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  • Lienenkämper, Lutz (CDU); Römer, Norbert (SPD); Brockes, Dietmar (FDP); Priggen, Reiner (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal sind es die energiepolitischen Sprecher der Fraktionen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 12 - 03.12.2008

    Die Dienstfahrt mit dem Wirtschaftsausschuss nach Lingen und Ibbenbüren hat mir gezeigt, dass...

    Lutz Lienenkämper (CDU): ... die Atomenergie in Deutschland verantwortungsvoll und auf höchstem Sicherheitsstandard betrieben wird und die Forschungskompetenz dafür hierzulande erhalten und weiter verbessert werden sollte.
    Norbert Römer (SPD): ... es klug ist, auf heimische Energieträger zu setzen und damit eine langfristige Wertschöpfung und Energieversorgung in NRW zu sichern. Unsere heimischen Energieträger sind Braunkohle, Steinkohle und ein ständig steigender Anteil erneuerbarer Energien.
    Dietmar Brockes (FDP): ... in deutschen Kernkraftwerken und Bergwerken enorme Sicherheits- und Arbeitsschutzvorkehrungen herrschen.
    Reiner Priggen (Grüne): ... unsere Deutschland-Reise "Erneuerbare Energien" wesentlich zukunftsorientierter war als diese Reise in die energiepolitische Vergangenheit und Hoffnung machte, dass wir die Herausforderungen der Zukunft meistern können und mit Erneuerbaren Energien große Chancen auf den Märkten der Zukunft haben.

    Der Ausstieg aus dem heimischen Steinkohlenbergbau 2018 ist...

    Lutz Lienenkämper (CDU): ... sinnvoll und im Interesse von NRW.
    Norbert Römer (SPD): ... nicht zu erwarten. Die aktuelle Entwicklung auf den Weltenergiemärkten zeigt uns, dass es das Gebot kluger Vorsorgepolitik ist, auf die heimische Steinkohle zu setzen. Hinzu kommt, dass sich die Schere zwischen Produktionskosten und Weltmarktpreisen immer mehr schließt. Es bleibt dabei: Unsere Kohle hat Zukunft.
    Dietmar Brockes (FDP): ... zu spät, da aufgrund der geologischen Lage, die deutsche Steinkohle nie wettbewerbsfähig abgebaut werden kann. Wir sollten unsere Landesmittel besser schnellstmöglich in Bildung und Innovation investieren.
    Reiner Priggen (Grüne): ... unter den gegebenen ökonomischen Bedingungen richtig. Er ist vor dem Hintergrund der Interessen aller Beteiligten ein akzeptabler Kompromiss, auch wenn der Ausstieg ohne Entlassungen schneller zu bewerkstelligen wäre.

    Eine verlängerte Laufzeit von Atomkraftwerken halte ich für ...

    Lutz Lienenkämper (CDU): ... notwendig, um Energie in einem sinnvollen Mix aus Kohle, Gas, Atom und Regenerativen sicher, sauber und bezahlbar zur Verfügung zu stellen.
    Norbert Römer (SPD): ... nicht vernünftig. Aus gutem Grund wurde in enger Abstimmung mit der Energiewirtschaft der planmäßige Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. NRW ist vor Jahren aus gutem Grund aus der Atomenergie ausgestiegen. Es würde NRW schwer schaden und Investitionen in neue Energietechnologien behindern, wenn jetzt davon abgewichen würde.
    Dietmar Brockes (FDP): ... zwingend notwendig, da wir ansonsten in eine Stromlücke hineinlaufen und teuren ausländischen Strom beziehen müssen. Warum sollen wir auf eigenen Strom aus Kernkraft verzichten und stattdessen französischen oder tschechischen Atomstrom einkaufen? Dies wäre weder günstiger noch sicherer.
    Reiner Priggen (Grüne) ... eine falsche Entscheidung. Die Endlagerfrage ist ungelöst, die Lagerung in Salzstöcken offensichtlich ungeeignet. Es ist unerlässlich, dass die süddeutschen Länder die rückholbare Lagerung in Gesteinsformationen als mögliche Lösung akzeptieren.

    Regenerative Energieträger bedeuten für das Energieland NRW ...

    Lutz Lienenkämper (CDU): ... eine Chance, den CO2-Ausstoß zu verringern und uns mit Innovationen und guten Ideen an die Spitze des Fortschritts zu setzen.
    Norbert Römer (SPD): ... einen immer wichtiger werdenden Beitrag zur heimischen Energieversorgung. Erneuerbare Energien sind weltweit heimisch. Erneuerbare Energien sind der Exportschlager der Zukunft. Die schwarz-gelbe Landesregierung schadet mit ihrer Politik gegen die Windenergie und andere Erneuerbare Energien dem Standort NRW und vertreibt Investoren.
    Dietmar Brockes (FDP): ... ein wichtiges Wachstumsfeld. Die Erneuerbaren Energien müssen jedoch dringend wettbewerbsfähig werden.
    Reiner Priggen (Grüne): ... eine riesige Chance, vor allem auch für den Export, aber NRW hat ja gerade bescheinigt bekommen, dass es im Ranking der Bundesländer nur auf Platz 12 liegt. Das ist ein großes Versagen der Koalition von CDU und FDP.

    Die Energiekonzerne in NRW müssen in den kommenden Jahren ...

    Lutz Lienenkämper (CDU): ... ihr Kraftwerkserneuerungsprogramm fortsetzen und ihre Preispolitik zugunsten der Kunden überprüfen.
    Norbert Römer (SPD): ... näher ran an die Menschen in NRW. Es kommt darauf an, die Energiezukunft Nordrhein-Westfalens im Dialog zu gestalten. Dazu gehören angemessene Energiepreise, mehr Wettbewerb, die Abschaltung alter Kraftwerke und die Errichtung neuer Kraftwerke, so weit möglich in Kraft-Wärme-Kopplung.
    Dietmar Brockes (FDP): ... in die Erneuerung des Kraftwerkparks investieren und durch mehr Wettbewerb stärker unter Druck gesetzt werden.
    Reiner Priggen (Grüne): ... dazu gebracht werden, ihre Blockademöglichkeiten gegen neue Marktteilnehmer im Gas- und Strommarkt aufzugeben. Die Regierungsfraktionen müssten endlich bereit sein, sich hier für ein Mehr an Markt und Wettbewerb einzusetzen, statt fortwährend die alten Oligopole zu schützen.

    Hinsichtlich der Energieversorgung liegt die Verantwortung der Kreise und Kommunen in ...

    Lutz Lienenkämper (CDU): ... verstärkten Anstrengungen bei der Energieeffizienz.
    Norbert Römer (SPD): ... ihrer hohen Kompetenz vor Ort. So können sie mit eigenen Gebäuden, ganz gleich ob Schule, Verwaltung, Sporthalle oder Schwimmbad, ein Beispiel geben. Wir müssen ihnen helfen zu zeigen, dass energiesparende Investitionen kein Luxus sind, sondern helfen, gleichzeitig Geld zu sparen, das Klima zu schützen und Arbeitsplätze vor Ort zu sichern.
    Dietmar Brockes (FDP): ... ihrer Vorbildfunktion. Wir können nur das vom Bürger verlangen, was wir selbst vormachen. Auch kommunale Gebäude müssen deshalb effizienter im Umgang mit Energie werden.
    Reiner Priggen (Grüne): ... den drei E: Energieeinsparung, Effizienzsteigerung und Erneuerbare Energien. Es ist Verantwortung der Kommunen, sich für eine sichere, umweltverträgliche und bezahlbare Energieversorgung einzusetzen. Niemand darf sich vor dieser Verantwortung drücken.

    Verbraucherinnen und Verbraucher müssen mit Blick auf den Klimawandel ...

    Lutz Lienenkämper (CDU): ... noch mehr als bisher auf einen sparsamen und effizienten Energieverbrauch achten - die öffentliche Hand sollte dabei aber zielgenauer und noch effektiver als bisher beraten.
    Norbert Römer (SPD): ... unterstützt werden. Vielen Produkten kann man heute noch nicht ansehen, wie teuer sie den Verbraucher über ihre Lebenszeit zu stehen kommen. Viele Mieter erfahren erst, nachdem sie in eine Wohnung eingezogen sind, welche Heizkosten tatsächlich auf sie zukommen. Deshalb brauchen wir eine gute und transparente Verbraucherberatung.
    Dietmar Brockes (FDP): ... effizienter mit Energie umgehen. Möglichkeiten sehe ich dabei insbesondere bei der Gebäudesanierung.
    Reiner Priggen (Grüne): ... sparsamer werden in ihrem persönlichen Energieverbrauch. Sie müssen kritischer werden als Kunden oder Konsumenten und bei Anschaffungen nicht nur den günstigen Kaufpreis, sondern auch die Energiekosten über die Laufzeit einer Anschaffung in die Kaufentscheidung einbeziehen.

    Idee und Umsetzung: Sebastian Wuwer und Christoph Weißkirchen.

    Systematik: 2100 Energie; 2200 Bergbau/Bodenschätze

    ID: LI081206

  • Brückenbau zwischen Nachbarn.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 11 - 12.11.2008

    Polen, dieses 38-Millionen-Volk im Osten Europas - glaubensstark, aber politisch schwer berechenbar? Traumatisiert von der eigenen Geschichte? Objekt dummer Witze? Weg mit den Klischees, blicken wir zurück.
    Es waren Polen, die im 17. Jahrhundert Europa mit vor den Osmanen retteten. Immer wieder geteilt und unterjocht, errang sich die polnische Nation mit ihrem Freiheitsdrang Respekt und Unterstützung. Erstmals auf europäischem Boden entstand 1791 in Polen das weltweit zweite moderne Grundgesetz nach Vorbild der amerikanischen Verfassung.
    Mit dem Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen begann der Zweite Weltkrieg. In Polen unterhielten die Nazis die schlimmsten Vernichtungslager. Millionen Menschen wurden Opfer von Gewalt und Vertreibung. Der Kniefall von Bundeskanzler Willy Brandt am Mahnmal des Warschauer Aufstands leitete die Wende im deutsch-polnischen Verhältnis ein. Die ersten Risse im Ostblock gingen auf die Bürgerbewegung Solidarność zurück.

    Verbindungen

    Heute sind Deutschland und die Republik Polen Mitglieder der Europäischen Union und partnerschaftlich verbunden. Seit 1991 stellt das Deutsch-Polnische Jugendwerk den Jugendaustausch zwischen beiden Ländern auf eine feste Basis. Die Regierungen treffen sich regelmäßig zu Konsultationen. Die ersten Auslandsreisen nach ihrer Wahl führten Bundespräsident Köhler und Kanzlerin Merkel nach Polen. Seit 2007 gibt es ein Kooperationsabkommen zwischen NRW und der Gedenkstätte Auschwitz, das Ministerpräsident Rüttgers bei seiner zweiten Polenreise unterzeichnete.
    Unter dem Vorsitz der Landtagspräsidentin arbeitet die Deutsch-Polnische Parlamentariergruppe am Ausbau der gegenseitigen Beziehungen. Beide Länder sind Mitglieder in der Kooperation von Regionen in Frankreich, Polen und Deutschland. Sie erfüllen damit das "Weimarer Dreieck" durch Impulse bei Strukturwandel, Sozialpolitik und Kultur mit Leben. Immer wieder sind in der Vergangenheit NRW-Abgeordnete nach Polen gereist, haben Gespräche geführt und Kooperationen vereinbart oder vertieft. Jedes Jahr gibt es unter dem Motto "Begegnung mit Osteuropa" im Land einen Schülerwettbewerb. "Brücken bauen in Europa" lautet das Thema im nächsten Jahr.
    Brücken baut auch der Parlamentarische Abend, bei dem der Landtag den Nachbarn Polen in den Mittelpunkt rückt. Serdecznie witamy w Nadrenii - Westfalii!
    jk

    ID: LI081108

  • Dinther, Regina van (CDU); Kramer, Hubertus (SPD); Engel, Horst (FDP); Dr. Seidl, Ruth (Grüne)
    Nordrhein-Westfalen und Polen - eine langjährige, intensive Freundschaft.
    Was ist wichtig mit Blick auf das Verhältnis zwischen NRW und Polen? Mitglieder der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe nehmen Stellung.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 8-9 in Ausgabe 11 - 12.11.2008

    Nicht erst seit dem Fall des Eisernen Vorhangs sind die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland von großer Freundschaft und hoher Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, geprägt. Dabei waren die Anfänge der heute guten Beziehungen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verständlicherweise keineswegs einfach. Doch inzwischen haben sich viele intensive Städtepartnerschaften, Schulfreundschaften oder Jugend-Austauschprogramme entwickelt. Sie bilden die Basis für dieses gute nachbarschaftliche Verhältnis in Europa. Seit 1991 besteht zudem eine tragfähige Dreiländer-Freundschaft zwischen Polen, Deutschland und Frankreich, die im sogenannten Weimarer Dreieck organisiert ist.
    Der Landtag Nordrhein-Westfalen gedenkt im November des 90. Jahrestags der polnischen Unabhängigkeit mit einem Polen-Abend. Unter anderem werden der Marschall der Woiwodschaft Schlesien, Bogusław Piotr Śmigielski, der Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe im Sejm, Jan Rzymelka, sowie der Generalkonsul der Republik Polen, Andrzej Kaczorowski, daran teilnehmen. Mit dem Parlamentarischen Abend sollen insbesondere die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Polen und Nordrhein-Westfalen vorgestellt werden. Viele gemeinsame Aktivitäten in den Bereichen Kunst, Kultur und Tourismus verdeutlichen, dass die Länderfreundschaft gelebt wird und festen Bestand hat.
    Im Landtag werden die Beziehungen zu Polen von einer eigenen Parlamentariergruppe betreut - und dies über alle Parteigrenzen hinweg. Der hohe Stellenwert beruht nicht zuletzt darauf, dass viele Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen ihre Wurzeln in Polen haben. Sie haben mit ihrer Kultur dieses Bundesland - insbesondere im Ruhrgebiet - beeinflusst und einen wichtigen Teil zum wirtschaftlichen Aufschwung im Nachkriegsdeutschland beigetragen. Die Deutsch-Polnische Parlamentariergruppe hat sich zum Ziel gesetzt im kulturellen, wirtschaftlichen wie auch gesellschaftlichen Bereich eine Kultur der Zusammenarbeit und des Miteinanders zu fördern.

    Landtagspräsidentin Regina van Dinther MdL, CDU-Fraktion (Vorsitzende der Deutsch- Polnischen Parlamentariergruppe)
    Das gute Verhältnis zwischen Polen und Deutschen liegt mir als Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe besonders am Herzen. Denn es sind immer Menschen, die die Brücken zwischen einzelnen Ländern auf- und ausbauen können. Daher bin ich froh, dass der Landtag NRW auch in der aktuellen Wahlperiode der Pflege dieser Länder-Beziehung einen solchen Stellenwert eingeräumt hat.
    Für die Zukunft der langjährigen guten Freundschaft zwischen Nordrhein-Westfalen und Polen haben wir uns zwei Ziele gesetzt: Zum einen wollen wir gemeinsam mit unseren polnischen Freunden am europäischen Haus bauen. Als Bundesland steht NRW in enger Kooperation mit Schlesien. Beide Regionen haben - nicht zuletzt wegen des Bergbaus - eine ähnliche jüngere Geschichte. Ich bin der festen Überzeugung, dass mit der Pflege dieser regionalen Beziehungen das feste Fundament für das Bauprojekt "Haus Europa" gelegt werden kann. Zum anderen erscheint es mir außerordentlich wichtig, dass wir die junge Generation auf diese Länder-Freundschaft aufmerksam machen. Insbesondere der Jugend-Austausch muss dabei im Mittelpunkt stehen. Denn Freundschaften, die in der Jugend geschlossen werden, halten oft ein Leben lang. So können wir sicherstellen, dass auch in Zukunft ein friedliches und partnerschaftliches Miteinander zwischen beiden Ländern gelingt. Zudem möchten wir unseren Teil dazu beitragen, dass die hier geborenen jungen Polen Nordrhein-Westfalen als ihre Heimat betrachten.

    Hubertus Kramer MdL, SPD-Fraktion (stv. Vorsitzender der Deutsch- Polnischen Parlamentariergruppe)
    Kaum ein deutsches Bundesland hat so viele Einflüsse durch Polen erfahren wie NRW. Menschen von dort kamen schon früh insbesondere ins Ruhrgebiet, um Arbeit zu bekommen. Über Jahrzehnte sicherten sie hier wirtschaftlichen Wohlstand entscheidend mit und prägten die gesellschaftlich-kulturelle Landschaft erheblich. Auch deshalb kommt uns Nordrhein-Westfalen eine ganz besondere Verantwortung für friedliches und freundschaftliches Leben der Menschen beider Länder unter dem Dach der Europäischen Union zu. Dieser besonderen Verantwortung werden Tausende von Nordrhein-Westfalen durch ihre ehrenamtliche Arbeit gerecht. Schulen, Jugendgruppen, Kirchengemeinden, Städte und Gemeinden in NRW knüpfen Kontakte mit Menschen in Polen, bauen Freundschaften auf oder helfen Bedürftigen mit humanitären Aktionen. Aus über einem Jahrzehnt eigener Erfahrung weiß ich, wie viel Kraft diese Arbeit abverlangt, wie viel Freude sie aber auch schenkt. Insofern liegt mir für das Verhältnis zwischen NRW und Polen besonders am Herzen, dass diese großartigen Initiativen gerade vor dem Hintergrund unserer historischen Verantwortung weiter bedeutende Mosaiksteine im Gesamtbild des Zusammenlebens zwischen Deutschen und Polen bilden.

    Horst Engel MdL, FDP-Fraktion (Mitglied der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe)
    Wichtig sind mir die Festigung des Verhältnisses zwischen Polen und Deutschland und der Ausbau der Kooperation zu unserer NRW-Partnerregion Schlesien. Die Schande von Auschwitz lastet nach wie vor schwer auf uns. Auch in jüngerer Vergangenheit war der Weg zu guten Beziehungen zwischen Polen und Deutschland nicht ohne Stolpersteine. Aber wie an der Beilegung des Streits über die Stimmengewichtung im EU-Ministerrat zu sehen war, können sie ausgeräumt werden. Dass die deutsch-polnischen Beziehungen kaum besser waren als heute, liegt nicht zuletzt an NRW. So bedeutet es mir viel, wenn wir aus NRW nicht nur daran arbeiten, indem wir polnischsprachigen Unterricht in den Schulen in NRW anbieten. Oder mit Geld und Fachkräften den Zerfall von Häftlingsdokumenten aus Auschwitz verhindern, denn hinter jedem steht ein menschliches Schicksal. Wichtig sind mir als Vorstand des LAZARUS Hilfswerk (LHW) in Deutschland die finanzielle Sicherung und der Ausbau der LAZARAUS-Sozialstationen in Polen. Diese in Ermland und Masuren aus ersten LHW-Hilfstransporten in das 1981 noch unter Kriegsrecht stehende Polen hervorgegangenen Stationen verwalten sich heute weitgehend selbstständig - ein Erfolg, weil wir aus Deutschland nachhaltig Hilfen zur Selbsthilfe geben konnten. Es darf keinen Rückfall in Zeiten des Rüstungswettlaufs zwischen West und Ost geben. Die Bundesregierung sollte die US-Raketenstationierung in Polen nicht als Angelegenheit zwischen Washington und Warschau ansehen und vernachlässigen.

    Dr. Ruth Seidl MdL, Grünen-Fraktion (Mitglied der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe)
    Eines der wichtigsten Elemente für ein gutes und von gegenseitigem Vertrauen geprägten Miteinanders ist meines Erachtens der kulturelle Austausch. Mit Blick auf das Verhältnis NRWs zu Polen ist mir daher besonders die Pflege und Intensivierung der freundschaftlichen Beziehungen in diesem Bereich ein großes Anliegen. Der Beitritt Polens zur EU 2004 bedeutete den Beginn einer neuen Ära der Beziehung zwischen Deutschland und Polen. Die gemeinsame EU-Mitgliedschaft hat zu einem weiteren Ausbau und der Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit im politischen, wirtschaftlichen, aber auch kulturellen und gesellschaftlichen Bereich geführt. Begrüßenswert finde ich als hochschulpolitische Sprecherin besonders Initiativen wie die Kooperation des Landtags NRW mit der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus Ländern Mittelund Osteuropas gemeinsam Johannes-Rau-Stipendien vergeben. Junge Menschen haben die Möglichkeit, im Rahmen dieses Programms an der Universität zu promovieren und gleichzeitig einen Einblick in die parlamentarischen Abläufe hier im Landtag zu erlangen. Daher freue ich mich besonders, dass die Deutsch-Polnische Parlamentariergruppe, die auf Grüne Initiative im Jahr 2000 gegründet wurde, mittlerweile auf eine erfolgreiche "Amtszeit" zurückblicken kann. Ich hoffe, dass den zahlreichen Zusammentreffen mit Gästen aus Polen viele weitere folgen und es auf den verschiedensten Ebenen ein reger Austausch bleibt.

    Zusatzinformation:
    Polen (Fläche: 312.685 km²) grenzt im Norden an die russische Exklave Kaliningrad und an Litauen, im Osten an Weißrussland und die Ukraine, im Süden an die Slowakei und Tschechien sowie im Westen an Deutschland. Das Land besitzt eine 528 km lange Ostseeküste. Mit etwa 38 Millionen Einwohnern hat Polen die achtgrößte Bevölkerungszahl in Europa und die sechstgrößte in der Europäischen Union. Die Bevölkerungsdichte beträgt 122 Einwohner pro Quadratkilometer.

    Systematik: 1510 Internationale Beziehungen; 1600 Europäische Gemeinschaften/Europäische Union; 1620 Projekte der EG/EU

    ID: LI081104

  • Reform in rauen Zeiten.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 10 - 22.10.2008

    Banken gehen pleite, schließen sich zusammen oder werden mit Milliarden an Steuergeldern gestützt. Die Finanzkrise ist längst zur Vertrauenskrise geworden. Nicht gerade das optimale Umfeld für die Debatte über ein Modernisierungsgesetz, das die Sparkassenlandschaft in NRW sicherer und zukunftsfähig machen soll.
    Das will die Landesregierung mit der Novelle des NRW-Sparkassengesetzes erreichen. Die dritte Säule des deutschen Bankensystems, die kommunalen Sparkassen, soll auch weiterhin auf öffentlich-rechtlicher Basis ortsnah die Bürgerschaft und den Mittelstand mit Krediten und Finanzdienstleistungen versorgen.
    Wer als Bankkunde überlegt, ob Omas Sparstrumpf zu unrecht aus der Mode gekommen oder ob die Flucht ins Gold eine Alternative ist, dem sind die Probleme auf den ersten Blick nicht so recht einsichtig, um die es geht. Was hat es zu bedeuten, dass die Sparkassen demnächst Trägerkapital bestimmen können? Wie eng sollen die Bindungen an das "Mutterinstitut" WestLB sein? Was soll mit den Überschüssen geschehen - weiterhin für gemeinnützige Zwecke ausschütten oder (zum Teil wenigstens) dem Haushalt der Kommune zuführen? Und warum gibt es weiterhin doppelte Strukturen in den beiden Landesteilen?

    Vertrauen

    Es ist Pech, dass die öffentliche Debatte über das NRW-Sparkassengesetz mit der globalen Finanzkrise zusammenfällt. Aber das sollte kein Grund sein, auf die Modernisierung des 14 Jahre alten Gesetzes zu verzichten, im Gegenteil. 110 Sparkasseninstitute in NRW mit einem dicht geknüpften Netz von 2.900 Filialen, einer Bilanzsumme von 268 Milliarden Euro im vergangenen Jahr und über 60.000 Beschäftigten sind ein Kapital, das gehegt und gepflegt werden muss. Das Vertrauen von elf Millionen Sparkassenkunden ist ein Bonus, der nicht verspielt werden darf.
    Die Debatte über die Gesetzesnovelle war notwendig. Das letzte Wort hat jetzt der Landtag. Hier gibt es Befürworter und Gegner. Die Argumente sind bekannt, vielleicht finden beide Seiten einen Kompromiss. In "normalen" Zeiten wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn das Gesetz "nur" mit der Koalitionsmehrheit das Parlament passieren würde. Aber es sind keine normalen Zeiten. Besser wäre ein Konsens. Denn unter den gegenwärtigen Umständen ist jede Stimme für die Novelle eine vertrauensbildende Maßnahme und zugleich die Chance, die dritte Säule des in rauen Zeiten gebeutelten Bankenwesens sturmfest zu machen.
    jk

    ID: LIN05436

  • Zwischen "Diskretion" und "Desaster".
    Diskussion über WestLB wird zur Grundsatzdebatte über öffentlich-rechtliches Bankenwesen.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 10 - 22.10.2008

    17.9.2008 - "Der Streit eskaliert - welche Perspektiven hat die WestLB?": So der Titel einer Aktuellen Stunde. In der Debatte war dabei der Sprung zum geplanten Sparkassengesetz nicht weit. Gewollt oder (durch die EU) getrieben - für die rot-grüne Opposition gefährdet die Regierung mit ihrer Politik nicht nur die Zukunft der WestLB, sondern gleich des gesamten Sparkassenwesens in der Bundesrepublik Deutschland. "Unverantwortliche Panikmache" hielt die Regierung entgegen und konterte, die wirkliche Gefahr liege in ebensolchen Aussagen.
    Gisela Walsken (SPD) warf der Landesregierung "Dilettantismus" im Umgang mit der größten Investition des Landes vor. Die WestLB brauche ein neues Geschäftsmodell; dies werde aber von der Landesregierung - so Walsken mit Blick auf mögliche Fusionen - nicht unterstützt. Die Bank treibe vielmehr seit 2007 führungslos durch die Immobilienkrise. Den "Gipfel der Inkompetenz" sah sie allerdings im Entwurf des Sparkassengesetzes: Der - gegen den Widerstand der Sparkassenverbände - geplante Verbund zwischen WestLB und Sparkassen könne das Ende des öffentlich-rechtlichen Bankensystems bedeuten. Insbesondere wandte sich die Oppositionssprecherin gegen die Äußerungen von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes zu diesem Thema, die auf eine Privatisierung der Sparkassen abzielten, was auch Teile der Landesregierung wünschten.
    Christian Weisbrich (CDU) dagegen sah schon in der Beantragung der Aktuellen Stunde einen Akt "verantwortungslosen Handelns". Die "Hetze" der Opposition gefährde Arbeitsplätze und Landesvermögen. Zwischen 2002 und 2004, also unter rot-grüner Regierung, seien bei der WestLB reale Verluste von 4,8 Milliarden Euro entstanden, blickte Weisbrich zurück. Er erinnerte daran, dass in der Ägide der Vorgängerregierung die WestLB mit der LBS ihr Bauspargeschäft abgegeben habe, dass die Landesregierung die Mehrheit an der WestLB "verspielt" habe, dass sie "Fehlspekulationen" mit VW-Aktien abgesegnet habe und dass sie die WestLB in einen Kampf mit der EU-Kommission gehetzt habe. Wer dies alles zu verantworten habe, solle jetzt der aktuellen Landesregierung bei der Krisenbewältigung helfen, anstatt Angst und Misstrauen zu schüren.
    Angela Freimuth (FDP) sah einerseits eine vernünftige Kritik an Zeitpunkt und Art der Äußerungen der EU-Wettbewerbskommissarin gerechtfertigt, andererseits unterstrich sie: "Niemand hier im Hause wünscht sich, dass sich die Sichtweise von Frau Kroes unverändert durchsetzt." Aber es müsse doch sichergestellt werden, dass die WestLB über ein besseres Geschäftsmodell zukünftig auf eigenen Füßen stehen könne und nicht auf das Geld der Steuerzahler angewiesen sei. Dieses Ziel sei am besten über sachliche Gespräche auch mit der Kommission zu erreichen, nicht über "Geschrei in den Schützengräben". Unterstützung signalisierte die Liberale für die Forderung der Sparkassen, dass die WestLB im öffentlich-rechtlichen Lager bleibe: "Es ist dann aber auch an den Sparkassen, mit dem Land gemeinsam eine Lösung innerhalb ihrer Strukturen zu finden."
    Sylvia Löhrmann (Grüne) verband in ihrer Stellungnahme ebenfalls das Problem "WestLB" mit dem geplanten Sparkassengesetz. Alle Fusionsüberlegungen seien entweder von der Regierung abgelehnt worden (Stichwort: LBBW) oder - einmal öffentlich geworden - gescheitert. "Wenn Sie nicht einhalten und einlenken, wird Jürgen Rüttgers zum Totengräber der WestLB ... und der Sparkassen." Das Sparkassengesetz müsse gestoppt werden, ansonsten fungiere die Landesregierung als Handlanger der EU-Kommissarin Kroes, die einen "finalen" Angriff auf die Sparkassen in ganz Deutschland plane. Mit Blick auf die Äußerungen aus Brüssel warnte Löhrmann davor, die Sparkassen zwangsweise an die WestLB zu binden: Wenn ein privater Investor mehr als 50 Prozent der WestLB übernehme, dann sei ein neues Gesetz nötig, um diesen Verbund wieder zu lösen.
    Finanzminister Helmut Linssen (CDU) unterstrich, das Hauptziel sei, die WestLB zu konsolidieren. "Dabei gibt es Bemerkungen von Frau Kroes, die wir nicht teilen", distanzierte er sich von der europäischen Wettbewerbskommissarin. Artikel 295 des EU-Vertrags schütze die Eigentumsordnung der EU-Mitgliedstaaten und damit in Deutschland die öffentlich-rechtliche Trägerschaft der Sparkassen. Daher könne von einer möglichen Privatisierung der Sparkassen keine Rede sein, betonte Linssen. Im Übrigen sei es eine Falschmeldung, dass zwei Drittel der risikobehafteten Wertpapiere in der Amtszeit der gegenwärtigen Regierung angeschafft worden wären; dies sei vielmehr unter Rot-Grün geschehen. Persönlich habe er dies nicht mitzuverantworten, da er zwischen 2002 und 2005 nicht Mitglied im Aufsichtsrat der WestLB gewesen sei.
    cw

    Systematik: 8400 Finanzmarkt; 2000 Wirtschaft; 1600 Europäische Gemeinschaften/Europäische Union

    ID: LIN05432

  • Klein, Volkmar (CDU); Walsken, Gisela (SPD); Freimuth, Angela (FDP); Groth, Ewald (Grüne)
    Wie sichert man Stabilität?
    Interview zum Schwerpunkt "Sparkassengesetz".
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 10 - 22.10.2008

    Die Sparkassen - allgemein betrachtet als Hort der Stabilität - sollen stark bleiben. Gerade auch angesichts der allgemeinen Bankenkrise wie auch vor dem Hintergrund der Turbulenzen, in die die WestLB geraten ist. An diesem Punkt hört die Gemeinsamkeit zwischen Regierung und Opposition auch schon auf: Die einen sehen in der Erneuerung des Sparkassengesetzes eine Notwendigkeit, um das Sparkassenwesen zu erhalten, die anderen befürchten genau das Gegenteil. Grund genug, die unterschiedlichen Sichtweisen im Interview zu erfragen.

    Die Diskussion über das Sparkassengesetz beinhaltet auch eine Diskussion über das Verhältnis zwischen Sparkassen auf der einen Seite und WestLB auf der anderen. Wie bewerten Sie dieses Verhältnis erstens mit Blick auf den geplanten Verbund und zweitens mit Blick auf die geplante Öffnung der WestLB im Bereich des Privatkundengeschäfts?

    Volkmar Klein (CDU): Dieser Verbund wird ja nicht geplant, dieser Verbund wird gelebt. Und der Verbund zwischen den öffentlich-rechtlichen Sparkassen und ihrer "Tochterfirma" West- LB wird heute viel besser gelebt als früher, weil die WestLB früher zu oft nur als abgehobene Investmentbank aufgetreten ist. Aber inzwischen ist dieser Verbund Wirklichkeit, das Sparkassengesetz beschreibt das. Gemeinsam können Sparkassen und WestLB mehr erreichen, das gilt für beide. Um ein Beispiel zu nennen: Die Sparkassen dürfen nicht landesweit mit gemeinsamen Konditionen werben, das wäre ein Verstoß gegen das Kartellrecht. Insofern ist es sinnvoll, punktuell selbst im Bereich Konsumentenkredite gemeinsam mit der WestLB aufzutreten, wie das bei der Readybank geschieht. Aber: Was und wie sie etwas gemeinsam anpacken wollen, ist ausschließlich Sache der Verbundpartner selbst.
    Gisela Walsken (SPD): Das Verhältnis ist dadurch eindeutig bestimmt, dass die Sparkassen über ihre Verbände mit den Landschaftsverbänden Mehrheitseigentümer der WestLB sind. Die Sparkassen und Sparkassenverbände sind der Auffassung, dass keine einzelne Sparkasse Eigentümer der Bank sein soll und kein Verbund verpflichtend per Gesetz vorgeschrieben werden soll. Es gibt jetzt schon eine freiwillige Zusammenarbeit über die S-Finanzverbund-Clearing, über die viele Neugeschäfte abgewickelt werden. Die Geschäftsmodelle müssen deutlich voneinander getrennt bleiben: Die Sparkassen machen das Geschäft "Auge in Auge" mit den Kunden, während die WestLB sich schwerpunktmäßig auf das internationale Geschäft konzentriert.
    Angela Freimuth (FDP): Die Sparkassen sind Mehrheitseigentümer der WestLB und arbeiten bereits heute im sogenannten S-Finanzverbund mit der WestLB in Nordrhein-Westfalen zusammen. Im Gesetzentwurf wird diese schon freiwillig bestehende Zusammenarbeit nun geboten; er überlässt es aber den S-Verbund-Partnern, diese auszugestalten. Ich gehe davon aus, dass der zukünftig gestärkte S-Verbund im Bereich des Privatkundengeschäfts und in der Finanzdienstleistung für den Mittelstand seine guten Angebote und Produkte weiter verbessern wird.
    Ewald Groth (Grüne): Es kann nicht sein, dass die WestLB den Sparkassen Konkurrenz macht im Privatkundengeschäft und sich die beiden Institutionen gegenseitig im Wettbewerb auffressen - zumal die Sparkassen mehrheitlich Besitzer der WestLB sind. Es kann nur sein, dass man sich bemüht, den Markt gemeinsam zu erobern, um eine Win-Win-Situation zu schaffen. Dazu bedarf es einer gesetzlichen Fixierung. Deshalb sind wir Grünen strikt dagegen, das Verhältnis gesetzlich zu fixieren. Und wir haben gerade erst einen Antrag eingebracht, die parlamentarischen Beratungen zum Sparkassengesetz im Hinblick auf die Finanzkrise auszusetzen, weil das die Märkte weiter verunsichert.

    Die EU-Kommissarin für Wettbewerb und Binnenmarkt, Neelie Kroes, hat ihre Vorstellungen hinsichtlich der finanziellen Absicherung der WestLB verbunden mit Überlegungen über das öffentlich-rechtliche Bankenwesen im Allgemeinen. Was halten Sie von Zeitpunkt und Inhalt der Verlautbarungen?

    Volkmar Klein (CDU): Der EU-Vertrag regelt abschließend die deutsche Zuständigkeit in diesem Bereich. Insofern hat sich Frau Kroes da nicht einzumischen. Vielleicht sollte sie sich über diese Rechtsgrundlagen einfach besser informieren. Für Deutschland sind die Sparkassen als eine Säule des Bankensystems wichtig. Das sichert die Wettbewerbsintensität des Bereichs insgesamt und vor allem auch flächendeckend bis in alle Winkel des Landes. Die dezentral starke Bankversorgung ist Grundlage unseres wirtschaftlichen Erfolgs. Im Übrigen passt das Vorgehen der Frau Kroes auch nicht in die Zeit. Vielleicht hat das etwas mit EU-Antipathien gegen die WestLB aufgrund langjähriger, unerfreulicher Kontakte mit Brüssel zu tun. Aber wenn heute in ganz Europa Staaten bei Banken einsteigen und jeder das nicht nur akzeptiert, sondern ausdrücklich als stabilisierenden Faktor begrüßt, dann kann Frau Kroes nicht ernsthaft gleichzeitig in Sachen WestLB das Umgekehrte fordern.
    Gisela Walsken (SPD): Ich mache seit 1990 Haushalts- und Finanzpolitik und habe noch nie erlebt, dass sich eine beteiligte Kommissarin in einem laufenden Verfahren öffentlich äußert. Von daher sehe ich die Verlautbarung außerordentlich kritisch. Das Verhältnis der Kommissarin zum öffentlich-rechtlichen Bankenwesen ist ein gespaltenes. Dahinter steht nach meiner Auffassung der Versuch, die öffentlich-rechtliche Bankensäule in der Bundesrepublik deutlich zu schwächen. Meine Fraktion sieht darin einen massiven Angriff. Aber aufgrund der aktuellen Lage wird es für Frau Kroes schwierig zu begründen, warum bei der WestLB keine staatlichen Garantien gegeben werden dürfen, während wir weltweit private Banken damit stützen.
    Angela Freimuth (FDP): Die Äußerungen von Kommissarin Kroes sind in der Art und Weise und auch hinsichtlich des Zeitpunkts schon bemerkenswert. Im Ergebnis möchte ich nicht, dass sich ihre Vorstellungen in dem Verfahren über die Bewilligung der Hilfen für die WestLB völlig unverändert niederschlagen. Wir wollen - gerade mit Blick auf die Sparkassen - diesen Risikoschirm für die WestLB aufspannen, wenngleich dies für die Steuerzahler eine enorme Herausforderung sein kann. Aus meiner Sicht ist dieses Engagement jedoch notwendig und vertretbar, wenn ein tragfähiges Geschäftsmodell entwickelt wird und die Risikokontrolle verbessert wird. Hier sehe ich die Eigentümer aber auf einem konstruktiven Weg. Wir haben in Deutschland ein öffentlichrechtliches Bank- und Sparkassenwesen und vom EU-Vertrag sind die Eigentumsrechte nach nationalstaatlichem Recht geschützt. Die Äußerungen von Kommissarin Kroes sind sicherlich ernst zu nehmen, aber keine Position, die ich undifferenziert teile. Unabhängig vom konkreten beihilferechtlichen Verfahren hält die FDP aber an ihrem Ziel fest, den Landesanteil an der WestLB auch unter Einbeziehung des Kapitalmarktes zu verwerten.
    Ewald Groth (Grüne): Mit Sicherheit ist Frau Kroes über ihre Kompetenzen hinausgegangen. Ich vermute dahinter eine Strategie: Die EU-Kommission hat diese Kompetenzen nicht und sie will sie reklamieren. Das ist ein bedenklicher Vorgang. Und natürlich müssen wir mit der EU-Kommission zusammenarbeiten, wenn wir das Problem WestLB in den Griff kriegen wollen. Aber wir müssen nicht über jedes Stöckchen springen, schon gar nicht, wenn die EU-Kommission Kompetenzen überschreitet. Schon gar nicht jetzt, wo die Kommission - Stichwort Finanzmarktkrise - mit zweierlei Maß zu messen scheint.

    Hinsichtlich der Bestimmungen zu den Ausschüttungen der Sparkassen - Stichwort Gemeinwohl und gemeinnützige Zwecke - scheint sich nunmehr ein Kompromiss zwischen Regierung und den Sparkassenverbänden anzubahnen. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Kompromiss?

    Volkmar Klein (CDU): Traditionell sind die Sparkassen wichtige Spender und Sponsoren gemeinnütziger Organisationen und Vereine. Daran ändert der Entwurf des Sparkassengesetzes nicht das Geringste. Darüber hinaus gibt es aber einige Sparkassen, die auch noch an ihre Trägerkommunen Gewinne ausschütten. Und wir meinen, dass man bei diesen Geldern etwas weniger Reglementierung für die Kommunen braucht, also mit Blick darauf, für was sie diese Mittel im Rahmen ihrer gemeinwohlorientierten Aufgaben ausgeben. Wenn es jetzt gelingt, dieses Anliegen - also weniger Bevormundung aus Düsseldorf - auch noch durch konsensfähige Formulierungen zu untermauern, dann hat dies meine volle Unterstützung.
    Gisela Walsken (SPD): Es ist ganz wichtig, dass wir die Gemeinnützigkeit der Sparkassen und damit ihre besondere Stellung erhalten. Eine Sparkasse unterscheidet sich von einer Privatbank dadurch, dass sie all ihre Gewinne in gemeinnützige Projekte reinvestiert. Wenn es zu einem Kompromiss kommen sollte, der die Gemeinnützigkeit weitgehend wahrt, ist dieser aus meiner Sicht möglich. Ich würde mir dann allerdings wünschen, dass es keine Ausweisung von Trägerkapital und keinen Verbund zwischen der WestLB und den Sparkassen gibt.
    Angela Freimuth (FDP): Wir haben ja bei der Ausschüttungsregelung, die im Entwurf des Sparkassengesetzes steht, keine grenzenlose Lockerung für die Kommunen, für die Träger, vorgesehen. Die Regelung besagt, dass Mittel auch weiterhin gemeinwohlorientiert verwandt werden müssen. In der Begründung ist klargestellt, dass damit insbesondere gemeinnützige Zwecke umfasst sind. Ich halte es auch für richtig und konsequent, dass eine Kommune, also der Träger und Eigentümer einer Sparkasse, mit den Ausschüttungen gemeinwohlorientiert arbeiten kann und dass darüber im Rat diskutiert und entschieden werden kann. Aber über die genaue Ausformulierung dieser Zielsetzung im Gesetz kann sicherlich noch gesprochen werden. Wir verschließen uns konstruktiven Verbesserungen nicht. Darüber hinaus haben die Sparkassen wie bisher die Möglichkeiten, mit Spenden gemeinnützig tätig zu sein.
    Ewald Groth (Grüne): Wir halten alles für richtig, was nicht in Richtung Privatisierung führt und was die besondere Stellung der Sparkassen im Bankensektor nicht gefährdet. Dabei geht es um die Verbundzusammenarbeit, um das Trägerkapital, um Ausschüttungen, um Eigentumsverhältnisse. Die Sparkassen erweisen sich im Moment als verlässlicher Hort im Finanzgeschäft. Die Mittelständler stehen inzwischen Schlange bei den Sparkassen, weil sie mit den Privatbanken nicht mehr klarkommen. Dieses Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Sparkassen darf man nicht gefährden durch gesetzliche Regelungen, wie sie die Landesregierung vorgelegt hat. Ja, den Kompromiss unterstützen wir. Denn in der jetzigen Situation ist es wichtig, dass Land, Sparkassen und Kommunen an einem Strang ziehen.

