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  • Porträt der Woche: Dr. Manfred Dammeyer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 19 - 20.11.1984

    Die Ehre, den berühmten Fragebogen im "FAZ"-Magazin ausfüllen zu dürfen, ist ihm noch nicht zuteil geworden. Über alle der dort üblichen Fragen hat er sich auch noch keine Gedanken gemacht. Aber für die letzte Frage, die nach dem Lebensmotto, hätte Manfred Dammeyer eine Antwort, die dort noch nicht zu lesen war: "Besser für eine gute Sache stottern als für eine schlechte Sache singen." Gerade jetzt paßt das prima. Denn die (bildungs-)politischen Zeiten sind nun einmal so, daß der bildungspolitische Sprecher der sozialdemokratischen Landtagsfraktion schon seit geraumer Zeit stottern muß. Bildungspolitik wird in der ganzen Republik - das sozialdemokratisch regierte Nordrhein-Westfalen hat sich da völlig dem Bundeschor angepaßt - wenn überhaupt nur noch ganz leis nach einer Melodie gesummt, bei der es auf den Text eigentlich gar nicht mehr ankommt. Hauptsache es klingt harmonisch. Manfred Dammeyer macht keinen Hehl daraus, daß dies ihn fuchst. Aber der Oberhausener ist zu lange im politischen Geschäft, als daß er nicht wüßte, daß es zur Zeit nicht opportun ist, gegen den um im Bild zu bleiben - Chorleiter anzusingen. Die "Machtfrage", sagt er, allerdings ohne jede Resignation, "soll man nur dann stellen, wenn man sie auch positiv beantworten kann". Und da sozialdemokratische Bildungspolitiker, besonders vom Kaliber des engagierten Dammeyer, heute weiter denn je von der politischen Macht entfernt sind, muckt Manfred Dammeyer, öffentlich zumindest, nicht mehr gegen das auf, was im Düsseldorfer Kultusministerium als sozialdemokratische Bildungspolitik ausgeheckt wird. Ganz salopp sagt er, daß Hans Schwier "nicht mein Problem ist" - soll heißen: Kultusminister kommen und gehen, die Werte emanzipatorischer, von Abhängigkeit befreiender, zu wirklicher Chancengerechtigkeit führender Bildungspolitik bleiben bestehen.
    Und so ganz langsam geht es ja auch immer noch voran: Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit haben meist von Sozialdemokraten getragene Elterninitiativen in zwölf verschiedenen nordrhein-westfälischen Städten damit begonnen, jene nach dem neuen Schulgesetz geforderten Elternbefragungen zu organisieren, die auf die Einrichtung neuer Gesamtschulen zielen. Dammeyers Freunde und Mitstreiter in der Arbeitsgemeinschaft für Sozialdemokraten im Bildungsbereich unterstützen diese Bewegungen nach Kräften. Der Abgeordnete ganz lapidar: "Das ist eine sehr befriedigende Sache."
