "Demokratische Gemeinde" trug er Kontroversen im Kollegstil aus, und selbst der Wahlkampfleiter Böhm verleugnete nicht sein Gemüt: Das Werbeplakat für die SPD zeigte einen blumenumkränzten Spazierstock, dem Betrachter die Richtung in gesunde Ferien weisend.
    Der alte Reichstagspräsident Paul Lobe hatte in Versammlungen der fünfzigerJahre über das Schicksal der Deutschen zwischen 1918 und 1953 gesagt: "Es sucht der Bruder seinen Bruder". Lange lag dieses Zitat des Schlesiers "Löbe-Paul" auf Böhms Schreibtisch, verziert mit Strichen und Punkten einer weichen Handschrift, harmonisch, musikalisch und kristallklar.
    Die Politik hat einen Mann der Gerechtigkeit verloren. Horst-Werner Hartelt

    ID: LI711802

  • Porträt: Werner Pohle (SPD).
    Vorsitzender des Ausschusses für Jugend, Familie und politische Bildung.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 17 - 18.06.1971

    Seine Bewegungen sind ruhig, ohne Hektik, seine Redeweise gleichmäßig, ohne starke Schwankungen. Werner Pohle erweckt den Eindruck eines in sich ruhenden Mannes, er ist, soweit das andere beurteiten können, mit sich und der Welt zufrieden. Und weil er zufrieden ist, deshalb sitzt ihm zuweilen der Schalk in den Augen. Und wie der Mann, so ist auch seine Biographie. Eine Etappe ergibt sich aus der anderen, Sprünge oder Brüche sind nicht zu verzeichnen. Es ist die Biographie eines Mannes, für den die Politik kein Abenteuer ist, sondern eher ein Beruf, der Spaß macht.
    Einige Voraussetzungen für die Biographie Werner Pohles: Seine Geburtsstadt Kiel, wo er aufwuchs und das Humanistische Gymnasium besuchte, gilt spätestens seit 1918 als rote Hochburg. Als Angehöriger des Jahrgangs 1925 haben sich ihm die Not und das Elend der letzten Kriegsjahre und der ersten Nachkriegsjahre unvergeßlich eingeprägt.
    Leider zwei Tage zu spät machte er sein Abitur, denn der 3. Oktober 1943 lag knapp hinter dem nach 1945 anerkannten Stichtag. Und so erwarb Werner Pohle am 28. September 1945 erneut die Hochschulreife. Er hat sie allerdings nie genutzt (es heißt, er habe damals an die evangelische Theologie als Studienfach gedacht), sondern er begann sein Berufsleben in der Diakonie der Holsteinischen Landeskirche. Da nämlich wurde teilweise mit Naturalien gezahlt, und seine schwerkranke Mutter hatte die Butter sehr nötig. Und so ging es weiter. 1951 sozialpädagogisches Examen; 1953 Übernahme von Aufgaben innerhalb der Arbeiterwohlfahrt. Schwerpunkt der sozialpädagogischen Arbeit Werner Pohles war schon damals das Gesellschaftspolitische: Eingliederung der "SBZ-Jugendlichen", kommunale Sozial- und Jugendarbeit.
    Und als Ergänzung dieser beruflichen Arbeit erfolgte schon früh im Jahre 1950 der Eintritt in die SPD. Warum? Aus idealistischen Gründen? Nein, das würde auch zu dem Praktiker Pohle nicht passen. Zwar war der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Professor Preller, ein führender Sozialist, ein Vorbild für ihn. Aber die eigentlichen Motive für seinen sozialdemokratischen Parteieintritt waren doch die gleichen wie für seine Berufswahl: sozial-humanitär. Wenn es nicht so abgegriffen wäre, könnte man sagen: Mitleid mit den Schwachen, d. h. mit den Jugendlichen, mit den Alten und mit den Armen. Mehr oder weniger Zufall war es dann, daß Werner Pohle Anfang der 50iger Jahre in Minden ansässig wurde. Und nun synchronisiert sich Berufliches und Politisches: 1956 wird Pohle Stadtverordneter und 1961 Bürgermeister, der erste Sozialdemokrat auf diesem Stuhl der früheren Beamten- und Garnisonsstadt Minden. 1962 erfolgte die Wahl in den Landtag.
    Und bei dieser Kombination ist es bis heute geblieben: Bürgermeister, MdL und Sozialpolitiker. Pohles Antwort, ob er damit nicht zufrieden sei und ob er noch andere Ziele habe: Nein. Eine andere Antwort hätte auch verwundert. Denn auf diese Weise ist die Synchronisation perfekt: Der Sozialpolitiker Pohle versucht, die Anregungen aus der Kommune im Landtag umzusetzen und umgekehrt. Der Sozialpolitiker Pohle versteht die Jugendarbeit primär als Bildungsarbeit und erst sekundär als Freizeitbeschäftigung.
    Der Sozialpolitiker Pohle möchte die Lebensphase der alten Menschen in der ihnen gewohnten Umgebung soweit wie möglich ausdehnen, den Heimaufenthalt so weit wie möglich hinausschieben. Der Sozialpolitiker Pohle sieht den Unterschied zwischen SPD und CDU darin, daß die Sozialdemokraten über die öffentliche zur privaten Verantwortung kommen wollen, die Christdemokraten über die private zur öffentlichen. Das CDU-Konzept sei ein Irrtum, weil der Übergang nicht klappe.
    Werner Pohle brilliert nicht, aber er ist glaubwürdig, denn: Jugend und Soziales ist kein politisches Schaugeschäft, aber es macht Spaß, weil es genug Aufgaben gibt.
    Cornelius Bormann

    ID: LI711702

  • Porträt: Konrad Grundmann (CDU) Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 16 - 11.06.1971

    Fragt man ihn nach seinem Weg in die Politik, so antwortet er: "Mein Vater war ein alter christlicher Gewerkschaftler; weil er das Verbrecherische des Nazi-Regimes erkannte, mußte er viele Schikanen und Benachteiligungen hinnehmen".
    Konrad Grundmann ist der Tradition des Elternhauses treu geblieben: sein ganzes Engagement gilt der Sozialpolitik. Schon als junger Mann stieß er zum DGB und zur Jungen Union. Heute ist er Vorsitzender eines wichtigen Landtagsausschusses, des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge.
    Mit 46 Jahren zählt der gebürtige Krefelder noch zu den Männern der jüngeren Generation und doch ist er bereits durch alle Höhen und Tiefen des politischen Lebens gegangen.
    29jährig wurde er im Juli 1954 CDU-Landtagsabgeordneter. Heute gilt er im Düsseldorfer Ständehaus als "alter Fuhrmann". Mit 33 Jahren wurde er Vorsitzender des Sozialausschusses; ein Jahr später berief ihn der damalige Ministerpräsident Dr. Meyers als Arbeits- und Sozialminister in sein Kabinett. Mit 34 Jahren stand Konrad Grundmann im Rampenlicht: er war der jüngste Minister in Westeuropa.
    Trotz dieses steilen Aufstiegs sprach niemand von einem "Senkrechtstarter". Das lag wohl an der unprätentiösen Art, in der Grundmann seine Fähigkeiten und auch seine Grenzen einzuschätzen weiß.
    Er hält sich nicht für einen brillanten Redner, aber er weiß seine Sache hart zu verteten. Dem politischen Gegner versagt er dabei nie seinen persönlichen Respekt. "Ich identifiziere mich mit meiner Aufgabe, nicht mit meinem Amt", sagt Grundmann. Deshalb traf ihn der Verlust der Ministerwürde Ende 1966 weniger hart: "Der Abkühlungsprozeß war für mich nicht erheblich".
    Auch in seiner Partei ist Grundmann schnell zur Spitze vorgestoßen. 1963 wurde er Vorsitzender der CDU Rheinland — nach Konrad Adenauer und nach Wilhelm Johnen.
    Allerdings blieb er im Spannungsfeld dieser flügelreichen Partei ein unbequemer, ein kantiger Mann: "Jeder muß wissen, woher er kommt". Konsequent bekannte er sich zu seiner Herkunft, zum Arbeitnehmerflügel der CDU. "Persönliche Assimilierung" hält er nicht für "einen politischen Integrations- Prozeß". Im Herbst 1969 mußte er die Führung der rheinischen CDU an Heinrich Köppler abtreten.
    Grundmann tat es ohne Bitterkeit, denn "für mich ist das Amt nur eine Möglichkeit, politisch tätig zu sein". Das Erstaunliche an Konrad Grundmann ist, daß man ihm niemals Resignation ansieht. Er weiß, daß "auch die schönsten Blumen einmal welken müssen".
    Als Vorsitzender des Landtagsausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge ist er ein kritischer Partner seines sozialdemokratischen Nachfolgers im Ministeramt.
    Schnörkellos bekennt er, daß die Sozialpolitik eine besondere, nämlich eine sachliche Färbung habe. Für Demagogie ist da kein Platz. Deshalb hält er den Ausschuß-Vorsitz auch nicht für eine Institution, die der Selbstdarstellung dienen könne.
    Am 1. August will Grundmann seine Erfahrungen in eine neue Tätigkeit einbringen. Er wird Arbeitsdirektor bei den Rheinischen Braunkohlewerken in Köln, einem Betrieb mit 16 000 Beschäftigten, "aber mein politisches Engagement gebe ich nicht auf."
    Marcel Gärtner

    ID: LI711602

  • Porträt Ernst Ermert (SPD) Vorsitzender des Ausschusses für Innere Verwaltung.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 15 - 27.05.1971

