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  • Porträt der Woche: Hans Georg Welss (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 3 - 01.02.1974

    Für Hans Georg Weiss gibt es ein "Schlüsselerlebnis", das ihn vor Jahren dazu bewog, sich aktiv politisch zu betätigen. Dabei hatte er sich eigentlich genau das Gegenteil vorgenommen, als er — wie viele seines Jahrgangs 1927 — ein Jahr nach Kriegsende aus der Gefangenschaft nach Hause kam und nach all den schrecklichen Kriegserlebnissen ("ich hatte die Nase gestrichen voll") verständlicherweise "von dem ganzen politischen Kram nichts wissen wollte".
    Einige Jahre später sah er die Dinge dann aber anders. Der damalige Bundeskanzler Adenauer hatte es Mitte der 50er Jahre bei seinem Besuch der Sowjetunion geschafft, einige tausend Kriegsgefangene in die Heimat zu holen. Das beeindruckte den damals 27jährigen Hans Georg Weiss und ließ in ihm die Erkenntnis reifen, daß politische Arbeit nicht Selbstzweck ist, sondern den Menschen dient. Spontan trat Weiss damals in seiner Heimatstadt Monschau der Jungen Union bei. Dann ging es auf der politischen Stufenleiter von Sprosse zu Sprosse weiter, so daß es Weiss manchmal selbst schon ein bißchen zu schnell vorkam. 1957 wurde er Kreisvorsitzender der Jungen Union, 1961 zog er in Monschau in den Stadtrat und Kreistag ein und wurde — obwohl parlamentarischer Neuling — kurz darauf mit dem Fraktionsvorsitz betraut. Wenig später war Weiss Vorsitzender der CDU im Kreis Monschau, und 1970 schließlich zog er für diese seine Partei in den Landtag ein.
    Dazwischen lagen Jahre, in denen die politische Arbeit vorübergehend etwas in den Hintergrund treten mußte; denn die berufliche Ausbildung sollte schließlich nicht zu kurz kommen, galt es doch, sich das fachliche Rüstzeug anzueignen, um eines Tages den väterlichen Drukkereibetrieb übernehmen zu können. Auch heute noch ist für Hans Georg Weiss die Arbeit in der Drukkerei, die sich nun schon in der dritten Generation in Familienbesitz befindet, sein Hauptberuf. Mit dem Gedanken, jemals "Berufspolitiker" zu werden, könnte er sich nicht anfreunden. Ohne den unmittelbaren Kontakt zum Wirtschaftsgeschehen glaubt er, das Amt, das er in seiner Fraktion übernommen hat, nicht ordentlich genug ausüben zu können — den Vorsitz im Arbeitskreis Wirtschaft.
    Diese verhaltene Distanz zur Politik, die Weiss immer nur als eine Art Hobby versteht, das er freilich ernst nimmt, ist vielleicht der Grund dafür, daß er sich niemals nach Ämtern gedrängt hat. Auch jetzt gibt es für ihn kein ambitiöses Fernziel, auf das er etwa unablässig hinsteuern würde. Hans Georg Weiss hält mehr davon, lieber die Aufgaben an sich herankommen zu lassen. Zuwider sind ihm in der politischen Auseinandersetzung persönliche Angriffe. Um ein solches Klima gar nicht erst entstehen zu lassen, reichert er von seiner Seite gern manchen Disput mit einem Schuß Ironie und Humor an.
    Was er bei heftigen Debatten sonst überhaupt nicht schätzt, mag Hans Georg Weiss am Wochenende hin und wieder ganz gern: er gerät ins Schwimmen. Und zwar mitsamt der Familie, die gern auf sein Kommando hört, wenn er an Bord seines schmucken Kajütbootes, das er am Ufer der Mosel vertäut hat, befiehlt: "Leinen los!" Trotzdem meint er manchmal, seiner Familie etwas zu wenig Zeit zu widmen. Aber die in dem Fall einzig mögliche Alternative — weg von der Politik und dadurch mehr Zeit fürs Privatleben — will ihm auch nicht schmecken. "Wenn man so etwas 20 Jahre lang mitgemacht hat, dann hat man so viele Freunde gefunden, daß man einfach nicht mehr aufhören kann." Hans-Heinrich Eichler

    ID: LI740305

  • Porträt der Woche: Egbert Reinhard (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 2 - 25.01.1974

    Egbert Reinhard ist kein Sozialdemokrat der ersten Stunde, eher der "verzögerten Stunde null". Seine Entscheidung, sich parteipolitisch links zu engagieren, wurde durch die Erfahrung mit Hitlerismus und Krieg, der ihn zum Pazifisten machte, geradezu provoziert, wenn auch auf die sprichwörtliche westfälische Weise nicht spontan vollzogen: Sieben Jahre nach dem Ende des Nazismus trat er der SPD bei.
    Und auch die Berufswahl Reinhards, der 1928, ein knappes Jahr vor der ersten großen Eingemeindungswelle im Ruhrgebiet, im heute zu Gelsenkirchen gehörenden Buer-Erle geboren wurde, ist Resultat westfälischer Nüchternheit und Wohlbedachtsamkeit: Nach dem Abitur 1947 und fünf Jahren im Bergbau (als Lokführer unter Tage) studierte er von 1952 bis 1956 in der westfälischen Metropole Münster mit Erfolg Jura.
    Damit war er der Automatik eines stetigen, wenn auch nicht überschäumend ambitionierten Fortkommens in der späteren Nachkriegsära unterworfen. Dazu mag man Heirat (1951) und Familie zählen — er hat vier Töchter, von denen zwei inzwischen "Vaters" Partei angehören, und natürlich viel zu wenig Zeit für sie und seine Frau; dazu gehören auch beruflich die verwaltungsjuristische Karriere bis hin zum Rechtsdirektor seiner Heimatstadt Gelsenkirchen und politisch über die Mitgliedschaft im frühen SDS, dessen Landesverband er 1954 mitgründete, das Avancement in der Gelsenkircnener Sozialdemokratie, die den "Parteilinken" 1970 wider Erwarten für die Landtagswahl nominierte. Dazu kommt schließlich ein langjähriges Engagement in der IG Bergbau und in der ÖTV.
    Reinhard ist kein Freund großer Auftritte, geschweige denn temperamentvoller Ausbrüche. Auch auf der Tribüne seines Fußballklubs Erle 08, dem er als Anhänger des Amateurfußballs eben die Treue gelobt hat, die man von einem Ehrenmitglied verlangen kann, oder von Schalke 04, das zu seinem Wahlkreis gehört, wird er nicht zum Fan. Freilich fühlt er sich den "jungen Leuten" nahe, mitunter auch den Jusos, als "stark rational bezogen" und ohne Heißsporn-Dogmatismus will er aber "Sozialismus, wenn's vernünftig ist". Die "Sache", das ist ganz schlicht seine Sache. Und: "Halbe Sachen mache ich nicht. Wo ich mal ja gesagt habe, da mache ich mit."
    Mithin läßt sich Egbert Reinhard auch in der des öfteren rheinische Kapriolen schießenden parlamentarischen Auseinandersetzung nicht beirren. Als Mitglied des Justizausschusses, dem er seit seiner Wahl in den Landtag angehört, wird es ihm nicht schwer gemacht, Eindruckschinden zu vermeiden. Und auch, nachdem er für John van Nes Ziegler den Justizausschuß leitet, sind Reinhard stiller Fleiß und der Wille, hart an der Sache zu arbeiten, nicht verlorengegangen. Er hat dabei dennoch Größeres im Auge: endlich auch in Nordrhein-Westfalen das Problem der Richterwahl zu lösen. Noch in dieser Legislaturperiode will er erreichen, daß sich der Landtag dafür zuständig weiß, die Richter zu ernennen. Freilich reizt auch da so gut wie nichts zu spektakulärem Auftritt.
    Gerne spielt der "Reviermensch" Egbert Reinhard nach einem "guten Fußballspiel" seines Klubs "einen guten Skat mit Freunden". Die Regeln könnten jedoch kaum von dem Politiker Egbert Reinhard erfunden worden sein: Wer überreizt, darf seine Gegner nicht aus dem Schneider kommen lassen. Egbert Reinhard überreizt nie, aber er macht seinen Stich.
    Bernd Kleffner

    ID: LI740218

  • Porträt der Woche: Dr. Albrecht Beckel (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 1 - 18.01.1974

    Gelegentlich demonstriert er gelangweilte Nonchalance. Vordergründige Beobachter geraten dadurch allzuleicht in einen psychologischen Kurzschluß. Sie verwechseln Gelassenheit mit Nonchalance. Albrecht Beckel (48) kann's nur recht sein — er "brodelt" ohnehin nicht gern. Sein politisches Engagement orientiert sich am Leitbild sachlicher Argumentation. Kraftposen und verbales Donnergrollen sind ihm zuwider. Stattdessen schätzt er den rhetorischen Floretthieb. Das bedingt profundes Wissen und ein festes Standbein. Beckel hat beides — und profitiert davon. Manchmal mit einem Hauch scheinbarer Arroganz. Hier aber liegt eine Verwechslung vor: Distanz zu halten, um klarer zu sehen, zählt zu den westfälischen Grundtugenden. Solchen Leuten sind Akzente wichtiger als Pointen. Erst dann erhalten Aussagen die nötige Schwerkraft. Beckel beherrscht dieses Rezept — und erntet Respekt. "Manchmal können Sie richtig schimpfen", testierte ihm jüngst ein SPD-Kollege, um sogleich hinzuzufügen, "aber ich muß zugeben: Im allgemeinen haben Sie recht!"

    Dem promovierten Juristen und Sozialwissenschaftler widerfuhr als Landtags-Neuling beachtliche Ehre: Mehr als ein Dutzend Mal stand er bislang am Parlamentspult, um zu den Themen "Hochschulfragen", "politische Bildung" und anderen aktuellen Polit-Fragen die Meinung seiner Fraktion zu interpretieren. Der CDU-Entwurf eines Erwachsenen-Bildungsgesetzes trägt wesentlich seine Handschrift. Gerade diese Oppositions-Initiative hat Steine ins Rollen gebracht wie selten eine Vorlage zuvor. — Der Kultusminister setzte eigens eine Planungskommission ein, interessierte Verbände offerierten ergänzende Vorstellungen und die Koalitions-Fraktionen erarbeiteten einen eigenen Entwurf. Die Minimaxi-Partner der Regierung in dieser wichtigen Sach- und Krachfrage auf Schwung gebracht zu haben, "da habe ich richtig Freude dran gehabt", so Beckel bescheiden.
    Natürlich gilt auch hier: Von nichts kommt nichts. Beckels Visitenkarten von gestern sind Markierungssteine auf dem Wege nach Düsseldorf: CDU-Kreisvorsitzender, Mitglied des Rates der Stadt Münster, Fraktionsvorsitzender, acht Jahre Oberbürgermeister, Mitglied des Komitees für außerschulische Bildung beim Europarat in Straßburg, Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken etc. Wo immer im regionalen Bereich ein Kulturausschuß wirkte — Beckel war Mitglied: in der Stadt Münster, im Landesverband der CDU, im Landschaftsverband Westfalen-Lippe, im Deutschen Städtetag und jetzt im Landtag. "Kulturpolitik ist mir primär ein soziales Anliegen", so interpretiert er sein Engagement, "ich komme aus kleinen Verhältnissen; an diesen Menschen ist Bildungs- und Kulturpolitik ein Leben lang vorbeigegangen. Das ist es, was mich verpflichtet." Eine Verpflichtung, die in der Vielseitigkeit des Könnens einem Kaleidoskop gleicht.

    Ihn sich hemdsärmelig vorzustellen, gelingt den wenigsten. Dabei ist er ein knall-normaler Pausierer: In der Lübecker Bucht liegt sein Jollenkreuzer "Ernie II". Gewissermaßen Beckels Ferienheimat - für seine Frau, sechs Kinder und den Kapitän. Er ist der größte Junge auf der Jolle.
    Helmut Müller, Münster

    ID: LI74011C

  • Porträt der Woche: Heinz Urban (SPD).
    Vorsitzender des Parlamentarischen Ausschusses für Grubensicherheit.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 32 - 21.12.1973

    Er kann und will seine Herkunft nicht verleugnen: Heinz Urban, neuer Vorsitzender des Parlamentarischen Ausschusses für Grubensicherheit, ist ein echtes Kind des Reviers. Landschaft und Leute haben ihn ebenso geprägt wie die sozialdemokratische Überzeugung der Familie, in die er als das jüngste von acht Kindern am 15. Januar 1925 hineingeboren wurde. Schon der Achtjährige mußte Nazi-Terror miterleben, als die Schergen des Regimes den Vater abholten. Der älteste Bruder emigrierte nach Holland, um dort später dann doch den Nazis in die Hände zu fallen. Dieser Bruder überlebte die Befreiung aus dem Konzentrationslager nicht lange.
    Fritz Henssler, Käthe Schaub und Heinrich Wenke, Sozialdemokraten der "ersten Stunde", waren dem schwerverwundet aus dem Krieg heimgekehrten Heinz Urban Lehrmeister und Helfer für die politische Arbeit. Sie stellten damit Weichen für den Weg des jungen Mannes.
    Es ist also kein Wunder, daß er so vorprogrammiert Politik immer als Dienstleistung am Mitmenschen verstanden hat. In dieses Bild paßt eigentlich auch hinein, daß er in jetzt elf Landtagsjahren im Plenum noch nie "das Wort ergriffen" hat. Er hält nicht viel vom Deklamatorischen, lieber "macht er dat Dingen", würde man in seiner Heimat sagen. Das will heißen, er steht seinen Mann dort, wo — von der Öffentlichkeit kaum bemerkt — der größere Teil der parlamentarischen Arbeit geleistet wird, in den Ausschüssen, in den Arbeitskreisen der Fraktion. Mindestens ebensoviel Energie investiert Urban an der politischen Basis, um einen, diesem Manne gewiß nicht zuzuordnenden Modebegriff zu gebrauchen. Dort, in Gelsenkirchen, erschöpft sich sein Wirken jedoch keineswegs darin, in stundenlangem Politpalaver die Unentbehrlichkeit der eigenen politischen Potenz darzutun. Vielmehr erwirbt er Anerkennung durch Leistung.
    Mit alten Freunden gründete er — das ist einmalig in der Bundesrepublik — den "Bauverein der Falken- Jugend", um Jugendheime bauen zu lassen. Sie stehen allen Jugendlichen offen, und die Heimleiter müssen die meiste Zeit, so weiß Heinz Urban zu berichten, den "Nichtorganisierten" widmen. Acht Heime stehen in Gelsenkirchen, das neunte ist im Bau. Geld des Landes und der Stadt helfen. Vieles aber macht Urban, gelernter Bauschlosser und deshalb im technischen Zeichnen versiert, selbst. So vor allem Zeichnungen. "Ich hab' sogar die Nägel mit eingezeichnet, das tun Architekten nicht", bekennt er mit Stolz.
    Das Bauzeichnen nennt er Freizeitbeschäftigung. Sein zweites Hobby hat einen Namen: FC Schalke 04. "Ob die gewinnen oder verlieren und ich mich ärgern muß, entspannen tu ich mich." Und zur Entspannung zählt auch, daß er Schalker Spieler mit Jusos über die Wirkung des Spitzensports auf den Breitensport diskutieren ließ.
    Panem et circenses? Oder sollte man besser und freundlicher sagen "Sozialpolitik und Fußball" — eine echte Reviersynthese.

    Karl Lohaus

    ID: LI733202

  • Porträt der Woche: Norbert Schlottmann (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 31 - 14.12.1973

    Wenn er spricht, klingt es bedächtig und ein wenig rauchig nach Kohlenpott. Der CDU-Landtagsabgeordnete Norbert Schlottmann ist in Herne im Ruhrgebiet geboren und seiner Heimat nicht nur an der Oberfläche seines Wesens treu geblieben. Wenn er, der erst 1970 zum ersten Male in den Landtag gewählt wurde, heute seine Fraktion als Obmann für Jugend und Familienfragen vertritt, dann ist das wohl vor allem der Stetigkeit seiner Arbeit zuzuschreiben.
    Lobsprüchen ist Schlottmann ganz und gar abgeneigt, aber außergewöhnlich war es schon für einen jungen Abgeordneten, als er mit einer besonderen Initiative einer ganztägigen Landtagsdebatte seinen Stempel aufdrückte. "Tag des Kindes" nannten seine Kollegen die Sitzung, in der Schlottmann die Landesregierung aufforderte, als Grundlage für kommunale Planungen einen umfassenden Bericht über die Situation der Kinder in unserem Land vorzulegen. Der bittere Vergleich zwischen den 500000 Mitgliedern des Tierschutzbundes und den nur 12 000 Mitgliedern des Kinderschutzbundes war Schlottmann aus der Arbeit geläufig, schließlich ist er in einem seinen Nebenämter Vorstandsmitglied der "Aktion Jugendschutz". Sein Bekenntnis aus der September-Debatte des Düsseldorfer Landesparlaments — "Kinder brauchen eine Lobby im Parlament" — wurzelt nicht nur in statistischen Kenntnissen.
    Als Stadtamtmann beim Personalamt der Stadt Herne hat Schlottmann alle Probleme der Emscher-Lippe-Zone im Ruhrgebiet kennengelernt, von mangelnden Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung über fehlende Bildungseinrichtungen bis hin zur drohenden Abwanderung qualifizierter Bevölkerungsteile. Politisch hat er als Gewerkschaftsmitglied bei der ÖTV seinen Weg über die Sozialausschüsse der CDU und die Junge Union gemacht. Von 1966 bis 1968 gehörte er im Deutschlandrat dem höchsten Führungsgremium der Jungen Union an.
    Die Anfangsschwierigkeiten als frischgebackener Landtagsabgeordneter in Düsseldorf waren dennoch unvermeidlich. "Wir haben die Spielregeln nicht beherrscht", meint er. "Da haben wir uns halt zusammengetan." Wir, das sind 18 jüngere Landtagsabgeordnete, die den "Club 72" in der CDU-Fraktion gründeten. Sie wollten einander im Parlament und auch in ihren Wahlkreisen Hilfestellung geben. Was die Partei an Nachwuchsschulung bis hin zur Rednerausbildung versäumte, das möchten die "Club"- Mitglieder gern aus eigener Initiative nachholen. Schlottmann, der hier zum dreiköpfigen Führungsteam gehört, ist immer noch enttäuscht, auch von der CDU-eigenen politischen Akademie Eichholz keine Hilfe erhalten zu haben. Zunächst als "Kindergarten" der Fraktion belächelt, dann als "Mandatssicherungsverein auf Gegenseitigkeit" kritisiert, hat sich der Club inzwischen Respekt verschafft. Eine eigene Vorlage der 18er-Riege ging bei Diskussionen um eine Reform der CDU-Fraktionsarbeit mit kleinen Abstrichen durch.
    Leichte Schuldgefühle ausgerechnet gegenüber den eigenen Kindern, zwei Töchter, streitet Schlottmann keineswegs ab. Er schreibt es der eigenen Unzulänglichkeit zu, daß die Töchter gelegentlich "zu kurz kommen", weil der Vater zunehmend politisch unterwegs ist. Wenigstens an den Wochenenden das versäumte "intensiv aufzuholen" bleibt der Wunsch des Familienvaters. Wenn es dann einmal soweit kommt, greift er zuweilen auch zur Farbpalette und sucht beim Malen die eigene Entspannung.
    Peter Weigert

    ID: LI733102

  • Diether Deneke (SPD).
    Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 30 - 07.12.1973

    Das Musische ist nicht seine Sache. Sein tägliches Brot ist "die Natur und alles, was darin an Leben ist"! Der Berliner Großstadt-Junge wollte deshalb Förster werden. Doch zunächst reichte es nur zum Gärtner-Gesellen. Heute ist er Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Nordrhein-Westfalen.

    Als der Sozialdemokrat Heinz Kühn 1966 das Landeskabinett bildete, war der damalige Regierungsdirektor im Bundesernährungsministerium für den neuen Regierungschef nicht viel mehr als eine Verlegenheitslösung. Der heute 55jährige, der 1939 als Externer das Abitur gemacht hatte, als Oberleutnant aus dem Krieg zurückgekehrt war und seit 1947 im öffentlichen Dienst stand, mußte sich durchboxen. Der noch immer Ungeduldige wollte die Bedächtigen — das ist die Masse der Ministerialbürokratie — zu schnellerer Gangart bewegen. Das gab Spannungen. Heute hat er sich durchgesetzt. Diether Deneke sitzt fest in der Regierungsmannschaft und im Apparat.
    In Bonn mußte er sich mit ländlichen Sozialfragen beschäftigen. Er hatte damit sein Thema, von dem er noch heute nicht läßt. "Das Soziale" steht überall im Mittelpunkt seiner Planungen. Manche behaupten deshalb, er sei der einzige Sozialdemokrat in der Regierung. Allerdings war es nicht der Marxismus, der ihn 1949 zum Anschluß an die SPD veranlaßte, diese Doktrin ist auch heute nicht die Triebfeder. Es ist ein humanitärer Grundzug, von dem er ausgeht. Vor 25 Jahren wurde er politisch aktiv — und das geht in diese Richtung —, "um der künftigen Generation das Vergangene zu ersparen".
    Was das Ministerium selbst angeht, so hat er die Bereiche über "Ernährung, Landwirtschaft und Forsten" hinaus ausgeweitet. Deneke — in der Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft so aktiv wie in evangelischen Sozialausschüssen — war von Anbeginn kein Agrarminister im alten Sinn. Er setzt zwar auf das Eigentum und will den bäuerlichen Existenzen die wirtschaftliche Grundlage erhalten. Gleichzeitig aber will er den gleichen Raum, in dem Land- und Forstwirte tätig sind, den Großstädtern als Freizeitraum zur Verfügung stellen. Er hat ein gesundes Verhältnis zu dem, was "das Volk" will. Jedermann kann jetzt im Wald herumspazieren, bald sollen auch die Ufer der Gewässer frei für Herrn Jedermann sein. Durch ein neues Teichschutzgesetz machte er sich bei 150 000 Freizeitanglern beliebt.
    Jetzt versucht er einen weiteren Einbruch in bürgerliche Wählerschichten, indem er 155 000 Freizeitreitern Reitwege schafft. Als "Herr über alle Müllkippen" im Lande macht er sogar den Dreck zu einem Politikum.
    Auch hier setzt er neue Akzente. "Ich lasse mich nicht zum Romantiker stempeln!", meinte er kürzlich sehr engagiert. Das Wort zielte auf jene, die die sonntäglichen Müllsammel-Aktionen bespötteln, zu denen der oberste Umwelt- und Naturschützer des Landes Sport- und Heimatvereinsmitglieder an Wald- und Straßenrändern um sich versammelt. (Daß ein Fernsehteam meist dabei ist, spricht für seine Fähigkeit, auf dem Jahrmarkt der kleinen Eitelkeiten stets präsent zu sein.)
    Deneke ist ein zäher Arbeiter. Er ist energischer, als manche vermuten. Als nach seinem Dienstantritt in Düsseldorf die Präsidenten der Bauernverbände zu den üblichen "Präsidentengesprächen" ins Ministerium kamen, verlangte er auch die Anwesenheit der Vizepräsidenten, die die Arbeitnehmerseite vertreten. Seitdem hört er beide Seiten. Die Marschrichtung bestimmt er allerdings ganz allein.
    Gerhard Malbeck

    ID: LI733002

  • Porträt der Woche: Heinrich Meuffels (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 29 - 30.11.1973

