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  • Porträt der Woche: Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.)
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 12 - 27.04.1979

    In seinem Dienstzimmer hat der nordrhein-westfälische Innenminister Dr. Burkhard Hirsch (F.D.P.) einen aufschlußreichen Siebdruck hängen. Dargestellt ist ein Fleischwolf in Aktion: die linke Hand dreht, die rechte Hand wird durchgedreht. Glaubt man denen, die es wissen müssen, dann gilt dem Minister diese Darstellung als Sinnbild für Prinzipienfestigkeit; man müsse zu seinen Grundsätzen stehen, auch wenn es manchmal weh tue.
    An solcher Prinzipientreue hat Hirsch es nicht fehlen lassen, seit er 1975 - widerstrebend - seinen Sitz im Bundestag aufgab und auf den Sessel des Düsseldorfer Innenministers wechselte. Und seine Rigorosität hat ihm ebenso das Etikett "schwierig" eingebracht, wie sie ihn selbst mitunter in Schwierigkeiten brachte.
    Sogar diejenigen seiner politischen Freunde, die ihm nahestehen, sind gelegentlich irritiert, wenn sie Hirsch in der einen oder anderen Sachfrage gegen sich "segeln" sehen. Er sei "nicht schwieriger und unebener wie die Realität", pflegt der Minister auf entsprechende Fragen mit einem Lächeln zu antworten. Prinzipienfestigkeit gepaart mit preußisch-strenger Pflichterfüllung, Intelligenz und analytischem Verstand - das sind Dinge, die Hirsch mitbekam oder die ihm anerzogen wurden; Erlebnisse und Erfahrungen, die der Oberschüler, der 1948 in Halle (Saale) sein Abitur machte, in den ersten Nachkriegsjahren in der damals noch sogenannten SBZ machen mußte, haben den Inhalt seiner Überzeugungen wesentlich mitgeformt: die Erfahrung von Opportunismus, politischer Intoleranz und konkreter Benachteiligung. Hier liegen die Wurzeln seines unnachgiebigen Eintretens für unbedingte Rechtsstaatlichkeit; Nur wenn die Verwaltung strikt an Recht und Gesetz gebunden handle, könne Gerechtigkeit werden und staatliche Glaubwürdigkeit bleiben. Opportunitätsdenken ist Hirsch folglich ein Greuel.
    Als Sohn eines Richters hatte Hirsch keinen Studienplatz erhalten; er ging daraufhin in die Westzonen und studierte ab 1948 in Marburg Rechtswissenschaften. Dort machte er auch sein Examen und seinen Doktor. Arbeit fand er in der Industrie, wo er es bis zum Direktor der Mannesmann AG in Düsseldorf brachte.
    Parallel zur beruflichen lief die politische Karriere. Schon in der SBZ war er den Liberalen beigetreten, bei denen er auch im Westen blieb. Erste Erfahrungen als Volksvertreter sammelte Hirsch ab 1964 acht Jahre lang im Düsseldorfer Stadtrat. 1972 schickte ihn seine Partei in den Bundestag (und bald auch in den NRW-Landesvorstand der F.D.P.). In Bonn fiel Hirsch rasch als Debattenredner auf, erntete aber noch mehr Respekt durch seine Arbeit in den Ausschüssen.
    In Düsseldorf übernahm Hirsch das nach Zuständigkeiten sehr umfängliche und nach politischem Aufmerksamkeitswert exponierte Innenressort: Polizei und Verfassungsschutz, Städte- und Wohnungsbau, Datenschutz und alle Fragen der Kommunalpolitik gehören in den Geschäftsbereich. Und in nahezu allen Zuständigkeiten gibt es konfliktträchtige Probleme, so daß es in den Landtagsfraktionen, auch denen der Koalition und in der Öffentlichkeit wiederholt Widerspruch gegen den Innenminister gab. Ob das neue Polizeigesetz, ob die Erhaltung der Arbeitersiedlungen im Ruhrgebiet oder ob Fragen der Kommunal- und Funktional-Reform, bei denen sich die Interessen besonders reiben - die Konflikte wurden immer dann besonders scharf, wenn Hirsch an einer Sachlösung festhielt, ohne die damit einhergehenden politischen Auswirkungen entsprechend zu kalkulieren.
    Dafür beweist Hirsch anderseits ein besonderes politisches Gespür - und hier diskutiert er vehement auch über sein Ressort hinaus mit: Alle Fragen, die der in seinen Folgen für die gesellschaftliche Entwicklung schwer kalkulierbare technologische Fortschritt - Computer-Staat, Atom-Staat aufwirft, sehen Hirsch als engagierten Verteidiger von Bürgerrechten und Umwelt vorn.
    Hartwig Suhrbier

    ID: LI791230

  • Porträt der Woche: Horst Sommerfeld (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 11 - 02.04.1979

    Politisch engagiert hat er sich schon mit 19 Jahren. Gleich nach der Gesellenprüfung als Handwerker bei einem Brückenbaubetrieb in seiner Vaterstadt Gelsenkirchen trat Horst Sommerfeld 1949 der IG Metall bei und wurde noch als Jugendlicher in den Betriebsrat gewählt. 1951 folgte der Eintritt in die SPD. Gewerkschafts- und Parteiarbeit haben seit fast drei Jahrzehnten im Leben des heute 48jährigen eine zentrale Rolle gespielt.
    Den Weg gewiesen hatten ihm die Mutter - "sie ist länger in der SPD als ich" - und das "Beispiel älterer Kollegen". Horst Sommerfeld hatte bereits als Lehrling den Vater verloren und "vielleicht auch deshalb mein Umfeld kritischer betrachtet als meine Altersgenossen". Die Verhältnisse in dem Betrieb, in dem er als Maschinen-Schweißer arbeitete, und auch die Lage im Revier ein Jahr nach der Währungsreform hatten ihm jedenfalls früh die Erkenntnis vermittelt, "daß man sich engagieren muß". Und das hat er dann auch stets getan, zunächst in der Gewerkschaft, später auch in der Partei.
    Nachdem er sich als Funktionsträger im Betrieb und in Schulungskursen Rüstzeug und Erfahrung erworben hatte, wurde er 1958 als Jugendsekretär im DGB-Bezirk Wanne-Eickel/Heme/Castrop-Rauxel angestellt; ein Jahr später heiratete er und zog "für immer" nach Castrop um. 1961 wurde er zum Geschäftsführer des dortigen DGB-Kreises gewählt, der mit 15000 Mitgliedern für die Verhältnisse im Ruhrgebiet eine nur kleine Einheit ist und den Horst Sommerfeld bis heute im "Ein-Mann-Betrieb" verwaltet.
    Nach verschiedenen Parteifunktionen "auf der untersten Ebene" kandidierte er 1964 erstmalig für den Stadtrat von Castrop-Rauxel und wurde direkt gewählt, 1971 übernahm er den Vorsitz der SPD-Ratsfraktion. Weitere Stationen politischen Wirkens waren die Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe, Vorstandsämter im heimischen SPD- Ortsverein, im Unterbezirk Dortmund und nach der kommunalen Neuordnung im Unterbezirk Recklinghausen. Im gleichen Jahr wurde Horst Sommerfeld als Landtagskandidat benannt und holte das Mandat "mit dem erwarteten Ergebnis". Die knapp 58 Prozent waren aber immerhin doch etwas mehr als sein Vorgänger 1970 geschafft hatte.
    Die Arbeit im Landtag empfindet er nach vierjähriger Erfahrung als "sinnvolle Ergänzung zur kommunalpolitischen Tätigkeit", und Spaß macht sie ihm auch. Im Wirtschaftsausschuß richtet Horst Sommerfeld sein besonderes Augenmerk auf die "für uns an der Ruhr besonders wichtige Strukturpolitik", daneben versucht er, die Interessen der Verbraucher zu wahren. Ein spezielles Anliegen ist ihm aber auch das öffentliche Gesundheitswesen, dem er sich im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales in erster Linie widmet, "öffentliche Gesundheitsvorsorge ist heute wichtiger denn je ", hat der SPD-Politiker erkannt. Daran ändere auch nichts, daß die Zahl der frei praktizierenden Mediziner in den letzten Jahren "erfreulich zugenommen" habe.
    Neben der Gewerkschaftsarbeit und den vielfältigen politischen Aufgaben hat der Vater eines 17jährigen Sohnes immer noch Zeit für sein großes Hobby gefunden, das Theater. Als junger Mann hat er selbst aktiv bei Laienspiel und Polit- Kabarett mitgewirkt, noch heute ist er ein "leidenschaftlicher Theaterbesucher". So ist es kein Zufall, daß Horst Sommerfeld seit vielen Jahren Vorsitzender der Volksbühne Castrop-Rauxel ist und auch im Verwaltungsrat des Westfälischen Landestheaters mitarbeitet.
    Sehr aktiv ist er aber auch, wenn es um Verständigung über die Grenzen hinweg geht. Der Vorsitzende der Mehrheitsfraktion im Castroper Stadtrat hat nicht zuletzt Anteil daran, daß es seit Jahren vier Patenschaften mit Holland, Frankreich, England und Finnland gibt. Und mit besonderem Stolz hat Horst Sommerfeld erfüllt, daß Castrop-Rauxel Anfang März den Theodor-Heuss-Preis als Europastadt verliehen bekam.

    Karlegon Halbach

    ID: LI79111D

  • Porträt der Woche: Erich Heckelmann (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 10 - 26.03.1979

    Es war eine Wahlversammlung der CDU in Rheinland-Pfalz mit dem Außenpolitiker Ernst Majonica, die in dem jungen Studenten Erich Heckelmann den Entschluß gefestigt hat, in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands einzutreten. Heute, rund 23 Jahre später, hält der Landtagsabgeordnete, der im April 1978 für den in das Amt des Kölner Regierungspräsidenten übergewechselten Franz-Josef Antwerpes in das Parlament einzog, die Begründung von damals immer noch für richtig: die außenpolitischen Vorstellungen der Union "mit einseitiger Blickrichtung nur nach Westen" schienen und scheinen dem Mann, der sich selbst als frankophil einstuft, falsch für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland.
    Wie gesagt, der Auftritt Majonicas hatte den Entschluß gefestigt. Daß Heckelmann der SPD auch schon vorher nicht fernstand, ergibt sich aus der Haltung des Vaters, der schon vor 1933 der SPD angehörte. Verfolgung durch die Nazis war fast zwangsläufig. "Aber unmittelbar hat mein Vater meinen Entschluß nicht beeinflußt", sagt Heckelmann, dessen Karriere in der SPD zwar stetig, aber nicht steil verlief. Heute ist er stellvertretender Unterbezirksvorsitzender im Unterbezirk Neuss seiner Partei. Er führt die SPD- Fraktion im Kreistag von Neuss und gehört auch noch dem Rat in Grevenbroich an.
    Diese Ämter fordern eigentlich mehr, als ein Mann leisten kann. Heckelmann, der seinen Beruf als Rektor einer Hauptschule in Kaarst mit dem Einzug in das Landesparlament nach dem Gesetz aufgeben mußte, weiß das. "Man hat praktisch keine Freizeit mehr." Er selbst war bereit, in Grevenbroich auszuscheiden, aber seine Parteifreunde baten ihn - nicht zuletzt wohl im Hinblick auf die Kommunalwahlen im Herbst dieses Jahres -, das Mandat zu behalten. Vom Grundsatz her hält der SPD-Politiker das Engagement eines Landtagsabgeordneten auf der kommunalen Ebene auf jeden Fall für richtig. "Man braucht die Verbindung zur Basis. Wer Politik für die Menschen machen will, muß sich selbst ständig davon überzeugen, wie das wirkt, was man vorhat." Für ihn steht fest, daß Landespolitik nicht theoretisch sein kann.
    Heckelmann schaffte erst im dritten Anlauf den Einzug in das Landesparlament. Das hat den ruhigen Mann, der Deutsch, Geschichte, Musik und - später noch - evangelische Theologie für die Sekundarstufe eins studiert hat, nicht entmutigt. Ohne Widerspruch nahm er es auf sich, gleich in drei Ausschüssen des Landesparlaments (üblich sind zwei) als ordentliches Mitglied zu arbeiten. Der Schulausschuß ist nicht darunter. "Es sollten im Schulausschuß die Lehrer in der Minderheit bleiben. Sonst wird zu sehr gefachsimpelt, und Betriebsblindheit droht."
    Freude macht ihm vor allem die Arbeit in den beiden Ausschüssen für Arbeit und für Jugend und Familie. Mit Skepsis blickt er auf den Wirtschaftsausschuß. Er findet die dort übliche Fachsprache nicht gerade leicht verständlich. "Große Teile der Fraktion werden durch sie frustriert. Die Wissenschaft verliert dadurch ihre Lobby." Dies wiederum betrübt ihn im Interesse der Wissenschaft. Ihn selbst, immerhin einen akademisch gebildeten Mann, beschleichen dabei manchmal Zweifel in die eigene Kompetenz. "Es hat keinen Zweck, über etwas zu reden, von dem man nichts versteht" - Worte, die man aus Politikermund nicht gerade oft hören kann. Heckelmann ist eben nicht das, was man modisch einen "Überflieger" nennt. Dafür ist er ein Flieger, begeisterter Segelflieger. Dieser Leidenschaft frönt er, sooft er kann, sehr gern auch bei französischen Freunden, deren Klub er angehört. Das andere Hobby, die Musik, kommt zu kurz. Der 17jährige Sohn hat sich deshalb schon beschwert, weil ihm zur Konzertgitarre die Begleitung des Vaters fehlt.

    Karl Lohaus

    ID: LI791022

  • Porträt der Woche: Heinz-Werner Meyer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 19.03.1979

    Als Hamburger Junge hatte auch ihn das Fernweh erfaßt, wenn er im Hafen die großen Pötte mit den fremden Namen und Flaggen sah. "Klar wollte ich zur See fahren", sagt Heinz-Werner Meyer, "aber die Verhältnisse erlaubten es nicht." Als er, 1932 in Hamburg-Harburg geboren, eine Lehrstelle suchte, da gab es nach dem verlorenen Krieg keine deutsche Seefahrt mehr. "Für mich vielleicht zum Glück", sinniert der verhinderte Seemann heute, "denn ob ich, wie mein Großvater, auf großer Fahrt zufrieden gewesen wäre?"
    So nahm sein Lebensweg denn einen völlig anderen Verlauf. In den ersten Jahren nach dem Krieg warb der Bergbau mit großem Aufwand um Nachwuchs. Heinz-Werner Meyer übertrug seine Abenteuerlust auf die Arbeit unter Tage. Mit 16 Jahren schuftete er als Berglehrling im Streb. Die Arbeit war viel schwerer, die Arbeitsbedingungen waren viel schlechter, die Löhne unbefriedigender, die gesundheitlichen Gefahren größer, als er es geahnt hatte. Das Betriebsklima damals bezeichnet er heute als "katastrophal". In der Hierarchie des Bergbaus sei nur "kommandiert" worden.
    In dem Lehrling wuchs der Wille, etwas zu verändern. Als ihn alte Gewerkschaftler ansprachen, war er sofort bereit, mitzumachen. Er wurde Jugendleiter und Jugendsprecher, kam in den Bezirksvorstand der IGBE. 1954 machte er die Hauerprüfung. Dann schickte ihn die Gewerkschaft "auf den Bildungsweg". An der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg legte er das Examen als Volkswirt (grad.) ab. Von 1957 bis 1969 war er Gewerkschaftssekretär der IGBE. Mit 37 Jahren zog er in den Geschäftsführenden Vorstand ein, zuständig für Organisation, Finanzen und Jugendfragen.
    Die Einführung der paritätischen Mitbestimmung 1951 sieht Heinz- Werner Meyer, der in Dortmund wohnt, als wichtige Weichenstellung für den Bergbau an. Sie habe das Bewußtsein der Bergleute verändert, sie vom Untertanengeist befreit, meint er.
    Als 1958 die ersten Feierschichten gefahren wurden, habe niemand den gewaltigen Umbruch, der zum Verzicht auf Förderkapazität und zur Konzentration führte, erkannt, sagt der Gewerkschaftler. Damals, in jungen Jahren, habe er noch mit der Sozialisierung des Bergbaus sympathisiert. Heute sehe er darin keine Verbesserung. Der Staat könne nicht viel mehr tun. In der übrigen Wirtschaft habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß im eigenen Interesse die gegenwärtigen Kapazitäten erhalten werden müßten, weil Ende der achtziger Jahre wieder mehr Kohle benötigt werde.
    Mitglied der SPD ist Heinz-Werner Meyer seit 1953, Abgeordneter des Landtags seit 1975. Seit 1970 ist er ehrenamtlicher Richter am Bundesarbeitsgericht. Als Mitglied des Großen Senats wird er bald über die Zulässigkeit der Aussperrung urteilen müssen.
    Im Wirtschaftsausschuß des Landtags gilt sein besonderes Interesse Fragen der Kohle und Energie sowie der Strukturpolitik. Im Ausschuß für Jugend, Familie und politische Bildung setzt er sich dafür ein, daß die Jugendarbeitslosigkeit auch mit Sonderprogrammen für bestimmte Problemgruppen, wie Jugendlichen, die keinen Schulabschluß haben, aber doch zum Einstieg in einen Beruf befähigt werden sollen, bekämpft wird. Wenn man den Vater von fünf Kindern nach seinem Hobby fragt, dann sagt er schlicht: "Ich habe keins." Beruf und Mandat ließen ihm schon zu wenig Zeit für die Familie.

    Gerd Goch

    ID: LI79091E

  • Porträt der Woche: Ernst Lück (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 09.03.1979

    Beeindruckend, wie schnörkellos und offen der SPD-Landtagsabgeordnete Ernst Lück die "Juckepunkte" anspricht. Ehrenwert, daß er Schwächen seiner Partei gar nicht erst wegzureden versucht, sondern sie zugibt; nicht gerade selbstverständlich, daß Lück dabei über jeden Verdacht erhaben ist, sich mit Leidensmiene und Genossen-Schelte eigentlich nur profilieren zu wollen.
    Unter den 91 Sozialdemokraten im Landesparlament ist der gebürtige Ostpreuße eine Rarität: Er ist Arbeiter, Maschinenbauer bei Ford Köln, und das schon seit 25 Jahren. Nicht, daß er sich beklagen wollte, aber wenn man ihn danach fragt, dann streitet er nicht ab, daß die Akademiker in der SPD den Arbeitnehmern die Teilhabe am Parteileben mitunter recht schwer machen. Und da steckt sogar ein wenig Bitterkeit drin, wenn er konstatiert, die Beamten und Angestellten hätten in Scharen doch erst nach den Wahlerfolgen zur Sozialdemokratie gefunden und sich auf die Seite des Siegers geschlagen. "Wenn man 1959 ein Parteiabzeichen trug, da guckten noch alle", erinnert sich Lück, der genau in jenem Jahr der SPD beigetreten war. Da hatte er schon im Betrieb Engagement gezeigt, war als 21 jähriger 1954 in die IG Metall gegangen, wurde 1957 Vertrauensmann und zwei Jahre später zum Betriebsrat bei Ford gewählt. In der Gewerkschaft kam er schnell zu der Überzeugung, "daß man nicht alles über Tarifverträge regeln kann". So schloß sich Lück der SPD an, die - davon ist er noch heute trotz mancher Kritik überzeugt - auch als Volkspartei die politische Heimat der Arbeitnehmer ist.
    Ob es ihn bitter ankommt oder nicht, er läßt es sich nicht anmerken, sondern stellt knapp fest, die Arbeiter seien im Parlament unterrepräsentiert, auch in seiner SPD-Fraktion. Dies zu durchbrechen, aufzuheben, abzuändern, sei schwer. Viele Arbeitnehmer scheuten schon den Versuch, den redegewandten Akademikern erst einmal innerparteilich Paroli zu bieten. Unzufrieden mit diesem Zustand, hatte sich vor Jahren in Köln ein Kreis von Betriebsräten und Vertrauensleuten darüber Gedanken gemacht, ob und wie man mehr Arbeitnehmer auf allen politischen Ebenen installieren könnte. Lück eine Landtagskandidatur anzutragen, bot sich geradezu an. Bewährt hatte er sich schon als Gesamtbetriebsratsvorsitzender aller deutschen Ford-Werke, als ehrenamtliches Mitglied im Vorstand der IG Metall, in Führungsgremien der Parteigliederungen und als Ratsherr der Stadt Köln, um nur einige Posten zu nennen aus jener Vielzahl, die Lück innehatte und die schließlich so groß geworden war, daß er sich 1975 mit Einzug in den Landtag von dem meisten trennte, um nicht den Vorwurf der Ämterhäufung zu hören.
    Von seiner Fraktion wurde er in den kommunalpolitischen Ausschuß und in den Sportausschuß delegiert. "Beides war nicht mein Ziel", bekennt Lück ganz offen. Er wollte sich in der Sozialpolitik engagieren. Doch im dafür zuständigen Ausschuß war kein Platz mehr. Doch keine Klage: "Es ist ja meistens so: Wo man rein will, da kommt man nicht rein." Bedenklich stimmt auch eine parlamentarische Grunderfahrung des Abgeordneten Lück. Immer drängender stelle sich das Problem der Verbürokratisierung. Vieles erstarre in einem selbst auferlegten Zwang zum Perfektionismus in Unbeweglichkeit. "Da wird viel zuviel Papier rumgewälzt."
    Als es im Gespräch um den Begriff "Solidarität" ging, nannte Lück keine Namen. Welche Vorgänge gerade der letzten Woche und Monate er meinte, war jedoch klar. Solidarität, das sei für viele in der SPD "nur noch ein Wort". Auch jene benutzten es ständig, die sich gar nicht mehr daran hielten. "Und das ist bedauerlich."

    Christoph Lütgert

    ID: LI79082A

  • Porträt der Woche: Ilse Ridder (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 7 - 26.02.1979

    Ilse Ridder ist das, was man eine "Selbstdreherin" nennt. Die 34jährige Sozialdemokratin aus Coesfeld macht ihre Zigaretten eigenhändig. Und raucht deshalb "etwas weniger". Denn die Erfahrung lehrt, daß man am Telefon und auch beim Autofahren nicht "drehen" kann. Sie lebt, wenn sie dem Rauchen frönt, zwischen Zwang und Eigeninitiative.
    So ist der Hausfrau und Mutter von zwei Söhnen - acht und zwölf Jahre alt - auch die Politik ein vertrautes Geschäft. Als Ilse Ridder 1966 sich entschloß, der SPD beizutreten, tat sie es mit Überzeugung und zugleich auch aus der Gewißheit, nur dort ihre sozialpolitischen Vorstellungen verwirklichen zu können. Schon drei Jahre später zog sie in den Rat der Stadt Coesfeld ein, war zuletzt sogar Fraktionssprecherin der 13 Köpfe zählenden SPD im Gemeindeparlament der münsterländischen Stadt.
    Ihre Aktivitäten hatten lokalen, praktischen Bezug. Und ein bißchen wehmütig sagt die Landtagsabgeordnete Ridder deshalb: "In der Kommunalpolitik ist Hilfe direkt möglich, direkt in die Praxis umsetzbar." So kümmerte sie sich um Spielplätze, opferte ganz unheroisch-westfälisch einen Teil ihres Urlaubs - wie andere Coesfelder Ratsmitglieder auch - um Kinder, die nicht verreisen konnten, in den Ferien zu betreuen.
    Das soziale Engagement sitzt Ilse Ridder "tief in den Knochen". Ursprünglich wollte sie das werden, was man heute Sozialarbeiter nennt. Daraus ist nichts geworden. Aber ihre Position, die sie als eine Linke ausweist, ist nach wie vor eigentlich nur menschlich: "Wo es um Dinge geht, die den Menschen direkt in seiner Persönlichkeit treffen, da kann ich radikal werden."
    Dabei geht es natürlich auch um das Problem der Frauenemanzipation. Ilse Ridder, selbst emanzipiert genug, ihre eigene Situation richtig einzuschätzen, hält freilich nicht viel vom Krieg der Geschlechter, den manche "Emanze" gern vom Zaun brechen möchte. Wirkliche Entfaltung der Persönlichkeit könnten Frauen und Männer nur gemeinsam erreichen. Und listig legt sie den Köder aus, daß solches gemeinsames Engagement "auch zum Vorteil der Männerwelt" ausschlagen werde.
    Der sanft geschürte Emanzipations- Optimismus gilt freilich auch für die Coesfelder SPD, die sich bei den Wählern noch immer unter der magischen 30-Prozent-Marke bewegt. Die gestandene Kommunalpolitikerin Ridder kam 1975 auf runde 28 Prozent. Das reichte nicht für den direkten Einzug in den Landtag. Erst als Anfang 1977 durch das Ausscheiden Richard Grünschlägers aus dem Landtag ein Platz in der SPD-Fraktion frei wurde, rückte Ilse Ridder über die Reserveliste nach.
    Die gut zwei Jahre parlamentarischer Arbeit seitdem haben ihr das typische Unsicherheitsgefühl aller Neulinge noch nicht ganz nehmen können. Aber im Haupt- und Verkehrsausschuß, in die es sie verschlug, hat sie schon ihren festen Platz gewonnen. Besonders der Verkehrsausschuß bietet Ilse Ridder auch den Bezug zur lokalen Politik. Sie sieht da die Chance, Einfluß zu nehmen und die Entwicklung des Verkehrs im Kreis Coesfeld voranzutreiben. Dazu gehört auch die als "Ostfriesenspieß" geschmähte Autobahn Ruhrgebiet-Ostfriesland, für deren Bau sich die Sozialdemokratin nachhaltig stark macht.
    Die Doppelbelastung durch Familie und Politik sieht Ilse Ridder mit Unbehagen. Es sei "nicht ganz leicht, beides unter einen Hut zu bringen", gesteht sie. Deshalb hat sie es sich zum Prinzip gemacht, schönen, aber überflüssigen Verpflichtungen aus dem Weg zu gehen, Theater und Konzert aus dem Kalender zu streichen. Dafür geht sie, wenn's geht, mit ihren Söhnen schwimmen oder Tennis spielen.

