Der nordrhein-westfälische Landtag hat am Mittwoch und Donnerstag vergangener Woche die Einzelpläne des Haushaltsgesetzes 1998 in zweiter Lesung beraten. Der Etatentwurf sieht Gesamtausgaben von 89,5 Milliarden Mark vor. Das sind knapp ein Prozent mehr als im laufenden Jahr. An neuen Krediten hat Finanzminister Heinz Schleußer (SPD) für das nächste Jahr 7,3 Milliarden Mark eingeplant. Zu Beginn der zweiten Lesung griff die CDU-Opposition Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) an. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Laurenz Meyer, nannte den Einzelplan des Wirtschaftsministers eine Katastrophe für die Arbeitnehmer und das Land. Der SPD-Wirtschaftsexperte Bodo Hombach führte die chaotische Finanzpolitik in Bonn an. Die GRÜNE-Wirtschaftsexpertin Alexandra Landsberg erhob die Forderung, daß die NRW-Industrie Vorreiterin für ökologische Innovationen werde. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement betonte, er sei stolz darauf, daß NRW als einziges unter den westlichen Bundesländern einen klaren, realen Zuwachs an Ausbildungsplätzen habe. Der Haushaltsentwurf wurde in 2. Lesung mit der Koalitionsmehrheit von SPD und GRÜNEN zugestimmt. Die Berichterstattung wird fortgesetzt.
Laurenz Meyer (CDU) stellte die Frage, wie dieser Wirtschaftshaushalt zu der Schwerpunktsetzung des Landes passe, die man für neue Arbeitsplätze brauche. Hier gelte es, Wort und Wirklichkeit der Dinge zu messen, die 1996/97 immer wieder vorgetragen worden seien, insbesondere Themen wie Mittelstandsförderung, Existenzgründungen, Ausbildung, Risikokapital. In all diesen Punkten seien im Haushaltsplan die Ansätze gegenüber dem Vorjahr sogar noch gekürzt worden. Meyer führte aus, der Haushalt 1998 werde noch stärker als die vergangenen Haushalte von der EU-Förderung und von Bundesmitteln leben. Ferner sagte er: "Wir wollen gemeinsam mit Ihnen dafür kämpfen, daß es in Nordrhein-Westfalen keine Kürzung der regionalen Wirtschaftsförderungsmittel gibt, wie es beabsichtigt ist. Das ist unsere klare Forderung nach Bonn in der jetzigen Situation." Der Sprecher wies indessen darauf hin, daß die Arbeitslosenquote in NRW mit 11,4 Prozent um 1,3 Prozent über dem Durchschnitt der westdeutschen Länder liege.
37,4 Prozent der Arbeitslosen in NRW seien bereits länger als ein Jahr ohne Arbeit. Bodo Hombach (SPD) sagte, die wirtschaftliche Entwicklung sei dadurch gekennzeichnet, daß man in Bonn insgesamt 134 Milliarden Mark Steuererhöhungen gehabt habe, von denen 84 Milliarden Mark Steuersenkungen abgingen. Der Bund habe also seit 1990 seine Steuereinnahmen um 50 Milliarden Mark erhöht. In die Bundeskasse seien jedoch 69 Milliarden Mark mehr Steuereinnahmen geflossen, aber die Länder hätten Mindereinnahmen von 14 Milliarden Mark und die Städte und Gemeinden Mindereinnahmen von fünf Milliarden Mark. Der Bund habe sich an der Mineralölsteuer, am Solidarzuschlag, an der Versicherungssteuer und an der Tabaksteuer bedient, und er beteilige die Länder und Gemeinden zu 65 Prozent an den Steuerausfällen. Das sei die Realität.
