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  • Genau hingeschaut.
    Landeshaushalt in zweiter Lesung: Parlament prüft Einzelpläne im Detail.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 6-11 in Ausgabe 12 - 17.12.2009

    2./3. Dezember 2009 - Das große Ganze - den Landeshaushalt 2010 mit einem Etat von 53,3 Milliarden Euro - nahmen die Abgeordneten in zweiter Lesung detailliert unter die Lupe. Nach den Finanzberatungen in den Fachausschüssen debattierten sie auch im Plenum über die Einzelpläne des Entwurfs. Die oft kontroversen Diskussionen verdeutlichten die unterschiedlichen Ansichten der Fraktionen zum Haushaltsgesetz (Drs. 14/9700), zum Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG, Drs. 14/9702) und zur mittelfristigen Finanzplanung (Drs. 14/9701). Die Regierungsfraktionen von CDU und FDP charakterisierten den Etat als wichtigen und erforderlichen Wegweiser, um das Land aus der Wirtschaftskrise zu führen. Die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen hingegen äußerten scharfe Kritik, da der Landeshaushalt in vielen Bereichen nicht die richtigen Schwerpunkte setze. Die Opposition stellte insgesamt 131 Änderungsanträge zur Abstimmung, erhielt für ihre Vorschläge jedoch keine parlamentarische Mehrheit.

    Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG)

    "Landauf, landab brechen in den allermeisten der 396 Kommunen Nordrhein-Westfalens die Haushalte zusammen", meinte Ralf Jäger (SPD) zum vorgelegten Entwurf. Ein "Raubzug" der schwarz-gelben Landesregierung durch die kommunalen Kassen führe nicht nur dazu, dass Bäder, Theater und Bibliotheken geschlossen werden müssten. Es sei eine derartige Überschuldung eingetreten, dass in vielen Kommunen die Rathäuser, Schulen, Kindergärten inzwischen den Banken gehörten.
    Trotz Wirtschaftskrise und Rückgang der verteilbaren Finanzmasse erhielten die Gemeinden im kommenden Jahr die nach 2009 zweithöchsten Zuweisungen, betonte Rainer Lux (CDU). Damit seien diese gegenüber dem letzten Haushaltsplan von Rot-Grün um 16 Prozent gestiegen. Die schwierige Finanzsituation sei insbesondere einem Einbruch bei der Gewerbesteuer geschuldet. Das Land sei verlässlicher Partner der Kommunen, müsse aber nicht für alle Fehlbeträge aufkommen.
    "Die Gewerbesteuer ist die unbeständigste und damit gefährlichste Einnahmequelle in unserem gesamten Steuersystem", warnte auch Horst Engel (FDP). Sie sei hauptverantwortlich für den aktuellen Kollaps der kommunalen Finanzen und müsse durch eine "Kommunalsteuer" als Zuschlag zur Einkommens- und Körperschaftssteuer ersetzt werden. Engel prangerte auch an, einzelne Kommunen seien finanzielle Risiken eingegangen, die sie an den Rand des Ruins getrieben hätten.
    "90 Prozent der Kommunen sind nicht mehr in der Lage, Einnahmen und Ausgaben in Ausgleich zu bringen", so Horst Becker (Grüne). Die Landeseinnahmen seien seit 2005 zwar um 30 Prozent gestiegen, die Zuweisungen an die Kommunen aber nur um 16 Prozent. Das Land habe diese über die Einheitslasten faktisch um 1,17 Prozent gesenkt und den Kommunen über die Grunderwerbsteuer, die Zuschüsse zu Krankenhausinvestitionen sowie zur Schülerbeförderung 310 Millionen Euro weggenommen.
    "Dieses GFG ist ein kommunalfreundliches GFG", erklärte Innenminister Dr. Ingo Wolf (FDP). Es gebe den Kommunen Planungssicherheit. Im übrigen überweise man mit 7,6 Milliarden Euro nicht nur den zweithöchsten Betrag überhaupt, sondern auch mit dem Kinderbildungsgesetz deutlich höhere Mittel an die Kommunen. Des Weiteren sei ein Wert von 86 Prozent frei verfügbarer Zuweisungsmittel "absolut top". Außerdem setze man das Konjunkturpaket II des Bundes "vorbildlich" um.

    Innen und Verwaltungsstrukturreform

    Die Regierung habe seit 2005 Stellen bei der Polizei abgebaut und die Polizistinnen und Polizisten dann auch noch wegen verstärkter Verwaltungsarbeit auf Streife geschickt, kritisierte Dr. Karsten Rudolph (SPD). Er forderte eine "bürgernahe Polizei" sowie eine verstärkte Bekämpfung der organisierten Kriminalität.
    Die schwarz-gelbe Regierung habe Innere Sicherheit gestaltet, fasste Theo Kruse (CDU) seine Sicht zusammen. Der Personalabbau sei gestoppt und die Verjüngung der Polizei eingeleitet worden. Eine "Hilfspolizei" für Nordrhein-Westfalen fordere die CDU nicht. Verstärkt investiere man in den Katastrophenschutz.
    Auch Horst Engel (FDP) hob hervor, man habe seit 2005 die Ausgaben für die Polizei auf über 2,5 Milliarden Euro pro Jahr erhöht, Stellen erhalten und ab 2008 die jährlichen Einstellungszahlen verdoppelt. Engel wandte sich aber auch gegen eine massive Beschneidung von Rechten sowie schrankenlose Eingriffsbefugnisse.
    Es sei kein Zeichen liberaler Innenpolitik, gerade beim Datenschutz Stellen zu kürzen, kritisierte Monika Düker (Grüne). Die Polizei in NRW sei in einem "desaströsen" Zustand. Aufgrund der kommenden Pensionierungswelle befürchtete die Grünen-Sprecherin gerade bei der Kriminalpolizei einen Kompetenzverlust.
    "841 Stellen, von Ihnen zum Abschuss freigegeben; wir haben sie belassen." Laut Innenminister Dr. Ingo Wolff (FDP) habe man bei der Polizei statt 500 Personen 1.100 pro Jahr eingestellt, um die demografiebedingten Probleme auszugleichen. Gleichzeitig habe man die flachste Hierarchie in Deutschland geschaffen.

    Sport

    "Eine dreiste Nummer", meinte Hans-Theo Peschkes (SPD) zur Sportpolitik der Landesregierung. Erst würden die Mittel für den Sport zusammengestrichen, dann die Kürzungen durch Anträge in letzter Minute rückgängig gemacht. Die strukturellen Defizite blieben, Planungssicherheit sei nicht gegeben.
    Seit 2005 umfasse der Landessportplan 31 Millionen Euro mehr, konterte Holger Müller (CDU). Die sportpolitische Bilanz von 2006 bis 2010 umfasse fünf neue NRW-Sportschulen, das Sportstättenfinanzierungsprogramm, die konstante Sportpauschale und eine seit 2007 unveränderte Jugendbetreuersportpauschale.
    "NRW ist das Sportland Nummer eins in Deutschland", so Christof Rasche (FDP). FDP und CDU hätten die Mittel im Landessportplan seit 2005 um 25 Prozent erhöht. Mit dem LandesSportBund habe die Landesregierung das "Bündnis für den Sport" aufgelegt. Außerdem habe man die Bedingungen für den Leistungssport verbessert.
    "Sie haben soeben noch einmal die Kurve gekriegt", erklärte Ewald Groth (Grüne). Der LandesSportBund habe jedoch "wieder zittern" und Kürzungen von 2,1 Millionen Euro befürchten müssen. Der Grünen-Sprecher forderte Planungssicherheit sowie eine Stärkung des Verbundsystems von Schule und Leistungssport.
    "Wenn Geld fehlt, dann muss nach einem Ausgleich gesucht werden, und das haben wir geschafft", antwortete Minister Dr. Ingo Wolf (FDP). Der zunächst niedrigere Ansatz für den LandesSport- Bund basiere auf Haushaltssystematik. Seit 2005 habe man die Ausgaben für Sport von 52,4 auf 57,5 Millionen Euro erhöht.

    Schule und Weiterbildung

    Für "verhaftet im bildungspolitischen Gestern" hielt Ute Schäfer (SPD) die Schulpolitik der Landesregierung, die am mehrgliedrigen Schulsystem festhalte. Größte Fehler seien die "dilettantische" Umsetzung des Turbo-Abiturs, die Pannen beim Zentralabitur und das gebrochene Versprechen einer "Unterrichtsgarantie".
    Rund 325.000 Ganztagsplätze werde man mit diesem Haushalt schaffen, versprach Bernhard Recker (CDU); 254.000 mehr als bei Regierungsübernahme. Neben dieser Steigerung habe die Landesregierung die Zahl großer Klassen wie auch den Unterrichtsausfall deutlich verringert. Ebenso bemühe man sich um neue Lehrkräfte.
    Gut 2 Milliarden Euro mehr gäben FDP und CDU seit 2005 für Schule und Bildung aus, so Ingrid Pieper-von Heiden (FDP). Der Bildungsetat betrage 37,1 Prozent des Haushalts, NRW sei "Spitzenreiter" in Deutschland. Im Vergleich zu 2005 werde die Landesregierung im nächsten Jahr 8.124 Lehrerstellen neu geschaffen haben.
    Der Löwenanteil der gestiegenen Personalkosten entfalle auf höhere Pensionskosten, erklärte Sigrid Beer (Grüne). Neu geschaffen würden 2010 allerdings nur 927 Gymnasialstellen. Sie forderte mehr Investitionen in frühkindliche Bildung, in Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte und in die Durchlässigkeit des Schulsystems.
    Der Gesamthaushalt sinke, der Schuletat wachse, so Schulministerin Barbara Sommer (CDU). Zusätzliche Lehrkräfte bedeuteten im nächsten Schuljahr: pro Lehrerstelle im Durchschnitt zwei Schüler weniger als unter Rot-Grün. Im Vergleich zu 2005 gebe es 291.000 neue Ganztagsplätze und mehr Mittel für Lehrerfortbildung.

    Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie

    Die Landesregierung, so Karl Schultheis (SPD) verliere bei den Hochschulen an Überblick und Gestaltungsmöglichkeiten. Dies zeigten auch die aktuellen Studentenproteste. Fast die Hälfte der zusätzlichen Mittel von 600 Millionen Euro für 2010 komme aus den Studiengebühren.
    Dr. Michael Brinkmeier (CDU) erwiderte, die Hochschulen könnten heute freier handeln. Die Fachaufsicht liege nicht mehr im Ministerium, sondern bei den Hochschulen, die nun zudem fünf Jahre Planungssicherheit hätten. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, Studienbeiträge zu erheben.
    Entgegen der allgemeinen Haushaltsentwicklung stiegen die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung um 3,8 Prozent auf über 5,8 Milliarden Euro, betonte Dr. Ute Dreckmann (FDP). Trotz Studiengebühren nähmen in NRW in diesem Wintersemester mehr junge Menschen ein Studium auf als je zuvor.
    Die Studierenden müssten die Folgen einer "undurchdachten" Bologna-Reform ausbaden, kritisierte Dr. Ruth Seidel (Grüne). Sie bemängelte Bürokratie für die Lehrenden, eine Reglementierung des Studienablaufs und eine Verdichtung der Prüfungsprozeduren. Die Studiengebühren müssten abgeschafft werden.
    Die "chronische" Unterfinanzierung der Hochschulen sei überwunden, meinte Wissenschaftsminister Dr. Andreas Pinkwart (FDP). 2010 gebe es 25 Prozent mehr Mittel als 2005. Die Opposition habe damals für Langzeitstudierende Studiengebühren eingeführt, diese dann aber beim Finanzminister abgeliefert.

    Generationen und Familie, Kinder und Jugend

    Das Land erwarte von den Kommunen, Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren (U3) zu schaffen, gebe aber nicht die dafür notwendigen Mittel, kritisierte Britta Altenkamp (SPD). Dafür könne man etwaige Rückflüsse aus dem KiBiz verwenden, die im Haushalt mit 4,5 Millionen Euro verbucht würden.
    Im Jahr 2010 werde es über 100.000 U3-Plätze geben, kündigte Marie-Theres Kastner (CDU) an. Auch die Tagesbetreuung der Kinder bis sechs Jahren werde im Haushalt berücksichtigt. Verlässliche Förderung gebe es auch für Familienzentren, die Sprachförderung sowie den Kinder- und Jugendförderplan.
    Auch Dr. Ute Dreckmann (FDP) unterstrich, frühkindliche Bildung sei ein Schwerpunktthema. Mit 1,2 Milliarden Euro stelle NRW für die Betreuung seiner Kleinsten mehr Geld als jedes andere deutsche Bundesland zur Verfügung. Nun wolle man die beschlossene "Platzgarantie ab zwei" gesetzlich verankern.
    "Mehr Geld für reiche Kinder" - Ministerpräsident Rüttgers kritisiere diese Pläne der neuen Bundesregierung nicht, bemerkte Andrea Asch (Grüne). Schwarz-Gelb verschärfe mit Zuspruch der Landesregierung die Kinderarmut. Das Statistische Bundesamt belege: NRW sei bei U3-Plätzen Schlusslicht.
    "Das ist der Gewinnerhaushalt", betonte Familienminister Armin Laschet (CDU) und verwies auf mittlerweile 1.750 Familienzentren im Land sowie "gigantische Steigerungen" für die Bildung von Kindern und Jugendlichen. Deshalb könne das Land den Kommunen dafür Zuschüsse von 35 Prozent gewähren.

    Frauen

    Die Regierung kürze bei den Ehe- und Lebensberatungsstellen, Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern, erklärte Ulla Meurer (SPD). Damit trage sie "Verantwortung dafür, dass im letzten Jahr in NRW mehr als 5.000 Frauen und ihre Kinder, die vor häuslicher Gewalt flohen, abgewiesen werden mussten".
    Das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen sei nur auf dem Weg "schrittweiser Erfolge" zu erreichen. Daher zeigt sich Maria Westerhorstmann (CDU) zufrieden mit den Impulsen im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Chancengleichheit sowie der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen.
    Mit ihrer Frauenpolitik sei die Landesregierung sehr nahe bei den Bedürfnissen der Frauen, ergänzte Ingrid Pieper-von Heiden (FDP). Als Aufgabe aller Ressorts werde sie in den entsprechenden Haushaltsansätzen umgesetzt. Besonders hervor hob die FDP-Sprecherin die Unterstützung von Familien.
    Die Landesregierung, so Barbara Steffens (Grüne), bringe Frauen um ihnen zustehende Rechte. So sehe dieser Haushalt keine verbindliche Finanzierung für Frauenhäuser vor. Außerdem kritisierte sie zu geringe Möglichkeiten einer ärztlichen Versorgung in Schwangerschaftskonflikt- Beratungsstellen.
    Frauenminister Armin Laschet (CDU) erklärte, man wolle dem Problem der bestehenden Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen sowie den Nachteilen durch Berufsunterbrechung begegnen. Jede Frau, die es wünsche, finde zu jeder Zeit in einem Frauenhaus Schutz und Hilfe, betonte der Frauenminister.

    Integration und Eine-Welt

    "Im Wesentlichen hat es Kürzungen gegeben", fasste Renate Hendricks (SPD) zusammen. Zwar herrsche fraktionsübergreifende Einigkeit, dass für die Bekämpfung von Hunger und Armut in der Welt sowie die Bewältigung des Klimawandels mehr getan werden müsse. Dieses Ziel schlage sich jedoch nicht im Haushalt nieder.
    Michael Solf (CDU) begrüßte, in den Bereichen Integrations- und Entwicklungshilfe liege ein Haushalt vor, der die erfolgreiche Arbeit der letzten Jahre fortsetze. Dies umfasse die Förderung von Sprache und Bildung, der kommunalen Integrationsarbeit sowie die Stärkung der Migranten- Selbstorganisation.
    Der Haushalt 2010 untermauere die Vorreiterrolle Nordrhein-Westfalens in der Integrationsund Entwicklungspolitik, so Dr. Ute Dreckmann (FDP). Von den Neugeborenen in NRW hätten 35 bis 40 Prozent eine Zuwanderungsgeschichte. Daher müsse Nordrhein-Westfalen das Land "neuer Integrationschancen" bleiben.
    Der Haushaltsentwurf sei ein Beleg für nicht ausreichende Integrationsanstrengungen, meinte dagegen Andrea Asch (Grüne). So hätten sich von 2005 bis 2010 die Ausgaben für Integration halbiert. Auch sei kein Teil dieser Einsparungen in eine Aufstockung der freiwilligen Leistungen überführt worden.
    Integrationsminister Armin Laschet (CDU) entgegnete, mit den 26,2 Millionen Euro könne über bewährte Programme etwa die Arbeit der 126 Integrationsagenturen gesichert werden. Mit der "Bonner Konferenz" am wichtigen UN-Standort habe man sich auch in der Entwicklungspolitik profilieren können.

    Staatskanzlei und Europa-Angelegenheiten

    Anstatt wie in anderen Bereichen zu sparen, gebe es in diesem Einzelplan einen Zuwachs von 25 Stellen im höheren Dienst, kritisierte Wolfram Kuschke (SPD). Für die Europafähigkeit des Landes seien eindeutige Absprachen zwischen Landesregierung und Parlament in Bezug auf Information und Beteiligung notwendig.
    In der Staatskanzlei würden weitere sechs Stellen abgebaut, hielt Ilka von Boeselager (CDU) entgegen; das seien insgesamt 53 eingesparte Stellen seit 2005. In puncto Europa verwies sie auf eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten sowie eine leistungsfähige Vertretung in Brüssel.
    Dietmar Brockes (FDP) unterstrich die Bedeutung der Europapolitik, gerade nach dem Inkrafttreten des EU-Reformvertrags. Beispiele seien der Ausbau der Landesvertretung in Brüssel, die Förderung der Europafähigkeit der Schulen sowie der Euregios. Auch stehe die Fortführung der Strukturpolitik nach 2013 an.
    Sylvia Löhrmann (Grüne) betonte, in der Europapolitik gebe es einen größeren Konsens als in anderen Fragen. Es gelte, ein gemeinsames Vorgehen von Regierung und Parlament auszuloten. Sie kritisierte eine Steigerung der Personalausgaben um 20 Prozent in der Staatskanzlei sowie "exorbitante" Beratungskosten.
    Die Staatskanzlei sei um 10 Prozent verkleinert worden, erklärte Europaminister Andreas Krautscheid (CDU). Wenn man den Kulturetat abziehe, verringere sich der Etat der Staatskanzlei um 9,3 Millionen Euro. Dagegen wolle man die wichtigen europapolitischen Aktivitäten um 250.000 Euro verstärken.

    Kultur

    Das Engagement der Kommunen drohe aufgrund der Finanznot deutlich zurückzugehen, warnte Claudia Scheler (SPD) und befürchtete Kürzungen bei Theatern oder Kulturprojekten. Notwendig sei ein Pakt für Kultur. Die Ausgaben des Landes stünden in keinem Verhältnis zu dem, was die Kommunen noch leisteten.
    "Wir haben den Kahlschlag der früheren Landesregierung beendet", erklärte Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU). Die schwarz-gelbe Landesregierung habe eine Verdoppelung des Kulturetats angekündigt und durchgesetzt. Grundlage für kulturelles Engagement sei die kulturelle Bildung in allen Altersstufen.
    Angela Freimuth (FDP) bezeichnete musikalischkulturelle Vielfalt und die entsprechende Bildung der Kinder und Jugendlichen als wichtigen Teil der Kulturarbeit und als Voraussetzung für Kreativität und Innovation. Daher der Ausbau des Kulturförderetats auch in Zeiten wirtschaftlicher Krise.
    Oliver Keymis (Grüne) forderte, die Situation der Kommunen als Hauptträger der Kultur zu verbessern. Die Aufstockung des Landesetats sei zu begrüßen, aber angesichts von mehreren Hundert Millionen Euro zum Beispiel für den Neubau von U-Bahnen seien 70 Millionen Euro mehr kein riesiger Sprung.
    Medienminister Andreas Krautscheid (CDU) lobte dagegen die Erhöhung als "bemerkenswertes Ausrufezeichen hinter fünf Jahren erfolgreicher Kulturpolitik" und verwies auf die Initiative "Jedem Kind ein Instrument", die Schnittstelle "Kultur und Tourismus" und die Exzellenzinitiative für Kommunaltheater.
    (siehe Fortsetzung)

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI091207

  • Genau hingeschaut.
    Landeshaushalt in zweiter Lesung: Parlament prüft Einzelpläne im Detail (Fortsetzung).
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 6-11 in Ausgabe 12 - 17.12.2009

    Medien

    Nicht kreativ genug sei die Landesregierung hinsichtlich der Sicherung des Medienstandorts NRW gewesen, so Marc Jan Eumann (SPD). So baue sie die Filmstiftung NRW nicht zu einem "modernen, schlagkräftigen, integrierten Förderinstrument" auf, sondern kürze stattdessen die Mittel für Medienkompetenz.
    Gegenüber 2009 stünden für Medien knapp 700.000 Euro mehr zur Verfügung, entgegnete Thorsten Schick (CDU). Heute gebe es mehrere Zentren für Film-, Funk- und Fernsehproduktion, Telekommunikation und Softwareentwicklung, ergänzt durch die neue Standortagentur für medienübergreifende Zusammenarbeit.
    Nicht mehr die Knappheit der Übertragungswege, sondern die "nahezu unendliche Weite der neuen Möglichkeiten" beflügelten für Ralf Witzel (FDP) den Umbruch in der NRW-Medienlandschaft. Man wolle keine "Erhaltungssubventionen", sondern über "Best-Practice-Fälle" die Marktkräfte unterstützen.
    Oliver Keymis (Grüne) vermisste eine "Breitband- Offensive für ganz NRW", eine Offensive "Medienkompetenz in NRW" sowie Initiativen zur Stärkung des Medienstandorts. Zum Beispiel müsse die Filmförderung weiterentwickelt werden. Zu kritisieren sei auch die Kürzung der Mittel für das "Medienforum".
    Medienminister Andreas Krautscheid (CDU) sah NRW als Medienland Nummer eins in Deutschland. Der Etat wachse erneut, NRW sei der Standort mit den attraktivsten Finanzierungspaketen für Filmschaffende. In die Finanzierungs- und Förderlandschaft füge sich nun auch das neue "Mediencluster" in Köln ein.

    Justiz

    "Wir haben weniger Personal bei der Richterschaft und in den Staatsanwaltschaften als 2005", gab Frank Sichau (SPD) zu bedenken. Schwarz-Gelb habe damit sein Wahlversprechen aus 2005 nicht eingelöst. Folgen seien etwa Mängel im Jugendstrafvollzug sowie eine ungenügende Betreuung von Suchtkranken im Strafvollzug.
    Die Landesregierung habe den von Rot-Grün bereits beschlossenen "massiven" Stellenabbau 2005 gestoppt und dann auch noch neues Personal eingestellt, meinte dagegen Harald Giebels (CDU). Außerdem sei durch den Bau neuer Haftanstalten die Situation im Vollzug verbessert und die Belastung dort verringert worden.
    Es sei besser, zwei Haftanstalten mit 500 Plätzen wirklich gebaut als zehn Jahre lang über sieben Haftanstalten mit 200 Plätzen diskutiert zu haben, argumentierte Dr. Robert Orth (FDP). Im Übrigen investiere die Landesregierung heute auch in Möglichkeiten, Häftlinge menschenwürdiger unterzubringen.
    Eine "desolate" Situation in vielen Haftanstalten beklagte Monika Düker (Grüne). Sie verwies auf zahlreiche Überstunden, "extrem" hohe Krankenstände und eine Verschlechterung der Ausstattung im Erwachsenenvollzug. Dies betreffe zum Beispiel die Betreuung psychisch Auffälliger und Drogenabhängiger.
    Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) unterstrich: "Wir haben den Stellenabbau gestoppt und neue Stellen geschaffen - und zwar zielgerichtet und genau". Auch habe man neue Beförderungsmöglichkeiten eingerichtet. Der Erwachsenenvollzug werde durch den Neubau zweier Vollzugsanstalten entlastet.

    Wirtschaft und Mittelstand

    Anders als Bund und EU habe das Land, so Thomas Eiskirch (SPD), die Ausgaben für Wirtschaftsförderung gesenkt. Die öffentliche Auftragsvergabe sei für mittelständische Unternehmen unattraktiv. Bei großen Firmenpleiten würden Auffangprojekte verzögert. Sein Fazit: die Legislaturperiode - eine verlorene Zeit.
    Trotz Wirtschaftskrise gebe es weniger Arbeitslose als unter Rot-Grün, erwiderte Oliver Wittke (CDU). In den letzten vier Jahren habe das Wirtschaftswachstum über dem Bundesdurchschnitt gelegen. Seit Anfang 2009 habe man über 10.000 mittelständischen Unternehmen Bürgschaften und Darlehen gewährt.
    Erfolgreiche Wirtschaftspolitik lasse sich nicht aus einem Haushaltsplan allein ablesen, meinte Dietmar Brockes (FDP). Zukunftsfelder wie die Bildungspolitik gehörten ebenso dazu. Mit Blick auf Opel warnte er vor dem Erhalt unrentabler Jobs; notwendig sei die Förderung zukunftsfähiger Arbeitsplätze.
    "Wenn die Arbeitslosigkeit gesunken sei, dann auch aufgrund staatlich finanzierter Kurzarbeit. Der FDP-Leitsatz "Privat vor Staat", so Reiner Priggen (Grüne), sei also derzeit nicht angebracht. Der Haushalt 2010 stelle die Belastungen, die durch die geplanten Bundesgesetze auf das Land zukämen, nicht korrekt dar.
    Eine leichte Aufwärtsbewegung sah Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Um diese zu sichern, werde man konjunkturbedingte Steuerausfälle, auch solche aus dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz, kreditfinanziert mittragen. Der Haushalt enthalte genügend Mittel, um die Bundes- und EU-Mittel abzurufen.

    Energie

    "NRW steht auf einem Abstiegsplatz bei den erneuerbaren Energien", so Norbert Römer (SPD). Die CO2-Emissionen seien bis 2005 gesunken, dann um 8 Millionen Tonnen gestiegen. Die Schwierigkeiten für das Kraftwerk Datteln zeigten, dass die Landesregierung mit "schweren Fehlern" wichtige Industrieprojekte gefährde.
    Aufgrund der "verfehlten" Steinkohle-Subvention von Rot-Grün könne der Schwerpunkt heutiger Energiepolitik nicht im investiven Bereich liegen, sagte Christian Weisbrich (CDU). Daher müsse man jetzt private Investitionen stimulieren, insbesondere bei rationeller Energienutzung und regenerativen Energien.
    Dietmar Brockes (FDP) forderte, die Energieversorgung auf möglichst viele Füße zu stellen und die Energieeffizienz zu steigern. Man brauche neue, hochmoderne Steinkohlekraftwerke ebenso wie einen höheren Anteil erneuerbarer Energien. Arbeiten müsse man an neuen Speichertechnologien und der Elektromobilität.
    Fünf verlorene Jahre für die Gebäudesanierung, die Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbare Energien, so Reiner Priggen (Grüne). Schon in zehn Jahren seien "Erneuerbare" der Primärenergieträger Nummer eins. Er forderte ein Weiterdenken bis zur notwendigen Absenkung der CO2- Emissionen um 80 Prozent im Jahr 2050.
    Derzeit bestehe der Energiehaushalt zu 94 Prozent aus Kohlehilfen, erläuterte Energieministerin Christa Thoben (CDU). Sie plädierte für einen Ausbau Erneuerbarer Energien, die Steigerung der Energieeffizienz, den schrittweisen Ersatz konventioneller Energieträger sowie die Kernenergie als Brückentechnologie.

    Landesplanung

    Prof. Dr. Gerd Bollermann (SPD) bezeichnete die Landesplanung als "Fehlanzeige": bei der Novellierung der Landes- und Regionalpolitik, beim Abbau unnötiger Bürokratie, bei der Gewährung von mehr Kompetenz vor Ort und bei der angekündigten Zusammenfassung von Landesentwicklungsprogramm und -plan.
    Josef Hovenjürgen (CDU) bewertete es als "bemerkenswert", dass die Planungshoheit für das Ruhrgebiet nun auf den RVR übergegangen sei. Man müsse sich mit der Nutzung industrieller Altstandorte beschäftigen. Die angesprochene Zusammenfassung werde Anfang der kommenden Legislaturperiode erfolgen.
    Mit Blick auf das Gerichtsurteil zum geplanten Kraftwerk Datteln plädierte auch Holger Ellerbrock (FDP) dafür, den Energieteil aus dem neuen Landesentwicklungsplan vorzuziehen. Er warnte allerdings vor einem selbstständigen Landesentwicklungsplan Energie; der integrative Ansatz müsse beibehalten werden.
    Als "handwerkliches Desaster" bezeichnete Reiner Priggen (Grüne) die Planung des Kraftwerks in Datteln. Hier versuche man jetzt, die Fehler "unter Missachtung aller Fristen" zu heilen, die Kraft-Wärme-Kopplung, die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz aus dem Landesentwicklungsprogramm zu streichen.
    Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) hielt schnelles Handeln für notwendig; das Urteil stelle mehrere Kraftwerksplanungen vor ähnlichen Fragen. Ziele, die im Landesentwicklungsprogramm gestrichen würden, blieben im Landesentwicklungsplan. Eine Überarbeitung erfolge, wenn der Energieteil vorgezogen werde.

    Städtebau und Wohnen

    Als einen "Supergau" bezeichnete Dieter Hilser (SPD) die vorgesehene Vollintegration des Wohnungsbauvermögens in die NRW-Bank. Willentlich und wissentlich schraube die Landesregierung die Wohnungsbauförderung zurück. Sie sorge dafür, dass Mieterrechte beschnitten und 100.000 Wohnungen an Spekulanten verscherbelt würden.
    Für "Parolen" und "Oppositionsgetöse" hielt Heinz Sahnen (CDU) den Beitrag seines Vorredners. 2010 solle aus dem Landeswohnungsbauvermögen für die soziale Wohnraumförderung eine Milliarde Euro bereitgestellt werden. Das seien rund 50 Millionen Euro mehr als im Jahr 2009. Sahnens Fazit: Der Etat beweise "Weitblick".
    Unter Schwarz-Gelb habe sich die Städtebau- und Wohnungspolitik zu einer "pragmatischen und effektiven Politik" gewandelt, lobte Christof Rasche (FDP). Der Gesamtetat mit drei Milliarden Euro werde trotz Wirtschaftskrise auf dem Niveau des Vorjahres gehalten, die Wohnraumförderung bleibe im deutschen Vergleich einzigartig.
    Horst Becker (Grüne) bezeichnete die Wohnungsbaupolitik der Landesregierung als "Abrissbirne". Die Regierung habe die Wohnungsbau- sowie die Städtebauförderung abgebaut und sich an Mieterrechten vergriffen. Das Wohnungsbauvermögen müsse für Förderprogramme aller Art herhalten. "Diese Politik ist falsch", so Becker.
    "Der Einzelplan ist ein Beitrag dazu, dass wir gestärkt aus der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgehen", erklärte Bauminister Lutz Lienenkämper (CDU). Die Integration des WfAVermögens in die NRW-BANK ermögliche eine noch bessere Basis für soziale Wohnraumförderung und weitere Fördermöglichkeiten.

    Verkehr

    "Die Regierung Rüttgers ist ohne Plan auch im Bereich der Verkehrspolitik", sagte Bodo Wißen (SPD). Sie trage Verantwortung dafür, dass es seit 2005 Ticketpreiserhöhungen von 20 Prozent und mehr im öffentlichen Nahverkehr gegeben habe und dass es auf den Straßen so langsam zugehe wie in keinem anderen Bundesland.
    Bernd Schulte (CDU) erklärte, der Haushalt, zeige, dass die wichtigen Verkehrsträger gleich behandelt würden und kein Verkehrsträger bevorzugt werde. Der Etat sei von Kontinuität geprägt und setze trotz Krise neue Schwerpunkte, beispielsweise im Bereich des Schienenverkehrs und der Sanierung von Landesstraßen.
    Trotz schwieriger Finanzlage stelle die Landesregierung 160 Millionen Euro für das Landesstraßennetz bereit, hob Christof Rasche (FDP) hervor. Damit arbeite sie "den riesigen Sanierungsstau" ab, den Rot-Grün hinterlassen habe. "Wir wollen, dass sich NRW mehr und mehr zur Logistikdrehscheibe entwickelt", sagte Rasche.
    Der Haushalt schreibe Kürzungen bei Bussen und Bahnen vor, kritisierte Horst Becker (Grüne). Das sei für viele Menschen schlecht. Zugleich lehnten CDU und FDP die Einführung von Sozialtickets in NRW ab. "Die Bürgerinnen und Bürger zahlen den Preis für diese Fehlentwicklung in der Politik", so der Grüne.
    "Jeder Verkehrsträger wird seinem Bedarf und seinen Möglichkeiten entsprechend ausgebaut", unterstrich Verkehrsminister Lutz Lienenkämper (CDU). Das Angebot sei so zu stärken, "dass sich die Menschen selbst auswählen können, welchen Verkehrsträger sie benutzen". Das sei die Leitlinie der Verkehrspolitik.

    Arbeit und berufliche Weiterbildung

    Für wenig innovativ hielt Rainer Schmeltzer (SPD) den Haushaltsentwurf. Dieser lasse außer Acht, dass immer mehr Menschen vom Arbeitslosengeld II leben müssten, immer häufiger vor Gericht zögen und ein Recht auf unabhängige Beratung hätten. Erforderlich seien intensivere Anstrengungen für junge Menschen.
    Trotz der Krise habe man die Mittel nahezu gehalten, so Bernhard Tenhumberg (CDU). Auch Unternehmen müssten ihre soziale Verpflichtung wahrnehmen. Er verwies auf Programme zum Berufseinstieg, auf das "Erfolgmodell" Bildungsscheck zur beruflichen Weiterbildung und auf Initiativen für Menschen mit Behinderungen.
    "Wir sind weiterhin auf der Seite der Arbeitnehmer in diesem Land", erklärte Dr. Stefan Romberg (FDP). Man sei aktiv, Kurzarbeit mit Weiterbildung zu verknüpfen, Einstiege ins Berufsleben zu erleichtern, Behinderte besser am Arbeitsmarkt zu beteiligen und Unternehmen bei der Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen.
    Die Landesregierung nehme Bildungsverlierer in Kauf und richte für diese dann "Warteschleifen, Qualifizierungsmaßnahmen und kleine Bildungsbausteine" ein, meinte Barbara Steffens (Grüne). Die Verlierer des Systems würden mit Maßnahmen nicht erreicht. Sie forderte die Finanzierung von Arbeitslosenzentren.
    Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) betonte, wie wichtig es angesichts der Krise sei, Arbeitsplätze in NRW zu halten und neue zu ermöglichen. Auch er verwies auf die genannten Schwerpunkte des Haushalts 2010 und zeigte sich überzeugt, dass NRW bei der Arbeitsmarktpolitik gut aufgestellt sei.

    Gesundheit und Soziales

    Norbert Killewald (SPD) vermisste ein konkretes Konzept für die Bekämpfung der Armut und kritisierte, die derzeitige schwarz-gelbe Landesregierung meine es mit einer nachhaltigen Pflegepolitik nicht ernst. Die Kommunen in NRW seien mit der Übernahme der Versorgungsämter vom Land alleingelassen worden.
    In den wesentlichen Feldern der Sozialpolitik seien Kürzungen vermieden worden, lobte Ursula Monheim (CDU). Obwohl der Gestaltungsspielraum knapp sei, bekämpfe man die Kinderarmut, räume der Politik für Menschen mit Behinderungen einen hohen Stellenwert ein und engagiere sich in der Altenpflegeausbildung.
    Auch für die ärztliche Versorgung auf dem Land werde etwas getan, lobte Dr. Stefan Romberg (FDP). Das Programm stoße auf großes Interesse. Als einen politischen Schwerpunkt nannte er die Krankenhausförderung. Mit dem Gesundheitscampus setze NRW ein besonderes Zeichen für Zukunftsorientierung.
    Eine "Riesenkluft" machte Barbara Steffens (Grüne) zwischen Reden und Handeln des Gesundheitsministers aus. Beispiel einer "Pseudosozialpolitik" sei das Programm "Kein Kind ohne Mahlzeit", das längst nicht alle betroffenen Kinder erreiche. Auch Suchtpräventionskonzepte würden zurückgefahren oder "plattgemacht".
    Armut, sagte Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) könne man nur verhindern, indem man Menschen in Arbeit bringe. Seit Regierungsübernahme habe die Regierung Verbesserungen bei Hartz IV, bei der Krankenhausförderung, bei der Medizinerausbildung, bei Versorgungsämtern und bei Pflege und Demenz erreicht.

    Umwelt und Naturschutz, Verbraucherschutz und Landwirtschaft

    "Stillstand und Rückschritt" machte Svenja Schulze (SPD) in der Umweltpolitik des Landes aus. "Der Umweltetat ist bei Ihnen in erster Linie ein Steinbruch für Haushaltskonsolidierung", warf sie CDU und FDP vor. Wirkliches Handeln in diesem Bereich werde den Menschen lediglich vorgetäuscht.
    "Umweltpolitik ist Zukunftspolitik", entgegnete Marie-Luise Fasse (CDU), deshalb blieben entscheidende Bereiche von Kürzungen im Haushalt ausgenommen. Erfolge sah die CDU-Sprecherin beim Klimawandel, bei der Wasser- und Luftqualität, bei der Altlastensanierung und bei der Kooperation mit Partnern.
    Holger Ellerbrock (FDP) begrüßte, dass die Vorgaben des Bundes und der EU zum Umwelt- und Naturschutz nun eins zu eins umgesetzt würden, auch um die Wettbewerbsfähigkeit verantwortungsvoll zu erhalten. Es gebe noch viel zu tun, NRW sei aber auf einem vernünftigen und vorbildlichen Weg.
    Der Umweltminister müsse in seiner Funktion nicht die Interessen der Wirtschaft oder Landwirtschaft vertreten, sondern laut Amtseid Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben, kritisierte Johannes Remmel (Grüne). Brücken in die Zukunft habe der Minister nicht gebaut, sondern eher abgebrochen.
    "2010", kündigte Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) an, "wird für die Umwelt und die Verbraucher in Nordrhein-Westfalen ein gutes Jahr".
    Der Haushalt stelle mit 745,4 Millionen Euro die Weichen für die Bewahrung der Schöpfung, für souveräne Verbraucherinnen und Verbraucher und für gute Lebensmittel.

    Allgemeine Finanzverwaltung und Haushaltsgesetz

    Minister Linssen wolle partout nicht derjenige sein, der als der Finanzminister mit der höchsten Nettoneuverschuldung in die Landesgeschichte eingehe, meinte Thomas Trampe-Brinkmann (SPD). Dafür starte er unter anderem einen "Raubzug durch die Kommunen" mit der Folge, "dass sich Stadt und Land mit geballten Fäusten gegenüberstehen". "Dieser Einzelplan zeigt auf, wie solide dieser Finanzminister wirtschaftet", entgegnete Christian Weisbrich (CDU). Die Konsolidierungspolitik trage dazu bei, die Wirtschafts- und Finanzkrise zu meistern. Die Nettoneuverschuldung bleibe mit 6,575 Milliarden Euro hinter der rotgrünen Rekordmarke von 6,7 Milliarden Euro im Jahre 2005 zurück.
    "Wir werden den Weg der Haushaltskonsolidierung durch Investitionen und Einsparungen fortsetzen", sagte Angela Freimuth (FDP). Seit 2005 habe die Koalition "jede Ausgabe und jede Aufgabe kritisch auf den Prüfstand gestellt", und es seien bereits erste nachhaltige Erfolge bei der strukturellen Konsolidierung des Haushalts erreicht.
    Ende 2010, merkte Horst Becker (Grüne) an, werde der Schuldenstand bei 132 Milliarden Euro liegen. Das seien ziemlich genau 26 Milliarden Euro mehr als vor fünf Jahren, obwohl die Steuereinnahmen auf Rekordniveau gestiegen seien. Diese Entwicklung zeige, dass die Landesregierung "schlecht gewirtschaftet" haben müsse, so der Grüne.
    "Wir haben die Nettoneuverschuldung von 2005 bis 2008 um 83 Prozent reduziert", fasste Finanzminister Dr. Helmut Linssen (CDU) in der Schlussbetrachtung zusammen. Dafür seien 92 Prozent aller verfügbaren Steuermehreinnahmen verwendet worden. Diese "vorbildliche Konsolidierungspolitik" gebe es nirgendwo sonst in Deutschland.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI091208

  • Generaldebatte zur 3. Lesung.
    Parlament verabschiedet Landeshaushalt 2010 und streitet um Grundsätzliches.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12-13 in Ausgabe 12 - 17.12.2009