    Was in den Wochen seit dem Wechsel von Girgensohn zu Schwier bildungspolitisch in der Landesregierung lief, befriedigt Manfred Dammeyer schon weniger. Aber, er sagte es bereits, das ist für ihn kein Thema, über das er sich mit dem Kabinett und der Mehrheit seiner Fraktionskollegen in "Landtag intern" streiten mag. Um so weniger, als er weiß, daß Bildungspolitik nicht nur aus jenen Texten besteht, die in Schwiers Ministerium in der Hoffnung ausgebrütet werden, die bildungspolitische Auseinandersetzung nach Möglichkeit aus dem kommenden Landtagswahlkampf herauszuhalten. Aber eine Mördergrube will der im Plenum zu den streitbarsten, angriffslustigsten Debattenrednern gehörende Dr. paed, aus seinem Herzen auch nicht machen: Es sei doch wohl aus sozialdemokratischer Sicht zumindest zweifelhaft, eine Maßnahme als Erfolg zu bewerten, "wenn ihr 85 Prozent der Bild-Leser zustimmen", ironisiert Dammeyer die Bemühungen des Kultusministers, die bildungspolitischen Gegensätze einzuebnen. Er benutzt bei dieser Gelegenheit, wenn auch in anderem Zusammenhang, jenen Begriff, mit dem Oscar Lafontaine einmal Helmut Schmidt bis aufs Blut gereizt hatte: Wenn jetzt Sekundärtugenden wie Ordnung, Sauberkeit, Fleiß, Aufmerksamkeit und was es da ähnlich Schönes gibt ein neues Gewicht erhielten, dann sei dies eine "antiaufklärerische Politik". Aber nicht solche Sekundärtugenden einzubleuen sei erste Aufgabe der Schule, meint Manfred Dammeyer und fordert statt dessen kategorisch: "Die Schule muß qualifizieren", müsse aufrichten, nicht ducken.
    Geduckt vor den Mächtigen in der Partei hat er sich nie - auch so manche Niederlage hat ihn dies nicht gelehrt. Als er 1957 - Adenauers CDU hatte gerade im Bundestagswahlkampf die absolute Mehrheit gewonnen - Mitglied der SPD wurde, war er in seiner Schule der einzige Genosse. Zwei Jahre später schon gehörte er auf dem legendären Godesberger Parteitag zu jenen, die, wie er es sagt, "die Opposition organisierten", damals war er Bundessekretär des inzwischen auch schon fast legendären Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, jenes SDS, der den Muff von tausend Jahren aus den Talaren der Hochschuleminenzen treiben wollte.
    Nebenberuflich lehrt Manfred Dammeyer heute selbst an der Düsseldorfer Universität. Im Wintersemester 1984/85 liest er über "Bildungspolitik im föderativen System". Ob Studenten das heute noch fesselt? Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Mehrheitsfraktion, der in der Uni auch aus der Praxis plaudern kann: "Das will ich doch hoffen." In den vergangenen Semestern habe er keinen Grund zur Klage gehabt.
    Reinhard Voss