Alexandra Landsberg (GRÜNE) erklärte zu der von der CDU kritisierten Gründungsoffensive, NRW sei das einzige Bundesland mit einem positiven Gründungssaldo. Die Gründungsoffensive NRW habe einen entscheidenden Bereich, nämlich die Förderung der Existenzgründung von Frauen. Dies sei nicht zuletzt ein Erfolg der Wirtschaftspolitik von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die sich von Anfang an im Koalitionsvertrag massiv dafür eingesetzt hätten, daß Frauen ein wesentlicher Schwerpunkt der Gründungsoffensive sein sollten. 1997 sei auch das Jahr der Konsolidierung der NRW-Großunternehmen gewesen. Die GRÜNEN träten dafür ein, daß die NRW-Großindustrie, Chemie, Elektro und Maschinenbau auch in Zukunft gute Produktionsbedingungen in diesem Lande vorfänden. Allerdings sei eine Industrie, die auf dem ökologischen Auge blind sei, in naher Zukunft in NRW nicht mehr wettbewerbsfähig. Frau Landsberg nannte Ökoabgaben einen wichtigen marktwirtschaftlichen Anreiz für eine stärkere Orientierung auf ökologische Innovationen. Dem Wirtschaftsminister hielt sie vor, die Sturheit, mit der er Beschlüsse auch der SPD zur Ausbildungsplatzumlage ignoriere, lasse vermuten, daß er auf dem sozialen Auge blind sei.
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) gestand ein, er sei verliebt in nordrhein-westfälische Unternehmen, die weltweit eine Rolle spielten. Ohne solche international agierenden Unternehmen hätten auch kleine und mittlere Unternehmen im Land auf Dauer keine Chance. Zur Ausbildungssituation sagte er, in NRW fehlten 655 Ausbildungsplätze. Rechnerisch. Und es seien einige hundert Ausbildungsplätze mehr als 655 offen. Er bat die Jugendlichen, jede mögliche Chance zur Ausbildung wahrzunehmen. Man werde ihn nicht davon abhalten können, durch die Unternehmen des Landes zu ziehen und für Ausbildungsplätze zu werben. Zu den Bestandszahlen der Investitionen in NRW sagte der Minister, aus ihnen (1995) werde ersichtlich, daß NRW auf sich mehr Direktinvestitionen habe vereinigen können als Bayern und Baden- Württemberg zusammen. Clement stellte fest, man habe in NRW die beste Ausbildungsplatzentwicklung, die beste Gründungsentwicklung und man sei Spitze in den wichtigsten Technologiefeldern.
Laurenz Meyer (CDU) wandte sich in einem weiteren Beitrag kritisch an den Minister, was das Lehrstellenangebot angehe, "stehen Sie ganz unten". Obwohl die Beiträge geringfügig stiegen, seien anders als in anderen Ländern trotzdem noch viele junge Leute unversorgt. Man habe in Bayern und Baden-Württemberg Überschüsse an Lehrstellen, "und bei uns haben wir zu wenig". Das sei der einfache Unterschied.
Bodo Hombach (SPD) wies auf die positiven Ergebnisse im Zusammenhang mit dem Ausbildungskonsens hin und hielt der Opposition vor, sie merke nicht, daß ihr Appell an Handwerk und Mittelstand just zunichte gemacht werde durch eine abstrakte Forderung, die völlig ignoriere, daß Handwerk, Gewerkschaft und Politik in den letzten zwei Jahren in NRW mit dem Ausbildungskonsens etwas Vorbildliches exerziert hätten, mit Ergebnissen, die wirklich Probleme lösten.
Dr. Manfred Busch (GRÜNE) griff die Äußerung des Wirtschaftsministers, man sei in NRW weltweit Spitze, kritisch auf. "Was nützt es uns, wenn Großunternehmen weltweit Spitze sind, aber in Deutschland Arbeitsplätze abbauen." Die Hoffnung darauf, über Großunternehmen wirklich Arbeitsplätze schaffen zu können, sei noch nie gerechtfertigt gewesen. Auch der Hinweis darauf, hier gebe es die beste Ausbildungsplatzentwicklung, sei natürlich, "weil wir von einem so geringen Niveau ausgehen", völlig irreführend. Man habe in NRW ein gravierendes Ausbildungsplatzproblem. Der SPD- Parteitag habe dankenswerterweise in großer Klarheit beschlossen, daß man eine Ausbildungsplatzumlage brauche.