    17. Dezember 2009 - Mit der dritten Lesung und der abschließenden Abstimmung haben die Abgeordneten den Landesetat für 2010 unter Dach und Fach gebracht. Dabei ging es nicht mehr um Detailfragen, diese wurden bereits in erster und zweiter Lesung sowie in den Fachausschüssen diskutiert. Stattdessen nutzten die Spitzen von Regierungs- und Oppositionsfraktionen die Gelegenheit zur Generaldebatte. Wo steht NRW? Wo geht es hin? Und wer steht für welche Ansätze? Die Antworten lieferten sich die Abgeordneten in einer traditionell spannenden Debatte.
    "Wie miserabel die Schlussbilanz von Schwarz-Gelb ist", zählte die SPD-Fraktionsvorsitzende Hannelore Kraft (SPD) auf. Einen Schwerpunkt setzte sie dabei auf die Bildung. Die Sprachförderung sei wenig erfolgreich, das "Erfolgsmodell Grundschule" beschädigt. Kopfnoten und vor allem das "Turboabitur" erhöhten den Druck auf Lehrkräfte, Kinder, Jugendliche und Eltern immens. Zudem halte die Landesregierung lernunfähig am dreigliedrigen Schulsystem fest. In der Hochschulpolitik sähen mehrere Länderrankings NRW auf schlechteren Plätzen als zuvor oder sogar am Schluss. Studiengebühren hielten junge Menschen, gerade Frauen, vom Studieren ab. In der Wirtschaftspolitik sei Ministerin Thoben nicht nur mit ihrer Mittelstandspolitik gescheitert; NRW sei auch insgesamt in der Krise schlechter aufgestellt als viele andere Länder, zitierte Kraft weitere Statistiken. Dies gelte auch für den Bereich Hannelore Kraft (SPD) Fotos: Schälte der Erneuerbaren Energien. Weiterhin kritisierte sie eine handlungsarme Ankündigungspolitik von Arbeitsminister Laumann und eine Politik gegen die Kommunen, denen es nach 3,1 Milliarden Euro Belastungen durch die Landesregierung "absolut dreckig" gehe. Finanzminister Linssen bezeichnete sie als "Schuldenkönig". Im Vergleich zur vergangenen Legislaturperiode habe die Landesregierung zwar 20,31 Milliarden Euro mehr Steuern eingenommen, aber nur 4,3 Milliarden Euro weniger Neuverschuldung erreicht als die rot-grüne Vorgängerregierung - "eine Bilanz des Scheiterns". Gescheitert sei auch der Ministerpräsident, der nun um weitere fünf Jahre Amtszeit gebeten habe, um seine Versprechungen umzusetzen. "Jetzt ist es zu spät, um das Ruder rumzuwerfen", bilanzierte Kraft abschließend und warb für die eigene Linie: "Wir haben die besseren Konzepte und die besseren Lösungen."
    "Worthülsen, Skandalisierungen und Lügen" sowie eine Verunsicherung der Menschen warf der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Helmut Stahl, der Oppositionsführerin vor. Ein Politikangebot für die Menschen sei bei der SPD nicht vorhanden. Anders als von Kraft dargestellt, stehe NRW heute wirtschaftlich besser da als viele andere Länder. So habe im November die Zahl der Arbeitslosen hier stärker abgenommen als im Bundesdurchschnitt. Gleichzeitig bemühe sich die schwarz-gelbe Landesregierung seit 2005, den 11-Milliarden-Euro-Schuldenberg, den Rot-Grün hinterlassen habe, abzubauen. Dennoch habe man in dieser Zeit fast 3 Milliarden Euro mehr für Bildung ausgegeben. 40,5 Prozent des Landeshaushalts fließe in diesen Bereich, mehr als in jedem anderen Bundesland. Die SPD habe für diese Wahlperiode den Wegfall von 16.000 Lehrerstellen geplant, CDU und FDP hätten dagegen 7.874 neue Stellen geschaffen - in der Folge gebe es deutlich weniger Klassen mit über 30 Schülerinnen und Schülern. Im Gegensatz zu den "Behauptungen" der SPD studierten junge Menschen gerne in NRW. Im aktuellen Wintersemester registriere man die höchste Zahl an Studienanfängerinnen und -anfängern. Im Vergleich zu 2005 hätten 22 Prozent mehr Menschen einen Studienabschluss erreicht. In ihren Programmen stelle die SPD die Kulturpolitik als zentralen Bereich dar, von 2001 bis 2005 habe sie jedoch die Mittel dafür von 104 auf 70 Millionen Euro gekürzt. Die jetzige Landesregierung habe gemäß ihrem Wahlversprechen die Ausgaben wieder verdoppelt. Auch beim Verkauf der Landesentwicklungsgesellschaft habe die Regierung die Mieterinnen und Mieter so abgesichert, dass es zu keinen massiven Mieterhöhungen und Weiterverkäufen gekommen sei. Dies sei seriöse neue Sicherheit für NRW, so Stahl zusammenfassend.
    Eine "Krawallaufführung mit verdrehten Fakten" nannte der FDP-Fraktionsvorsitzende Dr. Gerhard Papke die Rede von Hannelore Kraft. Er betonte, mit dem Haushalt für 2010 habe die schwarz-gelbe Landesregierung selbst in der schlimmsten Wirtschaftskrise ein Zahlenwerk vorgelegt, das sich sehen lassen könne und "wie immer" seriös durchgerechnet sei. Der Haushaltsentwurf sei als "Ausdruck neuer Stärke des Landes Nordrhein-Westfalen" zu verstehen, sagte Papke und erklärte, nach Überwindung der Wirtschaftskrise werde die Landesregierung schnellstmöglich ihren Kurs der Haushaltskonsolidierung fortsetzen. Besonders das Vorhaben von CDU und FDP, eine Schuldenbremse in der Landesverfassung festzuschreiben, sei ein Beleg für die ernsthafte Konsolidierungsabsicht der Landesregierung. Die SPD dagegen wolle diese Pläne nicht unterstützen, kritisierte der Fraktionsvorsitzende und warf den Sozialdemokraten vor, eine "Verschuldungspolitik zulasten kommender Generationen" anzustreben. Er hielt es zudem für bemerkenswert, dass die SPD in der Generaldebatte kein Wort zu möglichen Koalitionsabsichten mit der Linkspartei nach der Landtagswahl im kommenden Mai gesagt habe. Die Partei wolle mit "einer wirren Truppe von kommunistischen Sektierern" zusammenarbeiten, warf Papke der SPD vor. CDU und FDP planten dagegen, ihre Zusammenarbeit fortzusetzen und könnten "voller Optimismus" der Landtagswahl entgegensehen. Schließlich könne die nordrhein-westfälische Landesregierung zahlreiche Erfolge, beispielsweise in der Bildungs- und Wirtschaftspolitik, vorweisen, so der FDP-Politiker.
    "Nordrhein-Westfalen ist ärmer geworden", bilanzierte Sylvia Löhrmann (Grüne), die in ihrer Abrechnung zurück und auch voraus blickte. Sie warf der Landesregierung vor, diese habe gleichzeitig die höchsten Ausgaben und die höchste Verschuldung "aller Zeiten" zu verantworten. Trotz der zwischen 2005 und 2009 um 10 Prozent gestiegenen Steuereinnahmen hätten aber die Kommunen nur die konstanten Zuweisunge - und damit rund 4 Milliarden Euro zu wenig - erhalten. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen warnte zudem vor den Folgen des "Schuldenbeschleunigungsgesetzes" des Bundes. Die für NRW zu erwartenden Belastungen von 885 Milliarden Euro seien im Landeshaushalt nicht berücksichtigt. Steuergeschenke wie eine gesenkte Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen, die Begünstigungen für reiche Erben oder die Erhöhungen des Kindergelds für Spitzenverdiener geschähen gegen die Interessen der Menschen und gegen jede steuerpolitische Vernunft. "Noch nie hat eine Landesregierung die Interessen Nordrhein-Westfalens gegenüber Berlin so verraten wie die Regierung Rüttgers und Pinkwart", kritisierte Löhrmann. Das beste Wachstumsbeschleunigungsgesetz für NRW sei die sofortige Streichung der Studiengebühren. Ebenso brauche man angesichts der steigenden Verschuldung von Städten und Gemeinden einen "Altschuldenfonds". Notwendig sei auch eine ausreichende Finanzierung der Arbeitslosenzentren, meinte Löhrmann. Mit Blick auf "fünf verlorene Jahre" für die Zukunftsfelder "Erneuerbare Energien", "Kraft-Wärme-Kopplung" und "energetische Gebäudesanierung" stellte sie fest: NRW verliere den Anschluss.
    "Ihre Rede hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun, und wer Wirklichkeit nicht zur Kenntnis nimmt, der scheitert", wandte sich Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) an die SPD-Fraktionsvorsitzende Kraft. Er betonte, dass es der Landesregierung von CDU und FDP im Unterschied zur rot-grünen Vorgängerregierung seit 2005 stets gelungen sei, die tatsächliche Neuverschuldung unter den Planzahlen zu halten. Davon sei auch für 2009 auszugehen, da die Landesregierung solide wirtschafte. Die Finanz- und Wirtschaftskrise habe das Land hart getroffen, jedoch sei Nordrhein-Westfalen besser durch die Krise gekommen, als von allen Fachleuten vorausgesagt. Noch allerdings, so erklärte der Ministerpräsident, sei die Krise nicht überstanden, und gerade auf dem Arbeitsmarkt seien in den kommenden Monaten Auswirkungen zu spüren. Auch weiterhin verfolge die Landesregierung das Ziel, so viele Unternehmensstandorte und Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. Unternehmen, Gewerkschaften und die Landespolitik hätten hierzu im Jahr 2009 "an einem Strang gezogen". Er hoffe, dass sich diese Gemeinsamkeit auch im Jahr 2010 "jenseits wahlkampfpolitischer Auseinandersetzungen" fortführen lasse, so der Ministerpräsident. Gerade die Krise zeige, dass die schwarz-gelbe "Politik der Erneuerung" für Stabilität sorge. Rüttgers forderte, Nordrhein- Westfalen müsse Industrie- und Exportland bleiben. Er sprach sich zudem dafür aus, dass auch zukünftig sozialer Aufstieg möglich sein und Leistung sich weiterhin lohnen müsse. Die Koalition von CDU und FDP wolle auch in Zukunft für Sicherheit und Solidarität in Nordrhein-Westfalen eintreten, erklärte der Ministerpräsident abschließend.
    cw, sw, sow

    Zusatzinformation:
    Der Landeshaushalt 2010, der Ausgaben in Höhe von rund 53,3 Milliarden Euro vorsieht, wurde mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und Grünen verabschiedet.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI091209

  • Parlamentarischer Nothelfer.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 11 - 02.12.2009

    Ärger mit Behörden? Der Bauantrag wurde zum wiederholten Mal nicht bewilligt? In Sozial- oder Rentenangelegenheiten erfolgt die Eingruppierung nicht wie von Ihnen erwartet? Bescheide und Bewilligungen kommen nicht so, wie Sie es sich erhofft haben? Sie fühlen sich von Behörden nicht gerecht behandelt? In solchen Fällen kann der Landtag helfen.
    Zuständig ist dann der Petitionsausschuss des Landtags. 23.000 Eingaben hatte er in der letzten Legislaturperiode zu bearbeiten, allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es über 2.300. Eine Petition ist eine Eingabe, eine Bitte oder eine Beschwerde zum Beispiel an eine Volksvertretung. Der Petitionsausschuss versucht, den Bürgerinnen und Bürgern in konkreten Fällen zu helfen.
    Klar ist, dass alle, so auch der Landtag, sich an Recht und Gesetz halten müssen. Möglichkeiten der Vermittlung gibt es nur da, wo bei Entscheidungen in die eine oder andere Richtung Ermessensspielräume bestehen. Dabei tritt der Petitionsausschuss nicht als Oberschiedsrichter, sondern eher als Mittler auf. Die Arbeit der Abgeordneten dieses Ausschusses besteht in der Suche nach Lösungen, die beide Seiten akzeptieren, die am besten gemeinsam von beiden Seiten ausgearbeitet werden. Mediation heißt hier das Zauberwort. Der Mediator trifft dabei üblicherweise keine eigenen Entscheidungen, sondern sorgt für ein lösungsorientiertes Verfahren. Es geht um die Beilegung von Konflikten und Meinungsverschiedenheiten. Beide Seiten - Behörde und Bürgerin bzw. Bürger - müssen zum Gespräch, eventuell auch zu Kompromissen bereit sein.

    Unverzichtbares Element

    Der Petitionsausschuss des Landtags ist also keine Super-Revisionsinstanz. Deshalb ist er zum Beispiel nach rechtsgültigen Gerichtsurteilen in der Regel machtlos. Und bei privatrechtlichen Streitigkeiten, etwa zwischen Nachbarn, ist er schlicht nicht zuständig. Nach guter Gewohnheit handelt der Ausschuss durchweg einstimmig und vertritt somit die ganze Macht des Parlaments. Auch deshalb werden "Politische Petitionen" oder Petitionen mit besonderer Bedeutung in einer zusätzlichen Runde nochmals im Gremium der Sprecher aller Fraktionen im Petitionsausschuss erörtert.
    Aufgabe eines Parlaments ist es, im politischen Bereich Entscheidungen zu fällen. Dies kann zur Verabschiedung von Gesetzen führen. Der Petitionsausschuss kann mit seiner Arbeit dazu beitragen, dass diese Gesetze nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrem Geist umgesetzt werden. Ein unverzichtbares Element für die Akzeptanz unserer Demokratie.
    cw

    ID: LI091106

  • Ein Denkmal auf vier Rädern.
    Ernste, aber auch kuriose Fälle haben den Petitionsausschuss im ersten Halbjahr 2009 beschäftigt.
    Plenarbericht;
    ;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 11 - 02.12.2009

    5. November 2009 - Über 2.300 Petitionen haben den Landtag Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr 2009 erreicht. Damit ist die Zahl der Petitionen im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2008 um 25 Prozent gestiegen. "Bemerkenswert" nannte die stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses, Sigrid Beer (Grüne), diese Entwicklung. In der Plenarsitzung stellte sie dem Landtag den Halbjahresbericht des Ausschusses vor und nannte zahlreiche aktuelle Beispiele für Petitionen an das Landesparlament.
    Gut ein Drittel der fast 1.800 behandelten Petitionen an den Landtag habe der Ausschuss im ersten Halbjahr erfolgreich im Sinne der Petentinnen und Petenten bearbeiten können, erklärte Beer und hob die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit der Abgeordneten im Petitionsausschuss hervor. Die Schwerpunkte der Petitionsarbeit hätten diesmal in den Bereichen Soziales, Rechtspflege und Betreuung, Schule und Hochschule, im öffentlichen Dienstrecht und im Bereich Bauen und Verkehr gelegen. Dabei sei es in vielen Fällen um finanzielle Fragen und um Probleme mit dem Föderalismus gegangen, wie das Beispiel einer Rechtspflegerin zeige.
    Die 50-jährige Frau hatte sich mit einer Petition an den Landtag gewandt, weil sie nach längerer Dienstzeit in Bayern aus familiären Gründen wieder in den Landesdienst von Nordrhein-Westfalen zurückkehren wollte. Das Land verweigerte ihr jedoch diesen Wechsel, da es die Versorgungslasten der Frau vom Lande Bayern hätte übernehmen müssen. "Wo bleibt der Schutz von Ehe und Familie, wenn ganz gleichgültig und finanztechnokratisch darauf verwiesen wird, dass die Petentin in Bayern arbeiten könne und der Ehemann und Sohn in Nordrhein-Westfalen verbleiben könnten?", fragte Beer im Plenum. In diesem konkreten Fall treibe der Föderalismus keine Blüten, sondern Stacheln, so die stellvertretende Ausschussvorsitzende. Auch wenn bisher keine Lösung gefunden worden sei, wolle der Petitionsausschuss "nicht lockerlassen" und sich weiterhin für die Frau einsetzen.
    Auch im Falle einer Schülerin führe der Ausschuss weitere Gespräche. Die Eltern des Mädchens hatten in einer Petition beklagt, dass die diagnostizierte Rechenschwäche ihrer Tochter nicht durch einen "Nachteilsausgleich" in der Notenvergabe berücksichtigt werde. Hier lohne sich der Blick über die Landesgrenzen hinaus, meinte Beer, denn Länder wie Bayern und Mecklenburg-Vorpommern hätten entsprechende Regelungen zur Notenvergabe für Schülerinnen und Schüler mit nachgewiesener Rechenschwäche gefunden.

    Beschwerden zu Bahnhöfen

    Die "Not mit der Notdurft" sei für den Petitionsausschuss ein weiteres Thema gewesen, denn zahlreiche Bürgerinnen und Bürger hätten das Fehlen öffentlicher Toiletten an Bahnhöfen beklagt, so Beer. Der Ausschuss habe erfahren, dass von 690 Bahnhöfen lediglich 47 Bahnhöfe über eine öffentliche Toilettenanlage verfügten. Da viele Fahrgäste alternativlos auf den Öffentlichen Nahverkehr angewiesen seien, müsse die Hygiene an den Bahnhöfen verbessert werden. Dies habe der Petitionsausschuss in Gesprächen mit dem Verkehrsministerium deutlich gemacht.
    Mit dem Integrationsministerium setzte sich der Ausschuss im Falle einer Analphabetin in Verbindung, deren Einbürgerung die zuständige Kreisverwaltung bislang verweigerte. Eine Anhörung der Frau, die seit über 20 Jahren mit ihrer Familie in Deutschland lebe, habe jedoch gezeigt, dass sich die Petentin "in einfacher Sprache im täglichen Leben gut bewegen kann". Zudem habe die Frau zahlreiche soziale Kontakte aufbauen können und aktiv dafür gesorgt, dass sich ihre Kinder in Deutschland "sehr gut entwickeln konnten". Daher vertrete der Petitionsausschuss gemeinsam mit dem Integrationsministerium die Auffassung, "dass im Rahmen einer differenzierten und begründbaren Bewertung ausnahmsweise die Einbürgerung möglich sein müsse". Mit einer entsprechenden Bitte habe sich der Ausschuss an das für Einbürgerungsfragen verantwortliche Innenministerium gewandt.
    Wie breit und bunt das Spektrum der Petitionen an den Landtag ist, zeigt schließlich ein kurioser Fall, den Beer im Halbjahresbericht erwähnte: Eine Petentin hatte ihr schrottreifes Auto auf der Straße stehen gelassen, bis die örtliche Ordnungsbehörde den Wagen kostenpflichtig entsorgte. Die Frau wollte sich jedoch gegen die Kosten zur Wehr setzen - mit dem Argument, dass ihr Auto eigentlich unter Denkmalschutz hätte gestellt werden müssen. Dieser Argumentation konnte der Petitionsausschuss nicht folgen. Denn dann, so Beer, "würden unsere Straßen vor lauter Denkmälern nur noch verstopfter sein".
    sw

    Zusatzinformation:
    Der komplette Halbjahresbericht ist auf den Internetseiten des Landtags (www.landtag.nrw.de) unter der Rubrik Petitionen/Tätigkeitsberichte zu finden.

    Systematik: 1100 Parlament

    ID: LI091103

  • Howe, Inge (SPD)
    Vermittlung mit Fingerspitzengefühl.
    Die Vorsitzende des Petitionsausschusses im Interview.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 11 in Ausgabe 11 - 02.12.2009

    November 2009 - Seit über 40 Jahren setzen sich die Landtagsabgeordneten im nordrhein-westfälischen Petitionsausschuss für die Menschen ein. Der Petitionsausschuss bietet jeder Bürgerin und jedem Bürger die Möglichkeit, sich gegen Ungerechtigkeiten, Benachteiligungen oder ungleiche Behandlung durch staatliche Verwaltungsstellen zu wehren. "Landtag Intern" sprach mit der Ausschussvorsitzenden, Inge Howe (SPD), über die Ansprüche und Herausforderungen der Petitionsarbeit. "Hier", stellt sie vorweg klar, "steht der Mensch im Mittelpunkt, nicht die Parteipolitik". Deshalb entscheide der Ausschuss auch fraktionsübergreifend, nach dem Prinzip der Einstimmigkeit.

    Frau Howe, die Zahl der Petitionen ist im vergangenen Halbjahr um 25 Prozent gestiegen. Wie erklären Sie sich diesen Anstieg? Und wo liegen zurzeit die inhaltlichen Schwerpunkte der Petitionsarbeit in Nordrhein-Westfalen?

    Howe: Die Steigerung von 25 Prozent ist enorm, so etwas haben wir bisher noch nicht erlebt. Das hängt sicherlich mit den schärfer werdenden gesellschaftlichen Bedingungen zusammen. So ist der Bereich Soziales und Gesundheit inzwischen der größte Bereich. Hier spielen zum Beispiel Hartz IV oder das Schwerbehindertenrecht, aber auch die Einstufung im Pflegefall eine Rolle. Sehr viel zu tun haben wir auch mit Problemen im Bereich der Psychiatrie und des Maßregelvollzugs; hier ist die Unzufriedenheit teilweise bedingt durch eine Zunahme in dem Bereich und die zu geringe Anzahl an stationären Plätzen. Vermehrt tätig sind wir jetzt auch im Bereich der Heimkinder. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Baurecht, vor allem im ländlichen Raum.

    Auf welchen Wegen kommt denn der Kontakt zu den Menschen an Rhein, Ruhr, Weser und Lippe zustande?

    Howe: Einmal im Monat gibt es die Bürgersprechstunde hier im Landtag in Düsseldorf. Zusätzlich laden wir ungefähr vier Mal im Jahr zu einer Bürgersprechstunde vor Ort. Jetzt sind wir im ländlichen Raum tätig, in der Legislaturperiode zuvor waren wir in den großstädtischen Bereichen unterwegs. Und wir bieten Telefonsprechstunden an, in der Regel in Zusammenarbeit mit großen Zeitungen. Positiv kommt an, dass die Bürgerinnen und Bürger persönlich mit den Abgeordneten reden können. Über diese Brücke wird die Distanz zu ‚denen in Düsseldorf‘ ausgehebelt. Dies ist auch eine vertrauensbildende Maßnahme für die Politik insgesamt.

    Welche Erfahrungen sammeln Sie, wenn Sie an die Ämter und Behörden im Land herantreten?

    Howe: Es geht uns bei einer Beschwerde nicht darum zu entscheiden, wer jetzt schuld ist, sondern wir versuchen immer, den Vermittlungspart zu übernehmen. Unser Ziel ist, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, bei denen niemand sein Gesicht verliert. Denn in der Regel arbeiten die Behörden korrekt. Häufig halten sie sich aber recht streng an die Buchstaben des Gesetzes, um keine Präzedenzfälle zu schaffen. Damit mögliche Spielräume ausgenutzt werden können, empfehlen sie manchmal deshalb auch selbst, den Petitionsausschuss anzurufen. Unserem hochmotivierten und fitten Team von Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern, Juristinnen und Juristen gelingt es dann oft da, wo es Ermessensbereiche gibt, Handlungsspielräume zu finden. Aber natürlich können wir nur im Rahmen der geltenden Gesetze handeln.

    Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat 17 Fachausschüsse. Was motiviert eigentlich die Abgeordneten, sich im Petitionsausschuss zu engagieren?

    Howe: Das sind einfach die Erfolgserlebnisse und die Zufriedenheit, die wir von den Bürgerinnen und Bürgern erfahren. Der direkte Kontakt zu den Menschen, die Erfahrung, bei konkreten Problemen zu Lösungen beitragen zu können, eventuell durch Gespräche vor Ort. Wir können in mehr als einem Drittel der Fälle helfen. Selbst wenn das nicht gelingt, wissen die Betroffenen, dass wir uns kümmern und die Sorgen und Nöte der Menschen in den Mittelpunkt stellen.

    Gibt es ein Erlebnis, das Sie in Ihrer Funktion als Ausschussvorsitzende persönlich besonders bewegt hat?

    Howe: Es gibt natürlich Fälle, die prägen sich ein und gehen einem persönlich nahe. Zum Beispiel der Fall der jungen Frau, die Medizin studieren wollte, den Studienplatz aber aufgrund einer Aids-Infizierung nach einer Vergewaltigung wieder verloren hat. Dann nahm das Ganze seinen Lauf bis dahin, dass sie, da sie natürlich auch keinen Arbeitsplatz fand, obdachlos wurde. Am Ende hatte sie auch kein Geld, Medikamente zu bezahlen. Hier mussten wir einfach helfen und haben alle an einem Strang gezogen. Nun hat sie eine Wohnung, eine 24-Stunden-Betreuung und so weiter. Das war ein Extremfall. Aber bei uns gilt jede Petition als sinnvoll. Und jeder, der sich an uns wendet, erhält eine schriftliche Antwort.
    sw, sow, cw

    Systematik: 1100 Parlament

    ID: LI091114

  • Keine Selbstverständlichkeit.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 10 - 04.11.2009

    Draußen ist es jetzt ungemütlich, manch einer ist verschnupft. Wer allerdings nicht gerade krank ist, dem ist das Thema "Gesundheit" in der Regel auch nicht präsent. Wird man aber krank, so ist die Erwartung an eine gute ärztliche Versorgung, an ein funktionierendes Gesundheitssystem oder an die Rücksichtnahme anderer Menschen groß. Aus persönlicher Sicht ist Gesundheit oft selbstverständlich und steht daher oft nicht auf der Tagesordnung. Im Großen und Ganzen allerdings ist Gesundheit ein Dauerthema. Nicht nur die großen Schrauben gilt es zu drehen, damit das Gesamtsystem funktioniert. Die Politik ist außerdem gut beraten, vorbeugendes, gesundes Verhalten zu begünstigen und zu unterstützen. Denn oftmals sind die Konsequenzen einer ungesunden Lebensweise teurer, als es die Prävention gewesen wäre.

    Normalfall und Notfall

    Was aber ist Gesundheit genau, was gesundes Leben? Nur auf den ersten Blick beschränkt sich dies auf Nicht-Kranksein, auf möglichst wenige Arztbesuche. Dazu gehören im Alltag richtige Ernährung sowie genügend Bewegung, und dies möglichst von Kindesbeinen an. Und was, wenn es trotz bester Vorsätze zum Äußersten kommt, etwa durch einen Unfall? Dann muss es einen Notfallplan geben. In diese Kategorie gehört das Thema Organspende, das vielen längst selbstverständlich, vielen aber auch immer noch ein Tabu ist. Da es sich hier um eine höchstpersönliche Entscheidung handelt und solche Fragen - wie etwa auch die der Patientenverfügung - sehr sensibel sind, besteht die Aufgabe der Politik vor allem darin zu werben, für Aufmerksamkeit zu sorgen, die Bürgerinnen und Bürger damit zu konfrontieren, ohne Entscheidungen vorzuschreiben. Die körperliche Unversehrtheit ist ein hohes Gut, das für vieles Andere, was oft wichtiger erscheint, die Voraussetzung ist. Aber nicht nur körperliche, auch seelische Gesundheit ist keine Selbstverständlichkeit. In der heutigen Zeit klagen bereits Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Ursachen über hohen Stress oder zeigen entsprechende Krankheitsbilder. Auch bei solch neuen Themenfeldern muss die Landespolitik, gemeinsam mit Menschen vom Fach, überlegen, was zu tun ist, und welche Rahmenbedingungen verbessert werden können. Genau dies tut der Landtag. Die Debatten zu Organspenden, gesunden Lebensmitteln, dem Schulobstprogramm und zur Kinderpsychiatrie sind nur einige Beispiele dafür, dass die Abgeordneten kontinuierlich an Inhalten und Maßnahmen arbeiten, um die Gesundheit der hier lebenden Menschen zu bewahren und zu verbessern.
    sow

    ID: LI091006

  • Ein Beitrag zum Leben.
    Fraktionen werben einstimmig für Organspende und wollen menschlichen Ängsten begegnen.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht;

    S. 7 in Ausgabe 10 - 04.11.2009

    8. Oktober 2009 - Noch immer zu wenige Menschen in Nordrhein-Westfalen seien bereit, Organe zu spenden, sorgen sich die Fraktionen von CDU und FDP in einem Antrag (Drs. 14/9915). Die Zahl sei zwar seit 2005 schon angestiegen, und mit einem Stand von 15 Organspendern pro Million Einwohner habe NRW im Juli sein bestes Ergebnis erreicht. Trotzdem sei diese Zahl noch zu steigern, wenn man bedenke, dass man mit einem gespendeten Organ ein Leben retten könne. Alle Fraktionen thematisierten die Angst vieler Menschen, vorschnell als hirntot erklärt zu werden, um als mögliche Spenderin oder Spender in Frage zu kommen. Wie man dieser Angst allerdings begegnen könne, dazu gab es unterschiedliche Ansätze.
    Trotz des Engagements vieler Ärztinnen und Ärzte sowie zahlreicher Pflegekräfte sei bisher der Mangel an Spenderorganen bislang nicht behoben worden, bedauerte Rudolf Henke (CDU). Deutschland erhalte mehr Organe, als es selbst abgebe. Trotzdem sei es dank der im Konsens der Fraktionen beschlossenen Einsetzung von Transplantationsbeauftragten gelungen, die Zahl der Organspenden in den letzten Jahren zu erhöhen. Der Antrag seiner Fraktion und der FDP ziele darauf ab, diese Entwicklung zu verstetigen. Um den Ängsten der Menschen zu begegnen und die Spendenbereitschaft zu erhöhen, hielt der CDU-Sprecher eine Aufklärungskampagne für nötig. Henke regte an, "etwas zu spenden, etwas unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, was man selbst auch unentgeltlich erhalten hat".
    Die Bedeutung der Transplantationsbeauftragten betonte auch Dr. Stefan Romberg (FDP). Denn Angehörige, die gerade einen nahestehenden Menschen verloren hätten, mit dem Thema Organspende zu konfrontieren, verlange ein Höchstmaß an Pietät und sei alles andere als eine einfache Aufgabe. Auch die klinikinternen Handlungsanweisungen für den Ablauf einer Organspende und die sensible Begleitung betroffener Angehörige hätten ihre Wirkung nicht verfehlt. Es komme zudem auf die Hausärztinnen und -ärzte an. Eine Studie habe gezeigt, dass sich besonders diejenigen für Aufklärung engagierten, die selbst einen Organspendeausweis besäßen. "Man muss also echt sein, um überzeugen zu können", schloss Romberg. Auch die Landesregierung solle ihre Politik auf die Aufklärung richten.
    Alle Fraktionen seien sich einig, dass es darauf ankomme, diejenigen zu überzeugen, die Organspenden eigentlich befürworteten, aber keinen Ausweis hätten, meinte Heike Gebhard (SPD). Es gelte, den Menschen den Gedanken zu vermitteln, selbst nach dem Tod einen Beitrag fürs Leben leisten zu können. Erreichen könne man diese Zielgruppe bei großen Veranstaltungen, wie etwa zuletzt beim Tag der Organspende in Berlin, bei dem man nicht nur geworben habe, sondern bei dem auch viele Organspendeausweise ausgefüllt worden seien. "Dieses Wochenende hat wesentlich mehr bewirkt als das, was wir heute mit dem Antrag erreichen können" - auch der Landtag könne Ort einer solchen Veranstaltung sein, wiederholte sie ihre Anregung vom Vorjahr und schlug eine gemeinsame Arbeitsgruppe vor.
    Einen anderen Vorschlag machte Barbara Steffens (Grüne). Wenn viele Menschen Angst hätten, vorschnell für hirntot erklärt zu werden, obwohl eine Rettung vielleicht noch möglich sei, dann müsse man dafür sorgen, dass Ärztinnen und Ärzte zum Zeitpunkt der Hirntoterklärung noch gar nicht wüssten, ob jemand als Organspenderin oder -spender in Frage komme oder nicht. Um dies zu erreichen, könne an die Stelle der Organspendeausweise ein zentrales Register rücken, in dem man erstens seine persönliche Entscheidung jederzeit ändern könne und das zweitens der ärztlichen Seite erst nach dem erklärten Hirntod zugänglich sein dürfe. Mit einer Aufklärungskampagne hingegen oder einem Organspendetag erhöhe man nur den Druck auf die Menschen, nehme ihnen aber nicht die Angst.
    In Vertretung des Gesundheitsministers lobte Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) die gestiegenen Zahlen der Organspenderinnen und -spender und verwies auf entsprechende Aktivitäten der Landesregierung mit beteiligten Akteuren, in Schulen und Sportvereinen. Trotzdem stürben in Deutschland täglich drei Menschen nach vergeblichem Warten auf ein passendes Spenderorgan. Der Gesundheitsminister dränge darauf, die Zahl der Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern mit Intensivstation zu erhöhen. Auch ihre Qualifizierung sei wichtig - schließlich seien Organspende und Hirntoddiagnostik keine Routineaufgaben. Zu beklagen sei aber eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage. Eine Fortbildungsveranstaltung sei mangels ausreichender Anmeldungen bereits abgesagt worden.
    sow

    Zusatzinformation:
    Der Antrag (Drs. 14/9915) wurde einstimmig an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales überwiesen.

    Systematik: 5200 Gesundheit; 5210 Gesundheitsschutz

    ID: LI091003

  • Grüne Cola, rote Milch.
    Sollen Lebensmittel farbig gekennzeichnet werden? - Fraktionen sind sich uneins.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 8 in Ausgabe 10 - 04.11.2009

    7. Oktober 2009 - "Versteckte Zuckerbomben" und "Fettfallen" in Lebensmitteln dürfe es zukünftig nicht mehr geben, meint die SPD-Fraktion. Sie forderte in einem Antrag (Drs. 14/9913) die Landesregierung auf, sich im Bundesrat und auf europäischer Ebene für eine Ampel-Kennzeichnung von Lebensmitteln stark zu machen. Dagegen erklärten die Regierungsfraktionen von CDU und FDP, ein entsprechendes Farbsystem sei wenig sinnvoll, da es die Verbraucherinnen und Verbraucher beim Kauf eher verunsichere als aufkläre. Im Plenum trafen die Positionen aufeinander.
    "Es muss jetzt darum gehen, dass die Landesregierung Farbe bekennt", erklärte Svenja Schulze (SPD). Sie sah in der farbigen Kennzeichnung von Lebensmitteln eine notwendige Entscheidungshilfe für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Diese könnten bislang anhand der üblichen Herstellerangaben kaum erkennen, ob ein Lebensmittel gut für sie sei oder nicht. Daher würden auch Verbraucherzentralen und Krankenkassen, aber auch viele CDU-Abgeordnete die Ampel für Lebensmittel fordern, sagte die Sozialdemokratin. Der Antrag der SPD solle die Regierungsfraktionen dazu bewegen, Initiative zu ergreifen. Insbesondere im Bundesrat und auch auf europäischer Ebene müsse die CDU mit Verbraucherschutzminister Uhlenberg entsprechende Pläne unterstützen, forderte Schulze.
    "Die Lebensmittelampel ist schlichtweg irreführend", meinte dagegen Peter Kaiser (CDU) und nannte einige Beispiele: "Cola mit Süßstoff hätte den grünen Zuckerpunkt, naturbelassener Apfelsaft wegen des Fruchtzuckers den roten Warnpunkt." Er befürchtete, dass die Ampel Grundnahrungsmittel wie Milch diskriminiere und zu einer Fehlernährung führe. Seine Fraktion sei für eine "transparente, einfache und ehrliche Kennzeichnung". Die bereits heute auf vielen Nahrungsmitteln zu findenden Nährwertangaben der Lebensmittelwirtschaft seien der bessere Weg, so Kaiser. Gemeinsames Ziel von Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbraucherverbänden müsse es sein, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu motivieren, die angebotenen Informationen tatsächlich zu nutzen.
    "Nicht immer ist das, was einfach ist, auch gut oder sinnvoll", lehnte Holger Ellerbrock (FDP) die geforderte Ampel-Kennzeichnung für Lebensmittel ab. Das System komme bei Lebensmitteln wie zum Beispiel Cola und Weißbrot zu missverständlichen und unsinnigen Aussagen. "Wir als FDP wollen eine klare und allgemein verständliche Kennzeichnung. Denn unser Menschenbild zielt darauf ab: Nur der informierte Bürger ist ein mündiger Bürger", gab Ellerbrock zu Protokoll. Das Individuum müsse selbst entscheiden können, und daher müsse gerade die Bildung in diesem Bereich verstärkt werden, betonte der Liberale. Außerdem seien vergleichbare Einheiten und Portionsgrößen für Nährwertangaben zu finden. Vor diesem Hintergrund sein Fazit: "Weg mit der Ampel!"
    "Es hat offensichtlich einen Positionswechsel der Regierungsfraktionen gegeben", fand Johannes Remmel (Grüne). So habe insbesondere die CDU einer Ampel durchaus positiv gegenüber gestanden, während sie diese nun anscheinend doch ablehne. "Verbraucherschutz spielt offensichtlich in Ihrer Argumentation keine Rolle mehr", warf Remmel den Fraktionen vor. "CDU und FDP sind auf der Leimspur der Lobbyinteressen steckengeblieben." Es gehe nicht darum, mit der Ampel das Problem falscher Ernährung grundsätzlich zu bekämpfen. Jedoch liefere die Ampel wichtige Zusatzinformationen über bisherige Nährwertangaben hinaus. "Wenn ich Zucker kaufen will, kaufe ich Zucker. Aber es gibt heute viele Produkte, bei denen das nicht mehr erkennbar ist", warnte Remmel.
    Verbraucherschutzminister Eckhard Uhlenberg (CDU) unterstrich: "Für die Landesregierung ist Transparenz in der Verbraucherpolitik ein wichtiges Ziel." Dazu gehöre eine klare Kennzeichnung von Lebensmitteln. Uhlenberg verwies in diesem Zusammenhang auf eine geplante EU-Verordnung. Nach dieser seien Nährwertangaben für verpackte Lebensmittel zukünftig verpflichtend. Er persönlich setze sich außerdem dafür ein, dass zusätzlich der Energiegehalt der Lebensmittel angegeben werde. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass es "schwerwiegende fachliche Argumente" gegen eine Ampel gebe. "Weil ich mich für die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher stark mache, verfolge ich das Projekt einer Ampelkennzeichnung nicht mehr", so Uhlenberg.
    sw

    Zusatzinformation:
    Der Landtag hat den Antrag (Drs. 14/9913) an den federführenden Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie an den mitberatenden Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales überwiesen.

    Systematik: 6800 Ernährung; 2070 Verbraucher

    ID: LI091010

  • Knackfrisches fürs Klassenzimmer.
    Landtag unterstützt Schulobstprogramm der Europäischen Union.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 9 in Ausgabe 10 - 04.11.2009

    7. Oktober 2009 - Obst und Gemüse sollen Kinder zu gesunder Ernährung anregen. So lautet das Ziel des Schulobstprogramms, das die Europäische Union Ende 2008 aufgelegt hat und an dem sich Nordrhein-Westfalen ab 2010 beteiligen will. Zwei Millionen Euro fließen dazu aus Brüssel nach NRW. Weitere zwei Millionen muss das Land selbst aufbringen, nachdem der Bund sich nicht an der Finanzierung beteiligen wollte. Mit einem Antrag (Drs. 14/9916) unterstützen CDU und FDP die Umsetzung des Programms durch die Landesregierung und die Finanzierung mit Mitteln aus dem Landeshaushalt. Auch die Oppositionsfraktionen halten das Programm für grundsätzlich sinnvoll, auch wenn sie in der Plenardebatte Kritikpunkte nannten.
    Möglichst zum zweiten Schulhalbjahr 2010 sollen Kinder an ausgewählten Grund- und Förderschulen in den Genuss von Obst kommen, skizzierte Josef Wirtz (CDU) den Plan der Landesregierung. Zugleich bedauerte er, dass sich der Bund nicht an der Finanzierung beteiligen wolle. Gerade deshalb "sollten wir stärker auf Sponsoren setzen und private Mittel einwerben", fand der Christdemokrat. Er war sich sicher, "dass es eine ganze Menge verantwortungsbewusster Menschen in unserem Land gibt, denen die gesunde Ernährung unserer Kinder ebenso am Herzen liegt wie uns". Der finanzielle Anteil des Landes, rund zwei Millionen Euro, werde Haushaltspolitikern zwar Bauchschmerzen bereiten; er sei jedoch "eine Investition in die Zukunft".
    Als "Beispiel in einer Kette von Maßnahmen" zur Gesundheitsförderung sah Holger Ellerbrock (FDP) das Schulobstprogramm. Eine ausgewogene und vitaminreiche Ernährung fördere das allgemeine Wohlbefinden und stärke die Konzentrationsfähigkeit der Kinder", machte der Liberale deutlich. Das Programm sei außerdem ein Beitrag, "um Kinder an gesunde Ernährung heranzuführen". Kein Verständnis hatte Ellerbrock dafür, dass der Bund dafür keine Mittel beisteuern wolle: "Wir haben fünf Milliarden Euro für ein kurzfristiges Strohfeuer in der Kraftfahrzeugwirtschaft aus dem Hut zaubern können. Mit fünf Milliarden Euro hätten wir das Schulobstprogramm 2.500 Jahre lang finanzieren können", rechnete Ellerbrock im Plenum vor.
    Für ihre Fraktion begrüßte Annette Watermann- Krass (SPD) den Antrag, auch wenn er spät komme. Sowohl aus gesundheits- als auch aus sozialpolitischer Sicht sei das Programm sinnvoll. "Es soll Kindern nicht nur Obst gegeben werden; sie sollten auch lernen, wie sie sich gesund ernähren", fasste die Abgeordnete zusammen. Nachvollziehen konnte sie die Entscheidung des Bundes, die Finanzierung den Ländern zu überlassen. Schließlich sei die Erziehung von Kindern zu gesundem Essverhalten eine Bildungsaufgabe und "Bildung ist Ländersache". Gemeinsam müsse man nun überlegen, wie das Auswahlverfahren für die Schulen transparent gestaltet und wie das Programm möglichst auch auf Kindergärten ausgeweitet werden könne.
    Johannes Remmel (Grüne) sah im Programm zwei Baustellen. Zum einen habe die Landesregierung bislang nicht erklärt, wie sie die zwei Millionen Euro Eigenanteil konkret aus dem nordrhein-westfälischen Landeshaushalt finanzieren wolle. Zum anderen sei fraglich, ob es sinnvoll sei, das Programm lediglich auf Grund- und Förderschulen zu konzentrieren. "Man sollte über ein breiteres Angebot reden", fand Remmel. Außerdem forderte er, regionales und biologisch erzeugtes Obst an den Schulen zu verteilen. "Es muss eine Schulernährung sein, die an gesunden und an ökologischen Kriterien orientiert ist. Hier fehlen Vorgaben des Landes", so seine Kritik. Dennoch sei das Schulobstprogramm ein Anfang und deshalb unterstützenswert.
    "Nordrhein-Westfalen hat mit dem Schulobstprogramm, was die gesunde Ernährung an unseren Schulen angeht, wieder eine Vorreiterrolle in Deutschland übernommen", freute sich Verbraucherschutzminister Eckhard Uhlenberg (CDU). Es sei der politische Wille der Landesregierung, den "Obst- und Gemüseverzehr bei der Ernährung der Kinder zu erhöhen". Natürlich könnten nicht alle Schulen berücksichtigt werden. Von den 3.500 Grundschulen würden rund 500 Schulen in das Programm aufgenommen, erklärte der Minister. Die Finanzierung für 2010 komme zunächst aus seinem Hause. Ab dem Jahre 2011 werde es für das Programm zusätzliches Geld geben, kündigte Uhlenberg an. "Wir haben alle Möglichkeiten ausgeschöpft."
    sw

    Zusatzinformation:
    Der Landtag hat den Antrag (Drs. 14/9916) an den federführenden Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie an die mit beratenden Ausschüsse für Schule, Kommunalpolitik und Gesundheit überwiesen.

    Systematik: 6800 Ernährung; 4200 Schulen

    ID: LI091011

  • Henke, Rudolf (CDU); Gebhard, Heike (SPD); Dr. Romberg, Stefan (FDP); Steffens, Barbara (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal geht es um das Thema Gesundheit.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 10 - 04.11.2009

    Auch wenn jeder selbst auf seine Gesundheit achten muss, muss das Land gewährleisten, ...

    Rudolf Henke (CDU) ... dass gesundheitliche Prävention als Querschnittsaufgabe aller Politikfelder verstanden wird. Durch Gesundheitsförderung und Prävention lassen sich Krankheiten vermeiden, mögliche Risikofaktoren minimieren, Erstmanifestationen von Krankheiten rechtzeitig erkennen sowie Krankheitsverläufe verbessern.
    Heike Gebhard (SPD) ... dass jeder und jede den gleichen Zugang - unabhängig vom Wohnort - zu einer guten gesundheitlichen ambulanten und stationären Versorgung hat.
    Dr. Stefan Romberg (FDP) ... dass allen Bürger im Krankheitsfall ein zielgruppengerechtes und wohnortnahes Versorgungsangebot zur Verfügung steht. Zudem sollte sich das Land an der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe von Gesundheitsförderung und Prävention in jedem Lebensalter, gerade bei Kindern und Jugendlichen, aktiv beteiligen.
    Barbara Steffens (Grüne) ... dass die Rahmenbedingungen ein gesundes Leben auch möglich machen. In Armut leben, heißt oft auch mit Krankheit leben. Schlechter Wohnraum, ein schadstoffbelastetes Wohnumfeld, zu wenig Geld für gesunde Ernährung und ein fehlender Zugang zu Präventionsangeboten ermöglichen keine Eigenverantwortung.

    "Der Mensch ist, was er isst." Dieser Leitsatz bedeutet für die Gesundheitspolitik in Nordrhein-Westfalen ...

    Rudolf Henke (CDU) ... einen Auftrag für die gesundheitliche Bildung und Motivation von Kindesbeinen an. Dazu brauchen wir das erzieherische Engagement der Eltern ebenso wie eine frühe Aufklärung über richtige und gesunde Ernährung in Kindergarten und Schule.
    Heike Gebhard (SPD) ... dass die gesundheitliche Aufklärung einer ihrer Schwerpunkte sein muss. Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit muss bereits den ganz Kleinen in der Kita nahe gebracht werden und ist in der Schule bis zur Erwachsenenbildung weiter zu vermitteln.
    Dr. Stefan Romberg (FDP) ... dass Aufklärung zum Thema "gesunde Ernährung" ein wichtiges Anliegen ist und daher bereits in den Kitas und Schulen umgesetzt wird. Ein Beispiel ist das Landesprogramm Bildung und Gesundheit. Besondere Aufmerksamkeit gebührt Kindern aus sozial benachteiligten Familien und mit Zuwanderungsgeschichte.
    Barbara Steffens (Grüne) ... dass die Menschen ein Recht auf gesunde und unverfälschte Lebensmittel haben. Wir brauchen daher dringend ein Reinheitsgebot für Lebensmittel und damit ein Verbot von Lebensmittelimitaten. Zusätzlich muss eine bessere Kennzeichnung für mehr Transparenz über die Inhaltsstoffe der Lebensmittel sorgen.

    Um insbesondere Kinder an gesunde Ernährung heranzuführen, ist das Schulobstprogramm der Europäischen Union ...

    Rudolf Henke (CDU) ... sehr zu begrüßen.
    Heike Gebhard (SPD) ... sehr zu begrüßen. Es ist völlig unverständlich, dass die Bundesländer - auch NRW - sich solange gesperrt haben, ihren finanziellen Anteil dazu zu leisten.
    Dr. Stefan Romberg (FDP) ... ein Instrument, das man entsprechend nutzen sollte. Kinder sollen merken, dass Obst und Gemüse nicht nur gesund sind, sondern auch gut schmecken. Deshalb kann das Schulobstprogramm gemeinsam mit einem pädagogischen Konzept für viele der Einstieg in eine gesündere Ernährung sein.
    Barbara Steffens (Grüne) ... ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Darüber hinaus ist es aber auch wichtig, dass jedes Kind jeden Tag bei Übermittagbetreuung eine gesunde warme Mahlzeit erhält. So kann die Gesundheitsbildung auch in der Schule besser vermittelt werden.

    Die bisherigen Angaben der Lebensmittel-Hersteller über ihre Produkte sind für die Verbraucherinnen und Verbraucher ...

    Rudolf Henke (CDU) ... oft schwierig zu verwerten. Auf Verpackungen von Lebensmitteln darf nur drauf stehen, was auch drin ist, und Abbildungen dürfen die Verbraucher nicht täuschen. Die Klarheit von Zutatenlisten, Abbildungen und Bezeichnungen muss besser werden.
    Heike Gebhard (SPD) ... nur selten schnell erfassbar. Entweder sie sind viel zu kompliziert oder aber irreführend, wenn mit Begriffen wie "gesund", "mit Vitaminen" und "für Kinder" geworben wird. Eine klare, verständliche Ampelkennzeichnung muss her. Minister Uhlenberg muss sich, wie im Sommer 2008 zugesagt, im Bundesrat und in Europa dafür einsetzen.
    Dr. Stefan Romberg (FDP) ... hilfreich bei der Auswahl von fett- und zuckerarmen Gerichten. Sicherlich gibt es noch Verbesserungsbedarf, insbesondere was die Portionsmengenangaben betrifft. Eine Ampelkennzeichnung wäre jedoch kontraproduktiv, da der Nahrungsbedarf von Menschen sehr individuell ist.
    Barbara Steffens (Grüne) ... oft irreführend und unzureichend. Durch unterschiedliche Angaben der Hersteller sind sie nur schwer vergleichbar. Wenn der Gehalt an Fett, Zucker und Salz mit einer Nährwert-Ampel gekennzeichnet würde, könnten Verbraucherinnen und Verbraucher auf einen Blick erkennen, was die Produkte enthalten.

    Beim Thema Impfen scheiden sich Geister. Der wichtigste Punkt jedoch ist aus meiner Sicht ...

    Rudolf Henke (CDU) ... dass es weltweit kaum eine Präventionsmaßnahme gibt, die krankheitsbezogen derart viele Menschen vor vorzeitigem Tod und früher Krankheit rettet wie die konsequente Impfprävention vor Infektionskrankheiten.
    Heike Gebhard (SPD) ... so viele wie möglich vor Infektionskrankheiten zu schützen. Dazu bedarf es einerseits sicherer Impfstoffe. Andererseits ist zu gewährleisten, dass jede und jeder die gleichen Möglichkeiten zur Impfung erhält.
    Dr. Stefan Romberg (FDP) ... dass Arzt und Patient gemeinsam entscheiden, ob die Impfung für den Patienten individuell die optimale Lösung ist. Sicher ist aber, dass Impfungen neben Antibiotika die wohl erfolgreichste Entwicklung der modernen Medizin sind. Gegen viele Virus-Erkrankungen sind sie bis heute das einzige Mittel.
    Barbara Steffens (Grüne) ... dass die Menschen umfassende Informationen erhalten, damit sie sich gut informiert selbst entscheiden können. Dies gilt sowohl für die kritischen Positionen, als auch für die Argumentation der Impfbefürworterinnen und -befürworter. Hier ist vor allem das Land gefordert.

