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  • Porträt: SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Fritz Kassmann.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 5 - 05.11.1970

    Einen bequemen Mann hat sich die SPD-Fraktion mit Dr. Fritz Kassmann nicht an ihre Spitze gesetzt. Der Mann, der mit Stolz vermerkt, daß er sich in seinem nunmehr 62-jährigen Leben in einem guten Dutzend Berufe bewährt hat, macht es weder sich selbst noch anderen leicht. Was er am meisten verabscheut, ist Mittelmäßigkeit.
    Als er am 13. Juli 1970 zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde, gab er offen zu, daß es ihm nicht leichtgefallen sei, von seinem früheren Amt Abschied zu nehmen. Nachdem er sich aber entschlossen hatte, der Fraktion zur Verfügung zu stehen und von ihr ein überwältigendes Vertrauensvotum erhalten hatte, stand es für ihn fest, daß er sich mit der Note "ausreichend" ebensowenig begnügen wollte wie in seinen bisherigen Tätigkeiten als Rechtsanwalt, Direktor einer Industriebau-Gesellschaft,Präsident des Landesarbeitsgerichts, Ministerialrat im Arbeitsministerium, Amts- und Stadtdirektor in Marl, erster Landesrat des Landschaftsverbands Rheinland, Wiederaufbauminister, Vorstandsmitglied der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen, Bundesratsminister und Wirtschaftsminister.
    Kassmann besitzt das gesunde Selbstvertrauen des Mannes, der mit seinen Erfolgen zufrieden sein kann. Sein Ehrgeiz richtet sich nicht danach, Beifall zu gewinnen, sondern dem gesteckten Ziel gerecht zu werden. Um das zu erreichen, arbeitet er hart. Nüchternheit und Sachlichkeit sind ihm dabei oberstes Gebot. Seine kühle Sachlichkeit, die ihm übrigens nicht angeboren ist, zu der er sich in der Hitze politischer Emotionen vielmehr oft genug zwingen muß, geht so weit, daß er selbst im täglichen Büroumgang seinen Wortschatz kontrolliert und nach Möglichkeit alle Floskeln vermeidet, die bei Überprüfung ihres Sinngehalts keinen Platz im Arbeitsleben haben sollten. Mit der landläufigen Vorstellung vom urwüchsigen, starrköpfigen Westfalen ist Kassmann nur schwer in Einklang zu bringen. Dennoch fühlt er sich als Westfale aus Überzeugung, wenngleich landsmannschaftliche Erwägung in der Politik ihm zweitrangig erscheinen.
    Seine Erholung von der Arbeit findet Kassmann in ausgedehnten Wanderungen durch den Arnsberger Wald, den er wie seine Westentasche kennt und den er für eine der landschaftlich reizvollsten Gegenden Deutschlands hält. Den Hinweis, daß auch Oppositionschef Köppler Wandern zu seinen Hobbys zählt, quittiert er mit der Bemerkung: "wir beide würden wahrscheinlich ein paar ganz passable Wanderburschen abgeben." Das schließt nicht aus, daß er es vermutlich auch weiterhin vorzieht, sich auf seinen Spaziergängen von seinen Hunden begleiten zu lassen. Tierfreund Kassmann umgibt sich gern mit eigenwilligen Tieren. Während er früher Bernhardiner und Doggen züchtete, hält er zur Zeit einen Wolfsspitz, einen altdeutschen Schäferhund und einen Rottweiler. Bei Pferden schätzt er vor allem die zierlichen, aber zähen, blondmähnigen Haflinger. Kassmann, für den die Rechtswissenschaft nicht nur Brotstudium, sondern geistige Disziplin bedeutete, liest viel. Neben der beruflichen Pflichtlektüre Interessieren ihn alle Bereiche der Gesellschaftswissenschaften, zu denen er als Student den Eingang durch die Religionssoziologie von Max Weber gefunden hat.
    Marianne Lohaus

    ID: LI700505

  • Porträt: CDU-Fraktionsvorsitzender Heinrich Köppler.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 4 - 29.10.1970

