Er kommt aus dem westfälischen Hagen, einer Stadt, deren Liberale lange Zeit durch politische Persönlichkeiten wie Willi Weyer und die derzeitige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Liselotte Funke, im Landtag von Nordrhein-Westfalen vertreten waren. Er stammt aus der "freisinnigen Hochburg eines Eugen Richter, in der der Hauch des 1848er Liberalismus noch lange Zeit nachwehte", wie Alfred Dobbert, Politiker und Journalist zugleich, einmal bei einem Geburtstagsglückwunsch für einen anderen Hagener, den früheren Oberbürgermeister und Ministerpräsidenten Fritz Steinhoff (SPD) schrieb. Und er gehört zu denjenigen Familien, in denen die Söhne in die politischen Fußstapfen der Väter und noch die Enkel in die der Großväter treten.
Das alles sollte man wissen, um sich ein Bild machen zu können von dem parlamentarischen "Newcomer" Fritz Otto Thielmann vom Jahrgang 1937, der sich mit 21 Jahren, er war damals kaufmännischer Angestellter, ins politische Leben stürzte und der Familientradition getreu sich der liberalen Partei zur Verfügung stellte. Ein junger Abgeordneter, der, kaum im Parlament, in der zahlenmäßig kleinen, aber sehr aktiven F.D.P.-Fraktion in eine Position hineinwächst, die einmal Männer wie Friedrich Middelhauve, Gerhard Kienbaum, Heinz Lange und Horst-Ludwig Riemer innehatten: die Rolle des wirtschaftspolitischen Sprechers.
Für einen Neuling im alten Ständehaus am Düsseldorfer Kaiserteich hat sich der Hagener schnell eingearbeitet, hat die Informationsflut, durch die sich jeder frischgebackene Landtagsabgeordnete erst einmal durcharbeiten muß, rasch bewältigt und sich dabei allerdings auch einer Arbeitsweise befleißigt, die eigentlich für alle 84 neuen Abgeordneten selbstverständlich gewesen sein sollte: Er benutzte die parlamentarischen Sommerferien, wenige Wochen nach der Landtagswahl, dazu, sich intensiv mit seinen neuen Aufgaben vertraut zu machen. Eine Einarbeitungstechnik, die ihm schon bei den ersten Etatberatungen im Bereich der Wirtschaftspolitik sehr zugute kam. Fragt man den gelernten Kaufmann indes danach, was er von der parlamentarischen Beratungsmühle halte, dann kommt eine sehr kritische Antwort. Die Etatberatungen und ihre Ergebnisse sind ihm, der in den Maßstäben der freien Wirfschaft denkt, noch zu grobkörnig. Selbstbewußtsein, kein starres Kleben an programmatischen Aussagen, statt dessen pragmatisches Agieren auf liberaler Basis, analytisches Denken und rationelles Arbeiten charakterisieren Thielmann. Vieles, was ihm in der Politik zugute kommt, hat er schon beruflich zu nutzen gewußt. Dazu kommt noch eine zehnjährige kommunalpolitische Erfahrung im Rat seiner Heimatstadt Hagen, eine Tätigkeit, von der er nicht ganz leichten Herzens Abschied genommen hat, als er sich ohne Absicherung um ein Landtagsmandat bewarb.
Noch muß Thielmann Erfahrungen sammeln, ob sich das Mandat eines Landtagsabgeordneten, anders als das eines Ratsherrn, auf die Dauer mit seiner freiberuflichen Tätigkeit als Einzelhandelskaufmann in der Möbelbranche verträgt. Aber er ist auch da optimistisch, ebenso wie in der Frage, ob neben Politik und Beruf auch noch Zeit für Frau und drei Kinder bleibt. Wenn dann auch noch die Hobbys, wie Musik und Literatur, nicht zu kurz kommen sollen, gehört schon viel Optimismus dazu.
Karl Fischer
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