    Auch im Düsseldorfer Landtag gibt es Tiefstapler. Damit sind jene Abgeordneten angesprochen, die kaum von sich reden machen und dennoch häufig mehr Einfluß haben als mancher Minister. Zu ihnen zählt der SPD-Politiker Ernst Ermert (52) aus Duisburg. Als Vorsitzender des Ausschusses für Innere Verwaltung sitzt er an einem wichtigen Schalthebel des Parlaments.
    Der Name dieses Ausschusses mag dem Laien kaum etwas sagen, dem Eingeweihten umso mehr. In diesem Gremium geht es zum Beispiel um Fragen der inneren Sicherheit unseres Landes, hier werden Probleme der Verbrechensbekämpfung, der Ausrüstung der Polizei, des Verfassungs- und Katastrophenschutzes und der Beamtenbesoldung beraten. In diesem Themenkreis ist Ernst Ermert zu Hause. Er tritt für eine Reform des öffentlichen Dienstrechts von Grund auf ein, empfiehlt die Bundeskompetenz für Besoldungsfragen und streitet für eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, der künftig außer mehr Geld auch klare Kompetenzen zugewiesen werden müßten.
    Dem Landtag gehört er mit einer Unterbrechung von 1958 bis 1962 seit 1954 an. Für die vierjährige Pause ist der CDU-Abgeordnete Friedrich Heinen verantwortlich, der Ihm 1958 das Direktmandat wegschnappte.
    Damals hatte Ernst Ermert noch keinen sicheren Platz auf der Landesliste. Mit Heinen verbindet ihn übrigens eine enge Freundschaft; parteipolitische Gegensätze tun dem keinen Abbruch. (Außerdem hat sich der CDU-Konkurrent von damals inzwischen einen anderen Wahlkreis gesucht.) Der Weg zum Politiker war Ernst Ermert nicht vorgeschrieben. Den Entschluß, sich politisch zu engagieren, faßte er in der dunkelsten Stunde seines Lebens am 8. April 1945, als seine erste Frau und sein Kind unter Trümmern den Tod fanden.
    Damals schwor er sich, er werde mithelfen, um ein zweites Drittes Reich zu verhindern. Den Weg zur Sozialdemokratie fand er über einen Bekannten, der ihn Ende 1945 in Duisburg in einem Bunkerloch entdeckte, wo er hauste, weil seine frühere Wohnung nicht mehr stand.
    Der Bekannte nahm ihn in seine Familie auf, bot ihm die Couch als Schlafstatt an und brachte ihn mit Freunden aus der SPD zusammen, denen sich Ermert bald anschloß. "Das andere ergab sich", meint er 25 Jahre später.
    In seiner Partei hat Ernst Ermert heute einen starken Rückhalt. Er gehört dem Vorstand der SPD- Landtagsfraktion an und führt, abgesehen von einer Reihe anderer Ehrenämter, außerdem die SPD- Fraktion im Duisburger Stadtrat.
    Damit sind sogar die Jungsozialisten einverstanden, die sonst parteiintern gegen alle Doppelmandate Sturm laufen, aber in Duisburg ausdrücklich erklärten, bei Ernst Ermert akzeptierten sie die Ausnahme.
    Da er außerdem noch einen Beruf hat — er ist Statistiker bei der Duisburger Arbeitsverwaltung —, fragt sich jeder, wie dieser Politiker das alles schafft, was er sich oder andere ihm auf die Schultern geladen haben. Die Antwort heißt 16-Stunden-Tag.
    Frau, Tochter Susanne (15) und Sohn Kurt (14) sind mit seinem politischen Engagement einverstanden: "Die Kraft für das politische Geschäft gibt mir meine Familie", sagt der Vater.
    Zu Steckenpferden bleibt ihm keine Zeit. Schachspielen (früher sogar als Turnierspieler), die regelmäßige Skatrunde, Schwimmen, auch das Lesen, was nicht Pflichtlektüre ist — zu all dem kommt er nicht mehr. Nur im Urlaub, den die Familie meist am Meer verbringt, kann er ausspannen. Und das tut er dann mit Krimis.
    Zu einem Porträt über den Vorsitzenden des Innenausschusses gehört ein Hinweis auf seine Tabakspfeifen. Ernst Ermert besitzt etwa 30 Stück. Die teuersten schenkten ihm seine Parteifreunde zum 50. Geburtstag. Er raucht seit Jahren nur einen ganz besonderen, aus Kentucky stammenden Virginia- Tabak. Dabei sieht er sich nicht nur politisch in der Geesellschaft von Herbert Wehner. Der hat zwar 150 Pfeifen, aber er raucht — das stellten beide kürzlich nach einer harten Wahlkampfveranstaltung bei einem privaten Tabakkollegium fest — seit Jahren die gleiche seltene Tabaksorte. Ernst-Andreas Ziegler

    ID: LI711503

  • Porträt: Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU).
    Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 14 - 21.05.1971

    In seinen Studienjahren hat er Büstenhalter sortiert, Straßenbahnen kutschiert und Rennprogramme verkauft. Dem Vorsitzenden im Wirtschaftsausschuß des Düsseldorfer Landtags und der Abgeordneten-Versorgungskasse, Dr. Heinz Günther Hüsch, sieht heute niemand mehr an, daß er sich seine Karriere als Jurist und Parlamentarier sauer verdienen mußte.
    Seine Neusser Anwaltskanzlei lenkt der 41jährige von unterwegs per Telefon und Fernschreiber. Er gehört zu den Arrivierten. Auf einem der holländischen Gewässer schaukelt sein Kajütsegler "Quirinus". In der Neusser "Schützenlust" avancierte er zum Stabsobergefreiten, und er wird gar nicht verlegen, wenn ihn jemand ohne Umschweife fragt: "Sind Sie eigentlich ehrgeizig?" Er ist es. Der Landtagsabgeordnete Hüsch, der eigentlich viel lieber im Bundestag säße, weil ihm die Landespolitik immer schmalbrüstiger erscheint und weil in Bonn die eigentlich wichtigen Entscheidungen fallen, greift gern und weit über die Grenzen seines Wahlkreises, des Landtags und seiner Kanzlei hinaus. Fast unauffällig webt der Vater von fünf Kindern an einem internationalen Netz humanitärer Hilfe, über das er nur ungern spricht, weil jedes vorschnelle Wort die feinen diplomatischen Fäden verwirren könnte.
    Dieser Heinz Günther Hüsch, der vom militanten Teil der katholischen Jugendbewegung wesentlich geprägt wurde, zog schon mit 19 Jahren als Referent der katholischen Arbeiterbewegung mit politischen Themen über die Dörfer. Er hat neben seiner beruflichen und politischen Tätigkeit immer die aktive Mitarbeit in den verschiedensten Gremien des katholischen Bereichs sorgsam gepflegt.
    Er war Vorstandsmitglied im Katholikenausschuß der Stadt Neuss, er saß im Kirchenvorstand von St. Quirin, dem Taufpaten seiner Segeljacht, doch als er In den Seelsorgerat seiner Diözese einrückte, mußte selbst sein Bischof sehr schnell feststellen, daß die scheinbar blasse Oberfläche dieses Mannes täuscht.
    Hüsch, der die neue Aufgabe mit viel Vorfreude auf ein fruchtbares Wechselgespräch zwischen Laien und Priestern angenommen hatte, fand stattdessen farblose Verwaltungsarbeit. Dafür war ihm seine Zeit zu schade, und er gab Sitz und Stimme kurzerhand wieder auf.
    Hüsch über Hüsch: "Ich bin ein gläubiger, aber kein guter Katholik." Der Mann Hüsch ist unaufdringlich unerschrocken - so wie an jenem Morgen, als er allein und unbewaffnet einen Mann überredete, sich der Polizei zu stellen, der sich mit seinen Kindern und einem Schnellfeuergewehr in seiner Wohnung verbarrikadiert hatte und um sich schoß.
    Er kann zwar die Freude am Streit nicht verleugnen, aber er ist ein Feind jeder Gewalt. Seit er in der Kristallnacht bei jüdischen Nachbarn ein Klavier durch das Fenster fliegen sah, gehört der Schutz der Schwachen zu seinen Prinzipien. Vielleicht, sagt er heute, sei er deshalb Rechtsanwalt geworden. Staatsanwalt könne er jedenfalls nie sein.
    Helmut Locher



    ID: LI711402

  • Porträt: Heinz Dunkel (SPD).
    Vorsitzender des Ausschusses für Verwaltungsreform.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 13 - 13.05.1971

    Solingen hat seine besondere politische Wertmarke. Heinz Dunkel (SPD) heißt sie, Jahrgang 1931. Im Jahre 1964 wählten den Zweiunddreißigjährigen seine Parteifreunde, unterstützt von drei DFU-Stimmen, gegen die CDU und FDP zum Stadtoberhaupt — jüngster OB in der Bundesrepublik. Sechs Jahre später — 1970 — bestätigte ihm der SPD-, CDU- und FDP-Rat durch eine einstimmige Wiederwahl, daß er seine Sache gut gemacht hatte.
    Sein erlernter Beruf ist regional bestimmt. Er ist Schneidwarenschleifer in der Solinger Industrie gewesen, und in dieser Tätigkeit betrat er die politische Bühne. Die Gruppe Heimarbeiter in der Schneidwarenindustrie (IG Metall) wählte ihn zu ihrem zweiten Vorsitzenden.
    Mit 29 Jahren saß er bereits im Rat der Stadt. Die kommunalen Probleme entwickelten sich zu seinen Alltagssorgen und drängten ihn über die Grenzen seiner Stadtregion hinaus. Zweimal blieb er in der Landtagswahl Sieger gegen den attraktiven CDU-Gegenkandidaten, den ehemaligen Finanzminister Pütz.
    Heute führt er im Landtag, folgerichtig in der Kommunalpolitik avanciert, den Vorsitz im Ausschuß für Verwaltungsreform. "Ich bin sicher", sagte er voraus, "daß bis 1975 die Reform abgeschlossen ist." Voraussetzung sei allerdings, daß die Entwicklung sachlich vorangetrieben werde und die Bildung der großen Gemeinden und Kreise nicht in den Parteienstreit gerate. Die wichtigsten Schwerpunkte erkennt Dunkel in den Ballungsräumen, in denen größere Einheiten zu schaffen sind.
    Daß er als Oberbürgermeister und engagierter Kommunalpolitiker nunmehr als Vorsitzender des Reformausschusses stärker Eingemeindungen betreiben werde, nennt er einen völlig unbegründeten Verdacht. "Ich setze mich ausschließlich für sachgerechte Entscheidungen ein", betonte er mit Nachdruck. Seine Ziele strebt er, wie ihm seine Freunde nachsagen, mit hartnäckigem Fleiß an, und den hat er seinen Bienen abgesehen. Sie sind zu Hause sein Hobby von Jugend an.
    Mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen (14, 15) radelt er — sein anderes Privatvergnügen — durch die bergische Heimat, wenn er einmal an einem Wochenende Freizeit machen kann. Dann ärgert ihn gelegentlich, daß so viele Gemeinde- und Kreisgrenzen immer noch auf Fußgängerzuschnitt ausgerichtet sind.
    Josef Fischer



    ID: LI711302

  • Porträt: Friedrich Heinen (CDU).
    Vorsitzender des Kommunalpolitischen Ausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 12 - 06.05.1971

    Keiner nennt ihn Friedrich. Für alle heißt er nur Friedl. Das klingt ein wenig bayerisch. Dabei ist er ein waschechter "Ruhrpötter". Vor 50 Jahren wurde er in Duisburg geboren. Heute ist Friedl Heinen Bürgermeister seiner Heimatstadt.
    Nach einer abenteuerlichen Flucht aus Ungarn kehrte Heinen 1946 nach Duisburg zurück. Er fackelte nicht lange. Er packte zu. Bereits im Jahr der Rückkehr wirkte er als Bürgerschaftsmitglied im Rat seiner Stadt mit. Mit Schwung betrieb er beruflich den Wiederaufbau der evangelischen Jugendarbeit. 1948 wurde er als Referent ins Hauptbüro des Hilfswerks der evangelischen Kirche im Rheinland berufen.
    Seit 1963 ist er Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit im Diakonischen Werk und des Film-, Funk- und Fernsehzentrums der rheinischen evangelischen Kirche. 1955 und 1957 organisierte er Landeskirchentage und fünf Jahre später managte er mit neuen Ideen erfolgreich den Dortmunder Kirchentag. Beim Kölner Kirchentag setzte er 1962 als stellvertretender Vorsitzender des vorbereitenden Ausschusses mit Elan seine organisatorischen Erfahrungen ein.
    Politik ist für Heinen Verpflichtung. Er betreibt sie nach außen mit der Leichtigkeit eines Hobbys. Dabei schont er sich nicht, weil er ständig mit Herz und Verstand dabei ist. 1948 trat er der CDU bei. Schon drei Jahre später war er stellvertretender Vorsitzender seiner Kreispartei und zweiter Landessprecher der Jungen Union Rheinland. Seit 1964 ist er Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU in Nordrhein-Westfalen.
    Im Rat der Stadt Duisburg, dem Heinen seit 1952 angehört, wählte ihn seine Fraktion sehr bald zu ihrem Vorsitzenden. Mit 38 Jahren zog Heinen in den Landtag ein. 1966 übernahm er den Vorsitz im kommunalpolitischen Ausschuß. Damit hatte der leidenschaftliche Kommunalpolitiker auch landespolitisch Anerkennung gefunden.
    Heinen ist kein Freund langer Reden. Weitausholende Vielsprecher sind ihm ein Greuel. "Das ist doch Gequassel", sagt er dann zuweilen zu seinem Nachbarn. In seiner Fraktion zählt er nicht zu den "Rednern vom Dienst". Wenn er sich mit rauchiger Stimme zu Wort meldet, folgt fast immer nur ein kurzer Schlagabtausch — immer "hart an der Sache". Selbst einen noch so trockenen Stoff weiß Heinen immer wieder durch Witz und Schlagfertigkeit schmackhaft anzureichern.
    Tierischer Ernst liegt ihm nicht. Er ist kein Muffel. Geselligkeit wird bei Heinen groß geschrieben. Er liebt ein gutes Bier oder auch zwei mit einem Körnchen dazu. Es ist schwer, mit Heinen Streit zu bekommen.
    Fuchswild wird er allerdings, wenn er Unrecht wittert. Soweit seine Freizeit und das Wetter es zulassen, segelt Heinen mit Frau Ruth und seinen beiden neun- und 13jährigen Söhnen Uwe und Wilfried. Auf die Frage, welches Hobby er habe, sagt Friedl Heinen als erstes: "Meine Familie".