    Systematik: 8400 Finanzmarkt; 1600 Europäische Gemeinschaften/Europäische Union

    ID: LIN05433

  • Was tun mit 53 Milliarden Euro?
    Erste Lesung des Haushalts: Gelegenheit zur Generaldebatte.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7-9 in Ausgabe 9 - 17.09.2008

    27. August 2008 - 52,7 Milliarden Euro umfasst der Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen 2009, den Finanzminister Dr. Helmut Linssen (CDU) einbrachte. In der ersten Lesung des Gesetzentwurfs (Drs. 14/7000) stellte er dem Landtag die Eckdaten vor. Während die Regierungsfraktionen von CDU und FDP unter den Überschriften "Konsolidieren, Modernisieren, Investieren" von einer "nachhaltigen und tragfähigen Finanzpolitik" sprachen, kritisierten die Oppositionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die Regierung sei mit diesem Haushaltsentwurf "an ihren eigenen Versprechungen gescheitert."
    Finanzminister Dr. Helmut Linssen (CDU) erklärte: "Mit dem Landeshaushalt für 2009 setzt die Landesregierung ihre erfolgreiche Politik der richtigen Schwerpunkte fort." Ziel bleibe weiterhin, den Landeshaushalt zu konsolidieren, zu modernisieren und gleichzeitig in Zukunftsthemen wie Kinder (110,7 Millionen Euro mehr für das KiBiz) sowie Jugend und Bildung (z.B. 699,5 Millionen Euro mehr im Schuletat) zu investieren. So werde es gelingen, "Schritt für Schritt dauerhaft solide Staatsfinanzen" zu schaffen und NRW zu einem "Land der neuen Chancen" zu entwickeln. Seit 2005 habe die gute Wirtschaftsentwicklung zu Steuermehreinnahmen geführt. 90 Prozent dieser Einnahmen seien dazu genutzt worden, die Nettoneuverschuldung weiter zu reduzieren. "Wir haben der Versuchung widerstanden, Mehreinnahmen bloß zu konsumieren", betonte Linssen. Der Konsolidierungskurs der Landesregierung (der eine Fortsetzung des Stellenabbaus um 3.397 Stellen beinhalte) sei auch deshalb notwendig, weil in Zukunft der demographische Wandel die Haushaltspolitik vor neue Herausforderungen stellen werde. Vor diesem Hintergrund sei es auch sinnvoll, kontinuierlich in die Abdeckung von Risiken im Versorgungsbereich zu investieren (seit 2007: 1,1 Milliarden Euro).
    "Angesichts der hohen Verschuldung durch die falsche Politik der Vergangenheit braucht die Sanierung weiterhin Zeit", kritisierte Linssen die Haushaltspolitik der Vorgängerregierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. In der nächsten Legislaturperiode ab 2010 müsse es so schnell wie möglich gelingen, die Nettoneuverschuldung schrittweise bis auf Null zurückzuführen.
    Hannelore Kraft attackierte als Vorsitzende der SPD-Fraktion die Regierung: "Sie scheitern mit diesem Haushaltsentwurf an Ihren eigenen Versprechungen." Um rund 25 Prozent lägen in 2009 die Steuereinnahmen über den Einnahmen in 2005. Trotzdem steige die Verschuldung des Landes bis Ende des kommenden Jahres auf den "Rekordwert" von 120,5 Milliarden Euro; nur 6,5 Prozent der zusätzlichen Steuereinnahmen würden in den Abbau der Neuverschuldung gesteckt. "Diese Landesregierung spart nicht", richtete Kraft ihren Vorwurf an CDU und FDP gleichermaßen. Und der Haushalt setze keinen wirklichen Schwerpunkt bei Kindern, Bildung und Innovation.
    Insbesondere prangerte die Oppositionsführerin an, dass trotz erwarteter steigender Steuereinnahmen von 2009 bis 2012 die eigenfinanzierten Investitionen von 7,1 auf 6,4 Prozent sinken sollen. Mit einer sinkenden Studienanfängerquote, einem anhaltenden Unterrichtsausfall sowie einer weiterhin mangelnden individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler würde die Landesregierung des Weiteren den Fachkräftemangel von morgen selbst produzieren.
    Zu den "großen Verlierern" der aktuellen Landespolitik erklärte die SPD-Politikerin die Kommunen, denen die Rückzahlung zuviel gezahlter Mittel für den Solidarpakt Ost verweigert würde. Für Kommunen, aber auch für Mittelstand und Handwerk, ja letztendlich für die Bürgerinnen und Bürger unverzichtbar seien die Sparkassen, die durch das vorliegende Novellierungsgesetz allerdings stark gefährdet seien. Dies hänge eng zusammen mit der "Chefsache" WestLB, bei der zwei Drittel der "Schrottanleihen" erst unter der gegenwärtigen Landesregierung angehäuft worden seien.
    Helmut Stahl, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, hielt der Oppositionsführerin im Gegenzug vor, Rot-Grün hätte zwischen 1995 und 2005 jährlich fast 5 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Heute würden dagegen die Steuermehreinnahmen zur Konsolidierung der Landesfinanzen verwandt (von den 8,6 Milliarden Euro seien 1,6 Milliarden Euro in den Steuerverbund mit den Kommunen geflossen, 5 Milliarden Euro in den Abbau der Nettokreditaufnahme, 0,4 Milliarden Euro in den Schuldendienst und 0,7 Milliarden Euro in die Versorgungsrücklage). Die Einnahmen dienten außerdem zur Lösung des Problems "WestLB", hinterlassen von der Vorgängerregierung. Stillstand in der Politik? Für den CDU-Fraktionsvorsitzenden sprechen aktuell Heimgesetz, Lehrerausbildungsgesetz, Sparkassennovellierung und Landesplanungsgesetz eine andere Sprache.
    Jegliche Forderungen nach Mehrausgaben für Konjunkturprogramme wies der CDUPolitiker zurück; vielmehr sei es notwendig, strukturelle Veränderungen herbeizuführen. Dies sei der "Paradigmenwechsel" in der Politik. "Unprofessionell und unglaubwürdig" - so bewertete Stahl die SPD und ihre Vorsitzende gerade mit Blick auf die "Causa Clement", "rückwärts gewandt" mit Blick auf den subventionierten Steinkohlebergbau. Insbesondere attackierte Stahl die wirtschafts- und sozialpolitische Konzeption der Sozialdemokratie: "Soziale Gerechtigkeit ist nicht nur auf der Ausgabenseite zu Hause. Sie muss auch auf der Einnahmenseite einen Stammplatz haben."
    Eindringlich warnte der CDU-Politiker die SPD vor einem Wettbewerb wie auch einem Bündnis mit der Linken, die soziale Wohltaten mit jährlichen Kosten von 155 Milliarden Euro verspreche.
    Dr. Gerhard Papke (FDP) lobte den Haushaltsentwurf des Finanzministers als eine "hervorragende Zwischenbilanz" der nordrhein-westfälischen Finanzpolitik seit dem Regierungswechsel 2005. Zugleich jedoch bot der FDPFraktionsvorsitzende der Landesregierung und der CDU-Fraktion an, über eine Beschleunigung des Konsolidierungskurses nachzudenken. "Wir sind noch nicht am Ziel", so Papke. Mit einer weiteren Privatisierung von Landeseigentum, mit einem schnelleren Stellenabbau und einer weiteren Zusammenlegung von Landesbehörden könne es gelingen, das Ziel des ausgeglichenen Landeshaushalts noch schneller, möglicherweise schon im Jahr 2010 zu erreichen.
    "Nie war der Arbeitsmarkt so aufnahmebereit wie jetzt", meinte Papke und erneuerte in diesem Zusammenhang seine Forderung, den sozialverträglichen Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau zügiger voranzubringen.
    Der SPD-Fraktionsvorsitzenden Hannelore Kraft warf Papke eine "Traumtänzerei" in der Haushaltspolitik vor. Auf der einen Seite verlange sie eine schnellere Konsolidierung, auf der anderen Mehrausgaben in Millionenhöhe. "Wollen Sie das Parlament und die Öffentlichkeit auf den Arm nehmen?", fragte der FDP-Politiker. Der Haushaltspolitik von CDU und FDP dagegen sei es zu verdanken, dass im Vergleich der westdeutschen Bundesländer Nordrhein-Westfalen der größte Fortschritt bei der Konsolidierung des Haushalts seit 2005 gelungen sei: Damals habe die Neuverschuldung bei 6,7 Milliarden Euro gelegen, heute bei 1,67 Milliarden Euro; dies sei ein Rückgang um fast 75 Prozent.
    Sylvia Löhrmann schlug als Grünen-Fraktionsvorsitzende in die gleiche Kerbe wie die SPDOpposition. Der Entwurf des Landeshaushalts sei "ohne Kontur, ohne Ehrgeiz, ohne Verve." Insbesondere nicht verwirklichte Einsparungen im Personalbereich prangerte die Oppositionspolitikerin an. Rot-Grün sei einen wesentlich schärferen Konsolidierungskurs gefahren als die Regierung Rüttgers. Kein Plan für die Zukunft Nordrhein- Westfalens, fasste die Grünen-Politikerin zusammen: weder in der Finanzpolitik, noch in der Bildungspolitik, noch in der Energiepolitik.
    Dabei sei durch die Preissteigerungen für Öl und Gas der Abfluss von Kaufkraft sowohl für private wie auch für öffentliche Haushalte dramatisch: In 2008 werde Deutschland wohl für 85 Milliarden Euro Erdöl und Erdgas importieren, in 1999 seien es dagegen "nur" 18 Milliarden Euro gewesen. Vor diesem Hintergrund forderte Löhrmann - auch als Anti- Rezessionsprogramm - den massiven Einstieg in die "energetische Gebäudesanierung": Dies bedeute weniger Kosten für Öl- und Gasimporte, mehr Geld für die heimische Bauindustrie, mehr Geld im Portemonnaie der Menschen, mehr Arbeitsplätze. Bei derzeit 30.000 sanierten Wohnungen jährlich würde es aber mehr als 200 Jahre dauern, bis die 6,3 Millionen aktuellen Altbauten saniert seien.
    "Dilettantismus" warf Löhrmann der Landesregierung schließlich mit Blick auf die WestLB vor. Sie warnte davor, dass das Sparkassengesetz unter diesen Voraussetzungen das Aus bedeuten könne für eine "bewährte, kundennahe, die Regionen unterstützende Bankenlandschaft".
    Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bewertete den Haushaltsentwurf naturgemäß anders als seine Vorrednerin: "Es geht aufwärts mit Nordrhein- Westfalen." Das Wirtschaftswachstum liege mit 2,6 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, die Arbeitslosigkeit sinke, die Neuverschuldung sei mit 1,67 Milliarden Euro so niedrig wie seit 30 Jahren nicht (auch weil 90 Prozent der Steuermehreinnahmen hierfür eingesetzt würden). "Was soll diese Miesmacherei?", wollte der Regierungschef die Kritik der Opposition nicht gelten lassen. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Kraft habe die Fakten zum Haushalt "so verdreht, dass sie ihrer Meinung entsprachen." Die Forderungen der Sozialdemokraten der letzten drei Jahre hätten insgesamt Mehrausgaben von fast 400 Millionen Euro bedeutet. Mehrausgaben und Konsolidierung gleichzeitig: "Das ist genau die Art, wie sie uns in dieses Schuldendesaster hineingeführt haben", so Rüttgers.
    Er unterstrich, dass Nordrhein-Westfalen laut jüngstem Außenwirtschaftsbericht zu einer "international beachteten Wirtschaftsmacht" geworden sei; der Export habe um 9,1 Prozent, der Import um 6,5 Prozent zugelegt. Die Wachstumsdynamik werde wieder zunehmen, "wenn wir jetzt das Richtige tun." Zum Beispiel das Steuerrecht vereinfachen. Gleichzeitig müsse man sich - vor allem mit Blick auf die Energiepreise - aber um die kleinen Einkommen kümmern.
    Zugleich lehnte Rüttgers Forderungen ab, die Konsolidierung des Landeshaushalts unter allen Umständen schneller voranzutreiben. Konsolidierung müsse stets im Zusammenhang mit den notwendigen Investitionen zum Beispiel im Bereich Kinder, Jugend und Bildung gesehen werden.
    Rüdiger Sagel (fraktionslos) sah den Haushaltsentwurf der Landesregierung gegen die Ärmsten in NRW gerichtet: "Reiche werden immer reicher - Arme immer ärmer. Ihre Finanzpolitik geht in die völlig falsche Richtung." Insbesondere mit dem "Kahlschlag bei den Arbeitslosenzentren" werde "die Sozialpolitik in NRW endgültig zu Grabe getragen."

    GEMEINDEFINANZIERUNGSGESETZ - "Partnerschaft" oder "Plünderei"

    Innenminister Dr. Ingo Wolf (FDP) brachte zusätzlich zum Haushaltsgesetz 2009 das "Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2009" in die parlamentarischen Beratungen ein. Dabei würde mit 7,7 Milliarden Euro der höchste Stand der Zuweisungen an die kommunale Familie erreicht. Zeitnah und verlässlich erhielten die Kommunen ihren Anteil an den Innenminister Dr. Ingo Wolf (FDP) brachte zusätzlich zum Haushaltsgesetz 2009 das "Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2009" in die parlamentarischen Beratungen ein. Dabei würde mit 7,7 Milliarden Euro der höchste Stand der Zuweisungen an die kommunale Familie erreicht. Zeitnah und verlässlich erhielten die Kommunen ihren Anteil an den Innenminister Dr. Ingo Wolf (FDP) brachte zusätzlich zum Haushaltsgesetz 2009 das "Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2009" in die parlamentarischen Beratungen ein. Dabei würde mit 7,7 Milliarden Euro der höchste Stand der Zuweisungen an die kommunale Familie erreicht. Zeitnah und verlässlich erhielten die Kommunen ihren Anteil an den Ist-Steuereinnahmen; die 23 Prozent seien auch in schwierigen Konsolidierungsphasen gehalten worden. "Kreditierungen, Abrechnungen, alle diese Monster aus Zeiten von Rot-Grün konnten an dieser Stelle entfallen", so der Minister.
    Ralf Jäger (SPD) hielt der Regierung entgegen, sie habe seit 2006 den Kommunen "ihnen zustehende Mittel in einer Größenordnung von 1,8 Milliarden Euro entzogen". Und das, obwohl die Steuereinnahmen um 25 Prozent gestiegen seien. In 2005 hätten die Kommunen 20 Prozent aller Steuereinnahmen des Landes erhalten, in 2008 seien es nur noch knapp über 17 Prozent. Die Folge: die Kommunen hätten eine mangelnde Finanzausstattung, ja seien "faktisch pleite". 190 Kommunen hätten sich Ende 2007 im Haushaltssicherungskonzept befunden, 113 im Nothaushalt. Das Fazit des SPD-Abgeordneten: "Das ist und bleibt die kommunalfeindlichste Landesregierung seit Bestehen des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen."
    Rainer Lux (CDU) sah hingegen im vorliegenden Entwurf eine "gelungene Kontinuität zu den vergangenen Gemeindefinanzierungsgesetzen". Das Land erweise sich als seriöser und verlässlicher Partner der Kommunen; die Einführung des Referenzzeitraums habe Verlässlichkeit und Planbarkeit gebracht. Nach einer Steigerung in 2007 um 650 Millionen Euro würden die entsprechenden Mittel dieses Jahr nochmals um 160 Millionen Euro aufgestockt. Rund 86 Prozent der Mittel, die den Kommunen zur Verfügung stehen, seien völlig frei verfügbar. Dies stehe im Gegensatz zu den "Verunsicherungen" und gleichzeitig "goldenen Zügeln" der ehemaligen rot-grünen Landesregierung.
    Horst Engel (FDP) betonte ebenfalls den "positiven" Trend der Vorjahre. 2009 stünden den Kommunen über 7,7 Milliarden Euro verteilbare Finanzausgleichsmasse zur Verfügung. Der Großteil davon fließe direkt in die Verwaltungshaushalte mit hohen Ausgabeposten für soziale Leistungen oder für Personal. Engel begrüßte insbesondere den Anstieg im Bereich der Investitionspauschalen um 4,7 Prozent. Der FDP-Politiker betonte, dass die Zahl der Kommunen im Haushaltssicherungskonzept oder im Nothaushalt seit 2005 spürbar gesunken sei. Er Istkündigte an, dass nunmehr ein Diskussionsprozess über die Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs beginnen soll.
    Horst Becker (GRÜNE) konterte diese Aussagen: "Sie färben sich die Wirklichkeit, aber sie hat damit, was sich in den Kommunen abspielt, immer weniger zu tun." Mit Verzögerungen wollten die Regierungsparteien über das Kommunalwahljahr 2009 kommen. "Danach verschlimmert sich erst recht die schon jetzt angebrochene schlechte Zeit für die Kommunen." Trotz glänzender Steuereinnahmen hätten sich die Kassenkredite der Kommunen unter Schwarz-Gelb auf 13,8 Milliarden Euro erhöht. Mit ein Grund dafür, dass die Regierung sich darum drücke, den eigentlich seit November fälligen Bericht zur kommunalen Finanzlage vorzulegen, mutmaßte der Grünen-Politiker.

    Tabelle zu Haushaltseckdaten nicht erfasst

    Tabelle:
    Einzeletats (in Milliarden Euro) 2009
    Landtag 0,091
    Ministerpräsident 0,303
    Innen 4,559
    Justiz 3,375
    Schule und Weiterbildung 13,366
    Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie 5,572
    Wirtschaft, Mittelstand und Energie 0,965
    Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 0,752
    Arbeit, Gesundheit und Soziales 2,882
    Finanzen 1,854
    Landesrechnungshof 0,037
    Bauen und Verkehr 2,978
    Generationen, Familie, Frauen und Integration 1,600
    Allgemeine Finanzverwaltung 14,369
    Summe 52,704

    Tabelle:
    Daten zur Gemeindefinanzierung
    (in Klammern Veränderung gegenüber Vorjahr/ Angaben in Euro)
    Zuweisungen 7,7 Milliarden (+159,8 Millionen)
    Schlüsselzuweisungen 6,6 Milliarden (+136,5 Millionen)
    davon für
    - Gemeinden 5,2 Milliarden
    - Kreise 774 Millionen
    - Landschaftsverbände 648 Millionen
    Schulpauschale/Bildungspauschale 540 Millionen
    Investitionspauschalen 506 Millionen (+22,7 Millionen)
    Pauschale 27,8 Millionen
    Bedarfszuweisungen (+0,6 Millionen)
    Sportzuweisungen 50 Millionen
    Verbundsatz 23 Prozent

    Zusatzinformation:
    Die Fachausschüsse des Landtags werden den Haushaltsplan in den kommenden Wochen detailliert beraten; der Haushaltsausschuss erörtert deren Beschlüsse am 27. November 2008. Die zweite Lesung im Landtag ist für die Plenarsitzungen am 3. und 4. Dezember, die 3. Lesung für die Sitzungen am 17. und 18. Dezember 2008 vorgesehen.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LIN05139

  • Klein, Volkmar (CDU); Walsken, Gisela (SPD); Freimuth, Angela (FDP); Groth, Ewald (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal sind es die haushaltspolitischen Sprecher der Fraktionen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 9 - 17.09.2008

    Das Ziel des Finanzministers, den Haushalt zu konsolidieren und gleichzeitig zu investieren ist...

    Volkmar Klein (CDU): ... auch für den Haushalt 2009 wieder gut verwirklicht.
    Gisela Walsken (SPD): ... offensichtlich eine Nummer zu groß für ihn gewesen. Erst wollte er bis 2010 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, jetzt verschiebt er dieses Ziel auf 2013. Der "Eiserne Helmut" wird zum "Schulden-Helmut."
    Angela Freimuth (FDP): ... richtig. Wir sind verpflichtet, nachfolgenden Generationen möglichst eine bessere Welt zu übergeben, als wir übernommen haben. Generationengerechtigkeit verlangt deshalb Konsolidierung und Investition - speziell in Bildung und Ausbildung der Menschen als Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben.
    Ewald Groth (GRÜNE): ... nicht Leitlinie der Regierung. CDU und FDP geben mehr Geld aus als irgendeine Regierung vorher. Trotzdem sind Kürzungen des Jugendförderplans oder beim Nahverkehr bittere Realität. Außerdem hat der selbst ernannte Arbeiterführer tief in die Taschen der Beschäftigten gegriffen und deren Bezüge weiter gekürzt.

    Der Zuwachs an Steuereinnahmen verschafft dem Land NRW...

    Volkmar Klein (CDU): ... die Möglichkeit, die Zahlungen über das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) an Städte und Gemeinden weiter zu erhöhen.
    Gisela Walsken (SPD): ... die Möglichkeit, die Verschuldung zurückzuführen und in die Zukunft des Landes zu investieren: Nur die schwarz-gelbe Landesregierung folgt leider dem Motto "Konsumieren statt Konsolidieren."
    Angela Freimuth (FDP): ... Spielräume zur Auflösung des Investitionsstaus für mehr Chancengerechtigkeit durch individuelle Förderung, Sicherung der Unterrichtsversorgung und Stärkung des Innovations- und Technologiestandortes und die Chance zur strukturellen Etat-Konsolidierung mit dem Ziel des Schuldenabbaus.
    Ewald Groth (GRÜNE): ... einen ungeahnten Haushaltszuwachs. Schwarz-Gelb nimmt 2009 8,62 Milliarden Euro mehr ein als 2005. Nur 5 Milliarden werden zur Senkung der Nettoneuverschuldung verwendet. Konsolidiert wird also nicht. Zudem hat die Regierung den Kommunen tief in die Tasche gegriffen und ihnen 1 Milliarde Euro außerhalb des Steuerverbundes genommen.

    Neue Schulden in Höhe von 1,67 Milliarden Euro sind...

    Volkmar Klein (CDU): ... angesichts allein der Zinszahlungen für alte Schulden in Höhe von 4,9 Milliarden Euro ein großer Erfolg.
    Gisela Walsken (SPD): ... sind der Beweis dafür, dass der Finanzminister sein Versprechen "Jeder zusätzliche Steuer-Euro wird in den Schuldenabbau gesteckt" längst vergessen hat.
    Angela Freimuth (FDP): ... leider immer noch notwendig, aber auch die geringste Neuverschuldung der letzten 20 Jahre und damit ein Erfolg der Konsolidierungsanstrengungen von FDP und CDU. Jeder Euro neue Schulden ist aber auch Mahnung und Verpflichtung zum schnellstmöglichen Haushaltsausgleich und Schuldenabbau.
    Ewald Groth (GRÜNE): ... ein Armutszeugnis für den Finanzminister. Rot- Grün hat in der letzten Legislatur 1 Milliarde der wegbrechenden Steuereinnahmen kompensiert. CDU und FDP verwenden aber 3,2 Milliarden Euro der Steuermehreinnahmen nicht zur Senkung der Nettoneuverschuldung.

    Eine steuerliche Entlastung der Bürgerinnen und Bürger halte ich für ...

    Volkmar Klein (CDU): ... mittelfristig dringend erforderlich.
    Gisela Walsken (SPD): ... dringend erforderlich, weil die Realeinkommen sinken und die Preise (Energiepreise) steigen.
    Angela Freimuth (FDP): ... angesichts der in den letzten Jahren ständig steigenden Steuer- und Abgabenbelastung für zwingend notwendig. Es droht sonst weiterer Verlust an Akzeptanz zur Finanzierung unseres Gemeinwohls und an Solidarität mit den Schwachen.
    Ewald Groth (GRÜNE): ... notwendig etwa im Bereich der Studiengebühren und bei den Gebühren für Kindertagesstätten. Bildungschancen dürfen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.

    Für die finanzielle Situation der Gemeinden muss das Land ...

    Volkmar Klein (CDU): ... auch 2009 wieder auf eigene Spielräume verzichten, das ist aber gut so.
    Gisela Walsken (SPD): ... endlich eine Gemeindefinanzreform auf den Weg bringen und damit aufhören, immer mehr Lasten auf die kommunalen Haushalte abzuwälzen.
    Angela Freimuth (FDP): ... Rahmenbedingungen schaffen, in denen kommunale Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung anerkannt werden. Der Landesgesetzgeber muss ferner das Konnexitätsgebot beachten.
    Ewald Groth (GRÜNE): ... eine Lösung finden. Die Menschen in den hochverschuldeten Kommunen dürfen nicht von der Entwicklung abgekoppelt und ihrer Chancen beraubt werden. Steigende Elternbeiträge für Kindertagesstätten in Städten wie Gelsenkirchen sind die direkte Folge der Politik dieser Regierung und verschärfen die soziale Spaltung.

    Einer möglichen Konjunkturflaute kann man am besten entgegenwirken durch ...

    Volkmar Klein (CDU): ... eine erfolgreiche Konsolidierung, die künftige Zinszahlungen begrenzt.
    Gisela Walsken (SPD): ... die Steigerung der Investitionsquote, eine aktive Beschäftigungspolitik und eine strukturelle Haushaltskonsolidierung.
    Angela Freimuth (FDP): ... Stärkung des Innovations- und Wirtschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen, eine Fortsetzung der strukturellen Haushaltskonsolidierung, Ausgabendisziplin und eine vorsichtige, zurückhaltend realistische Prognose der Steuereinnahmen.
    Ewald Groth (GRÜNE): ... Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung. Die Förderung erneuerbarer Energien und der Kraft- Wärme-Kopplung sowie der Energieeinsparung durch Gebäudesanierung würde zahlreiche Arbeitsplätze schaffen. Stattdessen behindern CDU und FDP die Windkraft und führen einen Schulkampf auf dem Rücken der Kinder.

    Ein ausgeglichener Landeshaushalt wäre ...

    Volkmar Klein (CDU): ... in der nächsten Wahlperiode ein Riesenerfolg für Finanzminister Dr. Helmut Linssen.
    Gisela Walsken (SPD): ... das oberste Ziel einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Finanzpolitik.
    Angela Freimuth (FDP): ... eine unbedingte Notwendigkeit, um die desaströse Verschuldungspolitik der Vergangenheit zu beenden und den alten, von Rot-Grün hinterlassenen Schuldenberg endlich abzutragen. Die Erreichung dieses Zieles verlangt aber strikte Ausgabendisziplin und eine starke Konjunktur.
    Ewald Groth (GRÜNE): ... die konsequente Folge der Ankündigungen von Finanzminister Linssen und FDP-Fraktionschef Papke. Sie haben versprochen, den Haushalt auszugleichen. Stattdessen entpuppen sich die Koalitionsspitzen als Weltmeister im Zurückrudern. In Wahrheit wird in der Koalition mehr geschauspielert als solide gewirtschaftet.

    Idee und Umsetzung: Christoph Weißkirchen und Sebastian Wuwer.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 8100 Abgaben

    ID: LIN05337

  • Europa beginnt vor unserer Haustür.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 8 - 27.08.2008

    Europa - das Wort lässt uns an unsere Nachbarn denken, Ferienreisen, fremde Sprachen. Verkürzt auf den Terminus technicus "EU" bedeutet er häufig: "Raumschiff Brüssel." Also überbordende Bürokratie, Krisen, Ringen um eine Stimme. Dabei beginnt Europa direkt vor unserer Haustür. Rund 70 Prozent des Außenhandels der nordrhein-westfälischen Wirtschaft werden mit europäischen Nachbarländern abgewickelt. Zu 80 Prozent gehen die Urlaubsreisen der Deutschen in europäische Länder. In NRW leben 600.000 Bürgerinnen und Bürger aus einem anderen europäischen Staat. In einem Umkreis von 500 Kilometern um Düsseldorf lebt knapp ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger der EU.
    Europa ist also nicht weit weg. Und auch nicht die europäische Politik. Etwa die Hälfte der deutschen Gesetzgebung beruht auf Entscheidungen aus Brüssel. Umgekehrt können diese nur entstehen, wenn die Bundesregierung, die deutschen Europaabgeordneten, letzten Endes auch die Parlamente und Regierungen der deutschen Bundesländer mitwirken.

    Einsatz gefragt

    Es liegt also auf der Hand, dass sich auch der Landtag Nordrhein-Westfalen immer wieder mit Europa beschäftigt. Europathemen sind längst Innenpolitik geworden. Dies zeigt die jüngste Brüsseler Initiative in Sachen "grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung." Oder - Europa kann auch wehtun - die geplante stärkere europaweite Ahndung von Verkehrsdelikten. Aus dem früher bestehenden eigenen Europa- ausschuss des Landtags sind die EU-Themen mittlerweile in den Hauptausschuss und in die einzelnen Fachausschüsse gewandert. Auch ein Zeichen dafür, dass die EU ein Stück weit selbstverständlich geworden ist.
    Aber noch nicht so selbstverständlich, als dass man nicht immer wieder etwas für das friedliche Zusammenleben auf diesem Kontinent tun müsste. Europa stiftet Frieden auf dem Balkan. Europa baut weiter an gegenseitiger enger Zusammenarbeit.
    Daher auch die zahlreichen Initiativen des Landtags, dieses Jahr in Richtung Niederlande - der Parlamentarische Abend ist noch frisch in Erinnerung -, Polen und Kroatien. Oder die Diskussionen mit Vertretern aus Slowenien und Frankreich, die in diesem Jahr die Ratspräsidentschaften der EU innehaben. Der Landtag nimmt seine Verantwortung ernst. Und gestaltet damit ein Stück friedliche Zukunft für NRW in Europa und in der Welt.
    CW

    ID: LIN05247

  • "Lust auf Europa".
    Gegenwart und Zukunft der Regionen in der EU.
    Ausschussbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 11-14 in Ausgabe 8 - 27.08.2008

    Der Hauptausschuss debattierte unter der Leitung von Werner Jostmeier (CDU) über das Thema "Mitten in Europa - Zur Bedeutung der Regionen nach Lissabon." Als Experten waren geladen Elmar Brok, Vertreter des Europäischen Parlaments bei der Regierungskonferenz zur Reform der Europäischen Union, und Anton Kokalj, Vorsitzender des Europaausschusses des Parlaments der Republik Slowenien. Dieses Land, an der EU-Außengrenze, zwischen Öster- reich, Italien und Kroatien gelegen, hatte von Januar bis Juni 2008 die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union inne. Es ist das erste Mal, dass einer der neuen Mitgliedsstaaten, ein postsozialistischer, ein slawischer Staat die Präsidentschaft übernommen hat.
    Dementsprechend bildete der Dialog mit den Balkanstaaten, die Stabilität insbesondere der westlichen Balkanländer, einen Schwerpunkt der europäischen Politik der letzten Monate. Nicht ohne Stolz konnte Anton Kokalj darauf verweisen, dass die vor allem von Serbien nicht akzeptierte Unabhängigkeitserklärung des Kosovo trotz aller Warnung relativ ruhig und friedlich über die Bühne gegangen sei. Hier wie auch in anderen Fragen habe die slowenische Präsidentschaft viel stille "Hintergrunddiplomatie" geleistet. Ein Grund mehr, dass der "interkulturelle Dialog" zu einem weiteren Eckstein des letzten Halbjahres wurde.
    Landtagspräsidentin Regina van Dinther begrüßte die europäischen Gäste. Anton Kokalj, Mitglied des slowenischen Parlaments, und Elmar Brok, Mitglied des Europäischen Parlaments, trugen sich vor der Sitzung des Hauptausschusses in das Gästebuch des Landtags ein. Natürlich müssten auch die anderen Politikbereiche vorangetrieben werden: allen voran die Ratifizierung des Vertrags zur Reform der Europäischen Union (der sogenannte "Lissabonvertrag", der die wirtschaftliche um eine politische und soziale Dimension ergänzen soll). Dann die Forcierung der sogenannten "Lissabonziele", die vor allem über die Stärkung der "Wissensgesellschaft", des grenzüberschreitenden Handels sowie des umweltschonenden Wirtschaftens und einer nachhaltigen Energieversorgung die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt machen soll. Damit einher gehe auch die Weiterentwicklung der internationalen Rolle der EU. Als ein wesentliches Ergebnis der slowenischen Ratspräsidentschaft hob Kokalj die bereits jetzt erörterte Umsetzung des Reformvertrags hinsichtlich des Ausbaus der Rolle der nationalen Parlamente wie auch - davon abgeleitet - der regionalen Parlamente mit gesetzgeberischen Befugnissen hervor.

    Näher bei den Bürgern

    In die gleiche Kerbe schlug Elmar Brok, der als Europaabgeordneter maßgeblich an den Anläufen zu einer politischen Union mitgewirkt hat. Klimawandel, grenzüberschreitende Kriminalität, Terrorismus, Globalisierung oder Migration - alle diese Themen erforderten eine handlungsfähige Union, so sein Credo. Dies müsse aber begleitet werden durch eine Stärkung der demokratischen Strukturen der Union: sprich einer Stärkung des europäischen Parlaments (das laut dem vorliegenden Reformvertrag zu einem gleichberechtigten Gesetzgeber werden soll), aber auch - gemäß dem sogenannten Subsidiaritätsprinzip - der nationalen Parlamente.
    Dieses bedeute aber auch eine Stärkung der regionalen Parlamente, die bei Annahme des Reformvertrags entweder über den Europäischen Ausschuss der Regionen wie über ihr nationales Parlament Einfluss ausüben könnten. Immerhin seien die Regionen über den "Lissabonvertrag" zum ersten Mal rechtlich abgesichert, auch wenn man keine einheitliche, zentralisierte Definition ihrer Rolle und Befugnisse anstrebe. "Mäßigung mag sich lohnen", so lautete nicht nur für diesen Bereich der Ratschlag des erfahrenen Europapolitikers. In dem sich formierenden neuen Europa regte er eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit an; es könne sinnvoll sein, dies über eine sogenannte "Grenzklausel" abzusichern, die gerade die Grenzregionen vor zuviel nationaler oder gar europäischer Regelungswut schützen soll. In diesem Sinne könne die neue europäische Kompetenzverteilung eventuell auch im positiven Sinne "erzieherisch" wirken, meinte Brok mit einem Seitenblick auf den bundesdeutschen Föderalismus.
    "Europa als Union im Interesse der Bürger" und "Europa beginnt hier bei uns" war denn auch das Fazit, das man mit Blick auf die anschließende Diskussion im Hauptausschuss mit den beiden Gästen ziehen konnte. Ein gelungener Auftakt.
    CW

    Bildunterschrift:
    Landtagspräsidentin Regina van Dinther begrüßte die europäischen Gäste. Anton Kokalj, Mitglied des slowenischen Parlaments, und Elmar Brok, Mitglied des Europäischen Parlaments, trugen sich vor der Sitzung des Hauptausschusses in das Gästebuch des Landtags ein.

    Systematik: 1620 Projekte der EG/EU

    ID: LIN05257

  • Boeselager, Ilka von (CDU); Kuschke, Wolfram (SPD); Brockes, Dietmar (FDP); Löhrmann, Sylvia (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal sind es die europapolitischen Sprecher der Fraktionen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 8 - 27.08.2008

    Europapolitische Themen spielen im Landtag...

    Ilka Freifrau von Boeselager (CDU): ... überall eine wichtige Rolle: von A wie Agrarpolitik bis Z wie Zuwanderungspolitik. Rund 80 Prozent unserer rechtlichen Vorgaben kommen aus Brüssel - sie betreffen wirklich alle Ressorts. Als größte Region Europas hat NRW die Europapolitik deshalb im Hauptausschuss des Landtags angesiedelt.
    Wolfram Kuschke (SPD): ... immer schon eine große Rolle. Es gibt aber noch eine Menge zu klären. Zum Beispiel haben die Länder nach der ersten Föderalismusreform bei Medien, Kultur und Bildung die Hoheit. Wir müssen regeln, wie, wo und wann hier die Landesparlamente als höchste Entscheidungsinstanz einbezogen werden.
    Dietmar Brockes (FDP): ... regelmäßig eine Rolle, leider manchmal eine untergeordnete. Gerade weil NRW die bevölkerungsreichste Region in der EU ist, sollte sich das Parlament als Gesetzgeber noch stärker proaktiv in den europäischen Einigungsprozess einbringen und die guten Beziehungen zu den Nachbarstaaten weiter intensivieren.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... eine immer wichtigere Rolle - auch wenn ihnen oftmals nicht die Aufmerksamkeit zukommt, die eigentlich angemessen wäre. Immerhin werden heute 80 Prozent der deutschen Gesetze auch durch Vorgaben aus Brüssel mitbestimmt. Deswegen muss sich der Landtag frühzeitig in die europäischen Debatten einschalten. angegangen werden.

    Wenn NRW seine Position in Europa halten und stärken will...

    Ilka Freifrau von Boeselager (CDU): ... muss Europa als Friedensordnung, als Raum der wirtschaftlichen Prosperität, der sozialen Sicherheit und vor allem als Heimat gestaltet werden. Gerade auch junge Menschen sollen das richtig erleben. Mit einem Antrag zur Stärkung der Europaschulen haben wir diesen Ansatz untermauert.
    Wolfram Kuschke (SPD): ... dann darf es nicht als Solist auftreten. Wir sind zwar groß und selbstbewusst, aber wir brauchen auch starke Bündnispartner für unsere jeweiligen Anliegen. Es fehlt hier zurzeit an gemeinsamen Initiativen mit anderen Regionen, insbesondere in wichtigen industrie- und standortpolitischen Fragen.
    Dietmar Brockes (FDP): ... muss Nordrhein-Westfalen zum Innovationsland werden. Und seit der Regierungsübernahme von FDP und CDU befindet sich unser Land auf bestem Weg dazu. NRW ist die europäische Kernregion im Herzen der EU, es ist zentrale Drehscheibe für Wirtschaft, Handel und Verkehr und muss dies auch bleiben.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... muss das Land seine Interessen klären und klar Position gegenüber Berlin und gegenüber Brüssel beziehen. Dabei sollten auch der Landtag und die einzelnen Fraktionen stärker in Brüssel präsent sein.

    Die Idee "Benelux plus NRW" ist...

    Ilka Freifrau von Boeselager (CDU): ... für die CDU-Fraktion ein Herzensanliegen, weil sie den europäischen Gedanken von Freundschaft und Zusammenarbeit konkretisiert. Der neu aufgelegte Vertrag über die Benelux-Union, der 2010 in Kraft treten soll, baut Grenzen weiter ab und bietet neue Gestaltungsmöglichkeiten vertiefter Zusammenarbeit.
    Wolfram Kuschke (SPD): ... auf dem Papier ganz sympathisch, scheitert aber einerseits an der verfassungsrechtlichen Realität und andererseits ganz praktisch daran, dass man sich im Beneluxraum alles andere als einig ist. Besser als eine solche Politik von oben, sind Ansätze von unten, insbesondere auf Basis der konkreten Arbeit der Euregios.
    Dietmar Brockes (FDP): ... richtig und wichtig. Im zusammenwachsenden Europa erhält die partnerschaftliche Zusammenarbeit, die NRW gerade mit seinen direkten Nachbarländern pflegt, immer stärkere Bedeutung. Die Interessen dieser "neuen europäischen Region" werden so besser gebündelt, gemeinsame Projekte schneller realisiert.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... nicht zeitgemäß. Die Zusammenarbeit mit den Benelux-Ländern ist gut, sie muss gepflegt und ausgebaut werden. Dies sollte aber im Rahmen der Europäischen Union und nicht mit NRW "als 5. Rad" des doch etwas altertümlichen Benelux-Vertrags passieren.

    Die vier Euregios in NRW haben viel erreicht. Jetzt...

    Ilka Freifrau von Boeselager (CDU): ... müssen wir die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter ausbauen und den Mehrwert auch in den größeren europäischen Raum tragen. Der kulturelle, wirtschaftliche und soziale Austausch, den die Euregios so erfolgreich verdichtet haben, muss Vorbild für die Europäische Union der 27 werden.
    Wolfram Kuschke (SPD): ... muss man neue Wege gehen und den Euregios mehr Spielraum geben. Die Niederländer und Belgier sind zum Teil schon viel weiter als wir. Wir müssen hier nicht mehr länger nur an grenzüberschreitende Radwege, sondern an knallharte Standortfragen in einer großen Nordwestregion denken. Ein Logistikverbund Venlo-Duisburg in der Euregio Rhein-Waal wäre dafür ein Beispiel.
    Dietmar Brockes (FDP): ... bedarf es einer Fortentwicklung. In den Euregios wird bereits europäisch gedacht und gehandelt. Teile der Politik laufen dem jedoch hinterher. Viele gesetzliche Vorgaben hemmen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu meinem Bedauern noch.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... müssen wir die Erfolge in die Breite tragen und noch mehr Menschen und Einrichtungen für eine Beteiligung gewinnen. Das Europa der Regionen wächst von unten.

    NRW ist für die Aufgabe als Logistikzentrum und Transitland Nr. 1...

    Ilka Freifrau von Boeselager (CDU): ... bestens gerüstet und weiter gefordert. Um die Landeshauptstadt Düsseldorf leben im Radius einer Lkw- Tagesreise rund 150 Millionen Menschen. NRW hat eine der leistungsfähigsten Verkehrsinfrastrukturen, die wir in puncto Umweltverträglichkeit und Funktionalität klug weiterentwickeln werden.
    Wolfram Kuschke (SPD): ... dank jahrzehntelanger hervorragender Arbeit auch gut gerüstet. Wir müssen aber schnell die wichtige Frage der Seehafenanbindung klären. Auch solche Debatten wie um den Flughafen Köln sind keine gute Standortwerbung. So etwas wird in Europa registriert und löst dort nur Kopfschütteln aus.
    Dietmar Brockes (FDP): ... gut, aber noch nicht gut genug gerüstet. Aufgrund zu geringer Investitionen des Bundes besteht bei Ausbaumaßnahmen im NRW-Autobahnnetz Nachholbedarf. Um die stark wachsenden Güterverkehre zu bewältigen, müssen der Eiserne Rhein und die Betuwe-Linie zu leistungsfähigen Schienenverbindungen ausgebaut werden.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... nicht gerüstet. Die einseitige Straßenvorrangpolitik der Regierung führt zu einer LKW-Lawine mit erheblichen Folgen für Mensch und Umwelt. Wir brauchen keine Monstertrucks, sondern die Verlagerung von Güterverkehr auf Züge und Schiffe, z. B. durch eine Staffelung der LKW-Maut nach Entfernung.

