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  • Porträt der Woche: Franz Eberl (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 24 - 07.10.1977

    Es erscheint zunächst schwierig, sich Franz Ebert als Landtagsabgeordneten und erfolgreichen Politiker vorzustellen. Er wirkt dafür ein zuwenig zu jung, zu bescheiden und zu unbekümmert. Das Gespräch mit ihm korrigiert aber diesen Eindruck, ohne daß er dies gewollt hätte. Schließlich gibt es keinen Zweifel mehr, daß auch jemand, der so jung wirkt, einen so guten modischen Geschmack offenbart und so konzentriert zuhört, die Autorität des Politikers haben kann, der im Landtag Einfluß erreicht. Gesagt sein soll damit, daß Franz Ebert eigentlich ein Anti-Typ ist, aber erklärt werden muß auch, daß der Weg des geborenen Würzburgers vom Jahrgang 1940 mit dem rheinischen Geburtsdatum (der 11. im 11.) zum Landtagsmandat nicht durch ausgetretene Pfade geführt hat.
    Zunächst kam Ebert relativ spät zur Politik, wurde nämlich erst 1969 Mitglied der CDU. Davor hatte er sein Abitur gebaut, seinen Wehrdienst abgeleistet, bis zum diplomierten Kaufmann studiert und eine berufliche Existenz aufgebaut. Erst als Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes im Bezirk Aachen sah er die Verpflichtung zu politischer Verantwortung. Kurz vor den Landtagswahlen des Jahres 1975, knapp vor Schließung der Kandidatenlisten, war es dann die Partei, die einen überraschten Franz Ebert zur Kandidatur aufforderte.
    Einen Grund, die Bitte auszuschlagen und den Auftrag abzulehnen, gab es für Ebert nicht, weil er die Möglichkeit sah, längst gehegte Absichten zu verwirklichen. Als Wirtschaftsexperte hat er im Landtag inzwischen die Strukturschwächen des Grenzraumes so plastisch dargestellt, daß sie nicht mehr übersehen und noch weniger übergangen werden können. Hilfen des Landes werden auch im Grenzraum spürbar, weil Ebert als einer der Kenner und einer der Vertreter des Grenzraums und der Eifel ihre Notwendigkeiten begründen kann. Als Parlamentsneuling kann er schon eine ganze Reihe von Parlamentsreden zu zentralen Vorhaben vorweisen, obwohl es Neulinge immer schwer haben, bis in die sogenannte erste Rednergarnitur vorzudringen.
    Bei Ebert allerdings übertriebenen Ehrgeiz als Antriebskraft zu vermuten, wäre falsch. Es ist mehr der Spaß an der Sache, an der Auseinandersetzung und letztlich natürlich auch am Erfolg, den er übrigens auf besondere Weise noch immer beim Fußball genießt. Wie als Mittelstürmer der Jugendauswahl des Mittelrheins spielt er jetzt noch bei jeder Gelegenheit, nur geht es jetzt nicht mehr um Meisterschaften, sondern um Wohltätigkeit.
    Wenn er auch seine Erfolge nicht plant, die Arbeit dafür organisiert er gerne. Zugfahrten zwischen Aachen und Düsseldorf benutzt er, um Post zu erledigen, und auch mit der sonstigen Zeit geht er sehr ökonomisch um. Wenn er, was selten vorkommt, in dem gemeinsam mit einem Kollegen eingerichteten und finanzierten Büro in der Aachener Innenstadt mal auf einen Besucher warten muß, erledigt er auch schnell Arbeiten, analysiert beispielsweise die Belastung der Autobahn zwischen Aachen und Köln, um Lösungen zu finden. Sein Organisationstalent verhilft dem Politiker allerdings dazu, daß der Privatmensch Ebert auch noch Zeit für die Familie hat. Seine Frau, zwei Söhne und eine Tochter genießen das weidlich.

    Klaus Simson

    ID: LI772424

  • Porträt der Woche Karlheinz Edelbrock (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 23 - 30.09.1977

    Karlheinz Edelbrock, Jahrgang 1928, liebt große Worte nicht, klopft keine Sprüche. Er ist ein schnörkelloser "Sohn des Reviers", eine in Festreden zwischen Duisburg und Unna gern gebrauchte Beschreibung nicht nur der Herkunft eines Mannes, sondern auch dessen, was ihn ausmacht. Edelbrock stammt'aus Wattenscheid. Sein Vater war Steiger; er trat in seine Fußstapfen — 1954 legte er, damals einer der jüngsten Bergingenieure, als Elektro-Steiger in Bottrop an. Drei Jahre später und ein Jahr bevor alle Welt erfahren mußte, daß die Zukunft des Ruhrbergbaus zu Ende sei, ging Edelbrock nach Gelsenkirchen, wo er seitdem lebt und seinen Landtagswahlkreis (seit 1975) hat.
    Wie fast alle Kumpel war (und ist) auch der Steiger Edelbrock Mitglied der IG Bergbau und Energie. Erst über das gewerkschaftliche Engagement, das er schon im April 1945, als die IG Bergbau noch gar nicht gegründet war, im Ruhrgebiet eingegangen war, stieß er 1965, 37 Jahre alt, zur SPD, machte dort still und beharrlich Karriere und ist gegenwärtig Ortsvereinsvorsitzender in Gelsenkirchen-Buer-Hassel sowie stellvertretender Unterbezirkschef der SPD und der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA).
    Sein erstes Mandat, ein Sitz im Rat der Stadt Gelsenkirchen, den er bei seiner Wahl in den Landtag niederlegte, verdankt Edelbrock bescheiden "zwei Zufällen". Er war 1968 in die Berufsausbildung für den Bergbaunachwuchs "eingestiegen", hatte eine "gleichmäßige Schichtzeit", abends also frei; zudem erklärte sein Vorgänger aus Altersgründen den Verzicht auf eine erneute Kandidatur.
    Erst im nachhinein erscheint als zwangsläufige Karriere, was zufällig so und nicht anders kam, meint Edelbrock. Denn einmal so weit, war auch Düsseldorf in Reichweite. Und wer in Gelsenkirchen kandidiert, ist normalerweise nicht zu schlagen, vorausgesetzt, er kandidiert für die SPD.
    Edelbrocks Landtagsfraktion betraute den Neuling gleich mit einer denkwürdigen Ausschußkombination. Und auch das ist unter der Rubrik "Zufall" zu führen. Edelbrock gehört, obwohl kein Schulmann, aber wohl wegen seiner Erfahrungen in der Berufsbildung, dem Schul- und Kultucausschuß an. Vor allem das Problem der Jugendarbeitslosigkeit macht ihm zu schaffen. Daneben arbeitet er — notabene — im Ausschuß für Grubensicherheit mit und setzt so eine Gelsenkirchener Tradition — bis 1975 war Edelbrocks Mandatsvorgänger Heinz Urban Vorsitzender dieses Gremiums — fort. Und hier läßt Edelbrock auch Routine ab. Er habe da "einen klaren Auftrag mitgenommen", sagt er. Ihm liege nämlich die "spezielle Situation Gelsenkirchens unter Berücksichtigung des Bergbaus am Herzen". Immerhin hat die Stadt an der Emscher außer Schalke 04 auch noch vier fördernde Zechen. Und da gilt es, Arbeitsplätze abzusichern.
    Aber 22 Jahre unter Tage machen dennoch nichtbetriebs- und berufsblind. Denn Edelbrock gehört auch dem Petitionsausschuß an, dessen Mitglieder oft sogar ihre Freizeit über Eingaben benachteiligter oder sich benachteiligt fühlender Bürger verbringen müssen. Edelbrock kann das bewältigen. Er braucht "als Nachtmensch wenig Schlaf. Sein Betrieb ist großzügig und läßt ihm weitgehend freie Hand und Freiheit. Und notfalls wird eben der Sonntag geopfert.
    Doch zuweilen ist auch der Abgeordnete Edelbrock frei von selbstgewählten Zwängen. Dann macht er Camping mit dem Zelt, "jedes Jahr in einem anderen Land", liest nächtelang moderne Literatur, die später im Freundeskreis diskutiert wird. Aber obwohl er die Arbeiterschriftsteller-"Gruppe 61" um Max von der Grün mitbegründen half — literarische Ambitionen hat Karlheinz Edelbrock nicht. Bernd Kleffner

    ID: LI772324

  • Porträt der Woche: Dr. Helmut Glaszinski (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 22 - 23.09.1977

    Seine heimliche Liebe sei erst am Schluß verraten. Zunächst: Sein Herz und sein Verstand hängen an Zahlenkolonnen in Haushaltsplänen und Bilanzen und damit zwangsläufig an der Wirtschaftspolitik. Was wunder bei Industriekapitän Dr. Helmut Glaszinski, Vorstandsmitglied der Mannesmann Hüttenwerke in Duisburg. Als Parlamentsneuling kam er 1975 auf dem letzten noch "ziehenden" Platz der CDU- Landesliste ins Haus am Schwanenspiegel. Doch Glaszinski, gestandenes Mannsbild vom Jahrgang 1915, hat zu keiner Sekunde den Eindruck aufkommen lassen, ein Zufallsabgeordneter oder Lückenschließer zu sein.
    Allerdings muß er Meriten nicht noch im Landtag erst suchen. Sein Lebenslauf weist eindrucksvolle Seifmade- und Karrierestationen auf. Früh starb der Vater, ein Bühnenarbeiter am Bielefelder Theater. Der begabte Sohn einer unversorgten Witwe bekam ein Stipendium an der Mittelschule geschenkt. Kaufmännische Lehre, Jobben in Bielefelder und Hamburger Kontoren, Sonderabitur im Krieg, Soldat ("Raten Sie mal... Obergefreiter!"), Schotterstopfer in einer Gleisbaukolonne, Studium, AStA- Chef in Köln und Vorsitzender des Verbandes Deutscher Studentenschaften (VDS). - ("Damals, 1948/50, war ich der Schrecken der Kultusministerin Christine Teusch") — in nur neun Semestern Schlag auf Schlag drei akademische Abschlüsse: Diplom- Kaufmann, Diplom-Volkswirt, Promotion zum Dr. rer. pol.
    Der "kleine Tarifangestellte bei Mannesmann", der noch heute unter Verzicht auf eine Manager- Villa im damals erworbenen kleinen Reihenhaus mit weniger als 100 Quadratmetern in Duisburg- Ungelsheim wohnt, erklomm kontinuierlich die Sprossen zum Röhren- und Stahl-Olymp: Prokurist, Direktor, Generalbevollmächtigter, Vorstandsmitglied.
    Eine pralle 21jährige kommunalpolitische Erfahrung aus dem Duisburger Rat hat Dr. Glaszinski mit nach Düsseldorf gebracht. Für die Union, in Duisburg ewige Opposition, wird er noch bis 1980 die Etatreden halten. Dann — 25 Jahre seien genug, meint er — will er Abschied von der Rathauspolitik nehmen.
    Ihn "stört es etwas", daß im Landesparlament die Wirtschaftspolitik trotz quälender Arbeitslosigkeit nicht die größte Rolle spielt. Doch Dr. Glaszinski hört auch den Plenardebattern, die sich zum gegenwärtig heißesten Thema, der Schulpolitik, in rhetorische Eskalationen steigern, immer bis zu Ende zu. Es ist nicht seine Art, den Plenarsaal zu verlassen, wenn nicht gerade sein politisches Hauptfach auf der Tagesordnung steht. Er fehlt fast nie im Plenum und im Haushaltssowie im Rechnungsprüfungsausschuß, denen er als ordentliches Mitglied angehört.
    Wird der heute fast 62jährige, der unlängst den Verlust seiner Frau betrauern mußte, 1980 noch einmal kandidieren? Er wiegt sein Haupt, schweigt...
    Der Vater zweier erwachsener Töchter wandert seit seinen jungen Jahren in der evangelischen bündischen Jugend gern, so im Teutoburger Wald und in der Senne. Am Ossiacher See lockt sein kleines Kärntner Ferienappartement.
    Pensionär und Student dazu — diese Doppelrolle vermag der Abgeordnete sich gut vorzustellen. "Vielleicht lasse ich mich für ein historisches Studium immatrikulieren." Denn der Geschichte gehört zeitlebens seine heimliche Liebe. Hans Wüllenweber

    ID: LI772212

  • Porträt der Woche: Heinz Wegener (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 21 - 16.09.1977

    Heinz Wegener, 57, Lehrer außer Diensten, seit 1946 in der SPD, von 1957 bis 1965 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 1966 von der Wählermehrheit seiner lippischen Heimat in den Landtag von Nordrhein-Westfalen entsandt, entspricht so gar nicht dem landläufigen, wenn auch vielfach falschen Bild eines Politikers, der so ungefähr nach der Devise handelt: "Tu Gutes und rede darüber." Und dem man unterstellt, rhetorische Begabung und polemisches Talent in erster Linie dafür zu gebrauchen, dem politischen Gegner so richtig zu zeigen, wo der Bartel den Most holt. Und von dem man sogar argwöhnt, hinter Verhandlungsgeschick verberge sich eine noch größere Portion Schlitzohrigkeit.
    Nun, dieses in der Öffentlichkeit vielfach anzutreffende Bild vom Aus- und Ansehen eines Politikers mag auch auf viele andere Parlamentarier nicht zutreffen. Für Heinz Wegener paßt es ganz bestimmt nicht. Wegener handelt eher nach der Maxime, das Richtige zu tun und kein weiteres Wort darüber zu verlieren. Für Selbstdarstellung hat er wenig übrig, und es scheint ihm fast peinlich zu sein, einem Journalisten über sich und seine politischen Ambitionen zu berichten. Seine Sache ist die ernsthafte Arbeit, der Einsatz für seine Wähler und Mitbürger, der Kampf für seine politischen Überzeugungen und das zähe Ringen um die beste Lösung. An ihm ist viel zu entdecken, was guter preußischer Tradition von der selbstverständlichen Pflichterfüllung entspricht.
    So mag es denn auch kein Zufall sein, daß Wegener, der im Zweiten Weltkrieg schwer verwundet wurde, heute im Landtag nicht etwa auf den Feldern der Politik arbeitet, für die er selbst von der Berufsausbildung her besonders sach- und fachkundig wäre, sondern sich dort engagiert, wo die von ihm vertretenen Wähler der Schuh am meisten drückt. Als Landesparlamentarier arbeitet er vorwiegend im Innenausschuß und im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Einmal um die Funktionalreform, die ja nicht zuletzt für die Bürger etwas bringen soll, mitzugestalten, und zum anderen, um Fragen der Wasserwirtschaft, des Landschaftsschutzes und der Umwelt zu lösen. Beides Dinge, auf die man im Lipper Land besonders achtet. Als Landrat von Lippe aber tut Wegener am liebsten das, was er am liebsten unerwähnt ließe: den Alten und Behinderten helfen. Lippe hat - relativ - mehr alte Bürger über 65 als jeder andere Kreis, Lippe hat aber auch fünf Altenheime in eigener Trägerschaft und organisiert kostenlose Erholungsfahrten für alte Mitbürger in den Harz. Hier geht alles schnell und lautlos. Nicht zuletzt dürfte da der direkte Draht nach Düsseldorf mitspielen.
    "Fasziniert" hat ihn, so bekennt Wegener, die These Gustav Heinemanns in dessen Einführungsrede als Bundespräsident, daß es eine der wichtigsten Aufgaben der Gesellschaft sei, den Menschen die Angst vor dem Altwerden zu nehmen.
    Die Doppelbelastung durch Landtags- und Kreismandat fordert den ganzen Mann, physisch vor allem. Wegeners Arbeitstag beginnt am frühen Morgen und endet spätabends. Politische Schwierigkeiten durch das Doppelmandat sieht er nicht, eher Vorteile. Dazu fallen dann Stichworte wie "ungehemmter Informationsfluß" und "direkter Draht". Den Kontakt zum Wähler sucht der Mann, dessen Vater schon Sozialdemokrat war und nach dem "Durchbruch" Hitlers in der Lippe-Wahl am 15. Januar 1933 das "große Unglück" für Deutschland heraufkommen sah, so oft er kann, um zu informieren und um selbst zu hören. Fürs Private bleibt dem Vater zweier erwachsener Kinder nicht mehr viel. Ein wenig Gartenarbeit, Zeitgeschichtliches lesen, aber auch Lyrik — und wenn es ein kleines Reclambändchen mit Lenau-Gedichten ist.
    Karl Lohaus

    ID: LI772128

  • Porträt der Woche: Rolf Klein (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 20 - 04.07.1977

    Seine Jungfernrede hielt er schon kurz nach dem Einzug in das Parlament; seitdem tritt er immer häufiger ans Rednerpult, legt rhetorisch geschliffen die Alternativen der Opposition zur Regierungspolitik dar und attackiert mit Sachverstand und Geschick seine politischen Gegner. Der erst 34jährige CDU-Abgeordnete Rolf Klein aus Münster hat sich innerhalb von zwei Jahren ungewöhnlich schnell zu einem gewichtigen Sprecher seiner Fraktion profiliert. Der scharfe Verstand des Rechtsanwalts und die Gründlichkeit des Münsterländers dürften ihm dabei von Nutzen gewesen sein.
    Mit der Politik kam Klein bereits während der Studienzeit in Berührung. Als Mitglied des Rings Christlich Demokratischer Studenten avancierte er bis zum Präsidenten des Studentenparlamentes der Universität Münster und war anschließend deren Asta-Referent. Seit 1968 gehört der gebürtige Münsteraner dem CDU-Kreisvorstand an und war mehrere Jahre dessen stellvertretender Vorsitzender. Als Klein 1975 in den Rat seiner Heimatstadt nachrückte, entschied er sich bald darauf für den Landtag als seine einzige parlamentarische Wirkungsstätte. Als praktizierender Rechtsanwalt in Zivilsachen lebt er ohnehin im "Dauerkompromiß" zwischen den Anforderungen des Berufs und des Parlaments. "Selbständigkeit macht aber unabhängig."
    Im Landtag widmet sich der Jurist vor allem der inneren Sicherheit und den damit verbundenen Rechtsfragen. Sein Interesse gilt in diesem Zusammenhang auch der Polizei, ihrer Ausstattung wie ihren Problemen; Fragen also, die zur Zeit im Brennpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit stehen. Die Fraktion berief ihn in den Innen- und den Justizausschuß sowie als Stellvertreter in den Ausschuß für Jugend, Familie und politische Bildung. Außerdem ist der junge CDU-Abgeordnete stellvertretender Vorsitzender des kürzlich gegründeten Untersuchungsausschusses zur Durchleuchtung der Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft.
    Der Jurist Klein möchte bei der Gesetzgebung einen stärkeren Einfluß des Parlaments gegenüber der Ministerialbürokratie. Jedes Gesetz müsse auch für den Bürger verständlich sein, "damit er es auch befolgen kann". Das sei die Grundlage für eine "positive Staatseinstellung". Der Bürger werde dann auch anerkennen, daß jede Gewalt, "die nicht durch die Autorität des Staates gedeckt ist", abzulehnen sei, meint Klein im Hinblick auf die Terroristenszene. "Ein Bankräuber wird doch nicht zum Edelkriminellen, wenn er die Tat mit politischen Motiven begründet."
    Zwei Jahre Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtages. In einer Zwischenbilanz bedauert der Münsteraner, daß "wir zuwenig auf die Argumente der anderen hören", der gegenseitige Meinungsaustausch sei unter den Abgeordneten viel schwächer, als er es erwartet habe. Als Nachteil empfindet es der Parlamentarier auch, daß der Landtag des größten Bundeslandes nur begrenzt in der Öffentlichkeit darstellbar sei. Die derzeit unzureichenden räumlichen Verhältnisse ließen es kaum zu, mehr Bürger mit dem Parlament bekanntzumachen. So unterstützt Klein auch das Bauvorhaben des Landtags. Positiv beurteilt er die großen Informationsmöglichkeiten jedes einzelnen Abgeordneten und lobt seine Fraktion, die ihren Mitgliedern, die Chance zu eigenständiger Arbeit gebe.
    Der Münsteraner, der freimütig eingesteht, an der Politik inzwischen "Geschmack" gefunden zu haben, ist auch im Landesvorstand der CDU-Sozialausschüsse von Westfalen-Lippe tätig und gehört deren Bundesschiedsgericht an. Ein großes wie vielfältiges Aktionsfeld bietet sich also dem jungen Politiker. Jochen Jurettko

    ID: LI772005

  • Porträt der Woche: Manfred Braun (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 19 - 27.06.1977

    Sein nach eigener Einschätzung bisher größter politischer Erfolg war nicht sein Einzug in den Landtag, den er 1975 mit fast 57 Prozent SPD-Wählerstimmen schaffte, sondern eine Zerstörung: Die von "Glabotki", jener 200 OOO-Einwohner-Stadt nördlich von Essen, die nur ganze 16 Monate existierte. Die Kurzlebigkeit von Groß-Bottrop, das durch das Ruhrgebietsgesetz am 1. Januar 1975 seinen fast gleichgroßen Nachbarn Gladbeck und dazu noch das kleinere Kirchhellen geschluckt hatte, ist nicht zuletzt auf den Kampf des Manfred Braun zurückzuführen.
    Er gehörte zur Speerspitze der Gladbecker, die jahrelang gegen den Großstadtplan der Neuordner opponierten und die knapp zwölf Monate nach der Fusion vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster obsiegten. "Der 6. Dezember 1975 war mein schönster Tag in der Politik", erinnert sich der heute 48jährige Sozialdemokrat an den Tag der Urteilsverkündung. Zwar verlor die Stadt ein Stück ihrer früheren Selbständigkeit und wurde in den Kreis Recklinghausen eingegliedert, aber die 82 000 Bürger, die meisten Industriearbeiter vom alten Kumpel-Schrot, behielten ihr eigenes Rathaus.
    Doch es sei nicht Lokalpatriotismus gewesen "und schon gar nicht Krähwinkelei", sagt Manfred Braun mit einem Blick zurück ohne Zorn,sondern "dieGewißheit, daß wir mit unserer Größe und Steuerkraft unsere Probleme allein besser lösen können". Die Mehrheit der Gladbecker denkt ebenso. Bei der Neuwahl des Stadtrates im letzten Oktober konnte die SPD entgegen dem allgemeinen Trend ihren Anteil noch um drei Prozent verbessern, so daß im geretteten Rathaus jetzt von 51 Stadtvätern 31 Sozialdemokraten sind. Und Manfred Braun ist, wie schon seit Beginn dieses Jahrzehnts, ihr Fraktionschef. Der "starke Mann" in Gladbeck, hier geboren und aufgewachsen und als Vermessungstechniker des RWE auch stets hier geblieben, führt auch den SPD-Ortsverein Stadtmitte und ist stellvertretender Stadtverbandsvorsitzender. Zwar ist er "unbedingt gegen Ämterhäufung, aber wenn man einmal drin ist, ergibt sich manches zwangsläufig".
    Dabei ist Manfred Braun eigentlich ein "Spätstarter". Obwohl er schon 1948 als 20jähriger der Gewerkschaft ÖTV beitrat, hatte er hier "nie eine Funktion" und übte auch auf politischem Feld bis 1966 völlige Abstinenz. Dann trat er der SPD bei, "weil man nicht immer nur kritisieren kann, sondern sich auch selbst engagieren muß, wenn man etwas verändern will". Er wollte etwas verändern, wurde 1969 direkt in den Stadtrat gewählt und gleich stellvertretender Fraktionssprecher, zwei Jahre später war er der maßgebende SPD-Mann im Gladbecker Rat.
    Der begeisterte Sportler, der früher selbst Fußball gespielt hat ("Rechtsaußen, was aber nie Rückschlüsse auf meine politische Einstellung zuließ") und Fan des FC Schalke 04 im benachbarten Gelsenkirchen, hat dafür gesorgt, daß in Gladbeck "vorbildliche Sportanlagen gebaut wurden, die landesweite Anerkennung finden", hat sich aber auch "um allgemeine Verbesserung der Infrastruktur" gekümmert. Sein zufriedenes Fazit: "Wir können uns gegenüber unseren wesentlich größeren Nachbarstädten durchaus sehen lassen."
    Mit viel Fleiß engagiert sich Manfred Braun in der Politik. Auch im Landtag gehört er als Newcomer gleich drei Ausschüssen an, dem für Landesplanung und Verwaltungsreform, dem Innen- und dem Petitionsausschuß. Er sei nach Düsseldorf gekommen, um zu arbeiten und nicht, um nur "die Diäten abzuholen", sagt er. Vom Vollzeitparlamentarier hält er dennoch nichts: "Wissen Sie, dazu ist die Wählergunst doch viel zu schwankend. Und wenn man auch nur für wenige Tage aus dem Beruf aussteigt, verliert man leicht den Kontakt zur Entwicklung."
    Karlegon Halbach

    ID: LI77191F

  • Porträt der Woche: Franz Karl Burgmer (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 18 - 21.06.1977