    Paul Zugowski



    ID: LI711202

  • Porträt: Ernst Bessel (SPD).
    Vorsitzender des Verkehrsausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 11 - 29.04.1971

    "Jeder Parlamentarier sollte sich nur auf ein Gebiet konzentrieren, um erfolgreich arbeiten zu können." Im Landtag trifft diese Maxime genau auf den Abgeordneten zu, von dem sie auch stammt: Ernst Bessel (64), seit fast 17 Jahren Mitglied des Hohen Hauses, in das er zuerst 1954 nach Erringung des SPD-Direktmandats in Essen-West einzog, das er seitdem bei jeder Landtagswahl mit steigendem Erfolg — 1970 mit rund 60 Prozent der Stimmen — erneut gewonnen hat. Damals wurde er auch Mitglied im Verkehrsausschuß, dessen Vorsitzender er seit 1962 ist.
    Die Frage an Ernst Bessel, warum er sich "auf Verkehr spezialisiert" habe, löst eine Geschichte aus: Der "geborene Sozialdemokrat" — 1920 trat der 14 jährige Lehrling in die spätere "Sozialistische Arbeiterjugend" und in den Vorläufer der heutigen IG Metall, den Deutschen Metallarbeiterverband, sowie 1924 in die SPD ein — erzählt sie selbst.
    Unter dem Druck der "Nazis" entließ Krupp 1933 den Dreher, der dann den Führerschein als Bus-Fahrer machte und jahrelang für ein Essener Reiseunternehmen Urlauber in den Schwarzwald fuhr, eine Tätigkeit, die dann zur Dienstverpflichtung samt Bus und zu Einsatzfahrten am Westwall führte. Damals sei bei ihm bereits das Interesse an Verkehrsfragen geweckt worden, erinnert sich Bessel heute.
    Man nimmt das einem Mann ab, dessen persönliche Bescheidenheit jede beabsichtigte Effekthascherei ausschließt. Auch Ehrgeiz ist für den heutigen Werkmeister und Betriebsratsvorsitzenden der AEG—Kanis GmbH in Essen ein Fremdwort: Als Bessel, zwölf Jahre lang auch SPD-Ratsherr der Stadt Essen und von 1966 bis 1970 stellv. Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, vor einigen Monaten an Stelle des neuen Kultusministers Jürgen Girgensohn diese Position noch einmal übernehmen sollte, verzichtete er. "Man soll mit 64 Jahren jüngeren Leuten das Feld überlassen", meint das heute drittälteste Parlamentsmitglied in Düsseldorf.
    Wahrscheinlich möchte Bessel, der auch dem Hauptausschuß angehört, auf eine Aufgabe im Landtag noch nicht verzichten: den Vorsitz im Verkehrsausschuß. Wer hier nach den Gründen suchen, hier seine Tätigkeit testen will, hat wenig Mühe, stößt laufend auf Bessel-Initiativen.
    Solche Verknüpfungen mit seinem Namen mag er nicht. Er läßt nur gelten: "Eine ganze Reihe von Ideen im Verkehrsausschuß des Landtags haben in den vergangenen Jahren dank der Bereitwilligkeit aller Fraktionen eine breite Basis gefunden und konnten daher durchgesetzt werden — wenn auch mit Verzögerung." Man muß sich hier mit einigen Aufzählungen begnügen: Der Verkehrsausschuß gab 1955 den Anstoß dazu, daß die Gemeinden von Bund und Land laufend zusätzliche Mittel erhielten, um Ortsdurchfahrten auszubauen und damit Engpässe im Gesamtverkehr zu beseitigen.
    Hier wurde 1958 der entscheidende Antrag formuliert, der die Schaffung eines kreuzungsfreien Schnell-Nahverkehrssystems im Revier, bestehend aus S- und U-Bahnen, einleitete. Auch der Ausbau von Lohausen und Wahn zu Flughäfen von internationaler Bedeutung gehörte zu den besonderen Anliegen des Verkehrsausschusses.
    Bessel hofft, eines Tages auch das Kapitel "Regionaler Luftverkehr" in der Erfolgsliste des Ausschusses abhaken zu können. Obwohl er bei dem Auftrag des Parlaments, die Verkehrsprobleme bewältigen zu helfen, die Sicht auf das Ganze — ob Schiene, Straße oder Luft — für erforderlich hält, würde ihn doch die endgültige Lösung einer Teilaufgabe besonders glücklich machen.
    "Ich denke dabei an die vielschichtigen Verkehrsprobleme im Ballungsraum des Ruhrgebiets.
    Wenn wir sie meistern, werden wir gleichzeitig die Voraussetzungen schaffen für die Lösung anderer gesellschaftlicher Probleme." Seine persönliche Meinung ist es, daß dies durch ein einheitlich verwaltetes Revier schneller geschehen könnte.

    Max Karl Feiden

    Bildunterschrift:
    Ernst Bessel (SPD), Vorsitzender des Verkehrsausschusses

    ID: LI711102

  • Porträt: Josef Hermann Dufhues (CDU).
    Staatsminister a. D., ehemaliger Landtagspräsident, Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 10 - 22.04.1971

    Am 11. April wäre er dreiundsechzig Jahre alt geworden: Josef Hermann Dufhues, viele Jahre einer der führenden Politiker der CDU in Nordrhein-Westfalen. Seit mehr als drei Jahren haderte er mit seinen persönlichen Erfahrungen um die Zusammenhänge von Macht und Medizin, zog er sich Schritt für Schritt und mit bewundernswerter Selbstbeherrschung aus der Politik zurück.
    Nur im Landtag, dem er über zwei Jahrzehnte als Parlamentarier, als Minister und als Landtagspräsident angehört hatte, harrte er obwohl schon vom Schicksal gezeichnet — unbeirrt aus; zuletzt noch als Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses.
    Noch in den sechziger Jahren hatte er Konrad Adenauers Angebot, Bundesfinanzminister zu werden, mit der Bemerkung in den Wind geschlagen, ein Ministeramt in Bonn sei nicht das letzte Ziel, das ein Mensch erstreben könne. In den siebziger Jahren verschrieb er sich dann in Düsseldorf doch noch der Finanzpolitik, wenn auch als Parlamentarier.
    Als begeisterter Reiter hatte sich Dufhues in vielen Sätteln zurecht gefunden, bald auch in denen der Politik. Als Reiter war sich Dufhues allerdings auch immer im klaren darüber, wie schnell man sich gerade politisch vergaloppieren kann. Sein Vorpreschen mit westlichen "Weltjugendfestspielen" an der Ruhr, seine Chrustschow-Attacken gegen den damaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, und sein vergeblicher Dressurritt gegen die Schriftsteller der "Gruppe 47" zeugen dafür.
    Als Bergsteiger strebte Dufhues stets nach dem Gipfel und düpierte daheim Freunde und Gegner mit der Behauptung, über 2000 Meter gäbe es nur noch anständige Kerle. Vielleicht mag es an den zu niedrigen Hügeln und Bergen in und um Bonn gelegen haben, daß Dufhues in der Bundespolitik nicht nach dem Gipfel gegriffen hat, obwohl dieser für ihn schon greifbar nahe lag.
    So forsch Dufhues auch aufzutreten vermochte, als Rechtsanwalt, als Parlamentarier und Wahlkämpfer seiner Partei, so metallisch die Stimme des Offiziers, des Innenministers und des Politikers auch klingen konnte, Dufhues war im Grunde seines Wesens und im besten Sinne des Wortes ein "Cunctator". Ein Zauderer also, der aus Verantwortungsbewußtsein wichtige Entscheidungen reiflich überlegte und dabei auch in Kauf nahm, seine eigene Chance zu verfehlen. Er war es als politischer Kronprinz in Bonn und im Ringen um den Landesvater in Düsseldorf.
    Dufhues selbst sah sich anders. Er sprach von einem "Ehrgeiz nach Maß". Dufhues hat sich weder als Innenminister mit dem Staat identifiziert, noch als westfälischer Landesvorsitzender oder Geschäftsführender CDU-Bundesvorsitzender mit seiner Partei. Als er 1956 auf dem Stuttgarter Parteitag Konrad Adenauer mit einer Kühnheit attackierte, die weit über den Parteikonvent hinaus Aufsehen erregte, ging es ihm nicht um seine eigene Profilierung, sondern um seinen Parteifreund Karl Arnold.
    Sein Engagement galt seiner Partei, die er reformieren wollte, aber auch dem Neuaufbau des Landes, besonders aber dem Revier, aus dem er stammte. Er hat nicht nur in der CDU seine Spuren hinterlassen, nicht nur im Innenministerium und im Parlament, auch die Entwicklung des Westdeutschen Rundfunks, dem er bis zuletzt als Verwaltungsratsvorsitzender diente, zeigt deutlich seine Handschrift. Über die Erinnerung hinaus wird Josef Hermann Dufhues in einer Fortbildungsstätte der Westfälischen CDU weiterleben, die seinen Namen tragen soll.
    Karl Fischer



    ID: LI711002

  • Porträt: Hans-Joachim Bargmahn (SPD), Vorsitzender des Kulturausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 9 - 25.03.1971

    Die Familientradition dachte ihm einen Beruf im Baufach zu. Doch der Anlauf zum Bau-Ingenieur endete bereits nach einem Aufbausemester an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Dann brach der gebürtige, im westfälischen Altena aufgewachsene Rheinländer Hans Joachim Bargmann mit der Familientradition. Er zog es vor, die ihm zugedachte Ausbildung zu beenden und sich trotz drohender Streichung des Studiengeldes "auf eine Tätigkeit mit Menschen" vorzubereiten.
    Wenn heute der Pädagoge und Politiker Bargmann für "aktive Bildungswerbung anstelle eines passiven Bildungsangebotes" plädiert, so auch in Erinnerung an die wenig erfreuliche, selbst erlebte Situation, die eine im nachhinein und gegen den Willen des Elternhauses vollzogene Korrektur der Ausbildung für eine zu spät erkannte berufliche Neigung mit sich bringt.
    Der Pädagoge Bargmann blieb für Reformen gesprächsbereit, als er sich nach den Studienjahren in Karlsruhe, Münster und Marburg dem aktiven Schuldienst verschrieb. Er war beteiligt am Aufbau des Westfalen-Kollegs in Dortmund, dessen Modellcharakter für den zweiten Bildungsweg ein besonderes Engagement auf schulpolitischem Neuland verlangte.
    Mit 35 Jahren machte sich der ehemalige SDS-Anhänger als jüngster Oberstudiendirektor, den es je an Rhein und Ruhr gab, in Wattenscheid an den Aufbau eines solchen Kollegs. Im eigenen Gymnasium und als SPD-Fraktionsführer im Rat der Bergarbeiterstadt setzte sich Bargmann für neue Entwicklungen ein, die u. a. 1965 in einem Schulentwicklungsplan Wattenscheid mit dem Schwerpunkt multifunktionaler Schulzentren ihren Niederschlag fanden. Seine Bemühungen, die Unterprivilegierung der Kinder aus Arbeiterfamilien an weiterführenden Schulen zu beseitigen, schlug 1969 in Wattenscheid mit 35 Prozent bei einem Landesdurchschnitt von 12 Prozent überzeugend zu Buch.
    Als gewerkschaftlich organisierter Pädagoge, Bundesvorsitzender der Arbeitgemeinschaft sozialdemokratischer Lehrer und seiner Neigung, "Statusverunsicherungen" nicht zu scheuen, zählt der Mitverfasser der bildungspolitischen Leitsätze des SPD-Landesvorstandes "reaktionäre Philologen zu den zuverlässigsten Gegnern".
    Gleichwohl hält der Politiker Bargmann, den "die Begegnung mit Woltgang Abendroth in den Marburger Nachtseminaren entscheidend prägte" und den heute noch eine feste Freundschaft zu dem Wissenschaftler verbindet, im demokratischen Krättespiel das "Freund-Feind-Verhältnis" für überholt, wenngleich er weder harte, sachliche Auseinandersetzungen meidet, noch sich notwendigen Kompromissen mit seinen politischen Gegnern verschließt.
    So wußte er sich mit der CDU- Opposition zu arrangieren, als in Wattenscheid 9000 Arbeitsplätze für arbeitslos gewordene Bergleute durch neue Industrieansiedlungen geschaffen werden müßten.
    Als Kulturausschußvorsitzender im Landtag wirkte er bei der äußeren Schulreform mit, versachlichte die Hochschuldebatte durch öffentliche Hearings und sieht als vordringlichste Aufgabe jetzt die innere Schulreform. Als Beigeordneter der Stadt Essen praktizierte er "mit dem Versuch einer offenen Planung unter Mitwirkung der Bürger bei der Standorttindung für die Gesamthochschule Essen" ein bisher in Europa beispielllos gebliebenes Verfahren fortschrittlicher Hochschulpolitik.
    In seiner Freizeit bereichert Bargmann, dem Werkstattinszenierungen mehr als das etablierte Theater liegen, seine umfangreiche Schallplatten- und Tonbandsammlung aus den Repertoires politischer Kabaretts durch selbst mitgeschnittene Neuaufnahmen. Und davon kann ihn nur ein Fußballspiel abhalten.
    Gerhard Eisner