    Die Bündelung von Europawahl und Kommunalwahl in NRW...

    Ilka Freifrau von Boeselager (CDU): ... kommt beiden Wahlen zugute und wird schon in acht anderen Bundesländern erfolgreich praktiziert. Die Zusammenlegung reduziert die Wahltermine, spart Kosten und wirkt der Wahlmüdigkeit entgegen. Wichtig ist, dass die Themen der beiden Wahlen zwischen "kommunal" und "europäisch" klar zu trennen sind.
    Wolfram Kuschke (SPD): ... ist in der beabsichtigten Art und Weise rechtlich und politisch fragwürdig. Die Bürgerinnen und Bürger haben Anspruch auf eine zügige und klare Umsetzung von Wahlergebnissen, was nach den Absichten der Landesregierung bei den Räten, Kreistagen, Bürgermeistern und Landräten nicht gegeben ist.
    Dietmar Brockes (FDP): ... stärkt beide Wahlen und führt zu steigender Wahlbeteiligung, da neben Inländern auch EU-Bürger bei beiden Wahlen berechtigt sind. Eine höhere Beteiligung bei der Europawahl führt dazu, dass mehr Abgeordnete aus NRW ins Europäische Parlament entsandt und regionale Interessen besser vertreten werden.
    Herbst. Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... ist ein durchsichtiges parteitaktisches Manöver von CDU und FDP, das zudem aus europapolitischer Sicht extrem peinlich ist. Schließlich hofft vor allem die FDP davon zu profitieren, dass die Wahlbeteiligung bei der Europawahl geringer sein wird als bei der Bundestagswahl im Herbst.

    Das Markenzeichen NRW ist in Europa...

    SchWerpunkt Ilka Freifrau von Boeselager (CDU): ... ein Aushängeschild. In dem Wissen, dass das große Plus europäischer Politik für jeden Einzelnen auch wirklich fassbar werden muss, betreibt NRW über seine neu aufgestellte Landesvertretung in Brüssel eine zielorientierte und aktive Interessenvertretung.
    Wolfram Kuschke (SPD): ... gut angesehen, aber im Standortmarketing noch mehr zu nutzen. Dabei muss es um klare Strategien, Vernetzung und Kooperation gehen und nicht um die Frage, ob die Schreibweise "NRW" genutzt oder "Nordrhein- Westfalen" ausgeschrieben wird.
    Dietmar Brockes (FDP): ... die Lage im Herzen von Europa mit seinen vielen unterschiedlichen schönen Regionen, freundlichen Menschen und erfolgreichen Unternehmen, wo Bewährtes und Traditionelles bewahrt und Innovationen mutig und kompetent angegangen werden.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... immer noch zu wenig bekannt. Um so mehr ist es Aufgabe auch des Landtags, die Pluspunkte NRWs - nämlich seine wirtschaftliche Stärke, seine kulturelle Vielfalt, seine immense Integrationsleistung - immer wieder positiv herauszustellen.

    Systematik: 1600 Europäische Gemeinschaften/Europäische Union

    ID: LIN05258

  • Handlungsfähigkeit der EU stärken.
    Hauptausschuss berät weitere Schritte im Einigungsprozess.
    Ausschussbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 14 in Ausgabe 8 - 27.08.2008

    Klima und Energie, Sicherheit, Landwirtschaft, Einwanderung und Asyl - alles Themen, die eine einzelne Region, ja auch ein einzelner Staat nicht mehr allein lösen kann. Daher standen sie im Mittelpunkt des Berichts vom französischen Generalkonsul Gilles Thibault am 21. August 2008 im Hauptausschuss des Landtags. Unter der Leitung seines Vorsitzenden Werner Jostmeier (CDU) nutzte der Ausschuss diesen Anlass, um auch weitere europapolitische Themen wie die Stärkung eines Europas der Regionen zu erörtern. Ein weiterer Hintergrund: Am Tag der Sitzung jährte sich zum 40. Mal der Jahrestag der gewaltsamen Niederschlagung des "Prager Frühlings." Die Vision eines friedlichen Zusammenlebens der Völker einte daher die verschiedenen Fraktionen.
    Generalkonsul Gilles Thibault betonte in seiner Rede über das Programm der französischen Ratspräsidentschaft (von Juli bis Dezember 2008) zunächst die europäische Zusammenarbeit im Bereich Energiesicherheit und Klimaschutz. Es wird angestrebt, in einem Energiepaket alle diesbezüglichen Gesetzestexte vor Ende der Legislaturperiode des EU-Parlaments im Juni 2009 zu verabschieden. Ebenfalls als Paket sollen gemeinsame Grundsätze zur Einwanderungs- und Asylpolitik behandelt werden, und zwar nicht gegen, sondern in Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. Eine größere Übereinstimmung und Handlungsfähigkeit im Bereich der europäischen Sicherheit war der dritte Schwerpunkt seiner Rede. Hier spielte das Thema "Kaukasus" natürlich eine zentrale Rolle. Abschließend kündigte Thibault für die Zeit nach 2013 eine Überprüfung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) an.
    Dass die Zusammenarbeit in Europa, dass die deutsch-französische Freundschaft nicht selbstverständlich ist, sondern immer wieder neue Anstrengungen erfordert, hob die CDUSprecherin im Ausschuss, Ilka von Boeselager, hervor. Der SPD-Sprecher, Wolfram Kuschke, stellte die Rolle der Regionen auch im europäischen Konzert heraus. Allerdings mahnte er mit einem kleinen Seitenblick auf Frankreich als derzeitigem Ratspräsidenten auch eine gewisse Zurückstellung eigener Interessen an. Für Grünen-Sprecherin Sylvia Löhrmann waren die Reform der EU-Institutionen und die damit verbundene stärkere Handlungsfähigkeit der EU von zentraler Bedeutung.
    An diese Punkte knüpfte auch Europaminister Andreas Krautscheid an. Er unterstrich die Bedeutung des Reformvertrags von Lissabon, aber auch die Notwendigkeit fairer Rahmenbedingungen im Bereich von Energieerzeugung und -verbrauch. Mit Blick auf das Frankreich- NRW-Jahr 2008/2009 verwies er auf dessen Ausrichtung mit langfristiger Perspektive. Dies werde auch dadurch deutlich, dass die politische Delegation nach Paris am 3. Oktober von 2.000 Kindern und Jugendlichen begleitet werde.
    Die Vorbereitung und die Abschätzung der Folgekosten der europäischen Dienstleistungsrichtlinie war zweiter Tagesordnungspunkt des Hauptausschusses. Hier geht es unter anderem um die Einrichtung "Einheitlicher Ansprechpartner", die Überprüfung der Übereinstimmung des deutschen Rechts mit der Richtlinie (Normenscreening) sowie die Zusammenarbeit mit Behörden aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Den Bundesländern kommt bei der Umsetzung der Richtlinie also eine besondere Rolle zu. Staatssekretär Karsten Beneke sagte die notwendigen Schritte und Informationen noch für dieses Jahr zu. Daher wird das Thema auf einer der kommenden Sitzungen des Ausschusses weiter erörtert.
    Die Stärkung des Europas der Regionen war das Ziel eines Antrags von CDU und FDP ("Ratifizierung des Vertrags von Lissabon positiv begleiten", Drs. 14/6674) sowie eines zweiten Antrags der SPD ("Europa ist einen großen Schritt vorangekommen, aber noch nicht am Ziel", Drs 14/6756). Alle Fraktionen waren sich aber einig, angesichts der aktuellen Probleme bei der Ratifizierung mit der Weiterbehandlung dieser Anträge zu warten. Sie wollen versuchen, "zum richtigen Zeitpunkt" eine gemeinsame Positionierung zu finden.
    Der Sachstandsbericht der Landesregierung zum Allfraktionen-Beschluss "Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen keine Chance geben!" rundete die Ausschusssitzung ab, die auf Fragen des friedlichen und freundschaftlichen Zusammenlebens der Völker ausgerichtet war. Wie die Beiträge von Edgar Moron (SPD), Ilka von Boeselager (CDU) und Sylvia Löhrmann (GRÜNE) zeigte, war man sich fraktionsübergreifend darüber einig, dass der Rechtsextremismus mit seinen neuen, subtilen Methoden eine der größten Gefahren für Pluralismus und Demokratie darstellte. Auch in Zusammenarbeit mit anderen Ausschüssen sollen konkrete Möglichkeiten zu dessen Bekämpfung erörtert werden.

    Bildunterschrift:
    Ausschussvorsitzender Werner Jostmeier (li.) begrüßte den französischen Generalkonsul Gilles Thibault.

    Systematik: 1600 Europäische Gemeinschaften/Europäische Union

    ID: LIN05259

  • Jugend erobert das Parlament.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 7 - 18.06.2008

    Aus allen Teilen des Landes kommen für drei Tage junge Menschen im Landtagsgebäude am Rhein in Düsseldorf zusammen. Sie nehmen im Plenum und in den Ausschusssälen Platz, sprechen in Mikrofone (wenn ihnen zuvor ganz parlamentarisch das Wort erteilt worden ist) und sie heben ihren Arm zur Abstimmung.
    Ein Spiel?
    Es gibt Plenarsitzungen, Ausschusssitzungen, Arbeitskreise. Es wird diskutiert, abgestimmt und es werden per Mehrheit Beschlüsse gefasst und Empfehlungen verabschiedet.
    Folgenlos?
    Vielleicht sind ja die äußerlichen Rituale dieselben. Aber es geht um mehr: um Inhalte, um praktische Erfahrung und letzten Endes um Werbung für Demokratie und Engagement in der Zivilgesellschaft. Und um die Erwartung, dass die Akteure nach dem Ende des Jugend- Landtags ihre gesammelten Erfahrungen in ihre Familien, an ihre Schulen und in ihre Freundeskreise weitergeben.
    Zurück zur Tagesordnung?
    Ganz sicher nicht. Das Thema Jugend und Parlament bleibt auf der Agenda der Landtage. Das ist einer der Beschlüsses der letzten Präsidentenkonferenz, die in Düsseldorf im vergangenen Jahr getagt hat.

    Verantwortung

    Ein Beschluss, den der nordrhein-westfälische Landtag schon vorab umzusetzen begonnen hat. Zu Beginn der Wahlperiode hat er die Enquetekommission "Chancen für Kinder - Rahmenbedingungen und Steuerungsmöglichkeiten für ein optimales Betreuungs- und Bildungsangebot in Nordrhein-Westfalen" eingerichtet. Sie legt in Kürze ihren Abschlussbericht vor. Immer wieder stehen Themen zur Jugendpolitik im Mittelpunkt von Plenum und Ausschüssen: Kinderarmut, Ausbildung und Integration. Das alles betrifft junge Leute. Und noch vieles mehr. Klimaschutz, Staatsverschuldung, Umwelt, Gesundheit, Medien - alles hat Bezug zur Jugend. Man sieht: Dieser Landtag hat in Verantwortung für kommende Generationen die Nachhaltigkeit seiner Beschlüsse im Blick. Bei ihm sind die Interessen der jungen Generation gut aufgehoben. Schön, wenn auch diese Einsicht vom Jugend-Landtag mitgenommen würde.
    JK

    ID: LIN04839

  • Politik praktisch erfahren.
    Zum ersten Mal: 187 Jugendliche debattieren im Düsseldorfer Parlament.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 7 - 18.06.2008

    Von wegen Politikverdrossenheit: Ständig flitzen E-Mails zwischen Jugendlichen und dem neuen Bereich "Jugend und Parlament" im Landtag hin und her, die das Gegenteil beweisen. Viele hoffen, noch auf die Reserveliste des Jugend-Landtags zu kommen. Alle unterstreichen ihr Interesse an Politik: "Ich möchte parlamentarische Arbeit hautnah erleben und etwas Sinnvolles tun", ist dort etwa zu lesen. Um dies zu erreichen, werden die von den Abgeordneten benannten Jugendlichen Fraktionen und Arbeits- kreise bilden, Ausschusssitzungen organisieren und abschließend Plenarbeschlüsse fassen. Die beiden Themen ("Wirtschaftliches Werbeverbot an Schulen aufheben?" und "Jugendparlamente verpflichtend einführen?") wurden gemeinsam mit Studenten der Universität Duisburg/Essen ausgesucht. Um die Beratungen möglichst realitätsgetreu zu gestalten, wurden für den 22. bis 24.6.2008 auch Sachverständige eingeladen: unter anderem der Landesjugendring, die Verbraucherzentrale, die Gewerkschaft GEW sowie branchennahe Firmen. Damit die Jugendlichen nicht nur für ihr politisches, sondern auch für ihr soziales Engagement Anregungen erhalten, wird es während des Jugend-Landtags außerdem einen "Markt der Möglichkeiten" geben. Auf diesem stellen sich neben den vier Jugendorganisationen der Parteien auch überparteiliche Jugendverbände sowie Stiftungen vor (darunter die Stiftung Mercator, welche die Veranstaltung finanziell unterstützt). Viele Anregungen, wenig Schlaf wird es wohl für die jugendlichen "Abgeordneten" geben.
    DD

    Bildunterschriften:
    Meine liebsten Leitsprüche sind: "Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst" von J.F. Kennedy und von Bertolt Brecht: "Wer kämpft, kann verlieren. Der nicht kämpft, hat schon verloren." Ich hoffe, dass auch wir Mitglieder im Jugend-Landtag einiges bewegen können, die Veranstaltung ein großer Erfolg und zur Dauereinrichtung für Jugendliche wird.
    Katharina Pfennings, 16, Duisburg

    Ich erhoffe mir eine gute Zeit mit vielen angeregten Diskussionen und Spaß zusammen mit den anderen Jugendabgeordneten.
    Marcel Springer, 16, Hagen

    Während meines Praktikums in der Verwaltung des Landtags im Januar 2008 habe ich festgestellt, dass ich mich sehr für die wirtschaftliche und politische Arbeit interessiere und später auch einmal in der Politik oder freien Wirtschaft arbeiten möchte.
    Torben Kief, 17, Münster

    Ich finde, dass der politische Dialog mit der Jugend sehr wichtig ist, und hoffe, dass die von uns beratenen Anträge auch tatsächlich von der Landespolitik behandelt werden.
    Thomas Philippen, 19, Eschweiler

    Ich denke, alle, die sich angemeldet haben und genommen wurden, sind mit Teilen der jetzigen Politik unzufrieden. Wir haben wir uns entschieden, daran aktiv etwas zu verändern.
    Melissa Neubacher, 16, Ennepetal

    Ich bin dabei, weil ich nicht nur über Probleme meckern, sondern selbst etwas verändern will. Am meisten erhoffe ich mir neue Kontakte zu anderen politikinteressierten Jugendlichen.
    Marc Meierkord, 17, Kalletal

    In den Medien ist Landespolitik ja nicht immer so präsent wie Bundes- oder Europapolitik, sodass ich besonders gespannt bin. Außerdem interessieren mich die konkreten Kompetenzen des Landtags.
    Benjamin Fadavian, 18, Aachen

    Ich sehe den Jugend-Landtag als eine Chance für Jugendliche an, sich mehr in die Politik einzubringen und dafür zu begeistern.
    Miriam Skroblies, 17, Haan

    Ich interessiere mich für Politik und das Zeitgeschehen. Außerdem sehe ich das Projekt auch als Entscheidungshilfe für meinen zukünftigen Berufsweg an, da ich mit dem Gedanken spiele, Politik zu studieren bzw. irgendwann selbst in die Politik einzusteigen.
    Christian Kroll, 18, Herzebrock-Clarholz

    Ich hab mich beworben, um einmal interne Abläufe in der Politik direkt vor Ort miterleben zu können. Ich freue mich sehr darauf, neue Erfahrungen sammeln zu können und nette neue Leute, die mein Interesse teilen, kennen zu lernen.
    Hannah Faust, 18, Solingen

    Mir macht Politik generell Spaß. Der Jugend-Landtag bietet nun die Gelegenheit, weitere Erfahrungen zu sammeln und sie zu vertiefen.
    Sarah Maria Röser, 16, Bg.-Gladbach

    Rummeckern kann jeder, Politik konstruktiv mitgestalten ist gefragt. Deswegen will ich mich beim Jugend-Landtag einbringen.
    Niklas Seggewiß, 18, Rheda-Wiedenbrück

    Ich engagiere mich schon in meiner eigenen Stadt, der kleinen Politik, mit dem Kinder- und Jugendparlament. Ich erhoffe mir eine ganz tolle Zeit mit vielen netten Menschen, die dasselbe Interesse an Politik haben wie ich.
    Sarah Rojewski, 16, Wermelskirchen

    Systematik: 5030 Kinder/Jugendliche; 1100 Parlament

    ID: LIN04848

  • Kastner, Marie-Theres (CDU); Jörg, Wolfgang (SPD); Lindner, Christian (FDP); Asch, Andrea (Grüne)
    "Die jungen Leute motivieren".
    Interviews mit den jugendpolitischen Sprechern zum Jugend-Landtag.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 7 - 18.06.2008

    Zum 1. Jugend-Landtag kommen junge Bürgerinnen und Bürger aus ganz Nordrhein-Westfalen im Düsseldorfer Landesparlament zusammen. Dort nehmen sie auf den Stühlen der Abgeordneten Platz, um selbst über für sie wichtige Themen zu debattieren und zu entscheiden. So können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die parlamentarische Arbeit unmittelbar erleben und sich im Plenarsaal direkt für ihre Interessen engagieren. Wie wichtig die politische Teilhabe von Jugendlichen für die Parteienlandschaft und die Demokratie in Nordrhein-Westfalen ist, das fragte "Landtag intern" die jugendpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen, Marie-Theres Kastner (CDU), Wolfgang Jörg (SPD), Christian Lindner (FDP) und Andrea Asch (GRÜNE).
    Das Durchschnittsalter der Landtagsabgeordneten beträgt rund 52 Jahre. Ein Grund mehr, das Interesse junger Menschen an parlamentarischer Arbeit zu wecken?
    Kastner: Das würde ich unterstreichen. Doch mir persönlich ist zugleich wichtig, dass jemand, der in einem Parlament sitzt, auch weiß, wovon er redet. Ein Parlamentarier muss zuvor Erfahrungen an der Basis gesammelt haben, und er muss einen beruflichen Hintergrund besitzen, um nicht abhängig von seinem Abgeordnetenmandat zu sein. Die politischen Entscheidungen werden besser, wenn man selber einen Beruf hat, in den man zurückkehren kann.
    Jörg: Das Alter als solches wird sicherlich nicht politisches Interesse von Jugendlichen auslösen. Aber es ist natürlich eine Herausforderung für die Parteien, Jugendliche in die Parlamente zu holen.
    Lindner: Zum einen können die Abgeordneten vom Austausch mit Jugendlichen profitieren, weil sie Probleme in unserer Gesellschaft anders sehen als etablierte Politiker, und weil sie aus einer anderen Generation kommen. Zum anderen kann ein Kennenlernen des parlamentarischen Arbeitens einen so wichtigen Beitrag zur politischen Bildung leisten, dass Jugendliche sich eher motiviert fühlen, selbst Partei für ihre Interessen zu ergreifen.
    Asch: Das Durchschnittsalter kann natürlich nicht der einzige Grund sein. Wir müssen tatsächlich sehr viel mehr dafür tun, dass sich junge Leute für Politik interessieren, dass sie sich engagieren und in die politischen Ämter hineingehen - sei es in der Kommunalpolitik oder in der parlamentarischen Arbeit auf Landesebene. Es ist gut und wichtig, dass die verschiedenen Lebensphasen durch Abgeordnete abgebildet werden. Jede Lebensphase hat ihre speziellen Sichtweisen und Probleme, und deshalb müssen auch junge Leute in den Parlamenten mitarbeiten. Ebenso gehören natürlich auch ältere Leute dazu, weil durch den demographischen Wandel verstärkt gesellschaftliche Probleme auf uns zukommen. Ich halte daher einen guten Mix für angebracht.
    Junge Leute sollen, das ist Konsens, früh an Verantwortung und Mitgestaltung in der Politik herangeführt werden. Also: Wann kommt in NRW das Wahlrecht ab 16?
    Kastner: Wenn es nach der CDU geht, dann kommt das Wahlrecht ab 16 nicht. Statistiken zeigen: Je älter die Menschen werden, desto größer werden ihre Wahlaktivitäten. Das Interesse mit 16 ist auf andere Dinge gerichtet, wie zum Beispiel den Führerschein. Es gibt viele Wege, wie man Jugendliche an politische Mitwirkung heranführen kann, zum Beispiel über Jugendparlamente, auch über die Mitwirkung in Bezirksvertretungen, Schulgremien und berufsständischen Vereinigungen. Ich habe nicht den Eindruck, dass es von besonderem Gewinn ist, wenn man schon mit 16 seine Stimme abgeben kann. Schon in den Stadtparlamentswahlen hat sich gezeigt, dass die 16-Jährigen von ihrem Wahlrecht nicht in der erhofften Weise Gebrauch machen.
    Jörg: Diese Forderung haben wir als Partei auch per Antrag ins Parlament eingebracht. Das ist ein Schritt, um Jugendliche früher an Verantwortung gegenüber unserem Land zu binden. Aber ich finde, man darf Jugendlichen nicht zu viel zumuten. Mit 16, 17 Jahren passieren ganz viele wichtige Dinge im Leben, die für die Jugendlichen noch wichtiger sind als Politik: die erste Freundin, der erste Freund, vielleicht das erste Moped, Ausbildung und Schule. Jungen Menschen dann abzuverlangen, dass sie sich umfangreich für politische Interessen einzusetzen haben, ist etwas viel. Keine Frage: Ich freue mich über jeden Jugendlichen, der zu uns kommt. Aber ich verstehe auch jeden, der sagt: Erstmal muss ich mein Leben so sortieren, dass ich die Kapazitäten habe, mich politisch einzubringen. Hinzu kommt: Wer früh in ein Parlament einzieht, dessen Leben verändert sich auf dramatische Art und Weise. Es gibt dann die Situation, dass man keine Sicherheit in der Lebensplanung mehr hat, weil man dieses Amt immer nur für fünf Jahre bekommt und sich dann erneut stellen muss.
    Lindner: Der Jugend-Landtag zeigt, dass das Wahlrecht ab 16 eben nicht das einzige Instrument ist, um Jugendliche auch für die Landespolitik zu gewinnen. In der Kommune haben wir das Wahlrecht ab 16, weil Jugendliche die örtliche Situation überblicken können. Im Land haben wir es nicht, und bezeichnenderweise hat ein Großteil der Jugendlichen bei einer der letzten Shell-Jugendstudien gesagt, dass sie dieses auf Landes- und Bundesebene für keine gute Idee halten. Besser ist es also, Projekte wie den Jugend-Landtag weiterzuentwickeln.
    Asch: Wenn es nach uns Grünen ginge, käme es sofort. Wir haben das im Landtag schon mehrfach beantragt. Wir sind Befürworter des Wahlalters ab 16, weil wir sehen, dass andere Länder es uns vormachen. So können zum Beispiel Jugendliche in Österreich schon ab 16 Jahren an den Wahlen zum nationalen Parlament teilnehmen. Wir halten es für absolut notwendig, dass auch hier auf Landesebene ab 16 Jahren gewählt werden darf. Wenn wir fordern, dass sich junge Menschen als mündige Bürgerinnen und Bürger an der Demokratie beteiligen, dann müssen wir ihnen auch entsprechende Beteiligungsrechte geben. Das Wahlrecht ab 16 ist ein ganz wesentliches.
    Früher gab es die "Frauenquote". Brauchen wir jetzt so etwas wie eine "Jugendquote" für die Parteien?
    Kastner: Ich habe nie zu den Verfechtern dieser Quoten gehört. Eine Partei muss sich Gedanken darüber machen, dass sie mit ihren Abgeordneten das gesamte Spektrum der Bevölkerung vertritt. Und wenn eine Partei das nicht schafft, muss sie umsteuern. Unsere jungen Leute haben in allen Parteien ihre Vertretungen, genauso wie mittlerweile die Seniorinnen und Senioren. Ich kenne dieses Miteinander in den Landesvorständen. Der Grundsatz der Gesamtbeteiligung aller Gruppen sollte bei der Aufstellung der Kandidatenlisten berücksichtigt werden.
    Jörg: Ich halte viel von einem Mehrheitsprinzip. Und dieses Mehrheitsprinzip ist nicht umsonst der Kern unserer Demokratie. Wir haben als Partei in der Frage der Frauenquote eine Ausnahme gemacht. Da haben wir das Gleichheitsprinzip über das Mehrheitsprinzip gesetzt. Dabei sollte es bleiben, denn ansonsten zerschneiden wir unsere gesamte Partei in Gruppen. Dann hat man das Mehrheitsprinzip aufgegeben, und das dürfen wir als Demokraten nicht verlassen.
    Lindner: Ich bin sehr im Zweifel, ob Quoten generell das richtige Instrument sind. Mindestens bei der Jugendquote melde ich Bedenken an. Die Parteien sind demokratisch organisiert. Jeder hat die Möglichkeit, dort für seine Anliegen zu werben. Ich kenne keine Partei, die einen engagierten, qualifizierten, sympathischen Jugendlichen nicht gerne aufgenommen und ihm nicht gerne Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet hätte. Insofern liegt es beim einzelnen, für seine Person und seine Positionen in den Parteien Mehrheiten zu organisieren. Und das gelingt - auch hier im Landtag, wo es ja trotz des hohen Durchschnittsalters eine ganze Reihe von jüngeren Kollegen unter 40 Jahren gibt.
    Asch: Ich würde in dieser Frage nicht mit Quoten arbeiten. Wir haben als Grüne so eine Quote nicht. Und trotzdem gelingt es uns immer wieder, qualifizierte, junge Leute zu motivieren, sie für die Parlamente und die Kandidaturen zu gewinnen und sie auf aussichtsreiche Listenplätze zu bringen. Bestes Beispiel ist Anna Lührmann, die mit 19 Jahren als jüngste Abgeordnete in den Deutschen Bundestag einziehen konnte.
    Die Interviews führten Jürgen Knepper, Christoph Weißkirchen und Sebastian Wuwer.

    Systematik: 5030 Kinder/Jugendliche; 1100 Parlament

    ID: LIN04850

  • Eine "stolze" Zwischenbilanz.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 6 - 06.06.2008

    Diese Debatte im Landtag ist der Moment, in dem ich aus vollem Herzen sagen kann: "Ich bin stolz, ein Bürger des Landes zu sein". Diese Worte kamen Paul Spiegel sel. A., dem damaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland über die Lippen, als am 2. Juli 2003 der Landtag einstimmig eine Entschließung aller vier Fraktionen zum jüdischen Leben in Nordrhein-Westfalen verabschiedete.
    Es gibt mehr Höhepunkte dieser Art im Zusammenleben der Menschen an Rhein und Ruhr. Auch in den Beziehungen der beiden Länder Israel und Nordrhein-Westfalen, die vielen Jüdinnen und Juden in NRW ganz und gar nicht gleichgültig sind. Unvergessen ist die Szene, als Bundespräsident Johannes Rau in der Knesset im Februar 2000 das Wort erhielt - und jüdische Abgeordnete den Saal verließen, weil sie die Sprache nicht ertragen konnten, die die Täter der Shoa gesprochen hatten. Einige kamen dennoch wieder und zum Schluss brandete der Applaus für die einfühlsame Rede durchs ganze Haus.

    Neue Synagogen

    Rau war Wuppertaler und in dieser Stadt war es, dass der damalige israelische Staatspräsident Moshe Katsav 2003 die neue Synagoge feierlich eröffnete. 2006 erneuerte die Landesregierung den Staatsvertrag mit den jüdischen Kultusgemeinden in NRW. Ende 2007 fand Ministerpräsident Jürgen Rüttgers Gelegenheit, das neue jüdische Gotteshaus in Bochum seiner Bestimmung zu übergeben. Die Synagoge stehe "für die Freude darüber, dass jüdisches Leben nicht nur hier in Bochum, sondern in ganz Nordrhein-Westfalen wieder seinen Platz gefunden hat", betonte damals der Ministerpräsident.
    Auch der Landtag ist sich seiner besonderen Verpflichtung bewusst. Als erstes Landesparlament gründete 1987 der NRW-Landtag eine Deutsch-Israelische Parlamentariergruppe. NRW-Parlamentarier pflegen Kontakte nach Israel, bei ihren Besuchen steht immer auch Yad Vashem auf dem Programm. Mit der Erinnerungsstätte existiert seit Jahren ein intensiver Lehreraustausch. Es gibt zahlreiche Städtepartnerschaften. Schüler aus NRW und Israel besuchen sich gegenseitig.
    Ein fröhliches Kind ziert das offizielle Logo des israelischen Staatsjubiläums. Nicht nur junge Menschen wünschen sich: Hoffentlich dauert es nicht noch Jahre, dass die Menschen im Nahen Osten in Frieden leben können.
    JK

    ID: LIN04772

  • Bekräftigung der Freundschaft.
    Festakt 60 Jahre Israel: Freude, Stolz und Nachdenklichkeit.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 6 - 06.06.2008

    Als "Zeichen der Solidarität mit den Töchtern und Söhnen Israels" bezeichnete Landtagspräsidentin Regina van Dinther die gemeinsame Festveranstaltung von Landtag und Landesregierung zum 60. Jahrestag der Gründung des Staates Israel. Sie begrüßte im Plenarsaal die mehr als 600 Gäste und versprach, "Landtag und Landesregierung werden auch zukünftig mit Nachdruck daran arbeiten, die deutsch-israelische Freundschaft verantwortungsvoll zu gestalten".
    Die Festansprache hielt Professor Moshe Zimmermann von der Hebräischen Universität Jerusalem. Er hob die "Wahlverwandtschaft" zwischen Deutschen und Israelis hervor und wählte das Bild eines Spiegels, in dem sich beide Völker ständig betrachten. Dabei, so der Leiter des Richard-Koebner- Instiuts for German History, würden sie mehr Parallelen als Unterschiede entdecken. Die Israelis ihrerseits könnten aus dem "Blick in den deutschen Spiegel" Schlüsse, wenn nicht gar Konsequenzen ziehen. So habe Deutschland gelernt, nicht auf militärische Konfrontation zu setzen. Weiter nannte der Redner den Umgang mit Vertriebenen und Flüchtlingen und ihre Integration nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die deutsche Bereitschaft zur Aussöhnung mit den europäischen Nachbarn und zur europäischen Einigung. Eine solche Integration und Aussöhnung könnten Modell für den Nahen Osten sein, war Zimmermann überzeugt; die Übertragung sei keineswegs aussichtslos, wenn sie Gelegenheit habe, lange genug zu wirken.
    Zuvor hatte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, gerade von einer viertägigen Israelreise zurückgekehrt, das Vertrauen der Menschen in Israel zu Deutschland als Verpflichtung bezeichnet, "stark zu sein gegen alles, was dieses Miteinander stören will". Gleichgültig, ob der Antisemitismus von rechts oder links komme. Der Ministerpräsident sagte unter dem lebhaften Beifall der Anwesenden: "60 Jahre Israel, 60 Jahre jüdisches Leben in Nordrhein-Westfalen. Diesen Reichtum an Möglichkeiten, an Chancen lassen wir uns nicht von den Anhängern totalitärer, menschenverachtender Ideologien kaputtmachen". Kein anderes Bundesland unterhalte so enge Beziehungen zu Israel, fuhr er fort. Die Freundschaft zwischen Nordrhein-Westfalen und Israel wolle man weiter festigen und ausbauen: "Sie kann gar nicht eng genug sein". Der Ministerpräsident mahnte, für einen nachhaltigen Frieden in der Region seien größere Anstrengungen Deutschlands und ganz Europas nötig. Aber auch Israel müsse sich mehr engagieren und die "einseitige, existenzielle Abhängigkeit" der Palästinenser verringern. Die sei demütigend und "Demütigung ist eine Quelle von Feindschaft". Als "vertrauensbildende Maßnahmen" nannte Rüttgers den Stopp des Siedlungsbaus und das Ende der Besatzung.
    Der Gesandte der Botschaft des Staates Israel, Ilan Mor, würdigte Israel als funktionierende Demokratie seit Beginn. Er bezeichnete das Land als "Insel der Vernunft" in einem Meer von Fundamentalismus und terroristischer Bedrohung. Die 60 Jahre seiner Existenz seien eine phänomenale Erfolgsgeschichte. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel sei "schon lange nicht mehr" ausschließlich von der Shoa bestimmt. Der Staat Israel wolle in Frieden mit allen Nachbarn leben. Er sei bereit zu "schmerzhaften Kompromissen" und habe die Hand zur Zusammenarbeit ausgestreckt, "aber auch 60 Jahre nach der Gründung steht die grundsätzliche Anerkennung durch die arabischen Länder noch aus".
    Landtagspräsidentin Regina van Dinther betonte, vor allem den jungen Menschen müsse der Stellenwert der besonderen Freundschaft zu Israel vermittelt werden. Denn in ihren Händen liege die Zukunft des deutsch-israelischen Miteinanders. Gegenseitiges Kennenlernen sei der beste Weg, um Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus entgegen zu treten. Sie schloss mit den Worten: "Herzlichen Glückwunsch Israel - Schalom!"
    JK

    Bildunterschriften:
    Vor dem aufgeschlagenen Gästebuch des Landtags (v. l.): Ilan Mor, Gesandter der Botschaft des Staates Israel in Berlin, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, Landtagspräsidentin Regina van Dinther und Avi Prior, israelischer Botschafter a.D.
    Edgar Moron, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe.
    Professor Zimmermann, Historiker aus Jerusalem und Festredner der Feier.

    Systematik: 1510 Internationale Beziehungen

    ID: LIN04770

  • Jostmeier, Werner (CDU); Moron, Edgar (SPD); Freimuth, Angela (FDP); Löhrmann, Sylvia (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal sind es Mitglieder der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 6 - 06.06.2008

    60 Jahre Israel - das bedeutet speziell für Nordrhein-Westfalen ...

    Werner Jostmeier (CDU): ... dass wir dankbar und stolz auf die guten und besonderen Beziehungen zum Staat Israel sein dürfen und dass NRW dabei eine verantwortliche Rolle spielt.
    Edgar Moron (SPD): ... nicht in den Bemühungen nachzulassen, sich für einen Frieden im Nahen Osten einzusetzen und die dauerhafte Existenz des Staates Israel zu sichern.
    Angela Freimuth (FDP): ... ein Anlass zur Freude. Kein anderes Bundesland hat so intensive Beziehungen zu Israel wie Nordrhein-Westfalen.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... sehr viel. Unser Bundesland pflegt sehr intensive Beziehungen zu Israel. Ich erinnere mich an zahlreiche Debatten und fraktionsübergreifende Anträge. NRW ist meines Wissens das einzige Bundesland, das eine interfraktionelle Würdigung des jüdischen Lebens vorgenommen hat.

    Die Notwendigkeit "besonderer" Beziehungen zwischen Deutschland und Israel ist nach so vielen Jahren ...

    Werner Jostmeier (CDU): ... genauso existenziell und genauso zu unserer Staatsräson gehörend, wie vor 60 Jahren.
    Edgar Moron (SPD): ... nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Grauen des "Holocaust" immer noch aktuell und zwingend.
    Angela Freimuth (FDP): ... eigentlich keine Notwendigkeit mehr, sondern durch eine von Freundschaft, Wertschätzung und Verantwortung getragene Beziehung zweier Völker und Staaten. Diese "besondere" und freundschaftliche Beziehung ist ein Sieg der Menschlichkeit und Toleranz gegenüber Hass und Ignoranz.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... so aktuell wie eh und je. Aus der Geschichte unseres Landes hat sich die Verpflichtung zu diesen besonderen Beziehungen ergeben, und diese Verpflichtung besteht dauerhaft. Wir müssen den Staat Israel unterstützen, und wir müssen den Friedensprozess im Nahen Osten unterstützen. Beides gehört zusammen.

    Das erstarkende jüdische Leben an Rhein, Ruhr und Lippe ist für unser Land ...

    Werner Jostmeier (CDU): ... ein Zeichen der Hoffnung und ein Zeichen dafür, dass wir uns der historischen Verantwortung bewusst sind und aus der Geschichte gelernt haben. Wir sind dankbar dafür, dass in zahlreichen Städten Nordrhein-Westfalens sich inzwischen wieder mehr jüdische Mitbürger beheimatet fühlen als vor der Nazi-Diktatur
    Edgar Moron (SPD): ... ein wunderbares Zeichen dafür, dass jüdische Menschen in Nordrhein-Westfalen eine sichere Heimat haben.
    Angela Freimuth (FDP): ... , die Menschen in unserem Land und für die kulturelle Vielfalt in Nordrhein-Westfalen ein Gewinn. Jüdisches Leben ist in Deutschland Gott-sei-Dank wieder zu Hause.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... Bereicherung, Segen und Verpflichtung. Kein geringerer als Paul Spiegel hat es eine "Renaissance des Judentums" genannt. Und es darf nie mehr anders werden. Der Widerstand gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus ist nichts weniger als ein Auftrag an alle Politikfelder.

    Die zahlreichen Schul- und Städtepartnerschaften mit Israel zeigen ...

    Werner Jostmeier (CDU): ... dass freundschaftliche Beziehungen zu Israel immer mehr zur Normalität werden und auch die junge Generation sich ihrer Verantwortung bewusst ist und unbefangen und optimistisch in die Zukunft blickt.
    Edgar Moron (SPD): ... dass das Interesse für Israel und der Wunsch nach Versöhnung und Vergebung ungebrochen sind.
    Angela Freimuth (FDP): ... dass die Freundschaft auch eine echte Freundschaft der Menschen ist. Beide Völker wollen gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft gestalten, Demokratie, Menschenrechte, Toleranz gegenüber Andersdenkenden verwirklichen, humanitäre, sicherheitspolitische, ökologische und ökonomische Herausforderungen lösen.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... wie Versöhnung und gute Partnerschaft zwischen Völkern wachsen kann, zwischen denen so unfassbare Verbrechen in der Vergangenheit stehen. Gerade in der Kindheit und Jugend müssen und können die Grundlagen für Toleranz, Verständnis und Freundschaft zwischen Israel und Deutschland gelegt werden.

    Angesichts von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit hierzulande müssen Politik und Gesellschaft ...

    Werner Jostmeier (CDU): ... stets wachsam sein und so sensibel bleiben, dass wir früh genug den "Anfängen wehren".
    Edgar Moron (SPD): ... wachsam, kampfbereit und konsequent im Handeln sein.
    Angela Freimuth (FDP): ... jeden Tag für Menschenrechte, Demokratie, Toleranz, Frieden und Nächstenliebe aktiv eintreten.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... ein wachsames und wehrhaftes demokratisches Bollwerk gegen jeglichen Rassismus bilden. Das fängt in den Parlamenten an und hört bei jedem Einzelnen auf, der mit Wort und Tat gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit aufsteht und für Toleranz und Miteinander eintritt.

    Die Reden des früheren Bundespräsidenten Rau und kürzlich von Bundeskanzlerin Merkel vor der Knesset unterstreichen ...

    Werner Jostmeier (CDU): ... die große Bedeutung die Deutschland den besonderen Beziehungen zu Israel beimisst und die Wertschätzung die Deutschland als Partner Israels inzwischen genießt.
    Edgar Moron (SPD): ... die Bedeutung, die die guten Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Nordrhein-Westfalen mit Israel auch für den israelischen Staat haben.
    Angela Freimuth (FDP): ... dass in beiden Ländern Demokratie und Menschenrechte eine gemeinsame Basis politischen Handelns bilden. Es ist darüber hinaus eine große Ehre und Anerkennung für jeden Repräsentanten unseres Landes, in einem Parlament eines anderen Staates an die dortigen Abgeordneten zu sprechen
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... die Wertschätzung, die Israel dem Deutschland des frühen 21. Jahrhunderts entgegen bringt. Inhaltlich unterstreichen sie einen Satz, den Richard von Weizsäcker geprägt hat und der unser Handeln leiten muss: "Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, der wird blind für die Gegenwart."

    Die Arbeit der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe ist von herausragender Bedeutung, weil...

    Werner Jostmeier (CDU): ... die Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtags damit einen wertvollen Beitrag zu freundschaftlichen Beziehungen leisten können.
    Edgar Moron (SPD): ... die Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen in ihrer Funktion als Vertreter des Volkes in ganz besonderem Maße verpflichtet sind, jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in unserem Land eine sichere Heimat zu garantieren und für den Staat Israel und seine Menschen einzutreten.
    Angela Freimuth (FDP): ... unsere Kolleginnen und Kollegen die vielen privaten Initiativen der Menschen in unserem Land auch politisch begleiten und die Bundesregierung in ihren verantwortungsvollen Aufgaben unterstützen. Sie leistet einen wertvollen Beitrag, um den Dialog zwischen Israel und Nordrhein-Westfalen zu vertiefen.
    Sylvia Löhrmann (GRÜNE): ... sie zur Verständigung zwischen Israel und Nordrhein- Westfalen einen außergewöhnlichen Beitrag leistet. Gerade der immer wieder gelebte persönliche Kontakt mit den Menschen in Israel, aber auch mit den Palästinensern ist ein zentraler Schlüssel zu Verständigung und Versöhnung

    Idee und Umsetzung: Jürgen Knepper und Sebastian Wuwer.