    ID: LI841917

  • Porträt der Woche: Horst Hein (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 13.11.1984

    In die SPD wollte er ursprünglich schon 1966 eintreten - doch da war die "Große Koalition" in Bonn, und Horst Hein hält nichts von Bündnissen zwischen den beiden "Großen". So machte der gebürtige Pommer aus Stargard seinen Vorsatz erst zu Beginn der sozialliberalen Ära wahr. Seitdem hat der seit Kriegsende im westfälischen Höxter wohnende Sozialdemokrat in beachtlicher Vehemenz sich in Partei und Landtagsfraktion durchgesetzt.
    Inzwischen ist der 43jährige Landtagsabgeordnete nicht nur im Bezirk Ost- Westfalen "dienstältester" Unterbezirksvorsitzender, seit zweieinhalb Jahren fungiert er auch als stellvertretender Bezirkschef.
    Die Fraktion hat den Steuerbeamten im einstweiligen Ruhestand zu Beginn der Legislaturperiode zu ihrem innenpolitischen Sprecher berufen, nachdem er bereits in den Jahren zuvor Stellvertreter war. Bereits seit seinem Einzug in das nordrhein-westfälische Landesparlament setzte denn auch Horst Hein deutliche Akzente in der Innenpolitik von Fraktion wie Regierung.
    So gehörte er als Mitglied der damaligen inten'raktionellen Arbeitsgruppe "Datenschutz" zu den Vätern des 1980 schließlich verabschiedeten Landesdatenschutzgesetzes. Und er setzte sich dafür ein, daß dieses Recht auf den Schutz persönlicher Daten in die Landesverfassung aufgenommen wurde. Nordrhein- Westfalen war mit dieser Verfassungsverankerung übrigens das erste Bundesland.
    Nachdem das Bundesverfassungsgericht 1983 das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Grundrecht erklärt hat, müssen auch alle Landesgesetze überprüft werden. Mit mehreren Initiativen hat Horst Hein inzwischen Fraktion und Regierung zu einer Verbesserung des Datenschutzes in Nordrhein- Westfalen veranlaßt.
    Ein großes Anliegen ist für den langjährigen Vorsitzenden des Personalrates beim Finanzamt Höxter auch die Verabschiedung des Landespersonalvertretungsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode. Allerdings sollten nach seiner Auffassung die Rechte der Arbeitnehmer noch verstärkt werden gegenüber dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf. So drängt der SPD- Abgeordnete darauf, daß die Arbeitnehmer unter anderem ein größeres Mitspracherecht bei der "Ausweitung neuer Arbeitsmethoden, insbesondere Maßnahmen der technischen Rationalisierung" in den öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen erhalten. Schließlich seien sie die Betroffenen der Rationalisierung und des damit verbundenen Verlustes von Arbeitsplätzen. Für den Abgeordneten könnte dann dieses Gesetz auch ein "Signal" setzen über den öffentlichen Dienst hinaus.
    Zweifellos auch ein persönlicher Erfolg ist für Horst Hein die vom Landtag gutgeheißene Einschränkung der Nebentätigkeit von öffentlich Bediensteten. Seit Jahren schon setzte sich der Parlamentarier für eine Korrektur ein. Für ihn war es "unfaßbar", daß angesichts der hohen Arbeitslosigkeit noch immer Landesbedienstete mit Nebenjobs ihr Gehalt zusätzlich aufstocken konnten.
    Seine parlamentarischen Aktivitäten erstrecken sich auf zahlreiche weitere Felder. So zählt er zu den entschiedensten Gegnern jener Politiker, die das Demonstrationsrecht einschränken wollen, spricht sich für eine Verbesserung des Aufenthaltsrechts für Ausländer aus und tritt für eine stärkere soziale Gerechtigkeit ein. Die parlamentarische Arbeit macht ihm Spaß, "kann ich doch etwas bewegen und Menschen helfen". Das versucht der Sozialdemokrat im übrigen auch im Stadtrat von Höxter, dem er seit 1975 ebenfalls angehört.
    Ohne Zögern meint Horst Hein, daß er sich dem "linken Flügel" der SPD "zugeordnet" fühlt. Doch gleichzeitig sieht er sich auch als "linker Pragmatiker", weil er gelernt hat, "wie notwendig es ist, Kompromisse zu schließen". Ein Politiker mittleren Jahrgangs, der zweifellos noch nicht am Ende seiner Laufbahn steht. Jochen Jurettko

    ID: LI84181A

  • Porträt der Woche: Hans Jürgen Büssow (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 23.10.1984