    Nikotin, Alkohol, harte Drogen - in der Suchtpolitik sehe ich NRW ...

    Rudolf Henke (CDU) ... Tag für Tag neu gefordert, nicht zuletzt in der Hilfe und beim Schutz für Kinder suchtkranker Eltern. Durch konsequenten Verzicht auf Tabak lassen sich in Deutschland jährlich 110.000 vorzeitige Todesfälle, durch den Verzicht auf maßlosen Alkoholkonsum 40.000 Todesfälle vermeiden.
    Heike Gebhard (SPD) ... im Vergleich zu den anderen Bundesländern nicht mehr vorne. Ein "Nichtraucherschutzgesetz", das zulässt, dass selbst Bäckereien sich zu Raucherclubs erklären können, trägt seinen Namen völlig zu Unrecht. Die Kommunalisierung der Drogen- und Suchtpolitik gefährdet die spezialisierten Angebote.
    Dr. Stefan Romberg (FDP) ... auf einem guten Weg. Im Mittelpunkt steht die ursachenorientierte und früh einsetzende Prävention sowie Hilfen für suchtgefährdete und suchtkranke Menschen. Sie dürfen nicht diskriminiert werden. Repressionen sind das letzte Mittel, wenn beispielsweise Gewalt und Kriminalität verhindert werden müssen.
    Barbara Steffens (Grüne) ... auf einem schlechten Weg. Die guten unter rot-grün entstandenen Strukturen, die auf Präventionshilfe setzten, werden seit einigen Jahren von der Landesregierung zerstört. Eine Drogenpolitik, die immer mehr auf Strafe statt Hilfe setzt, wird der Situation der Süchtigen, die krank sind, nicht gerecht.

    Die seelische Gesundheit wird in der nordrhein-westfälischen Gesundheitspolitik ...

    Rudolf Henke (CDU) ... ebenso ernst genommen wie die körperliche. Zu einem gesunden Lebensstil gehört ein ausgeglichenes Verhältnis von Anspannung und Entspannung. Das gesellschaftliche Bewusstsein dafür darf allerdings noch beträchtlich wachsen. Der Diskriminierung psychisch Kranker müssen wir gemeinsam entgegentreten.
    Heike Gebhard (SPD) ... seit 2005 sträflich vernachlässigt. Die Experten sind sich einig, dass eine bessere Versorgung auch im teilstationären und stationären Bereich der Erwachsenen- sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie erforderlich ist. Doch die Landesregierung schiebt die notwendigen Entscheidungen vor sich her.
    Dr. Stefan Romberg (FDP) ... groß geschrieben - durch Früherkennung und Behandlung von Depressionen als Gesundheitsziel, die Verbesserung des Platzangebots bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Förderung von Projekten zur sektorenübergreifenden Versorgung und die Weiterentwicklung der komplementären Hilfen.
    Barbara Steffens (Grüne) ... nicht ernst genug genommen. Wir brauchen eine wohnortnahe Beratungsstruktur, damit Probleme direkt aufgefangen werden und erst gar nicht ernsthaft krank machen. Auch muss es mehr Angebote geben, um dem Anstieg der Ritalinverordnung bei Kindern nicht-medikamentöse Alternativen entgegenzusetzen.

    Idee und Umsetzung: Sebastian Wuwer, Sonja Wand

    Systematik: 5200 Gesundheit

    ID: LI091012

  • Hand in Hand handeln.
    Öffentliche Anhörung zur Zukunft der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Ausschussbericht
    S. 13 in Ausgabe 10 - 04.11.2009

    30. September 2009 - Einen "erhöhten Handlungsbedarf" sehen SPD und Grüne in der Frage, wie die Behandlung von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen verbessert werden kann. Vor dem Hintergrund steigender Fallzahlen fordern die Fraktionen in zwei Anträgen (Drs. 14/9270 und Drs. 14/9429) die Landesregierung auf, das medizinische und soziale Angebot für junge Patientinnen und Patienten auszubauen und dieses stärker mit der Kinder- und Jugendhilfe zu vernetzen. Im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales (Vorsitz Günter Garbrecht, SPD) unterstützten Sachverständige die Vorschläge.
    Frühzeitiger als bisher müsse den Heranwachsenden und deren Familien geholfen werden, waren sich die Sachverständigen einig. Sowohl für die Ärzteschaft als auch für die Krankenkassen, die Krankenhausträger und die Jugendhilfe formulierten sie ihre Forderungen an die Landespolitik, sich für einen Ausbau kinder- und jugendpsychiatrischer Angebote einzusetzen. Seit Jahren steige die Zahl der Behandlungen erheblich, betonte Helga Schuhmann-Wessolek für den Landesverband Westfalen-Lippe (LWL). So sei in den drei Kliniken des LWL die Zahl der teilstationären Behandlungen von Kindern und Jugendlichen zwischen 1996 und 2008 um 443 Prozent gestiegen.
    Sachverständige wie Prof. Johannes Hebebrand (LVR-Klinik Essen) oder Dr. Gudrun Ott (LVR-Klinik Düsseldorf) forderten daher einen Ausbau besonders der ambulanten Therapien. Zugleich müsse die Kinder- und Jugendpsychiatrie an den medizinischen Fakultäten besser verankert werden, um mehr medizinisches Personal ausbilden zu können. Ebenso regten auch die Ärztekammern an, den Beruf des Jugendpsychiaters attraktiver zu gestalten. Die Vernetzung von medizinischer Behandlung mit Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe sei unerlässlich, meinte Michael van Brederode für den Landschaftsverband Rheinland. Ebenso sei es notwendig, ergänzte Dr. Rudolf Jebens (Klinikum Bad Salzuflen), regionale Angebote zu stärken. Der Ausbau psychiatrischer Angebote dürfe allerdings nicht mit einer Stigmatisierung der Kinder einhergehen, betonte Dr. Michael Meusers (Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke). Einen vorbeugenden Ansatz befürwortete Dr. Matthias Albers (Sozialpsychiatrischer Dienst des Kreises Mettmann). Gerade in einem sozial schwierigen Umfeld würden Verhaltensauffälligkeiten bei jungen Menschen begünstigt, sagte der Sachverständige. Umso wichtiger sei es, durch Stadtentwicklungs-, Beschäftigungs-, Bildungs- und Sozialpolitik präventiv tätig zu werden.

    "Je früher desto besser"

    Kritisch sah Prof. Josef Weglage viele der Vorschläge: "Wir brauchen nicht Mehr vom Selben", meinte der Facharzt und forderte, ein niederschwelliges sowie fachübergreifendes Angebot zu schaffen. "Wir sehen die Entwicklung mit großer Sorge", erklärte daraufhin Andreas Hustadt für die Krankenkassen. Er berichtete von einer "finanziellen Schieflage", da für die stationäre Behandlung derzeit mehr Geld ausgegeben werde als für ambulante Therapien. Dieses Verhältnis gelte es umzudrehen. Zu bedenken sei außerdem, erklärte Dr. Meinolf Noeker (Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Bonn), dass die stationäre Behandlung gerade für Kinder weitere Probleme mit sich bringe, da sie aus ihrem sozialen Umfeld gerissen würden.
    Insbesondere sozial schwachen Familien sei der Zugang zu wohnortnaher Behandlung zu erleichtern, fügte Susanne Drews (Landesverband der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege) hinzu. Kritisch begegnete dagegen Matthias Seibt den Forderungen nach einem Ausbau psychiatrischer Therapien. Der Sachverständige vom Landesverband der Psychiatrie-Erfahrenen erklärte, Kinder seien nun einmal lebhafter als Erwachsene. Dies sei kein Grund, sie zu "psychiatrisieren".
    "Psychiatrische Erkrankungen kennen keine Zuständigkeitsgrenzen", erklärte indessen Markus Schnapka als Beigeordneter der Stadt Bornheim und forderte interdisziplinäre Ansätze. Die Vernetzung könne jedoch nur dann gelingen, sagte Dr. Falk Burchard, wenn über ein Ausgleichssystem zwischen den Kommunen die finanzielle Ausstattung der Kinderund Jugendhilfe gesichert sei. Schnelle Lösungen wie Therapien mit Tabletten dürfe es jedenfalls nicht geben, fasste Dr. Khalid Murafi aus Lüdinghausen zusammen. Es brauche Zeit, qualitativ hochwertige Angebote zu entwickeln. Zugleich müsse der Grundsatz "Je früher desto besser" gelten, fand Dr. Birgit Lambertz (Direktorin der LVR-Jugendhilfe Köln). Nur durch eine frühzeitige Therapie könnten fortschreitende Erkrankungen und Folgekosten verhindert werden.
    sw

    Systematik: 5030 Kinder/Jugendliche; 5260 Psychiatrie

    ID: LI091014

  • Quadratur des Kreises.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 9 - 07.10.2009

    Schulden macht niemand gern. Lieber aus dem Vollen schöpfen. Oder - noch besser - ein Guthaben anlegen können. Aber Schulden? Sie stehen für Geldsorgen, Zahlungsrückstand, Verpflichtung. Deshalb - so betonten Redner im Landtag bei der Diskussion über den kommenden Haushalt - will man daran arbeiten, dass sie abgebaut, wenn möglich ab einem bestimmten Zeitpunkt ganz vermieden werden. Um zukünftigen Generationen nicht die Lasten von heute aufzubürden. "Schuldenbremse" heißt hier das Zauberwort. Sie soll, so hat die Große Koalition bundesweit vereinbart, in NRW mit Verfassungsrang verankert und ab 2011 schrittweise umgesetzt werden. Ab 2020 sollen die Bundesländer ganz auf Schulden verzichten, es sei denn, die wirtschaftliche Lage lasse gar nichts anderes zu.
    Im Augenblick, 2009, scheint genau dieser Fall gegeben. Vor gut einem Jahr brachen in New York die Lehman-Bank und viele Knabenmorgenblütenträume der internationalen Finanzspekulanten zusammen. Die Auswirkungen sind noch heute zu spüren, bis in den kleinsten Winkel der Erde. Aufträge brachen weg, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mussten in Kurzarbeit, wenn nicht in die Arbeitslosigkeit. Eine Folge: ein deutlicher Rückgang der Steuereinnahmen. Gift für angespannte Haushalte auch von Land, Kreisen und Kommunen. Nun gilt es also, die berühmte Quadratur des Kreises zu finden: gleichzeitig zu konsolidieren, den Einnahmeverlust auszugleichen, aber auch in wichtigen, zukunftsträchtigen Themenfeldern neue Impulse zu setzen. Parteiübergreifend werden hier die Themen Bildung, Infrastruktur und Umweltschutz genannt.

    Schulden machen wofür?

    Die Debatte über den Haushalt ist eine gute Gelegenheit, die unterschiedlichen Ansätze von Regierung und Opposition in diesen und anderen Politikfeldern auf den Prüfstand zu stellen. Im politischen Streit über Grundsätzliches wie über Einzelheiten schärfen sich parteipolitische Profile, die Bürgerinnen und Bürger können ersehen, wer wie mit ihrem Geld umgehen will. Die Haushaltsdebatte macht politische Standpunkte und Grundansätze deutlich.
    Gleichzeitig zeigt sie die Bedeutung des Parlamentarismus: Das Recht frei gewählter Volksvertreterinnen und -vertreter, über die Verwendung von Einnahmen zu entscheiden, dokumentiert wie wenige andere Momente die Kontrolle der ausführenden Gewalt (der Regierung) durch die gesetzgebende Gewalt (das Parlament).
    Der Landtag NRW hat bei der Einbringung des Haushalts 2010 die Chance auf eine Generaldebatte genutzt. Auch deswegen ist dies Schwerpunktthema der Ihnen vorliegenden Ausgabe von Landtag Intern.
    cw

    ID: LI090906

  • Finanzbilanz und politische Abrechnung.
    1. Lesung des Haushalts 2010 gerät zur Generaldebatte.
    Plenarbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7-9 in Ausgabe 9 - 07.10.2009

    9. September 2009 - Über die Verwendung von 53,3 Milliarden Euro muss der Landtag Nordrhein- Westfalen in der Haushaltsgesetzgebung für das Jahr 2010 entscheiden. NRW-Finanzminister Dr. Helmut Linssen (CDU) hat den Gesetzentwurf in die parlamentarischen Beratungen eingebracht (Drs. 9700). Die erste von insgesamt drei vorgeschriebenen Lesungen im Plenum geriet traditionsgemäß zur Generalaussprache über die Landespolitik. Ebenfalls zur Debatte standen die mittelfristige Finanzplanung bis 2013 (Drs. 14/9701) sowie das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG; Drs. 14/9702) mit Zuweisungen des Landes an die Gemeinden und Gemeindeverbände in Höhe von 7,7 Milliarden Euro.
    Finanzminister Dr. Helmut Linssen (CDU) erklärte, der Haushaltsentwurf sei Beleg für eine zukunftsweisende Haushaltspolitik der Landesregierung. Vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise, der anhaltend angespannten Konjunkturlage und dramatisch eingebrochener Steuereinnahmen setze der Entwurf "richtige Zeichen, damit das Land gestärkt aus der Krise hervorgeht", sagte Linssen. Zwar mache die Krise es aufgrund wegbrechender Steuereinnahmen unumgänglich, für 2010 neue Schulden in Höhe von 6,6 Milliarden Euro aufzunehmen, dies liege jedoch noch unter der rot-grünen Rekordneuverschuldung aus dem Jahr 2004. Trotz der angespannten Finanzlage seien im Haushalt 2010 steigende Ausgaben für Zukunftsbereiche wie Kinderbetreuung, Bildung und Forschung vorgesehen. Die Investitionen in politische Schwerpunkte - beispielsweise die Einrichtung von 920 zusätzlichen Lehrerstellen und 14.500 Betreuungsplätzen für unter Dreijährige - wirkten ebenso stabilisierend wie die kommunalfreundliche Umsetzung des Konjunkturpakets II. Allerdings gelte in der Haushaltspolitik auch weiterhin der kaufmännische Leitsatz: "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not." Linssen forderte deshalb die Fraktionen im Landtag auf, noch in dieser Legislaturperiode den haushaltspolitischen Verzicht auf strukturelle Verschuldung in der NRW-Landesverfassung festzuschreiben. Es dürfe in Zukunft nicht sein, "dass unsere Kinder und Enkelkinder alleine sehen müssen, wie sie mit unseren Schulden fertig werden", meinte Linssen. Umso mehr müsse die Haushaltskonsolidierung nach Überwindung der Wirtschaftskrise konsequent voranschreiten.
    Hannelore Kraft (SPD) bezeichnete den Beitrag ihres Vorredners als "Abschiedsrede". Die Politik des Ministerpräsidenten und auch der vorgelegte Haushalt erfüllten die Erwartungen der Menschen nicht. Diesen nämlich gehe es um Sicherheit, um eine klare Perspektive. "Sie haben keine Antwort auf den wachsenden Druck in den Familien", kritisierte die Oppositionsführerin den Grundsatz "Privat vor Staat" der Landesregierung. Auch fehle ein Rezept für "die beste Bildung für alle". Das Ziel der Vollbeschäftigung habe Ministerpräsident Rüttgers offensichtlich aufgegeben. Er stehe nur noch für "Verwalten statt Gestalten". Außerdem sei der Haushalt 2010 ein Beweis für die Untätigkeit der Landesregierung in der Wirtschaftspolitik. Der Wirtschaftsetat sinke Jahr für Jahr. Mit dem Haushalt 2010 erreiche die Verschuldung des Landes in Höhe von 129,1 Milliarden Euro einen "absoluten Rekordwert". Die SPD-Fraktionsvorsitzende bezeichnete den Ministerpräsidenten als regierungsmüde und warf der Landesregierung vor, bei den Kommunen mit mehr als 3,3 Milliarden Euro "in der Kreide zu stehen". Die Kreise, Städte und Gemeinden seien "systematisch ausgeplündert" worden und hätten zudem noch mehr Geld im Rahmen des Solidarpakts zahlen müssen als nötig. Zähle man diese 1,15 Milliarden Euro zur Neuverschuldung hinzu, ergäben sich nicht 6,6, sondern in Wahrheit 7,75 Milliarden Euro. Jede Regierung müsste angesichts der Wirtschaftskrise Schulden machen, gestand die SPD-Sprecherin zu. Entscheidend sei dabei, wie das Geld investiert werde. Die Rüttgers-Regierung mache aber Schulden, ohne neue Impulse für die Zukunft zu geben.
    Als "Zerrbild der Realtität", bewertete Helmut Stahl (CDU) die Rede seiner Vorgängerin. So sei es noch gar nicht ausgemacht, wer beim Thema "Solidarpakt" Rückerstattungsansprüche gegen wen habe; dies werde jetzt im Gespräch zwischen Landesregierung und Kommunen geklärt. Des Weiteren werde mit KiBiz mehr für Kinderbildung ausgegeben als früher, und es würden sieben Mal mehr Kinder unter drei Jahren betreut. Die SPD habe 2005 vorgesehen, 16.000 Lehrerstellen als "künftig wegfallend" einzustufen; heute sehe der Haushalt fast 8.000 Stellen mehr vor. "Sie sind schlecht informiert bis zur Peinlichkeit", so der CDU-Fraktionsvorsitzende zur Oppositionsführerin. Diese laste dem Finanzminister 129 Milliarden Euro Schulden an und verschweige, dass die rot-grüne Vorgängerregierung 2005 rund 112 Milliarden Euro Schulden hinterlassen habe. Daher hätten CDU und FDP die Konsolidierung des Landeshaushalts einleiten müssen. In Zeiten einer historischen Wirtschaftskrise sei es jedoch notwendig, auch durch die Erhöhung der Nettokreditaufnahme Wachstumschancen zu sichern. Gleichzeitig investiere die jetzige Landesregierung etwa 3 Milliarden Euro mehr in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung als Rot-Grün im Jahr 2005. Dies sei die Voraussetzung, um die Wirtschaft anzukurbeln, Arbeitsplätze zu schaffen und gute Löhne für die arbeitenden Menschen im Land zu sichern. Eine deutliche Absage erteilte Stahl dagegen weiteren kreditfinanzierten Ausgabenprogrammen, wie sie die SPD fordere. Diese beinhalteten den Keim für weitere wirtschaftliche Krisen. Richtig sei, die "Politik der Erneuerung" fortzusetzen.
    Dr. Gerhard Papke (FDP) dankte dem Finanzminister für den Etatentwurf. Er falle in eine Zeit, "in der wir den massivsten Einbruch an Wirtschaftswachstum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verkraften müssen". In dieser historischen Ausnahmesituation habe der Finanzminister eine Nettokreditaufnahme vorgesehen, die in dieser Höhe im kommenden Haushaltsjahr unabwendbar sei. Da diese Situation nicht zufriedenstellend sei, wolle man schnellstmöglich wieder auf den "Pfad der Konsolidierung" zurückkehren, den man in den letzten Jahren eingeschlagen habe. Darin seien sich die Koalitionsfraktionen einig. Ohne die Hilfe für die Westdeutsche Landesbank und den Rettungsschirm des Finanzmarkt-Förderungsgesetzes hätte das Land im Haushalt im vergangenen Jahr einen Überschuss von über 160 Millionen Euro erwirtschaftet, rechnete Papke vor.
    Trotz der schwierigen Lage werde die Koalition es schaffen, auch künftig die Schwerpunkte wie zuvor zu setzen. Die bisherige Bilanz sei gut. Seit 2005 habe man die Ausgaben für den Bereich der vorschulischen Bildung um 30 Prozent erhöht. Außerdem gebe es 7.874 mehr Lehrkräfte, um dem Unterrichtsausfall zu begegnen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende unterstrich zudem die Investitionen im Hochschulbereich. Bald könne Nordrhein-Westfalen jungen Menschen 11.000 zusätzliche Studienplätze anbieten. Ein weiterer Erfolg seien mehr als 370.000 zusätzliche vollwertige, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, die seit Regierungsübernahme bis Ende 2008 dazugekommen seien. Das zeige, dass es darauf ankomme, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.
    Sylvia Löhrmann (Grüne) verstand den vorgelegten Haushaltsentwurf als eine mehr als ernüchternde Bilanz der schwarz-gelben Regierungszeit seit 2005. Bei seinem Amtsantritt 2005 habe Ministerpräsident Jürgen Rüttgers den Bürgerinnen und Bürgern versprochen, eine Unterrichtsgarantie an den Schulen einzuführen, die Arbeitslosigkeit zu senken und einen ausgeglichenen Landeshaushalt vorzulegen. Bei diesen selbstdefinierten Kernpunkten habe die Landesregierung versagt, meinte die Fraktionsvorsitzende der Grünen. Im Bereich Bildung gebe es weder zufriedenstellende Unterrichtsbedingungen noch eine innovative Schulentwicklung; die Arbeitslosigkeit sei weiterhin hoch, und mit 6,6 Milliarden Euro Neuverschuldung müsse NRW einen neuen Rekord in Kauf nehmen. Ministerpräsident Rüttgers habe den Menschen versprochen, das Haushaltsloch zu stopfen, stattdessen aber einen Krater daraus gemacht. Und die Landesregierung habe die Kommunen um Milliarden betrogen: "Trotzdem tun Sie so, als hätten Sie saniert." Außerdem sei zu befürchten, dass mangels eines Konjunkturprogramms für NRW die Zahl der Arbeitslosen bis zum Frühjahr kommenden Jahres auf nahezu eine Million Menschen in NRW steigen werde, prognostizierte Löhrmann. Sie kritisierte des Weiteren, dass die Landesregierung von CDU und FDP auch in der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit an ihrer Politik "Privat vor Staat" festhalten wolle. Mit dieser "marktradikalen Politik" verspiele die Regierungskoalition die Zukunft Nordrhein-Westfalens, warnte die Grünen-Sprecherin. Ihr Fazit: "Nordrhein-Westfalen hat einen besseren Ministerpräsidenten verdient."
    Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) betonte, er wolle die "Politik der Erneuerung" im Haushalt 2010 fortsetzen. Trotz der großen Wirtschaftskrise gehe es den Menschen besser als vor viereinhalb Jahren, als er die Regierung übernommen habe. Seit Mai 2005 gebe es rund 230.000 Arbeitslose weniger und über 7.000 Lehrerstellen mehr. Noch nie habe eine Regierung in NRW so viel Geld für Ganztagsschul- und Kitaplätze ausgegeben. Auch in Zukunft wolle man in Kinder und Jugend, Bildung und Weiterbildung investieren. Der Ministerpräsident kündigte für das kommende Jahr 959 zusätzliche Lehrerstellen, einen Ausbau der Plätze an Ganztagsschulen und für die Betreuung unter-dreijähriger Kinder, einen höheren Etat für das Kinderbildungsgesetz und für das Programm "Kein Kind ohne Mahlzeit" an. Das Erfolgsrezept seiner Regierung sah Rüttgers in der Kombination aus einem strikten Sparkurs und Zukunftsinvestitionen. Dass man angesichts einbrechender Steuereinnahmen mit der Haushaltskonsolidierung von vorn beginnen müsse, sei zwar bitter, aber gegen die Krise anzusparen, sei falsch. Rüttgers ergänzte das Erhardsche Ziel "Wohlstand für alle" um die Forderung nach "neuer Sicherheit". Dazu müsse die Politik mit Arbeitgebern, Handwerk, Gewerkschaften und Mittelstand ein "Bündnis der Vernunft" für mehr Wachstum schmieden. Als Bestandteile dessen nannte er neue Spielregeln für die Finanzmärkte, die Haushaltskonsolidierung, einen Konsens darüber, dass NRW ein Industrie- und Exportland bleibe, die Überzeugung, dass Leistung sich lohnen müsse, sowie die Zielorientierung, NRW zum Innovationsland zu machen und in der Bildung besser zu werden.
    Rüdiger Sagel (fraktionslos) deutete die Rede des Ministerpräsidenten als "Anfang vom Ende" der schwarz-gelben Landesregierung. NRW sei finanzpolitisch "ganz unten" angekommen. Die Haushaltspolitik von CDU und FDP sei vollständig gescheitert, die Landesregierung handele weiterhin nach dem Prinzip "Privat vor Staat".

    Gemeindefinanzierung

    Die Zuweisungen des Landes an die Kommunen, berichtete Innenminister Dr. Ingo Wolf (FDP), erreichten 2010 mit 7,72 Milliarden Euro den zweithöchsten Stand seit Bestehen des Steuerverbunds. Der Verbundsatz von 23 Prozent in NRW sei einer der höchsten in Deutschland. Weil in dieser Zeit Steuereinnahmen nicht mehr sprudelten, seien alle, Land und Kommunen gemeinsam, zur Konsolidierung aufgerufen. Als "bundesweit vorbildlich" stellte der Minister heraus, dass die Kommunen über 86 Prozent der Mittel des Steuerverbundes frei verfügen könnten. Vor dem Hintergrund des schwankenden Gewerbesteueraufkommens forderte Wolf eine durchgreifende Reform der Gemeindefinanzierung.
    Ralf Jäger (SPD) bezeichnete die Rede des Ministers als "Schönfärberei". Viele Kommunen könnten selbst unter Verzicht aller freiwilligen Leistungen wie Hallenbäder oder Büchereien nicht ihre Pflichtaufgaben wahrnehmen, ohne zusätzliche Kredite aufzunehmen. "Wo sind Ihre Lösungen, Konzepte, Ideen?", fragte er die Landesregierung und prophezeite, dass sie den Kommunen im nächsten Jahr wieder einiges von den im GFG zugewiesenen Mitteln wegnehmen werde. Bereits in den zurückliegenden Jahren sei es zu einem "Raubzug durch die kommunalen Kassen" gekommen; seit 2006 habe die Regierung den Städten und Gemeinden 3,3 Milliarden Euro entzogen, rechnete er vor.
    Man müsse überlegen, wie man zumindest die am schlimmsten betroffenen Kommunen aus ihrer desaströsen Finanzsituation herausholen könne, bestätigte Rainer Lux (CDU). Da aber viele Systeme miteinander zusammenhingen, sei auch der Bund gefordert. Die Kommunen wüssten die Höhe der Zuweisungen - der zweithöchste Stand aller Zeiten - zu schätzen. Dies gelte ebenso für die Selbstständigkeit, die das Land den Kommunen zutraue und daher einen hohen Anteil der Mittel zur selbstverantwortlichen Verfügung bereitstelle. Das Land habe sich einmal mehr als seriöser und verlässlicher Partner der Kommunen erwiesen. Im Übrigen sei auch die Lage des Landes und des Bundes angespannt.
    Trotz rückläufiger Steuereinnahmen seien die Zuweisungen gegenüber dem höchsten Betrag vom Vorjahr nur um 3,15 Prozent niedriger, lobte Horst Engel (FDP) das "hervorragende Ergebnis bei der Gemeindefinanzierung 2010". Für Investitionen in die Infrastruktur vor Ort stünden etwa eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung, auch wenn die Investitionspauschale um 7 Prozent niedriger ausfalle. Auch der FDP-Sprecher rief alle Beteiligten zur Konsolidierung auf. Es gelinge immer mehr Kommunen, zu stabilen oder gesicherten finanzwirtschaftlichen Verhältnissen zurückzukehren. Die Botschaft sei vor Ort angekommen: "Weg von der Verschuldungspolitik hin zur schwarzen Null."
    "Keiner sagt, dass die Landesregierung allein Schuld habe", gestand Horst Becker (Grüne) zu und verwies auf die Steuerreform 2002. Er kritisierte jedoch, dass die Regierung im Vergleich zur Vorgängerregierung und gemessen an den höheren Steuereinnahmen den Kommunen weniger Geld zur Verfügung stelle. Es gebe keineswegs eine positive Entwicklung: Wenn man die Kassenkredite und die investiven Kredite der Kommunen zusammenzähle, seien die Schulden rasant gestiegen. Auch durch verstärktes Sparen würden sich ihre Probleme nicht lösen; selbst Pflichtaufgaben müssten sie über Kredite finanzieren. Die Gestaltungshoheit der Kommunen sei bald am Ende, warnte er.
    sow/sw

    Tabelle:
    Haushaltseckdaten (in Milliarden Euro)
    "Tabelle: hier nicht erfasst."

    Tabelle:
    Einzeletats (in Milliarden Euro) 2010
    Landtag 0,105
    Ministerpräsident 0,306
    Innen 4,588
    Justiz 3,465
    Schule und Weiterbildung 13,939
    Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie 5,818
    Wirtschaft, Mittelstand und Energie 0,930
    Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 0,745
    Arbeit, Gesundheit und Soziales 2,867
    Finanzen 1,916
    Landesrechnungshof 0,039
    Bauen und Verkehr 2,996
    Generationen, Familie, Frauen und Integration 1,718
    Allgemeine Finanzverwaltung 13,828
    Summe 53,260

    Tabelle:
    Daten zur Gemeindefinanzierung
    (in Klammern Veränderung gegenüber Vorjahr/Angaben in Euro)
    Zuweisungen 7,7 Milliarden (-250,8 Millionen)
    Schlüsselzuweisungen 6,6 Milliarden (-212,8 Millionen)
    davon für
    - Gemeinden 5,14 Milliarden
    - Kreise 767 Millionen
    - Landschaftsverbände 643 Millionen
    Schulpauschale/Bildungspauschale 600 Millionen
    Investitionspauschalen 492 Millionen (-37,1 Millionen)
    Pauschale 27,6 Millionen
    Bedarfszuweisungen (-0,9 Millionen)
    Sportzuweisungen 50 Millionen
    Verbundsatz 23 Prozent

    Zusatzinformation:
    Die Gesetzentwürfe zum Haushalt 2010 und zur Mittelfristigen Finanzplanung (Drs. 14/9700 und Drs. 14/9701) wurden zur Beratung an den Haushalts- und Finanzausschuss - federführend - und an die Fachausschüsse überwiesen. Das Gemeindefinanzierungsgesetz (Drs. 14/9702) soll ebenfalls im Haushalts- und Finanzausschuss - federführend - sowie im Ausschuss für Kommunalpolitik und Strukturreform beraten werden.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt; 1230 Kommunale Angelegenheiten; 8340 Finanzausgleich

    ID: LI090903

  • Klein, Volkmar (CDU); Walsken, Gisela (SPD); Freimuth, Angela (FDP); Groth, Ewald (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal geht es um Haushalt und Finanzen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 9 - 07.10.2009

    "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not." - Diesen Leitsatz des Finanzministers sehe ich im Haushalt 2010 ...

    Volkmar Klein (CDU) ... bewahrheitet und voll verwirklicht. Wenn wir in den vergangenen vier Jahren nicht intensiv gespart hätten, könnten wir jetzt nicht so effektiv auf die Krise reagieren. Die deutlich verbesserte Finanzbasis unseres Landes hilft uns heute, den krisenbedingten Anstieg der Neuverschuldung zu begrenzen.
    Gisela Walsken (SPD) ... zum wiederholten Mal nicht umgesetzt. Trotz Steuermehreinnahmen von 2005 bis 2008 in Höhe von rund 7,5 Mrd. Euro hat es der Finanzminister versäumt, in den "guten Jahren" zu sparen und den Schuldenberg abzutragen. Stattdessen sind rund 15 Mrd. Euro im Haushalt versickert.
    Angela Freimuth (FDP) ... verwirklicht. Während die abgewählte rot-grüne Koalition diesen Leitsatz vernachlässigt hat, haben FDP und CDU bisher schon 2,8 Milliarden Euro zur Vermögensbildung und zur Vorsorge für künftige Ansprüche der Versorgungsempfänger zurückgelegt. 2010 kommen weitere 359 Millionen Euro hinzu.
    Ewald Groth (Grüne) ... nicht verwirklicht. Gespart wurde nie. Trotz Steuermehreinnahmen von 8 Milliarden Euro gegenüber 2005 haben CDU und FDP 2008 neue Schulden angehäuft. 2010 ist es bislang ein gigantischer Schuldenanstieg von 6,6 Milliarden Euro und nach der Novembersteuerschätzung wird der Betrag noch steigen.

    Die Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise haben für den vorgelegten Etatentwurf ... Mehrausgaben für Bildung und Erziehung sind im Haushaltsplan 2010 ...

    Volkmar Klein (CDU) ... natürlich Auswirkungen. Aufgrund wegbrechender Einnahmen steigt die Nettoneuverschuldung, wenn wir nicht gegen die Krise ansparen und sie damit verschärfen wollen. Trotz des historischen Konjunktureinbruchs bleiben wir noch unter der Rekordverschuldung von Rot-Grün aus dem Jahr 2004.
    Gisela Walsken (SPD) ... ernüchternde Auswirkungen. Der Entwurf ist das Eingeständnis des Scheiterns dieser Landesregierung. Erneut werden keine eigenen Akzente zur Stärkung der Wirtschaft und Unternehmen in NRW in Folge der Finanzkrise gesetzt.
    Angela Freimuth (FDP) ... einschneidende Konsequenzen. Nach der aktuellen Mai-Steuerschätzung für NRW müssen wir Steuerausfälle von 5,1 Milliarden Euro im Vergleich zum Jahr 2008 verkraften. Ohne die konsequente Konsolidierungspolitik der Koalition von CDU und FDP würden wir aber wesentlich schlechter dastehen.
    Ewald Groth (Grüne) ... keinerlei Konsequenzen, außer dass die Steuerschätzung eingerechnet wird. Weder 2009 noch für 2010 wollen CDU und FDP der Wirtschaft spürbare und sinnvolle eigene Impulse geben. Statt die Kommunen kaputtzusparen, sollten Investitionen in die Sanierung von Schulen, Heizungen und Wohnhäusern fließen.

    Mehrausgaben für Bildung und Erziehung sind im Haushaltsplan 2010 ...

    Volkmar Klein (CDU) ... erneut vorgesehen. Bereits in den vergangenen Jahren wurden die Ansätze kontinuierlich erhöht. Den Ansatz für das KiBiz erhöhen wir 2010 auf knapp 1,3 Milliarden Euro. Zudem bauen wir die U3-Betreuungsplätze weiter aus. Damit unterstreichen wir unser Ziel, NRW zum Bildungsland Nr. 1 zu machen.
    Gisela Walsken (SPD) ... absolut notwendig. Doch trotz Steigerungen unterbleiben wichtige bildungspolitische Korrekturen. Weiterhin wird das dritte Kindergartenjahr nicht beitragsfrei gestellt, werden Studiengebühren erhoben und die Kommunen beim Ausbau des Ganztags mit einer völlig unzureichenden Finanzierung für investive Maßnahmen abgespeist.
    Angela Freimuth (FDP) ... der Schwerpunkt unserer Politik. Wir haben die Betreuungsangebote für unter Dreijährige verbessert, nahezu 8000 neue Lehrerstellen geschaffen und bauen Kapazitäten von Universitäten und Fachhochschulen aus. Faire Bildungschancen und Haushaltskonsolidierung sind für uns zwei Seiten einer Medaille.
    Ewald Groth (Grüne) ... kaum zu erkennen. Die Hälfte der Mehrausgaben im Schulbereich entfällt auf die Pensionen. Stunden für individuelle Förderung werden für den Grundbedarf missbraucht. Bei der U3-Betreuung bedient sich die Landesregierung am Ausbaugeld des Bundes, statt dieses zusätzlich an die Kommunen weiter zu geben.

    Um den Landeshaushalt in den kommenden Jahren zu konsolidieren, ist es erforderlich, ...

    Volkmar Klein (CDU) ... die Neuverschuldung wieder zurückzuführen. In drei Jahren haben wir die Nettoneuverschuldung um 83 Prozent gesenkt. Ohne die krisenbedingt notwendige Risikovorsorge hätte NRW 2008 erstmals seit 1973 keine neuen Schulden mehr aufgenommen. Diesen Konsolidierungskurs werden wir nach der Krise fortsetzen.
    Gisela Walsken (SPD) ... zunächst realistisch Einnahmen und Ausgaben aufzulegen und in der mittelfristigen Finanzplanung zu zeigen, wie die Neuverschuldung auf "0" reduziert werden soll.
    Angela Freimuth (FDP) ... aus der Schuldenspirale auszusteigen, in die Rot-Grün NRW getrieben hat. Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, den Haushalt durch Sparmaßnahmen auszugleichen. 2008 hätte NRW einen Überschuss erwirtschaftet, wenn wir für den Finanzmarktrettungsschirm keine milliardenhohen Rücklagen hätten bilden müssen.
    Ewald Groth (Grüne) ... eine Kehrtwende zu vollziehen. Es fehlt angesichts der schwarz-gelben Schuldenpolitik an jeder Perspektive. Die FDP redet gar Steuersenkungen das Wort, während der CDU-Finanzminister auf Bundesebene daran scheitert, für die Landesebene größere finanzielle Spielräumen zu schaffen.

    Den zukünftigen Verzicht auf strukturelle Neuverschuldung in der Landesverfassung zu verankern, halte ich für ...

    Volkmar Klein (CDU) ... absolut richtig. Im Sinne der Generationengerechtigkeit dürfen wir die Handlungsspielräume unserer Kinder nicht weiter einschränken. Eine Schuldenbremse ermöglicht uns, künftig in Ausnahmen auf Krisen fiskalpolitisch zu reagieren. Grundvoraussetzung bleibt aber der strukturelle Haushaltsausgleich.
    Gisela Walsken (SPD) ... verantwortliche Politik, den nachfolgenden Generationen keine Belastungen zu hinterlassen. Wer allerdings massive Steuererleichterungen im Wahlkampf verspricht und gleichzeitig für eine Schuldenbremse wirbt, der muss erklären, wo er zukünftig sparen will.
    Angela Freimuth (FDP) ... unbedingt notwendig. Deshalb haben FDP und CDU die Einführung einer Schuldenbremse beschlossen. Unser Ziel ist es, die steigende Nettoneuverschuldung der öffentlichen Hand zu beenden. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Generationengerechtigkeit.
    Ewald Groth (Grüne) ... ein absurdes Schauspiel der größten Schuldenmacher-Koalition aller Zeiten. Dies soll nur von der Neuverschuldung von mindestens 20 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren ablenken. Mehr finanzielle Eigenverantwortung des Landes wäre gefragt, da hat Herr Dr. Linssen im Bund aber versagt.

    Land, Kreise und Kommunen können zur Ankurbelung der Konjunktur beitragen, indem sie ...

    Volkmar Klein (CDU) ... die durch die Konjunkturprogramme eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten weiter schleunig nutzen. Die Umsetzung des Konjunkturpakets II in Nordrhein-Westfalen ist bundesweit vorbildlich. Wir sind hiermit auf dem richtigen Weg: Fast die Hälfte der Mittel sind bereits verplant.
    Gisela Walsken (SPD) ... die Mittel aus dem Konjunkturpaket zügig für Maßnahmen in den Bereichen Kinder, Jugend und Familie verwenden.
    Angela Freimuth (FDP) ... die Möglichkeiten der Konjunkturpakete jetzt möglichst schnell und vollständig ausschöpfen. Zusätzliche Maßnahmen der Landesregierung zur Belebung der Konjunktur sind angesichts einer leicht anziehenden Konjunktur nicht angebracht und würden lediglich den ohnehin hohen Schuldenstand weiter erhöhen.
    Ewald Groth (Grüne) ... in eine moderne und klimafreundliche Infrastruktur und in die Bildung sowie in gesundes Schul-Mittagessen investieren würden. Dies löst Arbeitsmarkteffekte aus und nutzt den Menschen und der Umwelt. Der Raubzug von CDU und FDP durch die kommunalen Kassen macht den meisten Kommunen dies unmöglich.

    Für die Haushaltspolitik der Landesregierung bedeutet die Finanzlage der Kommunen in Nordrhein-Westfalen ...

    Volkmar Klein (CDU) ... dass wir den Kommunen trotz der historischen Krise den zweithöchsten Betrag in der Geschichte Nordrhein-Westfalens überweisen. Die 2006 vorgenommene Umstellung des Referenzzeitraums für das Gemeindefinanzierungsgesetz wirkt heute stabilisierend zugunsten der kommunalen Finanzausstattung.
    Gisela Walsken (SPD) ... ein desaströses Ergebnis von vier Jahren Politik zulasten der Städte und Gemeinden und eine schwere Belastung für die Zukunft.
    Angela Freimuth (FDP) ... wachsam zu bleiben, wie die Situation der Kommunen sich entwickelt. Das Konnexitätsprinzip muss eingehalten werden. Das Land ist andererseits auch nicht für jede Schuldenproblematik in den Kommunen verantwortlich. Eine Reform des kommunalen Finanzausgleichs befindet sich zudem schon in Vorbereitung.
    Ewald Groth (Grüne) ... eine unmittelbare Notwendigkeit, endlich zu handeln. Statt sie durch ein hilfloses Haushaltsrecht zu strangulieren, müssen CDU und FDP endlich für die Rückzahlung der zu viel gezahlten Einheitslasten und einen Schuldenfonds zur Überbrückung der schlimmsten Notlage sorgen.

    Idee und Umsetzung: Sebastian Wuwer, Christoph Weißkirchen

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI090909

  • Auf die Bremse treten.
    Haushaltsausschuss befragt Fachleute nach Sinn einer Schuldenbremse.
    Ausschussbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 13 in Ausgabe 9 - 07.10.2009

    17. September 2009 - Eine Schuldenbremse möchten CDU und FDP in der Landesverfassung verankern. Sie reagieren damit auf die Beschlüsse der Föderalismuskommission II, im Grundgesetz ein Verbot der Nettokreditaufnahme für Bund und Länder ab 2020 festzuschreiben. Die Fraktionen fordern in einem Antrag (Drs. 14/9259) die Landesregierung auf, einen Gesetzentwurf für die Umsetzung der nordrhein-westfälischen Schuldenbremse vorzulegen. Im Haushalts- und Finanzausschuss (Vorsitz Anke Brunn, SPD) äußerten sich Sachverständige zu den Plänen. Der Anhörung lag außerdem ein Entschließungsantrag des fraktionslosen Abgeordneten Rüdiger Sagel zugrunde (Drs. 14/9301), die Schuldenbremse abzulehnen, da diese die finanzpolitische Eigenverantwortung der Länder verletze.
    Die Mehrzahl der Sachverständigen befürwortete eine Schuldenbremse, auch wenn diese mit weiteren Anstrengungen zum Schuldenabbau einhergehen müsse. "Ich warne davor zu glauben, dass die Schuldenbremse ein Allheilmittel sei", sagte Dr. Beate Jochimsen (Freie Universität Berlin). Sie kritisierte, die Schuldenbremse berücksichtige nicht die Gründe, die zum Anwachsen des Schuldenbergs geführt hätten. So seien Sanktionen für haushaltspolitisches Fehlverhalten nicht vorgesehen. "Eine Schuldenbremse ist sicherlich richtig und wichtig", meinte Dr. Michael Thöne (Universität zu Köln). Allerdings bleibe zu hinterfragen, inwiefern die Bremse mit den Steuerkompetenzen des Landes und dem Länderfinanzausgleich korrespondiere. In dieser Hinsicht bestehe weiterer Reformbedarf. Als "richtigen Schritt" bewertete Heinz Gebhardt (Rheinisch- Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung) den Verzicht auf Neuverschuldung. Weit darüber hinaus bleibe es jedoch der "Königsweg" der Haushaltspolitik, Schulden ohne negative Folgen für das Wirtschaftswachstum abzubauen.
    Mit der Frage, wie die Schuldenbremse gesetzlich realisiert werden könne, beschäftigte sich Dr. Henning Tappe (Westfälische Wilhelms-Universität Münster). Er riet der Landespolitik, sich eng an der bundesrechtlichen Ausgestaltung zu orientieren, auch wenn mit Blick auf die Verfassungsklage des Kieler Landtags abgewartet werden müsse, ob die im Bund beschlossene Schuldenbremse überhaupt verfassungsgemäß sei. Dass eine Schuldenbremse nur im Einklang mit weiteren Maßnahmen Erfolg haben könne, zeigte Ute Scholle auf. Die Präsidentin des Landesrechnungshofs betonte, bei einem Verzicht auf Neuverschuldung dürfe es nicht zu haushaltspolitischen "Ausweichmaßnahmen" kommen wie etwa zum Abschluss von öffentlich-privaten Finanzierungsmodellen. Diese brächten für den Landeshaushalt auf lange Sicht mindestens ebenso große Belastungen mit sich.

    "Signal an die Menschen"

    Zustimmend gegenüber den Forderungen der Regierungsfraktionen äußerte sich für den Bund der Steuerzahler Heinz Wirz. Die Schuldenbremse sei ein "Signal an die Menschen", da sie das Vertrauen in die finanzpolitische Zuverlässigkeit des Staates stärke. "Die Bevölkerung würde der Politik das Schuldenmachen sofort verbieten", meinte Prof. Dr. Hans Meyer (Humboldt Universität zu Berlin). Eine Schuldenbremse greife allein viel zu kurz. Vielmehr müsse ein generationenübergreifender Lastenausgleich geschaffen werden.
    "Enorm gefährlich" könne die Schuldenbremse für die Kommunen werden, erklärte Claus Hamacher für die kommunalen Spitzenverbände. Eine Kürzung der Mittel im Finanzausgleich oder eine weitere Übertragung von Landesaufgaben sei zu befürchten. Umso mehr hielt es Hamacher für notwendig, einen finanziellen Mindestanspruch der Kommunen ebenfalls in der Verfassung zu verankern. "Die Schuldenbremse kann für NRW insgesamt sehr schmerzhaft werden", prognostizierte Dr. Achim Trugler (Hans-Böckler-Stiftung), weil sie Handlungsfähigkeit weitestgehend einschränke. Um den Haushalt zu konsolidieren, seien Steuererhöhungen sinnvoller. Dieser Vorschlag stieß auch bei Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup (Fachhochschule Gelsenkirchen) auf Zustimmung. Durch Steuersenkungen seien dem Staat Milliarden Euro verloren gegangen.
    Prinzipiell sei die Einführung einer Schuldenbremse eine richtige Entscheidung, entgegnete Florian Boettcher (Technische Universität Kaiserslautern), obwohl zweifelhaft sei, ob der Verzicht auf neue Kredite tatsächlich realisiert werde. Für den DGB erkannte Stefan Pfeifer im Konzept der Schuldenbremse einen Widerspruch. Das Land übertrage den Kommunen einerseits immer mehr Pflichtaufgaben, andererseits jedoch seien Kürzungen der Finanzmittel zu befürchten. Spätestens dann, so Pfeifer, müsse sich die Politik öffentlich bekennen, welche Aufgaben sie nicht mehr erfüllen wolle.
    sw

    Bildunterschrift:
    Die schriftlichen Stellungnahmen der Fachleute waren im Ausschuss gefragt.