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sagte zu dem von der Opposition mehrfach angeführten Vergleich mit den beiden Südländern, Bayern und Baden- Württemberg seien zur Zeit wirtschaftsstrukturell selbstverständlich in einer besseren Situation als NRW. Man habe eine nachindustrielle Phase, die außerordentlich schwierig sei, und die er nicht zu beschreiben brauche. "Aufgrund dessen haben wir schwierigere Daten als Bayern sowohl am Arbeitsmarkt als auch am Ausbildungsmarkt", betonte der Minister. Selbstver ständlich sei es Aufgabe, die Daten so zu verbessern, daß man nicht nur mit Bayern verglichen werden könne, sondern besser werde.
Laurenz Meyer (CDU) ergriff erneut das Wort. Er unterstrich, die CDU-Fraktion sei der Meinung, daß sich die Entscheidung zu Garzweiler zu einem Symbol für die Haltungdes Landes MRW zu Industriearbeitsplätzen schlechthin entwickelt habe.
Investitionen für Verkehr sichern Arbeitsplätze
Beim Komplex "Verkehr" im Haushalt des Ministers für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr, meinte die CDU, Verkehrsförderung in NRW finde im wesentlichen nur noch durch Bundesmittel statt. Ganz anders die SPD: Mit der Verkehrspolitik des Landes leiste man einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes NRW.
Günter Langen (CDU) erklärte, man gebe einen Teil der Straßen dem Verfall preis. Heute würden in NRW 16000 Personen in der Bauindustrie und im Straßenbau beschäftigt. In den 70er Jahren seien es 40000 Beschäftigte gewesen. Unter den Bundesländern sei NRW mit Aufwendungen von 45 Pfennig je qm Straße Schlußlicht. Die CDU-Fraktion beantrage deshalb, bei Erhaltungsinvestitionen an Landesstraßen den Ansatz von 55 Millionen um 60 Millionen auf 115 Millionen Mark, beim Um- und Ausbau von Landesstraßen bis 5 Millionen Mark Gesamtkosten je Maßnahme den Ansatz von 41 Millionen um 40 Millionen auf 81 Millionen Mark und bei Baumaßnahmen des Landesstraßenausbauplans den Ansatz von 130 Millionen um 70 Millionen auf 200 Millionen Mark aufzustocken. Bei der letzten Position gehe es insbesondere um Ortsumgehungen, die in erster Linie der Verkehrs- und Lärmberuhigung dienten.
Heinz Hunger (SPD) betonte: "Wir leisten mit dem Verkehrshaushalt für das Jahr 1998 trotz der allen bekannten Notwendigkeiten zum Sparen einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen. Gerade die Investitionen im Verkehrsbereich, sei es der Straßenneubau, seien es kleinere Erhaltungsmaßnahmen im Straßenbau, sei es der Radwegebau, sei es der Startbahnbau, hülfen der Bauwirtschaft und den Menschen, indem sie Arbeitsplätze sicherten oder sogar neue schüfen. Die Investitionsausgaben im Verkehrshaushalt des Wirtschaftsministeriums betrügen rund 1,55 Milliarden Mark. Hunger forderte den Kollegen Langen auf, das einmal mit Bayern und Baden-Württemberg zu vergleichen. Damit leiste man einen deutlichen Beitrag zur Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik.
Peter Eichenseher (GRÜNE) hielt dem CDU-Sprecher vor, er mache es sich zu einfach, mit seinen Anträgen einfach alle Titel im Verkehrsbereich aufzustocken, manche sogar um 100 Prozent oder mehr, ohne aufzuzeigen, woher das Geld kommen solle. Das, was er angeboten habe, sei nicht seriös. Denn klar sei doch: Wenn die Einnahmen dramatisch sänken, könne man nicht die Ausgaben drastisch ansteigen lassen. Für seine Fraktion sei die Verknüpfung zwischen Arbeitsmarkt und ökologischer Verkehrspolitik schon seit Jahren einer der wichtigsten Schwerpunkte. Man habe Instrumente entwickelt, um aus den Sackgassen der traditionellen Wirtschafts- und Verkehrspolitik herauszukommen. Eichenseher verhehlte nicht, daß man einigen Ansätzen kritisch gegenüberstehe. So sei zum Beispiel das Programm "Sicherheit und Service im ÖPNV" ein staatliches Beschäftigungsprogramm traditionellster Prägung.