    Er sei der ,,geborene Sozialdemokrat" ist wohl nur ein Kalauer. Daß Hans Jürgen Büssow 1946 auf sozialdemokratisch historischem Boden von Bad Godesberg geboren wurde, imponierte seinen Parteigenossen rheinaufwärts in Düsseldorf ebensowenig wie seine ersten politischen Fingerübungen seit 1964 als Jungsozialist nahe der Bundeshauptstadt in einer Zeit, in der sich eine "allgemeine Politisierung der Bevölkerung breitmachte". Den "Frontwechsel" von der Studentenbewegung, aus der heraus der studentische Parlamentär mit den Landtagsvertretern Maria Hölters (CDU) und Hans Reymann (SPD) 1969 um die Akademiegesetzgebung gefochten hatte, hin zur Laufbahn in der etablierten Politik quittierte die Partei mehr mit Skepsis als mit einer Freikarte für die ersten Bänke im Düsseldorfer Landtag. Der Linke werde den "ganzen Laden durcheinanderbringen'', befürchtete man und baute Büssow drei Hürden in die erste Kandidatur um ein Landtagsmandat 1975. Der Nachfolger des ehemaligen Justizministers Josef Neuberger setzte sich gegen seine drei Gegenkandidaten durch und zog am Düsseldorfer Schwanenspiegel ein. Nach neun Jahren ist er Sprecher des gewichtigen Hauptausschusses und Medienexperte der SPD-Fraktion - mit Sitz weit vorne im Plenum.
    Die großen Themen der zurückliegenden beiden Legislaturperioden reizten den jungen Abgeordneten seit seinem Start. Wohl kaum aus Hang zum schnellen Profil. Über seine Studien und praktischen Erfahrungen in der Erwachsenenbildung und Arbeitnehmerfortbildung rutschte der Abgeordnete mit dem "klaren gewerkschaftlichen Hintergrund" des ÖTV-Mitgliedes in die Bildungspolitik, die bis 1979 ihre wichtigen Reformen erlebte. Schulmitwirkungsgesetz und der nordrhein-westfälische Versuch Gesamtschule sind wichtige Stationen der ersten fünf Jahre Landtagsarbeit. Nach abgeschlossener Lehre als Orthopädiemechaniker hatte Büssow zunächst in Düsseldorf Sozialarbeit studiert und nach einer Kölner Zwischenstation 1974 in Wuppertal als Diplom-Pädagoge abgeschlossen. Praxiswissen vermittelte seine Arbeit für das Gustav-Stresemann-Institut Bergisch Gladbach und die DGB-eigene Hans-Böckler-Stiftung Düsseldorf, die sich mit dem Erleben Ende der 60er Jahre mischte, "daß man etwas erreichen kann, wenn man sich einbringt". Hartnäckigkeit und ein eigener Standpunkt in der fraktionellen Behandlung - nicht nur - bildungspolitischer Themen haben es ihm aus heutiger Sicht leicht gemacht, den stärkeren Zwang zum Kompromiß in der konkreten tagespolitischen Arbeit erträglich zu finden.
    In der zu Ende gehenden Legislaturperiode arbeitete sich Büssow in der Hauptsache in einem Bereich ein, der "weitgespannt und spannend", aber auch spröde in der Vermittlung ist. Wenn es auch schwerfällt, technische und gesellschaftspolitische Aspekte der Medienpolitik im Wahlkreis Düsseldorf-Süd oder auf der Straße zu vertreten, "es ist ein faszinierendes Feld". Wo er sich im aktuellen Beitrag seiner Partei zur Mediendiskussion wiederfindet: In der Schaffung einer Medienlandschaft Nordrhein-Westfalen, "in der ein Gleichgewicht zwischen frei verfaßter Presse und einem gemeinnützigen lokalen Rundfunk existiert". Meinungsvielfalt als Maxime einer Medienzukunft ganz neuer technischer Dimension, fordert Büssow: "Aber ohne Verdrängungswettbewerb und ohne Doppelmonopole."
    Daß sich der Experte Büssow gleichzeitig gegen ein "Parlament der Fachidioten" ausspricht, mag die trösten, die den Grad bürgernaher Politik aus der Zahl besetzter oder leerer Plenumsbänke ablesen. Im ausschließlichen Streit der Fachleute fühlt sich Büssow nicht wohl, "immer noch nicht ganz sozialisiert". Sein engagiertes Plädoyer fordert wieder den Abgeordneten, der "wirklich Transmissionsriemen der Bevölkerung" ist, der jenseits von Fraktionszwang, Regierungsverantwortung und Oppositionsdasein frei seine Meinung in der Debatte vertritt: "Auch wenn es dem Parteiapparat mal wehtut." Seine Partei nimmt der Funktionär - er ist Mitglied des Landesvorstandes und des Landesausschusses der SPD - nicht aus: "Diese vorgestanzten Reden sind doch furchtbar langweilig."
    Stephan A. Heuschen

    ID: LI84160E

  • Porträt der Woche: Ingeborg Friebe (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 25.09.1984