    Als Franz Karl Burgmer 1975 für die CDU in den Landtag gewählt wurde, hatte er nicht nur der SPD den Wahlkreis 27 im Rheinisch-Bergischen Kreis abgenommen, sondern auch augenscheinlich eine seiner Thesen bestätigt: konzentrierte Arbeit garantiert den Erfolg. Was er selbst nicht sagt, wahrscheinlich auch gar nicht sagen mag, schreiben ihm dann noch andere ins Stammbuch und bekräftigen damit, daß Erfolg nicht von ungefähr kommt: Burgmer verfügt über eine politische Begabung, die ihn nie in der Rolle des passiven Zuschauers lassen konnte. 1956 verleitete ihn dieses Talent gleich zu dauerhaftem politischem Engagement, obwohl er weitgehend damit beschäftigt war, sich eine berufliche Existenz aufzubauen.
    Damals hatte Burgmer, Jahrgang 1930, nach Maurerpraktikum und Bauzeichnerlehre gerade Aufträge als Architekt und Bauleiter erhalten, wurde dann aber als Benjamin in den Rat der damals noch selbständigen Stadt Bensberg gewählt. Damit tauchte der Name Burgmer freilich nicht zum erstenmal in den Protokollen der Stadt auf. Großvater und weitere Ahnen der väterlichen Familie waren eigentlich schon immer im kommunalen Bereich politisch tätig, ob nun als Schöffe oder Gemeinderat. "Auf der Ochsentour", wie er es selbst charakterisiert, hat er sich dann durch die Stadtratsfraktion nach oben gearbeitet, durch fast alle Ausschüsse und fast alle Aufgabengebiete. Wer Kommunalpolitik machen will, sagt er, muß sie lernen.
    Franz Karl Burgmer hat sich daran gehalten und ist der Kommunalpolitik treu geblieben. Heute ist er Bürgermeister von Bergisch Gladbach und einer der engagiertesten Vertreter kommunaler Belange im Landtag. Als "mit glühender Seele Republikaner", sieht er sich als einen Verfechter demokratischer Entscheidungsprozesse. Damit ist er schon im Rat seiner Heimatstadt oft genug angeeckt, beispielsweise wenn er nicht akzeptierte, daß Fraktionsvorsitzende und Stadtoberhaupt entschieden, was die Stadtverordneten zu beschließen hätten. Man kann ihn mit gutem Gewissen zur Kategorie der unbequemen Politiker zählen, unbequem nicht nur für den politischen Gegner, den er immer fordert, sondern unbequem auch für die eigenen Parteifreunde, weil er deren Argumente nicht ungeprüft übernimmt.
    Ein Vergleich drängt sich auf: Der Architekt Burgmer behandelt politische Probleme wie ein Architekt ein Objekt, was nichts anderes heißt, daß er zunächst mit knappen Strichen das Problem skizziert, dann die beste Lösung sucht und diese schließlich auf ihre Belastbarkeit hin untersucht. Schließlich weiß er nur zu gut, daß jede politische Entscheidung sich auf den einzelnen Bürger auswirkt und die Gesellschaft tangiert. Als Vertreter eines freien Berufes, seit 1965 ist er freischaffender Architekt, mit ständigem Kontakt zu Behörden, sieht er natürlich auch, was aus politischen Beschlüssen werden kann, nämlich Karikaturen. Solche liefert er übrigens auch, ob zu lokalen Ereignissen oder landespolitischen Vorgängen, und offenbart damit ein Talent als witziger Zeichner. Bei seiner jüngsten Aufgabe ist gerade dieses aber nicht gefragt, sondern ist der Fachmann gefordert.
    Burgmer — er gehört dem Haushalts- und Finanzausschuß und dem Verkehrsausschuß an — wurde auch Mitglied des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der das Gebaren der landeseigenen Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft durchleuchten soll. Die damit verbundene Arbeit kann Burgmer aber nicht schrecken. Bei richtiger Organisation sieht er keinen Anlaß, die Familie zu vernachlässigen oder von seiner Vorliebe lassen zu müssen, seinen Bewegungsdrang auf dem Fahrrad auszutoben.
    Klaus Simson

    ID: LI77181C

  • Porträt der Woche: Karlheinz Bräuer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 13.06.1977

    Karlheinz Bräuer war das bei Sozialdemokraten nicht selten zu beobachtende Übel leid: Da wurde filibustert und diskutiert, bis auch der letzte Arbeiter die Parteiversammlung verlassen hatte, um nicht noch später ins Bett zu kommen. So setzte Bräuer in seinem SPD-Ortsverein Lohmar unweit von Köln durch, "daß Parteiversammlungen um 23 Uhr zu Ende sind, egal ob die Tagesordnung bis dahin abgewickelt wurde oder nicht". Das habe dort zu einer spürbaren Aktivierung der Arbeitnehmerschaft geführt, freut sich der Abgeordnete und Gewerkschafter.
    "In der SPD wird viel zu oft viel zu intellektuell diskutiert, theoretisiert und mit Fremdwörtern operiert, die der normale Mensch nicht mehr versteht." Auch das habe die Arbeitnehmerschaft veranlaßt, "sich etwas zurückzuziehen", schreibt Bräuer seinen Genossen ins Stammbuch. Dabei brauche die Partei "einen kräftigen Anschub aus der Arbeitnehmerschaft, um sich wieder auf ihre ureigenste Zielrichtung zu besinnen". Konsequentes Bekenntnis aus einer konsequenten Entwicklung heraus. Dabei ist es dem Kölner Bezirksleiter der IG Metall "an der Wiege nie gesungen worden, daß ich mal Gewerkschaftsfunktionär werden würde". Bräuer stammt aus einer "durch und durch bürgerlichen Kaufmannsfamilie".
    Für bürgerliche Idylle ließ die Geschichte dem gebürtigen Breslauer keine Zeit: Die jüdische Großmutter litt im KZ Theresienstadt, er selbst wurde "mit Kriegsabitur aus der Oberrealschule rausgeholt", genau an seinem 18. Geburtstag zur Wehrmacht eingezogen und an die Ostfront nach Rußland abkommandiert. In mörderischer Kälte verlor er während der sowjetischen Kriegsgefangenschaft vier Finger seiner rechten Hand. 1947 kehrte er heim und war zunächst ein Jahr arbeitslos.
    In einer nordhessischen Textilfabrik fand Bräuer dann als Pförtner Arbeit, brachte es dort bis zum Werkmeister, wurde Betriebsratsvorsitzender, "und so bin ich 1949 zur Gewerkschaft gekommen". Als DGB-Stipendiat besuchte er von 1953 bis 1955 die Akademie für Gemeinwirtschaft in Hamburg, wo er seinen graduierten Betriebswirt machte. Nach dieser Zeit, aus der auch sein Eintritt in die SPD datiert, war er wieder einmal arbeitslos. Dem mit Gewerkschaftshilte und -geldern Qualifizierten wollte sein alter Betrieb nur eine Stelle geben, die mit aktiver Gewerkschaftstätigkeit unvereinbar gewesen wäre. Gut dotiert, aber für Bräuer moralisch nicht akzeptabel.
    Als die IG Metall in Köln einen Fachsekretär suchte, meldete er sich, wurde genommen und arbeitet nun schon 21 Jahre an derselben Stelle, seit zehn Jahren als Bezirksleiter, was ihm auch die Mitgliedschaft im DGB-Landesbezirksvorstand NW einbrachte. In der SPD konzentrierte er sich von Anfang an auf die Arbeitsgemeinschaft für Betriebsgruppen- und Gewerkschaftsarbeit, später Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), wurde bereits 1956 deren Chef im Bezirk Mittelrhein und gab diesen Posten erst mit seiner Wahl zum Landtagsabgeordneten vor zwei Jahren ab.
    Dreierlei wäre zuviel geworden, "das kann man nicht mit voller Konzentration machen". Schon die Doppelbelastung bedeutet für den Gewerkschaftsboß und Parlamentarier: "Ich haue morgens um sechs Uhr ab und bin abends in der Regel gegen zehn, halb elf wieder zu Hause." Oft werde es auch später.
    Der Versuch, den Prototyp des sozialdemokratischen Gewerkschafters und gewerkschaftlichen Sozialdemokraten mit Biedenkopf-Positionen zu provozieren, schlägt fehl. Daß der neue westfälische CDU-Chef die Filzokratie-Kampagne weiterführen will, entlockt Bräuer nur: "Soll er doch."
    Christoph Lütgert

    ID: LI771728

  • Porträt der Woche: Günther Detert (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 16 - 06.06.1977

    Inzwischen hat er auch im Landtag das Lachen über sich selbst gelernt. In fröhlicher Rückschau erinnert er sich an seine Jungfernrede im Parlament, als ihn seine Fraktion am 27. November 1975 bei der "Aktuellen Stunde" zur Energiepolitik ins rhetorische Feuer schickte: "Da erst verstand ich so richtig die .Angst des Torwarts vor dem Elfmeter!'" Die Unbekümmertheit der frühen Jahre, und sie dauerte lange bei ihm, das "Hoppla, jetzt komm' ich" seiner ersten Stadtratsjahre in Wesel, der Eindruck vom "lebhaften, immer gut gelaunten Manne", ist nach nunmehr zweijähriger Mandatszeit am Schwanenspiegel der Widerspiegelung gewichen: "In der Opposition sitzen heißt eine Arbeit um ihrer selbst willen tun, oder anders gesagt: Mit viel Fleiß ohne Erfolgsgarantie arbeiten!"
    Deterts Grund(vor)zug, mit einem kräftigen Schuß Lebensfreude und Arbeitslust ausgestattet zu sein, hat ihm, den 1975 zum zweiten Male in Wesel zum Bürgermeister gewählten Manne, den politischen Erfolg vorgezeichnet. Sein Talent, des Bürgers (Wählers) Sprache reden und verstehen zu können, und sein beruflich bedingtes (er war über 18 Jahre lang Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Wesel), direktes Verständnis wirtschafts- und sozialpolitischer Zusammenhänge hat ihm die Landtagsfraktion seiner Partei mit einer guten Startvorgabeentgolten. Der 48jährige "Neuling" (Detert: "Ich betrachte mich in der Parlamentsarbeit noch in der Phase der Lehr- und Lernjahre") ist Mitglied des Wirtschaftsausschusses und webt in seiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Wirtschaft seiner Fraktion bereits kräftig mit an den sich ständig verändernden Grundstrukturen der Mittelstandspolitik dieses Landes. Wenn er die Maxime solchen Engagements beschreibt, kommt bei Günther Detert eine Neigung zutage, die auch viele andere Politiker "auszeichnet" — die Neigung, in das Vokabular der Amtssprache zu greifen. Detert: "Mittelstandspolitik ist keine Interessenpolitik, sondern eine gesamtwirtschaftliche Aufgabe, auch zur Überwindung der Arbeitslosigkeit und ihrer Folgen. Sie ist damit Strukturpolitik und Arbeitnehmerpolitik im besten Sinne des Wortes."
    Deterts Mitwirkung im Ausschuß für Grubensicherheit und seine betont positive Einstellung gegenüber dem Bergmann ("... trotz fortschreitender Technisierung leisten diese Männer noch ein gewaltiges Pensum an körperlicher Anstrengung") haben auch einen familiengebundenen Hintergrund: Sein Großvater kam bei einem Grubenunglück in Herne-Sodingen ums Leben. Die Söhne fuhren dennoch weiter in die Grube ein.
    Eintreten für das Handwerk, den Mittelstand und den Arbeitnehmer, Verstärkung des Einflusses der "ländlichen Abgeordneten" gegenüber den als "übermächtig" empfundenen Großstadt-Abgeordneten, da, so Detert, es immer noch ein kräftiges Kultur- und Wirtschaftsgefälle zum Niederrhein hin gebe — in diesen Aufgaben sieht der Abgeordnete Detert den Mehrfach-Akkord seiner Arbeit im Parlament. Für die physische und psychische Aufrüstung daheim halten sich (fast) immer verständnisvoll seine Frau Ruth und seine Kinder Bettina (18) und Rolf (24) bereit.
    Seine Familie und seine Freunde sehen die landsmannschaftliche Strukturierung Günther Deterts als besonderen Glücksfall an: Frühe Kindheit in Pommern, Jugendjahre in Schleswig, Mannesjahre in Wesel.
    Und daß er als "Bürgermeister von Wesel" allüberall, wo er hinkommt, zumeist anzüglich-heiter mit dem berühmten Echo-Effekt konfrontiert wird ("Wie heißt der Bürgermeister von Wesel?..."), läßt ihn nur milde lächeln: "Was wollen Sie, der Esel ist ein nützliches Tier und trägt willig die Lasten anderer." Die Selbstironie ist ihm geblieben.
    Horst Morgenbrod

    ID: LI77161E

  • Porträt der Woche: Friedrich Karl Schulte (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 27.05.1977

    Friedrich Karl Schulte — deftiger, gravitätischer kaum kann ein Name daherkommen. Es ist ganz und gar ein Name vom spröden Adel, wie ihn besonders ausgeprägt die Bergleute im "Gulaschtopf der Nationen", wie Ministerpräsident Kühn den Schmelztiegel Ruhrgebiet nennt, hervorgebracht haben. Der SPD-Abgeordnete Schulte (47) aus Bergkamen folgte freilich nicht väterlichem Vorbild. Er wurde nicht Kumpel auf "Monopol", sondern nach Schreinerlehre, Gesellenprüfung und Staatsbauschule Architekt.
    Und doch oder gerade drum: Der "Handwerker" Schulte fühlt sich im Bergbau "fest verwurzelt", kann und will "da nicht raus". Sein Prinzip, ein durchaus konservativer Grundzug, heißt Seßhaftigkeit. Deshalb auch Schuttes fast schon "unbedachter" Zorn über jene drei Männer, die in Berg kamen den Umweltschacher des Jahrhunderts — Gesinnung gegen Geld - inszenierten. Deshalb aber auch sein Ärger über einzelne Genossen vor Ort, die beim anrüchigen "Millionending" munter mitmischten — nach Schuttes Ansicht in einer moralisch nicht zu rechtfertigenden Weise. Aber mit der SPD in seinem Wahlkreis lebt er schon seit langem auf einer Art freundschaftlichem Kriegsfuß.
    Nonkonformistische Ausflüge ins politische Niemandsland traut man dem seit knapp sieben Jahren dem Landtag angehörenden Westfalen durchaus zu, erwartet sie vielleicht sogar von ihm. Schulte gehört zu einer SPD-Minderheit, den Selbständigen. In Düsseldorf zählt seine Fraktion derer drei - mitunter gesuchte Raritäten.
    Den Architekten Schulte konnte seine Fraktion beispielsweise gut "gebrauchen", als sich Landtagspräsident Lenz nach vielen Mühen mit dem Versuch durchgesetzt hatte, das altehrwürdige Domizil des Parlaments modernen Anforderungen anzupassen. Schulte nahm Platz in der Baukommission und gilt seitdem als "Mister Plenarsaal", den individualpolitischen Mahnfinger stets in der Luft: "Wenn es nur ein Prestigebau wird, dann müssen wir es lassen." Politisch weit wichtiger aber wird Schuhes Rolle im Untersuchungsausschuß über die Praktiken der Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft vor allem beim skandalumwitterten Aachener Großklinikum sein. Der Architekt gehört für die SPD diesem ins schier undurchdringlich erscheinende Gestrüpp bürokratischer und kommerzieller Verstrickungen entsandten Suchtrupp an. Und tiefe Skepsis befällt Schulte, der von Skrupeln nicht frei ist und Selbstdarstellungen fast prüde scheut, wenn er an das Ende der Untersuchung irgendwann im Wahljahr 1980 denkt: "Ich möchte gerne Realist sein", ahnt Schulte parteipolitische Finessen in einer dafür wenig geeignet erscheinenden Angelegenheit.
    Gleichwohl und wie alle, die ihre berufliche Existenz durch politisches Engagement aufs Spiel setzen, betreibt Schulte seine Sache aus Liebhaberei, natürlich. Politik, verrät Vater Schulte (zwei Kinder — Tochter und Sohn), könne man nur machen, "wenn es Spaß macht". So wird diese vielgerühmte hohe Kunst des Möglichen praktisch entideologisiert, nicht anders.
    Schultes Mut, wenn es denn einer sein soll, kommt ganz unambitiös daher, wohl aber engagiert. Auch beruflich. Seine Mitarbeiter hat er an dem gemeinsam aufgebauten Architekturbüro beteiligt, sehr zum Ärger manches seiner Standeskollegen. Da ist dann nicht purer Neid, sondern endlich doch noch Ideologie im Spiel.
    Bernd Kleffner

    ID: LI771526

  • Porträt der Woche: Dr. Günter Rinsche (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 16.05.1977

    "Mir macht der intellektuelle Kampf Spaß", sagt der CDU-Abgeordnete Dr. Günter Rinsche, nach seinem Selbstverständnis als Mandatsträger im Düsseldorfer Landtag befragt. Und das versteht sich gut bei einem Mann, der immer um wissenschaftliche Vertiefung politischer Beratungs- und Entscheidungsprozesse bemüht ist, nichts Polemisches oder Tribunenhaftes an sich hat, sondern allzeit rational und pragmatisch wirkt,gelegentlich sogar ein distanziertes Engagement zu kultivieren versucht.
    Soviel Kühle und Beherrschtheit ist ungewöhnlich für ein Westfalenkind. Aber der 1930 in Hamm geborene Rinsche entstammt einer Handwerksfamilie, die mit bürgerlichem Fleiß immer aufs konkret Machbare, notabene nie aufs ideologisch Utopische bedacht war. Das Elternhaus bot ihm früh — Abitur 1951 — eine Chance, und Rinsche nutzte sie nachgerade mustergültig. Rechts- und staatswissenschaftliches Studium in Münster, dann Fulbright-Stipendiat in den USA, schließlich wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Studium in Köln. Die Examina (sehr gut) und die Promotion (magna cum laude) sprechen für einen hellen, strebsamen Kopf, wenn nicht gar für einen Musterschüler.
    Aber Günter Rinsche hat in den Niederungen der Politik auch hart zu arbeiten und zu kämpfen verstanden. Über die Junge Union kam er 1956 zur CDU. Schon 1964 wurde er Oberbürgermeister seiner Heimatstadt und danach sogar viermal wiedergewählt. Um zu lernen, das Gesichtsfeld zu erweitern, ging Rinsche 1965 auch in die Bundespolitik. Auf dem Felde der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sammelte Rinsche internationale Erfahrungen, auch in Gesprächen mit dem Schah, mit Indira Gandhi, Präsident Sukarno oder den Staatschef von Chile und Venezuela.
    Die enge Verzahnung der Kommunal- mit der Landespolitik ließ ihn 1975 das Düsseldorfer Landtagsmandat anstreben. Berufspolitiker, sagt er, sei er inzwischen geworden, doch einer von jenen, die so frei sind, jederzeit in den erlernten Beruf zurückkehren zu können. Innerhalb der Union betrachtet Rinsche sich als einen in der Mitte angesiedelten Ordnungspolitiker mit starker wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Orientierung. Unter Sozialdemokraten, meint er, habe er viele Freunde, freilich nicht unter Sozialisten. "Die Kumpanei darf nicht zur Lumpanei werden." Der stellvertretende westfälische CDU-Vorsitzende hält seine landespolitische Arbeit — wann hört man so etwas schon? — für durchaus problematisch. Man könne anders als in der Kommunal- oder Bundespolitik in diesem Zwischenfeld kaum noch Engagement und Erfolg sichtbar machen. Im hektischen Geschäft des politischen Alltags, bedauert Rinsche, bleibe immer weniger Zeit für grundsätzliche politische Besinnung und Auseinandersetzung, mit politischen Freunden wie mit Gegnern.
    Rinsche selbst freilich will sich sein Verständnis von der Aufgabe des Politikers — von der deduktivien Analyse über die Zielorientierung zum konkludenten Handeln — nicht durch kurzatmige Geschäftigkeit trüben lassen. Der Mittvierziger zieht sich nach wie vor regelmäßig in sein Häuschen im Sauerland zurück, wo eine ebenso gediegene wie breitgefächerte Bibliothek zum Refugium geworden ist. "Es wird immer wichtiger, sich Freiräume zu sichern", sagt Rinsche. Das ist eine moderne Beschreibung der leider immer seltener geübten alten Kunst der Silentien.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI77140E

  • Porträt der Woche: Helmut Weikart (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 13 - 06.05.1977

    Wer Helmut Weikart nach Studium seines Lebenslaufes als Norddeutschen anspricht, hört energischen Protest: "Ich bin nur zufällig in Bremen geboren." 1917, als es im Ruhrgebiet nur wenig zu essen gab, hatte der Vater die Mutter zu Verwandten nach Bremen geschickt, die "Beziehungen" hatten. Das Kind, das unterwegs war, solle "ein ordentlicher Junge werden". Nun, es wurde ein kräftiger Junge, der später Schwerathletik betrieb und in Sportvereinen Erfolge hatte.
    Helmut Weikart ist stolz darauf, "ein echtes Dortmunder Kind" zu sein. Die Familie ist seit Generationen im Süden der Stadt zu Hause. Schon der Großvater arbeitete als Blasemeister im Thomaswerk von Phoenix, der Vater war Vorarbeiter im gleichen Betrieb und auch Helmut Weikart ist als Bauführer in diesem Unternehmen, den heutigen Hoesch-Hüttenwerken, beschäftigt.
    Aber der Weg dahin war steinig. Helmut Weikart hatte schon nach der Schulentlassung 1931 als Lehrling die Familientradition auf der Hütte fortsetzen wollen, aber wegen der Wirtschaftskrise wurde kein einziger gewerblicher Lehrling eingestellt. So begann er als Hilfsarbeiter. Diese persönliche Erfahrung hat ihn sensibilisiert für das heutige Problem der Jugendarbeitslosigkeit. Er fordert von Staat und Wirtschaft, der Schaffung von Lehrstellen höchste Priorität einzuräumen.
    Nach dem Arbeitsdienst zog das Fernweh Weikart zur Kriegsmarine. Er fuhr auf einem Segelschulschiff und erhielt das Steuermannspatent für große Fahrt. Den Krieg erlebte er auf einem Kreuzer im Atlantik, ab 1944 in einem U-Boot. 1945 fing er völlig neu an. Er ging in die Maurerlehre, 1948 Geselle, 1953 Meister. Abends besuchte er die Technikerschule in Hagen, 1969/70 den Baumeisterlehrgang in Dortmund.
    Schon als 28jähriger "Stift" war Helmut Weikart 1946 Betriebsratsvorsitzender eines großen Bauunternehmens. Er verzichtete auf die Arbeitsbefreiung, um die Lehre beenden zu können. Von den Gewerkschaften führte ihn sein politischer Weg 1950 in die SPD. Im heimatlichen Dortmund-Berghofen kümmerte er sich vor allem auch in den Vereinen um die Anliegen der Mitbürger. Dem Rat der Stadt gehörte er von 1964 bis 1970 an. Seither ist er Landtagsabgeordneter.
    Im Wirtschaftsausschuß interessiert sich Weikart besonders für Energiefragen und Umweltschutz. Der gelernte Wärme- und Feuerungstechniker ist davon überzeugt, daß es keine Eile hat, Kernkraftwerke zu bauen. Kohlekraftwerke könnten heute auch strengsten Auflagen des Umweltschutzes entsprechen, weil ihre Abgase vollständig zu entschwefeln seien.
    Helmut Weikart widerspricht energisch Behauptungen, daß durch Maßnahmen des Umweltschutzes Arbeitsplätze verlorengehen würden. Er ist vom Gegenteil überzeugt. Neue Techniken für den Schutz der Umwelt würden neue Arbeitsplätze erfordern.
    Im Sportausschuß des Landtags setzt sich der ehemalige Ringer für den Ausbau von Erholungs- und Sportstätten ein, die allen Bürgern offenstehen sollen. Um Kondition zu halten, ist er auch heute noch aktiv. Im TV 04 Berghofen spielt er ein Spiel, das einem Politiker angemessen ist: "Prellball".
    Gerd Goch

    ID: LI77131F

  • Porträt der Woche: Peter Beneke (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 12 - 29.04.1977

    Wo andere den Beginn der "midlife-crisis" setzen, so ab Mitte Vierzig, fixiert er den Anfang "meines eigentlichen, meines glücklichen Lebens". Wie Peter Beneke überhaupt etliches parat hat, das ihn vom Klischee weghebt. In die Politik ist er "im Grunde über die Unzufriedenheit mit dem Dasein eines öffentlich Bediensteten" gekommen, und auch noch nach 23 Jahren CDU-Mitgliedschaft memoriert er ungeniert, daß er seinerzeit "lange geschwankt" habe, ob für ihn nicht die F.D.P. die "richtigere" Partei sei.
    Aber da ist noch mehr des Nicht-Alltäglichen: Bereits 57 Jahre alt, meldete er 1974 erstmals Interesse für einen Landtagssitz an, wurde an einem Freitag, dem Dreizehnten (als waschechter Bergischer ist er natürlich ein bißchen abergläubisch), zum Kandidaten gewählt und jagte dann der SPD das Direktmandat ab, das die "fast so sicher wie einen Erbhof" hatte. Das dazu als Katholik in einem zu 80 Prozent evangelischen Wahlkreis und, um das Maß nachgerade übervoll zu machen, als gebürtiger Barmer in Elberfeld und Cronenberg (in Wuppertal hegt man noch 50 Jahre danach viel Reminiszens an die Tage abgekapselter Eigenständigkeit vor der ersten großen Kommunalreform des Jahres 1929).
    So sitzt Peter Beneke nun in Düsseldorf und freut sich wie ein Schneekönig, daß er "den Behörden ab und an auf die Finger klopfen kann". Denn der frühere Finanzbeamte und Steuerrat a.D. hat erkannt: "Die sind dem Bürger gegenüber doch immer im Vorteil." Deshalb ist er mit besonderer Neigung im Petitionsausschuß und überzeugt, daß er da für die Bevölkerung manches tun kann, weil "ich ja nicht nach juristischen Fragen zu forschen habe, sondern ob menschlich alles in Ordnung ist". Außerdem hat er Sitz und Stimme im Haushalts- und Finanzausschuß.
    Fleiß und Sorgfalt auch im Detail gehören zum Selbstverständnis des heute als Steuerberater tätigen 60jährigen. Wenn er irgendwo nicht genau Bescheid weiß, macht er sich "sachverständig".
    Die Beharrung ist bergisches Erbgut, aber auch durch ein im ersten Teil nicht leichtes Leben gefördert worden. Im ersten Weltkrieg geboren, waren Peter Benekes Kindheitstage von Inflation und Weltwirtschaftskrise überschattet, der Vater konnte den Kleinbetrieb des selbständigen Hausbandwirkers trotz der Mitarbeit aller Familienmitglieder nicht halten. Zwar machte der Sohn die Oberschule zu Ende, aber auch mit der Abiturnote "gut" konnte er seinen Wunschberuf nicht ergreifen. "Ich bin nicht musikalisch, deshalb durfte ich bei den Nazis nicht Lehrer werden." Den Ausweg bot die gehobene Laufbahn in der Finanzverwaltung. Geliebt hat er diesen Beruf allerdings "nicht sehr".
    Schwerkriegsbeschädigt heimgekehrt, war er 1948 Gründungsmitglied des Deutschen Beamtenbundes, dessen Wuppertaler Kreisvorsitzender (7000 Organisierte) er auch heute noch ist. 1954 trat er in die CDU ein, 1959 wurde er in den Stadtrat gewählt, dem er mit einer Unterbrechung — "wir hatten damals Knatsch in der Partei" — bis zum Wechsel in den Landtag angehörte.
    1962 war seine erste Frau nach jahrelanger Krankheit gestorben. Eine zweite Heirat hat ihn nach eigenem Zeugnis "jung erhalten" und zu den beiden erwachsenen Kindern noch eine inzwischen zwölfjährige Tochter gebracht. "Und die braucht mich ja noch", lächelt er vergnügt, greift dennoch zum Weinbrand und lobt die Lehren des Pfarrers Sebastian Kneipp: "Jeden Morgen kalte Dusche und möglichst einmal jährlich Wörishofen."
    So hat er denn auch noch die Kraft, beim gegenwärtigen Hausbau selbst mit Hand anzulegen. Die Baugenehmigung hat er sich gerade erst beim Oberverwaltungsgericht gegen die Stadt Wuppertal durch Vergleich erstritten. Denn: "Die können doch nit maken, wat se wollen."
    Karlegon Halbach