    Bernd Kleffner

    ID: LI79071B

  • Porträt der Woche: Volker Heimen (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 6 - 16.02.1979

    Für besonders wichtig hält er, daß man über der Politik nicht den Humor verliert. "Wer in diesem Geschäft alles nur ernst nimmt und dabei das Lachen verlernt, der sollte seine Laufbahn lieber ändern", meint Volker Heimen, CDU-Abgeordneter aus Bielefeld. Der 35jährige selbständige Wirtschaftsberater hält sich an den eigenen Ratschlag: Er lacht gern und herzlich und nimmt kernige Worte seiner politischen Gegner nicht gleich "krumm".
    Im Dezember 1976 ist Volker Heimen über die Reserveliste in den Landtag nachgerückt. In der Partei arbeitet er schon lange mit. Bereits 1965, als 22jähriger, ist er in die CDU eingetreten. "Damals hat mir vor allem die Außenpolitik der Christdemokraten gefallen und weil ich meine, wer politisch interessiert ist, sollte auch aktiv mittun, bin ich in die Partei eingetreten." Und hier ist er rasch vorangekommen. Schon 1966 wurde er Vorstandsmitglied der Jungen Union Bielefeld. 1969 avancierte Heimen zum Vorstandsmitglied des Stadtverbandes, seit 1969 sitzt er auch im Rat seiner Heimatstadt und seit 1973 ist er dort stellvertretender Fraktionsvorsitzender.
    Seinen Weg nach Düsseldorf hat Heimen sich jedoch keineswegs erkämpft. Der Posten ist vielmehr auf ihn zugekommen, wie die anderen Parteiämter übrigens auch. "Ich würde niemandem seinen Platz streitig machen oder in eine Kampfabstimmung gegen einen Parteifreund gehen", macht Volker Heimen unmißverständlich klar, "so ein Karrieredenken gibt es bei mir nicht."
    Der junge CDU-Politiker ist nicht nur beruflich selbständig, sondern auch politisch ein Einzelkämpfer, der keinem Flügel zugerechnet werden möchte. "Für mich ist die CDU eine Volkspartei, in der jeder seinen Platz findet." Seinen politischen Standpunkt definiert er so: "Mittelstand und Sozialausschüsse sind meine Leitlinien." Dabei ist es für ihn wichtig, daß sich die beiden Gruppen nicht auseinanderdividieren lassen, weil sie angeblich unterschiedliche Interessen haben.
    Seine Unabhängigkeit und Couragiertheit demonstrierte der Christdemokrat aus Bielefeld anschaulich im letzten Spätherbst, als er gegen das Mehrheitskonzept der CDU-Landtagsfraktion zum Regierungsentwurf über die Integration der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten ein eigenes Konzept vorlegte. Er setzte sich mit seinen Vorschlägen zwar nicht durch, doch er meint, schon allein dadurch einen Teilerfolg erzielt zu haben, daß seine Gedanken mit in die Gesamtdiskussion eingeflossen sind. Zum anstehenden Landeshochschulgesetz ist Volker Heimens Meinung ebenfalls klar: "Es geht mir darum, daß wir nicht die negativen Erfahrungen von Bremen in Nordrhein-Westfalen einführen. Wir wollen hier nicht die gleiche Bürokratisierung und Politisierung haben."
    Im Landtag arbeitet der CDU-Politiker in drei Ausschüssen mit: dem Wissenschafts-, dem Rechnungsprüfungs- und dem Sportausschuß. So gewissenhaft Heimen auch in "seinen" Ausschüssen mitarbeitet, ist sein Ziel doch der Haushaltsausschuß: "Als Wirtschaftsberater reizt mich diese Aufgabe natürlich besonders, und ich meine auch, daß ich von der Materie auch ein bißchen etwas verstehe." Immerhin hofft der junge Politiker in der nächsten Legislaturperiode - Volker Heimen will auf alle Fälle wieder kandidieren -, den Sprung in den erstrebten Ausschuß zu schaffen.
    Bei soviel politischem Engagement müssen Beruf und Privatleben zurückstehen. "Mit meinem Beruf habe ich Glück", meint Volker Heimen, "ich bin nicht an Bürostunden gebunden, sondern kann meine Arbeit auf die Abende oder an die Wochenenden verlegen." Und privat? "Nun, meine Frau hat viel Verständnis für meine Arbeit." In der spärlich bemessenen Freizeit hält sich Heimen mit Tischtennis und Fußball fit und sonntags wandert er - wenn kein politischer Frühschoppen ist - gern durch den Teutoburger Wald.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI790625

  • Porträt der Woche: Rainer Maedge (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 5 - 12.02.1979

    Die Arbeit im Landtag macht ihm "ausgesprochen Spaß". Denn er hat in knapp vier Jahren Parlamentszugehörigkeit erfahren: "Man kann doch viel mehr erreichen, als draußen allgemein angenommen wird." Für Rainer Maedge, SPD-Mann aus Köln und mit gerade 35 Jahren einer der jüngeren Abgeordneten, liegt das Schwergewicht dessen, was er erreichen will, auf einer Verbesserung der Wirtschaftsförderung, einer weiteren Liberalisierung der Justizpolitik und in einer verstärkten parlamentarischen Kontrolle der öffentlichen Unternehmen.
    So ist es nicht zufällig, daß er als ordentliches Mitglied im Wirtschaftsausschuß und im Justizausschuß mitarbeitet und von seiner Fraktion auch in den West LB-Untersuchungsausschuß delegiert worden ist. Die Fülle der Arbeit, vergrößert durch eine Reihe von Funktionen in der SPD-Parteiorganisation, empfindet er dabei nicht als Belastung: "Politik erfordert nun einmal volles Engagement." Doch wiewohl er meint, was man mache, müsse man ganz tun, hat er noch eine zweite persönliche Devise: "Man muß immer Distanz wahren und von heute auf morgen Schluß machen können. Abhängigkeit vom Mandat kann nämlich allzu leicht korrumpieren."
    Deshalb hat der gebürtige Leipziger Rainer Maedge, der mit 13 Jahren nach Köln kam und hier "uneingeschränkt heimisch" geworden ist, vor seinem Einstieg ins politische Geschäft zuerst einmal für seine berufliche Absicherung gesorgt. Nach dem Besuch der Aufbaurealschule und dem Abschluß einer Verwaltungslehre wurde er 1965 Stadtinspektor in Köln, kam drei Jahre später als "jüngster Beamter und einziger aus dem gehobenen Dienst" in den Planungsstab des Oberstadtdirektors, arbeitete hier als Referent für Städtebau, Wohnungswesen und Verkehr und wechselte 1974 ebenfalls als Referent zum Verband kommunaler Unternehmen mit Sitz in Köln.
    Mitglied der ÖTV und der SPD war er 1965 "zwei Tage nach der Inspektorenprüfung" geworden. Und da es in seiner Familie "sozialdemokratische Tradition schon von beiden Großvätern her" gab, hatte er sich gleich voll engagiert. Schon in der ersten Versammlung, die er im Ortsverein Köln- Brück besuchte, wurde Rainer Maedge in den Vorstand gewählt, "weil ich durch Kritik aufgefallen war"; 1971 wurde er als 27jähriger OV-Vorsitzender. Das blieb er wegen seines Umzugs nach Köln-Dellbrück allerdings nur zwei Jahre.
    Der Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) im Unterbezirk Köln folgten 1977 die gleiche Funktion auf Landesebene und die Berufung zum stellvertretenden Vorsitzenden des SPD-Bezirks Mittelrhein. Daß er inzwischen ein Multifunktionär geworden sei, weist Maedge entschieden zurück: "Ich sammle keine Ämter. Zum Engagement gehört nun aber einmal, daß man sich auf verschiedenen Ebenen zur Verfügung stellt."
    Der 1975 im Wahlkreis 19 (Mülheim, Dellbrück) mit 51,9 Prozent direkt gewählte Abgeordnete sieht in der AfA, die er in Köln mit aufgebaut hat, "meine Basis". Er ist sich jedoch klar darüber, daß "nicht die Arbeitsgemeinschaften den Verfassungsauftrag erfüllen können, sondern nur die Partei selbst".
    Der früher sehr vielseitige Sportler Rainer Maedge (Tennis, Fußball und Tischtennis bis zur Verbandsliga) hat heute nur noch wenig Zeit für dieses Hobby. Für ein anderes "stehle ich mir immer mal eine halbe Stunde": die Modelleisenbahn mit einer stattlichen Sammlung von 40 Loks. Töchterchen Sandra (7) spielt mit dem Papi um die Wette.

    Karlegon Halbach

    ID: LI790520

  • Porträt der Woche: Bernd Wilz (CDU).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 4 - 02.02.1979

    Der CDU-Landtagsabgeordnete aus der Klingenstadt Solingen hat durchaus nichts dagegen, eine "scharfe Klinge" auch in Debatten zu führen. Doch eigentlich ist es ihm lieber, wenn Freunde ihn in der Partei den "Anwalt des bergischen Landes" nennen: Bernd Wilz, 36, ist Rechtsanwalt und hat eine feste Gesprächsrunde der zehn Abgeordneten seiner Partei aus dem Bergischen Land organisiert. "Uns geht es darum, diesen Teil Nordrhein-Westfalens bei der Behandlung wirtschaftlicher Probleme wieder ins Bewußtsein zu rücken", meint Wilz. Zu lange sei dort ein "weißer Fleck" auf den Landkarten in Düsseldorf gewesen. "In der Frage der Betriebsverlagerungen wegen des sogenannten Abstandserlasses ist der Raum um Remscheid und Solingen nicht weniger von Problemen belastet wie Duisburg und andere Teile des Ruhrgebiets." Wilz war einer der jüngsten Abgeordneten im nordrhein-westfälischen Landtag, als er 1975 in dem früheren Wahlkreis von Bundespräsident Scheel gewählt wurde. Zum ersten Mal konnte er das Mandat direkt für die CDU erobern; davor hatte es auch Absprachen zwischen CDU und F.D.P. dort gegeben. Ein Zugewinn von rund sechs Prozent der Stimmen im Wahlkreis Solingen II für die CDU brachte ihn statt des früheren Solinger Oberbürgermeisters Heinz Dunkel (SPD) ins Landesparlament.
    Sein Wunsch, im Haushalts- und Finanzausschuß sowie im Ausschuß für Arbeit und Soziales tätig zu werden, ging für Wilz mit leichter Verspätung, aber dann auch voll in Erfüllung. Die ersten neun Monate nach der Wahl hatte er im Rechnungsprüfungsausschuß gearbeitet und dort gleich Erfolg gehabt. In der Frage der Verwendung von Steuergeldern für Propagandazwecke im Wahlkampf war der junge Landtagsabgeordnete aus Solingen plötzlich Gegenspieler des damaligen Ministerpräsidenten Heinz Kühn (SPD) in den Debatten um die schließlich als "Altpapier" verkauften Regierungsbroschüren. Das Bundesverfassungsgericht kam später in einem Urteil zu ähnlichen Schlußfolgerungen, wie sie auch von den CDU-Sprechern in Düsseldorf vertreten worden waren. Dankbar vermerkt Wilz, dies sei damals für ihn "eine entscheidende Sache" gewesen. Die politischen Gegner in seinem Wahlkreis argumentieren, Wilz sei ein "Senkrechtstarter". Er selbst hält das nur für eine unfreundliche Umschreibung des Wahlkampfmottos, das er für die CDU in Solingen entwarf und bis heute verwendet: "Dynamisch, modern und sozial." Dementsprechend wurden die Bürger vor der Wahl auch durch die Inschrift auf Bierdeckeln auf den jungen CDU-Bewerber aufmerksam gemacht: "Trinkst Du Pils, denk an Wilz."
    Im sächsischen Meerane, wo Bernd Wilz 1942 geboren wurde, war sein Vater schon Rechtsanwalt gewesen, politisch an der Deutschen Volkspartei Gustav Stresemanns interessiert, mit dessen Sohn er zusammen in Genf studiert hatte. Die Entwicklung nach Kriegsende ließ die Familie nach Solingen übersiedeln. "Ich fühle mich eigentlich als Solinger", meint der CDU-Abgeordnete, inzwischen selbst auf Arbeitsrecht spezialisierter Anwalt in einer Solinger Societät. Nach dem Studium in Münster und Köln hatte er noch während der Referendarausbildung als Helfer bei der Bundestagswahl 1972 mitgearbeitet. Sein Assessorexamen bestand er im Februar 1974; einen Monat später wurde er in Solingen zum CDU-Kreisvorsitzenden gewählt.
    Unvollständig bliebe das Bild des Solinger Abgeordneten, wenn sein militärischer Rang nicht erwähnt würde. Wilz ist Hauptmann der Reserve bei der Bundeswehr, genaugenommen bei der Panzerartillerie. Nach zwei Jahren aktiven Dienstes war er als Leutnant 1965 ausgeschieden. Er hat seitdem regelmäßig Wehrübungen abgeleistet. Seine Beförderung zum Major steht bevor.
    Für Solingen sicher bekannter ist Wilz aber als Präsident der "Sportgemeinschaft Union Solingen 1897". Ein Amt, das er nach manchem Zureden im Juni 1978 übernommen hat. Die "Lizenzspieler-Abteilung" ist stolzer Ausdruck der Tatsache, daß der Verein in die zweite Bundesliga aufgestiegen ist. Neben Amateur- und Jugendfußball, Handball, Tischtennis und Frauengymnastik soll es neuerdings bei "Union Solingen" eine Damenfußballmannschaft geben, "weil das Interesse der weiblichen Jugend daran doch stark ist", meint Wilz. Seine eigene Tochter ist auch sportlich begeistert - als Schwimmerin.
    Für das eigentliche politische "Gewicht" des Abgeordneten Wilz ist es auch von Bedeutung, daß er als Beisitzer dem Landesvorstand des Evangelischen Arbeitskreises der CDU-Rheinland angehört. Aus der parlamentarischen Arbeit im Landtagsausschuß für Arbeit und Soziales - und hier besonders an Fragen des Umweltschutzes interessiert - ist es zur Berufung in den Landesbeirat für Immissionsschutz gekommen. Außerdem gehört Wilz auch dem Landtags-Unterausschuß für Reaktorsicherheit und Strahlenschutz an.
    Peter Weigert

    ID: LI79040F

  • Porträt der Woche: Helmut Pardon (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 3 - 26.01.1979

    Der Bergbau hat Helmut Pardon geprägt. 25 Jahre lang hat er unter Tage gearbeitet, 24 Jahre war er Mitglied des Betriebsrates, zehn Jahre stellvertretender Abteilungsleiter im Sozialwesen der Herne-Recklinghauser Bergbau AG, bevor er bei einer Zusammenlegung mit 55 Jahren über den Sozialplan vorzeitig in die Rente ging. Bei seiner Erfahrung ist es selbstverständlich, daß er im Landtag dem Ausschuß für Grubensicherheit angehört.

    Pardons Vater, früher Unterkassierer der SPD in Recklinghausen, war noch an hundertprozentiger Steinstaublunge gestorben. "Die Vorkehrungen gegen Silikoseerkrankungen, intensive ärztliche Betreuung der Kumpel, aber auch die Sicherheit im Bergbau allgemein liegen mir besonders am Herzen", sagt der gelernte Maschinenbauer, der auf dem Schacht König Ludwig 4/5 nur mit Glück eine Explosion überlebte. 15 tote Arbeitskameraden liegen noch unter dem Gestein.

    Dem Bergbau gibt Helmut Pardon eine gute Chance für die Zukunft, wenn Bund und Land mithelfen, eine kurze Durststrecke zu überwinden. Die Arbeit unter Tage müsse für deutschen Nachwuchs wieder attraktiver gemacht werden. Neue Wohnungen, längeren Urlaub, kürzere Arbeitszeiten seien vor allem für die Untertage- Arbeiter wichtig.

    Im Sportausschuß tritt Pardon dafür ein, daß jedermann Gelegenheit haben soll, sich zu trimmen und etwas gegen die Bewegungsarmut zu tun. "Die Zahl der Sportstätten reicht nicht aus. Viele Anlagen, die gebaut werden, sind schon an Gruppen oder Vereine vergeben bevor sie fertig sind." Als SPD-Fraktionschef in Recklinghausen hat er es durchgesetzt, daß jeder, der es will, unter der Fachaufsicht von Übungsleitern die Turn- und Sporthallen benutzen kann. Lauftreffs und Familiensport werden angeboten. 80 Freizeitgruppen und Thekenmannschaften nutzen bereits das Angebot der Stadt.

    Als stellvertretendes Mitglied in den Ausschüssen für Wirtschaft und Verkehr sieht Helmut Pardon im Landtag darauf, daß die Emscherzone mehr als bisher gefördert wird. "Die wirtschaftliche Entwicklung ist an uns vorbeigegangen", sagt er. Allein in Recklinghausen, wo er 1923 geboren wurde, sank durch die Zechenstillegungen die Zahl der Bergleute von 19000 auf 5000. Die Infrastruktur der Emscherzone müsse auf den höchsten Stand gebracht werden, damit neue Betriebe gewonnen werden könnten.

    Privat pflegt Helmut Pardon ein Hobby, das im Revier zu Hause ist. Er züchtet, "leidenschaftlich" wie er sagt, Brieftauben. Mehr als 200 gurrende Vögel hält er in seinen Schlägen. Jede Woche im Sommer hocken er oder sein passionierter Sohn auf dem Dachboden und warten auf die Heimkehr der Tauben.

    Dem Vater war 1933 von den Nationalsozialisten Berufsverbot auferlegt worden. Mit 70 DM Rente, von denen 30,75DM Miete abgingen, brachte er Frau und sechs Kinder durch eine schwere Zeit. "Ich komme aus einer sehr armen Familie, und ich meine, daß es die erste Aufgabe eines Politikers ist, zu helfen", sagt er. Bruder Heinrich hat von 1958 bis zu seinem Tode 1968 dem Landtag, in den Helmut Pardon 1975 einzog, angehört.

    Wie zwei Brüder hat auch Helmut Pardon Radrennen gefahren, oft gegen damals bekannte Profis. Mit seinem Fußballverein, in dem er bis zum 34. Lebensjahr aktiv war, stieß er bis in die Landesliga vor. Er war Mittelläufer. In dieser Position würde er sich auch in der Partei einordnen. "In meiner Recklinghauser Fraktion", sagt er, "muß ich allerdings oft auch den Libero machen!"
    Gerd Goch

    ID: LI79031C

  • Porträt der Woche: Dr. Hubert Türk (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 19.01.1979

    Als Assekuranzdirektor auf die Versicherung edler Rösser spezialisiert, fühlt sich Dr. med. vet. Hubert Türk keineswegs "vom Pferd getreten", wenn er noch eine Weile mit seinem ganz und gar nicht chefartigen Dienstkämmerchen zu Köln am Rhein vorliebnehmen muß. "Da macht", so erläutert er, "eine Bürgerinitiative gegen den geplanten Neubau unserer Versicherungsgesellschaft mobil, und solange der nicht steht, bleibe ich in diesem Zimmerchen, das gemäß Arbeitsrecht nicht einmal einer Stenotypistin angeboten werden dürfte."
    Für Bürgerinitiativen hat der CDU-Landtagsabgeordnete im allgemeinen großes Verständnis, gelangte er doch als wacher Bürger, in dem sich allerlei Initiativen regten, zur Politik. Doch zunächst ein Blick auf die erste Akte der Türk-Vita: In Nörvenich bei Düren 1925 als Sohn eines Tierarztes geboren, 1948 aus russischer Gefangenschaft heimgekehrt und im Alter von 24 Jahren von der Kultusministerin Christine Teusch zwischendurch zu einem Soloabitur zugelassen, trat Hubert Türk zwar zunächst in Vaters Spuren und studierte Veterinärmedizin; aber nach einer "Bauernpraxis"stand ihm nicht der Sinn. Kaum hatte er in einer solchen die obligatorischen praktischen Übungen an Rind, Schwein und Hofhund absolviert, heuerte er bei der damals besonders stark in Schlachtvieh engagierten Versicherung an.
    Seine politische Heimat fand er zwangsläufig in der CDU, denn er sagt von sich selbst: "Ich bin zwar kein Ideologe, aber ich fühle mich als geborener Christdemokrat." Freilich trat er der Union erst 1964 bei. Damals war Dr. Türk bereits - wie auch heute noch - Eigenheimer in Bergisch Gladbach. Sein 100-Quadratmeter- Domizil steht im Ortsteil Hand. "Die rote Hand", schmunzelt Türk, hatte es doch in vergangenen Zeiten in dieser Arbeitersiedlung immer recht viele kommunistische Wähler gegeben.
    Neubürger Türk beteiligte sich an der Gründung der Bürgergemeinschaft Hand, "aus der ich eine richtige Bürgerinitiative machte". Seine Aktivitäten dehnte er alsbald auf den Pfarrgemeinderat, einen Förderverein für ein Gymnasium und - obzwar selbst Katholik - eine evangelische Bürgerinitiative zur Errichtung eines Verkehrskindergartens aus.
    Bei all diesen Engagements bekam Türk schnell spitz, daß Erfolge für so viele Bürgerbelange am ehesten zu erzielen sind, wenn man in die Politik einsteigt, wo doch die Entscheidungen fallen. Dem Kreistag des Rheinisch-Bergischen Kreises gehörte er, der jetzt schon zum zweitenmal Vorsitzender des CDU-Stadtparteiverbandes Bergisch Gladbach ist, von 1969 bis 1975 an, zuletzt als Fraktionschef der Christdemokraten. Mit 56,5 Prozent der Wählerstimmen holte Hubert Türk 1975 direkt das Landtagsmandat des Rhein.-Berg. Wahlkreises II.
    Der "Neuling" heute, nach dreieinhalb Jahren Erfahrung im Düsseldorfer Parlament: "Es freut einen, wenn man nach all den vielen Ausschußberatungen im neuen Landeshaushaltsplan Positionen findet, für die man lange gekämpft hat, so zum Beispiel mehr Geldmittel für Sozialstationen, Pflegevorschulen und für das Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit." Im Landtag hatte Dr. Türk sich den schon im Kreistag bevorzugten "Ressorts" gewidmet, der Gesundheits-, Sport- und Landwirtschaftspolitik.
    "Die eigentlichen Erfolgserlebnisse habe ich aber im Petitionsausschuß", betont der Abgeordnete. Hier ist er wieder hautnah mit konkreten Sorgen und Nöten einzelner Bürger konfrontiert und kann unmittelbar für sie etwas leisten.
    Zu seinen Wählern (und Nichtwählern) im Heimatkreis hält Dr. Türk Kontakt, indem er viele Versammlungen - "oft auch kleine Vereine und Gruppen" - besucht. Denn Sprechstunden für den Bürger hätten sich in seinem Falle nicht bewährt. Türk liebt die Aussprache mit den Menschen. "Es ist nicht meine Art, große Reden zu halten, obwohl ich das könnte und demnächst im Landtag für die Opposition zu einer Großen Anfrage der Regierungsparteien zur Gesundheitspolitik sprechen werde; meine Stärke liegt in der Diskussion."
    Weiter erläutert Dr. Türk: "Ich habe den Mut zu sagen, wovon ich nichts verstehe; denn wer zu allem was zu sagen weiß, hat nicht viel zu sagen." Er erschrickt darum auch nicht vor dem Ausstoß an Landtagsdrucksachen und -vorlagen. Türk konzentriert sich auf die Papiere, die seine Disziplinen berühren; der große Rest muß eben beiseite geschoben werden.
    Seine Unabhängigkeit von Partei und Politik bewahrt der Rheinländer sich bewußt: " Meinen Beruf lasse ich nicht brachliegen." Seine wöchentliche Arbeitszeit von gut und gerne 65 Stunden sei ziemlich gerecht auf Mandat und Beruf verteilt. Das Gerangel um die Abgeordnetengehälter läßt Türk anscheinend kalt. "Als ich 1975 in den Landtag kam, wußte ich überhaupt nicht, wieviel an Diäten ich bekommen würde."
    Türk, Vater zweier erwachsener Töchter, hält sich in der knappen Freizeit beim Tennis - oft mit seiner Ehepartnerin -,auf Spaziergängen und beim Kegeln im Klub "Röngköm Gläbbisch" fit. Böte die Partei ihm 1980 wieder die Steigbügel einer Kandidatur, würde er gern für eine weitere Legislaturperiode in den Mandatssattelsteigen.
    Hans Wüllenweber

    ID: LI790222

  • Porträt der Woche: Lutz Koch (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 12.01.1979

    Er war einer der Rebellen gegen die Neuordnung des Duisburger Raums im Zuge der zum 1. Januar 1975 wirksam gewordenen Gebietsreform. In Walsum unterstützten er und seine Parteifreunde massiv das Volksbegehren gegen das Gesetz: 90 Prozent der Bürger traten mit ihrer Unterschrift damals für das Volksbegehren ein. Wenngleich der Einsatz vergeblich blieb, weil das Volksbegehren nicht die landesweit erforderliche Zahl von Unterschriften erhielt, so ist doch das Engagement für die Sache der Bürger vielleicht ein Grund dafür gewesen, daß bei der Landtagswahl im Mai 1975 Lutz Koch den Wahlkreis 79 für die SPD mit einem besseren Ergebnis gewann als sein Vorgänger. Und vor allem: dies geschah, als allgemein die Sozialdemokraten geringe Einbußen gegenüber der vorangegangenen Landtagswahl 1970 hinnehmen mußten.
    In den Landtag gekommen, hat Koch sofort versucht, dort Einfluß zu nehmen, wo er korrigieren kann, was die Neuordnung nach seiner Meinung nicht geschafft hat. Er arbeitet im Ausschuß für Landesplanung aktiv mit. Dieser Ausschuß des Parlaments ist einer der wichtigsten für die Vorberatung und Ausformulierung der Gesetzentwürfe zur Funktionalreform. "Die Gebietsneuordnung drehen wir nicht zurück", sagt Lutz Koch, "aber wir können mit der Neuverteilung der Verwaltungsaufgaben und Zuständigkeiten jene Versprechen einlösen, die wir mit der Gebietsreform gegeben haben." Ziel sei es, die Gemeinden zu stärken. Jetzt gelte es, die Inhalte festzulegen.
    Nicht nur in der Neuordnung, auch in anderen Fragen vertritt Lutz Koch, vor 41 Jahren (13. Januar 1938) in Duisburg geboren, eine Meinung, die nicht unbedingt der Mehrheitsmeinung entspricht. So ist er beispielsweise strikt dagegen, daß ein Landtagsabgeordneter Berufspolitiker sein soll. "Spätestens nach zwei Legislaturperioden geht der Kontakt zur Arbeitswelt, der für einen Politiker unerläßlich ist, verloren." Für sich selbst hat er daraus die Konsequenz gezogen. Er arbeitet nach wie vor als Abteilungsbereichsleiter in der Datenverarbeitung eines großen Unternehmens, zuständig für Programmierung und Systemanalyse. Gegenwärtig stehen die Planungen einer elektronischen Steuerung für Walzwerke auf dem Programm. "Bei der schnellen technischen Entwicklung kann man es sich nicht leisten, dem Beruf länger fernzubleiben, sonst hat man keinen mehr."
    In die Politik ist Koch, der aus einer parteipolitisch nicht engagierten katholischen Arbeiterfamilie stammt, über die IG Metall gekommen. " Und wenn man in der Gewerkschaft ist, bekommt man zwangsläufig Kontakt zur SPD." Er schränkt ein, daß es meistens nicht zur Mitgliedschaft führt. Bei ihm und einem Bruder war es anders.
    Der "links von der Mitte stehende Pragmatiker" büffelte sich in einem Alter, in dem er schon verheiratet und Vater eines Sohnes war, in sechs Semestern Technischer Abendschule vom Elektrogesellen zum Elektrotechniker hoch. "Das war hart." Diese Erfahrung mag es sein, die ihn heute dazu bringt, "für den Bürger da zu sein", und zwar für alle, nicht nur die Freunde aus der eigenen Partei. Ihre Bitten, Anregungen und ihre Kritik versucht er da, wo es geht, umzusetzen in praktische Politik. Bei soviel Engagement ist ihm eine 60-Stunden- Woche sicher. Sonntags wird dann die Post erledigt. Für Hobbies - Tennis, Segeln, Musikhören - bleibt nicht mehr viel Zeit übrig. Der Sohn, der bald sein Abitur "bauen" wird, ist seit zwei Jahren in der SPD. "Aber nicht auf Zureden des Vaters; solche Entscheidungen muß jeder allein treffen."
    Karl Lohaus

    ID: LI790125

  • Porträt der Woche: Heinz Voetmann (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 30 - 18.12.1978