    Die Lehrer im Landtag sind ein besonderes Völkchen. Sie gehören zur Kerntruppe der Beamten im Parlament, scheinen aber von höherwertiger Art zu sein, weil sie meist auch noch ihrem Beruf nachgehen. Den Kultusministern sind die abgeordneten Pädagogen meist ein Graus. Sie wissen alles, und das gern noch etwas besser. Einer von ihnen ist Heinrich Meuffels, Obmann der CDU-Opposition für Schule und Kultur, furchtloser Streiter für Eltern- und Kinderrechte, gegen staatliche Demokratisierungsverordnungen, für sparsame Haushaltswirtschaft, manchmal gegen Besoldungserhöhungen und grundsätzlich gegen Glücksspiele und Spielbanken.
    Der 46jährige Meuffels stammt aus Birgden im Kreis Geilenkirchen. Zehn Kinder hat er mit seiner Frau Maria großgezogen. Der älteste Sohn Winfried zählt 19, die jüngste Tochter Susanne sechs Lenze. Vom Großvater heißt es heute noch, er habe niemals "Heil Hitler" gesagt. Die Arbeiterfamilie Meuffels war immer und ist immer noch tief verwurzelt in einer katholischen Glaubenstradition mit starkem sozialem Engagement. Als Heinrich Meuffels schließlich das Nazi-Regime doch noch als blutjunger Flakhelfer verteidigen mußte, schwor er sich: "Das darf nie wieder passieren."
    Vom Elternhaus her schien der Weg zur CDU vorgeprägt zu sein. Eigentlich wollte Meuffels Bildhauer werden. Das Handwerkeln, Basteln, Modellieren ist seine Leidenschaft, Vom Abitur weg ging er in eine Schreinerwerkstatt. Er wurde nach dem Studium der Theologie, Geographie und Leibesübungen in Bonn aber schließlich "Menschenbildner". Beim Realschullehrer Meuffels hat dieses Wort noch nicht den Anflug des Skurrilen. Er räumt ein, daß er ein moralischer Rigorist sei. "Ich kann auch Politik und Gewissen niemals trennen." Man habe zuviel Staat in dieser Welt und zuwenig Menschen, meint er. Für ihn bleibt die Familie die unverbrüchliche Keimzelle der Gesellschaft. Daß ein omnipotenter Staat die Eltern usurpieren und die Kinder indoktrinieren dürfe, dagegen hat er sich immer verwahrt. Und noch eines "In Bildungsfragen versteht einer des anderen Wort nicht mehr. Wie sollen die Kinder sich einst selbst verstehen?"
    Als Meuffels 1966 als Direktabgeordneter mit strahlenden 62 Prozent der Wählerstimmen — 1970 wurden es gar 68 Prozent — in den Landtag kam, konnte er aus dem Fundus langjähriger kommunalpolitischer Erfahrung als Ratsherr von Geilenkirchen und Amtsbürgermeister von Waldenrath schöpfen. Kulturpolitik wurde dann sein Metier, doch von der Obdachlosenhilfe bis zur Verbesserung der Agrarstruktur hat er sich auch oft für Bereiche eingesetzt, die nicht durch mächtige Gewerkschaften oder Lobbys innerhalb und außerhalb des Parlaments vertreten sind. Als einziger Abgeordneter stimmte Meuffels — wie der SPD-Regierungschef Kubel in Niedersachsen — gegen die Errichtung von Spielbanken. "Das ist ein Ort des Unglücks, Leides und Ruins; daraus Gewinne zu sozialen Zwecken abzuschöpfen, heißt, mit dem Zweck die Mittel zu heiligen." Fleiß, Sparsamkeit und eine daraus wohl resultierende Rechtschaffenheit, das scheinen eher erstrebenswerte Güter zu sein. Heinrich Meuffels hat sein "Häuschen" selbst gemauert. Er will trotz des Trends zum Berufspolitiker auch weiter Kinder unterrichten, denn "ich möchte mein Gehalt nicht zu Unrecht bekommen".
    Lothar Bewerunge

    ID: LI732902

  • Porträt der Woche: Prof. Dr. Friedrich Halslenberg (SPD).
    Minister für Bundesangelegenheiten und Chef der Staatskanzlel.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 28 - 23.11.1973

    Friedrich Halstenberg, sozialdemokratischer Minister und juristischer Professor, ist immer korrekt gekleidet, der Schlips fehlt nie, die Anzüge sind von dezenter Farbe, die Umgangsformen stets konventionell bis freundlich, aber nie kumpelhaft vertraulich. Er repräsentiert den gebildeten Bürger im guten Sinn, einen Typus, der immer rarer wird. Und er weiß das. "Ich habe nie den Ballonmützensozialisten zu spielen versucht, sondern immer mit Aufrichtigkeit mich selbst verwirklicht." So ist man zu der Frage provoziert, warum Halstenberg 1964 Mitglied der SPD wurde. Die Antwort kommt prompt: Nur in der SPD könne er seine fachlichen und gesellschaftspolitischen Vorstellungen verwirklichen. Es ist bezeichnend, daß ein Halstenberg den Weg zur SPD über theoretische Überlegungen fand. Insofern ist er ein typischer Intellektueller unter den Landespolitikern. Bei ihm steht nie ein Erlebnis oder eine Emotion am Anfang einer Entscheidung, sondern immer eine Überlegung. Halstenberg denkt gerne. Nachdenken, so sagt er, sei ihm reine Erholung und Freude.
    Ein so strukturierter Politiker muß eine Funktion einnehmen wie Halstenberg sie als Chef der Staatskanzlei, als Chefplaner und Chefdenker der Regierung, tatsächlich hat. Aller Repräsentationszauber ist ihm zuwider, auch als Minister für Bundesangelegenheiten. Ihm kommt es auf Verhandlungen am Verhandlungstisch und nicht am Biertisch an. Er hat keine Freude am Witze-Erzählen. Er weiß, daß er nie ein Parteiführer sein kann, der die Emotionen anderer weckt und an sich bindet. Er weist sich deshalb nicht eine Rolle vor der Öffentlichkeit zu, sondern die Rolle intellektuell-handwerklicher Tätigkeit hinter dem Schreibtisch.
    Und dort, wo sauber gedacht und geplant wird, ist sein Platz nicht erst, seit er 1966 Chef der Staatskanzlei und damit rechte Hand von Heinz Kühn wurde. Friedrich Halstenberg, geboren 1920 in Westfalen, promovierte 1957 an der Universität Köln mit einer Arbeit über das parlamentarische Untersuchungsrecht. Seine Justizausbildung absolvierte er beim Deutschen Städtetag. Weitere berufliche Stationen: Deutscher Städtetag, Volksheimstättenwerk, Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung, Verband Kommunaler Unternehmen, Ministerialdirigent im Bundeswohnungsbauministerium, Verbandsdirektor des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk. Hinzu kommen 15 Jahre wissenschaftlicher Arbeit als Honorarprofessor. Halstenberg und der Begriff "Planung" sind fast identisch. Wie er jeden einzelnen Tag bis ins Detail durchplant, sucht er Leerlauf in der Verwaltung zu verhindern. Was planbar ist, soll geplant werden. Politik ist für ihn Generalstabsarbeit, bei der Planung und nicht Intuition entscheidend ist. Überschätzt Halstenberg damit die Möglichkeiten der Planung, ist er ein Planungsfetischist? Danach gefragt, meint er, Planung habe nicht den verplanten Bürger zum Ziel, sondern solle umgekehrt die Chance für jeden Bürger bieten, sich selbst zu verwirklichen. So weist der Intellektuelle Halstenberg sich selbst eine Grenzposition zwischen Verwaltung und Politik zu. Er sieht es als seine Aufgabe an, politische Entscheidungen in Verwaltung umzusetzen und umgekehrt die Verwaltungsvorhaben auf ihre politische Realisierbarkeit zu überprüfen.
    Ein solcher Mann auf der Grenze von Politik und Verwaltung wird sich nur schwerlich danach drängen, einen politischen Spitzenplatz einzunehmen. "Ich bin kein Parteiführer." Und so ist Halstenberg in den letzten sieben Jahren auch nie dem "Parteiführer" Heinz Kühn gefährlich geworden. Die Frage der Nachfolge Kühns und die Rolle, die er selber dabei spielen könnte, interessiert deshalb letzten Endes den Planer Halstenberg nicht. Und da zur Planung Ehrlichkeit gehört, ist ihm dies auch zu glauben.
    Cornelius Bormann

    ID: LI732802

  • Porträt der Woche: Klaus Evertz (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 27 - 09.11.1973

    Um es gleich vorwegzunehmen: Klaus Evertz (CDU) braucht für die Beantwortung der sattsam gestellten Frage nach der Freizeitbeschäftigung Zeit. Stockend und ein wenig verwundert "übersetzt" der mit 29 Jahren jüngste Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag die Frage erst einmal selbst: "Meinen Sie den vorpolitischen Raum?" Angesichts dessen ist die Antwort des Landesvorsitzenden der Jungen Union Rheinland — Schwimmen und Tennisspielen — zweitrangig für eine einigermaßen genaue Persönlichkeitsskizze. Vielmehr scheint die Art der Sprache, deren sich Klaus Evertz vor allem auf den Sitzungen der Jungen Union befleißigt, zu beweisen, daß mit dem 1,91 Meter großen Krefelder so etwas wie ein "politisierter Nachwuchspolitiker" in den vorderen Reihen der rheininischen CDU Platz gefunden hat. Die Sprache der Wissenschaft und des Apparats, durch den rheinischen Tonfall gefärbt, geht dem Oberleutnant der Reserve - "ich war drei Jahre bei der Bundeswehr" — ebenso flüssig von der Zunge wie den Jusos oder Judos. Zu ihnen hegt er jedoch keine Sympathien: "Wir von der JU stimmen im Gegensatz zu denen mit den gesellschaftspolitischen Grundprinzipien unserer Partei überein."
    Dieses kurz nach seiner "Nichtwahl" als stellvertretender rheininischer CDU-Landesvorsitzender in Frimmersdorf ausgesprochene Treuebekenntnis scheint angesichts eines von Klaus Evertz propagierten "Konfliktkurses" mit der Partei auf den ersten Blick einigermaßen verwunderlich zu sein. Doch liegt in der Begründung, die der Rechtsreferendar — zur Zeit bei der Staatsanwaltschaft Moers - für sein "Durchfallen" anführt, vielleicht ein Schlüssel zu seiner Persönlichkeitsstruktur:
    "Wir hatten von der Jungen Union unseren Anspruch nach Jahren des Ausgesperrtseins vom Landesvorstand zu hoch angesetzt gehabt." Dabei hatte die JU ihren "Anspruch" — und das spricht für die Fähigkeit von Klaus Evertz, auf der Tastatur des Apparats jetzt schon vorzüglich spielen zu können — sorgfältig vorbereitet. Ein auf dem rheinischen Landesparteitag offen ausgesprochenes Geheimnis besagte, daß die CDU-Nachwuchsorganisation die Kandidatur ihres Vorsitzenden präzise mit den Sozialausschüssen und der Mittelstandsvereinigung "getimed" hatte und nur das Fehlen der Frauenvereinigung auf dem JU- Wahlticket Klaus Evertz um den Erfolg brachte. Am Anfang der "Polit-Karriere" des Parlament-"Benjamins", die bei vielen Nachwuchspolitikern der anderen Parteien gleich oder zumindest ähnlich verläuft, stand die Analyse: "Die notwendigen politischen Änderungen in der CDU wurden, als ich 1962 in die Partei eintrat, zu langsam verwirklicht." Dieser Erkenntnis ließ Evertz ein strategisches Konzept folgen, das in Krefeld der CDU die absolute Mehrheit im Rat und der JU das Übergewicht bei den Parteimandaten sicherte. Das strategische Konzept, bekennt der in Frimmersdorf immerhin mit hoher Stimmenzahl als Beisitzer in den Landesvorstand gewählte Jung-Politiker mit Stolz, brachte ihn innerhalb der CDU "ins Gespräch" und wird mittlerweile von zahlreichen Gliederungen der Partei nachgeahmt.
    Den Taten in der Seidenstadt folgen schon bald Daten, die den steilen Aufstieg von Evertz markieren: 1966, vier Jahre nach dem Partei- Eintritt, bereits Mitglied des CDU- Kreisvorstandes und JU-Kreisvorsitzender; dann im Abstand von jeweils zwei Jahren Mitglied des JU- Landesvorstandes, stellvertretender JU-Landesvorsitzender und schließlich 1972 JU-Landesvorsitzender und Kreisvorsitzender der CDU. Dazwischen liegen noch der Eintritt in die Landespolitik als Abgeordneter und zudem die Mitgliedschaft in der Landschaftsversammlung sowie im Krefelder Stadtrat, dem er jedoch mittlerweile entsagte. Wenn man, was zum Schluß erlaubt sei, das Wort Senecas "Das glückselige Leben beruht auf einer unerschütterlichen inneren Ruhe und einer festbegründeten Zuversicht" zitiert, dann darf man sicher sein, daß Klaus Evertz beide Eigenschaften helfen, auch in Zukunft die Erfolgsleiter weiter nach oben zu klettern.
    Martin-O. Schmuck

    ID: LI732703

  • Porträt der Woche: Hans Wertz (SPD).
    Finanzminister.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 26 - 02.11.1973

    Ein "Zu-allem-ja-und-amen-Sager"-Typ ist ER nicht. Nach eigenen Aussagen zieht ER die Auseinandersetzung dem Appeasement vor und macht es damit sich und den Anderen nicht immer leicht. ER ist Nordrhein-Westfalens Finanzminister, erst 51 Jahre, aber schon länger in diesem Amt als jeder seiner sechs Vorgänger. Mitglied des Bundesrates, bereits zum fünften Mal Vorsitzender des Finanzausschusses dieser Länderkammer und ebensooft Vorsitzender der Finanzministerkonferenz der Bundesländer. ER ist aber auch Mitglied des Bonner Konjunkturrates, des Finanzplanungsrates der Bundesregierung und der Bund-Länder-Kommission zur Vorbereitung der Finanzreform. Dazu Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik und Inhaber der "Silbernen Steuerschraube" des Bundes der Steuerzahler.
    Die Anderen, das ist nicht nur die Opposition, die er sicherlich insgeheim manchmal zum Teufel wünscht und doch wieder braucht wie ein Lebenselixier; das sind auch seine Kabinettskollegen, die er gelegentlich als eine "Tischrunde personifizierter Prioritäten" apostrophiert. Und das sind auch die Landtagsabgeordneten, zu denen er zwar selbst gehört, von denen aber seiner Überzeugung nach gar so mancher vor Geschäftigkeit zuviel an seinen eigenen Wahlkreis denkt und zu wenig Augenmaß für den Gemeinnutz hat. Zu den Anderen zählen aber auch der Hauptpersonalrat seines Ministeriums und die Interessenvertretung der Steuerbeamten, mit denen er sich, vor allem in der ersten Zeit seiner Ministertätigkeit, mehr angelegt hat als seine Amtsvorgänger zusammen. Und last not least gehören dazu auch Journalisten, seine Kollegen aus Aachener Anfangszeiten.
    Wer Hans Wertz, der sicherlich nicht das landläufige Naturell eines Rheinländers hat, Arroganz, Kontaktarmut, Sarkasmus und Sturheit vorwirft, wie es oft geschieht, weiß nicht, daß dieser vielbelesene Selfmademan auch Witz und Charme versprühen und richtig flachsen kann. Von dem Vorwurf, Landesverfassung und Etatrecht während der Rezessionszeit mit einer parlamentarisch abgesicherten 900 Millionen Konjunkturspritze verletzt zu haben, hat ihn das Verfassungsgericht des Landes befreit. Den Vorwurf, wann immer nur möglich auf die parlamentarische Opposition einzudreschen und dabei in seinem rhetorischen Repertoire nicht gerade wählerisch zu sein, zieht er sich Immer wieder von neuem zu. Dabei vergißt Wertz offenkundig, daß er vor einem Jahrzehnt selbst als Oppositionssprecher und Etatexperte seiner Fraktion sich durch scharfe Angriffe auf die damalige Landesregierung profiliert hat.
    Die drei Berufe, die Wertz vor seiner Berufung zum Minister ausgeübt hat: kaufmännischer Angestellter, politischer Redakteur, Stadtkämmerer und erster Beigeordneter mögen wichtige Sprossen auf seiner Berufsleiter gewesen sein. Ministeriabel haben Wertz erst seine politischen Aktivitäten im Aachener Stadtrat, in der Rheinischen Landschaftsversammlung und vor allem im Landtag gemacht. Die Finanzierung des Nordrhein-Westfalen-Programms ist dem Fleiß und der Hartnäckigkeit dieses Finanzministers zu verdanken, der mit Landesmitteln nicht kleckern will, um klotzen zu können, beispielsweise beim Hochschulbau.
    Entspannung findet der Finanzminister auf seinem Rennrad (bis vor einiger Zeit im Porsche), beim Schwimmen und beim Waldlauf. Darüber hinaus hat er noch Zeit zum Lesen und ist im Karolingischen Kirchenbau fast ebenso beschlagen wie in der Reichshaushaltsordnung. Wissenschaftliche Literatur in Englisch und Französisch liest er im Original. Vielleicht findet er keine Zeit, auch Schopenhauer zu lesen, etwa das Kapitel über die Höflichkeit, die nach Ansicht des Philosophen die Menschen so biegsam macht wie die Wärme das Wachs.
    Karl Fischer

    ID: LI732602

  • Porträt der Woche: Elsbeth Rickers (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 25 - 26.10.1973

    Elsbeth Rickers weiß und sagt es selbst: "Das ist beinah zu viel"; CDU-Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag und im Kreistag Olpe, wo sie den Jugendwohlfahrts- und den Sozialausschuß leitet, stellvertretende Landesvorsitzende der CDU- Frauenvereinigung von Westfalen- Lippe, stellvertretende Vorsitzende des Caritasverbandes in der Diözese Paderborn, Vorsitzende des Gefängnisbeiräts der Justizvollzugsanstalt Attendorn, Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes im VdK-Kreisverband Siegen-Olpe- Wittgenstein. Guter Wille allein genüge nicht, erklärt die Abgeordnete aus dem sauerländischen Wenden bei Olpe, kommt die Rede auf die beträchtliche Zahl ihrer mit hohem sozialem Engagement verbundenen ehrenamtlichen Aufgaben.
    Schon der Krieg, in dem ihr Mann vermißt blieb, und die Nachkriegswirren sahen Elsbeth Rickers auf der Seite derer, denen es noch dreckiger ging, die Hilfe brauchten. Kaum war die Operationsschwester aus dem zerbombten Leipzig ins heimatliche Wenden zurückgekehrt, ging sie daran, den Vertriebenen zu helfen, arbeitete in Großlagern und baute Kindergärten auf.
    Nach dem Eintritt in die CDU schon 1947 ließ der Einstieg in die parlamentarische Politik noch Jahre auf sich warten. Auf einer Reise durch die USA lernte Frau Rickers, "was man erreichen kann, wenn man sich politisch engagiert". Doch im Sauerland war es auch zu der Zeit noch "durchaus unüblich, daß sich Frauen politisch betätigen". So erhielt sie erst 1964 den Wahlkreis Wenden für das Kommunalparlament. Landtagsabgeordnete wurde sie, als sie 1969 für neun Monate nachrückte. Nachgerückt ist sie auch in dieser Legislaturperiode und gehört der CDU- Opposition seit Dezember 1971 an.
    "Es ist dann etwas schwer dazwischenzukommen", sagt sie, ohne sich zu beklagen. Auch im Landesparlament steht sie "voll und ganz" zu und in ihrem seit jeher selbst gewählten Aufgabenbereich. Sie fühlt sich nicht in die "typische Frauenecke 'Soziales' abgedrängt". Als Mitglied des Petitionsausschusses liegen ihr vornehmlich Probleme der Kriegsopfer, der Jugend- und Sozialhilfe am Herzen. Im Justizausschuß geht es ihr besonders um den Strafvollzug. Daß sie im Sozialausschuß wenigstens stellvertretendes Mitglied ist, versteht sich fast von selbst.
    "Es ist schön, wenn man Erfolge sieht, aber auf meinem Gebiet sieht man verhältnismäßig wenig Erfolge", gesteht Frau Rickers ein; ohne Enttäuschung, sie konstatiert nur. Worauf es erst einmal ankomme, sei ein "völliges Umdenken" auf breiter Front, den bisher Zu-kurz-Gekommenen ihren "Selbstwert" zuzuerkennen, ihnen die Chance zum Eigenleben zu geben und sie nicht bloß zu betreuen. Dies wenigstens einzuleiten, sei ein Anliegen der Großen CDU-Anfrage zur Lage der Behinderten, an der sie mitgearbeitet habe. Auf die obligatorische Frage nach den Hobbys antwortet Frau Rickers: Wandern mit den Enkeln und lesen. Das Singen habe sie aus Zeitmangel drangeben müssen. "Dazu komme ich nur noch, wenn ich im Auto durch die Gegend rutsche". Also singt sie doch viel.
    Christoph Lütgert

    ID: LI732502

  • Porträt der Woche: Peter Hamel (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 24 - 19.10.1973

    Klagt der eine: "Der Hamel hat mich damals so oft gedöpt." Erwidert der andere: "Aber zweimal zuwenig, sonst wärst Du nicht Minister geworden." Mit diesen Frotzeleien pflegen sich Willi Weyer und Peter Hamel an jene Zeiten zu erinnern, da sie Ende der zwanziger und in den frühen dreißiger Jahren — der eine als Stürmer bei Hagen 94, der andere als Verteidiger bei Lüdenscheid 01 — in Wasserball-Turnieren aufeinandertrafen.
    Heute kämpfen die beiden auf anderem Feld und nicht mehr gegen-, sondern miteinander, nämlich als Bundesgenossen innerhalb der sozial-liberalen Koalition. Während der eine inzwischen als Innenminister und (Ehrenvorsitzender seiner Landespartei von sich reden machte, gehört der andere freilich eher zu den Stillen im Lande: Als ehemaliger Bürgermeister von Lüdenscheid, als SPD-Fraktionsvorsitzender im dortigen Kreistag sowie als Chef von SPD-Ortsverein und Stadtverband ist Peter Hamel (58) in seiner engeren westfälischen Heimat zwar "bekannt wie ein bunter Hund" (Hamel über Hamel). Als direkt gewählter Landtagsabgeordneter (seit 1970) und stellvertretender Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses ist er aber bisher kaum ins Rampenlicht getreten. Vor dem Plenum hat er überhaupt er einmal gesprochen, als er Anfang 1972 den Bericht seines Ausschusses abstattete.
    Ihn deshalb als farblosen Hinterbänkler zu bezeichnen, würde den sprichwörtlichen Nagel dennoch nicht, auf den ebenso sprichwörtlichen Kopf treffen. Denn Peter Hamel, dessen Gesichtszüge bereits seinen widerborstigen Eigensinn verraten, ist alles andere als farblos und schon gar nicht bequem. Und in der Not, als "kleiner" Parlamentarier die Ausgabenwirtschaft einer mächtigen Exekutive zu kontrollieren, hat er eine Tugend entwickelt, die billige Popularitätshascherei ausschließt, nämlich Diskretion. Will heißen: "Es gibt eine Grenze, hinter der das Menschenrecht höher steht als alles andere." Gelegentlich auch höher als das Recht der Öffentlichkeit auf Information: Mancher Beamte oder Angestellte im öffentlichen Dienst, der Steuergelder aus menschlicher Schwäche ordnungswidrig verwaltete, verdankt es Hamel, daß er der Presse nicht geradenwegs zum Fraß vorgeworfen wurde.
    Einsicht in die Fehlsamkeit des Menschen hindert den gebürtigen Lüdenscheider freilich nicht daran, die staatliche Ausgabenwirtschaft an den strengen Maßstäben des pedantisch wirtschaftenden Hausvaters zu messen. Denn diesen Maßstäben hat sich Peter Hamel, der nach Obersekundareife und Lehre den Kaufmannsgehilfenbrief erwarb und heute Inhaber einer gutgehenden Schleifmittelfirma ist, allemal selbst unterworfen.
    Der Erfolg als mittelständischer Unternehmer hat dem ehemaligen Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger in der nordrhein-westfälischen SPD zudem jene Selbstsicherheit verliehen, die ihn daran hindert, sich in der eigenen Partei, der er seit 1947 angehört, heute als Fremdkörper zu fühlen. Hamel, der in seiner Jugend wohl selbst so etwas wie ein "Revolutionär" gewesen ist, hat zu den meisten Jusos in Lüdenscheid sogar "ein politisch gutes Verhältnis". Denn seine Devise "Man muß den Menschen helfen" kann auch der Parteinachwuchs unterschreiben.
    Dirk Bavendamm

    ID: LI732402

  • Porträt der Woche: Dr. Franz-Josef Antwerpes (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 22 - 28.09.1973

    Auf den ersten Blick wirkt er distanziert, ernst, immer auf dem Sprung. Hinter Brillengläsern hellwache Augen. Ein schmales, intelligentes, jungenhaftes Gesicht.
    Man muß mit Dr. Franz-Josef Antwerpes eine Flasche Burgunder seines Geburtsjahrgangs 1934, den er in seinem wohlgefüllten Weinkeller aufbewahrt, trinken, um abseits vom geschäftigen Alltag die rheinische Frohnatur in ihm zu entdecken. Er liebt das Essen, genießt mit wissenschaftlicher Akribie die Weine, unter denen er die Rheingauer bevorzugt. Spitzenlage ist für ihn der "Rüdesheimer Schlossberg".
    Ernst Wilczok, der als Bottroper Oberbürgermeister in Sachen Gebietsreform mit Antwerpes nicht immer einig ist, gab mir diesen Tip: "Wenn Sie über Franz-Josef schreiben, dann vergessen Sie nicht, daß er ein Gourmand ist, daß ihm aber nicht nur Schlemmereien auf der Zunge zergehen, sondern auch feingewürzte Spöttereien." In der SPD-Fraktion und im Landtag ist seine kritisch-witzige Ironie bekannt.
    Antwerpes stammt aus Viersen, ist promovierter Volkswirt und lebt heute in Duisburg. Der SPD gehört er seit 1956 an. Bis 1970 war er fünf Jahre lang Landesvorsitzender der Jungsozialisten. Das verführt zu der Frage: "Wie ist Ihr Verhältnis heute zu den Jusos?" Antwerpes denkt einige Sekunden länger als gewöhnlich nach, bevor er antwortet: "Persönlich gut." Mit Forderungen wie dem Bodenrecht hätten sich die Jusos große Verdienste erworben, aber über Radikale im öffentlichen Dienst denke er ganz anders. Da habe der Schutz der Demokratie für ihn unbedingt Vorrang.
    In den Landtag kam Antwerpes, der in seiner Partei neben einem Platz im Landesvorstand viele Ämter hat, 1970. Seither hat er sich einen hohen Ruf als Fachmann für Verwaltungs- und Gebietsreform erworben. Er ist Vorsitzender des Arbeitskreises Verwaltungsreform und stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Landesplanung der SPD-Landtagsfraktion. "Wir müssen Städte und Kreise schaffen, die aufgrund ihrer Größe in der Lage sind, ihren Anspruch auf Selbstverwaltung gegenüber dem Land aufrechtzuerhalten", sagt er. Aber er fürchte, daß im Landtag schon viele "am kleinen Karo weben", fügt er mit Blick auf anstehende Entscheidungen hinzu.
    In Duisburg ist Franz-Josef Antwerpes Chef der "Eierköpfe". So werden im Rathaus die acht Wissenschaftler genannt, die dem Planungsstab der Stadt angehören. Sie stellen Weichen für die kommunale Entwicklung, sind aber auch für die in Duisburg sehr wichtigen Umweltschutzfragen zuständig.
    Der sportliche Ehrgeiz des früher aktiven Handballers hält sich im Rahmen. Ein "Tennisarm" zwingt zur Pause. Ausgleichssport ist das Radfahren. Mit seiner Frau und den zwölf und acht Jahre alten Söhnen radelt er durch neu zu gliedernde Gebiete, um sich "ohne offizielle Hilfe von allerhand nicht vorhandenen Verflechtungen zu überzeugen".
    "Schauten Sie am linken Niederrhein nach Beute für Duisburg aus?"
    "Nein, wir strampelten durchs Lipperland und durch das Wiehengebirge, um die Probleme von Ober- und Unterlübbe kennenzulernen."
    Gerd Goch