    ID: LI710902

  • Porträt: Karl Schröder (SPD) gest., stellvertretender Vorsitzender des Ausschusse für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge und Vorsitzender des Arbeitskreises "Arbeit, Soziales, Gesundheit und Vertriebene" seiner Fraktion.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 8 - 18.03.1971

    Zwei Tage nach seinem 58. Geburtstag ist der Solinger Abgeordnete Karl Schröder am 16. März einer schweren Krankheit, die er lange ertragen mußte, erlegen. Es fällt schwer, sich an das imperfektgeschwängerte Stildickicht der Nachrufe zu gewöhnen, wenn von ihm die Rede ist. Denn Karl Schröder lebte der Gegenwart. Langes Palavern um vergangene Begebenheiten war ebensowenig seine Sache wie das spitzfindige Erkunden kommender Zeitläufte. Er wußte um die oftmals bedrückende Unausweichlichkeit des "Hier und Jetzt" und setzte es sich zur Lebensaufgabe, denen beizustehen, die die Kraft zur Selbsthilfe nicht aufbrachten.
    Sozialpolitik war Karl Schröders Beruf und seine Passion. Als Geschäftsführer der Solinger Arbeiterwohlfahrt sah er sich täglich den Sorgen und Nöten seiner Mitmenschen konfrontiert. Wie nur wenige andere konnte er so die Erfahrungen der Praxis in die politisch-gesetzgeberische Arbeit einbringen. Der vielgeschmähte "grüne Tisch" des Parlaments bekam Alltagsfarbe, wenn Karl Schröder in der Runde saß. Seine Diskussionsbeiträge begann er häufig mit der Frage: "Darf ich sagen, daß... ?". Fürwahr, eine rhetorische Frage! Er wartete die Antwort nie ab. Wenn ihm ein Problem unter den Nägeln brannte, sprach er es ungeschminkt aus. Taktische Erwägungen spielten dabei allenfalls eine drittrangige Rolle.
    Karl Schröder argumentierte oft verbissen, manchmal heftig, immer leidenschaftlich. Eine Parteiversammlung des Ortsvereins war ihm genauso wichtig wie die Erörterung im Fachausschuß des Stadtrates oder die Plenardebatte am Schwanenspiegel. Nie konnten seine Gesprächspartner den Eindruck gewinnen, er unterspiele. Seine Energie, sein Temperament waren ganz einfach nicht dosierbar.
    Entsprach Karl Schröder dem Politikertypus unserer Tage? Solche Fragen verführen zum leichtfertigen Pauschalurteil, und doch sollte man kritisch genug sein zuzugestehen, daß der vom Miterleben geprägte engagierte Volksvertreter immer seltener, aber deshalb augenfälliger auftritt. Karl Schröder taktierte kaum, er war nichts weniger als ein Techniker des Kalküls. Wenn ein Sachverhalt seinen Nerv kitzelte, preschte er vor und konnte den bergischen Dickschädel schlecht verleugnen. Seine Offenheit, mit der er nicht verletzte, trug ihm Freundschaften und Anerkennung ein. Der Sohn einer Arbeiterfamilie, dessen Lebensweg viele Härten aufwies und der jede Etappe seines Werdeganges zähem Fleiß verdankte, blieb bescheiden und uneigennützig.
    Karl Schröder ist früh gestorben, doch sein Leben war erfüllt. Meistens mit Sorgen um andere. Hans-Richard Ebel

    ID: LI710802

  • Porträt: Dr. Ottmar Pohl, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 7 - 11.03.1971

    Der Begriff des "Hinterbänklers" ist im Düsseldorfer Landtag nicht opportun. Die Sitzordnung der Abgeordneten im Plenarsaal regelt hier grundsätzlich das Alphabet. Nur die "Mannschaft" um den Vorsitzenden bildet bei allen Fraktionen die Ausnahme. Ihr gehören die vorderen Reihen.
    Bei der CDU-Opposition sitzt hier neuerdings auch der Abgeordnete Dr. Ottmar Pohl (37). Die Fraktion wählte ihn zu ihrem Parlamentarischen Geschäftsführer. Mit Zweidrittelmehrheit! Dieses Ergebnis spricht für den Kölner. Seine Kollegen trauen ihm die Bewältigung dieses Amtes zu, das in Düsseldorf bisher nur die SPD-Fraktion besetzt hatte.
    Obzwar er erst seit dem vergangenen Juni Abgeordneter ist, wählte die Fraktion mit Pohl einen alten "Parlamentshasen". Der Regierungsrat (seit der Mandatsübernahme a. D.), der vor der zweiten juristischen Staatsprüfung (1961) auch an der Hochschule für Staats- und Verwaltungswissenschaften in Speyer studierte und sich als Regierungsassessor in der Innenverwaltung des Landes Einblicke in die Exekutive verschaffen konnte, wechselte 1963 zur Legislative über, um siebeneinhalb Jahre lang als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für die CDU-Fraktion zu arbeiten.
    Pohl hat damals praktisch die Tätigkeit dieser fachkundigen Helfer der Abgeordneten (als deren "Dienstältester" er sich auch heute noch gern bezeichnet) im Landtag eröffnet. Dabei konnte er auf dem Weg vom Mitarbeiter zum Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU Erfahrungen bei einer Fraktion sowohl in der Regierungsverantwortung als auch in der Opposition sammeln. Bald trug manche Kleine oder Große Anfrage, offenbarte mancher Gesetzentwurf auch seine Handschrift. Schon nach einem Jahr betrachteten die Abgeordneten den Nicht-Mandatsträger als Kollegen. "Ich hatte zwar kein Stimmrecht im Parlament, wurde aber in den eigenen Gremien mit Sitz und Stimme geachtet", sagt Pohl von dieser Zeit. Heute verfügt er über beides auch im Plenum — "mit eigenem Auftreten".
    Nach siebzehnjähriger CDU-Zugehörigkeit in Köln, wo die spätere enge Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Fraktionschef Dr. Wilhelm Lenz begründet wurde, und nach der berühmten "Ochsentour" in der dortigen Partei als Delegierter, Mitglied und Stellvertreter im Kreisvorstand, Ratsherr und zweimaliger Wahlkreis-Gegenkandidat sowohl des SPD-Oppositionsführers als auch des Ministerpräsidenten Heinz Kühn zog er bei der letzten Landtagswahl über die Reserveliste (Platz 29) ins Parlament ein. Dem Wahlkämpfer Pohl, der mit Kühn in vielbeachteten Streitgesprächen focht, bescheinigte der Partei, was später die Fraktion ihrem Wissenschaftlichen Mitarbeiter bestätigte: unermüdliches politisches Engagement gepaart mit einer exzellenten fachlichen Qualifikation.
    Bessere Voraussetzungen könnte Pohl für seine neue Aufgabe nicht mitbringen. Er sieht sie als "Dienst an der Fraktion", die er "nicht einpeitschen, sondern koordinieren" möchte, wobei er für den Fraktionsvorsitzenden und seine Stellvertreter "der engste Mitarbeiter" sein will. Vor allem aber möchte er mit Hilfe seiner ehemaligen Kollegen, den Wissenschaftlichen Mitarbeitern der Fraktion, mit dafür sorgen, daß die Legislative nicht durch den geballten Sachverstand der Exekutive mit ihrem riesigen Beamtenheer "totgebügelt" wird.
    Obwohl man ihn jetzt taglich im Landtagsgebäude antreffen dürfte, bleibt Ottmar Pohl mit Frau Irmgard und den Kindern Stephan (8) und Uta (7) in Köln-Brück wohnen — in einer Siedlung und in einer Straße, die nach zwei berühmten Christdemokraten benannt worden sind, nach Adenauer und De Gasperi. Max Karl Feiden

    ID: LI710702

  • Porträt: Dr. Heinz Lange (fraktionslos).
    Sprecher der drei Fraktionslosen.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 6 - 04.03.1971