    Daß ein Ratsvorsitzender die örtlichen Bürgerinitiativen auf seiner Seite weiß ist außergewöhnlich. Doch das ist nicht das einzig Außergewöhnliche an Heinz Voetmann. So hat er Werkzeugmacher gelernt und ist Studiendirektor geworden, so ist er als "Hergeloopener" (Zugezogener) Bürgermeister im Bergischen Wermelskirchen, wo Bodenständigkeit seit Generationen auch heute noch weitaus mehr zählt als andernorts. Und auch der Anstoß zum Eintritt in die CDU, der dann in kürzester Zeit zum Einstieg in die Politik wurde, war bei Heinz Voetmann nicht alltäglich. " Was hast Du mit Deinen Talenten gemacht?" hieß das Thema einer Gesprächsrunde im Wermeiskirchener Pater-Leppich-Kreis Ende 1963, das den Lebensweg des damaligen Gewerbeoberlehrers zum zweitenmal veränderte. 1964 zog er in Stadtrat und Amtsvertretung ein - die Politik hatte ihn gepackt. Drei Jahre später wurde er Vorsitzender der CDU- Ortspartei, jeweils ein weiteres Jahr darauf Chef des Kreisverbandes Rhein- Wupper sowie Stadt- und Amtsbürgermeister.
    Die erste einschneidende Veränderung im Leben des 1928 als Sohn eines Busfahrers im niederrheinischen Kalkar geborenen und aufgewachsenen Heinz Voetmann hatten die frühen fünfziger Jahre gebracht. Nach Volksschulbesuch und Werkzeugmacherlehre hatte er 1951 die Meisterprüfung und kurz darauf das Begabten-Abitur abgelegt. Von 1952 bis 1955 studierte er am Berufspädagogischen Institut und an der Universität Köln Pädagogik, Physik und Betriebswirtschaft, machte seine Prüfung als Gewerbelehrer und wechselte 1955 vom Niederrhein ins Bergische. Hier ist er nach eigenem Bekunden "richtig seßhaft" geworden. Das hat er auch nach außen hin durch ein 1960 mit viel Eigenleistung gebautes Haus bewiesen, in dem er mit Frau und zwei mittlerweile erwachsenen Töchtern "sehr glücklich" ist.
    In den Landtag zog er 1975 als direkt gewählter Kandidat des oberen Rhein- Wupper-Kreises mit bemerkenswertem Stimmenzuwachs von 46,9 auf 51,5 Prozent ein; in Wermelskirchen selbst holte er dabei sogar 58,2 Prozent. Er arbeitet mit dem ihm typischen Fleiß im Schul- und Kulturausschuß und mit besonderem Engagement im Petitionsausschuß mit. "Ich versuche, dem Bürger immer wieder zu helfen gegen eine für ihn übermächtige Bürokratie", lautet eins der politischen Statements Heinz Voetmanns. Bei der Doppelbelastung durch Landes- und Kommunalpolitik kann er "über eine 35-Stunden-Woche nur lachen".
    Das unvermeidliche Zeitopfer bringt er jedoch gern. "Wenn ich etwas mache, mache ich es richtig", begründet er seine Beharrlichkeit, die ihn daheim in Wermelskirchen zum populärsten Kommunalpolitiker gemacht hat. Immerhin gelang es der CDU mit dem Spitzenkandidaten Voetmann 1969 erstmalig, die Mehrheit im Rat zu erringen, heute hat sie in der Vertretung der 36OOO-Einwohner-Stadt 26 Sitze gegenüber 16 der SPD und drei der FDP. Und auch in der Ratsarbeit steht für den CDU-Politiker der "Pakt mit dem Bürger" im Vordergrund. "Wir haben bei uns mehrere Bürgerinitiativen, die ausgezeichnet mit dem Kommunalparlament gegen die Bürokratie zusammenarbeiten", sagt der Bürgermeister einer Stadt, die stolz ist auf den prozentual größten Waldbesitz aller Kommunen in Nordrhein-Westfalen und die geringste Verschuldung im Regierungsbezirk Düsseldorf mit nur 635 Mark pro Kopf.
    Das große Problem in Wermelskirchen besteht darin, daß 45 Prozent der Fläche im Einzugsgebiet von drei Trinkwassertalsperren liegt, was nicht nur Bau- sondern auch andere Nutzungsbeschränkungen bedingt. Gegen "notwendige Auflagen" hat der Bürgermeister dabei nichts, doch ihm sträuben sich die Haare, wenn "der Amtsschimmel wiehert"; und das tut der für Voetmanns Geschmack immer noch zu oft.
    Um fit zu bleiben für die Fülle der Anforderungen, trabt der Fünfzigjährige jeden Morgen seine zehn Kilometer lange "Hausstrecke" ab und wandert, wenn er einmal Zelt hat, ausgiebig über die Höhen der Bergischen Lande. Seine Lieblingsbeschäftigung neben der Politik ist die Gartenarbeit, doch zu seinem Leidwesen muß er auf diesem Feld heute vieles seiner Frau allein überlassen.
    Karlegon Halbach

    ID: LI783022

  • Porträt der Woche: Karl Heinz Kenn (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 29 - 08.12.1978

    Nicht nur mit Herz und Engagement, auch mit dem analytischen Verstand des Konstrukteurs und Statikers geht Karl Heinz Kenn politische Probleme an. "Nur wenn die Rahmenbedingungen gegeben sind, kann man etwas Vernünftiges machen", sagt er. Stimmt für ihn eine Formel, dann verteidigt er sie vehement.
    So tritt er kompromißlos dafür ein, daß der "Schnelle Brüter" in Kalkar als Versuchsreaktor so schnell wie möglich vollendet werden soll. Als Mitglied des Unterausschusses "Reaktorsicherheit" im Landtag nennt er die Behauptung von Wirtschaftsminister Riemer (F.D.P.), daß es schon jetzt in Kalkar um den risikoreichsten Einstieg in die Plutonium-Wirtschaft gehe, eine "Irreführung". Erst nachdem Versuch und anschließenden Erfahrungen mit einem weiteren Prototyp könne um das Jahr 2000 die Entscheidung fallen, ob Plutonium "gebrütet" und die Energieproduktion weitgehend vom Uran unabhängig gemacht werden solle.
    Kenn ist in der vierten Generation Sozialdemokrat. Der Großvater hatte wegen Majestätsbeleidigung noch im Arrest gesessen, wie die Familienchronik stolz überliefert. Enkel Karl Heinz wurde schon am 8. August 1945 Mitglied der "Falken", aber erst 1956, mit 30 Jahren, trat er in die SPD ein.
    Warum diese lange Spanne? "Die SPD war mir damals nicht sozialistisch genug", sagt er. "Heute ist es bei meinen Kindern ebenso; aber aus meinen Erfahrungen heraus nehme ich das gelassen hin. In der Jugend sieht halt alles einfacher aus."
    Von 1961 bis 1974 war Kenn Stadtverordneter in Homberg und Mitglied des Kreistages in Moers. Der Kommunalpolitik gilt heute noch seine Liebe. "Dort ist alles überschaubar, und die Arbeit befriedigt mehr. Im Landtag ist es unpersönlicher." Schwerpunkt seiner Arbeit im Wirtschafts- sowie im Arbeits- und Sozialausschuß sind Energiepolitik und Sicherheit. Jetzt schon haben ihn Ortsvereine seines Wahlkreises für die Landtagswahl 1980 wieder als Kandidaten vorgeschlagen.
    Nach Volksschule und Lehre als technischer Zeichner bildete sich Karl Heinz Kenn, 1926 in Homberg geboren, wo er heute noch wohnt, in Abendkursen und später ordentlichem Studium bis zum graduierten Ingenieur (1953), Schweißfachingenieur (1959) und Projektingenieur (1963) weiter. In der Entwicklungsabteilung von Krupp Industrie- und Stahlbau arbeitete er am riesigen Radioteleskop Effenberg mit, das 100 Meter Durchmesser hat. Beim Ausbau der Bodenstation Weilheim für die Sonnensonde "Helios" war er Projektleiter. Er ist Autor vieler Fachveröffentlichungen.
    Der Mann, der Rheinbrücken und Bagger baute, bedauert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem Abgeordnete einen Vollzeit-Job ausüben und entsprechend bezahlt werden sollen. "Wir Parlamentarier müssen unsere Berufe ausüben, um vor Ort Kontakt zu behalten", meint er. Für ihn sei die mit dem Mandat verbundene Arbeit nicht Beruf, sondern eine "Vollzeitaufgabe nach Feierabend". Auf höhere Diäten will er gern verzichten. "Die bestehende Regelung reicht mir völlig aus."
    Auch heute noch sei er ein "Falke", sagt er. In Ferienlagern ist er als Gruppenleiter aktiv. Mit den inzwischen angegrauten Freunden aus den alten Jugendgruppen trifft man sich heute noch zum Tanz, Kegeln oder Singen. Sein ganzer Stolz ist sein Garten, den er allein pflegt.
    Gerd Goch

    ID: LI782928

  • Porträt der Woche: Hans Watzke (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 28 - 04.12.1978

    Hans Watzke (46) kommt aus einer Hochburg der CDU. Mit 66,3 Prozent der Wählerstimmen zog der Abgeordnete des Wahlkreises Brilon 1975 erstmals in den Landtag. Der gebürtige Bochumer sah in diesem Rekordergebnis auch einen persönlichen Ansporn, sein bereits als Kommunalpolitiker verfolgtes Anliegen nun auch als Landesparlamentarier durchzusetzen: den wachsenden Zentralismus zu stoppen. Ihn macht Watzke mitverantwortlich für Fehlentwicklungen vor Ort. Sicherlich nicht nur nach seiner Ansicht müsse es den Abgeordneten gelingen, die "übermächtige" Ministerialbürokratie stärker als bisher zu kontrollieren.
    So bleibt dem Mitglied des Ausschusses für Landesplanung und Verwaltungsreform die Aussage eines hohen Ministerialbeamten vor diesem Gremium "unvergessen": " Wer Funktionalreform gegen den Willen der Ministerialbürokratie betreiben will, läuft mit dem Kopf gegen die Wand." Als leidenschaftlicher Anhänger der parlamentarischen Demokratie sieht Watzke diesen Ausspruch als eine "Herausforderung, die man nicht unbeantwortet lassen kann." Andernfalls würde sich die Selbstverwaltung selbst aufgeben.
    Allerdings sollte das Land dort - und dann verstärkt - Hilfe gewähren, wo Kommunen nicht in der Lage seien, berechtigte Anliegen der Bürger zu erfüllen. Dabei denkt der CDU-Abgeordnete an die Förderung des Breitensports durch Ausbau von Sportstätten. Ein wesentlich größerer Teil der Bevölkerung würde dann dieses Freizeitangebot nutzen. Der Bauingenieur und Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens trat 1958 in die CDU ein; seine parlamentarische Tätigkeit begann erst später. Er gehörte viele Jahre dem Gemeinderat Erlinghausen an, war Abgeordneter des nach der Kommunalreform aufgelösten Kreises Brilon und Mitglied der Landschaftsversammlung Westfalen- Lippe. Auch wurde er in zahlreiche Parteigremien gewählt, deren Vorständen er noch heute angehört. Nach seiner Ansicht sollte jeder Landtagsabgeordnete eine "starke Bindung" zur Kommunalpolitik haben, wie überhaupt eine "gute Politik" ohne die "Liebe zu seiner Heimatgemeinde" nicht möglich sei. So pflegt der Abgeordnete intensiv den Kontakt zu den Mitbürgern; er sieht dies nicht als eine Pflichtaufgabe.
    Noch heute ist der frühere Mittelstürmer des Kreisligisten Rot-Weiß Erlinghausen Vorsitzender des Vereins, und auch bei den Schützen spricht er ein gewichtiges Wort mit. Und wer wollte es schließlich dem Mitglied des Verkehrsausschusses verübeln, daß er es als Sauerländer "unverständlich" findet, daß die "sogenannte" Sauerland-Autobahn im Siegerland gebaut wurde. Noch heute können die Menschen aus dem Ballungsraum an Rhein und Ruhr nur unter zeitraubenden Fahrten dieses für Nordrhein-Westfalen bedeutende Erholungsgebiet erreichen.
    Der Vater von vier Kindern zählt zu jenen Abgeordneten, die nicht im Mittelpunkt von Plenumsdebatten stehen. Hans Watzke zieht die für die Öffentlichkeit unauffälligere Arbeit in den Ausschüssen und Arbeitskreisen vor. Und seit 1975 im Landtag, ist er (angenehm) überrascht, daß auch Oppositionsparlamentarier die Möglichkeit haben, "etwas im Land zu bewegen" - durch Sachkenntnis, Überzeugungsvermögen und eine Portion Hartnäckigkeit. Eigenschaften, die auch politische Gegner an ihm schätzen.
    Das Bild des Abgeordneten wäre unvollständig, wenn unerwähnt bliebe, daß er an freien Samstagen noch gern in der Altherren-Mannschaft das runde Leder ins gegnerische Tor schießt und auch als "dritter Mann" in eine Skatrunde einspringt.
    Jochen Jurettko

    ID: LI782822

  • Porträt der Woche: Hilmar Selle (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 27 - 20.11.1978

    Das Wort "Senkrechtstarter" mag Hilmar Selle "überhaupt nicht hören", eine ausgeprägte "Ochsentour" war es aber auch nicht, wenn man den politischen Weg des 44jährigen selbständigen Versicherungskaufmanns aus Kreuztal verfolgt. Noch vor wenigen Jahren kannte man seinen Namen allenfalls im kommunalpolitischen Bereich, in dem er seit 1961 ununterbrochen tätig ist; seit dem vorletzten Wochenende ist er in der SPD wie im mittelständischen Wirtschaftsbereich bundesweit bekannt: Die Delegierten der Arbeitsgemeinschaft Selbständige in der SPD (AGS) wählten Selle in der Bundeskonferenz in Gelsenkirchen zum Vorsitzenden.
    Gerade die Funktionen bei den Unternehmern in der SPD hätte Selle niemand vorauszusagen gewagt; er kommt nämlich aus dem Gewerkschaftslager. Als die Eltern 1944 Holland verlassen müßten (der Vater war Musikdirektor in Enschede), kam man notdürftig im Siegerland unter, und Hilmar, eines der vier Kinder, wurde im Forsthaus eines Onkels groß. Selle heute: "Daher wohl meine Beziehungen zur Land- und Forstwirtschaft", die ihn Jahrzehnte später im Landtag Nordrhein-Westfalen in den Ausschuß für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft führten.
    Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg für den Dreher-Lehrling in einem Industrie-Unternehmen, der die Facharbeiterprüfung ablegte und sich in Aufbaulehrgängen nach Feierabend die Qualifikation zur Aufnahme eines Studiums erwarb. Das reizte ihn dann aber nicht mehr, die Arbeit im Betrieb und für die Arbeitskollegen hatte für ihn Vorrang. Bevor er in den Betriebsrat gewählt wurde, hatte der 1,96 Meter große Selle ein "an sich unbedeutendes kleines Erlebnis im Berufsalltag", das aber zum Ansporn für seine weitere Laufbahn wurde. "Ich nahm für meinen Meister, der sehr klein war, den Hut vom Schrank und mußte dann hören: 'Mein Sohn, du bist nicht groß, nur lang!'" Eine "Nummer größer" war anschließend die Tätigkeit beim Hauptvorstand der IG Metall in Frankfurt (1958 bis 1960). Dann trat Selle als Sekretär für Schulung, Bildung und Organisation für sechs Kreise in die Dienste des DGB in Siegen. Er kam, in direkter Wahl, in die Gemeindevertretung, wurde 1962 mit 28 Jahren jüngster Amtsbürgermeister von Nordrhein-Westfalen und 1964 Bürgermeister der Gemeinde Kreuztal.
    Als Selle sein nächstes Ziel, Bevollmächtigter der IG Metall in Siegen zu werden, knapp verfehlte bei einer Wahl, Ehefrau und vier Kinder aber gegen einen Ortswechsel waren, nutzte er die Möglichkeit, sich selbständig zu machen, indem er eine Versicherungsagentur übernahm.
    So begann ein neuer Lebensabschnitt im Arbeitgeberlager. Der junge Selbständige gründete im Unterbezirk Siegen eine AGS und wurde bereits 1974 zu deren Landesvorsitzenden gewählt. 1975 wurde ihm der Wahlkreis 132 Siegen II angetragen für die Landtagswahl; Selle blieb Zweiter, rückte aber über die Landesreserveliste im Januar 1976 ins Parlament nach.
    Als im Zuge der Kabinettsumbildung in diesem Frühjahr Dr. Christoph Zöpel das Amt des wirtschaftspolitischen Sprechers der Fraktion abgab, rückte Selle, bis dahin "nur" mittelstandspolitischer Sprecher, erneut auf. Er gehört dem Fraktionsvorstand und auch dem Vorstand der Landespartei an und sitzt längst im Wirtschaftsausschuß des Landtags, wo sein Wort Gewicht hat. Er kennt "beide Seiten der Wirtschaftspolitik, die Probleme der Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gleichermaßen aus eigenem Erleben."
    Die Parlamentstätigkeit möchte er "auch 1980 nicht gern aufgeben, weil in Nordrhein- Westfalen gerade im mittelständischen Bereich noch viele Probleme zu lösen sind und davon starke Impulse für Bonn ausgehen"; doch bedeutet die Wahl zum AGS-Bundesvorsitzenden die Trennung von Ämtern, die mit dem Bürgermeisteramt zusammenhängen.
    Die Familie, darunter zwei Söhne, die noch einen Kopf größer sind als der Vater, hatte "keinen Grund zu gratulieren, als ich von Gelsenkirchen aus das Wahlergebnis mitteilte. Jetzt bist du ja noch weniger zu Hause, meinte meine Frau." So wird Selles Hobby, stundenlanges Wandern, wohl seltener möglich sein. "Doch gerne zu lachen, auch über mich selbst, das bleibt."
    Hans Krieger

    ID: LI782722

  • Porträt der Woche: Hans Wichelhaus (CDU).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 26 - 10.11.1978

    Die unversöhnliche Konfrontation lehnt er entschieden ab, weil "auch Politiker bei Auseinandersetzungen kein Freund-Feind-Verhältnis aufbauen sollen". Hans Wichelhaus, CDU-Abgeordneter aus Gummersbach, sucht daher das Gespräch auch mit seinen politischen Gegnern - und "weil ich im Grunde ein kontaktfreudiger Mensch bin", fällt es dem Landrat des Oberbergischen Kreises auch nicht schwer, oft Brücken zu schlagen. Nicht zuletzt die Höhen und Tiefen in seinen inzwischen zurückgelegten sechs Jahrzehnten mögen zum Streben nach Ausgleich beigetragen haben, "natürlich nicht durch faule Kompromisse".
    Der gebürtige Wülfrather (Kreis Mettmann) verlor bereits mit vier Jahren seinen Vater, und als er kaum die kaufmännische Lehre absolviert hatte, hießen die weiteren Stationen: Arbeitsdienst, Kriegsdienst, Kriegsgefangenschaft in Sibirien. Zurückgekehrt, begann er sich eine neue berufliche Existenz aufzubauen, holte das Abitur nach, studierte, wurde zunächst Lehrer an einer Grund- und dann Hauptschule. Schließlich wurde der engagierte Pädagoge 1970 zum Rektor befördert. Nach seinem Einzug ins Landesparlament, fünf Jahre später, mußte er entsprechend des Landesrechtsstellungsgesetzes in den einstweiligen Ruhestand treten.
    Als Mann der Praxis setzt sich Wichelhaus heute im Ausschuß für Schule und Kultur für ein chancengerechtes und funktionsfähiges Bildungswesen ein anstelle verblasener Ideologien.
    Allerdings stieß der Abgeordnete erst spät zur Politik - 1964. Wichelhaus: "Es war typisch für die Kriegsgeneration, daß sie sich infolge eines gewissen Maßes von Skepsis zunächst zurückhielt." Doch dann folgte der Aufstieg sehr rasch: Noch im selben Jahr kam er in den Stadtrat von Gummersbach und in den Oberbergischen Kreistag. Zwei Jahre später wählte man ihn zum CDU-Vorsitzenden und 1969 zum Landrat. Mit den Stimmen der F.D.P., wie der CDU-Politiker betont.
    Als "bergischer Junge" kennt Wichelhaus vor allem die Strukturprobleme dieses Raums; seine Bemühungen um eine Verbesserung der Wirtschaftskraft des Oberbergischen Kreises tragen Früchte. Andererseits sieht er es auch als Aufgabe, dörfliche Strukturen zu erhalten, "wo die Nachbarschaftshilfe noch kein Fremdwort ist". Und der CDU-Politiker mit ausgeprägter liberaler Grundhaltung bedauert den immer lauteren Ruf nach dem Staat in schwierigen Situationen. "Der Bürger muß erkennen, daß dies eine Einschränkung seiner persönlichen Freiheit zu Folge hat." So tritt Wichelhaus für ein "sehr sorgfältiges Abwägen"zwischen erforderlichen Ausgleichsfunktionen des Landes und "dem, was Bürger leisten können", ein.
    Auf Anhieb hat der CDU-Kandidat Wichelhaus bei der letzten Landtagswahl 50,1 Prozent der Stimmen für seine Partei geholt, genau 8480 mehr als sein SPD-Konkurrent. Und der Wahlkreis, den auch schon die Sozialdemokraten gewonnen hatten, war, so der Abgeordnete, "kein Ruhekissen". Die erfolgreiche kommunalpolitische Arbeit ("das Handwerkszeug eines Parlamentariers") dürfte mitentscheidend gewesen sein - und eben jenes "Brückenschlägen". "Das Wort 'Absolut' gibt es für mich nicht." Wenn die Parteidelegierten wieder für Wichelhaus plädieren, möchte er auch 1980 sich den Bürgern zur Wahl stellen.
    Seitdem der Vater von drei inzwischen erwachsenen Kindern die Politik als eine persönliche Aufgabe sieht, treten andere Neigungen in den Hintergrund. Dazu gehört vor allem die Literatur, besonders die klassische. Der Radius reicht von Dostojewski bis Rilke. "Mit dem Modernen tu' ich mich etwas schwer", gesteht er. Allerdings trifft dies offensichtlich nur für diesen Bereich zu.
    Jochen Jurettko

    ID: LI782623

  • Porträt der Woche: Franz-Josef Kniola (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 25 - 06.11.1978

    Franz-Josef Kniola gibt's auch den Seinen - und nicht zu knapp. Welche Ministerien der 35jährige SPD- Abgeordnete meint, sagt er zwar nicht, sein Rüffel ist aber auch so deutlich genug: Die eigentliche Belastung des Abgeordneten der stärksten Regierungsfraktion liege nicht in der Auseinandersetzung mit der oppositionellen CDU, "sondern im zähen Ringen mit der Ministerialbürokratie". So ist der junge Parlamentarier "immer wieder verwundert, in welch geringem Maße politische Entscheidungen gegen die Bürokratie durchsetzbar sind". Seit 1975 im Düsseldorfer Landtag, hat Kniola die "bedrückende Erfahrung" machen müssen, "daß der Abgeordnete vor Ort Prügel einstecken muß für Entscheidungen, die er im Grunde gar nicht beeinflussen kann". Am berüchtigten "grünen Tisch" träfen Bürokraten, "die oft gar keine Ahnung haben, was die Bürger bewegt, praxisferne Entscheidungen".
    Für seine Umgebung, ob familiär oder politisch, war und ist er selten bequem. Als Junge noch St.-Georg-Pfadfinder, schockte er seine bürgerlich-katholischen Eltern später doppelt und dreifach: 1963 Eintritt ausgerechnet in die SPD; dazu aktiver Ostermarschierer und konsequenter Wehrdienstverweigerer; einziger Mitarbeiter im väterlichen Steinmetzbetrieb und Mitglied in der IG Bau, Steine, Erden - "das war ein Affront". In die Fußstapfen des Vaters sollte er treten, das Geschäft übernehmen, da wechselte er den Beruf und wurde erst mal Sozialarbeiter.
    1968 folgte der zweite Berufswechsel: Hauptamtliche Tätigkeit für die SPD, erst als Parteisekretär im mächtigen Unterbezirk Dortmund, dann Juso-Sekretär im mitgliederstärksten Parteibezirk Westliches Westfalen. Da wurde er Betriebsratsvorsitzender im Bezirk und zog in den Gesamtbetriebsrat der Bundespartei ein. Den arbeitgebenden Genossen war er offenkundig kein bequemer Gesprächspartner. Kniolas für die Arbeitnehmer-Partei SPD bemerkenswertes Resümee: "Das Verhältnis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist in der SPD durchaus mit dem in anderen Betrieben vergleichbar."
    Mit Einzug in den Landtag gab er seine hauptamtlichen Partei-Funktionen ab. "Man kann beides nicht vernünftig ausfüllen", befand er und verzichtete - im deutlichen Gegensatz zu manchen Genossen - auf opulente Doppel-Einkünfte. Weil er, seine Frau und die beiden Söhne auch von den Diäten leben konnten, votierte er in der Diskussion über die Neuregelung der Abgeordneten-Bezüge von Anfang an gegen allzu großzügige Zuwachsraten.
    Die sachpolitischen Schwerpunkte seiner Tätigkeit im Landtag waren von vornherein vorgegeben, da mußte Kniola nicht erst lange suchen. In seinem Wahlkreis liegen die Dortmunder Uni und die PH: also Bildungspolitik. Seine berufliche Qualifikation als Sozialarbeiter prädestinierte ihn zudem für die Jugendpolitik.
    Nicht nur selbstkritisch ist es, wie Kniola kommentiert, daß er Anfang dieses Jahres nach dem plötzlichen Tod seines Vaters doch Chef im Steinmetz-Geschäft werden mußte: " Vom Betriebsratsvorsitzenden zum Klein-Unternehmer - eine typische Juso-Karriere."
    Christoph Lütgert

    ID: LI782524

  • Porträt der Woche: Jürgen Rosorius (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 24 - 23.10.1978

    Den irritiert umhersuchenden Blick, der vor zehn, zwölf Jahren in der Mensa der Universität Bonn am Studenten-Politiker Jürgen Rosorius zu bemerken war, den hat er in seiner Weiterentwicklung zum Landtagsabgeordneten nicht völlig verloren. Und wenn dieser Blick aus einer Irritation durch die Wirklichkeit herrührt, dann ist dies ein Pfund, mit dem jeder Politiker gar nicht genug wuchern könnte.
    Rosorius jedenfalls müht sich, nicht völlig zum "Papier-Tiger" zu werden, der die Probleme, über die er im Landtag mit zu entscheiden hat, nur noch aus Anhörungen und Eingaben kennt. "Jeder Parlamentarier", so meint er, "muß sich bemühen, die soziale Umwelt der von ihm vertretenen Bürger in ihrer Unterschiedlichkeit kennenzulernen." Deshalb ist der 1975 als Mann der Jungen Union in den Landtag gekommene Rosorius auch gegen den vollberuflichen Abgeordneten, wie er nach dem Karlsruher Diätenurteil eingeführt werden soll. Seiner Ansicht nach sollte der Abgeordnete möglichst ein Bein in der Welt eines erlernten Berufs behalten; dies bedinge aber, so betont er, daß man ihm seine parlamentarische Arbeit soweit wie möglich (und das heißt: erheblich mehr, als es jetzt geschieht) erleichtere und ihm insbesondere Hilfen für die Schreibarbeit und Materialbeschaffung beigebe.
    Auch eine allzu üppige Sammlung von Ämtern und Mandaten hält den Abgeordneten nach den Erfahrungen von Rosorius zu sehr davon ab, sich seinen Parlamentarierpflichten so umfassend wie nötig zu widmen. "Wichtig ist die feste Verankerung in der Partei als dem Ort der Willensbildung. " Die Arbeit im Landtag und in der Kreispartei Bonn, deren Vizevorsitzer er ist, sollen künftig die beiden Betätigungsschwerpunkte von Jürgen Rosorius sein. Sein Bonner Stadtratsmandat will er aufgeben, so wie zuvor schon seine Funktion im rheinischen CDU-Landesvorstand. Denn, so sagt er, "man muß auch noch die Zeit haben, selbst Bürger zu sein, also nicht bloß über die Bürger- Probleme zu reden sondern sie selbst auch zu erleben".
    An der Bildung solcher, für Politiker eher ungewöhnlicher Einsichten mag auch Frau Rosorius ihren Anteil haben: "Meine Frau gehört nicht zu denen, die stolz sind, den Namen ihres Mannes in der Zeitung zu lesen. Sie will, daß ich die Verantwortung für die Erziehung unserer beiden Kinder mit ihr teile." Wer keine Zeit mehr für die eigene Familie habe, so befindet Rosorius, der könne auch nicht die Interessen der jungen Familien recht wahrnehmen; dies aber ist einer seiner Arbeitsschwerpunkte im Landtag. Den anderen hat er auf den Sport gelegt, also auf ein Gebiet, das enge Verbindungen zur Arbeit im Ausschuß für Jugend und Familie hat.
    Das Landtagsmandat ist für Rosorius die Konsequenz aus seinem Werdegang, der die Politik praktisch und theoretisch eng verbindet. Schon als Wjähriger Oberschüler gründete er einen politischen Arbeitskreis. Nach dem Abitur studierte er in Bonn Politische Wissenschaften. Neben dem Studium machte er im RCDS aktiv Studentenpolitk und wurde dabei 1970 auch Vorsitzender des Allgemeinen Studentenausschusses. Politik- Studium und Studentenpolitik mitsamt seinem Engagement in der Bonner CDU mündeten dann in eine doppelte Berufsaufgabe: 1971 wurde Rosorius Referent und Studienleiter der parteieigenen Karl- Arnold-Bildungsstätte, seit 1975 ist er Mandatsträger im Bonner Stadtrat und im Düsseldorfer Landtag. Sein politischer Standort erwuchs aus der Erfahrung, als Halbwaise einer Kriegerwitwe aufwachsen zu müssen. Dies führte ihn zu den Sozialausschüssen innerhalb der CDU. Und das "C" im Parteinamen bedeutet ihm folglich weder "clerikal" noch "Capital", sondern "christlich-sozial". Hartwig Suhrbier