    Systematik: 8310 Öffentliche Schulden; 8300 Öffentlicher Haushalt; 8330 Haushaltskontrolle

    ID: LI090904

  • Eine Aufgabe im Hier und Jetzt.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 8 - 09.09.2009

    Klimaschutz - eine Aufgabe, die inzwischen, egal von welcher politischen Seite, für wichtig gehalten wird. Weil aber der Kampf gegen den Klimawandel nur global und gemeinsam gelingen kann, es lange dauert, bis Erfolge erkennbar sind, und selbst größte Anstrengungen den Klimawandel zwar abmildern, aber nicht mehr gänzlich umkehren können, erscheint das Thema zuweilen abstrakt oder in weite Ferne gerückt. Umso mehr kommt es darauf an, diese Herkulesaufgabe unserer Zeit mit konkreten Etappenzielen zu versehen, das Ziel genau zu definieren und im Auge zu behalten.
    Gleichzeitig mahnen Forscherinnen und Forscher zur Eile, um überhaupt noch etwas ausrichten zu können. Allerdings stellen auch viele Menschen die Frage, ob der Klimaschutz in Zeiten der großen Wirtschaftskrise nicht gegenüber dringender erscheinenden Aufgaben zurückstehen müsse. Dieser Gratwanderung stellt sich der Landtag: Der Klimaschutz als Motor für Wirtschaft und Beschäftigung war Thema einer gemeinsamen Konferenz mit der EU-Kommission sowie einer Anhörung im Landtag.

    Die eigene Leistung

    Aber Klimaschutz ist nicht nur Sache der Politik. Jeder und jede Einzelne ist gefragt, einen eigenen Beitrag zu leisten. Denn das Klimagas Kohlendioxid entsteht nicht nur in der Großindustrie, sondern auch im Verkehr und im privaten Haushalt. Wir entscheiden selbst über unseren privaten Energieverbrauch, über unsere Anschaffungen, über unser Ernährungs- und Konsumverhalten. Wie wir uns fortbewegen, ob per Pedes, Fahrrad, Bus, Bahn, Flugzeug oder Auto - und bei diesen gibt es beträchtliche Unterschiede -, ist eine Frage, die wir selbst beantworten müssen.
    Beim Klimaschutz genügt es nicht, eine Maßnahme zu ergreifen. Man muss vielfältig tätig werden. So lässt sich CO2 durch einen geringeren Energieverbrauch, durch klimaverträglichere Energiequellen und durch Energieeffizienz einsparen. Eine sichere Speicherung des Treibhausgases gelingt gesunden Ozeanen, Wäldern, möglicherweise auch neuer Technik. Wegen dieser zahlreichen Maßnahmen sind unterschiedliche Ebenen betroffen, von der globalen über die europäische, deutsche wie nordrhein-westfälische, die kommunale bis hin zu unserer persönlichen. Es gilt, auf all diesen Ebenen am Klimaschutz zu arbeiten. Deshalb ist es gut, dass auch der Landtag sich mit konkreten Fragen des Klimaschutzes auseinandersetzt. Die einzelnen Aufgaben klingen technisch - Energiemix, CO2-Endlagerung, Gebäudesanierung -, müssen aber diskutiert und gegebenenfalls dann angegangen werden, eben weil sie konkrete Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlage und die der nachfolgenden Generationen haben.
    sow

    ID: LI090806

  • Klimaschutz und Kohlendioxid: ein heißes Thema.
    Landtagsmehrheit unterstützt CO2-Pipeline - Grüne sind dagegen.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht;

    S. 9 in Ausgabe 8 - 09.09.2009

    24. Juni 2009 - Wohin mit klimaschädlichem Kohlendioxid aus Kraftwerken? Diese Frage stellte sich der Landtag in einer Aktuellen Stunde auf Antrag der Grünen. Im Mittelpunkt der Debatte stand ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zur CCS-Technologie ("Carbon Capture and Storage"). Diese Technologie könnte eingesetzt werden, um abgeschiedenes Kohlendioxid über eine Pipeline nach Schleswig-Holstein zu transportieren und dort unterirdisch einzulagern. Während die Grünen das Gesetz ablehnen und auf öffentlichen Widerstand verweisen, sprechen sich die Fraktionen von CDU, SPD und FDP für das Verfahren aus. Allerdings wurde kurz vor der Plenarsitzung bekannt, dass die Unionsfraktion im Bundestag den Entwurf für das CCS-Gesetz vorläufig von der Tagesordnung genommen hatte.
    "Die Erderwärmung schreitet voran", machte Reiner Priggen (Grüne) zu Beginn der Debatte deutlich. Allein Nordrhein-Westfalen trage zu 44 Prozent zum gesamtdeutschen Ausstoß von Kohlendioxid bei. Vor diesem Hintergrund kritisierte der Abgeordnete, dass die Landesregierung den Ausbau von Kohlekraftwerken vorantreibe und die "schmutzigste Form der Stromerzeugung" weiter fördern wolle. Für seine Fraktion bekräftigte Priggen die ablehnende Haltung gegenüber dem CCS-Gesetzentwurf. Dieser Entwurf sei unter anderem deshalb "desaströs", weil er die Erforschung anderer Zukunftstechnologien - wie etwa der Geothermie - in ihrer Entwicklung behindere. Weltweit gebe es zudem kein einziges Kraftwerk, das die Abscheidung von Kohlendioxid bisher in großem Maße umsetze.
    "Energie muss sicher, sauber und bezahlbar bleiben", sagte Christian Weisbrich (CDU). Die Technologie zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid trage langfristig zum Wohlstandserhalt bei, da durch sie die Stromerzeugung durch Kohlekraftwerke mit den Klimaschutzzielen vereinbart werden könne. Für NRW bedeute diese Technologie eine "gewaltige Chance", da sich das Land als Vorreiter positionieren könne, meinte der Christdemokrat. "Mehr als ärgerlich" sei daher der Stopp der Beratungen zum CCS-Gesetzentwurf auf Bundesebene. An die Fraktionen appellierte Weisbrich, auf "parteipolitisches Geplänkel" in dieser Frage zu verzichten. Es gehe darum, gemeinsam dafür zu sorgen, dass Kohlekraftwerke sehr viel umweltfreundlicher als bisher Strom erzeugen könnten.
    Als "zentrale Zukunftsaufgabe" bezeichnete Norbert Römer (SPD) die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid, vor allem mit Blick auf die wirtschafts- und klimapolitischen Ziele Nordrhein-Westfalens. Scharf kritisierte er daher die CDU-Landtagsfraktion, der es nicht gelungen sei, über Einflussmöglichkeiten auf Bundesebene - so beispielsweise über das CDU-Präsidium - die Verabschiedung des CCS-Gesetzentwurfs voranzubringen. "Das einst stolze Energieland Nordrhein-Westfalen spielt bundespolitisch keine Rolle mehr", meinte der Sozialdemokrat. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) müsse endlich seiner Verantwortung gerecht werden und öffentlich Stellung zum CCS-Gesetzentwurf der Bundesregierung beziehen. "Klimaschutz duldet keinen Aufschub", sagte Römer.
    "Das Thema CCS ist ein Beleg für die grüne Blockadepolitik", fand Dietmar Brockes (FDP) und warf der Oppositionsfraktion vor, sich gegen die Interessen des Landes zu wenden. Falls das CCS-Gesetz der Bundesregierung nicht beschlossen werde, seien voraussichtlich Investitionen von mehr als zwei Milliarden Euro für NRW und ein CCS-Kraftwerksprojekt in Köln-Hürth in Gefahr. Brockes sah die Große Koalition auf Bundesebene in der Pflicht, das CCS-Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Es sei notwendig, den Energieversorgern Planungssicherheit zu geben. Zwar seien noch einige technische Fragen ungelöst, jedoch gelte es, über Modellanlagen herauszufinden, "ob CCS einen erheblichen und wirtschaftlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann".
    "Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass uns die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen noch einige Jahrzehnte begleiten wird", meinte Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Die CCS-Technologie sei ein möglicher Weg, um diese Art der Stromerzeugung unter Aspekten des Klimaschutzes besser verkraften zu können. Thoben bedauerte daher sehr, dass die schwarz-rote Bundesregierung sich in der laufenden Legislaturperiode wohl nicht mehr auf eine gemeinsame Haltung zum CCS-Gesetzentwurf werde verständigen können. Ein "gutes Gesetz etwas später" sei jedoch immer noch besser als ein Verzicht auf diese Zukunftstechnologie. "Es muss möglich sein, in gesamtstaatlicher Verantwortung Lösungen zu formulieren", so die Ministerin.
    sw

    Systematik: 6100 Umwelt; 2100 Energie

    ID: LI090802

  • Wittke, Oliver (CDU); Stinka, André (SPD); Ellerbrock, Holger (FDP); Priggen, Reiner (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal geht es um den Klimaschutz.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 8 - 09.09.2009

    Wenn wir Menschen den Klimaschutz vernachlässigen, dann ...

    Oliver Wittke (CDU): ... werden wir unserer Verantwortung zukünftigen Generationen gegenüber nicht ansatzweise gerecht.
    André Stinka (SPD): ... kommt uns dies in jeder Hinsicht teuer zu stehen. Dies hätte dramatische Folgen für die Menschheit und die Natur. Auch wirtschaftlich ist Klimaschutz alternativlos, da Nicht-Handeln teuerer wäre als rechtzeitig die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Gerade in der Wirtschaftskrise wäre es töricht, Arbeit und Umwelt gegeneinander ausspielen zu wollen.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... werden wir der Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen nicht gerecht. Der fortschreitende Verbrauch von begrenzten Ressourcen und die damit verbundenen Emissionen müssen durch Technologiefortschritt und effizienteren Mitteleinsatz verantwortbar möglichst weit reduziert werden.
    Reiner Priggen (Grüne): ... werden die Folgen katastrophal sein: eisfreie Polargebiete, überflutete und unbewohnbare Küstenregionen, abwechselnd schwere Dürren und Überschwemmungen, Hunderte Millionen Klimaflüchtlinge. Die Kosten für den Klimaschutz sind dagegen geradezu eine Kleinigkeit.

    Die Klimaschutzstrategie der Europäischen Union halte ich für ...

    Oliver Wittke (CDU): ... einen wesentlichen Schritt, um verbindliche und tatsächliche Erfolge für das Klima zu erreichen.
    André Stinka (SPD): ... eine gute Basis, europaweit mit dem Klimaschutz nach vorne zu kommen. Nur wenn Europa und Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen, werden wir Länder wie China und Indien von weltweit abgestimmten Maßnahmen überzeugen.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... ambitioniert, aber machbar. Vor allem aber brauchen wir die EU als Sprachrohr der europäischen Staaten, um ein gemeinsames Abkommen aller Industrie- und Schwellenländer zu erreichen, damit eine Reduktion der Emissionen ohne Wettbewerbsverzerrungen für die Vorreiter überhaupt gelingen kann.
    Reiner Priggen (Grüne): ... einen ersten Schritt. Sie ist aber angesichts der Herausforderung zu wenig ambitioniert. Europa muss beim Klimaschutz vorangehen, denn hier sind die Pro-Kopf- Emissionen immer noch deutlich höher als in Ländern wie China und Indien. Kein Mensch hat das Recht, per se mehr CO2 zu emittieren als andere.

    Für den Klimaschutz in Europa ist Nordrhein-Westfalen ...

    Oliver Wittke (CDU): ... als Industrieregion, Ballungsraum und Lieferant von hochtechnologischen Produkten von zentraler Bedeutung.
    André Stinka (SPD): ... ganz wichtig. Wir in NRW können Beispiel geben, wie wir Industrieland bleiben und gleichzeitig ehrgeizige Klimaschutzziele erreichen. Wir haben das Wissen für die Effizienz-, Energie- und Umweltschutztechnik, das weltweit immer wichtiger wird. Wir wollen Klimaschutz zum Fortschrittsmotor für Nordrhein-Westfalen entwickeln.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... eine Region, die ihren Beitrag leisten wird. Vor allem bei moderner, hocheffizienter Kraftwerkstechnik und innovativen Zukunftstechnologien wollen wir Vorreiter sein. Wir wollen das Land mit dem effizientesten Kraftwerkspark der Welt werden und diese sauberen Technologien auch weltweit exportieren.
    Reiner Priggen (Grüne): ... eine große Herausforderung, denn hier werden jedes Jahr fast 300 Mio. Tonnen CO2 emittiert. Das sind 44 Prozent der im Emissionshandel befindlichen Emissionen. In der EU würde NRW den 7. Platz bei Emissionen belegen. Darüber hinaus ist in NRW kaum eine dauerhaft sinkende Tendenz der Emissionen erkennbar.

    Hier in NRW muss die Landesregierung in puncto Klimaschutz als nächstes ...

    Oliver Wittke (CDU): ... die Themen Elektromobilität und emissionsarme Kohleverstromung umsetzen.
    André Stinka (SPD): ... ihre Blockadepolitik aufgeben. Sie verhindert ein sinnvolles Repowering bei der Windenergie, sie hat keine Biomasse- Strategie und sie legt den Stadtwerken Fesseln an. Sie gefährdet die Kraftwerksmodernisierung, da sie sich nicht tatkräftig für CCS-Gesetzgebung für Abscheidung, Transport und Lagerung von CO2 einsetzt.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... das Kraftwerkserneuerungsprogramm konsequent umsetzen. Die Energie- und Klimaschutzstrategie der Landesregierung ist die Basis auf dem Weg zu einem effizienten und sauberen Kraftwerkspark. Ziel ist ein breiter Energiemix, der Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit vereint.
    Reiner Priggen (Grüne): ... überhaupt erst einmal anfangen, Klimaschutz zu machen, denn trotz zum Teil ambitionierter Ziele findet Klimaschutz bei der Landesregierung praktisch nicht statt.

    In Bezug auf Wirtschaft und Arbeitsplätze bedeutet Klimaschutz für unser Land ...

    Oliver Wittke (CDU): ... Herausforderung und Chance zu gleich. Umwelttechnologien sind einer der wesentlichen Wachstumstreiber in diesem Jahrhundert. NRW ist dabei gut aufgestellt. "Made in NRW/Germany" ist weltweit gefragt.
    André Stinka (SPD): ... eine Chance als Fortschrittsmotor. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind weltweit Schlüsseltechnologien. Sie schaffen Arbeit und Ausbildung hier in NRW. Die schwarz-gelbe Landesregierung schadet mit ihrer Politik gegen die Windenergie und gegen andere Erneuerbare Energien dem Standort NRW und vertreibt Investoren.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... auch eine Chance für Wirtschaft und Industrie - vor allem im Mittelstand - durch kluge Innovationen und Investitionen Arbeitsplätze hier zu schaffen und zu sichern. Dabei muss vermieden werden, dass bestehende Arbeitsplätze durch überzogene Anforderungen verloren gehen.
    Reiner Priggen (Grüne): ... eine große Chance, denn wer heute klimaschonende Technologien, wie z. B. die Nutzung der Erneuerbaren Energien, entwickelt und ihre Nutzung vorantreibt, der besetzt die Zukunftsmärkte der Welt. Leider nutzt die Landesregierung diese Chance kaum.

    Die wichtigste energiepolitische Entscheidung in NRW in dieser Legislaturperiode ...

    Oliver Wittke (CDU): ... ist der Ausstieg aus dem hoch subventionierten Steinkohlenbergbau.
    André Stinka (SPD): ... ist von Schwarz-Gelb verschlafen worden. Die Regierung Rüttgers hat NRW auf einen klimapolitischen Abstiegsplatz geführt. Wir müssen jetzt sehr schnell umsteuern, um NRW auf Kurs in eine gute Zukunft zu bringen: Wir müssen z.B. unsere heimische Kohle zukunftsfest machen, Erneuerbare Energien kraftvoll ausbauen, unseren Kraftwerkspark erneuern und KWK fördern.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... ist das Kraftwerkserneuerungsprogramm. NRW wird damit Vorreiter bei der Entwicklung und dem Bau von hocheffizienten Kraftwerken der Zukunft. Kohle wird noch lange ein unverzichtbarer Bestandteil des Energiemixes bleiben. Da ist es das Wichtigste, diese Kraftwerke so effizient wie möglich zu machen.
    Reiner Priggen (Grüne): ... war der richtige und notwendige Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau. In Sachen Klimaschutz werden die fünf Jahre dieser Legislaturperiode fünf verlorene Jahre für NRW sein.

    Um das Klima zu schützen, muss auch jede Bürgerin und jeder Bürger ...

    Oliver Wittke (CDU) : ... darüber nachdenken, wie er oder sie einen Beitrag leisten kann, beispielsweise durch den Kauf effizienter Produkte, sparsamer Autos und die energetische Sanierung der eigenen vier Wände.
    André Stinka (SPD): ... unterstützt werden. Vielen Produkten kann man nicht ansehen, wie viel Energie sie verbrauchen und wie teuer sie über ihre Lebenszeit sind. Viele Mieter erfahren erst, nachdem sie eingezogen sind, welche Heizkosten auf sie zukommen. Deshalb brauchen wir eine gute und transparente Verbraucherberatung. Darüber hinaus braucht NRW ein Programm "1.000.000 Dächer Solarthermie", damit wir von Öl und Gas unabhängiger werden.
    Holger Ellerbrock (FDP): ... sich fragen, wo er effizienter mit Energie umgehen kann. Das schont den Geldbeutel und hilft obendrein, Ressourcen für die Zukunft zu sichern. Eine Beratung, wo in seinem persönlichen Lebensumfeld ökonomisch sinnvoll Energie gespart werden kann, kann ein Anfang sein.
    Reiner Priggen (Grüne): ... motiviert und in die Lage versetzt werden, Energie zu sparen. So brauchen wir z. B. ein langfristig angelegtes Förderprogramm zur energetischen Gebäudesanierung, um die Zahl der Sanierungen gegenüber heute deutlich zu erhöhen. Das schafft auch zehntausende Arbeitsplätze in Handwerk und Bauindustrie.

    Idee und Umsetzung: Sonja Wand und Sebastian Wuwer

    Systematik: 6150 Luft; 6100 Umwelt

    ID: LI090815

  • "Gemeinsam statt einsam".
    Spannende Debatte bei einer Fachtagung von Landtag und EU-Kommission.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 12 in Ausgabe 8 - 09.09.2009

    23. Juni 2009 - "Klimaschutz - Trotz oder wegen der Finanzkrise?" Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Konferenz, die der Landtag Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der Europäischen Kommission veranstaltet hat. In Mönchengladbach kamen Sachverständige aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammen, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten über mögliche Konzepte gegen den Klimawandel zu diskutieren. Auch wenn die Vorschläge der Expertinnen und Experten unterschiedlich ausfielen, so machten sie doch alle deutlich: An gemeinsamen europäischen und globalen Anstrengungen für mehr Klimaschutz führt kein Weg vorbei.
    Wir müssen den Ausstoß von Kohlendioxid weiter reduzieren, dürfen aber zugleich den Wirtschaftsstandort Europa nicht gefährden." Auf diese Formel brachte Dr. Stefan Agne die wohl größte Herausforderung beim Klimaschutz. Der Experte aus der Generaldirektion für Umwelt der Europäischen Kommission machte in seinem Vortrag deutlich, dass sich der Klimawandel in Zukunft immer stärker auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken werde. Umso mehr sei ein europäisches Engagement für den Klimaschutz notwendig, da schon heute die finanziellen Schäden des Klimawandels die globale Wirtschaftsleistung deutlich belasten würden.
    Vor diesem Hintergrund rief Dr. Agne den Gästen in Mönchengladbach noch einmal die Ziele der europäischen Klimaschutzstrategie in Erinnerung, auf die sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Dezember 2008 verständigen konnten: So soll bis zum Jahr 2020 der Ausstoß von Kohlendioxid in Europa um insgesamt 20 Prozent sinken. Zugleich solle auch der Energieverbrauch um 20 Prozent reduziert werden, während der Anteil Erneuerbarer Energien am Energieverbrauch auf 20 Prozent steigen solle. "Mit diesem Kompromiss ist die Europäische Union beim Klimaschutz gut aufgestellt", fand der Sachverständige, dessen Vortrag die Grundlage für eine spannende Diskussion unter den weiteren Podiumsgästen bildete.
    Die Fachleute ließen keine Zweifel daran, dass der Spagat zwischen Klimaschutz und Wirtschaftswachstum zu meistern sei. So meinte zum Beispiel Dr. Michael Henze, Abteilungsleiter für Strukturpolitik, Mittelstand und Raumordnung aus dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium, dass die Wirtschaftskrise auch eine Chance für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen sei. Besonders die Entwicklung hocheffizienter Kraftwerkstechnologien, die Bemühungen zur sogenannten energetischen Gebäudesanierung oder auch Modellprojekte im Bereich der Elektromobilität würden in Nordrhein-Westfalen deutlich machen, dass Klimaschutz wirtschaftliches Wachstum fördere und neue Unternehmensfelder erschließe.

    Energiemix im Fokus

    Über Maßnahmen zum Klimaschutz diskutierten anschließend Abgeordnete aller vier Landtagsfraktionen. So sprach sich der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Christian Weisbrich für einen wirtschaftlichen Wettbewerb um Klimaschutzkonzepte aus. Die Politik müsse aufpassen, dass durch staatliche Vorgaben nicht Arbeitsplätze gefährdet würden. Für die SPD-Fraktion forderte der Abgeordnete André Stinka, gerade die mittelständischen Betriebe stärker für den Klimaschutz zu sensibilisieren, beispielsweise durch Schulungen. Ein möglichst vielfältiger Energiemix ist für Holger Ellerbrock (FDP) Voraussetzung für den Klimaschutz. Vor diesem Hintergrund sei die Nutzung von Atomstrom weiterhin unverzichtbar. Dagegen forderte Johannes Remmel (Grüne) einen stärkeren Ausbau der Erneuerbaren Energien. In diesem Bereich habe die schwarz-gelbe Landesregierung seit 2005 viele Chancen verpasst, so seine Kritik.
    Trotz dieser unterschiedlichen Positionen stimmten die Landespolitiker darin überein, dass nur eine Zusammenarbeit der Staaten in Europa positive Effekte auf den Klimawandel haben könne. Jedoch forderte Dr. Annette Loske, Referentin vom Verband der Industriellen Energie- und Klimawirtschaft, den Klimaschutz nicht allein auf die "Insel Europa" zu beschränken, sondern die globalen Zusammenhänge im Auge zu behalten. Schließlich müsse sich Europa im weltweiten Wettbewerb um Industriestandorte behaupten und dürfe seine industrielle Basis nicht gefährden. Eine weitere Herausforderung benannte Dr. Dietmar Lindenberger vom energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln. Mit Blick auf die Kosten für Unternehmen komme es darauf an, mit gleichem finanziellen Aufwand "mehr Klimaschutz herauszuholen". Umso mehr, so waren sich die Podiumsgäste einig, gelte für den Klimaschutz das Motto: "Gemeinsam statt einsam."
    Sebastian Wuwer

    Bildunterschriften:
    Die Experten auf dem Podium diskutierten angeregt über den Klimaschutz.
    Dr. Michael Henze aus dem Wirtschaftsministerium

    Systematik: 6150 Luft; 1620 Projekte der EG/EU

    ID: LI090816

  • Weniger Heizkosten, sichere Jobs, mehr Klimaschutz.
    Anhörung: Wie man Hausbesitzer zur Gebäudesanierung motiviert.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Ausschussbericht
    S. 13 in Ausgabe 8 - 09.09.2009

    23. Juni 2009 - Viele Häuser könnten mit weniger Energie auskommen, als sie derzeit verbrauchen. Dafür müsste man sie sanieren. Was die Mieterseite auf der Nebenkostenabrechnung freuen würde, kostet die Hausbesitzer viel Geld. Gleichzeitig würden mittelständische Handwerksunternehmen von den Sanierungsaufträgen profitieren. Weil nach Rechnung der Grünen 75 bis 95 Prozent der Gebäude in Nordrhein-Westfalen sanierungsbedürftig sind, könnten langfristig sichere Arbeitsplätze entstehen. Jährlich werden allerdings nur 0,6 bis 1 Prozent der sanierungsbedürftigen Häuser in NRW erneuert, sagen die Grünen und fordern ein 10-Jahres-Programm zur Gebäudesanierung mit stabilen Zinssätzen für Kredite (Drs. 14/8876), damit Hausbesitzer besser planen können. In einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie (Vorsitz: Franz-Josef Knieps, CDU) begrüßten Fachleute diese Idee.
    Viele Sachverständige thematisierten die fehlende Planungs- und Investitionssicherheit für Wohnungsunternehmen und private Hausbesitzer als ein großes Problem, da die Zinssätze für geförderte Kredite der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) innerhalb kurzer Zeit schwankten. "Energetische Gebäudesanierung ist für uns das Thema schlechthin", betonte Josef Zipfel vom Westdeutschen Handwerkskammertag e.V. die Relevanz der Förderung für die Beschäftigung im Handwerk. Thomas Harten von der Handwerkskammer Münster ergänzte, wichtig sei nicht nur die Finanzierung, sondern auch eine Sensibilisierung für das Thema. Er forderte zudem, Kommunen, Handwerk und KfW müssten gemeinsam auf die Eigentümer zugehen, um diesen die komplizierte Antragsstellung zu erleichtern.
    Die Frage, ob es denkbar sei, dass es zu einer "Überförderung" komme, verneinten die Sachverständigen. Eine verlässliche Förderung führe zu vielen Sanierungen und stärke das Handwerk und seine Beschäftigten. So komme von dem Staatsgeld über eine gute Beschäftigungssituation und über Steuern der Betriebe auch wieder Geld zurück zum Staat, argumentierte Klaus-Dieter Stallmann (Haus & Grund e.V.).
    Ein Problem sahen viele Sachverständige außerdem im Mietrecht, nach dem die Eigentümer die Kosten für Investitionen kaum an die Mietparteien weitergeben könnten. Da mit einer Änderung im Mietrecht durch den zuständigen Bundestag nicht zu rechnen sei, plädierte Falk Kivelp (Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, Landesverband NRW) ebenfalls für gleichbleibende Konditionen der KfW-Kredite, um konkret und zeitnah mehr Sanierungen zu erreichen. Planungssicherheit und Verlässlichkeit seien nicht möglich, wenn die Konditionen sich alle paar Wochen änderten.
    Werner Genter von der KfW Bankengruppe erklärte die Zinsschwankungen: Die KfW müsse der Kapitalmarktentwicklung folgen. Die Europäische Zentralbank habe eine Steuerungsfunktion, da könne die KfW nicht "auf Teufel komm raus" mit ihren eigenen Zinssätzen gegensteuern. Die Förderungsprogramme selbst seien schon seit vielen Jahren verlässlich und stetig. Zur Sicherheit trage außerdem bei, dass die KfW langfristige Festzinssätze anbiete, die für zehn, fünfzehn Jahre gälten.

    Planungssicherheit

    Die Verbraucherinnen und Verbraucher hätten erkannt, dass die Energiepreise mittelfristig steigen und dass es gelte, in Energieeffizienz zu investieren, so Dirk Mobers (EnergieAgentur. NRW) aus Verbrauchersicht. Wenn man ausrechne, was auf eine Energieberatung folge, komme man innerhalb eines Jahres auf eine durchschnittliche Investitionssumme von 8.000 bis 15.000 Euro pro Beratung. Die NRW-Verbraucherzentrale komme sogar auf einen entsprechenden Wert von durchschnittlich knapp 23.000 Euro für die ausführliche Beratung, erklärte ihr Vorsitzender Klaus Müller. Auch weil es Zeit brauche, bis Hauseigentümer sich mit der schwierigen Materie und den zahlreichen Fördermöglichkeiten auseinandergesetzt und zur Sanierung entschlossen hätten, seien gleichbleibende Förderkonditionen hilfreich. Wovon man Menschen im Alter von 50 bis 65 Jahren häufig überzeugen könne, sei eine Sanierung, die sowohl auf Energieeinsparung als auch auf Barrierefreiheit, also einen längeren Verbleib im eigenen Heim, abziele. Eine stärkere Ansprache der Zielgruppe auf Messen sei wichtig für die erste Orientierung, ersetze aber nicht die individuelle Beratung.
    Um konkret und kurzfristig die Bereitschaft von Eigentümern zur Gebäudesanierung zu erhöhen, sprachen sich die Sachverständigen mehrheitlich für zusätzliche finanzielle Anreize und direkte Zuschüsse, zum Beispiel für eine Energiesparprämie, sowie für verbilligte Kredite und niedrigere Zinsen aus. Denkbar seien aber auch Steuervorteile wie Abschreibungsmöglichkeiten der Sanierungsmaßnahmen über zehn Jahre. Außerdem gelte es, Beratungsangebote und Transparenz auszubauen.
    sow

    Systematik: 6150 Luft; 6100 Umwelt; 2830 Wohnungswesen

    ID: LI090817

  • Straßenlaternen und vieles mehr.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 7 - 24.06.2009

    Sie regeln vieles, was uns im täglichen Leben umgibt. Angefangen von der Versorgung in den eigenen vier Wänden - Stichworte: Gas, Wasser, Strom oder Müllabfuhr - wie auch außerhalb - Stichworte: Straßen, Rad- und Gehwege -, überall haben die Städte und Gemeinden die sogenannte öffentliche Daseinsvorsorge sicherzustellen. Aber auch, wann die Straßenbeleuchtung brennt, bis wie viel Uhr man grillen oder den Nachbar mit Musik beschallen darf, was die Bauordnung zum geplanten Anbau sagt oder wie es mit der Haltung von gefiederten oder vierbeinigen Mitbewohnern aussieht, liegt mit in der Regelungskompetenz der kommunalen Ebene. Und nicht zuletzt die Frage, welche Abgaben man für welche Leistung zu zahlen hat.
    Die Regelung und Verwaltung kommunalen Lebens berührt uns unmittelbar. Nicht nur der Rückblick in die Geschichte - immerhin hat sich aus der griechischen Polis der Grundgedanke der Demokratie entwickelt -, auch aus den heute von ihnen erwarteten Leistungen ergibt sich, dass man Städte und Gemeinden als Grundlage des demokratischen Staatsaufbaus bezeichnet. Immerhin schreibt Paragraph 8 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalens vor: "Die Gemeinden schaffen innerhalb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen." Um das sicherstellen zu können, sind sie ja auf ihrem Gebiet auch die eigenverantwortlichen Träger der öffentlichen Verwaltung (für die Kreise gelten diese Regelungen entsprechend).
    Es gibt also viele Gründe, weshalb man sich dafür interessieren sollte, was in der eigenen Gemeinde, im eigenen Kreis wie geregelt ist. Die Gemeindeordnung gibt hierzu vielfältige Möglichkeiten, ausgehend von dem Grundsatz: "Die Verwaltung der Gemeinde wird ausschließlich durch den Willen der Bürgerschaft bestimmt." (§40) In der Regel ist der Rat der Gemeinde (bzw. der Kreistag) für die Angelegenheiten der Gemeinde (bzw. des Kreises) zuständig; Haushaltsfragen und die Grundsätze, nach denen die Verwaltung geführt werden soll, kann er nicht auf andere Gremien übertragen. Und ganz wichtig: Seine Sitzungen sind öffentlich.
    Die Bürgerinnen und Bürger können und sollen sich also einbringen. Ihre Mitwirkung ist erwünscht. Insbesondere, aber nicht nur, am Wahltag, wenn es gilt, das eigene Stadtparlament, den eigenen Kreistag neu zusammenzustellen. Eine hohe Wahlbeteiligung sichert eigenen Einfluss und stärkt die Bürgervertretung. Wählen können Sie am 30. August 2009. Für Urlauber: Auch Briefwahl ist möglich.
    cw

    ID: LI090706

  • Jede Stimme zählt.
    Nordrhein-Westfalen vor den Kommunalwahlen und nach der Europawahl.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 7 - 24.06.2009

    Juni 2009 - "Das Volk bekundet seinen Willen durch Wahl, Volksbegehren und Volksentscheid." So steht es in Artikel 2 der NRW-Landesverfassung. Gleich dreimal können die Wählerinnen und Wähler im "Super-Wahljahr 2009" zur Urne schreiten und mit ihren Stimmen die Politik von morgen bestimmen. Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai und vor der Bundestagswahl Ende September stehen am 30. August 2009 die Kommunalwahlen bevor. Die politischen Akteure in den Kommunen und auch auf Landesebene können gespannt sein, wie sich die Wählerinnen und Wähler entscheiden werden.
    In 23 kreisfreien Städten, in 373 kreisangehörigen Gemeinden sowie in 31 Kreisen werden am 30. August die Mitglieder der kommunalen Vertretungen auf die nächsten fünf Jahre gewählt. Zugleich finden - bis auf wenige Ausnahmen - fast landesweit die Direktwahlen der (Ober-) Bürgermeisterinnen und (Ober-) Bürgermeister sowie der Landrätinnen und Landräte statt. Nachdem der Landtag Nordrhein-Westfalen im Herbst 2007 die Gemeindeordnung geändert hat, werden die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie die Landrätinnen und Landräte nun nicht mehr auf fünf, sondern auf sechs Jahre in ihr Amt gewählt. In den Gemeinderäten, in den Kreistagen und Bezirksvertretungen spiegeln die politischen Akteure den Willen der Wählerinnen und Wähler wider. Umso entscheidender ist die Frage, wie viele der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen tatsächlich von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden.
    Bei den letzten Kommunalwahlen im Jahr 2004 lag die landesweite Wahlbeteiligung lediglich bei rund 54 Prozent. Sie war damit im historischen Vergleich seit dem Jahr 1946 so niedrig wie nie zuvor. Die Parteien und Wählergemeinschaften werden sich daher in den kommenden Wochen bemühen, Wählerinnen und Wähler für kommunalpolitische Themen zu mobilisieren - auch mit dem Ziel, durch eine möglichst hohe Wahlbeteiligung extremistischen Gruppierungen den Einzug in die Räte zu verwehren. Lange Zeit haben sich die Parteien auf Landesebene darum gestritten, wie sich der separate Wahltermin letztendlich auf das Interesse der Menschen an den Kommunalwahlen auswirken wird. Während die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen zwecks Steigerung der Wahlbeteiligung die Kommunalwahl mit der Bundestagswahl zusammenlegen wollten, sehen CDU und FDP die Bedeutung der Kommunalwahlen durch den separaten Termin gestärkt, da sich dann die Bürgerinnen und Bürger verstärkt mit kommunalen Themen beschäftigen würden. Nachdem der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof in Münster erst vor wenigen Wochen, Ende Mai, den 30. August als Wahltermin bestätigt hat, steht den Kandidatinnen und Kandidaten um kommunalpolitische Ämter ein kurzer, aber sicherlich nicht minder engagierter Wahlkampf bevor. Derzeit haben 88 Abgeordnete des Landtags ein Mandat auf Stadt- oder Kreisebene inne.
    Auch wenn in vielen Gemeinden die schwierige Haushaltslage nur wenige bis keine Spielräume für freiwillige Aufgaben lässt, gilt es, den Bürgerinnen und Bürgern dennoch zu vermitteln: Durch ihre Teilnahme an den Kommunalwahlen und durch ein kommunalpolitisches Engagement weit über den 30. August hinaus lassen sich vor Ort viele Dinge gemeinsam bewegen. Wie bei allen demokratischen Wahlen, so heißt es schließlich auch bei den Kommunalwahlen: Jede Stimme zählt.

    Rückblick auf die Europawahl 2009

    Über 13,3 Millionen Wahlberechtigte aus Nordrhein- Westfalen waren am 7. Juni 2009 aufgerufen, an der Wahl zum Europäischen Parlament teilzunehmen. Rund 5,6 Millionen Wählerinnen und Wähler machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Die Wahlbeteiligung von 41,8 Prozent lag damit nur geringfügig über der Beteiligung von 2004 (41,1 Prozent). Bezogen auf NRW kam die CDU auf 38 Prozent, die SPD auf 25,6 Prozent, die Grünen auf 12,5 Prozent und die FDP auf 12,3 Prozent der Stimmen. Die Linke erreichte 4,6 Prozent, und alle anderen Parteien lagen bei 1 Prozent der Stimmen oder darunter.
    18 Abgeordnete aus NRW werden dem Europäischen Parlament bis zur nächsten Europawahl im Jahr 2014 angehören. Insgesamt stellt Deutschland 99 von 736 Abgeordneten. Im Folgenden die vorläufigen amtlichen Ergebnisse.
    sw/cw

    Tabelle:
    CDU (Bund: 30,6%/NRW: 38,0%)
    Elmar Brok, Bielefeld
    Karl-Heinz Florenz, Neukirchen-Vluyn
    Dr. Renate Sommer, Herne
    Dr. Hans-Peter Liese, Meschede
    Klaus-Heiner Lehne, Düsseldorf
    Sabine Verheyen, Aachen
    Dr. Markus Pieper, Münster
    Axel Voß, Bonn
    Herbert Reul, Leichlingen

    SPD (Bund: 20,8%/NRW: 25,6%)
    Martin Schulz, Würselen
    Bernhard Rapkay, Dortmund
    Jutta Haug, Herten
    Jens Geier, Essen
    Petra Kammerevert, Düsseldorf
    Birgit Sippel, Arnsberg

    GRÜNE (Bund: 12,1%/NRW: 12,5%)
    Sven Giegold, Düsseldorf

    FDP (Bund: 11,0%/NRW: 12,3%)
    Alexander Graf Lambsdorff, Bonn
    Alexander Pickart-Alvaro, Düsseldorf

    DIE LINKE (Bund: 7,5%/NRW: 4,6%)
    Jürgen Klute, Herne

    Systematik: 1080 Wahlen; 1230 Kommunale Angelegenheiten

    ID: LI090703

  • Lux, Rainer (CDU); Körfges, Hans-Willi (SPD); Engel, Horst (FDP); Becker, Horst (Grüne)
    Einsatz für die eigene Stadt.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 7 - 24.06.2009

    Der Landtag macht zwar keine Kommunalpolitik, aber er bestimmt Rahmenbedingungen. Darin, dass die kommunale Ebene wichtig ist, stimmen alle vier im Landtag vertretenen Fraktionen überein. Wie die Städte und Gemeinden gestärkt werden können, darüber gehen allerdings die Meinungen auseinander. Klar ist aber: Eine Stadt, ein Kreis lebt auch von der aktiven Beteiligung der Menschen, die dort wohnen. Landtag Intern hat die kommunalpolitischen Sprecher von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag deshalb auch gefragt, wie sie es erreichen wollen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger mehr für die Politik in ihrer Stadt, Gemeinde oder in ihrem Kreis interessieren und engagieren.

    Wie lässt sich die kommunale Ebene in Nordrhein-Westfalen weiter stärken?

    Rainer Lux (CDU)
    Wir messen der kommunalen Ebene eine zentrale Bedeutung für erfolgreiche Politik zu. Wo möglich, sollen Probleme und Aufgaben vor Ort selbstbestimmt und selbstverantwortlich gelöst beziehungsweise bewältigt werden. Dies erfordert eine gesunde finanzielle Ausstattung der Kommunen. Mit rund 8 Milliarden Euro aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz erhalten die Kommunen in diesem Jahr soviel Geld vom Land wie noch nie zuvor. Davon sind rund 85 Prozent frei verfügbare Zuwendungen. Dies unterstreicht den hohen Stellenwert, den wir der kommunalen Selbstverwaltung einräumen. Wir werden die Kommunen wie bisher vorbildlich beim bedarfsgerechten Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung unterstützen. Bereits in 2008 haben wir das Betreuungsangebot für unter Dreijährige gegenüber 2005 auf 44.600 Plätze vervierfacht. Noch in diesem Jahr können wir mit 74.645 Betreuungsplätzen erstmals alle von den Kommunen gemeldeten Bedarfe erfüllen. Auch das erfolgreiche Zusammenwirken von Land und Kommunen beim Ausbau des Ganztagsangebots wird fortgesetzt. Unser Ziel ist es unter anderem, 205.000 Ganztagsplätze an Grundschulen anzubieten.

    Hans-Willi Körfges (SPD)
    Die Kommunen sorgen im Bereich Daseinsvorsorge für gute Lebensbedingungen für die Menschen in unserem Land. Dafür müssen sie mit ausreichenden Finanzen ausgestattet sein. Eine Bestandsgarantie und eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer sind notwendig. Trotzdem bleiben die Städte und Gemeinden auch in Zukunft auf das Land angewiesen. Die heutige Finanzausstattung ist für die ständig steigenden Aufgaben der Kommunen nicht ausreichend. Daher fordert die SPD seit Jahren eine Gemeindefinanzreform. Besonders die Städte, die es trotz jahrelanger Sparbemühungen aus eigener Kraft nicht mehr aus ihrer Haushaltsnotlage heraus schaffen, brauchen jetzt die Hilfe des Landes, um sich zu entschulden. Darüber hinaus müssen Änderungen an der Gemeindeordnung, die CDU und FDP in dieser Legislatur durchgedrückt haben, zurückgenommen werden. Einschränkungen im Gemeindewirtschaftsrecht gefährden die Handlungsfähigkeit der Kommunen. Auch die Veränderungen im Kommunalwahlrecht, wie die Abschaffung der Stichwahl und die Trennung der Ratswahl von der Wahl des (Ober-)Bürgermeisters und Landrats sind für die lokale Demokratie schädlich und müssen rückgängig gemacht werden.

    Horst Engel (FDP)
    Die kommunale Selbstverwaltung ist bereits mit unserer schwarz-gelben Reform der Gemeindeordnung gestärkt worden. Die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger vor Ort, die Rechte der Rats- und Kreistagsmitglieder und die Stellung der (Ober-) Bürgermeister bzw. Landräte sind verbessert worden. Die Regelungen für zwischengemeindliche Kooperationen und zur wirtschaftlichen Standortqualität wurden ausgeweitet. Mit der Verankerung der Generationengerechtigkeit in der Gemeindeordnung, die zu einem verantwortungsvollen Handeln gegenüber heranwachsenden Generationen führt, wird auch künftig die Freiheit des eigenständigen Handelns gewährleistet. Die Kommunen benötigen neben einem modernisierten kommunalen Finanzausgleichssystem dringend verlässliche Einnahmenquellen. Dazu muss der Bund eine wirkliche Gemeindefinanzreform angehen und nach liberalem Modell die konjunkturabhängige, unkalkulierbare Gewerbesteuer abschaffen und durch eine kommunaleigene Steuer in Form eines Hebesatzrechtes auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer, die dem Wettbewerb ausgesetzt ist, sowie eine Erhöhung des Gemeindeanteils auf 12 Prozent (bisher 2 Prozent) an der Umsatzsteuer ersetzt werden.

    Horst Becker (Grüne)
    In den Kommunen werden demokratische Teilhabe und freiwilliges Engagement unmittelbar gelebt und erfahren. Deshalb stehen wir Grüne für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, für mehr Bürgerbeteiligung und für starke Kommunen ein. Denn nur starke Kommunen sind in der Lage, für alle Bürgerinnen und Bürger Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge zur Verfügung zu stellen. Unabdingbare Voraussetzungen sind gesetzliche Strukturen für eine starke Selbstverwaltung und eine verlässliche Finanzierung. Genau das Gegenteil haben in den letzten Jahren jedoch die Änderungen der FDP-/CDU-Landesregierung an der Gemeindeordnung und dem Kommunalwahlrecht sowie der ungenierte Griff in die kommunalen Kassen bewirkt. Auch deshalb setzen wir Grüne uns für eine verlässliche und auskömmliche Finanzierung der Kommunen ein - zumal die Kommunen in NRW im Bundesvergleich besonders viele Aufgaben haben. Auch deswegen muss die auf FDP-Betreiben eingeführte und bundesweit einmalig restriktive Rechtslage zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen wieder rückgängig gemacht werden.

    Wie lassen sich kommunalpolitisches Interesse und Engagement der Bürgerinnen und Bürger ausbauen?

    Rainer Lux (CDU)
    Wir setzen uns dafür ein, dass politische Entscheidungen möglichst nah an den Bürgerinnen und Bürgern getroffen werden. Möglich ist dies durch bessere Information der kommunalen Akteure - Bürgermeister, Mandatsträger, Verwaltungen etc. - aber auch durch Netzwerke, in denen Kommunen ihre Erfahrungen austauschen können. Mit der in 2005 begonnenen Verwaltungsstrukturreform haben wir die Verwaltung schlanker, bürgerfreundlicher und leistungsstärker gemacht. 138 bislang selbstständige Behörden und Einrichtungen wurden aufgelöst. Überflüssige Bürokratie wurde abgebaut, um Wirtschaft und Bürger von überregulierenden Vorschriften zu befreien. Diese Maßnahmen haben zu erheblichen Einspareffekten geführt und ein positives Echo bei den Bürgerinnen und Bürgern ausgelöst.