    ID: LI732202

  • Dr. Bernhard Worms (CDU).
    Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Verwaltungsreform.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 21 - 21.09.1973

    Er spricht nicht gerne über sich selbst. Aber er kann nicht verhindern, daß andere über ihn sprechen. Und zwar anerkennend mit einem Anflug dessen, was man als Hochachtung bezeichnen könnte. Und gesprochen wird seit Beginn der Verwaltungsreform sehr häufig über Dr. Bernhard Worms, der im Ringen um neue Verwaltungsgrenzen keine Auseinandersetzung scheut, um der Mitwirkung und Mitbestimmung des Bürgers an der Gestaltung seiner Gemeinde unmittelbare Auswirkungsmöglichkeiten zu verschaffen. Für diese Forderung ficht er im Landtagsausschuß für Verwaltungsreform, dessen stellvertretender Vorsitzender er seit März diesen Jahres ist, mit sichtbarem Erfolg. Und im Plenum hat seine Stimme Gewicht, wenn er davor warnt, die angestrebte Reform der Gemeinden durch einen Abbau der spürbaren Demokratie zu erkaufen.
    Neue Gemeinden, sagt er, dürfen keine leeren Hüllen werden, kommunales Bewußtsein darf nicht verwischt werden. Demokratisches Verantwortungsbewußtsein hat in der Familie des 1930 in Stommeln geborenen Dr. Worms eine gute Tradition, die sichtbar durch die Großmutter begründet worden ist. Sie wurde bereits 1919 als erste Frau in den Oberhausener Stadtrat gewählt. In Sinnersdorf bei Köln arbeitete bis 1933 sein Vater, Zentrumsmitglied wie die Großmutter, im Gemeinderat und auch Dr. Bernhard Worms, Vater von drei Kindern, wirkt als Fraktionsvorsitzender der CDU im Gemeinde- und Kreistag in Pulheim sowie im Kreis Köln-Land. Als er 1970 in den Landtag einzog, war es für ihn selbstverständlich, Mitglied des Verwaltungsreform-Ausschusses zu werden, sich auch der Landesplanung und der Parlamentsreform zu widmen.
    Seine Mandate betrachtet Dr. Worms, der hauptberuflich als Oberpostdirektor bei der Oberpostdirektion in Köln die Öffentlichkeitsarbeit betreibt und Verantwortung für den inneren Dienst trägt, als Verpflichtung, die ihm der Bürger übertragen hat. Und diesem Bürger gegenüber fühlt er sich auch sichtbar verpflichtet. Etwa mit der Forderung, in den neugeordneten Gemeinden in direkter Wahl Bezirksausschüsse zu installieren und Bezirksbürgermeister zu berufen. Oder mit der Vorstellung, auch den Chef der Verwaltung direkt wählen zu lassen. Sein Demokratie-Verständnis prägt freilich auch seine Arbeit für die CDU, der er seit 1946 angehört und in der er schon früh Führungsaufgaben übernommen hat. Der Landesverband Rheinland wählte den begabten Organisator 1968 in den Landesvorstand, und nicht zufällig fällt sein Name, wenn Überlegungen angestellt werden, die Organisation der Landespartei einem Generalsekretär anzuvertrauen, von dem Dr. Worms selbst sagt, daß er sich dem demokratischen Auslesewettbewerb eines Landesparteitages zu stellen habe. Seine ständige Bereitschaft freilich, Demokratie zu praktizieren, füllt seinen Terminkalender bis zum Bersten. Lediglich am Wochenende gönnt er sich Entspannung und die Rolle des Zuschauers bei den Heimspielen des SC Pulheim.
    Klaus Simson

    ID: LI732102

  • Porträt der Woche: Richard Grünschläger (SPD).
    Vorsitzender des Ausschusses für Verwaltungsreform.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 20 - 14.09.1973

    Seit die Landtagsabgeordneten die Verwaltungsreform behandeln, wird ihre parlamentarische Arbeit von den Parlamentsjournalisten mit zunehmendem Respekt begleitet. Dies wurde besonders sichtbar, als in der vergangenen Woche der Landtag den Gesetzentwurf über die Ruhrgebietsreform beriet.
    Je mehr sich Journalisten Einblick in die Verwaltungsreform verschaffen müßten, um sachkundig ihren Lesern und Hörern zu berichten, um so besser können sie heute die Schwere der Abgeordneten-Verantwortung ermessen. Das journalistische Mitgefühl gegenüber den Landtagsabgeordneten stellt sich in besonderem Maße bei der schwierigen Ruhrgebietsreform ein. Daß dabei der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für die Verwaltungsretorm hart gefordert wird, erscheint auch skeptischen Journalisten zutreffend zu sein.
    Dabei helfen allerdings Richard Grünschläger drei wesentliche Tatbestände: zum einen ist er ein Kind des Reviers, in Witten geboren, groß geworden, dort ansässig und berufstätig. Die Kenntnis über Land und Leute, besonders im Revier, erweist sich jetzt sowohl für den Ausschuß-Vorsitzenden Grünschläger als auch für das Parlament als ein besonderer Gewinn. Zum anderen haben der immense Fleiß und die charakterliche Ausgewogenheit Grünschlägers Entscheidendes dazu beigetragen, wenn eines Tages alle Verwaltungsreformen in unserem Lande abgeschlossen sein werden.
    Grünschläger ist Sozialdemokrat. Hier ist der besondere Hinweis auf den Vater angebracht, der im Reichsbanner die Weimarer Republik verteidigte und die neue Republik unter dem Bonner Grundgesetz als führender Sozialdemokrat in Witten aufzubauen half. Fragt man nämlich den ehemaligen Leiter des Wittener Jugendamtes und jetzigen städtischen Verwaltungsrat im Bereich der Stadtentwicklung, warum er für die Sozialdemokratie in die Politik ging, erhält man die aufschlußreiche Antwort: "Was mein Vater für die arbeitenden Menschen im Ruhrgebiet getan hat, das will ich im Parlament als Abgeordneter auf der Landesebene fortsetzen!"
    Grünschläger, heute 44 Jahre alt, hat in der sozialdemokratischen Jugendbewegung "Die Falken" mit seiner politischen Tätigkeit begonnen. Von hier brachte er die ersten Erkenntnisse über die Wichtigkeit kommunaler Jugendarbeit mit. Kein Wunder, daß er später als gelernter Verwaltungsfachmann mit allen Prüfungen zehn Jahre lang mit vollem Engagement das Wittener Jugendamt geleitet hat. Die Tätigkeiten im Bereich der Stadtentwicklung haben ihn einen neuen Erfahrungsschatz ansammeln lassen, den er jetzt aus der kommunalen Praxis direkt in die Ausschußtätigkeit und die Gesetzgebung einfließen läßt.
    In Richard Grünschläger, der seit 15 Jahren ohne Unterbrechung stellvertretender Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Witten mit 4500 Mitgliedern ist, findet man den sozialdemokratischen Kommunal- und Landespolitiker in Reininkarnation: ständig bemüht um bessere Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen weiß er, daß große Würfe nur selten gelingen, daß einschneidende Reformen nur mit Arbeit und mit großem Einfühlungsvermögen zustande kommen können. Daß sie aber nur Bestand haben, wenn der Bürger gefragt wurde, wenn er mitbestimmt hat.
    Fritz Przytulla

    ID: LI732002

  • Porträt der Woche: Dr. Theodor Schwefer (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 19 - 07.09.1973

    "Ich lasse mich in kein Klischee pressen", sagt der Abgeordnete Dr. Theodor Schwefer, bevor man ihn überhaupt zur Person befragen darf. Recht hat er. Wer finanziert sich schon sein Studium mit Schwielen an den Händen, um dann doch die Interessen des Arbeitgeberflügels in der CDU zu vertreten, und zwar offen und in keiner Weise unter der Decke schamhafter Verschwiegenheit? Wer sagt schon, daß er eigentlich der F.D.P. habe beitreten wollen, bevor er zur CDU gegangen sei? Wer gibt denn ungefragt zu, daß der Vater Mitglied der NSDAP war, und daß der Sohn als Schüler zur täglichen Darstellung des Frontverlaufs im Osten und Westen bevorzugt an die Wandtafel gerufen wurde?
    Theo Schwefer ist katholischer Westfale. Da ist immer Vorsicht geboten. Er ist Fußballfan, spielt aber lieber Tennis. Er läßt kaum eine Skatrunde aus, zieht aber Doppelkopf vor. Schwefer ist auch ein nachgerade krankhafter Zeitungsleser. Bis zu zwanzig Tages- und Wochenzeitungen gehören zu seiner täglichen Lektüre, von der "Herald Tribüne" bis zur "Zürcher Zeitung". Ein unstillbares Informationsbedürfnis über die Wechselwirkungen von Staat und Gesellschaft, Wirtschafts- und Sozialpolitik kennzeichnet diesen Mann, der erst 1970 in den Düsseldorfer Landtag kam, heute aber schon Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses und Mitglied des Fraktionsvorstandes der CDU ist.
    Schwefer entstammt einer Kaufmannsfamilie mit sechs Kindern in Neheim-Hüsten. Das Jurastudium in Köln unter Nipperdey und Hippel finanzierte er sich mit dem Bau von Stahlfenstern an einer Werkbank. Nach der Promotion im Jahre 1958 als 28jähriger hätte er in den Staatsdienst gehen können. "Der Staat", sagt Schwefer, "kann immer nur ultima ratio sein, wenn die Gesellschaft ihre Probleme nicht mehr selbst löst."
    Also ging Schwefer in die freie Wirtschaft. Heute ist er Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes für das südöstliche Westfalen. Er sitzt in den Führungsgremien des Landesarbeitsamtes und der Landesversicherungsanstalt Rheinland, der westfälischen CDU und der Arnsberger Ortskrankenkasse. Die Frage nach seinem politischen Standort wird mit großer Unbefangenheit beantwortet: "Ich verteidige eine liberale Position im Sinne höchstmöglicher Freiheit des einzelnen. Die Unternehmer müssen ebenso eine tragende Stütze dieser Gesellschaftsordnung bleiben wie die Arbeitnehmer. Freie Arbeitgeber und freie Arbeitnehmer bedingen einander. Entscheidend ist die Sozialpflichtigkeit aller Gruppen und Verbände, die in unserer pluralistischen Gesellschaft Macht und Einfluß verkörpern."
    Schwefer strebte, als er in den Landtag kam, zuerst in den Wirtschaftsausschuß. Der Tod seines Freundes, des CDU-Abgeordneten Helmut Kumpf, hat ihm die Nachfolgerrolle als Vorsitzender des Haushaltsausschusses zugetragen. Man darf es glauben: "Es war der Wunsch des Fraktionsvorsitzenden Köppler, nicht meine Bewerbung." In seiner neuen Position steht Schwefer aber auch vor der Frage, ob er Berufspolitiker wird. "Ich sträube mich dagegen, doch vom Zeitaufwand her bin ich es schon jetzt."
    Immerhin kann der Abgeordnete Schwefer zehn verantwortliche Berufsjahre in der freien Wirtschaft als Erfahrungsschatz für seine künftigen politischen Aufgaben einbringen. Schwefer ist mit seinen inzwischen 43 Jahren kein politischer Frühstarter. Ihn zeichnet eine behäbige Gradlinigkeit, eine leise Nachdrücklichkeit und ein unauffälliges Selbstbewußtsein aus. Die Familie mag das am besten wissen: Frau Riet, eine Holländerin, die Töchter Debbie und Ira sowie der Sohn Patrick. Auch Skatfreunde wissen: Wer Theo Schwefers listige Augen unterschätzt, lebt gefährlich.
    Lothar Bewerunge

    ID: LI731902

  • Dr. Diether Posser (SPD).
    Justizminister von Nordrhein-Westfalen.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 18 - 31.08.1973

    Der Landtag mußte aus den Ferien zurück. Die Pfui- und Bravo-Argumente in der Öffentlichkeit überschlugen sich. Seit seine Unterschrift die Ernennungsurkunde des DKP-Funktionärs Volker Götz zum Richter auf Probe ziert, ist sein Name bis in den letzten Winkel der Bundesrepublik gedrungen, der Name Dr. Diether Posser (51), einst Landesminister für Bundesangelegenheiten in Bonn, jetzt NRW-Justizminister, verheiratet, Vater von vier Kindern. Selbst der politische Gegner versagt diesem Mann aber nicht den menschlichen Respekt, obwohl seine schließlich gestoppte Götz-Ernennung ihn leicht ins Zwielicht hätte bringen können. Diether Posser ist ein integrer Demokrat. Niemand zweifelt daran.
    Mit der Beharrlichkeit eines Elefanten schob sich dieser Mann in der Politik nach vorn. 1957 war er Junior-Sozius des damaligen Essener Rechtsanwalts und heutigen Bundespräsidenten Heinemann. Als die Gesamtdeutsche Volkspartei Heinemanns aufgelöst wurde, ging er mit seinem Vorbild in die SPD, ein Presbyter und Synodale der Evangelischen Kirche, angehaucht von jenem pazifistischen Protestantismus, der durch die Namen Niemöller und Mochalski umrissen wird.
    Als Anwalt verteidigte Posser nach dem KPD-Verbot mehrfach Kommunisten, vertrat Wehrdienstverweigerer, und im Landtag von Nordrhein-Westfalen gab er seine Visitenkarte als blendender Redner ab. Doch der Sprung auf die Abgeordnetenbank gelang erst im dritten Anlauf. 1958 und 1962 kandidierte er vergeblich. 1966, als er nach neun Jahren endlich in den Vorstand des SPD-Unterbezirks Essen gewählt wurde, kam er auch ins Landesparlament.
    Von nun an ging's bergan. Auf Anhieb wurde der Parlamentsneuling zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt. Zwei Jahre später war er stellvertretender Vorsitzender im SPD-Bezirk Niederrhein, 1970 bekam er Sitz und Stimme im Bundesparteivorstand der SPD.
    Der Genosse von der intellektuellen Sorte hatte unterwegs ein Angebot von Bundeskanzler Brandt, ins Bundeskabinett zu kommen. Doch Posser zog den Platz im Lande vor. Im Föderalismus sieht er trotz aller Unkenrufe noch immer eine Chance. "Die Rede von einer angeblichen Krise des Föderalismus erweist sich ... als unberechtigt", postulierte der Minister. "Sie ist eher unter psychologischen Gesichtspunkten zu erklären, nämlich der menschlichen Neigung, für ein verspürtes allgemeines Unbehagen einen Blitzableiter zu suchen, und hierfür muß eben bei uns oft der Föderalismus herhalten."
    Dieser vielgepriesene, vielgeschmähte Föderalismus hat offenbar auch noch eine Chance für ihn selbst. Unter den Nachfolgekandidaten für Ministerpräsident Kühn gilt der Mann, der sich auch vor Knochenarbeit nicht scheut, immer noch als Nummer eins. Doch im Augenblick hat er andere Sorgen: Götz und die Folgen. Daß er außerdem noch mit den Problemen überfüllter Haftanstalten und einem chronischen Mangel an Aufsichtspersonal fertig werden muß, wird darüber fast vergessen.

    Helmut Locher

    ID: LI731802

  • Porträt der Woche: Dr. Franz-Joachim van Aerssen (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 16 - 01.06.1973

    Daß die Intelligenz links stehe, kann man am Beispiel des CDU-Landtagsabgeordneten Dr. Franz-Joachim van Aerssen gewiß nicht beweisen. Eher schon, daß man bei geschickter Rationalisierung des Leistungsprinzips zu gleicher Zeit in Bonn über die Integrationsprobleme des Comecon in GATT und EWG promovieren, in Geldern einen erfolgreichen Landtagswahlkampf als Direktkandidat mit 71,4 Prozent betreiben und auch noch in Kevelaer auf Brautschau gehen kann.

    "Das war alles ein bißchen viel damals im Jahre 1970", sagt van Aerssen heute, da er sich als Rechtsanwalt in Düsseldorf niedergelassen hat, die Öffentlichkeitsarbeit der Industrie- und Handelskammer betreut und in der Opposition an zahlreichen Initiativen zur Verbesserung der Regierungskontrolle arbeitet. Will man van Aerssen mit britischen Begriffen beschreiben, so gehört er zu jenen High-brow-Politikern, die das permanente Understatement als Waffe benutzen: immer zurückhaltend, ein kritischer Zuhörer, in eigener Sache niemals laut, aber durchaus energisch. Ein Mann, der weiß, was er will, beruflich und politisch.

    Die Familie van Aerssen isf seit Generationen in Kevelaer ansässig. Ein Urahn hat die alte kleine Wallfahrtskirche gebaut. Franz-Joachim van Aerssen, am 15. April 1941 geboren, besuchte das humanistische Gymnasium und studierte in Bonn, Freiburg und Köln zunächst die Jurisprudenz, dann in Köln und Freiburg die Wirtschaftswissenschaften. Die Nationalökonomen der "Freiburger Schule" haben seine politischen Grundanschauungen mitgeprägt: ein uneingeschränktes Engagement für die soziale Marktwirtschaft und das Prinzip eines freiheitlichen Pluralismus, für eine offene Gesellschaft und gegen eine ideologisch vorgeprägte, vom Staatssozialismus dirigierte Gemeinschaft.

    Als Hinterbänkler hat der Neuling van Aerssen 1970 im Landtag garnicht erst angefangen. Seine Tätigkeitsfelder sind mit Haushalt und Justiz, Staats- und Verfassungsrecht, Föderalismusfragen und vor allem — dank eigener Initiative — mit Problemen der Kontrolle der öffentlichen elektronischen Datenspeicherung und der Regierungsplanung zu beschreiben. Die Erfahrungen aus den ersten drei Abgeordnetenjahren bringt er auf zwei kurze Nenner: unzureichende Arbeitsmöglichkeiten einer parlamentarischen Opposition gegenüber einer übermächtigen Regierungsbürokratie und der erfreuliche Eindruck, daß man in dieser CDU unter Köpplers liberaler Führung von vornherein "so uneingeschränkt mittun" durfte.

    Dem Akademiker van Aerssen hätte auch die Hochschullehrerlaufbahn offengestanden. Er empfand sie bei allem Hang zur wissenschaftlichen Analyse politischer Gegebenheiten als zu abstrakt. Sie bringe "zu wenig praktische Gestaltungsmöglichkeiten". Dennoch versteht er sich nicht als Berufspolitiker, schon weil es besser sei, sich mit einem Beruf jenseits der Politik von den Gefährnissen parteilicher Abhängigkeiten freizuhalten.

    Zu dem Politiker van Aerssen, der auch als in vielen Sätteln gerechter Referent geschätzt ist, gehört natürlich notorischer Freizeitmangel. Als Hobbys nennt er Schwimmen und Wandern, mehr als Wunsch auch das Reisen, wenn möglich im Familienverbund mit seiner Frau, Sohn Rick und Tochter Alix. Hinter der Reiselust könnte sich bei einem so jungen Mann auch eines Tages die Sehnsucht nach einem internationalen Parkett offenbaren.

    Lothar Bewerunge

    ID: LI731602

  • Porträt der Woche: Fritz Denks (SPD).
    Mitglied des Präsidiums.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 15 - 18.05.1973

    Obwohl sein Haupttätigkeitsfeld seit vielen Jahren der Düsseldorfer Landtag ist, hat er seine politische Arbeit an der parlamentarischen Basis, in der Gemeinde, nicht vergessen: Fritz Denks (61), Abgeordneter der SPD und einer der Altgedienten seiner Partei. Das Vertrauen, das er ausstrahlt, und sein Bedürfnis, sich für die sozialen Belange anderer stark zu machen, haben den Ausschlag gegeben, daß die sozialdemokratische Fraktion ihn für ein ehrenvolles Amt ausersah. Fritz Denks ist Mitglied des Präsidiums des Landtags.
    Der heute 61jährige ist in Mülheim an der Ruhr zu Hause. Dort hat er lange im Rat der Stadt als Stadtverordneter gewirkt und war fünf Jahre Bürgermeister. Die Sorgen um das Geschick der Kommune, das Mitbestimmen des Werdegangs seiner Heimatstadt im Ruhrgebiet, haben Denks' politisches Handeln und Denken so stark beeinflußt, daß er es als eine seiner wichtigsten Autgaben auf Landesebene ansieht, sich für die Gemeinden stark zu machen. Er will, wie er selbst sagt, dabei kein Briefträger sein, sondern aktiv mithelfen, mehr Kontakte zwischen den Parlamentariern in Düsseldorf und den Ratsvertretungen draußen im Land herzustellen. Ratsarbeit ist für Fritz Denks keine Nebenbeschäftigung. Er betont, daß die Tätigkeit im und für den Rat einer Stadt heute einen großen Teil der Zeit eines Kommunalpolitikers einnimmt. In der geänderten Gemeindeordnung, ein entsprechender Gesetzentwurf wird zur Zeit beraten, soll diese parlamentarische Tätigkeit in den Stadtparlamenten entsprechende Würdigung erfahren, was sich nach den Worten Denks auch finanziell niederschlagen soll.
    Der Abgeordnete Fritz Denks kam 1966 in den Landtag. In den ersten vier Jahren gehörte er dem Ausschuß für Jugend, Familie und politische Bildung sowie dem Petitionsausschuß an. Zur Zeit ist er Mitglied im Ausschuß für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie im Sportausschuß. Als Präsidiumsmitglied kümmert er sich, wie er sagt, unter anderem auch um die soziale Situation der Bediensteten des Landtags.
    Fritz Denks wurde am 26. Oktober 1911 in Mülheim geboren. Nach dem Schulbesuch erlernte er den Beruf eines Pflasterers. 1941 zur Wehrmacht eingezogen, ereilte den Artilleristen das Schicksal so vieler Soldaten. Er wurde im Osten schwer verwundet und verlor einen Fuß. Körperlich so gehandicapt, konnte Fritz Denks seinen alten Beruf nicht mehr ausüben. Er trat deshalb in die Dienste der Stadtverwaltung Mülheim ein. 1950 wechselte er jedoch zur Allgemeinen Ortskrankenkasse, um die Möglichkeit zu haben, als Ratsmitglied die Kommunalpolitik mitzubestimmen. Er ist Träger des Ehrenrings der Stadt Mülheim.
    Zur SPD ist Denks im Jahr 1929 gestoßen. Ausschlaggebend für seinen Eintritt in die sozialdemokratische Partei waren Gespräche mit jungen Sozialdemokraten, die er als Mitglied der Jugendbewegung auf Wanderungen führte. Auch heute macht der Vater von vier Kindern, der sich 1975 vom politischen Leben in Düsseldorf zurückziehen will, um jüngeren Platz zu machen, noch gerne einen ausgedehnten Spaziergang durch das reizvolle Ruhrtal. Eckhard Hohlwein

    ID: LI731502

  • Porträt der Woche: Margarete Verstegen (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 14 - 11.05.1973