    ID: LI782422

  • Porträt der Woche: Erich Kamp (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 23 - 09.10.1978

    Es ist wohl nicht zu bestreuen: Die einstige Arbeiterpartei SPD wird in ihren Mandatsträgern immer weniger ein Spiegelbild ihres ursprünglichen Anspruchs. In der zur Volkspartei gewandelten Sozialdemokratie sind deshalb Leute wie Erich Kamp eine Rarität.
    Der Enddreißiger aus Ennepetal, Jahrgang 1938, verheiratet, Vater einer Tochter, erlernte nach der Volksschule das Kraftfahrzeugmechanikemandwerk. Nach der "Lehre stieg er von der ölwanne hinter den Lenker um und heuerte beim Keks- und Knabberriesen Brandt in Hagen, 2500 Beschäftigte, an. Heute ist Kamp dort freigestelltes Mitglied des Betriebsrats.
    Mit dem Arbeitsplatzwechsel vollzogen sich auch erste Prozesse der politischen Bewußtwerdung. Kamp trat 1958 der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) bei, vier Jahre später stieß er zur SPD.
    Eine lokale Parteiveranstaltung, in die er zufällig hineingeriet, gab den Ausschlag für ein Engagement, das über die üblichen innerparteilichen Hierarchie-Stationen inzwischen in den Vorstand des mächtigen SPD- Bezirks Westliches Westfalen und nicht zuletzt in den Landtag führte. Kamp, bedächtig-solider Repräsentant der linken Mitte in der SPD, ist auch durch Zufall an Stellen der Landespolitik geraten, deren Bedeutung im Zusammenspiel ihm erst im nachhinein aufging. Konkret: Er gehört dem Ausschuß für Funktionalreform und zugleich dem Petitionsausschuß an. Und wo der Funktionalreformer Kamp durch Neuverteilung der Aufgaben Vereinfachung und mehr Bürgernähe der Verwaltung erzielen will, leistet er im Petitionsausschuß bei der Bearbeitung der Eingaben von Bittstellern, die sich von sturen Bürokraten umstellt wähnen, ganz konkret seinen Entbürokratisierungsbeitrag. Daß er in der notwendigen Aufgabenverteilung im Petitionsausschuß das Verkehrsressort übernahm, versteht sich, nebenbei, von selbst.
    Kamp ahnt, daß Entbürokratisierung eine "Aufgabe für viele Jahre" sei. Wirksame Hilfe für den Bürger gegenüber einer immer mächtiger werdenden Verwaltung, der man nahezu hilflos ausgeliefert ist, komme ja "so schlecht voran". Dabei geht es Kamp schlicht darum, "die Dinge für den Bürger überschaubarer zu machen". Denn wo man den Durchblick hat, da kann man auch seine Rechte wahrnehmen. Die abgedroschene, mittlerweile schon zur Verschleierung gebräuchliche Vokabel von der Bürgernähe kommt Kamp nicht über die Lippen. Kamps Engagement fußt auf einer Erfahrung, die sich aus dem Vergleich zwischen Wirtschaft und Politik ergibt. Aus der Industrie nämlich sei er "schnelle Entscheidungen gewohnt". In der Landespolitik seien hingegen "die Dinge sehr langfristig zu betrachten". Und der Zusammenhang von langwierigen demokratischen Entscheidungsprozessen im Parlament und paragraphentreuer Durchführung in der Verwaltung - "das ist für den Bürger schwer zu verstehen".
    Der SPD-Politiker, Absolvent der DGB-Bundesschule, hält sich an seine Selbstverpflichtung. Den Kontakt zum Wähler pflegt er durch Sprechstunden, sonntägliche Frühschoppen und andere persönliche Begegnungen. Denn es gelte, meint der einstige Jungsozialist, Ratsherr in Ennepetal, "nahe an den Problemen der Bürger dran zu sein". Und deshalb ist für ihn auch klar: "Ein Abgeordneter darf sich nicht als Oberbürger fühlen."
    Kamp, am 10. Oktober 40 Jahre alt, mit leichten Stimmverlusten an die CDU, aber immer noch sicher direkt nach Düsseldorf gewählt, sitzt denn auch nicht auf dem hohen Roß. Durchgehende Pferdestärken weiß er als Kraftfahrzeugmechaniker zu zügeln. Und sein eigenes Auto repariert er immer noch selbst. Bernd Kleffner

    ID: LI782321

  • Porträt der Woche: Dr. Helmut Reinhardt (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 22 - 29.09.1978

    Mit 2045 Wählerstimmen Vorsprung gewann Dr. Helmut Reinhardt (CDU) bei der Landtagswahl 1975 den Wahlkreis Nr. 140 Gütersloh/Bielefeld. Der Leitende Veterinär-Direktor des Kreises Gütersloh hatte mit diesem Erfolg nicht gerechnet - das gibt er offen zu. In der Vergangenheit hatte dieser Wahlkreis schließlich als "sicher" für die SPD gegolten. Der unterlegene Gegenkandidat, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Hans Schwier, wohnt ebenso wie Dr. Reinhardt in der Gemeinde Halle, und die Kinder der beiden Abgeordneten sind miteinander bekannt. Daß die beiden Landesparlamentarier meist zusammen im selben Zug zum Landtag nach Düsseldorf und zurück fahren, versteht sich da schon fast von selbst.
    Mehr als fünf Stunden Bahnfahrt an einem Tag, dies erschien Reinhardt zunächst eine Belastung der Abgeordnetentätigkeit. Doch inzwischen gewinnt er selbst den langen Fahrten noch gute Seiten ab: "Man trifft sich so mal von Mensch zu Mensch, auch mit Abgeordneten von SPD und F.D.P."
    Reinhardt ist als dritter Sohn auf einem Bauernhof in der Lüneburger Heide geboren, seine Brüder sind beide Landwirte. Nach dem Abitur "schon damals Fahrschüler" - begann er 1940 das Studium an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, doch als Angehöriger des Geburtsjahrgangs 1921 wurde er Soldat. 1947 schloß er die Ausbildung als Tierarzt mit dem Staatsexamen ab, im heimatlichen Kreis Fallingbostel eröffnete er seine Praxis. Obwohl im Beruf des Tierarztes ohnehin kein geregelter Feierabend möglich ist, trat er 1957 in die CDU ein, wurde Gemeinderats- und Kreistagsmitglied.
    Als Amtstierarzt in Hannoversch-Münden, Halle und dann in Gütersloh blieb er später bei der Politik. "Auf der unteren Ebene braucht die Demokratie Leute, die Aufgaben übernehmen", meint er. Die genaue Kenntnis der Verhältnisse "vor Ort" ist das, was die Fraktionskollegen an dem Landtagsabgeordneten Dr. Reinhardt besonders schätzen. Im Ernährungsausschuß und Innenausschuß ist er zuständig für Sachbereiche wie das Wassergesetz, das Polizeigesetz oder auch die Gemeindeordnung.
    "Wir müssen solche Verwaltungsfragen bürgernah halten" - das ist seine Überzeugung. Wenn der Bürger bei Fragen über Abwasserprobleme zum Beispiel nicht mit zuständigen Verwaltungsstellen in seinem Gebiet, sondern nur mit dem Regierungspräsidium sprechen könne, dann gehe ihm die Kontaktmöglichkeit praktisch verloren. "Die Notwendigkeit von ganz großen Verwaltungseinheiten müßte wirklich noch erst nachgewiesen werden", meint Reinhardt. "Der gewählte Kreistagsabgeordnete muß mitwirken können, das ist Bürgernähe."
    Wieviel Kontakt die Bürger zu ihrem Abgeordneten suchen, - das war die zweite Überraschung des 1975 "frisch gebackenen" Landtagsabgeordneten: "Da werden Probleme aller Art an einen herangetragen, und die freien Tage im Wahlkreis sind schon nötig, wenn man sich wirklich darum kümmern will."
    Nach seiner Wahl in den Landtag mußte er als Leiter eines der wichtigsten Veterinärämter des Landes "der Fettfleck von Westfalen, jede vierte Wurst kommt aus dem Kreis Gütersloh mit seinen vielen Fleischwarenfabriken" - in den einstweiligen "Ruhestand" treten. Doch Dr. Reinhardt hält das für richtig: "Man müßte den Großteil der Arbeit doch nur Kollegen im Amt auflasten, und das ist nicht zumutbar."
    Für Reinhardt ist es fast selbstverständlich, daß er neben seinem politischen Mandat noch Presbyter der evangelischen Kirche ist und Finanzkirchmeister in seinem Kirchenkreis. Auf die Musterdiakoniestation in seinem Gebiet ist er ebenso stolz wie auf eine neue Pflegevorschule und Eheberatungsstelle. "Wir alle sind Kirche", meint er. "Hier ebenso wie in der Politik haben wir dem Miteinander der Menschen zu dienen."
    Besuchergruppen versucht Dr. Reinhardt im Düsseldorfer Landtag oft ein wenig diesen "Auftrag" deutlich zu machen. "Die junge Generation stellt oft hohe Ansprüche an Politiker", sagt er. " Vielleicht können wir dann hier an unserer Arbeit die Zusammenhänge etwas verständlicher machen, denn darauf kommt es doch eigentlich an."
    Peter Weigert

    ID: LI78221E

  • Porträt der Woche: Maria Jammes (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 21 - 25.09.1978

    Sie stammt aus einer konservativkatholischen Arbeiterfamilie, und ihre Mutter sagt noch heute: "Das geht eigentlich gar nicht, daß man in der SPD ist." Doch bei ihren vier älteren Brüdern ist Maria Jammes sicher, daß von denen "mindestens drei SPD wählen". Für sie war das nie eine Frage. Schon als 21jährige ist sie zu den Sozialdemokraten gestoßen und hat sich hier stets an den linken Flügel gehalten.
    Für die unterschiedliche politische Einstellung im Hause Jammes hat die diplomierte Sozialwissenschaftlerin eine plausible Erklärung: "Mein Vater ist als ungelernte Arbeiter aus der Eifel an die Ruhr gekommen. Der hat nie politisches Bewußtsein gebildet." Bei ihr und ihren Brüdern, alle in Essen aufgewachsen, sei das "zwangsläufig anders" gewesen.
    Am ausgeprägtesten war das politische Bewußtsein offenbar bei der Tochter. Mit 24 Jahren kam sie in den Ortsvereinsvorstand Essen-Rüttenscheid, kurz darauf auch in den Unterbezirksvorstand der Jusos und der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen. Die Kommunalpolitik lernte sie als Mitglied des Bürgerausschusses bis 1967 kennen. Danach ging es "gar nicht besonders weiter". Maria Jammes verlegte Aktivität und ausgeprägten Tatendrang in die berufliche Sphäre. Die Realschülerin und ausgebildete Chemielaborantin hatte bereits 1962 auf dem Kolleg das Abitur nachgeholt und auch noch Versicherungskaufmann gelernt, nach der Eröffnung der Ruhruniversität Bochum "traute ich mich dann 1966 zum Studium". Vier Jahre später hatte sie ihr Diplom und ging als Dozentin zur Friedrich-Ebert-Stiftung nach Bergneustadt. Doch da sie zwischen hier und Essen pendelte, kam wie schon zur Studentenzeit "die Politik zu kurz".
    Das änderte sich Ende 1972 nach dem beruflichen Wechsel als pädagogische Mitarbeiterin an die Volkshochschule Dortmund und dem Umzug ins Essener Arbeiterviertel Frohnhausen. Maria Jammes hat da "viel Frauenkram" aufgezogen, sie ist heute Vorsitzende des eingetragenen Vereins "Frauen helfen Frauen" in Essen. 1973 kam sie wieder in den Ortsvereins-Vorstand. "Da gab's dann Ärger", weil sie dazu angeregt hatte, den mit 800 Mitgliedern "viel zu großen" Ortsverein zu teilen. Im Verlauf der Diskussion hätten sich Aversionen "gebildet und zugespitzt", was sie jedoch mit Fassung getragen habe, sagt die streitbare SPD-Politikerin.
    Jedenfalls trat dann Ende 1974 ein, "was einflußreiche Essener Parteizirkel ein Unglück nennen". In Kampfabstimmung wurde Maria Jammes Direktkandidatin in dem für die SPD sicheren Landtagswahlkreis Essen II, in dem sie dann auch mit 59 Prozent gewählt wurde.
    Die auch heute noch spürbare Freude über ihren Sieg gegen viele Widerstände wird dabei zuweilen überlagert von einer "gewissen Frustration" durch die Parlamentsarbeit. "Der einzelne Abgeordnete hat ziemlich wenig Einfluß darauf, was politisch im Land läuft. Die Entscheidungen konzentrieren sich auf wenige Personen. Auch bleibt zuviel in der Ministerialbürokratie hängen", moniert Maria Jammes, die dennoch "auch Erfolgserlebnisse" resümiert. Nur, "die sind nicht so doll". In Düsseldorf arbeitet sie engagiert mit im Ausschuß für Jugend, Familie und politische Bildung sowie im Justizausschuß, außerdem ist sie Stellvertreterin im Schulausschuß.
    Als ihren größten Erfolg wertet sie die im November anstehende Eröffnung des ersten Frauenhauses in Essen, "natürlich in Selbstverwaltung". Wenn ihr ihre mannigfachen Aktivitäten ab und an Zeit dazu lassen, wandert die Junggesellin "meist allein" durch die Eifel. Sie ist passionierte Orchideen- und Pilzsammlerin und lacht verschmitzt: "Wie man sieht, war noch kein falscher Pilz im Korb."
    Karlegon Halbach

    ID: LI782125

  • Porträt der Woche: Dr. Manfred Sanden (CDU).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 20 - 15.09.1978

    Eine Ausnahmeerscheinung in der fast 32jährigen parlamentarischen Geschichte Nordrhein-Westfalens ist der CDU-Abgeordnete Dr. jur. Manfred Sanden: durch Losentscheid kam der heute 38 Jahre alte selbständige Kaufmann (mit der Zulassung zum Rechtsanwalt) in den 8. Landtag. Erinnern wir uns: Im Wahlkreis 59 Wuppertal IV gab es am Abend des 4. Mai 1975 zwischen den beiden großen Parteien ein aufsehenerregendes Unentschieden von 44,6:44,6 Prozent. Man zählte nach und prüfte; nichts half weiter - Wuppertals Oberstadtdirektor Rolf Krumsiek (SPD) mußte die Entscheidung durch das Los treffen, und der CDU-Vertreter war der Gewinner. Die Medien berichteten bundesweit, der Nachzügler war für einen Tag ein prominenter Zeitgenosse. Wie politische Karrieren beginnen können: der gebürtige Königsberger war am Wahltag kaum vier Jahre Mitglied der CDU gewesen; mit einer Gruppe von Geschäftsfreunden war der Mitinhaber einer größeren Einzelhandelsfirma 1971 eigentlich "nur" deren Wirtschaftsvereinigung beigetreten. 1973 kam er bereits in den Vorstand der CDU Wuppertal. Bald darauf kam das Angebot, in einem "fast aussichtslosen" Wahlkreis zu kandidieren. Sanden im Rückblick: "Ich habe daran geglaubt, daß ich es schaffen könnte und unheimlich hart gearbeitet. " Die Zahl der Hausbesuche und der Straßenwahlkampf-Stunden vermag er nicht annähernd zu schätzen; entscheidend für den Sieg, der aus dem Unentschieden kam, das schon einen Riesenerfolg bedeutet hatte: "Der politische Wind hatte sich gedreht, ich hatte ihn plötzlich im Rücken."
    Sanden, den die Kriegswirren im Osten mit dem Flüchtlingsstrom nach Niedersachsen verschlagen hatten, der ab 1954 "die gute bayerische Bildung genossen" hat, bevor er in München das Studium der Rechte aufnahm und 1969 mit zwei Prädikats-Examina abschloß, ist schon von Berufs wegen ein Mann, der Möglichkeiten und ihre Grenzen nüchtern sieht, kühl und beherrscht argumentiert, ohne Pose und Polemik. Er hält "von Selbstdarstellung wenig; es geht um die politischen Interessen derer, die man zu vertreten hat. Da kann man in vertraulichen Gesprächen und Verhandlungen oft mehr erreichen, als wenn man im vollen Rampenlicht steht mit einem bekannten Namen."
    Im Justizausschuß (er ist auch stellvertretendes Mitglied im Wirtschaftsausschuß und im Poullain-Untersuchungsausschuß) wirkt der Jurist zwangsläufig mehr im stillen. "Es geht da zumeist um Fragen, die in der Öffentlichkeit nicht so bekannt werden, aber nichtsdestoweniger von großer Bedeutung für sie sind. Man denke zum Beispiel an die Diskussionen um die Unterbringung von Terroristen." Ist in den Parlamenten nicht überhaupt die große Stunde der Juristen angebrochen, da jeder Text auf die kleinste Schwachstelle abgeklopft zu werden pflegt? Sanden weist dies zurück, bekennt jedoch: "Jurist zu sein, ist heute überall ein Vorzug weil einfach viele Dinge komplizierter wirken, als sie tatsächlich sind, und weil in allen Lebensbereichen die rechtlichen Konsequenzen eine immer größere Rolle spielen."
    Mag sein, daß Sanden deshalb Mandat und Möglichkeiten so realistisch sieht; er war eh "ohne Illusionen" ins Landesparlament eingezogen, ist "zu keiner Stunde frustriert gewesen", wiewohl Landespolitik nach seinen jetzt dreijährigen Erfahrungen "ein mühsames Werk ist, aus kleinen und kleinsten Scheibchen zusammengesetzt".
    Dennoch - vielleicht ein Vorzug jener, die aus der Wirtschaft kommen - wußte er "bisher immer Familie (verheiratet, drei Kinder), Firma und Fraktion - dies ist die alphabetische Reihenfolge - miteinander zu verbinden". Das hat er auch für die nächste Wahlperiode vor: "Ich mache weiter, wenn meine Freunde das wünschen." Und dann ist Sanden, der sich nicht ohne Stolz als "wirklich unabhängigen Abgeordneten" bezeichnet, gerade 40 Jahre alt.
    Hans Krieger

    ID: LI782023

  • Porträt der Woche: Horst Henning (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 19 - 08.09.1978

    Er ist von Geburt Westfale, aber inzwischen "gelernter" und damit überzeugter Rheinländer: Horst Henning, 1937 in Lünen geboren, lebt seit 1951 in Leverkusen. Der Zufall, besser die Nachkriegsumstände, haben ihn hierher verschlagen: der arbeitslose Vater fand in Leverkusen einen neuen Job - also zog die Familie Henning dorthin. Heute sieht Horst Henning dies als Glücksfall, denn er fühlt sich rundum wohl in seiner Wahlheimat, die inzwischen auch für den Politiker zur relativ sicheren und erfolgversprechenden Wahlheimat geworden ist.
    Lehre als Laborfachwerker, dann Chemielaborant, Betriebsmeister bei der Bayer-Tochter "Erdöl-Chemie" in Köln-Worringen - das sind die Berufsstationen, bis 1975 die Wahl in den Landtag Hennings weiteren beruflichen Werdegang stoppte. Er wurde beurlaubt mit einem Teil seiner Bezüge - Bayer ist da großzügig wie der öffentliche Dienst. Trotzdem ist er - soweit es die politische Arbeit erlaubt - oft an seinem alten Arbeitsplatz, er will den Anschluß und den Einblick in die Arbeitswelt nicht verlieren. Daher bedauert Henning die vom Bundesverfassungsgericht veranlaßte neue Diätenregelung: sie macht das Parlamentsmandat zum Beruf, schneidet den Abgeordneten dadurch möglicherweise von seinem Beruf und seiner Arbeitswelt ab. Die Gefahr: der Abgeordnete "ohne Antenne nach unten" könnte betriebsblind werden.
    Der Weg in die SPD war für Henning schon in der Familie vorgezeichnet: beide Großväter und auch Vater Henning waren Sozialdemokraten - er selbst gehörte seit 1948 den "Falken" an. Daß er 1957 der SPD beitrat, hatte aber einen konkreten Anlaß. Da in Leverkusen - vor allem in den Randgebieten viele Einrichtungen fehlten, wollte er über die Kommunalpolitik mithelfen, das für den Bürger Nötige zu schaffen. Horst Henning ist ein Mann der Mitte. Er hat Marx gelesen und verarbeitet - aber ebenso auch Luther. Nach wie vor ist er Presbyter in der Evangelischen Gemeinde. Ideologie spielt für ihn eine untergeordnete Rolle. "Glückseligkeit findet im Jenseits statt, Politik braucht Realitätsbezogenheit und Augenmaß. Sie setzt ein hohes Maß an Pragmatismus voraus."
    Andererseits sieht Henning in der Solidarität zu seiner Partei eine hohe Verpflichtung. Zwar ist der Abgeordnete seinem Gewissen verantwortlich, doch "95 Prozent aller Entscheidungen haben mit Wissen und nur fünf Prozent etwas mit Gewissen zu tun". Wenn ein Abgeordneter einer Partei- oder Fraktionsentscheidung nicht folgen kann, dann sollte er sein Mandat niederlegen, denn der Wähler wählt wohl- vor allem die Partei und erst in zweiter Linie eine bestimmte Person. Für Abweichler hat Henning also nicht viel übrig.
    Pragmatismus, Loyalität, kommunalpolitisches Engagement und Erfahrung waren das Rüstzeug, mit dem Henning 1975 sein Landtagsmandat antrat. Hilfe für den einzelnen Bürger - dazu gibt ihm die Arbeit im Petitionsausschuß Möglichkeiten. "Der Bürger soll nicht in den Mühlen der Bürokratie zerrieben werden." Henning möchte erreichen, daß der Ausschuß dem Bürger auch Rechtsauskünfte erteilen darf - aber dazu "muß wohl erst ein gordischer Knoten durchgeschlagen werden".
    Die kommunale Neugliederung hat Henning als Kommunalpolitiker sozusagen hautnah zu spüren bekommen, denn Leverkusen war heftig umstritten. Jetzt kann Henning sich als Landtagsabgeordneter aktiv an der Funktionalreform beteiligen - im Ausschuß für Verwaltungsreform. Dabei sieht er die widerstrebenden Interessen, die unter einen Hut gebracht werden müssen, sehr deutlich: Die neu geschaffenen größeren kommunalen Einheiten müssen auch größere Kompetenzen bekommen. Der Bürger hat Anspruch auf Ortsnähe der Verwaltung - aber auch auf sach- und fachgerechte Abwicklung.
    Seit einem halben Jahr hat Henning zusätzlich ein schwieriges Amt übernommen. Er sitzt im parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der die Hintergründe der Poullain-Affäre klären soll. Obwohl Ausschüsse solcher Art in der Öffentlichkeit heftig diskutiert werden, hält er sie für sinnvoll. Er glaubt, daß sich durch die Ausschußarbeit erwiesen habe, wie notwendig es ist, ein so großes Kreditinstitut besser zu kontrollieren, andererseits ist er überrascht über die Leichtigkeit, mit der riesige Summen hin- und hergeschoben wurden. Und schließlich bewertet er als positiv, daß bisher keine der beteiligten Parteien versucht hat, aus dem Untersuchungsausschuß ein politisches Spektakel zu machen.
    Es liegt auf der Hand, daß ihm als Familienvater nicht viel Freizeit bleibt. Er liest gerne, bestellt seinen kleinen Garten und betreibt mit Begeisterung Ahnenforschung. Im übrigen ist die Politik sein Hobby. Das Materielle dabei ist für ihn nur von untergeordneter Bedeutung, denn: "wer an Geld denkt, sollte die Finger von der Politik lassen".
    Bernd Müller

    ID: LI781931

  • Porträt der Woche: Walter Neuhaus (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 18 - 04.07.1978

    Er kann noch "Platt küren", und das ist die sauerländische Art zu sagen, was Sache ist, ohne daß man auf rhetorischen Stelzen einhergeht. Walter Neuhaus errang sein Landtagsmandat 1975, im zweiten Anlauf nach einer ersten Kandidatur 1970, in einem für die CDU immer als schwierig geltenden Lüdenscheider Wahlkreis. So mancher Neuling pflegt dann in Düsseldorf erst einmal auf den Hinterbänken Platz zu nehmen, nicht so der Abgeordnete Neuhaus. In der richtigen Erkenntnis, daß die große Politik in den fleißigen, kleinen Schritten der Alltagsarbeit für den Bürger und Wähler beginnt, schaute Neuhaus sich sofort in den Ausschüssen für Arbeit, Gesundheit, Soziales und für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten um. Das ist, wie jedermann weiß, ein weites Feld, von der Krankenhauspolitik bis zum sauberen Wasser, von der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bis zum Verbraucherschutz.
    Er wolle, sagte er damals seinen Wählern, kein Schönredner sein, mit dem Direktmandat nicht persönlichen Glanz anstreben. So ist es auch geschehen: Neuhaus, der seit 1957 der CDU angehört, gelernter Landwirt ist und auch bleiben will, arbeitet mit großer Beharrlichkeit für die Bürger seiner Wahlkreis-Heimat. Das Paket an solider kommunalpolitischer Erfahrung, die er hat, bringt gute Voraussetzungen dafür mit. Das meiste an dieser politischen Arbeit ist Mühsal, wobei man sich auch durch Rückschläge nicht entmutigen lassen darf: Verbesserung der Siedlungsstrukturen, Ergänzung des Nahverkehrsnetzes, Sicherung von Freizeit- und Erholungsgebieten, wirkungsvoller Umweltschutz. Neuhaus kann inzwischen selbst bei seinen politischen Gegnern auf viele Freunde zählen. Das hat mit der persönlichen Lauterkeit dieses Abgeordneten zu tun, mit seinem steten Kontakt zu den Bürgern, seiner Art, auch unangenehmen Themen nicht aus dem Wege zu gehen.
    Das Elternhaus, sagt Neuhaus, habe ihn gelehrt, immer aufrichtig zu sein und selbst mit anzupacken, wo Hilfe nottut. Neuhaus zeigt auch, wie man die von allen Parteien so oft beschworene Bürgernähe in der Politik praktiziert: in der Landjugend und im Turnverein, in der Jägerschaft, im Hegering und selbst bei den Geflügelzüchtern. Der Märkische Kreis, der seine Heimat ist, hat eine komplizierte soziologische Struktur zwischen ländlichen Räumen und städtischen Ballungszonen. Da zeigt sich oft, daß eine Politik der kleinen Schritte auch kompromißfähig sein muß. Die große Festrede bewirkt oft wenig, hartnäckige Arbeit auf allen Ebenen der Partei, in der Landtagsfraktion, in den Ausschüssen gemeinsam mit Abgeordneten der Koalition und nicht zuletzt in zähen Verhandlungen mit den Entscheidungsträgern in den Ministerien in Düsseldorf zahlt sich dagegen langfristig besser aus.
    In der CDU kann man Neuhaus als einen Mann der Mitte bezeichnen. Das Pragmatische zählt, nicht die reine Lehre der Ideologie. Neuhaus mag gelegentlich als Konservativer wirken, er ist in Wahrheit ein liberaler, mündiger Bürger im modisch noch nicht mißbrauchten Sinne dieses Wortes. "Ich sage", meint er, "ein-klares Ja zu diesem Staat, zur Sozialverpflichtung des Eigentums, auch zur Sozialordnung und zur Marktwirtschaft, aber gegen Bürokratie und Dirigismus, gegen jeden Planungsfetischismus über die Menschen hinweg, denen jede Politik zuvörderst zu dienen hat." Ohne das aktive Verständnis seiner Familie auf dem Bauernhof in Amphop wäre seine politische Arbeit, die auch den größten Teil der Freizeit verschlingt, gar nicht möglich, sagt der Abgeordnete. Walter Neuhaus hat sich - wer wollte solchen Ehrgeiz, der der Leistungsbestätigung dient, nicht verstehen - ein Ziel gesetzt: Er will den 1975 errungenen Wahlkreis bei der Landtagswahl 1980 verteidigen und wiedererobern. Freunde unter den Journalisten in seiner Heimat, die es wissen müssen, meinen, Neuhaus habe sein damaliges Wahlkampfversprechen von Fleiß und Einsatzfreude bei gleichzeitiger Bürgernähe schon jetzt bestens eingelöst.
    Es gibt tatsächlich eine viel engere Verflechtung zwischen Kommunalpolitik und Landespolitik, als die Schlagzeilen in den Medien das oft ahnen lassen. Zur politischen Alltagsarbeit eines Abgeordneten gehört, was zumeist übersehen wird, es auch, die abstrakte Sprache von Landesentwicklungsplänen, Rahmenrichtlinien, Runderlassen und Ausführungsverordnungen immer wieder ins Deutsche zurückzuübersetzen. Mittler zwischen Bürgern und Verwaltung zu sein, mit dem Bürger so zu reden, wie er es gelernt hat und versteht, auch das hält Walter Neuhaus für ganz unverzichtbar, wenn nicht eine schon zu erkennende Staats- und Parteienverdrossenheit weiter um sich greifen soll. Dazu gehört, daß auch der gewählte, mit Vertrauensvorschuß der Bürger bedachte Politiker lernfähig bleiben muß. "Den eigenen Standpunkt", sagt Walter Neuhaus, "kann man am besten dadurch sichern, daß man ihn gelegentlich auch selbst einmal überprüft."
    Lothar Bewerunge