    Hans-Willi Körfges (SPD)
    Der unmittelbare Kontakt zu den Menschen ist die wichtigste Voraussetzung für eine offene und transparente Kommunalpolitik. Bürgernähe setzt Teilnahme und Teilhabe voraus. Lokale Demokratie erschöpft sich nicht in formalen Beteiligungsrechten, sondern verlangt eine verbesserte Kommunikationskultur. Alle Einwohnerinnen und Einwohner sollten frühzeitig in politische Entscheidungen einbezogen werden. Gute Kommunalpolitik vermittelt zwischen verschiedenen Interessen und Bevölkerungsgruppen, um Zukunftsfragen gemeinsam vor Ort zu lösen. Kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger müssen in ihrer Funktion als Ansprechpartner in der örtlichen Gemeinschaft gestärkt werden. Aus diesem Grunde treten wir für die Verbesserung der Rahmenbedingungen des kommunalen Ehrenamtes ein. Die von uns eingebrachten Vorschläge werden zurzeit im Landtag diskutiert.

    Horst Engel (FDP)
    Moderne und transparente Kommunalverwaltungen gepaart mit einer gut funktionierenden Infrastruktur zur Grundversorgung bilden die Plattform des Engagements. Mit der Reform der Gemeindeordnung haben FDP und CDU die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger massiv gestärkt. So können die Bürger anstelle des Rates per Ratsbürgerentscheid über wichtige Angelegenheiten in der Kommune entscheiden. Kompakt arbeitende Räte im Zusammenspiel mit der Partizipation von Kindern, Senioren, Menschen mit Behinderungen sowie Migranten stellen für uns Liberale weitere geeignete Maßnahmen dar, die Bürger an den Entscheidungsprozessen vor Ort teilhaben zu lassen.

    Horst Becker (Grüne)
    Wir wollen Kumulieren und Panaschieren im Kommunalwahlrecht in NRW verankern, damit Wählerinnen und Wähler endlich auch in NRW mehr Einfluss auf die Zusammensetzung der Kommunalvertretungen bekommen. Wir wollen die Hürden für Bürgerbegehren und Bürgerentscheid durch gestaffelte Zustimmungsquoren senken und Bürgerbegehren in mehr Sachfragen zulassen. Wir wollen die Stichwahlen wieder einführen, damit Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landräte nicht von Minderheiten der Wählerschaft bestimmt werden. Lebendige Demokratie braucht engagierte Bürgerinnen und Bürger. Wir treten deshalb für verbesserte Regelungen zur Freistellung und Fortbildung ein, die es erleichtern, das kommunale Mandat mit den Pflichten von Beruf und Familie zu vereinbaren.

    Systematik: 1070 Politische Kräfte; 1230 Kommunale Angelegenheiten

    ID: LI090705

  • Grundgesetz und Landesverfassung.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 6 - 27.05.2009

    Die Wahl des Bundespräsidenten - immerhin unseres Staatsoberhaupts, ohne dessen Unterschrift keine Gesetz Gültigkeit erlangt - ist gerade mit einem schnellen Ergebnis zu Ende gegangen. Routine nach 60 Jahren Verfassungsgeschichte?
    Auch, aber nicht nur.
    Zum einen zeigt sich, wie sehr uns Deutschen der demokratische Akt der Wahl des deutschen Staatsoberhaupts in Fleisch und Blut übergegangen ist. Zum anderen bringt ein Ereignis, das diesmal mit der Bundespräsidentenwahl zusammengefallen ist - nämlich die Feier zum 60jährigen Bestehen des Grundgesetzes - hunderttausende von Menschen zu fröhlicher, friedlicher Begegnung auf die Straßen.
    Das Grundgesetz vom 23. Mai 1949 ist kein toter Text. Jeden Tag wird in Gesellschaft, Staat und Wirtschaft nach ihm gehandelt. Es ist - ungeachtet unserer individuellen religiösen oder politischen Überzeugungen - oberste Richtschnur unseres Zusammenlebens. Es ist uns selbstverständlich geworden, wir leben es. Darum lässt sich mit Fug und Recht sagen: Das Grundgesetz hat sich bewährt.
    Es hat uns geholfen, große Herausforderungen zu bewältigen. Es hat dazu beigetragen, die Wunden zu schließen, die der Nationalsozialismus den Deutschen und ihrem Ansehen in der Welt geschlagen hat. Wiederaufbau, Wohlstand und sozialer Ausgleich - ohne die Strukturen, die das Grundgesetz geschaffen hat, schwer denkbar. Das Grundgesetz war vor zehn Jahren der sichere Grund, auf den sich der Prozess der deutschen Einigung stützen konnte.
    Gleichgültig, ob man die Verfassung der Deutschen einen "Glücksfall" nennt (wie es der Kommentator einer großen deutschen Tageszeitung getan hat) oder wie Horst Köhler als "Leuchtfeuer der Freiheit" bezeichnet, wir können optimistisch sein, dass es genügend Kraft und Weisheit hat, um sich den großen kommenden Aufgaben mit Aussicht auf Erfolg zu stellen: Vollendung der deutschen Einheit, Bewältigung der weltweiten Finanzkrise und Fortschritte auf dem Weg nach Europa.
    Also Zuversicht und ein wenig nordrheinwestfälischer Stolz: Dem Parlamentarischen Rat saß der Kölner Konrad Adenauer vor. Schriftführerinnen waren Helene Weber aus Wuppertal und Helene Wessel aus Dortmund. Walter Menzel, NRW-Innenminister und zentrale Gestalt der Arbeiten an der Verfassung des Landes, brachte seine Sachkenntnis in die Verhandlungen ein. In einer entscheidenden Stunde der deutschen Geschichte galt somit schon früh das Wort "Bund und Land - Hand in Hand".
    Jürgen Knepper

    ID: LI090607

  • Fundament für Frieden und Freiheit.
    Rückblick: Der Landtag Nordrhein-Westfalen und das Grundgesetz.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 6 - 27.05.2009

    Mai 2009 - Vor 60 Jahren verfasste und verabschiedete der Parlamentarische Rat in Bonn das deutsche Grundgesetz. Im bereits 1946 neu gegründeten Land Nordrhein-Westfalen schufen sie die Grundlage für ein demokratisches Deutschland als friedlichen Teil der Völkerfamilie. Sie soll allen Bürgerinnen und Bürgern Kontrolle sichern über die Gesetze und Verfahren, die im Staat gelten - im Land, im Bund und auch als Teil des vereinten Europas.
    "Heute, am 23. Mai 1949, beginnt ein neuer Abschnitt in der wechselvollen Geschichte unseres Volkes: Heute wird nach der Unterzeichnung und Verkündung des Grundgesetzes die Bundesrepublik Deutschland in die Geschichte eintreten." Bei der Unterzeichnung des deutschen Grundgesetzes in Bonn brachte der Präsident des Parlamentarischen Rates und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer die Bedeutung des Verfassungstextes für ein friedliches Zusammenleben der Menschen auf den Punkt. Das 1946 von der britischen Militärregierung neu gegründete Nordrhein-Westfalen war an den Ausarbeitungen zum Grundgesetz maßgeblich beteiligt.
    So beschäftigte sich der Hauptausschuss des Landtags am 5. Juli 1948 erstmals mit der Frage einer verfassungsgebenden Versammlung. Er schlug eine gemeinsame Kommission aller Landtage vor, welche zunächst nur ein Verwaltungsstatut und ein Wahlrecht für das zukünftige gesamtdeutsche Parlament erarbeiten sollte. Schließlich einigten sich die Vertreter der westdeutschen Länder auf dem Verfassungskonvent von Herrenchiemsee im August 1948 auf den Kompromiss, ein von den Landesparlamenten zu verabschiedendes "Grundgesetz" erarbeiten zu lassen und hierfür einen Parlamentarischen Rat in Bonn einzusetzen.
    Der Landtag Nordrhein-Westfalen entsandte insgesamt 17 Vertreterinnen und Vertreter in das Gremium - je sechs aus den Reihen von CDU und SPD, je zwei von Zentrum und KPD und einen Vertreter von der FDP. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag NRW, Konrad Adenauer, wurde zum Vorsitzenden des Parlamentarischen Rates gewählt. Zudem kamen drei der vier "Mütter" des Grundgesetzes aus Nordrhein-Westfalen: Helene Weber (CDU), Helene Wessel (Zentrum) und Friederike Nadig (SPD). Nach über achtmonatiger Beratung konnte der Rat am 8. Mai 1949 das Grundgesetz verabschieden. Am 20. Mai stimmte der Landtag Nordrhein-Westfalen nach einer siebenstündigen Sondersitzung (Plenarprotokoll 1/95) über den Verfassungsentwurf ab. Dabei stimmten 157 Abgeordnete von CDU, SPD und FDP für das Grundgesetz, 38 Abgeordnete von Zentrum und KPD sprachen sich dagegen aus. Die notwendige Mehrheit war erreicht, so dass auch NRWMinisterpräsident Karl Arnold am 23. Mai 1949 das Grundgesetz unterschreiben konnte.

    Demokratie im vereinten Europa

    Auch 60 Jahre später garantiert das Grundgesetz jedem Bürger, jeder Bürgerin im mittlerweile vereinigten Deutschland demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten in einer repräsentativen Demokratie - auch im Zuge einer sich fortentwickelnden Zusammenarbeit der Staaten innerhalb der Europäischen Union.
    Denn auch wenn heutzutage immer mehr Regelungen ihren Ursprung in Brüsseler Entscheidungen haben, büßt das Grundgesetz nichts von seiner Bedeutung für demokratische Teilhabe ein, sondern fordert: "Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet" (Artikel 23 GG).
    Auch der europäische Einigungsprozess konnte nicht über den Weg einer Volksbewegung - und damit von Anfang an mit starken demokratischen Elementen - beschritten werden, sondern er versuchte, die Wunden von Krieg und Vertreibung durch wirtschaftlichen Handel und kulturellen Austausch zu heilen. Die Weiterentwicklung der EU - die Sicherung des Friedens auf einem durch Kriege geprägten Kontinent - führte jedoch auch zu einer immer stärkeren Rolle des Europäischen Parlaments.
    Heute hat sich das Europäische Parlament in wesentlichen Bereichen - so im EU-Haushalt - Mitentscheidungsrechte erstritten. Der geplante Reformvertrag von Lissabon soll seine Position weiter ausbauen und es quasi gleichberechtigt neben die Verwaltungseinrichtung "Europäische Kommission" und die Vertretung der europäischen Mitgliedstaaten - dem Rat - setzen. Seine besondere Legitimität als einzige direkt vom Volk gewählte EU-Einrichtung kann das Parlament dann ausspielen, wenn ihm eine hohe Wahlbeteiligung die notwendige Autorität und demokratische Macht verschafft.
    sw, cw

    Zusatzinformation:
    Am 30. April 2009 wurde im Landtag NRW das Buch "Wahlen in Nordrhein-Westfalen" vorgestellt, das über Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen informiert. Es entstand in Zusammenarbeit zwischen Professor Dr. Karl-Rudolf Korte, dem Wochenschauverlag und der Landeszentrale für politische Bildung NRW. Dort ist es auch erhältlich (Tel.: 0211 8618-4618; Fax 0211 8618-4619 E-Mail: lesen@politische-Bildung.nrw.de; www.politischebildung. nrw.de).

    Systematik: 1010 Staatsaufbau

    ID: LI090603

  • Dinther, Regina van (Landtagspräsidentin); Moron, Edgar (Landtagsvizepräsident); Freimuth, Angela (Landtagsvizepräsidentin); Keymis, Oliver (Landtagsvizepräsident)
    60 Jahre Grundgesetz.
    Statements von den Mitgliedern des Landtagspräsidiums.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 6 - 27.05.2009

    Regina van Dinther (CDU), Präsidentin des Landtags NRW
    Unser Grundgesetz wird 60 Jahre alt - ein guter Anlass inne zu halten und uns auf unsere Wurzeln zu besinnen. Aus meiner Sicht ist das Grundgesetz, das am 8. Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat gebilligt und von den Parlamenten der westlichen Besatzungszonen angenommen wurde, ein andauernder Erfolg. Die aus ihm erfolgende Gründung der Bundesrepublik am 23. Mai 1949 bedeutete den Beginn einer Erfolgsgeschichte. Die Werte, die im Grundgesetz zum Ausdruck gebracht wurden, gelten damals wie heute und sind inzwischen ein "Exportschlager". Nicht zuletzt deshalb ist das zunächst als Provisorium gedachte Grundgesetz schließlich zur Verfassung des wiedervereinten Deutschlands geworden.
    Was hat uns das Grundgesetz ermöglicht? Nie zuvor in der Geschichte der Deutschen gab es eine solch lange Phase in Frieden, Freiheit und wachsendem Wohlstand. Wenngleich wir gerade in der momentanen Wirtschaftskrise eine große Bewährungsprobe auch für Staat und Gesellschaft zu bestehen haben, wünscht sich sicherlich niemand die damaligen Rahmenbedingungen, die die Menschen im Nachkriegsdeutschland und natürlich auch die Mitglieder des Parlamentarischen Rats vorfanden, wieder zurück. Denn vier Jahre nach Kriegsende waren damals noch in vielen Städten und Dörfern die verheerenden Spuren des Weltkriegs unübersehbar. Schlimmer als dies waren die Wunden, die die Verbrechen der Nazi-Barbarei bei den Menschen hinterlassen haben.
    Umso bemerkenswerter, dass in dieser Zeit, Ende der 40er-Jahre, der Parlamentarische Rat dieses zukunftsfeste Fundament für die neue Demokratie, für eine auf Frieden nach innen und außen ausgerichtete Gesellschaft in Deutschland legen konnte. Für mich ist dabei der erste Artikel des Grundgesetzes der Schlüssel für die dann folgende Grundordnung unseres Gemeinwesens: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Mit diesem Grundwert ließ und lässt sich die Zukunft gestalten.
    Ich freue mich außerordentlich, dass dem 60-jährigen Jubiläum unseres Grundgesetzes und der Gründung der Bundesrepublik eine große Aufmerksamkeit zuteil wird. Denn dieses Jubiläum ist zugleich Ansporn und Auftrag, unsere Gesellschaft im Sinne der Werte des Grundgesetzes zu gestalten. Dieser Auftrag richtet sich an uns alle. Dann werden wir auch die jeweiligen Herausforderungen und Krisen meistern können.

    Edgar Moron (SPD), 1. Vizepräsident des Landtags NRW
    Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist eine einzigartige Verfassung. Es ist eine Antwort auf die Erfahrungen mit der Weimarer Reichsverfassung sowie auf den faschistischen Terrorstaat des Dritten Reiches. Am Beginn des Grundgesetzes steht ein unabänderlicher Grundrechtekatalog, dessen Freiheits- und Gleichheitsrechte sogar vor einer verfassungsändernden Mehrheit geschützt sind. Wir Deutsche können stolz auf unser als Provisorium gedachtes Grundgesetz sein, auch wenn viele Erwartungen an eine sozialere und gerechtere Gesellschaft nicht in Erfüllung gegangen sind.
    Durch das Erreichen der Deutschen Einheit hatten wir die einmalige historische Chance, eine Verfassung zu erarbeiten, in der sich die Menschen aus ganz Deutschland hätten wiederfinden können. Diese Chance wurde vertan.
    Während das Grundgesetz im Laufe der sechs Jahrzehnte seiner Existenz durch zahlreiche Änderungen fortentwickelt wurde, sind so wichtige Grundgesetzartikel wie zum Beispiel Artikel 14 und Artikel 20 in der politischen Wirklichkeit zu wenig beachtet worden. "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen" und "Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat" - diese richtigen Forderungen konnten eine unsoziale Vermögensverteilung, die zum sozialen Sprengstoff für unser Land werden kann, nicht verhindern. Und trotz des in Artikel 3 festgeschriebenen Grundsatzes "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" müssen sich Frauen immer noch gegen Unterbezahlung und Diskriminierung zur Wehr setzen.
    Wenn in Artikel 1 wunderbar formuliert wird, "die Würde des Menschen ist unantastbar", dann sind damit nicht nur die Deutschen gemeint, sondern alle Menschen die im Geltungsbereich des Grundgesetzes leben. Wenn ich aber die vielen Menschen sehe, die als ausländische Mitbürger unter uns leben, dann frage ich mich, ob wir diesem Hauptsatz unserer Verfassung gerecht werden.
    Dies ist aber keine Kritik am Grundgesetz. Seine Aussagen, seine Forderungen an uns sind wunderbar klar und eindeutig. Aber was wir daraus gemacht haben, ist in vielen Fällen nicht optimal. Insofern ist das Grundgesetz für uns alle die geschriebene Aufforderung, jedem ein Leben in Menschenwürde und Eigenverantwortung zu ermöglichen. Hiervon sind wir leider noch weit entfernt.

    Angela Freimuth (FDP), Vizepräsidentin des Landtags NRW
    Zum 60. Geburtstag unseres Grundgesetzes dürfen wir mit Dank und Stolz auf eine Verfassung blicken, die auch international als Vorbild gilt. Unser Grundgesetz ist die Verfassung einer freiheitlichen, rechtsstaatlichen, pluralistischen und wehrhaften Demokratie. Es ist auch Antwort auf unsere Geschichte und beschreibt in Art. 1 "Die Würde des Menschen ist unantastbar." unser aller unabdingbare und höchste Verpflichtung.
    Unser Grundgesetz verlangt darüber hinaus Freiheit. Die Freiheit ist die Grundbedingung einer jeden demokratisch verfassten Gesellschaft, verwirklicht durch das Bekenntnis zu den Menschen- und Bürgerrechten. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf informationelle Selbstbestimmung und Privatheit, das Recht auf Meinungsfreiheit, Religions-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, Forschungsfreiheit sind unabdingbare Grundrechte, die wir gerade aufgrund der zwei totalitären Diktaturen auf deutschem Boden im 20. Jahrhundert nicht hoch genug achten können. Die Freiheit des Einzelnen wird nur durch die Freiheit des anderen beschränkt werden, womit der Schutz der Minderheiten und ihre Rechte dem Gebot der Toleranz unterworfen werden. Die Gleichheit vor dem Gesetz unabhängig von Geschlecht, Religion, Rasse, Abstammung oder Sprache etc. und die Unabhängigkeit der Justiz sind ein weiterer Grundpfeiler unseres Grundgesetzes.
    Und wenn ich gerade die Unabhängigkeit der Justiz erwähnt habe, ist für mich die Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative eine von den Müttern und Vätern klug und weise angelegte Verteidigung gegen Angriffe totalitärer Ideologien. Verstärkt wird dieses auch noch durch die Festlegung auf einen föderalen Staatsaufbau.
    Unser Grundgesetz und unsere freiheitliche Demokratie sind bei weitem keine Selbstverständlichkeit, sondern müssen von uns Bürgern bejaht und jeden Tag gelebt werden. Unser Grundgesetz bekennt sich ausdrücklich zu einer "wehrhaften" Demokratie und damit zu einem demokratischen Staatssystem, das sich jedenfalls all denen verweigert, die ihrerseits nicht bereit sind, sich demokratisch zu verhalten und die Freiheit und Gleichheit aller Bürger anzuerkennen.
    Als Vertreter des Souveräns ("Alle Macht geht vom Volke aus") müssen wir die Bedeutung der Freiheit und Demokratie immer wieder herausarbeiten und sie vorbildlich verteidigen.

    Oliver Keymis (Grüne), Vizepräsident des Landtags NRW
    Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist das Fundament der Demokratie in unserem Land. Das Besondere daran ist, dass es lesbar und verständlich ist für jede Frau und jeden Mann. Deshalb auch bildet es den "Grund" aller Gesetze in unserem Land. Die allerdings sind leider oft kaum gut lesbar, geschweige denn verständlich.
    In den letzten Jahren gab es immer häufiger Gründe dafür, unser Grundgesetz vor Änderungen zu schützen. Wir leben in einer wehrhaften Demokratie. Aber gerade in der enorm komplizierten Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit bewahrt uns das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe seit Jahren und jeweils dank der mutigen Klägerinnen und Kläger immer wieder sehr verlässlich davor, dass politische Änderungsinitiativen, die vorgeblich für mehr Sicherheit, aber nachweislich für weniger Freiheit sorgen würden, im Grundgesetz ihren Niederschlag finden.
    Hier ist die Politik gefordert, jetzt und in Zukunft verstärkt selbst darauf zu achten, was verfassungskonform, was im Einklang mit Text und Geist unserer Grundordnung ist. Das Besondere des Grundgesetzes ist eben auch, dass es nicht beliebig veränderbar ist. So wurden, mit Blick auf die Lehren aus unserer Geschichte, schon von den Gründervätern und -müttern zum Beispiel die Grundrechte besonders geschützt. Sie gelten, auch im Übergang vom analogen ins digitale Zeitalter, weil die dort festgeschriebenen Grundsätze universale Gültigkeit haben. Menschenrechte gelten überall. Dass es Anpassungen geben kann und sollte, welche die freiheitliche Demokratie stabilisieren, im Sinne einer stärkeren Beteiligung des Volkes an bestimmten Entscheidungsprozessen, im Sinne auch eines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung im Computerzeitalter, all das ficht das Grundgesetz nicht an. Und auch hier gibt ja das Bundesverfassungsgericht immer wieder entscheidende Hinweise.
    Gleiches gilt überdies auch für die Bundesrepublik Deutschland als Teil der Europäischen Union (auf deren Beschlüssen ja mittlerweile ein Teil unserer Gesetzgebung fußt) sowie als Mitglied der internationalen Völkerfamilie. Aber vor allem gilt es, das Grundgesetz zu achten und zu wahren, denn die freiheitliche Demokratie ist sensibel. Und sensibel müssen auch wir sein und bleiben, wenn es um die Achtung und Umsetzung der Menschen- und Freiheitsrechte geht.

    Zusatzinformation:
    Die vollständigen Beiträge finden Sie im Internet unter www.landtag.nrw.de.

    Systematik: 1010 Staatsaufbau

    ID: LI090606

  • Der Weg ist das Ziel.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 5 - 06.05.2009

    Der 18. Juli 2010 - ein denkwürdiger Tag für das Ruhrgebiet. Anlässlich der Europäischen Kulturhauptstadt 2010 soll sich dann die Autobahn 40 auf rund 60 Kilometern Länge in eine Kunst- und Bürgermeile verwandeln. Kein einziges Auto soll dann jene Verkehrsschlagader befahren, auf der man sonst täglich über 100.000 Fahrzeuge zählen kann. Dieser Anblick der autoleeren A 40 dürfte einmalig bleiben, schließlich sagen Fachleute langfristig einen weiteren Anstieg des Verkehrsaufkommens nicht nur für das Ruhrgebiet voraus. Die Welt ist mobil, und alle virtuellen Datenautobahnen können die Tatsache nicht ersetzen, dass wir uns auch im wirklichen Leben von A nach B bewegen müssen. Dass dies möglichst reibungslos und ohne unnötige Kosten für Mensch und Umwelt geschehen sollte, ist eine der größten Herausforderungen für die Verkehrspolitik. Gerade im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen.
    Schon jetzt sind in NRW rund zwölf Millionen Kraftfahrzeuge registriert. Und schon jetzt stellt gerade der tägliche Berufsverkehr das Straßennetz wie auch die Nerven der Autofahrerinnen und Autofahrer auf große Belastungsproben. Wer mit dem Auto zur Arbeit fährt, kennt die täglichen Knotenpunkte und Staustellen allzu gut. Doch auch wer lieber den Öffentlichen Nahverkehr nutzt, sieht sich in Bussen und Bahnen zu Stoßzeiten mit erheblichem Andrang konfrontiert. Mit dem Ausbau von Straßen- und Schienennetzen suchen die politischen Akteure in Kommunen, Land und Bund wortwörtlich nach planerischen Auswegen für die Millionen Menschen, die täglich unterwegs sind.

    Mobilität in Metropolen

    Maßnahmen wie der geplante Rhein-Ruhr-Express zwischen Dortmund und Köln sollen auf der Schiene die bisherigen Strecken entlasten und zusätzliche Fahrgäste für den Zug gewinnen. Zugleich sollen Projekte wie der Ausbau des Kölner Autobahnrings das Staurisiko reduzieren. Besonders für die Ballungsräume in Nordrhein- Westfalen muss die Verkehrspolitik Antworten auf existenziell wichtige Fragen finden. Wollen beispielweise die Städte im Ruhrgebiet weiterhin zu einer Metropolregion zusammenwachsen, ist ein abgestimmtes Verkehrskonzept unabdingbar. Nordrhein-Westfalen wird im wahrsten Sinne des Wortes erst dann erfahrbar, wenn der Verkehrsfluss garantiert ist.
    Die Anforderungen an Mobilität lassen sich nicht zurückdrängen. Daher stellt sich der Landtag dem Thema. Und berät zum Beispiel mit Sachverständigen darüber, ob und inwieweit die finanzielle Förderung eines Sozialtickets für den Öffentlichen Nahverkehr sinnvoll ist. Der Themenschwerpunkt dieser Ausgabe zeigt: Für die Verkehrspolitik in Nordrhein-Westfalen ist der Weg das Ziel.
    sw

    ID: LI090506

  • Mobilität für wenig Geld.
    Sachverständige bewerten die Forderung nach einem Sozialticket.
    Ausschussbericht;
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 5 - 06.05.2009

    21. April 2009 - Dortmund hat es, Köln hat es, einige Kommunen planen es: ein Sozialticket für den Öffentlichen Nahverkehr, das einkommensschwache Menschen sehr günstig erwerben können. Die Kommunen, die ein solches Ticket anbieten, tragen die Kosten dafür selbst. SPD und Grüne sehen hingegen die Regierung in der Verantwortung, sie finanziere schließlich auch Schülermonatskarten und Semestertickets. Mobilität sei Voraussetzung für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. In einer gemeinsamen Anhörung der Ausschüsse für Bauen und Verkehr (Vorsitz Wolfgang Röken, SPD) und für Arbeit, Gesundheit und Soziales (Vorsitz Günter Garbrecht, SPD) unterstützten Sachverständige mehrheitlich die entsprechenden Anträge der Grünen (Drs. 14/7644) und der SPD (Drs. 14/7664), die die landesfinanzierte und möglichst flächendeckende Einführung eines Sozialtickets in NRW fordern.
    In einer schriftlichen Stellungnahme begrüßen die kommunalen Spitzenverbände NRW zwar grundsätzlich das Anliegen. Es dürfe aber nicht zulasten der kommunalen Haushalte gehen. Soziale Aufgaben seien zudem originär bundesgesetzlich zu regeln. Die Entscheidung für oder gegen ein Sozialticket solle nicht die Landesregierung treffen, sondern jede Kommune für sich.
    Immer mehr Menschen, sagte Stefan Pfeifer vom Deutschen Gewerkschaftsbund NRW, würden aus dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ausgeschlossen, weil sie sich die Fahrpreise nicht mehr leisten könnten. Der ÖPNV sei aber einer der Kernbereiche öffentlicher Daseinsfürsorge. Gegensteuern könne man in der Tat mit dem "Tabubruch" Sozialticket.
    Peter Bartow von der Stadt Dortmund berichtete aus der dortigen Praxis. Der Preis des Sozialtickets, das die Stadt Anfang letzten Jahres eingeführt hat, entspreche dem, was im Hartz-IV-Satz monatlich für Mobilität vorgesehen sei: 15 Euro. Die Bestellung von 23.000 Sozialtickets in Dortmund zeige, "wie dringend das Ticket gebraucht wurde" - etwa für Arztbesuche. Das Sozialticket, fügte Hubert Jung von der Dortmunder Stadtwerke AG hinzu, decke allerdings nur zu 65 Prozent die entstehenden Kosten. Raimund Breuker von der Westfälischen Verkehrsgesellschaft berichtete, für den Kreis Unna, der ebenfalls ein Sozialticket eingeführt hat, sei die wirkliche finanzielle Wirkung noch unklar. Die Verkaufszahlen seien höher gewesen als erwartet.
    In Köln, berichtete die städtische Dezernentin Marlies Bredehorst, stehe das Sozialticket nicht nur Menschen zu, die Sozialhilfe oder Hartz IV bezögen, sondern etwa auch Wohngeld oder ein sehr niedriges Einkommen. Dies dürfe bis zu zehn Prozent höher sein als die sozialen Transferleistungen.

    Praxisberichte

    Walter Reinarz sprach einerseits für die Kölner Verkehrsbetriebe, andererseits für den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der auch viele kleine Verkehrsunternehmen in ländlichen Regionen vertritt. So verwies er auf die großen Unterschiede, die es zwischen einer Großstadt wie Köln und ländlichen Kreisen hinsichtlich des Nahverkehrsangebots gebe. Auch die Kalkulation der Verkehrsunternehmen sei entsprechend verschieden. Nach Meinung des VDV sollte die öffentliche Hand ein Kontingent an Tickets mit Großkundenrabatt erwerben, an Bedürftige vergünstigt verkaufen und für die Differenz selbst aufkommen. "Wir haben ja heute schon fast Sozialtickets", bemerkte Dr. Wilhelm Schmidt-Freitag vom Verkehrsverbund Rhein-Sieg, denn die Ticketpreise deckten nicht mehr als 60 Prozent der tatsächlichen Kosten ab.
    Lothar Ebbers von Pro Bahn e. V. problematisierte die Situation in ärmeren Kommunen und eine dortige "Abwärtsspirale": Fahrgäste, die sich die Tickets nicht mehr leisten könnten, brächten Einnahmeausfälle, die die Verkehrsunternehmen zu Streckeneinsparungen oder Preiserhöhungen zwingen könnten. Dies träfe dann auch die Dauerkundinnen und -kunden.
    Kommunale, Landes- oder Bundeszuständigkeit? Solange sich sonst niemand bewege, müsse das Land tätig werden, fand Jürgen Eichel vom Verkehrsclub Deutschland (Landesverband NRW). Er konnte sich eine Deckelung der Kosten auf Landesseite vorstellen.
    Nachdrückliche Unterstützung für die Anträge von SPD und Grünen kam von Daniel Kreuz vom NRW-Landesverband des Sozialverbands Deutschland. Auch er plädierte dafür, Menschen schon mit Einkünften bis zum 1,2-fachen von Transferleistungen zum Erwerb von Sozialtickets zu berechtigen. Mit Blick auf die persönliche Freiheit und Menschenwürde, die jedem Menschen Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Mobilität zugestehe, fragte Robert Walter vom Sozialverband VdK NRW abschließend: "Können wir es uns leisten, auf ein Sozialticket zu verzichten?"
    sow

    Systematik: 2600 Verkehr; 5120 Sozialleistungen

    ID: LI090502

  • Sahnen, Heinz (CDU); Wißen, Bodo (SPD); Rasche, Christof (FDP); Becker, Horst (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal sind es die verkehrspolitischen Sprecher der Fraktionen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 5 - 06.05.2009

    Das aktuelle Angebot im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in den Städten und Gemeinden ist...

    Heinz Sahnen (CDU): ... eine attraktive Alternative zum Individualverkehr. Mancherorts gib es noch Spielräume für Verbesserungen von Angebot, Sauberkeit, Pünktlichkeit und Sicherheit. Mit der ÖPNV-Novelle ist ein angemessener ÖPNV langfristig finanziell und organisatorisch gesichert.
    Bodo Wißen (SPD): ... ungenügend. Der ländliche Raum wird durch die Kürzungen von schwarz-gelb abgehangen. Das Angebot im Ballungsraum Rhein-Ruhr ist vor allem zu Hauptverkehrszeiten mangelhaft. Der Grund: Rüttgers kürzt kalt lächelnd Gelder für den ÖPNV. Die Mobilität von Millionen Menschen ist ihm egal.
    Christof Rasche (FDP): ... mit erheblicher Unterstützung des Landes auf ein hochwertiges Niveau ausgebaut worden. Unser Ziel ist, den Nahverkehr durch mehr Wettbewerb auf Schiene und Straße weiter zu verbessern. Wir erwarten, dass die kommunalen Aufgabenträger die Gestaltungsmöglichkeiten des neuen ÖPNV-Gesetzes effektiv nutzen.
    Horst Becker (Grüne): ... nach den Kürzungen der ÖPNV-Mittel durch die CDU/SPD-Bundesregierung und die schwarz-gelbe Landesregierung von massiven Angebotsverschlechterungen bei gleichzeitigen Preiserhöhungen bedroht. Die Kürzungen summieren sich auf rund 600 Millionen Euro und diese Landesregierung tut nichts!

    Ein durch Landesmittel gefördertes Sozialticket halte ich für ...

    Heinz Sahnen (CDU): ... nicht bezahlbar vor dem Hintergrund der derzeitigen Haushalts- und Wirtschaftslage. Diesbezüglich liegt die Kompetenz nicht beim Land, sondern im Ermessen der Kommunen, die ihre finanziellen Spielräume ausloten müssen, wenn sie zusätzliche Verkehrsleistungen erbringen möchten.
    Bodo Wißen (SPD): ... dringend nötig. Deswegen hat die SPD-Fraktion einen entsprechenden Antrag eingebracht. Leider hat den die Rüttgers-CDU abgelehnt, obwohl sie für die Preissteigerungen von über 12 Prozent verantwortlich ist. Für uns ist Mobilität eine soziale Frage. Wir kämpfen weiter für ein Sozialticket.
    Christof Rasche (FDP): ... ein aus Sicht der Betroffenen nachvollziehbares Anliegen. Für die Vergabe von ermäßigten Fahrausweisen für einkommensschwache Bürger sind aber die Kommunen und die Aufgabenträger zuständig, die dies aus der vom Land bereitgestellten ÖPNV-Pauschale von jährlich 110 Millionen Euro finanzieren können.
    Horst Becker (Grüne): ... unverzichtbar, weil Busse und Bahnen zentrale Elemente öffentlicher Daseinsvorsorge sind. Durch Hartz IV und Altersarmut werden immer mehr Menschen von der Mobilität und der Gesellschaft durch steigende Fahrpreise ausgeschlossen. Das Sozialticket muss landesweit kommen, auch in den ärmeren Städten.

    Um dem wachsenden Verkehrsaufkommen, zum Beispiel auf den Straßen, gerecht zu werden, ist es notwendig, ...

    Heinz Sahnen (CDU): ... erforderliche Investitionen in den Ausbau und vor allen Dingen in den Erhalt unserer Straßen vorzunehmen. Verstärkt müssen wir auch auf die entlastende Wirkung anderer Verkehrsträger wie Bahn und Binnenschiff setzen - hieran arbeiten wir ausweislich des Masterplans Nordrhein-Westfalen.
    Bodo Wißen (SPD): ... so viel Güterfernverkehr auf die Wasserstraße und die Schiene zu verlagern wie möglich. Wir brauchen den "Eisernen Rhein" und den Ausbau der "Betuwe". Gestaffelte LKW-Maut-Gebühren nach Tageszeiten und Ortslagen sollten eingeführt werden. Alternativ zum Auto brauchen wir einen attraktiven ÖPNV.
    Christof Rasche (FDP): ... in den Erhalt und den Ausbau aller Verkehrsträger zu investieren. An erster Stelle stehen dabei Investitionen in das Straßennetz. Denn die Straße ist und bleibt das Rückgrat des NRW-Verkehrssystems. Die Schiene alleine wird die zunehmenden Verkehrsströme nicht bewältigen können.
    Horst Becker (Grüne): ... eine Offensive für eine klimagerechte Mobilität der Zukunft zu gestalten. Die Straßenvorrangpolitik der jetzigen Landesregierung führt jedoch in die Sackgasse. Wir brauchen nicht Kürzungen beim ÖPNV. In den Städten ist auch mehr Platz für den Rad- und Fußverkehr zu schaffen.

    Das Konzept der "integrierten Verkehrsplanung", der Abstimmung von Maßnahmen im Schienen- und Straßenverkehr, ist aus meiner Sicht ...

    Heinz Sahnen (CDU): ... für den notwendigen Ausbau der kombinierten Güterverkehre vor dem Hintergrund der Verkehrsprognosen eine wichtige Schablone für eine intelligente Verkehrsplanung gewesen, die wir in NRW verfolgen.
    Bodo Wißen (SPD): ... gut von der damaligen rot-grünen Landesregierung geplant und schlecht von der aktuellen schwarz-gelben Landesregierung umgesetzt worden. So wurden willkürlich bestimmte Maßnahmen z. B. im Schienenbereich herausgenommen und andere oft gegen den Willen vor Ort etwa beim Straßenbau durchgepeitscht.
    Christof Rasche (FDP): ... ein wichtiges Instrument, um die verschiedenen Verkehrsmittel und -träger optimal miteinander zu verknüpfen. Zugleich stellen objektive Bewertungsverfahren sicher, dass knappe öffentliche Mittel dort investiert werden, wo sie den größten Nutzen stiften. So ist eine Schienenvorrangpolitik ausgeschlossen.
    Horst Becker (Grüne): ... von den Grünen durchgesetzt, aber von dieser Landesregierung nicht verstanden worden. Wenn der Minister Planfeststellungen für den Straßenbau bejubelt, aber für 16 Schienenprojekte einen Ausbaustopp verhängt, dann ist das verkehrspolitische Ideologie, aber keine integrierte Verkehrsplanung.

    Das Ziel, die Straßen vom Pendlerverkehr zu entlasten, wird durch den geplanten Rhein-Ruhr-Express zwischen Dortmund und Köln ...

    Heinz Sahnen (CDU): ... Wirklichkeit. Der RRX wird neue Kapazitäten im Nahverkehr schaffen. Für die Ballungsräume an Rhein und Ruhr wird durch den hochwertigen und schnellen RRX eine spürbare Entlastung für den Straßenverkehr entstehen, insbesondere weil der RRX über weite Strecken auf einem eigenen Gleis fahren wird.
    Bodo Wißen (SPD): ... zielstrebig verfolgt. Unsere Vorsitzende Hannelore Kraft hat mit dem SPD-geführten Bundesverkehrsministerium dafür gesorgt, dass die Planungsgelder bereitgestellt werden. 1,4 Milliarden Euro wird der Bund in den nächsten Jahren in NRW für den RRX verbauen. Jetzt ist die Landesregierung am Zuge.
    Christof Rasche (FDP): ... in absehbarer Zeit erreicht. Nach unzähligen Absichtserklärungen der rot-grünen Vorgängerregierung gibt es endlich Planungssicherheit für dieses überragende Verkehrsprojekt des Landes. Europas größter Ballungsraum bekommt ein leistungsfähiges, schnelles Angebot für den Personenverkehr auf der Schiene.
    Horst Becker (Grüne): ... nur mit landesweit steigender Qualität im ÖPNV erreicht. Noch fehlt aber die komplette Bundesfinanzierung auf der Zeitachse und das Landeskonzept für die Betriebskosten. Der RRX kommt trotz großspuriger Ankündigungen leider nicht vor 2020, aber Streichungen im Fernverkehr und bei Haltepunkten erfolgen.

    Über den Ausbau von Schienen und Straßen hinaus muss die Verkehrspolitik in Nordrhein-Westfalen ...

    Heinz Sahnen (CDU): ... die ideologiefreie Kombination der Stärken aller Verkehrssysteme verfolgen. Das kennzeichnet eine ökologisch vertretbare und wirtschaftlich sinnvolle, an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Verkehrspolitik. Auf diesem Weg sind wir in NRW seit 2005 ein gutes Stück weit vorangekommen.
    Bodo Wißen (SPD): ... die Binnenhäfen fördern. Leider hat CDU-Rüttgers die NRW-Binnenhäfen geschwächt, indem er ihnen staatliche Aufgaben übertragen hat. Wie versprochen, muss die Landesregierung auch endlich das Luftverkehrskonzept fortschreiben. Anwohner, Beschäftigte und Kunden müssen wissen, wo die Reise hingeht.
    Christof Rasche (FDP): ... auch die Attraktivität und Leistungsfähigkeit der Flughäfen, Wasserstraßen und Binnenhäfen erhöhen. Dies ist für den Logistikstandort Nordrhein-Westfalen mit seinen internationalen Verflechtungen, für Arbeitsplätze und Wohlstand im Land von zentraler Bedeutung.
    Horst Becker (Grüne): ... gegen die absehbare Lkw-Lawine ein schlüssiges Konzept entwickeln. NRW als Transitland ist besonders betroffen und aus unseren Autobahnen drohen Parkplätze für Lkw zu werden. Wir brauchen keine Monster-Trucks, sondern eine kostendeckende Lkw-Maut. Güter gehören mehr auf die Schiene und das Binnenschiff.

    Der Umweltschutz ist in der nordrhein-westfälischen Verkehrspolitik ...

    Heinz Sahnen (CDU): ... soweit wie möglich berücksichtigt. NRW bekennt sich zum Klima- und Lärmschutz. Die Verkehre müssen hierzu ihren Beitrag leisten, durch effiziente Fahrzeugtechnologie und störungsfreie Verkehrsabläufe. Dafür sind die Voraussetzungen ständig weiter zu verbessern.
    Bodo Wißen (SPD): ... eine Kategorie, der unter rot-grün ein hoher Stellenwert eingeräumt wurde. Die Vereinbarkeit des zunehmenden Verkehrs mit den Interessen von Anwohnern an Flughäfen, Autobahnen und Eisenbahntrassen muss das Ziel auch dieser Landesregierung und des bereits zweiten CDU-Verkehrsministers werden.
    Christof Rasche (FDP): ... kein Gegensatz zum notwendigen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. FDP und CDU haben in den vier Jahren ihrer Regierungsverantwortung gezeigt, wie man die berechtigten Schutzbedürfnisse von Mensch und Natur mit den Mobilitätsbedürfnissen von Bürgern und Unternehmen in Einklang bringt.
    Horst Becker (Grüne): ... unter die Räder gekommen. Lärmschutzpolitik ist besonders beim Straßen- und beim Luftverkehr nicht feststellbar. Trotz einstimmiger Landtags-Beschlüsse wird das Passagier-Nachtflugverbot in Köln nicht umgesetzt. Auch der Umweltzonen-Flickenteppich im Ruhrgebiet ist Symbol des umweltpolitischen Versagens.

    Idee und Umsetzung: Sebastian Wuwer

    Systematik: 2600 Verkehr

    ID: LI090510

  • Geht’s ohne die EU?
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 4 - 01.04.2009

    Der europäische Binnenmarkt - was wurde nicht schon alles über ihn geschrieben. Die Lokomotive für den europäischen Einigungsprozess sei er, so die Befürworterinnen und Befürworter eines möglichst freien Handels. Er berücksichtige nicht in ausreichendem Maße soziale und ökologische Kriterien, entgegneten Unterstützer eher gesellschaftspolitischer Modelle.
    Nun aber, in Zeiten wirtschaftlicher Krise, stellt sich die Frage, ob man ohne den Binnenmarkt oder an ihm vorbei überhaupt eine Chance hat, das zu erreichen, was die Akteure in Politik und Wirtschaft anstreben, nämlich gestärkt aus dem aktuellen Abschwung hervorzugehen. Kann man glaubwürdig jahrelanges grenzüberschreitendes Wachstum, die Bildung immer größerer Konzerne verteidigen, um dann in der Rezession ausschließlich auf die Rettung der Arbeitsplätze im eigenen Land zu setzen? So einfach wird’s nicht werden, dafür sind die Unternehmen europaweit, ja global zu eng vernetzt.

    Das Thema der Stunde

    Was Not tut, ist nicht weniger, sondern mehr Europa. Das haben zum Beispiel die über 400 Jugendlichen beim Europäischen Jugendforum am 13. März 2009 im Düsseldorfer Landtag erkannt. Ein Europa, das jungen Menschen die Türen öffnet für grenzüberschreitende Bildung und Ausbildung. Ein Europa, das - gerade im grenznahen Bereich - immer stärker auch mittelständischen Unternehmen Handelsmöglichkeiten bietet und besonders für sie vorhandene bürokratische Hemmnisse abbaut. Ein Europa, das auch in der aktuellen Krise die langfristigen Ziele des Lissabon-Prozesses nicht vergisst und Impulse setzt im Kampf gegen den drohenden Klimawandel, für den Umweltschutz und für ressourcenschonende Technik. All dies sind Themen, bei denen nur Zusammenarbeit und Handel über die Grenzen hinweg neue Wachstumschancen eröffnen - in einem Binnenmarkt eben, wie verbesserungsfähig er auch sein mag.
    Der Landtag hat diese Herausforderung erkannt. Seit Jahren schon steht Europa im Fokus des Landesparlaments, sei es im wirtschaftlichen Bereich, sei es, wenn es darum geht, Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammenzubringen. Aktuell wurde dies deutlich, als sich Abgeordnete aller Fraktionen in der jüngsten Plenarsitzung für ein bürgernahes Europa, für die herausragende Bedeutung der europäischen Integration aussprachen.
    Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich diese Ausgabe im Schwerpunkt mit den Erwartungen der Landespolitiker an das europäische Konjunkturpaket, mit der Diskussion über neue Perspektiven der Zusammenarbeit im europäischen Raum. Es ist das Thema der Stunde.
    cw

    ID: LI090406

  • Gemeinsam gegen die Wirtschaftskrise.
    Europäische Maßnahmen müssen regional ausgerichtet sein.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 7 in Ausgabe 4 - 01.04.2009

    Wirtschaftskrise, crise économique, economic crisis - viele Sprachen, ein Phänomen: Die Turbulenzen auf dem Finanzmarkt, ausgehend von regionalen Hypothekenbanken in den USA, haben weltweit die Realwirtschaft erfasst. Unternehmen - kleine, mittelständische bis hin zu weltumspannenden Konzernen - sind allen guten Produkten und Absatzmöglichkeiten zum Trotz von Liquiditäts- und Kreditengpässen betroffen. Natürlich liegen jedem politisch Verantwortlichen, jeder nationalen Regierung zunächst die Sorgen ihrer Bürgerinnen und Bürger am Herzen. Vor diesem Hintergrund berichtet Landtag Intern über die entsprechende Stellungnahme im Europäischen Ausschuss der Regionen (Verfasser: Dietmar Brockes MdL, NRW) wie auch über Erwartungen aus den einzelnen Fraktionen im Düsseldorfer Landtag an das Europäische Konjunkturpaket.
    Die europäischen Institutionen - allen voran der Europäische Rat, aber auch die Europäische Kommission, das Europäische Parlament sowie der Europäische Ausschuss der Regionen und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss - erinnern unablässig an die veränderten Strukturen der Weltwirtschaft: Auf globalem Parcours hat Europa, haben die Europäischen Mitgliedstaaten, nur dann eine Chance, wenn ihre Maßnahmen und Strategien miteinander abgesprochen und aufeinander abgestimmt sind.
    Die Brüsseler Botschaft: Der europäische Binnenmarkt - begrenzt durch das Gebot, europäische und nationale Standards zu respektieren - darf durch einseitige Maßnahmen in gleich welchem Mitgliedsstaat nicht außer Kraft gesetzt werden. Ansonsten droht einer der wirkungsvollsten Antriebskräfte des europäischen Einigungsprozesses lahmgelegt zu werden.