    Das Gespräch von Mensch zu Mensch — auch mit dem politischen Gegner — gehört für sie zur Politik wie der Sekt zum Kaviar. Sie hat die seltene Gabe, zuhören zu können. Mit Wortmeldungen, ob im Plenum oder in der Fraktion, geht sie sparsam um. Ihre "Stärke" liegt in der Diskussion in den Ausschüssen, in denen die politische Kärrnerarbeit geleistet wird. Bei aller Fraulichkeit ist sie erstaunlich nüchtern. Sie spricht immer knapp und zielstrebig in und zur Sache. Sie sagt straks ihre Meinung. Mit dem Öl der demagogischen Rhetorik ist sie nicht gesalbt.
    Aufgewachsen in einem katholischen Elternhaus in Emmerich stieß die seit 1969 dem Landtag angehörende Margarete Verstegen schon früh zur katholischen Jugendbewegung. Das genügte ihr aber nicht. 1952 schloß sie sich der Jungen Union in Emmerich an. Erst tastend — ohne Mitglied der Partei zu werden. Dann stellte sie jedoch fest: Man kann nur Einfluß auf die Politik gewinnen, wenn man auch Mitglied einer Partei ist und damit zugleich Einfluß gewinnt auf die Wahl der Mandatsträger. So trat sie 1956 der CDU bei. Und noch im gleichen Jahr bestand sie ihre erste "politische Mutprobe". Bei der Vorstandswahl ihres Ortsverbandes scheute sie als "politisches Greenhorn" nicht eine hartnäckige Kampfabstimmung, als es um die Wahl des Schriftführers ging. Erst im zweiten Wahlgang wurde sie mit nur einer Stimme Mehrheit gewählt. Wenn auch in einem nur kleinen politischen Bereich, hatte sie damit frühzeitig den harten Wind der Politik geschnuppert. Heute ist sie Mitglied in zahlreichen Parteigremien "an der Basis" wie auch Mitglied des Landesparteivorstandes der rheinischen und des Vorstandes der CDU- Frauenvereinigung Rheinland. Vor einigen Monaten wurde sie zur stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft Bezirk Niederrhein gewählt.
    Als Sachbearbeiterin im Sozialamt ihrer Heimatstadt Emmerich sitzen ihr vor allem Frauen, sogenannte Sozialhilfeempfangerinnen, gegenüber. Sie kommen nicht nur, wenn sie vom Amt etwas haben wollen. Sie kommen auch zuweilen "nur einmal so" — um ihr Herz auszuschütten, von ihren menschlichen Nöten zu erzählen. Das erleichtert. Sie wissen, daß sie bei Margarete Verstegen mit einfühlsamem Verständnis rechnen können. Die Abgeordnete erfährt aber auch die bittere, materielle Not vieler alter Frauen, deren Männer gestorben sind. Daher fordert sie immer wieder nachdrücklich, die finanzielle Lage dieser Frauen wirksam zu verändern.
    Sehr enttäuscht ist Margarete Verstegen über das erschreckend geringe politische Engagement der Frauen. Sie sollten die Schuld nicht auf die Männer schieben, sondern sich solide informieren, politisch schulen und kräftig mitmischen. "Dabei sollten die Frauen um Himmels willen nicht versuchen, die Männer zu kopieren. Mann und Frau sind zwar gleichberechtigt, aber nicht gleichartig." Margarete Verstegen gesteht ein, daß es manchen Frauen, vor allem in kinderreichen Familien, sehr schwerfällt oder sogar unmöglich ist, sich politisch intensiv zu betätigen. "Aber um eine elementare politische Information sollten auch sie sich nach Möglichkeit bemühen", meinte die Abgeordnete und fügte hinzu: "Es ist zudem nicht einzusehen, daß der Mann regelmäßig zu seinem Kegel- oder Skatabend geht und nicht hin und wieder am Abend auf die Kinder aufpaßt, wenn seine Frau einmal eine politische Veranstaltung besuchen möchte." Und dann unterhielten wir uns zum Abschluß noch über die wachsende politische Radikalisierung. Schlicht und trocken stellte Margarete Verstegen fest: "Bei der Luftverschmutzung beispielsweise spricht man — und mit Recht - von einer Toleranzgrenze. Eine solche Grenze gibt es auch im politischen Leben eines freiheitlich demokratischen Staates, der sich nicht selbst aufgeben will."
    Paul Zugowski

    ID: LI731402

  • Porträt der Woche: Dr. Horst-Ludwig Riemer (F.D.P.)
    Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 13 - 04.05.1973

    Seine ersten Erfahrungen mit der freien Marktwirtschaft sammelte der jetzige Landeswirtschaftsminister schon im schulpflichtigen Alter: Zu Zeiten der "Murkswirtschaft" nach dem zweiten verlorenen Krieg brachte er auf dem Berliner Schwarzmarkt selbstgefertigte Zigarren erfolgreich an den Mann.
    So verwundert denn auch nicht, daß der aus Ostpreußen gebürtige und dann in Düsseldorf ansässig gewordene Horst-Ludwig Riemer als Student — nach anfänglichen Gehversuchen im Studienfach Chemie — sich den Rechtswissenschaften und der Ökonomie verschrieb. Darin brachte er es mit Fleiß und Ehrgeiz bis zum Dr. jur, (1960); und fast hätte er sich auch noch den Dr. rer. pol. vor seinen Namen setzen dürfen, würde er es nicht vorgezogen haben, das "MdL" dahinter führen zu können: der zweite Doktortitel und der Junganwalt blieben auf der Strecke, nachdem der F.D.P.-Mann am 25. Juli 1966 in den Düsseldorfer Landtag eingezogen war und sich fortan als Berufspolitiker zu etablieren begann.
    In den Umgang mit der Parteimacht konnte sich der im April 1972 mit 39 Jahren zum Vorsitzenden des mitgliederstärksten F.D.P.-Landesverbandes gewählte Politiker während der voraufgegangenen Jahre auf vielerlei Parteiamtsstühlen einüben. So war er als Landeschef der Jungdemokraten von 1963 bis 1967 Part und Widerpart von F.D.P.-Boß Willi Weyer; so diente er dann von 1968 bis 1972 als stellvertretender Parteivorsitzender und schließlicher "Kronprinz" im Schatten von "Big Willi". Angestoßen worden zum parteipolitischen Engagement war der Oberprimaner Riemer durch etwas, was ihn unmittelbar zu betreffen drohte: durch die Wiederbewaffnungsdebatte. Bei den Jungdemokraten war er schließlich hängengeblieben, weil er hier die besten Debatten erlebte.
    Erste Einblicke in die Techniken der Handhabung von Regierungsmacht konnte der jetzige Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr (seit 1970) als Regierungsrat im selben Hause gewinnen, dem er jetzt vorsteht: bei dem Minister und Parteifreund Kienbaum war er persönlicher Referent für Bundesrats- und Bundestagsangelegenheiten. Der Mann, der erstmals durch das nach ihm benannte und mit nur einer Stimme Mehrheit vom F.D.P.- Bundesparteitag verabschiedete Mitbestimmungsmodell "6 :4 : 2" bundesweit bekanntgeworden war, brachte sich als Minister binnen kurzem so oft kontrovers in die Spalten der Presse, daß ihm bald der Ruf eines "Trouble-Makers vom Dienst" anhing. Äußerlich rasch in die Kleidergröße seines Parteiamtsvorgängers Weyer hineingewachsen, da ihm, wie er bedauert, die Zeit zu Trimm-Aktionen ebenso zu fehlen begann wie für seine Frau und die drei Kinder, hat sich der Minister und F.D.P.-Landesfürst dabei besonders oft mit den Gewerkschaften angelegt. Die öffentliche Kritik, die er für derlei liberale Abgrenzungsattacken oft erfuhr, nahmen er und sein Referententeam aber meist gelassen, weil mit einkalkuliert, hin.
    Mehr noch möchte sich der Freidemokrat Riemer allerdings auf anderen Gebieten profilieren: auf dem der liberalen Theorie beispielsweise. Doch für seine geplante Grundsatzschrift möchte er noch "viel, viel nachdenken". Daher will er zunächst die Weiterbildungsqualitäten, die sein Ministeramt auch hat, nutzen, um seine energiepolitischen Vorstellungen (These: der Staat muß regulierend eingreifen) zu Buche zu bringen — ein Themenkreis, aus dem er einst den Dr. rer. pol. zu holen gedachte. Da der Minister dieses Buch selbst schreiben (und nicht, wie oft üblich, schreiben lassen) will, wird sich wohl bald ein Dr. rer. pol. ehrenhalber finden.
    Hartwig Suhrbier

    ID: LI731302

  • Porträt der Woche: Heinz Hardt (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 12 - 06.04.1973

    Die Initialzündung kam im Landtagswahlkampf 1970: Als der Düsseldorfer CDU-Kandidat Heinz Hardt (36) immer wieder auf Verkehrsprobleme angesprochen wurde, entdeckte er seine politische Zukunft zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Vom Wahltag an, mit dem frischen Mandat in der Tasche, steuerte Hardt zielstrebig in den Verkehrsausschuß des Landtags, denn die Probleme, denen er eigentlich mehr per Zufall begegnet war, hatten ihn längst fasziniert. Heute gilt er in seiner Fraktion als Fachmann für verkehrspolitische Fragen, obwohl er nach eigener Bekundung an dieses Spezialgebiet gekommen ist, "wie die Heiden an die Hemden".
    Diese Zielstrebigkeit gehört zum Wesen des jungen Abgeordneten, der am 13. August 1961, am Tag des Mauerbaus, beschloß: "Jetzt mußt Du politisch aktiv werden". Sein Weg durch die verschiedenen Gremien der Jungen Union, der CDA und der CDU bis in den Landtag von Nordrhein-Westfalen ist logisch und konsequent.
    Das Wort "machbar" ist aus dem Sprachschatz des Düsseldorfer CDU-Abgeordneten kaum noch wegzudenken. Also ein Technokrat? Eher ein Techniker bis in die Haarwurzeln, denn der Mann, der Teamwork liebt, ist von Haus aus Ingenieur für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik. Und so wie er in die Entwürfe eines Architekten die idealen Klimaverhältnisse einzubauen versucht, so macht er Politik: Planend, tüftelnd, hartnäckig und eben so lange, bis der Plan "machbar" ist.
    Sein zweites Schlüsselwort ist "Mobilität". Das Verkehrskonzept, das sich in seinem Kopf formte, sieht für den Personennahverkehr zwar auch die entscheidende Zukunft erst kommen, aber daneben immer noch genügend Raum für den Individualverkehr. Wenn sich der "standortbezogene Berufsverkehr" über öffentliche Verkehrsmittel abwickeln lasse, "bekommen wir auch Mobilität in die Städte", hofft Hardt.
    Er braucht die unmittelbare Beziehung zu den Wählern, zu den Bürgern. Er sucht sie in Vereinen und bei Bürgerinitiativen. Doch er liebt zugleich das Schweigen der Berge und geht gern auf hochalpine Touren, "einfach um einsam zu sein". Seine Frau und seine drei Söhne haben auch dann wenig von dem Mann und Vater, der inzwischen leidvoll weiß, daß die Politik ihren Preis fordert.
    Helmut Locher

    ID: LI731202

  • Porträt der Woche: Johannes Rau (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 11 - 30.03.1973

    Ein Kasten Bier stand zur Wette: Wissenschaftsminister Johannes Rau (SPD) hat sie gewonnen und doch bezahlt. Im Herbst letzten Jahres hatte ein einflußreicher Oppositionspolitiker dem Minister angedroht, ihn bis Weihnachten (politisch) so umzuhauen, daß er nicht mehr aufstehen könne. Der 42jährige Wuppertaler, verantwortlich für acht Universitäten, fünf Gesamthochschulen, drei Pädagogische und zehn Fachhochschulen, steht nach wie vor. Und da er wahrscheinlich als letzter auf den Gedanken käme, er könnte wanken, kostete er die Fehlankündigung launig aus: Dieweil Rau noch immer auf das CDU-Bier wartet, kredenzte er der anderen Seite ein paar Flaschen Wein. Typisch für den von der Persönlichkeit vielleicht interessantesten Mann des Düsseldorfer Kabinetts.
    Der kinderliebe Junggeselle, vielfach zum "Sonny-Boy" der Regierung abgestempelt, tut so, als trage er schwer daran, daß man ihn oft für "flapsig" hält. Und während er noch so tut, flapst er schon wieder. Bibelzitate und Gesangbuchverse ("ich kenne eben so viele") müssen für den oft geistreichen Witz des in einem frommen Barmer Elternhaus aufgewachsenen und in der evangelischen Kirche stark engagierten Ministers kaum noch herhalten. Seit die christlichen Demokraten bei ihren Parlamentsattacken die Rausche Marotte, fromme Worte überzustrapazieren, ihrerseits überstrapazieren, läßt er's. Schlagend kontern kann er auch so.
    Als Ministerpräsident Heinz Kühn den Wuppertaler Oberbürgermeister 1970 zum Wissenschaftsminister machen wollte, rieten viele Genossen ab, obwohl Rau zwölf Jahre lang im Landesparlament beredt und mit Erfolg der Bildungspolitik Akzente gesetzt und zuletzt die SPD-Fraktion drei Jahre geführt hatte. Zweifel wurden laut, ob der burschikose Enddreißiger zum Krisenmanager an der Hochschulfront tauge. Doch beschenkt mit politischem Geschick, rhetorischer Brillanz, seinem Staatssekretär Schnoor und einer Portion Glück bescherte er Nordrhein-Westfalen bisher weder "Berlin" noch "Heidelberg". Stattdessen fallen in seine kurze Amtszeit ein geradezu gigantischer Studienplatzausbau sowie die Gründung von zehn Fach- und fünf Gesamthochschulen.
    So imponierend sich das ausnimmt, die eigentlichen Probleme kommen erst: Seine schon alte Drohung, den in sich zerstrittenen Universitäten eine neue Satzung aufzuzwingen, wenn sie es aus eigener Kraft nicht schaffen, muß Rau eines Tages wahr machen. Auch weiß er, daß die fünf Gesamthochschulen ein bloßer organisatorischer Kraftakt wäre, klappte es nicht mit der im Herbst anlaufenden Studienreform. Und schließlich muß eine Studentenlawine aufgefangen werden, mit der ein auch noch so forcierter Hochschulbau einfach nicht mehr Schritt halten kann. Mittel- oder kurzfristig greifende Maßnahmen wollen erst noch gefunden und durchgesetzt sein. Denn, so Rau, "mit dem Ansteigen der Quantitätsprobleme wird die Luft an den Hochschulen dicker".
    Eine 14jährige Schülerin antwortete nach einem Landtagsbesuch auf die Frage, was sie am meisten beeindruckt habe: "Der Abgeordnete Rau. Er wußte auf alle Fragen gut zu antworten, und wo er nichts wußte, wich er geschickt aus." Auf die jetzt anstehenden Fragen eindeutig zu antworten, ist Rau gezwungen.
    Christoph Lütgert

    ID: LI731102

  • Porträt der Woche: Dr. Bernd Petermann (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 10 - 23.03.1973

    Der 45jährige Wahl-Düsseldorfer stellt in der Politik den Typ des Einzelkämpfers dar, der sich nur schwer in das breite Spektrum einer 97köpfigen Fraktion einfügt und dessen politischer Standort sich oberflächlich nur schwer bestimmen läßt. Man muß schon den Lebensweg des Dr. Bernd Petermann kennen, der für ihn so etwas wie ein politisches Programm darstellt. Der Advokat repräsentiert innerhalb seiner Partei den Citoyen, den seine urbane Umgebung von Kindesbeinen an wesentlich geprägt hat.
    Man merkt es ihm deshalb, wenn man mit ihm politisch oder persönlich konfrontiert ist, kaum an, daß er aus einer kinderreichen Familie stammt und sein Elternhaus über wenig Mittel verfügte, die den Kindern eine Ausbildung garantiert hätten, wie Petermann sie sich durch harte Arbeit erworben hat. Von der Realschule stieg Petermann um auf das Gymnasium und paukte jeweils morgens um 7 Uhr, angeleitet von einem jungen Kaplan, vor dem eigentlichen Unterricht Latein. Als Kind und Jugendlicher wurde er stark von seinem Vater, einem streng katholischen Westfalen, geprägt. Das Katholische ist bei ihm auch heute noch eine wesentliche Komponente seiner politischen Auffassungen, die ausgeprägte christlich-soziale Züge tragen. Im letzten Jahr wurde er zum Vorsitzenden des Diözesanrates der Katholiken des Erzbistums Köln gewählt.
    Den Nazis war Petermann erstmals durch das Verteilen der Hirtenworte des damaligen Bischofs von Münster, Graf von Galen, aufgefallen.
    Mit 15 Jahren wurde Petermann Luftwaffenhelfer und kam später zu einer Fallschirmjägereinheit. Seinen 18. Geburtstag verbrachte er als Kriegsgefangener in Belgien. Er holte nach seiner Entlassung das Abitur nach, um in Köln anschließend Rechtswissenschaften zu studieren. Seine Doktorarbeit behandelte das "Naturrecht der kollektiven Notwehr" (Widerstandsrecht des Volkes gegen Unterdrückung).
    Das politische Engagement des Abgeordneten Petermann gilt einer sozialen Bildungspolitik und der allgemeinen Kulturpolitik. "Wir haben uns im Elternhaus das Geld für Theaterkarten vom Mund abgespart, als ich in Duisburg-Ruhrort aufwuchs."
    "Mein Kopf gehört der Schule und mein Herz der Kultur." Heute läßt Petermann kaum eine Theaterpremiere oder einen Ballettabend aus. Er ist in den Foyers des Düsseldorfer Opernhauses eine bekannte Erscheinung.
    Neben Beruf und Politik bleiben ihm wenig Zeit für seine Frau Lena, seine achtjährige Tochter Agnes und seine Söhne Albert, Thomas und Georg. Er legt jedoch Wert darauf, trotz seiner Belastungen durch seine anwaltliche Tätigkeit — er vertritt beim Oberlandesgericht Düsseldorf zivil- und verwaltungsrechtliche Angelegenheiten — möglichst beim täglichen Mittagessen im Kreise seiner Familie zu sein.
    Allerdings: "Die Wahrnehmung des Armenrechts für einen Kumpel aus dem Ruhrgebiet lasse ich mich oft mehr Zeit kosten als die Vertretung wirtschaftlich interessanterer Sachen." Erholung und Muße findet Petermann beim Orgelspiel in der Adolphus-Kirche, beim morgendlichen Schwimmen und gelegentlich beim Tennis.
    All diese Darlegungen beantworten im Grunde die Frage nicht, wer der Abgeordnete Petermann ist: Vielleicht eine manchmal merkwürdig gegensätzliche Mischung zwischen sozial engagiertem Katholiken und urbanem Musentempler.
    Friedhelm Geraedts

    ID: LI731002

  • Porträt der Woche: Werner Figgen (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 9 - 16.03.1973

    95 Zeilen zu 33 Buchstaben darf ich nur schreiben. Was für ein Jammer bei einem so begabten Anekdotenerzähler wie Werner Figgen. Fassen wir uns also kurz. Geboren: 9. November 1921 in der Freiheit Husten, wo der Vater als Schlosser arbeitete. Von ihm hat der Sohn seinen "Pünktlichkeitstick", wie er es selber nennt. Fahrer Egon weiß: Wenn der Chef "halb neun" sagt, dann steht er schon eine Minute vorher vor der Tür.
    Was die Freiheit angeht, die war 1942 dahin. "Damals war kommunale Neuordnung durch Dekret betrieben worden", erzählt Werner Figgen. Die Mutter schrieb ihm an die Front: "Lieber Junge, wir sind nicht mehr Freiheit Husten, wir wohnen jetzt in Neheim-Hüsten 2". Was heute Jahre dauert und gewaltige Emotionen auslöst, war in jenen Tagen so einfach.
    Wie der Vater sollte auch Werner Handwerker werden. Doch auf die Dreherlehre folgten Reichsarbeitsdienst und Kommiß. Der Krieg spülte den Flaksoldaten bis vor Leningrad, wo er durch ein Fernglas die Weiße Kirche sah. Dann ging es nur noch zurück. Das waren die Jahre, die Werner Figgen prägten. Er erlebte das ganze Elend des Krieges. Bis heute kann er die schrecklichen Bilder nicht vergessen, die sich ihm bei der Räumung des Konzentrationslagers Studthoff für immer einbrannten. Er war dabei, als 35 erfrorene Kinder an der Dirschauer Brücke aus Flüchtlingswaggons geholt wurden. Er sah Danzig in Flammen untergehen und marschierte auf der Chaussee nach Langfuhr durch das grauenvolle Spalier gehenkter Landser.
    "So etwas darf nie wieder geschehen" schwor sich damals — wie viele andere — Werner Figgen. Er entkam mit einem der letzten Konvois von der Halbinsel Heia und war noch 1945 wieder daheim. Bis 1947 arbeitete er als Verzinker. Dann zog er die Konsequenz aus der Erkenntnis: "Entweder man macht Politik oder sie wird mit einem gemacht."
    Werner Figgen wollte Politik mitgestalten. Er trat der SPD bei, wurde Jugendsekretär und Geschäftsführer in Warstein. In einem klapprigen "Opel" ging er für die Partei im "schwarzen" Sauerland "auf Tournee" und gründete dort mehr als die Hälfte aller Ortsvereine. Für fünf Liter Benzin und ein Butterbrot organisierte er Versammlungen, für die er selber die Plakate klebte. Sogar seinen alten Vater, der dem "Zentrum" angehört hatte, nahm er in die SPD auf.
    Diese Arbeit "vor Ort" verwurzelte ihn tief in der Partei. Werner Figgen kennt die SPD im westlichen Westfalen, die seine Basis ist, wie kein anderer. 1948 Kreistag in Arnsberg. 1952 SPD-Fraktionschef, 1956 bis 1964 Oberbürgermeister in Hamm, wo er, was damals geradezu sensationell war, mit der F.D.P. in einer sozialliberalen Koalition regierte. CDU und SPD je 16, F.D.P. vier Ratsmitglieder).
    1961 bis 1966 Mitglied des Bundestages. 1964 Mitglied des SPD-Parteivorstandes, seit 1965 Vorsitzender des SPD-Bezirks westliches Westfalen. 1966 Arbeits- und Sozialminister, seit 1970 auch für Gesundheit zuständig.
    Gibt es ein attraktiveres Ressort? Werner Figgen: "Ich wünsche mir kein anderes!" Er darf sich für die Unterprivilegierten, die Kranken, die Jungen und die Alten einsetzen. Er darf helfen.
    Für Werner Figgen zählen in der Politik Menschlichkeit und unbedingte Loyalität. Wo er beim Bier sitzt, da wird laut und fröhlich gelacht. Der Schalk sitzt immer in seinen strahlend blauen, stets aufmerksamen Augen.
    Gerd Goch

    ID: LI730902

  • Porträt der Woche: Doris Altewischer (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 8 - 02.03.1973

    Eigentlich wollte sie Schauspielerin werden, die Hamburgerin von Geburt, doch in Westfalen aufgewachsen. Zwei Jahrzehnte später stand sie zwar nicht auf den Brettern, die für die Mimen die Welt bedeuten, dafür aber um so sicherer auf dem parlamentarischen Parkett. Nicht ganz ohne innere Genugtuung konnte sie erst in diesen Wochen feststellen — es ergab sich so am Rande einer Ausschußsitzung —, daß auch ein anderes Mitglied des Parlaments vom Schauspiel herkommt, ja, vor Jahren schon mit Erfolg auf der Bühne gestanden hat. Doch nicht der schauspielerische Ehrgeiz, sich in vielen Rollen zu bewähren, etwa auch in der politischen, hat Doris Altewischer in den Landtag verschlagen.
    Die Tochter eines Journalisten, der als Redakteur der Zentrums-Zeitung "Germania" von den Nationalsozialisten mit Berufsverbot bestraft und verfolgt wurde, entdeckte früh ihr soziales Engagement und wollte Menschen helfen, die im Schatten stehen. Sie zog daraus persönliche Konsequenzen. Sie vertauschte den Schauspielunterricht mit dem Lehrerseminar, studierte Montessori- und Heilpädagogik, wurde Lehrerin, später Sonderschullehrerin. Sie unterrichtete Hilfsschüler und Zöglinge von Fürsorge-Erziehungsheimen, kümmerte sich um Lernbehinderte und landete Mitte der sechziger Jahre am Westfälischen Institut für Jugendpsychiatrie und Heilpädagogik in Hamm.
    Längst war ihr klargeworden, daß Hilfe für die Unterprivilegierten — denn nach ihrer Meinung, die sie auch zu vertreten weiß, sind noch immer vor allem Frauen unterprivilegiert — nicht allein im sozialen Bereich geleistet werden kann. Darum ging sie zielstrebig auch den Weg in die Politik. Die Beamtin, schon reichlich mit Posten und Pöstchen in den Berufs- und Frauenverbänden bedacht, stellte sich als Sprecherin der Jungen Arbeitnehmerinnen zur Verfügung; "weil die da gerade keine andere fanden", kommentiert sie das im gespielten Understatement. In Wirklichkeit knüpfte sie dabei vielleicht unbewußt an einen Weg an, den mehr als eine Generation vor ihr eine andere Lehrerin, lange Jahre Prominenteste unter den weiblichen Landtagsabgeordneten, eingeschlagen hatte: Christine Teusch. Von der weiblichen katholischen Arbeiterbewegung und den in den CDU-Sozialausschüssen organisierten Frauen führte der Weg in den Vorstand der westfälisch-lippischen CDU und von da fast zwangsläufig in den Landtag.
    Seit 1966 geht sie hier ihren Weg und nimmt bewußt das Image einer lästigen Mahnerin für die Lebensrechte der geistig Behinderten, psychisch Kranken und Schwachsinnigen in Kauf. Ihre Hartnäckigkeit trug ihr den Namen "Miss Sonderschule" ein. Gutachten, Anfragen, Debatten und immer wieder Denkanstöße gehen auf ihr Konto; aber sie vergräbt sich nicht allein in dieser Position. Sie sieht aus ihrer schulpädagogischen Erfahrung mit Erschrecken, daß 30 Prozent der Hauptschüler keinen normalen Schulabschluß haben, daß vor allem viele jugendliche Ausländer ohne Schulausbildung oder nur mit völlig ungenügendem Bildungsniveau aufwachsen.
    Bei aller Politik vermißt sie den Kontakt zu den Kindern; denn seit 1966 hat sie keinen Unterricht mehr erteilt. Das politische Engagement läßt ihr bestenfalls noch Zeit für Leistungsgutachten über einzelne Kinder. Den Kontakt zu Erwachsenen vermißt sie weniger, und so ist sie auch im Parlament kaum unter den Abgeordneten zu finden, die einmal eine Parlamentspause dazu benutzen, um mit anderen Abgeordneten zu klönen oder mit Parlamentskorrespondenten zu diskutieren. Sie fühlt sich selbst zu sehr als Arbeitsbiene, als daß sie dergleichen Kontakte suchen würde. Das trägt ihr — jedenfalls im Parlament — einen Hauch des Unnahbaren, ja, des Spröden ein. Dabei gewinnt sie im persönlichen Gespräch mit jedem Satz, weiß für ihre Auffassung messerscharf zu argumentieren und die Meinung des Andersdenkenden zu analysieren.
    Daß die Frauen nur statistisch eine Mehrheit, in der Öffentlichkeit dagegen eine Minderheit sind, empfindet sie als empörend. Darum lädt sie Mitbürgerinnen zu Gesprächsrunden mit der provozierenden Frage: "Frauen, wollt ihr ewig schlafen?" ein.
    Max Karl Feiden