    ID: LI771217

  • Porträt der Woche: Georg Aigner (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 11 - 22.04.1977

    "Man muß als Politiker glaubhaft sein. Das ist das Wichtigste überhaupt. Man darf keine politischen Eiertänze aufführen, sondern muß die eigene Linie sauber durchhalten." Georg Aigner,1975 in Bochum direkt gewählter SPD-Abgeordneter des Landtags, faßt seine politischen Leitsätze so zusammen.
    Daß er 1960 seine politische Heimat in der SPD fand, begründet er mit dem Programm dieser Partei und persönlichen Erlebnissen. Wie Politik "vor Ort" sich auswirkt, dafür kann auch die Familie Aigner Zeugnis ablegen. Der Vater — ein waschechter Bayer, Bergmann von Beruf und Sozialdemokrat aus Überzeugung — kam Ende der zwanziger Jahre nicht etwa deshalb an die Ruhr, weil er des weißblauen Himmels überdrüssig geworden war, sondern weil es für ihn in Bayern keine Arbeit bei der Förderung von Pechkohle mehr gab. Und auch der Sohn, am 15. Mai 1934 in Bochum geboren, mußte am eigenen Leib erfahren, wie schwer es ist, Arbeit oder eine Lehrstelle zu finden.
    Als der Volksschüler Georg Aigner 1949 eine Lehrstelle suchte, war es "viel schlimmer als heute". Notgedrungen wurde er Kürschner. Als Geselle verdiente er zunächst 99 Pfennig in der Stunde, später bis zu zwei Mark. Dafür fand er im Sommer manchmal nur für 20 Wochenstunden Arbeit, saß allerdings im Winter — der Saison dieses Handwerks — oft bis Mitternacht am Arbeitsplatz. Also sattelte er bei Gelegenheit um und wurde Bergmann. Von ganz unten arbeitete sich der inzwischen verheiratete Kumpel hoch, besuchte neben der Knochenarbeit unter Tage die Schule und baute 1963 sein Examen als Steiger. Doch zu dieser Zeit gab es in Bochum keinen Pütt mehr, wohl aber eine Kohlenkrise an der Ruhr. So suchte der graduierte Ingenieur — wie 80 Prozent seines Examenjahrgangs — eine Stelle außerhalb des Bergbaus und fand sie als Straßenbau-Ingenieur. Als Prüfingenieur kam er nach Bochum zurück, wo er seit 1957 im Bergarbeiter-Reihenhaus wohnt.

    Diese persönlichen Erfahrungen faßt Aigner knapp zusammen:
    Betteln nach Bildung ist für ihn schlimm. Ein Segen ist es hingegen, wenn man in jungen Jahren lernen kann. Sozialpläne im Bergbau, die es damals nicht gab, genügen ihm nicht. Man muß neue Arbeit zu den Menschen bringen, und nicht die Menschen an die neuen Arbeitsplätze karren wollen.
    Aigner ist Realist genug, um zu wissen, daß man als Landtagsabgeordneter auf diesen Gebieten nur begrenzt direkte Wirkung erzielen kann. Das hindert ihn jedoch nicht, ständig dafür einzutreten.
    Freilich liegen seine Aufgabenfelder in der Landespolitik woanders: Verkehr und Grubensicherheit. Und hier knobelt der Ingenieur und Politiker an einem Plan, der die Verkehrsunfallzahlen senken könnte, so hofft er jedenfalls. Ausgehend von der Tatsache, daß Anzahl und Schwere der Grubenunfälle nach systematischer Ursachenforschung und nachfolgender Ursachenbeseitigung drastisch gesunken sind, will er das Verkehrsunfallgeschehen systematischer als bisher analysieren lassen und scheut sich auch nicht, die direkte Einwirkung des Parlamentsausschusses auf die Exekutive — wie sie der Grubensicherheits-Ausschuß gewissermaßen hat — zur Diskussion zu stellen.
    Der Mann, der sich außerhalb der Urlaubszeit keine Hobbys gönnt, ist auch zu Hause diskussionsfreudig. "Schon beim Frühstück fängt es an. Über Politik natürlich." Und nur selten, so räumt er ein, sind die 17 und 19 Jahre alten Söhne einer Meinung mit dem Vater. Die Ehefrau, die ihm die Korrespondenz erledigt, ist es schon eher. Wie politisch diese "Bayern aus dem Kohlenpott" sind, zeigt auch, daß sich der Jüngste zum 16. Geburtstag die Aufnahme in die SPD wünschte.
    Karl Lohaus

    ID: LI771126

  • Porträt der Woche: Heinrich Dreyer (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 10 - 28.03.1977

    Ein gesunder Schuß Unbekümmertheit, politischer Sachverstand, Stehvermögen, Durchsetzungskraft und Engagement — Heinrich Dreyer kann von alldem genug vorweisen und steht damit seinen Mann in der Landespolitik, in die er über einen erstaunlich kurzen Weg gelangt ist. Erst 1966 fand Heinrich Dreyer im ostwestfälischen Mennighüffen in der CDU seine politische Heimat und offenbarte damit gewissermaßen politischen Bekennermut. In dieser SPD-Hochburg, die heute Teil der Stadt Löhne ist, hatte die CDU nicht einmal einen Ortsverband. Für den Sohn eines Schlossers und einer Zigarrenarbeiterin war das freilich kein Hinderungsgrund, der Stimme einer Minderheit zu Gehör zu verhelfen, als die sich Anhänger der CDU in Mennighüffen verstehen mußten.
    Mit dem neugegründeten Ortsverband boxte Heinrich Dreyer, Jahrgang 1935, die Mennighüffener CDU 1969 in den Stadtrat und wurde gleich zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Dabei hätte es nach den Vorstellungen Dreyers zunächst auch bleiben können. Nach einer zielstrebigen beruflichen Ausbildung vom Jungwerker bei der Deutschen Bundesbahn zum Verkaufs- und Führungstrainer im Rang eines Bundesbahnamtmanns verspürte er wenig Neigung, Politik-Profi zu werden. Daran hat sich bis heute nichts geändert, obwohl er längst dem Kreisvorstand der CDU angehört, Bezirksvorsitzender der Sozialausschüsse ist und einen Sitz im Landesvorstand Westfalen-Lippe der CDU hat.
    Dreyer schätzt diese Ämter als Möglichkeit, der Partei die Probleme vor Augen zu halten, die an der Basis und im Arbeitsleben erkannt und unbekümmert als in der professionell betriebenen Politik formuliert werden. So ist er im Prinzip ein Mann der Basis geblieben, der immer den gesellschaftspolitischen Aspekt der Parteiarbeit im Auge behält und ihn nachhaltig vertritt. 1970, als er sich selbst noch als unerfahrener Politiker betrachtete, kandidierte er erstmals für den Landtag, wenn auch völlig aussichtslos, weil ihm die notwendige Absicherung durch die Landesliste seiner Partei fehlte.
    1975 allerdings zahlte sich sein Beharrungsvermögen aus, wurden Einsatz, Erfolg und Engagement honoriert. Der damals knapp 40jährige wurde Mitglied des Landtags.
    "Die Arbeit dort begeistert mich", sagt Heinrich Dreyer, ohne gleichzeitig die üblichen Schwierigkeiten eines jeden Anfängers zu übersehen, der sich erst in eine neue Umgebung einfinden muß. Als Mitglied der Sozialausschüsse seiner Partei läßt er keinen Zweifel daran, daß der Mensch über jeder Sache zu stehen hat, daß dem Einzelnen geholfen werden muß, daß die Gesellschaft dem Schwachen zur Seite stehen muß. Seine "Jungfernrede" im Parlament absolvierte er ohne jede Befangenheit und machte sich damit zum Fürsprecher der Verbraucher. Bei nächster Gelegenheit legte er sich für die berechtigten Anliegen des Mittelstandes ins Zeug.
    Seither ist er auch im Landesparlament kein Unbekannter mehr, wenngleich er die Kleinarbeit in den Ausschüssen für Soziales, Arbeit und Gesundheit sowie Verkehr höher bewertet als die gelegentliche Möglichkeit des Debattenredners. Da läßt sich leicht eine Verbindung zum Hobby des vierfachen Vaters herstellen. Im evangelischen Posaunenchor bläst er die Tuba und bestimmt damit den Grundakkord, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Bei seinem sozialen Engagement hält er es ebenso: Ohne öffentliches Aufsehen setzt er sich als ehrenamtlicher Gefängnisbeirat für Gestrauchelte ein und versucht, ihnen die Rückkehr in die Gesellschaft zu ermöglichen.
    Klaus Simson

    ID: LI771004

  • Porträt der Woche: Reinhard Roericht (F.D.P.)
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 18.03.1977

    Gemütlich sieht der F.D.P.-Abgeordnete Reinhard Roericht aus. Wie der Schein doch trügt. Roericht — rührig, aber nicht im Sinne fideler Geschäftigkeit, vielmehr nüchtern, sachbezogen, fleißig, programmiert. Schon Studienfreunde fragten ihn, ob bei seiner "Zeugung nicht auch ein Computer beteiligt war". Globetrotter und politischer Senkrechtstarter: Leitung politischer Jugendseminare in Kolumbien — da war er gerade 21 Jahre alt —, Studienreisen durch Tunesien, USA, Großbritannien und Frankreich. Aus Gegnerschaft zur Konfessionsschule 1964 Eintritt in die F.D.P.
    Von nun an ging's bergauf: Er wurde im selben Jahr Chef der Kölner Jungdemokraten, kurz danach Mitglied im F.D.P.-Ortsvorstand Köln-West, war dabei, als Gerhart Baum den bürgerblockorientierten Kölner F.D.P.-Kreisvorstand kippte, ließ sich 1966 von Genscher für ein Praktikum in den Bundestag holen, wurde 1968 Stellvertreter des nordrhein-westfälischen Jungdemokratenchefs Günter Verheugen, avancierte 1969 zum Bundes-Vize des Liberalen Studentenbundes, konnte sich 1970 mit seinen erst 25 Jahren freuen, jüngstes Mitglied im F.D.P.-Landesvorstand zu sein, nachdem er den damaligen Aachener Regierungspräsidenten Joseph Effertz verdrängt hatte, zog 1972, wiederum als Jüngster, in den Rat der Stadt Aachen ein, kam 1975 in den Düsseldorfer Landtag und machte auch da gleich Wirbel: Gestützt auf seine Erfahrungen als Pressesprecher der TH Aachen, bewaffnet mit Statistiken und Computer-Ausdrucken, lastete er der SPD/F.D.P.-Landesregierung eine gigantische Steuerverschwendung, ein "Hundert-Millionen-Ding" im Klinikbau, den Bettenberg, an.
    Obwohl überzeugter Befürworter der sozial-liberalen Koalition kennt Roericht keine kritiklose Bündnis- oder Parteitreue. Wenn es denn sein muß und die Sache gebietet, setzt er Regierung und Parteifreunden hart zu, überläßt der CDU das Opponieren nicht allein. So meldete er Bedenken gegen die Öffentlichkeitsarbeit des Kabinetts Kühn/Riemer im letzten Wahlkampf an, attaktierte die von ihm mitgetragene Landesregierung wegen des Aachener Klinikums und schrieb dieser Tage an F.D.P.-Chef Genscher einen bitterbösen Brief, mit dem er sich gegen Parteipräsidium und Parteifreund Maihofer stellte und auf die Seite des "belauschten" Atomwissenschaftlers Traube schlug.
    Sehr global — im wahrsten Sinne des Wortes — sieht Roericht seine Aufgabe als Hochschulexperte der F.D.P.-Fraktion. Die rohstoffarme Bundesrepublik sei auf "hochqualifizierten Nachwuchs", auf ein "hohes Forschungspotential", auf "höchste Veredelungsleistungen" angewiesen. Dies ist der eine Aspekt; der andere: "Ich bin sicher, daß man uns in ein paar hundert Jahren eine ganz barbarische Generation schimpfen wird, weil wir die halbe Welt hungern lassen." Die Hochschulen könnten zur Entwicklung neuer Konzepte für die Lösung immer drängenderer Probleme beitragen.
    Die glücklichen Zeiten seien vorbei, in denen eine schnell wachsende Volkswirtschaft die relativ leichte Realisierung neuer politischer Ideen erlaubt habe. Kräfte zur Lösung dringender Aufgaben könnten nur durch äußerst rationelle Nutzung des Bestehenden freigesetzt werden. "Technokratie ist in diesem Zusammenhang nicht das Ziel, sondern ein Mittel, das helfen kann, gute Ideen zügig in die Tat umzusetzen."
    Politisch hat der 31jährige Junggeselle viel erreicht. Privat ist er noch nicht am Ziel seiner Wünsche. Heiraten möchte er gern und hofft, die emanzipierte Frau fürs Leben zu finden. Kein Heimchen am Herd, denn exzellent kochen kann Roericht selbst.

    Christoph Lütgert

    ID: LI77090B

  • Porträt der Woche: Günther Einert (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 14.03.1977

    Bis Günther Einert im Westfälischen seßhaft wurde, "hat es lange gedauert". Kein Wunder, stehen sich doch Schlesier, deren einer Einert ist, und Westfalen nicht in der Ansicht nach, daß man Wurzeln nur einmal schlage und deshalb der Pflanzplatz sorgfältig gewählt sein müsse. Klischee hin, Klischee her: Einert, Jahrgang 1930, setzte sich im sauerländischen Iserlohn fest. Heute verraten nur noch Sprachrhythmus und ein typisches Roll-R, daß er eine im Strom der Kriegs- und Nachkriegszeit umgepflanzte Eiche ist — inzwischen eine westfälische ohne Zweifel. Holz — um beim Bild zu bleiben - ist freilich nicht seine Sache. Eher Metall, das Einert als Schlosser zu bearbeiten lernte. Das führte ihn prompt in die Gewerkschaftsbewegung. Und folgerichtig ergab sich daraus schließlich ein Engagement in Sachen Arbeitnehmerfragen, das Einert zum Iserlohner DGB-Geschäftsführer machte.
    Der Gewerkschafter Einert hat diese Karriere so gewollt, wie er sie bisher durchlaufen hat — in einer spröden Weise, die Pflichterfüllung mit unterkühlter Beiläufigkeit tarnt - Ehrgeiz mit stillem Selbstbewußtsein. Aber weltläufig sind die umgepflanzten schlesisch-westfälischen Eichen auch. In den USA war Einert, hat dort ein Jahr studiert, bevor er hierzulande zum Volkswirt graduierte. Und zu kommunalen Ehren auf westfälischer Erde kommen Sozialdemokraten wie Einert allemal: Von 1964 bis 1974 war er Oberbürgermeister von Iserlohn, bevor die kommunale Neuordnung die Wahlwürfel anders fallen ließ.
    Dem Landtag gehört der nüchterne Iserlohner seit mehr als zehn, der SPD seit 26 Jahren an. Die Partei, die für den engagierten Sozial- und Kommunalpolitiker zunächst ein Vehikel zur Durchsetzung von Arbeiterforderungen war, mochte ihrerseits auch nicht auf die stille, unverdrossene Hartnäckigkeit verzichten, die Einert auszeichnet.
    Der Politiker, der zu seinen Steckenpferden "Juristerei" — ein paar Jahre war er auch DGB-Rechtsschutzsekretär — zählt, ist, wie man so sagt, ein "strammer Sozialdemokrat". Er nimmt nicht übel, daß ihn sein eigener Unterbezirk vom Amt des Arnsberger Regierungspräsidenten fernzuhalten trachtete, für das er zeitweise im Gespräch war. Disziplin gehört zu den Tugenden eines altgedienten SPD-Mitglieds.
    Seit Anfang des Jahres leitet Einert den kommunalpolitischen Ausschuß des Landtags, der in Sachen "Funktionalreform" federführend ist. Dabei geht es wie schon in der Gebietsneuordnung darum, einen möglichst breiten Konsens aller Beteiligten herzustellen. Einert: "Keine schwarzen, roten oder gelbblauen Vorzeichen." Zusammenarbeit statt Konfrontation. Was natürlich entgegen dem Spottwort "Einert von vielen" nicht bedeute, daß die politischen Unterschiede nicht doch "scharf und hart" zu diskutieren seien; Nivellierungen soll es nicht geben.
    Der Mann aus Iserlohn, Vater von drei Kindern, der sich gern in Saloppes kleidet, ist nicht von Pappe. Das "schlichte Mitglied" im Sportausschuß des Landtags liebt den Skilauf und das Kegeln sehr. Und im Sommer macht Einert sein Segelboot flott, auf dem nahen Sorpesee, in Holland oder anderswo. Und wenn Einert die Segel streicht, dann nicht aus Resignation, sondern eher deshalb, damit sie besser aussehen.

    Bernd Kleffner

    ID: LI770812

  • Porträt der Woche: Bernhard Roßhoff (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 7 - 04.03.1977

    Land und Kommunen sind eng miteinander verknüpft. Verständlich daher, daß eine beträchtliche Anzahl der 200 Landtagsabgeordneten am Düsseldorfer Schwanenspiegel gleichzeitig auch Kommunalpolitiker sind. Zu ihnen zählt Bernhard Roßhoff.
    Als Amts- bzw. Gemeindedirektor von 1948 bis 1972 im niederrheinischen Sonsbeck war er an dem Wiederaufbau der im Krieg völlig zerstörten Kommune entscheidend beteiligt; und als Landtagsabgeordneter seit 1970 bemüht sich der trotz seiner 68 Jahre vitale Niederrheiner um eine Vermittlerrolle zwischen landespolitischen Perspektiven und kommunalen Realitäten.
    Für diese Aufgabe sucht der Senior des Düsseldorfer Landtages weniger das Plenum des Parlaments, sein Anliegen verfolgt er in zahllosen persönlichen Gesprächen und in den Ausschüssen. So gehörte er in der letzten Legislaturperiode unter anderm dem Kommunalpolitischen Ausschuß an und ist heute im Verkehrsausschuß und im Ausschuß für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft tätig.
    Der Verwaltungsfachmann bescheinigt dem nordrhein-westfälischen Landtag im allgemeinen Kommunalfreundlichkeit. Diese Haltung werde sich allerdings bald erneut bewähren müssen: bei der Novellierung des Landesentwicklungsplanes I. Hier setzt sich Roßhoff dafür ein, "ganz behutsam" vorzugehen und die zentralen Orte in den ländlichen Zonen in ihrer Substanz zu erhalten.
    Die finanzielle Misere des Kreises Wesel und die fehlenden Rheinbrücken, die dessen rheinüberschreitende Funktion lähmen, sind Gegenstand ständiger Bemühungen. Sorgenvoll sieht der Abgeordnete der im Landesentwicklungsplan VI projektierten Zukunft der niederrheinischen Stromlandschaft entgegen.
    Parallel zum Entwurf, der in diesem Raum acht Kraftwerksstandorte ausweist, müßten Pläne zum Schutz dieses Gebietes erstellt werden. So hält Roßhoff regionale Landschaftspläne auch für andere Landesteile für unerläßlich. Roßhoff, geboren und zeitlebens verbunden mit dieser geschichtsträchtigen niederrheinischen Region, ihrer Landschaft und Kultur, ist unter anderm aktiver Förderer des Xantener Dombauvereins.

    Auch das Elternhaus in Dinslaken bestimmten geistige Einstellung und politischen Standort. Als Sohn eines Facharbeiters schloß sich Roßhoff schon in jungen Jahren der christlich-sozialen Arbeitnehmerbewegung an, erlebte im Windthorstbund Blüte und Niedergang der von den nationalsozialistischen Machthabern bekämpften freien Jugendbewegung. "Es entstand ein Graben, der uns zur Unwirksamkeit verdammt", schildert Roßhoff die Zeit der Nazi-Herrschaft. Das änderte sich 1945, und schon kurze Zeit später gehörte er zu jenen früheren Zentrum-Angehörigen, die in der CDU eine Chance für einen Neubeginn sahen.
    Die Lösung der drängenden sozialen Probleme und die Gewinnung der Jugend für diesen neuen Staat standen für den Christdemokraten dabei im Vordergrund. Als Verwaltungschef einer kriegszerstörten Kommune fand er ein reiches Betätigungsfeld, und während seines neunjährigen Wirkens in der Landschaftsversammlung Rheinland gehörte er nicht ohne Grund dem Sozial- sowie Kulturausschuß dieses Gremiums der Selbstverwaltung an. Soziales und Kultur sind für Roßhoff sich gegenseitig ergänzende Bereiche, ebenso wie die Bewältigung der Zukunft nur auf dem Fundament der Vergangenheit möglich ist.