    ID: LI781822

  • Porträt der Woche: Lothar Hentschel (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 23.06.1978

    Von seiner äußeren Erscheinung her wirkt Lothar Hentschel (48) so gar nicht wie ein Parteifunktionär. Mit seinem imponierenden, dichten Haarschopf und der kräftigen Statur würde er, wäre sein Beruf zu raten, wahrscheinlich mit einer musischen Profession in Verbindung gebracht. Ihm fehlt alles, was den "Geschaftlhuber" ausmacht. Doch Lothar Hentschel, in Gelsenkirchen-Buer geboren und heute noch wohnhaft, ist seit 24 Jahren "Hauptamtlicher". Vom Jugendsekretär in Hagen (1954) über den Geschäftsführer des Unterbezirks Recklinghausen (1962) und des Bezirks Westliches Westfalen (1969) stieg er bis zum Landesgeschäftsführer seiner Partei in Nordrhein-Westfalen (1973) auf.
    Weil ihn die Luftfahrt faszinierte, hatte er im letzten Kriegsjahr noch eine Lehre als Flugzeugelektromechaniker angefangen. Doch dann wurden in Deutschland keine Flugzeuge mehr gebaut. 1949 machte er seine Gesellenprüfung als Elektroinstallateur und ging zu Gelsenberg. In die Parteilaufbahn kam er durch aktive Jugendarbeit. Schon im Mai 1945 war er in den Gewerkschaftsbund eingetreten, der sich damals noch FDGB nannte. Im selben Jahr gründete er mit Freunden die Sozialistische Jugend "Die Falken" in seiner Heimatstadt und organisierte Zeltlager und Freizeiten. Lothar Hentschel stammt aus einer Familie mit sozialdemokratischer Tradition. Beide Großväter waren aktiv gewesen. Der Vater, der nach 40 Jahren Arbeit unter Tage mit Steinstaublunge in die Rente gehen mußte, öffnete seinem Sohn erst nach Kriegsende seinen Bücherschrank mit politischer Literatur. "Ich habe damals viel über die Geschichte der Arbeiterbewegung gelesen und gelernt, wie wichtig es ist, sich für andere Menschen einzusetzen und sich in einer Gemeinschaft zu solidarisieren", sagt er. Lothar Hentschel bezeichnet sich selber als einen Pragmatiker. Die Theorien von Marx und Engels bedeuten ihm wenig.
    Seine Partei kennt Hentschel "aus dem Effeff". Er bemüht sich, allen Gruppierungen gegenüber loyal zu sein. Auch "die Linke" habe Anspruch auf Toleranz, sagt er. Man müsse in der Partei miteinander reden, denn mancher Streit gehe nur auf mangelhafte Information zurück, wie er oft erfahren habe. In Flügelkämpfe läßt sich Hentschel, der eine unerschütterliche Ruhe ausstrahlt, nicht verwickeln. Wie er politisch denkt, geht aus einer Episode hervor, die er erzählt. Im Bundesvorstand der Falken hatte ein Kollege moniert, daß ein Genosse erster Klasse angereist sei. Das sei für einen Falken unmöglich. Hentschel erwiderte dem Zürnenden: "Nun reg' dich mal ab, wir müssen dafür sorgen, daß alle Menschen erster Klasse fahren können."
    In seiner Arbeit als Landesgeschäftsführer und als Landtagsabgeordneter gibt es manche Berührungspunkte. Beim Landesvorstand ist Hentschel u. a. für Juristen, Agrarier und Wohnungspolitiker zuständig. Im Landtag gehört er als ordentliches Mitglied dem Justiz- und als Stellvertreter dem Ernährungs- und Wohnungsbauausschuß an.
    Besonders wichtig aber ist für ihn die Mitgliedschaft im Hauptausschuß, in dem viele Fäden der parlamentarischen Arbeit zusammenlaufen. Hentschel hat sich in letzter Zeit vor allem mit Problemen des Datenschutzes befaßt.
    Während in der SPD die Meinung überwiegt, der Datenschutzbeauftragte solle beim Landtag angesiedelt werden, hält Lothar Hentschel es für zweckmäßiger, ihn dem Innenminister zuzuordnen. Der Beauftragte habe dann das Recht, auch in den heiklen politischen Bereich der Polizei und des Verfassungsschutzes hineinzusehen.
    Sein Repertoire an Wander- und Jugendliedern ist unerschöpflich. Bei Wandertouren begleitet er Parteichef Willy Brandt nicht nur auf Schusters Rappen, sondern auch auf der Gitarre. Drei Tage lang war man einmal 60 km weit durch den Teutoburger Wald gezogen. Trocken erzählt Hentschel: "Das war kein Problem. Das Schlimme war nur, daß ich eine Woche vorher die Strecke in zwei Tagen vorgewandert war!"
    Gerd Goch

    ID: LI781724

  • Porträt der Woche: Heinz-Josef Nüchel (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 16.06.1978

    Auf Duzfuß steht er so ziemlich mit jedem zweiten Bewohner von Eitorf an der Sieg. Zufolge der Meldeamtsstatistik macht das an die siebentausendfünfhundert Eitorfer, die ihn Heinz-Jupp nennen. Müßig zu sagen, daß Lokalmatador Heinz-Josef Nüchel vor 45 Jahren in eben diesem Gemeinwesen, dem er seit 1969 als erster Bürger vorsteht, das Licht der Welt erblickte.
    Ein Politiker "vom Lande", aus grundsolidem Holz geschnitzt, vereinigt Nüchel unaufdringliche, aber feste christkatholische Grundsätze mit einem guten Schuß jener urliberalen rheinischen Toleranz, die den "Andersgläubigen" zualleroberst Mensch sein läßt. In einem solchen Naturell bildet Humor eine der Grundsubstanzen. So schlugen karnevalistische "Husaren" in Siegburg Nüchel zum "Ritter des rheinischen Humors". In ihrer Laudatio apostrophierten sie ihn als "lustigen Farbtupfer im grauen politischen Alltag, bibel- und trinkfest, Weltmeister im Bützen..." Spaß beiseite! Doch Heinz-Josef Nüchel greift die Vokabel sofort auf: "Spaß macht mir das Mandat, weil ich damit recht vielen Leuten aus meinem Wahlkreis helfen kann." Oft regelt ihnen der Abgeordnete ihre Angelegenheiten bei Behörden. Nüchel: "Die Schwellenangst vor Amtstüren ist noch weit verbreitet.
    "Seine Sprechstunden im Wahlkreis Rhein-Sieg III, für den er 1975 als einer der vielen "Neulinge" mit 55 Prozent Wahlstimmen ins Haus am Düsseldorfer Schwanenspiegel einzog, sind stets "hervorragend besucht". Längst nicht alle kommen als Bittsteller. "Es gibt erstaunlich viele vereinsamte Menschen, die nur den Gesprächspartner suchen," stellt Nüchel fest.
    In der Biographie des CDU-Abgeordneten fehlt nur eins: Lorbeeren, auf denen er sich jemals ausgeruht hätte. Sohn eines kriegsversehrten, früh verstorbenen Arbeiters, besuchte Nüchel acht Jahre die Volksschule, absolvierte eine Schreinerlehre, büffelte "Sexta und Quinta" privat nach, ging aufs Eitorfer Gymnasium. Er mußte es in Obersekunda verlassen. Seine verwitwete Mutter konnte das Schulgeld nicht mehr aufbringen. Nach Ausbildung beim Finanzamt Siegburg gab er den bereits erreichten sicheren Status eines "Lebenszeit-Beamten" auf, einem Ruf der Katholischen Jugend folgend. Von Kindheit an hatte er eine Jugendführerkarriere durchlaufen, die jetzt im Amt des hauptberuflich bestellten Diözesanjugendführers des Erzbistums Köln ihren Höhepunkt fand. Aus dieser 1960 übernommenen Tätigkeit erwuchsen drei Ehrenämter: Vize des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, zeitweise Vorsitzender des Bundes/ugendringes, Präsident des Weltbundes der Pfarrjugendgemeinschaften. Dazwischen stand Nüchel aber sieben Jahre im Staatsdienst als Direktor des Bonner Jugendaustausch- und Besucherdienstes der Bundesregierung. Reisen führten ihn in viele Länder nach Ost, West und in die Dritte Welt. Nüchel wies der deutschen und internationalen Jugend, besonders den jungen israelischen Menschen zueinanderführende Wege der Freundschaft und des gegenseitigen Verständnisses.
    1975 machte Nüchel Schluß mit der Arbeit als Jugendprofi. "Mit 42 mußte ich nun endlich erwachsen werden," schmunzelte er. Seitdem amtiert er als Bildungsreferent wieder im Erzbischöflichen Generalvikariat Köln, zuständig für die katholischen Männerwerke. Neben der Kommunalpolitik ist dies die zweite Verbindung zur "Basis", wie er sagt. Als bischöflicher Referent arbeitet er daran, die Kirche an ihren "verlorenen Sohn, den Arbeiter", wieder heranzuführen. Fühlt er sich im Landtag als Lobbyist der Kirche, gar als "Klerikaler"? Seine Antwort klingt glaubwürdig: "Auf keinen Fall! Ich bin weder abhängig von der CDU, denn ich habe kein Listenmandat, und nicht einmal die Kirche steht als Lobby hinter mir." Im Spektrum der CDU sieht er seinen Standort "Mitte links, mit allen Vorbehalten". Den Vater von zwei Töchtern elektrisiert alles, was Familienpolitik heißt und auch nur mittelbar mit ihr zusammenhängt. Logischerweise gehört er dem Landtagsausschuß für Jugend und Familie an. Die dortige, nach seinen Worten oft harte ideologisch-programmatische Konfrontation liebt er freilich nicht sonderlich. Selbst im Plenum vermißt er das "Menschlich-Verbindende", wie er es über Bekenntnis- und Parteigrenzen hinweg aus dem Bundesjugendring, dem Rat und dem Kreistag kennt. Im Sportausschuß, wo er an eher praktischen Ergebnissen mitarbeiten kann, fühlt er sich insofern wohler. Die Parlamentsarbeit könnte er sich straffer und zügiger vorstellen, sagt Nüchel. Das Programm von zwei Plenartagen lasse sich öfter auch an einem Tag erledigen. Denn Nüchel kommt "auf 80 Wochenstunden - Mandat und Beruf halbe-halbe". Da muß seine Vorliebe für Wanderungen und Ausflüge mit der Familie häufig hintanstehen. Einem zünftigen Skat nie abhold, meldet Nüchel freilich bei Vereinsmitgliedschaften Fehlanzeige. Gerecht verteilt er seine Besuche allerdings auf sämtliche Klubs und Klübchen im Wahlkreis.
    Hans Wüllenweber

    ID: LI781629

  • Porträt der Woche: Günter Herterich (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 13.06.1978

    Wenn er seine persönlichen Wünsche durchsetzen kann, wird man ihn in Düsseldorf nicht mehr allzu lange sehen. Günter Herterich, ein Schwabe aus Köln, möchte 1980 die politische Ebene wechseln. Bonn lockt ihn.
    Das sagt er ohne Umschweife, ohne strategischen Vorbehalt. "Meine Parteifreunde sollen das früh genug wissen, sollen das kritisieren können. Ich gehe aber auch nicht in den Rhein, wenn es nicht klappt."
    Doch dafür, daß alles wunschgemäß läuft, wird der SPD-Politiker Herterich schon sorgen. Denn in seiner Wahlheimat - "aus Köln kriegt mich niemand mehr weg" - ist der gebürtige Stuttgarter ein mächtiger Mann. Es gibt sogar Leute, die behaupten, in der größten Stadt des Landes gehe "aber auch gar nichts" ohne den Vorsitzenden der Mehrheitsfraktion der Sozialdemokraten. Herterich schwächt solche Einschätzung ab: "Natürlich habe ich Einfluß. Aber in der Politik wird viel dämonisiert und personalisiert."
    Ehrgeiz? Ja, den räumt er ein. "Ich möchte mitgestalten, sonst gehörte ich nicht in die Politik." Seine Konsequenz verschrecke andere oft, gibt er freimütig zu, und außerdem arbeite er "für manche Leute beängstigend viel". Was er jedoch nicht als Last, sondern als "ungeheuren Spaß" empfindet. In der Tat erreicht man den " Vorreiter der Kölner SPD" auch am Wochenende eher in seinem Büro im Rathaus als zu Hause. Die privaten Konsequenzen hat er aus solchem Engagement gezogen. Günter Herterich, der am Donnerstag 39 Jahre alt wird, ist Junggeselle geblieben. "Andernfalls müßte ich meinen Lebensstil ändern, und dazu habe ich keine Lust."
    Im Landtag, dem er seit 1975 angehört, ist er bei weitem nicht so sehr in Erscheinung getreten wie im Rat der Domstadt. Die Gründe sieht er in der "Arbeitsteilung der Kölner Abgeordneten" und darin, daß "meine Möglichkeiten nicht so groß angelegt sind. Ich suche mir einige Themen, speziell an den Nahtstellen von Kommunal- und Landespolitik, heraus, ohne das an die große Glocke zu hängen." Seine Aufgabe in Düsseldorf schätzt er "vielleicht als die einer kurzen Rippe" ein. Er stehe in der Landespolitik "nicht im Kern der Entscheidung, aber durchaus als Mitakteur", sagt Herterich. Er gehört dem Haushalts- und Finanzausschuß an und ist stellvertretendes Mitglied im Wirtschafts- und im Petitionsausschuß.
    Spaß an der Politik hatte schon der Schüler Günter Herterich bekommen. Es seien in erster Linie die Diskussionen über die NS-Zeit gewesen, die ihm das Gefühl gegeben hätten, "du muß dich engagieren". So studierte er Geschichte, unter anderem in Paris, London und Madrid, trat 1963 der SPD bei und widmete sich ab 1965, nachdem er an die Kölner Universität gekommen war, auch der ehrenamtlichen Parteiarbeit. 1970 kandidierte er im feinen Vorort Lindenthal für den Stadtrat und - fiel durch. Immerhin war sein Gegenkandidat Max Adenauer, Sohn des Altbundeskanzlers und langjähriger Oberstadtdirektor in Köln. Ende 1971 rückte Herterich dann über die Reserveliste in den Rat nach.
    Von da an ging es schnell bergauf. Schon im Mai 1972 zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden berufen, wurde er nach der Kommunalwahl 1975 Speerspitze der Sozialdemokraten im Rat. Zugleich zog er auch als Direktkandidat in den Landtag ein. Das Mitgestalten fasziniere ihn, aber auch das Risiko des Berufs, sagt Herterich. Und auch damit ist er einige Male konfrontiert worden, ohne Schlappen ist es dabei nicht abgegangen. Die letzte erlitt er, als er vor Jahresfrist um den Vorsitz des SPD-Bezirks Mittelrhein kandidierte, aber dem weiter links stehenden Günter Schlatter unterlag. Für 1980 ist Günter Herterich jedoch voller Optimismus. In Bonn will er, wenn ihm denn der Sprung gelingen sollte, "an den Fragen mitwirken, die ich für vordringlich halte".
    Der Nichtraucher Herterich, mit 15 Kilo Übergewicht "behaftet, aber davon nicht geplagt", zieht am stets sehr späten Feierabend eine Schorle oder ein Glas Wein dem bodenständigen Kölsch vor und kümmert sich neben der Politik "auch viel um kulturelle Dinge". Er ist ein Musikfreund mit dem breiten Spektrum von Mozart "bis Stockhausen und darüber hinaus", interessiert sich für bildende Kunst und geht auch "häufiger ins Theater, als dies die Kölner Theaterleute wissen". Seine Leidenschaft gilt "guten Büchern", doch die hat er nur zu Hause und nicht in dem überdimensionalen Aktenkoffer, den er stets mit sich herumträgt.
    Karlegon Halbach

    ID: LI781527

  • Porträt der Woche: Hans-Dieter Morgenstern (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 14 - 30.05.1978

    "... und die Leiche heißt Dorf". Das ist nicht etwa der Titel eines Polit-Krimis, sondern die Schlagzeile einer Fünfjahres-Zwischenbilanz, die der CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Dieter Morgenstern, zusammen mit einem Journalisten, am Silvestertag 1977 in der Lübbecker Kreiszeitung gezogen hat. Ein Mann "der ersten Stunde" des neuen Kreises Minden-Lübbecke, der von 1973 bis 1975 im Kreistag des durch die Gebietsreform neugeschaffenen Großkreises auch seine ersten kommunalpolitischen Erfahrungen sammelte. Bittere Erfahrungen, wie die Zwischenbilanz ausweist, die vor allem das Auszehren jener ländlichen Gebiete deutlich macht, die, wie es in der Bilanz ebenso wörtlich wie deutlich heißt: "auf dem Altar falscher bürokratischer Vorstellungen geopfert" wurden.

    Hans-Dieter Morgenstern, der gelernte Industriekaufmann und Werbefachmann, ist konziliant, aber kein bequemer Partner auf der parlamentarischen Bühne, der es beim Bilanzieren in der Zeitung nicht beläßt, sondern zusammen mit den anderen Landtagsabgeordneten aus den ländlichen Räumen Landesregierung und Landtag immer wieder drängt, daß die planerischen Fehlprognosen der Gebietsreformer korrigiert werden, soweit das eben noch möglich ist.
    Eigentlich könnte er der Typ eines smarten Industrie-Lobbyisten auf dem parlamentarischen Parkett sein. Beruf und Auftreten des aus Düsseldorf stammenden aber in Ostwestfalen lebenden Verkaufsleiters eines internationalen Tabak-Konzerns lassen ebenso darauf schließen wie die Zielstrebigkeit, mit der der Newcomer im Düsseldorfer Landtag neben dem Landwirtschaftsausschuß vor allem einen Sitz im Wirtschaftsausschuß anpeilte. Aber solche Indizien trügen. Der politische Antrieb kam aus einer ganz anderen Ecke. Morgenstern, einer vom Jahrgang 1935 - also zehn Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg in der Stunde Null endete, beruflich und politisch handlungsfähig erst, als die Kriegsfolgen auf vielen Gebieten bereits überwunden waren, zählt zu jenen Angehörigen einer neuen Generation, denen das berufliche Erfolgserlebnis allein nicht mehr genügte, die sich auch politisch zu engagieren bereit sind; allerdings aus ihrer Perspektive weder für Honoratioren noch für Kader-Parteien, sondern für mitgliederstarke, demokratisch fundierte Parteiorganisationen.
    Er entschied sich für die CDU und arbeitete dann sogleich beim Bundestagswahlkampf 1969 mit. Wahlkampf war für den jungen Mann, der berufliche Erfahrungen bei Werbeagenturen, Verlagen und in der Markenartikel-Industrie gesammelt hatte, echtes Marketing.

    Als er 1970 als Wahlkampfleiter für Gustav Niermann, Landwirtschaftsmeister und unter Regierungschef Franz Meyers, auch Landwirtschaftsminister, den Landtagswahlkampf der CDU im Wahlkreis 146 Lübbecke managte - er wurde zu Niermanns größtem Wahlerfolg in mehr als zwei Jahrzehnten -, da ahnte Morgenstern noch nicht, daß seine Parteifreunde ihn fünf Jahre später als dessen Nachfolger im Wahlkreis nominieren würden. Mit 51,6 Prozent der Wählerstimmen holte er den neugeschnittenen Wahlkreis 108 nicht nur wieder, sondern zum ersten Mal auch mit absoluter Mehrheit. Wie im Wahlkampf, so hat er sich auch in der parlamentarischen Tätigkeit voll engagiert und fragt sich langsam, wie lange die Doppelbelastung Beruf und Industrie auf der einen, Politik und Mandat auf der anderen Seite mit Gesundheit, Gewissen und Familie zu vereinbaren ist.
    Wer Morgenstern kennt, hat keine Befürchtungen, daß er auch diese Klippe überwinden wird. Zum Vollzeitparlamentarier allerdings, wie das Abgeordnetengesetz, das zur Zeit vom Landtag beraten wird, ab 1980, also nach der nächsten Landtagswahl, bestimmt, fühlt er sich nicht unbedingt berufen. Auch auf die Gefahr hin, seiner Gesundheit zuviel zuzumuten, möchte er den Beruf nicht gern an den Nagel hängen. In einem längeren Gespräch auf dem Flug von München nach Düsseldorf - es war der Rückflug von der diesjährigen Handwerksmesse in der Isar-Metropole - machte er seinem journalistischen Gesprächspartner klar, warum er ein Standbein im Beruf nicht aufgeben möchte. Erst die Kombination oder auch Konfrontation von politisch-parlamentarischer und beruflicher Erfahrung ergibt seiner Meinung nach jenes Spannungsfeld, das Voraussetzung dafür ist, maßstabsgerechte Politik zu machen. Ein sympathischer Zug an einem noch relativ jungen Politiker, der sich trotz eines Direktmandates wehrt, Polit-Profi zu werden.
    Karl Fischer

    ID: LI781428

  • Porträt der Woche: Horst Hein (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 13 - 22.05.1978

    "Jungsozialist mit weißem Kragen" hatte eine westfälische Lokalzeitung den SPD-Landtagsabgeordneten Horst Hein vor Jahren einmal tituliert. In der Tat - der 37jährige Mann aus Höxter ist sein eigener Kontrast und - sieht man es vordergründig: ein Widerspruch in sich. Nehme man die Tätigkeit im Parlament ernst, dann sei es ein "Fulltime-Job". Nur " verklärt" denke er an die 40-Stunden-Woche seiner Beamtenzeit zurück. Gleichwohl ist er einer der neun Opponenten in seiner Fraktion, die gegen die Diäten-Neuregelung gestimmt hatten. Der Betrag sei zu hoch.

    Schon 1966 wollte er in die SPD eintreten. Doch der damals 26jährige, der nach dem Besuch eines schöngeistig-humanistischen Gymnasiums nüchterner Steuerbeamter geworden war, hatte das Bündnis der Sozialdemokraten mit der CDU/CSU in der großen Koalition "so verärgert, daß ich es ließ". Um so steiler war seine parteiinterne Karriere, nachdem er den Eintritt 1969 nachgeholt hatte: 1970 Wahl in den Vorstand des SPD-Unterbezirks Höxter-Warburg, ein Jahr später Unterbezirksvorsitzender, wieder nur 12 Monate darauf Einzug in den Vorstand des SPD-Bezirks Ostwestfalen-Lippe, für einige Jahre Mitgliedschaft im Landesvorstand der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), die Horst Hein aufgab, als er 1975 Landtagsabgeordneter wurde. Abgeben wird er möglicherweise auch demnächst den stellvertretenden Vorsitz der SPD-Fraktion im Rat seiner Heimatstadt. Der Landtag fordere den ganzen Mann.

    Hatte ihn, der sich auch heute noch zu den Linken in seiner Partei zählt, die große Koalition seinerzeit regelrecht abgestoßen, so beurteilt Horst Hein es "heute ganz anders". Wieder so ein Kontrast: Der Linke denkt ernsthaft über Möglichkeiten eines späteren Bündnisses auch mit der CDU nach. Der Satz stammt nicht von ihm, aber er stimmt ihm zu: "Es gibt zwei große Parteien und eine wichtige", die F.D.P. Fast möchte man an den berühmten Schwanz denken, der mit dem Hund wedelt, hört man den SPD-Abgeordneten über das Verhältnis mit dem kleineren Koalitionspartner sagen: "Ich habe den Eindruck, daß wir manchmal etwas unterrepräsentiert sind." Die SPD müsse doch etwas stärker ihre Vorstellungen durchbringen. Es sei nachgerade "unerträglich", daß die Sozialdemokraten "im Grunde überhaupt keinen Koalitions-Spielraum" hätten.
    Horst Hein will seine Partei nicht in der Rolle des angstvollen Betrachters sehen, der schüchtern abwartet, wie lange der Partner bei der Stange bleibt. Die "Absetzbewegungen" der Liberalen seien "auf einigen Feldern so stark", daß es ein Gebot der Selbsterhaltung, aber auch der Selbstachtung sei, "daß die Sozialdemokraten von sich aus wieder mehr Koalitionsfreiheit erhalten". Da müsse was "aufgebrochen werden".
    Der bis 1980 geschlossene Koalitionsvertrag mit der F.D.P. sei unbedingt einzuhalten. Für spätere Zeiten hält Horst Hein aber auf Länderebene eine große Koalition "ebenso für möglich, wie ein Bündnis mit der F.D.P.". In seinen Augen sind eben nicht nur die Liberalen "im höheren Sinne offen".

    Bewegen will der jugendhaft zurückhaltend wirkende Parlamentarier aber nicht nur "große" Koalitions-, sondern auch die nüchterne Alltags-Politik. Sein "großes Glück" sei es gewesen, daß er mit Einzug ins Parlament gleich in den Haushalts- und Finanz- sowie den Innenausschuß geschickt worden sei. In beiden Gremien hätten sich sehr schnell Verbindungen zu seinem Beruf als Steuerbeamter und seinen Interessen - er war sieben Jahre Personalratsvorsitzender und aktiver Gewerkschafter - ergeben. Ernst ist es ihm um die Entkrampfung des Verhältnisses von Bürger und Verwaltung. Er wolle die "Bürokratie entbürokratisieren". Kürzlich zum Vize des SPD-Arbeitskreises für öffentliche Verwaltung gewählt, gab Hein den Haushalts- und Finanzausschuß wieder auf, denn dieses Gremium tagt zu oft gleichzeitig mit dem Innenausschuß. Jetzt geht er in den Landwirtschaftsausschuß, weil er vorhat, "da noch einiges" für seinen ländlich strukturierten Heimatkreis zu tun. Zusätzlicher Ansporn: Vor ihm war der Kreis Höxter noch nie durch einen SPD-Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag vertreten.