Verkehrsminister Wolfgang Clement (SPD) führte an, es gebe keine Region in ganz Europa, "die ein derart dichtes Autobahnnetz hat wie wir". Dieses Autobahnnetz habe natürlich seine Grenzen erreicht. Hier gehe es nicht mehr darum, im Autobahnbereich etwas zuzubauen. Es gehe um letzte Lückenschlüsse. Ansonsten müsse dieses Autobahnnetz optimiert werden. Im Grunde gelte das, was die Dichte angehe, genauso für das Landesstraßennetz. Es gebe kein dichteres Landesstraßennetz. "Ich glaube, wir sind hier ziemlich dicht asphaltiert", sagte Clement und folgerte: "Es hat keinen Zweck, daß wir uns etwas vormachen: Auch da sind wir an Grenzen." Worum es im Straßenbau gehe, sei, in besonders belasteten Ortschaften Ortsumgehungen zu bauen, und zwar da, wo es wirklich unerträglich werde. "Das ist unsere Aufgabe." Es gehe nicht um den Neubau von Straßen.
Arbeit, Gesundheit, Soziales
Den Haushalt des Landesarbeitsministeriums (Einzelplan 07) diskutierten die Abgeordneten zum Teil sehr kontrovers in den drei Unterpunkten Arbeit, Gesundheit und Soziales, Kinder, Jugend und Familie sowie Migration. Zwei Änderungsanträge der CDU (Drs. 12/2673 , Erhöhung der Mittel zur Förderung der sozialen Eingliederung von Zuwanderern, sowie Drs. 12/2674 , Kürzung der Förderung von sogenannten Fixerstuben auf Null) wurden abgelehnt. Der Etat wurde mit den Stimmen der Koalition und gegen das Votum der Opposition angenommen.
Hermann-Josef Arentz (CDU) qualifizierte den Etat als "erschütterndes Dokument falscher Weichenstellung und des politischen Versagens" des Arbeitsministers. Die Landesregierung versage dabei, arbeitslosen Menschen zu helfen, wieder in Arbeit zu kommen, sie stelle zu wenig Mittel für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit junger Menschen bereit (nur die Hälfte dessen, was nötig wäre), sie kürze das Geld gegen den Investitionsstau bei den Krankenhäusern, sie trage nichts zur Klärung neuer Standorte im Maßregelvollzug und stecke Geld statt in die Drogenprävention, lieber in Fixerstuben, was eine "drogenpolitische Weichenstellung allerschlimmster Art" sei, die weitere Kreise ziehe und zur Forderung führen werde, Rauschgift vom Staat zu erhalten. Das erweitere nur die Zahl der Drogenabhängigen, anstatt zu reduzieren.
Wolfram Kuschke (SPD) umschrieb den Düsseldorfer (im Unterschied zum Bonner) Kurs so: "Wir Sozialdemokraten arbeiten weiter für soziale Gerechtigkeit, für Chancengleichheit, für Offenheit und Toleranz in unserem Land. Sozialpolitik ist bei uns kein Anhängsel, kein notwendiges Übel, sondern Fundament unserer Politik." Aber Landespolitik allein könne wenig ausrichten, denn vor allem bundespolitische Entscheidungen prägten derzeit die soziale Lage. Im Lande wolle man im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorankommen, das Land sei in der Ausbildung aktiv, sei um eine Erhöhung der Investitionsmittel für Krankenhäuser bemüht und verfolge eine Drogenpolitik, die den Schutzgedanken in den Vordergrund stelle. Kuschke schloß mit der Forderung nach einem neuen sozialen Konsens.
Daniel Kreutz (GRÜNE) nannte eine ganze Reihe von Projekten, die trotz schwieriger Haushaltslage gefördert werden und merkte kritisch an, bei einigen sei es nur gelungen, die erforderliche Kürzung in Grenzen zu halten. Er erwähnte die neue Initiative für langzeitarbeitslose Jugendliche (acht Millionen zusätzlich), die der Devise "Angebote statt Sanktionen" folge; hier richte die CDU ihr Interesse darauf, "wie man die Leute mit Androhung von Kürzungen oder Streichungen der Sozialhilfe terrorisieren könnte". Er lobte, daß die Altenpflegerausbildung auf dem im Lande erreichten, bundesweit beispiellosen Niveau unvermindert fortgeführt werden könne. Wenn die CDU demonstrativ auf eigene perspektivische Anträge zum Haushalt verzichte, dann zeige sie damit, daß sie an der Situation der strukturellen Gewalt nichts ändern könne, die mit Hilfe staatlicher Gesetze derzeit gegen die Schwachen ausgeübt werde.