    Ausspannung findet Roßhoff, so wie die Zeit reicht, beim Lesen und beim Sammeln von Graphiken, wobei das Spektrum so vielseitig wie die geistige Flexibilität dieses Mannes ist: Es reicht von Goethe bis Celan, von Chodowiecki bis zur Moderne.
    Jochen Jurettko

    ID: LI770703

  • Porträt der Woche: Anton Riederer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 6 - 18.02.1977

    Bescheiden ist Anton Riederer auch dann, wenn Zurückhaltung nicht geboten zu sein scheint. Wer Wahlergebnisse von über 60 Prozent für sich und seine Partei verbuchen kann, brauchte das eigentlich nicht. Aber für den gelernten Maurer mit lupenreinem Arbeiterstammbuch (SPD-Mitglied seit 1953) ist es offenbar eine der natürlichsten Sachen der Welt, 65,2 Prozent der Wählerstimmen bei der letzten Landtagswahl geholt zu haben. Sicher läßt es sich für Sozialdemokraten im Wahlkreis Duisburg-Hamborn ungleich leichter an als für die Konkurrenten von CDU oder F.D.P. Doch der Erfolg kam — auch in Zeiten, wo die SPD insgesamt Schlappen einstecken mußte — durch Kärrnerarbeit vor Ort, oft bis in die späten Nachtstunden.
    Der 47jährige kommt dann auch zwangsläufig zu dem knappen Schluß: "Hobbys hab' ich keine!" Wer sich so in den Dienst der Partei und in Riederers Fall auch der Gewerkschaft spannen läßt, müßte den trockenen, biederen und oft gescholtenen Funktionär verkörpern. "Kumpel" Anton Riederer jedoch strahlt Wärme und Herzlichkeit aus; setzt keine Maske auf und spricht frei von der Leber weg. "Spaß muß immer dabeisein, man darf sich nicht zu wichtig nehmen", sprudelt es aus ihm mit schönstem Kohlenpott-Deutsch. Der "nebenamtliche" Prokurist eines gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmens beschränkt sich bei seiner Abgeordnetentätigkeit im wesentlichen denn auch auf das, was er versteht. In den elf Jahren als Landtagsabgeordneter legte er den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Kommunalpolitik sowie den Wohnungs- und Städtebau.
    Seit Beginn der jetzigen Legislaturperiode ist noch der Umweltschutz hinzugekommen, den er durch seine Mitarbeit im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten verbessern helfen will. Beim emotionsgeladenen Thema "Umweltschutz" verfolgt Riederer eine nüchterne Linie: Ein vernünftiges Verhältnis zwischen Wohnen und Arbeiten! Diese Ansicht hindert Riederer jedoch nicht daran, bei der Errichtung belastender Industrien entschieden auf Umweltschutzeinrichtungen zu bestehen. Auch hier bleibt er sich treu. Pragmatisch und nüchtern, durch zähe Verhandlungen oder durch mühselige Aufklärungsarbeit ebnet er Wege, räumt Vorurteile beiseite, um zum Ziel zu kommen. Er trägt nicht dick auf, sondern erwähnt all dies nur in Nebensätzen.
    Sich selbst will er nicht im Mittelpunkt sehen, sondern die Sache, um die es geht. Parteipolitisch heißt das für ihn, daß sich die SPD wieder auf ihre Ursprünge und Inhalte verstärkt besinnt. "Die Arbeiter sind bei uns unterrepräsentiert, wir müssen uns mehr um sie kümmern." Die Entfremdung einiger Sozialdemokraten von dieser Bevölkerungsschicht wird jedermann deutlich, der Parteitage besucht. Ob junge oder alte Genossen, meist geben die Akademiker oder Lehrer auf diesen Versammlungen den Ton an. Hier gilt es, wieder umzuschichten, durch harte Arbeit an der Basis neues Vertrauen zu gewinnen und auch die Sprache wieder verständlich zu machen.
    Wie dies aussehen soll, hat Anton Riederer in seinem Wahlkreis vorexerziert. Arbeiter, junge Parteimitglieder und Frauen werden von ihm voll mit in die Verantwortung gezogen, sei es durch Funktionen oder auch nur durch schlichte Parteiarbeit. Kein Wunder, daß in seiner Wahlkampfmannschaft regelmäßig über 50 Arbeiter mitstreiten.
    Die Frage nach der Familie beantwortet er mit einer Episode: Als er einmal vollkommen unerwartet einen freien Abend hatte, war Ehefrau Inge aushäusig. Ebenfalls der SPD verschrieben, kehrte sie zu später Stunde von einer Parteiversammlung heim. Dem vorwurfsvollen Gatten hielt sie entgegen: "Auf dem Sessel, auf dem du sitzt, habe ich zehn Jahre lang auf dich gewartet."
    Martin O. Schmuck

    ID: LI770613

  • Porträt der Woche: Hans Otto Bäumer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 07.02.1977

    Wäre er ein Boxer, hätte man ihn längst ausgezählt und dazu bedauernd: "they never come back" gemurmelt. Nicht, daß er sich nicht auf das Fighten verstände, sondern weil er stets seine Deckung vernachlässigt. Dieser Fehler unterläuft allerdings auch dem Politiker Hans Otto Bäumer. Kein Wunder, daß ihn deshalb seine politischen Gegner, aber auch seine Intimfeinde in den eigenen Reihen bereits wiederholt abgeschrieben haben. Doch Hans Otto Bäumer - 1962 bis 1967 zum erstenmal im Landtag und jetzt wieder seit 1975 - ist immer für Überraschungen gut.
    Bäumer, jetzt 50, paßt nicht in das landläufige Karrierebild — weder in das eines Bürgermeisters noch eines Regierungspräsidenten und auch nicht in die Vorstellungen von einem "Kronprinzen". Dabei würde das bergische Urgestein wohl alle Rollen tragen. Aber Hans Otto, wie ihn Freunde und Gegner nennen, hält nicht sehr viel von Wohlverhalten; diplomatisches Schweigen ist ihm sowieso zuwider.
    So hat sich der als Rechtsschutzsekretär des DGB-Landesbezirks Nordrhein-Westfalen in die politische Arena getretene Bäumer denn auch mit fast allen angelegt, die ihm über den Weg liefen und mit denen zu streiten er für angemessen fand; auch mit seinen jeweiligen Vorgesetzten, ob das Innenminister Weyer oder dessen Staatssekretär Stakemeier war, aber auch mit dem Regierungschef Heinz Kühn selbst.
    Als er noch Regierungspräsident in Düsseldorf war — auch hier war sein Kommen und Gehen untypisch und freiwillig —, zeigte Bäumer seinen Besuchern gelegentlich Briefe von Heinz Kühn, der den Regierungspräsidenten zur Mäßigung und staatsmännischen Weitsicht ermahnte.
    Bekannt wurde Bäumer mit einer Narrenwette, der "Bienenstich- Wette", die er prompt verlor. Weil er entgegen seiner Voraussage an einem Rosenmontag Mitte der sechziger Jahre noch immer Junggeselle war, was er heute auch noch ist, mußte er damals 250 000 Stück Bienenstichkuchen für Kinder und alte Leute in seiner Heimatstadt Velbert bezahlen. Diese Riesenwette stottert er heute immer noch in Raten ab. Am markantesten zeigte sich Bäumer auf dem Niederrheinischen SPD-Bezirksparteitag im Mai 1976 in Duisburg. Mit dem Rücken an der Wand lieferte er, selbst von vielen Freunden insgeheim schon aufgegeben, nach dem Motto "viel Feind, viel Ehr" einen grandiosen Kampf. Er provozierte die Ministerriege der Kronprinzen im Ring und gewann seine Wiederwahl als Bezirksvorsitzender in einer Höhe, die ihn selbst am meisten überraschte.
    Hans Otto Bäumer hat auch Fehler, und er weiß das selbst am besten. Ja, er versucht es nicht einmal mit dem Trick: "Erfolg hat man nur, wenn die anderen die Fehler, die man selbst macht, nicht erkennen." Gerade diese unter Politikern selten gewordene Spezies macht ihn für viele liebenswürdig, veranlaßt die Parteibasis, einen Mann auch dann nicht im Stich zu lassen, wenn er einmal "Mist gebaut hat".
    Bäumer hat im Lauf seiner politischen Karriere alle in die Schranken gefordert: Kriminalkommissare und gewiefte Juristen, Minister und Landtagspräsidenten, Fraktionsvorsitzende und Geschäftsführer, und mancher traut ihm zu, was seinem Parteifreund und ehemaligen Finanzminister Hans Wertz in den Mund gelegt wird, den Ausspruch nämlich: "In welches Fettnäpfchen bin ich noch nicht getreten?" Bohrt man im Gespräch mit ihm nach den Maximen seiner Entscheidungen, dann ergibt sich eigentlich nur ein Motiv: Er will vor sich selbst bestehen, was für ihn auch heißen kann, sich für seine Partei in Stücke reißen zu lassen oder aber auch, wenn es sein muß, von seiner Partei. Karl Fischer

    ID: LI77040E

  • Portrait der Woche: Johannes Wilde (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 3 - 28.01.1977

    In einer Zeit, da immer mehr gescheiterte Studenten der Politologie und Soziologie in die Politik drängen, gestattet sich Johannes Wilde, ganz anders zu denken: Das Fundament solider Ausbildung, erprobt und gefestigt in beruflicher Erfahrung, möchte er als Voraussetzung dafür sehen, als Mandatsträger im Dienst der Bürger und ihrer Gemeinschaft arbeiten zu können. Dennoch war der 40jährige CDU-Abgeordnete, als er 1972 in den Landtag einzog, einer der jüngsten unter seinen Oppositionskollegen. Wilde ging aber nicht den Weg der "Ochsentour", sei es als Kommunalpolitiker, Partei- oder Verbandsfunktionär. Ihm fiel, seit 1966 in der Union engagiert, mit dem Glück des Tüchtigen ein zunächst chancenloses Listenmandat zu, nachdem der CDU-Abgeordnete Horst Waffenschmidt in den Bundestag gegangen war. Johannes Wilde griff zu, blieb — als Fußballfan — "am Ball" und kehrte aus eigener Kraft mit einem Direktmandat des Rhein- Sieg-Kreises I und mit dem strahlenden Ergebnis von 62,4 Prozent der Wählerstimmen 1975 ins neu gewählte Landesparlament zurück.
    Wilde arbeitet im Ernährungs- und im Rechnungsprüfungsausschuß, inzwischen auch im Innenausschuß. Solche Tätigkeitsfelder liegen nahe bei einem Politiker, der in Kiel, Köln und Bonn Landwirtschaft und Jurisprudenz zugleich studiert hat, bei der Landwirtschaftskammer in Bonn beruflich begann und es bislang zum Regierungsdirektor im Bundesernährungsministerium gebracht hat. Er will, sagt er, "Anwalt der ländlichen Gebiete" bleiben und die Verbindung zu seinen politischen Heimatgemeinden im Rhein-Sieg-Kreis nicht abreißen lassen. Dort, in Alfter- Impekoven, lebt er mit seiner Frau und den drei Kindern auch seit langem.
    Das Elternhaus jedoch stand in Geldern; und hier machte Wilde, obwohl er noch von einem humanistischen Gymnasium kommt, auch eine "harte landwirtschaftliche Lehre" im väterlichen Betrieb durch. Wilde beschreibt das Elternhaus als eine fröhliche, christliche Gemeinschaft, die ihm "Lebenshilfe und innere Sicherheit, Festigkeit" gegeben habe. Von da her ist der CDU-Politiker auch in seinen Grundanschauungen geprägt: katholisch und konservativ, gleichwohl tolerant und mit einem starken Sinn für Ordnungspolitik ausgestattet. Er mißtraut den zeitläufigen Modismen, die oft im anspruchsvollen Gewand stets neuer, angeblich notwendiger Reformen daherkommen. Doch enthält die Persönlichkeitsstruktur dieses Mannes viele interessante Farbtupfer. Man hat einen passionierten Kleinwagenfahrer vor sich, der Mozart und Beethoven schätzt. Dem Bild des allzu Bürgerlichen widerspricht wiederum, daß Wilde auch heute noch in außerordentlich viel Literatur zur Psychologie und Soziologie des Menschen "herumstudiert". Vielleicht muß das bei einem Politiker, der auf den ersten Blick eine verdächtig stabile innere Ausgeglichenheit zeigt, auch so sein.
    Wilde hat sich — einmal angefangen — inzwischen entschlossen, in der Politik zu bleiben, auch wenn das für den Bundesbeamten eines Tages zu finanziellen Verlusten führen sollte. "Ich hatte nie eine Hausmacht, habe aber immer schlicht und einfach gearbeitet." Wahrscheinlich hat ihm das, und weil er zur rechten Zeit auch ein offenes Wort führt, so viele Sympathien eingetragen. Übrigens war es der Sturz des CDU-Ministerpräsidenten Franz Meyers 1966, der Wilde zum politischen Engagement ermunterte. Ob der "fixe Franz" von damals das wohl noch weiß? Lothar Bewerunge

    ID: LI770324

  • Porträt der Woche: Josef Rademaker (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 24.01.1977

    Wenn man Josef Rademaker einen alten, gestandenen Sozialdemokraten nennt, so bezieht sich das nicht in erster Linie auf die fast 25 Jahre, die er der SPD angehört. Vielmehr ist damit seine Geradlinigkeit gemeint, mit der er seinen Weg — sowohl den beruflichen wie den politischen — gegangen ist. Rademaker — Jahrgang 1919 — stammt aus einer alten Weber- Familie im westlichen Münsterland. Obwohl er zwischenzeitlich als Furnierer arbeitete, ist er der textilen Tradition seiner Familie treu geblieben: Zunächst gründete er — das war 1948 — eine Holzgewerkschaft, dann — drei Jahre später, also vor ziemlich genau 25 Jahren — wurde er Gewerkschaftssekretär der Gewerkschaft Textil/Bekleidung. Dieses Amt führt er auch heute noch.
    Auch die gewerkschaftliche Aktivität hat er vom Vater übernommen. Obwohl seine Eltern katholisch waren und obwohl es damals starke christliche Gewerkschaften gab, war Vater Rademaker "frei organisiert". Des Juniors Elternhaus war stark sozialpolitisch engagiert und — was damals sicher schwerer war als heute — "links".
    Zur SPD stieß er in einer Gegenreaktion auf eine Entwicklung in der CDU. Als die Union sich immer mehr vom Ahlener Programm abgewandt habe, so berichtet er, habe er die Konsequenz gezogen: Er wurde Mitglied der SPD.
    Seither ist sein Verhältnis zum politischen Gegner distanziert. Eine Koalition mit der jetzigen CDU hält er für nicht möglich, in der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft (Sozialausschüsse) sieht er nur ein linkes Aushängeschild für Wahlkampfzeiten, ansonsten eine Gruppierung ohne Bedeutung.
    Schon 1956 vertrat Rademaker die Sozialdemokraten in Kreistag und Gemeinderat. Seit sieben Jahren ist er stellvertretender Landrat. 1971 rückte Josef Rademaker in den Landtag nach, 1975 war er bereits auf Platz 17 der NRW-Reserveliste.
    Im Landtag hat er sich spezialisiert auf Wohnungs- und Städtebau und — mehr aus Pflicht als aus Neigung — mit Landwirtschaft und Ernährung beschäftigt. Auch hier erweist er sich wieder als pflichtbewußter Genosse: Er arbeitet an der Stelle, wo er gebraucht wird; und Solidarität ist für ihn kein leerer Begriff. So sieht er sich in erster Linie als Abgeordneter der sozialdemokratischen Fraktion und dann erst als Interessenvertreter seines Wahlkreises. Das erwies sich erst jüngst, als es um den Neuzuschnitt der Regierungsbezirke ging. Als er — um die Interessen seiner westfälischen Heimat zu vertreten — mit der CDU stimmen sollte, machte er nicht mit. Nicht aus Feigheit, sondern: "Das Landesinteresse muß Vorrang haben, die Prügel zu Hause muß ich dann eben einstecken." Der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Borken ist zwar nicht unbeeindruckt von lokaler Kritik, aber "das muß man eben durchstehen".
    Für sein Privatleben bleibt ihm nicht allzuviel Zeit: Zwei Tage Düsseldorf, zwei bis drei Tage Gewerkschaft, dazu Betriebsversammlungen und Parteitage am Wochenende, so ist die Woche ausgefüllt ("Samstags gehört Vati mir — seinerzeit haben die Gewerkschaften dafür gekämpft, jetzt haben wir's erreicht. Nur — für uns Gewerkschafter gilt das nicht!")
    Bleibt ihm dennoch Zeit, so gehört sie der Familie, insbesondere seinen Enkeln, dem Spazierengehen oder dem Lesen. Aber selbst dem Frühaufsteher Rademaker (jeden Tag sechs Uhr) gelingt es nur selten, dem Beruf oder der Politik Zeit zu stehlen.
    Bernd Müller

    ID: LI770210

  • Porträt der Woche: Josef Schürgers (CDU).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 1 - 17.01.1977

    Josef Schürgers gehört zu jener seltenen Spezies von Abgeordneten, die neben ihrer politischen Tätigkeit auch noch in der Wirtschaft ganztags einen Beruf ausüben. Das sei gleich zu Anfang gesagt: Den höheren Stellenwert räumt der engagierte Sozialausschüßler Schürgers dem Beruf als geschäftsführendes Vorstandsmitglied eines gemeinnützigen Wohnungsunternehmens in seiner Heimatstadt Viersen ein. "Sollte die Entwicklung auf den vollberuflichen Politiker hinauslaufen, dann höre ich als Landtagsabgeordneter auf."
    Damit hat der 54jährige ein Dilemma der Parlamente von heute charakterisiert: Immer mehr Angehörige des öffentlichen Dienstes und ähnlicher Berufsgruppen auf den Abgeordnetenbänken, immer weniger Männer und Frauen aus der freien Wirtschaft. Nicht von ungefähr kommt deshalb die Kritik des gelernten Industriekaufmanns am oft gerügten "Beamtenparlament" und den unzureichenden Arbeitsbedingungen im Düsseldorfer Haus am Schwanenspiegel. Da ist ihm schon zuviel verkrustet, mit der Patina und dem Staub eingefahrener Gewohnheiten überzogen und zu wenig Raum für die eigene Initiative.
    Während seiner elfjährigen Landtagsmitgliedschaft hat der Wohnungsbauexperte "eine ganze Latte" von Erfahrungen und Kritikpunkten gesammelt. Ob es nur ein fehlendes Diktiergerät ist oder ein zu kleiner Raum, den er sich mit zwei Kollegen teilen muß; grundsätzlich sind seiner Meinung nach die Arbeitsbedingungen im Landtag sehr schlecht. Für nicht gerade gut hält er auch die meisten Plenarsitzungen, denen er wenig Lebendigkeit und zu viel trockene Sachbezogenheit bescheinigt. Vorbestimmte Redner beherrschen mit vorgefertigten Manuskripten die Diskussionen, so daß in der nüchternen Expertenatmosphäre die freie Rede und Lebendigkeit der Auseinandersetzung selten sind.
    Fehler — zumindest kleine — sollten nach Meinung des praktizierenden Katholiken Schürgers, der seit 1955 der CDU angehört, auch in der Politik erlaubt sein. Warum sollten denn nicht auch einmal in Plenarsitzungen die "Laien" zu Wort kommen dürfen und von ihren Abgeordnetenplätzen her im freien Rede- und Antwortspiel die Experten auf den Regierungsbänken oder am Rednerpult mit der "normalen" Bürgermeinung konfrontieren dürfen? "Fehler sind dazu da, daß sie erkannt werden und man sie auch im Parlament freimütig bekennt", meint Schürgers offen.

    Von seinem Beruf als Wohnungskaufmann her, aber auch als überzeugter CDU-Mann und Kommunalpolitiker, bot sich für den Niederrheiner die Mitarbeit im Ausschuß für Kommunalpolitik und Wohnungsbau an. Mittlerweile ist er auch Sprecher seiner Fraktion für Wohnungs- und Städtebau. Der "Sachpolitik verschrieben" will er in diesem Bereich mithelfen, daß der soziale Wohnungsbau wieder das Prädikat sozial verdient. Das heißt für ihn familiengerechtes Wohnen zu erträglichen Mieten, die nicht über 25 Prozent des Einkommens liegen sollten.
    Aus seiner christlichen Grundeinstellung heraus ist für Josef Schürgers der soziale Gedanke besonders wichtig. Konsequent deshalb auch seine Mitgliedschaft in einer DGB-Gewerkschaft und seine rege Mitarbeit in den Sozialausschüssen. Verständlich, daß er Anhänger der paritätischen Mitbestimmung ist und in diesem Zusammenhang auch eine qualifizierte Ausbildung der Arbeitnehmerschaft fordert.
    Betont defensiv ist der Vater von drei Kindern offenbar nur in einem: Trotz seiner Leidenschaft für sportlich schnelles Fahren steuert er sein Automobil seit dreißig Jahren unfallfrei und vor allem defensiv.
    Martin Schmuck

    ID: LI77012D

  • Porträt der Woche: Jürgen Hinrichs (F.D.P.)
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 30 - 20.12.1976

    Ein Studiendirektor im Landtag — muß er nicht zwangsläufig Schulpolitiker, Bildungsexperte werden? Jürgen Hinrichs, seit 1975 Mitglied der F.D.P.-Fraktion des Landtags, war zunächst geneigt, eigentlich sogar fest entschlossen, diese Frage für sich zu verneinen. Als Bezirksvorsitzender seiner Partei in Ostwestfalen-Lippe und als Vorsitzender der F.D.P.-Kreistagsfraktion in Herford hatte er sich vorgenommen, nach seiner Wahl in das Landesparlament, "Kommunalpolitik auf höherer Ebene" zu gestalten.
    Während der Koalitionsverhandlungen mit der SPD spielte er noch den kommunalpolitischen Part seiner Partei mit und gab sich nur beiläufig als sattelfester Schulexperte zu erkennen. Dann freilich nahm ihn die Fraktion schnell in die Pflicht. Damit war der 40jährige Studiendirektor a. D. aus Bünde ("a. D." wegen der Unvereinbarkeit von öffentlichem Amt und Landtagsmandat) schulpolitischer Sprecher seiner Fraktion und Sachwalter eines Bereichs, der auch in dieser Legislaturperiode wieder von zentraler Bedeutung und heiß umstritten ist. Ungelegen kommt ihm das sicher nicht, zumal er trotzdem genügend Möglichkeiten hat, kommunalpolitisch zu wirken.
    Der Norddeutsche des Jahrgangs 1934 — Studium und Ausbildung haben ihn in seine Wahlheimat Ostwestfalen-Lippe verschlagen, mit der er sich nur sprachlich noch nicht identifiziert hat — hätte sich aber klar sein müssen, daß ihn die Schulpolitik nicht losläßt. Sie war es, die ihn 1955 bewog, in die F.D.P. einzutreten, mit ihr machte er seine ersten politischen Gehversuche. In der Praxis einer Parteiveranstaltung, der ersten, an der er teilnahm, vermißte er die im politischen Unterricht gepriesene Diskussionsbereitschaft und meldete sich gleich zu Wort.
    Auch im Landtag suchte er — immer engagiert, manchmal mit scharfer, aber auch mit spitzer Zunge — jede Möglichkeit, Argumente auszutauschen, ebenso in seiner Partei, weil er die Diskussion am ehesten für geeignet hält maßgerechte Lösungen für Probleme zu finden. Auf diese Art gefundene Lösungen vertritt Hinrichs dann mit Nachdruck. Die Kooperative Schule, die er federführend für die F.D.P. mit dem Koalitionspartner SPD skizziert hat, ist ein Beispiel dafür, unter anderem auch deshalb, weil er nach eingehenden Diskussionen zu der Überzeugung gelangt ist, daß diese Schulform allen Kindern die besten Chancen biete.
    Beispiel dafür kann auch der Regierungsbezirk Detmold sein. Nach ausgiebiger Erörterung in der Partei trat Hinrichs mit der Forderung vor, den Regierungsbezirk zu erhalten, und präsentierte dafür einleuchtende Argumente.
    Die Bereitschaft, jeden Sachverhalt vor einer Entscheidung zu prüfen, jeden Entschluß gründlich vorzubereiten, entspringt seiner Überzeugung, daß voreiliges Handeln Rechte berühren könnte, die aus welchen Gründen auch immer in Vergessenheit geraten sind, dennoch aber Geltung haben. Das mag ihm manchmal den Vorwurf eintragen, kleinlich zu sein, obwohl er genau das Gegenteil ist. Landtagsfraktion, Partei und Kommunalfraktionen können weitgehend über seine Zeit verfügen, die freilich knapp genug ist, womit erklärt ist, weshalb er in seinem Düsseldorfer Abgeordnetenzimmer immer eine Ersatzgarderobe deponiert.
    Ein Mann, der überall für frischen Wind sorgt, kann Mief eben nicht ausstehen.

    Klaus Simson

    ID: LI76302D

  • Porträt der Woche: Franz Busch (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 29 - 10.12.1976

    Franz Busch ist ein Kumpel. Nicht nur, weil seine Kollegen und Freunde ihm diese menschlich-positive Eigenschaft nachsagen; nein: Busch, Jahrgang 1922, seit 1970 Mitglied des Landtags am Düsseldorfer Schwanenspiegel, ist ein "richtiger" Bergmann. Zwar haben ihn seine Tätigkeiten als Gewerkschafter im DGB-Kreis Essen, dessen Vorsitzender er ist, und als — direkt gewählter - Volksvertreter im nordrhein-westfälischen Parlament so in Beschlag genommen, daß er seinen erlernten Beruf nicht mehr ausübt; als Sproß einer alten Bergmannsfamilie fühlt er sich aber auch heute noch den Belangen des "schwarzen Handwerks" verpflichtet. "Schließlich habe ich sogar eine Bergmannstochter geheiratet", erzählt er.
    Mit 14 Jahren ging Franz Busch als Bergmannslehrling in Essen "auf Zeche", gleich nach Krieg und Gefangenschaft arbeitete er wieder in der Schachtanlage "Zollverein" unter Tage. Die Besatzungszeit ("Da lag bei Verhandlungen mit den Betriebsräten immer die Pistole auf dem Tisch"), der Hunger und das Bedürfnis, in einer Gemeinschaft den Schrotthaufen des "Dritten Reiches" beiseite zu räumen, brachten ihn beinahe zwangsläufig zur Sozialdemokratischen Partei und zur IG Bergbau und Energie, denen er sich 1947 anschloß. Sein soziales Engagement für die Kumpel nutzte er gleichzeitig als damals jüngstes Betriebsratsmitglied der Zeche. In dieser Zeit hat er gelernt, "daß es nichts hilft, verbissen auf seinem Standpunkt zu beharren. Nach einem Schnäpschen mit der Gegenseite verhandelt es sich viel besser und: Man erreicht mehr."
    So lernt man denn Franz Busch nicht als ideologisierenden Theoretiker kennen, sondern als Praktiker, der weiß, worum es geht, wenn er zum Beispiel die Auswirkungen der Jugendarbeitslosigkeit beklagt. Er lebt schließlich im Brennpunkt der Probleme, dort, wo sich eine Kohlenkrise und eine allgemeine Wirtschaftskrise immer zuerst widerspiegelt.
    Im Wirtschaftsausschuß und im Landwirtschaftsausschuß des Landtags nimmt Busch, wann immer sich die Möglichkeit bietet, die Gelegenheit wahr, nach Lösungen aktueller Probleme zu suchen. Daß der ehemalige Kumpel sich dabei für eine vernünftige Kohlepolitik stark macht, entspringt dann nicht etwa einer wehmütigen Erinnerung an vergangene Zeiten. Das ist vielmehr die nüchterne und harte Konsequenz aus der Ölkrise: daß man sich langfristig auf die eigenen Energiequellen besinnen und sich nicht von zeitlich begrenzten Notständen in seinen Entscheidungen leiten lassen sollte.
    Die gegenwärtigen Diskussionen um die Ansiedlung von Kernkraftwerken sieht Franz Busch mit gemischten Gefühlen: Einmal weiß er zu gut, was Umweltverschmutzung ist und wie auf diesem Gebiet im Zwang des schnellen Wiederaufbaus "geschludert" worden ist; zum anderen ärgert ihn die emotionale Voreingenommenheit uniformierter Protestler. "Da ist noch ein gewaltiges Stück Aufklärungsarbeit nötig", meint Busch.
    Nicht selten dauert der Arbeitstag des "Kumpel-Abgeordneten" zwölf Stunden: Morgens mal eben beim DGB-Kreis in Essen nach dem Rechten sehen, dann in den Landtag nach Düsseldorf, anschließend zum Bezirksvorstand der SPD, dem er ebenso angehört wie dem Unterbezirksvorstand in Essen. Wenn's dicke kommt", hat er noch Termine bei der Industrie- und Handelskammer (hier ist er Vorsitzender des Berufsbildungsausschusses) oder beim Landessozialgericht in Essen, dem er als Richter angehört. Schließlich nimmt auch der Vorsitz im Verwaltungsausschuß des Essener Arbeitsamtes ein gerüttelt Maß an Zeit in Anspruch.