    Systematik: 1510 Internationale Beziehungen; 1060 Ideologien; 7300 Religionsgemeinschaften

    ID: LIN04771

  • Türkei - näher als man denkt ...
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 5 - 14.05.2008

    Es war die Stunde der gegenseitigen Freundschaftsbekundungen und der politischen Willenserklärungen. Der erste Parlamentarische Abend, der nicht eine Region unseres Landes vorstellte, sondern eine ausländische Nation in den Mittelpunkt stellte, die Türkei. Ausland? Das trifft den Kern nur bedingt: 700.000 türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger leben und arbeiten in Nordrhein-Westfalen.
    So war der Parlamentarische Abend auch Symbol und Zwischenbilanz der deutsch-türkischen Annäherung. Und ein Abend der Klarstellung: Die Türkei und ihre Menschen drängt es in die Europäische Union. Sie sind entschlossen, alle Hürden zu nehmen.
    Nun war dieser 16. April nicht der Termin, um das Problem "Privilegierte Partnerschaft oder Vollmitgliedschaft" zu lösen. Aber er war die gute Gelegenheit, sich näher kennenzulernen. Wie geht das besser, als über die Kultur? Und über den touristischen Austausch: Millionen Deutsche haben bereits an den nahöstlichen Gestaden Urlaub gemacht. Manche sind in das Land so vernarrt, dass sie im sonnigen Alanya eine mitgliederstarke deutsche Kolonie gegründet haben, mit eigenen Zeitungen und einem eigenen deutschen Friedhof.

    Verbundenheit

    Und hierzulande? Türkischstämmige Unternehmer schaffen Arbeits- und Ausbildungsplätze, sie haben 24.000 Unternehmen gegründet. Der Jahresumsatz dieser Betriebe mit 120.000 Arbeitsplätzen liegt bei elf Milliarden Euro. Seit 1996 erhöhten sich die nordrhein-westfälischen Exporte in die Türkei um rund 170 Prozent. In Köln arbeitet seit einigen Jahren die Türkisch- Deutsche Handelskammer. Ein knappes Drittel aller deutschen Direktinvestitionen kommt aus NRW. Eine Deutsch-Türkische Universität in Istanbul steht vor der Gründung.
    Eine eigene Deutsch-Türkische Parlamentariergruppe kümmert sich um die Vertiefung der Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Land am Bosporus. Es gibt Austausch zwischen Schulen und Universitäten; das Schulministerium beziffert die Schulpartnerschaften auf 41. In Essen forscht, berät und publiziert das Zentrum für Türkeistudien. Nordrhein-westfälische Städte unterhalten Partnerschaften mit türkischen Kommunen. Istanbul ist zusammen mit dem ungarischen Pecs Partnerstadt im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010.
    Da wird man, wie an diesem Parlamentarischen Abend, doch einmal feiern dürfen!
    JK

    ID: LIN04480

  • Auf dem Weg nach Westen.
    Parlamentarischer Abend im Zeichen der deutsch-türkischen Freundschaft.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 5 - 14.05.2008

    "Oft sprechen wir davon, was Deutsche und Türken unterscheidet. Doch eine Partnerschaft setzt zuallererst voraus, Gemeinsamkeiten zu erkennen. Viel öfter sollten wir darüber reden, was Deutsche und Türken verbindet." Das war das Motto, mit dem Landtagspräsidentin Regina van Dinther Mitte April zum Parlamentarischen Abend "Türkei" einlud. 850 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur waren der Einladung gefolgt. Darunter auch der Präsident des türkischen Parlaments, der Großen Nationalversammlung, Köksal Toptan, in Begleitung seiner Frau und einer Delegation von Parlamentariern.
    Gut gelaunt trat der Präsident vor das Mikrofon. "Meine lieben Freunde", sagte er und meinte nicht nur die ihn begleitenden türkischen Abgeordneten, die er mit Namen und Wahlkreis vorstellte - jedes Mal ging lauter Applaus durch die Halle. Er wolle sich herzlich für die "warmherzige Umarmung" bedanken, wie der Dolmetscher übersetzte. Toptan war beeindruckt - von der Menge der Gäste und vom Empfang, der ihm und seiner Begleitung durch das nordrhein-westfälische Parlament bereitet wurde. Dessen Präsidentin hatte zuvor bekannt: "Der Landtag sucht die Nähe zur Türkei und ihren Menschen. Dabei spielen Sympathie und Hochachtung eine herausragende Rollte."
    Ein Drittel der in Deutschland lebenden Türken habe sich in Nordrhein-Westfalen niedergelassen. "Und ein Drittel davon stammt aus meinem Wahlkreis, den ich hier treffe", sagte nicht ohne Rührung der Präsident. Er bedankte sich bei Landtagspräsidentin Regina van Dinther und bei Vizepräsident Oliver Keymis, der auch Vorsitzender der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe ist, für diesen Abend.
    Der Präsident beließ es nicht bei Höflichkeiten. Er sagte mit einer Klarheit, die manchen Gast überraschte, was er von beiden Seiten erwartet. Er warb für die weitere deutsche Unterstützung der Türkei auf dem Weg in die Europäische Union. Keinen Zweifel ließ er an dem Wunsch einer Vollmitgliedschaft seines Landes und der Ablehnung der ins Gespräch gebrachten "privilegierten Partnerschaft". Ihn habe die "negative Bewertung" dieses türkischen Wunsches "traurig gemacht", bekannte Toptan: "Aber blicken wir nicht rückwärts, sondern nach vorn", meinte zuversichtlich der Präsident.

    Aufruf

    An seine Landsleute gewandt, gab er ihnen ein paar Ratschläge mit. Die in Deutschland lebenden Türken sollten ihr Geld nicht mehr in ihre Heimat schicken, sondern in die bessere Bildung ihrer Kinder investieren. Türken in Deutschland müssten die Integration "verinnerlichen", sie sollten sich als Teil der Gesellschaft empfinden, in der sie leben. "Das ist keine Assimilation", betonte Toptan und unterstrich die Bedeutung der Sprache. Hier hätten die Eltern eine wichtige Aufgabe: Ihren Kindern dürfe die Muttersprache nicht verloren gehen. Der Präsident: Wer im Kindergarten Deutsch lerne und Türkisch nicht verlerne, der habe eine bessere Zukunft - er warb also für eine Integration, bei der die eigene Identität nicht aufgegeben werden muss.
    Wenn die Türkei auf ihrem Weg nach Europa die westlichen Werte und Standards übernehme, dann, so der Präsident, werde sich das auch auf die nahöstlichen Krisenherde um die Türkei herum positiv bemerkbar machen. "Mit unserem Gesicht nach Westen wollen wir auf dem Weg der westlichen Zivilisation voranschreiten", verkündete er zum Schluss seiner mit viel Beifall aufgenommenen Rede.
    JK

    Bildunterschriften:
    Die Präsidentin und ihr hoher Gast: Regina van Dinther mit Köksal Toptan.
    Moderiert von Vizepräsident Keymis (2.v.l.): Gesprächsrunde mit Wolfgang Röken, Serap Celen, Vizepräsidentin der Türkisch-Deutschen Studenten- und Akademiker Plattform, Bürgermeister Hasan Sipiaoglu aus Alanya und NRW-Integrationsminister Armin Laschet.

    Zusatzinformation:
    Kurz und knapp: Republik Türkei
    Einwohner: 71 Millionen
    Landfläche: 779 Tsd. km2
    Bevölkerungsdichte: 91 Einwohner pro km2
    Hauptstadt Ankara 4,5 Millionen Einwohner
    Größte Stadt Istanbul 11,2 Millionen Einwohner

    Wirtschaft
    Arbeitskräfte/Anteil am BSP (Bruttosozialprodukt)
    Dienstleistung 44,5 / 58,5 Prozent
    Landwirtschaft 30,6 / 11,9 Prozent
    Industrie 19,3 / 29,6 Prozent
    Hauptsektoren Textilindustrie, Tourismus, Automobilindustrie, Elektronik

    Politik
    Parlament Große Nationalversammlung 550 Sitze
    Wahlperiode 5 Jahre
    Wahlalter 18 Jahre
    Frauenwahlrecht seit 1930

    Alter
    Zwischen 0 und 14 Jahre 26,6 Prozent
    15 und 64 Jahre 66,8 Prozent
    über 65 Jahre 6,6 Prozent
    Durchschnitt der Bevölkerung 27,3 Jahre
    (Quelle: Wikipedia)

    ID: LIN04478

  • Solf, Michael (CDU); Röken, Wolfgang (SPD); Ellerbrock, Holger (FDP); Keymis, Oliver (Grüne)
    "Sprache ist der Schlüssel".
    Interviews mit Mitgliedern der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 5 - 14.05.2008

    Positive Eindrücke hat der Parlamentarische Abend "Türkei" bei allen Beteiligten hinterlassen. Vor allem die Rede des Präsidenten der türkischen Nationalversammlung, Köksal Toptan, stieß beim Publikum auf große Zustimmung. Toptan rief die in Nordrhein-Westfalen lebenden Türken dazu auf, ihren Beitrag zur Integration zu leisten. Wie sich das Zusammenleben von deutschen und türkischen Mitbürgen weiter entwickeln muss, darüber sprach "Landtag intern" mit Michael Solf (CDU), Wolfgang Röken (SPD), Holger Ellerbrock (FDP) und Oliver Keymis (GRÜNE).

    Der türkische Premier Erdogan hat seine Landsleute in Deutschland jüngst vor "Assimilation" gewarnt. Hat das zu einem Rückschlag für die Integrationsbemühungen im Land geführt?

    Solf: Wer unsere kluge, vernünftig angelegte Integrationspolitik als Assimilierung bezeichnet und damit ins Negative verkehrt, leistet der Integration einen Bärendienst - auch wenn er ein Staatsmann von großem Rang ist. Ich bin sehr betroffen über das, was er gesagt hat, und zwar deshalb, weil seine Formulierungen gerade denen in unserem Land, die im Grunde genommen keine Integration wollen, neuen Auftrieb geben. Nein, wir dürfen uns dadurch nicht ins Bockshorn jagen lassen. Im Übrigen sollten wir bestehende Integrationsdefizite weder verharmlosen noch skandalisieren.
    Röken: Ich glaube nicht, dass dies zu einem Rückschlag geführt hat, nur in der Frage war Erdogan nicht ganz auf der Höhe. Assimilation war nie das Ziel unserer Politik. Integration schließt Assimilation aus. Es ist vollkommen klar, dass man sich hier in unsere Kultur eingliedern muss, ohne dabei die eigene Identität zu verlieren.
    Ellerbrock: Nein, das hat nicht zu einem Rückschlag geführt. Wir wollen ja nicht, dass Leute, die bei uns leben und arbeiten, ihre Kultur aufgeben, sondern wir wollen sie hier integrieren. Schauen wir uns einfach unsere Geschichte an. Dann werden wir sehen, dass wir in Deutschland die Hugenotten integriert und nicht assimiliert haben. Wir haben nie von ihnen verlangt, dass sie ihren Glauben oder französische Kultur aufgeben, sondern wir haben vieles von ihnen übernommen, was uns hier sinnvoll erschien. Assimilieren heißt Aufgabe der Kultur, und das wäre nicht richtig. Der türkische Parlamentspräsident hat zum Glück klare Worte gefunden, dass sich die Türken um die deutsche Sprache bemühen müssen. Sprache ist der Schlüssel zur Integration und deswegen sehe ich keinen Rückschlag.
    Keymis: Der türkische Premierminister hat zumindest für Irritationen gesorgt, weil er eine Diskussion aufgegriffen hat, die in Deutschland völlig anders betrachtet wird. Insofern hat er in das falsche Horn gestoßen, was zumindest die Bemühungen um Integration und Zusammenleben nicht erleichtert. Vor diesem Hintergrund war für mich interessant, dass der Parlamentspräsident aus Ankara, Herr Köksal Toptan, hier im Landtag deutlich gemacht hat, dass Integration die entscheidende Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander ist. Dies stand zumindest in einer starken Ergänzung zu dem, was Erdogan gesagt hat. Manche haben das sogar als deutlichen Widerspruch empfunden. Der Besuch des Parlamentspräsidenten im Landtag Nordrhein-Westfalen hat vieles in ein richtiges Licht gestellt.

    In NRW gibt seit 2001 die überparteiliche Integrationsoffensive. Das Land hat einen Integrationsminister und einen Integrationsbeauftragten. Mehr kann man nicht tun - oder?

    Solf: In der Behandlung all der Integrationsprobleme sind wir in Nordrhein-Westfalen führend vor allen anderen Bundesländern, weil wir eben diese Probleme aus der parteipolitischen Frontstellung herausgeholt haben. Anderswo sind gerade die integrationspolitischen Problembereiche in die Schlammlöcher der parteipolitischen Auseinandersetzung geraten. Das machen wir nicht und davon können sich andere Länder ein oder zwei Scheiben abschneiden. Das ist für mich überhaupt das Wichtigste: Dass wir uns um einen Konsens innerhalb der vier Fraktionen bemühen. Und ich bin wirklich stolz und froh, dass ich diese Bemühungen wesentlich mittragen darf.
    Röken: Man kann immer mehr tun. Ich bin froh darüber, dass wir einen Integrationsminister und einen Integrationsbeauftragten haben. In den Jahren oder Jahrzehnten zuvor hat man die Integrationsbemühungen auf allen Ebenen entweder nicht ernst genug genommen oder sie nicht mit der notwendigen Intensität betrieben. Deswegen ist es ja so schwierig und mühsam, Vorurteile abzubauen. Ich habe das zunächst als Lehrer und Schulleiter kennengelernt. Die Türken waren sehr zurückhaltend, aber wenn man den Kontakt zu den Familien gesucht hat, konnte man oft überwältigende Gastfreundschaft erleben. Deswegen liegt es an beiden Seiten: Die Türken leben in einem sehr eingegrenzten Bereich und die Deutschen haben meist keine Anstrengungen unternommen, selbst auf die Türken zuzugehen. Ich hoffe, dass dies jetzt besser wird, weil in allen Schulen - auch an Gymnasien - Schülerinnen und Schüler mit türkischem Hintergrund zu finden sind.
    Ellerbrock: Jeder von uns kann einen Beitrag zur Integration leisten, indem er hilft, Vorurteile abzubauen, und indem er auf unsere türkischen Mitbürger zugeht und mit ihnen spricht. Was wir nicht zulassen dürfen, ist eine Parallelgesellschaft wie zum Beispiel in Duisburg-Marxloh. Dort können Türken ihr Leben lang verbringen, ohne Deutsch zu reden. Das müssen wir verhindern und deshalb müssen wir in diese Gesellschaft und in die Moscheen hineingehen und mit den Leuten sprechen. Dass wir eine Integrationsoffensive in NRW haben, begrüßen alle Parteien, selbstverständlich auch die FDP. Aber jeder kann einen Beitrag zur Integration leisten; das machen wir nicht am Integrationsminister fest und auch nicht am Integrationsbeauftragten Kufen, der es mit seinem politischen Hintergrund auch nicht ganz einfach hat, weil er eine privilegierte Partnerschaft der Türkei will und keine Mitgliedschaft der Türkei in der EU.
    Keymis: Auf der institutionellen Ebene ist viel passiert, und das ist gut so. Aber jeder einzelne von uns kann mehr tun, indem wir uns mit den türkeistämmigen Menschen, die hier leben, mehr beschäftigen. Das ist weniger eine Aufgabe des Integrationsbeauftragten oder des Integrationsministers, sondern es kommt darauf an, dass jeder einzelne das, was Regierung vormacht und institutionalisiert, für sich selber verantwortungsvoll übernimmt. Darin liegt die entscheidende Herausforderung. In unserem Land gibt es bereits viele eindrucksvolle Initiativen - zum Beispiel in Krefeld, wo christliche und muslimische Frauen gemeinsam über ihre Vorstellungen von Glauben und Leben diskutieren. Diese Initiativen sind die Basis für das, was wir politisch gemeinsam über alle Fraktionen im Landtag hinweg wollen.

    Parlamentarischer Abend "Türkei" im Landtag - Klimawandel, weil Deutsche und Türken miteinander reden und nicht übereinander?

    Solf: Integration ist ein Prozess, und zu diesem Prozess gehören auch repräsentative Veranstaltungen. Wer Integration will, der muss das Gespräch suchen. Und dann bitte auf gleicher Augenhöhe. Ich sage immer: Wenn man dem Gesprächspartner das Gefühl vermittelt, dass man mitfühlen, mitreden und mitdenken will, dann kann man auch Probleme ansprechen. Der Parlamentarische Abend war natürlich ein wunderbar buntes Fest auf diesem Weg. Ich freue mich, wenn ich miterleben darf, wie sich der Orient selbst feiert, und wie er sich darstellt. Das war riesig.
    Röken: Der Parlamentarische Abend ist natürlich ein miteinander Reden auf einer höheren Ebene. Das ist richtig und vor allen Dingen war es auch wichtig, dass mehr Abgeordnete als in der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe ins Gespräch kommen mit türkischen Unternehmen und Selbsthilfegruppen, die es ja in einer Vielzahl gibt - angefangen von der Föderation türkischer Elternvereine bis hin zu den eigenständigen Wirtschaftsvereinigungen unter Deutschtürken. Aus meiner Stadt waren zum Beispiel Vertreter des Moscheevereins da. Sie geben ihre Erfahrungen weiter und ich hoffe auch, dass dies den Klimawandel verstärken kann. Schön wäre es, wenn es bald mehr Städtepartnerschaften mit intensivem Schüler-, Jugend- und Kulturaustausch gäbe.
    Ellerbrock: Das glaube ich nicht. Das deutschtürkische Verhältnis ist vor Ort viel unverkrampfter als es oft in der Presse dargestellt wird. Der Abend war ein voller Erfolg für unseren Landtag, und er war eine gelungene Veranstaltung vom Niveau her, von der politischen Brisanz her und von den deutlichen Worten des Parlamentspräsidenten her. Dass man miteinander so unverkrampft geredet hat, halte ich eigentlich für selbstverständlich. Es ist auch vielerorts selbstverständlich. Aber dies im Landtag so deutlich zu machen, das war schön.
    Keymis: Der Parlamentarischer Abend war für die rund 700.000 türkeistämmigen Menschen in unserem Land, aber auch für alle übrigen in Nordrhein-Westfalen von besonderer Bedeutung. Wir hatten die Ehre, dass der Präsident der Großen Nationalversammlung der Republik Türkei den Landtag besucht hat - mit seiner Frau und seiner Tochter, die in Kiel promoviert. Vor diesem Hintergrund war ein Stück deutsch-türkischer Verständigung gelebt erfahrbar und von besonderer Ausstrahlungskraft für die türkische Community. Dass der Abend überwiegend in deutscher Sprache abgehalten wurde, macht deutlich, dass das Aufnahmeland die Menschen prägt. Von daher war es eine runde Sache für den Landtag und hoffentlich auch für alle, die den Abend miterleben konnten. Ich bin überzeugt: Das lässt sich durchaus wiederholen, auch mit anderen parlamentarischen Freundschaftsgruppen.

    Die Interviews führten Jürgen Knepper und Sebastian Wuwer.

    ID: LIN04479

  • Die Stunde der Büchereien.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 4 - 16.04.2008

    Bei der vom Konsens getragenen jüngsten Debatte über die Lage der Büchereien und Bibliotheken im Land gab es von keiner Seite ein böses Wort. Im Gegenteil: Die Abgeordneten, die die beiden Anträge von SPD und CDU sowie FDP erörterten, waren sich einig in der Einschätzung der Lage und der Absicht, für eine nachhaltige Verbesserung zu sorgen.
    Das ist eigentlich nichts Neues. Die Büchereien wurden immer geschätzt und gelobt. Und dies auch dann, als das Geld gekürzt wurde, als man das Filialnetz ausdünnte, als Personal eingespart wurde und sich in Folge die Arbeit verdichtete. Immer hieß es: Hier geht es um eine unverzichtbare Bildungseinrichtung. Die müssen wir bewahren und ausbauen, wenn es mal wieder besser geht.
    Diese Situation ist jetzt da. Die konjunkturelle Lage und die erklärte Absicht der Landesregierung, die Ausgaben für Kultur zu verdoppeln, sorgen für Aufwind. Das Land gibt wieder mehr Geld für Projekte, die die Kraft einzelner Träger überschreiten. Damit sind die Büchereien aber nicht über den Berg. Die Städte und Gemeinden, die sie unterhalten, die Bestände anschaffen, erweitern und modernisieren, die Beschäftigten bezahlen und Mäzene und Sponsoren suchen, klagen weiterhin über ihre angespannte finanzielle Lage.

    Analyse

    Was ist zu tun? Aus der freiwilligen Leistung eine Pflichtaufgabe machen? Ein Landesbibliotheksgesetz ausarbeiten und im Landtag verabschieden? So wie es der Schlussbericht der Enquetekommission des Bundestags "Kultur in Deutschland" nahelegt? Das will wohlüberlegt sein und hat jede Menge Klärungsbedarf. Manches spricht dafür, erst eine Bestandserhebung anzustellen und dann zu überlegen, welche Folgerungen daraus - dann auch wieder im größtmöglichen Konsens? - abzuleiten sind. So vielgestaltig wie das Land und seine Menschen ist auch die Büchereilandschaft in NRW. Da gibt es das professionell geführte Großstadtmedienzentrum neben der kleinen Pfarrbücherei, die von ehrenamtlichen Kräften über die Runden gebracht wird (was dieselbe Anerkennung verdient).
    Nun mag man sagen: Wir wissen doch längst, wo der Schuh drückt, also ran an die Arbeit. Als Autofahrer wissen wir aber, nach dem Bremsen das Gaspedal durchzutreten, ist kein ideales Vorankommen. Die Bibliotheken brauchen Kontinuität und Verlässlichkeit, um sich weiterzuentwickeln und den gesellschaftlichen Wandel zu begleiten.
    JK

    ID: LIN04442

  • Dank an Büchereien im Land.
    Alle Fraktionen einig in der Bedeutung der Bibliotheken.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 10-11 in Ausgabe 4 - 16.04.2008

    Nach eher mageren Zeiten deutet sich ein Silberstreif am Horizont an: Das Land gibt wieder mehr Geld für die Bibliotheken und Büchereien in NRW aus. Im Landtag waren sich alle vier Fraktionen bei der Debatte über Anträge der SPD (Drs. 14/6316) und von CDU und FDP (Drs. 14/6319) einig: Diese Förderung ist wichtig für eine Einrichtung, die in zumeist kommunaler Trägerschaft ein umfassendes Angebot zu Bildung und Information, zu Integration und zur Identifikation mit dem gesellschaftlichen Umfeld macht.
    Claudia Nell-Paul (SPD) erklärte, ihre Fraktion habe den umfangreichen Antrag eingebracht, "weil wir die Arbeit der Bibliotheken einmal würdigen und sie auch ins Licht der Öffentlichkeit setzen wollen". Die Arbeit der Bibliotheken bestehe nicht aus "Events", Bibliotheken hätten aber herausragende Bedeutung für die Kultur und für die Menschen im Land. Drei Landesbibliotheken gebe es; sie dokumentierten als kulturelle Gedächtnisse die Literatur aus unserem Land und über unser Land. Die Finanzierung dieser Gedächtnisarbeit sei aber nicht auskömmlich geregelt. Den entsprechenden Hilferuf nehme die SPD jetzt zum Anlass, ihren Antrag zum Erhalt des leistungsstarken Bibliothekssystems in NRW zu stellen. Daneben stünden den Bürgerinnen und Bürgern praktisch jeden Tag rund 300 Büchereien in kommunaler Trägerschaft und unzählige ehrenamtlich geführte Bibliotheken der Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Vereinen offen. 26 Millionen Besucherinnen und Besucher gebe es pro Jahr, die Tendenz sei steigend. Die öffentlichen Bibliotheken seien ohnehin seit Jahren die meistbesuchten Kultur- und Bildungseinrichtungen in NRW. 66 Millionen Ausleihen im Jahr belegten die intensive Nutzung. Keine andere Einrichtung könne einen solchen Erfolg und eine solche Anerkennung verbuchen, stellte die Abgeordnete fest und bedauerte zugleich, dass die Existenz vieler Büchereien, vor allem in Gemeinden mit Haushaltssicherung, bedroht sei. Andere gerieten immer mehr an den Rand des Existenzminimums - personell und in der Ausstattung. Bibliotheken seien Orte der Integration, des Lernens, sie öffneten sich der Gesellschaft und dem Wandel. Darum sei es an der Zeit, betonte Nell-Paul, "die kommunalen Büchereien und die Büchereien in ehrenamtlicher Trägerschaft nicht mehr länger nur in Sonntagsreden zu loben, sondern sie nachhaltig durch ein Bibliotheksgesetz zu stärken".
    Monika Brunert-Jetter (CDU) war erfreut: Endlich erkenne die SPD, "dass die Bibliotheken in unserem Land ein wichtiges Element der kulturellen Bildung unserer Gesellschaft sind". Sie bringe einen Antrag ein, "der in Teilen inhaltlich mit diversen Anträgen der CDU-Fraktion aus der vergangenen Wahlperiode übereinstimmt". Er und weitere seien von Rot-Grün seinerzeit abgelehnt worden. Rot-Grün habe zudem in der vergangenen Wahlperiode die Bibliotheken in einen "Tod auf Raten" geschickt, weil die Mittel Jahr für Jahr gekürzt worden seien. Die CDU habe seit 2005 die Haushaltsansätze der Vorgängerregierung nahezu verdoppelt "und damit einen Turnaround in der Finanzierung hinbekommen". Damit seien aber noch nicht alle Zukunftsfragen des Bibliothekswesens in NRW beantwortet, urteilte die Abgeordnete und kündigte eine Bestandserhebung an, die eine Übersicht über die Bibliothekslandschaft in NRW gebe und gleichzeitig die bisherige Förderpraxis reflektiere. Dafür sei der Bericht zum Stand des Bibliothekswesens in Düsseldorf ein Beispiel, der seit kurzem vorliege. Er zeige auf, "wie die Entwicklung von leistungsfähigen öffentlichen Bibliotheken und Bibliothekssystemen optimiert werden kann und dabei die guten und erprobten Ansätze weiter ausgebaut werden können". Brunert-Jetter dankte besonders den vielen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren, "die ihren Dienst hauptamtlich und teilweise auch ehrenamtlich in den Bibliotheken unseres Landes hochkreativ versehen".
    Angela Freimuth (FDP) sagte, Bibliotheken und Büchereien leisteten wertvolle Hilfe beim Archivieren und beim Bewahren des kulturellen Erbes, und sie seien "Orte des freien Zugangs zu Wissen, Lernen und Forschen". Die Abgeordnete fuhr fort: "Insbesondere die örtlichen Bibliotheken in den Städten und Gemeinden nahe bei den Bürgerinnen und Bürgern sind unersetzliche Bildungseinrichtungen. Sie bieten ein breit gefächertes Angebot auch für bildungsferne Schichten und so sind die Bibliotheken gerade für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene und Migranten eine unverzichtbare Bildungsinstitution." Weil sie zudem den oftmals einzigen freien oder kostengünstigsten Zugang zu neuen Medien böten, wirkten sie der "digitalen Spaltung" der Gesellschaft entgegen. Auch Freimuth erwähnte die Steigerung der Mittel unter Schwarz-Gelb, fügte aber hinzu, es reiche nicht aus, einfach nur mehr Geld zu geben. Wenn man die Handlungsempfehlungen der Enquetekommission des Bundestags umsetzen wolle, dann bedürfe es dazu im Vorfeld einer Bestandsaufnahme der Bibliothekslandschaft in NRW. Ziel des Antrags der Koalitionsfraktionen sei die Aufwertung der Bibliotheken: "Wir wollen die Bibliotheken durch ein Bibliotheksförderprogramm in die Lage versetzen, ein modernes und zukunftsorientiertes bibliothekarisches Dienstleistungsangebot vorzuhalten." Dabei werde man sehr gründlich vorgehen, "Progrämmchen" wie früher werde es nicht geben. Ob man die freiwillige kommunale Aufgabe "Kultur" in eine Pflichtaufgabe verwandle, sei viel zu kurz gegriffen. Freimuth: "Die Kommunen haben einfach leere Kassen, sind immer in Finanznot und müssen daher teilweise auch bei Pflichtaufgaben Prioritäten setzen."
    Oliver Keymis (GRÜNE) sah in der damaligen schlechten konjunkturellen Situation die Erklärung dafür, dass die Überlegungen zu einem Bibliotheksgesetz nicht weiterverfolgt und die an sich berechtigten Anträge der Opposition zu einer verstärkten Förderung von Rot-Grün abgelehnt worden sind. "Die Basis ist heute ein bisschen anders", erklärte er: "Erstens ist die Konjunktur Gott sei dank auf unserer Seite. Zweitens kann man über diese Fragen jetzt besser diskutieren, weil die neue Landesregierung sich im Gegensatz zur alten Landesregierung vorgenommen hat, über fünf Jahre den Kulturförderhaushalt zu verdoppeln." Darüber sei man froh, das sei für die Kultur im Land gut. Keymis weiter: "Nach meiner Meinung sollte man also diese beiden Anträge übereinander schieben, womöglich erst die Analyse der Situation betreiben und dann am Ende auf der Basis eines entwickelten Bibliotheksförderprogramms ein Bibliotheksgesetz NRW organisieren und gemeinsam beschließen. Es wäre ein tolles Signal, wenn wir das sogar mit vier Fraktionen aus dem Landtag heraus hinbekämen."
    Generationenminister Armin Laschet (CDU) stellte fest: "Gerade von den öffentlichen Bibliotheken wird viel erwartet. Sie sollen die schulische Bildung unterstützten. Sie sollen Angebote zur Sprachförderung für die ganz Kleinen und ebenso für die Zuwanderer machen. Sie sollen den Zugang zu Informationen gewährleisten. Ein Treffpunkt mit attraktiven und niederschwelligen Kulturangeboten sollen sie natürlich auch sein." Gleichzeitig seien sie seit Jahren von den Sparzwängen der Kommunen besonders betroffen. Dass sie trotzdem leistungsfähig geblieben seien, "beweist, wie sie mit ihren Leistungen wahrgenommen werden und welches große Engagement und welchen Idealismus viele Bibliotheksbeschäftigte dort einbringen. Das ist nicht immer alles in den normalen Dienstzeiten des öffentlichen Dienstes zu leisten. Bibliotheksangestellte identifizieren sich in besonderem Maße mit ihrer Arbeit. Dafür spreche ich ihnen an dieser Stelle auch einmal unseren ausdrücklichen Dank und unsere Anerkennung aus." Vorbehalte knüpfte Laschet an ein Landesbibliotheksgesetz: Die Regierung bezweifle zum jetzigen Zeitpunkt sehr, ob ein solches Gesetz geeignet sei, die Lage der öffentlichen Bibliotheken deutlich zu verbessern - "zumal offensichtlich niemand genau sagen kann, was in einem solchen Gesetz denn geregelt werden soll". In jedem Fall sei die von den Koalitionsfraktionen geforderte Bestandserhebung der richtige Einstieg in das Thema. Der Minister: "Erst wenn wir die aktuelle Situation seriös beurteilen können, lässt sich entscheiden, ob ein Gesetz überhaupt hilfreich ist oder ob vielleicht ganz andere Maßnahmen erforderlich sind."

    Bildunterschrift:
    Auch eine Bibliothek - die Bücherei des Landtags. Sie verfügt derzeit über 80.000 Bände und etwa 500 Zeitschriften und Amtsblätter aus den Themenfeldern Politik, Recht, Wirtschaft, Soziales und Landesgeschichte. Als Parlamentsbibliothek ist sie beschränkt öffentlich zugänglich.

    ID: LIN04440

  • Die Wende eingeleitet.
    Büchereien des Landes rücken ins politische Blickfeld.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Ausschussbericht
    S. 12 in Ausgabe 4 - 16.04.2008

    Die SPD-Fraktion forderte mit einem Antrag in der Plenarsitzung vom 13. März 2008, ein Bibliotheksgesetz in den Landtag einzubringen, um die Finanzierung der öffentlichen Bibliotheken in NRW abzusichern. Die Fraktionen von CDU und FDP hingegen möchten zunächst eine genaue Analyse der Situation der Bibliotheken und der daraus resultierenden Handlungsmöglichkeiten vornehmen. Zur abschließenden Beratung und Abstimmung wurden die Anträge an den Kulturausschuss überwiesen.
    Hintergrund der Diskussion sind die Empfehlungen der 2005 vom Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland". Die Kommission stellt eine prekäre finanzielle Lage öffentlicher Bibliotheken fest, da viele Kommunen ihre Haushaltsdefizite durch Einsparungen unter anderem in den Bibliotheken zu reduzieren versuchen. Andere Einnahmequellen wie Förderkreise könnten das Fehlen öffentlicher Gelder nicht ausgleichen, so dass die Kommission den Ländern nahe legt, Aufgaben und Finanzierung der öffentlichen Bibliotheken in Bibliotheksgesetzen zu regeln. "Öffentliche Bibliotheken sollen keine freiwillige Aufgabe sein, sondern eine Pflichtaufgabe werden", so die Kommission.
    Als "Orte des freien Zugangs zu Wissen, Lernen und Forschen" seien öffentliche Bibliotheken von großer Bedeutung für die Sprach- und Leseförderung, als Treffpunkt von Kulturen und Generationen, für die Stärkung der Medienkompetenz und für den freien Zugang zu Informationen. Besonders wichtig ist ihre Funktion für die Förderung der Freude am Lesen von Kindern und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen. Als die PISA-Studie im Jahr 2000 offenlegte, dass deutsche Kinder und Jugendliche im internationalen Vergleich bei der Fähigkeit, Texte zu interpretieren unterdurchschnittlich abschnitten, war das Aufsehen groß. Denn Lesen ist eine der wichtigsten Grundkompetenzen in der modernen Informations- und Wissensgesellschaft. Es ist der Schlüssel zu Information und Bildung und damit die Voraussetzung für die Teilhabe an Kultur, Gesellschaft und Demokratie. Sowohl für den privaten Alltag als auch für den beruflichen Erfolg ist das Erlernen dieser Kulturtechnik unverzichtbar. Und deshalb sind auch die öffentlichen Bibliotheken unverzichtbar.

    Bildungspartner

    Projekte zu ihrer Unterstützung gibt es bereits. Auf Initiative der Landesregierung, des Städtetags NRW und dem Städte- und Gemeindebund NRW werden Schulen zu Kooperationspartnern der Bibliotheken. "Bildungspartner NRW - Bibliothek und Schule" soll bei der Einbeziehung von Bibliotheken in die medienpädagogische Arbeit der Schulen helfen. Doch werden die Bibliotheken in NRW auch ohne Aufforderung der Politik kreativ. Alle zwei Jahre veranstalten sie beispielsweise die landesweite "Nacht der Bibliotheken", in der Nachtschwärmer an Lesungen oder Krimi- Rallies teilnehmen können. 2007 lockten sie damit 65 000 Menschen an. Schulkinder können sich jedes Jahr in den Sommerferien im "SommerLeseClub" anmelden und Vorschulkinder sollen in Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten im Rahmen des Projekts "Bist du auch lesekalisch?" gefördert werden. Um Kosten einzusparen, unterstützen inzwischen Freiwillige die Bibliotheken bei ihren Aufgaben.
    Trotz dieser Initiativen von Land, Kommunen und Bibliotheken ist der Druck auf die Bibliotheken groß: Hohe gesellschaftliche Erwartungen bei finanziellen Engpässen. Das führt zu Unmut bei den Betroffenen. Immer wieder seien die Bibliotheken durch Einsparungen in ihrer Qualität beschnitten worden, meint zum Beispiel Monika Rasche, Vorsitzende des Verbands der Bibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalens und Leiterin der Stadtbücherei Münster. Sie hofft, dass hinter den Anträgen der Landtagsfraktionen "der Wille der Parteien steht, diesem Trend endgültig ein Ende zu setzen".
    VH

    Zusatzinformation:
    Mehr Nachfrage - weniger Bibliotheken
    Zahl der öffentlichen Bibliotheken in NRW:
    1750 mit 2027 Standorten (davon mit hauptamtlicher Leitung 293 Bibliotheken mit 550 Standorten. Der Rest wird in neben- oder ehrenamtlicher Leitung geführt)

    Aktive Nutzer: 1, 36 Millionen
    Besuche: 24,7 Millionen
    Bestand an Medien: 20,3 Millionen
    Medien pro Einwohner: 1,43
    Entleihungen: 66,7 Millionen
    Entleihungen pro Einwohner: 4,15

    Gesamtausgaben: 185,5 Millionen
    Anteil der Personalausgaben: 64 Prozent
    Mittel vom Träger: 167,5 Millionen
    Drittmittel: 5,4 Millionen
    Eigene Einnahmen: 17 Millionen
    Eigene Einnahmen decken die Kosten zu 9,2 Prozent
    Anteil der Landesmittel an den Gesamtausgaben: 0,76 Prozent

    Entwicklungen von 2000 bis 2006:
    Zahl der Bibliotheksstandorte sank um 16,2 Prozent
    Zahl der Ausleihen stieg um 11,9 Prozent
    (Daten aus 2006)

    ID: LIN04441

  • Nach der Wahl ist vor der Wahl.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 3 - 12.03.2008

    "NRW wird bunter" titelte vor kurzem eine große Zeitung auf Seite 1. Zurzeit drängelt sich ein neuer Farbton auf die politische Palette, nachdem vor Jahrzehnten schon Grün das alte Farbspektrum Schwarz- Rot-Gelb ergänzt hat. Der Wähler mischt die Farben, und manchem wird es dabei zu bunt. Was darf es an neuen Konstellationen sein? Schwarz-Grün? Rot-Schwarz? Ampel? Jamaika? Vielleicht doch wieder das gewohnte Schwarz- Gelb oder Rot-Grün? Oder etwas ganz Neues?
    In dieser Zeit der Klärung sind die handelnden Personen in der Politik nicht zu beneiden. Nicht dass sie es nicht schon schwer genug hätten, aus einem Wählervotum einen Wählerauftrag zu destillieren. Nein, das Ganze wird stets auch begleitet von Ratschlägen, Wertungen, Streit und Kommentaren in der Öffentlichkeit. Jeder der Experten weiß oder glaubt zu wissen, was der Wähler will und wie sein Wille am besten umzusetzen ist - und was überhaupt nicht geht.

    Spannung

    Drei Wahlen waren es in jüngster Vergangenheit, in Hamburg, Hessen und Niedersachsen. Zwölf Millionen Wahlberechtigte konnten dabei ihre Stimme abgeben, übrigens gerade mal so viele, wie allein Nordrhein-Westfalen an die Urnen bringen kann. Was also macht das Votum aus den drei Bundesländern so interessant?
    Eine Erklärung ist: Wir nähern uns der Bundestagswahl im Herbst kommenden Jahres. Vorher wird noch im Herbst in Bayern gewählt. Dann folgt Mitte 2009 die Europawahl, diesmal wahrscheinlich in NRW mit der Kommunalwahl verbunden. Urnengänge stehen 2009 in einer ganzen Reihe von Bundesländern für die Landtage auf dem Programm: Brandenburg, Saar, Sachsen und Thüringen. Ein einziger Wahlmarathon sozusagen. Das schafft Spannung und stellt Fragen: Wie gehen diese Wahlen aus?
    Unser Land diente in der jüngsten Vergangenheit mitunter als Orakel für den Ausgang. Nordrhein-Westfalen bietet aufgrund seines Bevölkerungsreichtums eine hohe Zahl an Wählerinnen und Wähler auf. Da war, wenn der NRWLandtag vor dem Bundestag gewählt wurde, schon ein deutlicher Trend abzulesen. Das ist 2009 nicht der Fall, NRW wählt erst ein Jahr später. Man kann das bedauern oder sportlich nehmen: Diesmal geben eben 60 Millionen Wählerinnen und Wähler im Bund einen Fingerzeig, wie die Signale für unser Land - vermutlich - gestellt sind. Aber letztlich geben die Wählerinnen und Wähler an Rhein, Ruhr und Weser den Ausschlag.
    JK

    ID: LIN04332

  • Es ist noch Zeit.
    Nach Hamburg blickt NRW auf das Wahljahr 2010.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 3 - 12.03.2008

    Der Wähler hat gesprochen. In Niedersachsen, in Hessen und in Hamburg. Jetzt rätseln die Medien, die Wissenschaftler, die Meinungsforscher und - nicht zu vergessen - die Politiker: Was hat der Wähler mit seinen Votum an Elbe und Main sagen wollen? Und wie soll seine Entscheidung umgesetzt werden? Fragen, auf deren Antworten auch die Menschen in Nordrhein-Westfalen gespannt sind.
    In unserem Bundesland wird zwar erst in zwei Jahren ein neuer Landtag gewählt. Vorher sind Kommunalwahlen, Europawahl und die Bundestagswahl. Es kann und wird sich also bis 2010 noch eine Menge ereignen. Schon darum soll auf der Basis der jüngsten Bürgerschafts- und Landtagswahlen eine Prognose, was in zwei Jahren in unserem Land passiert, gar nicht erst versucht werden.
    Aber wie es in der Politik nun einmal ist, schon jetzt werden die ersten Pflöcke eingeschlagen: Wer kann mit wem, und wer kann mit wem überhaupt nicht? Schon früh hat die CDU des Landes die SPD-Fraktionsvorsitzende Hannelore Kraft aufgefordert, sich eindeutig gegen ein Zusammengehen der nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten mit der Linkspartei auszusprechen. Kraft sieht derzeit dazu überhaupt keine Veranlassung: Die Linke sei im Land zu schwach, ihr politisches und personelles Programm zu diffus. Und überhaupt richte ihre Partei alle Energie darauf, 2010 stärkste Fraktion zu werden und die ungeliebte Konkurrenz aus dem Landtag herauszuhalten.
    CDU-Generalsekretär Wüst machte eine weitere Baustelle auf. Für den Fall, dass es 2010 für Schwarz-Gelb nicht reicht, soll "Plan B" greifen, eine Koalition auch mit den Grünen, wegen des Farbenspiels "Jamaika-Koalition" genannt. Die Gelben und die Grünen wollen aber noch nicht. GRÜNE-Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann kann sich derzeit ein Zusammengehen mit den Liberalen nicht vorstellen. Die nämlich seien mit ihren Privatisierungsbestrebungen drauf und dran, "die Überlebensbasis des Staates und der Kommunen auszuhöhlen". Die so Gescholtenen blieben nichts schuldig. Die Grünen stünden für mehr Staat und mehr Bürokratie. Wo die FDP den eigenverantwortlichen und mündigen Bürger sehe, strebten die Grünen nach staatlich alimentierten "Taschengeldempfängern, die nach gesetzlichen Geboten und Verboten leben". Jamaika jedenfalls, so beschied FDP-Generalsekretär Christian Lindner die Koalitionsüberlegungen bündig, sei von NRW ganz weit weg.