    Seit sechs Monaten fungiert der Abgeordnete Dr. Heinz Lange zusammen mit seinen Kollegen Wilhelm Maas und Franz Mader im Landtagshandbuch als "fraktionslos". Dieses kleine Häuflein der Nationalliberalen Aktion (NLA), als dessen Sprecher Lange gilt, genießt seit der Trennung von der FDP keine über die originären Mandatsrechte hinausgehenden Vorteile mehr. Keine Möglichkeit, in Ausschüssen mitzuwirken oder Gesetze einzubringen, keine Sekretärin und kein Assistent.
    Manchmal, meint der jetzt 57jahrige, in Tetschen im Sudetenland geborene Industriekaufmann aus Mülheim an der Ruhr, fühle er sich wie ein "outlaw" behandelt. Einladungen aus dem öffentlichen Leben, die den ehemaligen FDP-Fraktionsvorsitzenden und Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses des Parlaments noch erreichten, kommen dem NLA-Vertreter nicht mehr zu. Gewiß hat Lange mit seiner Entscheidung für die NLA materielle Nachteile in Kauf genommen. Ein bitterer, zugleich skeptischer Zug um den Mund ist stärker geworden.
    Aber aus den listigen Augen spricht immer noch viel Frohsinn und Humor. Lange gehörte von Anfang an in jener FDP, der er 1950 gemeinsam mit Wolfgang Döring, Siegfried Zoglmann und Wolfram Dorn beitrat, zu den konservativen nationalen Kräften.
    Davor lagen bewegte Jahre in der Bündischen Jugend, eine Funktionärsrolle in der Hitlerjugend, das rechts- und staatswissenschaftliche Studium in Leipzig und Prag, die Frontsoldatenzeit und eine längere Internierung in Dachau. Aus seinen Ehrenämtern als Präsidial-Mitglied des Sudetendeutschen Rates und Vorsitzender des sudetendeutschen Witiko-Bundes kann man aber nicht das Bild eines militanten Vertriebenenpolitikers ableiten. "Wir Sudetendeutschen", sagt Lange, "haben jahrelang einen expansiven tschechischen Chauvinismus erlebt; wir wollten damals die Rückkehr zum Muttervolk, ein naturrechtlicher Vorgang sozusagen, aber wir haben uns Hitler nicht zum Befreier erkoren." Nicht jeder wird dieser Argumentation folgen. Die Rückkehr als Vertriebener nach einem von Hitler verschuldeten Krieg ist auch für Lange zu einer bitteren Wahrheit geworden, aus der Lehren zu ziehen waren.
    1969 nach dem Einmarsch der Russen in Prag schrieb er: "Das tragische Schicksal, das unsere wie das der Tschechen und Slowaken, hilft alte Wunden heilen." Lange plädiert heute für Versöhnung und Wiederbegegnung in einem Europa freier Völker, freilich nicht für die vertragspolitische Festschreibung von Grenzen, die nach seiner Ansicht jegliche Liberalisierung verhindert.
    Mit rechtsradikalen, gar auf Widerstand durch Gewalt zielenden Kräften hat er nichts im Sinn. Wird es für diesen Abgeordneten, dessen vor allem wirtschaftspolitisch sachkundige Reden im Parlament über viele Jahre hinweg geschätzt worden sind, einen Brückenschlag zurück zur FDP geben? Lange glaubt das nicht mehr angesichts einer Partei, die — wie er es sieht — ihre liberale Basis autgegeben habe und die systematische Unterwanderung durch linksextreme Kräfte zulasse.
    Danach drängt sich die andere Frage, ob Lange denn noch an eine Zukunft seiner Nationalliberalen Aktion glaube, geradezu auf. Die Antwort muß man zwischen den Zeilen suchen. Auch Lange weiß, daß die Polarisierung der politischen Parteienlandschaft in Bonn, Düsseldorf und anderswo weit fortgeschritten ist. Sein Mandat im Landtag währt bis 1975. Bis dahin muß sich der Politiker Lange, der in seiner Freizeit hart vor dem Wind zu segeln versteht und auch Schußfahrten auf alpinen Pisten nicht fürchtet, entschieden haben.
    Lothar Bewerunge



    ID: LI710602

  • Porträt: Dr. Horst Waffenschmidt (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 5 - 18.02.1971

    Er hat immer eine Badehose im Wagen, gleichgültig, ob er dienstlich oder privat unterwegs ist, weil er jede Gelegenheit zum Schwimmen ausnutzt. Das kommt allerdings nur noch selten vor. Meistens war er der Jüngste. Mit 27 Jahren wurde er 1961 jüngstes Mitglied des Kreistages im Oberbergischen Kreis, 1962 wurde er der jüngste rheinische CDU-Abgeordnete im Landtag und 1964 jüngster Gemeindedirektor in Nordrhein-Westfalen.
    Dr. Horst Waffenschmidt, verheiratet, 4 Kinder, ist ein Mann der jungen Generation. Er ist sich gleichzeitig allerdings darüber im klaren, daß das noch kein Qualitätsausweis ist.
    Der begabte Debattenredner Horst Waffenschmidt ist in zweifacher Hinsicht eine glückliche Symbiose. In jungen Jahren war er der Arbeit in der evangelischen Kirche eng verbunden, die er auch heute noch in verschiedenen Gremien fortsetzt.
    Doch selbst als Mitbegründer und Senior des Dietrich-Bonhoeffer- Hauses in Bonn engagierte er sich gleichzeitig auch politisch und war während seines rechts- und staatswissenschaftlichen Studiums als RCDS-Repräsentant Vizepräsident des "Politischen Forums Bonner Studenten".
    Im politischen Bereich verbindet er seine Arbeit als Gemeindedirektor der neuen Großgemeinde Wiehl mit seinen Aufgaben als Landtagsabgeordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU- Landtagsfraktion. Darüber hinaus ist er seit 1966 stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Rheinland.
    Seine politische Arbeit ist besonders auf Probleme der regionalen Entwicklung, der Strukturverbesserung und der Landesentwicklung gerichtet. Als Vorsitzender des Landesplanungsausschusses in der letzten Legislaturperiode forderte er, die Planung für die Zukunft Nordrhein-Westfalens nicht einigen Planungstechnokraten zu überlassen und setzte durch, daß künftig alle Landesentwicklungspläne im Parlament beraten werden.
    Waffenschmidt ist zweifellos angesichts der Fülle seiner Funktionen eher praxis- als theorieorientiert. Dennoch bevorzugt er die Delegation von Aufgaben und schätzt bei seinen 230 Mitarbeitern in seiner Gemeindeverwaltung besonders die Eigeninitiative. Es ist ihm unter anderem gelungen, durch die glückliche Verbindung seiner gemeindlichen Aufgaben, mit denen auf der Landesebene, ein fortschrittliches Kindergartenprogramm und eine moderne Schulorganisation zu verwirklichen.
    In seiner Gemeinde liegt die Anzahl der Kindergartenplätze zum Beispiel weit über dem Landesdurchschnitt. Horst Waffenschmidt arbeitet auch in seiner neuen Funktion als stellvertretender Fraktionsvorsitzender weiterhin vornehmlich in seinem Sachbereich als Experte für Strukturpolitik.
    Als solcher war er auch von Heinrich Köppler in dessen Mannschaft berufen worden, da ursprünglich die Absicht bestand, ein Ministerium für Strukturpolitik einzurichten. Daß es dazu nicht kam, hat Waffenschmidt in seinen Aktivitäten nicht eingeschränkt. Seine auch räumlich enge Verbindung mit dem Oberbergischen Kreis — er hat sich dort ein Eigenheim gebaut — möchte er so lange wie möglich aufrechterhalten. So bleibt ihm auch weiterhin die Zeit, sonntags nach dem Kirchgang Sprechstunden für seine Bürger abzuhalten und gelegentlich seine theologischen Literaturkenntnisse durch entsprechende Lektüre auf den neuesten Stand zu bringen.

    Friedhelm Geraedts

    Bildunterschrift:
    Dr. Horst Waffenschmidt, einer der stell- vertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion

    ID: LI710502

  • Porträt: Dr. Heinz Nehrling.
    Dr. Heinz Nehrling, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 4 - 11.02.1971

    An jedem Samstagnachmittag gibt ihm seine junge Frau "frei", damit er in den Fußballstadien von Oberhausen bis Dortmund dem schreienden Fußvolk aufs Maul schaue. Wenn es darum geht, sich im Düsseldorfer Landtagsgebäude angemessenem Faschingstreiben hinzugeben, ist das Mitglied des "Essener Karnevalsvereins" in allen Fraktionsräumen einer der Aufgeräumtesten.

    Die Rede ist von Heinz Nehrling (42), einem Weimaraner aus Oberhausen. Im Landtagshandbuch wartet er mit dem kürzesten aller Lebensläufe auf. Arroganz? — Bescheidenheit? — Er meint, sein Lebenslauf interessiere vermutlich so wenig wie der vieler anderer. Immerhin: Er ist Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion. Dem nach BAT bezahlten Posten sieht man es kaum an, daß ihn auch Heinz Kühn einmal innegehabt hat. Nehrling sitzt damit im Parallelogramm der Kräfte, muß koordinieren, stabilisieren und dabei auch noch die Fraktionsarbeit transparent machen. Das alles riecht etwas nach "Apparatschick" oder "Politruk". Aber auch der seiner Couleur nicht zuzuzählende Journalist sieht ihn anders: Nehrling spielt im kleinen Kreis immer mit offenen Karten. Er ist weder getragen-scheinheilig, noch linkischmißvergnügt. Im Plenum mag er hart und unnachgiebig scheinen, im Gespräch ist er kein Miesmacher, betont treuherzig, niemals rüde. Er kann noch lachen ...

    Sein Urgroßvater war Sozialdemokrat. An seinen im KZ hingerichteten Vater erinnert in Weimar ein Straßenname. Als Parteiloser war er 1948 bei den ASTA-Wahlen in Jena Gegenspieler eines SED-Mitgliedes. Der Arbeitersohn machte "mit 20" seinen Diplomkaufmann, "mit 21" hatte er den Dr. rer. pol. in der Tasche, "mit 22" wurde er — noch immer parteilos — Direktor bei der HO in Ostberlin. Eine Karriere kündigte sich an, doch "mit 25" mußte er flüchten. Seit 1953 lebt er im Ruhrgebiet. 1954 trat er der SPD bei, 1962 kam er in den Landtag. Er will weder als Antikommunist noch als Anhänger einer "Volksfrontbewegung" gelten. Sich selbst stuft er als "weit links von der Mitte" ein. Ginge es nach ihm, würde zwar nicht die Grundstoffindustrie, wohl aber das gesamte Großbankensystem verstaatlicht. In seiner Fraktion gilt er als Fachmann für Wirtschaftsfragen. Jetzt sitzt er im Koalitionsausschuß, im Ältestenrat des Landtags, im Fraktionsvorstand der SPD und — nach einem unvergeßlichen Start auf dem letzten Dortmunder SPD- Parteitag — nun auch im SPD- Landesvorstand.

    Im Plenum hat er seinen Platz neben dem des Fraktionsvorsitzenden. Er "macht" zusammen mit wenigen die Fraktionspolitik, ist Berater und Einpeitscher zugleich. Von "Freunden" im Sinne persönlich Vertrauter spricht er nie. Freunde sind "Kumpel", sind "Genossen", also Gleichgestellte. "Parlamentarischer Geschäftsführer" ist bislang für niemanden Endstation gewesen. Das dürfte auch für Nehrling gelten.

    Gerhard Malbeck



    ID: LI710402

  • Porträt: Eberhard Ullrich (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 3 - 04.02.1971

    Ein überzeugter Mann des Reviers ist der gebürtige Oberhausener (Stadtbeschreibung: "Wiege der Ruhrindustrie"), und heutige Gladbecker, Eberhard Ullrich (36), einer der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion im nordrheinwestfälischen Landtag. Seine Frau Birgit, Sohn Thomas und Tochter Andrea, sehen den Familienfan heute nur noch selten. Zehn bis zwölf Parteiveranstaltungen wickelt er monatlich neben seinen beruflichen Verpflichtungen als Angestellter einer gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft und der Wahrnehmung seiner Funktionen im Landtag ab.
    Zum frühest möglichen Zeitpunkt, mit 16 dahren, trat er der düngen Union bei. Mit 21 dahren wurde er Kreisvorsitzender der düngen Union in Gladback. Gerade 26 dahre alt, zog er in den Rat seiner Stadt ein, wurde sofort Vorsitzender des Jugendwohlfahrtsausschusses und in der folgenden Legislaturperiode Fraktionsvorsitzender. Als einer der ersten führte er Sprechstunden für die Gladbecker Bürger ein, die er auch heute noch regelmäßig abhält. Der gelernte Versicherungskaufmann war in der letzten Landtagsperiode als Angehöriger der Ruhrgebietslobby Vorsitzender des Ausschusses für Wohnungs- und Städtebau. Die Probleme der modernen Stadtentwicklung sind ihm nicht nur literarisch bekannt. Er glaubt an die Zukunft des Reviers und setzt sich aktiv für die Verbesserung der Struktur an der Ruhr ein.
    Ullrich ist besonders den Arbeitnehmerinteressen verbunden. Er ist Mitglied der IGBE und im Landesvorstand der Sozialausschüsse. Im Wohnungsbau, seinem beruflichen und privaten Anliegen, tritt er für die "Wohnung nach Maß" ein, was für ihn bedeutet, die Bürger mit Wohnungen zu versorgen, die nicht staatlich zugeschnitten werden, sondern den Bedürfnissen des einzelnen und seiner Familie entsprechen. Der ehemalige aktive Handballer ist noch immer Anhänger von Rot-Weiß Oberhausen, obwohl er heute stellvertretender Vorsitzender eines Fußballvereins in Gladback ist. Für ihn sind Bundesligaspiele die einzige Entspannung, die er sich heute neben dem Zusammensein mit seiner Familie gönnt.
    Seinen Urlaub verbringt Eberhard Ullrich mit seiner Familie regelmäßig auf einem Bauernhof an der Nordseeküste. Dies gibt ihm Gelegenheit, über die Probleme des Umweltschutzes gerade für die Ruhrbevölkerung nachzudenken. Trotz seines starken landespolitischen Engagements möchte Ullrich gern gleichzeitig in der Kommunalpolitik bleiben. Ob ihm dies möglich sein wird, wenn Köppler in Nordrhein-Westfalen die Regierung bildet, muß einstweilen noch offen bleiben.
    Friedhelm Geraedts