    Mag sein, daß Horst Hein die SPD-Diaspora Höxter, in der es seine Partei trotz beachtlicher Zugewinne bei der letzten Wahl noch immer nicht auf 29 Prozent brachte, bereits in der nächsten Legislaturperiode im Bundestag vertritt. 1972 hatte er schon einmal für das Bonner Parlament kandidiert. Und hätte er auf der SPD-Liste nur wenige Plätze höher rangiert, wäre er längst Bundestagsabgeordneter. Befragt, ob er nicht 1980 ins Bundeshaus umsteigen wolle, meint Horst Hein, er "hätte Interesse". Vorerst aber ist er noch mit Leib und Seele Landtagsabgeordneter, fest davon überzeugt, daß auch der einzelne etwas ausrichten kann. Nur sollte man statt ärgerniserregender Diätenerhöhungen "lieber etwas drauflegen, um im Landtag die miserablen Arbeitsmöglichkeiten zu verbessern".
    Christoph Lütgert

    ID: LI781324

  • Porträt der Woche: Georg-Wilhelm Mietz (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 12 - 12.05.1978

    " Stiehl dir was, dann hast du was - aber nimm niemandem was weg!" Der Großvater gab dem jugendlichen Georg-Wilhelm Mietz diese Lebensweisheit mit auf den Weg. Und: "Nie mit geschlossenen Augen durchs Leben gehen!" Georg- Wilhelm Mietz hat sich an beides gehalten und ist gut dabei gefahren-sowohl im Privaten wie im Beruflichen, wie in der Politik.
    Zum Beispiel: Er hat ein Haus gebaut, weitgehend in Eigenleistung. Fähigkeiten und Fertigkeiten hat erden Handwerkern abgesehen.
    Zum Beispiel: Er hat den Küferberuf erlernt, um später Exportkaufmann in der Weinbranche zu werden. Er wurde schließlich Polizist, weil er erkannt hatte, daß damals -1951 -dieBerufschanchen bei der Polizei besser waren, und weil er seine persönlichen beruflichen Neigungen doch besser glaubte verwirklichen zu können. Zum Beispiel: Aufmerksam hat er stets die Politik beobachtet, sich aber lange Zeit nicht einer Partei angeschlossen, weil er - der Polizeibeamte - der Meinung war und ist "In Behörden und Amtsstuben haben Parteibücher nichts verloren." - Ein Prinzip, das er auch auf die Medien angewendet wissen möchte. Auch heute noch findet der Parteimann Mietz den Proporz beängstigend; er müsse abgebaut werden, sagt er. Qualifikation sollte stets vor Parteibuch stehen. Für sich selbst gab er das Prinzip, keiner Partei anzugehören, nach der Bundestagswahl 1969 auf. Er sah im Ausgang dieser Wahl eine Linksdrift, gegen die er aktiv etwas tun wollte. Konsequent trat er am 1. Januar 1970 der CDU bei.
    "Stiehl dir was... aber nimm niemandem etwas weg. "Diesem Prinzip ist er bis heute treu geblieben. Nur einmal hat er jemandem was weggenommen: das war 1975, es ging um ein Landtagsmandat. Aber da hat er nicht gestohlen, sondern da wurde er gewählt.
    Bis dahin hatte er einen langen, ereignisreichen Lebensweg hinter sich. Einige Stichworte dazu: 1932 in der Nähe von Küstrin geboren. Als 13jähriger zum Volkssturm, Zivilgefangenschaft, Vertreibung nach Norddeutschland in die Holsteinische Schweiz. Realschulbesuch und Küferlehre. Hier kamen ihm seine musikalischen Neigungen und Fähigkeiten zustatten: Mit Akkordeon, Klavier und Trompete spielte er in Ausflugslokalen und besserte so die Haushaltskasse der Familie auf.
    Nach Nordrhein-Westfalen brachte ihn dann eine erfolgreiche Bewerbung bei der Polizei. Von 134 Bewerbern wurden vier angenommen - Mietz war dabei. Das war 1952. Bis 1961 Polizeidienst in Bochum. Dann wurde er auf eigenen Wunsch auf einen Einzelposten im Siegerland versetzt; den Sprößling aus einem Obst- und Gemüsebaubetrieb hielt es nicht in der Großstadt. Er wollte wieder in eine ländliche Umgebung, eine überschaubare Umwelt, in der ein Polizeibeamter die Möglichkeit hat, idealistische Vorstellungen von seinem Beruf zu verwirklichen. Dienst am Bürger zu leisten, Mädchen für alles zu sein.
    Die Popularität als stets hilfsbereiter "Sheriff" von Deuz (heute Teil der Großgemeinde Netphen im Siegerland) ermöglichte ihm dann auch den Senkrechtstartin der Politik: wie gesagt, 1970 CDU- Mitglied, 1975 schon im Landtag. Dafür mußte er aber seine Polizeiuniform bis auf weiteres an den Nagel hängen: die Inkompatibilität von Polizeidienst und Landtagsmandat zwang ihn dazu. Für seine Altersversorgung wirft das gewisse Probleme auf, aber daran mag der Vater von zwei Kindern heute noch nicht, denken.
    Wie der Polizeibeamte sieht auch der Landtagsabgeordnete Mietz seine Hauptaufgabe darin, dem Bürger, seinem Bürger, zu helfen, für ihn dazusein. Aus alldem ergeben sich fast zwangsläufig die Schwerpunkte seiner Landtagsarbeit: im Petitionsausschuß sieht er die Chance, Probleme des einzelnen schnell und unbürokratisch zu lösen. Daß der Polizeibeamte im Ruhestand im Innenausschuß sitzt und sich vor allem um die innere Sicherheit kümmert, ist fast selbstverständlich: " Wenn die Sicherheit nicht gewährleistet ist, setzen wir unsere Freiheit, eines der höchsten Güter unseres Staates, aufs Spiel."
    Stellvertretendes Mitglied ist er im Verkehrsausschuß und im Landwirtschaftsausschuß. Gerade für die Landwirtschaft engagiert sich der naturverbundene Neu- Siegerländer besonders. Einmal, weilder Bauer heute der wichtigste Natur- und Landschaftsschützer ist. Zum anderen, weil gerade die vielen Kleinbauern im kargen Siegerland Unterstützung brauchen. Immerhin gibt es in seiner Umgebung rund 800 landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen.
    Aber nicht nur für die Landwirtschaft seiner Wahlheimat engagiert ersieh. Als Verdienst rechnet er sich zum Beispiel an, eine Gesamtschule in seiner Heimatgemeinde Netphen verhindert zu haben. Eine überschaubare Schule hält er für sinnvoller als eine "Schulfabrik". Außerdem: In einer großflächigen Gemeinde wie Netphen ist eine "Streuung" der Schulen für die Kinder wie für den Steuersäckel nützlicher, den Kindern erspart sie lange Fahrzeiten, Vater Staat spart Fahrtkosten.
    Trotz seiner Sorge um kommunale Probleme hat er alle seine kommunalen Ämter und Mandate niedergelegt, um Ämterhäufung zu vermeiden. Er konzentriert sich auf den Düsseldorf er Abgeordnetenstuhl.
    Bernd Müller

    ID: LI781228

  • Porträt der Woche: Theo Heimes (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 11 - 28.04.1978

    Ein Unternehmer in der SPD, Landtagsabgeordneter gar - das gilt weithin noch als verwegene Vorstellung. Theo Heimes (54) aus Lennestadt hat sie verwirklicht. Im zweiten Anlauf (nach 1966), diesmal über einen günstigeren Platz auf der Reserveliste; denn der Wahlkreis 130 Olpe ist fest in der Hand der CDU. Immerhin hat Heimes 1975 "ein Prozent zugelegt" in jenem Teil des Sauerlandes, der für die SPD einer Diaspora gleichkommt. (SPD: 28,2 Prozent, CDU: 68,5 Prozent.) Das alles focht Heimes nie an; mit der ihm eigenen Zähigkeit ist er seinen Weg gegangen, bis hinauf in den SPD-Parteirat, dem er seit 1976 auf Vorschlag des Bezirkes Westliches Westfalen angehört.

    1949 begann die politische Laufbahn des gelernten Maurers. In jenen Nachkriegsjahren, als der Mörtel noch auf der Schulter zur Baustelle getragen wurde, begab er sich nach knochenharter Tagesarbeit als Zuhörer in die Ratssitzungen im heimischen Saalhausen. "Anschließend wurde diskutiert und kritisiert." 1952 Eintritt in die SPD. Bei den Kommunalwahlen im selben Jahr hieß es dann: " Theo, du hast immer soviel gemeckert; jetzt zeig mal, was du kannst!" Die Folgen: Mitglied des Gemeinderats Saalhausen (bis 1969), 1956/60 und 1964/66 stellvertretender Bürgermeister, seit 1960 Mitglied des Kreistags Olpe, seit 1972 dort Fraktionsvorsitzender. Nach der kommunalen Neugliederung Mitglied des Stadtrates und erster stellvertretender Bürgermeister von Lennestadt, jetzt zweiter stellvertretender Landrat im Kreis Olpe und seit 1975 Mitglied des Bezirksplanungsrats beim Regierungspräsidenten zu Arnsberg.

    Im vergangenen Jahr legte Heimes sein Ratsmandat nieder; denn aus dem Bauführer und Polier der fünfziger Jahre war nicht nur ein Maurermeister geworden, sondern 1961 auch ein selbständiger Bauunternehmer. Da es nun nicht mehr Aufträge regnet wie in den Boom-Jahren, möchte Heimes sich "auch mal an Ausschreibungen beteiligen. Ein Amt im Rat und Aufträge für die eigene Firma - das muß man auseinanderhalten." Einen Betriebsrat im 60 bis 70 Mitarbeiter zählenden Unternehmen hatte er "lange bevor das gesetzlich vorgeschrieben wurde. Das ist sinnvoll; wir kommen gut miteinander aus." Das Mandat in Düsseldorf "macht trotz vieler Arbeit Freude, zumal man schon mal helfen kann..." Dies ist vorrangig auf seine Tätigkeit im Petitions-Ausschuß gemünzt, wo der gestandene Kommunalpolitiker und Bauexperte inzwischen fast 200 Eingaben "vor Ort" erledigen half. Da ist sein Herz für den kleinen Mann, den der Schuh drückt, ebenso angesprochen wie sein Sachverstand - jede dritte Petition betrifft das Bauen im weitesten Sinne, zumal die Bürger recht umweltbewußt geworden sind.

    Hobbys? Keine. Frau, vier Töchter (beide Söhne sind verstorben) und sieben Enkel füllen die freie Zeit gut aus. Und die Arbeit für den Fremdenverkehr. Hier ist Heimes, dessen Vorfahren seit fast 500 Jahren "in dieser Kante" ansässig waren, als Vorstandsmitglied des Kreisverkehrsverbandes Südsauerland besonders aktiv - "Fremdenverkehr ist für diesen Raum eine Lebensnotwendigkeit". Dazu gehören Anlagen und Einrichtungen, für die er sich unermüdlich einsetzt. Eines seiner Erfolgserlebnisse: Saalhausen wurde im Dezember 1973 erster anerkannter Luftkurort im Kreis Olpe.

    Theo Heimes lebt vor, was er denkt: "Das Handwerk, der Mittelstand muß weit mehr in den politischen Gremien vertreten sein und nicht nur klagen, daß es nicht so ist, wie man es möchte." Sein Mandat bringt "keine finanziellen Vorteile. Als Selbständiger muß man für seinen Betrieb einen Chef-Ersatz anheuern und - so man ihn findet sehr gut bezahlen." Wohl einer der Gründe, warum Selbständige in den Parlamenten so spärlich vertreten sind.
    Hans Krieger

    ID: LI781124

  • Porträt der Woche: Julius Louven (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 21.04.1978

    Er gehört zur Minderheit der Parlamentarier, die einen freien Beruf ausüben, und ist schon von daher eine Ausnahme im Parlament am Schwanenspiegel. Doch da er außerdem einen Sieben-Tage-Job hat und trotzdem sein Mandat und die Betreuung seines Wahlkreises am Niederrhein ernst nimmt, ist der CDU-Abgeordnete Julius Louven aus Kempen fast eine Rarität im Landtag. Der zurückhaltende, behutsam, aber bestimmt formulierende Bäcker- und Konditormeister macht allerdings keinen Hehl daraus, daß er diese ungewöhnliche Doppelbelastung nicht auf unabsehbare Zeit tragen kann: "Auf Dauer sind mein Mandat und die Ausübung dieses Berufes nicht vereinbar." Wobei der 45 Jahre alte Familienvater, der sein Geschäft in Krefeld hat, klar erkennen läßt, daß er im Fall der Wahl der Politik den Vorzug geben möchte.
    Warum selbständige Handwerksmeister leider mit ihrem Sachverstand kaum in deutschen Parlamenten mitreden, kann man gut am Arbeitstag von Julius Louven erklären. Der Konditor, der die Handwerkstradition seiner Familie in der fünften Generation fortführt, ist bereits in Morgenstunden an der Arbeit, in denen andere Politiker höchstens einmal im Wahlkampf aktiv werden. Bis auf einen Ruhetag in der Woche, an denen Louven sich um seinen Wahlkreis kümmert, aber auch an den Einkauf und die Buchführung denken muß, ist der Chef an allen anderen Werk- und Feiertagen in seinem Cafebetrieb gefragt, der schließlich auch von der Freizeit der Mitbürger leben muß. Diese Tätigkeit, die man in keine 40-Stunden-Woche pressen kann, ist für den CDU-Abgeordneten allerdings kein Alibi für Absagen an die Partei, für die NichtÜbernahme von Verpflichtungen im Wahlkreis, für mangelnde Präsenz im Landtag in Düsseldorf oder im Kreistag in Viersen. Die Mitbürger und Wähler würden es ebensowenig verstehen wie der Politiker Louven selbst, dem man glaubt, daß er für "halbe Sachen" nicht zu haben ist.
    Sein bei diesem Berufsfeld ungewöhnliches Engagement für die Politik wuchs aus Neigung und aus familiärer "Belastung": Bereits Julius Louvens Vater war als Zentrums-Politiker Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde St. Hubert, und einer seiner Onkel saß für die F.D.P. im Rat. So trat er selbst 1958 nach den beiden Meisterprüfungen in seinem Handwerk der CDU bei, ohne den fast üblich gewordenen Weg über die Jugendorganisationen der Partei gemacht zu haben. Er begann fast klassisch an der "Basis", als Kassierer im Ortsverband, übernahm 1961 dort den Vorsitz und wurde von seiner Partei und den Wählern von 1962 bis 1969 in den Gemeinderat entsandt. Seit der Neugliederung vertritt er Kempen im Kreistag, in dem er stellvertretender Fraktionsvorsitzender wurde.
    Der Sprung in die Landespolitik glückte Julius Louven 1975. Er schlug bei der Nominierung als Gegenkandidat den damaligen CDU- Wahlkreisabgeordneten und erreichte bei der Landtagswahl rund 54 Prozent aller Wählerstimmen. Nach fast dreijähriger Arbeit im Landesparlament beurteilt er seine ersten Erfahrungen und seine ersten Erfolge realistisch: "Man muß Landtagsarbeit lernen, und ich habe wohl die Zwischenprüfung bestanden. " Erfahrungen machte und Erfolge hatte er im Ernährungsausschuß und im Sozialausschuß, deren Arbeit dem Handwerksmeister und Vater dreier Söhne liegt. Dort, in Gesprächen mit Beamten der entsprechenden Ministerien und in der Rückkopplung mit den praktischen Problemen in seinem Wahlkreis hat Julius Louven seine politischen Aufgaben gefunden, die ihm Freude machen. Daß dies alles möglich ist, verdankt er seinen Mitarbeitern und einer perfekten Zeiteinteilung, die es ihm ab und zu sogar erlaubt, mit den Söhnen ein paar Partien Tennis zu spielen oder - seltene Ausnahme - zu einem Eishockeyspiel zu gehen.
    Helmut Breuer

    ID: LI781016

  • Porträt der Woche: Johannes Gorlas (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 17.04.1978

    Gockelgehabe und selbstdarstellerische Schaustückchen sind seine Sache nicht. Und sowenig, wie er andere blenden will, möchte er sich selbst etwas vormachen lassen. Nachfragen, dahinterschauen und dann das für sich als richtig Erkannte auch konsequent vertreten: dafür hat Johannes Gorlas schon früh Unbequemlichkeiten in Kauf genommen, und daraus zieht er auch seine Art von Selbstbewußtsein.

    Weil ihm zu Beginn der fünfziger Jahre das "Nie-wieder-Waffen"-Versprechen auch von der katholischen Kirche allzu plötzlich wieder vergessen wurde, geriet der Sohn eines Gelsenkirchener Bergmanns in einen prägenden Konflikt mit der Amtskirche. Als er dann, im Gefolge "sehr intensiver Beschäftigung mit dem Problem Krieg/Frieden/Wiederbewaffnung", einen Arbeitskreis "Katholische Jugend gegen Wiederaufrüstung" gründete, wurde er aus der Katholischen Jugend ausgeschlossen.

    Da sein religiöses Engagement durch die Situation seiner Familie stark sozial gefärbt war, wurde Gorlas schon 1952 Gewerkschaftsmitglied. Und da der Dissens mit der Kirche von der Sache her auch einen Graben zur CDU gezogen hatte, kam Gorlas über Kontakte zur Gesamtdeutschen Volkspartei Gustav Heinemanns 1957 zur SPD. Hier machte er keine Partei-Karriere, sondern engagierte sich inhaltlich: Er organisierte bald verantwortlich die Bildungsarbeit der Partei am Ort und ist immer noch Vorsitzer der "Sozialistischen Bildungsgemeinschaft e. V.", Essen. Ziel solcher Bildungsarbeit ist "die Vermittlung politischer Wertvorstellungen, weil Politik sich sonst rasch in Postengerangel und kurzatmigem Pragmatismus erschöpft".

    Beruflich hatte sich der gelernte Chemie-Ingenieur bei der Emschergenossenschaft "mit dem Letzten befaßt, was die Menschen hinterlassen"; folglich schickte seine Fraktion den Abwasserfachmann in den Ausschuß für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft; hier hat er es weiterhin vordringlich mit Umweltschutzproblemen zu tun, konnte aber auch eine Menge anderes hinzulernen: "Was die konkreten Lebensumstände der Menschen auf dem Lande angeht, so sind dies ja für einen Großstädter Bücher mit sieben Siegeln." Gorlas sieht darin auch einen Vorteil: Unbelastet von Vorwissen stoße er auf Probleme und könne folglich auch unbefangener über Lösungen diskutieren.

    Sein zweiter Arbeitsschwerpunkt im Landtag ist der Innenausschuß, in den Gorlas Erfahrungen als Personalrat einbringen konnte. Doch hat er sich darauf nicht allein verlassen, sondern auch neue Erfahrungen zu machen versucht. So fuhr er vier- oder fünfmal eine volle Acht-Stunden-Schicht im Polizeistreifenwagen mit, um Arbeitsbedingungen und -belastungen der kleinen Polizeibeamten genauer kennenzulernen.

    Radikal-Demokrat geblieben, mißfällt ihm der Extremisten-Erlaß und seine Anwendung; Gorlas hält die bestehenden Gesetze für ausreichend bei konsequenter Anwendung und sieht seine Befürchtungen bestätigt, daß die Handhabung des Extremisten-Erlasses durch die Bürokratie nur restriktiv ausfallen könne. Eine Erziehung selbstbewußter und verantwortlicher Demokraten sei damit nicht möglich.

    Ins Parlament kam der - mehr zufällig als Kompromißkandidat für seinen Wahlkreis nominierte - Essener mit einer schlechteren Meinung von der Landtagsarbeit, als er sie jetzt hat: "Wenn man wirklich etwas tut, ist der Spielraum größer, als ich dachte." Aber auch das Maß der nötigen Arbeit sei größer, als er erwartet habe.

    Zum Benutzen seines Campingwagens oder zum Lesen von Literatur kommt er folglich kaum mehr. Immerhin hatte auch die Landtagsarbeit eine Art Weiterbildungseffekt für ihn: "Ich habe gedacht, die großen Leute in den Parlamenten, das sind alles große Könner. Heute sehe ich das nüchterner."
    Hartwig Suhrbier

    ID: LI78092F

  • Porträt der Woche: Lothar Theodor Lemper (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 10.03.1978

    Wenn es not tut, kann er wie ein alter Fuchs auf dem Feld der Politik agieren. Im Normalfall aber legt Lothar Theodor Lemper die Unbekümmertheit der Jugend an den Tag, die dem gerade 32 Jahre alt gewordenen CDU-Landtagsabgeordneten aus Brühl als herausragende Charaktereigenschaft nachgesagt wird. Unbekümmert zeigt er sich auch, wenn er beispielsweise in die häufigen hochschulpolitischen Debatten des Landtags in Düsseldorf eingreift, um dort, als Vertreter der mit den Zwängen des Numerus clausus konfrontierten Generation, Fehlentwicklungen zu verdeutlichen und Forderungen nach machbaren Lösungen zu unterbreiten.
    Nun ist Lothar Theodor Lemper zwar nicht der einzige Abgeordnete, der sich zu hochschulpolitischen Fragen äußert, aber es ist der Stil seines Engagements, der bemerkenswert ist. Er meldet sich jeweils erst nach gründlicher Vorbereitung und eingehendem Studium des Problems zu Wort und macht Analysen zur Grundlage seiner Forderungen. Diese Eigenschaft läßt sich auch aus seinem Werdegang ablesen.

    Lemper, der 1946 in Brauweiler bei Köln geboren wurde, erarbeitete sich sein Abitur auf der Abendschule, sicherte sich eine solide Berufsausbildung als kaufmännischer Angestellter und studierte erst dann an der pädagogischen Hochschule und der Universität in Köln. Als Diplom-Pädagoge und Hauptschullehrer konnte er, solange er noch nicht Landtagsabgeordneter war, auf die Erfahrungen eines intensiven Praktikums und natürlich der mehrjährigen beruflichen Tätigkeit zurückgreifen.
    Als 18jähriger trat er in die CDU ein. Die intensivere Beschäftigung mit der Politik, das Engagement in der Partei begann er freilich erst, als die Berufsvorbereitungen und das Studium schon weit gediehen waren und er Zeit erübrigen konnte. Daß ihm sehr bald Ämter übertragen wurden, hatte er zunächst nicht einkalkuliert.
    Im Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) war Lemper zeitweilig stellvertretender Bundesvorsitzender und dann Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, die Junge Union wählte ihn in den rheinischen Landesvorstand, die Rheinische CDU übertrug ihm ebenfalls Ämter. Derzeit ist er unter anderem Ortsvorsitzender in Brühl, Fraktionsvorsitzender im Kreistag des Erftkreises und natürlich in erster Linie Landtagsabgeordneter.
    Dennoch findet er immer genügend Zeit für ein Privatleben: Sport, Lesen, Kinobesuche und gutes Essen. Hätte er keine Zeit mehr, häufig genug ins Schwimmbad zu gehen, ein gutes Buch in Ruhe zu lesen, würde er sich fragen, ob er seine politischen Mandate rationell genug ausübe oder reduzieren müsse.

    In der Hochschulpolitik seiner Partei hat er inzwischen Positionen erarbeitet, um die spätestens im nächsten Wahlkampf heiße Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner entbrennen werden. Lemper will ein gegliedertes Hochschulsystem, das allein den Anforderungen eines differenzierten und arbeitsteilig organisierten Sozialsystems entsprechen soll. Auch das Studienplatzangebot will er an den Entwicklungen der Berufsstrukturen und des Arbeitsmarktes orientiert sehen: "Sonst wecken wir bei jungen Leuten Ansprüche, die nicht erfüllt werden können."

    Als Lemper 1975 bei seiner ersten Kandidatur für den Landtag sofort der SPD das Direktmandat abnahm, kehrte er gewissermaßen in den Landtag zurück: 1966 wurde er im Plenarsaal als Gewinner eines landesweiten Aufsatzwettbewerbs ausgezeichnet.
    Klaus Simson

    ID: LI780805

  • Porträt der Woche: Bernd Feldhaus (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 7 - 06.03.1978

    Der Abgeordnete Bernd Feldhaus, 47 Jahre alt, trat in seinem 33. Jahr der SPD bei. Für ihn hieß und heißt das: Man kann Christ und Sozialist zugleich sein. Feldhaus stammt aus einer tief katholischen und ursprünglich zentrumsnahen Familie. Sein Weg zur SPD ist denn auch mehr grundsätzlicher Art, als es der Wechsel vom Zentrum zur CDU, den viele Zentrumspolitiker getan haben, hätte nahelegen können.
    Der sozialkatholische Aspekt christlich-sozialer Nachkriegspolitik, festgeschrieben im Ahlener Programm, beeinflußte Feldhaus nur so lange, wie Ahlen, Reflex düsterer deutscher Vergangenheit, als Absage an den Kapitalismus verstanden werden konnte. Die Ordnungspolitiker, deren Verfassungsinterpretation die Marktwirtschaft zum eigentlichen Grundgesetzprinzip erhoben, unterHefen in Feldhaus' Augen den positiven linkskatholischen Ansatz. Feldhaus, frustriert, trat der SPD bei (1964) und ward das "rote Schaf" seiner Sippe.
    Im westfälisch-katholischen Münsterland sind solche Schritte noch immer Bekenntnis. So mußte Feldhaus wegen seines parteipolitischen Engagements erfahren, daß er als Vorsitzender eines Vereins der katholischen Deutschen Jugend-Kraft (DJK) in seinem Heimatort Greven nicht mehr tragbar sei: Der Pfarrer riet ihm zum Amtsverzicht. Inzwischen ist Feldhaus dennoch wieder Vorsitzender eines katholischen Sportklubs in Münster-Kinderhaus. Selbst Familienbande wurden auf eine Zerreißprobe gestellt. Eine Anekdote belegt das: Die Geschwister des heutigen Landtagsabgeordneten (seit 1975) berichteten der Mutter im Wahlkampfjahr 1965 vom parteipolitischen Engagement ihres Sohnes: "Muer, use Beand is inne SPD. Da hat Krach mitten Bischof." Die Mutter: "Nä, dat duet use Beand nich." Die Zwistigkeiten mit Münsters Bischof Heinrich Tenhumberg wären natürlich wenig schlagzeilenträchtig, wäre Feldhaus nicht dessen Vetter - des Oberhirten, der noch vor einigen Jahren SPD-nah schien, "rotes Schaf". Beide treffen sich einmal im Jahr zum Kaffee. Der Kontakt ist freilich gestört, seit Feldhaus nicht mehr dem Diözesanrat des Bistums Münster angehört. Vetter Heinrich berief Vetter Bernd nicht mehr.
    Gleichwohl ist Feldhaus, der ein paar Jahre Vorsitzender der SPD/ FDP/Zentrums-Fraktionsgemeinschaft im Münsteraner Kreistag war, nicht der Alibi-Katholik der Sozialdemokraten. Der gelernte Studienrat, Vater von drei Kindern und Raucher selbstgedrehter Zigaretten, versucht vielmehr einfach Kontakt zu halten zu einem Teil der nordrhein-westfälischen Bürger, dessen Parteinahme von vornherein klar zu sein scheint.
    Der temperamentvolle Münsteraner, Mitglied im Schul- und im Jugendausschuß des Landtags, hält sehr viel vom "Profitum" des Abgeordneten. Landtagsparlamentarier könne man nicht mehr nebenberuflich sein, meint er. Feldhaus ist Studiendirektor für die Fächer Deutsch, Erdkunde und Sport. Diesen Beruf wird er so lange nicht ausüben, wie er MdL ist. Dabei drängt es ihn, die "Identität von Sagen und Tun" herzustellen. In einer Zeit der Staatsverdrossenheit gelte es, "vorzuleben". Ob man den Grund dafür Ideologie, Weltanschauung, Glauben oder - alles in einem Atemzug nennt, das ist für Feldhaus ziemlich unwichtig. Aber Hintergrund muß es haben. Bernd Kleffner

    ID: LI780727

  • Porträt der Woche: Hans Litterscheid (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 6 - 27.02.1978

    Er ist einer von den Abgeordneten, denen die Politik "uneingeschränkt Spaß macht", und er resümiert "manches befriedigende Erlebnis und viele Freundschaften". Doch diese positive Einschätzung gilt für Hans Litterscheid (56) in erster Linie auf der kommunalen Ebene: "Das ist die Schule der Demokratie." Im Landtag, dem der CDU-Mann aus Langenfeld seit 1975 angehört, fühlt er sich "vielleicht etwas frustriert", weil er hier "mehr harte parteipolitische Konfrontation als persönliches Miteinander zum Wohle des Bürgers" gefunden hat.
    Das sagt jemand, der weiß, wovon er redet. Denn Hans Litterscheid ist bereits seit 25 Jahren auf politischem Feld aktiv. Nachdem er 1946 aus britischer Gefangenschaft nach Hause gekommen war, trat er gleich der CDU bei, weil es "mich reizte, am Neuaufbau unseres Gemeinwesens mitzuwirken". 1952 kam er in den Kreistag des damaligen Rhein-Wupper-Kreises, vier Jahre später in den Rat der Stadt Langenfeld. Hier wurde er 1960 zum Bürgermeister gewählt, was er bis heute geblieben ist.
    Die vergangenen 17 Jahre auf dem Sessel des Ratsvorsitzenden der schmucken 47000-Einwohner-Stadt in der Rheinebene zwischen Köln und Düsseldorf waren für ihn "besonders fruchtbar". In die Amtszeit des Bürgermeisters Litterscheid fällt die Ansiedlung 3000 neuer Arbeitsplätze ebenso wie der 1969 erfolgte Anschluß an das S-Bahn-Netz, der Bau einer zweiten Realschule, Ausbau des Gymnasiums auf sechs Züge und der im letzten Herbst fertiggestellte Rathausneubau. Auf das landschaftstypisch schieferverkleidete "Bürgerhaus", in dessen Tiefgarage die Besucher ebenso wie die Beamten parken dürfen und in dessen Sitzungssaal auch Konzerte, Vorträge und Filmabende stattfinden, ist er besonders stolz. Es fördert für ihn das, was er stets gesucht hat - die Bürgernahe.
    Den Sprung auf eine höhere parlamentarische Ebene schaffte der langgediente Kommunalpolitiker erst im dritten Anlauf. 1965 war ihm das Bundestagsmandat durch 242 fehlende Stimmen entgangen. 1970 fehlten ihm zum Einzug in den Landtag auch nur 747. Doch 1975 war es dann soweit: Hans Litterscheid zog mit 2469 Stimmen Vorsprung als direkt gewählter Abgeordneter ins Haus am Schwanenspiegel ein. Der von ihm maßgeblich betriebene Anschluß an die S-Bahn kommt ihm dabei sehr entgegen. In 20 Minuten bringt ihn die Bahn nach Düsseldorf, der Wagen bleibt in der Garage.
    Im Landtag arbeitet er im Innenausschuß mit, "weil mich Polizeiaufgaben und innere Sicherheit stets sehr interessiert haben", und gehört auch dem Verkehrsausschuß an, da der öffentliche Personennahverkehr für ihn zum "Steckenpferd" geworden ist. Seine große kommunalpolitische Erfahrung nützt ihm nach eigenem Bekunden bei allen Beratungen und Gesprächen sehr. Und so möchte Hans Litterscheid auch 1980 "wieder das Direktmandat für die CDU holen", weil ihm Wahlkampf "inzwischen richtig Vergnügen" bereitet und die Frustration "so groß nun auch wieder nicht" ist.
    Der gelernte Industriekaufmann, der 1960 bei der Übernahme des Bürgermeisteramtes "bewußt auf beruflichen Aufstieg verzichtet" und der wegen der Doppelbelastung durch Kommunal- und Landespolitik auch kürzlich seine Prokura in einem Maschinenbaubetrieb abgegeben hat, ist verheiratet und hat eine Tochter, die in Münster Psychologie studiert. Die wenige verbleibende Freizeit widmet er dem Schützenwesen. Hans Litterscheid ist Bundesmeister der historischen Schützenbruderschaften.
    Karlegon Halbach

    ID: LI780620

  • Porträt der Woche: Ingeborg Friebe (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 17.02.1978

    "Hausfrau" steht im Landtagshandbuch neben dem Foto von Ingeborg Friebe. Fast schon kokettes Understatement. Denn treffendere Berufsbezeichnung für die 46jährige SPD-Abgeordnete wäre "politische Frau". Karriere hat sie in der Politik gemacht, aufgebaut auf Engagement und nicht auf Geschlechterproporz mit penetranter Selbstbemitleidung und Klage über vermeintliche oder echte Benachteiligung der Weiblichkeit in Beruf und Gesellschaft. So steht Frau Friebe ganz selbstverständlich ihren Mann und freut sich ihrer politischen Erfolge genauso wie darüber, daß sie als Mutter nach wie vor ein "ausgesprochen gutes Verhältnis"zu ihren beiden erwachsenen Söhnen hat. Bei ihr ist die Emanzipation zu echt, als daß sie darüber noch groß redete.