    Spannung

    Man sieht: Die Stunde der Strategen hat geschlagen. Versuchsballons werden aufgelassen, Fährten gelegt, Interviews gegeben. Das füllt heute die Zeitungsspalten und die Sendeminuten. Übermorgen kann dann schon wieder alles ganz anders sein - das ist ja das Aufregende an der Politik. Sie ist ein Prozess, sie kennt Phasen, die wechseln, sie lebt von der Veränderung, sie überrascht und ist so immer wieder spannend.
    Vorbei sind längst die Zeiten, in denen es im Landtag Nordrhein-Westfalen nur zwei Fraktionen gab. Danach waren es drei, heute sind es vier und morgen ist es - vielleicht - eine mehr. Wie die Gesellschaft, so hat sich auch die Parteienlandschaft ausdifferenziert. Neue gesellschaftliche Bewegungen, neue Themen haben sich ein Sprachrohr gesucht und danach eine Organisation gegeben. Die beiden großen Volksparteien haben Federn lassen müssen, Alleinregierungen sind nur noch in seltenen (oder regionalen) Fällen möglich, Bündnis- und Koalitionspartner mussten gesucht werden. Aber seltsam: Die Parteienlandschaft ist vielgestaltiger geworden, trotzdem stehen sich zwei Lager gegenüber, die - nahezu gleich stark - um die Vorherrschaft ringen.
    Aber auch das muss nicht immer so bleiben. Weil Regierungsbildungen nach den Wahlen zunehmend schwierig werden, weil für eventuelle Mehrheiten hin- und hergerechnet wird, gerät die Theorie vom monolithischen schwarzgelben auf der einen und dem rot-grünen Lager auf der anderen Seite in Beweisnot. Das muss ja nicht immer so bleiben, sagen Parteienforscher und Pragmatiker in den Parteien.
    Fest steht: Bis 2010 fließt noch viel Wasser den Rhein hinunter. Von daher erscheinen Koalitionsfestlegungen verfrüht. Wie gesagt: Bis zur NRW-Wahl 2010 findet noch eine ganze Reihe von anderen Wahlgängen statt. Sie werden wenn nicht Klarheit, so doch Hinweise dafür liefern, in welche Richtung der Wählerwille in NRW geht. Entschieden werden muss ohnehin erst, wenn in zwei Jahren die Stimmen an Rhein, Ruhr und Weser ausgezählt sind, die Parteien ihre Analysen angestellt, Gespräche mit den anderen Parteien geführt und ihren innerparteilichen Entscheidungsprozess beendet haben.
    JK

    Systematik: 1080 Wahlen

    ID: LIN04330

  • Wüst, Hendrik (CDU); Groschek, Michael (SPD); Lindner, Christian (FDP); Priggen, Reiner (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal sind es drei Generalsekretäre und ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 3 - 12.03.2008

    Fünf Parteien im Landtag Nordrhein-Westfalen nach der Wahl 2010 halte ich für ...

    Hendrik Wüst (CDU): ... überflüssig. Wir wollen die Linke aus dem Landtag raushalten. Mit einer Strategie der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Positionen der Linken und dem gleichzeitigen Aufzeigen von alternativen Lösungsvorschlägen werden wir alles dafür tun, die Linke mit ihren falschen Heilsversprechen unter die Fünf-Prozent-Hürde zu drücken.
    Michael Groschek (SPD): ... vermeidbar.
    Christian Lindner (FDP): ... Science Fiction. Ich bezweifele, dass die Truppe von der Linkspartei eine programmatische und personelle Stabilität hat. Diese Partei hat sich auf Realitätsverweigerung spezialisiert. Sie verkauft ihre Wähler für dumm. Johannes Rau würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass die SPD immer noch nicht zu einer klaren Abgrenzung gefunden hat.
    Reiner Priggen (GRÜNE): ... eine mögliche realistische Option mit der man ganz nüchtern und pragmatisch umgehen sollte. Wenn die Wählerinnen und Wähler so entscheiden und 5 Parteien ins Parlament wählen, ist das zu akzeptieren und kein Untergang des christlichen Abendlandes.

    Der Grundsatz "Jede demokratische Partei ist mit den anderen koalitionsfähig" gilt für NRW ...

    Hendrik Wüst (CDU): ... genauso wie für jedes andere Bundesland. Die Linkspartei ist aber eine undemokratische Partei. Es ist daher unverantwortlich, dass Frau Kraft einen Pakt mit ihr eingehen will. Bereits Willy Brandt hatte seine Partei gemahnt: "Es hat keinen Sinn, die Mehrheit für die Sozialdemokratie zu erringen, wenn der Preis dafür ist, kein Sozialdemokrat mehr zu sein." Frau Kraft sollte auf Willy Brandt hören.
    Michael Groschek (SPD): ... genauso wie für den Bund und alle anderen Länder. Entscheidend müssen immer überprüfte und bewertete Inhalte, Programme und Personen sein.
    Christian Lindner (FDP): ... prinzipiell, aber wir treten nicht um jeden Preis in irgendeine Regierung ein, wenn unsere Inhalte dort nicht wiederzuerkennen sind. Sozialdemokraten und Grüne vertrauen dem Staat mehr als den Menschen - und sie schwächen den Staat durch seine Überforderung. CDU und FDP teilen dagegen die Überzeugungen Privat vor Staat und Freiheit vor Gleichheit.
    Reiner Priggen (GRÜNE): ... momentan sicherlich nicht, weil Herr Westerwelle und Herr Lafontaine als größte Blockierer der Republik diesen Satz aktuell in Hessen ad absurdum führen. Die Linke muss selbst erst einmal klären, ob sie überhaupt Regierungsbeteiligung und die Übernahme von Verantwortung will.

    Die frühzeitige Festlegung auf eine Koalition vor der Wahl ist in meinen Augen ...

    Hendrik Wüst (CDU): ... richtig, damit der Wähler glasklare Vorstellungen davon hat, in welchen Konstellationen nach der Wahl die Regierung gebildet werden soll. Für uns ist es eindeutig, dass wir nach der Landtagswahl die gemeinsame Arbeit mit der FDP fortsetzen wollen. Wir arbeiten sehr erfolgreich zusammen und haben bereits eine ganze Menge umgesetzt. Diese Arbeit wollen wir nach 2010 fortsetzen.
    Michael Groschek (SPD): ... zwei Jahre vor der Wahl unsinnig.
    Christian Lindner (FDP): Ausdruck des Respekts vor den Wählern, die Klarheit und Verlässlichkeit wollen. Wichtiger noch für die Demokratie ist, dass Parteien auch zu ihren Programmaussagen stehen und nicht - wie die SPD bei der Mehrwertsteuererhöhung - das Gegenteil dessen tun, was sie vor der Wahl vertreten haben.
    Reiner Priggen (GRÜNE): ... unsinnig, wenn es Jahre vorher geschieht, allerdings muss rechtzeitig vor der Wahl klar gesagt werden wo die Reise hingehen soll und welche Regierungsbildung das Ziel ist.

    Wahlergebnisse werden immer interpretierbarer. Das bedeutet für die politischen Akteure ...

    Hendrik Wüst (CDU): Meiner Meinung sind Wahlergebnisse nicht interpretierbar. Die Versuche, die momentan in Hessen laufen, aufgrund von Gewinnen und Verlusten im Vergleich zur vorherigen Wahl einen Regierungswechsel zu rechtfertigen, halte ich für absurd. Es kommt nur darauf an, wer bei einer Wahl die meisten Stimmen bekommt - und wenn die Mehrheit auch noch so knapp ist.
    Michael Groschek (SPD): Die Annahme ist falsch, da Wahlergebnisse immer Ausdruck des Wählerwillens sind. Das bedeutet für die politischen Akteure die demokratische Verpflichtung, Wahlergebnisse zu akzeptieren und zur Bildung von stabilen Regierungen bereit zu sein.
    Christian Lindner (FDP): ... dass sie der Versuchung widerstehen sollten, sich in jeder Situation zum Sieger erklären zu wollen. Es beweist Stil, auch mal eine Niederlage ehrlich einzuräumen.
    Reiner Priggen (GRÜNE): ... viel Arbeit in der Analyse aber kein Grund zum Jammern. Die Wählerinnen und Wähler stellen eine vielfältigere Parteienlandschaft her und machen damit die Regierungsbildung schwieriger, aber nicht unlösbar.

    Ein Fünf-Parteien-System hat für die demokratische Willensbildung und die Transparenz von Entscheidungen die Konsequenz ...

    Hendrik Wüst (CDU): Einen großen Einfluss auf die genannten Punkte sehe ich nicht. Eine Bereicherung der Parteienlandschaft ist die Linke mit ihren Vorstellungen jedenfalls nicht.
    Michael Groschek (SPD): ... dass das Alltagsgeschäft mühselig werden kann. Das hängt vom Verantwortungsbewusstsein der handelnden Politiker ab.
    Christian Lindner (FDP): ... dass Mehrheiten möglicherweise nicht überall und sofort gesichert sind. Umso mehr sind alle ernst zu nehmenden Parteien gefordert, die dauerhafte Etablierung der Linkspartei zu verhindern, die teilweise das gleiche Milieu anspricht wie anderswo in Europa Rechtspopulisten.
    Reiner Priggen (GRÜNE): ... dass die Parteien sich mehr bewegen müssen und neue Wege gehen müssen. Für mich ist die Konsequenz aus den letzten Landtagswahlen, dass über Schwarz-Grün in Hamburg ernsthaft geredet wird und eine rot Grüne Minderheitsregierung in Hessen mit Tolerierung durch die Linke ebenso als ernsthafte Möglichkeit ausgelotet wird.

    Bis zur NRW-Landtagswahl vergeht noch einige Zeit. Die werden wir nutzen ...

    Hendrik Wüst (CDU): ... um unser Land nach vorne zu bringen. Unsere Zwischenbilanz kann sich bereits sehen lassen: 25 % weniger Arbeitslose, 40 % weniger Unterrichtsausfall und 70 % weniger Neuverschuldung. Der Aufbruch ist gelungen. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel. Wir werden deshalb mit vollem Einsatz weiter daran arbeiten, Nordrhein- Westfalen an die Spitze der Bundesländer zu führen.
    Michael Groschek (SPD): ... stärkste Fraktion in einem Vier-Parteien-Landtag zu werden und die Menschen in diesem Land von den Inhalten und Kandidatinnen und Kandidaten der SPD zu überzeugen.
    Christian Lindner (FDP): ... um unsere couragierte und sozial ausgewogene Erneuerungspolitik für Nordrhein-Westfalen entschlossen fortzusetzen. Mit den ganz konkreten Erfolgen unserer Regierungsarbeit werden wir wie in Niedersachsen und Baden-Württemberg die schwarz-gelbe Mehrheit verteidigen.
    Reiner Priggen (GRÜNE): ... um deutlich zu machen, dass die Arbeitsweise dieser Regierung aus CDU und FDP eine Mischung aus ideologischer Verbohrtheit und handwerklicher Stümperei ist und die Regierung 2010 abgelöst gehört.

    Die Fragen stellten Jürgen Knepper und Sebastian Wuwer.

    Systematik: 1080 Wahlen

    ID: LIN04331

  • Das plötzliche Aus für Bochum.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 2 - 20.02.2008

    Was soll man noch sagen? Bochum hat verloren. Die Finnen haben sich nicht erweichen lassen. Nokia hat im rumänischen Jucu die Handyproduktion aufgenommen. Die Landesregierung fordert 41 Millionen Euro an Subventionen vom finnischen Multi zurück.
    Und die über 2.000 Nokianer in Bochum? Sie haben tapfer gekämpft und sind dennoch untergegangen. Sie, an ihrem Arbeitsplatz ohnehin schon flexibel bis zur Schmerzgrenze, wären bereit gewesen, noch ein Schüppchen draufzulegen und die Produktivität in Bochum weiter zu erhöhen. Vergeblich, es hat nichts mehr genutzt.
    Verständlich, dass Frustration, Erbitterung, Hoffnungslosigkeit in den letzten Wochen bei Belegschaft und ihren Sprecherinnen und Sprechern stetig gewachsen sind. Es war ein Wechselbad der Gefühle. Erst die unabgesprochene Stilllegungsmitteilung - aus heiterem Himmel, für ein profitables Werk. Erst der Schreck, dann die Hoffnung. Und die Überlegungen und Aktionen, den Beschluss vielleicht doch noch abzuwenden.

    Zukunft

    So unverblümt wie selten haben sich Politiker aller Couleur zum Beschluss der finnischen Konzernspitze geäußert. Zornige und kraftvolle Worte können aber nicht verschleiern, dass die Politik unternehmerische Entscheidungen zwar kommentieren, selten aber rückgängig machen kann.
    Der Kampf ist noch nicht zu Ende. Jetzt, wo der Arbeitsplatz verloren ist, geht es für die Menschen bei Nokia Bochum um Abfindung, Sozialplan und Arbeitsplatzalternativen, um eine neue Zukunft ohne Nokia. Und für die Politik um die Frage, wie künftig Subventionen einzusetzen sind. Wie man Mitnahmeeffekte verhindert.
    Die Antworten werden nicht nur in Düsseldorf oder Berlin zu finden sein, auch in Brüssel. Rumänien ist Mitglied der EU. Es wird sich entwickeln. Der Wohlstand der Menschen wird wachsen. Das ist ihnen zu gönnen. Eines Tages werden auch die rumänischen Arbeiter im Handywerk von Jucu mehr verdienen als die 200 Euro, die ihnen jetzt Nokia monatlich zahlt. Was geschieht dann? Zieht Nokia weiter und lässt seine Handys im Fernen Osten oder in Afrika zusammenschrauben?
    Bochum - da war doch mal was. Hier wird man, wenn es so weit ist, die Nachricht lesen und stolz darauf sein, dass der Rückschlag im Jahr 2008 nicht entmutigt, sondern neue Kräfte freigesetzt hat.
    JK

    ID: LIN04218

  • Sinn und Unsinn von Subventionen.
    Multi macht Produktionsstätte dicht/Auch Chance für einen Neuanfang.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 7 in Ausgabe 2 - 20.02.2008

    In wenigen Tagen, am 28. Februar, kommt in Finnland der Aufsichtsrat des Nokiakonzerns zusammen. Vermutlich beschließt er das endgültige Ende der Handyproduktion in Bochum. 2.300 fest angestellte Frauen und Männer verlieren Mitte des Jahres ihren Arbeitsplatz. Weitere 1.000 Leiharbeiter können sich nach einem neuen Job umsehen. Nach der Sitzung wird deutlich, mit welchen Maßnahmen das Unternehmen diesen Verlust abzufedern gedenkt.
    Connecting People", so lautet der Werbespruch des weltweit agierenden finnischen Multis. Mit einem Anteil von 40 Prozent ist Nokia Nummer eins auf dem Weltmarkt der Handyhersteller. Diese Sparte hat im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn von 7,2 Milliarden Euro für das Unternehmen eingefahren - ein Sprung von 67 Prozent. Bochum hat dazu nach Kräften beigetragen, aber in den Augen der Manager eben nicht genug. Hier werden derzeit acht Handylinien montiert und verpackt, seit 2007 sind allerdings nicht mehr die weltweiten Absatzträger darunter. Absicht, um die Schließung von langer Hand vorzubereiten? Jedenfalls rechnen Firmensprecher vor, der Standort Bochum habe das höchste Kostenniveau. Hier würden sechs Prozent aller Handys hergestellt, aber es fielen 23 Prozent der gesamten direkten Lohnkosten im Konzern an. So erhält das Urteil von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück Bedeutung, der gesagt hat: "Bochum wird nicht geschlossen, weil es Verluste gemacht hat, sondern weil es nicht genug Gewinne gemacht hat." Logik in den Zeiten der Globalisierung.
    Aber ist Nokia wirklich nur der kaltschnäuzige Multi, wie er immer wieder dargestellt wird? Was ist mit der viel gerühmten Unternehmenskultur, wo alle sich duzen, die Türen offenstehen und keine hierarchischen Schranken den Umgang erschweren? Die Bochumer Nokianer hatten bis vor Kurzem den Eindruck, sie arbeiteten in einer großen Familie. Nokia hat in Bochum 61 Millionen Euro an Subventionen vom Land NRW erhalten, unbestritten. Aber es hat auch seit 1999 in den Standort Bochum nach eigenen Angaben 350 Millionen Euro investiert. Hat Nokia nun die im Förderungsbescheid geforderte Zahl von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen geschaffen, ist man darunter geblieben, hat man darüber gegenüber dem Subventionsgeber berichtet und wie hat der sich verhalten? Das interessiert nicht nur die Fachleute der Landesregierung und die Unternehmensjuristen, die sich mit der Rückzahlungsforderung des Landes in Höhe von 41 Millionen Euro auseinanderzusetzen haben, sondern auch Öffentlichkeit und Steuerzahler.

    Mittelstand

    Der Steuerzahler sitzt mit am Tisch, wenn über die Rückforderung gerungen wird. Er ist mit dabei, wenn über Sinn und Unsinn von Subventionen zu reden sein wird. Ein großes Unternehmen, das in einem strukturschwachen Gebiet über 2.000 Arbeitsplätze zu schaffen verspricht, kann sich des Wohlwollens der Politik sicher sein. Der Fall Nokia Bochum zeigt in seiner weiteren Entwicklung aber auch: Steuergelder für weltweit operierende Großunternehmen sind ein zweischneidiges Instrument. Die schwarzgelbe Landesregierung hat daraus den Schluss gezogen, nicht mehr Großkonzerne zu fördern, sondern in erster Linie mittelständische Unternehmen darin zu unterstützen, Arbeitsplätze zu schaffen. Vielleicht gelingt es auch den in der Region verankerten Mittelständlern besser, die neu geschaffenen Arbeitsplätze enger mit dem Forschungspotenzial vor Ort zu vernetzen und damit zukunftssicherer zu machen. Diese Verknüpfung mit dem Know-how etwa der Ruhr- Universität Bochum war im Fall Nokia viel zu wenig entwickelt. Die 300 Arbeitsplätze im Bereich Forschung und Entwicklung von Nokia Bochum haben die besten Aussichten, gerettet zu werden und die Keimzelle für einen Neuanfang in einem modernen Industriepark zu bilden, wie ihn NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben ins Gespräch gebracht hat. Wenn man sich nicht zu sehr auf das Produkt Handy konzentriert, sondern nach neuen Anwendungen sucht, könnten sich neue Perspektiven auftun. Der Konzern Nokia hat das offenbar schon erkannt. Es wird gemunkelt, Bochum sei das erste Opfer einer Neuausrichtung des Handyherstellers, der plane, verstärkt in das Geschäft mit Software- Angeboten wie GPS oder MP3 einzusteigen.
    Im rumänischen Jucu, wo Nokia 60 Millionen Euro in der ersten Phase investiert, muss das Unternehmen vorerst keine Immobiliensteuer für Grundstücke und Fabrikhallen zahlen. Hier in Siebenbürgen arbeiten zunächst 350 Mitarbeiter, bis Ende 2009 soll die Zahl auf 3.500 Leute hochgefahren werden. Die Facharbeiter erhalten nach Angaben rumänischer Zeitungen 200 Euro monatlich - die Hälfte eines rumänischen Durchschnittgehalts. Die Steuern müssen nachgezahlt werden, wenn Nokia in Rumänien vorzeitig seine Zelte abbricht, also vor Ablauf von 30 Jahren. Es scheint, dass der "Karawanen- Kapitalismus" (Steinbrück) in Jucu eine längere Pause als in Bochum einlegen wird.
    JK

    ID: LIN04214

  • Empörung über "Subventions-Heuschrecken".
    Landtag erörtert gesamtwirtschaftliche Lage im Land.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 2 - 20.02.2008

    Die drohenden Arbeitsplatzverluste bei Nokia in Bochum und die aktuelle Entwicklung bei der WestLB waren auf Antrag von CDU, FDP und SPD das Thema der Aktuellen Stunde in der Plenarsitzung am 23. Januar. Zum Auftakt der Aktuellen Stunde unterrichteten Wirtschaftsministerin Christa Thoben und Finanzminister Dr. Helmut Linssen (beide CDU) die Abgeordneten über die Wirtschaftslage. Die Überschrift lautete: "Starkes Wachstum - Chancen für alle. Zur Lage der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen."
    Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) erinnerte daran, dass sich die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu Beginn des neuen Jahres zwar eingetrübt hätten. Dennoch habe NRW keinen Grund, sich entmutigen zu lassen. Nach Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts (RWI) habe im Jahr 2007 die Wachstumsrate des Landes 2,6 Prozent erreicht. Für das laufende Jahr werde erwartet, dass NRW um 1,8 Prozent zulege. Dieser Aufschwung komme bei den Menschen in NRW an, insbesondere bei den Arbeitslosen. So sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen Januar und Oktober 2007 um über 186.000 auf 5,8 Millionen gestiegen. Globalisierung sei eine Chance für NRW. So wie Nokia sich verhalten habe, so gehe man nicht mit Arbeitnehmern um, sagte die Ministerin. Allerdings sei Nokia offensichtlich aufgewacht. Man habe in den Zeitungen heute lesen können, dass Nokia Fehler in der Kommunikation zugebe und nach Lösungen suche. Das Land prüfe seinerseits, ob es die 60,9 Millionen Euro aus dem Regionalen Wirtschaftsförderungsprogramm des Landes zurückfordern könne. Unmittelbar nach Regierungsübernahme, im Herbst 2005, habe die schwarz-gelbe Landesregierung die Wirtschaftsförderung bereits umgestellt auf kleine und mittlere Betriebe. Subventionen seien nicht für internationale, reiche Konzerne gedacht: "Solche Unternehmen bekommen von uns keine Mittel mehr", betonte Thoben. "Mit uns wird es einen Fall wie Nokia nicht mehr geben!"
    Finanzminister Dr. Helmut Linssen (CDU) ging anschließend auf die Situation der angeschlagenen Westdeutschen Landesbank (WestLB) ein. Das Kabinett habe bekräftigt, als Mit-Eigentümer werde das Land helfen, die Verluste der Bank auszugleichen und die geplante Kapitalerhöhung umzusetzen. "Es ist unsere größte Beteiligung", sagte Linssen, "wir sollten alles tun, um unser Eigentum vor Schaden zu bewahren." Da für das Geschäftsjahr 2007 ein Verlust von einer Milliarde Euro erwartet werde und zusätzlich annähernd eine Milliarde Euro als Wertminderung hinzukomme, müsse NRW von diesen zwei Milliarden Euro rechnerisch 760 Millionen Euro bereitstellen. Denn das Land habe einen 38-Prozent-Anteil an der WestLB. "Wir prüfen zurzeit verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten", erklärte der Minister. "Wir wollen dennoch an der Senkung der Netto-Neuverschuldung festhalten." Zwar handele es sich um eine "momentane Schwäche" der Landesbank, der Abbau von Arbeitsplätzen bei der Bank sei aber unumgänglich, so der Finanzminister.
    Hannelore Kraft, SPD-Fraktionsvorsitzende, bezeichnete Thobens Rede als "Jubelarie" und warf der Regierung vor, sie sei überrascht worden von den Problemen - weil sie nicht mit den Unternehmen rede, "nicht mal mit dem größten Subventionsempfänger in NRW". Dabei habe Christa Thoben bereits vor Monaten den Strukturwandel für beendet erklärt. "Die Landesregierung hat kein Frühwarnsystem. Sie kommt nur, wenn es brennt", sagte Kraft. Nokia sei allerdings eine neue Dimension und von einer Härte, die man bisher in NRW nicht gekannt habe: "Eiskalt", so ihr Urteil. Die Prüfung von Rückzahlungsansprüchen sei deshalb wichtig. Zur WestLB sagte Kraft, die Bank sei immer mehr ins Rutschen geraten und die Landesregierung habe zu spät gehandelt. Die Warnung der Opposition sei von der Regierung als "Stimmungsmache" abgetan worden. Für die verlorene Zeit werde nun die Rechnung präsentiert: "Der Steuerzahler zahlt die Zeche für diese Risikostrategie."
    Helmut Stahl, CDU-Fraktionsvorsitzender, nannte den Beitrag seiner Vorrednerin "tatsachenfrei" und wies alle Vorwürfe zurück. Er habe kalte Wut bekommen, als er gehört habe, Nokia wolle ohne Vorankündigung, ohne mit dem Betriebsrat zu sprechen, aus Bochum wegziehen. Der Vorstandsvorsitzende habe aber jetzt signalisiert, er sei bereit, mit der Wirtschaftsministerin nach Lösungen zu suchen. Im Übrigen befände sich das Ruhrgebiet in einer beeindruckenden Aufholjagd: "Wichtig ist der Saldo zwischen entstehenden und wegfallenden Arbeitsplätzen", so Stahl. Zur WestLB sagte Stahl, diese Bank sei in den 90er-Jahren ein Flaggschiff gewesen. Durch Skandale während der rot-grünen Regierungszeit sei das Flaggschiff gesunken.
    Dr. Gerhard Papke, FDP-Fraktionsvorsitzender, bezeichnete das Verhalten des Nokia- Konzerns als "unanständig und inakzeptabel". Es sei jedoch keinesfalls beispielhaft für das Funktionieren sozialer Marktwirtschaft. Vielmehr trage die alte Landesregierung mit den von ihr zu verantwortenden Subventionszahlungen an Großunternehmen eine Mitschuld. Die Koalition konzentriere ihre Förderpraxis hingegen auf kleine und mittelgroße Unternehmen, weil "die nicht direkt weiterziehen, sobald ein Subventionstopf leer ist". Bezogen auf die WestLB sagte Papke: Es sei "an Absurdität nicht zu überbieten", wenn die Opposition bis heute eine Fusion mit der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) als Rettung für die WestLB zu verkaufen versuche. "Dabei wäre die WestLB unter die Räder gekommen", so Papke. Er warnte davor, Nokia und WestLB zum Anlass zu nehmen, ein "Weltuntergangsszenario für das Ruhrgebiet" auszumalen und den Finanzstandort NRW schlecht zu reden. NRW sei mittlerweile stark genug, um auch solche Rückschläge zu schlucken. 250.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse seien ein klares Indiz für die erfolgreiche Wirtschaftspolitik des Landes.
    Sylvia Löhrmann, GRÜNE-Fraktionsvorsitzende, warf der Koalition vor, die Probleme im Land klein zu reden. Der Fall Nokia zeige, dass die Regierung von einer zukunftsorientierten und nachhaltigen Standortpolitik weit entfernt sei. Subventionen seien nicht das richtige Mittel für Standortakquise. Stattdessen müsse man auf "echte Standortvorteile" setzen. Neben vernünftiger Infrastruktur sei bestmögliche Bildung die Antwort auf die Globalisierung. Schwarz-Gelb halte hingegen an einem "leistungsfeindlichen Bildungssystem aus dem letzten Jahrhundert fest". Zudem habe es die Landesregierung versäumt, frühzeitig Gespräche mit der Unternehmensführung von Nokia aufzunehmen. Die Standortschließung wäre dann vielleicht zu verhindern gewesen, so Löhrmann. Auch für das "Desaster" bei der WestLB wies sie der Landesregierung Schuld zu: Eine frühzeitige Entscheidung für eine Fusion mit der LBBW hätte eine "klare Zukunftsperspektive" für die WestLB dargestellt. Stattdessen habe der Ministerpräsident "gezögert und gezaudert" und "die WestLB abgewirtschaftet". Vor dem Hintergrund gebe es keinen Anlass für eine "Feierstunde".
    Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) warf den Oppositionsfraktionen "Lust an der Krise" vor. "Sie reden nicht nur die WestLB, sie reden den Standort Nordrhein-Westfalen systematisch kaputt", meinte Rüttgers in Richtung Opposition. Zugleich bekräftigte er das Ziel, so viele Arbeitsplätze wie möglich am Standort Bochum zu retten. Es sei die richtige politische Strategie gewesen, die Gesprächsblockaden zwischen den Arbeitsnehmervertretern und der Unternehmensleitung aufzulösen. Jetzt komme es darauf an, das Entgegenkommen von Nokia zu nutzen und den Menschen in Bochum eine berufliche Dauerperspektive zu eröffnen. Der Ministerpräsident machte im Plenum jedoch ebenso deutlich, "dass wir in Nordrhein-Westfalen in der Massenproduktion zukünftig schlechte Karten haben werden." Die Globalisierung der Wirtschaftsmärkte sei "eine zweite industrielle Revolution", die neue Standortfaktoren wie Kreativität, Wissen und Bildung erforderlich mache. Zur Krise der WestLB erklärte Rüttgers: "Es ist nicht Aufgabe eines Landesbankers, auf internationalen Finanzmärkten herumzuzocken." Entschieden wies er daher die Kritik der Oppositionsfraktionen zurück, politisch nicht rechtzeitig auf die Entwicklung der WestLB reagiert zu haben. "Sie kritisieren die Feuerwehr und nicht die Brandstifter." Nun müsse es gelingen, gemeinsam mit den weiteren Eigentümern der Bank ein neues und zukunftsfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Rüttgers betonte abschließend: "Ich hoffe, dass wir die Probleme in den Griff bekommen."
    Rüdiger Sagel (fraktionslos), bezeichnete das Handeln des Nokia-Konzerns als "schändlich und niederträchtig". Hier zeige sich "Turbokapitalismus" von seiner schlimmsten Seite. Die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlten sich von der Konzernleitung zu Recht "verraten und verkauft". Er unterstütze daher ausdrücklich einen Boykott von Nokia-Produkten. Ungeachtet dieser Entwicklung laute das Plädoyer der Wirtschaftsministerin: "Alles ist gut." Und auch der Ministerpräsident stehle sich beim Thema WestLB aus der Verantwortung, so Sagel.

    Bildunterschrift:
    Enge Abstimmung und Zusammenarbeit: Finanzminister Linssen und Wirtschaftsministerin Thoben.

    ID: LIN04215

  • Finnischer Riese in der Pflicht.
    Wirtschaftsausschuss diskutiert weiteres Vorgehen der Landespolitik.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Ausschussbericht
    S. 10-11 in Ausgabe 2 - 20.02.2008

    Eine deutschlandweite Welle der Solidarität hatte die Nokia-Mitarbeiter im Kampf um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze begleitet. Doch alle Anstrengungen konnten den Handy-Riesen nicht von seiner Entscheidung abbringen, das nordrhein-westfälische Werk im Sommer zu schließen. Einen Tag vor der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Mittelstand und Energie (stellvetretender Vorsitz Dietmar Brockes, FDP) erhielt der Bochumer Betriebsrat die Nachricht vom endgültigen Aus. Wie die Landespolitik auf diese Entwicklung reagieren kann, das diskutierten die Abgeordneten zusammen mit Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU).
    Mitglieder aller vier Fraktionen äußerten im Ausschuss ihre Enttäuschung darüber, dass der finnische Konzern unbeirrt an der Schließung in Bochum festhält. Ministerin Thoben betonte, die Landesregierung habe nichts unversucht gelassen, den Standort zu retten. "Doch wir müssen nun feststellen, dass Nokia von vornherein kein anderes Ziel verfolgt hat als die komplette Schließung", so die Ministerin. Sie sieht das Unternehmen in der Pflicht, die Verlagerung der Produktion für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst verträglich zu gestalten: "Wir hoffen und fordern, dass Nokia sich für jeden einzelnen Beschäftigten einsetzt und so am Ende alle 2.300 Menschen eine neue Perspektive haben werden."
    Für die SPD-Fraktion rief der wirtschaftspolitische Sprecher Thomas Eiskirch die Landespolitik dazu auf, den Blick nach vorne zu richten. Nun komme es darauf an, der Bochumer Belegschaft neue Chancen zu eröffnen und die Wirtschaftsförderung der gesamten Region im Auge zu behalten. Eiskirch forderte langfristige Entwicklungskonzepte, die es ermöglichen, innovative Wirtschaftspotenziale an den Bochumer Standort zu binden. Er gab zu bedenken, dass auch die betroffenen Zeit- und Leiharbeiter in den zu verhandelnden Sozialplänen Berücksichtigung finden müssten. "Diese Menschen sind keine Arbeitnehmer zweiter Klasse", so Eiskirch. Zugleich kritisierte er, dass Wirtschaftsministerin Thoben die Landtagsabgeordneten nicht ausreichend über die weitere Verhandlungsstrategie der Landesregierung mit Nokia informiere.
    Die wiederum wies in diesem Zusammenhang auf die Arbeitsgruppe hin, in der die Landesregierung die weiteren Verhandlungen mit Nokia führt. Sie bezeichnete es als unklug, schon vor diesen Treffen die Verhandlungsstrategie der Landesregierung preiszugeben. Zugleich wehrte sich die Ministerin gegen die Kritik des SPD-Abgeordneten Harald Schartau. Der ehemalige Wirtschaftsminister aus der letzten rotgrünen Landesregierung warf Thoben vor, nicht rechtzeitig die "Warnsignale" aus der Handy-branche wahrgenommen zu haben. Schon die Insolvenz des Handyherstellers BenQ im Jahr 2006 hätte nach Schartau Anlass für die Landesregierung sein müssen, sich auch mit der Nokia- Produktion in Bochum auseinanderzusetzen. Thoben bezeichnete Nokia und BenQ als "völlig unterschiedliche Fälle", da das Bochumer Werk im Gegensatz zu den Produktionsstätten von BenQ nach wie vor profitabel sei.
    Eben diesen Umstand nahm der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Lutz Lienenkämper, zum Anlass, die Kritik am Verhalten des Nokia-Konzerns zu erneuern. Das Unternehmen müsse mit einem nachhaltigen Vertrauensverlust rechnen. "Nokia ist gut beraten, Kompensationen über das gesetzlich vorgesehene Maß hinaus zu leisten", betonte der Christdemokrat. Wirtschaftsministerin Thoben bekräftigte die Forderungen der Landesregierung, Nokia müsse Subventionen in Höhe von 41 Millionen Euro an Nordrhein-Westfalen zurückzahlen, da der Konzern nicht die vorgeschriebene Anzahl von Mitarbeitern in Bochum beschäftigt habe.
    Für eine Transparenz von Industriesubventionen sprach sich der Grünen-Abgeordnete Reiner Priggen aus. Die Landesregierung müsse künftig das Parlament über Art und Höhe von Subventionen unterrichten. So sei es möglich, Unternehmen öffentlich an ihre Versprechen zu binden. "Wir können darüber reden, ob so etwas tatsächlich sinnvoll ist", entgegnete Thoben, verwies jedoch auf den Schutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Dietmar Brockes, wollte abschließend von der Ministerin erfahren, wie sie die Erfolgsaussichten der Subventionsrückforderungen einschätze - auch vor dem Hintergrund, dass Vertreter der früheren Landesregierung von der zu geringen Anzahl an subventionierten Arbeitsplätzen im Bochumer Werk gewusst hätten. Thobens Antwort: "Unsere Juristen prüfen die Chancen."
    SW

    ID: LIN04216

  • Staatliche Zuschüsse auf dem Prüfstand.
    Abgeordnete wollen Licht in das Förderdickicht bringen.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Ausschussbericht
    S. 10-11 in Ausgabe 2 - 20.02.2008

    Mit Millionensubventionen hat das Land die Handyproduktion in Bochum unterstützt. Umso schmerzlicher ist Nokias Abschied für die nordrhein-westfälische Wirtschaftsförderung. Im Haushalts- und Finanzausschuss (Vorsitz Anke Brunn, SPD) fragten sich die Abgeordneten, inwieweit bereits die frühere rot-grüne Landesregierung von nicht eingehaltenen Förderauflagen wusste und ob das Land die Firma Nokia nicht schon früher zu einer Rückzahlung von Subventionen hätte auffordern müssen.
    Über 500 neue Subventionsanträge muss das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium Jahr für Jahr bearbeiten. "Wenn ich diese Förderverfahren alle kontrollieren würde, dann käme ich nicht mehr zum Regieren", erklärte Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) den Abgeordneten im Ausschuss. Sie bekräftigte, bis vor wenigen Wochen nichts von den unterschrittenen Beschäftigungszusagen im Bochumer Nokia-Werk gewusst zu haben. "Die Information über die detaillierte Arbeitsplatzbesetzung ist dem Wirtschaftsministerium erst nach dem Stilllegungsbeschluss im Januar bekannt geworden", so Thoben. "Seit dem Regierungswechsel ist kein einziges Papier zu Nokia auf meinem Schreibtisch gelandet." Statt der erforderlichen 2.860 Arbeitsplätze hatte das Unternehmen zuletzt 2.300 Stellen im Ruhrgebiet unterhalten. Dabei wären die Finnen gesetzlich verpflichtet gewesen, dem Land Nordrhein-Westfalen diese Unterschreitung unaufgefordert mitzuteilen. Ein weiterer Grund für die Landesregierung, nun 41 Millionen Euro an geleisteten Subventionen vom Konzern zurückzufordern.
    Ob Nokia allerdings tatsächlich zahlen muss und zahlen wird, das bezweifelten einige der Landtagsabgeordneten. "Der Rückzahlungsanspruch wird außerordentlich schwer durchzusetzen sein", meinte zum Beispiel der CDU-Politiker Christian Weisbrich. Seine Skepsis begründete er mit Presseberichten der vergangenen Tage, nach denen der frühere SPD-Wirtschaftsminister Harald Schartau über die tatsächliche Anzahl an Nokia-Arbeitsplätzen informiert gewesen sei. Weisbrich äußerte die Vermutung: "Es war für die damalige rot-grüne Landesregierung im Vorfeld der Landtagswahlen 2005 einfach unbequem, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen." Deshalb habe das Wirtschaftsministerium zu jenem Zeitpunkt keine Maßnahmen gegenüber Nokia ergriffen.
    Schartau konterte, er habe zwar von der konkreten Arbeitsplatzsituation in Bochum gewusst. Die Handyproduktion in Nordrhein-Westfalen und der gesamten Bundesrepublik sei jedoch schon zum damaligen Zeitpunkt "ein höchst fragiles Geschäftsfeld" gewesen. Zu seiner damals getroffenen "Ermessensent-scheidung" habe außerdem die Standortkrise im Bochumer Opelwerk beigetragen, das 2005 von der kompletten Schließung bedroht war. "Deswegen musste ein Höchstmaß an Sensibilität an den Tag gelegt werden", erklärte Schartau. Wirtschaftsministerin Thoben jedoch betonte, im Ministerium seien keinerlei schriftliche Unterlagen zu dieser "Ermessensentscheidung" aufzufinden.

    "Beschämend"

    Mit Blick auf die ungewisse Zukunft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer forderte Schartaus Fraktionskollege Thomas Eiskirch die Politiker im Haushalts- und Finanzausschuss auf, in der aktuellen Situation keine unnötigen "Nebenkriegsschauplätze" zu eröffnen. Die nun versuchten Schuldzuweisungen seien "beschämend für die betroffenen Menschen". Das Parlament müsse sich gemeinsam mit der Landesregierung darauf konzentrieren, Nokia in die Verantwortung zu nehmen. "Selbst wenn Nordrhein-Westfalen die Fördergelder zurückerhält, wird dies nichts ins Positive wenden", gab der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Ewald Groth, zu Protokoll. Er sprach sich im Namen seiner Fraktion dafür aus, die Förderverfahren des Landes und die Subventionszahlungen für Wirtschaftsunternehmen in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf den Prüfstand zu stellen. Erforderlich seien dauerhafte Kontrollmechanismen, die darüber Auskunft gäben, ob Unternehmen die Subventionsbedingungen tatsächlich eingehalten hätten. Auch der fraktionslose Abgeordnete Rüdiger Sagel forderte einen Untersuchungsausschuss zur Förderpraxis in Nordrhein-Westfalen.
    Wirtschaftsministerin Thoben äußerte vor den Landtagsabgeordneten schließlich erste Überlegungen, wie es in Bochum ohne Nokia weitergehen könne. Sie wolle sich dafür einsetzen, den Forschungsund Entwicklungszweig von Nokia in Bochum zu erhalten. Außerdem sei gemeinsam mit der Stadt Bochum zu überlegen, ob rund um das Werksgelände ein neuer Industriepark gegründet werden könne.
    SW

    ID: LIN04217

  • Gelehrtenstreit über Feinstaub.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 1 - 23.01.2008

    Können Umweltzonen tatsächlich einen merklichen Beitrag zur Verminderung der Feinstaubkonzentration leisten? Eine Frage, über die nicht nur unsere Abgeordneten ins Grübeln geraten, sondern auch die Wissenschaftler. Der "Gutachter-Krieg" um Sinn und Unsinn von Schadstoffplaketten und Fahrverbotszonen läuft auf Hochtouren.
    Es gibt von Industrie und Wirtschaft beauftragte Gutachten, in denen die Einrichtung von Umweltzonen als nahezu wirkungslos beschrieben wird. Die Verminderung des Feinstaubs liege in einem kaum messbaren Bereich, heißt es da. Mitunter ist die Rede von unter einem Prozentpunkt. Andere Expertisen vermitteln hingegen glaubwürdig, dass die Einrichtung von weiteren Fahrverbotszonen für "Dieselstinker" zwingend notwendig sei, um die Feinstaubbelastung in den nordrhein-westfälischen Verkehrsballungszentren kontinuierlich herunterzufahren.
    Da ist es nur verständlich, dass viele Bürgerinnen und Bürger irritiert sind. Nahezu täglich können sie den immer wieder neu entfachten "Gelehrtenstreit" nur achselzuckend in den Medien verfolgen. Feinstaub - die große Unbekannte, ein Buch mit sieben Siegeln?