    Bildunterschrift:
    Eberhard Ullrich, einer der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion

    ID: LI710302

  • Porträt: Eberhard Wilde (F.D.P.)
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 2 - 21.01.1971

    Eberhard Wilde, jetzt einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der FDP im Düsseldorfer Landtag, hat eigentlich nie daran gedacht, daß die Politik einmal für ihn Lebensinhalt oder Beruf sein könnte. Der 46jährige Wilde, der aus Barth in Pommern stammt und in Greifswald zur Schule ging, wollte aber auch nicht Versicherungskaufmann werden. Dies war gewissermaßen eine Nachkriegsentscheidung unter dem Druck der Verhältnisse und unter fachkundiger Anleitung des Vaters. Wildes Liebe gehörte von Anfang an dem Journalismus, und wenn der Krieg nicht dazwischen gekommen wäre, hätte Wilde wohl nach seinem Abitur über das Studium der Sprachen zu seinem Ziel gefunden. Noch heute kompensiert er dieses Handicap seiner Altersgruppe durch die Herausgabe eines kommunalpolitischen Informationsblattes in seiner zweiten Heimat Bochum. Daneben pflegt er zu möglichst vielen Journalisten gute Beziehungen.
    Wenn man Eberhard Wilde heute hört, könnte man meinen, er habe immer in Bochum gelebt. Aber das ist nicht der Fall, denn er kam erst ins Ruhrgebiet, nachdem seine Eltern 1945 Greifswald verlassen mußten. Bevor Wilde zu dem kaufmännischen Beruf kam, in dem er heute selbständig ist, hat er das Revier auch "von unten" kennengelernt, denn wie viele, die er heute im Landtag zu vertreten hat, war er im Ruhrbergbau unter Tage beschäftigt. Wilde lebt gern in seiner neuen Heimat und hat es nie bedauert, gerade dorthin verschlagen worden zu sein. Dort hat er auch seine jetzige Frau kennengelernt. Es kümmert ihn nicht, daß er in relativ jungen Jahren bereits Großvater wurde, im Gegenteil, sein sechsjähriger Enkel, für den er den Namen "Quäppchen" erfand, ist sein ganzer Stolz.
    Der neue Landtagsabgeordnete hat eine deutliche Reserve gegen, wie er es nennt, "Profitum" in der Politik. Er hat sich in der Vergangenheit nicht intensiv um ein Landtagsmandat beworben, weil er der Überzeugung war, daß man erst durch den Beruf eine Art Befähigungsnachweis für die Politik erbringen müsse und sich außerdem eine unabhängige finanzielle Basis schaffen sollte. Nicht zuletzt deshalb hat er sich zunächst das nicht ganz so zeitraubende Betätigungsfeld der Kommunalpolitik gesucht. Wilde war lange Jahre begeisterter Kommunalpolitiker und er hat nur schweren Herzens 1970 sein Stadtverordnetenmandat in Bochum niedergelegt. Er tat dies, weil er davon überzeugt ist, daß im Interesse des Wählers Doppelmandate allgemein nicht üblich sein sollten.
    In seiner Grundhaltung zur Politik geht Wilde davon aus, daß man alles auf einmal nicht haben kann. Wenn man aber Prioritäten setzt, dann würde Wilde folgende Kriterien anlegen: notwendig, nützlich, angenehm. Der Kompromiß gehört für Wilde zum Wesen jeder demokratischen Politik und seine Fähigkeit zum Ausgleich wird auch von politischen Gegnern anerkannt. Dazu gehört auch, daß Wilde sich bemüht, in Diskussionen sachlich bis zum Schluß zu bleiben und notwendige Entscheidungen mit anderen zusammen zu fällen.
    Eberhard Wilde gibt offen zu, daß er für seine Landtagstätigkeit noch einige Erfahrungen braucht. Er stöhnt zwar über das viele Papier, das jetzt auf seinen Schreibtisch kommt, aber er kann es dann doch nicht lassen, alles durchzusehen, um möglichst umfassend informiert zu sein. Das Thema Freizeit ist für ihn im Augenblick nicht real. Besonders bedauert er es, daß ihm nun die Zeit für seine ausgedehnten Spaziergänge fehlt.
    Wenn sich Eberhard Wilde etwas für die Zukunft wünschen könnte, dann wäre es wohl, daß das Ergebnis seiner Arbeit als Landtagsabgeordneter und als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP vor seinen Bochumer Freunden und vor den Wählern seiner Partei Bestand haben wird.
    Uwe Hoch

    Bildunterschrift:
    Eberhardt Wilde, einer der stellvetretenden Vorsitzenden der FDP-Fraktion

    ID: LI710202

  • Porträt: Werner Kuhlmann (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 1 - 14.01.1971

    Krimis mag Werner Kuhlmann, 49, einer der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, nicht. Mit der Schußwaffe hat sich der Kriminaloberkommissar und Chef der Gewerkschaft der Polizei nie anfreunden können und auch nie von ihr "Gebrauch machen" müssen. Wenn Kuhlmann mal Pause von Politik und Gewerkschaftsarbeit macht, angelt er an einem stillen Uferplätzchen des Bodensees Barsche und Trüschen.
    Diesen zivilen "touch" pflegt er ganz bewußt. Als Bundes- und Landesvorsitzender der GdP streitet Kuhlmann gegen "den militärischen Geist, der den Polizeibeamten auch heute noch in der Ausbildung eingeprägt wird — vom Strammstehen bis zum Umgang mit Explosivwaffen". Sein gewerkschaftspolitisches Konzept, mit dem er im Namen von 120 000 Mitgliedern einen Innenminister nach dem anderen bedrängt, ist die Polizei als Schutzorgan für die Mitbürger und nicht als Machtinstrument des Staates.
    In dieser Mentor-Rolle, die ihm heute so nötig wie eh und je erscheint ("überholte Gedanken muß man aus den Köpfen mancher Politiker herauszwingen"), kann Kuhlmann von kompromißloser Härte und schneidender Schärfe sein, die allenfalls von seinem Gelsenkirchener Ruhrgebiets-Tonfall, jenem Hauch von Jürgen von Manger, gemildert wird. Im Landesparlament, dem er seit 1962 angehört, wie in der gewerkschaftlichen Auseinandersetzung hat Kuhlmann mehr als einmal bewiesen, daß er kein bequemer Mann ist, der er nach seinen eigenen Worten auch nicht sein will. "In gewisser Weise bin ich immer ein Opponent", sagt Kuhlmann über sich selbst. Auch in der Fraktion will sich der Gewerkschaftsführer nicht auf eine bestimmte Linie festlegen lassen. Er fühlt sich unabhängig genug, einen Kuhlmann-Kurs zu steuern und "nach Ruhrgebietsart" auch mal auf den Tisch hauen zu können.
    Daß Werner Kuhlmann dies als Sozialdemokrat tun würde, lag in der Tradition der Gelsenkirchener Bergmannsfamilie. Sein Weg zur SPD war vom Vater und vom Großvater vorgezeichnet. Als Zehnjähriger wurde er Mitglied der Sozialistischen Jugend "Rote Falken" — an der Hitler-Jugend lavierte er sich später vorbei. Beruflich verschlug es ihn in eine Lehre als Landschaftsgärtner. Kuhlmann — heute kaum vorstellbar — war auf dem Weg zum Gartenarchitekten. 1945, nach Arbeitsdienst, Wehrmacht und einem Fußmarsch von Schleswig- Holstein ins heimatliche Revier, fing er dann neu an. Kuhlmann wurde Polizist. Zuerst bei der Schutzpolizei, dann bei der Kripo. 17 Jahre lang tat er in Gelsenkirchen Dienst als Polizeibeamter, schlug sich mit Schwarzhändlern, Einbrechern, Mördern und Sittenstrolchen herum, schließlich als Leiter des "14. K" mit Links- und Rechtsradikalen. SPD-Mitglied seit 1945, stieg er auch in die Politik und 1948 in die Gewerkschaftsarbeit ein.
    von seinen zahlreichen gewerkschaftlichen Ehrenämtern — GdP- Landesvorsitzender seit 1956, Bundesvorsitzender seit 1958 und Präsident der Internationalen Union der Polizeigewerkschaften seit 1964 — will Kuhlmann demnächst den Landesvorsitz abgeben. Grund: Der stellvertretende Fraktionsvorsitz im Landtag erfordert mehr Zeit — und erfordert einen Allround-Politiker. Kuhlmann weiß genau, daß er von seinem Image als Nur-Interessenvertreter der Polizei herunter muß. Dabei gehört er dem Fraktionsvorstand bereits seit 1966 an und ist jetzt zum zweitenmal Wahlkreis- Abgeordneter. Für Kuhlmann gilt es jetzt, sich mit der ganzen Bandbreite der Landespolitik zu befassen.
    Und er ist ehrgeizig genug, dies energisch anzusteuern, und freimütig genug zu bekennen: "Daß ich da noch hineinwachsen muß, ist selbstverständlich." Helmut Müller-Reinig

    Bildunterschrift:
    Werner Kuhlmann, einer der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion

    ID: LI710102

  • Christoph Schulze-Stapen (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 10 - 17.12.1970