    Heinrich Köppler, 44 Jahre alt, paßt nicht in die Klischees, in die man ihn gern einordnen möchte. Von seinen politischen Gegnern als "tiefschwarz" gemalt, verfocht er dennoch im Bundestag die Liberalisierung des Strafrechts. Obwohl erst fünf Jahre Parlamentarier, betreibt er dieses Geschäft heute wie ein "alter Hase".
    Köppler ist ein Mann jener Generation, die durch den Krieg stark dezimiert wurde. Er hat als Angehöriger dieser Altersgruppe den Nationalsozialismus als junger Mann erlebt, ist jedoch besonders stark geprägt von dem Aufbauwillen der Nachkriegszeit. Darin liegt vielleicht auch das Geheimnis des politischen Erfolgs, der nicht auf das Verkünden von Parolen zurückgeführt werden kann, sondern auf das Bemühen um sachgerechte Lösungen. Insofern ist Köppler ohne Zweifel ein Pragmatiker. Allerdings basiert dieser Pragmatismus auf unanfechtbaren Grundüberzeugungen.
    Köppler, leidenschaftlicher Weintrinker, mag ebenso gern Bier. Er ist das, was man Im Ruhrgebiet als Fußballfanatiker bezeichnet, gleichzeitig liebt er jedoch Tennis. Er galt als der Industrie nahestehend, sprach sich dann für die Mitbestimmung aus, was wieder eine Imagekorrektur bei denen, die über ihn schrieben, erforderlich machte.
    Köppler ist verheiratet. Er wandert gern mit seiner Frau. Von daher ist er exotischen Urlaubszielen eher abgeneigt, weil er dieses Vergnügen im Sauerland ausgiebig haben kann. Der gebürtige Hattenheimer (Rheingau), besticht durch sein oft jungenhaftes, immer unbekümmert wirkendes Lachen. Ihn selbst ärgert das manchmal, weil er vermutet, man vermisse bei ihm den nötigen Ernst. Im politischen Tagesgeschäft ist davon jedoch kaum etwas zu merken. Er arbeitet hart.
    Sein politischer Widerpart in Düsseldorf sähe ihn lieber wieder in Bonn. Köppler ist jedoch dabei, sich in Düsseldorf voll zu etablieren. Dabei ist es ihm gleichgültig, ob er hier seine Aufgabe als Oppositionsführer oder als Ministerpräsident wahrzunehmen hat. Er weiß um die Notwendigkeit einer starken und intakten Opposition.
    Köppler ist ein Mann ohne Ecken und Kanten. Man muß schon sehr nahe an ihn "herantreten", um sie dennoch zu entdecken. Obwohl er ein geduldiger Zuhörer ist, macht ihn politische Einsichtslosigkeit bei Partnern oder das "falsche Händchen" manchmal sehr ärgerlich. Das merkt jedoch nur der Kenner. Ausgelassene Fröhlichkeit ist ihm nicht fremd, eine ruhigere Gangart jedoch lieber.
    Die Persönlichkeitsstruktur des Menschen Köppler ist, oberflächlich betrachtet, relativ unkompliziert. Er ist ein Mann der offenen Tür, der Konventionen verabscheut. Sein Optimismus ist nicht leicht zu übertreffen. Auch wenn ihm jemand "auf die Krawatte latscht", bleibt er ruhig. Nur beim Skatspielen verliert er nicht gern.
    Hat er politischen Ehrgeiz? Seine bisherige politische Laufbahn deutet darauf hin. Dennoch wird dieser Ehrgeiz nur selten sichtbar. Köppler sieht zunächst die Aufgabe, wenn diese ihn reizt, greift er zu. Wahlniederlagen hat er bisher ebenfalls hin und wieder einstecken müssen. Sie scheinen an ihm spurlos vorübergegangen zu sein.
    Köppler könnte ein Techniker der Macht sein. Daß er dies nicht ist, liegt an den Grundüberzeugungen, die ihn geprägt haben. Sie lassen ihn handeln, ohne daß jeweils die vorgelagerten Positionen in Frage gestellt werden müßten. Kritische Reflexion tritt bei ihm zugunsten des Experiments und der Aktion zurück. Er ist ein Mann seiner Generation, nicht der "Junge" der Älteren, aber auch nicht für die zurechtgetrimmt, die einmal seine Nachfolger sein werden. Bis dahin ist sicher noch viel Zeit.
    Friedhelm Geraedts

    ID: LI700405

  • Porträt: 2. Vizepräsident Dr. Fritz Vogt (FDP).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 3 - 22.10.1970