Sozialminister Dr. Axel Horstmann (SPD) erklärte, auch in diesem Jahr habe man im Land mit dem Etat Einschnitte ins soziale Netz vermeiden können; damit sei man eine Alternative zu den sattsam bekannten Bonnern Politikmustern. Der Minister kritisierte die Kürzungen bei der Bundesanstalt für Arbeit, die diese zur "Verwahranstalt für Arbeitslosigkeit" verkommen ließen und die unmittelbare Auswirkungen auf das Land hätten. Zur Gesundheitspolitik sagte er: "Was der Schwarze Freitag für die Wirtschaft ist, das ist der schwarze Seehofer für das Gesundheitswesen in Deutschland." In der Drogenpolitik helfe ideologiebeladenes Wunschdenken nicht weiter. Er wies deutlich den Vorwurf zurück, die Landesregierung helfe beim Konsum von Drogen, sie betreue Drogenkranke gesundheitlich.
Kinder, Jugend und Familie
Antonius Rüsenberg (CDU) stellte die strittigen politischen Ziele in der Jugend- und Familienpolitik in den Vordergrund. Es fehle eine deutliche Herausstellung der Bedeutung von Ehe und Familie, die unter dem besonderen Schutz des Landes stünden. Bei anderen Lebensformen könne man in Einzelfällen durchaus helfen, aber man dürfe nicht den Eindruck erwecken, gleichgeschlechtliche Lebensformen seien "das Normale in der Gesellschaft, und Ehe und Familie fänden nicht mehr in der zentralen Aussage der Landesverfassung statt".
Bernd Flessenkemper (SPD) fand wichtig, daß für den Politikbereich im kommenden Jahr in gleicher Höhe wie in diesem Jahr insgesamt etwa 2,5 Milliarden Mark zur Verfügung gestellt werden. Kürzungen in dramatischer Höhe seien nicht erfolgt, man habe sogar hier und da etwas draufsatteln können. Im Landesjugendplan würden für Kinder und Jugendliche mit 200 Millionen mehr zur Verfügung gestellt "als der Bund für alle Bundes-lander zusammen". Dem Abbau, den Einsparungen und Kürzungen in Bonn "steht in NRW eine verläßlich, sozial ausgewogene und vor allem gerechte Sozial-, Kinder-, Jugend- und Familienpolitik gegenüber".
Ute Koczy (GRÜNE) trug zum Thema Kindergarten ein in die Zeit passendes Gedicht vor: "Gott zum Gruße, Fräulein Ute/und hört mich an für eine Minute/Seht her, ich bin der Nikolaus/und sehe nicht sehr glücklich aus/Von ferne hört ich eine Mär/zu glauben fällt mir diese schwer/In Anbetracht der knappen Kassen/ habt Ihr Euch etwas einfallen lassen/Von vielen Eltern mußt ichs erfahren/im Kindergarten wollt Ihr sparen/Erst hielt ich es für einen Scherz/doch bricht es mir nun fast das Herz/Erziehern wollt Ihr auf die Schnelle/kürzen jede vierte Stelle/Ihr macht sie damit arbeitslos/die Not wird dadurch riesengroß/Ich den, ich kann es hier mal wagen/über Folgen nachzufragen/Wer betreut denn dann das Kind/wenn die Stellen gestrichen sind/Wer putzt ihm seine Schnupfenase/ führt es sicher über die Straße/wer nimmt das Kind mal in den Arm/hält es sicher, hält es warm/wer gibt ihm aus Herzensfülle/bei Kummer eine warme Hülle/Wer lehrt es für das Leben lernen/bastelt mit ihm Adventssterne/Wer schlichtet manchen Kinderstreit/Sagt mir, wer hat die Zeit/Was glaubt Ihr denn damit zu sparen/haltet Euch nicht selbst zum Narren/Ihr schickt die Leut für ein zwei Jahr/zum Arbeitsamt, zum Jagoda/Nach dieser Zeit, und das ist wahr/ sind sie alle wieder da/Dann stehen die Erziehermassen/vor den kommunalen Kassen/Sagt mir, wo ist da die Logik/Bleibt bei der bewährten Pädagogik!"