    Ausrichtung auf Regionen

    Die Wirtschaftskrise als Bewährungsprobe für die Soziale Marktwirtschaft wie für die EU: So sieht es der Entwurf einer Stellungnahme im Ausschuss der Regionen mit dem Titel "Das Europäische Konjunkturprogramm und die Rolle der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften". Verfasst hat sie als dessen Berichterstatter Dietmar Brockes (FDP), der den Landtag Nordrhein-Westfalen in dieser europäischen Institution vertritt. Die zuständige Fachkommission hat am 19. Februar 2009 dem Text zugestimmt. Sie betont darin, dass die Mitgliedstaaten in dieser Krise "nicht in nationalistische und protektionistische Verhaltensweisen zurückfallen dürfen". Vielmehr müsse ein dezidiert europäischer Ansatz "einen gemeinsamen Handlungsrahmen für nationale Maßnahmen" bilden.
    Dem Titel gemäß hebt der Ausschuss aber insbesondere hervor, dass Konjunkturprogramme nicht einseitig auf die nationale Ebene ausgerichtet sein dürften, da "viele Vorhaben der öffentlichen, bürgernahen Infrastruktur" auf regionaler und lokaler Ebene erbracht würden. Zum Beispiel gebe es einen "Nachholbedarf an öffentlichen Investitionen" in den Bereichen Straßen, Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern, Breitbandverkabelung oder Energieeffizienz.
    Die Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur müssten also dem Grundsatz der Subsidiarität (wonach die jeweils bürgernächste staatliche Ebene Vorfahrt hat) folgen und sie müssten langfristig angelegt sein. Insbesondere mit Blick auf regionale und kommunale Verwaltungen werden im Entwurf "vereinfachte und flexible Modalitäten der Auftragvergabe" gefordert. Um eine schnelle Umsetzung der Wirtschaftsförderung zu erreichen sowie die Beteiligung auch finanzschwacher Städte, Gemeinden und Kreise sicherzustellen, soll über eine Vorauszahlung von EU-Fördermitteln, einen erleichterten Einsatz der Strukturfondsmittel sowie über eine Unterstützung seitens der Europäischen Kommission bei der Ko-Finanzierung nachgedacht werden.
    Der lokalen Ausrichtung auch europäischer Konjunkturmaßnahmen folgt die Betonung der besonderen Rolle kleiner und mittlerer Unternehmen.
    Damit die EU und ihre Mitgliedstaaten gestärkt aus der Krise hervorgehen, fordert die Fachkommission in dem verabschiedeten Entwurf, dass alle Maßnahmen nachhaltig und mit den Zielen der Lissabon-Strategie (die über wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU erhöhen soll) konform sein müssen. Notwendig sei allerdings auch eine "sachgerechte und wirkungsvolle" Neuregelung der Finanzwirtschaft.
    cw

    Bildunterschrift:
    Der Ausschuss der Regionen (AdR), im Bild sein Sitz in Brüssel, ist eine politische Versammlung, die die Interessen der Gemeinden, Städte und Regionen im Gefüge der Europäischen Union und bei der Konzipierung neuer EU-Vorschriften vertritt. Er ist an den Grundsätzen Subsidiarität, Bürgernähe und Partnerschaft ausgerichtet. Für den Landtag NRW sitzen Dietmar Brockes MdL (FDP) sowie für die Landesregierung Werner Jostmeier MdL (CDU) im AdR.

    Zusatzinformation:
    Die weitere Entwicklung der Konjunktur in Deutschland erörterten Mitglieder des Wirtschaftsausschusses unter Leitung des Vorsitzenden Franz-Josef Knieps (CDU) am 12. März 2009 mit dem Wirtschaftsausschuss des bayerischen Landtags. Einen Link zum Protokoll dieser Sitzung finden Sie auf der Seite des Ausschusses für Wirtschaft, Mittelstand und Energie unter www.landtag.nrw.de (Rubrik Parlament/Ausschüsse und Gremien).

    Systematik: 8400 Finanzmarkt; 1600 Europäische Gemeinschaften/Europäische Union; 2000 Wirtschaft

    ID: LI090402

  • Knieps, Franz-Josef (CDU); Eumann, Marc Jan (SPD); Engel, Horst (FDP); Priggen, Reiner (Grüne)
    EU muss Impulse für langfristiges Wachstum setzen.
    Welchen Beitrag erwarten Sie vom europäischen Konjunkturprogramm konkret für NRW? Abgeordnete nehmen Stellung.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 8-9 in Ausgabe 4 - 01.04.2009

    "Die EU-Staats- und Regierungschefs kamen überein, 5 Milliarden Euro ungenutzter EU-Mittel für die Modernisierung von Energie- und IT-Netzen zu verwenden. Die Hilfen für in Schwierigkeiten geratene Länder wurden aufgestockt und die Kreditlinie für Länder, die nicht dem Euroraum angehören, auf 50 Milliarden Euro angehoben.
    Außerdem versprachen die EU-Spitzen, den Internationalen Währungsfonds mit weiteren 75 Milliarden Euro für notleidende Staaten auszustatten.
    Zum Abschluss des zweitägigen Gipfels erklärten die Teilnehmer in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass bei der Umsetzung des im Dezember beschlossenen 200-Milliarden-Euro-Pakets zur Belebung der Wirtschaft "gute Fortschritte" erzielt worden seien. Sie seien zuversichtlich, dass es durch diese Maßnahmen - zu denen Steuersenkungen und Rettungspläne für Banken zählen - gelingen werde, die Wirtschaft zu beleben, auch wenn es seine Zeit brauche. Die EU stellt in einem Zeitraum von zwei Jahren bereits 400 Milliarden Euro - rund 3,3 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts - zur Bekämpfung der schwersten Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte bereit. Darin sind neben den Konjunkturbelebungsmaßnahmen auch höhere Sozialausgaben aufgrund wachsender Arbeitslosigkeit enthalten. Im Januar lag die Arbeitslosenrate in der EU bei 7,6 Prozent und hatte damit ihren Höchststand der letzten zwei Jahre erreicht.
    Zahlreiche Bedenken wurden laut, dass durch die freizügige Vergabe von Finanzhilfen Defizite angehäuft würden. Daher rieten die Staats- und Regierungschefs den EU-Ländern, so bald wie möglich zu einem Defizit zurückzukehren, das mit einem "tragfähigen öffentlichen Haushalt” vereinbar sei. Mit einem Haushaltsdefizit von über 3 Prozent ihres BIP verletzt eine Reihe von Ländern die gemeinsam festgelegten Vorschriften.
    Mit Blick auf den G-20-Gipfel am 2. April verabschiedeten die Staatsund Regierungschefs einen gemeinsamen Standpunkt, wie die Regulierung und Überwachung der Finanzmärkte verbessert werden kann."
    Aus einer Pressemitteilung der EU-Kommission vom 20. März 2009

    Franz-Josef Knieps (CDU)
    Allerorts werden Konjunkturprogramme aufgesetzt, umgesetzt, diskutiert, erweitert. Am wichtigsten ist es nach meiner Ansicht, dass die Effekte nicht nur Einzelaktionen sind, sie verpuffen oder nur ganz wenigen dienen!
    Die Europäische Union kann aufgrund der supranationalen Ebene Programme in sehr großen Dimensionen anstoßen. Hier sind vor allem der Ausbau der Breitbandnetze und die Modernisierungen im Energiesektor (Netze) zu nennen. Ich sehe am ehesten beim Ausbau von Breitbandnetzen im ländlichen Raum Ansatzpunkte, die zum Beispiel für diverse Handwerksunternehmen in Nordrhein-Westfalen von Nutzen sein werden. Und natürlich für die Menschen und Unternehmen im ländlichen Raum, die endlich flächendeckend schnelle Netzanschlüsse für das Internet erhalten müssen. Insgesamt erwarte ich hier jedoch keine übergroßen Summen. Die sehe ich eher bei den Mitteln aus dem Konjunkturpaket II der Bundesregierung. Diese werden von der NRW-Landesregierung zu über 80 Prozent an die Kommunen weitergegeben. Daher kann damit vor Ort entschieden werden, in welche Projekte das Geld fließt.
    Und durch die Erleichterungen, die wir zur Vergabeordnung beschlossen haben, können viele örtliche Betriebe unkompliziert von den Mitteln profitieren. Alleine meine Heimatstadt Köln erhält 100 Millionen Euro. Das ist für mich gelebte Subsidiarität. Die EU kann durch das Konjunkturprogramm übrigens auch einen Imagegewinn erzielen, wenn die Menschen merken, daß die EU auch schnell und mit klarem Effekt handeln kann. Das würde mich sehr freuen.

    Marc Jan Eumann (SPD)
    Für alle Initiativen des Bundes und der Europäischen Union (EU) gilt gleichermaßen: Die Konjunkturprogramme müssen die Wirtschaft stützen, Arbeitsplätze sichern, Energieeffizienz steigern und sich auch im Geldbeutel der Menschen positiv bemerkbar machen. Wichtig für NRW ist, dass die Beschäftigten das Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit nicht verlieren und dass unsere Unternehmen nach der Krise ihre globalen Marktanteile ausbauen können. Ein einfaches "weiter so" hätte unserem demokratischem System und unserer Wirtschaftsordnung erheblichen Schaden zugefügt.
    Wenn wir hohe Milliardenbeiträge bewegen und höhere Schulden in Kauf nehmen, müssen wir die Generationen im Blick haben, die das bezahlen müssen. Die Programme müssen daher den Boden für kräftigeres Wachstum, für höhere globale Marktanteile und damit stärkere Steuereinnahmen bereiten. Deshalb ist ein Großteil der Programme zu Recht für Infrastruktur- und Sanierungsmaßnahmen, für Bildung und Effizienzsteigerungen vorgesehen. Es ist auch sehr zu begrüßen, dass die EU Geld für den Ausbau des Breitbandnetzes in die Hand nimmt und die straffen Regulierungsbestimmungen lockert. Es ist jetzt wichtig, Zugänge zu den Netzen zu schaffen und zwar über die Ballungsräume hinaus.
    Der Dualismus von Vertrauensbildung und Zukunftsinvestitionen muss beibehalten und industrielle Kerne dürfen nicht aufgegeben werden. Das gilt auch für die Opel-Werke: Die Arbeitsplätze, die wir jetzt in der Krise verlieren, werden beim folgenden Aufschwung nicht wieder zurückkommen, sondern in Asien oder Südamerika entstehen. Daher brauchen wir einen Schutzschirm für unsere Industriearbeitsplätze.

    Horst Engel, (FDP)
    Ziel eines EU-Konjunkturprogramms muss es sein, alle Regionen in der Wirtschaftskrise zu stärken. Um einen Konjunkturimpuls zu setzen, der auch auf lokaler Ebene wirkt, bedarf es unbürokratischer, schneller Vergabeverfahren und langfristiger Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur.
    Das jüngste EU-Konjunkturprogramm in Höhe von 5 Milliarden Euro ist aus Sicht der FDP kein wirkungsvolles Mittel, um NRW in der Wirtschaftskrise zu stärken. Kurzfristige, allein auf die nationale Ebene ausgerichtete Maßnahmen aus Brüssel werden den 720.000 mittelständischen Betrieben in NRW nicht helfen. Die Koalition aus FDP und CDU in Düsseldorf gibt dagegen mit ihrem kommunalen Investitionsprogramm eine unbürokratische Antwort auf die Wirtschaftskrise.
    Noch vor Ostern können die Städte und Gemeinden Geld erhalten. Insgesamt stehen NRW 2,84 Milliarden Euro aus dem Konjunkturpaket II zur Verfügung. 464 Millionen Euro investiert das Land in den Hochschulbereich. 2,38 Milliarden Euro stellen FDP und CDU für nachhaltige kommunale Investitionen bereit. Die Kommunen verfügen damit über 1,385 Milliarden Euro für Investitionen in Kindergärten, Schulen und Fortbildungseinrichtungen. 995 Millionen Euro fließen in die kommunale Infrastruktur, davon 170 Millionen für Investitionen in Krankenhäuser. Jede Kommune in NRW, unabhängig von ihrer Finanzkraft, wird bei den Zuweisungen bedacht. Die Mittel werden pauschal zur Verfügung gestellt, damit vor Ort entschieden werden kann, in welche Maßnahme investiert wird.

    Reiner Priggen (Grüne)
    Das europäische Konjunkturprogramm ist ein Placebo, das falsche Anreize setzt und zusätzliche Bürokratie schafft.
    Es ist vorbehaltlos zu begrüßen, dass die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission ihren langen Streit über ein zusätzliches Konjunkturprogramm auf Gemeinschaftsebene beigelegt haben. Denn damit können sich die einzelnen Akteure wieder auf ihre nationalen Hausaufgaben konzentrieren - also auf eine schnelle und zielwirksame Umsetzung der jeweiligen nationalen Maßnahmenpakete. Und an diesen, nicht an dem jetzt in Brüssel beschlossenen Appendix wird sich entscheiden, ob und inwieweit die verheerenden und branchenübergreifend zu beobachtenden Nachfrageeinbrüche aufgefangen und so Arbeitsplätze gesichert werden können.
    Das EU-Programm kann allenfalls dazu beitragen, den Fokus einzelner Mitgliedsländer auf bestimmte Themenfelder - wie Energienetze oder Breitbandversorgung - zu richten. Nennenswerte Impulse jedoch lassen sich mit einem EU-weiten Volumen von 5 Milliarden EUR nicht auslösen. Geradezu fatal ist zudem, dass das Programm mit seiner Ausrichtung auf die CCS-Technologie (CO2-Abscheidung) auch inhaltlich völlig falsche Anreize setzt.
    Viel wichtiger als ein zusätzliches Konjunkturprogramm auf Gemeinschaftsebene ist es, dass die Mittel, die von der EU z. B. im Zuge der Strukturfondsförderung bereitgestellt werden, in den einzelnen Mitgliedstaaten schnell abfließen. Dies gilt insbesondere für NRW, wo es diesbezüglich nach wie vor hakt und Strukturfondsmittel eher zwischen Intermediären verschoben, als realiter verausgabt werden.

    Systematik: 1600 Europäische Gemeinschaften/Europäische Union; 1620 Projekte der EG/EU; 2000 Wirtschaft

    ID: LI090407

  • "Europa eine Seele geben".
    Die EU im Spiegel jüngster Debatten in Plenum und Ausschüssen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10 in Ausgabe 4 - 01.04.2009

    Die EU, ihre Möglichkeiten und Begrenzungen, Chancen und Hemmnisse sind für Nordrhein-Westfalen immer von großem Interesse. Kein Wunder, dass dieses Thema regelmäßig auf der Tagesordnung des Landtags steht - sei es im Plenum, sei es in den einzelnen Fachausschüssen.
    Der europäische Einigungsprozess soll vorangehen, die EU demokratischer, bürgernäher und transparenter werden. Das ist die gemeinsame Auffassung aller Fraktionen aus einer ersten Debatte über einen entsprechenden Antrag von CDU und FDP im Plenum am 18. März 2009. Wenn man bedenke, wie viele Grenzzäune abgebaut wurden, könne man die EU ruhig als weltgrößte "Bürokratieabbau-Organisation" bezeichnen, meinte dabei Werner Jostmeier (CDU). "Die EU ist ein Stabilitätsfaktor", ergänzte Dietmar Brockes (FDP); Nordrhein-Westfalen sei die europäische Drehscheibe für Wirtschaft, Handel, Verkehr und Begegnung. Markus Töns (SPD) erinnerte an die Sicherung des Friedens durch Europa sowie die Stärkung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger durch den geplanten Lissabonvertrag. Und laut Sylvia Löhrmann (Grüne) werden wir Herausforderungen wie die Klimakrise, Energiesicherheit, Weltfinanzkrise und soziale Gerechtigkeit "nur im europäischen, wenn nicht sogar weltweiten Kontext" lösen können.
    Dies der Hintergrund, vor dem in der Sitzung des Hauptausschusses am 26. März 2009 unter Leitung seines Vorsitzenden Werner Jostmeier (CDU) vereinbart wurde, aus dem CDU/FDP-Antrag einen parteiübergreifenden Antrag zu machen, der auch von der Opposition mitgetragen werden kann. Geplant ist, ihn - noch rechtzeitig vor der Europawahl - am 19. Mai 2009 zu beraten. Und zukunftsgerichtet könnte dann auch ein CDU/FDP-Antrag zu "neuen Perspektiven der Zusammenarbeit im europäischen Raum" auf der Tagesordnung stehen, kombiniert mit Berichten der Landesregierung zur europäischen und internationalen Zusammenarbeit.

    EU-Dienstleistungsrichtlinie

    Eines der wichtigsten Elemente des europäischen Einigungsprozesses ist der einheitliche Binnenmarkt, der Handel über die Grenzen hinweg ermöglichen soll. Ein solches Ziel setzt generell schon einen hohen Grad an Abstimmungen und vereinheitlichten Regelungen voraus. Im Dienstleistungsbereich umso mehr, als für die Arbeitskräfte in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Regelungen im Bereich der Entlohnung oder der sozialen Sicherheit gelten. Daher bedürfe gerade die Umsetzung dieser Richtlinie in bundesdeutsches bzw. Landesrecht einer gründlichen Vorbereitung. Aus diesem Grund lud der Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsreform unter Vorsitz seines stellvertretenden Vorsitzenden Josef Wilp (CDU) am 25. März 2009 zu einer öffentlichen Anhörung zu diesem Thema ein.
    Für die kommunalen Spitzenverbände NRW begrüßten Dr. Manfred Wichmann sowie Dr. Marco Kuhn die angestrebten Vereinfachungen von Wirtschaftsverwaltungsverfahren sowie den Abbau von bürokratischen Hindernissen.

    Einheitlicher Ansprechpartner

    Dies betreffe zum Beispiel die zu schaffende "einheitliche Stelle", die geplante "elektronische Abwicklung" wie auch die "Genehmigungsfiktion" (eine beantragte Genehmigung gilt unter bestimmten Voraussetzungen nach Ablauf einer festgelegten Frist als erteilt). Als "einheitliche Stelle" sollte allerdings die etablierte Ebene der Kreise und kreisfreien Städte fungieren; man habe jedoch die eigenen Mitglieder gebeten, Gespräche über entsprechende Kooperationen zu führen. Ob es am Ende zu der anvisierten Zahl von 18 einheitlichen Stellen komme, sei aber noch offen. Einen weiteren Kritikpunkt sah Kuhn in der vorgeschriebenen Anwendung des deutschen Signaturrechts, obwohl der Einsatz von "qualifizierten elektronischen Signaturen" wenig Verbreitung gefunden habe. Da die Dienstleistungsrichtlinie ja gerade auf grenzüberschreitende Zusammenarbeit abziele, sei es besser, ein einheitliches europäisches System anzustreben. Auf jeden Fall solle man mit den neuen Verfahrensregelungen erst einige Erfahrungen sammeln, bevor man sie auf andere Anwendungsbereiche ausdehne.
    Professor Dr. Jan Ziekow vom Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung sah aufgrund der unverzichtbaren Einheit des Verwaltungsrechts zwischen Bund und Ländern bei dem vorliegenden Entwurf zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie wenig Raum für Änderungen. Das vorliegende Gesetz sei aber auch eine Chance für die Weiterentwicklung der deutschen Rechtsordnung und Verwaltung generell. Dies gelte beispielsweise für die "Genehmigungsfiktion" wie die Verknüpfung mit der angestrebten behördeneinheitlichen Rufnummer 115.
    Die erhoffte Vereinfachung und Beschleunigung von Verwaltungsverfahren fand bei Dr. Jochen Grütters von der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern NRW großen Anklang. Allerdings wäre es wünschenswert gewesen, wenn bereits im Bundesrecht die "einheitliche Stelle" wie auch die "Genehmigungsfiktion" als Regelfall (und nicht erst nach fachgesetzlicher Anordnung) festgeschrieben worden wäre.
    cw

    Bildunterschrift:
    Europa - im Landtag NRW immer aktuell.

    Systematik: 1600 Europäische Gemeinschaften/Europäische Union

    ID: LI090408

  • Ein hohes Gut.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 3 - 18.03.2009

    Bildung - ein großer Begriff mit großer Bedeutung insbesondere für die Landespolitik. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die Abgeordneten aller vier Fraktionen im Landtag Nordrhein-Westfalen nicht über bildungspolitische Fragen debattieren und entscheiden - schließlich ist die Bildungspolitik eines der zentralen, föderal organisierten Aufgabenfelder der deutschen Landesparlamente. Und so standen und stehen auch in diesen Tagen wieder zahlreiche Anträge und öffentliche Anhörungen zur Bildungspolitik auf den Tagesordnungen der Fachausschüsse und im Plenum des Düsseldorfer Landtags.
    So fragen beispielsweise die Abgeordneten im Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie, wie die Rahmenbedingungen der universitären Lehre verbessert werden können und welche Effekte etwa die angekündigte Gründung von drei neuen Fachhochschulen auf die Hochschullandschaft mit sich bringt. Im Ausschuss für Schule und Weiterbildung äußern sich derweil Ende März Sachverständige aus Wissenschaft und Praxis zu der Frage, ob und wie die Lehrerausbildung in Nordrhein- Westfalen zugunsten der Unterrichtsqualität zu reformieren sei. Und bereits Mitte Februar hat der Landtag in einer Aktuellen Stunde im Plenum darüber diskutiert, wie die Finanzmittel aus dem Konjunkturpaket II den Hochschulen im "Bildungsland Nordrhein-Westfalen" bestmöglich zugute kommen können.

    Wachsender Wettbewerb

    Eines machen alle politischen Debatten deutlich: Die Bildungslandschaft in Nordrhein-Westfalen - von den Kindertagesstätten über die Ganztagsgrundschulen bis hin zu den Universitäten und weit darüber hinaus - ist einem rasant fortschreitenden Wandel ausgesetzt. Das Tempo unserer Tage erfordert eine permanente Anpassung von Wissensvermittlung und Bildungsinhalten. Nicht nur im Vergleich der Bundesländer, auch auf europäischer und internationaler Ebene müssen sich Schülerinnen und Schüler, müssen sich Auszubildende, Studierende wie auch Berufstätige einem wachsenden Wettbewerb in Sachen Bildung und Qualifizierung stellen. Neuen Herausforderungen blickt auch das Lehrpersonal entgegen: Es geht um die zukunftsfähige Weiterentwicklung von bestehenden Bildungsangeboten und Bildungseinrichtungen.
    Bereits im 19. Jahrhundert meinte Düsseldorfs berühmter Dichter Heinrich Heine: "Geld ist rund und rollt weg, aber Bildung bleibt." Gerade in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise wird erkennbar, worauf die Zukunft einer Gesellschaft tatsächlich beruht. Bildung ist ein hohes Gut, und zwar in allen Facetten.
    sw

    ID: LI090308

  • Allen Studierenden einen Studienplatz.
    Eilanträge zur Zulassungssituation an Hochschulen.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht;

    S. 8 in Ausgabe 3 - 18.03.2009

    12. Februar 2009 - Mit einem "Chaos" bei der Hochschulzulassung, so SPD und Grüne in Eilanträgen (Drs. 14/8575 und Drs. 14/8576), beschäftigte sich der Landtag im letzten Monat. Dabei ging es in erster Linie um die Frage, was aus der Institution der ehemaligen Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) werden solle. Allen Fraktionen war eine Beteiligung der Hochschulen am neuen Zulassungsverfahren wichtig.
    "Eine Tragödie" nannte Dr. Ruth Seidl (Grüne) das "jährliche Chaos bei der Hochschulzulassung" in NRW. Die Studierenden müssten einen "Hindernisparcours" bewältigen, weil die Regierung nicht in der Lage sei, ein geordnetes Nachrückverfahren auf die Beine zu stellen. Aus diesem Grund blieben jährlich Tausende von Studienplätzen unbesetzt. Seidl warf Minister Pinkwart vor, erstens kein vernünftiges Übergangsverfahren eingeleitet und zweitens nicht dafür gesorgt zu haben, dass sich alle Hochschulen am Zulassungsverfahren der ZVS beteiligen. Denn ohne diese Beteiligung werde man nie erreichen können, dass alle zur Verfügung stehenden Studienplätze auch tatsächlich besetzt würden, so Seidl.
    Ein Bundeszulassungsgesetz hielt Karl Schultheis (SPD) für den besten Weg, um ein verlässliches und effizientes Zulassungsverfahren für alle Beteiligten sicherzustellen. Sollte dies nicht möglich sein, müsse eben Nordrhein-Westfalen mit einer gesetzlichen Regelung vorangehen. Die Hochschulen forderte Schultheis auf, sich dann "ohne Wenn und Aber" zur Teilnahme an dem zentralen Bewerbungsmanagement zu beteiligen. Nur so könnten die Zahl der Studierenden erhöht und die vorhandenen Studienplätze voll ausgenutzt werden. Das "Einschreibechaos" passe nicht in eine moderne Hochschullandschaft und werde allein auf dem Rücken der vielen jungen studierwilligen Menschen ausgetragen, so Schultheis.
    "So, wie es bis jetzt läuft, ist es noch unbefriedigend", stellte Dr. Michael Brinkmeier (CDU) fest. Darin seien sich alle Fraktionen einig. Man müsse "danach streben, dass die Studienplätze optimal besetzt werden können, von der Anzahl her und natürlich auch vom zeitlichen Vergabeverfahren her". Es stimme aber nicht, dass in NRW zehn bis 15 Prozent der Plätze unbesetzt blieben. Diese Zahl liege "deutlich unter zehn Prozent" und konzentriere sich auf wenige Hochschulen. Daher sei das Problem "überschaubar". Das zentrale Problem sei "die Rolle der Hochschulen, was die Teilnahme am Vergabeverfahren betrifft". Dabei sei "das Prinzip der Freiwilligkeit wichtig", um die Akzeptanz zu erhöhen.
    Christian Lindner (FDP) betonte, dass die FDP die ZVS als "Behörde, die eine Kinderlandverschickung organisiert", abschaffen wolle - jedoch nicht ersatzlos. Stattdessen solle eine Institution geschaffen werden, die den Hochschulen Service biete, die aber auch Dienstleistungen für Studierende erbringe. Noch seien "technische Hürden" zu bewältigen, aber ab dem Wintersemester 2009/2010 werde es diese Service-Einrichtung geben. "Damit ist die ‚Kinderlandverschickung‘ beendet", so Lindner. Die Hochschulen hätten neue Rechte, sich ihre Studierenden auszusuchen, gleichzeitig werde den Studierenden geholfen, "den Studienplatz zu bekommen, den sie haben wollen und der zu ihnen passt".
    "Ihre Vorwürfe laufen absolut ins Leere", kommentierte Hochschulminister Prof. Andreas Pinkwart (FDP) die Eilanträge der Opposition. Die Unterstellung, 20 Prozent der Studienplätze in NRW würden nicht besetzt, treffe nicht zu. Es handle sich lediglich um sieben Prozent an Universitäten und um ein Prozent an Fachhochschulen. Dies liege häufig daran, dass manche Studierenden sich in letzter Minute anders entschieden. Das Hochschulzulassungsreformgesetz mit der Ratifizierung des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Stiftung für Hochschulzulassung sei bereits im November 2008 beschlossen worden. Bis Sommer 2009 werde die ZVS in eine Servicestelle für Hochschulzulassung umgewandelt.
    Saskia Gelleszun

    Systematik: 4300 Hochschulen

    ID: LI090303

  • 464 Millionen Euro für die Hochschulen.
    Geldsegen löst im Landtag Freude und offene Fragen aus.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 9 in Ausgabe 3 - 18.03.2009

    12. Februar 2009 - Erfreut nahmen Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen den zusätzlichen Geldsegen aus dem Konjunkturförderprogramm II für den Hochschulbereich zur Kenntnis. Die Regierungskoalition sah dies als "zusätzlichen Schub" für die von ihnen eingeleiteten Schritte. Die Opposition bewertete die Maßnahmen dagegen vor allem als eine notwendige Schließung von "Sanierungslücken"; außerdem komme der größere Anteil der 464 Millionen Euro gar nicht bei den Hochschulen an.
    "Seit 2005 geht es mit der NRW-Hochschullandschaft beständig bergauf!", zeigte Manfred Kuhmichel (CDU) sich mit den bisherigen Initiativen der Landespolitik hinsichtlich der Lehre und Forschung rundum zufrieden. Die Mittel aus dem Konjunkturpaket II des Bundes - vorgesehen sind 464 Millionen Euro für NRW - würden einen zusätzlichen Schub bringen. Im Einzelnen seien 200 Millionen Euro für Universitätskliniken, 120 Millionen Euro für Studentenwohnheime, 60 Millionen Euro für kleinere Baumaßnahmen an den Universitäten und Hochschulen und 80 Millionen Euro für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen vorgesehen. Damit erweise sich das Konjunkturpaket II nicht nur als "kommunal-, sondern auch als hochschulfreundlich". Gemeinsam mit den bereits beschlossenen Schritten, die bis 2020 insgesamt 8 Milliarden Euro Förderung vorsähen, werde dies den "Modernisierungsstau" auflösen.
    Auch Christian Lindner (FDP) begrüßte das Angebot des Bundes als Ergänzung dessen, was die Koalition bereits in einem "Kraftakt" für Universitäten und Hochschulen beschlossen habe. Der FDP-Politiker bemängelte allerdings nochmals, dass die Grundlage des Konjunkturförderpakets II nicht richtig gesetzt worden sei. Er hätte sich vielmehr verstärkte Impulse und Entlastungen über das Steuerrecht gewünscht. Außerdem hätten die zusätzlichen Mittel für den Hochschulbereich auch ein Ergebnis des "Bildungsgipfels" aus dem Jahr 2008 sein können. Dennoch, so Lindner, werde das, was jetzt an Möglichkeiten geboten werde, in Nordrhein-Westfalen "politisch sauber" umgesetzt. Die Mittel sollten insbesondere so verwandt werden, dass sie über eine "energetische Modernisierung" zu einer dauerhaften Senkung der Betriebskosten z. B. von Stundentenwohnungen führten, forderte er.
    "Bestens angelegt", so Dr. Anna Boos (SPD), sei jeder Euro, der in Bildung investiert werde. Er würde sich langfristig und nachhaltig rentieren. Sie begrüßte ebenfalls die geplanten Maßnahmen für die Universitäten, die Hochschulen und die Studierenden. Damit werde eine "Sanierungslücke" geschlossen, was ohne die Bundesmittel nicht möglich gewesen sei. In diesem Zusammenhang bewertete sie die aktuelle Initiative als weiteren Schritt zur "Aufweichung" des Prinzips, den Bund aus der Bildung herauszuhalten. Auf dessen Förderung bei der Kinderbetreuung sowie bei der Schulinfrastruktur folge jetzt eine Subventionierung der Hochschulinfrastruktur. Abschließend wollte die SPD-Sprecherin wissen, wie die Mittel innerhalb der einzelnen Hochschulen aufgeteilt und ob die Maßnahmen ohne Mehrkosten für die Betroffenen erfolgen würden.
    Eine falsche Verwendung der Mittel warf dagegen Dr. Ruth Seidl (Grüne) der Landesregierung vor. Von den 464 Millionen Euro gehe der Löwenanteil (200 Millionen) an die Universitätsklinika und dort unter anderem in die Grundinstandsetzung von OP- und Behandlungsbereichen. "Sie stopfen mit diesen Mitteln Löcher im Bereich der Krankenversorgung", kritisierte die Grüne. Zweitens seien die 120 Millionen Euro für Studentenwohnungen nur ein Ausgleich für die "drastische" Kürzung der Mittel für die Studentenwerke in den letzten Jahren. Nach den 80 Millionen Euro für außeruniversitäre Forschungsorganisationen stünden die Hochschulen - also der eigentliche Empfänger - mit 60 Millionen für "kleinere Baumaßnahmen" nur an vierter Stelle der Verteilungskette. Seidls Vorwurf an die Regierung: "Sie lassen die Studierenden buchstäblich im Regen sitzen." Wissenschaftsminister Prof. Andreas Pinkwart (FDP) freute sich dagegen zunächst einmal über die Aufmerksamkeit für Studierende sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im universitären Bereich. Zusätzlich zu den "riesigen Kraftanstrengungen" des Landes, die bis zum Jahr 2020 insgesamt 8 Millionen Euro für den Hochschulbereich und 1,3 Millionen Euro für Fachhochschulen vorsähen, stünden nunmehr noch 464 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Im Übrigen kämen auch davon 116 Millionen aus der Landeskasse. "Diese Landesregierung investiert in Forschung und Bildung", so der FDP-Politiker. Beim Bildungsgipfel im Sommer 2008 sei der SPD-Bundesfinanzminister offenbar noch nicht so weit gewesen, dieses Thema als Priorität für die Zukunftsgestaltung zu setzen.
    cw

    Systematik: 4300 Hochschulen; 2000 Wirtschaft

    ID: LI090304

  • Kaiser, Klaus (CDU); Schäfer, Ute (SPD); Pieper-von Heiden, Ingrid (FDP); Beer, Sigrid (Grüne)
    Schlag auf Schlag: "Landtag intern" macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal sind es die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 3 - 18.03.2009

    Im 21. Jahrhundert bedeutet Bildung ...

    Klaus Kaiser (CDU): ...die soziale Frage. Denn Bildung entscheidet über berufliche Perspektiven und Aufstiegschancen. Und in einer Welt zunehmender Unübersichtlichkeit ist eine Grund- und Wertebildung entscheidend, um sich in der Wissensgesellschaft zurechtzufinden, nicht zuletzt auch in unserer Demokratie.
    Ute Schäfer (SPD): ...die einzige Möglichkeit, Zukunftschancen zu sichern. Bildung und Wissen sind die Basis der sozialen Demokratie und damit elementare Bausteine für ein selbstbestimmtes Leben. Eine erfolgreiche Bildungspolitik ist heute die Grundlage für eine erfolgreiche Beschäftigungsund Sozialpolitik.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): ...die beste und wichtigste Investition in die Zukunft der Kinder. Bildung ist der Grundstein für individuellen Erfolg und ein ausgefülltes Leben. FDP und CDU haben trotz der desaströsen Finanzlage in NRW nahezu 7.000 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen und 1,4 Milliarden Euro in Schulbildung investiert.
    Sigrid Beer (Grüne): ...eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung, die kognitive, soziale und emotionale Fähigkeiten stärkt. Das eigene Leben, das Zusammenleben und die Demokratie nachhaltig gestalten, Probleme lösen können, Bereitschaft zur Verantwortung, das sind die Schlüsselkompetenzen, die zu einer Bildung für alle gehören.

    Soziale Herkunft ist im nordrhein-westfälischen Bildungssystem ...

    Klaus Kaiser (CDU): ...bisher noch zu stark maßgebend für den Bildungserfolg. Mehr Schülerorientierung und individuelle Förderung verbessern die Chancen für Kinder aus bildungsfernen Familien. Die Einheitsschule löst das Problem übrigens nicht, wenn 30 Prozent der Gesamtschüler ihre Schule mit dem Hauptschulabschluss verlassen.
    Ute Schäfer (SPD): ...leider auch im 21. Jahrhundert bestimmend für den persönlichen Bildungserfolg. Die Landesregierung verschärft mit ihrer Bildungspolitik die soziale Auslese. Die SPD tritt ein für eine solide Elementarbildung in den Kitas, längeres gemeinsames Lernen, den Bildungsganztag und Gebührenfreiheit für Bildung von der Kita bis zum Hochschulstudium.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): ...unter der rot-grünen Vorgängerregierung das entscheidende Merkmal für den Bildungserfolg gewesen. Mit dieser himmelschreienden sozialen Ungerechtigkeit von Rot-Grün machen wir seit 2005 Schluss. Alle Kinder müssen die besten Bildungschancen haben, unabhängig von ihrer Herkunft - dafür sorgen wir.
    Sigrid Beer (Grüne): ...in skandalöser Weise entscheidend für die Bildungschancen eines Kindes. Das wirkt sich vor allem beim Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen aus. Das Sortieren der Schüler/innen in die Schulformen des gegliederten Systems verstärkt die Benachteiligungen und die Chancenungleichheit.

    Die beruflichen Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer werden sich in den nächsten Jahren ...

    Klaus Kaiser (CDU): ...auch weiter verändern. Deshalb ist die neue Lehrerausbildung so wichtig, damit neue gesellschaftliche Herausforderungen wie die zunehmenden Integrationsaufgaben Eingang in die Ausbildung der Lehrer finden. Trotz neuer Möglichkeiten in der Fortbildung sind weitere passgenaue Angebote erforderlich.
    Ute Schäfer (SPD): ...weiter verändern. Wir brauchen eine gute Ausbildung, Qualifizierung und Fortbildung. Die Landesregierung hat wertvolle Zeit zur Überarbeitung der landeseigenen Tarifstruktur verstreichen lassen, den Mangelfacherlass ohne Not abgeschafft. Nun ist der bundesweite Wettbewerb um Lehrkräfte ein Standortnachteil für NRW.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): ...erheblich verändern. FDP und CDU haben beschlossen, die Lehrerausbildung grundlegend zu modernisieren. Die Lehrerausbildung wird praxisnäher und professioneller. Wir wollen die begabungsgerechte, individuelle Förderung jedes Kindes gewährleisten, dazu brauchen wir gut ausgebildete Lehrer.
    Sigrid Beer (Grüne): ...weiter darauf konzentrieren, dass die Lehrkräfte als Lernbegleiter/-innen und Experten/-innen für den Erwerb von Kompetenzen mit den Schüler/-innen zusammenarbeiten. Der Entwicklung der personalen und sozialen Kompetenzen muss neben dem Erwerb von Fachkompetenzen in der Ausbildung der Lehrkräfte ein größeres Gewicht verliehen werden.

    Der Bologna-Prozess stellt die Lehre an Schulen und Hochschulen vor die Herausforderung ...

    Klaus Kaiser (CDU): ...Schülern und Studierenden das notwendige Fachwissen konzentrierter und motivierender zu vermitteln. Das neue Schulgesetz und das Hochschulfreiheitsgesetz bilden die beste Voraussetzung, um dieses Ziel zu verwirklichen.
    Ute Schäfer (SPD): ...die Studiengänge in Nordrhein-Westfalen auf Bachelor- und Masterabschlüsse umzustellen und gleichzeitig die hohen Qualitätsstandards unserer Universitäten und Fachhochschulen zu sichern.
    Ingrid Pieper-von Heiden FDP) : ...den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zukünftig neben einem vertieften Fachwissen kompetenzorientierte Fertigkeiten zur Wissenserlangung und damit die Fähigkeiten zur eigenverantwortlichen Lebensund Berufsgestaltung zu vermitteln.
    Sigrid Beer (Grüne): ...den Studierenden noch genug Zeit und Raum zu lassen, auch über den Tellerrand des eng durchgetakteten BA/MA-Studiengangs hinaus andere wissenschaftliche Disziplinen wahrnehmen und reflektieren zu können. Hochschul(aus)bildung muss mehr sein, als das Abarbeiten von Credit Points.

    Im internationalen Wettbewerb um "kluge Köpfe" sind unsere Hochschulen ...

    Klaus Kaiser (CDU): ...durch unser Hochschulfreiheitsgesetz exzellente Forschungs- und Bildungseinrichtungen ohne bürokratische Hemmnisse und Gängelungen durch den Staat. Die Aufhebung des Vergaberahmens für Professorengehälter bildet einen weiteren Vorteil, um im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein.
    Ute Schäfer (SPD): ...zunehmend gefährdet. Die Hochschulpolitik der Landesregierung zeigt kaum noch Gestaltungswillen. Studiengebühren und das Chaos bei der Vergabe von Studienplätzen sind Hemmschuhe für eine quantitative Weiterentwicklung unserer Hochschullandschaft.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): ...mit dem Hochschulfreiheitsgesetz und den strukturellen und finanziellen Reformen auf einem hervorragenden Weg, um mit der Spitze in aller Welt zu konkurrieren.
    Sigrid Beer (Grüne): ...darauf angewiesen, attraktive Arbeits- und Forschungsbedingungen sowie eine gute Studienbegleitung und Betreuung für die Studierenden bieten zu können. Alle klugen Köpfe zu fördern heißt aber auch, keine Barrieren durch Studiengebühren zu schaffen und die Zugangsmöglichkeiten zu den Hochschulen zu erweitern.

    Durch die Gründung neuer Fachhochschulen wird der Bildungsstandort NRW ...

    Klaus Kaiser (CDU): ...noch attraktiver, insbesondere für Studierende in ingenieurwissenschaftlichen Fächern. Die neuen Einrichtungen schaffen außerdem zusätzliche Studienplätze insbesondere für die doppelten Abiturjahrgänge.
    Ute Schäfer (SPD): ...zwar neue Studienplätze erhalten. Das reicht in NRW nicht aus. Der jetzt schon bestehende Fachkräftemangel und der doppelte Abiturjahrgang erfordern die massive Ausweitung von Studienplätzen an den bestehenden Hochschulstandorten.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): ...maßgeblich gestärkt. Wir schaffen in den nächsten Jahren insgesamt 11.000 neue Studienplätze an den Fachhochschulen. Mit Innovationsminister Andreas Pinkwart an der Spitze schaffen wir die Rahmenbedingungen dafür, dass künftig jeder aus NRW, der studieren möchte, auch einen guten Studienplatz bekommt.
    Sigrid Beer (Grüne): ...nicht ausreichend für die Deckung der Studienplatzbedarfe, verstärkt durch den doppelten Abiturjahrgang, ausgestattet. NRW hinkt beim Hochschulpakt I bedenklich hinterher. Wir brauchen auch volkswirtschaftlich begründet mehr Studierende, mehr erfolgreiche Hochschulabsolvent/ -innen und mehr akademischen Nachwuchs.

    Um das Interesse junger Menschen an naturwissenschaftlichen Fächern zu fördern, ist es notwendig, ...

    Klaus Kaiser (CDU) : ...vom Kindergarten bis zum Abitur das Interesse an naturwissenschaftlichen Phänomenen zu wecken und zu entwickeln. Gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern brauchen wir gute Pädagogen und Didaktiker, um aus Neugier fachliches Wissen und wissenschaftliches Interesse zu entwickeln.
    Ute Schäfer (SPD): ...die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen. Die Entscheidung von CDU und FDP im Jahr 2005, die intensiv erprobte Einführung des Fachs Naturwissenschaften in den Klassen fünf und sechs zu stoppen, ohne die Evaluation abzuwarten, war ein bildungspolitisches Fiasko für NRW.
    Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): ...Kinder und Jugendliche frühzeitig schon in der Grundschule für diese Fächer zu begeistern und zu einer individuellen Ansprache und einem verbesserten didaktischen Unterricht zu kommen.
    Sigrid Beer (Grüne): ...Neugier, Freude am Entdecken und die Lust am Lernen von der Kita an durch die gesamte Schulzeit hindurch zu pflegen. NW-Unterricht muss auch stattfinden! NW-Fächer müssen als Schwerpunkt im Abitur möglich sein. Das verhindert die gerade verabschiedete Ausbildungsordnung der gymnasialen Oberstufe.

    Idee und Umsetzung: Sebastian Wuwer

    Systematik: 4300 Hochschulen; 4210 Lehrer

    ID: LI090305

  • Haushalten in der Krise.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 2 - 12.02.2009

    Haushaltsberatungen sind immer Sternstunden des Parlaments. Die Regierung präsentiert den Etat für das kommende Jahr, die Koalition verteidigt ihn gegen die Opposition. So war es eigentlich immer. Nur diesmal sind die Rahmenbedingungen anders.
    Schon bald nach der ersten Lesung des Haushaltsentwurfs für 2009 - wir erinnern uns, es war Ende August 2008 - wurde angesichts der sich zuspitzenden Wirtschaftskrise deutlich, dass sich der übliche Terminplan für die zweite und dritte Lesung nicht halten lassen würde. Die Politik im Land und im Bund benötigte Zeit, um sich gegen die heraufziehende Krise zu wappnen.
    So haben diesmal die Abgeordneten im Zusammenhang mit dem Landeshaushalt einiges mehr zu bedenken. Sie haben über den dritten Nachtragshaushalt für 2008 abgestimmt. Ihnen liegen das Konjunkturpaket I und das Konjunkturpaket II auf dem Tisch. Beide haben Auswirkungen auf den Landeshaushalt.