    Ihre sozialdemokratischen Parteifreunde vor Ort in Monheim nennen sie anerkennend "Mutter Courage". Diesen Ehrentitel hat sich die heute 53jährige Ingeborg Friebe redlich verdient. Denn es ist vor allem ihr zu verdanken, wenn Monheim aus der allgemeinen Eingemeindungswelle weiter als freie Stadt hervorgegangen ist. Als Dank dafür wählten die Monheimer sie 1976 zu ihrer Bürgermeisterin.
    Doch das ist keineswegs der Anfang der politischen Karriere der sympathischen Landtagsabgeordneten. Sie kommt aus einer "durch und durch politischen Familie", wie man das nur selten findet. Bereits ihre Großmutter hatte als Betriebsrätin in einer Blechwarenfabrik für die politischen Rechte der Frauen gekämpft.
    Ihr Vater, gelernter Maschinenheizer, bekam als Gewerkschafter und KPD-Mann schon frühzeitig die Knute der Nationalsozialisten zu spüren, bis er in ein KZ verschleppt wurde, wo er umkam. Die Familie hat nie wieder etwas von ihm gehört.
    Ingeborg Friebe, die am 20. April 1931 im niedersächsischen Braunschweig geboren wurde, hat die Zeit des Nationalsozialismus zusammen mit ihren zwei Brüdern sehr wach erlebt. "Wenn meine Mutter zur Gestapo mußte, hat sie uns mitgenommen. Sie wurde dann etwas weniger geschlagen", erinnerte sich Ingeborg Friebe. Solche Erfahrungen prägen.
    Da sie als Tochter eines "Staatsfeindes" keine höhere Schule besuchen durfte, hatte Ingeborg Friebe in der Nachkriegszeit großen Nachholbedarf an Ausbildung und Bildung. Am Tage verdiente sie für das Auskommen der Familie hinzu und abends - während andere junge Mädchen zum Tanzen gingen - büffelte sie in Kursen Englisch und Gesellschaftskunde.
    Politische Freunde ihres Vaters, die in der Gewerkschaftsbewegung zu Hause waren, hatten sich nach dem Krieg der Familie angenommen. So kam Ingeborg Friebe 1947 zum DGB. "Da habe ich halt die Ochsentour gemacht", weiß sie heute zu berichten. Zunächst arbeitete sie als Hilfskraft in der Kasse, dann als Telefonistin. "Mein Ziel war es, Rechtsschutzsekretärin zu werden", bekennt die gestandene Politikerin heute.
    Fast hätte sie das auch geschafft. An Fähigkeiten dazu hat es nicht gemangelt. Vielmehr lernte die junge Braunschweigerin 1951 ihren Mann kennen, den sie ein Jahr später heiratete. Als sich dann der erste von zwei Söhnen anmeldete, war die ehrgeizige Dame zwar schon in der Rechtsschutzabteilung, aber noch als Sekretärin. Die Mutterrolle war Ingeborg Friebe dann wichtiger als berufliches Fortkommen. So endete die berufliche Karriere an diesem Punkt.
    Nicht so die politische. Ingeborg Friebe war vom Gründungstag an Mitglied bei den Falken. Über ihre Arbeit beim DGB kam sie schon 1950 in die SPD. "Ich habe sehr schnell eingesehen, daß man viele Gewerkschaftsforderungen nur über die Gesetzesschienen erreichen kann", sagt sie. "Da war es nur folgerichtig, in die SPD einzutreten."
    Im heimatlichen Braunschweig war die Sozialdemokratin vor allem in der gewerkschaftlichen Frauenarbeit tätig. "Mein Ziel war es, möglichst viele Frauen für die Betriebsratsarbeit zu qualifizieren. Immerhin hat sie selber es bei dieser Arbeit bis zur HBV-Landesfrauenvorsitzenden gebracht.