Minister Dr. Axel Horstmann (SPD) hielt es erst dann für sinnvoll, den Wert der Familie ethisch und moralisch so hochzuhalten wie geschehen, "wenn das auch materiell gefüllt werden könnte. Es wird nicht materiell gefüllt", stellte er unter Hinweis auf die steigende Zahl von Kindern und Jugendlichen fest, die Opfer problematischer sozialpolitischer Entwicklungen würden. Der Minister rückte die Relationen zurecht: Förderung gleichgeschlechtlicher Lebensformen 1,6 Millionen, Familienhilfen insgesamt 100 Millionen und Aufwendungen für Kindertageseinrichtungen 1,6 Milliarden.
Migration
Oliver Wittke (CDU) bekräftigte die Warnung der CDU, Aussiedler und Ausländer in einen "Pott" zu werfen, wie das mit der Gründung des Ausschusses für Migrationsangelegenheiten geschehen sei: Jetzt benutze die Koalition die Mittel für Aussiedler als "Steinbruch für andere Politikbereiche". Mit dem Etat würden Verwaltung und Bürokratie aufgebläht, konkrete Mittel für Hilfen vor Ort würden dagegen nicht aufgestockt. Auch die wirklichen Probleme im Migrations- und Ausländerbereich würden nicht angepackt.
Vera Dedanwala (SPD) ging näher auf das Landeszentrum für Zuwanderung ein, das Anfang kommenden Jahres in Solingen seine Arbeit aufnimmt "dies wird eine ganz neue Dimension, was Landespolitik in Migrationsfragen betrifft, eröffnen". Es sei eine Schnittstelle zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis und beziehe alle Gruppen der Aussiedler ein, "denn auch Aussiedler sind Zuwanderer in unserem Land".
Christiane Bainski (GRÜNE) fand kein Verständnis für die von der Union verlangte Differenzierung zwischen Aussiedlern und anderen Migranten. Der Bonner Regierung hielt sie vor, die Probleme der Aussiedler bei der Integration durch Mittelkürzungen und das Ausländerrecht zu verschärfen. Dagegen setze die Koalition mit dem Etat ihre Bemühungen um gleichberechtigtes Zusammenleben mit allen zugewanderten Menschen fort.
Georg Gregull (CDU) warf Landesregierung und Koalition vor, mit den beabsichtigten Kürzungen gefährdeten sie die Strukturen der Vertriebenenverbände, Schülerwettbewerbe, die Arbeit des Landesbeirats und die Patenschaften. Das sei ein "Schlag ins Gesicht der Vertriebenen, die sich aktiv für Verständigung und Freundschaft einsetzen und eingesetzt haben".
Minister Dr. Axel Horstmann (SPD) versicherte dagegen zu den Kürzungen: "Niemand wird über Gebühr in Anspruch genommen." Die Einsparungen würden sorgfältig erörtert. Ohnehin gebe es den Bedarf, darüber zu reden, "wie sich Vertriebenenkulturarbeit weiterentwickeln soll". Er hielt der Union ihre widersprüchliche Haltung in der Staatsbürgerschaftsfrage vor: Integration allein sei nicht per Verwaltungsakt zu haben, "aber ich bin überzeugt, daß die öffentliche Haltung und Einstellung von immenser Bedeutung ist". Er rief dazu auf, im bevorstehenden Bundestagswahlkampf auf Stimmungsmache gegenüber den Mitbürgern ausländischer Herkunft zu verzichten.
Oliver Wittke (CDU) hielt dem Minister vor, er habe auf konkrete Fragen nicht geantwortet, sondern nur "heiße Luft" verbreitet und damit den Nachweis des integrationspolitischen Versagens der Landesregierung und der Koalition geliefert. Darauf reagierte Minister Horstmann mit der Warnung, aus der Migrationspolitik "ein Kasperletheater" zu machen; das schade allen.