    Zukunftskurs

    Das alles bietet Stoff für Diskussionen. Auch wenn sich Wirtschaftsweise und politisch Handelnde im Grundsatz einig sind, dass rasch eingegriffen werden muss: Es gibt aber unterschiedliche Auffassungen über Umfang, Zielsetzung und Ausgestaltung der staatlichen Hilfen. Und niemand kann verlässlich voraussagen, ob es reicht oder ob nachgesteuert werden muss.
    Das sollte man abwarten - was nicht heißt, dass die Politik derweil die Hände in den Schoß legt. Investitionen in Bildung und Forschung sowie in eine moderne Infrastruktur sind Stichworte bei allen Parteien, allerdings mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung. Dies betrifft zum Beispiel - NRW als Energieland Nummer 1 - den Bereich erneuerbarer Energie (soeben hat sich in Bonn die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien gegründet, und Europas größte Wärmepumpensiedlung findet sich in Köln). Des Weiteren gehören die Ausgaben für Bildung traditionell zum größten Brocken in den Etats aller Ministerien der Landesregierung.
    Die Zukunftsorientierung des Landes Nordrhein-Westfalen: Bei der Beratung des Haushalts 2009 stand sie immer wieder im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Das Ziel: die aktuelle konjunkturelle Krise schnell zu überwinden. Aber auch, die Grundlage für längerfristigen Erfolg zu legen. Die Positionen der einzelnen Fraktionen zum Haushalt finden Sie Einzelplan für Einzelplan zusammengefasst in dieser Ausgabe.
    Jürgen Knepper

    ID: LI090202

  • "Bilanz des Scheiterns" oder "Sicheres Fundament"?
    Der Haushalt 2009 in zweiter Lesung: Konjunkturhilfe im Mittelpunkt.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 4-9 in Ausgabe 2 - 12.02.2009

    28./29. Januar 2009 - Detailliert hat der Landtag das Haushaltsgesetz für das Jahr 2009 in zweiter Lesung beraten. Die parlamentarische Debatte zu den Einzelplänen des Etats fiel zeitlich zusammen mit den Bemühungen, gegen die Wirtschaftskrise vorzugehen. Während die Oppositionsfraktionen den Haushalt mit Blick auf die angespannte Finanzlage als "Bilanz des Scheiterns" der Landesregierung werteten, sahen die Regierungsfraktionen in dem Entwurf ein "sicheres Fundament". Rund 52,7 Milliarden Euro standen zur Disposition, rund 1,45 Milliarden Euro mehr als im Haushalt 2008. In allen Einzelplänen verteidigten die Regierungsfraktionen den Haushaltsentwurf gegen die Kritik von SPD, Grünen und dem fraktionslosen Abgeordneten Sagel, so dass der Landtag am 11. Februar den Haushalt 2009 in dritter Lesung verabschiedete (Bericht auf den Seiten 10 und 11).

    Wirtschaft und Mittelstand

    Mitten in der Krise sei die Wirtschaftspolitik der Landesregierung "mutlos, planlos, ideenlos", fand Thomas Eiskirch (SPD). Die Branchen erhielten keine Impulse, zudem würden Regionen trotz ihrer Unterschiedlichkeit gleich behandelt. Zu langsam sei außerdem die Bearbeitung der Anträge auf Ziel-2-Förderung.
    Sinkende Arbeitslosenzahlen und das Rekordniveau an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wertete Lutz Lienenkämper (CDU) als Indikatoren gelungener Wirtschaftspolitik. Mit 7,5 Milliarden Euro zur Bankensicherung sowie 2,4 Milliarden Euro für Investitionen und erhöhte Unternehmensbürgschaften sei die Regierung aktiv.
    "Wir können wieder Schritt halten", betonte Dietmar Brockes (FDP). NRW investiere in Bildung und Infrastruktur und habe aufgeholt. Im Gegensatz zum aktuellen Konjunkturpaket der Bundesregierung, bei dem Bevölkerung und Betriebe zu kurz kämen, seien kleine und mittlere Unternehmen in NRW für die Krise gerüstet.
    Dagegen sah Reiner Priggen (Grüne) im Haushalt "nichts enthalten, was mit der bedrohlichen Lage, über die wir diskutieren, zu tun hat". Neben Maßnahmen, die ohnehin im Haushalt enthalten seien, fehle jede Form zusätzlicher, antizyklischer Förderung. Auch Priggen kritisierte die schleppende Umsetzung des Ziel-2- Programms.
    Vor "Aktionismus" warnte Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Man solle vielmehr in Forschung und Bildung investieren, Unternehmen innovationsfähig halten, Beschäftigte weiter qualifizieren und dafür sorgen, dass die Konjunkturprogramme des Bundes schnell umgesetzt werden könnten.

    Energie

    Norbert Römer (SPD) hielt die schwarz-gelbe Regierungszeit insbesondere mit Blick auf erneuerbare Energien für "verlorene Zeit". So kritisierte er etwa die für ihn leeren Ankündigungen beim Klimaschutz. Ein "Scheitern" der Regierung sah Römer auch bei der in Brüssel beschlossenen Vollauktionierung im Emissionshandel.
    Dem hielt Christian Weisbrich (CDU) entgegen, es sei leicht, über fehlende Mittel für alternative Energiekonzepte zu klagen. Die jetzige Landesregierung sei durch die einseitige Festlegung der SPD auf Kohle finanziell gebunden. Mit dem Emissionshandel propagiere die SPD einen Weg der Investitionsblockaden.
    Vor einer einseitigen Abhängigkeit vom Energieträger Gas warnte Dietmar Brockes (FDP) und forderte ein Ende "ideologisch verblendeter" Ablehnung der Kernenergie. Zugleich kritisierte er beim Emissionshandel, dass den Unternehmen erst Millionen weggenommen und dann als Kraftwerkssubventionen zurückgegeben würden.
    Reiner Priggen (Grüne) forderte, man müsse sich in der Energieversorgung neuen Wegen öffnen. Andere Bundesländer seien Nordrhein- Westfalen beispielsweise bei der Windenergie voraus. NRW dürfe sich nicht auf die Rolle eines Zulieferers beschränken, sondern brauche eigene Fertigung, um Zukunftsindustrien zu halten.
    Eine parallele Förderung der verschiedenen Varianten zukünftiger Energieversorgung befürwortete Energieministerin Christa Thoben (CDU). Bei der Windenergieleistung liege NRW auch ohne Küste im Bundesvergleich an vierter Stelle. Ferner habe die Landesregierung die Fördermittel in vielen Bereichen erhöht.

    Landesplanung

    In der Landesplanung warf Norbert Römer (SPD) der Regierung "Stillstand" vor. Hinsichtlich des Kraftwerkserneuerungsprogramms wies er auf die geltende Vereinbarung hin, nach der sich RWE zu entsprechenden Investitionen verpflichte - eine Voraussetzung auch für die Genehmigung von Garzweiler II.
    Hubert Schulte (CDU) betonte die Relevanz der Landesplanung, da beispielsweise Klarheit darüber notwendig sei, wie weit das Land Regelungen treffen dürfe, um konkurrierende Interessen von Nachbargemeinden auszugleichen. Ein zweiter wichtiger Punkt sei die Sicherung von Rohstoffreserven für nachfolgende Generationen.
    Holger Ellerbrock (FDP) forderte, der Vernetzung von Industriestandorten erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Die Wirtschaft müsse erklären, wie das Land hier vorsorgen könne. Sie müsse auch eine andere Kommunikationsstrategie entwickeln, denn "mit der tradierten Bürgerbewegung sind wir gescheitert".
    Der Kritik an der Verschiebung des Landesplanungsgesetzes schloss sich Reiner Priggen (Grüne) an. Es sei notwendig, auch über die Festlegung der Planungszeiträume einen "vernünftigeren" Umgang mit Ressourcen sicherzustellen. Insbesondere müsse der Freiflächenverbrauch von 15 auf fünf Hektar gesenkt werden.
    Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) sagte zu, das Landesplanungsgesetz noch in dieser Legislatur vorzulegen. Beim Landesentwicklungsplan bedürfe es hingegen noch einer Beteiligung der Regionalräte. Mit Blick auf die Rohstoffsicherung unterstrich sie die Festschreibung von zwei Mal 15 Jahren Planungsfrist.

    Gemeindefinanzierungsgesetz

    "Einen nahezu unglaublichen Raubzug durch die Kassen der Städte und Gemeinden", schrieb Andreas Becker (SPD) der Landesregierung zu. Seit dem Regierungswechsel 2005 seien die Kommunen mit über 1,8 Milliarden Euro belastet worden. Nun gehe die Landesregierung an das Fundament des Finanzausgleichs: "Der Verbundsatz beträgt formal zwar noch 23 Prozent, aber 1,17 Prozentpunkte davon gewähren Sie als pauschalen Ausgleich für erwartete Überzahlungen der Kommunen im Rahmen der Einheitslasten."
    Mit einem Verbundbetrag von 7,973 Milliarden Euro, so hielt Bodo Löttgen (CDU) der Oppositionskritik entgegen, stehe den Kommunen, Kreisen und Landschaftsverbänden die höchste Zuweisung in der Geschichte des Landes zur Verfügung. Das sei das Gegenteil von "gekürzt" und "gestrichen". Die rot-grüne Vorgängerregierung dagegen habe "permanent versucht, das System der Gemeindefinanzierung durch zu hohe Steuerschätzungen und darauf basierenden Überzahlungen durch die Kommunen gesundzubeten".
    "Nicht kleinreden" wollte Horst Engel (FDP) die verbesserte Finanzsituation vieler Kommunen. Hätten sich 2005 noch 197 Kommunen in der Haushaltssicherung und weitere 115 im Nothaushalt befunden, so seien diese Zahlen bis zum November 2008 auf 116 beziehungsweise 45 gesunken. Diese Entwicklung könne die Opposition ruhig anerkennen, meinte Engel und forderte einen kommunalen "Mentalitätswechsel: weg von der Verschuldungspolitik, hin zu einem Masterplan zur Wiedererlangung der finanziellen Handlungsfreiheit".
    "Wäre weiter nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz verfahren worden, das Sie bei Ihrem Regierungsantritt übernommen haben, wäre heute jede Kommune deutlich besser gestellt", rechnete Horst Becker (Grüne) der Landesregierung vor und bezifferte die Differenz auf 1,3 Milliarden Euro. Auch bei der Frage der Solidarlasten handle die Landesregierung "kommunalfeindlich". Über einen fiktiven Einnahmeausfall des Landes versuche sie zu begründen, warum die Kommunen an diesem Einnahmeausfall zu beteiligen seien, erklärte Becker.
    "Das Gemeindefinanzierungsgesetz kann sich sehen lassen", meinte Innenminister Dr. Ingo Wolf (FDP), denn es sei für Kommunen "eine echte Hilfe" und bedeute eine Abkehr von "rotgrüner Kreditierungspolitik". Der Ausgleichssatz von 90 Prozent sei bundesweit einmalig. An die verschuldeten Kommunen appellierte Wolf, all das zu tun, was zur Konsolidierung möglich sei. Dafür gebe es die Vorschläge der Gemeindeprüfungsanstalt. "Wir werden auch in der Zukunft für einen fairen und gerechten Finanzausgleich sorgen", versprach der Innenminister.

    Innen- und Verwaltungsstrukturreform

    Der Etatentwurf, so erklärte Karsten Rudolph (SPD), sei ein "reichlich trostloser Ausblick auf das begonnene Jahr". Die wichtigste Entscheidung der schwarz-gelben Landesregierung bestehe im Abbau von 790 Planstellen bei der Polizei. Die Zahl der verbeamteten Polizistinnen und Polizisten falle deutlich unter 40.000 Personen.
    Die öffentliche Sicherheit habe für die Landesregierung und die Regierungsfraktionen absolute Priorität, unterstrich Theo Kruse (CDU). Die Landesregierung habe dafür gesorgt, dass eine moderne Verwaltung diese Aufgabe effektiver bewältige als zuvor. Die Zahl der Neueinstellungen bei der Polizei werde derzeit verdoppelt.
    "Wer dem Bürger mehr Sicherheit bieten will, schafft das nur, wenn er mehr Polizeibeamte auf die Straße bringt", sagte Horst Engel (FDP). Seit 2005 sei die Ausstattung der Polizei weitreichend verbessert worden. Allein im Haushalt 2009 würden entsprechende Ausgaben um 125 Millionen auf 2,5 Milliarden Euro steigen.
    Für "desaströs" hielt Monika Düker (Grüne) die "Leistungsbilanz" des Innenministers. Nach wie vor habe es die Landesregierung nicht geschafft, die Polizei zukunftsfähig auszugestalten. "Anstatt eine vernünftige Polizeistrukturreform auf den Weg zu bringen, schreit die CDU-Fraktion nach mehr Videoüberwachung", so Düker. "Mehr fahnden statt verwalten!" - Dieses Motto nehme die Landesregierung ernst, erklärte Innenminister Dr. Ingo Wolf (FDP). Der Gesamthaushalt seines Ministeriums wachse in diesem Jahr um 187 Millionen auf 4,566 Milliarden Euro. Das zeige: "Wir werden der innenpolitischen Verantwortung mit Augenmaß gerecht."

    Sport

    "Von einem großen Wurf kann nicht die Rede sein", meinte Hans-Theodor Peschkes (SPD) mit Blick auf den Sportetat und kritisierte das Programm, mit dem die Landesregierung 1.000 Vereine mit je 1.000 Euro fördere. Sein Appell: "Setzen Sie diese eine Million Euro zielgerichtet für die Nachwuchsförderung ein!"
    "Wir wollen, dass das Geld direkt an die Vereine und nicht irgendwo in der Landessportbundbürokratie verloren geht", entgegnete Holger Müller (CDU). "Ich selbst /XABCATTR> stellt das Land 80 Millionen Euro zur Verfügung", lobte Christof Rasche (FDP) den Entwurf und hob außerdem den im Dezember unterzeichneten Masterplan zum Ausbau der Bahninfrastruktur hervor. Dieser sei ein Meilenstein für den Schienenverkehr in Nordrhein-Westfalen.
    "Was tun Sie für den ÖPNV?", fragte Horst Becker (Grüne) die Landesregierung. Diese habe den Kürzungsdruck bei den Regionalisierungsmitteln vom Bund an die kommunalen Verkehrsverbände weitergeleitet und steigende Fahrpreise verursacht. "Das ist eine absolut desaströse Verkehrspolitik", so Becker.
    "Wir werden mehr als eine Milliarde Euro in den Ausbau, Neubau und die Instandsetzung der Autobahnen investieren", kündigte Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) an. Außerdem wolle die Landesregierung Bahnhöfe für über 400 Millionen Euro "in Ordnung bringen". Wittkes Fazit: "Die Verkehrspolitik hat Fahrt aufgenommen."

    Allgemeine Finanzverwaltung und Haushaltsgesetz

    Thomas Trampe-Brinkmann (SPD) sah die Verschuldung trotz Steuermehreinnahmen auf "historischem" Höchststand. Im Kontext der Umsetzung des Konjunkturpakets forderte er eine rasche Einigung im Tarifkonflikt des Öffentlichen Dienstes. Der Regierung warf er vor, durch Entlassungen Steuerprüfungen zu gefährden.
    Mit Lob reagierte Bernd Krückel (CDU) auf den fraktionsübergreifenden Antrag zur Bedeutung der Finanzverwaltung und unterstrich, dass diese durch Neueinstellungen im mittleren Dienst gestärkt werde. Zugleich bedauerte er, dass das Ziel administrierbarer Steuergesetze häufig an Vorlagen des Bundesfinanzministers scheitere.
    Auf die Belastungen für den Landeshaushalt durch die wirtschaftliche Krise wies Angela Freimuth (FDP) hin. Die Risiken könnten durch die bisherigen Erfolge bei der Konsolidierung des Landeshaushalts abgefedert werden. Ohne Vorsorgeleistungen hätte man das Haushaltsjahr 2008 mit einem Überschuss abgeschlossen.
    Johannes Remmel (Grüne) bewertete die Schuldenaufnahme bei gleichzeitigen Steuermehreinnahmen als "Bankrotterklärung". Er setzte sich für eine Konjunkturinitiative des Landes ein und befürchtete eine verzögerte Umsetzung des Konjunkturpakets II des Bundes. Die Mittel für die Steuerprüfung müssten erhöht werden, so Remmel.
    Finanzminister Dr. Helmut Linssen (CDU) wandte sich gegen eigene Konjunkturprogramme und unterstrich im Gegenzug die um 415 Millionen Euro erhöhten Leistungen für Kommunen. Mit Blick auf die Tarifverhandlungen ergänzte Linssen, die Regierung wolle bemüht bleiben, das Tarifergebnis für die Beamten eins zu eins umzusetzen.

    Schule und Weiterbildung

    "Der Haushalt", so Ute Schäfer (SPD), sei ein "Produkt für das Phantasialand". Das Wahlversprechen kleinerer Klassen habe die Ministerin inzwischen einkassiert, außerdem trickse die Regierung mit "virtuellen Lehrern", die nur auf dem Papier stünden. In der Weiterbildung seien 13,5 Millionen Euro gekürzt worden.
    Klaus Kaiser (CDU) verkündete die "frohe Botschaft", dass man in NRW immer mehr Geld für die Bildung ausgebe und damit jungen Menschen Chancen eröffne. Mit dem Schulgesetz, das auf individuelle Förderung setze, habe Nordrhein- Westfalen eine bundesweite Vorreiterrolle.
    Man stehe vor der Verabschiedung des größten Bildungshaushalts aller Zeiten in NRW, sagte Ingrid Pieper-von Heiden (FDP). Der Etat in Höhe von rund 13,5 Milliarden Euro mache mehr als ein Viertel des gesamten Landeshaushalts aus. Ihre Fraktion stehe für ein ganzheitliches Bildungsverständnis.
    Sigrid Beer (Grüne) verwies darauf, dass es um tatsächlich besetzte und nicht um ausgeschriebene oder virtuelle Lehrerstellen gehe. Sie kritisierte eine verfehlte Schulpolitik, deren Scherben die Koalition nun versuche zusammenzukehren. "Sie versemmeln Unsummen", so Beer. "Sie behindern die Chancen der Kinder."
    Im Vergleich zum letzten rot-grünen Haushalt 2005 gebe die jetzige Landesregierung 700 Euro mehr pro Kind aus, sagte Schulministerin Barbara Sommer (CDU). Es gebe deutlich mehr Lehrkräfte, auch für den Ausbau der Ganztagsschulen. Den Weiterbildungsträgern wolle man Planungssicherheit geben.
    (siehe Fortsetzung)

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI090206

  • "Bilanz des Scheiterns" oder "Sicheres Fundament"?
    Der Haushalt 2009 in zweiter Lesung: Konjunkturhilfe im Mittelpunkt (Fortsetzung).
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 4-9 in Ausgabe 2 - 12.02.2009

    Arbeit und berufliche Weiterbildung

    Der Haushalt, so Rainer Schmeltzer (SPD), bestätige die Untätigkeit und Passivlinie des Arbeitsministers, der nicht schützend an der Seite der Menschen, sondern an der Seite des Finanzministers stehe. Unter anderem sei die Weiterentwicklung der Arbeitsmarktpolitik um 3,9 Millionen Euro gekürzt worden.
    Peter Brakelmann (CDU) stellte den 288 Milliarden schweren Haushaltstitel unter das Ziel der Konsolidierung. Außerdem brauche man 90 Prozent des Geldes, um die geltenden Gesetze zu vollziehen. Trotzdem trage man mit dem Haushalt dazu bei, "dass die Jugendlichen von heute nicht die Hartz-IV-Empfänger von morgen sind".
    Das Ziel der Haushaltskonsolidierung betonte auch Dr. Stefan Romberg (FDP). Die Aufmerksamkeit gelte inhaltlich vor allem den benachteiligten Jugendlichen und dem lebenslangen Lernen. So sei der Bildungsscheck ein "Renner der nordrhein- westfälischen Arbeitsmarktpolitik".
    Barbara Steffens (Grüne) gab zu bedenken, dass Langzeitarbeitslose in der Krise noch schlechtere Chancen hätten. Angesichts vermehrt erfolgreicher Klagen gegen Hartz-IV-Sätze sei es zynisch, die Arbeitslosenzentren zu schließen. Außerdem sei das Programm zur beruflichen Wiedereingliederung von Frauen gestrichen worden.
    Als Schwerpunkte seiner Politik nannte Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Ausbildung und nachhaltige Qualifizierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Er könne zwar keine Arbeitsplätze schaffen, aber einen Beitrag leisten zur Chance auf Bildung, Qualifizierung und Teilhabe an Arbeit.

    Gesundheit und Soziales

    Eine "Diskrepanz zwischen Reden und Tun" machte Heike Gebhard (SPD) in der Sozialpolitik aus. Sie fragte, warum es sich nicht im Etat wiederfinde, dass der Minister Behindertenpolitik als "Königsdisziplin der Sozialpolitik" bezeichne. Bei Mitteln für Krankenhausinvestitionen habe er nicht einmal das Niveau des Vorjahrs gehalten.
    Die demographische Entwicklung, so Ursula Monheim (CDU), bringe besonders in den Bereichen Gesundheit und Soziales große Herausforderungen mit sich. Der Haushalt berücksichtige dies und setze sogar neue Akzente. Er spiegle außerdem die besondere Bedeutung der Behindertenpolitik wider.
    Dr. Stefan Romberg (FDP) stellte den Ausbau und die Weiterentwicklung der Prävention als zentrale Aufgabe heraus. Gerade für die Gesundheit von Mutter und Kind, bei der Sturzgefahr älterer Menschen und bei den Themen Aids und Drogen sei die Prävention wichtig.
    Als die drei Prinzipien der Landesregierung, die sich quer durch den Haushaltsplan 2009 zögen, nannte Barbara Steffens (Grüne): "Kommunalisierung statt Verantwortung übernehmen", "Selbsthilfe soll sich selber helfen!" und den Verzicht auf Zielgruppenansätze wie etwa die Geschlechterdifferenzierung.
    "Ein zentraler Punkt auch im Haushalt 2009", sagte Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU), sei die Politik für Menschen mit Handicaps. Die Landesregierung versuche quer durch die Ressorts, die Lebensbedingungen dieser Menschen zu verbessern. "Die Menschen können unserer Politik vertrauen", so sein Fazit.

    Generationen und Familie, Kinder und Jugend

    Viele Themenfelder in diesem Haushaltsplan, sagte Wolfgang Jörg (SPD), seien von dem Brandmal "Privat vor Staat" betroffen. Das Land habe sich fast komplett aus der Finanzierung der Investitionen für Kindertageseinrichtungen zurückgezogen. Außerdem lasse die Landesregierung Jugendliche komplett allein.
    Demgegenüber beschrieb Marie-Theres Kastner (CDU) den Haushalt "als Zeichen dafür, dass wir das, was wir versprochen haben, auch wirklich umsetzen". Es gebe mehr Geld für die Erziehung und die frühe und individuelle Förderung, für die Betreuung der Kinder unter drei Jahren und mehr Wahlfreiheit für Eltern.
    Christian Lindner (FDP) betonte, dass es heute gerechter zugehe als unter der Vorgängerregierung, und benannte das Kinderbildungsgesetz als Beispiel. Der Jugendförderplan sei auf 80 Millionen und der Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit auf 25,7 Millionen Euro erhöht worden.
    Die Landesregierung lasse die Familienzentren zur Makulatur werden, kritisierte Andrea Asch (Grüne). Zudem sei die Deckelung der Betreuungsplätze für unter Dreijährige im Haushalt nicht bedarfsgerecht. Die 1,18 Milliarden Euro, die im Haushalt stünden, sagten nichts über die Qualität aus, die damit erfüllt werde.
    Eine der zentralen Aufgaben, sagte Familienminister Armin Laschet (CDU), bleibe, NRW zum kinderfreundlichsten Land zu machen. Mit einem Etat von 1,23 Milliarden Euro für die Kindertagesstätten habe man schon zum zweiten Mal die Milliardengrenze überschritten. Für die Sprachförderung gebe es heute viermal so viel Geld wie 2005.

    Frauen

    Gerda Kieninger (SPD) warf der Regierung vor, dass Frauenpolitik so gut wie gar nicht stattfinde.
    Für Opferschutz, Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser forderte sie die Bereitstellung notwendiger Mittel, da diese Einrichtungen "mit dem Rücken an der Wand stehen".
    Als "solide Grundlage für den frauenpolitischen Bereich" bezeichnete Maria Westerhorstmann (CDU) den Haushaltsentwurf. Schwerpunkte lägen in den Bereichen Gleichstellung, Integration, Opferschutz sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Viele Projekte würden weiter unterstützt und es kämen auch neue Akzente hinzu.
    Angela Freimuth (FDP) betonte, dass es in NRW trotz notwendiger Kürzungen weiter eine flächendeckende Schutz- und Beratungsstruktur gebe. Die Einrichtungen würden weiterhin konsequent unterstützt. Die Förderung sei auf unterschiedliche Ressorts verteilt, da es sich um Querschnittsaufgaben handle.
    Angesichts steigender Kosten forderte Barbara Steffens (Grüne), mehr Mittel für die Beratungsstrukturen und die Wiedereinführung der gestrichenen zweiten Fachkraftstelle in Frauenhäusern bereitzustellen. Der Frauenhaushalt müsse weiterhin einen Nachteilsausgleich sicherstellen; er sei kein "Sahnehäubchen".
    Frauenminister Armin Laschet (CDU) widersprach dem Vorwurf, dass "Frauenpolitik ins Abseits geraten" sei. Gleichstellung sowie Schutz- und Hilfsangebote für Frauen seien politische Schwerpunkte. Für Programme gegen Gewalt stünden im Haushaltsjahr 2009 rund 11,7 Millionen Euro zur Verfügung.

    Integration und Eine-Welt

    Als "absolut enttäuschend" empfand Angela Tillmann (SPD) den Etatentwurf zur Integration. 2009 stünden rund 1,2 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Gegenüber dem Jahr 2005 gebe es sogar rund 17 Millionen Euro weniger Finanzmittel für die Integration zugewanderter Menschen.
    Michael Solf (CDU) sprach von einer "Optimierung der Ausgaben" und einem Etatentwurf, der die vorhandenen Mittel mit einem Höchstmaß an Effizienz verwende. Das reiche zwar noch nicht, sei aber "unendlich viel mehr" als die rot-grüne Vorgängerregierung für die Integration geleistet habe.
    Integration, betonte Christian Lindner (FDP), sei eine Querschnittsaufgabe, für die quer durch die Ressorts insgesamt 442 Millionen Euro bereitstünden. Mit diesem Haushaltsentwurf sorge die Landesregierung dafür, dass Nordrhein-Westfalen bei der Integration bundesweiter "Tempomacher" bleibe.
    Andrea Asch (Grüne) kritisierte, dies sei kein Haushalt, der zeige, dass es die Landesregierung mit der Integrationsförderung wirklich ernst meine. Insgesamt liege man nur noch bei drei Millionen Euro. Die Eine-Welt-Politik bezeichnete sie als "Stiefkind in diesem Hause".
    Die Integrationspolitik stehe finanziell auf einer stabilen Grundlage, versicherte hingegen Integrationsminister Armin Laschet (CDU). Der Haushaltsplan 2009 sichere die Fortsetzung und Weiterentwicklung der Programme. Bei der internationalen Zusammenarbeit sei man Impulsgeber für andere Bundesländer.

    Umwelt und Naturschutz, Verbraucherschutz, Landwirtschaft

    Der Umweltetat, kritisierte Svenja Schulze (SPD), sei wieder Steinbruch für die Haushaltssanierung. Es sei sogar so weit gekommen, dass der Wald in Nordrhein-Westfalen verkauft werden müsse. Mit den Verbraucherzentralen habe die Regierung einen faktischen Kürzungsplan vereinbart.
    Marie-Luise Fasse (CDU) entgegnete, der Sparkurs habe 2009 im Umweltbereich seine Grenzen gefunden. So werde der Etat für Hochwasserschutz und auch für naturnahe Gewässergestaltung im Haushaltsentwurf um 13,5 Millionen Euro, der für Naturschutz auf 15,2 Millionen Euro erhöht.
    Umweltschutz sei ein zentrales Thema dieser Landesregierung, unterstrich Holger Ellerbrock (FDP). Mit Rücksicht auf nachfolgende Generationen sei der Umweltetat von einer Milliarde auf 750 Millionen Euro heruntergefahren worden, um Schulden abzubauen. Vorgaben aus Brüssel und Berlin wolle man eins zu eins umsetzen.
    Den Umwelt- und Klimaschutz sah Johannes Remmel (Grüne) als eine der Schwachstellen der Regierung. So, wie der Etat gestrickt sei, sei die Zukunft im Bereich Umwelt, Landwirtschaft, Verbraucherschutz nicht zu gewinnen. Es fehle etwa an Mitteln für den Lärmschutz sowie für "einen breiten Schirm über das Naturerbe".
    Als seine Leitlinien nannte Eckhard Uhlenberg, Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (CDU), Sicherheit und Verlässlichkeit. Der Haushaltsplan schaffe Investitionsanreize etwa für den ländlichen Raum. Die amtliche Lebensmittelkontrolle funktioniere, und auch beim Thema Wasser sei NRW sehr gut aufgestellt.

    Justizministerium

    "Dringenden Handlungsbedarf" sah Frank Sichau (SPD) mit Bezug auf die Drogenhilfe im Strafvollzug. Obwohl von bis zu 55 Prozent Suchtkranken im Strafvollzug die Rede sei, habe der Justizhaushalt "nach dem Kahlschlag bei den Suchtkrankenhilfestellen im Gesundheitshaushalt" nur einen Teilausgleich geleistet.
    "Wir modernisieren die Justiz, und wir kämpfen aktiv gegen Kriminalität", erklärte Harald Giebels (CDU) für seine Fraktion. Seit dem Regierungswechsel seien 450 neue Stellen im Justizvollzug geschaffen worden. Außerdem seien zurzeit Bauprojekte mit einem Gesamtvolumen von einer halben Milliarde Euro in Arbeit.
    "Wir haben uns entschlossen, die elende Unterversorgung mit Plätzen in den Justizvollzugsanstalten zu beenden. Wir fangen an zu bauen", hob Dr. Robert Orth (FDP) hervor und verwies zugleich auf neue Stellen für Richter und Staatsanwälte zur Bekämpfung von Jugendkriminalität: "Wir reagieren auf die Probleme", so sein Fazit.
    "55 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte - das ist zwar ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es kommt in der Justiz sehr positiv an", meinte Monika Düker (Grüne). Allerdings müsse mehr gegen den hohen Krankenstand bei den Justizbediensteten und gegen das Drogenproblem unter Gefangenen unternommen werden.
    "Die Bekämpfung der Jugendkriminalität ist ein Kernanliegen", verdeutlichte Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU). Die Schaffung neuer Stellen gebe der Justiz notwendigen Raum für Maßnahmen. Außerdem setze die Landesregierung seit 2007 fast 40 Prozent mehr Mittel für Drogenberatung im Strafvollzug ein.

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI090221

  • Große Debatte ums große Geld.
    Regierung und Opposition in der dritten Lesung des Etats.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht
    S. 10-11 in Ausgabe 2 - 12.02.2009

    11. Februar 2009 - "NRW stürzt ab", "Regierungsverweigerung", so die Opposition in der abschließenden Generaldebatte zum Haushalt. "Nordrhein-Westfalen handelt bundesweit vorbildlich", schallte es aus dem Regierungslager zurück. Trotz teilweiser Übereinstimmung in der Analyse der aktuellen Wirtschaftskrise bot die dritte Lesung zum Haushalt 2009 die Gelegenheit, sich über unterschiedliche Lösungswege, aber auch über die grundlegende Ausrichtung in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik streitig auseinanderzusetzen.
    "Reine Makulatur", so die Bewertung von Hannelore Kraft, SPD-Fraktionsvorsitzende, zum vorliegenden Haushalt. Trotz 7,5 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen von 2005 bis 2008 steige die Neuverschuldung auf die "Rekordsumme" von 120,5 Milliarden Euro - "und das Ende ist immer noch nicht erreicht". NRW sei 2008 wieder zum Nehmerland im Länderfinanzausgleich geworden. All dies, obwohl ein eigenes Konjunkturprogramm des Landes fehle. Die Wirtschaftskrise - auch eine "Vertrauenskrise" gegenüber der Politik - lasse sich laut Kraft nur dadurch überwinden, dass Grundorientierungen korrigiert würden. Man müsse verhindern, dass trotz Defizit weiter Bonuszahlungen an Manager gezahlt würden. Ebenso müsse die steuerliche Abzugsfähigkeit von deren Gehältern und Abfindungen begrenzt werden. Und schließlich sei die Haftung für Fehlentscheidungen der Unternehmensleitungen zu verstärken. Wie bei den "unanständig hohen Einkommen" verlangte Kraft auch Nachbesserungen bei "unanständig niedrigen Einkommen". Zum Beispiel müssten Mindestlöhne für Leih- und Zeitarbeitnehmer eingeführt werden. Insgesamt trat Kraft für grundlegende Strukturveränderungen zur Verbesserung der Lage von Mittelstand und Handwerk ein. Die "Ziel-2-Förderung" (von Mittelstand und Handwerk) sei zu langsam und zu kompliziert, der Bürokratieabbau habe noch nicht richtig begonnen, so ihre Kritik an der gegenwärtigen Regierung. Diese habe zudem den Kommunen rund 1,8 Milliarden Euro "weggenommen". Außerdem seien im "angeblichen" Schwerpunkt Kinder und Bildung die Haushaltsmittel nicht real erhöht worden. Und die Streichung der Hilfen für Obdachlose spotte jeder Beschreibung. Vor dem Hintergrund der Krise in Wirtschaft und Gesellschaft der Appell der Oppositionsführerin zu parteiübergreifendem Handeln: "Lassen Sie uns gemeinsam neue Chancen schaffen."
    "Maßlos unseriös" fand Helmut Stahl, CDUFraktionsvorsitzender, die Forderungen und die Kritik der SPD-Fraktion. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen würde in Zeiten der Finanzkrise vielmehr interessieren, "was mit Wirtschaft, mit Arbeitsplätzen und mit Wohlstand passiert". Die schwarz-gelbe Landesregierung setze alles daran, die Folgen der Krise zu bewältigen, betonte der Christdemokrat. Als "Koalition der Erneuerung" hätten CDU und FDP schon frühzeitig Tatkraft gezeigt und entsprechende Maßnahmen wie etwa den Risikoschirm für die Westdeutsche Landesbank auf den Weg gebracht. So leiste Nordrhein-Westfalen einen Gesamtbeitrag von über sieben Milliarden Euro, um die Krise abzufedern. Dies sei eine "verdammt große Summe", meinte Stahl und fand zugleich, Nordrhein-Westfalen handle bundesweit vorbildlich. Wer Verantwortung für das Land tragen wolle, müsse Finanz-, Wirtschafts-, Bildungs- und Führungskompetenz unter Beweis stellen, so sein Credo. Während die Regierungskoalition von CDU und FDP diese Kompetenzen vereine, präsentiere sich die SPD "führungslos, orientierungslos und chancenlos", erklärte Stahl. Die Opposition versuche nur, "durch das Land zu ziehen und Ängste zu schüren", doch mit dieser Kritik beispielsweise am Sparkassengesetz oder am Kinderbildungsgesetz hätten die Sozialdemokraten versagt. Die CDU dagegen als Repräsentantin der Sozialen Marktwirtschaft sei "gut für Nordrhein- Westfalen", da sie mit der Landesregierung von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers für Seriosität, Klarheit und Stabilität stehe. Jetzt komme es darauf an, die Fundamente für einen neuen Aufschwung und für neue Investitionen in die Zukunft zu gießen, sagte Stahl. "Die Menschen in Nordrhein-Westfalen haben uns an ihrer Seite. Wir wissen, dass die Menschen uns vertrauen", so sein Fazit.
    In der Generaldebatte, sagte FDP-Fraktionschef Dr. Gerhard Papke, gehe es darum, sich auszutauschen, zu diskutieren und zu debattieren über den besten Weg für die Zukunft des Landes. Die SPD habe aber die Gelegenheit verpasst, alternative Gestaltungskonzepte vorzustellen. Er sprach der SPD-Fraktion die Legitimation für ihre Forderung nach einem "wirklichen Schwerpunkt für Kinder und Bildung" ab. Immerhin habe die SPD-geführte Vorgängerregierung geplant, ab 2005 bis zu 16.000 Lehrerstellen zu streichen. Die jetzige Landesregierung hingegen habe inzwischen "netto 6.915 zusätzliche Lehrerstellen" geschaffen. Bei der Betreuung der Kinder unter drei Jahren habe die Landesregierung die 11.800 Betreuungsplätze unter Rot- Grün fast vervierfacht. Auch der Vorwurf, die schwarz-gelbe Regierung habe den Kommunen 1,8 Milliarden Euro weggenommen, sei nicht haltbar. Sowohl 2008 als auch 2009 erhielten sie mit 8 Milliarden Euro die höchste Zuweisung aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz, die es jemals gegeben habe. Ohne die freiwilligen Ausgaben in Höhe von 1,3 Milliarden Euro für die zusätzliche Risikovorsorge hätte NRW 2008 erstmals seit 30 Jahren einen Überschuss erwirtschaftet, lobte Papke den Finanzminister. Nun sei bewiesen, dass man gleichzeitig investieren und konsolidieren könne. Papke forderte ein klares Bekenntnis von der SPD, mit der Linkspartei "niemals" zusammenzuarbeiten, und kritisierte das Konjunkturpaket der Bundesregierung als nicht ausreichend: Die Menschen müssten mehr von dem in der Tasche behalten, was sie erwirtschaftet hätten.
    "Nur eine ökologische Modernisierung der Wirtschaft", so Sylvia Löhrmann, Grünen-Fraktionsvorsitzende, "schafft Arbeitsplätze und bringt das Land auf Kurs in eine gesunde Zukunft." Auf all diesen Feldern habe die Landesregierung versagt und zudem - mit Blick auf die Schulden, beim Abbau der Arbeitslosigkeit, in der Bildungspolitik - zentrale Wahlversprechen gebrochen. Schon lange hätten die Grünen Investitionen in die energetische Gebäudesanierung, in die kommunale Infrastruktur, in die Hochschulen und Krankenhäuser gefordert. Jetzt schmücke sich auch die schwarz-gelbe Regierung damit. Trotzdem konstatierte Löhrmann, aus ihrer Sicht habe die Landesregierung bisher jede eigene Anstrengung zur Bekämpfung der Rezession unterlassen: "Die für die weltweite Finanzkrise hauptverantwortliche marktradikale Ideologie ist und bleibt Leitlinie der Regierung Rüttgers." Demgegenüber forderte die Grünen-Sprecherin, Gelder aus dem Ziel-2-Programm zu nehmen, um antirezessive Maßnahmen zu finanzieren, die energetische Sanierung (und barrierefreie sowie alterssichere Gestaltung) auch im frei finanzierten Mietwohnungsbau voranzutreiben. Mit einem Umweltwirtschaftsprogramm könnten grundlegende Weichenstellungen im Bereich der Rohstoff- und Materialeffizienz, der nachhaltigen Wasserwirtschaft, der Entsorgungs- und Abfallwirtschaft vorgenommen werden. Insbesondere kritisierte Löhrmann fehlende Hilfen für überschuldete Kommunen sowie die Verzögerung des bundespolitisch auf den Weg gebrachten Investitionspakets durch ein umständliches Nachtragsverfahren zum Landeshaushalt. Sie fragte nach: "Stimmt NRW jetzt eigentlich im Bundesrat zu?"
    Wir schaffen das", meinte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). "Wir müssen zusammenstehen, alle Kräfte bündeln und gemeinsam gegen die Krise kämpfen", so sein Appell. Unter anderem mit dem Rettungspaket für die Banken, mit den Konjunkturpaketen I und II und mit dem Zukunftspakt für die Kommunen sei es gelungen, ein "Gesamtkonzept" gegen die Krise aufzustellen. Rüttgers zeigte sich sicher, dass die auf Bundes- und Landesebene beschlossenen Maßnahmen Wirkung zeigen würden. Allerdings habe die Krise gerade erst begonnen, machte er ebenfalls deutlich. Die Sicherung von Arbeitsplätzen und Unternehmensstandorten, beispielsweise bei Opel in Bochum, habe für die Landesregierung oberste Priorität. Mit Blick auf die finanziell schwierige Situation vieler Kommunen hob Rüttgers hervor, die Landesregierung stelle den Kommunen über 83 Prozent der insgesamt 2,844 Milliarden Euro für NRW aus dem beschlossenen Konjunkturprogramm zur Verfügung. Das sei im Vergleich zu den anderen Bundesländern die höchste Quote, so der Ministerpräsident. Ausdrücklich sprach er sich für eine Schuldenbremse aus, die Nordrhein-Westfalen notfalls auch ohne Unterstützung des Bundes umsetzen wolle, "um unseren Kindern und Kindeskindern keine zusätzlichen Lasten aufzubürden". Ebenso sei es erforderlich, über neue Regeln für den privaten wie auch den öffentlichrechtlichen Bankensektor nachzudenken, um für ein "Maximum an Transparenz" zu sorgen. "Ich habe kein Verständnis dafür, wenn Institute trotz Krise und Staatshilfen weiter Boni an ihre Mitarbeiter ausschütten", unterstrich auch Rüttgers. Mit Zukunftsinvestitionen in Bildung, Forschung und Innovation wolle die Landesregierung zeigen: "Es gibt keinen Grund für Furcht und Angst." Das Motto des Ministerpräsidenten: "Zusammen sind wir stark!"
    cw, sw, sow

    Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt

    ID: LI090207

  • NRW 2050.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 1 - 28.01.2009

    Was bedeutet der demographische Wandel für NRW? Bis 2050 rund drei Millionen Menschen weniger, das heißt weniger Arbeitskräfte, mehr ältere Menschen, zu wenige Kinder. Soweit die Prognosen. Bis dahin fließt zwar noch viel Wasser durch Rhein und Ruhr, Wupper und Lippe. Der demographische Wandel stellt uns aber schon bald vor zahlreiche Probleme.
    In den öffentlichen Kassen entstehen große Löcher, wenn es immer weniger Menschen gibt, die Steuern zahlen - ein Problem, das neben Bund und Land auch die Kommunen hart trifft. Die sozialen Sicherungssysteme, die uns auffangen, wenn wir krank sind oder älter werden und nicht mehr arbeiten, sind für eine junge und wachsende Bevölkerung konzipiert. Und ein starker Wirtschaftsstandort ist immer wieder neu auf kluge Köpfe angewiesen, um innovativ und wettbewerbsfähig zu bleiben.