    Zweimal, 1962 und 1966, stand er bei einer Landtagswahl auf verlorenem Posten. Beim dritten Anlauf im Juni dieses Jahres klappte es dann um so besser. Dr. Fritz Vogt (54), Rechtsanwalt und Notar aus Lüdenscheid, zog über die Landesreserveliste der FDP in den Landtag ein. Als parlamentarischer Neuling hatte er einen sensationell guten Start. Die Mehrheit der FDP-Fraktion nominierte ihn für das Amt des zweiten Landtagsvizepräsidenten, und die Mehrheit des Hauses akzeptierte diesen Vorschlag.
    Getrübt wurde seine Freude über den Erfolg nur durch die wenig erfreulichen Begleitumstände. Denn Dr. Vogts Gegenkandidat bei dieser Wahl war — wenigstens damals noch — ein Parteifreund: Aus Protest gegen ihren Landtagsvorsitzenden Willi Weyer hatten die Nationalliberalen innerhalb der FDP-Fraktion ihren Freund Franz Mader gegen Dr. Vogt gestellt. Dieser Vorgang kündigte bereits die inzwischen vollzogene Trennung der Nationalliberalen von der FDP an. Heute ist Dr. Vogt davon überzeugt, daß sich die FDP gerade wegen dieser Spannungen, die seiner Ansicht nach überwunden sind, von Nordrhein-Westfalen her wieder bundesweit profilieren und erneuern kann. Denn der Bruch mit der NLA habe eine gewisse Verkrampfung innerhalb der FDP gelöst. Ohne die Nationalllberalen sei die FDP-Landtagsfraktion zwar kleiner, aber geschlossener und selbstbewußter geworden.
    Auf seine eigene Aufgabe als Landtagsvizepräsldent freut er sich besonders. Obwohl er selbst mehr als Politiker des Ausgleichs gilt, der gegensätzliche Standpunkte deutlich herausarbeitet, um nach Möglichkeiten der Verständigung zu suchen, liebt er die politische Auseinandersetzung. Deshalb will er immer dann, wenn er als Vertreter von Landtagspräsident Dr. Lenz im Plenum amtiert, als Verhandlungsführer nicht pingelig sein.
    Als Abgeordneter ist Dr. Vogt so beschäftigt wie kaum ein anderer; in einer Reihe von Ausschüssen des Landtages ist er Voll-Mitglied, stellvertretendes oder nicht stimmberechtigtes Mitglied. Großes Interesse bringt er zum Beispiel der Arbeit im Ausschuß für Verwaltungsreform entgegen. Schließlich hat er 1949 in Marburg mit einer Arbeit über "Die Bedeutung der Gebietsabgrenzung für eine Verwaltungsreform" promoviert und während seiner zehnjährigen Laufbahn als Kommunalpolitiker in diesen Fragen "Fronterfahrung" gesammelt. Als stellvertretendes Mitglied gehört Dr. Vogt, in Lüdenscheid auch Schirmherr des Bundes der Steuerzahler, übrigens auch dem Rechnungsprüfungsausschuß des Landtages an.
    Dr. Vogt ist im nordrhein-westfälischen Landtag einer der wenigen Vertreter der freien Berufe. Vielleicht ist er aus diesem Grund ein besonders eifriger Verfechter eines Gesetzes über die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat, wie es schon in der letzten Legislaturperiode verabschiedet werden sollte (aber an der fehlenden Zwei-Drittel-Mehrheit scheiterte). Dieses Gesetz wird Beamte, die in den Landtag gewählt werden, verpflichten, sich bei Annahme des Mandats mit einem Teil ihrer Bezüge in den Wartestand versetzen zu lassen, damit sie nicht Gesetze verabschieden, die sie selbst dann auch auszuführen haben.
    Gemeinsam mit seiner Frau, die ebenfalls als Rechtsanwalt und Notar zugelassen ist, unterhält Dr. Vogt in Lüdenscheid eine erfolgreiche Anwaltspraxis. Die Ehepaar-Sozietät gibt ihm die Möglichkeit, sich seinem Steckenpferd, der Politik, zu widmen (wobei aus dem Steckenpferd mittlerweile ein zweiter Beruf geworden ist). Dritte im Bunde ist Tochter Ingrid (16), die sich ebenfalls für Politik interessiert — sie wurde "aus eigenem Entschluß" - betont der Vater - FDP-Mitglied.
    Für Hobbys bleibt Dr. Vogt wenig Zeit. "Ein bißchen Lesen, ein bißchen Rasenmähen, ein bißchen Spazierengehen" — zu mehr langt es nicht, es sei denn das Studium geschichtlich-geographischer Schriften.
    Ernst-Andreas Ziegler