Innenminister: Kompetenz der Polizei stärken
Der Einzelplan 03 Innenministerium wurde nach kontroverser Aussprache über die weitere Kostenerstattung für Flüchtlinge und Asylbewerber, über das Bonner Gesetz zum Abhören von Kriminellen und über weitere Themen der inneren Sicherheit gegen die Stimmen der CDU angenommen.
Heinz Paus (CDU) beschwerte sich über die Zumutung der diesjährigen Haushaltsberatungen durch die Ergänzungsvorlage, vom Staatssekretär nicht beantwortete Fragen und blinde Zustimmung der Mehrheit. Vom Haushaltsrecht des Parlaments halte diese nichts. Nennenswert sei nur das Signal der SPD, den Ansatz für EDV-Ausstattung der Polizei um 7,5 Millionen zu erhöhen. Die GRÜNEN schluckten alles, wenn sie zusätzlich 100000 Mark zur Bekämpfung antischwuler Gewalt bekämen, eine völlig überflüssige Position. Ende 1996 seien solche Steuergelder in einer Plakataktion schlicht verplempert worden. Die CDU lehne den Einzelplan-Entwurf wegen völlig unakzeptabler Kostenerstattung für Asylbewerber ab, die im Schnitt nicht vier, sondern 24 Monate in NRW blieben. Die Kommunen müßten 20 Monate aus eigenen Mitteln finanzieren. Auch das Auslaufen der Kostenerstattung für Bosnien-Flüchtlinge könne nicht zugemutet werden. Der Minister gebe bei den Wählern kernige Sprüche zur inneren Sicherheit ab und kusche dann im Bundesrat. Die Mafiabosse rieben sich die Hände. Das von der SPD beantragte Diskriminierungsverbot im Polizeigesetz sei eine schallende Ohrfeige für alle Polizeibeamten.
Jürgen Jentsch (SPD) verteidigte die Haushaltskürzungen mit dem Hinweis auf die katastrophalen Steuermindereinnahmen und hielt die Aufstockung für EDV-Technik bei Polizeibehörden auf 46 Millionen Mark mit Zustimmung aller Fraktionen für erfreulich. Vom Titel für Gewalt-Prävention stünden auch bis zu 200000 Mark zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz der Polizei zur Verfügung. Vom Auslaufen der Kostenerstattung für Bürgerkriegsflüchtlinge seien die Kommunen enttäuscht. Die primäre Zuständigkeit liege beim Bund. Die CDU schlage Kostenerstattung für abgelehnte Asylbewerber bis 23 Monate vor ohne Deckungsvorschlag für 220 Millionen Mark. Um das Sicherheitsgefühl vor Ort zu stärken, engagiere sich die SPD für Ordnungspartnerschaften und Zivilcourage. Sie trete auch für die erleichterte Einbürgerung bei in Deutschland geborenen Kindern von Ausländern und bei Ermessenseinbürgerung für einen rechtmäßigen fünfjährigen Aufenthalt mit bestimmten sozialen Bedingungen ein.
Roland Appel (GRÜNE) sah wesentliche Aufgaben vom Rotstift bedroht bei katastrophaler Steuerpolitik in Bonn. Wichtige Verbesserungen seien der Landesregierung dennoch gelungen. Die Datenschutzbeauftragte erhalte mehr Geld für Veröffentlichungen, was beim Verhältnis zum Verfassungsschutz von 1 : 11 aber nicht ausreiche. Auf dem Rücken der gut ausgebildeten Polizei dürften nicht soziale Mißstände ausgetragen werden, etwa beim "Wegräumen" von Obdachlosen und Drogenopfern aus Städten und Konsumtempeln. Anlaufstellen wie in Bonn seien das richtige Angebot. Der Polizei dürfe auch nicht zugemutet werden, politische Konflikte wie bei unnötigen Castor- Transporten austragen zu müssen. Bei der Aktion "Liebe verdient Respekt" gegen antischwule Gewalt habe sich die NRW-Polizei sehr erfolgreich auf völlig neues Terrain gewagt. Bei den Haushaltsmitteln für interkulturelle Kompetenz hoffe er auf ähnlichen Erfolg.