    ID: LI730802

  • Porträt der Woche: Professor Fritz Holthoff (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 7 - 23.02.1973

    Der Pädagoge steht ihm gewissermaßen ins Gesicht geschrieben. Salzmann, Pestalozzi, Kerschensteiner, die Montessori oder Wyneken, eine Ahnenreihe für Fritz Holthoff. Wäre er nicht 1915 (in Dortmund) geboren, sondern um 1890 herum — er hätte beim Hohen Meissner nicht gefehlt; man möchte einen Eid darauf ablegen.
    Unvorstellbar, ihn politisch anderswo beheimatet zu sehen als in der sozialdemokratischen Partei, die schon 1906 die Einheitsschule forderte und das "unbeschränkte Recht jedes Kindes auf Bildung und Erziehung nach Maßgabe seiner Fähigkeiten und seines Bildungswillens ohne Rücksicht auf Vermögen, Stand, Glauben der Eltern".
    Wenn Fritz Holthoff das Wort ergreift, sei es im Landtag oder auch nur vor der Presse, dann ist es immer, als sei das millionenfache Echo mithörbar, das diese SPD-Forderung aus Wilhelms Zeiten bei Lehrern und Eltern ausgelöst hat, bis auf den heutigen Tag. Klapperdürre Ausdrücke, etwa "Besoldungsgruppe" oder "Tarife", erhalten bei ihm unversehens die Weihe des Geschichtlichen. Andere wiederum, denen aufgestaute Emotionen innewohnen, wie "Elternrecht" oder "Bekenntnisschule", werden, ebenso unversehens, entmythologisiert und auf den rationalen Nenner gebracht. Beschwörend sieht ihm dabei der Eros pädagocicus über die Schulter. Zynismen sind ihm fremd, wie dem Teufel das Weihwasser.
    Das Abitur hat Fritz Holthoff erst spät ablegen können; 1937, als Externer, vor den gestrengen Auguren des Kultusministeriums in Berlin. Er hat wohl am eigenen Geist und Leben erfahren, welche Schwierigkeiten das Drei-Klassen-Schulsystem jungen Menschen bereiten konnte. Und da sind, so steht zu vermuten, auch die Wurzeln zu suchen, die ihn später mit so unvergleichlichem Elan darangehen ließen, das Volksschulwesen zu erneuern. Es träfe nicht den Kern dessen, was Holthoff als Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen geleistet hat, wollte man seinen reformatorischen Impetus unter das Rubrum der vielzitierten (technokratischen) Anpassung der Schule an "die Forderungen unserer Zeit" bringen. Holthoff ging es um mehr, um eine Sache der politischen Ethik: Die von der Verfassung garantierte staatsbürgerliche Gleichheit vor dem Gesetz mußte für den Schulpflichtigen (und angehenden Staatsbürger) erst einmal wirksam etabliert werden. Die Weichen auf dieses Ziel hin energisch und gegen viele Widerstände gestellt zu haben, ist seine große Leistung.
    Nur wer sich ins Gedächtnis zurückruft, wie unerschütterlich gewisse weltanschauliche Prävalenzen gerade auf dem Gebiet des Schulwesens in der Bundesrepublik bis in die späteren sechziger Jahre zu sein schienen, wird ermessen können, was es bedeutete, die organisatorischen Verkrustungen unseres Schulsystems aufgebrochen und neue, bessere Organisationsformen an ihre Stelle gesetzt zu haben.
    Sie haben Holthoffs Kräfte voll in Anspruch genommen. Er ging zwar auch die Hochschulfragen mit der ihm eigenen Verve an. Aber beides zusammen war von einem Mann nicht zu leisten, ohne Schaden zu nehmen, zumal nicht in den aufgeregten letzten sechziger Jahren. Im Sommer 1969 kam die Herzattacke. Danach noch kurzfristig die Rückkehr ins Kultusministerium, nun ohne den Hochschulbereich. Dann, ein Jahr später, der Rückfall und der schwere Abschied vom Amt.
    Für Holthoff, den Pädagogen von Geblüt, hat sich inzwischen ein neues Feld aufgetan, auch ein Jugendtraum erfüllt: An der Gesamthochschule Duisburg hat er nun den Lehrstuhl für Bildungspolitik und Schultheorie inne. Im Sommersemester 1973 will er ein Seminar abhalten über den Einheitsschul- Gedanken in deutschen Schulmodellen von der Jahrhundertwende bis heute.
    Hans Schwab-Felisch

    ID: LI730702

  • Porträt der Woche: Willi Weyer (F.D.P.)
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 6 - 16.02.1973

    Er hat sich zu keiner Stunde seines langen politischen Lebens von einem Menschen oder einer Organisation in seine Angelegenheiten hineinreden lassen. Und er hat immer in der Pflicht gegenüber dem Staat gestanden. Die Rede ist von Willi Weyer, für den Wertordnung und Wi'llenseinsatz höchste Prinzipien sind und der schon heute eine Art Mythos für seine Partei, die F.D.P., geworden ist. Weyer wird am heutigen Tag 56 Jahre alt.
    Seine Umgebung tragt zu dem vergangenheitsorientierten Bild bei. Wenn sie von "Big Willi" spricht, bringt sie auch den Wasserballspieler, den Jung-Türken und Döring- Intimus mit ins Gespräch. Sie klebt ihm damit eine Plakette an, die heutzutage nichts mehr gilt. Und die vor allem einem Manne nicht gerecht wird, der seit genau 25 Jahren total in der Politik steht.
    Dem Vorsitzenden der Jungdemokraten (1948), Ratsherrn und Bürgermeister gelang schon früh der Sprung nach ganz oben: 21 Jahre hat er als "Stellvertretender" und dann als Vorsitzender der F.D.P.-Landespartei, deren Stil geprägt. Über 17 Jahre ist er Landesminister. Der große Taktiker ist ein "singulares Ereignis" in Nordrhein-Westfalen. Konsequent und mit Erfolg hat er seine Partei über Höhen und durch Tiefen geführt. Stets waren er und sie dabei: in der CDU-Regierung Arnold, im SPD-Kabinett Steinhoff, dann wieder in der CDU-Regierung Meyers und schließlich in der neuen Koalition mit der SPD. Immer hat Weyer die Weichen gestellt, immer ein sehr unverhülltes Verhältnis zur Macht besessen.
    Sein politisches Testament verkündete er auf dem F.D.P.-Landesparteitag 1968 in Dortmund. Es gipfelte in dem Bekenntnis zu den "Tugenden der preußischen Staatsauffassung von Pflichterfüllung und Sparsamkeit" und in der Aufforderung an die F.D.P., "die nationale Freiheit und die soziale Ordnung zu verteidigen" und "dieses Nationalgefühl nicht zu leugnen".
    Aus seinem Parteiamt ist diese Symbolfigur der national-liberalen Ära in dem Augenblick ausgestiegen, in dem ihm persönlich Nahe- 'stehende die F.D.P. verließen und eine Jugend in sie hineindrängte, die für "Heroen"-Naturen seines Formats kein Verständnis hat. Weyer empfindet sich als Mahner des Rechts, der Ordnung und der Disziplin. Sein Staatsamt, in dem er die Verantwortung für die innere Sicherheit des Landes trägt, ist ihm auf den Leib geschrieben.
    Weyer ist ein komplexer Typ: großzügig und herrisch, eigenwillig und liebenswürdig, sarkastisch und empfindlich — voller Licht und Schatten. Ohne Furcht packt er zu, wo immer er die Konturen staatsfeindlicher Gesinnung oder auch nur den Verdacht der Illoyalität gegenüber dem Staat, seiner Partei oder auch seiner Person vermutet.
    Er gehört zu den Menschen, die einen Festsaal beleben. Aber da ist auch die andere Seite: ein Politiker, der zielgerecht plant und zugleich mit oft hemdsärmeliger Forschheit die Aufgaben erfüllen will, die er sich gestellt hat. Er ist immer aktiv, kann nie Zuschauer sein. Unter der Devise "Ganz oder gar nicht" wagt er so viel, daß die Kräfte des öfteren erlahmten. Im Zwiespalt zwischen Gewolltem und Erreichtem geht er — mitunter tief getroffen — seinen Weg: ein Einzelkämpfer mit einem unbelasteten Gewissen, der seine Kraft ganz und gar aus sich selbst schöpft.
    Dr. Gerhard Malbeck

    ID: LI730602

  • Porträt der Woche: Gustav Niermann (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 5 - 05.02.1973

    Man muß nicht unbedingt Herr Minister oder Herr Präsident sagen. Freunde dürfen ihn auch Gustav nennen. Und Freunde hat der CDU- Landtagsabgeordnete Gustav Niermann viele, Gegner wenige, Feinde keine. Der Kolumnist lernte ihn als 42jährigen Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten kennen, als Niermann gemeinsam mit seinem damaligen Hannoveraner Kollegen Kübel von der SPD im "nassen Dreieck" der Großen Aue bei Preußisch-Ströhen den ersten Spatenstich zu einer großen Landmelioration gegen Hochwasserschäden an der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen tat. 1961, das ist lange her.
    Fünf Jahre später wurde das fertige Werk auf der Diele von Niermanns väterlichem Hof in Wehdem bei Lübbecke mit Wacholder, Kaffee, Kuchen und markigen westfälischen Worten gebührend gefeiert. Dazwischen lagen harte Arbeitsjahre des Agrarministers Niermann in zwei Kabinetten Meyers im Dienste der Verbraucher und Landwirte, im Bemühen um großräumige Flurbereinigungen und zentrale Vermarktungseinrichtungen. Niermann hatte das Ministeramt von Heinrich Lübke, dem späteren Bundespräsidenten, 1958 übernommen. Er erwarb sich in den schweren Jahren der EWG zwischen Brüssel, Bonn und Düsseldorf bald einen so guten Namen, daß Konrad Adenauer ihn mehrmals ins Bundeskabinett holen wollte.
    Indessen, Gustav Friedrich Niermann, der bei aller von ihm ausstrahlenden Herzlichkeit und Fröhlichkeit auch einen gesunden westfälischen Dickschädel sein eigen nennt, wollte nicht. Er hatte nicht einmal Bauer werden wollen, obwohl er das Handwerk 1947 nach Rückkehr aus französischer Gefangenschaft von der Pike auf lernte. Drei Brüder waren im Krieg gefallen, so zerschlug sich der Wunsch des jungen Offiziers, Arzt zu werden. Der Hof der Eltern, nachweislich seit dem Dreißigjährigen Krieg im Besitz der Familie, hatte Vorrang.
    Niermanns Weg in die Politik begann 1950, als liberaler Protestant mit präzisen ordnungspolitischen Vorstellungen in der sozialen Marktwirtschaft, aber fern jeder Ideologie. Zwei Jahre später saß er im Kreistag, wenig danach wurde er Landrat von Lübbecke. Im Düsseldorfer Landtag, dem er seit 1954 angehört, fing Niermann gar nicht erst als Hinterbänkler an. Seine nüchterne, manchmal karge Diktion, seine direkte Art des Argumentierens, auch seine der falschen Bescheidenheit entbehrende Aufrichtigkeit wurden bald in der westfälischen CDU an der Seite von Josef Hermann Dufhues im CDU-Fraktionsvorstand, im Ernährungsausschuß und im Parlamentspräsidium geschätzt. Es dauerte nicht lange, bis der "fixe" Franz Meyers auf der Talentsuche nach dem damals jüngsten Kabinett Europas auch Gustav Niermann entdeckte.
    Seit dem Regierungswechsel von 1966 ergreift der "Staatsminister a. D." als Abgeordneter in der Fraktion oder im Landtagsplenum nur noch selten das Wort. Über die Gründe ist wenig bekannt. Die Interessen scheinen sich über das rein landespolitische Feld hinweg verlagert zu haben. Niermann ist seit vielen Jahren Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bauernsiedlung, seit 1968 auch Präsident des Verbandes der Europäischen Landwirtschaft (CEA).
    Wenn andere Ferien machen, findet man Gustav Niermann auf dem Hof in Wehdem, wo seine Frau und die Tochter Gabriele für Gastfreundschaft sorgen. Politischer Disput ist auch hier nicht tabu, sogar empfehlenswert, wenn man Niermanns ausgeprägtes Gefühl für Fairneß kennenlernen will. Polemik ist ihm völlig fremd. Nur beim Skat oder beim Pokern ist Vorsicht geboten wegen eines augenzwinkernden Hanges zur (Hinter-)Listigkeit. "Brockmanns Futterkalk!"
    Lothar Bewerunge

    ID: LI730502

  • Porträt der Woche: Julius Drescher (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 4 - 02.02.1973

    "Ohne Mehrheit macht die Demokratie nur halb so viel Spaß." Dieses nur zum Teil scherzhafte Wort könnte gut auf Julius Drescher passen, wenn "Jule" nicht zwei Haupteigenschaften hätte: sauerländische Dickköpfigkeit und eine bemerkenswerte Unverdrossenheit in allen Lebenslagen.
    In die SPD hineingeboren wurde das zweitjüngste von neun Kindern eines Briloner Landmessers gewiß nicht. Der Junge wurde streng katholisch und strikt unpolitisch erzogen, so unpolitisch, daß er sogar der Hitlerjugend entging und stattdessen den Vater auf die Jagd begleitete. Noch vor dem Abitur mußte er das Gymnasium verlassen und in den Krieg ziehen.
    Als er Ende 1945 aus englischer Kriegsgefangenschaft heimkehrte, stand für den 25jährigen fest, "nie wieder Krieg!", und es war ihm klar, daß man sich für dieses Ziel aktiv einsetzen mußte. Die Partei des Vaters, das Zentrum, hatte ihn durch die Zustimmung zu Hitlers Ermächtigungsgesetz enttäuscht. Hingegen beeindruckten ihn Reden von Kurt Schumacher, über die er in der Presse las, nachhaltig. So schloß er sich der SPD an, die damals in Brilon kaum ein Dutzend Mitglieder hatte, unter denen er, der inzwischen im Vermessungsbüro des Vaters arbeitete, der einzige "Bürgerliche" war. "Jule" wurde das schwarze Schaf der Familie. Er ist heute noch davon überzeugt, daß ihn Eltern und Geschwister wenigstens in den ersten Jahren seiner politischen Laufbahn nicht gewählt haben.
    Gemeinsam mit seiner Frau, die den Kaufmannsberuf erlernt hatte, eröffnete Drescher in Brilon ein Feinkostgeschäft. Als er es nach einigen Jahren modernisierte und große Schaufenster einbaute, durch die der ganze Laden einzusehen war, mußte er nach wenigen Tagen bereits Vorhänge anbringen: gute Kunden hatten sich beklagt, es sei ihnen peinlich, beim Einkauf im Laden des "roten" Drescher von aller Welt gesehen zu werden. So stark waren damals im katholischen Sauerland noch die Vorbehalte gegen Sozialdemokraten.
    Wenn heute in der politischen Landschaft eine Situation eingetreten ist, in der der Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD, Ministerpräsident Heinz Kühn, erklären kann, er halte es für denkbar, daß die SPD zwar nicht die Partei der Bischöfe, wohl aber die Partei der Kapläne werden könne, so gehört Julius Drescher zu denen, die am eigenen Leibe erfahren haben, wie lang und steinig der Weg dahin war.
    Allerdings hat sich das Klima zwischen Katholiken und Sozialdemokraten auch in Brilon versachlicht. Als Drescher, der dem Gemeinderat seit 1948 ununterbrochen angehört, 1956 durch eine Koalition von SPD, Zentrum, FDP und BHE Bürgermeister wurde, blieb er es nur zwei Jahre lang, weil sich dann die Zentrumsfraktion spaltete und die Koalition platzte. Als er es 1961 wieder wurde, blieb er zwar auch nur zwei Jahre im Amt, doch diesmal aufgrund einer formellen Vereinbarung zwischen SPD und CDU, die Amtszeit zu teilen.
    So weit ist es allerdings immer noch nicht, daß Drescher, ein sicherlich nicht besonders "linker" Sozialdemokrat, sich Hoffnung machen könnte, in einem der nächsten Wahlgänge in Brilon direkt gewählt zu werden. Er trägt es mit Gelassenheit und erholt sich vom politischen Geschäft mit seinen beiden Söhnen auf der Jagd. Marianne Lohaus

    ID: LI730402

  • Porträt der Woche: Herbert Neu (F.D.P.)
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 3 - 26.01.1973

    Urlaub machen heißt für Herbert Neu "zigeunern". Dann spannt er den Campingwagen hinters Auto, fährt dahin, wo's ihm gefällt und bleibt so lange, wie's ihm gefällt. Zuweilen malt er auch. Aquarelle. Denn zur Kunst hat er jene selbstverständliche Beziehung, wie sie der gewinnt, der als Kind statt klassenweiser Museumsbesuche arbeitende Künstler erlebt. Im Falle Neu war es Otto Pankok. Pankok, dem der Sechsjährige einen Tuschtopf umwarf, Pankok, der ein Jesusbildnis im elterlichen Dürerband um eine gemalte Zigarre bereicherte — wohl, weil's ihm nicht gefiel.
    Aus dem Elternhaus im niederrheinischen Krudenberg, sein Vater war hier Lehrer, hat der heutige Einundfünfzigjährige eine Menge mitbekommen. Neben der Liebe zur Kunst, die sich später auf Nolde und Barlach ausweitete, die Freude an der Kammermusik, auch wenn er heute nicht mehr Violine spielt. "Die Jahre als Bauer haben die Hände dafür verdorben." Zum Ausgleich schreibt er in deftigem Bauernplatt Gedichte — eines fernen Tages, wenn die Zeit wieder dazu reicht. Schon zu Hause wurde Herbert Neu zum Liberalen: "Politisch bin ich stark von meiner Mutter beeinflußt worden. Sie vertrat einen sozialen Liberalismus mit großer Toleranzgrenze."
    Liberal mit Parteibuch wurde er erst 1948. Dazwischen lagen der Krieg, in den er als Pennäler zog, und ein paar Jahre harter Arbeit in der Landwirtschaft. Denn nach der Heimkehr hatte er aus der Familie einen Hof übernommen. 135 Morgen, zu wenig, um heute konkurrenzfähig zu sein.
    Herbert Neu zog die Konsequenzen. 1956 trat er in die Bundeswehr ein. Er tat es, wie mancher zu dieser frühen Zeit, nicht weil, sondern obwohl er die Wehrmacht der Hitlerzeit erlebt hatte: "Ich hoffte damals, an der Realisierung der Baudissinschen Konzeption mitwirken zu können." Die Hoffnung wich der Erfahrung und damit der Erkenntnis, wieviel zwischen dem Gedanken und der Praxis des Bürgers in Uniform steht. An aktive Parteiarbeit war damals kaum zu denken. Als Offizier lebte Neu, Vater von drei inzwischen erwachsenen Kindern, abwechselnd in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.
    1961 erst stieg er in die Parteiarbeit ein, zunächst im Kreisvorstand der F.D.P. Münster. Seit 1970 ist er Mitglied des Landtags. Das heißt für ihn: intensive Arbeit, kaum Familie, knappe Wochenenden. In einer kleinen Fraktion muß jeder hart ran. Das gilt erst recht, wenn man in Neuordnungszeiten für die Verwaltungsreform zuständig ist.
    Der für die politische Arbeit beurlaubte Hauptmann fühlt sich nicht unwohl in dieser unbequemen Rolle. Er hegt keine Ambitionen für irgendwelche Ämter. Er hat's, nicht nur in der Politik, lieber eine Nummer kleiner — aber unabhängig. Kein bequemer, schon gar kein karriereträchtiger Standpunkt. Doch eine Basis, von der aus sich kritisch und frei — zuweilen zur Überraschung der eigenen Parteifreunde — agieren läßt: "Koordinieren und Kompromisse schließen ist nicht meine Sache, ich habe den Vorsitz darum immer gescheut. Lieber kläffe ich selbst los. Opposition läge mir vermutlich eher." Ob er diese Rolle im Falle eines Falles ab 1975 erproben möchte? "Es ist die Frage, ob ich noch mal kandidieren kann, das läßt sich heute nicht beantworten. Vielleicht ist es besser, ein Mann gibt fünf Jahre seine volle Substanz und macht dann den Platz frei für einen neuen, unverbrauchten."
    Die Überlegung ist typisch für den Liberalen Neu, der sich zu den Progressiven zählt "solange Progression nicht Systemüberwindung bedeutet!" und der skeptisch genug ist, "Freiheiten, die wir errungen haben, immer wieder zu überprüfen, ob sie nicht zu Privilegien geworden sind, die dann revidiert werden müssen".
    Als die Väter des Grundgesetzes den Passus von der Gewissensfreiheit der Volksvertreter schufen, müssen sie einen Mann wie Neu im Sinn gehabt haben. Ute Laura Lähnemann

    ID: LI730302

  • Porträt der Woche: Willi Pieper (CDU).
    Mitglied des Präsidiums.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 2 - 19.01.1973

    Er ist kein Teppichhändler. Nein, das ist er nicht. Aber er holt Fraktionskollegen immer wieder auf den Teppich zurück, wenn sie im politischen Blind- oder Höhenflug die Verbindung zur Erdstation verlieren. Dann hebt er, nahezu bedächtig, mit ausgestrecktem Zeigefinger den rechten Unterarm nach oben und meldet sich zu Wort. Er sagt nur wenige Sätze. Und die Erde hat ihn wieder — den Fraktionskollegen.
    Man hört in der Fraktion auf ihn — und nicht nur dort. Er ist nicht an der kurzen Partei-Elle zu messen. Willi Pieper, seit nahezu 20 Jahren Mitglied der CDU-Landtagstraktion, ist kein Volkstribun. Er ist ein politisch gewitzter Pragmatiker mit Selbstvertrauen und handfesten Grundsätzen. Er besitzt Augenmaß für das politisch Machbare. Polemische Schärfe liegt ihm nicht. Von ihm könnte das Wort stammen: An bösen Worten, die man herunterschluckt, hat sich noch niemand den Magen verdorben.
    Pieper ist immer auf Ausgleich aus, ohne die Kontroverse zu scheuen. Konziliant ("Och, das ist doch nicht so schlimm") und gut gelaunt von Natur, hat er viele Freunde — auch unter seinen politischen Gegnern. Als er 1970 sein Amt als Bürgermeister der Stadt Emmerich niederlegte, um sich mehr seiner Familie widmen zu können, bescheinigte ihm der stellvertretende Bürgermeister, der Sozialdemokrat Hans Rieke, daß er, Pieper, die seltene Gabe besitze, immer wieder "Brükken zu schlagen von Mensch zu Mensch". Fuchsteufelswild wird Pieper allerdings, wenn er Unrecht wittert.
    Vor wenigen Tagen, am 16. Januar, vollendete Willi Pieper sein 55. Lebensjahr. Niemand sieht dem vitalen Politiker die Jahre an. "Das Schwimmen hält mich jung", bemerkt er trocken.
    In seiner Heimatstadt Emmerich absolvierte Pieper seine Lehre bei der Bundespost. Am 1. Tag des Krieges zum Wehrdienst eingezogen, geriet er im Februar 1945 in russische Gefangenschaft. Erst Ende 1949 kehrte er in die Heimat zurück. Er resignierte nicht; er legte los. Schon 1950 war er Vorsitzender der Postgewerkschaft Ortsverwaltung Emmerich. Im selben Jahr trat er der CDU bei ("Mein Vater war alter Zentrumsmann"). Ein Jahr später wurde er zum Kreissprecher der Jungen Union gewählt, ein Jahr darauf zum Vorsitzenden seiner Ortspartei. Und nur zwei Jahre später zog er als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Rees in den Düsseldorfer Landtag ein.
    Seit vielen Jahren gehört er dem Präsidium an. Als Mitglied des Ausschusses für Verwaltungsreform hofft er zu einer vernünftigen kommunalen Neugliederung seiner niederrheinischen Heimat beitragen zu können.
    Des Landespolitikers Herz gehört auch der Kommunalpolitik, die ihm vielfältige Impulse für seine landespolitische Arbeit gibt. Seit 1956 ist er Ratsmitglied der Stadt Emmerich. Neun Jahre war er Bürgermeister seiner Heimatstadt. Im Januar 1971 wurde Pieper zum Ersten Vizepräsidenten des nordrhein-westfälischen Städtebundes gewählt.
    An der "Berufskrankheit" aller Politiker leidet auch Willi Pieper: die Zeit für seine Familie, für seine Frau Irene, seinen Sohn Jürgen (19) und seine Tochter Ingrid (16) ist reichlich knapp bemessen.
    Als ich mich vor kurzem mit Pieper im Landtag unterhielt, wurde er zum Schluß nachdenklich, wie ich ihn sonst nicht kannte. "Ich glaube", sagte er, "wir halten uns alle für viel zu wichtig, für unersetzlich. Ich hoffe, daß ich den richtigen Zeitpunkt erkenne, an dem ich von mir aus Schluß mache mit der Übernahme gewichtiger Ämter in der Politik." Dabei schaute er zum Fenster hinaus, als suche er dort draußen irgendwo eine Antwort.
    Paul Zugowski