    Sie stammt aus einer "sehr politischen Familie". Der Vater wurde von der Gestapo abgeholt, die Mutter auch immer wieder. 1945 hatte das 14jährige Mädchen "unheimlich viele Fragen", die eine "verbitterte Mutter" aber nicht beantworten wollte. Erste Antworten suchte und fand Ingeborg Friebe beim "Braunschweiger Jugendbund", der 1947 in der "Sozialistischen Jugend - Die Falken" aufging.
    Nach der Volksschule wurde sie Fabrikarbeiterin und erlebte, "wie wir Steine kloppen müßten, damit der Arbeitgeber sein Haus bauen konnte". Für sie zwangsläufige Konsequenz: Eintritt in die Gewerkschaft, in der sie von 1947 bis zur Geburt ihres ersten Sohnes 1953 hauptberuflich tätig war, zum Schluß in der DGB-Rechtsschutzabteilung. Aber auch danach machte die Sozialdemokratin, seit 1950 in der Partei, ehrenamtlich bei der Gewerkschaft weiter mit.
    Als sie einer beruflichen Versetzung ihres Mannes wegen 1966 ins rheinische Monheim zog, wollte sie "was Neues machen". Mit der Frauenarbeit " war das nun erst mal genug". Planmäßig wie zielstrebig stürzte sie sich auf die Kommunalpolitik. Von nun an ging's weiter bergauf und nicht einmal zehn Jahre später war Frau Friebe Frau Bürgermeister ihrer neuen Heimatstadt. Im damaligen SPD-Unterbezirk Rhein-Wupper schloß sie sich dem kommunalpolitischen Arbeitskreis an, wurde 1970 erste und bis heute einzige Unterbezirksvorsitzende in der nordrhein-westfalischen SPD, wurde in Stadtrat und Kreistag gewählt und kandidierte 1975 für den Düsseldorfer Landtag.
    Im Landtag arbeitet sie im Sozial- und Justizausschuß, nachdem sie zunächst auch im Petitionsausschuß aktiv war. Ihre große Stunde war die Schlacht um oder richtiger für Monheim, dessen 1974 beschlossene Eingemeindung nach Düsseldorf von den Münsteraner Richtern Ende 1975 für verfassungswidrig erklärt worden war und das die Landesregierung daraufhin zu Langenfeld schlagen wollte. Da kannte Frau Friebe keine Parteien mehr, da kannte sie nur noch Monheim und "fing an, gegen diesen Gesetzentwurf zu kämpfen". Als sie die SPD-Fraktion gegen die SPD/F.D.P.-Landesregierung für die Selbständigkeit der 39000-Einwohner-Stadt gewonnen hatte, ging die Überzeugungsarbeit bei CDU und F.D.P. weiter. Besonders schwer war's mit der F.D.P., deren Fraktionschef Hans Koch aus Langenfeld kommt, das Monheim schlucken wollte. Bei der dramatischen Hammelsprung-Abstimmung am 19. Mai 1976, deren Ergebnis die Selbständigkeit Monheims war, postierte sich die resolute Frau Friebe an strategisch wichtiger Stelle. Sie paßte auf, daß keiner, der ihr zuvor Unterstützung zugesichert hatte, im letzten Augenblick doch noch durch die "falsche" Tür lief.
    Seitdem heißt sie in Monheim "Mutter Courage". Denn dort hatte man es nicht für möglich gehalten, "daß eine einen ganzen Landtag plus Regierung umdrehen kann". Wen wundert's, daß Ingeborg Friebe als Bürgermeisterkandidatin für die wieder freie Stadt Monheim die absolute SPD-Mehrheit von 52 auf 54 Prozent hochschraubte und in ihrem Wahlbezirk sogar auf 68 Prozent kam. Und wer will da noch behaupten, der oder die einzelne hätten im Staat keine unmittelbaren Einflußmöglichkeiten mehr?

    Christoph Lütgert

    ID: LI78052C

  • Porträt der Woche: Karl-Heinz Jansen (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 07.02.1978

    Seine Wahl in den Landtag wertet Karl-Heinz Jansen (35) nicht in erster Linie als Anhebung des persönlichen Prestiges. Die Verpflichtung, die er eingegangen ist, ernst zu nehmen, seinen Wählern das Gefühl zu geben, für sie dazusein, findet er wichtiger. Jansen, CDU- Abgeordneter aus Mönchengladbach, ist für die Bürger seines Wahlkreises stets ansprechbar. Bei seinen Bemühungen, Mitmenschen die Bewältigung ihrer Probleme zu erleichtern, sieht er sich oft als "Klinkenputzer" beim Regierungsapparat.
    Jansen hat vor Antritt seines Mandates einen schnellen beruflichen Aufstieg hinter sich gebracht. Mit 30 Jahren war er bereits Rektor einer großen Grundschule. Die Aufgabe des Abgeordneten ist für ihn Fulltime-Job, aber nach seinem Beruf gefragt, würde er sich nie als Berufspolitiker bezeichnen. Er ist Lehrer aus Berufung. Die Sorge, als Parlamentarier die Beziehung zur Basis, zum pädagogischen Alltag, zu verlieren, bedrückte ihn nur eine Weile. Heute hält er Kontakt zu dieser Basis mit sechs Wochenstunden in den Fächern Deutsch und Politik an einer Privatschule.
    Jansen, Ortsvorsitzender der Jungen Union in Mönchengladbach, kam über die Sozialausschüsse der CDU zur Politik. Daß er sich der Arbeitnehmerschaft besonders verpflichtet fühlt, hat seinen persönlichen Hintergrund auch in der familiären Herkunft. Er schämt sich nicht, aus kargen Verhältnissen zu stammen. Vielmehr bezieht er daraus die Motivation seines Einsatzes für die Schwächeren und Behinderten. Jansen wuchs als Halbwaise auf. Seine Mutter schlug sich mit ihren beiden Söhnen als Putzfrau durch. Einem CDU-Bundestagsabgeordneten verdankte er ein Stipendium fürs Gymnasium.
    Was ihn heute gelegentlich frustriert, ist die Kompromißlosigkeit der Auseinandersetzung zwischen Regierungsparteien und Opposition, das zeitweise vergiftete politische Klima. Als Mönchengladbacher Ratsherr erlebt er die Möglichkeit des konstruktiven Miteinander über die Parteigrenzen hinweg öfter als im Landtag.
    Karl-Heinz Jansen, mit einer Berufskollegin verheiratet, ist Vater einer vierjährigen Tochter und eines drei Monate alten Sohnes. Er hat Kinder sehr gern, so bekennt er, und das drückt sich auch in seinen literarischen Neigungen aus. Er schreibt Kindergedichte und -geschichten. An der eigenen Tochter erfährt er dabei, ob er die kindliche Psyche sprachlich zu begreifen und zu erreichen vermag.
    Bei aller Fraktionsdisziplin ist Jansen überzeugt, sich einen ausreichenden Spielraum für die persönliche und politische Unabhängigkeit erhalten zu können, auch wegen der beruflichen Absicherung als Beamter mit dem Anspruch auf Wiedereinstellung nach der Abgeordnetenzeit.
    Ohne Humor wären ihm Arbeit und Freizeit unerträglich. In diesen Tagen fiel sein Bart dem Rasiermesser zum Opfer: Jansen tritt als "Ballett-Ratte" kostümiert im Karneval auf.
    Er ist Mitglied des Landtagsausschusses "Jugend, Familie und Politische Bildung" und des Hauptausschusses mit Zuständigkeit für den Sachbereich Publizistik. Das Pressewesen interessiert ihn. Dort gelegentlich mitzuarbeiten, reizt ihn als Möglichkeit, Kreativität zu entwickeln. Aber trotz dieser idealistischen Sicht des Mediums Zeitung bleiben die Probleme der Pressekonzentration nicht unbeachtet.
    Hermann Richter

    ID: LI780412

  • Porträt der Woche: Kurt Denkert (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 3 - 27.01.1978

    An der Laufbahn von Kurt Denkert (48), SPD-Abgeordneter aus dem Wahlkreis 112 (Dortmund IV/Lünen), ist kaum etwas Außergewöhnliches zu entdecken. Fast zwangsläufig vollzog sich die Entwicklung dieses - so möchte man meinen - " vorprogrammierten" Sozialdemokraten. Doch am Beginn stand, wie er selbst mit Schmunzeln und Stolz zugleich einräumt, so etwas wie eine Urkundenfälschung.
    Um als 16jähriger 1946 überhaupt in die SPD hineinzukommen - das Mindesteintrittsalter lag damals bei 18 Jahren -, mußte er sich älter machen, als er war. Mit Hilfe des Bruders - bereits Hauptkassierer in der Partei - gelang das Unternehmen.

    Zu den Jusos hat er nie gehört.
    "Die waren uns ,Falken' damals in Lünen viel zu rechts", sagt der Mann, der heute von sich bekennt, ein "Pragmatiker der Mitte " zu sein.
    Und die Wandlung vom Linken in der Fassung der vierziger Jahre zum Pragmatiker der Mitte von heute erklärt Denkert mit der zunehmenden Erfahrung, die bewirkt, daß beim Formulieren von Politik immer mehr der Verstand an die Stelle des Gefühls tritt.
    Das heißt aber beileibe nicht, daß Kurt Denkert sich nicht ein Herz für seine Mitmenschen bewahrt hätte.
    Ganz im Gegenteil. Das wird auch dadurch deutlich, daß er sich neben der Arbeit im Innenausschuß - ganz besonders im Petitionsausschuß des Parlaments engagiert.
    Dieser Ausschuß, der für die Nöte und Sorgen aller Bürger ein offenes Ohr hat und denen zu helfen versucht - soweit geltendes Recht es zuläßt -, die im Kampf mit Behörden und Paragraphen auf der Strecke blieben, ist einer der arbeitsintensivsten und einer der in der Öffentlichkeit am wenigsten beachteten zugleich. Für Denkert ist er quasi eine Parlamentarierschule.
    "Alle Abgeordneten sollten erst einmal ein Jahr im Petitionsausschuß arbeiten, damit sie überhaupt lernen, wie Politik und Gesetze sich unten, bei den einfachen Leuten, auswirken."

    Das Engagement für die kleinen Leute kommt bei Denkert nicht von ungefähr. Eigene Kindheitserlebnisse könnten da prägend gewirkt haben. Sein heute 88jähriger Vater, der im Sommer 70 Jahre in der SPD sein wird, wurde als Sekretär der Bergarbeitergewerkschaft im niederschlesischen Waidenburg von den Nazis inhaftiert, war dann mehrere Jahre arbeitslos, ehe er 1939 kriegsdienstverpflichtet wurde. Wie es der siebenköpfigen Familie damals in Schlesien ergangen ist, kann man sich unschwer ausmalen. "Es hatte aber für mich auch sein Gutes", sagt Kurt Denkert heute. "Mein Vater hatte viel Zeit für mich." 1946 wurde die Familie ausgewiesen und kehrte in die westfälische Heimat nach Lünen zurück.

    Der Karriere Kurt Denkerts stand danach nicht mehr viel im Wege, denn zum politischen Engagement kam die Bereitschaft zur soliden Berufsausbildung mit dem Abschluß der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie in Düsseldorf.
    Seine letzte berufliche Stellung, die eines Beigeordneten der Stadt Lünen, mußte er mit der Annahme der Wahl in den Landtag 1975 aufgeben. Es ist ihm leichtgefallen. "Beides kann man nicht ordentlich nebeneinander machen." Ebenso leicht war es für ihn, "seinen" Wahlkreis, den er schon 1962 und 1966 gewonnen hatte, 1970 dem damaligen Arbeitsminister Werner Figgen anzubieten, denn die Berufung zum Beigeordneten stand bevor.

    Hat ein engagierter Politiker, der auch noch am Wochenende arbeitet, weil die Erledigung der von der Ehefrau vorsortierten Post allein einen ganzen Tag erfordert, noch Zeit für ein Hobby? "Sportkegeln", bekennt der Mann, der bis zum 35. Lebensjahr Handball gespielt hat.
    "200 Kugeln zählen für das Sportabzeichen soviel wie ein 5000-Meter-Lauf." Einmal in der Woche wird trainiert, meist sonntags geht es zum Wettkampf. Die Familie - zwei Söhne (11 und 15) und eine verheiratete Tochter von 23 - hat den Vater bei so prall gefülltem Terminkalender vermutlich nur in den Ferien - "am liebsten am Meer oder in den Bergen " - ganz für sich.
    Karl Lohaus

    ID: LI780313

  • Porträt der Woche: Heinz Küpper (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 23.01.1978

    Die Wahl in den Landtag war für den CDU-Abgeordneten Heinz Küpper nicht mit einem Sprung ins kalte Wasser vergleichbar. Er wußte vorher, in welches Element er tauchen würde. Denn einem Leistungssportler gleich hat sich der 42jährige vor seiner Kandidatur im Wahlkreis Euskirchen II gründlich auf das Terrain vorbereitet, auf dem er seine kommunalpolitische Arbeit fortsetzen wollte.

    In der Kommunalpolitik hatte er 1975 schon einiges vorzuweisen. 1961 wurde er für die CDU in den Kreistag gewählt, 1964 zusätzlich in den Stadtrat von Erftstadt und 1969 in die Landschaftsversammlung Rheinland. Dem Euskirchener Kreistag gehört er noch immer an, und zwar als Fraktionsvorsitzender, und mit 42 Jahren ist er dienstältestes Mitglied seiner Fraktion.

    Aus diesen Tätigkeiten lassen sich zwei Dinge ablesen, die für Heinz Küpper charakteristisch sind; nämlich Zuverlässigkeit und Beharrlichkeit. Hinzu kommt eine Begabung fürs Politische, von der er schon als 16jähriger - damals war er eines der jüngsten Mitglieder der Jungen Union - profitierte. Zunächst aber widmete sich der Sohn eines Maschinenschlossers aus Weilerswist nach Abitur und Studium an der Pädagogischen Hochschule seinem Beruf. Und auch das erfolgreich: 1966 war er schon mit 31 Jahren Rektor einer Hauptschule.

    Wenn Küpper über seine politische Tätigkeit spricht, will er niemandem einreden, daß er Erfolge wie selbstverständlich erreicht hat. Er verdeutlicht auch die Arbeit, die dahintersteckt, läßt auch keinen Zweifel daran, daß politische Ziele nur durch beharrliche Überzeugungskraft erreicht werden können.

    Als Landtagsabgeordneter, der sich der Schulpolitik seines Berufs wegen und den Belangen des ländlichen Raums seiner kommunalpolitischen Erfahrung wegen verschrieben hat, kann er von der Mühsal der Überzeugungsarbeit ein besonderes Lied singen. Immer wieder sucht er Ansätze, Machtzuwachs bei der Bürokratie zu verhindern und Verwaltungen in die Rolle der Dienstleistungsbetriebe für den Bürger zu zwingen. In mannigfachen Diskussionen innerhalb der Fraktionsarbeitskreise und der Ausschüsse wirbt er um Verbündete, um die Benachteiligungen des ländlichen Raumes zu vermindern.

    Küpper, selbst Vater zweier Kinder, sieht beispielsweise nicht ein, warum Eltern auf dem Land Fahrgeld aufbringen müssen, um ihre Kinder in den Kindergarten zu befördern. In derartigen Diskussionen, in Anfragen an die Regierung und in Gesprächen mit den Ministerien wird auch immer Küppers Bekenntnis zur christlichen Soziallehre deutlich. An ihr orientiert sich, soweit das von ihm im Landtag dargestellt werden kann, auch seine politische Aktivität.

    Bei dieser Einstellung darf es nicht wundern, wenn Küpper den Mangel an Humor beklagt, der in der Politik festzustellen ist. Politik aber scheint ein so ernstes Geschäft geworden zu sein, daß fast jedem das Lachen vergeht. Küpper sucht daher auf seine Weise Entspannung: beim Angeln im gemieteten Forellenteich, in erster Linie aber bei der Familie und bei Wanderungen durch die Eifel mit seinen Kindern und dem Hund.

    Klaus Simson

    ID: LI78021B

  • Porträt der Woche: Lutz Eichhorn (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 16.01.1978

    Er ist, im März werden es 54 Jahre her sein, unter den damals noch dunkler qualmenden Schloten im Duisburger Industrie-Stadtteil Hochfeld geboren worden. Bis heute wohnt Lutz Eichhorn im Schatten der großen Fabriken. Sein Leben hat ihn sensibilisiert für alle Fragen des Umweltschutzes.
    Schon als Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Wanheim kämpfte er seit 1953 für strengere Vorschriften gegen Abgase und Gestank, wie er heute als Mitglied des Verkehrsausschusses im Landtag dem Lärmschutz an Straßen besondere Bedeutung beimißt.

    Lutz Eichhorn ist durch solchen Einsatz in seinem engeren Umkreis politisch aufgestiegen. Er hatte Textilkaufmann gelernt, in diesem Beruf nach dem Krieg aber wenig Chancen gesehen und "auf Schweißer umgeschult". 1950 wurde er im Eisenwerk Wanheim Betriebsratsmitglied, 1955 für diese Arbeit freigestellt und 1969 Betriebsratsvorsitzender des inzwischen zu Thyssen gehörenden Betriebes, der in seiner Glanzzeit 4400 Menschen beschäftigte, dann aber im Zeichen des strukturellen Wandels Gießerei, Brücken- und Maschinenbau verlor und bis heute auf 1600 Arbeitskräfte schrumpfte.
    "Das war eine harte Zeit", erinnert sich Lutz Eichhorn. Die Konzentration in der Industrie stellte die Betriebsräte vor große Belastungsproben. Aber auch als Kommunalpolitiker war Eichhorn in diesen schweren Jahren stark gefordert. Dem DGB gehört er seit dem 1. September 1945, der SPD seit 1951 an. "Da war ich vom Vater, einem alten Sozialdemokraten, vorbelastet", meint er.

    Im Rat der Stadt Duisburg, dem er 15 Jahre lang angehörte, befaßte sich Eichhorn vor allem mit Planungsfragen. Er saß im Hauptausschuß, im Vorstand der SPD-Fraktion und vertrat als Vorsitzender des Bezirksausschusses die Interessen des Duisburger Südens.

    Als Lutz Eichhorn 1975 in den Landtag gewählt wurde, war er wohl einer von ganz wenigen Neulingen, die auf Anhieb in ihre "Wunsch-Ausschüsse" geschickt wurden: Er gehört dem Verkehrs- und dem Sportausschuß an.
    Vor allem sei wichtig, den Verkehrsverbund an Rhein und Ruhr unter Dach und Fach zu bringen, erklärt Lutz Eichhorn in seiner bedächtigen, aber stets den Punkt treffenden Art. Die Stadtbahn und die U-Bahnen in den großen Städten müßten schnell vollendet werden, um dem Bürger eine attraktive Alternative zum Auto zu bieten. Nur so könne der innerstädtische Straßenverkehr entlastet werden. Dann sei endlich mehr Platz für Fußgängerzonen, in denen sich die Passanten ohne Gefahr bewegen könnten.
    Im Sportausschuß will Lutz Eichhorn sich dafür einsetzen, daß die Bürger nicht nur den Wettkämpfen und Spielen zusehen, sondern auch mitmachen. "Wer sich sportlich betätigen und damit etwas für seine Gesundheit tun möchte, der muß auch eine Anlage und einen Fachmann, der ihn anleitet, in seiner Nachbarschaft finden", fordert er. Auch die Schulsportanlagen sollten dem Bürger geöffnet werden. Nur so seien die Millionenbeträge für Plätze und Turnhallen sinnvoll angelegt.
    Lutz Eichhorn gehört zu denen, die eine Leidenschaft für den Sport haben, ohne selber aktiv zu sein. Er interessiert sich vor allem für Fußball und Ringen, doch nur von der Zuschauerbank aus. "Man meint immer, es fehle die Zeit", sinniert er, "aber es wäre doch gut, auf dem Sportplatz nebenan mal wieder ein paar Runden zu drehen."
    Gerd Goch

    ID: LI780109

  • Porträt der Woche: Ernst Kraft (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 32 - 19.12.1977

    Ernst Kraft zählt nicht zu den auffälligen Politikern des Düsseldorfer Landtages. Der 53jährige CDU-Abgeordnete aus dem münsterländischen Selm macht keine Schlagzeilen in der nordrhein-westfälischen Landespolitik. Aber er zählt zu jener gewichtigen Gruppe im Parlament, die in den Ausschüssen initiativ wirken und "vor Ort" immer dort helfen, wo die Bürger der Schuh am empfindlichsten drückt. So sind sie Volksvertreter im wahrsten Sinne des Wortes.
    Der gelernte Former kam wider Willen in die Politik. Als er nach dreijähriger russischer Kriegsgefangenschaft 1948 heimkehrte, hatte er "die Schnauze voll von Parteien", wie sich Kraft heute erinnert. Sein Engagement beschränkte sich auf die Industriegewerkschaft Metall und die Katholische Arbeiter-Bewegung, wo er schnell in verschiedene Gremien gewählt wurde. Noch heute ist der Gewerkschafter Betriebsratsvorsitzender in einer Stahlgießerei und KAB-Sprecher im Bezirk Beckum/Lüdinghausen.
    Als dann 1952 die CDU den noch Parteilosen bat, für sie in der früheren Bergarbeitergemeinde mit SPD-Mehrheit zu kandidieren, sagte er nach längerem Zögern "ja". Kraft schaffte den Sprung in das Kommunalparlament und später, als die CDU die Sozialdemokraten überflügelte, wurde er Bürgermeister - in einer Gemeinde, die noch unter den Folgen der Zechenstillegung im Jahre 1926 litt und deren Einwohnerzahl nach Kriegsende sprunghaft von 10000 auf 16000 gestiegen war. Das "Armenhaus Nordrhein-Westfalens", wie die nach Verleihung der Stadtrechte im letzten Monat jüngste Stadt damals hieß, steckte voller Probleme. Wellblechbaracken und Kopfsteinstraßen gehörten zum Alltagsbild in dem Ort zwischen Münster und Dortmund. Das "Armenhaus" ist inzwischen ein solides Gebäude mit vielfältigen öffentlichen Einrichtungen geworden, und dazu hat der langjährige Burgermeister wesentlich beigetragen. Sein Wirken war auch dort meist unauffällig, Repräsentationspflichten sind ihm ohnehin ein Greuel. Um so mehr pflegte er den Kontakt mit dem Mann auf der Straße.
    Und die Warnung des Kommunalpolitikers Kraft vor einer radikalen Reform der Gemeindeordnung dürfte zumindest in seiner eigenen Fraktion nicht überhört werden. "Wir haben die beste aller Bundesländer", meint er und fügt allerdings hinzu, daß sie um ein stärkeres Mitspracherecht der Bürger ergänzt werden sollte. Vehement lehnt der Parlamentarierer die Abschaffung der Doppelgleisigkeit in der Gemeindespitze ab. Sie hätte die Verbeamtung des ersten Bürgers der Kommune zur Folge.
    Neben der Kommunal- ist die Sozialpolitik das dominierende Wirkungsfeld des 1975 im Wahlkreis des heutigen münsterischen Regierungspräsidenten Dr. Möcklinghoff gewählten CDU-Abgeordneten.
    Und hier wiederum liegt ihm die Verbesserung der Lage älterer und hilfsbedürftiger Menschen besonders am Herzen. Mit dem SPD-Sozialminister Farthmann sieht er daher den flächendeckenden Ausbau der Sozialstationen als einen entscheidenden Beitrag zur Lösung dieses wachsenden Problems an. "Wir müssen diesen Mitbürgern die Möglichkeit geben, in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben." Damit entlaste man gleichzeitig die Altenheime. Die Sozialstationen will Kraft vornehmlich in freier Trägerschaft sehen.
    Der CDU-Abgeordnete war früher ein begeisterter Sportflieger, heute füllen Politik und Familie die engbegrenzte Freizeit aus. Kraft ist mit zwölf Söhnen und Töchtern der kinderreichste Landtagsabgeordnete. Mag sein, daß aus der Sorge für diese Großfamilie auch die Verpflichtung gegenüber der größeren Gemeinschaft gewachsen ist.