    Dieter Bartel

    ID: LI762928

  • Porträt der Woche: Heinrich Schürmann (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 28 - 03.12.1976

    Heinrich Schürmann braucht keine Spickzettel, wenn es um seinen Wahlkreis 69 im Essener Süden, den einzigen Direktwahlkreis der CDU im Ruhrgebiet, geht. Zahlen kommen wie aus der Pistole geschossen: 127 450 Einwohner, 3 049 000 Quadratmeter Wasseroberfläche, 36,4 Kilometer lange Flußufer vom Stauwehr des Baldeneysees bis zur Grenze im Osten, sieben stillgelegte Schachtanlagen mit 3020 verlorenen Arbeitsplätzen und so weiter und so fort.
    Einen "Politiker vor Ort" nennt sich Heinrich Schürmann, einen "Praktiker, der gern sofort prüft, wie sich an der kommunalpolitischen Basis die Pläne der Theoretiker und die Beschlüsse der Gesetzgeber in die Tat umsetzen lassen". Seine Erfahrungen in der Gemeinde will er umgekehrt wieder dem Landtag nutzbar machen. Von daher versteht es sich von selbst, daß der Essener nicht nur Landtagsabgeordneter (seit 1966), sondern auch Ratsherr (seit 1961) ist.
    In den ersten Jahren seiner Tätigkeit als Abgeordneter ist Heinrich Schürmann als "König der kleinen Anfragen" bekanntgeworden. Er zählte sie nicht, aber gut 100 hat er an die Landesregierung gerichtet und sich mit diesem parlamentarischen Mittel für seinen Wahlkreis eingesetzt, der mitten im schnell gewachsenen Revier Traditionen bewahrt, wofür die Werdener Abtei, Haus Heisingen, Haus Schuir, die Ruine Altendorf, aber auch die Villa Hügel sprechen.
    In Frageform argumentierte er gegen den weiteren Ausbau des Flugplatzes Essen-Mülheim, für eine Neuorientierung der Wohnungsbaupolitik an individuelleren Bedürfnissen, für zusätzliche S-Bahnhöfe im grünen Süden seiner Heimatstadt, um nur einige Schwerpunkte zu nennen. Er setzte sich dafür ein, die immer noch schöne Landschaft an der Ruhr für die Naherholung der Bevölkerung zu sichern. Auf eigene Kosten bestellte er ein Gutachten, wie 1,4 Millionen Quadratmeter Ruhrwiesen, die durch Bergsenkungen sumpfig geworden sind, wieder als Grün- und Freizeitflächen genutzt werden können.
    In seiner geräumigen Aktentasche trägt Schürmann Skizzen und Lagepläne mit Vorschlägen, wie ehemaliges Zechengelände zu wohnlichen Stadtvierteln umgestaltet werden kann. Manches ist durch seine Initiative bereits in die Tat umgesetzt worden.
    Heinrich Schürmann wohnt in Heisingen, nahe dem Haus, in dem er am 2. Oktober 1922 geboren wurde. Er stammt aus einer alten Bergmannsfamilie. Der gelernte Kaufmannsgehilfe ging 1946 in die Wohnungswirtschaft. 1968 wurde er Abteilungsleiter einer großen Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft. Er ist Mitglied der Christlichen Gewerkschaften, des Kirchenvorstandes St. Georg, Ehrenvorsitzender der Deutschen Jugendkraft Heisingen und derzeit amtierender Schützenkönig.
    Heinrich Schürmann gehört im Landtag dem Ausschuß für Kommunalpolitik, Wohnungs- und Städtebau sowie dem Ausschuß für Grubensicherheit an. Der ehemalige Kommandant eines Minenräumbootes im Eismeer kann von der Seefahrt nicht lassen. Nach Reserveübungen wurde er 1975 Kapitänleutnant. Auf dem Baldeneysee würde er gern segeln. Aber ein Boot hat er sich nicht angeschafft. Die Begründung ist typisch für Heinrich Schürmann: "Nachher heißt es, ich setzte mich aus egoistischen Motiven für das Erholungsgebiet entlang der Ruhr ein."
    Seine beiden Söhne spielen in einer Band. Moderne Musik. "Da komm' ich nicht mehr mit", sagt der Vater. Er greift in die Saiten seiner Gitarre und singt Volkslieder, die er aus der Jugendbewegung kennt. Und Shanties natürlich.
    Gerd Goch

    ID: LI76282F

  • Porträt der Woche: Kurt Nowack (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 27 - 29.11.1976

    Zu bundesweiter Bekanntheit verhalf dem eher unauffälligen Sozialdemokraten Kurt Nowack der letzte Bundestagswahlkampf. Unter dem Stichwort "Filzokratie" hatte CDU-Generalsekretär Biedenkopf den 54jährigen IG-Bergbau-Sekretär als ein Musterbeispiel für angebliche parteipolitische Indoktrination der Gewerkschaften dokumentarisch erfaßt. Dem Essener Sozialdemokraten mit dem guten Ruhrgebietsnamen ist solch unverhoffter Ruhm, wenn auch unwillkommen, so doch nicht peinlich. Denn Nowacks "Filz", und dessen rühmt er sich in aller Bescheidenheit, besteht aus einer Vielzahl zwischenmenschlicher Beziehungen und "guter persönlicher Kontakte" zu seinen Wählern im Wahlkreis Essen-Altenessen. Es gibt dort kaum einen Verein, kaum eine Organisation, deren Mitglied er nicht ist oder zu denen er nicht irgendwelche Beziehungen pflegt.
    Auf solcher Vertrauensbasis wachsen Wahlsiege. Im vorigen Jahr zog Nowack mit 66,5 Prozent der Erststimmen direkt in den Landtag, legte 1,2 Prozent gegenüber 1970 drauf und hat damit den sichersten SPD-Wahlkreis im ganzen Lande.
    Sein politisches Engagement ist dennoch ganz und gar unprätentiös. Es hat sich, wie er selbst sagt, eher "zufällig" so ergeben, daß er dort ist, wo er ist. Und das hat Nowack freilich einer besonders in der SPD hochgeschätzten Eigenschaft zu verdanken: Er steht zur Verfügung. "Überall, wo ich dabei bin, habe ich, wenn nötig, Verantwortung übernommen, weil ich meine, daß das Wesen unserer Demokratie darin besteht, nicht auf irgendwen zu warten, sondern selbst aktiv zu werden." Diese Polit-Philosophie, die für ehrgeiziges Karriere-Denken keinen Raum läßt, hat sich bewährt. Sie ist auch ein Merkmal der Politiker-Familie Nowack. Frau Nowack: SPD-Fraktionssprecherin einer Essener Bezirksvertretung, Sohn: jüngstes Ratsmitglied in Essen. Die Partei machte Nowack zum stellvertretenden Vorsitzenden des Unterbezirks Essen.
    Der Politiker, seit 1947 Sozialdemokrat, seit 1945 Gewerkschafter, ist wohl auch so etwas wie ein "Generalist". Er gibt sich im Verkehrsausschuß und im Petitionsausschuß des Landtags zwar mit einer Fülle von Einzelfragen und Detailproblemen ab, aber er legt Wert darauf zu wissen, "wo's lang geht". Und dann ist es auch "ein wohltuendes Gefühl festzustellen, daß man zu Rande kommt".
    Nowack kommt auch als Gewerkschaftssekretär beim IG-Bergbau-Hauptvorstand "zu Rande". Dort ficht er in der Landesrechtsschutzstelle mit drei Kollegen die Ansprüche von Bergleuten auf Rente oder Krankengeld vor den Sozialgerichten durch: 20 bis 22 Millionen DM jährlich werden da erstritten. Die Probleme des Bergmanns kennt Nowack aus eigener Erfahrung: 1945 wurde er zum Bergbau dienstverpflichtet. Und Betriebsrat war er auch. Später, in den fünfziger Jahren, waren im Altenessener Bergbau 20 000 Kumpels beschäftigt. Heute hat der Stadtteil keinen einzigen Pütt mehr. Notwendige Veränderungen nimmt Nowack jedoch gelassen und anpassungsfähig hin. Und doch fühlt er sich ein bißchen strapaziert von Beruf und Mandat. Und er vermißt Bewegung, die er als Sportler früher suchte und fand. Zuweilen aber wandert Nowack samt Frau über Land, schwimmt oder liest Bücher über Grundsätzliches. Wer einen sucht, der auf dem Weg der "Demokratie von unten" fast beiläufig nach oben gekommen ist, Nowack wäre einer.
    Bernd Kleffner

    ID: LI762723

  • Porträt der Woche: Heinz Siekmann (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 26 - 15.11.1976

    Für Heinz Siekmann ist das Wort von der Bürgernähe keine Floskel, keine billige Effekthascherei. Daß Landespolitik mehr als eine anonyme Gesetzgebungsmaschinerie ist, beweist der 49jährige CDU-Landtagsabgeordnete aus dem westfälischen Hamm tagtäglich. Im Petitionsausschuß des Landtags setzt er sich mit den Eingaben, Bitten und Beschwerden vieler Bürger auseinander. Dabei ist der Schutz vor Behördenwillkür ein besonders wichtiges Kapitel für Siekmann: "Wo der sogenannte kleine Mann das Paragraphengestrüpp nicht mehr durchschauen kann, wo die Kommunen oder der Staat sich über gesetzliche Bestimmungen hinwegsetzen, muß es eine Instanz geben, die dem Bürger zu seinem Recht verhilft. Auf diesem Gebiet leistet der Petitionsausschuß Vorbildliches."
    "Politik ist Dienstleistung für unsere Mitmenschen." Dieser Maxime ist Siekmann stets treu geblieben. Als Kommunal- und Landespolitiker. Sein politischer Werdegang begann 1954: Damals trat er der Union bei, machte schnell auf seine Fähigkeiten aufmerksam und wurde bereits 1956 in den Rat der Stadt Hamm gewählt, dem Siekmann bis zum Mandatsverzicht zur Vermeidung von Ämterhäufung bis Ende Mai 1975 angehörte.
    In den fast zwanzig Jahren Kommunalpolitik sammelte der CDU- Politiker, zuletzt Vorsitzender des Bauausschusses und des Kreispolizeibeirats, die Erfahrungen, die seine Partei bewogen, ihn bei der Landtagswahl 1970 "ins Rennen" zu schicken. Und seine Politik für den Bürger honorierte der Bürger erneut: Mit 49,4 Prozent der abgegebenen Stimmen wurde er erstmals direkt in das NRW-Parlament gewählt — und gewann damit für die CDU einen "roten" Wahlkreis zurück. 1975 gaben die Hammer Wähler ihm zum zweiten Male den Auftrag, ihre Interessen in Düsseldorf zu vertreten. Mit welcher Wirksamkeit und welchem Engagement er das tut, davon überzeugen sich viele Besucher aus dem Wahlkreis in der Landeshauptstadt selbst. In der Information von bisher über 7000 Schülern, Studenten, Lehrlingen, Berufstätigen und älteren Menschen, die durch seine Vermittlung den Landtag besuchten, sieht Siekmann eine nicht zu unterschätzende Aufgabe des Landtagsabgeordneten. "Wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, Politik am grünen Tisch zu machen, dann müssen wir ständig das Gespräch mit dem Bürger suchen." So die praktizierte Devise des CDU-MdL aus Hamm. Petitionen und Bürgerkontakte sind weite, aber bei weitem nicht die einzigen Felder in der politischen Tätigkeit von Heinz Siekmann, der auch Mitglied im Ausschuß für Grubensicherheit ist. Neben der Sorge um die Sicherheit der Bergleute an ihren Arbeitsplätzen über und unter Tage geht es ihm um die soziale und wirtschaftliche Zukunftssicherung angesichts der "immer noch zu hohen Arbeitslosigkeit", um bessere Ausbildungschancen in Schule und Beruf sowie um die entschlossene Bekämpfung von Kriminalität und Gewalt.
    Obwohl die Landespolitik für ihn ein "full-time Job" ist, steht Heinz Siekmann, im "Zweitberuf" freier Journalist, auch im vorpolitischen Raum seinen Mann. Zum Beispiel öffnet ihm das Amt des Vizepräsidenten der Landesverkehrswacht Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit, aktiv für mehr Verkehrssicherheit einzutreten. Oder ein anderes Beispiel: Als Mitglied im Gefängnisbeirat der Justizvollzugsanstalt Hamm wird er unmittelbar mit den Problemen der Strafgefangenen konfrontiert, aus deren Kreisen ihn wiederum viele Petitionen erreichen. Politik und Ehrenämter sind für den CDU-Abgeordneten untrennbar miteinander verbunden, kosten viel Zeit, Kraft und Nerven. Aber auf diesen Streß will Siekmann nicht verzichten, denn "der Bürger erwartet zu Recht, daß der Parlamentarier den Wählerauftrag ernst nimmt".

    Marion Vilmar

    ID: LI762624

  • Porträt der Woche: Klaus Lantermann (F.D.P.)
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 25 - 05.11.1976

    "Ich mag keinen, an dem ich kein Tau festmachen kann!" hatte dem einzigen Niederrhein-Abgeordneten der F.P.D.-Landtagsfraktion einmal sein Amtsvorgänger in Partei und Parlament, der Reeder Egon Ramms, mit auf den Weg gegeben. Klaus Lantermann, der wenig von Schiffen, aber um so mehr von Wasserwirtschaft versteht, hat sich dennoch die Lebensweisheit aus der Schifferzunft zu eigen gemacht. Angehöriger einer anderen Generation als Ramms und auch von einem anderen liberalen Selbstverständnis, hat sich der im Revier geborene Betriebswirt und gelernte Industriekaufmann mit Zähigkeit und Fleiß hochgearbeitet.
    Lantermann ist kein Himmelsstürmer und es ist ihm nichts in den Schoß gefallen, weder im Beruf noch in der Politik. Wenn er sich dennoch hochgearbeitet hat, im Beruf zunächst mit Abendkursen an der Wirtschafts- und Verwaltungsakademie in Essen und Oberhausen und in der Partei mit der "Ochsentour", die weder Plakatkleben und Flugblätterverteilen noch diverse Ämter, vom Schriftführer in der Ortspartei über den Schatzmeister im Kreisverband bis zum Kreis- und Bezirksvorsitzenden und damit Landesvorstandsmitglied ausläßt, dann verrät das ebenso ungebrochenes Selbstbewußtsein wie Politik mit Augenmaß.
    In die Politik gelangte Lantermann übrigens weder durch ein politisches Elternhaus noch durch ein Vorbild in irgendeiner Jugendorganisation. Den Anstoß zur politischen Aktivität erhielt der rastlos Suchende des Jahrgangs 1933, der sich im Kampf gegen Wiederbewaffnung und Atomtod zunächst den Ideen Martin Niemoellers verschrieben hatte, durch ein Schlüsselerlebnis: die Spiegel-Affäre. Der Rücktritt der F.D.P.-Minister in Bonn und die unvergessene Rede Wolfgang Dörings im Bundestag veranlaßten Klaus Lantermann Ende 1962 zu ganz persönlichem Handeln. Er machte sich auf zur Kreisgeschäftsstelle der F.D.P. in Wesel, jener Stadt, die er aus beruflichen Gründen inzwischen mit seinem Geburtsort Mülheim a. d. Ruhr vertauscht hatte, bat um Informationsmaterial und trat bald darauf in die liberale Partei ein.
    1964 war der liberale Parteinovize des Jahres 1962 bereits F.D.P.-Ratsherr in Wesel. Acht Jahre später versuchte er, wenn auch auf aussichtsloser Position ohne Absicherung auf der Landesliste, den Sprung in den Landtag und 1975 schaffte er auch die Landeslistenabsicherung auf Platz zwölf und damit den Einzug in das Parlament. In einer "Rollschuhfraktion", die wegen ihrer zahlenmäßig geringen Stärke von allen Fraktionsmitgliedern parlamentarische Arbeit auf Höchsttouren verlangte, fiel es Lantermann nicht schwer, außer der Wasserwirtschaft auch die gesamte Landwirtschaft und die Energiewirtschaft abzudecken. Daß auch Landesplanung zu seinem Interessengebiet zählt, gebietet sich für den Niederrheiner angesichts der Zukunftspläne für diesen Landstrich und die Rheinschiene fast von selbst.
    Als Vorsitzender eines Kreisverbandes von rund tausend Mitgliedern fehlt es Lantermann auch nicht an dem notwendigen politischen und persönlichen Selbstbewußtsein. Wer seine persönlichen Grenzen und die seines parlamentarischen Mandats realistisch einschätzt, hat die Chance, weiterzukommen, jedenfalls eine größere Chance als politische Träumer. Der Landtagsabgeordnete Klaus Lantermann, dessen parlamentarische Arbeit das Attribut "mannschaftsdienstlich" verdient, auch wenn er in der Sache und intern bis zum "Fetzenfliegen" diskutiert, repräsentiert eine F.D.P., die sich nicht nur als parlamentarisches Hilfsorgan einer sozial-liberalen Koalition, sondern auch als parlamentarisches Kontrollorgan versteht — und sei es im Notfall auch gegen die eigenen Minister.
    Karl Fischer

    ID: LI762528

  • Porträt der Woche: Reinhard Wilmbusse (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 24 - 02.11.1976

    Seinem 17jährigen Sohn riet der SPD-Landtagsabgeordnete Reinhard Wilmbusse: "Geh nicht jetzt in die Partei. Dann bist du zu früh gebunden." Beim ersten Hinhören sicher ein ungewöhnlicher Ratschlag eines Politikers und überzeugten Sozialdemokraten. Näher betrachtet, ist dies jedoch keine väterliche Empfehlung gegen die Politik und die SPD, sondern eher für sie. Denn das politische Credo des waschechten "Herdbuch-Lippers" kann seine Ursprünge aus der Bergpredigt, dem elterlichen Arbeiterhaushalt und der teilweise traditionell "links" geprägten Landschaft des Lippe-Landes nicht verleugnen.
    Wenn Reinhard Wilmbusse bedächtig, Wort für Wort abwägend und sich selbst immer wieder kritisch korrigierend seinen Werdegang schildert, dann weiß man: "Das ist kein Mann übereilter Entschlüsse, emotionsgeladener Glaubensbekenntnisse, sondern er findet sich erst in reiflich überlegten Überzeugungen wieder, die er als Bürgermeister in Lemgo vor Ort und als Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag durchsetzen will." Spät — erst 1965 — trat er in die SPD ein, um zu helfen, daß "das durch die Unions-Regierungen verkrustete Gesellschaftssystem im positiven Sinn aufgelöst wird". Diesem, aus seiner evangelisch-christlichen Haltung geborenen Schritt folgte eine Blitzkarriere in der Partei.
    Nach der Mitarbeit in verschiedenen Ausschüssen und in der Kommunalpolitik gelangte Wilmbusse bereits 1971 auf dem Stuhl des Lemgoer Bürgermeisters. Skeptisch kam er als Neuling zu Beginn dieser Legislaturperiode in die Landeshauptstadt, um hier auf der höchsten landespolitischen Ebene zwei Schwerpunkte vor Ort gewonnener Einsichten zu verwirklichen: Die Reform der Gemeindeverfassung, bei der auch lieb gewordene Amter in Frage gestellt und die Kommunalparlamente gegenüber den Verwaltungen vor allem durch verbesserte Kontrollen verstärkt werden sollten. Nicht von ungefähr kommt der auch privat-berufliche bedingte Wunsch, die Rechtsberatung vor allem für Minderbemittelte, die immer noch häufig durch den "Rost der Gesellschaft" fallen, zu verbessern. In der SPD-Landtagsfraktion leitet Wilmbusse, von Beruf Rechtspfleger, den justizpolitischen Arbeitskreis.
    Der manchmal auch im Haus am Düsseldorfer Schwanenspiegel zu spürenden Arroganz von Großstädtern ("wer kennt schon Lemgo?") setzt Wilmbusse nicht nur die auch durch seinen persönlichen Einsatz zustande gekommenen SPD-Erfolge in seinem ländlich geprägten Wahlbezirk entgegen, sondern vor allem eine einfache politische Formel. Dort an der niedersächsischen Grenze, wo sich scheinbar "die Füchse gute Nacht sagen", geht er für seine Sache mit dem Gespür für das Machbare und Notwendige unter die Leute und schafft für Abhilfe. Genannt seien hier die Probleme der industriellen, kulturellen und sozialen Unterversorgung im Lipperland, das sich durch eine überproportionale Arbeitslosigkeit "auszeichnet".
    Daß Reinhard Wilmbusse dadurch früh- und rechtzeitig wichtige politische Vorentscheidungen treffen kann, zeigt ein Beispiel. Als in der 40 000 Einwohner zählenden Stadt Lemgo vor einiger Zeit 1000 Arbeitsplätze durch Betriebsschließungen verlorengingen, hatte der Stadtrat bereits vorgesorgt. Ein neues Industriezentrum der Stadt gab 1000 Arbeitskräften eine neue Beschäftigung. Apropos: Wilmbusses Sohn trat, wie die gesamte Familie, entgegen dem väterlichen Rat in die SPD ein.
    Martin O. Schmuck

    ID: LI76241F

  • Porträt der: Woche Hans Paumen (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 23 - 18.10.1976

    Die ersten Kontakte zur Politik fand Hans Paumen schon in den Kindesjahren — zu einer Zeit, wo von Demokratie und Mitverantwortung der Bürger nur im kleinen Kreis und hinter verschlossenen Türen gesprochen werden konnte. Als dann nach Kriegsende die demokratischen Parteien wiedererstanden, schloß sich Paumen schon als Achtzehnjähriger der CDU an. Mit viel persönlichem Engagement führte der heutige Landtagsabgeordnete zwölf Jahre lang die Junge Union seiner Heimatstadt Düsseldorf, übrigens den damals mitgliederstärksten Kreisverband der Bundesrepublik.
    Unverändert geblieben ist dabei bis heute sein Anliegen, die jungen Menschen zur aktiven Mitarbeit in unserem Staat zu gewinnen. So diskutiert der 1970 und 1975 direkt gewählte Abgeordnete an zahlreichen Abenden und Wochenenden mit Jugendlichen in Vereinen und Verbänden.
    Dabei ist auch die von den Politikern "wiederentdeckte" Sparsamkeit ein Hauptgesprächsthema. Paumen hatte bereits im Wahlkampf 1970 seinen Wählern versprochen, sich für eine sparsame Haushaltspolitik einzusetzen. Eingedenk dieses Versprechens scheute er sich auch nicht vor heißen Eisen. Oberste Grenze für die Gesamthöhe der staatlichen Ausgaben muß nach Paumens Auffassung die Belastungsfähigkeit der Wirtschaft und des Steuerzahlers sein.
    Seine Fraktion entsandte den jetzt 47jährigen Düsseldorfer Abgeordneten in den Haushalts- und Finanzausschuß und in dessen Arbeitsgruppe "Personalbedarf und Stellenpläne". Die fünf Abgeordneten dieser Arbeitsgruppe erhielten im vorigen Jahr vom Bund der Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen für ihre Tätigkeit als "Sparkommissare den "Eisernen Steuergroschen".
    Außerdem gehört Paumen dem Rechnungsprüfungsausschuß an und wurde von seiner Fraktion in diesem Jahr zu ihrem Obmann in diesem Ausschuß gewählt. Die öffentliche Verwaltung kennt Paumen als Beamter aus eigener Anschauung.
    Paumen tritt besonders für die Einsparung konsumtiver zugunsten investiver Ausgaben ein. Alle neuen Aufgaben der öffentlichen Hand und Gesetzesvorlagen müssen nach seiner Meinung einer Kosten- und Nutzenprüfung unterzogen werden. Darüber hinaus sollten alle Finanzhilfen des Landes ständig auf ihre Notwendigkeit im öffentlichen Interesse geprüft und gegebenenfalls eingestellt werden.
    Nicht zuletzt aufgrund seines frühen politischen Interesses bemüht sich der CDU-Abgeordnete darum, interessierten Bürgern seines Wahlkreises Einblick in die Tätigkeit des Landesparlamentes zu vermitteln. So gründete er beispielsweise einen Arbeitskreis "Landeshaushalt". Bei den Beratungen dort versucht Paumen die schwierige und oft "trockene" Thematik verständlich zu machen und gewinnt andererseits viele Anregungen für seine parlamentarische Tätigkeit. Der Abgeordnete dazu: "Auf diese Weise wird die Bereitschaft des Wählers gefördert, politische Entscheidungen zu beeinflussen und mitzutragen, zumindest aber mehr Verständnis für Möglichkeiten und Grenzen politischen Wirkens zu erlangen." Schließlich lebe die Demokratie von der Zuneigung ihrer Bürger.
    Es ist viel, was sich der CDU-Abgeordnete zur Aufgabe gemacht hat: den mündigen Bürger. Und so bleibt wenig Zeit für seine Familie, Frau und drei Kinder.
    Jochen Jurettko

    ID: LI762326

  • Porträt der Woche: Hans Reymann (SPD).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 22 - 08.10.1976