    ID: LI700305

  • Porträt: 1. Vizepräsident John van Nes Ziegler (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 2 - 15.10.1970

    Der Macht geht er nicht aus dem Weg, vielmehr sucht er sie, ob im Kölner Rathaus oder im Düsseldorfer Landtag. John van Nes Ziegler, Jurist von zuhaus, war deswegen ein Parlamentspräsident wider Willen, obgleich er auf diesem Stuhl nicht eine einzige schwache Stunde hatte. Aber ein Regierungsamt wäre ihm noch lieber gewesen, hätte auch noch mehr seiner Natur entsprochen.
    Damals, im Juli 1966, war sein plötzlicher Aufstieg aus der Abgeordnetenbank zum Landtagspräsidenten für die Öffentlichkeit eine große Überraschung. Wer kannte ihn eigentlich? — die Stadt Köln und die Düsseldorfer Fraktion ausgenommen. Über Nacht wurde er für die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen lebender Beweis des großen Wahlerfolges, denn Heinz Kühn blieb zunächst Oppositionsführer, weil die CDU damals nicht zur Großen Koalition bereit war.
    Auch Parlamentspräsident John van Nes Ziegler konnte seinen Groll darüber kaum verbergen, zumal er Tag und Nacht für ein Bündnis mit der Union focht. "Kölner Klüngel" war ein oft gebrauchtes Wort in der SPD-Fraktion, gemeint war meist der zeitweise wohl nicht abreißende Dialog zwischen Dr. Wilhelm Lenz und John van Nes Ziegler. Doch man mag darüber denken, wie man will, dem Klima im Landtag sind diese Kontakte bekömmlich gewesen.
    "Nes", die Abkürzung seines Namens von der Waterkant, hat es leicht gehabt, die Würde des Hauses zu hüten, und seine Unabhängigkeit gegenüber der ihm parteipolitisch befreundeten Landesregierung demonstrierte der gewiefte Kölner mit Lust an der Scharmützelei. Selbst die Journalisten haben sich mitunter gewundert, mit welcher Kühle im Kalkül der Präsident unpopuläre Maßnahmen auf sich nahm und sie unbeirrt realisierte.
    Mehr Geld für die Parteien, mehr Geld für Fraktionsvorsitzende, Aufbau eines Büro- und Parkhauses, van Nes Ziegler schreckte vor nichts zurück.
    Harte Kritiken steckt er ein, ja, er fängt sie ab — wie ein Torwart auf scharfe Schüsse reagiert. Den Schiedsrichter braucht er nicht, das macht er gegebenenfalls alles selbst. Im Ringen um den Fraktionsvorsitz bei der SPD wollten in diesem Sommer Parlamentäre von allen Seiten vermitteln, van Nes Ziegler traf jedoch seine Entscheidung, auf eine Kampfabstimmung zu verzichten, ganz allein, und zwar in dem Augenblick, da ihm sein Rechenstift die Notwendigkeit vorschrieb.
    Heute ist der 49jährige Jurist Landtagsvizepräsident und stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion. Der ehemalige Präsident der Sozialistischen Studenten-Internationale (1950) hat vermutlich erst die Hälfte seines politischen Weges zurückgelegt, aber er wird sich nicht grämen, wenn ihm das geheime Wunschziel — vielleicht Ministerpräsident? — unerreichbar bleiben sollte. Van Nes Ziegler verfügt nicht nur über eine glänzend florierende Anwaltspraxis, sondern auch über jenen Kölner Humor, der zwischen Witz und Weisheit den Ausweg nach jedem Aschermittwoch findet.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LI700205

  • Porträt: Landtagspräsident Dr. Wilhelm Lenz (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 1 - 08.10.1970