    ID: LI730202

  • Porträt: Friedhelm Simelka (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 1 - 12.01.1973

    Er muß schon ein paarmal Bochum sagen, bevor man mit Sicherheit behaupten darf, daß seine Wiege nicht weit vom Pütt gestanden hat. Im längeren, temperamentvollen Dialog offenbart sich dann jedoch mühelos auch in der Artikulation, woraus Friedhelm Simelka, Landtagsabgeordneter seit 1966, in seiner Haltung nie ein Hehl macht: er ist ein waschechter Sohn des Ruhrgebiets. Mit ausgiebiger Erfahrung in den Industrien, die seine Heimat und ihre Menschen prägten, und mit dem Mitgliedsbuch nicht nur der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, sondern auch der IG Metall. Sein Vater, den er mit 14 Jahren durch ein Grubenunglück verlor, war Steiger. Er selbst arbeitete während des Studiums zum Diplom-Handelslehrer und -Kaufmann als Stahlwerker und brachte es unter Tage bis zum Gedingeschlepper.
    Väterlicherseits aus Masuren — größter Wunsch: "einmal in Masuren wandern!" —, mütterlicherseits westfälisch, zählt er zu jenem etwas schwerblütigen Menschenschlag, der sich Erfolge gründlich, zuweilen mühsam, erarbeitet. Statt spektakulärer Blitzkarriere absolvierte er die harte "Ochsentour" der Partei. Haften blieb ein sensibles Gespür für die Bedürfnisse der Basis, auch jetzt noch, da er wegen Doppelmandatverbots in erster Linie ein Mann des Landtags ist.
    Als Mitglied der SJD "Die Falken" und ehemaliger SDS-Landesvorsitzender hätte der heute Vierzigjährige theoretisch das Zeug zu einem Flügelmann seiner Fraktion. Praktisch gründet sein Erfolg — nicht zuletzt die vom Wissenschafts- und Kulturressort unüberhörbar applaudierte Wahl in das wichtige Amt des Kulturausschußvorsitzenden — neben der fachlichen Qualifikation eher in seinem gesunden Verhältnis zur Mitte, dem Talent zum Ausgleich und einem ausgeprägten Sinn für Solidarität. Kameradschaft, nicht zu verwechseln mit Kumpanei, ist ein Schlüsselwort zu seinem Selbstverständnis.
    Erste Erfahrungen für das, was er halb scherzhaft seinen "Solidaritätskomplex" nennt, der ihm selbst zu Rivalen ein gutes Verhältnis sichert, sammelte Friedhelm Simelka schon als Gymnasiast. Zunächst allerdings mit einer Panne: als er mit zwölf Jahren zum "Jungvolk" wollte, erhielt er statt der erwarteten Zustimmung zum erstenmal in seinem Leben ein väterlich-kategorisches Nein und dazu die Darstellung der Vorgänge um 1933 — aus der Sicht eines überzeugten Sozialdemokraten. Simelka junior überlegte: "Vater kennste, den Hitler haste selbst noch nie gesehen" und entschied "also laß es!" Wenige Jahre später und unter völlig anderem Vorzeichen kam es bei den "Falken" doch noch zum intensiven Gruppenerlebnis. Hier lernte er seine Frau Christel kennen — inzwischen gehören zur Familie noch eine Tochter und ein Sohn —, hier beschloß er nach den starken Eindrücken in der Jugendarbeit, Lehrer zu werden.
    Die Absage an den aus wirtschaftlicher Not aufgegebenen Traum vom Studium der Mathematik und Naturwissenschaften, Landtagskollege Professor Brüggemann war bei dem ausgezeichneten Abitur als Referendar mit von der Partie, reut Simelka heute nicht mehr. Als Bildungspolitiker kommt ihm die profunde Kenntnis der Schulpraxis, zu großen Teilen auch der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, sehr zugute. Aus dieser Erfahrung wurde er zum grundsätzlichen Befürworter des dualen Systems in der beruflichen Bildung - "vorausgesetzt, in den Betrieben werden konsequente Mitbestimmung, in den Kammern paritätisch besetzte Bildungsausschüsse realisiert."
    Eigene Erfahrung schwingt auch da mit, wo er gegen das "Gießkannenprinzip heutiger Förderung" zu Felde zieht: "Hier ist die soziale Gerechtigkeit zugunsten der formalen auf der Strecke geblieben!" Der Ausschußvorsitz gibt ihm neue Möglichkeiten, den Hebel da anzusetzen, wo er Änderungen für nötig und möglich hält. Und dazu zählt für den bei aller Kompromißbereitschaft zähen Verfechter seiner Ansichten querbeet durch alle Bildungsbereiche eine ganze Menge. Ute Laura Lähnemann

    ID: LI730102

  • Portät der Woche: Alfons Klein (CDU).
    Stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Ausschusses für Grubensicherheit.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 31 - 15.12.1972

    Es ist der 7. Dezember 1972. Die Nacht liegt noch schwarz über dem Kohlenpott. Im Haus Meerkamp 17 in Essen-Katernberg zerreißt das Schrillen des Telefons die trügerische Stille. Noch bevor Alfons Klein zum Hörer greift, weiß er, daß irgendwo zwischen Hamm und Kamp-Lintfort, Recklinghausen und Bochum der Berg gegrollt hat.
    Diesmal, so erfährt der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Ausschusses für Grubensicherheit um vier Uhr morgens, wurde auf der Schachtanlage "Grimberg 3/4" in Weddinghoven bei Dortmund ein Hauer vom Gestein erschlagen, sechs seiner Kumpel erlitten Verletzungen. Für Klein ist die Nacht vorbei. Er ist schon wenig später vor Ort und informiert sich über das Geschehen.
    Ein halbes hundertmal eilte der CDU-Abgeordnete in den fast 900 Tagen, die er nun Mitglied im Düsseldorfer Ständehaus ist, zu Zechen in den Steinkohlenrevieren Aachen, Ibbenbüren und an der Ruhr, um den Unglücksursachen über und unter Tage auf den Grund zu gehen. Als Hauer, der seit 1948 das Revier auch "von unten" kennt, ist der 46jährige für diese Aufgabe geradezu prädestiniert.
    Offen bekennt Alfons Klein, daß er auf "seinem" Pütt, nämlich der vor seiner Haustür liegenden Schachtanlage "Zollverein" nur noch selten einfährt. Die Politik läßt dem Bergmann nur noch wenig Zeit.
    Die Brandgefahr unter Tage, Probleme wettertechnischer Art, die Bekämpfung der bei zunehmender Teufe und Abbaugeschwindigkeit wachsenden Gefahr von Gebirgsschlägen fesseln den einzigen wirklichen Kumpel unter den 200 Landtagsabgeordneten am Schwanenspiegel nicht allein. "Alle sozialen Fragen, von der Obdachlosigkeit über das Krankenhauswesen bis hin zur Sozialhilfe oder Luftverschmutzung, interessieren mich", sagt der vor zwei Jahren über die Landesliste der Christdemokraten in das Landesparlament eingezogene Kohlenpott-Sohn. So gehört das Mitglied der IG Bergbau und Energie dem Betriebsrat seiner Zeche an, ist Mitglied des Landesbeirats für ausländische Arbeitnehmer und mischt im Landesparlament noch in den Ausschüssen für Wirtschaft sowie Arbeit, Soziales, Gesundheit, Flüchtlinge mit.
    Im Revier lernte der nach der Kriegsgefangenschaft zur CDU Gestoßene - sein Vater war Zentrumsmann - die noch heute auf den Nägeln brennenden Probleme frühzeitig kennen. Als Klein 1961 in den Essener Stadtrat einzog ("ich habe mich von der Basis aus hochgearbeitet"), widmete er sein besonderes Augenmerk den Obdachlosen, den von der Gesellschaft Ausgestoßenen in der Ruhrmetropole. Ein Kindergarten und eine Mütterberatungsstelle in den Notunterkünften des Zechenviertels Katernberg — Kokereien sorgen hier noch für einen rußerfüllten Himmel — legen Zeugnis ab von der Initiative des Kommunalpolitikers Klein.
    Aber nicht nur im Essener Rat setzte er Impulse. Als einer, der mehr zum linken Flügel in der CDU zählt, versteht der Hauer die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft in der Union als den "Motor der Partei". Als Vorsitzender dei CDA Essen und als Vorstandsmitglied der Sozialausschüsse im Rheinland ist er mit dabei, den Motor auf volle Touren zu bringen.
    Als Alfons Klein im November als einer der vielen "Zählkandidaten" der Revier-CDU im Essener Norden zum Sprung in den Bundestag ansetzte, wußte er, daß ihm sein SPD-Gegenkandidat, der Kanzlerreferent Peter Reuschenbach, in der CDU-Diaspora das Nachsehen geben werde. Der Sprung ins Leere war aber geplant; denn Klein hatte auf eine Absicherung auf der Landesliste verzichtet. Die Arbeit im Landtag liegt ihm mehr am Herzen.
    Wenn der Vater von drei Söhnen (keiner will Bergmann werden) und einer Tochter Zeit für seine Frau Marlis und die Kinder findet, dann steht ihm der Sinn danach, Klavier zu spielen oder Schubert-Lieder zu hören. So gar nicht scheint dazu zu passen, daß Alfons Klein einen guten Boxkampf als leichte Unterhaltungskost nicht verachtet.

    Rüdiger Knott

    ID: LI723102

  • Porträt der Woche: Dr. Dr. Josef Neuberger (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 30 - 08.12.1972

    Ein heißer Idealist mit Sinn für Realitäten. Ein rastloser Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit. Ein Mann, der ein bitteres Schicksal erlebt hat, ohne selbst bitter zu werden. Einer, der mit 70 noch längst nicht an Ruhestand denkt: Josef Neuberger.
    Seit zwölf Jahren gehört er der sozialdemokratischen Landtagsfraktion an, von Dezember 1966 bis zum 13. September 1972 war er Justizminister in Nordrhein-Westfalen. In dieser Zeit hat Neuberger zahllose Reformen durchgesetzt und eingeleitet, hat er Spuren gezogen, die nicht mehr zu verwischen sind. Die Justizpolitik hat heute einen höheren Stellenwert als zuvor.
    Als Sohn jüdischer Eltern am 11. Oktober 1902 in Antwerpen geboren, studierte er in Köln und ließ sich dann als Anwalt in Düsseldorf nieder. Seit 1920 Mitglied der SPD fühlt er sich noch heute dem geistigpolitischen Erbe August Bebeis, Ferdinand Lassales und Friedrich Engels verpflichtet. Es ist wohl typisch für die Gesinnungstreue dieses Mannes, daß er — selbst vom nationalsozialistischen Berufsverbot bedroht — Anfang 1933 als junger Anwalt die Belange des preußischen Ministerpräsidenten Braun und seines Innenministers Severing vor Gericht vertrat. In der "Kristallnacht" 1938 wurde er von fanatisierten SA- Männern mißhandelt, ging in die Emigration nach Holland und Palästina und kehrte schließlich nach dem Krieg in seine Heimat zurück. "Wenn ich nach meinem Lebensschicksal mich nicht um eine Vermenschlichung der Justiz bemühe, wer sollte dies sonst tun", sagte Neuberger und krempelte die Ärmel hoch.
    Als Abgeordneter kämpfte er im Landtag erfolgreich für ein freiheitliches Presserecht, setzte er das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten gegen mannigfache Widerstände durch. Als Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses Klingelpütz legte er schonungslos die Mißstände im Strafvollzug bloß, um daraus später als Justizminister die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Weil die Gefängnisse nicht langer Brutstätten der Kriminalität bleiben sollten, leitete Neuberger Reformen ein, die den Strafvollzug humanisiert haben. Nicht das fidele Gefängnis, nicht eine "weiche Welle" für Rechtbrecher war sein Ziel, sondern die Resozialisierung der Straffällig Gewordenen, ihre Vorbereitung auf ein freies Leben in sozialen Bindungen.
    Neubergers Reformpolitik fand über die Grenzen hinaus Beachtung. Er verschärfte die Bekämpfung der Wirtschafts- und Umweltverschmutzungs-Kriminalität, er führte den Rechtskundeunterricht an den Schulen ein, er reformierte die Juristenausbildung. Ein gewaltiges Arbeitspensum in sechs Ministerjahren. "Die freie Luft der Anwaltschaft hat der Justizpolitik ganz gut getan", sagt Neuberger heute.
    In die freie Luft der Anwaltschaft kehrt der 70jährige jetzt mit frischem Elan zurück. Als Strafverteidiger wird er bald von sich reden machen, ebenso als engagierter Landtagsabgeordneter, der frei ist von den Bürden und Zwängen des Ministeramtes. Zuhause, in seinem Arbeitszimmer, wälzt er Berge von Akten und Protokollen. "Vielleicht wird daraus einmal ein Buch!?"
    Neubergers größte Genugtuung: daß die Justiz heute menschlicher ist als vor sechs Jahren. Seine größte Enttäuschung: daß die schwierigen, in aller Welt beachteten sozialtherapeutischen Modell- Versuche in Düren in den Parteienzwist hineingetragen sind.
    Marcel Gärtner

    Bildunterschrift:
    Dr. Dr. Josef Neuberger (SPD) Justizminister von 19S6 bis 13. September 1972

    ID: LI723002

  • Porträt der Woche: Edith Langner (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 29 - 01.12.1972

    Sie sitzt mir gegenüber —klein, zierlich — und erzählt die Geschichte ihres Lebens. Lebhaft sprechen Augen und Hände mit. Zuweilen geht eine feine Welle des Charmes über ihr Gesicht.
    Sie beginnt nüchtern, als hätte sie den Lebenslauf für eine Bewerbung zu schreiben: "Ich bin 1913 in Posen geboren." Als ich sie später darauf anspreche, daß man bei einer Frau nicht gerne das Alter erwähne, erwidert sie ohne zu zögern und lächelnd: "Das steht doch im Handbuch, und jeder kann es lesen. Und warum auch nicht?"
    Edith Langner, seit 1966 Abgeordnete der CDU-Landtagsfraktion, liebt Umwege nicht. Wenn sie einmal Schritt gefaßt hat, geht sie schnurstracks auf ihr Ziel los.
    Als sie drei Jahre war, siedelte ihre Familie nach Schlesien über. Erzogen in einem für politische und soziale Fragen offenen Elternhaus, sammelte sie ihre ersten eigenen Erfahrungen als Kindergärtnerin und Hortnerin in einem der ärmsten Viertel in Breslau. Anschließend war sie drei Jahre als Hauslehrerin tätig.
    Kurz vor Ausbruch des Krieges heiratete sie den Pfarrer Erich Langner. Bald schon wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Frau Langner fackelte nicht lange. Fortan betreute sie die Gemeinde ihres Mannes. Sie erteilte Religionsunterricht in der Schule, taufte und hielt Gottesdienst. Daneben fand sie noch Zeit für die Bedrängten ihrer Gemeinde.
    1944 wurde ihr Mann in Rußland als vermißt gemeldet. Er kehrte nie wieder. Anfang 1945 mußte Frau Langner fliehen, ihre zwei 5jährigen Zwillingssöhne Wolf-Dietrich und Hans-Winfried an der Hand. Die große Wanderung mit dem Schrekken im Nacken begann. Sie führte schließlich in eine als Notquartier eingerichtete Kaserne in Siegen.
    Da saß sie nun mit ihren beiden Söhnen, mit Mutter und Schwester inmitten der wenigen Habseligkeiten. Es war ihr bitterwenig geblieben. Geblieben waren aber ihre Zuversicht und Lebenskraft zu einem neuen Anfang.
    Bald schon suchten viele Leidgeprüfte, Einsame und Kranke bei der jungen Pfarrfrau Hilfe und Rat. Sie hatten erkannt, daß Edith Langner energisch zupackte, wenn es galt, schnell zu helfen. Und sie hörte zu, und man konnte manche menschliche Last bei ihr abladen. Trotz der Nöte und Entbehrungen denkt sie gerne an jene Zeit zurück. "Die Menschen rückten einander näher; der Umgang war offen und herzlich. Es war eine gesegnete Zeit." Längst waren ihre Aufgaben und Pflichten über die Grenzen des Lagers hinausgewachsen. 1947 wurde sie Mitglied der CDU und 1952 zog sie als Stadtverordnete in den Rat der Stadt Siegen ein. Zahlreichen Frauenvereinigungen ihrer Partei gehört Frau Langner an, vom Kreisverband (Vorsitzende) bis hin zum Hauptausschuß der CDU-Bundesfrauenvereinigung.
    Ihr politisches Engagement hat sich fast zwangsläufig aus ihrem Einsatz für die Sorgen und Anliegen anderer entwickelt. "Wenn niemand mehr zu mir kommen sollte, um sein Herz auszuschütten, dann habe ich wohl etwas falsch gemacht und meine Aufgabe verfehlt, glaube ich."
    1966 wurde Frau Langner in den nordrhein-westfälischen Landtag gewählt. Sie ist Mitglied des Präsidiums und des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie stellvertretendes Mitglied im Kultur- und Petitionsausschuß. Sie zählt nicht zu den Vielrednern, die noch einmal wiederholen, was andere längst gesagt haben.
    "Was mich persönlich angeht? Ich möchte sehr gern wieder musizieren oder hin und wieder genüßlich ein Buch lesen. Dazu aber fehlt die Zeit. Große Reisen möchte ich machen in andere Länder." Munter hellen sich die Augen von Edith Langner auf, wenn sie von ihren Kindern und Enkeln in Süddeutschland spricht. Besuche dorthin sind in ihren knappen Freizeitplan einkalkuliert. Da scheut sie keine Mühe, die temperamentvolle Großmutter. "Bei meinen Kindern lade ich meine Kraftreserven auf."

    Paul Zugowski

    ID: LI722902

  • Porträt der Woche: Hermann Runge (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 28 - 24.11.1972

    Wenn es nach ihm ginge, zeigte diese Seite in "Landtag intern" ein wahrlich unbotmäßiges Bild, nämlich zwei Spalten ganz in Weiß, keine Druckerschwärze, keine Zeile, nicht ein einziges Wort. Aber wenn jemand, der in politischen Bereichen auf hervorragenden Plätzen stand, 70 Jahre alt geworden ist, so wird man das zur Kenntnis nehmen müssen. Auch Hermann Runge, um den es hier geht, selbst wenn er vor dem Rummel solcher Fete vorsorglich gleich runde 800 Kilometer weit geflohen ist.
    Am 28. Oktober 1902 in Conradstal (Kreis Waidenburg/Niederschlesien) geboren, kam Hermann Runge, der schon früh der Politik verfiel, an den Niederrhein. Es begann mit der Sozialistischen Arbeiterjugend, mündete, als er 18 Jahre alt war, in die SPD und verzweigte sich zunächst in kommunalpolitische Aktivitäten: Von 1929 bis 1933 Gemeindevertreter in Rheinkamp und Mitglied des Kreistages Moers.
    Was dann, für Hermann Runge zwangsläufig, eintrat, gehört zu jener Seite seines Lebens, die er fast überempfindlich als seine Intimsphäre betrachtet. Er organisierte den politischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus am Niederrhein und — mußte für seine Überzeugung zehn Jahre, bis April 1945, im Zuchthaus leiden.
    Leicht wird heutzutage vergessen, daß an jenem Ereignis, welches wir das Wirtschaftswunder nennen, auch oder gerade die "Politiker vor Ort" entscheidend mitgezimmert haben. Man nennt sie schlicht die Männer der ersten Stunde. Nach der Rückkehr aus dem Zuchthaus gönnte sich Hermann Runge keine Pause. Nüchtern klingt das in seinem Lebenslauf: Von 1945 bis 1946 für die SPD im Unterbezirk Moers und anschließend bis 1968 als Sekretär des Bezirks Niederrhein tätig.
    Hermann Runge ist das — vielleicht etwas unmodern gewordene — Beispiel des idealistischen, ebenso leidenschaftlichen wie selbstlosen Streiters für soziale Gerechtigkeit. Damals war (woran man sich bisweilen erinnern sollte, um das Wirken solcher Männer richtig begreifen zu können) parlamentarischer Aktivismus weiß Gott kein materiell lohnendes Geschäft.
    Wo immer es galt, politische Fundamente zu legen, war Hermann Runge dabei: 1945/46 im beratenden Provinzialrat Nordrhein, im ernannten Landtag Nordrhein-Westfalen, im ersten gewählten Landesparlament, 1948 dann delegiert in den Parlamentarischen Rat, der in Bonn das Grundgesetz geschaffen hat. Es folgten acht Jahre im Bundestag, die Rückkehr in den Landtag bis 1966.
    Daß es ein wenig still geworden ist um Hermann Runge, ist seiner fast skurrilen Bescheidenheit zuzuschreiben, für die sich eine Kostprobe anbietet: Als er, damals Mitglied des Bundestages, auf dem Düsseldorfer Hauptbahnhof eine Frau im letzten Augenblick vor einem einfahrenden Zug von den Schienen riß, wurde ihm dafür die Lebensrettungs-Medaille verliehen. Hermann Runge schüttelte den Kopf und fragte: "Muß das denn sein?" Noch heute grollt er dem, der das auf dem Bahnhot an die große Glocke hängte.
    Heinz Meyer-Wrekk

    Bildunterschrift:
    Hermann Runge (SPD) Mitglied des Landtags von 1946-1947, 1958-1962, 1965-1966

    ID: LI722802

  • Portät der Woche: Helmut Elfring (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 27 - 17.11.1972