    Hans Reymann gehört zu den Abgeordneten, die die Kunst der freien Rede beherrschen. Das sind so viele nicht. Wenn es gilt, eine Sache zu verteidigen, die ihm am Herzen liegt, dann meldet er sich spontan zu Wort, läßt die Zettel in der Tasche und setzt sich mit seinen Vorrednern engagiert auseinander. Dabei ist er schlagfertig und nicht ohne Witz. Reymann wirkt immer irgendwie frisch und sportlich, obwohl ihm für Sport — "gelegentlich Schwimmen, und dann hab' ich ein Paddelboot" — kaum Zeit bleibt.
    Ich habe den Gewerkschafter Reymann einmal in einer Versammlung von Einzelhändlern erlebt, die ihm gewiß nicht freundlich gesonnen waren. Er verlor nicht einen Augenblick die Haltung. Reymanns Engagement ist immer durch Fairneß gezügelt. Auch richtet es sich nicht auf Abstraktes. Er ist kein Ideologe. Aber für den Einzelfall, für den Kriegsversehrten aus dem Wahlkreis oder für den Rentner, der mit seiner Versicherung nicht klarkommt, legt er sich voll ins Zeug. Man könnte das idealistischen Pragmatismus nennen.
    Wer in ihm nur den Funktionär und Sozialpolitiker sieht, geprägt durch DGB-Ämter und Referatsarbeit im SPD-Parteivorstand, der kennt nur einen Pol seines Wesens. Der andere ist der Bereich der Bildung. Reymann ist ein wißbegieriger Mensch. Auch im Urlaub plätschert er nicht an flachen Stränden, sondern sucht die unbekannten Ecken und Flecken eines fremden Landes. Dabei drängt es ihn, Wissen nicht nur aufzunehmen, sondern auch weiterzugeben. Schon als blutjunger Kriegsgefangener in Wilton-Park, dem Krieg als Pionier entronnen, entwarf er Bildungsprogramme.
    Das Abitur "baute" er auf einem Abendgymnasium. Tagsüber war er Betonbauer-Lehrling. Und wenn er vom anschließenden wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Studium in Hamburg spricht und von den Jahren danach in der Bonner "Baracke", von den Diskussionen mit Schelsky, Ortlieb, Lohmar, auch mit Fritz Erler und Herbert Wehner, dann leuchten heute noch seine dunklen Augen. Seine Frau ist Lehrerin — ein Zufall?
    Das Gespräch springt immer wieder zurück zum Elternhaus in Düsseldorf — "nicht wohlhabend, aber Mittelstand" — und besonders zum verehrten Vater. Er hatte noch bei der Reichstagswahl im März 1933 die Rote Fahne mit den drei Pfeilen zu hissen gewagt — und dann kamen die SA-Rollkommandos.
    Dies ist eine der frühesten Kindheitseindrücke von Hans Reymann, Jahrgang 1925. Er spricht aber auch von den menschlichen Konflikten, die für einen Jungen entstehen konnten, der damals politisch mit seinen Altersgenossen nicht konform war und der außerhalb der "Staatsjugend" stand. Hans Reymann spricht davon unpathetisch und ohne nachträgliche Heldenpose.
    Er war schon einmal von 1966 bis 1970 im Landtag. Im Wahlkampf 1970 unterlag er. Daß er damals auch einige tausend Mark, die er aus eigener Tasche im Wahlkampf zugeschossen hatte, in den Rauch schreiben konnte, muß man aus ihm herausfragen.
    Bei der Landtagswahl 1975 schaffte er es dann mit absoluter Mehrheit im Düsseldorfer Wahlkreis 47. Die SPD-Fraktion machte ihn zum Vorsitzenden ihres Arbeitskreises für Arbeit und Soziales; gleichzeitig wurde er Mitglied des entsprechenden Landtagsausschusses. Außerdem gehört er dem Rechnungsprüfungsausschuß an. Außerhalb des Parlaments gehört die Arbeitskraft Reymanns unverändert den Gewerkschaften und der Sozialarbeit. Dazu gehört auch sein Posten als Vorstandsvorsitzender (im jährlichen Wechsel mit den Arbeitgebern) der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, die es mit fast drei Millionen Versicherten zu tun hat.
    Wolfram Köhler

    ID: LI762221

  • Porträt der Woche: Professor Dr. Heinrich Rosenbaum (CDU).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 21 - 24.09.1976

    Seine Vorliebe gilt einem Bereich der Politik, von dem nicht wenige behaupten, man könne ihn kaum einer breiteren Öffentlichkeit verständlich oder gar schmackhaft machen. Der CDU-Abgeordnete Professor Dr. Heinrich Rosenbaum ist da aber anderer Ansicht und spricht von Landesplanung und Landesentwicklung so bildhaft, daß man eher an ein appetitliches Gericht als an einen unverdaulichen Happen denkt. Damit hat der 46jährige, der bis zu seiner Wahl als Abgeordneter des Wahlkreises 136 (Höxter) Dozent an der Gesamthochschule Paderborn war, bereits einen beabsichtigten Effekt erzielt. Landesplanung und Landesentwicklung sollten auch von der Öffentlichkeit als entscheidende politische Vorhaben begriffen werden, weil sie wichtige Faktoren für die Zukunft aller sind. Sie sollten deshalb nicht "untergebuttert" oder nur Fachleuten überlassen werden dürfen.
    Rosenbaums Engagement in dieser Frage ist zum Teil damit zu erklären, daß er als Bürgermeister seiner Geburtsstadt Höxter zwangsläufig darauf achtet, daß bei allen landespolitischen Entwicklungen die Interessen der Kommunen beachtet werden. Denn auch in seinen Beruf hat er sich diesen Fragen gewidmet. Daß er sich damit schon kurz nach dem Start der neuen Legislative einen Ruf als Fachmann erworben hat, scheint ihm eher lästig als willkommen zu sein, weil damit Festlegungen verbunden sind, die andere Qualitäten überdecken könnten.
    Professor Dr. Rosenbaum, der schon als Pennäler in die CDU eintrat, dann nach dem Abitur eine Banklehre absolvierte und nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften sein Diplom als Volkswirt machte, brauchte diese anderen Qualitäten freilich nie hervorzukehren, besonders nicht in dieser achten Legislaturperiode. Denn schon einmal, nämlich von 1966 bis 1970, war er Mitglied des Landtags, in den er jetzt mit einem der höchsten Ergebnisse aller Wahlkreise als "erfahrener Neuling" zurückkehrte. Die Praxis als Fachhochschullehrer erschloß ihm ein neues politisches Betätigungsfeld innerhalb des Landtages, seine als Bürgermeister gesammelten Erfahrungen ein weiteres. Im Ausschuß für Wissenschaft und Forschung, der angesichts der Entwicklungen und Probleme in der Bildungspolitik keineswegs über mangelnde Beschäftigung klagen kann, sieht der Praktiker die reizvolle Aufgabe, als Gegengewicht zu den Theoretikern zu fungieren und jene Grundsätze zu verwirklichen, zu denen er sich durch seine Zugehörigkeit zur CDU bekennt.
    Ein weiteres Betätigungsfeld hat der CDU-Abgeordnete im Petitionsausschuß gefunden, wo er die Möglichkeit sieht, Menschen zu helfen, die mit der sogenannten Obrigkeit nicht zurechtkommen. Ein Politiker brauche eigentlich viel mehrZeit, stellt er mit einem Unterton von Bedauern fest, weil sich dann mehr bewirken, mehr erreichen ließe. Beispielsweise für die Kommunen, deren weitere Entwicklung entscheidend davon abhängen könne, wie noch notwendige Gesetze des Landes formuliert werden.
    Vorstellungen, wie etwa die Landesbauordnung und die Gemeindeordnung zu ändern wären, hat Dr. Rosenbaum genug. Viele formuliert er während der Bahnfahrten zwischen Höxter und Düsseldorf, die ihm auch Gelegenheit für die umfangreiche Korrespondenz bieten, die jeder Abgeordnete zu bewältigen hat. Daß er sich auch mehr Zeit für seine drei Kinder und seine Frau wünschte, deutet er bestenfalls an. Schließlich habe er sich für die Politik entschieden und damit freiwillig mehr Belastungen auf sich genommen als in einem normalen Beruf.
    Klaus Simson

    ID: LI762131

  • Porträt der Woche: Wilhelm Pohlmann (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 20 - 12.07.1976

    Auf das Löschen von Bränden versteht sich Wilhelm Pohlmann im doppelten Sinne und ganz professionell auf das Beste. Der 48jährige SPD-Landtagsabgeordnete, zur Zeit Chef a. D. der Herner Berufsfeuerwehr, ist auch politisch eine Art Brandamtmann. Seine Freunde, die den soliden Westfalen kurz Willi nennen, rühmen Pohlmanns ausgleichendes, zur Sanftmut im Umgang miteinander leise, aber bestimmend drängendes Temperament.
    Dabei ist Pohlmann, Sozialdemokrat seit 30 Jahren, von jener eigentümlichen warmherzig-spröden Ruhrgebietsart, die in der Politik mancher als Mangel mißversteht, obwohl es sich doch eher um Manger handelt. Er findet denn auch die Arbeit im Landesparlament, dem er seit 1970 angehört, "manchmal frustrierend". Und lustig, wie er gerne ist nach eigenem Eingeständnis, möchte er dennoch "nicht auf wer weiß wieviel Hochzeiten tanzen".
    Der gelernte Kaufmann, spatere Stahlbauschlosser, Feuerwehrmann, übernimmt sich folglich in seiner Abgeordnetentätigkeit nicht, obwohl er "lieber mehr machen möchte". Das erhöht die Effizienz. Zumal Pohlmann längst erkannt hat: "Als Geschaftelhuber hier herumzulaufen, das bringt nichts." Dieser Ökonomie der Unaufdringlichkeit ist Pohlmann auch in seiner Parteiarbeit treu. Eben deshalb hat er kein kommunalpolitisches Mandat angestrebt, obwohl er Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Herne ist, Mitglied des Bezirksvorstands Westliches Westfalen und des Innenausschusses beim Bonner Parteivorstand.
    Gleichwohl ist Pohlmanns Einbindung in die "Basis" für ihn tragendes Element. Es sei zwar "kein persönlicher Erfolg" gewesen, spielt er herunter, daß er sein Landtägswahlergebnis im vorigen Jahr gegenüber 1970 noch einmal und auf über 60 Prozent steigern konnte, aber ein Spiegel seiner Popularität an der Emscher ist es wohl doch. Und dabei fühlt sich Pohlmann "links von der Mitte und manchmal sicher linkser als die Linken", Godesberg freilich fest unter den Füßen.
    Als Mitglied im Innen- und im Verkehrsausschuß des Landtags liegen Willi Pohlmann gegenwärtig Fragen des Katastrophenschutzes, der inneren Sicherheit und insbesondere die Dauerbrennerproblematik des defizitären öffentlichen Nahverkehrs am Herzen. Das Problem etwa, wie der Nahverkehr aus den roten Zahlen gebracht werden könne, ohne daß gleichzeitig sein sozialer Aspekt geschmälert werde, ist für Pohlmann schlicht die "Gretchenfrage". Er setzt dabei auf mehr Hilfe des Landes und weiteres "vernünftiges Rationalisieren"; von einer Privatisierung kommunaler Einrichtungen und Leistungen hält er nichts. Im neuen Katastrophenschutzgesetz, das die Befehls- und Einsatzkompetenzen strafft und damit mehr Schutz verspricht, sieht Pohlmann schon fast das Ideal ebenso wie im Entwurf eines ländereinheitlichen Polizeigesetzes, das eine "gute Lösung" darstelle.
    Vater Willi Pohlmann — ein studierender Sohn, eine Tochter, die, wie man so sagt, das Bankfach eingeschlagen hat — findet für seine kleinen Feierabendvergnügen wenig Zeit. Wandern mit seiner Frau, Tischtennis, Skat, früher auch Fußball machen ihm wie die Politik Spaß, und zuweilen kommt er auch dazu. Nebenbei ist der Pohlbürger, wie man in Westfalen einen gestandenen, heimatverbundenen Mann nennt, Pohlmann auch Mitglied von zwei Herner Fußballvereinen und einem Billardclub. Aber der Mathematikerstil des Billardspielers, der dürr-nüchtern die beste Kombination für die nächste Karambolage ausspäht, liegt Pohlmann nicht. Als einem "Mann des Ausgleichs" und Optimisten sind ihm Zusammenstöße eigentlich zuwider.
    Bernd Kleffner

    ID: LI762002

  • Porträt der Woche: Dr. Heinrich Pohlmeier (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 19 - 02.07.1976

    Er kam eher zufällig in die Politik, als seine berufliche Karriere bereits abgeschlossen war. "Nachbarn und Freunde" baten um das Engagement des damals 42 Jahre alten Studienrats Dr. Heinrich Pohlmeier aus Büren bei Paderborn. Und eh sich der zurückhaltende Westfale versah, saß er bereits im Rat seiner Heimatstadt und wurde Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Büren. Natürlich war diese politische "Blitzkarriere" nur möglich, weil die Heimat des heute 53jährigen Studiendirektors als "schwärzester Wahlkreis" Nordrhein-Westfalens, als Hochburg der CDU gilt, in der bei der letzten Landtagswahl 73 Prozent aller Wähler für Pohlmeier stimmten, der seit 1970 ein Landtagsmandat hat.
    Nun liegt die Vermutung nahe, in dem weißhaarigen, leisen Pädagogen Pohlmeier, der bei Benno von Wiese in Bonn über die "Schöne Seele" in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts promovierte, einen typischen Vertreter jener angeblich so "heilen Welt" zu sehen, die meist nur im Vorurteil existiert. Doch waren es gerade die Konflikte im Leben des Westfalen, die Heinrich Pohlmeier dazu brachten, die Bitte seiner Freunde nicht zu überhören und seine Zeit außerhalb des Mauritius-Gymnasiums in Büren mit Politik zu füllen.
    Denn der "unkritische" kleine Hitlerjunge Pohlmeier, der nach seinem Notabitur 1941 als Soldat nach Rußland kam und unverletzt das Kriegsende erlebte, nennt noch heute diesen materiellen und geistigen Zusammenbruch "das bestimmende Erlebnis meines Lebens". Und längst bevor Unterrichtslinien dies vorschrieben, berichtete der Bürener Gymnasiallehrer für Deutsche Geschichte und Erdkunde seinen Schülern von dieser Vergangenheit, schilderte der ehemalige Fähnrich ihnen die Grauen der Diktatur und des Krieges, "um durch Erziehung dahin zu wirken, daß so etwas nie wieder geschieht".
    Als 1964 dann der langjährige Ortsvorsitzende der CDU Büren aus Altersgründen zurücktrat und Pohlmeier dieses Amt angetragen wurde, verstand es der Pädagoge als seine Pflicht, nicht "abseits" zu stehen.
    Dem neuen Vorsitzenden präsentierte sich eine "klassische Honoratioren-Partei", die Pohlmeier erst "öffnen" mußte — er sprach Arbeiter und Handwerker an und "holte die Leute in die CDU, wie ich selbst geholt worden war". Mit dieser Öffnung der Partei, deren Mitglieder damals zu zwei Dritteln Landwirte waren, verband sich auch die Änderung der wirtschaftlichen und räumlichen Strukturen seines westfälischen Heimatortes, der von 6000 auf 17 000 Einwohner wuchs.
    Es war fast selbstverständlich, daß der neue, erfolgreiche CDU-Vorsitzende, der 1967 den Kreisverband Büren übernahm und 1974 an die Spitze des Kreisverbandes Paderborn gewählt wurde, auch zur Stelle war, als Anton Volmert abtrat, der 23 Jahre lang den Wahlkreis 135 am Düsseldorfer "Schwanenspiegel" vertreten hatte. Pohlmeier kandidierte 1970 und verbesserte das Ergebnis seiner Partei um 8 Prozent auf 73 Prozent aller Stimmen, eine Traumzahl, die der Abgeordnete des Wahlkreises Büren-Warburg 1975 noch leicht steigern konnte.
    Freimütig gibt Pohlmeier zu, daß er "fast zwei Jahre" brauchte, bis er im Düsseldorfer Landtag "Durchblick" hatte. Und diesen Durchblick gewann er vor allem im Schulausschuß, wo der Pädagoge seine Sachkenntnisse in Politik ummünzte. Offenbar so erfolgreich, daß der einzige Gymnasiallehrer seiner Fraktion heute zu den bildungspolitischen Sprechern der CDU im Landtag gehört. Dabei kommt ihm das "Glück" zugute, der einzige aktive Lehrer im Parlament zu sein.
    Denn von der Inkompatibilität wurde Pohlmeier nicht berührt, weil er an einer Privatschule unterrichtet — übrigens auch seinen 16jährigen Sohn Andreas, der "überhaupt nicht daran denkt", in die Fußstapfen seines Vaters zu treten.

    Helmut Breuer

    ID: LI761909

  • Porträt der Woche: Silke Gerigk-Groht (F.D.P.)
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 18 - 28.06.1976

    Koketterie mit ihrem Status als jüngste Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag ist der inzwischen 28jährigen Silke Gerigk-Groht fremd. Manierierte Attitüden hat sie nicht nötig, denn als sie nach dem 4. Mai 1975 für die F.D.P. in das Parlament einzog, da hatte sie — die Behauptung sei gewagt — bereits inneraber auch außerhalb ihrer Partei mehr bewegt, als viele ihrer älteren Kollegen: das F.D.P.-Kirchenpapier, das wegen seiner radikalen Forderung nach strikter Trennung von Kirche und Staat monatelang Stoff für politische wie publizistische Kontroversen geliefert und angeblich sogar den Ausgang der bayerischen Landtagswahl mitbeeinflußt hatte, war im wesentlichen von ihr erdacht und geschrieben worden.
    Der gleichsam kometenhafte Aufstieg dieses Papiers von Jungdemokraten-Konferenzen über die F.D.P.-Bundeskommission bis zur Verabschiedung auf dem Bundesparteitag 1974 verdeutlichte, wie entscheidend eine politische Nachwuchsorganisation auf die "Mutterpartei" Einfluß nehmen kann — zwingende Konzeptionen vorausgesetzt.
    Spricht man sie heute wieder auf diesen Erfolg an, dann winkt die blonde Hauptschullehrerin ab: "Man kann sich nun doch nicht dauernd darauf ausruhen." Getreu dieser Devise ging sie im ersten Jahr ihrer Parlamentszugehörigkeit gleich in die vollen und hat somit wesentlichen Anteil daran, daß die jetzige F.D.P.-Fraktion quantitativ aber auch qualitativ die liberale Riege der letzten Legislaturperiode übertrifft.
    Mit klug durchdachten Beitragen in Plenardebatten vor allem zum General- und Dauerthema Schule verstärkte sie effizient die Koalitionsphalanx in der bildungspolitischen Kontroverse mit der CDU-Opposition. Gleichwohl machte sie auch dem sozialdemokratischen Kultusminister Girgensohn mit einer ausgefeilten Großen Anfrage zu schaffen, "um ihn zu zwingen, endlich vernünftige Daten über die Situation der Gesamtschule auf den Tisch zu legen".
    Daß sie bei allem sozial-liberalen Engagement vor Konflikten in der Koalition nicht zurückscheut, stellte sie erst dieser Tage wieder unter Beweis. Mit harter öffentlicher Kritik zog sie gegen ihrer Meinung nach nicht finanzierbare SPD-Vorstellungen zur Einführung des 10. Pflichtschuljahres und der generellen Berufsbildungspflicht zu Felde.
    Kritik an ihrer eigenen Partei kommt in dem Wunsch der attraktiven Liberalen zum Vorschein, im Landtagsplenum einmal eine grundlegende Rede zur Wirtschaftspolitik zu halten. "Da hat die F.D.P. noch Nachholbedarf." Gegenüber dem SPD- Koalitionspartner habe die Partei beim Ehescheidungsrecht, der Problematik des Paragraphen 218, der Auseinandersetzung um die Radikalenfrage und in der Rechtspolitik stets "klassische liberale Positionen gehalten". Demgegenüber laufe die F.D.P. in der Wirtschaftspolitik "unter dem Druck der Profilierung und dem Zwang, sich die Legitimation der Eigenständigkeit zuzulegen, Gefahr, ihre kritischen Positionen zu vergessen".
    Die von fast allen Parteien und Politikern beanspruchte "Mitte" sei kein Selbstzweck. "Mit Schubladen links, rechts, Mitte ist es nicht zu machen." Ein Liberaler müsse sich stets fragen, welches Instrumentarium für welches Ziel das richtige sei, "nicht aber, ob es in eine Schublade paßt" — und sei es die mittlere. Welche Parteifreunde die vielfach als "links" geltende Jungabgeordnete meint, sagt sie nicht; man kann es aber erraten. Und denen hält Frau Gerigk-Groht den Vorteil der kleinen F.D.P., die nicht Volkspartei sein will und kann, vor Augen: "Ein kritisches Potential in der Bevölkerung ansprechen; 90 Prozent vor den Kopf stoßen, aber die restlichen zehn Prozent hinter sich bringen."
    Christoph Lütgert

    ID: LI761805

  • Porträt der Woche: Friedrich Schreiber (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 17 - 21.06.1976

    Er hatte "schon aufgegeben" - damals, als er fünf Jahre auf Düsseldorfer Spitalstationen in Gips lag. Obwohl ein Hüft- und Knieschaden chronisch wurde, legte der Gerichtsreferendar mit neugewonnenem Lebensmut sein Assessorexamen ab. Bereits 1947 hatte das Knochenmarksleiden begonnen, Folge der Unterernährung und eines Unfalls.
    Friedrich Schreiber, 1934 in Kronstadt/Siebenbürgen geboren, siedelte 1952 mit den Eltern in die Bundesrepublik über. Seine persönlichen Erfahrungen mit langer Krankheit, Schmerzen, Ärzten und Operationen bringt er auf die politische Kurzformel: Das Gesundheitswesen muß reformiert, die Hierarchie der Ärzte abgebaut werden.
    Er merkt dies aber nur beiläufig an. Schreibers Hauptaufgaben im Parlament liegen nämlich im Justizausschuß, dessen stellvertretender Vorsitzender er ist, und im Petitionsausschuß. Gern hätte der Steuerfachmann auch im Haushalts- und Finanzausschuß einen Sitz erhalten. Doch zu diesem Gremium ist der Andrang allemal groß, kanalisiert es doch das Lebenselixier jeder praktischen Politik, den Geldstrom.
    "Neuling" Schreiber, der 1975 für den Wahlkreis Iserlohn-Land I in den Landtag einzog, steht aber auf der Liste der stellvertretenden Mitglieder dieses Ausschusses. Als Oberregierungsrat der Oberfinanzdirektion Münster führt er das für Abgeordnete, die aus dem öffentlichen Dienst kommen, obligatorische "a. D." hinter seinem Amtstitel.
    Nach Reifeprüfungen in Kronstadt und in Hausach/Schwarzwald (das Siebenbürger Abitur galt in der Bundesrepublik nicht) entwickelten sich Schreibers politische Prinzipien während des Jurastudiums. Seine Sympathie für die Programmatik der Sozialdemokratie begründet er: "Keine andere Partei hat so pointiert wie diese die Hilfe für die Kleinen und Schwachen auf ihre Fahne geschrieben."
    Ingenieurssohn Schreiber, der Deutsche aus Rumänien im nordrheinwestfälischen Landtag, war nie Juso. Er trat der Partei im eher abgeklärten Alter von 30 Jahren bei und fühlt sich "absolut in der Mitte der SPD" beheimatet. Er ist durch die Schule der Kommunalpolitik gegangen. Der kommunalen Selbstverwaltung dient er heute als stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Schwerte. Eine reizvolle politische Konstellation ergab sich vor der kommunalen Neugliederung im Familienverband auf dem elterlichen Bauernhof seiner Frau: Schwiegervater Hermann Spaemann präsidierte dem Gemeinderat von Geisecke als stellvertretender Bürgermeister (CDU), Schwiegersohn Schreiber gehörte ihm als Ratsherr (SPD) an. "Den Schwachen stärken" — das will Schreiber in den beiden Landtagsausschüssen. Was ihm an Schicksalen verzweifelter Bürger im Petitionsausschuß begegnet und ihn bewegt, erweist sich oft als direkte Klammer zur Arbeit im Justizausschuß. Schreiber bringt seine erste Bilanz aus beiden Gremien auf einen Nenner: "Trotz Rechtsstaat gibt es manche Bürger, die nicht zu ihrem Recht kommen und sich einer übermächtigen Staats- und Verwaltungsbürokratie ausgeliefert fühlen." Ihnen müsse durch die geplanten Rechtsberatungsstellen für jedermann nicht wirkliche Hilfe geboten werden.
    Der Acker, auf dem Schreiber und seine Ausschußkollegen arbeiten, ist steinig. Von seinem anstrengenden politischen Alltag erholt Friedrich Schreiber sich im neuen Haus neben dem Bauernhof mitten im Grünen. Der Akkordeon-Autodidakt (Spezialität: Wanderrhythmen) begleitet seine drei Töchter gern bei ihrem Klavierspiel. Ein paar Schreiber-Hobbys noch dazu: Skat, Doppelkopf, Briefmarken, Münzen.
    "Wäre ich gesund, hätte ich den jetzt verpachteten Bauernhof selbst übernommen — wegen meiner Verbundenheit zur Scholle", verrät der Abgeordnete. Dem Parlament hat er sieben "lebende Rasenmäher" opfern müssen: "Nachdem ich gewählt worden war, blieb mir keine Zeit mehr für die Wolltiere." Ihre Weidegründe verwandelte er, dem Graswuchs vorbeugend, in Tennisplätze und schaffte die sieben Schafe ab. Hans Wüllenweber

    ID: LI761702

  • Porträt der Woche: Fritz-Werner Hoberg (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 16 - 14.06.1976