    Jochen Jurettko

    ID: LI77320C

  • Porträt der Woche: Manfred Dammeyer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 31 - 09.12.1977

    Früher hieß er der "Rote Manni". Zuweilen für seine Partei, die SPD, aber permanent für den politischen Gegner galt er als rotes Tuch. Daran hat sich auch nichts geändert, seit Manfred Dammeyer (38) Abgeordneter des Düsseldorfer Landtags ist - mithin eine verfassungsmäßige Respektperson. Allemal heißt Dammeyer auch Herausforderung.
    Seinen Ruf verdankt der ehemals jüngste Volkshochschul-Direktor der Bundesrepublik (mit 25 in Oberhausen) zwei äußeren Umständen und seiner Konsequenz. Die Umstände: Dammeyer war der letzte von der SPD bestätigte Bundesgeschäftsführer des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), der nach seinem Bruch mit der Sozialdemokratie zu einer der Keimzellen der APO in den sechziger Jahren wurde; und Dammeyer war drei Jahre lang Chef der nordrhein-westfälischen Jungsozialisten. Die Konsequenz seiner Haltung, die er in seinem Politik-Bekenntnis ohne Umschweife "links" und "realistisch" nennt, wurzelt in Dammeyers Herkunft. Sein Vater war Hilfsarbeiter. Den steinigen Weg des Sohnes über die höhere Schule und Hochschule zum Diplom-Sozialwirt und schließlich in die Politik markiert sein politisches Bewußtsein.
    "Realistisch" aber meint Dammeyer, daß diese Welt zum Guten hin veränderbar sei. Überzeugung müsse gelebt, vorgelebt werden. Deshalb macht der Sozialist aus Oberhausen Politik. Und nimmt dabei in Kauf, mißverstanden und/oder verspottet zu werden. "Lieber für eine gute Sache stottern als für eine schlechte singen", sagt er.
    "Das Singen an sich will mir nicht gefallen." Der gebürtige Ostwestfale Dammeyer, der sich ganz als politisches Wesen begreift, sieht auch seine künstlerischen und ästhetischen Vorstellungen nicht abstrakt. Sein Engagement ist jederzeit und überall politischer Art - ob als Rundfunkautor über die Marx-Haushälterin Lenchen Demuth, die gutbürgerliche Kochbuchautorin Henriette Davidis oder den Westernhelden Wild Bill Hickock, ob als einer der Hauptverantwortlichen für die internationalen Westdeutschen Kurzfilmtage oder gar als - unbezahlter - Star in einem Ruhrpott-Film des Cineasten Michael Lentz: Dammeyer spielt darin paradoxerweise einen pedantisch-preußischen Polizeipräsidenten.
    Dammeyers Freund- und Bekanntschaften mit Künstlern und Politikern aus Ost und West, mit Filmern, Bildhauern, Schriftstellern, Malern haben seine Sensibilität für Unrecht und Disharmonie geschärft. "Eine Minute Dunkel macht uns nicht blind", zitiert er gern ein chilenisches Gedicht. Seit Strauß kürzlich im Chile Pinochets war, ist Dammeyer erst recht stolz darauf, daß er einer der ersten bundesdeutschen Politiker war, die mit der Regierung des Sozialisten Allende Kontakt aufnahmen. Dammeyer vereinbarte einen ständigen Jugendaustausch; aber dazu ist es dann nicht mehr gekommen. Die Alltagsarbeit im nordrhein-westfälischen Parlament - vor allem im Ausschuß für Schule und Kultur - indes ist unübersehbar ein Reflex seiner realen Utopie. Gleichwohl räumt Dammeyer, der 1975 in Oberhausen mit satter Mehrheit direkt in den Landtag gewählt wurde, ein, daß Ideal und Wirklichkeit am Düsseldorfer Kaiserteich auch für einen Realisten nur schwer vereinbar seien. Er habe "ein paar Streifen abschminken müssen", sagt er.

    Bernd Kleffner

    ID: LI773117

  • Porträt der Woche: Helmut Harbich (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 30 - 05.12.1977

    Die "niederrheinische Mentalität der Menschen zwischen Holland und Westfalen und die Vorfahren aus dem Grenzland Mähren haben ihn geprägt, das juristische Studium in Freiburg und Münster formte den Politiker, und die "dritte Heimat" am Niederrhein, in Mönchengladbach, gab Helmut Harbich jene rheinische Toleranz, die den CDU-Abgeordneten davor bewahrte, ein eifernder Ideologe zu werden. Denn ohne die Tugend und Kunst des "Leben und leben lassen" hätte er nicht das Wahlkreis-Erbe von Franz Meyers weiterführen können, hätte Harbich nicht den Wahlkreis 33 bei der letzten Landtagswahl so erfolgreich erobert. Denn sonst gibt es nicht nur äußerlich große Unterschiede zwischen dem jovialen Ex-Ministerpräsidenten und Helmut Harbich, der vor allem im kleinen Kreis seine Kompetenz und seine Sachlichkeit zu demonstrieren vermag.
    Geboren wurde der Mönchengladbacher Abgeordnete 1932 in Schnobolin im Kreis Olmütz als Sohn eines Schlossers, dessen Vorfahren seit 300 Jahren im Sudetenland seßhaft waren. Die Vertreibung spülte Helmut Harbich mit der Familie zufällig nach Alpen am Niederrhein, wo der Junge von der Schule, den Schulkameraden, dem Fußballverein und den Gymnasialjahren in Moers geprägt wurde. Nach den beiden juristischen Staatsexamen wurde der "Flüchtling", der das Glück hatte, sich nie als ein solcher in seinem Dorf fühlen zu müssen, Richter. Doch schnell merkte Harbich, der bereits während des Jura-Studiums volkswirtschaftliche Vorlesungen gehört hatte, daß ihm Organisationsaufgaben und Verbandsarbeit mehr zusagten. Er fand dann bei der Kreishandwerkerschaft Mönchengladbach als Geschäftsführer einen Wirkungskreis, in dem er seine Fähigkeiten und Neigungen unter Beweis stellen konnte. Diese Verbandskarriere, in der er zuletzt Hauptgeschäftsführer war, unterbrach dann die Politik.
    1968 war Helmut Harbich "mehr zufällig" zur CDU gestoßen, die wenig später in Bonn in die Opposition geschickt wurde und Abschied von der Honoratiorenpartei nehmen mußte. Auch in Mönchengladbach, wo die absolute Mehrheit der Christlichen Demokraten nie in Gefahr war, wurde dieser Umbruch durch starken Mitgliederzuwachs und die Ablösung älterer Parteiführer schnell wirksam. Der fleißige Organisator Harbich hatte es in diesem Wandel nicht schwer, bereits 1969 in den Stadtrat zukommen, dem er noch heute angehört. Das Vorstandsmitglied der CDU in der um Rheydt erweiterten Großstadt wurde dann 1975 direkt in den nordrhein-westfälischen Landtag entsandt.
    Wie im Wahlkreis vor Ort nutzte seine Fraktion auch in Düsseldorf die Fähigkeiten Harbichs und berief ihn in den Finanzausschuß sowie in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales, wo er sich besonders für das Problem der arbeitslosen Jugendlichen einsetzt. Hauptaufgabe aber ist für Harbich die Vertretung seines Wahlkreises, seiner Mitbürger in der Landeshauptstadt, in der trotz der geringen Entfernung zu Mönchengladbach "die Probleme des niederrheinischen Grenzraums und seiner mit großen Schwierigkeiten kämpfenden Textilindustrie oft übersehen werden", während vergleichbare Wirtschaftsprobleme im Ruhrgebiet bundesweite Aufmerksamkeit fänden. Der Familienvater, der sich besonders der mittelständischen Wirtschaft, dem "kleinen Unternehmer" verpflichtet fühlt, konnte da oft eine Brücke des Verständnisses schlagen.
    Und auch das Aushängeschild Mönchengladbachs, der Bundesliga-Star Borussia, kann Harbich und seinen Mönchengladbacher Landtagskollegen dankbar sein: Nach langen, geduldigen Bemühungen fließen jetzt Gelder des Landes für den Ausbau der Tribüne im Stadion am Bökelberg, wo der ehemalige Fußballer Helmut Harbich kein Spiel versäumt. (Helmut Breuer)

    ID: LI773017

  • Porträt der Woche: Herbert Dahlhof (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 29 - 25.11.1977

    Die große Pose liegt ihm nicht, eher die kontemplative Gebärde. Und so würde wohl niemand, der ihm im Zugabteil gegenübersitzt, Herbert Dahlhof für einen Politiker halten. Ein unbefangener Tip trifft jedoch voll ins Schwarze: Lehrer.
    Er sagt denn auch, er sei stets "mit viel Freude Schulmeister gewesen". Was nun allerdings nicht heißen soll, daß ihm die Politik keinen Spaß mache. Im Gegenteil. Seit er sich in schon reiferen Jahren entschlossen hat, auf der parlamentarischen Szene mitzuspielen, tut er das mit vollem Engagement. Denn außer dem Landtagsmandat, das er 1975 im Wahlkreis Solingen wieder für die SPD gewann, ist er auch Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Klingenstadt und vertritt seine Partei außerdem im Bezirksplanungsrat.
    In der Verknüpfung von Landes- und Kommunalpolitik sieht er das Schwergewicht seiner Arbeit. Vor allem dem Bezirksplanungsrat gibt er "als Zwischeninstanz für die Zukunft große Chancen". Im Landtag arbeitet er im Ausschuß für Landesplanung und Verwaltungsreform und im Rechnungsprüfungsausschuß.
    Dem 1925 in Friedland/Ostpreußen geborenen Bergmannssohn wurde es nicht an der Wiege gesungen, daß er einst Politik im Bergischen Land machen und zu einem Bindeglied zwischen seiner Wahlheimat und der zwar räumlich nahen, aber im gegenseitigen Verständnis oft doch so fernen Landeshauptstadt werden würde. Die erste Weiche stellte der Vater, der zwei Jahre nach der Geburt des Sohnes nach Westen aufbrach und in der Zechenstadt Oberhausen Arbeit und neues Lebensumfeld fand.
    Herbert Dahlhof, der bis in sein 38. Jahr zwischen Schloten und Hochöfen blieb, ist deshalb weit mehr "Kohlenpötter" denn Ostpreuße. Was man im Gespräch auch sehr schnell feststellen kann. Als er die Volksschule hinter sich hatte, kam Hitlers Krieg, den er als Luftwaffensoldat und trotz des gefahrvollen Postens des Flugzeugführers glücklich hinter sich brachte. Danach holte er in Aufbaulehrgängen sein Abitur nach und wurde Lehrer in Oberhausen.
    Der passionierte Pädagoge stieg zum Konrektor und Rektor auf, trat 1959 in die GEW ein und wurde schon kurze Zeit später deren Stadtverbandsvorsitzender. 1960 wurde er Mitglied der SPD. Daß er relativ spät erst mit 35 Jahren den Weg in die Politik fand, obwohl schon der Vater Sozialdemokrat und Vorsitzender eines Arbeitervereins gewesen war, erklärt Herbert Dahlhof damit, "daß ich meinen beruflichen Werdegang ganz bewußt nicht an die Parteipolitik gebunden habe". Gegen Leute, die "sich ein Parteibuch besorgen, um schneller Karriere zu machen", hat er etwas.
    Mit 38 Jahren wurde Herbert Dahlhof Schulrat in Wuppertal, fand spontan Spaß am Bergischen und baute im benachbarten Solingen. Und hier wurden neben seinen pädagogischen auch seine politischen Fähigkeiten entdeckt. Nachdem er 1969 in den Stadtrat eingezogen war, übernahm er 1973 den Fraktionsvorsitz, der beim Stimmenpatt zwischen den beiden großen Parteien und einer recht starken, mit der CDU koalierenden F.D.P.-Fraktion viel Fingerspitzengefühl erfordert.
    Der Schulrat a. D. ist mit einer Medizinerin verheiratet, die "mir zuliebe aus dem Krankenhaus mit Nachtdienst auf den Posten einer Werksärztin übergewechselt ist", weil "ja nicht beide Ehepartner Jobs haben können, die eigentlich nur für Junggesellen geeignet sind". Das große Hobby Herbert Dahlhofs, der früher ein guter Leichtathlet bei Rot-Weiß Oberhausen war, ist auch heute noch der Sport. Jedoch ist solche Ambition aus Zeitmangel auf "Wandern im Urlaub und die Sportschau im Fernsehen" beschränkt.

    Karlegon Halbach

    ID: LI77292E

  • Porträt der Woche: Dietmar Katzy (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 28 - 14.11.1977

    Eher zufällig, sagt Dietmar Katzy, sei er in Mährisch-Ostrau geboren. Doch jenes deutsch-polnisch-tschechische Dreiländereck habe ihn ebenso wie seine Heimatstadt Aachen, wo Deutsche, Holländer und Belgier sich begegnen, früh gelehrt, nationale und völkische Grenzen gering zu achten. Das Engstirnige und Ideologische hat immer einen kurzen Horizont, auch in der Politik, wo der 42jährige Abgeordnete seit 1961 für die CDU arbeitet. Katzy ist für jeden ansprechbar, sein erfolgreiches "Bürger-Büro" in Aachen, Kummerkasten und Taubenschlag zugleich, beweist es.
    Als die Wähler ihn 1975 mit einem Direktmandat in den Landtag entsandten, hatte Katzy mit buchstäblich harter Arbeit schon Lebenserfahrung in mehreren Berufsfeldern gewonnen:
    Als Facharbeiter, als Maschinenschlosser und Werkzeugmacher, später nach Abitur und Studium auch als Berufsschullehrer. Vor dem Weg in die Politik sollte eine berufliche Qualifikation stehen, meint Katzy. "Ich bin heute Berufspolitiker, muß es sein, aber es wäre besser, ein Bein im Beruf zu halten." Katzy fühlt sich der katholischen Soziallehre verpflichtet und wirkt doch weltoffen und in einem undogmatischen Sinne liberal. Langjährige Arbeit an Lehrerseminaren, am Institut für schulpädagogische Bildung und in Schulbuchkommissionen mag zu dieser Entwicklung beigetragen haben.
    Auch im Landtag gehören die Probleme der beruflichen Bildung, nun auch der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu seinen Hauptarbeitsgebieten.
    Aber unverhofft ist ein anderes hinzugekommen: die Untersuchung des Bauskandals am Aachener Hochschulklinikum, der wohl häßlichsten, bislang auch teuersten Krankenburg Europas.
    Katzy war seinerzeit für dieses Klinikum, nicht ahnend, was der Moloch Planung in einer schließlich nicht mehr zu überschauenden Dimension anrichten würde.
    Wie wächst dann das Mißtrauen, warum entsteht der Ruf nach Kontrolle? "Man hört von Verzögerungen, möglicherweise Fehlplanungen, wird von der Regierung fehlerhaft informiert, das führt zu weiteren Recherchen", meint Katzy. So komme man ins Thema. Der Schneeball wird zur Lawine.
    "Wir müssen da durch", sagte der zum parlamentarischen Untersuchungsausschuß gehörende Abgeordnete, "obwohl viele Fehler kaum noch korrigierbar sind".
    Es gelte, die Folgekosten dieses Klinikums, das der Humanisierung der Arbeitswelt nachgerade Hohn spreche, so gering wie möglich zu halten. "Sonst trifft es wieder die Arbeitnehmer und ihre Krankenkassenbeiträge." Die Untersuchungen dauern an, Katzy wird sich also über zusätzliche Arbeit in den kommenden Monaten, vielleicht Jahren, nicht beklagen dürfen.
    Als Hinterbänkler hat Katzy übrigens im Landtag gar nicht erst angefangen. Zehn Plenarreden in den ersten beiden Jahren, sagt er nicht ohne Stolz, das möchten ihm andere Neulinge erst einmal nachmachen. Die Mußestunden werden dann natürlich knapp, doch der Abgeordnete hat für sich und seine Familie mit den vier Kindern wohlweislich und vorsorglich ein kleines Refugium in der Eifel geschaffen. Da wird dann gewandert und gelegentlich auch mal mit dem Kajak im Wildwasser herumgestochert. Das Nahziel heißt, den 1975 von 51,3 Prozent der Wähler anvertrauten Wahlkreis auch 1980 wieder repräsentieren zu können. Direktmandate, meint Katzy, sichern ein Stück Unabhängigkeit im Interesse der Bürger, auch vor gelegentlichen Versuchungen in der eigenen Partei.

    Lothar Bewerunge

    ID: LI772822

  • Porträt der Woche: Hans Jürgen Büssow (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 27 - 07.11.1977

    Als er 1975 in den Landtag gewählt wurde, hatte Hans Jürgen Büssow trotz seiner damals 29 Jahre bereits genug Gelegenheit gehabt, in unterschiedlichen Berufs- und Lebensbereichen Erfahrungen zu sammeln. Als gelernter Orthopädie-Mechaniker, der über den zweiten Bildungsweg sich zum graduierten Sozialarbeiter und dann zum Diplom-Pädagogen hochstudierte, hatte er den — statistisch für jeden Zweiten notwendigen — Berufswechsel schon hinter sich (von der Wehrdienstzeit einmal abgesehen).
    Die Berufsarbeit - als Referent der "Hans-Böckler-Stiftung" - möchte Büssow auch als Abgeordneter nicht missen; denn "die Zwänge der Arbeitswelt an sich selbst zu erfahren", scheint ihm gerade für Abgeordnete notwendig zu sein, die vergleichsweise abstrakte Gesetzesarbeit machen, von der Millionen Bürger konkret betroffen sind. Überdies weiß Büssow sich mit seinem Beruf unabhängiger von jenen Gruppenzwängen, die auf jeden einwirken, der eine Gruppe oder Partei vertritt.
    Aber Büssow hat auch gelernt, daß angesichts der - einen Zwölfstundentag und eine Siebentagewoche erfordernden — Arbeitsbelastung für einen Abgeordneten Mandatsausübung und Berufsarbeit zusammen "über unbegrenzte Zeit" nicht durchzuhalten wären. So hält er sich weiter die Möglichkeit offen, den "MdL", der für ihn "kein Statussymbol" ist, auch wieder abzulegen nach dem Ende dieser Legislaturperiode 1980.
    Die Schwerpunkte seiner Arbeit als Abgeordneter ergaben sich für Büssow zwanglos aus den politischen Erfahrungen, die er neben seiner beruflichen Entwicklung machte und die sein starkes Engagement zugunsten von mehr Mitwirkungsmöglichkeiten in Wirtschaft und Gesellschaft für die Masse der Arbeitnehmer ausformten. Diese "politische Sozialisation" verlief folgerichtig für einen, den seine Situation als Arbeiterkind und ein guter Geschichtsunterricht in der Schule allmählich aufgeweckt hatten:
    über die Arbeit als nicht-konfessioneller Pfadfinder im Stadtjugendring lernte er die politischen Jugendorganisationen kennen; davon sagten seinen eigenen sozialen Interessen die Jungsozialisten am meisten zu, und so trat Büssow 1964 in die SPD ein.
    Eine wesentliche Erfahrung für ihn war sein Engagement für Lehrlingsfragen in Form der Mitarbeit am Lehrlingszentrum Düsseldorf während der Jahre 1968 bis 1970; dabei arbeitete er auch auf dem Feld der Theorie eng mit der Abteilung Jugend im DGB-Bundesvorstand zusammen.
    Ausbildungs- und Schulproblemen gilt denn auch sein Hauptinteresse als Mitglied im Kulturausschuß; daneben bearbeitet er im Hauptausschuß Probleme der Medien- und Energie-Politik sowie Verfassungsfragen. Gelegenheiten, sich bei dieser Arbeit "noch ein bißchen als handelndes Subjekt zu erleben", so die Erfahrung von Büssow, sind "sehr selten". Eine solche Gelegenheit ward ihm unlängst, als der Regierungsentwurf für ein Schulmitwirkungsgesetz in 56 Punkten ergänzt wurde von den Koalitionsfraktionen und er mit speziellem Sachverstand helfen konnte.
    Dieser Vorgang war für Büssow auch deshalb erfreulich, weil er es als "das große Problem des Parlamentarismus" empfindet, daß der Abgeordnete - wie es seine Aufgabe ist - den mächtigen Regierungsapparat nur unter großen Schwierigkeiten kontrollieren kann. Um nicht völlig zum spezialisierten Abgeordneten und Politiker zu werden, legt er Fach- und Parteipapiere regelmäßig beiseite: nachts vorm Einschlafen liest er zeitgenössische Literatur - Böll, Grass oder auch den Klassiker sozial engagierter Belletristik B. Traven.

    Autor: Hartwig Suhrbier

    ID: LI772719

  • Porträt der Woche: Georg Ehrich (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 26 - 31.10.1977

    Er ist kein bequemer Mann — das war Georg Ehrich nicht im Beruf, und er ist es auch heute nicht als CDU-Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag. Aber gerade dieser Wesenszug mag es sein, der dem gebürtigen Westfalen auch viele Freunde im anderen politischen Lager, bei SPD und F.D.P., gebracht hat. Parlamentarische Entscheidungen sollten nach sachgerechten und nicht parteipolitischen Aspekten fallen, meint der 1975 im Kreis Soest gewählte Abgeordnete. Das bedeutet für Ehrich, "auch mal den Mut aufzubringen, dem politisch Andersdenkenden Recht zu geben oder sich bei ihm zu entschuldigen". So lehnt er auch einen Fraktionszwang bei Abstimmungen grundsätzlich ab.
    Der, wie Ehrich sich selbst bezeichnet, "geborene Kommunalpolitiker" vermißt oft im nordrhein-westfälischen Landtag das Verständnis gegenüber dem politischen Gegner, die Toleranz gegenüber dessen Meinung, wobei er natürlich keinem fairen Schlagabtausch aus dem Wege geht. Die "beste Schule" für diese "noble Umgangsform" ist nach seiner Ansicht die Kommunalpolitik. Hier sammelte er auch seine politischen Erfahrungen als Mitglied des Gemeinderates Stocklarn (1955/58), und des Kreistages Soest (seit 1961), als Landrat des Kreises Soest (1969/74) bis zu dessen Zusammenschluß mit Lippstadt und seitdem als stellvertretender Landrat.
    Damit ist Ehrichs Engagement für die Kommunen vorgegeben. So plädiert er für deren größere finanzielle Selbständigkeit und lehnt den "goldenen Zügel" des Landes entschieden ab. Konkret:
    Der Steuerverbund müsse zugunsten der Gemeinden korrigiert werden, und ein Teil der zweckgebundenen Zuwendungen müßten in freiverfügbare Zuschüsse umgewandelt werden.
    Wenn die Gemeinden die vielzitierte "Wurzel der Demokratie" seien, so müßten sie auch gesund bleiben.
    Es ist kein Zufall, daß der Gewerkschafter neben seiner Tätigkeit im Schul- und im Landwirtschaftsausschuß auch dem Ausschuß für Arbeit und Soziales angehört. Der Beruf konfrontierte Ehrich fast täglich mit den Sorgen und Nöten vieler Mitbürger. Nach Kriegsende in die Heimat seiner Ehefrau verschlagen, wirkte er im Sozialbereich der Stadtverwaltung in Zwickau. Allerdings wurde das CDU-Mitglied den dortigen Machthabern bald zu unbequem und mußte 1949 Mitteldeutschland verlassen. So kehrte Ehrich mit seiner Familie dorthin zurück, wo er als Kind aufgewachsen war, in den Kreis Soest. Beim Versorgungsamt für Kriegsopfer fand er eine neue berufliche Aufgabe.
    Der langjährige Kontakt mit Hilfsbedürftigen hat den CDU-Abgeordneten in der Überzeugung gestärkt, daß der Staat für die Behinderten und älteren Menschen mehr tun müsse. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie nach Kriegsende das Fundament für unseren heutigen Wohlstand geschaffen haben. So denkt Ehrich beispielsweise an Erholungskuren für ältere Mitbürger.
    Wenn sich der 56jährige Landesparlamentarier zu Wort meldet, stehen dann auch meistens soziale Themen auf der Tagesordnung. Dabei lassen seine Sachkenntnis und Schlagfertigkeit aufhorchen. Die gründliche Vorbereitung hat Ehrich nach seinen Worten schon früh, beim Militär, gelernt. - Nach Mittlerer Reife und anschließendem Arbeitsdienst meldete er sich freiwillig zur damaligen Wehrmacht, wurde später Offizier und siebenmal verwundet.
    Entspannung findet der Abgeordnete bei Schallplatten, Büchern ausgedehnten Spaziergängen und der Jagd. Einmal im Jahr ist sein Ziel ein vom Tourismus noch nicht "beschlagnahmtes" Land: So im letzten Jahr die UdSSR und in diesem Ungarn.

    Jochen Jurettko

    ID: LI77261E

  • Porträt der Woche: Werner Brenne (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 25 - 18.10.1977

    Den Westfalen Werner Brenne hat es "erst" mit 44 Jahren in die Landespolitik gezogen. Das hing nicht mit Brennes Qualifikation zusammen, sondern damit, daß sein Amtsvorgänger im Wahlkreis 144, Werner Hüftmeier, 14 Jahre lang den Wahlkreis Herford II im Landtag vertrat. In etwa dem gleichen Zeitraum war Brenne neben seinem Beruf als Studienrat, später Oberstudienrat und Oberstudiendirektor, auf kommunalpolitischer Ebene tätig, zuerst als Gemeinderat von Holsen und später als Stadtrat von Bünde, davon allein sieben Jahre als sozialdemokratischer Fraktionsvorsitzender. Der Pfeifen-, manchmal auch Zigarettenraucher aus der Zigarrenstadt, der mit seiner Wahl in den Landtag den Fraktionsvorsitz und das Bünder Ratsmandat aufgegeben, dafür aber den Parteivorsitz im Stadtverband übernommen hat, gehört zu denen, die wenig Aufhebens von ihrer parlamentarischen Arbeit machen. Ihm liegt weder das politische Show-Geschäft, noch möchte er zur Riege der "Dünnbrettbohrer" gezählt werden, was immer man darunter versteht. Mit Fleiß und Sachkenntnis, auch in Spezialfragen, sucht er seinen Weg und stellt sich dabei die selbstkritische Frage, ob dies nicht vielleicht doch zu naiv gedacht sei, jedenfalls im politischen Raum. In einem hatte er das Glück des Tüchtigen: er gehört zu den verhältnismäßig wenigen Parlamentariern, die in jene Parlamentsausschüsse kamen, die auch ihren speziellen Interessen entsprechen. Für Werner Brenne sind das der Kulturausschuß und neuerdings auch der Haushalts- und Finanzausschuß. Eine abgeschlossene Lehre als Export-Import-Kaufmann, acht Semester Betriebs- und Volkswirtschaftsstudium, das Diplom als Handelslehrer und langjährige pädagogische Erfahrung sind die Voraussetzung, um vor allem in der Ausschußarbeit mitreden zu können, wenn es beispielsweise um die berufliche Weiterbildung oder die Unterbringung der geburtenstarken Jahrgänge an den Schulen und auf dem Arbeitsmarkt geht.
    Brenne sieht darin die große Herausforderung der Nachkriegsjahre an die Schul-, Finanz- und Wirtschaftspolitiker. Der Pädagoge und Politiker aus dem Kohlenpott — er ist in Wanne-Eickel geboren —, dem nach einem pommerschen Zwischenspiel Ostwestfalen zur zweiten Heimat geworden ist, zählt nicht zu den Illusionisten und Phantasten, die für alles Patentlösungen anzubieten haben, auch nicht zu denjenigen, die Problemen mit der Brechstange zuleibe rücken. Wer mit ihm diskutiert, merkt bald besonnenes Abwägen des Für und Wider und Sorge um die Schwierigkeiten, die sich vor manchen Problemen, die dringend gelöst werden müßten, auftürmen. Persönlich zählt Brenne zu den Abgeordneten, die den längsten Anmarschweg haben: sechs Stunden täglich hin und zurück. Aber er macht mit seinen ostwestfälischen Kollegen, soweit sie die Bundesbahn benutzen, den enormen Standortnachteil durch Erfahrungsaustausch, "rollende" Vorbereitung und nachfolgende Manöverkritik weitgehend wett. Das aber wiederum schließt ein, daß für Familie und Freizeit nicht allzuviel Zeit übrigbleibt. Aktive sportliche Betätigung wie einst bei den Fußballklubs Ennigloh 09 und VfL Holsen oder Teilnahme an den Hochschulmeisterschaften, gehören lange der Vergangenheit an. Laufen und Tennisspielen sind das einzige, was dem Politiker und Vater von drei Töchtern davon übrigbleibt. Er spricht darüber mit einem leisen Anflug von Wehmut, vor allem was die knappe Zeit für die Familie anbetrifft, und er verhehlt auch nicht, daß der zeitweilige Abschied vom Schuldienst ein erheblicher Eingriff in sein Leben war. Sympathische Züge an einem Landespolitiker in einer Zeit, in der tatsächliche oder auch nur vermeintliche landespolitische Vollprofis die Tonart angeben.
    Karl Fischer

    ID: LI772529

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