    Kinder und Integration

    Das Land und die Kommunen müssen schon heute Vorkehrungen treffen, um auf die veränderte Altersstruktur vorbereitet zu sein, und gleichzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen.
    Dies erfordert laut Expertenmeinung mehr Kinder oder mehr (junge) Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen - am besten beides, damit ein Umsteuern schneller gelingt. Familien- und Integrationspolitik erhalten besonderes Gewicht. Außerdem ist klar: Je weniger Menschen in NRW leben, umso besser müssen wir das vorhandene Potenzial nutzen. Beste Bildung und individuelle Förderung vom Kindergarten über Schule, Berufsausbildung oder Hochschule bis zur Erwachsenen(weiter)- bildung sind also nicht nur im Sinne des einzelnen Menschen, sondern auch im Sinne eines starken Wirtschaftsstandorts geboten.
    Gefragt ist also eine leistungsstarke Bildungslandschaft, die möglichst viele Menschen möglichst gut und immer wieder neu qualifizieren muss, gefragt sind familienfreundliche und gleichzeitig altengerechte Städte und Gemeinden sowie eine kluge Infrastruktur, gefragt sind zukunftsfeste Sozialsysteme. Darüber hinaus gilt es, den gesellschaftlichen Zusammenhalt weiter zu stärken. Die Politik, sei es in der Arbeits- und Wirtschaftspolitik, sei es in der Verkehrs- oder Integrationspolitik, muss schon heute die richtigen Weichen stellen.
    Viel ist zu tun. Außerdem brauchen die Maßnahmen, die dem Schrumpfen und Altern der Gesellschaft entgegenwirken könnten, Jahrzehnte, um zu greifen. Der Landtag hat die Herausforderung erkannt und auf die Tagesordnung gesetzt. Was die einzelnen Fraktionen für geboten halten, lesen Sie auf den Seiten 9 bis 11.
    sow

    ID: LI090102

  • "Im Land des langen Lebens".
    Unterrichtung der Landesregierung zum demographischen Wandel.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Plenarbericht;

    S. 9 in Ausgabe 1 - 28.01.2009

    17.12.2008 - Kurz vor dem Jahreswechsel bestimmte ein Blick in die Zukunft die parlamentarische Debatte im Landtag Nordrhein-Westfalen. In einer Unterrichtung des Parlaments erklärte die Landesregierung, wie der demographische Wandel das Land in den nächsten Jahren verändern werde und mit welchen landespolitischen Maßnahmen der Wandel gestaltet werden müsse. Während die Abgeordneten der Regierungsfraktionen von CDU und FDP in der anschließenden Aussprache die Ausführungen unterstützten, kritisierten die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen die skizzierten Pläne. Sie vermissten wesentliche strategische Maßnahmen.
    "Wir müssen unser Land fit machen für das Jahr 2025", sagte Generationenminister Armin Laschet (CDU) im Plenum. Dann würden die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1965 Schritt für Schritt in Rente gehen. Schon jetzt sei der Wandel durch die Folgen einer alternden Gesellschaft, durch schrumpfende Bevölkerung und langjährige Zuwanderung in den Kommunen angekommen. Es sei wichtig, besonders Kinder, Jugendliche und Familien für eine Zukunft "im Land des langen Lebens" zu stärken, erklärte Laschet. Durch weitere Anstrengungen in der Integrations-, Gesundheits-, Arbeitsmarkt- und Wohnpolitik könne der Wandel zur Chance werden. Laschet erklärte, künftig das gesamte Regierungshandeln auf "Demographie-Tauglichkeit" überprüfen zu wollen. Dann werde Nordrhein-Westfalen auch 2025 "Heimat für alle Generationen" bleiben.
    Als einen "dreisten Fall der Lebenszeitverkürzung von Abgeordneten" empfand Britta Altenkamp (SPD) die Ausführungen des Generationenministers. Sie vermisste im Plenum konkrete Maßnahmen zur Ausgestaltung des demographischen Wandels in Nordrhein-Westfalen und eine vorausschauende Politik der Landesregierung. Die Abgeordnete kritisierte, dass die Landesregierung von CDU und FDP gerade mit Blick auf die absehbaren Folgen des demographischen Wandels in den Kommunen keine konkrete Hilfe leiste. Stattdessen werde die erforderliche Infrastruktur in Städten wie Duisburg weiter abgebaut. Die Unterrichtung des Landtags durch die Landesregierung sei deshalb als eine "dürre Bilanz" der Landespolitik seit 2005 zu werten.
    Lob für die Ausführungen der Landesregierung äußerte Ursula Doppmeier (CDU). Mehr denn je komme es darauf an, "eine Politik für alle Generationen zu gestalten". Daher begrüße sie die Initiative des Ministerpräsidenten, das Jahr 2008 zum "Jahr des Miteinanders der Generationen" ausgerufen zu haben. Während die rot-grüne Landesregierung hierzu bis 2005 keine Anstrengungen unternommen habe, kümmere sich die Landesregierung von CDU und FDP insbesondere um die Familien "als Garanten der Zukunft". Als Beispiele nannte Doppmeier die Verzahnung der entsprechenden Politikbereiche, das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) und die Schaffung von 7.000 neuen Lehrerstellen an den Schulen. "Die Ampel ist auf Zukunft gestellt", so das Fazit der Abgeordneten.
    Den demographischen Wandel erklärte Christian Lindner (FDP) folgendermaßen: "Immer mehr Menschen leben immer länger und werden immer später pflegebedürftig." Dies sei ein Grund zur Freude und Gewinn für die Gesellschaft. Allerdings, so merkte Lindner an, würde dieser Gewinn gefährdet, "wenn wir nicht heute den Wandel gestalten". Die Landesregierung von CDU und FDP habe den demographischen Wandel als politisches Querschnittsfeld begriffen. Obwohl es in Zukunft weniger junge Menschen gebe, würden die Ausgaben für Bildung und Erziehung weiter erhöht, was zu einer deutlichen Qualitätssteigerung führe. Lindner begrüßte die Unterrichtung und prognostizierte, dass der demographische Wandel den Landtag von nun an regelmäßig beschäftigen werde.
    "Eine sehr müde Vorstellung" sah Andrea Asch (Grüne) in der Unterrichtung. Sie zeigte sich enttäuscht, dass Minister Laschet das Thema Integration nur am Rande behandelt habe. So forderte Asch die Landesregierung auf, sich stärker um Kinder aus Migrantenfamilien zu bemühen. Die Abwanderung von jungen Menschen werde zunehmend zu einem gesellschaftlichen Problem, erklärte die Abgeordnete. Zugleich müsse die Landesregierung die Kommunen bei der Quartiersplanung stärker unterstützen, um den Bedürfnissen einer alternden Gesellschaft gerecht zu werden. Asch zeigte sich überzeugt: Werde der demographische Wandel richtig gestaltet, "dann haben wir in Zukunft eine Gesellschaft, die älter, die aber auch bunter und vielfältiger sein wird".
    "Sie steuern 2025 in eine soziale Katastrophe", meinte Rüdiger Sagel (fraktionslos) zu den Ausführungen. Um diese Katastrophe zu verhindern, müssten Mindestlöhne eingeführt und mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen werden.
    sw

    Systematik: 5000 Gesellschaft/Bevölkerung

    ID: LI090110

  • Wilp, Josef (CDU); Koschorreck, Elisabeth (SPD); Lindner, Christian (FDP); Asch, Andrea (Grüne)
    Schlag auf Schlag: Landtag Intern macht den Aufschlag, die Abgeordneten retournieren.
    Diesmal zum demographischen Wandel.
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 10-11 in Ausgabe 1 - 28.01.2009

    Eine alternde Gesellschaft bedeutet für Nordrhein-Westfalen ...

    Josef Wilp (CDU): ... eine Veränderung der Bevölkerungsstruktur, da gleichzeitig die Zahl der Kinder deutlich abnimmt. Ein Land des langen Lebens birgt neben Herausforderungen auch Chancen, nämlich dann, wenn älter als Gewinn, bunter als Bereicherung und weniger mitunter auch als mehr verstanden wird.
    Elisabeth Koschorreck (SPD): ... zugleich Herausforderung und Chance. Vor allem ist es eine lösbare Aufgabe, wenn alle Verantwortlichen zusammenwirken und wir heute schon die richtigen Weichen stellen.
    Christian Lindner (FDP): ... die Verwirklichung des Menschheitstraums von einem längeren und möglichst gesunden Leben. Damit es kein Alptraum wird, muss die Politik aber heute die Weichen stellen. In Berlin ist von einer Gestaltung des demographischen Wandels leider zu wenig zu sehen.
    Andrea Asch (Grüne): ... die Chancen der Umgestaltung für ein menschlicheres, an den Bedürfnissen von alten und behinderten Menschen orientiertes Gemeinwesen zu entwickeln. Mit dem Schrumpfen der Bevölkerung gewinnen Zuwanderung und die Förderung von Kindern und Familien eine neue Bedeutung.

    Das Szenario von einem zukünftigen "Konflikt der Generationen" halte ich für ...

    Josef Wilp (CDU): ... vermeidbar, wenn es gelingt, eine solidarische Gesellschaft zu schaffen. Dazu gehört ein generationenübergreifender Konsens über die zentralen Werte und Aufgaben. Es geht um ein Miteinander und Füreinander, nicht um ein Nebeneinander und erst recht nicht um ein Gegeneinander.
    Elisabeth Koschorreck (SPD): ... stark übertrieben. Ich lebe selbst in einer engen Gemeinschaft mit vier Generationen zusammen. Wir wissen alle, dass wir ohneeinander nicht auskommen. Ob es Konflikte zwischen Gruppen gibt, hängt davon ab, wie der soziale Ausgleich durch Politik und Gesellschaft in Zukunft geregelt wird.
    Christian Lindner (FDP): ... übertrieben. Es ist aber eine ernstzunehmende Mahnung, den Generationenvertrag neu zu justieren, damit Ältere und Jüngere gleichermaßen vor einer unfairen Verteilung der Lasten geschützt werden. Nicht nur die Politik, auch die Gesellschaft ist gefragt.
    Andrea Asch (Grüne): ... falsch. Der demographische Wandel rückt das solidarische Miteinander der Generationen in den Blickpunkt. Die wachsende Zahl von generationenübergreifenden Projekten ist eine Chance für unser Zusammenleben. Dies gilt es weiter auszubauen und zu fördern, etwa mit kurzen Wegen und Verkehrsberuhigungen.

    Die sozialen Sicherungssysteme werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten...

    Josef Wilp (CDU): ... immer wieder vor besonderen Herausforderungen stehen. Es gilt, die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest auszugestalten und darauf zu achten, dass im Rahmen von Generationengerechtigkeit Ansprüche, Leistungen und Vorleistungen aller Generationen sachgerecht miteinander abgewogen werden.
    Elisabeth Koschorreck (SPD): ... das wichtigste Rückgrat für unsere solidarische Gesellschaft sein. Nur sie garantieren, dass alle die notwendigen Leistungen in schwierigen Lebenslagen bekommen und dass die eigene Lebensleistung gerecht gewürdigt wird. Die aktuelle Finanzkrise zeigt, dass Solidarität zwischen den Generationen das tragfähigste Konzept für die Alterssicherung ist.
    Christian Lindner (FDP): ... reformiert werden müssen. Die Große Koalition hat versäumt, sie zukunftssicher auszugestalten. Wir brauchen nach dem Vorbild der privaten Krankenversicherungen mehr Kapitalrückstellungen in allen Säulen der Sozialversicherung. Das betrifft gerade die Pflege. Dazu kommt die Stärkung der Eigenvorsorge.
    Andrea Asch (Grüne): ... weiterentwickelt und demographiefest gemacht werden. Wir müssen Menschen im Alter besser vor Armut schützen und die Pflege qualitativ wie organisatorisch verbessern, mit einer solidarisch finanzierten Reserve ausstatten und ebenso wie die Krankenversicherung zu einer umfassenden BürgerInnenversicherung ausbauen.

    Um für den demographischen Wandel gewappnet zu sein, muss die Landespolitik ...

    Josef Wilp (CDU): ... allen Generationen gerecht werden, das heißt zugleich eine kinder-, familien- und seniorengerechte Politik betreiben. Zudem hat sich Politik einzusetzen für eine bessere Ausbildung, qualifizierte Zuwanderung, die Erhöhung der Frauenerwerbsquote sowie eine Verminderung der Lasten der Nachwachsenden.
    Elisabeth Koschorreck (SPD): ... mehr für die Kommunen tun. Der demographische Wandel wirkt sich dort in der alltäglichen Daseinsfürsorge am stärksten aus. Finanzielle Unterstützung, Beratung und Standards, die die Gleichheit der Lebensverhältnisse im ganzen Land ermöglichen, die Vereinbarung von Kultursensibilität im Hinblick auf die älter werdenden Migrantinnen und Migranten, sind dringend notwendig.
    Christian Lindner (FDP): ... erstens: Entscheidungen der Gegenwart aus der Perspektive des Jahres 2050 hinterfragen. Zweitens: den Staat durch weniger Schulden und Bürokratie handlungsfähig halten. Drittens: mit gesellschaftlichen Gruppen einen öffentlichen Dialog über die konkreten Folgen des demographischen Wandels führen.
    Andrea Asch (Grüne): ... dieses Thema endlich in Angriff nehmen. Als Querschnittsaufgabe muss es zur Chefsache der Landesregierung gemacht werden. In Zusammenarbeit aller Ressorts ist ein strategisches Konzept zu entwickeln, um den Herausforderungen des demographischen Wandels zu begegnen und NRW zukunftsfest zu machen.

    Eine zunehmend älter werdende Gesellschaft verlangt von den Städten und Gemeinden ...

    Josef Wilp (CDU): ... eine Neupositionierung fast aller kommunalen Politikfelder. Es geht unter anderem um die Bereiche des Arbeitens, der Bildung, des Wohnens, des Verkehrs, der Mobilität, der Gesundheit und Pflege, der Kultur, des Sports und der Auf- und Zuteilung der Ressourcen, auch der finanziellen.
    Elisabeth Koschorreck (SPD): ... eine sozialpolitische Perspektive, die Sicherheitsund Schutzfunktion bei besonderem Bedarf, wie etwa Krankheit, Hilfs- und Pflegebedürftigkeit beinhaltet und eine Perspektive, die auf die Förderung der Selbstbestimmung, den Erhalt der Selbstständigkeit sowie die Mitverarbeitung älterer Menschen zielt.
    Christian Lindner (FDP): ... eine andere soziale Infrastruktur, neue Formen der Einbeziehung agiler Senioren in den Alltag und eine angepasste Stadtentwicklung. Ältere Menschen wollen länger, barrierefrei und zentrumsnah in den eigenen vier Wänden leben.
    Andrea Asch (Grüne): ... eine ressortübergreifende Quartiersplanung, die den Sozial-, Wohnungs- und Verkehrsbereich verbindet. Die kommunale Infrastruktur muss den Bedürfnissen alter Menschen angepasst, altersgerechtes und generationenübergreifendes Wohnen gefördert und Angebote für alle Generationen gesichert werden.

    Die Auswirkungen einer älter werdenden Gesellschaft stellen jede Bürgerin und jeden Bürger schon heute vor die Herausforderung, ...

    Josef Wilp (CDU): ... sich auf diesen Wandel einzustellen: Für die junge und mittlere Generation wird die persönliche Vorsorge eine immer größere Bedeutung erlangen, um auch im Alter den Lebensstandard halten zu können.
    Elisabeth Koschorreck (SPD): ... sich auf ein Leben im Alter einzustellen und Vorsorge zu treffen. Wie möchte ich zukünftig leben und was muss ich heute dafür tun? Jede und jeder muss heute schon im Blick haben, dass wir Verantwortung füreinander haben. Bereits heute gibt es sehr viele ältere Menschen in unserer Gesellschaft, um die wir uns kümmern können und müssen.
    Christian Lindner (FDP): ... bei finanziellen Vorsorgeentscheidungen und der eigenen Lebensplanung frühzeitig an das Alter zu denken, obwohl wir solche Gedanken lieber verdrängen.
    Andrea Asch (Grüne): ... das Miteinander der Generationen zu gestalten, sich einzubringen in die Quartiersplanung, mitzuwirken am Aufbau von Strukturen, die ein menschenwürdiges, selbstbestimmtes Leben im Alter ermöglichen.

    Wenn unsere Nachkommen in 50 Jahren auf die heutige Politik zum demographischen Wandel zurückblicken, werden sie sagen, ...

    Josef Wilp (CDU): ... die gesellschaftlich Verantwortlichen haben die richtigen Weichen für ein respektvolles und solidarisches Miteinander von Jung und Alt gestellt. Das zumindest wünsche ich mir. Doch ich bin kein Prophet.
    Elisabeth Koschorreck (SPD): ... dass wir vieles richtig und manches falsch gemacht haben, dass unsere Gesellschaft vielfältig und lebendig geblieben ist, dass das Bekenntnis zu den sozialen Sicherungssystemen Garant für Stabilität und Gerechtigkeit war und ist.
    Christian Lindner (FDP): ... dass Deutschland nach dem Wechsel zu einer schwarz-gelben Bundesregierung im September 2009 zum Glück die Kurve bekommen hat!
    Andrea Asch (Grüne): ... dass die Notwendigkeiten der Steuerung viel zu spät erkannt worden sind. Es wurde viel geredet, aber zu wenig zielführend in Angriff genommen und umgesetzt. Es wurde leider noch zu lange und zu viel in Großeinrichtungen investiert, statt in überschaubaren Wohn- und Pflegeangeboten im Wohnquartier.

    Idee und Umsetzung: Sebastian Wuwer und Christoph Weißkirchen.

    Systematik: 5000 Gesellschaft/Bevölkerung

    ID: LI090111

  • In der Krise wachsen die Kräfte.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 13 - 17.12.2008

    Der Landtag Nordrhein-Westfalen beendet ein arbeitsreiches Jahr - und ein ereignisreiches dazu. Die Abgeordneten haben seit Januar an 30 Plenartagen und in zahllosen Sitzungen der 17 Fachausschüsse bislang 59 Gesetzentwürfe und 322 Anträge (davon 74 Entschließungsanträge und 11 Eilanträge) beraten und entschieden. Schon jetzt lautet daher die Bilanz: Der Souverän, das Volk, kann also mit dem Arbeitspensum seiner gewählten Vertreterinnen und Vertretern zufrieden sein. Also alles "Friede, Freude, Eierkuchen"? Das wäre kein zutreffendes Bild von der Parlamentsarbeit des Landtags. Hier wird im besten Sinn um Lösungen gerungen. Probleme werden erkannt, Argumente herausgearbeitet und abgewogen, Mehrheiten organisiert und Entscheidungen getroffen. Und für diese müssen dann die Menschen gewonnen werden: Integration, Reform der Bildung und Erreichung der Bildungsziele, Klimaschutz und sogar der Kampf gegen krisenhafte Entwicklungen in der Wirtschaft - alles Themen dieses Jahres - gelingen nur, wenn die Bürgerinnen und Bürger mitmachen, wenn sie das leben, was den Zusammenhalt der Gesellschaft ausmacht.

    Streit und Entscheidung

    2008 war, dieser Schluss ist naheliegend, ein Jahr der Krisen. Es fing damit an, dass in Bochum durch den Rückzug von Nokia Tausende Menschen arbeitslos wurden. Was hat der Landtag, was hat die Landesregierung nicht alles versucht, um die finnischen Manager zum Einlenken zu bewegen - vergeblich. Dann die Landesbank West- LB, die als "Global Player" Unsummen in den Sand gesetzt hat. Jetzt braucht sie Geld, um wieder auf die Beine zu kommen. Über Wochen und Monate hat der Landtag am "Rettungsschirm" für die Bank mitgewirkt. Und einen dreistelligen Millionenbetrag erwartet schließlich Berlin als Beitrag des Landes zum Finanzmarktstabilisierungsfonds des Bundes. Mit Auswirkungen auf das Land und seinen Haushalt, der entsprechend ergänzt und überarbeitet werden muss. Als wäre das alles noch nicht genug, zeichnen sich dunkle Schatten am Konjunkturhimmel ab. Von allem ist eben auch NRW betroffen. Im neuen Jahr wird es im Parlament also wieder darum gehen, wer die besten Rezepte zum Krisenmanagement hat. Und wieder wird sich im Parlament zeigen, dass Krisen neue Kräfte wecken - im Kampf von Meinung und Gegenmeinung, von Regierungslager und Opposition, in demokratischem Streit und parlamentarischer Entscheidung.
    jk/cw

    ID: LI081323

  • Stahl, Helmut (CDU); Kraft, Hannelore (SPD); Dr. Papke, Gerhard (FDP); Löhrmann, Sylvia (Grüne)
    Zwischen Konflikt und Konsens.
    Rückblick und Ausblick der Fraktionsvorsitzenden.
    Titelthema / Schwerpunkt;

    S. 9 in Ausgabe 13 - 17.12.2008

    Helmut Stahl (CDU):
    Das parlamentarische Jahr 2008 war zum einen geprägt von sehr konfliktbehafteten, jedoch notwendigen Gesetzgebungsvorhaben. Dafür steht beispielhaft die Novelle des nordhrein-westfälischen Sparkassenrechts. Andererseits ist es gelungen, ein ebenfalls wichtiges Gesetzgebungsvorhaben weitgehend konsensual zu beraten und zu beschließen. Dafür steht das neue Landes-Heimgesetz. Das kennzeichnet die Spannbreite der politischen Auseinandersetzung. Innerhalb dieser Spannbreite sind in 2008 eine Fülle von Reformvorhaben erfolgreich auf den Weg gebracht worden. Sie alle haben das Ziel: den Menschen dienen in Nordrhein-Westfalen, die Bildungschancen junger Leute verbessern, die Wirtschafts- und Innovationskraft unseres Landes stärken. Dieses Ziel wird uns auch in 2009 leiten. Es wird unter anderen Vorzeichen stehen als das Jahr 2008. Die Wirkungen der globalen Finanzmarktkrise und ihres Übergreifens auf unsere heimische Wirtschaft werden uns erreichen. Das wird allen, die in Gesellschaft und Staat Verantwortung tragen, ein hohes Maß Flexibilität und Entscheidungsfreude abverlangen. Und das in einem Jahr, das ein "Superwahljahr" sein wird! Dennoch werden wir Kurs halten. Dieser Kurs ist bestimmt durch soziale Gerechtigkeit ebenso wie durch wirtschaftliche Vernunft. Beides sind Seiten der gleichen Medaille. Für das parlamentarische Jahr 2009 wünsche ich mir eine parlamentarische Arbeit, die den Herausforderungen wie Chancen eines schwierigen Jahres gerecht wird.

    Hannelore Kraft (SPD):
    Das parlamentarische Jahr 2008 war ein verlorenes Jahr für NRW. CDU und FDP haben ihre falsche Politik zum Nachteil der Menschen fortgeführt. Ich nenne hierbei nur einige Stichworte: Trotz massiver Proteste wird mit dem Sparkassengesetz einer möglichen Privatisierung unserer Sparkassen Vorschub geleistet. Ohne Not wurden die Gelder für die Arbeitslosenhilfe gestrichen. Die WestLB ist immer tiefer in die Krise gerutscht - auch weil Schwarz-Gelb kein Zukunftsmodell entwickelt hat. CDU und FDP haben die guten Chancen für unser Land nicht genutzt: Trotz 7,76 Milliarden Euro an Steuereinnahmen seit 2005 macht die Regierung zwölf Milliarden Euro neue Schulden. Ein wichtiges demokratisches Signal war jedoch sicherlich, dass alle Fraktionen gemeinsam Fremdenhass und Extremismus die rote Karte gezeigt haben. Für das Jahr 2009 wünsche ich mir mehr Einsicht bei CDU und FDP - insbesondere angesichts der Rezession, die vor der Tür steht. Wie nachhaltig die Krise NRW erfasst, wird davon abhängen wie entschlossen wir auf die Herausforderungen reagieren. Es bedarf einer Politik der sozialen Vernunft. Dazu gehört ein Schutzschirm für die rund 150.000 Männer und Frauen in der Leih- und Zeitarbeit in NRW. Dazu gehört auch ein gesetzlicher Mindestlohn, um gerade in Krisenzeiten Ausbeutung und Lohndumping zu verhindern. Ich hoffe auch darauf, dass die Landesregierung ihre Kürzungspolitik zu Lasten der Kommunen rückgängig macht und endlich den notleidenden Städten und Gemeinden finanziell hilft anstatt sie weiter zum Kaputtsparen zu zwingen.

    Dr. Gerhard Papke (FDP):
    Das Jahr 2008 war für die FDP-Fraktion arbeitsintensiv und sehr erfolgreich. Auf dem Weg, NRW zum Bildungsland Nr. 1 zu machen, sind wir weiter vorangekommen. FDP und CDU haben seit der Regierungsübernahme 6.915 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen. Die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren haben wir fast vervierfacht. Ende 2008 stehen 44.600 Plätze zur Verfügung - bis 2013 werden es sogar 144.000 sein. Das Ganztagsmodell wird auf alle Schulformen ausgeweitet. Drei neue Fachhochschulen werden gegründet; acht erweitert. Gerade mit unseren Bildungsreformen sorgen wir für mehr Chancengerechtigkeit. Der Luftreinhalteplan, das Nichtraucherschutz- und das Heimgesetz erhöhen die Lebensqualität der Menschen. Mit der Zusammenlegung von Kommunal- und Europawahl stärken wir die Bedeutung beider Wahlen. Für 2009 wünsche ich mir, dass wir die bevorstehenden Herausforderungen gemeinsam entschlossen meistern. Die FDP ist bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise noch stärker gefordert, einer Politik der wirtschaftlichen Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen, die konjunkturelle Impulse setzt und marktwirtschaftliche Erneuerung forciert. Wir müssen NRW wieder auf den Wachstumspfad führen und den Haushalt konsolidieren. Gleichzeitig ist es notwendig, Bürger und Mittelstand wirksam zu entlasten. Wirtschaftliche Dynamik und Leistungsgerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille. Die Reformpolitik unserer Koalition muss konsequent weitergeführt werden.

    Sylvia Löhrmann (Grüne):
    Das parlamentarische Jahr 2008 war für meine Fraktion ein Jahr intensiver Oppositionsarbeit. Anlass gab es reichlich: Die CDU hat 39 Jahre Anlauf genommen, um dieses Land gestalten zu dürfen - und schon nach 39 Monaten gemeinsam mit der FDP für den Abstieg gesorgt. Trotz hoher Mehreinnahmen steigt die Neuverschuldung drastisch, NRW ist vom Geber- zum Nehmerland geworden. Auch sonst heißt es für NRW "zurück in die Vergangenheit". Das sozial selektive und leistungsfeindliche Schulsystem wird zementiert, Klimaschutz findet nicht statt, die soziale Gerechtigkeit bleibt auf der Strecke: Arbeitslosenzentren dicht, Obdachlosenhilfe gestrichen. Und im Parlament? Dass die Koalition nicht auf die Opposition hört - geschenkt. Aber sie ignoriert auch jegliche fachliche Expertise. CDU und FDP schmoren halt lieber im eigenen alten Saft. Für das parlamentarische Jahr 2009 wünsche ich mir eine Stärkung der parlamentarischen Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition. Warum nicht mehr auf die ExpertInnen hören, mehr Gemeinsamkeit wagen? - Das Wohl des Landes im Blick. Nur so können wir die Herausforderungen meistern: Klimaschutz, Bildung, Finanzund Wirtschaftskrise, soziale Gerechtigkeit. Wenn aber CDU und FDP weiter nach Basta-Manier "durchregieren", bleiben wir eine harte Opposition, die der schwarz-gelben Vergangenheitspolitik den Spiegel vorhält und mit den Herausforderungen der Zukunft konfrontiert. Denn: Zukunft ist Jetzt!

    ID: LI081303

  • Der Landtag als Krisenmanager.
    Abgeordnete erfüllen umfangreiches Pensum.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Jahresrückblick
    S. 10-11 in Ausgabe 13 - 17.12.2008

    Mit Krisenmanagement beginnt und endet das parlamentarische Jahr 2008. Im Januar muss sich das Landesparlament mit den drohenden Arbeitsplatzverlusten bei Nokia befassen. Gegen Ende des Jahres treibt die Landespolitik die Sorge um, wie stark die Wirtschaft von der Rezession betroffen wird und was mit dem Bochumer Opelwerk geschieht, dem nordrhein-westfälischen Zweigunternehmen des am Abgrund stehenden amerikanischen Autokonzerns General Motors. Aber es dreht sich im Parlament nicht nur um Krise(n). Es geht auch und immer wieder um Hochschulen, Schulen, Kindergärten. Weitere wichtige Themen sind Integration, Gesundheitswesen, Altenpflege, die Situation der Behinderten, Arbeitsmarkt, Klimaschutz und Energiepolitik - eben das ganze Spektrum der Parlamentsarbeit.

    Januar

    Der finnische Handyhersteller Nokia bleibt bei seinen Schließungsplänen für den Standort Bochum, obwohl der Landtag in einer Aktuellen Stunde an die Konzernspitze appelliert, die Pläne zurückzunehmen. Eine Woche zuvor sind im Wirtschaftsausschuss die Wellen hochgegangen: Da empörten sich Abgeordnete über die "sachlich nicht nachvollziehbare" Entscheidung, einzelne riefen zum Boykott von Nokia-Handys auf.
    In namentlicher Abstimmung weist die Landtagsmehrheit den Antrag zurück, die umstrittene CO-Pipeline der Firma Bayer von Dormagen nach Uerdingen wegen der möglichen Gefahr für die Bevölkerung nicht in Betrieb zu nehmen.
    In einer Aktuellen Stunde wird dem Umweltminister vorgeworfen, Daten über die PFTVerseuchung an der Ruhr "geschönt" zu haben. Er habe im Gegenteil umfassend und lückenlos über das Problem informiert, verteidigt sich der Minister. Außerdem debattiert das Plenum über die Antwort auf die Große Anfrage zum Klimaschutz in NRW, ein Thema, um das bis Ende des Jahres immer wieder gerungen wird.

    Februar

    Im Ruhrgebiet will die Landesregierung aus Rücksicht auf Pendler und Wirtschaft nicht eine große und zusammenhängende, sondern mehrere einzelne Umweltzonen einrichten. Das führe zu "Chaos pur", urteilt die Opposition. Die Umweltzone Ruhr steht dann Anfang Juni im Zentrum einer Anhörung im Umweltausschuss. Hängt der Schulerfolg junger Leute davon ab, wie lange sie vor der Spielkonsole sitzen und welche Inhalte sie am PC abrufen? Auf diesen Zusammenhang weist eine Studie hin, die im Landtag zur Sprache kommt. Ein anderes bildungspolitisches Thema sind die umstrittenen Kopfnoten auf den Zeugnissen. In der Folgezeit geht es in der Schulpolitik auch um das "Turbo- Abitur", das Zentralabitur, den Ausbau des Ganztagsangebots sowie das Problem der Lernund Sprachstandserhebungen.

    März

    Mit der Begründung, Wahltermine zu bündeln und die Attraktivität der Kommunalwahlen zu erhöhen, will die Koalition im Land die Kommunalwahl zusammen mit der Europawahl im Juni 2009 durchführen. Das stößt auf Protest der Opposition. Sie weist auf die Folgen für die gewählten Mandatsträger hin und unterstellt der Koalition, sie befürchte, schlecht abzuschneiden. Drei Monate später wird das Gesetz in dritter Lesung mit Landtagsmehrheit angenommen.
    In zweiter Lesung verabschiedet das Parlament das novellierte Kunsthochschulgesetz, das bei den Betroffenen auf breite Zustimmung gestoßen ist. In Anlehnung an die übrige Hochschulgesetzgebung werden die Kunsthochschulen des Landes von Regularien befreit und erhalten größere Autonomie in Organisation, Studium und beim Personal.

    April

    Wird in NRW der Strom knapp, wenn der Bau neuer Großkraftwerke auf Kohlebasis aufgeschoben oder verhindert wird und es beim Atomausstieg bleibt, wie die Koalitionsfraktionen dies befürchten? Die Gefahr einer "Stromlücke" spaltet das Landesparlament. SPD und Grüne fordern die Landesregierung auf, ihre "Atomphantasien" zu beenden und den Ausbau regenerativer Energien energisch zu fördern.
    Die Enquetekommission I zu den Auswirkungen steigender Preise bei den Energieimporten legt ihren Abschlussbericht mit zwei unterschiedlichen Voten vor. Die eine Seite - CDU und FDP - sieht keinen Anlass zu "Untergangsszenarien" und der Forderung "nach einem totalen Ökostaat". Die anderen, SPD und Grüne, setzen auf Energieeinsparung und den Ersatz teurer Importenergie durch regenerative Lösungen.
    Die Abgeordneten debattieren die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zur Situation der Pflege in NRW. Es besteht Konsens darin, dass für die wachsende Zahl älterer - und damit oft pflegebedürftiger - Menschen ein menschliches und angemessenes Angebot im Land bereitzustellen ist. Später im September geht es in einer zweitägigen Anhörung des Sozialausschusses um das Heimgesetz des Landes. Es soll pflegebedürftigen Menschen ein selbstbestimmtes Leben sichern und einen Abbau zur Pflegebürokratie leisten.

    Mai

    Vor dem Hintergrund von Fällen, in denen Kinder in ihren Familien vernachlässigt werden, wird im Rund des Plenarsaals ein ganzes Bündel von staatlichen und kommunalen Maßnahmen zur Förderung benachteiligter Kinder erörtert. Am Ende gibt es einen gemeinsamen Antrag in Sachen Kinderschutz, zu dem Ende August der Generationenausschuss Fachleute anhört.
    In zweiter und dritter Lesung billigt der Landtag den Nachtragshaushalt 2008 - mit der Koalitionsmehrheit und gegen die Stimmen der Opposition. Es geht u. a. um eine Milliardenlandesbürgschaft für die Westdeutsche Landesbank (WestLB). Mit diesem "Risikoschirm" soll die angeschlagene Bank Gelegenheit erhalten, sich umzustrukturieren und ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln.

    Juni

    Schweigt der Landwirtschaftsminister zu den Problemen der auch vor dem Landtag demonstrierenden Milchbauern? In einer Aktuellen Stunde fordert die Opposition, der Minister solle sich eindeutig auf ihre Seite stellen. Die Koalition kontert: Die Rahmenbedingungen werden nicht im Land, sondern in Berlin und Brüssel festgelegt.
    Seinen Teilabschlussbericht legt der Parlamentarische Untersuchungsausschuss I vor, der in dem Mord an einem jungen Häftling in der Justizvollzugsanstalt Siegburg ermittelt hat. Eine Woche später erörtert ihn das Plenum. Vor dem Hintergrund dieser Tat beschließt das Plenum mit allen Fraktionen, eine weitere (eine zweite gibt es da schon: Chancen für Kinder) Enquetekommission einzurichten. Sie soll sich um Maßnahmen kümmern, wie durch eine Präventionspolitik junge Menschen davon abgehalten werden können, straffällig zu werden.
    Eine "einzigartige Sozialcharta" soll die Mieterinnen und Mieter von Wohnungen der an einen britischen Investor verkauften Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) und die LEG-Beschäftigten absichern. Darüber hält der Landtag eine Aktuelle Stunde ab. Die Opposition ist der Auffassung, dass der Verkauf zulasten der Kommunen und der Mieterinnen und Mieter geht.
    Nach dem Ersten Nachtragshaushalt kommt der Zweite. In erster Lesung geht es um die Verwendung von Steuermehreinnahmen und um zusätzliche und nicht vorhersehbare Ausgaben. Die Opposition kritisiert, dass die Regierung den Schuldenstand des Landes erhöht und damit von ihrem Ziel der Haushaltskonsolidierung abrückt.

    Juli

    In der letzten Plenarsitzung vor der Sommerpause geht es um die Studienbeiträge in NRW. CDU und FDP sind der Überzeugung, dass die Beiträge der Studierenden für mehr Qualität in der Lehre sorgen und zu besseren Studienbedingungen führen. Die Opposition bemängelt, das Land entlaste sich auf Kosten der jungen Menschen.
    Ende Juni findet der 1. Jugend-Landtag NRW statt. 187 Jugendliche setzen sich in Arbeitskreisen und Fraktionssitzungen, in Fachausschüssen und einer abschließenden Parlamentsdebatte mit Themen auseinander, die für sie auch im Alltag von Bedeutung sind. Am Ende gibt es zwei Resolutionen: Am grundsätzlichen wirtschaftlichen Werbeverbot an den Schulen soll festgehalten werden. Kommunale Kinderund Jugendbeiräte sollen eingeführt werden.

    August

    Nach der Sommerpause beginnt wieder der Ernst der Parlamentsarbeit, der Landeshaushalt 2009 wird eingebracht und in erster Lesung erörtert. Der Finanzminister nennt unter der Überschrift "Konsolidieren, Modernisieren, Investieren" die Eckdaten des 53-Milliarden- Etats. Die Opposition betont, mit diesem Entwurf sei die Regierung "an ihren eigenen Versprechungen gescheitert".
    Ein Bild der Lage der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in unserem Land zeichnet der 1. Integrationsbericht der Landesregierung. Während Koalition und Regierung konkrete Fortschritte bei der Zukunftsaufgabe Integration benennen, sieht die Opposition in dem Bericht einen Ausdruck von "Symbolpolitik". Der zuständige Minister kündigt eine Einbürgerungskampagne an.

    September

    Der Frauenausschuss hat die Vorarbeit dafür geleistet, dass sich die Landtagsabgeordneten in zwei Anträgen entschieden gegen die Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen wenden.
    Ein Wochenende lang öffnet der Landtag seine Türen: Über 20.000 Besucherinnen und Besucher nutzen die Gelegenheit, das seit 20 Jahren am Rheinufer gelegene Parlament in Augenschein zu nehmen. Zeitgleich wird der Weltkindertag 2008 gefeiert.
    Nicht mit Toleranz rechnen können rechtsextremistische Bestrebungen, zum Beispiel gegen den Bau der Moschee in Köln-Ehrenfeld. In einem gemeinsamen Antrag sprechen sich alle Fraktionen entschieden gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aus und bekennen sich zu einer pluralistischen, toleranten und freiheitlichen Gesellschaft.
    Medizin gegen das "unkoordinierte Sterben" von Krankenhäusern soll der Krankenhausrahmenplan bieten, den die Opposition von der Landesregierung fordert. Sie solle die Krankenhäuser stärker unterstützen. Die Koalition ihrerseits macht auf die Versäumnisse aufmerksam, die von Rot-Grün in der Vergangenheit zu verantworten und nun von Schwarz-Gelb aufzuarbeiten seien.

    Oktober

    Sondersitzung des Landtags zu den Auswirkungen der internationalen Finanzkrise. Alle Fraktionen erklären ihre Unterstützung zum 480-Milliarden-Rettungspaket der Bundesregierung. Eine Woche später diskutieren die Abgeordneten über die Unterrichtung der Landesregierung zur Lage der Wirtschaft und der Finanzmärkte im Land.
    Im Landtag macht die Schulministerin darauf aufmerksam, dass sich seit dem Regierungswechsel der Unterrichtsausfall an nordrhein- westfälischen Schulen halbiert hat. Die Opposition bezweifelt dagegen in einer Aktuellen Stunde die Aussagekraft der vorgelegten Studie.
    Nach zweieinhalbjähriger Arbeit legt die sogenannte Kinderkommission ihre Ergebnisse zur Beratung im Plenum vor. In dem Bericht der Enquetekommission II wird die Bedeutung frühkindlicher Bildung unterstrichen. Die Erkenntnisse sollen Basis des parlamentarischen und des Regierungshandelns für Rahmenbedingungen eines optimalen Bildungs- und Betreuungsangebots sein.

    November

    Der Landtag verabschiedet in zweiter Lesung mit breiter Mehrheit das nach Meinung der Koalition "modernste Heimgesetz" Deutschlands. Es soll älteren, behinderten und pflegebedürftigen Menschen ein ihrer Selbstbestimmung und Würde entsprechendes Leben ermöglichen.
    In dritter Lesung nimmt der Landtag das neue Sparkassengesetz an, das von der Landesregierung vorgelegt worden ist. Nach monatelangen Auseinandersetzungen hat es zum Schluss eine Annäherung zwischen Koalition und Opposition gegeben. Das reicht aber nicht aus, um eine breite Mehrheit sicherzustellen.

    Dezember

    Angesichts der auf das nächste Jahr verschobenen zweiten und dritten Lesung des Landesetats 2009 kommt es bei der Plenardebatte um den Dritten Nachtragshaushalt 2008 zum Schlagabtausch über die Finanzpolitik der Koalition. Die Opposition wirft der Regierung vor, trotz hoher Steuermehreinnahmen nicht genug zu sparen und neue Schulden aufzunehmen. Der überwiegende Teil werde zur Senkung der Neuverschuldung genutzt, kontert der Finanzminister. 430 Millionen Euro würden eingesetzt, um Risiken bei der WestLB abzusichern, 185 Millionen Euro dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz des Bundes zugeführt.
    Jürgen Knepper

    ID: LI081309

  • Auf den Energiemix kommt es an.
    Editorial / Kommentar / Blickpunkt;
    Titelthema / Schwerpunkt
    S. 2 in Ausgabe 12 - 03.12.2008

    Deutlicher hätte die jüngste Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) nicht ausfallen können. Bis zum Jahr 2030 werde der weltweite Energiehunger um bis zu 40 Prozent gegenüber dem Jahr 2006 wachsen, gab die Organisation Mitte November bekannt. Die Suche nach zukunftsfähigen Energiekonzepten wird so zu den größten politischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.
    Auch für die Politikerinnen und Politiker im Landtag stellen sich angesichts der globalen Entwicklungen drei grundlegende Fragen: Wie ist die Energieversorgung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten sicherzustellen? Was darf Energie in Zukunft kosten? Und welche Risiken der Energieerzeugung für Umwelt, Klima und Gesellschaft dürfen langfristig eingegangen werden?
    Auch wenn die Antworten der politischen Akteure unterschiedlich ausfallen - in einem sind sich alle einig: Mehr denn je kommt es darauf an, den richtigen Energiemix zu finden. Das bedeutet, die Nutzung der bewährten und der noch weitgehend zu erforschenden, neuen Energieträger strategisch aufeinander abzustimmen. Zum einen muss die Effizienz der Energieerzeugung weiter steigen, zum anderen muss es gelingen, den Kohlendioxidausstoß deutlich zu verringern. Für das Energieland Nordrhein- Westfalen ist die Debatte gleich mehrfach von Bedeutung.

    Weichenstellung

    Uneins sind die Landespolitikerinnen und Landespolitiker darüber, ob der heimische Energieträger Steinkohle eine Zukunft hat. Zwar hat die Große Koalition in Berlin schon Anfang 2007 den Ausstieg aus dem subventionierten Bergbau bis zum Jahr 2018 beschlossen, doch soll dieser Beschluss 2012 zur Überprüfung noch einmal auf die politische Tagesordnung kommen. Umstritten bleibt zudem die Frage, inwieweit die Erforschung erneuerbarer Energien und die Weiterentwicklung bestehender Kraftwerkstechnologien dem Energieland NRW auch wirtschaftlichen Fortschritt garantieren. Und nicht zuletzt hängen viele energiepolitische Entscheidungen davon ab, wie die beschlossene Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke umgesetzt wird.
    All diese Überlegungen machen deutlich: In den nächsten Jahren müssen die Weichen für die Zukunft der Energieversorgung gestellt werden. Ein Thema also, das alle Beteiligten noch viel Energie kosten wird.
    sw

    ID: LI081209

  • Von Kohle und Kernkraft.
    Energieausschuss besuchte Atomkraftwerk und Steinkohlenbergbau.
    Titelthema / Schwerpunkt;
    Ausschussbericht
    S. 9 in Ausgabe 12 - 03.12.2008

    6./7.11.2008 - Ins nordrhein-westfälische Ibbenbüren und ins niedersächsische Lingen machte sich der Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie (Vorsitz Franz-Josef Knieps, CDU) auf den Weg. Abgeordnete aller vier Fraktionen besuchten gemeinsam den Steinkohlenbergbau der RAG Anthrazit GmbH Ibbenbüren und das Kernkraftwerk Emsland der RWE Power AG. Vor Ort informierten sie sich über aktuelle Entwicklungen auf den Energiemärkten und über die Praxis der Energieerzeugung durch Kernkraft und Kohle.
    Nach dieser Fahrt wird sicherlich kein Abgeordneter seine Meinung zu energiepolitischen Fragen geändert haben", erklärte der Ausschussvorsitzende Franz-Josef Knieps im Bus nach Lingen. "Doch die Fahrt kann dazu beitragen, dass wir unterschiedliche Positionen besser verstehen." Schließlich habe das Thema Energiepolitik für Nordrhein-Westfalen höchste Priorität, so Knieps, der sich für eine "ideologiefreie Diskussion" über die Zukunft der Energieversorgung aussprach. Dies forderte in Lingen auch Oberbürgermeister Heiner Pott: "Lassen Sie uns Ideologie beiseite schieben und über Fakten sprechen", so seine Einladung an die Ausschussmitglieder der vier Landtagsfraktionen. Im Informationszentrum des Kraftwerks machte Pott die Bedeutung der Atomenergie für den Wirtschaftsstandort deutlich und betonte, die Bürgerinnen und Bürger in der Nachbarschaft brächten dem Werk "ein ausgesprochen hohes Vertrauen" entgegen.
    Kurz nach der Begrüßung erhielten die Abgeordneten die seltene Gelegenheit, persönlich die seit 20 Jahren betriebene Anlage zu besichtigen. In Kleingruppen erkundeten sie das Werk von der Maschinenhalle über die Kontrollwarte des Reaktors bis hin zum kraftwerkseigenen Zwischenlager. Pro Jahr erzeugt das Kraftwerk nach Angaben der Betreiber rund 1.400 Megawattstunden Strom. Im gleichen Zeitraum fallen rund drei Castorbehälter mit radioaktiven Reststoffen an. Diese sollen solange auf dem Gelände gelagert werden, bis in Deutschland die Frage nach einem geeigneten Endlager beantwortet ist.
    Im Anschluss an den Kraftwerksbesuch sprach sich Dr. Gerd Jäger, Vorstandsmitglied der RWE Power AG, dafür aus, die Erkundung der potenziellen Lagerstätten im niedersächsischen Gorleben weiter voranzutreiben. Zugleich betonte er, die Kernenergie werde aus Konzernsicht "nicht zum Selbstzweck" betrieben. Ziel der Energiepolitik müsse vielmehr eine wettbewerbsfähige und sichere Stromversorgung für Deutschland bleiben. In diesem Sinne sei für ihn die Kernenergie derzeit unverzichtbar, auch wenn der Ausbau regenerativer Energien durch Forschung und Entwicklung forciert werden müsse.

    Spektakuläre Einblicke

    Von der Kernkraft zur Kohle führte die Dienstreise den Ausschuss am nächsten Morgen. Im Bergwerk Ibbenbüren empfing Bernd Tönjes die Abgeordneten "mit einem herzlichen Glückauf". Der Vorstandsvorsitzende der RAG Aktiengesellschaft nutzte den Besuch der Abgeordneten, um den vereinbarten Ausstieg von Bund und Land aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau zu thematisieren. Tönjes äußerte in dem Gespräch die Hoffnung, dass im Jahr 2012 neu darüber gesprochen werde. Für die Menschen in Ibbenbüren und in der Region bleibe der Bergbau weiterhin größter Arbeitgeber, so der Vorstandsvorsitzende: "Auf jeden Arbeitsplatz im Bergbau kommen statistisch gesehen weitere 1,3 Arbeitsplätze in der Mantelindustrie." Der Erhalt des Bergbaus sei außerdem wichtig, um deutsche Technologien besser auf den Weltmärkten vertreiben zu können.
    Die von Abgeordneten angesprochene Möglichkeit eines fortgeführten deutschen Bergbaus ohne staatliche Subventionen hielt Tönjes für "eine extrem schwierige Frage". Ob dies gelingen könne, hänge unter anderem davon ab, auf welchem Niveau sich die Preise für Steinkohle auf den Weltmärkten einpendeln würden. Für verlässliche Prognosen sei es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, sagte Tönjes. Hunderte Meter "unter Tage" und in Bergmannskluft besichtigte die Delegation schließlich den rund 13 Millionen Euro teuren Neubau eines Kohlebunkers, in dem bis zu 7.500 Tonnen abgebauter Steinkohle zwischengelagert werden können. Für die Ausschussmitglieder war dies ohne Frage ein spektakulärer und ebenso informativer Einblick in die Praxis des Bergbaus.
    sw

    Bildunterschrift:
    In Bergmannskluft fuhren die Abgeordneten in die Zeche ein.

    Zusatzinformation:
    Über den Entwicklungsstand erneuerbarer Energien hatte sich der Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie bereits Ende August 2008 informiert. Die Abgeordneten besuchten unter anderem zwei Hersteller von Windkraftanlagen in Norddeutschland, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und die Deutsche Solar AG im sächsischen Freiberg.

    Systematik: 2120 Kernenergie; 2200 Bergbau/Bodenschätze; 2100 Energie

    ID: LI081205

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