    Seine Heimat ist das von der Landwirtschaft geprägte Münsterland, sein Beruf Landwirt. Eigentlich wären das natürliche Voraussetzungen, den CDU-Landtagsabgeordneten Fritz-Werner Hoberg als typischen Lobbyisten der "grünen Front" in dem Landtag abzustempeln, dem er seit 1970 angehört. Eine derartige Vermutung zu äußern hieße jedoch, den 63jährigen Politiker aus Wadersloh-Liesborn, seine Arbeit und sein Engagement zu verkennen. Richtig ist, daß Hoberg sich als Vertreter des ländlichen Raums versteht, als Anwalt der dort vorhandenen vielschichtigen Interessen, die es gegen zu hohe Ansprüche der Ballungsgebiete durchzusetzen gilt. Richtig ist auch, daß er als einer der drei praktizierenden Landwirte unter den 200 Abgeordneten dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten angehört, weil er selbst fordert, daß Praktiker an den richtigen Platz gehören. Sein Engagement für den ländlichen Raum bringt er aber auch als Mitglied des Wirtschaftsausschusses zum Ausdruck, in dem er seinen Beitrag zur Beseitigung der Strukturschwächen zu leisten sucht, die wesentliche Ursache des spürbaren Gefälles zwischen Ballungsgebieten und flachem Land haben.
    Fritz-Werner Hoberg, der nicht auf eigenen, sondern auf Wunsch politischer Freunde Direktkandidat im Wahlkreis Warendorf-Beckum II wurde — und ihn zweimal gewann —, zog mit langjähriger kommunalpolitischer Erfahrung in den Landtag ein. Schon 1952 wurde er in die Amtsvertretung Liesborn-Wadersloh gewählt, 1956 dann zum Amtsbürgermeister. Doch nicht das Amt zählte, sondern seine Initiativen und seine Erfolge, mit denen er bewies, daß der landliche Raum sehr wohl Anschluß an die Entwicklung in den Ballungsgebieten halten kann. Damals installierte er einen Schulverband als Musterfall und sorgte für eine Schulbuslinie. Gleichermaßen erfolgreich strukturierte er auch seinen 80 Hektar großen Hof um, den er ursprünglich gar nicht erben wollte und sollte. Deshalb begann er mit dem Jurastudium und landete beim Militär, das ihm allein die Möglichkeit zu bieten schien, ohne Parteizugehörigkeit Verwaltungsjurist zu werden. Dann mußte er doch den väterlichen Hof übernehmen, der heute alle Merkmale eines modernen Betriebes aufweist und durch eine Brennerei ergänzt wird.
    Neben dem Hof und seinen kommunalen Ämtern, zu denen Mandate im Kreistag, in der Landschaftsversammlung und der Gemeinde kamen, stand er für Vorstandsaufgaben der CDU und für genossenschaftliche Vereinigungen zur Verfügung. Diese mannigfachen Erfahrungen nun in der Landespolitik zur Geltung zu bringen, ist Hobergs erklärtes Ziel, das er mit westfälischer Beharrlichkeit verfolgt.
    Wenn die Ballungsgebiete nach einer Konzentration der Bildungseinrichtungen rufen, meldet sich Hoberg mit der Forderung nach Ausnahmegenehmigungen für den ländlichen Raum zu Wort. Kulturpolitiker kennen ihn als Streiter gegen jedes Bildungsgefälle, Landesplaner als Verfechter notwendiger Sonderregelungen, die am ehesten geeignet sind, Strukturschwächen zu beseitigen. Er sei, sagt er, dazu erzogen worden, Pflichten zu übernehmen. Für den ländlichen Raum hat er sich bereitwillig in die Pflicht nehmen lassen.
    Klaus Simson

    ID: LI761602

  • Porträt der Woche: Günter Meyer zur Heide (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 15 - 04.06.1976

    Vor sechs Jahren, als Günter Meyer zur Heide erstmals direkt in den Landtag gewählt worden war, meinte eine — inzwischen eingestellte - Zeitschrift für SPD-Mitglieder, daß er sicherlich nicht widerspräche, wenn man ihn als Linken einstufe. Er widerspricht auch heute nicht generell, aber er wehrt sich mit Vehemenz gegen diesen mehr und mehr negativ befrachteten, oberflächlichen Klischeebegriff.
    Nicht Ideologie, sondern die Bewältigung praktischer Probleme sei Aufgabe der Politik, sagt Meyer zur Heide. Dem Denken in Extremen ist er abhold. Aber er bekennt auch, sich niemals einfach mit vorgefundenen Gegebenheiten abzufinden, die negative Auswirkungen auf welchem Gebiet auch immer hätten. "Wenn man das tut, dann hat man den Anspruch verspielt, Politiker sein zu wollen."
    Er hat seine Meinung, dieser Elektromechaniker aus dem ostwestfälischen Lippinghausen. Und er sagt sie auch. Aber nicht vorschnell, so scheint es, sondern erst nach reiflicher Überlegung. Und er sagt sie auch dann, wenn er mit seiner Überzeugung nicht einmal Parteifreunden eine Freude machen kann. Dafür gibt es ein Beispiel, das er heute am liebsten übergangen sehen möchte:
    Als vor Jahren die Parlamentarier ihre Diäten erhöhten, machte der auch heute noch aktive Arbeiter Meyer zur Heide nicht mit. Da er aus Rechtsgründen nicht verzichten konnte, überwies er die Erhöhungsbeträge einer karitativen Organisation. Doch als ihm daraufhin der Steuerzahlerbund den "Eisernen Steuergroschen" antrug, lehnte er diese Auszeichnung ab. "Man sollte so etwas nicht wie ein Aushängeschild vor sich hertragen. Und schon gar nicht Auszeichnungen für Selbstverständliches annehmen."
    Die Herkunft hat sicherlich die starke soziale Komponente im politischen Engagement Meyer zur Heides entscheidend geprägt. Vor nicht ganz 40 Jahren kam er in einem Bauernkotten zur Welt, in dem noch nicht einmal elektrisches Licht brannte. Mit sechs Jahren mußte das vierte von sechs Kindern dem Bauern schon auf dem Felde helfen. Der Vater, ebenso wie der Patenonkel als Arbeiter schon vor 1933 SPD-Mitglied, war zu jener Zeit Soldat. Von der durch ihr stark evangelisch betontes Elternhaus geformten Mutter, so glaubt Meyer zur Heide, hat er das Gerechtigkeitsempfinden "geerbt".
    1961, als er schon aus dem Christlichen Verein Junger Männer ausgeschieden war, stieß Meyer zur Heide zur SPD - besser: wurde er gestoßen. Der Bürgermeister fragte ihn, ob er nicht Mitglied werden wolle. Er wurde. Erst viel später bekam er Kontakt zu den Jusos, als der Jugendring eine gemeinsame Fahrt nach Berlin arrangiert hatte. Die Jusos allerdings, so weiß er sich zu erinnern, hielten ihn damals für ein Mitglied der Jungen Union. Sie lernten ihn aber bald besser kennen und schätzen und wählten ihn in viele führende Ämter.
    Klischeevorstellungen passen nicht auf diesen Mann, der heute dem Vorstand der SPD-Landtagsfraktion angehört. Auch aus der Tatsache, daß er sich zur "Keulenriege", dem Kreis der auch "Teutonen" genannten ostwestfälischen SPD-Abgeordneten, bekennt, sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen. "Selbstverständlich" trifft man gewisse Absprachen, aber man ist keine "scheuklappenbehaftete" Gruppe. Toleranz und Loyalität gehen vor.
    Privat ist der Hobby-Angler Meyer zur Heide auch gern "Hausmann", wenn seine Frau abends "in Politik macht". Eltern und Kinder - eine siebenjährige Tochter und ein vierjähriger Sohn — nennen sich beim Vornamen. Fürsorglich fragt denn auch die Kleine bei gemeinsamer Radtour: "Du, Günter, wenn ich dir zu schnell fahre, mußt du das sagen." In der Politik fährt Meyer zur Heide nie zu schnell, aber immer zielbewußt.
    Karl Lohaus

    ID: LI761502

  • Porträt der Woche: Herbert Faust (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 14 - 25.05.1976

    Er zählt nicht zu den großen Fechtern parlamentarischer Debatten; das Wirken des Landtagsabgeordneten Herbert Faust (CDU) konzentriert sich auf die von der Öffentlichkeit kaum registrierten vorentscheidenden Gremien: die Fraktions-Arbeitskreise und die Ausschüsse. Und es ist kein Zufall, daß seine Fraktion den Ahlener Bürgermeister in den in dieser Legislaturperiode angesichts der anstehenden Funktionalreform besonders gewichtigen Ausschuß für Landesplanung und Verwaltungsreform entsandt hat.
    Der ideenreiche und tatkräftige Münsterländer bringt eine fast 25jährige kommunalpolitische Erfahrung mit. Sie gewann er ab 1952 zunächst als Ratsvertreter, später wurde Faust stellvertretender Bürgermeister, und schließlich errang er 1969 mit der CDU in der Stadt des Ahlener Programms erstmals die absolute Mehrheit. In den folgenden Jahren machte Faust durch weitsichtige Planung, die der Wirtschaft attraktive Standorte brachte und den Bürgern neue Arbeitsplätze sicherte, von sich reden. Die Anerkennung auch bei seinen politischen Gegnern fand jüngst in der einstimmigen Wahl zum Vorsitzenden des Bezirksplanungsrats im Regierungsbezirk Münster ihren Niederschlag.
    Seine erfolgreiche Erfahrung vor Ort will Faust, der auch ein Jahrzehnt dem Beckumer Kreistag angehörte, bei der Funktionalreform nutzen. Das Ausschußmitglied tritt dabei entschieden für eine Stärkung der Gemeinden ein. Die Kreise müßten den Kommunen entsprechend deren unterschiedlicher Größe und Leistungskraft vor allem alle publikumsintensiven Aufgaben wie Bauordnung, Sozial- und Jugendbereich übertragen. Auch eine Überprüfung der derzeitigen Zuschußregelung von freiwilligen Leistungen hält Faust für erforderlich. Der Kommunalpolitiker will sich nicht als "Entmachter" der Kreise verstanden wissen. Eine Funktionalreform hat nach seiner Auffassung aber nur einen Sinn, wenn neben einer kostensenkenden Rationalisierung auch eine bürgernahe Verwaltung erreicht wird. Daher werde diese Reform auch eine ständige Aufgabe bleiben.
    Neben dem Engagement in der Kommunalpolitik fühlt sich Faust als Bezirksschornsteinfegermeister insbesondere dem Handwerk verpflichtet. Und hier wiederum richtet sich das Interesse des aus der Jugendarbeit kommenden und in der Kolpingfamilie lange tätigen früheren Vizepräsidenten der Handwerkskammer Münster vor allem auf die berufliche Ausbildung. Daher setzt er sich nachhaltig für ein stärkeres Mitspracherecht von Eltern und Jugendlichen ein. Nicht allein der ausbildende Betrieb und die Schule dürften die Entscheidungen über die Ausbildung fällen. Ahnlich der vorgesehenen Schulmitbestimmung müsse es auch eine echte Mitbestimmung der Eltern und Jugendlichen in den Ausbildungsfragen geben.
    Ungeachtet des weitgesteckten Tätigkeitsradius hat der 48jährige Landtagsabgeordnete ein auf den ersten Blick zeitraubendes wie ungewöhnliches "Hobby": Herbert Faust ist seit 1942 Feuerwehrmann und brachte es bis zum Kreis- bzw. Stadtbrandmeister. Beim näheren Betrachten seines bisherigen Lebensweges wird jedoch deutlich, daß die Hilfsbereitschaft gegenüber dem Nächsten ein wesentliches Charaktermerkmal des Münsterländers ist.
    Jochen Jurettko

    ID: LI761402

  • Porträt der Woche: Peter Eykmann (F.D.P.)
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 13 - 18.05.1976

    Einen "Helmut-Schmidt-Haarschnitt" trägt er zwar nicht. Aber eine gewisse Ähnlichkeit mit der Art des gern als "Macher" charakterisierten Bundeskanzlers ist unverkennbar. Denn Peter Eykmann erzählt von sich: "Es bringt meine Freunde manchmal zur Verzweiflung, wenn ich frage: Ist das auch organisierbar?"
    Einen "Macher und Technokraten" läßt Eykmann sich ungeniert nennen; denn das "ist für mich kein Schimpfwort", so versichert er, fügt dann aber hinzu: "Erst ein Technokrat und Macher ohne politische Perspektive wäre ein Opportunist, und dies wäre schlimm."
    Eine der politischen Perspektiven des jungen F.D.P.-Abgeordneten (34) besteht in dem Vorsatz, nur eine Wahlperiode im Landtag tätig zu sein. Mehr hat er von seiner Frau nicht bewilligt bekommen, und mehr mag er auch selbst sich nicht zumuten. Denn: "Es gibt nichts Schlimmeres, als sich von der Politik persönlich abhängig zu machen." Dies braucht Eykmann in der Tat nicht. Er ist im Hauptberuf Dienststellenleiter des Bundesverbandes für den Selbstschutz in Recklinghausen (und als solcher zur Wahrnehmung seines Mandats teilweise beurlaubt).
    Politisiert und F.D.P.-Mitglied wurde er durch die "Spiegel"-Affäre und die Haltung des F.D.P.-Politikers Wolfgang Döring in dieser Affäre. Daß er es schließlich nicht bei der bloßen Mitgliedschaft beließ, dafür sorgte sein Unbehagen an der Art und Weise, wie auf kommunaler Ebene mit absoluten Mehrheiten Politik gemacht wurde: nämlich für Außenstehende kaum mehr nachvollziehbar. Eykmann tat etwas dagegen, indem er "in einer Gegend mit betonierter SPD-Mehrheit" einen F.D.P.-Ortsverband autbaute und den Kreisverband stärkte.
    Im Landtag ist Eykmann, der auch drei Jahre bei der Bundeswehr diente, seit der letzten Parlamentswahl und an drei Fronten präsent. Weil er ein Abgeordneter aus dem "Revier" ist und weil es überdies auch vom Beruf her nahelag, ist er im Parlamentarischen Ausschuß für Grubensicherheit. Mitglied im Petitionsausschuß wurde er gerne, weil er das Gefühl hat, daß man hier "manchmal etwas bewegen" kann. Den Schwerpunkt seiner Landtagsarbeit sieht Peter Eykmann indessen im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
    Hier sind es vor allem zwei Problemkreise, die derzeit — und wohl noch längere Zeit — im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit stehen: das Gesundheitswesen und die Jugendarbeitslosigkeit. Und zu dieser besonders betrüblichen Realität äußert der "Macher" Eykmann, der zu den Jungdemokraten (wie auch umgekehrt) ein "sehr differenziertes" (sprich: kühles) Verhältnis hat, Überlegungen, die ihn an die Seite eben dieser Jungdemokraten bringen: "Ich bezweifle, ob wir mit marktwirtschaftlichen Mitteln und durch Wirtschaftswachstum samt technischer Innovation die Dauerarbeitslosigkeit wegkriegen." Abgesehen von den Sonderprogrammen der Landesregierung, die freilich nur aktuelle Nöte lindern könnten, fällt dem Liberalen Eykmann bisher als mögliches Heilmittel nur das Stichwort "Arbeitszeitverkürzung" ein. Denn "mehr Freizeit kann ja auch mehr Lebensqualität bedeuten".
    Für den Abgeordneten hat sich die Arbeit als umfänglicher und zeitraubender erwiesen, als er ursprünglich kalkuliert hatte. Das Versprechen, das seine Frau ihm abgenommen hatte, nämlich jeden Abend nach Hause zu kommen, war nicht einzuhalten. Um nicht alle "heiligen Schwüre" brechen zu müssen, vereinbarte er eine listige Lösung mit seiner Frau: Sie hört auf zu arbeiten und fährt mit zu seinen Abendterminen. Hartwig Suhrbier

    ID: LI761301

  • Porträt der Woche: Karl Heinz Nolzen (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 12 - 06.05.1976

    Die Bergsteigerleidenschaft hat dem Sozialdemokraten Karl Heinz Nolzen in seiner Heimatstadt Hagen sicher nicht ohne Grund den Spitznamen "Luis Trenker von Hagen" eingebracht. Volkstümlichkeit liegt ihm offenbar, dem Pragmatiker aus der märkischen Stadt, aber sicher nicht Volkstümelndes. Er kann die Herkunft aus einem Arbeiterelternhaus mit langjähriger sozialdemokratischer Tradition nicht verleugnen. Der westfälische Dialekt mit Ruhrgebiets-Zungenschlag verrät zumindest ständigen Kontakt zur Basis, die der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt trotz eines völlig ausgebuchten Arbeitstages immer wieder sucht.
    Wer von seinen Parlamentskollegen geht denn heute noch von Haustür zu Haustür, um allmonatlich den Beitrag von Parteimitgliedern zu kassieren? Für Karl Heinz Nolzen ist dies eine Selbstverständlichkeit, weil er "den Finger ständig am Puls der Bürger halten will, um ihre Sorgen und Nöte zu erfahren". Für Nolzen zählt im politischen Engagement, was heute vielfach vermißt wird: Überzeugter Christ zu sein, für den das "S" im Namen seiner Partei herausragende Bedeutung hat. Sozial zu sein heißt für den gelernten Kaufmann, der vor 25 Jahren in die SPD eintrat, "mitfühlen und schrittweise bestehende MißStände abbauen". Offenbar ist ihm das in seinem Wahlkreis gelungen: Bei der Landtagswahl schenkten ihm im Mai vorigen Jahres 56 Prozent der Wähler ihr Vertrauen.
    Die schwierigste Aufgabe in seinem Leben bewältigte er im Jahre 1968, als der damalige Angestellte der Klöckner-Werke in Hagen für 3500 Arbeitnehmer, die entlassen wurden, einen Sozialplan ausarbeitete. Dieser damals im Montanbereich richtungweisende Sozialplan schloß Härten aus und eröffnete zahlreichen Entlassenen neue Arbeitsplätze.
    Die "Sozialpolitik der kleinen Schritte" verwirklicht der Abgeordnete nicht nur als stellvertretender Vorsitzender im Landtagsausschuß für Gesundheit und Soziales, sondern vor allem auch in der Heimatstadt, wo er als Chef von 200 hauptamtlich Beschäftigten der Arbeiterwohlfahrt "vor Ort" Dienst für die Schwachen der Gesellschaft tut. Die Verwirklichung und Kontrolle von Sozialgesetzen, die er im Düsseldorfer Parlament mit beschließt, sind bei ihm in guten Händen. Ob im Altenkrankenhaus, in den 13 Kindergärten oder 27 Altenbegegnungsstätten der AWO, überall sieht er die Aufgabe auf dem "sozial-caritativen" Feld.
    Vorstellungen für die parlamentarische Arbeit der nächsten Jahre hat er natürlich in diesem Bereich entwickelt. Für Karl Heinz Nolzen steht fest, daß bei Schließungen kleinerer Krankenhäuser diese Einrichtungen neuen Aufgaben, wie Altersheime oder Sozialstationen, zugeführt werden müßten. Dies wäre ein weiterer Knoten im Netz der Sozialfürsorge, an dem der Parlamentarier seit Jahren unauffällig, aber strebsam knüpft. Kein Wunder, daß ihm wenig Freizeit bleibt. Die nutzt er, und da macht er wiederum seinem Spitznamen alle Ehre, zu Spaziergängen oder Bergtouren mit seiner Frau und dem Dackel.
    Martin O. Schmuck

    ID: LI761220

  • Porträt der Woche: Hans Ferner (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 10 - 26.03.1976

    Hart an der Grenze lag der bisherige Lebens- und Berufsweg Hans Ferners. Er stammt aus dem Eifeldörfchen Malbergweich im Grenzkreis Bitburg, aus einer Gegend also, in der sich Anfang des vorigen Jahrhunderts noch die letzten Wölfe Deutschlands "gute Nacht" sagten. Die herbe Eifellandschaft ist dort auch heute noch so ursprünglich, daß sie die künstliche Linie zwischen der Bundesrepublik, dem Königreich Belgien und dem Großherzogtum Luxemburg verwischt. So gesehen, bot sich die Natur vor ein paar Jahren geradezu an, die ersten grenzüberschreitenden Naturparkes - Südeifel und Nordeifel — zu schaffen. Von Bitburg gut 100 Kilometer nordwärts fühlt man sich in eine andere Welt versetzt, in eine typische Industrielandschaft: im Kreis Aachen qualmen die Schlote des — neben der Ruhr — zweiten Steinkohlenreviers Nordrhein-Westfalens. Unter Tage ignorieren die holländischen Bergleute, Flözen und bergrechtlichen Vereinbarungen folgend, die oberirdischen Grenzpfähle, die die Bundesrepublik vom Königreich der Niederlande trennen. Es ist das Revier des Eschweiler Bergwerks-Vereins (EBV), eines zum luxemburgischen ARBED-Konzern gehörenden Unternehmens, das im Aachener Raum bei Kohle und Stahl 20000 Beschäftigte zählt und damit als einer der stärksten Wirtschaftsfaktoren der Region gilt.
    Hans Ferner ist hier zu Hause: Hier ist sein Wahlbezirk Aachen-Land Nord, die Revierstädte Alsdorf, Würselen und Herzogenrath umfassend; hier ist der gelernte Telegrafenhandwerker, der 1949 zum Bergbau und dessen Industrie-Gewerkschaft stieß, als Betriebsdirektor der EBV-Direktion "Kohlenumwandlung" tätig, zuständig für das Personal- und Sozialwesen von 3000 Beschäftigten, die in den Kokereien, Brikettfabriken, Kraftwerken und Dienstleistungsbetrieben arbeiten; hier, in Alsdorf, Elbinger Straße 7, lebt der 47jährige mit seiner Frau und seinem 17jährigen Sohn, der das Gymnasium besucht, während der 23jährige Sohn in Heidelberg Jura studiert und dort sein Herz an eine Finnin verloren hat. Ferner ist seit 1953 Mitglied der SPD, er kennt die Politik an der kommunalen Basis, kam er doch schon 1958 in den Alsdorfer Stadtrat und 1964 in den Kreistag von Aachen-Land, wo er seit 1969 Vorsitzender der SPD-Fraktion ist.
    1966 zog er, direkt gewählt, in den Landtag ein. Die Problemstoffe der kommunalen Neugliederung "versalzten" ihm 1970 das nächste Direktmandat. Doch 1975 eroberte er es zurück, erschien er wieder auf der Düsseldorfer Szene. Zwischen beiden Legislaturperioden verschoben sich für Ferner die Akzente ein wenig, jedoch nicht grundlegend; denn damals wie heute ging und geht es ihm darum, das schwere Schicksal der Bergleute abzusichern: wieder gehört er dem Landtagsausschuß für Grubensicherheit an, heute wie 1966 ist er dessen Vorsitzender. Zwar war er in den ersten vier Jahren Mitglied des Sozialausschusses, dafür ist er diesmal Mitglied des Wirtschaftsausschusses. Beides, betont Ferner, bot und bietet ihm aber Gelegenheit, für den Bergbau und dessen Zukunft politisch zu wirken. "Das bedeutet gleichzeitig", erklärt er, "daß ich mich langfristig um Strukturpolitik kümmern kann, insbesondere für den Aachener Raum und den dortigen Arbeitsmarkt." Dies kann im Aachener Raum aber niemand sagen, ohne auch über den Zaun nach den beiden westlichen Nachbarn zu schauen, mit denen zur Zeit an der Bildung einer Europäischen Region "Euregio" am Dreiländereck gearbeitet wird. Denn hart an der Grenze kann man weder eine Förderturm- noch eine Kirchturmpolitik treiben!
    Horst Pomsel

    ID: LI761002

  • Porträt der Woche: Albert Brinkmann (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 9 - 19.03.1976

    Das Ruhrgebiet umzuwandeln, aus dem Kohlenpott eine krisenfestere und menschenfreundlichere Industrielandschaft zu machen, das ist eine der Kernaufgaben des Landtags in Düsseldorf. Wo es darum geht, ist Albert Brinkmann fast immer dabei. Am Wechsel seiner Arbeitsbereiche im Parlament läßt sich ablesen, wie diese Probleme sich verändern. Der CDU-Abgeordnete aus Dortmund wurde 1966 zum erstenmal über die Landesliste gewählt, als der Bergbau unter den wachsenden Kohlenhalden zu ersticken drohte. Brinkmann war damals schon 14 Jahre Mitglied des Stadtrats in Dortmund und dort zuletzt CDU-Fraktionsvorsitzender gewesen. Weil er die Lage "vor Ort" kannte, kam er in den Ausschuß für Landesplanung, denn dort ging es vorrangig um neue Arbeitsplätze und die Zukunft des Ruhrgebiets. Gleichzeitig arbeitete Brinkmann im Ausschuß für Verwaltungsreform, wo mit der Neuordnung der Kreise Unna und Ennepe-Ruhr die ersten Versuche zur kommunalen Neugliederung unter den Bedingungen des Industriereviers gemacht werden mußten. Zwischen 1970 und 1975 ging es für ihn im Verkehrsausschuß des Landtags vor allem um den Ausbau der S-Bahn und eines zusätzlichen Stadtbahn-Netzes im Ruhrgebiet. Ohne größere Beweglichkeit im Nahverkehr sind die Beschäftigungsprobleme nicht zu lösen — auch wenn Brinkmann als stellvertretendes Mitglied im Wirtschaftsausschuß manche Erfolge bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze miterlebt. Seit die Ölkrise überwunden und Brinkmann zum drittenmal in den Landtag gewählt ist, geht es für ihn nun um die Verbesserung des Straßenverkehrs und die Beseitigung von Unfallschwerpunkten — schließlich läßt die Stadtbahn wegen Geldmangels auf sich warten und die Autoströme der Pendler schieben sich erneut ins Blickfeld an der Ruhr.
    Ist es selbstverständlich, daß ein Ruhrgebietsabgeordneter im Revier groß geworden ist? Für Albert Brinkmann stellt sich da gar keine Frage. Er wurde 1916 in Lütgendortmund als jüngstes von neun Kindern eines Grubenelektrikers geboren. Der Vater hielt nichts davon, "Geschenke vom Staat anzunehmen und schickte seinen Jungen statt aufs Gymnasium in eine Lehre als Versicherungskaufmann. Mit 18 Jahren war Albert Brinkmann Dekanatsführer der Katholischen Jugend in Dortmund. Zwei Jahre später drohte ihm der offene Konflikt mit den neuen Machthabern — weil er mit seiner Jugendgruppe eine Wanderung unternommen hatte. Damit war das Monopol der Hitlerjugend mißachtet worden, die allein noch solche Jugendwanderungen machen durfte. Brinkmann entzog sich dem Untersuchungsverfahren durch schleunigen Umzug nach Weimar, dann nach Hamburg. 1938 mußte er zur Wehrmacht einrücken, sieben Jahre später kam er als Hauptfeldwebel in Kurland in russische Kriegsgefangenschaft. Als "arbeitsunfähig" wurde er 1948 entlassen. Für ihn blieb es von vornherein nicht dabei, daß er sich beruflich einsetzte — obwohl aus dem Versicherungs-Sachbearbeiter in 12 Jahren der Filialdirektor und Leiter einer Geschäftsstelle mit 160 Mitarbeitern wurde. Schon knapp ein Jahr nach der Heimkehr aus Moskau war Brinkmann Mitglied der CDU und der Deutschen Angestelltengewerkschaft, ein weiteres Jahr später Kreissprecher der Jungen Union in Dortmund und bald auch in den CDU-Sozialausschüssen tätig. Wäre er kein Kind des Kohlenpotts, würden Westfalen von Albert Brinkmann anerkennend sagen, er sei ein Kerl, der eine gerade Furche pflügt. Der Dortmunder Abgeordnete selbst weist Lob eher zurück — nicht zurückgewiesen hat er aber den Ehrenring, den ihm die Stadt Dortmund schon vor 14 Jahren für seine Tätigkeit verlieh. Nach der letzten Landtagswahl bekam Brinkmann im Düsseldorfer Landtag einen Vertrauensbeweis seiner Fraktionskollegen. Sie entsandten ihn in den Rechnungsprüfungsausschuß - dorthin, wo die Kontrolle des Landtags über die Geldausgaben der Landesregierung ausgeübt wird und die oft heiß umstrittenen Beanstandungen des Landesrechnungshofs endgültig geklärt werden.
    Peter Weigert