    Er wirkt wie ein junger Mann und ist doch schon ein alter Hase. Als 29jähriger kam der Abgeordnete Helmut Elfring 1962 in den Düsseldorfer Landtag, mit dem wahrscheinlich besten Wahlkreis im Rücken, den die CDU in Nordrhein-Westfalen zu vergeben hat. Damals holte Elfring im Kreis Coesfeld im Münsterland 65,6 Prozent der gültigen Stimmen. Seither hat er dieses Ergebnis entgegen anderen Trends im Bund und im Lande stetig verbessern können, von 66,3 Prozent im Jahre 1966 auf 68,1 Prozent bei der letzten Landtagswahl von 1970.
    Das hat natürlich seine Gründe. Elfring gehört auch nach zehn Parlamentsjahren immer noch zu den unermüdlichen Arbeitern. Jugend- und Familienpolitik, politische Bildungsarbeit und Medienpolitik sind seine Spezialgebiete. Die permanenten Themen der Schulreform, der Verwaltungsreform und der regionalen Strukturpolitik zählt er mehr zu den Pflichtaufgaben eines jeden Abgeordneten. Vornehmste Pflicht aber, meint Elfring, sei der stetige Kontakt mit den Wählern. Und so hält er seine Sprechstunden, vor allem für Jungwähler, schon seit Jahren regelmäßig in der Kellerbar seines Hauses in Dülmen auf die ihm und seiner münsterländischen Heimatlandschaft eigene deftig-westfälische Art ab.
    Jeder Versuch, diesen Abgeordneten irgendeinem Flügel in der CDU zuzuordnen, muß scheitern. Elfring ist ein Mann der Mitte und des Ausgleichs. Wahrscheinlich hängt das mit seinem Beruf zusammen, der mehr als jeder andere scharfes Beobachten, analytischen Sinn und abgewogene Argumentation verlangt. Elfring ist Journalist und politischer Redakteur bei einer großen Ruhrgebietszeitung. Da er viel von der These hält, daß man mit einer sicheren beruflichen Basis manchen Versuchungen im politischen Leben am besten widerstehen kann, wird sein Arbeitstag in der Regel zu einem Zwölfstundentag.
    Elfring stammt aus Billerbeck. Er gehört — Jahrgang 1933 — zu der Generation, die den Krieg noch miterlebt hat, von seinen Folgen aber glücklicherweise weitgehend verschont blieb. Wie so viele Politiker und Journalisten fand auch er während des Studiums der politischen Wissenschaften und der Jurisprudenz an der Universität Münster sein erstes demokratisches Engagement in einem Studentenparlament und an einer Studentenzeitung.
    1955, als studentische Selbstverwaltung noch nicht Ideologienstreit und Mitternachtsdemokratie, sondern harte praktische Sozialarbeit zur Linderung der Sorgen und Nöte der Studenten bedeutete, wurde er AStA-Vorsitzender. Im gleichen Jahr trat er der CDU bei.
    Warum? "Das war die Konsequenz aus meinem Wählerverhalten." Eine verblüffende, aber durchaus sinnträchtige Antwort. 1966 wählte ihn die westfälische CDU in ihren Landesvorstand. Seit 1968 gehört Elfring auch dem gemeinsamen Landespräsidium der CDU-Landesverbände Rheinland und Westfalen-Lippe an. Beim Rat der Stadt Dülmen arbeitet er schon seit elf Jahren im Ausschuß für Kultur und Volksbildung mit.
    So, glaubt er, könne man Landes- und Kommunalpolitik in einem überschaubaren Bereich sinnvoll verzahnen. Der Weg in den Bundestag hätte ihm wahrscheinlich schon 1969 offengestanden. Elfring lehnte das Angebot damals ab, weil er kein Berufspolitiker werden wollte. Er weiß aber genau, daß dies nur eine vorläufig aufgeschobene Entscheidung ist, die in den nächsten Jahren so oder anders eben doch getroffen werden muß. Auch die Familie mit den beiden Töchtern Ruth und Christine hat Anspruch darauf. Um Ruth rankt sich übrigens eine kleine "familienpolitische" Geschichte, die hier nicht unterschlagen werden soll: Elfrings 1939 geborene Frau Gisela hätte auf den Namen Ruth getauft werden sollen. "Heil Hitler", sagte damals der Standesbeamte, das sei kein guter deutscher Name. Der Familienrat schwor, in der Hoffnung auf bessere Zeiten, Rache zu nehmen. So beschlossen und getan. Was doch westfälische Dickschädel alles zuwege bringen!
    Lothar Bewerunge

    ID: LI722702

  • Porträt der Woche: Else Warnke (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 26 - 10.11.1972

    Ich lernte Else Warnke 1946 im Sauerland kennen. Es war die Zeit des Maisbrotes und der Kohlennot. Mit anderen Worten: Wir hungerten und froren. Es war aber auch die Zeit, in der die britische Besatzungsmacht in ihrer Zone politische Parteien wieder zugelassen hatten. In dieser Zeit fragte ich Else Warnke, warum sie in einer parteipolitisch und konfessionell ziemlich einseitig strukturierten Umwelt das schwere Los einer Gewerkschaftssekretärin und Sympatisantin für die SPD auf sich genommen habe. Else Warnke gab mir eine Antwort, die mir auch Lehre bis auf den heutigen Tag geblieben ist: "Der Mensch wird nicht geboren als Heide oder Christ, als Amerikaner, Franzose oder Deutscher. Daher sind für mich konfessionelle Einschränkungen Schranken, die ich nicht haben will!"
    Diese Auffassung von verpflichtender Menschlichkeit war es, die Else Warnke in jenen wilden und stürmischen Jahren veranlaßte, praktischen Arbeitsschutz für junge Menschen dadurch zu leisten, indem sie ihnen Arbeitsschuhe besorgte. Oder auch Schwedenpakete, die zahlreichen Männern und Frauen das Durchhalten erst ermöglichten. Das alles bedeutete für die damals weithin unbekannte Sekretärin im Westfälischen Gewerkschaftsbund Jugendarbeit, Schutz der erwerbstätigen Frau und praktische Hilfe für den berufstätigen Mann.
    Aus ihrer Einstellung zur Vorrangigkeit praktischer Lebenshilfe für den arbeitenden Nächsten wird auch erklärlich, warum Else Warnke zuerst in den wiedergegründeten deutschen Gewerkschaften arbeitete und danach im Jahre 1947 ihrer heutigen politischen Heimat, der SPD, beitrat.
    Nur wenig Frauen können sich als Gründerinnen von Gewerkschaftseinrichtungen bezeichnen. Else Warnke kann es. Sie hat den DGB-Kreis in Meschede gegründet. Die von ihr in diesem Organisationsbbereich des DGB betriebene praktische Nächstenhilfe ließ 1951 eine Landesdelegiertenkonferenz von gewerkschaftlich organisierten Frauen Else Warnke zur Vorsitzenden wählen. Damit war und ist bis zum heutigen Tage verbunden die überaus erfolgreiche Tätigkeit als Landesfrauensekretärin des DGB-Landesbezirks Nordrhein-Westfalen.
    Seit Frau Warnke am 21. März 1968 Mitglied der SPD-Landtagsfraktion wurde, sieht sie ihre Arbeit für die berufstätige Frau und Jugend zweigleisig. Im gewerkschaftlichen Raum in ständiger Verbindung mit der Basis von 60 DGB-Frauenausschüssen sieht sie dort, was für ihre Kolleginnen getan und durchgesetzt werden muß. Der Landtag dagegen ist für sie das Instrument, das die gesetzliche Handhabe zur Verbesserung der Lage der berufstätigen Mädchen, Frauen und Mütter schafft.
    "Mir geht es heute im Grundsatz um eine wertvolle Bildung und eine hervorragende Berufsausbildung für Mädchen. Aber freuen tue ich mich darüber, daß es mir gelungen ist, Arbeitsminister Figgen zu bewegen, eine Verordnung über Ruheräume für Frauen in den Betrieben zu erlassen." Nun gibt es auch schon für Männer Ruheräume. Viele haben Else Warnke vieles zu verdanken.
    Fritz Przytulla

    ID: LI722602

  • Porträt der Woche: Maria Hölters (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 25 - 03.11.1972

    Aus der "Basisarbeit" ist sie in den Landtag gekommen, schon ein wenig bevor der Begriff in aller Munde war. Wenn die CDU-Landtagsabgeordnete Maria Hölters im Ausschuß für Jugend, Familie und Politische Bildung oder in Fragen moderner Erwachsenenbildung ihre Stimme abgibt, dann kann sie sich auf eigene Erfahrungen an vielen Abschnitten der Frontlinie dieser Fachgebiete berufen.
    Die Beharrlichkeit, das eigene Schicksal nicht passiv hinzunehmen, sondern anderen in gleicher Lage zu helfen, gab den Anstoß zu einer ungewöhnlichen "Karriere".
    Maria Hölters würde diesen Begriff nicht für sich beanspruchen; angesichts der weit über ihre Heimatstadt Düsseldorf hinausreichenden Anerkennung für ihre Arbeit erscheint er dennoch angebracht. In der Endphase des Krieges war die Vermißtenmeldung für den Ehemann aus Rumänien gekommen.
    Um vielen anderen die Überwindung des Schicksals "Kriegerwitwe" zu erleichtern, begann Maria Hölters mit Arbeitskreisen junger Frauen, die sich bald zu einer Mütterschule erweiterten. Eine Tätigkeit, die zunächst dem "Nachholbedarf" an Kenntnissen der praktischen Familienführung in der von Krieg betroffenen Generation gegolten hatte, sich aber in "gegenseitiger Anregung" dann bis in die politische Bildungsarbeit fortsetzte.
    Das Düsseldorfer "Bildungsforum" begann unter der Leitung von Frau Hölters mit seinen aufsehenerregenden Disputationen. Wissenschaftler aus dem Kreis katholischer Ordensgeistlicher, Wilhelm Girnus vom SED-Zentralkomitee, evangelische Bischöfe, Pierre Mendes- France und Professor Manes Sperber aus Paris, der Stalingrad-General Walther von Seydlitz, sie alle und viele andere trugen ihren Teil zu Diskussionen des Bildungsforums bei.
    Für die CDU-Landtagsabgeordnete Maria Hölters war und ist das eigentlich nur der Privatberuf neben der parlamentarischen Arbeit. Trotzdem muß er in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Dieses Bildungsforum hat oft auch zur Klärung politischer Fragen beigetragen, bei der die Politiker erst später zu einem Kompromiß zusammenfanden.
    So war zum Beispiel die Änderung der nordrhein-westfälischen Schulverfassung mit dem Abbau der Vorrangstellung von Bekenntnisschulen 1966/67 auch im Bildungsforum mit führenden katholischen Wissenschaftlern vordiskutiert worden.
    In den Rat der Stadt Düsseldorf war Maria Hölters schon 1952 gewählt worden. Zehn Jahre lang hat sie sich dort Schulproblemen aus der kommunalen Sicht gewidmet. Bei der Wahl 1958 kam sie in den nordrhein-westfälischen Landtag. Zu ihren Ehrenämtern gehören der stellvertretende Vorsitz der Landesarbeitsgemeinschaft Katholische Erwachsenenbildung und die Vizepräsidentschaft des Familienbundes Deutscher Katholiken. Daß ihre parlamentarischen Interessen für die kommenden Jahre vor allem auf dem Gebiet der geplanten Reformen für die Erwachsenenbildung liegen, kann kaum überraschen.
    "Ich bin keine Politikerin, die Konzeptionen am grünen Tisch entwickelt und dann erst in der Praxis erprobt", sagt Maria Hölters. Sie glaubt daran, daß gerade die nicht an staatliche Einrichtungen oder kommunale Verbände gebundenen Bildungseinrichtungen der sogenannten "freien Träger" durch ihre Flexibilität und integrierende Toleranz auch gegenüber andere Auffassungen vertretenden Gruppen eine wichtige Funktion in der Erwachsenenbildung haben. Einen Beweis für die Leistungsfähigkeit ihrer "Arbeitsgemeinschaft Sozialpädagogik und Gesellschaftsbildung e. V." hat sie mit der Angliederung einer sozialpädagogischen Fachschule erbracht. Ein noch breiteres Angebotdurch ein Baukastensystem der Erwachsenenbildung gehört zu ihren Zielen als Modellvorstellung.
    Peter Weigert

    ID: LI722502

  • Porträt der Woche: Hans Joachim Bargmann (SPD) Vorsitzender des Kulturausschusses, geb. 31.8.1928 gest. 21.10.1972.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 24 - 27.10.1972

    Es war ein normales Wochenende. Auf den Landstraßen und Autobahnen in Nordrhein-Westfalen ereigneten sich 503 Unfälle, bei denen 22 Menschen den Tod fanden und 707 verletzt wurden. So meldete es die Verkehrsabteilung des Innenministeriums routinemäßig am Montag. Zahlen, an die man sich seit langem gewöhnt hat, Fernsehbilder von trümmerübersäten Unfallstellen, die der Betrachter der Nachrichtensendungen gleich wieder vergißt.
    An diesem Wochenende war es anders. Denn einer jener 22 Verkehrstoten des vergangenen Wochenendes war Jochen Bargmann, Landtagsabgeordneter der SPD und Vorsitzender des Kulturausschusses des nordrheinwestfälischen Landtags, Beigeordneter für Hochschule, Schulen und Sport der Stadt Essen.
    Er starb, erst 44 Jahre alt, als Beifahrer in seinem eigenen Wagen, der nach einem Überholmanöver auf der Autobahn ins Schleudern kam, über die Leitplanken raste und auf der Gegenfahrbahn frontal mit einem anderen Fahrzeug zusammenprallte. Mit ihm starben drei seiner Mitarbeiter aus dem Hochschulamt Essen und die drei Insassen des entgegenkommenden Wagens. Dieser Unfall entriß nicht nur einer Mutter den Sohn, einer Frau den Ehemann und zwei schulpflichtigen Jungen den Vater, er riß eine Lücke in die gesamte kulturpolitische Szene dieses Landes.
    Jochen Bargmann, der Stüdienrat, der neben klassischer Philologie auch evangelische Theologie, Soziologie, Politologie und öffentliches. Recht studiert und entscheidende Impulse von Wolfgang Abendroth in Marburg erhalten hatte, war stets bestrebt, seine theoretischen Erkenntnisse selbst auf ihre praktische politische Durchsetzbarkeit zu überprüfen.
    Chancengleichheit im Bildungswesen, war für ihn nicht nur eines jener verbalen "Anliegen", er verwirklichte sie dort, wo es jn seiner Mächt stand: In dem Gymnasium in Wattenscheid, das er von 1964 bis 1970 als Oberstudiendirektor leitete, erreichte er einen Anteil von 35 Prozent Arbeitersöhnen an den Abiturienten, was fast dem Anteil der Arbeiter an der Gesamtbevölkerung gleichkam. Im Landesdurchschnitt sind es ganze zwölf Prozent.
    Während er sich im Landtag maßgeblich an der Erarbeitung des Gesamthohchschulerrichtungsgesetzes beteiligte, leitete er die Gründung einer Gesamthochschule in Essen ein, wobei er in praktischer Anwendung seiner Ideale von der Demokratisierung des Bildungswesens die Bevölkerung durch umfangreiche Anhörungen aktiv an der Standortbestimmung beteiligte.
    Schon 1965 schuf er einen Schulentwicklungsplan für Wattenscheid; sein Schulentwicklungsplan für Essen ging erst vor wenigen Wochen als Musterbeispiel für zukunftweisende und dabei konkret finanzierbare Planung durch die gesamte deutsche Presse.
    Bargmanns leidenschaftliches Eintreten für sozialdemokratische Bildungspolitik brachte ihm viele Gegner ein, seine persönliche Liebenswürdigkeit und Kompromißbereitschaft sorgten aber dafür, daß daraus niemals Feinde wurden. Die tiefe Betroffenheit auch derer, die seine Ansichten nicht teilten, über seinen plötzlichen Tod ist noch nachträglich ein Beweis dafür.
    Marianne Lohaus

    ID: LI722402

  • Porträt der Woche: Josef Köhler (CDU).
    Stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 23 - 20.10.1972

    Im Handbuch des Landtags findet man nur noch drei Abgeordnete, die bereits im Jahre 1946 als Kommunalpolitiker tätig waren: Richard Fellmann, Gustav Friedrich und Josef Köhler. Alle drei gehören der CDU-Fraktion an und zählen in der Union zu den Parteiveteranen. Der im Juli 1920 geborene Josef Köhler war gerade wählbar geworden, als er Gemeindevertreter in Elsen wurde. Wie lang das zurückliegt, machen zwei Erinnerungen deutlich: Er war ins benachbarte Elsen gezogen, weil seine Heimatstadt Paderborn zerstört war. An den Ratssitzungen nahm damals noch der britische Residenzottizier teil.
    Dennoch kommt dem heute 52jährigen der Weg nicht lang vor. der ihn aus der Gemeindevertretung in Elsen über den Kreistag Paderborn, wo er bald Fraktionsvorsitzender war und seit 1964 zweimal zum Landrat gewählt wurde, im Jahre 1966 in den Landtag führte. In einem Leben, das nicht nur in der politischen, sondern auch — als Geschäftsführer der Ortsverwaltung Paderborn der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands und als Sozialrichter — in der beruflichen Tätigkeit ganz datauf abgestellt ist, "eine einmal für richtig erkannte Entwicklung voranzubringen und für den Mitmenschen zu tun, was man tun kann", kommt keine Langeweile auf, läuft die Zeit sogar schneller als es engagierten Politikern wie Köhler recht sein mag.
    Der Abgeordnete, dessen Wesen von Ernst, Pflichterfüllung und Zuverlässigkeit bestimmt ist, macht kein Hehl daraus: Vor allem seine Kindheit ("Meine Eltern waren mehr als arm, mit zwölf Jahren mußte ich jeden Nachmittag als Laufjunge fünfzig Pfennig verdienen, während andere Kinder spielten.") und seine weitere Jugend haben sein späteres Leben geprägt. Die parteipolitische Bindung suchte der soeben heimgekehrte POW und engagierte Katholik, der in jungen Jahren dienstverpflichtet worden war, weil er sich geweigert hatte, in die HJ einzutreten, bei der CDU und nicht beim Zentrum, für das er schon 1932 Wahlzettel verteilt hatte.
    "Ich glaubte, daß die Union am ehesten das von jeher und vor allem in meiner Vaterstadt gestörte Verhältnis zwischen katholischen und evangelischen Christen in ein Miteinander wandeln könnte." Parallele Überlegungen auf sozialpolitischem Gebiet bestimmten den damaligen Eisenbahner im Reichsbahnausbesserungswerk, in der Einheitsgewerkschaft und nicht in den Richtungsgewerkschaften die bessere Interessenvertretung der Arbeitnehmer zu sehen, für deren Belange er sich heute auch im Landesvorstand der CDU-Sozialausschüsse einsetzt.
    Der Abgeordnete, der sowohl auf der Ebene der Gemeinde als auch der des Kreises die vielfältigen Beziehungen zwischen diesen kommunalen Körperschaften und dem Landesparlament als Praktiker kennenlernte, nennt diese beiden "Zwischenetagen" wichtige Vorbereitungsstufen für die gesetzgeberische Arbeit im Landtag. Sie ist für Josef Köhler "ein Auftrag, den ich im Interesse des Raumes, aus dem ich komme, und den Menschen, die ich als Mandatsträger vertrete, zu erfüllen habe."
    In seiner Heimat weiß man, daß Köhler, den man zu Hause als Landrat schätzt, dies im Düsseldorfer Parlament mit ganzem Einsatz tut, wobei er als stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses ganz besonders die Belange der Verkehrsbediensteten und die Verkehrsinteressen des ostwestfälischen Raumes vertritt. Kein Wunder, daß der Kreis Paderborn seine im Juli erfolgte Wahl als Nachfolger Wilhelm Johnens zum Vorsitzenden des Landkreistages, der Interessenvertretung der 50 Kreise des Landes, mit der Feststellung kommentierte, nun habe man mit Köhler "ein zweites Bein" in Düsseldorf.
    Nach einem Hobby wagt man einen so vielbeschäftigten Politiker, der auch noch stellvertretender Kreis- und Bezirksvorsitzender der CDU ist, überhaupt nicht zu fragen. "Dafür bleibt nicht viel Zeit", gesteht der Vater von zwei erwachsenen Kindern, und er fügt hinzu: "Ich könnte diese Arbeit gar nicht schaffen, wenn ich nicht so viel Verständnis dafür bei meiner Frau fände — und wenn ich nicht überhaupt eine so prächtige Familie hätte."

    Max Karl Feiden

    ID: LI722302

  • Porträt der Woche: Dr. Dieter Haak (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 22 - 29.09.1972

    Wenn er Urlaub macht mit seiner Frau und den drei Söhnen, fährt er — zum Campen — ganz bewußt nicht an die Adria, sondern an Ost- oder Nordsee. "Weil es gesünder ist." Hieraus zu schließen, daß Dieter Haak ein Gesundheitsapostel sei, wäre verkehrt. Hinter seiner Begründung steckt bloß nüchternes, emotionsloses Abwägen. Als Mitglied des Planungsstabes der Staatskanzlei des Ministerpräsidenten hat er sich in dieser eher puritanischen Tugend von 1968 bis 1970 ausgiebig üben können, galt es doch, das "Nordrhein-Westfalen- Programm 75" als konkrete, durchgerechnete, also machbare Planung der Landesentwicklung für fünf Jahre zu entwerfen. Da brauchte es weniger großgebärdige Visionen als arbeitsintensive Detailüberlegungen.
    Dazu paßt, daß Haak auch im Plenum des Landtages, dem er seit 1970 angehört, nicht durch barocke Sprachgewalt oder durch Kuriositäten Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen versucht hat. Pragmatisch, nüchtern und redlich wären angemessene Charakterisierungen für seine Redeauftritte.
    Der Vorwurf "Technokrat" läßt sich daraus indessen nicht ableiten. Denn Haak, der sich als (evangelischer) "Christ und Sozialist" versteht und sich selbst "etwas links von der Mitte" innerhalb seiner Partei einordnet, hat zwar das Realisierbare in der Rede, dabei aber ein Programm im Kopf, nämlich das Godesberger der SPD: "Es ist noch heute eine gute Basis, es müßte nur öfter gelesen werden."
    Mit so prominenten Jungsozialisten wie Karsten D. Voigt und Wolfgang Roth ist der Bergmannssohn und Noch-Juso Haak in wichtigen Teilbereichen auf einer Linie. Beispielsweise was die Einsicht angeht, daß ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft nicht durchsetzbar ist, ohne an dieser Gesellschaft einiges grundlegend anders zu organisieren. Um daran mitwirken zu können, hat der promovierte Jurist Angebote, in eine Rechtsanwaltspraxis einzusteigen, fürs erste ausgeschlagen und ist in die praktische Politik gegangen. Den Praxisbezug, der ihm wichtig ist, stellt das Mandat im Hagener Stadtrat her, das er seit 1969 innehat. Daß Haak sich innerhalb seiner Landtagsfraktion rasch von der Hinterbank weg profilieren konnte, zeigt die Tatsache an, daß ihm als Neuling bereits nach zwei Jahren Landtagsmitgliedschaft der Sprung in den Fraktionsvorstand gelang. Dabei hatte er, der jetzt mit Abstand der jüngste in diesem Gremium, "nur mal Fahne zeigen wollen, um 1975 gewählt zu werden".
    Schwerpunkte seiner Tätigkeit in seiner Fraktion sind die Landesplanung und die Bildungspolitik. Daß ihm dabei über notwendig zu schaffende Quantitäten nicht der Blick für die darauf fußenden, eigentlich wichtigen Qualitäten verloren geht, macht eine Bemerkung deutlich: "Kapazitäten schaffen im Hochschulbereich" sei eine Sache; entscheidend sei jedoch die inhaltliche Hochschulreform, die aber nicht bloß unter dem Gesichtspunkt der Effizienz betrieben werden dürfe: "Bildungspolitik ist Gesellschaftspolitik", also ein Mittel zur Schaffung einer größeren sozialen Gerechtigkeit, meint Haak.
    Natürlich ist Bildungspolitik auch Strukturpolitik relevant. Ex-Landesentwicklungshelfer Haak kämpft deshalb für die langfristige Errichtung einer Gesamthochschule im märkischen Raum, um die bestehenden Hochschuleinrichtungen in der von Strukturkrisen geschüttelten Region Hagen zu erhalten.
    Hartwig Suhrbier

    ID: LI722202

  • Porträt der Woche: Johannes Brockmann, (Zentrum).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 21 - 21.09.1972

    Das Dörfchen mit dem westfälischen Namen Rinkerode liegt weit abseits vom Wege zwischen Hamm und Münster. Und auch von hier ist es noch ein guter Fußmarsch bis zu dem Gutshof, den der 84jährige Brockmann, humorvoll seine "poliehemalige Vorsitzende der Deutschen Zentrumspartei, Johannes tische Eremitage" nennt. Schon seit vielen Jahren lebt er hier in der bäuerlichen Stille seiner münsterländischen Heitmat, mit der geschäftigen Tagespolitik nur noch verbunden durch Zeitungen, die er sich von der Bahnstation holen läßt, und durch den Besuch alter Freunde, die seine Gastfreundschaft zu schätzen wissen. Für viele ist der pensionierte Volksschulrektor, der 1925 im Preußischen Landtag den Platz des Abgeordneten Friedrich Wilhelm Weber einnahm, fast so vergessen wie Webers 1878 verfaßtes vaterländisches Epos "Dreizehnlinden".
    Die Regierung Kühn erinnerte sich vor einigen Wochen dieses Mannes, um ihm zu Ehren seines 85. Geburtstages ein Essen in der Staatskanzlei zu geben. Das Protokoll irrte sich zwar, denn Johannes Brockmann feierte am 17. Juli erst sein 84. Lebensjahr. Doch Ministerpräsident Kühn überspielte den Lapsus, zählte kurzerhand den ersten und eigentlichen Geburtstag hinzu und meinte, Brockmann sei schon immer seiner Zeit voraus gewesen.
    Wahr daran ist, daß Brockmann selbst in den dunkelsten Stunden deutscher Politik immer für eine bessere und demokratische Zukunft gekämpft hat. Schon 1933 verboten ihm die Nationalsozialisten den Mund und den Beruf. Kurz vor dem Kriegsende wurde er noch von der Gestapo verschleppt. Aber nach dem Zusammenbruch war der kleine, kahlköpfige Westfale sofort wieder bei den "Männern der ersten Stunde". Die Neugründung der Zentrumspartei, deren Vorsitzender er bald wurde, war sein Werk. Im nordrhein-westfälischen Landtag und auch im Bundestag trat er bis zuletzt für einen eigenständigen politischen Katholizismus mit starkem sozialem Engagement ein, obwohl sich die neue Konzeption einer die Konfessionen integrierenden Christlich-Demokratischen Union als viel erfolgreicher erwies.
    Alte Zentrumspolitiker wie Adenauer, Schäffer, Kaiser und Krone gingen von Anfang an diesen neuen Weg. Helene Wessel hielt Brockmann bis 1952 die Treue, um dann zur SPD überzuwechseln. 1958 verlor das Zentrum auch im Düsseldorfer Landtag das letzte Mandat. Brockmann mußte eingestehen: "Wir sind total geschlagen worden." Sein Versuch, die Partei des Ludwig Windhorst wiederzubeleben, war endgültig gescheitert.
    Der Parlamentarier Brockmann hat in Düsseldorf die beiden ersten Kabinette des später zum Zentrum gegangenen Ministerpräsidenten Rudolf Amelunxen und auch noch das erste und zweite CDU-Kabinett unter Karl Arnold unterstützt. 1956 verbündete Brockmann sich mit SPD und FDP, um durch den Sturz von Arnold in Düsseldorf Adenauers Pläne für ein Mehrheitswahlrecht ("Grabenwahlrecht") in Bonn zu torpedieren. Der Schuß war nicht für Adenauer, aber für das Zentrum tödlich. Und es nimmt nicht Wunder, daß Brockmann im Grunde heute noch mit der seiner Ansicht undemokratischen Fünf-Prozent- Klausel im Verhältniswahlrecht hadert.
    Für ihn ist es seit königlich-kaiserlichen Zeiten unerläßliches Gebot der Demokratie, daß jedermann ein Mitspracherecht haben müsse. Brockmann würde eher eine Fünfzig-Prozent-Klausel zur Verhinderung absoluter Mehrheiten befürworten als jegliche Limitierung von Splittergruppen. Starrsinn, Stolz oder Demokratiebewußtsein? Aus alten Landtagszeiten ist ein leidenschaftliches Wort des eigenwilligen Westfalen überliefert: "Fort mit der Fünf-Prozent-Klausel. Werfen wir das Scheusal in die Wolfsschlucht!" LOTHAR BEWERUNGE