    Über Dr. Wilhelm Lenz, den CDU-Politiker, einstigen Fraktionsvorsitzenden, Oppositionsführer und Ministerpräsidenten-Kandidaten seiner Partei ein Porträt zu schreiben, würde nicht schwerfallen. Den Landtagspräsidenten gleichen Namens würdigen zu wollen, ist kaum ein Vierteljahr nach seiner Wahl in dieses hohe Amt unmöglich.
    Die siebente Wahlperiode, für die Dr. Lenz am 27. Juli dieses Jahres als Nachfolger von Ernst Gnoss, Robert Lehr, Josef Gockeln, Wilhelm Johnen, Josef Hermann Dufhues und John van Nes Ziegler berufen wurde, ist erst "vier Plenarsitzungen alt". Allerdings: Es kündigen sich Veränderungen sowohl innerhalb der parteipolitischen Landschaft als auch auf parlamentarischer Ebene an. Da man in naher Zukunft wahrscheinlich mit noch knapperen Mehrheitsverhältnissen im Landtag als bisher wird rechnen müssen, dürfte bereits mit den nächsten Sitzungen die erste "heiße Phase" für den Präsidenten beginnen.
    Sie wird von ihm jene Art der Amtsführung erfordern, die Wilhelm Lenz unmittelbar nach seiner Wahl für sich, für die neuen Vizepräsidenten, aber auch für die Fraktionen so umschrieb: "Diese Arbeit sollten wir trotz aller politischen Gegensätze, die sein müssen, in jener sachlichen Atmosphäre vollziehen, die dieses Parlament seit seinem Bestehen ausgezeichnet hat."
    Diesen Landtag kennt sein neuer Präsident seit mehr als zwölf Jahren. Als der damals 37jährige Kölner im Juli 1958 als Abgeordneter ins Haus am Kaiserteich zog, war noch sein wenige Monate später tödlich verunglückter Parteifreund Josef Gockeln Landtagspräsident, stellte die SPD mit Alfred Dobbert zum vierten Male den Vizepräsidenten, saß die heutige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages noch in den Reihen der FDP-Landtagsfraktion.
    Diese beinahe schon historischen Fakten findet man im Handbuch, das über Lenz selbst nur fünf Zeilen enthält. Sie umschreiben seinen nichtpolitischen Werdegang sogar in nur zwei dürren Zeilen: Geboren am 2. Juli 1921 in Köln; verheiratet, fünf Kinder, Abitur, Dr. phil., Geschäftsführer. Schon bei der letzten Angabe wäre zu ergänzen "... des Deutschen Beamtenbundes". Es ist ebenso erwähnenswert, daß der junge Philologe eine sprachwissenschaftliche Doktorarbeit über Georg Büchner schrieb, an einer privaten Abendschule Deutsch, Englisch und Geschichte lehrte und einmal davon geträumt haben soll, Publizist zu werden, was der Parlamentsjournalist um so lieber vermerkt, als sich ihm damit die Gelegenheit bietet, die Pressefreundlichkeit des Parteipolitikers Lenz zu loben und die gleiche Tugendübung vom Landtagspräsidenten Lenz zu erwarten.
    In einem Portrait über den Landtagspräsidenten Lenz darf man Anmerkungen über den Politiker Lenz ungestraft vernachlässigen, da die Elle am Parteimann anzulegen wäre, von dem hier nicht die Rede ist. Als man noch über "diesen" Lenz schrieb, gab es Attribute in Hülle und Fülle. Sie reichten von "unauffällig im Auftreten" und "ohne Neigung zu politischen Höhenflügen" bis "immens fleißig, zielstrebig und ehrgeizig". Man bescheinigte ihm "politisches Profil" sowie "überzeugende Haltung" und vermißte gleichzeitig "charismatische Züge" und eine "große Ausstrahlung". Auf der Wertungs-Waagschale lag hüben ein "klar denkender wie scharf analysierender Kopf" eines "mit allen kölnischen Wassern gewaschenen Taktikers" und häufte man drüben Lenz'sche "pragmatisch-politische Fähigkeiten" und seine "Begabung, ein Team zu leiten".
    Nun wohl: Ein Landtagspräsident zieht mit dem neuen Amt das Gewand des Politikers nicht aus. Parteiliche Überzeugung im besten Sinne dürfte parteiisches Handeln sogar ausschließen. Man darf daher dem Präsidenten des Hohen Hauses sogar wünschen, daß er diese ihm zugeschriebenen Eigenschaften in das neue neutrale Amt mitnehmen möge. Sie sind der handwerkliche Nachweis eines, wie Wilhelm Lenz sich selbst schlicht nennt, "praktizierenden Demokraten".
    Max Karl Feiden

    ID: LI700105

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