    "Umweltzönchen"

    Offenbar scheint die Forschung auf diesem Gebiet längst noch nicht abgeschlossen zu sein. Aus parteipolitischer Sicht lässt sich zweifellos trefflich über das Für und Wider von Umweltzonen streiten. Doch geht das auch aus wissenschaftlicher Sicht? Oder diskutieren wir womöglich über ein Phantom - das Phantom Feinstaub? Und wie gefährlich ist er tatsächlich für den Menschen? Fragen über Fragen, auf die es (noch) keine eindeutigen Antworten zu geben scheint.
    Eine Einsicht jedoch ist zu erwarten und dazu muss man nicht einmal Wissenschaftler sein: Mit einer auf 300 Meter Länge begrenzten Umweltzone wie in Dortmund - Kritiker sprechen von einem "Umweltzönchen" - wird der Kampf gegen zu hohe Feinstaubwerte in der Fläche nicht zu gewinnen sein. Wenn darüber bald Klarheit herrscht, dann kann man sagen: Auch dieses Experiment hat sich gelohnt.
    Stattdessen benötigen wir vorausschauende und wissenschaftlich belastbare Lösungen. Dabei muss genau abgewogen werden zwischen messbarem Nutzen für Umwelt und Natur einerseits und den vertretbaren Eingriffen in die Rechte jedes Einzelnen andererseits. Keine leichte Aufgabe - weder für die Politik noch für die Wissenschaft.
    ax

    ID: LIN04188

  • "Stinker" müssen draußen bleiben.
    Seit Jahresbeginn gibt es die ersten Verbotszonen für Abgassünder.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 1 - 23.01.2008

    Schön ist anders. Es gibt sie in grün, gelb und rot. Die Rede ist von Schadstoffplaketten, die auf immer mehr Pkw-Windschutzscheiben ihren Platz neben Park-, Versicherungsoder Automobilclubaufklebern finden. In Köln sind sie bereits Pflicht, denn dort gibt es seit Anfang Januar die erste Umweltzone in NRW. Sie umfasst ein Terrain von rund 16 Quadratkilometern. Und weitere sollen folgen: Schon im Herbst könnte NRW eine europaweite Vorreiterrolle in Sachen Umweltzonen einnehmen. Denn drei insgesamt fast 600 Quadratkilometer große Umweltzonen im Ruhrgebiet sollen dann - so der vorläufige Planungsstand - für schadstoffreiche "Stinker-Autos" gesperrt werden.
    Ein Bußgeld von 40 Euro und ein Punkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei - das droht künftig all denjenigen, die mit ihrem Pkw in einem als Umweltzone deklarierten Stadtgebiet ohne Schadstoffplakette unterwegs sind. Auch wer hier "doch nur parkt", muss mit einer Strafe rechnen. Gezahlt werden muss auch, wenn der Wagen eigentlich die für eine der drei Plaketten notwendige Schadstoffstufe einhält, der Fahrzeughalter aber bislang "einfach noch keine Zeit gefunden hat", sich die Plakette zu besorgen. Die Entschuldigungen und Ausreden, die die Ordnungshüter tagtäglich zu hören bekommen, sind - so in einer Kölner Tageszeitung kürzlich beschrieben - vielfältig und reichen von platt bis kreativ. Noch drückt die Stadt Köln jedoch ein Auge zu und belässt es bei einer Ermahnung. Diese "Schonfrist" gilt bis zum 31. März. Wer jedoch danach ohne Plakette erwischt und zur Kasse gebeten wird, sollte das nicht für einen Aprilscherz halten.
    Nach der so genannten Plakettenverordnung werden Autos, Busse und Lkw in vier Schadstoffklassen eingeteilt: Auf den runden, farbigen Plaketten sind jeweils die Nummern der Schadstoffgruppen 2 (rot), 3 (gelb) und 4 (grün) angegeben. Zunächst haben zwar alle Autos mit Plaketten freie Fahrt, für später drohen aber abgestufte weitere Einschränkungen: Denn Städte können auch Fahrverbote für Pkw mit roten und später gelben Plaketten aussprechen. Diesel, die höchstens die Euro-Norm 1 erreichen, und Benziner ohne (geregelten) Katalysator fallen in die Schadstoffklasse 1 und bekommen keine Plakette. In Umweltzonen gilt für sie Fahrverbot. Bei manchen Fahrzeugen besteht die Möglichkeit, Partikelfilter nachzurüsten. Das kostet zwischen 600 und 1.600 Euro. Die Nachrüstung senkt nicht nur die Feinstaubemission, sie wird auch vom Staat gefördert. Wer seinen Diesel-Pkw bis Ende 2009 umrüstet, erhält 330 Euro, die mit der Kfz-Steuer verrechnet werden.

    Sanktionen

    Ziel der Umweltzonen ist es, die Belastung von Ballungsräumen mit Feinstäuben und Stickoxiden nachhaltig zu reduzieren. Damit wollen Land und Kommunen nicht nur die Bürgerinnen und Bürger vor möglichen Gesundheitsgefahren schützen, sondern auch der Feinstaubrichtlinie der Europäischen Union (EU) gerecht werden. Sie schreibt eine Tagesobergrenze von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft vor, die höchstens an 35 Tagen pro Jahr überschritten werden darf. Zahlreiche Städte in NRW verstoßen allerdings gegen diese Normen. Sie müssen jedoch erst von 2011 an mit Sanktionen aus Brüssel rechnen. Anfang 2010 soll dann auch ein EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid folgen. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 27. November 2007 den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland ein einklagbares Recht auf saubere Luft eingeräumt. Für reichlich Diskussionsstoff zwischen Parlament, Landesregierung und den drei zuständigen Bezirksregierungen Düsseldorf, Münster und Arnsberg sorgen derzeit die Planungen für das Ruhrgebiet: Während sich die Oppositionsfraktionen SPD und Grüne für eine große, zusammenhängende "Umweltzone Ruhrgebiet" aussprechen, befürworten Landesregierung und Koalitionsfraktionen die sogenannte Wabenlösung. Sie lehnen eine "undifferenzierte Ausweisung" einer Umweltzone für das gesamte Ruhrgebiet ab. Bürgerinnen und Bürger sowie Wirtschaft und Handwerk dürften nicht durch "unverhältnismäßige Umweltschutzauflagen" in ihren Rechten beschränkt und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit behindert werden.
    "Wabenlösung", so die Opposition, bedeute nichts anderes als ein "Flickenteppich". Eine einheitliche Umweltzone im Revier sei hingegen deutlich effizienter, leichter handhabbar und zudem mit weniger bürokratischem Aufwand verbunden. Unterstützung erhält sie dafür vonseiten der Umweltorganisationen. Laut Landesumweltministerium sollen die Planungsentwürfe für das Ruhrgebiet Ende Februar vorgestellt werden. Als realistischer Einführungstermin für die Umweltzone gilt dann der Herbst dieses Jahres.
    ax

    Systematik: 6100 Umwelt; 6160 Immissionen und Emissionen; 6150 Luft

    ID: LIN04197

  • Ortgies, Friedhelm (CDU); Schulze, Svenja (SPD); Ellerbrock, Holger (FDP); Remmel, Johannes (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal sind es die umweltpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 1 - 23.01.2008

    Zu Beginn des Jahres startete die erste NRW-Umweltzone in Köln - das ist ...

    Friedhelm Ortgies (CDU: ... ein Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit und der Umwelt. Es ist aber auch eine einschneidende Maßnahme, die alle Kommunen mit Feinstaubproblemen in Europa angehen müssen, um die europarechtlichen Vorgaben zu erfüllen.
    Svenja Schulze (SPD): ... ein guter Anfang für einen sauberen Himmel über Rhein und Ruhr und eine bessere Luftqualität für die Menschen, die in den Städten wohnen und arbeiten müssen. Ein Quantensprung - wie gern von der Landesregierung behauptet - ist es noch nicht.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... für viele unproblematisch. Für all diejenigen aber - vom Anwohner bis zum Handwerker -, die sich nicht die neueste Fahrzeugtechnik leisten können, bedeutet dies eine deutliche Einschränkung ihrer Mobilität.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... der richtige Schritt für mehr Gesundheitsschutz. Während bundesweit Umweltzonen Anfang 2008 eingerichtet wurden, hat es Minister Uhlenberg zugelassen, dass das Ruhrgebiet als Ballungsraum von fünf Millionen Menschen noch keine übergreifende Umweltzone hat.

    Sollte im Herbst fast das gesamte Revier als zweite große Umweltzone in NRW nachziehen, dann ...

    Friedhelm Ortgies (CDU): ... bin ich sicher, dass im Vorfeld die Abwägung darüber, wie weit dieser Eingriff in einen zentralen Wirtschaftsraum Europas gehen kann, im Ministerium verantwortungsvoll erfolgt.
    Svenja Schulze (SPD): ... werden viele der fünf Millionen Menschen in der Metropolregion aufatmen. Leider hat der Umweltminister zugelassen, dass es durch den Arnsberger Regierungspräsidenten und Lobbyisten nur zu einem Flickenteppich kommt und keine einheitliche Umweltzone entsteht.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... müssen Fahrverbote durch nennenswerte Reduktionen der Feinstäube gerechtfertigt werden. Sie können an Brennpunkten sinnvoll sein, sind aber nur "ultima ratio", wenn alle anderen Maßnahmen versagen. Überregional verursachte Hintergrundbelastung wird so kaum gesenkt.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... ist das viel zu spät. Ob eine große Umweltzone kommt, ist offen. Der Minister nimmt den Schutz der Menschen nicht ernst und lässt sich von seinem CDUKollegen, dem Arnsberger Regierungspräsidenten, torpedieren. Es wird eher ein "Umweltzonen-Flickenteppich".

    Die Nach- und Umrüstung von älteren Autos mit Abgasreinigungsanlagen ist kostspielig. Beim Umweltschutz spielt der Geldbeutel ...

    Friedhelm Ortgies (CDU): ... für viele eine wichtige Rolle. Daher wird die Nachrüstung auch steuerlich gefördert. Die Bürger sind trotz Kostenbelastung zum Glück zunehmend bereit, selbst etwas für unsere Umwelt zu tun.
    Svenja Schulze (SPD): ... natürlich eine Rolle. Darum gibt es auch für die Nachrüstung einmalig eine Entlastung bei der Kfz-Steuer von 330 Euro und man spart dauerhaft. Und gerade Geringverdienende wohnen oft in den am meisten belasteten Gegenden - hier muss man was für saubere Luft tun.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... gerade für Menschen mit geringerem Einkommen immer eine Rolle. Deshalb müssen Instrumente und Maßnahmen stets auf ihre Kostenwirkung geprüft werden. Sinnvoll sind für den Verbraucher langfristig planbare Grenzwerte, wie etwa die Euro-Abgas-Normen für Pkw und Lkw.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... auch eine Rolle. Deswegen haben wir uns für eine bessere steuerliche Förderung der Umrüstung der Autos eingesetzt. Wir wollen mehr und attraktivere Angebote für Bus und Bahn.

    Zum Schutz der Umwelt werden die Mobilität und die Nutzung des Eigentums eingeschränkt. Das ist in meinen Augen ...

    Friedhelm Ortgies (CDU): ... mit angemessenen Übergangszeiten nur eingeschränkt vertretbar. Wir als CDU müssen versuchen, die Bürger zu überzeugen und mitzunehmen.
    Svenja Schulze (SPD): ... erlaubt, solange dies nicht zu gravierenden Benachteiligungen führt und insgesamt die Lebensqualität der Menschen verbessert. Die Mobilität müsste nicht eingeschränkt sein, wenn CDU und FDP den ÖPNV ausbauen würden, statt ihn zu kürzen.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... ein schwerwiegender Eingriff in die persönliche Freiheit der Menschen. Dieser Eingriff muss stets gut begründet sein. Verbote sollten grundsätzlich das letzte Instrument sein. Sie erfordern aus Sicht der FDP einen exakten Nachweis ihrer Wirksamkeit.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... die falsche Perspektive. Es geht wie beim Nichtraucherschutz vor allem um die Gesundheit der Menschen, die dort wohnen. Da sind auch eventuell Einschränkungen nötig. Wir fordern, den ÖPNV massiv auszubauen. Hier wird von Schwarz-Gelb drastisch gekürzt.

    Wenn die "Zeitung für Deutschland" behauptet, der Feinstaub habe sich wie ein Phantom aus dem Staub gemacht, dann ...

    Friedhelm Ortgies (CDU): ... ist das ein nettes Wortspiel, welches allerdings verkennt, dass wir in NRW das Problem nicht einfach vor uns herschieben können, sondern lösen müssen.
    Svenja Schulze (SPD): ... halte ich das für Augenwischerei. Rot-Grün hat für eine Verringerung industrieller Schadstoffemissionen gesorgt, was die aktuelle Landesregierung gern anführt. Wir sollten diese ersten Erfolge nicht argumentativ dazu missbrauchen, unsere Anstrengungen einzustellen.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... zeigt dies, dass die Anstrengungen der vergangenen Jahrzehnte in der Luftreinhaltung nachhaltig Wirkung zeigen - auch ohne Umweltzonen. Die Gesamtstaubbelastung ist in den letzten 30 Jahren von über drei Millionen auf 209.000 Tonnen im Jahr 2002 gesunken.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ...ist das schlicht falsch. Die Feinstaubproblematik ist weiterhin akut. Außerdem kommen Stickoxide und Lärm hinzu, die in den Ballungsräumen vom Verkehr als Haupt- Verursacher ausgehen.

    Die vielfach beschriebenen Gefahren des Feinstaubs für den Menschen sind aus meiner Sicht ...

    Friedhelm Ortgies (CDU): ... ernst zu nehmen, aber differenziert zu betrachten. Feinstaub ist nicht gleich Feinstaub. Die CDU-Fraktion hat entsprechende Initiativen ergriffen, um den Umweltund Gesundheitsschutz zu verbessern.
    Svenja Schulze (SPD): ... absolut belegbar. Feinstäube sind Auslöser für Bronchial-, Herz- und Kreislauferkrankungen und sogar Lungenkrebs. Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb beschieden, dass die Bürgerinnen und Bürger ein einklagbares Recht auf saubere Luft haben.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... weiter wissenschaftlich zu evaluieren. Um gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen, sollten aus Sicht der FDP auf europäischer Ebene in ausgewählten Modellregionen die Feinstaubentstehung weiter erforscht und wirksame Reduktionsmaßnahmen erprobt werden.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... sehr ernst zu nehmen. 2000 wurde die Lebenszeit in Europa im Schnitt um 8,6 Monate, in Deutschland um 10,2 verkürzt (WHO). In Europa sterben jährlich über 288.000 Menschen (Deutschland: 65.000) vorzeitig an den Folgen der Feinstaubbelastung (EU-Kommission).

    Ich glaube, das Ziel, den Feinstaub und die Stickoxide zu verringern, wird mit dem Instrument der Umweltzonen ...

    Friedhelm Ortgies (CDU): ... über einen längeren Zeitraum betrachtet nur dann erreichbar sein, wenn die Probleme des überörtlichen Verkehrs und die Emissionen anderer Verursacher mit einbezogen werden.
    Svenja Schulze (SPD): ... ein Stück weit umgesetzt. Allerdings müssen wir noch wesentlich weiter gehen: Große zusammenhängende Zonen sind effizienter und durchschaubarer für die Nutzer. Und ich frage die Autoindustrie: Wo bleibt das Zweiliter- Auto mit geringerem Schadstoffausstoß?
    Holger Ellerbrock (FDP): ... nur unzureichend erreicht. Effektiver sind langfristig wirkende und für Bürger und Wirtschaft planbare Reduktionspfade, etwa über die Euro-Normen für Fahrzeuge oder über die Immissionsschutzverordnungen für Industrie und Haushalte.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... in Ballungsgebieten derzeit am besten erreicht. Große Umweltzonen sind der beste Anreiz, Autos umzurüsten. Wir brauchen aber auch Strategien, um die Hintergrundbelastung durch Industrie und Landwirtschaft zu mindern, und einen Qualitätssprung beim ÖPNV.

    Idee und Umsetzung: Jürgen Knepper und Axel Bäumer

    Systematik: 6100 Umwelt; 6160 Immissionen und Emissionen; 6150 Luft

    ID: LIN04193

  • Das Königsrecht des Parlaments.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 13 - 21.12.2007

    Das Etatrecht, so stand es früher in den Schulbüchern, ist das "Königsrecht" des Parlaments. Die gewählten Abgeordneten sind es, die der Regierung das Geld in die Hand geben, damit sie ihre politischen Schwerpunkte umsetzen und so "regieren" kann.
    Drei Lesungen bedarf es, um ein Haushaltsgesetz zu verabschieden. Drei Lesungen - das gibt es sonst nur bei Staatsverträgen oder bei Verfassungsänderungen. Die Regierungskoalition stärkt dabei ihrer Ministerriege den Rücken, die Opposition übt Kritik und legt ihre Gegenvorschläge auf den Tisch.
    Dass die Alternativen, die unterbreitet werden, in den seltensten Fällen zur Geltung kommen, liegt an der Mehrheit, die die letzte Wahl geschaffen hat. Die Änderungsanträge zum Landeshaushalt mögen in den Augen der Opposition noch so gut begründet sein - sie werden nach der Erörterung in der Regel niedergestimmt.
    Das ist wahrlich kein Erfolgserlebnis, schon gar nicht auf Dauer. Der Frust darüber kann im Lauf der Jahre so groß werden, dass man auf Änderungsanträge von vornherein verzichtet ("Hat ja doch alles keinen Zweck") oder dass sich eine Oppositionsfraktion, wie das in der Vergangenheit im Landtag passiert ist, für eine Runde aus der Haushaltsdebatte ausklinkt.

    Höhepunkt

    Keine Rede ist auch mehr von einem anderen Haushaltsexperiment, dem Doppelhaushalt. Den legte Rot-Grün für die Jahre 2004 und 2005 vor. Das hat sich nicht bewährt, schon gar nicht aus der Sicht des Parlaments. Konjunktur, Entwicklung der Arbeitslosigkeit, Wirtschaftsdaten, Steuerschätzung, Zinsentwicklung, Lohnabschlüsse, Inflationsrate, globale Faktoren - das kann kein Fachmann seriös für zwei Jahre vorhersagen. Wenn nachgesteuert werden muss, dann dreht in erster Linie der Finanzminister an den Stellrädern - die Legislative, das Parlament, hat im Zweifelsfall wenig Einfluss.
    Und irgendwie hat beim Doppelhaushalt auch etwas gefehlt. Die regelmässig wiederkehrende Auseinandersetzung über die Finanzen des Landes unterblieb in einem Jahr. Dem parlamentarischen Ablauf fehlte der Höhepunkt, es mangelte an Farbe und Würze. Davon kann diesmal keine Rede sein. Es ist Halbzeit im Landtag. Die Köche der beiden Lager arbeiten mit Blick auf den kommenden Wahltermin an ihrem Speisezettel für 2010. Fad wird er nicht werden, soviel ist nach drei Haushaltslesungen sicher.
    JK

    ID: LIN04116

  • Redeschlacht um Milliarden.
    Kontroverse Diskussion über die Finanzen des Landes.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 4-9 in Ausgabe 13 - 21.12.2007

    In einem zweitägigen Redemarathon hat der Landtag Anfang Dezember dem von der Landesregierung vorgelegten Entwurf für den Haushalt 2008 zugestimmt. Der Etat für das kommende Jahr umfasst ein Volumen von rund 51 Milliarden Euro und damit gut eine Milliarde mehr als 2007. Während die Koalition das Land weiterhin mit Erfolg auf dem eingeschlagenen Konsolidierungskurs sah, warf die Opposition dem schwarz-gelben Regierungslager vor, es spare nicht genug. Und wenn gespart werde, dann vor allem bei den Familien und bei der Jugend. Mit 80 Änderungsanträgen versuchten SPD und Grüne sowie der fraktionslose Abgeordnete Rüdiger Sagel den vorgelegten Haushalt zu verändern. Vergeblich: Alle Anträge wurden von der Koalitionsmehrheit abgelehnt, einer sogar in namentlicher Abstimmung. Mit ihm wollten die Grünen den Verkauf von Staatswald stoppen.

    Innen- und Verwaltungsstrukturreform

    Dr. Karsten Rudolph (SPD) verstand den Haushaltsentwurf als "Raubbau an der inneren Sicherheit". Die Sicherheitsbehörden in NRW seien "nur noch bedingt einsatzfähig", was die Zahl der unaufgeklärten Kriminaltaten beweise.
    Theo Kruse (CDU) erklärte, die Konsolidierung der Landesfinanzen habe höchste Priorität. Dennoch komme es nun zu Mehreinstellungen von Polizeianwärterinnen und Polizeianwärtern zugunsten der Altersstruktur im Polizeidienst.
    Horst Engel (FDP) sagte, die Landesregierung stelle die Polizei im Land neu auf, indem der Polizeidienst auf seine Kernaufgaben konzentriert werde. Dies, so Engel, geschehe nach dem Credo: "Mehr fahnden, weniger verwalten."
    Monika Düker (GRÜNE) befürchtete, durch die geplanten Mehreinstellungen bei der Polizei sei langfristig allenfalls ein "Plus-Minus-Spiel" im Personalbestand zu erreichen. "Mehr Polizisten gibt es also noch lange nicht auf den Straßen", so Düker.
    Innenminister Dr. Ingo Wolf (FDP) gab zu Protokoll: "Die innere Sicherheit ist uns sehr viel wert." Für die Arbeit der Polizei seien im kommenden Jahr trotz weiterhin angespannter Haushaltslage rund 2,4 Milliarden Euro vorgesehen.

    Sport

    Theo Peschkes (SPD) war sich sicher: "Der Sport führt unter dieser Koalition ein Schattendasein." Es gebe keine Konzepte zur Förderung des Nachwuchssports, des Leistungssports und zur Absicherung des Sports im Alltag.
    Holger Müller (CDU) sah es völlig anders: "Dieser Sporthaushalt ist ein gutes Gesamtwerk." Wenn die Wetteinnahmen als Mittel zur Sportförderung zurückgingen, dann sei das nicht Schuld der Landesregierung. Dieses System habe Rot-Grün etabliert.
    Christof Rasche (FDP) nahm es sportlich: "Mit diesem Haushalt hat der Sport wieder einen deutlichen Sieg eingefahren." Mit dem Etat würden die beiden Ziele sehr gut vereinbart, den Sport zu fördern und gleichzeitig den Haushalt zu konsolidieren.
    Ewald Groth (GRÜNE) kam zu dem Urteil, die Sportpolitik von Sportminister Wolf und Ministerpräsident Rüttgers sei "ohne jede Konzeption und vor allen Dingen ohne jedes zielgerichtete Engagement für den Sport".
    Minister Dr. Ingo Wolf (FDP) tröstete sich: Die substanzlosen Vorwürfe der Opposition gingen allesamt ins Leere. Auch angesichts sinkender Lottoerlöse - an denen weide sich geradezu die SPD - : "Wir werden die notwendigen Mittel aufbringen, um zu helfen".

    Gemeindefinanzierungsgesetz

    Ralf Jäger (SPD) betonte, die kommunale Finanzsituation werde zunehmend dramatischer. Im Mai 2007 hätten 190 Kommunen ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen müssen. Die Landesregierung habe ihnen eine Milliarde Euro entzogen.
    Rainer Lux (CDU) erklärte, die Landesregierung halte ihre Finanzierungszusagen an die Kommunen ein. Im nächsten Jahr würden diese 840 Millionen Euro mehr erhalten als zuvor. Dies sei ein Beitrag, um die Haushalte konsolidieren zu können.
    Horst Engel (FDP) nannte die Gemeindefinanzierung 2008 "Balsam für finanzschwache Kommunen". Ende 2006 habe es 113 Kommunen mit Nothaushalt gegeben, im Oktober 2007 noch 104. Das beweise "die Richtigkeit der Finanzpolitik."
    Horst Becker (GRÜNE) warf dem Finanzminister einen "Raubzug durch kommunale Kassen" vor. Die Landesregierung habe den Kommunen schrittweise Finanzmittel entzogen und ihnen zugleich neue Lasten von 245 Millionen Euro zugeschoben.
    Minister Dr. Ingo Wolf (FDP) zeigte sich erfreut, dass die Zahl der Kommunen mit Haushaltssicherung und Nothaushalten seit dem Jahr 2000 erstmals zurückgehe. Nun müsse man diesen Kommunen mehr Handlungsfreiheit ermöglichen.

    Allgemeine Finanzverwaltung und Haushaltsgesetz

    Theo Peschkes (SPD) meinte, die Beschäftigten der Finanzverwaltung würden sich im Stich gelassen fühlen. Die personelle Lage in der Verwaltung verschärfe sich zusehends: "Es wird am falschen Ende gespart."
    Volkmar Klein (CDU) erläuterte, dass der Haushaltsentwurf die richtige Balance zwischen Einsparungen und Investitionen finde. Der Abbau der Neuverschuldung sei "der wichtigste Beitrag, den wir für unsere Kinder leisten können".
    Angela Freimuth (FDP) lobte die "historisch niedrige Nettokreditaufnahme" für das kommende Jahr. Zugleich fordert sie ein "transparenteres und einfacheres Steuersystem", das auch der Finanzverwaltung spürbar zugute komme.
    Ewald Groth (GRÜNE) kritisierte den "Haushalt der Sünden". CDU und FDP hätten den Schuldenberg auf 118 Milliarden Euro erhöht, obwohl die Steuereinnahmen mit 41,5 Milliarden Euro auf dem höchsten Niveau aller Zeiten lägen.
    Finanzminister Dr. Helmut Linssen (CDU) erklärte, die Finanzverwaltung erbringe den schon von Rot-Grün geforderten Beitrag zum Personalabbau. Der Stellenbestand in der Verwaltung sinke deshalb ab Januar 2008 um 1,3 Prozent.

    Generationen und Familie, Kinder und Jugend

    Wolfgang Jörg (SPD) bemängelte, der vorgelegte Haushalt werde den Problemen in der Kinder- und Familienpolitik nicht gerecht. So spare die Landesregierung im kommenden Jahr weitere 20 Millionen Euro in der offenen Jugendarbeit ein.
    Marie-Theres Kastner (CDU) hob die haushaltpolitischen Prioritäten für Kinder und Jugendliche hervor. Die Landesregierung stelle 969 Millionen Euro für frühkindliche Bildung zur Verfügung und fördere die Familienhilfe auf anhaltend hohem Niveau.
    Christian Lindner (FDP) wies auf Förderprogramme zur Vernetzung von Akteuren der Familienhilfe hin. So könnten in den Kommunen soziale Frühwarnsysteme mit "deutlich erhöhten Mitteln von 1,5 Millionen Euro implementiert werden."
    Andrea Asch (GRÜNE) erklärte, trotz Rekordeinnahmen schreibe die Landesregierung die finanziellen Kürzungen bei Kindern, Jugendlichen und Familien fort. Sie befürchte unter anderem eine Unterfinanzierung von Familienzentren.
    Minister Armin Laschet (CDU) unterstrich "erhebliche Steigerungen" in der finanziellen Förderung von Kindern und Jugendlichen. Insgesamt stelle die Landesregierung über eine Milliarde Euro für Kinder in Nordrhein-Westfalen bereit.

    Frauen

    Gerda Kieninger (SPD) konnte in den Haushaltsberatungen "Gleichstellungspolitik kaum noch erkennen", da die Landesregierung "drastische Einschnitte" besonders bei dringend notwendigen Beratungsangeboten für Frauen vornehme.
    Maria Westerhorstmann (CDU) sah die Landesregierung in der Frauenpolitik "gut aufgestellt". Durch den weiteren Ausbau der Kinderbetreuungs- angebote unterstütze man die für Frauen elementar wichtige Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP) begrüßte, "dass mit dem Haushaltsentwurf 2008 im Bereich der Frauenpolitik Kontinuität gewahrt wird und neue Akzente gesetzt werden." Politischer Schwerpunkt bleibe die berufliche Gleichstellung von Frauen.
    Barbara Steffens (GRÜNE) entgegnete, die Frauenpolitik bleibe im Haushaltsentwurf "auf der Strecke". Kritisch beurteile sie die Streichung der zweiten Fachkraftstelle in den Frauenhäusern. "Die Auswirkungen sind massiv."
    Minister Armin Laschet (CDU) erklärte, Frauenpolitik sei "alles andere als Politik für Randgruppen oder eine Klientelpolitik." Zum zweiten Mal erfahre deshalb der Etat in Höhe von 14,8 Millionen Euro trotz schwieriger Haushaltslage keinerlei Kürzungen.

    Integration und Eine-Welt

    Angela Tillmann (SPD) merkte kritisch an, dass der Einzelplan für 2008 ohne positive Änderungen aus 2007 übernommen worden sei. "Es nutzt nichts, wenn Sie von der Vielfalt sprechen, die Migranten mitbringen, diese Vielfalt aber nicht fördern."
    Michael Solf (CDU) sagte, in der Integrationspolitik entscheide sich die "Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft." Der Einzelplan sei vor diesem Hintergrund eine "solide und seriös gerechnete Vorlage" für weitere Integrationsprojekte.
    Christian Lindner (FDP) formulierte den Anspruch: "Wir wollen keine Parallelstrukturen für Einheimische und Zugewanderte." Deshalb würden bewährte Förderstrukturen nun so ausgerichtet, dass sie alle Menschen in NRW ansprechen.
    Andrea Asch (GRÜNE) beklagte, dass die Eine-Welt-Politik im Haushalt nicht ausreichend berücksichtigt werde. Darunter litten Anstrengungen zu fairem Handel, zur Armutsbekämpfung und zur Bildung in den betroffenen Ländern.
    Minister Laschet (CDU) beschrieb die Eine-Welt-Politik als neuen Handlungsschwerpunkt im Jahr 2008. Nordrhein-Westfalen sei ein "internationales Land" mit vielen Außenwirtschaftsbeziehungen und daher ein wichtiger politischer "Zielgeber".

    Arbeit und berufliche Weiterbildung

    Rainer Schmeltzer (SPD) warf der Landesregierung vor, Steuermehreinnahmen nicht zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einzusetzen. Man habe keine Programme unabhängig von Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) initiiert.
    Norbert Post (CDU) betonte, der Haushalt enthalte Neubewilligungen in Höhe von 135 Millionen Euro und konzentriere sich auf klare Programmstrukturen für den Arbeitsmarkt. "Förderung geht nicht mehr mit der Gießkanne."
    Dr. Stefan Romberg (FDP) führte die Ausbildungsförderung von Jugendlichen als politischen Schwerpunkt an. Der Landesregierung sei es gelungen, ihre Programme vor dem Hintergrund sinkender europäischer Förderzuschüsse neu zu strukturieren.
    Barbara Steffens (GRÜNE) zeigte sich enttäuscht, dass Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte künftig nicht mehr durch Mittel aus dem ESF unterstützt würden. Sie sprach sich für den Erhalt der Arbeitslosenzentren aus.
    Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte, sich besonders stark für die Ausbildungschancen junger Menschen einzusetzen. Der Haushalt stelle 118 Millionen Euro bereit, um erfolgreiche Förderprogramme fortzuführen.

    Gesundheit und Soziales

    Heike Gebhard (SPD) empfand den Haushaltsentwurf als "gesundheitspolitisch völlig unzureichend." Der Gesundheitsminister sende "ein falsches Signal ins Land", wenn er beispielsweise den Krebsberatungsstellen keine Förderung zuspreche.
    Oskar Burkert (CDU) erklärte, die Landesregierung sichere die verlässliche Finanzierung der Krankenhäuser und fördere die Gesundheitswirtschaft im Land. Bis zum Jahr 2015 könnten 2.000 neue Arbeitsplätze in diesem Bereich entstehen.
    Dr. Stefan Romberg (FDP) verdeutlichte, wie wichtig die Prävention im Gesundheitssektor sei. Zu den geförderten Projekten gehörten beispielsweise Aufklärungskampagnen zu den Folgeschäden von Drogenmissbrauch.
    Barbara Steffens (GRÜNE) sprach sich gegen finanzielle Einsparungen im Bereich der Patientenselbsthilfe aus: "Jeder weiß, dass man die Vernetzung und Koordinierung der Selbsthilfestrukturen nicht mit Ehrenamtlichen leisten kann."
    Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) versprach im Plenum, die gesundheitliche Prävention weiter zu entwickeln und zu stärken. Für Präventionsmaßnahmen seien im Haushaltsentwurf insgesamt 280.000 Euro an Landesmitteln vorgesehen.

    Staatskanzlei und Europaangelegenheiten

    Wolfram Kuschke (SPD) bezeichnete es als "Unding", das Land Nordrhein-Westfalen am neuen Benelux-Staatsvertrag beteiligen zu wollen. Die Proteste aus den Nachbarländern hätten deutlich gemacht, "dass dies kein realistischer Weg ist."
    Ilka von Boeselager (CDU) begründete die finanziellen Erhöhungen im Repräsentationstitel für den Ministerpräsidenten: "Wir wollen, dass unser Ministerpräsident mit Auslandsreisen das Land NRW nach außen repräsentiert."
    Dietmar Brockes (FDP) meinte, Nordrhein-Westfalen habe "alle Gründe, sich in Europa selbstbewusst zu positionieren." Die Mittel für Europa und internationale Angelegenheiten würden deshalb um 850.000 Euro aufgestockt. Den Kontakt mit Benelux wünsche sich NRW "je enger, desto besser". Diese Botschaft sei bei den Partnern angekommen.
    Sylvia Löhrmann, GRÜNE-Fraktionsvorsitzende, sah die Europapolitik bei der Landesregierung "nur eine sehr untergeordnete Rolle" spielen. Die Staatskanzlei habe Chancen verpasst, sich auf europäischer Ebene beispielweise an Initiativen zum Klimaschutz zu beteiligen.
    Europaminister Andreas Krautscheid (CDU) warf einen Blick auf Pläne des kommenden Jahres, die Partnerschaft zu Frankreich auszuweiten. "Mit großem Aufwand werden wir versuchen, Kultur, Kunst und Menschen aus NRW in Frankreich zu präsentieren."

    Kultur

    Claudia Nell-Paul (SPD) freute sich "auf den ersten Blick" über einen Zuwachs von 22 Millionen Euro im Einzelplan. Allerdings sehe man im Detail, dass ein Großteil des Geldes allein für den Ausbau der Kunstsammlung K20 bestimmt sei.
    Professor Dr. Thomas Sternberg (CDU) hob eine Steigerung des Kulturförderetats um 15,3 Millionen Euro auf insgesamt 154 Millionen Euro hervor. Sein Fazit zum Entwurf: "In Nordrhein-Westfalen ist Kulturpolitik wieder ein wichtiges Feld."
    Angela Freimuth (FDP) erklärte, die Kulturausgaben flössen schwerpunktmäßig in Projekte zur kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen. Mit dieser Bildung könne man die soziale Kompetenz der jungen Menschen fördern und stärken.
    Oliver Keymis (GRÜNE) entdeckte im Entwurf einige "Wermutstropfen": Bei aller Freude über die Zahlen habe man die "Baustelle, dass die Kulturpolitik den Aufwachs sehr insular erlebt, während wir im kommunalen Bereich vor Problemen stehen."
    Minister Andreas Krautscheid (CDU) erneuerte das Wahlversprechen, "die Kulturpolitik zu einem Markenzeichen dieser Landesregierung zu machen." Mit einer Verdoppelung des Kulturetats setze man dieses Versprechen weiterhin um.

    Medien

    Marc Jan Eumann (SPD) prangerte "kräftige Kürzungen" im Medienetat des Landes an. Zum Beispiel fehlten Impulse der Landesregierung zur Förderung der Filmstiftung NRW und der Lokalradios in Nordrhein-Westfalen.
    Dr. Michael Brinkmeier (CDU) rief die Abgeordneten zur einer parteiübergreifenden Medienpolitik auf: "Medienpolitik muss nach Grundsätzen leben, die auch etwaige Regierungswechsel überdauern." Diese Kontinuität gelte es weiterhin zu pflegen.
    Ralf Witzel (FDP) sah zahlreiche medienpolitische Fragen auf die Landespolitik zukommen. Dazu gehöre die Frage nach der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Insbesondere die Online-Expansion gelte es zu diskutieren.
    Oliver Keymis (GRÜNE) beklagte: "In Nordrhein-Westfalen gibt es kaum noch Medienpolitik." So kürze die Landesregierung weitere Mittel bei der Filmstiftung, "obwohl es leicht wäre, an dieser Stelle etwas großzügiger zu agieren."
    Minister Andreas Krautscheid (CDU) wehrte sich gegen Vorwürfe, der Medienetat werde zusammengestrichen. Vielmehr habe die Landesregierung ihre Förderstrategie neu ausgerichtet und erstmals ein Mediencluster entworfen.

    Justizministerium

    Frank Sichau (SPD) vermisste finanzwirtschaftliche Begründungen für die Zusammenlegung von Amtsgerichten. Es würden Strukturen zerschlagen, "die gut und richtig sind." Das sei eine Konsolidierung "der negativen Art".
    Harald Giebels (CDU) stimmte den Plänen der Landesregierung zu, bis 2010 weitere 740 Haftplätze im Jugendstrafvollzug schaffen zu wollen. "Dies ist ein wichtiger Bestandteil zur wirksamen Bekämpfung der Jugendkriminalität."
    Dr. Robert Orth (FDP) verwies auf die Städte Düsseldorf und Köln, die jeweils nur ein Amtsgericht hätten. "Was dort klappt, muss auch in Duisburg oder Essen klappen." Es gebe keine Argumente gegen die Zusammenlegung von Gerichten.
    Monika Düker (GRÜNE) bezweifelte, dass der Haushalt die Funktionsfähigkeit der Justiz stärke. Das Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger auf ein zügiges Gerichtsverfahren sei durch finanzielle Sparmaßnahmen in Gefahr.
    Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) betonte, der Haushalt schaffe den "Spagat zwischen Konsolidierung und Gewährleistung einer leistungsfähigen Justiz." Auch die Fortentwicklung des Strafvollzuges bleibe garantiert.

    Städtebau und Wohnen

    Monika Ruff-Händelkes (SPD) hielt die Wohnungsbaupolitik der Landesregierung für verantwortungslos. Sie reduziere den sozialen Wohnungsbau und gebe keine Antwort auf die Probleme des demographischen Wandels.
    Heinz Sahnen (CDU) stelle fest, der Kurs der Koalition in der Wohnungs- und Städtebaupolitik der letzten zwei Jahre sei richtig gewesen. Beide, die Städtebau- und die Wohnungspolitik, müssten seiner Meinung nach stärker vernetzt werden.
    Christof Rasche (FDP) fand die Politik in diesem Bereich nach dem Neuanfang ebenfalls "auf einem guten Weg". Das Wohnungsbauförderungsvolumen von 840 Millionen Euro sei im bundesweiten Vergleich "extrem hoch".
    Horst Becker (GRÜNE) meinte, das Konsolidierungsopfer, das Minister Wittke überproportional im Städtebau und im Wohnungsbau erbringe, müssten letzten Endes die Bürgerinnen und Bürger bezahlen.
    Städtebauminister Oliver Wittke (CDU) meinte, es liege im Interesse der Mieter, dass im sozialen Wohnungsbau verstärkt Energie gespart werde. Darum werde es im kommenden Jahr eine "Qualitätsoffensive hin zu verstärktem Klimaschutz im Wohnungsneubau und -bestand" geben.

    Verkehr

    Bodo Wißen (SPD) bezifferte den Verlust der Mittel für den Bereich Bauen und Verkehr auf 100 Millionen Euro. Den privaten Bahnen werde der Hahn zugedreht. "Herr Wittke, Sie sind der einzige Minister, dem der Haushalt gekürzt wird."
    Bernd Schulte (CDU) rechnete vor, dass die Mittel für den Landesstraßenbau trotz der Sparzwänge gesteigert worden seien. In der Mitte der Legislaturperiode habe man schon viel erreicht und sei dabei, die Weichen für die Zukunft der Verkehrsträger in NRW erfolgreich zu stellen.
    Christof Rasche (FDP) sah ebenfalls diese Wende in der Verkehrspolitik. Schwarz -Gelb stelle wieder den von Rot-Grün jahrelang geleugneten Zusammenhang her zwischen Arbeitsplätzen, Wirtschaft und Wohlstand auf der einen sowie Verkehr, Logistik und Infrastruktur auf der anderen Seite.
    Horst Becker (GRÜNE) diagnostizierte das Gegenteil: Wittke sei ein "verkehrspolitischer Geisterfahrer". Er stoppe den Ausbau der Schiene und sei nicht bereit, wegfallende Bundesmittel durch das Land zu kompensieren. Auch der demographische Wandel sei noch nicht in der Verkehrspolitik angekommen.
    Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) erwartete mit der Neuordnung der Förderung im ÖPNV für die Aufgabenträger mehr Gestaltungsspielraum und mehr Effizienz. Trotz Konsolidierung bleibe die Modernisierung des Landes im Blick.

    Schule und Weiterbildung

    Ute Schäfer (SPD) erkannte im Etat der Schulministerin eine weitere "Lehrerstellenlüge": Die versprochenen 4.000 zusätzlichen Stellen seien mittlerweile halbiert worden. Das müsse zurückgenommen, Kinder aus sozial schwachen Familien unterstützt werden.
    Bernhard Recker (CDU) kündigte an, nach Abschluss der Haushaltsberatungen werde es 5.084 zusätzliche Lehrerstellen im System geben. Wenn man die 4.180 trotz zurückgehender Schülerzahlen belassenen Stellen dazurechne, komme man sogar auf 9.264 Lehrerstellen.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP) betonte ebenfalls, der demographische Wandel werde nicht als "Spardose" genutzt. Es werde für die Bürger weiterhin ein Grundangebot gesellschaftlich wichtiger Weiterbildung in gesicherter Qualität geben.
    Sigrid Beer (GRÜNE) geißelte das starre Festhalten am gegliederten Schulsystem im Land: Darum komme man auch bei PISA nicht voran. Und sozial benachteiligte Schüler blieben weiter abgehängt.
    Schulministerin Barbara Sommer (CDU) sagte das Gegenteil: "Unsere Schulen im Land werden besser. Darauf können wir alle stolz sein." Mit jeweils 88 Millionen Euro habe die Weiterbildung im kommenden und den folgenden beiden Jahren eine verlässliche Planungsgrundlage.