    Wenn der Landtag Fleißkarten zu vergeben hätte, müßte die erste Schulze-Stapen erhalten. "Das gibt es doch nicht", sagte im Oktober 1967 ein Abgeordneter, als er erfuhr, daß Schulze-Stapen die von ihm energisch vorangetragenen Reformpläne für den Petitionsausschuß just an seinem 50. Geburtstag der CDU-Fraktion vortrug.
    Bei Schulze-Stapen gibt es das. "Die Arbeit geht vor", kommentierte er bündig. Sich selbst gegenüber ist er von einer nahezu preußischen Strenge. Anderen gegenüber ist er großzügiger. "Na ja, der hat gestern Geburtstag gefeiert", bemerkte er einmal beschwichtigend, als ein Abgeordneter zwei Stunden nach Beginn einer wichtigen Ausschußsitzung noch nicht erschienen war — und das Fraktionsbüro nervös wurde in dem Bemühen, schnell einen Stellvertreter herbeizuschaffen.
    Für Schulze-Stapen sind Politiker anderer Couleur keine politischen Feinde. Er diskutiert hart in der Sache, aber Immer fair und mit Respekt vor dem Andersdenkenden. Er ist kein bequemer Mann; aber auch seine politischen Gegner bescheinigen ihm Geradlinigkeit und menschliche Anständigkeit.
    Als ich Schulze-Stapen fragte, was ihn denn bewogen habe, sich politisch zu engagieren, antwortete er zögernd, als wolle er für die Schlichtheit seiner Antwort um Verständnis werben: "Daß den Schwachen nach Gesetz und Recht geholfen wird, das erscheint mir wert zu sein, sich dafür mit ganzer Kraft einzusetzen." Wenn Schulze-Stapen Unrecht wittert, wird er ungemütlich temperamentvoll. Seinem Wesen gemäß hat er sich daher als langjähriger Vorsitzender des Petitionsausschusses konsequent und leidenschaftlich für eine erheblich verstärkte Kontrolle der Verwaltung durch das Parlament eingesetzt. Das Parlament stimmte den Reformvorschlägen Anfang 1969 zu. Das war ein großer Tag für Schulze-Stapen.
    Der heute 53jährige Abgeordnete wurde in Ratibor geboren. Auf dem seit 1411 im Familienbesitz seines Vaters befindlichen Bauernhof in Stapen im Kreis Salzwedel wuchs er auf. Nach dem Abitur war es für ihn als dem einzigen Sohn und Hoferben selbstverständlich, daß er den landwirtschaftlichen Beruf erlernte. Im Elternhaus gab es häufig politisch heiße Diskussionen. Sein Vater war seit 1913 Mitglied im preußischen Abgeordnetenhaus und seit 1930 deutschnationaler Reichstagsabgeordneter.
    Als Soldat wurde Christoph Schulze-Stapen mit manchen Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet, aber nicht Offizier, da er für die Machthaber des dutzendjährigen Reiches politisch nicht zuverlässig war. Als Kriegsgefangener arbeitete er als Knecht auf nordfranzösischen Bauernhöfen. Trotz des schweren Loses eines Kriegsgefangenen denkt er noch heute "in Dankbarkelt an die französischen Nachbarn".
    Nach der Entlassung übernahm Schulze-Stapen 1948 den elterlichen Hof. Mit knapp 400 Morgen entging er der Enteignung. Politisch hellwach, trat Schulze-Stapen der Ost-CDU bei. Der aufrechte Demokrat war schon bald den Macht habern in der "DDR" ein Dorn im Auge. Um der drohenden Einkerkerung zu entgehen, floh er 1952 mit Frau und Kind nach West-Berlin.
    Im gleichen Jahr siedelte er nach Gütersloh über. Beruflich ist er im Ausgleichsamt Wiedenbrück tätig. Mit großer Mehrheit wurde er in den Landesvorstand der CDU Westfalen-Lippe gewählt. Am 6. Juli 1958 wurde Schulze-Stapen in den Landtag gewählt. Durch harte Arbeit hatte seine Stimme In der CDU-Landtagsfraktion schon bald Gewicht. Heute ist er seit Jahren ihr stellvertretender Vorsitzender.
    Schulze-Stapen ist im besten Sinne ein "freiheitlicher" Mann. Seine Frau Gertraud und seinen 22jährigen Sohn Dietmar ermuntert er zur Kritik. Im Hause Schulze-Stapen werden Gedanken- und Redefreiheit großgeschrieben.
    Soweit es seine Zeit zuläßt, liest Schulze-Stapen — auch Gedichte. Und das Wort eines Lyrikers, des österreichischen Dichters Josef Weinheber, fällt mir ein, wenn ich an Schulze-Stapen denke: "Meins hieß immer der Mensch."
    Paul Zugowski

    ID: LI701005

  • Porträt: Werner Helbig, einer der stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Fraktion.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 9 - 10.12.1970

    So neu die Aufgaben für Werner Helbig als Abgeordneter des Landtags und als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP-Fraktion auch sein mögen, er selbst ist überzeugt davon, daß sie sich meistern lassen. Dieses Vertrauen kommt nicht zuletzt daher, daß Werner Helbig sich der Politik seit Jahren voll und ganz verschrieben hat. Sie ist für ihn sogar Beruf und Freizeitbeschäftigung in einem.
    Für den an der tschechoslowakischen Grenze auf gewachsenen Sohn eines Bäckermeisters begann die politische Tätigkeit im Rat seiner Heimatgemeinde, nachdem die Diskussionen im Elternhaus ihn politisiert hatten. Nach dem Kriege war Helbig bereits 1946 Mitglied der Liberaldemokratischen Partei Deutschlands und arbeitete in dieser Partei als Jugendreferent. Die schwierigen Verhältnisse in den ersten Jahren bat Helbig nicht vergessen, zumal er wegen seiner politischen Tätigkeit mehrere Male von den Russen verhaftet wurde.
    Der heute 48jährige hat in Solingen eine zweite Heimat gefunden. Dort hat er in einem für ihn völlig neuen Beruf in einer Gesenkschmiede 1948 neu begonnen. Helbig ist heute dankbar für das große Verständnis, das seine Firma der politischen Arbelt stets entgegenbrachte. Er ist stolz darauf, daß es ihm im Laufe der Jahre gelungen ist, das anfängliche Mißtrauen der Belegschaft in Vertrauen umzuwandeln, was dadurch zum Ausdruck kommt, daß er seit zwölf Jahren Betriebsratsmitglied ist.
    Seit 1952 ist Werner Helbig im Rat der Stadt Solingen — seit 1969 ist er Bürgermeister. Trotz der großen Arbeitsbelastungen hat er nicht die Absicht, diese Ämter niederzulegen, wie er es beispielsweise mit seinem Mandat in der Landschaftsversammlung Rheinland getan hat. Bei seiner kommunalen Tätigkeit hatte Helbig stets bestimmte Schwerpunkte bevorzugt, mit denen er sich auch als Landtagsabgeordneter speziell befassen will: Sozialarbeit, Probleme des sozialen Wohnungsbaues, Bau- und Stadtplanung sowie Haushalts- und Finanzpolitik. Außerdem will Helbig im Landtag seinen Beitrag dazu leisten, daß die Arbeit möglichst rationell gestaltet wird. Er ist fast täglich im Haus am Kaiserteich oder in einem der Gremien, die ihm durch seine Abgeordnetentätigkeit neue Aufgaben brachten.
    Große Erleichterung hat Helbig in seiner Arbeit dadurch, daß ihm die ideale und perfekte Sekretärin zur Seite steht: seine Frau. Sie macht für ihn alle Termine und unterstützt ihn auch im sachlichen Bereich. Dagegen hat der 20jährige Sohn die Politik noch nicht in dem Maße entdeckt.
    Helbig, der sich durch sein Temperament und seine direkte, klare Zielansprache eher Freunde als Feinde geschaffen hat, hofft, daß es ihm gelingen wird, ähnlich wie in seiner Parteiarbeit am Ende der Legislaturperiode auf ein brauchbares Arbeitsergebnis hinweisen zu können.
    Uwe Hoch

    ID: LI700904

  • Jürgen Girgensohn, einer der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 8 - 03.12.1970

    Er paßt in die Welt, und wo sie ihm — in seinem eigenen Lebensbereich - nicht zu passen scheint, da bemüht er sich, sie passend zu machen: Jürgen Girgensohn, Jahrgang 1924, der nach vierjähriger Arbeit im Landtag Nordrhein-Westfalen den Rang eines stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion erklimmen konnte. Dieser Abschnitt in der Karriere des konsequent handelnden Mannes, den man getrost einen Vollblutpolitiker nennen kann, ist nur kurz, denn — in wenigen Tagen wird er das Amt des Kultusministers übernehmen.
    Die Parole, nach der Jürgen Girgensohn gehandelt hat, ist das schlichte Gesetz der Natur: Der Mensch steht auf den Füßen, und der Kopf ist meistens oben. Die ersten Stufen seines Lebenslaufes sind beispielhaft für junge Leute in einer Zeit, die ihnen keine Chance für die eigene Wegbestimmung gibt. Nach Volksschule und Gymnasium folgten Reichsarbeitsdienst, Krieg und die Gefangenschaft. In Kamen, der Wahlheimat des gebürtigen Hessen aus Kassel, begann 1947 der neue Start: Aus dem Notabitur des zweiten Weltkriegs wurde das normale Abitur gemacht.
    Bevor Jürgen Girgensohn 1950 (in diesem Jahr trat er auch in die SPD ein) das Studium an der Pädagogischen Hochschule Dortmund aufnahm, erfuhr er als Hilfsarbeiter im Baugewerbe, zu welchen Gedanken hartes Werken und schwielige Hände beflügeln. Was damals eine große Erleichterung war, hört sich heute im Familienkreise — da sind die 17jährige Tochter Imme und der 13jährige Sohn Arne — recht vergnüglich an: Während der junge Ehemann sein Pensum büffelte, sorgte seine Frau als Kindergärtnerin für das notwendige Kleingeld. Was daraus wurde, ist in den Personalakten mit "stellvertretender Realschuldirektor" verzeichnet.
    Ab 1952 als Bürgerschaftsvertreter, ab 1956 als Kreistagsmitglied, drei Jahre später als stellvertretender und seit 1964 als "ordentlicher" Landrat praktizierte Jürgen Girgensohn im Kreis Unna sein Leitmotiv von den Füßen, auf denen man steht: Alles, was solide sein soll, muß eine feste Basis haben. Bevor die revolutionierende industrielle Umstrukturierung einsetzte, die den Landkreis Unna über die deutschen Grenzen hinweg als bestauntes Vorbild bekannt gemacht hat, wurden resolut die Grundlagen für ein modernes und leistungsfähiges Schulwesen gelegt. Was jedermann heute weiß, nämlich daß neue Zukunfts-Industrien besonders qualifizierte Mitarbeiter gebrauchen, war damals noch so sehr eine "Geheimwissenschaft", daß seine Parteioberen in Bonn Jürgen Girgensohn in jenes Team beriefen, das die bildungspolitischen Leitsätze der SPD vorbereitet hat.
    Daß man ihm Mandat und Arbeit im Düsseldorfer Landtag ermöglichte, war eigentlich nur die zwangsläufige Folge seines Wirkens im kommunalen Bereich. Der Landkreis Unna erlangte unter seinem "Chef" Girgensohn nicht nur auf dem Schulsektor, sondern auch — was ebenfalls eine frühzeitig erkannte Voraussetzung für die Ansiedlung attraktiver Industrien war — im Bereich der Gebietsreform pionierhafte Spitzenstellung. Ob es ein Zufall war oder nicht, daß dieses heute noch "heiße Eisen" vom Sommer 1966 an (als Girgensohn in den Landtag einzog) unter den Amboß parlamentarischer Hochkonjunktur kam, fest steht jedenfalls, wie sich die SPD-Fraktion verhielt: "Jürgen, das ist Deine Sache, das mußt Du schmeißen!"
    Und Jürgen Girgensohn "schmiß die Sache". Er verlor dabei weder seine konstant gute Laune noch ein Fitzelchen von seiner allgemein bewunderten "dicken Haut". Verschmitzt antwortet er auf die Frage nach seiner liebsten Freizeitbeschäftigung: "Ich könnte, um die Tiefenforscher zu beschäftigen, sagen: Handstand auf spitzen Dolchen. Aber ich bescheide mich mit handfesten Kriminalromanen."
    Heinz Meyer-Wrekk

    ID: LI700805

  • Porträt: Albert Pürsten, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 7 - 26.11.1970