    ID: LI722102

  • Porträt der Woche: Dr. Josef Hofmann (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 19 - 22.06.1972

    Es ist schon viele Jahre her. Es war an einem Abend in der "Kachelstube" im "Zweibrücker Hof" in Düssetdorf. In einem kleinen Kreis geladener Journalisten sprach Dr. Josef Hofmann über seine schul- und hochschulpolitischen Vorstellungen. Die Fragen und Antworten gingen lebhaft hin und her. "Mensch", sagte nachher auf dem Heimweg ein Kollege zu mir, "ich hätte gar nicht gedacht, daß der Hofmann so aufgeschlossen ist. Ich habe ihn immer für stockkonservativ gehalten." Der Kollege kannte den ehemaligen CDU-Landtagsabgeordneten erst seit kurzer Zeit.
    "Konservativ" hält Hof mann im übrigen gewiß nicht für ein Schimpfwort. Für ihn bedeutet konservativ nur, nicht alles, was sich hochfahrend für "neu", "modern" oder "progressiv" ausgibt, ungeprüft und unkritisch auch für wirklich fortschrittlich zu halten — zum Wohl und wahren Fortschritt des Menschen.
    Dr. Hofmann vollendete vor kurzem sein 75. Lebensjahr. Am 2. Oktober 1946 zog er als damals noch ernannter Abgeordneter in den Landtag ein, dem er ununterbrochen bis 1970 angehörte. Nahezu 20 Jahre war er Vorsitzender des Kulturausschusses. Von "Beruf und Leidenschaft Journalist", wie er selbst von sich sagt, war er vor dem letzten Kriege Redakteur bei der "Osnabrücker Zeitung", der "Kölnischen Volkszeitung" und nach deren Verbot durch die Nazis bei der "Kölnischen Zeitung".
    1946 gründete er mit Freunden, darunter der verstorbene ehemalige Landesminister Johannes Ernst, die "Aachener Volkszeitung", deren Mitherausgeber und Geschäftsführer er heute ist. 1945 gehörte er zu den Mitbegründern der CDU. An dem Entwurf der "Kölner Leitsätze", dem ersten Programm der Union, war er maßgeblich beteiligt. Alle Ämter und Ehrungen von Dr. Hof mann aufzuführen, dazu würden die wenigen zur Verfügung stehenden Spalten kaum ausreichen.
    Ein großer Rhetoriker war Hofmann nie. Aber wenn er sprach, hatte er immer etwas zu "sagen", kenntnisreich und sachbezogen. Dabei konnte er gelegentlich auch ein wenig "giftig" werden, ohne jedoch jemals jemanden persönlich zu verletzen. Er fand immer wieder zu seiner besonnenen und ausgleichenden Art zurück. Hof mann hatte auch die hohe Gabe des Zuhörens. Ihn zeichnet zudem ein Sinn für den feinen Humor aus. Die Kellner im Landtag bezeichnen ihn als einen bescheidenen und gern gesehenen Gast. Noch heute kreuzt Dr. Hofmann gelegentlich im Landtag auf, um seine Memoiren im Archiv zu ergänzen.
    Durch die unparteiische Führung seines Amts als Vorsitzender des Kulturausschusses und auch später als kulturpolitischer Sprecher der CDU-Opposition hat sich Hofmann bei den Parlamentariern aller Fraktionen Achtung erworben. Kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Landtag dankte SPD-Abgeordneter Simelka für die sachlich gute Zusammenarbeit. Wörtlich sagte Simelka: "Sie waren vor allem uns jungen Abgeordneten immer ein Vorbild im Hinblick auf sachliche und loyale Mitarbeit, auch In der Rolle eines Oppositionssprechers.
    Hofmann hat sich immer — zu seiner Zeit selten — dagegen gewehrt, den Begriff Kultur zu eng als Schul- oder Hochschulpolitik zu begreifen. Zur Kultur gehörten für ihn auch Erwachsenen- und Berufsausbildung, Theater, Museen und Bibliotheken. Er war auch der erste, der sich bereits vor vielen Jahren dafür aussprach, die Errichtung von Hochschulbauten durch vorfabrizierte Bauteile schnell und billig voranzutreiben. Heute ist dies eine Selbstverständlichkeit.
    Wer über den Menschen und Politiker Dr. Josef Hofmann schreibt, darf dies nicht verschweigen: seine dynamischen Impulse für sein menschliches, journalistisches und politisches Engagement empfängt er zuerst und letztlich aus seinem weltoffenen, tiefverwurzelten Glauben. Christ sein ist für ihn kein Zustand, sondern eine dauernd zu erfüllende Aufgabe und Verpflichtung. Paul Zugowski

    ID: LI721902

  • Porträt der Woche: Ernst Wilczok (SPD).
    Stellvertretender Vorsitzender des Kommunalpolitischen Ausschusses.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 18 - 15.06.1972

    Seine Karriere weist Superlative aus. Mit 27 Jahren war Ernst Wilczok jüngster Oberbürgermeister der Bundesrepublik, mit 29 Jahren jüngster Arbeitsdirektor und, lachend deutete er darauf hin, mit 48 Jahren jüngster Pensionär. Nach Zusammenschlug der Zechengesellschaften zur Ruhrkohle AG trat er von seinem Posten zurück. Damit zählt sich Wilczok jedoch keinesfalls zum alten Eisen. Denn das Bottroper Stadtoberhaupt hat heute einen politischen Full-Time-Job.
    Neben der Wahrnehmung seines Mandats stellt sich ihm seit einigen Monaten die Aufgabe, den Arbeitskreis für Kommunalpolitik in der SPD zu führen. Im Landtag ist er stellvertretender Vorsitzender des Kommunalpolitischen Ausschusses und Mitglied des Verwaltungsausschusses. Die Tätigkeit in diesen parlamentarischen Gremien weist darauf hin, wo die Schwerpunkte der politischen Arbeit von Ernst Wilczok liegen.
    Allerdings, er räumt unumwunden ein, daß mehr die Sachzwänge als eigene Wünsche ihn sich so stark auf dem kommunalpolitischen Sektor engagieren ließen. Mit Sicht auf Bottrop gibt er ein Beispiel: "Die anstehenden Reformen lassen für unsere Stadt noch einiges erwarten." Für ihn, der gar nicht damit einverstanden ist, was bisher an Reformplänen Chancen hatte, gilt es jetzt, die Positionen der Kommunen zu festigen. Dafür macht sich Ernst Wilczok auch im Gremium des nordrhein-westfälischen Städtetages stark, dessen Landesvorstand er von 1950 bis 1961 sowie seit 1968 angehörte und dessen Vorsitz er im Februar dieses Jahres übernahm.
    Der SPD-Politiker, dessen Neigung eher die ist, "sich um Wirtschaft und Finanzen zu kümmern , wie er sagt, wird schon durch die Lage im Revier gezwungen, Hauptarbeitsakzente auf das Kommunale zu setzen. Wilczok war einer der stärksten Befürworter des Vorhabens, die Bergbaustädte des Emscher-Lippe-Gebietes in einer Arbeitsgemeinschaft zusammenzufassen. "Aus der Notwendigkeit einer Verwaltungsreform heraus", wie er betont. Ziel dieser Arbeitsgemeinschaft, deren Vorsitz Wilczok inzwischen innehat, ist es, der schwachen Finanzausstattung der Gemeinden im nördlichen Ruhrgebiet wegen ihrer wirtschaftlichen Einseitigkeit durch den Bergbau entgegenzuwirken und die Infrastruktur zu verbessern.
    Ernst Wilczoks Auffassung ist die, daß die 16 kreisfreien Städte im Revier selbständig bleiben und sich nur maßvoll räumlich ausdehnen sollten. Er wünscht sich einen Dachverband auf der Basis des Ruhrsiedlungsverbandes, dem wichtige Aufgaben wie der Nahverkehr oder die Ver- und Entsorgung übertragen werden könnten. Vor allem auch die Landesplanungsgemeinschaft für das Ruhrgebiet möchte er erhalten wissen.
    Der heutige hauptberufliche Politiker Wilczok wurde 1922 in Bottrop geboren. Sein Großvater und sein Vater waren Bergleute. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre und war mit 29 Jahren Vorstandsmitglied bei Rheinpreußen in Homberg. Schon früh, 1948, trat er der SPD bei. Wilczok ist verheiratet und hat vier Kinder. Privat schlägt sein Herz für Schalke 04. Seit 1968 hat er erst drei Heimspiele des königsblauen Kohlenpott-Vereins versäumt.
    Eckhard Hohlwein

    ID: LI721802

  • Porträt der Woche: Walter Kühlthau (CDU).
    Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Innere Verwaltung.
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 17 - 08.06.1972

    Der Freidemokrat Bundesinnenminister Genscher war es, der von dem Christdemokraten Walter Kühlthau (65) vor einiger Zeit sagte: "Er hat sich im Parlament selbst ein Denkmal gesetzt." Gemeint war damit nicht der Abgeordnete, der von 1950 bis 1954 dem Landtag angehört hat und seit 1966 wiederum dessen Mitglied ist. Genschers Lob bezog sich auf den Bundestagsabgeordneten Kühlthau, der — 1953 in Essen direkt gewählt —auch acht Jahre in Bonn parlamentarisch wirkte. Mit dem "Denkmal" aber meinte er jene 1961 verwirklichte Gesetzesinitiative, die eine grundlegende Neuordnung des allgemeinen Beamtenrechts, des Besoldungs- und Versorgungsrechts beinhaltet und auch heute noch als "Kühlthau-Beamtenrechts-Novelle" immer wieder in Urteilen von Verwaltungsgerichten zitiert wird. Kühlthau hatte sie 1959 im Bundestag "ohne Fraktionssegen" unter eigenem Namen eingebracht. In einer anderen, ebenfalls wahren Anekdote wird erzählt, wie Konrad Adenauer auf die ihm eigene Art bestätigte, daß auch für ihn der Abgeordnete Kühlthau nicht irgendwer unter den Bonner Parlamentariern war. Als der Altbundeskanzler ihm zum 60. Geburtstag sein Bild mit Widmung schickte, erinnerte er sich: "Ach, dat is für den Kühlthau, der immer wat für die Beamten wollte."
    Als der große Experte auf dem Gebiet der Inneren, Verwaltung und des Besoldungsrechts, aber auch als Sachkundiger in Haushaltsfragen wird Kühlthau von seinen Mitabgeordneten jeder Couleur im Düsseldorfer Parlament hoch geschätzt. Im Bundestag hat der seinerzeit — hier wie dort stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses — nach eigenen Worten "nur die Arbeit aus dem Landtag fortgesetzt, um sie dann 1966 in Düsseldorf wieder aufzunehmen." Er gehört zu den Abgeordneten, denen bei ihrer parlamentarischen Tätigkeit eine hohe berufliche Qualifikation zugute kommt — aber auch ein unermüdlicher Arbeitswille und eine erstaunliche Leistungskraft.
    Der Werdegang bestätigt diese Eigenschaften: Realschulabschluß, da der frühe Tod seiner Vaters einen weiteren Schulbesuch nicht ermöglichte, Verwaltungslehre, Akademiezeugnis und Diplom der Verwaltungsakademie Essen, Begabtenprüfung und (damit ohne Reifezeugnis) volkswirtschaftliches Studium an der Universität Münster. 1955 sprach ihm die Landesregierung die nur selten zuerkannte Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst aus. Auf einer ähnlichen Erfolgsleiter stieg er vom Geschäftsführer der IHK-Zweigstelle Oberhausen auf zum Stadtkämmerer (1955) in Wuppertal und schließlich zum Vorstand der dortigen Stadtwerke. Bereits ab 1948 hatte er sich als Stadtverordneter und Bürgermeister in Oberhausen der Kommunalpolitik gewidmet und hier wie bei der IHK jene Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt, die er heute als Dozent der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Wuppertal jungen Leuten vermittelt.
    "Längst ist Parlamentsarbeit für viele Abgeordnete eine Vollbeschäftigung geworden", sagt Kühlthau, der einmal drei Monate lang die Stunden aufgeschtieben hat, die ihn der Landtag in Anspruch nahm. Er kam auf 55 bis 60 Stunden in der Woche. Seine Frau weiß, daß er früher bis tief in die Nacht arbeitete. Das wird, weil bei ihm kein Brief länger als 48 Stunden unbeantwortet bleiben darf, auch nach der Pensionierung nicht anders werden, zumal man ihn in dieser Woche auch noch zum Vorsitzenden des Wuppertaler Verkehrsvereins gewählt hat. "Das andere ist keine Arbeit sondern ein Hobby", sagt Kühlthau und meint damit den Vorsitz, den er als ehemaliger aktiver Fußballspieler und Schiedsrichter in Essen seit 1961 beim Wuppertaler Sportverein innehat. SPD-Oberbürgermeister Gurland meinte an Kühlthaus 65. Geburtstag, an dem ihm auch das Große Bundesverdienstkreuz verliehen wurde: "Sie sollten Ihr erfolgreiches Leben dadurch krönen, daß Sie den WSV noch in die Bundesliga bringen." — Es sieht ganz danach aus.
    Max Karl Feiden

    ID: LI721702

  • Porträt der Woche: Dr. Michael Hereth (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 16 - 01.06.1972

    Mit Elan und Schnurrbart zog Michael Hereth im Juli 1970 in den Düsseldorfer Landtag ein. Nach ein paar Wochen war der Bart ab. Jetzt sprießt er wieder, geduldet von seiner Frau, die ihren Mann wenigstens einmal glattrasiert sehen wollte, sich dann aber doch nicht für die Dauer durchsetzen konnte.
    Die Karriere des Michael Hereth hat in diesem Jahr zwei neue Daten bekommen. Seit knapp drei Wochen ist der junge Politiker Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Ruhr-Mitte, mit 19 000 Mitgliedern der zweitstärkste Unterbezirk der SPD. Kurz vorher wurde der studierte Politologe an der Ruhr-Universität vom wissenschaftlichen Assistenten zum Akademischen Rat befördert. Doch Hereth registriert trocken: "Ohne einen Pfennig mehr."
    Sein Lebenslauf liest sich, wie sich Lebensläufe eben immer lesen: Trocken. Geboren am 1. Dezember 1938 in Bayreuth, verheiratet, ein Kind. Dieses Kind, ein Sohn, hat die Namen Abel Richard Benjamin: Abel, weil's der Vater so wollte, Benjamin, weil die Mutter darauf bestand und Richard, "damit er später die Wahl hat."
    Nach dem Abitur studierte Hereth Volkswirtschaft, Soziologie und Politische Wissenschaften, wurde Diplom-Volkswirt und Dr. phil., schrieb drei Bücher, schrieb an einem vierten mit und erregte bundesweites Aufsehen, als er mehr Rechte und mehr Geld für die Opposition forderte, und das als Mitglied einer Regierungspartei.
    Zur Politik stieß er als Student durch Waldemar von Knöringen, damals stellvertetender SPD-Vorsitzender. Beide lernten sich in Bonn kennen. Die erste lockere Verbindung wurde fest und fester, bis Hereth den Liberalen Studentenbund, in dem er Mitglied war, verließ und zur SPD ging. Die politische Leidenschaft des Hochschulangehörigen gehört fast zwangsläufig der Hochschulpolitik, doch ist diese Betrachtung sehr vordergründig. Was Michael Hereth wirklich bewegt, sagen seine Bücher und seine Buchtitel, angefangen von "Reform des Bundestages", über "Junge Republik" bis zu "Mobilisierung der Demokratie". Seine Studenten zwingen ihn heute häufig zur politischen Diskussion über seine Landtagsarbeit, und Hereth diskutiert gern, wohl wissend, daß die Grenze zur Parteipolitik schnell überschritten ist.
    Als er 1968, nach jahrelanger Arbeit als Dozent an der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bergneustadt und Studienleiter der Georg-von-Vollmar-Akademie in Kochel, die Politik gegen die wissenschaftliche Arbeit ganz und gar eintauschen wollte, ging es ihm damals wie später seiner Frau mit dem Schnauzbart: Der Kahlschlag hielt nicht lange. Freunde drängten ihn zurück in die Parteiarbeit und ins politische Geschäft. Der Landtag kann ihnen dafür dankbar sein. Seine Fraktion hat einen unruhigen Geist und das ganze Haus einen intelligenten Kopf dazu bekommen.
    Helmut Locher

    ID: LI721602

  • Porträt der Woche: Wilhelm Johnen (CDU).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 15 - 18.05.1972

    Es war einmal ein "Herzog von Jülich". Der war klein von Gestalt, aber groß im Rat der Großen. Mit Adenauer pflegte er Umgang, Globke war sein CV-Bundesbruder, und als Gustav Heinemann kürzlich die Männer der ersten Stunde ins Bonner Präsidenten-Palais bat, da war Wilhelm Johnen dabei. Die erste Stunde — er spricht gern und anschaulich davon: vom zerstörten Jülich, vom englischen General Barraclough und wie er pfiffig mit ihm fertig geworden ist.
    "Damals in der Not waren die Menschen und die Parteien mehr zur Zusammenarbeit bereit. Heute sitzen die Fraktionen sogar im Erfrischungsraum getrennt."
    Wer ihn lange nicht gesehen hat, denkt: hat sich eigentlich kaum verändert; schaut gut aus, Mutterwitz wie eh und je in den Augen, die Antwort parat, noch bevor die Frage beendet. Die Rede halblaut, rheinisch singend, aber eindringlich. So hat er fast neun Jahre lang die CDU-Fraktion des Landtags geführt, die er alsbald nach Adenauer übernahm, ebenso wie er den Vorsitz des Rheinischen Landesverbandes "erbte", als der "Alte" zu bundesweiten Würden aufstieg. Johnen war Adenauers rheinischer Hausmeier.
    Als Nachfolger des tödlich verunglückten Josef Gockeln wurde Wilhelm Johnen am 13. Januar 1959 Präsident des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Er blieb es bis 1966. In diese Zeit fällt die Errichtung einer Hilfskasse für Abgeordnete, ferner eine Absicherung gegen Verdienstausfall.
    Gar viele Ämter, Titel und Siegel führte der "Herzog" damals in seinem Wappen. Nur eines war er nie: Minister. Er wollte nicht, sagt er. Warum wollte er nicht? Dafür hat er mehrere Erklärungen. Sie treffen sich in einem Punkt: Minister zu machen lag dem Wilhelm Johnen stets mehr, als Minister zu sein. Und er hat gemacht! Für ihn war es eine Lust.
    Was immer auch geschah: Wilhelm Johnen war im Grunde nicht zu treffen. Dazu ruhte er viel zu sehr in sich selbst, in seinem christlichen Glauben und in seinem Jülicher Land. Hier tauchen die Johnens bereits 1714 auf, als ein Wilhelm Johnen den Schrickenhof pachtete. Hier in Kirchberg war der Urgroßvater 50 Jahre lang Bürgermeister, und seine Söhne folgten ihm in diesem Amt. Die Franzosen hatten diesen Urgroßvater 1805 zum maire ernannt, so wie die Engländer genau 140 Jahre später den anderen Wilhelm Johnen zum Landrat von Jülich machten.
    Hier im Kreis Jülich liegen die Wurzeln dieses Mannes, der ein gutes Stück Landesgeschichte erlebt un6 gestaltet hat. Landrat von Jülich war ihm stets mehr wert als der schönste Ordensstern. Seit Ende letzten Jahres aber gibt es kein "Herzogtum Jülich" mehr. Es wurde mit Düren verschmolzen. Doch bis zuletzt sorgte der "Herzog" — ohne Groll — dafür, daß sich der Übergang geordnet vollziehe.
    Noch immer kommt morgens um einhalb acht die Sekretärin zum Notar Johnen zum Diktat. Und abends sitzt er und beschreibt die Geschichte des Jülicher Landes und seiner Familien — und natürlich auch die der Familie Johnen, deren Chef am 19. Mai, umgeben von einer lebensklugen Frau, von sechs Kindern, den Schützenvereinen, Karnevalisten, Rotary-Freunden, Bergwerkskapellen und gesegnet mit einer guten Gesundheit fröhlich seinen 70. Geburtstag feiert. Wolfram Köhler

    ID: LI721502

  • Porträt der Woche: Werner Hüffmeier (SPD).
    Porträt
    S. 2 in Ausgabe 14 - 11.05.1972

    Die sechs Jahrzehnte seines Lebens, auf die Werner Hüftmeier, Landtagsabgeordneter der SPD aus der Zigarrenstadt Bünde am 11. Mai zurückblicken kann, sind ausgefüllt mit Politik, die den gelernten Werkzeugschlosser schon früh beschäftigte und ihn nicht mehr losließ. Seit 40 Jahren hat die Sozialdemokratische Partei in ihm einen ebenso treuen wie aktiven Mitarbeiter, dessen Gesinnung auch die Herrscher im Dritten Reich nicht zu wandeln vermochten, als sie ihn von Oktober 1935 bis April 1937 ins Gefängnis steckten.
    Bei allem Wirken in der Partei sah er in ihr doch niemals den Nabel der Welt, sondern betrachtete sie stets als Mittel zum Zweck, dem Menschen ein lebenswertes Dasein zu ermöglichen. So führte ihn denn auch schon in der Jugend sein Weg in die Gewerkschaft, der er 40 Jahre angehört und der er sich schließlich als Gewerkschaftssekretär zur Verfügung stellte. In seinem jetzt 25jährigen Wirken als Sekretär der Holzarbeitergewerkschaft hat er die Interessen derer, die ihm ihr Vertrauen schenkten, stets so wahrgenommen, wie sie es von ihm erwarteten. Die Zielstrebigkeit, mit der Werner Hüffmeier sich den ihm angetragenen Aufgaben zuwandte, die Aufrichtigkeit, die sein Tun und Handeln bestimmte und die Toteranz, die den niemals auf marktschreierischen Ruhm bedachten Politiker auszeichneten, haben ihm viele Sympathien eingebracht, auch derjenigen, die politisch im anderen Lager stehen.
    Das große Vertrauen, das Werner Hüffmeier genießt, fand immer wieder bei den Wahlen sichtbaren Ausdruck. So entsandten ihn seine Wähler zehn Jahre lang in den Rat seiner Heimatstadt Bünde; 15 Jahre lang wirkt er im Kreistag Herford, wo er bis Anfang 1972 den Vorsitz seiner Fraktion innehatte, und zehn Jahre lang gehört er dem Landtag von Nordrhein-Westfalen an, wo der Hobby-Sportler unter anderem im Sportausschuß und im Ausschuß für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft tätig ist.
    Die Tätigkeit als Politiker, das berufliche Engagement in der Gewerkschaft und die Arbeit in anderen Ämtern, so seit 20 Jahren als Vorstandsmitglied der AOK in Bünde und dessen zeitweiliger Vorsitzender, haben Werner Hüffmeier nicht aus dem Gleichgewicht geworfen. Seine Ruhe und Gelassenheit, mit der er sich allen auf ihn zukommenden Problemen stellt, sein überlegtes Handeln in allen Dingen, seine Vorurteilslosigkeit, die seinem Bemühen um Gerechtigkeit entspringt, können manchem als Beispiel dienen. Ihm, der sich in seinen nur kurz bemessenen Mußestunden seiner Familie widmen kann und seiner umfangreichen Bibliothek in seinem Bünder Heim, sagen alle Anerkennungen nichts. Der Erfolg seiner Arbeit im Dienst an seinem Mitmenschen, und sei er noch so klein, ist ihm wichtiger als die lauteste Lobeshymne.
    Joachim Schulz

    ID: LI721402

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Die Fraktionen im Landtag NRW