    Innovation, Wissenschaft Forschung und Technologie

    Karl Schultheis (SPD) qualifizierte den Etat als einen "Haushalt des Etikettenschwindels". Zum ersten Mal steige er wieder, erreiche aber trotzdem nur das Niveau, das er 2005 unter Rot-Grün schon hatte. Statt Schwerpunkte zu setzen, würden die Mittel so flexibilisiert, "dass sie für alles und jedes genutzt werden können".
    Bodo Löttgen (CDU) freute sich über den Zuwachs von 3,8 Prozent bei den Innovationsförderungsmitteln. Das sei der Beweis, dass sich die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen dem hohen Tempo der "Hochgeschwindigkeitsglobalisierung" angepasst hätten.
    Christian Lindner (FDP) widersprach den Reden von sinkendem Haushaltsmitteln. Der Etat reihe sich ein in die Maßnahmen, "NRW bis zum Jahr 2015 zum Innovationsland Nummer eins zu machen". Die SPD dagegen zeichne "Horrorszenarien".
    Dr. Ruth Seidl (GRÜNE) übte Kritik an den Studiengebühren: Sie versickerten im System, sie seien "Betrug an den Studierenden" und schreckten Studienwillige ab, hielt sie dem Innovationsminister vor. Der Innovationsminister betreibe eine Politik "ohne Schwerpunkte und ohne Profil".
    Innovationsminister Professor Dr. Andreas Pinkwart (FDP) legte sich fest: Die Landesregierung erfülle die Garantien des Zukunftspakts mit den Hochschulen "ohne Wenn und Aber". Die Hochschulen würden 2008 über mehr Mittel verfügen als im Vorjahr und - übrigens - auch mehr als bei Regierungsübernahme. Die Studierenden sollten die Hochschulen drängen, dass ihre Beiträge zweckgebunden und wirksam verwendet würden.
    Dr. Ruth Seidl (GRÜNE) umschrieb die Realität der Hochschulpolitik nach zweieinhalb Jahren so: Rückzug aus der staatlichen Verantwortung, Studiengebühren mit mehr als zweifelhafter Verwendung, viel zu wenig Studierende und wachsender Akademiker- und Fachkräftemangel.
    Ralf Witzel (FDP) wertete die Neuprofilierung des Politikfelds Innovation in NRW als "beispiellos". Mit einem Weniger an Bürokratie werde in die Zukunft des Landes, in neue Arbeitsplätze und in den Strukturwandel investiert. Die Ausrichtung auf Innovation mit einer Vielzahl an Programmen, vernetzt mit anderen Ressorts und vorangetrieben mit privaten Partnern, sei wichtig für ein Land im Umbruch.
    Karl Schultheis (SPD) warf der Regierung vor, sie betreibe eine Bildungspolitik, die das Ziel, dass mehr junge Leute studieren, ins Gegenteil verkehre. Und die angeblich neuen Instrumente in der Innovationspolitik gebe es schon seit vielen Jahren in NRW.
    Sigrid Beer (GRÜNE) forderte den Minister auf, zu seinem Vorschlag einer Regionalschule zu stehen. Das gegliederte Schulsystem bringe frühe Selektion und führe zu einem "Sozial-Abgehängtwerden".
    Bodo Löttgen (CDU) hielt der Opposition vor, sie habe wenig Vorstellungen darüber, "was positive Faktoren für ein Innovationsklima sind". Zahlen würden einfach nicht anerkannt, weil sie den Aufwärtstrend in diesem Feld dokumentierten.

    Umwelt und Naturschutz, Verbraucherschutz und Landwirtschaft

    Svenja Schulze (SPD) urteilte, die Regierung senke die Standards im Verbraucherschutz und in der Umweltpolitik. Antworten auf Zukunftsfragen würden nicht gegeben. Das Ehrenamt im Naturschutz werde "mit Füßen getreten".
    Marie-Luise Fasse (CDU) machte auf die Schwerpunkte aufmerksam, die man gesetzt und mit denen man Verbesserungen erreicht habe. Im Umweltschutz gelte das Motto: "Qualität vor Quantität und Stärken stärken". Man sei verlässlicher Partner des ehrenamtlichen Naturschutzes.
    Holger Ellerbrock (FDP) meinte, ähnlich wie beim Naturschutz solle es auch für den Verbraucherschutz im Land eine verlässliche Kalkulationsgrundlage geben. Darum werde es eine Vereinbarung zwischen Regierung und Verbraucherzentrale geben.
    Johannes Remmel (GRÜNE) sah für Verbraucher- und Naturschutz nichts Positives darin, auf geradezu niedrigstem Niveau einen Standard abzusichern". Das sei so, als werde einem, dem das Wasser bis zum Hals stünde, gesagt: "Diesen Zustand halten wir noch bis zum Ende der Legislaturperiode".
    Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) war stolz auf seinen Beitrag zur erfolgreichen Haushaltskonsolidierung. Trotzdem könnten 2008 alle notwendigen Maßnahmen finanziert werden. Das sei "mehr als erfreulich". Aktive Umweltpolitik, nachhaltige Verbraucherschutzpolitik, gute Agrarpolitik und ein guter Ansatz beim Hochwasserschutz - dafür sei der Etat eine gute Grundlage.
    Annette Watermann-Krass (SPD) warf der Regierung vor, sie habe die Forstreform durchgesetzt, obwohl nach dem Orkan Kyrill im Forst jede helfende Hand auf Jahre noch gebraucht werde. Sie sei auch nicht bereit, ihre Landwirtschaftspolitik der Zukunft anzupassen.
    Friedhelm Ortgies (CDU) verwies darauf, immer mehr Menschen sähen ein, wie wichtig eine funktionierende Landwirtschaft für das Land sei. Die Preise hätten sich positiv entwickelt, der unsinnige Zwang zur Flächenstilllegung sei abgeschafft. "Wir brauchen die Landwirtschaft zum Leben", stellte er fest.
    Holger Ellerbrock (FDP) hatte kein Verständnis für die Klage der SPD über die Situation beim Landesbetrieb Wald und Holz. Den habe Rot-Grün gegründet und diesen "Trümmerhaufen" habe Schwarz-Gelb übernehmen müssen, um daraus etwas Vernünftiges zu machen.
    Johannes Remmel (GRÜNE) kündigte an, seine Fraktion bestehe auf einer namentlichen Abstimmung über ihren Antrag zum Verkauf von Staatswald, um dadurch 30 Millionen Euro zu erlösen.
    Gisela Walsken (SPD) bezeichnete es als unseriös, Wald zu verkaufen, um das Geld zur Haushaltskonsolidierung zu verwenden.

    Wirtschaft und Mittelstand

    Thomas Eiskirch (SPD) meinte, die Wirtschaftsministerin habe "Glück": Angesichts der guten Konjunktur fielen ihre Versäumnisse nicht so stark auf. Insgesamt hätten das Land und die Menschen die "mutlose, ideenlose und perspektivlose" Wirtschaftspolitik nicht verdient.
    Lutz Lienenkämper (CDU) konterte: Diese Kritik sei "haltlos, strategielos und maßlos". Das Wirtschaftswachstum sei inzwischen größer als unter Rot-Grün, Schwarz-Gelb habe dafür die Rahmenbedingungen geschaffen.
    Dietmar Brockes (FDP) sagte, dass NRW wieder zu einem Land mit neuen Stärken und Chancen geworden sei, habe damit zu tun, dass die Koalition der Wirtschaft die Freiheiten zurückgegeben habe, die ihr Rot-Grün zuvor genommen hatte.
    Reiner Priggen (GRÜNE) befürchtete, aus der "Koalition der Erneuerung" werde allmählich eine "Koalition des Weihrauchs". Der Aufschwung geschehe bundesweit; zu sagen, Schwarz-Gelb in NRW habe das durch seine Rahmenbedingungen geschafft, sei "ein bisschen übertrieben".
    Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) erwähnte, 50 Prozent ihres Haushalts machten immer noch die Steinkohlenbeihilfen aus. "Stolz sind wir allerdings auf die Mittelstandspakete und auf nachweisbare Schritte zum Bürokratieabbau". Man habe Zuständigkeiten auf die Selbstverwaltung zurückübertragen.

    Energie

    Uwe Leuchtenberg (SPD) vermisste eine zukunftsgerichtete Energiepolitik bei der Koalition. Massive Kürzungen bei der erneuerbaren Energie und trotz der Einsparungen bei der Kohle sei es nicht sichtbar, wie die Mittel für die versprochene nachhaltige Umgestaltung der Energieversorgung eingesetzt werden.
    Christian Weisbrich (CDU) erläuterte, das Geld sei weg, das Land wegen der hohen Steinkohlensubventionierung "ausgeblutet". Darum seien auch zur Förderung regenerativer Energie einfach nicht mehr Mittel aufzuwenden.
    Dietmar Brockes (FDP) nannte "Preisgünstigkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit" als gleichrangige Ziele liberaler Energiepolitik. Die deutsche Vorreiterrolle beim Klimaschutz dürfe nicht zum "industriellen Exodus" führen.
    Reiner Priggen (GRÜNE) vermisste bei den Koalitionsfraktionen "positive Akzente" in Sachen Klimaschutz. Die Entwicklung gehe klar in den Bereich der erneuerbaren Energien. Aber NRW nutze nicht die Chancen seiner Vorreiterrolle.
    Energieministerin Christa Thoben (CDU) fand nicht, dass hier "gepennt" werde. Die Energiewende könne man nicht einfach verordnen. Um etwa ein 800-KW-Braunkohlekraftwerk durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen, müsste ein Zehntel der Landesfläche mit Mais bepflanzt werden.

    Landesplanung

    Professor Dr. Gerd Bollermann (SPD) fand, für die Landesplanung sei auch 2008 nichts zu erwarten: Bei einer sachgerechten und modernen Landesplanung für das hoch industrialisierte und dicht besiedelte Land herrsche "Fehlanzeige".
    Josef Hovenjürgen (CDU) sah dagegen ein "schlüssiges und rundes Konzept". In der Landesplanung sei schon einiges auf den Weg gebracht worden. Doppelregelungen seien abgeschafft und die Planung neu ausgerichtet worden.
    Holger Ellerbrock (FDP) regte an, für wichtige Infrastrukturmaßnahmen ein neues Instrumentarium von der Flächensicherung bis zur Inbetriebnahme zu schaffen. Diese Projekte stünden nicht im Belieben eines Gemeinderats oder einer Bürgerinitiative.
    Reiner Priggen (GRÜNE) wandte sich gegen den unverändert zu hohen Freiflächenverbrauch. Er forderte von der Landesregierung Instrumente, um diesem "Wildwuchs" wirkungsvoll zu begegnen.
    Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) teilte mit, für die Landesplanung stehe eine Million Euro im Landeshaushalt, hauptsächlich für externe Gutachten. Die Ministerin kündigte im Sinne von "Deregulierung und Bürokratieabbau" die Novellierung des Landesplanungsgesetzes an.

    ID: LIN04112

  • "Feuerwerk" oder "Murks"?
    Regierungslager und Opposition in der dritten Lesung des Etats.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 10-11 in Ausgabe 13 - 21.12.2007

    "Ring frei zur letzen Runde" hieß es in der Debatte um den Landeshaushalt für das Jahr 2008. Kurz vor Weihnachten traten in der dritten Lesung die Spitzen von Koalition, Opposition und Regierung an, um ihre politischen Absichten und ihre politischen Gegenvorstellungen zu formulieren. Die Argumente zu den Einzeletats und ihren Positionen waren in den beiden Lesungen zuvor ausgetauscht worden, jetzt ging es um die große Linie - und darum, wem es am besten gelingt, die öffentliche Meinung auf seine Seite zu ziehen.
    Hannelore Kraft, SPD-Fraktionsvorsitzende, kam am Schluss ihrer Rede zu dem Urteil: Der Haushalt des kommenden Jahres zeige keine solide und verlässliche Politik, "das ist und bleibt Regierungsmurks, das ist Pfusch am Land". Der Ministerpräsident habe zu Beginn seiner Regierung ein "großes Regierungsfeuerwerk" angekündigt. Gehalten habe Rüttgers wenig. "Ihr Motto bleibt: versprochen - gebrochen". Die Ernüchterung sei inzwischen überall im Land eingezogen. Spätestens mit diesem Haushalt wüssten die Menschen, "dass Ihre vermeintliche Kernkompetenz, der gewissenhafte Umgang mit dem Geld der Steuerzahler, nur Effekthascherei und Wahlkampfrhetorik war". Die Defizite seien offenbar. In der Bildungspolitik werde nicht die beste Bildung für alle geboten. Bei Innovation und bei wirtschaftlichem Fortschritt lasse die Regierung Ideen und Impulse vermissen. Der vom Staat geforderte Ausgleich der Fliehkräfte im sozialen Zusammenleben bleibe aus. Hier habe die SPD klare Vorstellungen. Die Regierung verfüge dagegen nur über die "Rezepte von gestern", fand Kraft und fuhr fort: "Es bleibt dabei: Wir sind das Original, Sie sind die Kopie, wenn es um die Balance von sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlichem Fortschritt geht". Nach dem Urteil von Münster, das die Landesregierung zur Zurückzahlung an die Gemeinden verurteilt habe - es sei im Übrigen das zweite Mal, dass Finanzminister Linssen vom höchsten Gericht einen Verfassungsverstoß seines Haushalt bescheinigt bekommen habe - denke die Regierung schon jetzt darüber nach, wie sie den Kommunen die 1,6 Milliarden Euro, die sie in diesem und den folgenden Jahren aus Düsseldorf zu erwarten hätten, an anderer Stelle wieder abknöpfen könne. Das sei ein "Skandal". Der Haushalt 2008 sei jedenfalls das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt sei.
    Helmut Stahl, CDU-Fraktionsvorsitzender, vermisste bei den Sozialdemokraten ein politisches Konzept. Stattdessen würden Vorschläge vorgelegt, die mit "Luftbuchungen" gegenfinanziert werden sollten. Die Koalition und Landesregierung mit Jürgen Rüttgers an der Spitze gestalteten und veränderten das Land, um es und seine Bürgerinnen und Bürger an die Spitze in Europa zu bringen: "Das passt Ihnen nicht", hielt er der Oppositionssprecherin vor. Das versprochene Feuerwerk sei tatsächlich gelungen, gab er kontra: Erstmals unter 800.000 Arbeitslose, der Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt in NRW höher als im Bund, 2,2 Prozent mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und in einem Jahr mehr als 20-mal so viel Mittel für den Bau von Straßen als unter Rot-Grün. Das sei Aufbruch, Investition in die Zukunft. Wie "Mehltau" habe der von Rot-Grün verursachte Investitionsstau das Land überzogen, der sie jetzt überwunden. Rot-Grün habe zu Regierungszeiten versäumt, die Betreuung für die unter Dreijährigen auszubauen, Ergebnis: Platz nur für jedes 35. Kind. 2010 gebe es in dieser Gruppe eine Betreuungsmöglichkeit für jedes vierte oder fünfte Kind. "Sie haben versagt, uns einen Riesenschuldenberg hinterlassen, den wir jetzt dabei sind abzubauen", stellte der Fraktionsvorsitzende fest und erteilte den Bemühungen der SPD eine Absage, "die Koalition in einen Schulkampf zu zwingen". In der Schulpolitik setze die Union auf Qualität und Evolution. Die SPD dagegen wolle Schulen abschaffen und Schilder austauschen, auf denen dann "Einheitsschule" stehe. Wie bei der Steinkohle sei man auch hier "von gestern". Stahl zum Schluss: "Nordrhein-Westfalen ist das Land der Zukunft mit diesem Ministerpräsidenten. Glückauf und ein gutes neues Jahr".
    Dr. Gerhard Papke, Vorsitzender der FDP-Fraktion, zog ein positives Fazit gelb-schwarzer Politik: Zum dritten Mal in Folge sei es gelungen, die Nettokreditaufnahme zu reduzieren. "2006 sind wir mit 3,2 Milliarden Euro gestartet, 2007 sind 2,3 Milliarden Euro veranschlagt und für das nächste Jahr haben wir die Nettoneuverschuldung auf 1,77 Milliarden Euro gesenkt", so Papke. Damit ereiche die Nettoneuverschuldung des Landes den niedrigsten Stand seit 30 Jahren. Rot-Grün hingegen habe in den letzten drei Jahren der Regierungszeit 20 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Offenbar lebe die Kollegin Kraft in einem "politischen Paralleluniversum", wenn sie vor dem Hintergrund dieser Zahlen der Landesregierung Unseriosität bei der Haushaltspolitik vorwerfe. Und auch mit Blick auf den Haushalt 2008 beantrage die Opposition Mehrausgaben in Höhe von 400 bis 500 Millionen Euro, ohne eine entsprechende Gegenfinanzierung benennen zu können, so der Fraktionschef. Vorrangiges Ziel der jetzigen Regierung sei es, den "Verschuldungsirrsinn der Vorgängerregierung" zu beenden. Das sei "oberstes Gebot der Generationengerechtigkeit." Mit dem Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau, dem Hochschulfreiheitsgesetz, der Reform der Gemeindeordnung, dem Abbau von Bürokratie und überflüssigen Verwaltungsstrukturen sowie dem Landespersonalvertretungs- und dem Kinderbildungsgesetz habe Gelb-Schwarz "Meilensteine in der Landespolitik" gesetzt. Papkes Resümee: "Wir haben in diesem Jahr viel zusammen geschafft, und wir werden auch im nächsten Jahr nicht auf Halten spielen, sondern wir werden gemeinsam weiter stürmen."
    Sylvia Löhrmann, GRÜNE-Fraktionsvorsitzende, bezeichnete den Haushalt als "ernüchternd, handwerklich miserabel, finanzpolitisch enttäuschend und in seiner Wirkung unsozial und ökologisch fatal". Die selbst ernannte "Koalition der Erneuerung" sei zur "Koalition der Ernüchterung" verkommen. Die Landesregierung habe ihr Versprechen gebrochen, den Haushalt zu konsolidieren, Schulden abzubauen und Ausgaben zu minimieren. "Diese Landesregierung türmt Rekordschulden auf, macht Rekordausgaben - und das alles trotz Rekordeinnahmen", so die Grünen-Chefin. An die Adresse des Finanzministers gerichtet sagte sie: "Hinter der Fassade des bürgerlichen, ehrlichen Kaufmanns sind Sie ein ganz gewöhnlicher Schuldenmacher!" Vor dem Hintergrund sei es gut und richtig, dass das Verfassungsgericht in Münster "Ihrem dreisten Versuch, sich auf Kosten der Kommunen zu bereichern, einen Riegel vorgeschoben hat". Auch der Versuch des Innenministers, sich das Urteil schönzureden, sei nur ein "Beweis für dessen Realitätsverlust", so Löhrmann weiter. Ihr Zwischenfazit nach zweieinhalb Jahren schwarz-gelber Regierungsverantwortung: Ob Kinderbildungsgesetz, ob Lehrerstellen, ob Studiengebühren - all das biete Anlass zur Ernüchterung. Erwartungsgemäß schlecht auch die Bilanz im Bereich Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz: nichts als "Abbau und Zerschlagung". Beim Klimaschutz sei der Ministerpräsident "näher bei Georg W. Bush als bei der Kanzlerin". Löhrmann schloss ihre Rede mit einem Zitat des französischen Philosophen Montaigne: "Jedem kann es mal passieren, dass er Unsinn redet. Schlimm wird es erst, wenn er es feierlich tut."
    Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) betonte, den Menschen in Nordrhein-Westfalen gehe es dank vielfacher Bemühungen der Landesregierung wieder besser. Die Neuverschuldung sinke mit 1,77 Milliarden Euro auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren. Außerdem habe die Zahl der Arbeitslosen mit 782.140 Menschen das niedrigste Niveau seit sechs Jahren erreicht. Mit über 132.000 Verträgen sei zugleich die Zahl der Ausbildungsplätze auf das beste Ergebnis seit 1991 erhöht worden. Den Bürgerinnen und Bürgern dankte Rüttgers für ihren "Beitrag zum Aufschwung", den sie etwa durch Verzicht auf Lohnerhöhungen geleistet hätten. Deutlich sei die Bereitschaft vieler Unternehmen zu spüren, in Zukunftsbranchen zu investieren. Zu diesem Wandel habe auch der Beschluss zum Ende der Steinkohlesubventionen geführt. "Das Ruhrgebiet ist nicht mehr ein Klotz am Bein der Wirtschaft", betonte Rüttgers. Nun komme es darauf an, den Anschluss an internationale Märkte auch durch den Ausbau der Infrastruktur zu garantieren. Der Ministerpräsident erklärte, die Landesregierung werde alles dafür tun, um umweltschonende Kraftwerkstechnologien weiter zu entwickeln. "Klimaschutzregeln dürfen aber nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen", stellte er klar. Ein weiteres Ziel sei der Ausbau der Betreuung für unter dreijährige Kinder um 70.000 Plätze bis 2010 und die Einrichtung von über 5.000 neuen Lehrerstellen zum kommenden Schuljahr. Mit Blick auf die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Hartz IV-Verwaltung sprach sich der Ministerpräsident für eine Kommunalisierung dieser Aufgabe aus. Zuvor müsse jedoch die Mitfinanzierung durch den Bund gewährleistet werden.

    Bildunterschrift:
    Die Konfrontation: Jürgen Rüttgers (CDU) und Hannelore Kraft (SPD)

    ID: LIN04130

  • Eine Landschaft verwandelt sich.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 12 - 05.12.2007

    Europäische Kulturhauptstadt. Der Jubel nach der Nominierung ist verklungen. Längst hat die Arbeit begonnen: Wie stellt sich eine Region dar, die mitten in Europa liegt und immer wieder Zankapfel war? Ruhrbesetzung, Ruhrkessel - das zeugt von Krieg.
    International ist das Ruhrgebiet längst kein Zankapfel mehr. Das heißt aber nicht, dass im Inneren immer Frieden geherrscht hätte. Noch zu Zeiten des Wirtschaftswunders kamen die ersten Zechenstilllegungen. Protestmärsche, schwarze Fahnen über der Ruhr. "Wenn die Ruhr brennt, hat der Rhein nicht genug Wasser zum Löschen" - diese Worte prägte ein Ministerpräsident in Düsseldorf. Betriebsblockaden, Mahnwachen, Brückenbesetzungen dann wieder in der Stahlkrise der 80er-Jahre.
    Andererseits aber auch: Das Revier als leuchtendes Beispiel für Integration - und das mehrmals. Nach dem Krieg kamen Flüchtlinge und Vertriebene, im 19. Jahrhundert wanderten aus dem Osten hunderttausende Arbeiter ein. Alle fanden hier ein Zuhause.

    Vorläufer

    Das alles ist Vergangenheit, aber noch nicht vorbei. Überall zwischen Ruhr und Emscher ragen noch die Relikte der Industriegeschichte in den Himmel. Die Internationale Bauausstellung Emscher Park hat das Land verändert und neues Interesse und neue Beschäftigung geschaffen.
    Kurz, so ein Riesenprojekt wie die Kulturhauptstadt entsteht nicht aus dem Nichts. Es hat Vorläufer und Probeläufe gegeben. Das ist das Kapital dieser Region. Und dann die Menschen: Mit welcher Herzlichkeit, Offenheit, Begeisterung haben sie bei der Fußballweltmeisterschaft im vergangenen Jahr die Besucher aus Nah und Fern aufgenommen! Keine Bange darum, dass eventuell das große Projekt Kulturhauptstadt schiefgehen könnte. Ein paar Fragen bleiben: Wie wird das Revier danach dastehen? Wie viel verändert sich? Auch da darf man guten Mutes sein. Frühere Kulturhauptstädte haben Erfolge gefeiert. Genua verwandelte seinen Hafen, Lille bewältigte seine Bergbaugeschichte, Glasgow streifte sein Image als triste Industriestadt ab.
    Und das Ruhrgebiet? Es ist schon jetzt die dichteste Kultur- und Bildungslandschaft und leistet Hervorragendes in den Zukunftstechnologien. Besucher und Touristen werden sich spätestens 2010 mit eigenen Augen davon überzeugen können. Was es bis dahin noch zu tun gibt, wird angepackt. Die Menschen im Revier konnten immer schon ihre Ärmel aufkrempeln ...
    JK

    ID: LIN03870

  • Odysseus zwischen Ruhr und Emscher.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 9 in Ausgabe 12 - 05.12.2007

    Finanzierung
    Von 2007 bis 2011 ist für die Realisierung des Projekts ein Budget von insgesamt rund 51 Millionen Euro gesichert. Davon kommen zwölf Millionen Euro vom Regionalverband Ruhr, zwölf Millionen vom Land NRW, zwölf Millionen von der Bundesregierung. Sechs Millionen steuert die Stadt Essen und 8,5 Millionen der Initiativkreis Ruhrgebiet bei.

    RUHR.2010 GmbH
    Mit der Geschäftsleitung für die RUHR.2010 GmbH sind als Vorsitzender Geschäftsführer Dr. Fritz Pleitgen und als Geschäftsführer Professor Dr. Oliver Scheytt betraut worden. Insgesamt besteht das Team derzeit aus rund 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Darunter die vier Künstlerischen Direktoren, die jeweils ein Themenfeld des Kulturhauptstadt-Programms betreuen: Die Journalistin und Autorin Asli Sevindim die "Stadt der Kulturen", der Architekt Professor Karl-Heinz Petzinka die "Stadt der Möglichkeiten", der Musik- und Medienmanager Professor Dieter Gorny die "Kreativwirtschaft" und Steven Sloane, Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker, die "Stadt der Künste".

    Erste Projekte
    Der lange Tisch: An einem Wochenende im Juli 2010 soll die A 40 zwischen Duisburg und Dortmund gesperrt werden. Auf der gesamten Fläche sollen die Anwohner aus 140 Nationen an bis zu 20.000 Tapeziertischen feiern.
    Odyssee Europa: Die Ruhrgebietstheater haben sich zusammengeschlossen, um zeitgenössische Versionen von Homers "Odyssee" zu spielen.
    TWINS 2010: Europäer aus über 150 Partnerstädten des Ruhrgebiets werden zu gemeinsamen Kulturprojekten erwartet.
    Ruhratlas: 18 kommunale Museen der Ruhr-Region entwickeln ein gemeinsames Ausstellungsprogramm mit dem Titel "mapping region".

    Systematik: 7100 Kunst/Kultur

    ID: LIN03865

  • Drei Fragen an Fritz Pleitgen.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 12 - 05.12.2007

    Ein Jahr nach der Entscheidung des EU-Ministerrats: Was ist von der Begeisterung damals heute noch übrig?

    Die Begeisterung ist sogar noch gewachsen! RUHR.2010 konnte die Programmatik der Bewerbung kreativ weiterentwickeln und konkretisieren. Außerdem identifiziert sich die Ruhr-Bevölkerung immer stärker mit ihrer Kulturhauptstadt: Das von RUHR.2010 präsentierte interkulturelle Kunstfestival MELEZ hat sich mit tausenden begeisterter Besucher als sehr erfolgreich erwiesen. Zum Kick Off-Treffen des Leitprojekts TWINS 2010 kamen 350 Teilnehmer aus 89 Städten und 18 Ländern, um die Konzepte der europäischen Partnerstadt-Projekte in Workshops auszuarbeiten. Und für die Kooperationsprojekte mit RUHR.2010 sind nahezu 2.000 Vorschläge aus dem Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen, Deutschland und sogar dem Ausland eingereicht worden. Das ist eine motivierende Bilanz für die Arbeit der folgenden drei Jahre!

    Ist der vorgesehene Etat für ein Projekt dieser Größenordnung angemessen? Und woher könnte zusätzliches Geld kommen?

    Die nationale und internationale Bedeutung und die europäische Strahlkraft des Kulturhauptstadt- Ereignisses werden Politik und Wirtschaft immer bewusster. Wir erkennen zunehmend, welche große Dimension die Programmgestaltung und die Erwartung für unsere Arbeit annehmen. Die Wirkung von RUHR.2010 hängt natürlich entscheidend davon ab, ob wir die als sinnvoll und notwendig erachteten Projekte auch finanzieren können. Von vornherein haben wir es uns zum Ziel gesetzt, das von unseren Gesellschaftern und dem Bund zugesagte Basisbudget von 48 um zwölf Millionen Euro aufzustocken. Ein erster Schritt ist die Erhöhung der Bundesmittel von neun auf zwölf Millionen, so dass wir jetzt bei insgesamt 51 Millionen Euro liegen. Der Bund hat die klare Erwartung geäußert, dass sich nun auch die anderen Finanziers stärker in die Verantwortung nehmen lassen. Zusätzlich akquiriert RUHR.2010 Erfolg versprechend weitere Sponsoren aus der Wirtschaft.

    Fast 2.000 Vorschläge aus 53 Städten und Gemeinden. Jetzt muss ausgewählt werden. Könnte das nicht Zwist und Neid geben?

    Die Flut von Ideen hat gezeigt, wie hoch das Interesse ist, sich an RUHR.2010 aktiv zu beteiligen. Doch von Anfang an war klar, dass es nicht nur Zu- sondern auch Absagen geben muss. Die künstlerischen Teams und das Direktorium der RUHR.2010 haben nun die verantwortungsvolle Aufgabe, die Projekte im Einzelnen zu prüfen und zu bewerten. Die Kriterien der Nachhaltigkeit, europäischen Modellhaftigkeit und Vernetzung liegen der Auswahl zugrunde. Wir rechnen damit, dass wir viele Enttäuschungen auslösen. Eine Auswahl ist aber unerlässlich, um eine übersichtliche und verständliche Gesamtdramaturgie für das Kulturhauptstadtjahr zu entwickeln. Mit der Kulturhauptstadt Europas haben wir die einmalige Chance, neue Bilder dieses drittgrößten Ballungsraums zu kreieren und in die europäische Öffentlichkeit zu senden. RUHR.2010 kann einen entscheidenden Beitrag zur Einigung des Ruhrgebiets als neue Metropole in Europa leisten. Daher bin ich überzeugt, dass sich die Ideengeber, denen im Einzelnen abgesagt werden muss, mit Blick auf diese Vision auch weiterhin mit der Kulturhauptstadt RUHR.2010 identifizieren werden.

    Zusatzinformation:
    Dr. h.c. Fritz Pleitgen ist Ehrendoktor der Universität Dortmund. Der gebürtige Duisburger war ab 1995 Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR) in Köln. Mit Ende seiner Amtszeit als Intendant wurde Pleitgen auf Initiative von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zum Vorsitzenden der Geschäftsführung der Ruhr.2010 GmbH gewählt. Gesellschafter dieser 2006 gegründeten GmbH sind der Regionalverband Ruhr, das Land NRW, der Initiativkreis Ruhrgebiet und die Stadt Essen.

    Systematik: 7100 Kunst/Kultur

    ID: LIN03866

  • Prof. Dr. Dr. Sternberg, Thomas (CDU); Nell-Paul, Claudia (SPD); Freimuth, Angela (FDP); Keymis, Oliver (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal sind es die kulturpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 12 - 05.12.2007

    Kulturhauptstadt, das ist nicht nur Essen und Dortmund, sondern ...

    Professor Thomas Sternberg (CDU): ... 53 Städte und Kreise, Großstädte und ländliche Gebiete - ein Verbund mit großen kulturellen Stärken sowohl im rheinischen wie im westfälischen Teil des Ruhrgebiets. Die Kultur von Laienorchestern bis zu Opernhäusern ist in dieser Dichte einzigartig.
    Claudia Nell-Paul (SPD): ... die gesamte Region Ruhrgebiet mit all ihren Menschen.
    Angela Freimuth (FDP): ...das gesamte Ruhrgebiet und eine riesige Chance für das gesamte Kulturland Nordrhein-Westfalen und die Kultur- und Kreativ- aber auch die Tourismuswirtschaft.
    Oliver Keymis (GRÜNE): ... auch "Trinken" und Freie Szene, Schwerte und Dinslaken, Theater und Musik, Kinder und Jugendliche, Senioren und Chöre, Kultur von und für alle bis 2010 und vor allem ab 2010.

    "Wandel durch Kultur, Kultur durch Wandel" - in meinen Augen mehr als ein Slogan, weil ...

    Professor Thomas Sternberg (CDU): ... er einen wechselseitigen Prozess beschreibt. Das Ruhrgebiet hat sich von seinem Kohle- und Stahlimage gelöst und schafft mit kreativer Ökonomie den durch Subventionen viel zu lange hinausgeschobenen Strukturwandel. Die Städte setzen auf Kultur!
    Claudia Nell-Paul (SPD): ... es ein Lebensgefühl beschreibt: "Nur wer sich ändert, bleibt sich treu!"
    Angela Freimuth (FDP): ...es die Dynamik einer vitalen Bürgergesellschaft beschreibt.
    Oliver Keymis (GRÜNE): ... sich in diesem Satz der enorme Wandel von der Industriekultur- Region zur Kultur-Industrie-Region widerspiegelt und heute bereits mehr Menschen im Kultur- und Medienbereich arbeiten als in der verbliebenen klassischen Ruhrindustrie.

    Testlauf "Ruhr-Triennale" - für das Projekt Kulturhauptstadt hat sich dabei gezeigt, dass ...

    Professor Thomas Sternberg (CDU): ... das viel mehr als ein "Testlauf" ist; die erstklassigen Programme haben an den etwas nostalgischen Orten die entsprechende Resonanz gefunden. Jetzt geht es um noch mehr Vernetzung mit den Theatern vor Ort und den nicht zu vergessenden Ruhrfestspielen.
    Claudia Nell-Paul (SPD): ... in einer Industrieregion hochkarätige internationale Kunst zu Hause ist.
    Angela Freimuth (FDP): ...ein international anerkanntes Festival ein gutes Fundament ist, um gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern und den Kulturschaffenden eine lebendige Kulturszene weiterzuentwickeln.
    Oliver Keymis (GRÜNE): ... der Wandel durch Annäherung erfolgt. Die vielfältige Szene, das dichte kulturelle Angebot hier und die vielen tausend Gäste, welche die RuhrTriennale besucht haben, belegen eindrucksvoll, dass zusammenwächst, was zusammengehört: Leben - Arbeiten - Kultur.

    Zwölf Millionen Euro Landesmittel für das Projekt Kulturhauptstadt sind in meinen Augen ...

    Professor Thomas Sternberg (CDU): ... eine sinnvolle Investition in die nachweisbaren dauerhaften Effekte nicht zuletzt im Tourismus. Aber fern von Umwegrentabilität: Die Städte von "Ruhr 2010" wollen zeigen, was künstlerisch in dieser Region steckt und das wird weiter wirken im ganzen Land.
    Claudia Nell-Paul (SPD): ... ein Mindestbetrag, um den Erfolg sicherzustellen. Die beteiligten Kommunen brauchen darüber hinaus finanzielle Hilfe für ihren kulturellen Beitrag.
    Angela Freimuth (FDP): ...eine sinnvolle Investition in das Kulturland und in das Standortmarketing Nordrhein-Westfalen, insbesondere mit Blick auf nachhaltig wirkende Projekte.
    Oliver Keymis (GRÜNE): ... eine gute Grundlage für weiteres finanzielles Engagement aller Beteiligten. Wichtig ist, dass auch die vielen kreativen Projekte der Freien Szene, die Kultur in den Nischen der Metropole Ruhr im Rahmen von RUHR.2010 gefördert und gefordert werden.

    Ohne das Projekt Kulturhauptstadt würde der Imagewandel des Reviers ...

    Professor Thomas Sternberg (CDU): ... sicher schwieriger verlaufen, weil die alten Bilder zäh in den Köpfen bleiben. Die grünen Städte mit frischer Luft und sauberen Flüssen in der Mitte Nordrhein-Westfalens werden bekannter werden - und neben der musealen, alten Industrie die neue Hochtechnologie.
    Claudia Nell-Paul (SPD): ... langwieriger.
    Angela Freimuth (FDP): ...eine tolle Chance verlieren, die Herausforderungen und die Leistungen der Menschen mit Blick auf Strukturwandel und Innovation, Migration und Integration sowie bürgerschaftliches Engagement zu präsentieren.
    Oliver Keymis (GRÜNE): ... sicher langsamer vonstatten gehen. Imagewandel ohne Fundament aber bleibt Etikettenschwindel, deshalb kommt es auf nachhaltige Prozesse und glaubhafte Förderentscheidungen auch in die Breite der bisher rund 2.000 Kreativvorschläge an.

    Die Infrastruktur der Region ist dem erwarteten Besucheransturm ...

    Professor Thomas Sternberg (CDU): ... gewachsen, wenn auch noch viel zu tun ist; zum Beispiel die Erreichbarkeit der Zeche Zollverein. Wie sich die Orte zwischen Niederrhein und Sauerland als gemeinsames europäisches Kulturzentrum präsentiert können, das kann man in der Großregion Luxemburg 2007 lernen.
    Claudia Nell-Paul (SPD): ... noch nicht gewachsen - vor allem bei Hinweis- und Straßenschildern. Der Besucher kann sich schnell "verirren".
    Angela Freimuth (FDP): ... und den damit einhergehenden Herausforderungen im Jahr 2010 gewachsen.
    Oliver Keymis (GRÜNE): ... noch nicht gewachsen. Es fehlt an Bus- und Bahnverbindungen, die Bahnhöfe der Region müssten dringend modernisiert und das ÖPNV-Angebot insgesamt verdichtet werden. Leider trifft "Berlin" finanzpolitisch genau die gegenteiligen Entscheidungen!

    Bei aller denkbaren Vielfalt des Programms - mein persönliches Lieblingsprojekt ist...

    Professor Thomas Sternberg (CDU): ... "Jedem Kind ein Instrument", die erste Aktion zur Kulturhauptstadt, ein beispielloses soziales, integrationspolitisches und künstlerisches Großprojekt, das ein Modell für das ganze Land werden wird. "JeKi" zeigt: Kulturhauptstadt 2010 beginnt bei den Kindern.
    Claudia Nell-Paul (SPD): ... - mal abwarten!
    Angela Freimuth (FDP): ... bei den vielen guten Projektbeiträgen noch nicht ausgewählt.
    Oliver Keymis (GRÜNE): ... das gemeinsame Kulturerlebnis der Menschen in den Städten in der Metropole Ruhr und die vielfältigen kulturellen Aktivitäten in der Region neben den Kultur-Leuchttürmen, die natürlich auch weiterhin herausragen, aber eben nicht alles überstrahlen sollen.

    Idee und Umsetzung: Jürgen Knepper und Axel Bäumer

    Systematik: 7100 Kunst/Kultur; 1600 Europäische Gemeinschaften/Europäische Union

    ID: LIN03867

  • Das Parlament setzt eigene Akzente.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 11 - 14.11.2007

    Wenn ein Politiker neu ins Amt kommt, gibt man ihm 100 Tage - um sich einzuarbeiten. Und eine ganze Regierung, mit elf Ministerinnen und Ministern und einem Ministerpräsidenten an der Spitze - welche Frist bekommt sie? Auf keinen Fall 1.200 Tage, da müssen knapp an die 900 reichen. So viel Zeit ist nämlich seit dem denkwürdigen 22. Mai 2005 verstrichen, als in Nordrhein-Westfalen die Uhren politisch umgestellt wurden. Jetzt ist Halbzeit der Wahlperiode, jetzt wird Resümee gezogen.
    Das tut der Ministerpräsident. Er hat für den 14. November vor dem Landtag eine Regierungserklärung angekündigt, in der er die Zwischenbilanz der Arbeit seiner Landesregierung in der 14. Legislaturperiode vorlegen wird. Darüber und über die kontroverse Debatte im Plenum wird noch zu berichten sein.
    An einer solchen Zwischenbilanz versucht sich auch die Parlamentszeitschrift "Landtag intern" - ein wenig anders, eben mehr auf das Parlament bezogen. Der Landtag bewilligt die Mittel für das Regierungshandeln. Der Landtag bringt Gesetzentwürfe ein, berät und verabschiedet oder verwirft sie. Der Landtag kontrolliert die Regierung. Der Landtag, das sind Koalition und Opposition. Natürlich findet das Handeln einer Regierung in der Öffentlichkeit mehr Resonanz. Aber der Landtag stellt die Weichen.