    ID: LI760903

  • Porträt der Woche: Fritz Otto Thielmann (F.D.P.)
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 8 - 12.03.1976

    Er kommt aus dem westfälischen Hagen, einer Stadt, deren Liberale lange Zeit durch politische Persönlichkeiten wie Willi Weyer und die derzeitige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Liselotte Funke, im Landtag von Nordrhein-Westfalen vertreten waren. Er stammt aus der "freisinnigen Hochburg eines Eugen Richter, in der der Hauch des 1848er Liberalismus noch lange Zeit nachwehte", wie Alfred Dobbert, Politiker und Journalist zugleich, einmal bei einem Geburtstagsglückwunsch für einen anderen Hagener, den früheren Oberbürgermeister und Ministerpräsidenten Fritz Steinhoff (SPD) schrieb. Und er gehört zu denjenigen Familien, in denen die Söhne in die politischen Fußstapfen der Väter und noch die Enkel in die der Großväter treten.
    Das alles sollte man wissen, um sich ein Bild machen zu können von dem parlamentarischen "Newcomer" Fritz Otto Thielmann vom Jahrgang 1937, der sich mit 21 Jahren, er war damals kaufmännischer Angestellter, ins politische Leben stürzte und der Familientradition getreu sich der liberalen Partei zur Verfügung stellte. Ein junger Abgeordneter, der, kaum im Parlament, in der zahlenmäßig kleinen, aber sehr aktiven F.D.P.-Fraktion in eine Position hineinwächst, die einmal Männer wie Friedrich Middelhauve, Gerhard Kienbaum, Heinz Lange und Horst-Ludwig Riemer innehatten: die Rolle des wirtschaftspolitischen Sprechers.
    Für einen Neuling im alten Ständehaus am Düsseldorfer Kaiserteich hat sich der Hagener schnell eingearbeitet, hat die Informationsflut, durch die sich jeder frischgebackene Landtagsabgeordnete erst einmal durcharbeiten muß, rasch bewältigt und sich dabei allerdings auch einer Arbeitsweise befleißigt, die eigentlich für alle 84 neuen Abgeordneten selbstverständlich gewesen sein sollte: Er benutzte die parlamentarischen Sommerferien, wenige Wochen nach der Landtagswahl, dazu, sich intensiv mit seinen neuen Aufgaben vertraut zu machen. Eine Einarbeitungstechnik, die ihm schon bei den ersten Etatberatungen im Bereich der Wirtschaftspolitik sehr zugute kam. Fragt man den gelernten Kaufmann indes danach, was er von der parlamentarischen Beratungsmühle halte, dann kommt eine sehr kritische Antwort. Die Etatberatungen und ihre Ergebnisse sind ihm, der in den Maßstäben der freien Wirfschaft denkt, noch zu grobkörnig. Selbstbewußtsein, kein starres Kleben an programmatischen Aussagen, statt dessen pragmatisches Agieren auf liberaler Basis, analytisches Denken und rationelles Arbeiten charakterisieren Thielmann. Vieles, was ihm in der Politik zugute kommt, hat er schon beruflich zu nutzen gewußt. Dazu kommt noch eine zehnjährige kommunalpolitische Erfahrung im Rat seiner Heimatstadt Hagen, eine Tätigkeit, von der er nicht ganz leichten Herzens Abschied genommen hat, als er sich ohne Absicherung um ein Landtagsmandat bewarb.
    Noch muß Thielmann Erfahrungen sammeln, ob sich das Mandat eines Landtagsabgeordneten, anders als das eines Ratsherrn, auf die Dauer mit seiner freiberuflichen Tätigkeit als Einzelhandelskaufmann in der Möbelbranche verträgt. Aber er ist auch da optimistisch, ebenso wie in der Frage, ob neben Politik und Beruf auch noch Zeit für Frau und drei Kinder bleibt. Wenn dann auch noch die Hobbys, wie Musik und Literatur, nicht zu kurz kommen sollen, gehört schon viel Optimismus dazu.
    Karl Fischer

    ID: LI76081E

  • Porträt der Woche: Heinz Janssen (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 7 - 27.02.1976

    Sein Vater war "ein alter Gewerkschafter, als es noch gefährlich war, am 1. Mai zu demonstrieren, weil man dann aus dem Betrieb rausgeschmissen werden konnte". Als elfjähriger Junge wurde er 1943 für die letzten Kriegsjahre vom heimischen Bremen nach Sachsen "kinderlandverschickt" und lebte da bei einem aktiv Altliberalen, den die Nazis aus dem Lehreramt gejagt hatten. 1950 wollte er zu den "Falken". Doch da sagte der Vater zu ihm: "Du bist als Pimpf groß geworden; willst du dich schon wieder festlegen?" "Also hab' ich's bleiben gelassen." Von dem sächsischen Lehrer beeindruckt, vom Vater wesentlich geprägt, dann aber wieder aus bitterer Erfahrung vor dem ersten frühen Einstieg ins organisierte politische Engagement gewarnt, suchte Heinz Janssen weiter, suchte als "einer aus der Zeit des politischen Wiederbeginns mit all den euphorischen Gedanken, die nach 1945 geboren worden waren". Nur zögernd näherte er sich der Sozialdemokratischen Partei, wollte erst abwarten, ob sich das Godesberger Programm in der SPD realisieren ließe. Die planwirtschaftlichen Vorstellungen der Partei Kurt Schumachers hatten ihn warten lassen. Für Janssen wurde zum "Kernspruch des Godesberger Programms: So viel Freiheit wie möglich, so viel Planung wie nötig". Längst verheiratet und als Beamter des gehobenen Dienstes bei der Stadtverwaltung Remscheid tätig, trat er im Mai 1965 in die SPD ein und engagierte sich erst einmal bei den Jusos. "Auf dem Weg ist man wohl auf mich aufmerksam geworden", mutmaßt er im nachhinein. Denn schon 1967 saß er im Vorstand des SPD-Unterbezirks Remscheid, avancierte zwei Jahre später zum stellvertretenden Vorsitzenden und zog 1970 in den Landtag ein. Seine Maxime für die parlamentarische Arbeit: "Denen zu helfen, die ohne Hilfe nicht zu Rande kommen." Sofort meldete er sich bei seiner Fraktion für den Petitionsausschuß. "Als Beamter weiß ich am ehesten, wie Beamte mit Bürgern umgehen, deshalb bin ich da reingegangen." Hinzu kamen: der kommunalpolitische Ausschuß, in dem er sich für die verstärkte Leistungsfähigkeit der Gemeinden einsetzte, "weil sich in den Gemeinden die Demokratie am deutlichsten und für den Bürger am nächsten vollzieht"; der Jugendausschuß, aus dem heraus er das Innenministerium nötigte, per Erlaß in den Bebauungsplänen ausreichende Spielplatzflächen sicherzustellen. In der neuen Legislaturperiode mußte Janssen, weil es die Sitzungstermine nicht anders zuließen, auf die Mitarbeit im Jugend- und kommunalpolitischen Ausschuß verzichten. Im Petitionsausschuß, in dem er weiter "die Mühlsteine der Bürokratie anhalten will, wenn ein Bürger dazwischengerät", ist er jetzt stellvertretender Vorsitzender. Im Ausschuß für Funktionalreform sieht er als ein Zentralproblem die Neuaufteilung der Regierungsbezirke. "Nachdem vielen Gemeinden bei der kommunalen Neuordnung zugemutet wurde, auf Kosten der Selbständigkeit in größere leistungsfähigere Einheiten aufzugehen, muß das auch für Regierungsbezirke gelten." Es soll Regierungspräsidenten geben, die das nicht gerne hören.
    Christoph Lütgert

    ID: LI760702

  • Porträt der Woche: Heinz Szymczak (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 6 - 20.02.1976

    Als der CDU-Politiker Heinz Szymczak 1966 als Neuling in den Landtag gewählt wurde, gehörte es zu seinem erklärten Ziel, den direkten Kontakt zum Wähler nicht abreißen zu lassen. Nach jetzt fast zehnjähriger Zugehörigkeit zum Kreis der Landtagsabgeordneten, die ihr Mandat in direkter Wahl erringen konnten, besteht kein Zweifel, daß er in diesem Bemühen nie nachgelassen hat. Die CDU-Landtagsfraktion honorierte das Engagement ihres Bonner Abgeordneten für die Anliegen der Wähler mit seiner Wahl zu ihrem Sprecher im Petitionsausschuß, in dem er nun als leidenschaftlicher Verfechter auch der geringsten Anliegen wirkt. Bei allem Einsatz, den das harte Geschäft der Landespolitik erfordert, läßt der Rektor a. D. freilich nicht jene Charaktereigenschaft vermissen, die ihn in besonderem Maß auszeichnet und ihn in die Lage versetzt, die menschlichen Seiten der Politik und der Politiker zu verdeutlichen. Es ist sein nie versiegender, aber nie verletzender Humor, mit dem der gebürtige Duisburg-Hamborner des Jahrgangs 1921 auch schon als Autor in Erscheinung getreten ist. Er nimmt, insbesondere im Landtag, die Politik als das, was sie ist, nämlich als die Kunst des Möglichen. So bleibt bei ihm kein Anliegen ungeprüft und keine Zuschrift unbeantwortet.
    Zugang zur Politik, die für Szymczak zum Hauptberuf geworden ist, fand er 1950 durch seinen Eintritt in die CDU. Kurz zuvor hatte der vierfache Vater seine Lehrerausbildung abgeschlossen. Vor seiner Wahl in den Landtag war er bereits Kreistagsabgeordneter, und Beruf und Mandat bereicherten ihn um die Erfahrung, daß außerschulische politische Bildung einen ungewöhnlich hohen Stellenwert haben muß, um das demokratische Engagement der Bürger zu festigen. Dieses Ziel verfolgt Szymczak natürlich auch bei seiner Arbeit als Landtagsabgeordneter, und er nimmt für sich in Anspruch, politische Bildung zu einem gängigen Begriff gemacht zu haben. Ein weiteres Feld seiner politischen Tätigkeit ist der Sport, dessen Förderer und Fürsprecher er seit 1966 im Sportausschuß des Landtags ist und für den er dort manche Klinge gekreuzt hat. Nachhaltige Erfolgserlebnisse allerdings notiert er mit besonderer Genugtuung im Petitionsausschuß, auch wenn durchschnittlich nur jede dritte Eingabe positiv beschieden werden kann. Aber selbst negative Bescheide können nicht darüber hinwegtäuschen, daß jede Petition mit größter Sorgfalt behandelt wird, zumal die Landesverfassung den Mitgliedern des Ausschusses das Recht einräumt, jede Beschwerde an Ort und Stelle zu prüfen. Dieses Recht nutzt Szymczak im Interesse der Wähler bei zahlreichen Gelegenheiten, so daß er seither mehr auf Inspektionsreisen als im Landtag ist.
    Hätte der Landtag allerdings den Abgeordneten bessere räumliche Arbeitsvoraussetzungen zu bieten, könnte der Abgeordnete Szymczak nach eigenen Worten noch mehr für die Wähler tun. Doch noch liegt ein Neubau in weiter Zukunft, wenn auch schon die ersten Weichen dafür gestellt worden sind. Ganz nebenbei zählt Szymczak auch zu den Verfechtern einer gemäßigten Kleinschreibung, für die er jedoch nur wenig tun kann, weil seine zahlreichen Verpflichtungen ihm nur wenig Zeit dazu lassen.
    Klaus Simson

    ID: LI760601

  • Porträt der Woche: Richard Winkels (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 5 - 13.02.1976

    Den Sport parlamentsfähig zu machen, das ist so eine Sache. Außerparlamentarisch nutzen auch Politiker gern das popularitätsfördernde Vehikel Sport, aber die Parlamente sind sich, scheint's, manchmal zu fein für die sogenannte schönste Nebensache der Welt.
    Richard Winkels, Sozialdemokrat aus dem münsterländischen Warendorf, will das ändern. Der 55jährige gelernte Journalist fühlt sich und sein Anliegen zu Recht falsch bewertet. Denn noch nie hat das Plenum des Landtags über Sportpolitik debattiert, war es ihm deshalb auch selten vergönnt, Winkels' Stentorbaß zu vernehmen. Das soll noch in dieser Legislaturperiode anders werden. Der Sportausschußvorsitzende aus dem "Mekka des Sports" — Leistungszentrum für modernen Fünfkampf, Reiterzentrum, Sportzentrum der Bundeswehr, auch mit "Winkels-Zügen" nach Warendorf geholt — will mit dafür sorgen, daß schon im nächsten Jahr das Parlament über den Sportbericht der Landesregierung debattiert. Dabei müsse die gesellschaftspolitische und soziale Stellung des Sports endlich einmal "ganz deutlich" werden, sagt Winkels.
    Er rechnet es sich als bescheidenes Verdienst mit an, daß es neben der sogenannten "Kohlefraktion" auch so etwas wie eine "Sportfraktion" aus Abgeordneten aller drei Parteien im Landtag gibt. Ohnehin kennt er kaum Parteien, sondern vor allem Sportler — drei bis vier Millionen allein in NRW, welche Wählermassen! Sie können die Vorstellungskraft eines Politikers schon fesseln. Und dazu gibt das Land in diesem Jahr eine halbe Milliarde Mark für die Sportförderung aus.
    Solche Summen wollen richtig verteilt sein. Nach des Sozialdemokraten Winkels Vorstellung hauptsächlich für Breitensport und damit aktive Freizeitgestaltung, erst dann für den Leistungssport. Den Profis sollen Etat-Millionen nicht in die ohnehin schon vollen Taschen fließen. Der Leistungssport im übrigen dürfe nicht zum Überlaufbecken gesteigerten Nationalgefühls entarten. Krieg, auch wenn er nur in den Sportarenen stattfinde, habe hier eigentlich nichts mehr verloren. Das Wort Wettkampf kommt in Winkels' Vokabular nicht vor.
    Der Abgeordnete Winkels möchte auch den Kompetenzwirrwarr beseitigt sehen. Der Sport sei eine viel zu wichtige Sache, als daß sich fast alle Ministerien darum kümmern dürften. Durch die Verzettelung der Zuständigkeiten werde die Wirkung der staatlichen Fördermaßnahmen stark in Frage gestellt. Und deshalb macht sich Winkels dafür anheischig, daß Sportliches künftig in einer Hand gebündelt werde, nach seiner Meinung am besten in der des Kultusministers. Sportpolitik, findet der Politiker Winkels, sei "heute mehr denn je auch Freizeitpolitik". Da seien neue Wege zu gehen. An Altensport, gar Altensportvereine zu denken, liegt beispielsweise nahe. Die Gemeinschaft aller als eine Art gemeinnütziger Sportverein, organisiert in einer wochenendlichen Freizeitgesellschaft, das ist eine Vorstellung.
    Eine andere Vorstellung ist die des auch in seiner Partei sportpolitisch höchstengagierten Parlamentariers: Winkels möchte für die Düsseldorfer Abgeordneten im neu zu bauenden Landtag einen Fitneß-Winkel haben. Ein Schwimmbecken für die streßgeplagten zweihundert Abgeordneten wäre "kein Luxus", meint er. Und der Westfale Winkels, der vor lauter politischen Verpflichtungen auf aktives Sportmachen verzichten mußte, will auch nicht lokkerlassen. Die Sportfraktion zieht da wohl auch mit. Denn ob Fußballkreisklasse, Schwangerschaftsgymnastik oder Spitzenleichtathletik oder Profifußball: Sport ist eben wohl eine der neuen sozialen Fragen. Und die Einigkeit in dieser Frage sei ebenso nötig wie erfreulich, sagt Winkels frischauf.
    Bernd Kleffner

    ID: LI760502

  • Porträt der Woche: Kurt Schmelter (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 4 - 06.02.1976

    Mindestens einmal in der Woche, auch im Winter, greift er zum Schläger. "Rechts bin ich besonders gut", stellt Kurt Schmelter nicht ohne Stolz fest, doch er schränkt ein, damit niemand falsche Schlüsse daraus ziehe: "Nur im Tennis." Fragt man ihn nach seinem politischen Standort, nennt er Namen, die keinen Zweifel an der Richtung lassen. Schließlich komme er aus Köln, Hans Katzer sei ein Duzfreund, und "Johannes Albers war mein großer Lehrmeister in der Politik". Seit 1946 gehört er den Sozialausschüssen der CDU an.
    Als er nach der Wahl vom 4. Mai vergangenen Jahres den Landtag betrat, fand der Kölner Abgeordnete Kurt Schmelter dort manchen alten Bekannten vor. Ein Neuling und doch ein alter Hase. Schon von 1958 an hatte er zwei Legislaturperioden lang hier seinen Platz in der CDU-Fraktion. 1966 unterlag er mit 1100 Stimmen in seinem Kölner Wahlkreis, vier Jahre später fehlten ihm nur 360 Stimmen. Doch diesmal hat der Pechvogel es wieder geschafft, und für die Kölner war das eine kleine Sensation, denn erstmals nach neun Jahren gelang es einem CDU-Kandidaten, der SPD in der Domstadt ein Direktmandat abspenstig zu machen.
    Schmelter kann noch mit einer weiteren Erstmaligkeit aufwarten: Er ist der bisher einzige NRW-Landtagsabgeordnete, dem nach einer Zwangspause von zwei Legislaturperioden das Comeback gelang. Wie fühlt man sich als Neuling mit den Erfahrungen früherer Jahre? Kurt Schmelter erinnert sich, daß Politik damals nicht nur in den Ausschüssen und im Plenum gemacht wurde, sondern nicht zuletzt im Erfrischungsraum, "wo Kontakte auch mit dem politischen Gegner gepflegt werden konnten".
    Und heute? "Die Atmosphäre hat sich verändert." Die Gräben menschlicher und sachlicher Art zwischen den Fraktionen seien tiefer geworden. Kurt Schmelter, nicht ohne Melancholie: "Wir befinden uns in einem permanenten Wahlkampf." Er ist der Typ, dem die Scharfmacher nicht liegen, ein Mann des Ausgleichs, und mit Genugtuung erinnert er sich, daß auf einem privaten Empfang aus Anlaß seines 50. Geburtstages im September vergangenen Jahres die SPD genauso stark vertreten war wie die eigene Partei.
    In seiner ersten Volksvertreterphase entschied sich Schmelter für die Ressorts Sport und Verkehr. Dem Sport ist der passionierte Tennisspieler — als Obmann der Fraktion für diesen Bereich — auch diesmal treu geblieben, doch vom Verkehrsausschuß wechselte er in den Bereich Haushalt und Finanzen. Daß er darüber hinaus ein engagierter Kommunalpolitiker ist, kann nicht wundern, denn immerhin hat Kurt Schmelter unmittelbar vor Ort Erfahrungen sammeln können: Als Inspektor in den Diensten seiner Heimatstadt Köln, wo er zuletzt in der Tiefbauverwaltung tätig war.
    Von dort arbeitete er sich politisch nach oben. 1957 wurde er Geschäftsführer des CDU-Kreisverbandes Köln, des mit Abstand größten seiner Partei in der Bundesrepublik. Auch in diesem Amt wird er selbstverständlich mit kommunalpolitischen Problemen konfrontiert. Als einziger hat Schmelter im Vorstand seiner Kreispartei gegen die Eingemeindung von Porz und Wesseling nach Köln gestimmt, und für einen Domstädter brauchte es dazu schon einer gehörigen Portion Zivilcourage.
    Der Kommunalpolitiker Schmelter sieht Probleme vor allem in der Gemeindeordnung, die für eine Millionenstadt ebenso gültig ist wie für Zwerggemeinden. Eine Novellierung sei dringend geboten. Auch die Bezirksverfassung hält nach seiner Meinung nicht das, was man sich von ihr versprochen hatte. Schmelter: "Da ist viel Sand im Getriebe."
    Norbert Iserlohe

    ID: LI760402

  • Porträt der Woche: Wolfram Dorn (F.D.P.)
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 3 - 30.01.1976

    "Seine politische Karriere muß als beendet gelten", stellte das offiziöse Munzinger-Archiv nach der Bundestagswahl 1972 fest. Kurz zuvor hatte der F.D.P.-Politiker Wolfram Dorn in Bonn alle politischen Mandate und Ämter niedergelegt, nachdem seine Beratertätigkeit für ein als politisch suspekt geltendes großes Verlagshaus bekanntgemacht und "bespiegelt" worden war. Der Mann, der plötzlich im Verdacht der Untreue, des Amtsmißbrauchs und der Gesinnungslumperei stand, schien in bodenlose Tiefe zu fallen. Doch dieses Urteil erwies sich als ebenso unhaltbar wie manches andere Verdikt, das Politiker und Publizisten in den letzten Jahren über den jetzt 51jährigen Liberalen fällten, der aus dem sauerländischen Altena stammt, viele Jahre in Werdohl kommunalpolitisch tätig war und seit 1968 in Bonn lebt.
    Indessen bleibt Wolfram Dorn, obwohl nach mehreren langwierigen Gerichtsverfahren heute voll rehabilitiert, ein schwieriger Mann: unberechenbar und oft sprunghaft, dann aber wieder von hartnäckiger Stetigkeit. Fronterfahrungen als Infanterist und Kriegsgefangenschaft heilten ihn von politischen Jugendsünden. Eigentlich wollte Dorn nach landwirtschaftlicher Ausbildung ins afrikanische Kamerun übersiedeln. Dann aber wurde er Industriekaufmann, ging 1948 zur F.D.P. und war mit 29 Jahren schon Bürgermeister.
    Der Sprung aus der Kommunalpolitik in den Düsseldorfer Landtag gelang erstmals 1954. Obwohl Dorn seit Mai dieses Jahres wiederum der F.D.P.-Landtagsfraktion als einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden angehört, darf man Aufstieg und Fall dieses Politikers in den Bundestagsjahren von 1961 bis 1972 nicht als "Bonner Intermezzo" werten.
    Dorn gehorte immer zu den besonders streitbaren Geistern dieser Demokratie. Er hat, obwohl grundsätzlich kein Gegner der Notstandsgesetzgebung, entschieden gegen die vom Bundestag verabschiedete Fassung gefochten. Als Genschers parlamentarischer Staatssekretär im Bonner Innenministerium saß er lange in der Zentrale der Macht. Beamtenbesoldung, Parteiengesetzgebung, Sport- und Kulturpolitik waren weitere Wirkungsfelder. Daß Dorn sein neues Düsseldorfer Mandat als Wiedergutmachung für verleumderische Unbill betrachten werde, gehört gleichfalls zu den voreiligen, daher falschen Hypothesen der Publizisten. Mit Fleiß und Energie hat er sich in die Haushalts- und Finanzpolitik, sein neues Arbeitsfeld, eingearbeitet. Er gehört inzwischen zu den schärfsten Kritikern einer bedenkenlosen "Politik der vollen Hände", mißtraut all den Bildungsreformern, die, wie er sagt, zur Zeit das akademische Proletariat der achtziger Jahre heranzüchten, und hängt auch in der Frage der Sicherung des Rechtsstaates gegenüber Systemfeinden seinen eigenen ordnungspolitischen, im gängigen Sinne kaum liberalen Gedanken nach.
    So gerät Wolfram Dorn auch im Düsseldorfer Landtag nicht selten zwischen die Fronten. Die Opposition bringt ihm kaum verhüllten Respekt entgegen, etliche Landesminister dagegen tragen schon Groll im Herzen. Manche sehen in ihm den immerwährenden Karrieristen und Anpasser, andere den konsequenten und auch cleveren Demokraten, der weiß, daß Politik ein sehr menschliches Geschäft ist. Dorn hat rauhe und zarte Saiten. Wer ihn als burschikosen, übrigens gefürchteten Skatbruder kennt, würde niemals glauben, daß Dorn auch besinnliche Lyrik aus dem Kämmerlein in die Öffentlichkeit tragen kann. Die westfälische Landschaft, der Dorn entstammt, hat sommerlich liebliche Täler, während auf ihren oft neblig-nassen Höhen ein kalter Wind pfeift. Dieses Sauerland prägt gelegentlich seltsam romantische Menschen und Politiker.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI760302

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Die Fraktionen im Landtag NRW