Innenminister Franz-Josef Kniola (SPD) verteidigte die Landesregierung, an deren Votum im Bundesrat das Abhören Krimineller nicht gescheitert sei, und erwähnte eine sehr bemerkenswerte Debatte beim SPD- Parteitag über Beichtgeheimnis und Schweigepflicht für Anwälte und Ärzte bei akustischer Beweissicherung. Das Diskriminierungsverbot im Polizeigesetz sei ein Fehler gewesen, räumte er ein und wünschte sich eine moralische Instanz für Übergriffe. Die Drei-Jahres-Frist bei der Kostener-stattung für Bürgerkriegsflüchtlinge habe das Verfassungsgericht ebenso wenig beanstandet wie die Höhe der Beträge, sondern nur Ungleichbehandlung. Wenn die CDU Mittel für mehr als drei Jahre beantrage, seien das 323 Millionen Mark für alle Gruppen sowie ein Prozeßrisiko bis zu über 800 Millionen. Bei vielen der deutlich mehr als 100000 abgelehnten Asylbewerber habe sich durch kommunale Behörden der Aufenthaltsstatus geändert. Große Belastung gebe es durch Jugoslawien-Flüchtlinge. Wegen des von Kinkel mies ausgehandelten Abkommens seien von insgesamt 150000 in NRW nur 690 zurückgeführt worden. Diese seien die tatsächliche Last, nicht Menschen aus Nigeria, Sri Lanka, Afghanistan. Der eigene Staat weigere sich, seine Bürger zurückzunehmen. Dafür gebe es kein Landesgeld.
Heinz Paus (CDU) kündigte aufgrund der Rede von Jentsch einen Gesetzentwurf an, denn über weitere Kostenerstattung für bosnische Flüchtlinge sei man sich einig gewesen. Zwischen Bund und Land sei das Thema beim föderalen Konsolidierungskonzept abgehandelt worden. Vor dem Ombudsman bei der Polizei warnte Paus, denn Menschenrechtsverletzungen würden auch Ausländer- und Sozialämtern vorgeworfen. Es gebe kein Bedürfnis für zusätzliche Institutionen, vielmehr seien die traditionellen Aufgaben der Polizei und Justiz zuzuweisen. Bei Ordnungspartnerschaft gehe es nicht um Vertreiben von Randgruppen aus den Städten, sondern Bürger wollten nicht angepöbelt und aggressiv angebettelt werden. Es dürfe kein Vorrecht für Randgruppen geben.
Roland Appel (GRÜNE) wies auf die Aktion von Bürgerrechtsorganisationen am Flughafen gegen das unmenschliche Abschieben und jahrelanges Schleifenlassen des Asylrechts hin, so daß sich jetzt mehrere 100000 Menschen illegal in Deutschland und der EU aufhielten. Sie würden durch den illegalen Status Opfer von Kriminellen. Für wirklich Verfolgte gebe es kein Asyl mehr. Die GRÜNEN hätten sich mit Fortsetzung der Kostenerstattung nicht durchsetzen können. In NRW werde den Gemeinden die Differenz von 108 Millionen Mark nicht genommen. Im nächsten Jahr werde für viele traumatisierte Opfer und Einzelschicksale gekämpft werden müssen. Über die Absicherung von 2700 Kontingent-Flüchtlingen sei er froh. Beim Staatsbürgerschaftsrecht solle sich die SPD eine wirkliche Abkehr von der Abstammung überlegen. Beim Ombudsman für die Polizei gehe es um Verhalten unterhalb des Strafrechts. Innenminister Kniola (SPD) hielt eine Zweidrittelmehrheit für die akustische Beweissicherung in Bundestag und Bundesrat für sicher und teilte mit, die Zahl der abgelehnten Asylbewerber sei deutlich geringer, als vom Städte- und Gemeindebund gesagt. Bei der Kostenregelung Bund/Land sei hinzuzufügen, daß das Land über die Höhe seiner Einnahmen nicht selbst bestimmen könne.
(siehe Fortsetzung)
Systematik: 8300 Öffentlicher Haushalt
ID: LI972006