    Bürgernähe

    Er setzt eigene Akzente. So hat er zum 60-jährigen Jubiläum die Vertreter und Sprecher der Regionen des Landes in sein Haus gebeten:Münsterländer, Sauerländer, Ostwestfalen, Südwestfalen und die Abgesandten des vielgestaltigen Rheinlands sind gern nach Düsseldorf gekommen. Und es hat ihnen wohlgetan, in der Landeshauptstadt, die doch ein ganzes Stück von ihnen entfernt liegt, ihre Stärken und Sorgen auszubreiten und bei den Abgeordneten ein offenes Ohr zu finden.
    Ein anderer Akzent des Landtags liegt auf der jungen Generation. Sie soll näher an die Landespolitik herangebracht und für die Demokratie gewonnen werden. "Null Bock" - dieses Motto gilt nicht mehr. Tag der Offenen Tür, Beteiligung an den jährlichen Nordrhein-Westfalen-Tagen reihum im Land, Sonntagsöffnung des Parlaments, Ausstellungen - das Hohe Haus ist ein offenes, bürgernahes Haus, dessen Mitglieder und Repräsentanten nicht auf die Menschen warten, sondern auf sie zugehen.
    JK

    ID: LIN03662

  • Halbzeit im Landtag.
    Parlament und Präsidium gehen auf die Menschen zu.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 11 - 14.11.2007

    Seit zweieinhalb Jahren ist die schwarz-gelbe Landesregierung von CDU und FDP im Amt. Zur landespolitischen Halbzeit blickt auch der Landtag auf sein Wirken im Auftrag der Wählerinnen und Wähler zurück. Die offizielle Parlamentsstatistik spiegelt Umfang und Schwerpunkte der parlamentarischen Arbeit wider.
    Zu 72 Plenarsitzungen trafen sich die Abgeordneten seit der ersten Zusammenkunft des Landtags am 8. Juni 2005. Aber die Arbeit lässt sich längst nicht auf diese Plenartermine beschränken: In 658 Ausschussrunden berieten die Volksvertreterinnen und Volksvertreter ausführlich über 114 Gesetzentwürfe und 517 Anträge aus den Fraktionen.
    Das Ergebnis: Bislang hat der Landtag 77 Gesetze der Landesregierung und der Regierungsfraktionen von CDU und FDP verabschiedet. Dazu gehören auch intensiv debattierte Vorlagen wie das jüngst beschlossene Kinderbildungsgesetz (KiBiz), die geänderte Gemeindeordnung, das neue Landespersonalvertretungsgesetz oder das Gesetz zur Straffung der Behördenstrukturen. Auch die Oppositionsfraktionen SPD und Grüne bewiesen Präsenz und machten ausgiebig von den Kontrollrechten des Parlaments Gebrauch. So richteten ihre Abgeordneten 1.946 Kleine Anfragen über die unterschiedlichsten Sachverhalte an die Landesregierung. Dem Plenum legten sie zahlreiche Gesetzentwürfe und Anträge vor.
    Die vergangenen zweieinhalb Jahre haben auch bei der Zusammensetzung des Parlaments ihre Spuren hinterlassen. Bisher sind zehn der insgesamt 187 Abgeordneten während der Wahlperiode aus dem Landtag ausgeschieden, darunter auch der SPD-Abgeordnete und heutige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sowie der ehemalige Landtagsvizepräsident der Grünen, Dr. Michael Vesper. Er wechselte als Generaldirektor zum Deutschen Olympischen Sportbund. Die nächste personelle Veränderung tritt ein, wenn der Abgeordnete und bisherige Europaminister Michael Breuer (CDU) wegen seiner Wahl zum Sparkassenverbandspräsidenten sein Mandat zurückgeben wird.
    Dass der Landtag in ganz Nordrhein-Westfalen präsent sein will, zeigen die Schulbesuche des Präsidiums. Schon über 30 Mal haben sich mit großem Erfolg Landtagspräsidentin Regina van Dinther und ihre Vertreter den Fragen der jungen Leute in den Klassenräumen gestellt. Mit dieser Aktion will der Landtag das politische Interesse junger Menschen fördern. Das Schwerpunktthema "Jugend und Parlament" war auch Leitmotto der in Düsseldorf ausgerichteten Präsidentenkonferenz, zu der die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen und österreichischen Landesparlamente, des Deutschen Bundestags sowie des Südtiroler Landtags im Juni 2007 anreisten.
    Der Petitionsausschuss des Landtags hat direkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern. Neben regelmäßigen Sprechstunden in der Villa Horion finden die Ausschussmitglieder auch bei Ortsterminen im Land große Resonanz. In bislang über 9.400 Fällen wandten sich Bürgerinnen und Bürger mit Bitten und Beschwerden an den Ausschuss. Rund 1.360 dieser Petitionen ging der Ausschuss bislang näher nach.

    Höhepunkte

    Als Haus der 18 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen hat das Parlament in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren die Vielfalt des Landes in zahlreichen Veranstaltungen gespiegelt. Höhepunkte: Vor kurzem der NRW-Tag, der seine Premiere in Paderborn hatte und die Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag von Land und Landtag im Spätsommer 2006. Damals öffnete der Landtag seine Türen zu einem großen Bürgerfest: Über 62.000 Bürgerinnen und Bürger von nah und fern erkundeten das Parlament. Rund um dieses Datum präsentierten sich im Landtag die nordrhein-westfälischen Regionen an parlamentarischen Abenden. Bis zu 1.000 Gäste kamen und wurden informiert, unterhalten und von der regionalen Küche beköstigt. Mit weiteren Empfängen und Ausstellungen im Landtag, etwa zum Leben des Theologen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer oder zur 50-jährigen Patenschaft des Landes mit den Siebenbürger Sachsen, konnten wichtige Beiträge zum kulturellen und sozialen Miteinander geleistet werden. Eine denkwürdige Zahl für das kommende Jahr steht auch schon fest: 2008 arbeitet der Landtag seit 20 Jahren im runden Parlamentsgebäude am Rheinufer.
    SW

    Zusatzinformation:
    In 21 Ausschüssen und Unterausschüssen ist die parlamentarische Arbeit des Landtags in der 14. Wahlperiode organisiert. Zu den 658 Ausschusssitzungen kamen außerdem 97 öffentliche Anhörungen. Die SPD stellte 1.266 Kleine Anfragen an die Landesregierung, die Grünen 677, die CDU 32, die FDP 10 sowie SPD und Grüne gemeinsam weitere drei. Die Parlamentsstatistik (Stand: 5. November 2007) zählte bislang außerdem 16 Große Anfragen der beiden Oppositionsfraktionen (SPD 11, Grüne 5).

    Bildunterschrift:
    Auflaufen zur zweiten Runde - dieser Spieler des FCL, des Fußballclubs des Landtags, macht deutlich, dass das "Spiel" noch nicht vorbei ist. Die ersten 45 Minuten auf dem grünen Rasen entsprechen der Hälfte jener fünf Jahre, die eine Legislaturperiode in der Landspolitik umfasst. Nach der Halbzeit geht es weiter. Damit daraus ein Erfolg wird, sind Analyse des Gegners, Ausdauer, Vertrauen in die eigene Mannschaft, Psychologie und Taktik unabdingbar - im Sport wie in der Politik.

    ID: LIN03659

  • Stahl, Helmut (CDU); Kraft, Hannelore (SPD); Dr. Papke, Gerhard (FDP); Löhrmann, Sylvia (Grüne)
    Knapp 900 Tage Schwarz-Gelb.
    "Landtag intern" bittet Fraktionschefs um Zwischenfazit.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 11 - 14.11.2007

    Vor 907 Tagen besiegelten die Wählerinnen und Wähler den Machtwechsel im Land, vor 890 Tagen konstituierte sich der neue Landtag. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ist seit nunmehr 876 Tagen im Amt. Zeit für eine Zwischenbilanz. Dazu befragte "Landtag intern" die Vorsitzenden der vier Landtagsfraktionen: Helmut Stahl (CDU), Hannelore Kraft (SPD), Dr. Gerhard Papke (FDP) und Sylvia Löhrmann (GRÜNE).

    Halbzeitbilanz von Schwarz-Gelb. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Wie bewerten Sie die Leistungen der Koalition in der ersten Hälfte der Wahlperiode?

    Stahl: Offen gestanden - ich bin mit meinen Kolleginnen und Kollegen ein Stück stolz. Wir haben den uns hinterlassenen Reformstau aufgelöst. Wir haben getan, was wir den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl im Mai 2005 gesagt haben. Wir haben den Unterrichtsausfall an unseren Schulen gesenkt. Wir steigen aus der Schuldenspirale aus, wir haben Rahmenbedingungen gesetzt für Wachstum und Beschäftigung in Nordrhein-Westfalen. Wir haben ein neues Schulgesetz auf den Weg gebracht, ein Hochschulfreiheitsgesetz, den Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau erreicht und jetzt ein Kinderbildungsgesetz verabschiedet, das die Zahl der Betreuungsplätze für Unterdreijährige bedarfsgerecht entwickelt, hilft, Familien und Erwerbsarbeit besser miteinander zu verbinden und das die Familien in ihrem Erziehungsauftrag stärkt. Ja - unser Land verändert sich an vielen Stellen, und zwar zum Guten.

    Kraft: Regierung und Koalition verantworten eine falsche Politik für Nordrhein-Westfalen. Statt einer ökonomisch verfehlten Politik des "Privat vor Staat" insbesondere gegen die Kommunen braucht unser Land eine klare Schwerpunktsetzung zugunsten von Bildung, Kindern und Familien. Dazu fehlt Schwarz-Gelb offensichtlich die Kraft. Mit den Kürzungen im Haushalt und den Schul-, Kita- und Hochschulgesetzen wurden Veränderungen vorgenommen, die genau in die falsche Richtung führen: Elternbeiträge steigen, Bildungszugänge werden erschwert, Studiengebühren schrecken vom Studium ab. So verpasst unser Land alle Zukunftschancen.

    Dr. Papke: Die Koalition hat in kurzer Zeit hervorragende Arbeit geleistet. Wir sind dabei, Nordrhein-Westfalen zum Land der neuen Chancen zu machen. In der Wirtschaft herrscht Aufbruchstimmung, weil wir die rot-grüne Politik bürokratischer Staatswirtschaft durch neue soziale Marktwirtschaft ersetzen. Wir haben das Gemeindewirtschaftsrecht so novelliert, dass Staatsbetriebe, Handwerk und Mittelstand nicht mehr mit subventionierten Dumpingpreisen die Aufträge wegnehmen können. Wir haben die Ladenöffnungszeiten liberalisiert, das öffentliche Dienstrecht flexibilisiert und den Bürokratieabbau erkennbar vorangebracht. Das Ende des Subventionsbergbaus ist ein historischer Erfolg unserer Koalition, mit dem die Weichen Nordrhein-Westfalens in Richtung Zukunft gestellt werden. "Kinder fördern statt Steinkohle" lautete das Versprechen der FDP vor der Wahl, jetzt setzen wir es in die Tat um. In unserer Halbzeitbilanz stehen mehr als 4.000 zusätzliche Lehrerstellen. Mit dem Kinderbildungsgesetz, dem Schulgesetz und dem Hochschulfreiheitsgesetz haben wir das gesamte Bildungssystem von Grund auf modernisiert und beste Chancen für unsere Kinder und Jugendlichen geschaffen. Unter Rot-Grün galt NRW als Land der Bremser und Blockierer. Unter unserer Verantwortung ist NRW bundesweit das Reformland Nummer 1.

    Löhrmann: Die Landesregierung hat ihre Politik selbst unter das Motto "Privat vor Staat" gestellt. Tatsächlich bedeutet ihre Ideologie aber "Eigennutz vor Gemeinwohl". Schwarz-Gelb fährt im Energieland Nummer 1 einen klimafeindlichen Kurs gegen die Windenergie und für die Braun- und Steinkohlelobby. Schwarz-Gelb behindert die Bio-Bauern und fördert die konventionelle Agrarindustrie. Schwarz-Gelb höhlt die kommunale Selbstverwaltung aus durch den Griff in die kommunalen Haushalte und die Schwächung der Stadtwerke. Schwarz-Gelb stutzt die Arbeitnehmerrechte, statt auf Konsens und Miteinander zu setzen. Zugleich fallen wichtige Zukunftsaufgaben unter den Tisch: Schwarz-Gelb verstärkt im Schulsystem die soziale Spaltung durch Aussortieren, Sitzenbleiben, Abschulen - im Ausland als "deutsche Idiotie" bekannt - und verursacht steigende Kindergartenbeiträge. Wenn das die "Blaupause für Berlin" sein soll, dann gute Nacht Deutschland.

    Blick in die zweite Halbzeit: Was will die Regierung noch erreichen und wie gedenkt sich die Opposition für 2010 in Stellung zu bringen?

    Stahl: In der Reformwerkstatt bleibt noch eine Menge zu tun. Wir werden das Sparkassenrecht novellieren, die Lehrerausbildung endlich zukunftsorientiert gestalten und ein neues Heimgesetz schaffen. Und wir werden weiter daran arbeiten, dass Nordrhein-Westfalen zum Innovationsland Nr. 1 in Deutschland wird. Wir werden die Bedingungen für ein friedliches und sicheres Zusammenleben aller Menschen in Nordrhein-Westfalen weiter verbessern, oder auch tatkräftig die ländlichen Räume zukunftsorientiert entwickeln helfen. Also - es bleibt noch eine Menge zu tun, mit Blick auf 2010, aber natürlich auch weit darüber hinaus.

    Kraft: Ein ganz wichtiger Punkt wird die Schulpolitik sein. Offizielle Prognosen belegen, dass die Schülerzahlen in NRW bis 2016 durchschnittlich um 15,6 Prozent sinken werden. Vor allem im ländlichen Raum hat sich die Situation schon jetzt dramatisch zugespitzt. Die schwarz-gelbe Landesregierung beharrt auf dem dreigliedrigen Schulsystem, das Kinder demnächst schon mit neun Jahren in Schubladen sortiert. Die SPD im Düsseldorfer Landtag hat mit der Gemeinschaftsschule ein Modell entwickelt, das auch auf die sinkenden Schülerzahlen reagiert. Wir wollen alle Bildungsgänge - vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur - unter einem Dach anbieten. Dabei werden alle Kinder nach der Grundschule in Klasse 5 und 6 weiter gemeinsam lernen. Dadurch haben alle Kinder und Jugendlichen die gleichen und die besten Bildungschancen. Die Gemeinschaftsschule ist ein wichtiger Bestandteil unseres Gesamtkonzeptes "Beste Bildung für alle", das alle Bereiche von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung umfasst. Dazu gehört auch die Gebührenfreiheit vom Kindergarten bis zur Hochschule.

    Dr. Papke: Die Koalition der Erneuerung kann auf das bisher Erreichte stolz sein. Aber wir wissen, dass die Modernisierung unseres Landes weitergehen muss. Wenn Reformgesetze im Gesetzblatt stehen, sind sie noch nicht bei den Menschen angekommen. Deshalb müssen die großen Reformprojekte jetzt konsequent in die Praxis umgesetzt und den Bürgern vermittelt werden. Zukunftssicherung und Verkauf der WestLB, das neue Sparkassengesetz, die Daueraufgabe Bürokratieabbau, ein ausgeglichener Landeshaushalt bis 2010, insgesamt mehr Freiheit und Verantwortung für die Menschen, ihre Chancen noch besser nutzen zu können, bleiben aktuelle Herausforderung für unsere Politik. Deshalb werden wir sicherstellen, dass der Reformexpress unter Dampf bleibt.

    Löhrmann: Wir Grüne sind eine kritische und konstruktive Opposition. Wenn Rüttgers vernünftig handelt, stimmen wir dem zu, so beim Ende der Steinkohlesubventionen. Ansonsten kann er sich unserer konsequenten Opposition sicher sein. Wir setzen unsere Schwerpunkte auf "Kinder" und "Klima". Bildungs- und Umweltpolitik sind die zentralen Aufgaben unserer Zeit. Nur mit einer exzellenten Bildung für alle kann NRW erfolgreich sein: vom Kindergarten über Schule, Lehre und Studium bis zur Weiterbildung. Wir brauchen mehr Leistung und Gerechtigkeit im Bildungssystem, und wir müssen endlich die zunehmende Kinderarmut wirksam bekämpfen. Für das Klima gilt: Deutschland kann die Klimaziele der Kanzlerin nur erreichen, wenn NRW beim Klimaschutz vorangeht. Wir haben viele Vorschläge gemacht und werden ein umfassendes Klimakonzept für NRW vorlegen.

    Ihr seherisches Talent ist gefragt: Wer macht 2010 das Rennen und warum?

    Stahl: Natürlich wir, als CDU NRW. Weil wir halten, was wir 2005 den Bürgerinnen und Bürgern versprochen haben, weil sich unsere Leistungsbilanz sehen lässt und weil ich keinen Seher sehe, der angesichts der Schwäche der Opposition im Landtag NRW auf ein anderes Pferd setzte als auf Jürgen Rüttgers, seine Mannschaft und die CDU.

    Kraft: Eines steht für mich fest: Die Menschen werden sich 2010 für die Partei entscheiden, die glaubwürdig und überzeugend auftritt, es geht um Vertrauen. Die Landesregierung hat viele ihrer Versprechen gebrochen. So rasierte der selbst ernannte Arbeiterführer die Mitbestimmung im Öffentlichen Dienst. Das merken die Wählerinnen und Wähler und werden es nicht vergessen. Die vielen großen Demonstrationen gegen Schwarz-Gelb vor dem Landtag belegen das. Die SPD steht für eine Politik, die es ernst meint mit guter, menschenwürdiger Arbeit und der besten Bildung für alle. Wir wollen mehr soziale Gerechtigkeit, wirtschaftlichen und ökologischen Fortschritt. Ich bin zuversichtlich: Für diese Politik der Vernunft lassen sich in NRW Mehrheiten gewinnen. Die SPD hat 2010 alle Chancen.

    Dr. Papke: Wir werfen keinen Blick in die Glaskugel. Und wir beteiligen uns auch nicht wie Rot-Grün am Wettbewerb um die größten Wahlversprechen, um die Menschen mit vermeintlichen Wohltaten zu ködern. Wir setzen auf eine nachhaltige Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung mit sozialer Sensibilität. Unsere Philosophie für die Erneuerung Nordrhein-Westfalens, Freiheit vor Gleichheit, Privat vor Staat, Erwirtschaften vor Verteilen wird weiterhin erfolgreich sein. Damit werden wir die Bürger auch bei der nächsten Wahl überzeugen.

    Löhrmann: Wir werden unseren Platz als dritte Kraft ausbauen und damit die Grundlage zur Abwahl von Schwarz-Gelb legen. CDU und FDP werden mit ihrer Politik der Privatisierung Schiffbruch erleiden, weil diese Politik an das Geld und die Lebensqualität der Menschen geht - steigende Kindergartenbeiträge, Kosten für Lernmittel und Studium oder teurere ÖPNV-Tickets bei verschlechtertem Angebot. Außerdem: Wer wie Rüttgers Bildung und Klimaschutz vernachlässigt und so die Chancen von morgen verspielt, muss scheitern. Da kann der Ministerpräsident noch so viele mehr oder weniger professionelle Imagekampagnen dagegen setzen - seine Politik richtet sich gegen die Menschen. Deshalb muss die zweite Halbzeit die letzte von Schwarz-Gelb sein.

    Die Fragen stellten Jürgen Knepper und Axel Bäumer.

    ID: LIN03660

  • Vom Rhein zum Jangtse und zurück.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 10 - 24.10.2007

    Die Volksrepublik China ist auf dem Weg zur Weltmacht. Sie ist längst politisches Schwergewicht und globaler Wirtschaftsriese. Experten rechnen damit, dass der fernöstliche Staat in Kürze Deutschland im Welthandel überholen wird. Daraus auf eine Bedrohung für unser Land zu schließen, wäre der falsche Reflex. Die Welt teilt sich nun einmal nicht in Schwarz und Weiß, in Gut und Böse. Deutschland ist und war - wie übrigens das ganze "alte" Europa - immer um Ausgleich bemüht. Enge und vertrauensvolle Wirtschaftsbeziehungen sind ein erster, aber nicht zu unterschätzender Schritt zu gegenseitigem Verständnis und sich entwickelnder Partnerschaft. Motto: Wenn der Handel funktioniert, dann gibt es auch auf anderen Gebieten Fortschritte. Etwa beim Klimaschutz. Der rasant wachsende Industriestaat China hat mit großen Umweltproblemen zu kämpfen. Bei effizienter Energienutzung und in der Umwelttechnologie kann NRW dem Land beispringen. Hier können wir Technik und Know-how liefern.

    Partnerschaft

    Oder auf politischem Gebiet. Das Verständnis von Menschenrechten ist im Reich der Mitte - sagen wir einmal - ein anderes als in der westlichen Wertegemeinschaft. Dem muss man von uns aus nicht ausweichen; Hartnäckigkeit vermag zu imponieren. Aber auch hier: Der Ton macht die Musik. Missionarischer Eifer oder die Attitüde der Besserwisserei führen nicht zum Erfolg.
    Auf der anderen Seite will China in zehn Monaten mit den Olympischen Spielen weltweit Eindruck machen. Millionen aus aller Welt werden nach Peking strömen. Das Land muss seine Türen weit öffnen und kann gar nicht verhindern, dass ein frischer Wind hereinweht. China ist und bleibt kein einfacher Partner. Fingerspitzengefühl und das aufrichtige Bemühen, sich in die chinesischen Partner hineinzuversetzen, helfen weiter. Hier kommt der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe des Landtags Nordrhein-Westfalen eine besondere Rolle zu. Sie ist sozusagen neutraler Sachwalter der nordrhein-westfälisch-chinesischen Beziehungen. Sie verhandelt nicht, sie führt Gespräche. Sie verkauft keine Industrieanlagen, sondern sie wirbt um Vertrauen. Sie ist nicht Vertrags-, sondern Gesprächspartner. Kurz, ein verlässlicher, menschlicher Kontakt von hier nach Fernost und von dort nach hier. Das wird im Reich der Mitte geschätzt und genutzt.
    JK

    ID: LIN03632

  • Schartau, Harald (SPD)
    Keine Einbahnstraße.
    Interview mit Harald Schartau, Vorsitzender der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 10 - 24.10.2007

    Herr Schartau, 18 Millionen Nordrhein-Westfalen und 1,3 Milliarden Chinesen - ist da gleichberechtigte Partnerschaft möglich?

    Ich halte wenig davon, im aufstrebenden China eine Bedrohung für unser Land zu sehen. Ausschlaggebend für gleichberechtigte Partnerschaft ist weniger die Größe der Länder und die Anzahl seiner Einwohner, als vielmehr die grundsätzliche und beiderseitige Bereitschaft, mit unterschiedlichen Völkern und Kulturen in einen Dialog zu treten. Voraussetzung ist eine gegenseitige Neugier, Probleme kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen. Meistens ist es einfacher, Anknüpfungspunkte im wirtschaftlichen Bereich zu finden, da es hier um materielle Lebensbedingungen geht. Doch die Deutsch-Chinesische Gruppe ist insbesondere daran interessiert, auch die parlamentarisch-politischen Kontakte und den Austausch auszubauen und zu festigen. Noch wird China zentral geführt, doch die Dezentralisierung wird in den kommenden Jahren voranschreiten. Hier können wir NRW-Parlamentarier insbesondere unseren drei Partnerprovinzen mit Rat und Tat beiseite stehen. Dabei dürfen wir uns nur nicht einbilden, wir könnten den Chinesen mit erhobenem Zeigerfinger etwas beibringen.

    Wie können die nordrhein-westfälische Politik und die Wirtschaft Beziehungen zu China knüpfen, die für beide Seiten lohnend sind?

    Die Kontakte der NRW-Wirtschaft zu China haben eine lange Tradition. Mir, und da spreche ich wohl auch im Sinne der Parlamentariergruppe, geht es insbesondere darum, dass wir die guten und zweifellos auch lohnenden wirtschafts- und umweltpolitischen Kontakte, die das Land zu China bereits unterhält, künftig auch auf andere Politikfelder ausweiten. Dabei sollten Fragen der Politikgestaltung in den Provinzen im Fokus stehen: Beispielsweise sollte es darum gehen, wie Volkes Meinung in die Beratungen des Nationalen Volkskongresses einfließen kann und welche Rechte den Mitgliedern des Volkskongresses zugestanden werden. Hier kann NRW helfend zur Seite stehen. Wir sollten jedoch immer darauf achten, dass der Prozess des Voneinander-Lernens nicht zu einer Einbahnstraße verkommt.

    Welchen Beitrag leistet die Deutsch-Chinesische Parlamentariergruppe zur Förderung der beiderseitigen Verständigung?

    Die Parlamentariergruppe ist noch jung und verfügt nicht über große Ressourcen. Aber sie setzt sich zusammen aus engagierten Abgeordneten aller vier Landtagsfraktionen, die ein großes Interesse an chinesischen Zusammenhängen eint. Konkret geht es darum, mit den chinesischen Repräsentanten hier in Deutschland und NRW in Kontakt zu kommen, diesen auszuweiten und zu pflegen sowie neue Entwicklungen wie die Gründung des Konfuzius-Instituts in Düsseldorf in Augenschein zu nehmen. Darüber hinaus plant die Gruppe im nächsten Jahr eine Chinareise, um sich vor Ort mit den Mitgliedern des Nationalen Volkskongresses der NRW-Partnerregionen auszutauschen. Das ist ein Beitrag, der für die Langfristigkeit der Beziehungen von NRW zu den chinesischen Provinzen sicherlich von Bedeutung sein wird.
    Die Fragen stellten Jürgen Knepper und Axel Bäumer

    Zusatzinformation:
    Verbindungsleute
    Das Präsidium des Landtags Nordrhein-Westfalen hat in der 14. Wahlperiode die Einrichtung von sechs Parlamentariergruppen beschlossen.

    Deutsch-Polnische Parlamentariergruppe
    - Vorsitz Regina van Dinther (CDU), Landtagspräsidentin
    - stv. Vorsitz Hubertus Kramer (SPD)
    - Assistenz Dr. Florian Melchert

    Deutsch-Israelische Parlamentariergruppe
    - Vorsitz Edgar Moron (SPD), 1. Landtagsvizepräsident
    - stv. Vorsitz Sylvia Löhrmann (GRÜNE)
    - Assistenz Frank Schlichting

    Deutsch-Türkische Parlamentariergruppe
    - Vorsitz Oliver Keymis (GRÜNE), 2. Landtagsvizepräsident
    - stv. Vorsitz Wolfgang Röken (SPD)
    - Assistenz Susanne Stocks (kommissarisch)

    Deutsch-Amerikanische Parlamentariergruppe
    - Vorsitz Angela Freimuth (FDP), 3. Landtagsvizepräsidentin
    - Assistenz Jutta Schönau

    Deutsch-Baltische Parlamentariergruppe
    - Vorsitz Werner Jostmeier (CDU)
    - stv. Vorsitz Wolfram Kuschke (SPD)
    - Assistenz Sabine Arnoldy

    Deutsch-Chinesische Parlamentariergruppe
    - Vorsitz Harald Schartau (SPD)
    - stv. Vorsitz Ilka von Boeselager (CDU)
    - Assistenz Thomas Wilhelm

    Systematik: 1510 Internationale Beziehungen

    ID: LIN03627

  • Fasse, Marie-Luise (CDU); Prof. Dr. Bollermann, Gerd (SPD); Ellerbrock, Holger (FDP); Remmel, Johannes (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    NRW und China.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 10 - 24.10.2007

    Die Volksrepublik China ist für Nordrhein-Westfalen ...

    Marie-Luise Fasse (CDU): ... ein zentraler Absatzmarkt in Asien mit einem Handelsvolumen von 19 Milliarden Euro im Jahr 2006.
    Prof. Dr. Gerd Bollermann (SPD): ... ein wichtiger Exportmarkt zum Beispiel für den Maschinen- und Anlagenbau, die Bergbautechnologie und die Energietechnik sowie ein bedeutendes Importland. Für einzelne Firmen aus NRW ist China der umsatzstärkste Markt in Asien mit großen Wachstumspotenzialen.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... ein zukunftsträchtiger Handelspartner.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... seit über 20 Jahren ein Partnerland, das wichtiger wird auf allen Ebenen, ökologisch, wirtschaftlich und politisch. Der Austausch muss in beide Richtungen deutlich ausgeweitet werden. Doch leider fährt die Landesregierung trotz einstimmiger Landtagsbeschlüsse die Partnerschaft auf Sparflamme und hat Mittel gekürzt.

    Ein Mittelständler aus NRW hat auf dem chinesischen Markt Erfolg, wenn ...

    Marie-Luise Fasse (CDU): ... er fast konkurrenzlose Produkte, besonders in Wachstumsbranchen wie Umwelttechnologie, Wasserwirtschaft, Bergbautechnik und Energieerzeugung, anbieten kann.
    Prof. Dr. Gerd Bollermann (SPD): ... es ihm gelingt, Partner für seine qualitativ exzellenten Produkte zu gewinnen, seine Rechte zu sichern, sich schnell auf die kulturellen und regionalen Besonderheiten des Landes sowie die enorme Geschäftstüchtigkeit der Chinesen einzustellen.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... er sich mit anderen zusammenschließt, einen langen "Atem" hat sowie gute Qualität und Service vor Ort liefert.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... es gelingt, gemeinsam mit dem Land Strukturen zu schaffen, die ein gemeinsames Agieren in China ermöglichen. Präsenz ist hier das A und O. Dazu könnten wir die langjährig aufgebauten Kontakte des Landes noch viel besser nutzen.

    Der enorme Energiehunger der Chinesen ist für unser Land ...

    Marie-Luise Fasse (CDU): ... gerade auf dem Gebiet der Bergbau- und Energietechnik, der ganz erheblich ausgebaut werden soll, ein interessanter Zukunftsmarkt.
    Prof. Dr. Gerd Bollermann (SPD): ... Chance und Problem zugleich. Dem Energieland NRW bieten sich Chancen, zum Beispiel effiziente Kraftwerkstechnologie und energiesparende Produkte zu exportieren. Der Energiehunger führt andererseits für uns zu Ressourcenverknappungen und zu Preissteigerungen.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... eine Chance, umweltschonende und energieeffiziente Anlagen zu exportieren und so langfristig orientierte Handelsbeziehungen zu vertiefen.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... Herausforderung, Anreiz und Chance zugleich. Auch im Interesse des Weltklimas muss China den rasanten Anstieg stoppen. China will 20 Prozent erneuerbare Energien und hat das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz adaptiert. Unsere Spitzenstellung in NRW kann dort erneuerbare Energien und Energie-Effizienz-Technik zum Exportschlager machen.

    Klimaschutz ist in China ...

    Marie-Luise Fasse (CDU): ... nach Veröffentlichung des Dritten Weltumweltberichts im Mai dieses Jahres noch stärker thematisiert worden und führt bei den Bürgerinnen und Bürgern, innerhalb des Volkskongresses und der Umweltbehörden zum Umdenken.
    Prof. Dr. Gerd Bollermann (SPD): ... ein Riesenproblem. Umweltzerstörung kostet das Land jährlich fünf bis acht Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Die Regierung antwortet mit strengen Gesetzen zum Umweltschutz. Das eröffnet NRW-Unternehmen Möglichkeiten, sich in der Umwelttechnologie einzubringen.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... ein Wachstumsmarkt mit zunehmender Bedeutung.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... im Rahmen der aktuellen Umweltdebatte auch in China ein Top-Thema. Und das nach Jahren der reinen Orientierung auf Wirtschaftswachstum. Man darf aber nicht vergessen, dass wir in Deutschland pro Kopf immer noch zweieinhalbmal mehr CO2 verbrauchen als in China. Hier müssen auch wir beweisen, dass es mit weniger CO2 funktioniert.

    Das Engagement der Bundeskanzlerin für Menschenrechte in China ...

    Marie-Luise Fasse (CDU): ... ist für mich eine Selbstverständlichkeit und sollte für Politiker anderer Länder bei Chinabesuchen in Zukunft beispielhaft sein.
    Prof. Dr. Gerd Bollermann (SPD): ... halte ich für unverzichtbar. Trotz wirtschaftlichem Aufstieg und der Öffnung Chinas, gibt es Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung von Minderheiten und ein spannungsgeladenes soziales Gefälle. Darauf öffentlich aufmerksam zu machen, ist notwendig.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... ist zu begrüßen, denn Menschenrechte sind unteilbar und gelten überall.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... hat richtige Ansätze. Die Menschenrechte müssen immer angesprochen und thematisiert werden. In dem Zusammenhang hat auch der Rechtsstaatsdialog eine Bedeutung. Es gilt aber auch, durch intensiven Austausch auf den anderen Ebenen bei Themen der Presse und Medien, der Zivilgesellschaft und Demokratisierung den Dialog zu suchen.

    Von meinem Chinabesuch habe ich die Erfahrung mitgebracht, ...

    Marie-Luise Fasse (CDU): ... dass deutsche Spitzentechnologie dort einen hervorragenden Ruf genießt. Auch die 20-jährige gute Zusammenarbeit mit dem Land Nordrhein-Westfalen im Bereich des erfolgreichen Stipendiatenprogramms sollte intensiviert werden.
    Prof. Dr. Gerd Bollermann (SPD): ... die wirtschaftliche Entwicklung des Landes unterschätzt zu haben. Gemessen an persönlichen Eindrücken vor 30 Jahren, beeindruckt heute positiv das Wachstum der Städte, die Verkehrsinfrastruktur aber auch negativ das bestehende Stadt-Land-Gefälle.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... dass die dortige tatsächliche Entwicklung die Vorstellungskraft vieler Europäer übersteigt.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... dass die ökologische Frage eine zentrale ist. NRW darf die Entwicklung auch aus eigenem Interesse nicht verschlafen. Bärbel Höhn hat China öfters besucht und wichtige Projekte angestoßen. Doch weder der neue Umweltminister Uhlenberg noch sein Staatssekretär haben bisher den Weg dorthin gefunden.

    Für Chinesen ist Nordrhein-Westfalen ...

    Marie-Luise Fasse (CDU): ... in den vergangenen Jahren mit zurzeit 400 Firmen zu einem zentralen Standort bei der Gründung chinesischer Unternehmen im Ausland geworden.
    Prof. Dr. Gerd Bollermann (SPD): ... ein Investitionsstandort und eine Brücke nach Europa. Laut "Wirtschaftswoche" sind in NRW zirka 450 chinesische Unternehmen angesiedelt. Sie schätzen das nordrhein-westfälische Know-how. Technologie "made in NRW" hat in China einen guten Ruf.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... ein kleines Land in Westeuropa, mit dem aufgrund des vorhandenen technischen Know-hows Kooperationen sinnvoll sind.
    Johannes Remmel (GRÜNE): ... ein Land mit Vorbild-Charakter, das für viele Problemlagen und Technologien noch die besten Lösungen anbieten kann. Das ist aber nicht selbstverständlich. Wir brauchen daher selber hohe und ehrgeizige ökologische Standards, um Spitze zu sein, und dürfen darin nicht nachlassen.

    Idee und Umsetzung: Jürgen Knepper und Axel Bäumer

    Systematik: 1510 Internationale Beziehungen

    ID: LIN03628

  • Mit der Welt vernetzt.
    Sechs parlamentarische Gruppen knüpfen internationale Kontakte.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12 in Ausgabe 10 - 24.10.2007

    Nordrhein-Westfalen mit seiner geographischen Lage und seiner wirtschaftlichen Kraft ist ein zentraler Standort in Europa. Nimmt man mit Duisburg den größten Binnenhafen und mit Düsseldorf einen Flughafen für rund acht Millionen Menschen dazu, so ist das Land auch internationaler Knotenpunkt mit weltweiten Verbindungen.
    Die Menschen und die Wirtschaft Nord-rhein-Westfalens sind also mit der ganzen Welt vernetzt. Und die Politik? Die NRW-Landesregierung hat ein eigenes Ressort für Europaangelegenheiten mit Sitz im Stadttor am Rhein. Das Land hat eine rührige Vertretung bei der EU in Brüssel. Seinen europäischen Partnerregionen wie Nord-Pas de Calais (Frankreich), Schottland oder Schlesien misst das Land große Bedeutung zu. Auch in die neu hinzugekommenen Länder der EU, wie das Baltikum, unterhält NRW enge Beziehungen.
    In dieser Wahlperiode sind sechs Gruppen auf Beschluss des Landtagspräsidiums initiiert worden. Manche - wie die Deutsch-Baltische - sind neu, andere wie die Deutsch-Israelische, existieren schon seit einigen Legislaturperioden. Die Gruppen zählen an die 20 Abgeordnete. Der oder die Vorsitzende ist bei vier der Gruppen ein Mitglied des Präsidiums, bei zwei Gruppen ist es ein langjähriges Mitglied des Landtags.
    Parlamentariergruppen sind Zusammenschlüsse von Abgeordneten aller Fraktionen, die sich den Kontakten mit den Partnerländern oder Partnerregionen widmen. Sie legen das Gewicht ihrer Arbeit auf den politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Austausch zwischen NRW und der Welt.
    Die Parlamentariergruppen treffen sich in kooperativer Atmosphäre, koordinieren die Arbeit und planen Zusammenkünfte und Austauschveranstaltungen mit Konsulaten, Wirtschaftsvertretern oder Experten des jeweiligen Partnerlands. So traf sich jüngst die Deutsch-Amerikanische Gruppe mit dem kanadischen Konsul und diskutierte über das Bildungssystem in Kanada. "Brücken bauen zwischen Ost und West" war der Titel des Vortrags von Professor Dr. Hans Süßmuth im Rahmen eines Treffens der Deutsch-Polnischen Gruppe in Köln.

    Partnerregionen

    Diesem Motto entsprechend fördern die Deutsch-Polnische und die Deutsch-Baltische Gruppe den Kontakt zwischen West- und Osteuropa. Im August vergangenen Jahres besuchte der Präsident des polnischen Parlaments (Sejm) den Landtag. Er betonte dabei die Bedeutung der Städte- und Schulpartnerschaften zwischen Nordrhein-Westfalens und der Partnerregion Schlesien. Die dynamische außenwirtschaftliche Beziehung zwischen dem Baltikum und NRW sei ein Zugewinn für beide Regionen im vereinten Europa, betonte der ehemalige Bundesminister für Bauen und Verkehr, Kurt Bodewig, auf einem gemeinsamen Treffen der Deutsch-Baltischen und Deutsch-Polnischen Gruppe. Inzwischen hat sich in der Deutsch-Polnischen eine Arbeitsgruppe gegründet. Unter der Bezeichnung "Visegrád- Gruppe" erweitert sie das Tätigkeitsfeld um die Länder Tschechien, Slowakei und Ungarn. Zur Erinnerung: Im ungarischen Visegrád vereinbarten diese drei Länder, die seit den 1990er Jahren in die EU und NATO strebten, eine enge Zusammenarbeit untereinander sowie mit der Europäischen Gemeinschaft.
    Räumlich weiter führen andere Brücken, die mit der Einrichtung der Parlamentariergruppen durch das Landtagspräsidium geschlagen wurden.
    Zahlreiche Besuche nach Israel und aus Israel beschreiben die besondere Verbindung von NRW mit dem Land im Nahen Osten. Ein reger Austausch, vor allem zwischen jungen Israelis und Deutschen, hat längst eingesetzt. Zur Herzensangelegenheit sind die Besuche geworden, die Politikerinnen und Politiker aus Landtag und Landesregierung immer wieder in das bedrohte Land führen.
    In der letzten Wahlperiode ist die Deutsch-Türkische Parlamentariergruppe ins Leben gerufen worden. Ihr gehören rund 15 Abgeordnete an. Themen wie die Deutsch-Türkische Stiftungs-universität in Istanbul oder die Kulturhauptstadt Istanbul, die 2010 als Nicht-EU-Mitglied neben Essen kulturelles Zentrum Europas sein wird, beschäftigen diese Abgeordnetenrunde.
    Sichuan, Shanxi und Jiangsu sind die Partnerregionen Nordrhein-Westfalens in China. Der wirtschaftliche und politische Riese China ist an guten Kontakten zu unserem Land interessiert, für NRW gilt dieses Interesse genauso. Vor kurzem sind Mitglieder des Umweltausschusses und der Wirtschaftsausschusses nach zahlreichen Gesprächen und Terminen vor Ort mit vielen neuen Eindrücken und Erkenntnissen aus der Volksrepublik zurückgekehrt. Die Deutsch-Chinesische Parlamentariergruppe des Landtags hat also viel Stoff für ihre nächsten Zusammenkünfte und Planungen.
    JF

    Bildunterschrift:
    In Anwesenheit von Vertretern Polens, Tschechiens, der Slowakei und Ungarns sowie von Landtagspräsidentin Regina van Dinther fand soeben die Gründung der Visegrád-Gruppe statt. Sie steht unter Leitung von Horst Westkämper (CDU, links). Zwischen ihm und der Landtagspräsidentin sind versammelt der ungarische Gesandte Zsult Bota, der slowakische Botschafter Ivan Korcok, Konsul Dr. Dusan Vojtisek (Tschechien) und der polnische Vizekonsul Jakob Wawrzyniak. Ganz rechts im Bild Günther Slawik.

    Systematik: 1510 Internationale Beziehungen

    ID: LIN03629

  • Lohnender Blick ins "Schicksalsbuch".
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 9 - 19.09.2007

    Das vornehmste Recht eines Parlaments ist es, über den Landeshaushalt zu beraten und zu beschließen. Die Kladde des Finanzministers ist das "Schicksalsbuch" des Landes - ein ähnliches Wortbild. Aber es mag klingen, wie es will, es stimmt: Am Geldausgeben erkennt man Politik und die Schwerpunkte, die sie setzt. Am Geld entzündet sich der Streit.
    Aber lohnt dieser Streit überhaupt? Ein neuer Landeshaushalt wird von der Landesregierung ausgearbeitet. Sie stützt sich in der Regel auf eine parlamentarische Mehrheit. Diese Mehrheit verteidigt im Plenum den Etatentwurf ihrer Regierung, kann ihn auch abändern. Oppositionsparteien, die ihre eigenen Vorschläge und Wünsche anmelden, haben wenig Erfolg: In den Ausschüssen, wo ihre Anträge meist in Bausch und Bogen abgelehnt werden, im Plenum, wo sie in den drei Lesungen überstimmt werden.
    Noch etwas anderes kommt hinzu, das den souveränen Haushaltsgesetzgeber Landtag einengt. Das Land hat wenig Einfluss auf seine Einnahmen. Der Finanzminister ist darauf angewiesen, dass die Konjunktur gut läuft, dass die Wirtschaft Arbeitsplätze schafft und die Arbeitslosigkeit abnimmt. Während bei den Einnahmen weitgehend Unsicherheit herrscht, ist etwas anderes ganz sicher: Etwa neun Zehntel der Ausgaben liegen fest, sind "gesetzlich dauerhaft verbrieft", wie es in der Debatte hieß.

    Klarstellungen

    Warum also noch streiten? Über diese winzige freie Spitze, die es zu verteilen gibt? Das allein wäre nicht die Mühe einer General- debatte wert. Viel interessanter sind die Veränderungen, die Kürzungen oder Steigerungen, in denen sich die Gewichtung der aktuellen Politik abbildet. Mehr für Zukunftsaufgaben, weniger für Kohlesubventionen - allein daran kann sich eine lebhafte parlamentarische Debatte entzünden.
    Wo gespart und wo draufgelegt wird, was die Opposition davon hält, das ist erhellend für die Bürgerinnen und Bürger. Das lässt Frontlinien erahnen, an denen der nächste Kampf um die Mehrheit im Lande verlaufen wird. So gesehen sind Haushaltsberatungen Informationsquellen erster Güte. Sie machen klar, wie sich die politischen Parteien aufzustellen gedenken im Kampf um die öffentliche Meinung. Dem Souverän, den Wählerinnen und Wählern, kann das nur recht sein: Klarheit erleichtert ihm die Wahl.
    JK

    ID: LIN03509

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Die Fraktionen im Landtag NRW