    CDU-Landtagsabgeordneten Albert Pürsten kennenlernen will, darf sich nicht aufs unverbindliche Plaudern beschränken. Gewiß kann der 1923 im thüringischen Meuselwitz geborene, in Annaberg im Erzgebirge aufgewachsene Politiker ein geistvoller, auch witziger Gesprächspartner sein. Doch Pürsten wird erst Pürsten, wenn man ihn im harten politischen Disput erlebt, über lange Abende hinweg, heftig und deftig, und so vorbehaltlos offen, daß aus der Achtung des Gegners Respekt, am Ende für manchen gar Freundschaft erwachsen muß.
    Pürsten entstammt jener dezimierten Kriegsgeneration, die buchstäblich mit der eigenen Hände Arbeit erst einmal Berge von Trümmern beseitigen mußte, um sich den Weg für die eigene Existenz zu bahnen.
    Das hat Charakterzüge geschärft, die mit Nüchternheit und Skepsis, kritischer Distanz gegenüber wortreicher Salbaderei, aber auch mit Willensenergie, Opferbereitschaft und einem guten Schuß Selbstvertrauen in den notwendigen Erfolg des eigenen Tuns zu beschreiben sind.
    Das Abitur im Kriegsjahr 1941 hatte für Pürsten wenig Wert. Er wurde Soldat, Luftwaffenoffizier und fand sich nach Entlassung aus französischer Gefangenschaft im rheinischen Neuss wieder, immerhin in Freiheit und nicht wie zwei seiner Brüder in einem russischen Uranbergwerk.
    Pädagogen überredeten den Pädagogen Pürsten zum Lehrerstudium. Es begann in Wuppertal nach einem damals selbstverständlichen Leistungsprinzip: Lernen und Oberbarmen entrümpeln, wieder lernen und als Studentensprecher nach Unterkünften für die nachfolgenden Kommilitonen suchen. Dieses Zupacken im sozialpädagogischen Einsatz hat Pürstens Lebensweg bestimmt.
    1949 findet man ihn mit einer Freundesgruppe in der Flüchtlingssiedlung Espelkamp. Er zimmert aus alten Munitionshallen Lehrlings- und Jugendheime, wird in der evangelischen Jugendarbeit tätig, geht schließlich mit monatlich 179,30 Mark als Junglehrer in den Schuldienst.
    Espelkamp, diese Stadt, in der sich Pommern und Schlesier, Sachsen und Balten, sogar nach Sibirien und Sinkiang verschleppte Wolgadeutsche ein neues Zuhause schufen, wurde auch Pürstens neue Heimat. Hier engagiert er sich im Gemeinderat für die Christlich-Demokratische Union. Über die Junge Union Westfalens führt der Weg weiter bis zum 1958 errungenen Direktmandat im Düsseldorfer Landtag.
    Einen Hinterbänkler Pürsten hat es in diesem Parlament nie gegeben. Er ist seit vielen Jahren stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender. Mit der beliebten Rechts- Links-Schablone ist sein Standort nicht auszumachen. Ihn prägt eine aus bürgerschaftlichem Engagement und Denken kommende liberale Grundhaltung mit starker sozialer Bindung. Das Parlament schätzt seine sachkundigen Beiträge in der Bildungs- und Sportpolitik. Doch Pürsten ist darauf, wie seine Etatreden zeigen, nicht einzuengen.
    Natürlich hat dieser Albert Pürsten Ehrgeiz, natürlich gehört er zur engeren Führungsmannschaft des Oppositionsführers Köppler und gilt seit langem als ministrabel. Seit seiner Wahl im Oktober zum ersten stellvertretenden CDU-Vorsitzenden in Westfalen mit einer Schlüsselfunktion im CDU-Landespräsidium muß er sich auch als Berufspolitiker betrachten, obwohl er immer noch als Lehrer — und dies bislang unter Verzicht auf jede Beförderung — an seiner Schule unterrichtet. Die Parteiarbeit fordert immer mehr ihren Tribut.
    Das nötigt seiner Frau Marie-Luise und seinen vier Kindern im liebevoll gehegten Espelkamper Heim manchen Verzicht ab. In seine Bibliothek, die neben dem Politiker den Liebhaber der russischen Romantik verrät, findet Pürsten nur noch selten. Dennoch — die Familie erzwingt sich ihr Recht, im Winter beim Skilauf im Sauerland, im Sommer beim Wassersport auf dem Lago Maggiore, es sei denn, der Vater krault allen davon und setzt, wie in diesem Jahr geschehen, nach viereinhalb Kilometern allein den Fuß aufs andere Ufer.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI700705

  • Porträt: FDP-Fraktiohnsvorsitzender Hans Koch.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 6 - 12.11.1970

    Hans Koch hat sich nicht nach dem Amt gedrängt, das er jetzt ausfüllen muß. Wenn er nun mit 59 Jahren Vorsitzender der FDP-Fraktion ist, so weiß er um die Schwierigkeiten, die ihn erwarten, er kennt die Arbeitslast, die zu bewältigen ist, und er weiß, daß er Neuling im Landesparlament ist.
    Abschrecken kann ihn das alles nicht. Hans Koch weiß, daß er in die parlamentarische Tätigkeit seine annähernd 40jährige Erfahrung aus der Kommunalverwaltung einbringen kann.
    Nach dem Gymnasium hatte es für ihn mit der Ausbildung zum Kommunalbeamten begonnen, nach der 1. und 2. Verwaltungsprüfung und dem Besuch der Verwaltungsakademie erfolgte der praktische Start bei den Kreisverwaltungen Olpe und Bad Kreuznach. Später wurde er Stadtinspektor in Düsseldorf, Kreisinspektor und Oberinspektor bei der Kreisverwaltung Olpe und von 1951 bis 1956 war er Verwaltungsdirektor und Erster Beigeordneter in Bensberg bei Köln.
    Höhepunkt dieser Laufbahn war für den gebürtigen Duisburger die Berufung zum Stadtdirektor in Langenfeld. Bis 1968 hatte Hans Koch dieses Amt inne, und es ist nicht verwunderlich, daß er auch heute noch mit besonderer Liebe an dieser Stadt hängt, deren Wachsen er durch eine konsequent betriebene Industrieansledlung maßgeblich gefördert und beeinflußt hat. Sein Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ist ihm für eben diese Arbeit verliehen worden.
    Obwohl Neuling in der FDP-Landtagsfraktion, hat Koch praktische Erfahrungen. Als Vorsitzender der FDP-Fraktion der Landschaftsversammlung Rheinland hat er häufig an Fraktionssitzungen seiner Partei im Landtag teilgenommen. Die Arbeit des Landtages ist ihm auch schon deshalb lange vertraut, da er in der Vergangenheit jede Veröffentlichung des Hauses am Schwanenspiegel aufmerksam gelesen hat.
    Hans Koch, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, schätzt einen straffen Arbeitsstil. Er delegiert Aufgaben und legt deshalb Wert auf verantwortungsvolle Mitarbeiter. Jetzt kommt allerdings eine Reihe von Kleinarbeit auf ihn zu, denn in einer kleinen Fraktion muß auch der Vorsitzende einen Teil der Routinearbeiten bewältigen. Um so mehr ist Koch gegen nutzloses Gerede, das er für reine Energieverschwendung hält.
    Eine Konsequenz aus seiner Wahl zum FDP-Fraktionsvorsitzenden war für Koch auch die Aufgabe seiner zahlreichen Ämter. Nicht immer ist ihm das leicht gefallen.
    Koch war Vorsitzender des Fachausschusses für Finanzen und Mitglied der Fachausschüsse für Gesundheitswesen und für Kommunalwirtschaft in der Landschaftsversammlung Rheinland, er war Mitglied des Aufsichtsrates der rheinischen Beamtenbaugesellschaft und Verwaltungsratsmitglied der Westdeutschen Landesbank. Sein Mandat im Rat der Stadt Langenfeld hat er schon niedergelegt, seine Tätigkeit als Landesvorsitzender des Verbandes der Hauptgemeindebeamten und Beigeordneten in Nordrhein-Westfalen gibt er nach zehn Jahren im kommenden Frühjahr auf.
    Sogar im privaten Bereich muß Hans Koch jetzt zurückstecken, denn der begeisterte Tennisspieler trennt sich vom Vorsitz seines Vereins.
    Hans Koch ist seit 1964 Mitglied der FDP. Er hat lange nach einer politischen aus einer liberalen Familie stammend, immer Liberaler war, nicht zuletzt durch seine individualistische Lebensauffassung. Heute ist Koch, der nebenher Kreisvorsitzender Rhein-Wupper und stellvertretender Bezirksvorsitzender von Düsseldorf ist, der Überzeugung, daß eine progressive Grundhaltung Platz läßt für konservative Meinungen. Hans Koch will ausgleichend zwischen den Generationen wirken und hofft so die Grundlage für eine effektive parlamentarische Arbeit in dieser Legislaturperiode zu schaffen.
    Uwe Hoch

    ID: LI700605

  • Porträt: SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Fritz Kassmann.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 5 - 05.11.1970

    Einen bequemen Mann hat sich die SPD-Fraktion mit Dr. Fritz Kassmann nicht an ihre Spitze gesetzt. Der Mann, der mit Stolz vermerkt, daß er sich in seinem nunmehr 62-jährigen Leben in einem guten Dutzend Berufe bewährt hat, macht es weder sich selbst noch anderen leicht. Was er am meisten verabscheut, ist Mittelmäßigkeit.
    Als er am 13. Juli 1970 zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde, gab er offen zu, daß es ihm nicht leichtgefallen sei, von seinem früheren Amt Abschied zu nehmen. Nachdem er sich aber entschlossen hatte, der Fraktion zur Verfügung zu stehen und von ihr ein überwältigendes Vertrauensvotum erhalten hatte, stand es für ihn fest, daß er sich mit der Note "ausreichend" ebensowenig begnügen wollte wie in seinen bisherigen Tätigkeiten als Rechtsanwalt, Direktor einer Industriebau-Gesellschaft,Präsident des Landesarbeitsgerichts, Ministerialrat im Arbeitsministerium, Amts- und Stadtdirektor in Marl, erster Landesrat des Landschaftsverbands Rheinland, Wiederaufbauminister, Vorstandsmitglied der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen, Bundesratsminister und Wirtschaftsminister.
    Kassmann besitzt das gesunde Selbstvertrauen des Mannes, der mit seinen Erfolgen zufrieden sein kann. Sein Ehrgeiz richtet sich nicht danach, Beifall zu gewinnen, sondern dem gesteckten Ziel gerecht zu werden. Um das zu erreichen, arbeitet er hart. Nüchternheit und Sachlichkeit sind ihm dabei oberstes Gebot. Seine kühle Sachlichkeit, die ihm übrigens nicht angeboren ist, zu der er sich in der Hitze politischer Emotionen vielmehr oft genug zwingen muß, geht so weit, daß er selbst im täglichen Büroumgang seinen Wortschatz kontrolliert und nach Möglichkeit alle Floskeln vermeidet, die bei Überprüfung ihres Sinngehalts keinen Platz im Arbeitsleben haben sollten. Mit der landläufigen Vorstellung vom urwüchsigen, starrköpfigen Westfalen ist Kassmann nur schwer in Einklang zu bringen. Dennoch fühlt er sich als Westfale aus Überzeugung, wenngleich landsmannschaftliche Erwägung in der Politik ihm zweitrangig erscheinen.
    Seine Erholung von der Arbeit findet Kassmann in ausgedehnten Wanderungen durch den Arnsberger Wald, den er wie seine Westentasche kennt und den er für eine der landschaftlich reizvollsten Gegenden Deutschlands hält. Den Hinweis, daß auch Oppositionschef Köppler Wandern zu seinen Hobbys zählt, quittiert er mit der Bemerkung: "wir beide würden wahrscheinlich ein paar ganz passable Wanderburschen abgeben." Das schließt nicht aus, daß er es vermutlich auch weiterhin vorzieht, sich auf seinen Spaziergängen von seinen Hunden begleiten zu lassen. Tierfreund Kassmann umgibt sich gern mit eigenwilligen Tieren. Während er früher Bernhardiner und Doggen züchtete, hält er zur Zeit einen Wolfsspitz, einen altdeutschen Schäferhund und einen Rottweiler. Bei Pferden schätzt er vor allem die zierlichen, aber zähen, blondmähnigen Haflinger. Kassmann, für den die Rechtswissenschaft nicht nur Brotstudium, sondern geistige Disziplin bedeutete, liest viel. Neben der beruflichen Pflichtlektüre Interessieren ihn alle Bereiche der Gesellschaftswissenschaften, zu denen er als Student den Eingang durch die Religionssoziologie von Max Weber gefunden hat.
    Marianne Lohaus

    ID: LI700505

Lädt

Die Fraktionen im Landtag NRW