    Als ihr Mann 1966 aus beruflichen Gründen nach NRW ging und die Familie sich in Monheim niederließ, "da reizte mich plötzlich die Kommunalpolitik", meint Ingeborg Friebe. Sie gründete einen Arbeitskreis für Kommunalpolitik, und "wie das dann so ist, wenn man selber aktiv arbeitet, bald wird man gefragt, ob man denn nicht kandidieren möchte", gibt die Genossin zu. So kam es, daß die Sozialdemokratin Friebe seit 1969 im Stadtrat von Monheim und auch im Rhein- Wupper-Kreistag saß. 1972 wurde sie zudem noch zur ersten weiblichen SPD-Unterbezirksvorsitzenden gewählt.
    "1975 haben mich dann Freunde für die Landtagskandidatur vorgeschlagen", berichtet Frau Friebe. Zunächst kam das für die engagierte SPD-Dame überraschend. "Doch dann habe ich mir gesagt, warum eigentlich nicht, und zugestimmt." Nachdem sie zwei männliche Gegenkandidaten überzeugend geschlagen hatte, zog sie über die Landesliste in das Düsseldorfer Parlament ein. Hier engagierte sie sich in den Ausschüssen für Arbeit, Gesundheit und Soziales, im Petitionsausschuß und im Justizausschuß. Als dann die Eingemeindungsfrage auf der Tagesordnung stand, war Ingeborg Friebe "glücklich", daß sie schon im Landtag war. "Da konnte ich doch etwas bewegen." Zurückblickend sagt sie heute: "Damals habe ich mit fast jedem einzelnen Abgeordneten gesprochen, um die Eigenständigkeit für Monheim durchzusetzen."
    Schon jetzt, acht Monate vor der Landtagswahl 1985 ist Ingeborg Friebe als SPD-Kandidatin für den Wahlkreis Mettmann unumstritten. Auch sie selber möchte die begonnene Arbeit fortsetzen. "In der ersten Legislaturperiode muß man zuhören und lernen. In der zweiten beherrscht man schon das Handwerkszeug und kann aktiv mittun." Das hat Ingeborg Friebe für die nächste Legislaturperiode vor allem auf dem Gebiet der Gemeindefinanzen vorgenommen.
    Bei all ihren politischen Aufgaben und Verpflichtungen bleibt für die engagierte SPD-Dame für Hobbys keine Zeit. Entweder sie arbeitet oder sie muß repräsentieren. Wenn allerdings einmal Pause zwischen den vielen Verpflichtungen ist, "dann lasse ich alle fünfe gerade sein", gibt Ingeborg Friebe lachend zu. "Dann faulenze ich so richtig - am liebsten mit einem guten Buch und unter viel Sonnenschein!"
    Gerlind Schaidt

    ID: LI84140D

  • Porträt der Woche: Günter Meyer zur Heide (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 23.05.1984

    Der Streich ist unvergessen: Nachdem alle Briefe, Eingaben, Verbesserungs- und Änderungsvorschläge von der sturen Verwaltung abgeblockt worden waren, packte sich Günter Meyer zur Heide einen Schweißbrenner ins Auto und zerlegte damit jene Leitplanke, die einen seiner Wähler im heimischen Lipperland die Zufahrt zur Straße abschnitt, fachgerecht in ihre Einzelteile, legte sie sorgfältig am Straßengraben auf einen Haufen, grüßte zufrieden seinen Wähler und fuhr wieder nach Hause. Der Oberkreisdirektor war damals weniger glücklich als jener Wähler, der jetzt wieder eine freie Zufahrt zur nahen Straße hatte. Er verklagte den sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten wegen dessen eigenwilligen Wählerservice. Und auch das ist wohl charakteristisch für Günter Meyer zur Heide: Die Geldstrafe in Höhe von 1200 Mark ließ er nicht auf sich sitzen, auch nicht die Entscheidung der 2. Instanz, die sich mit 800 Mark begnügte. Er war erst zufrieden, als er nach einem erfolgreichen Revisionsbegehren in einem dritten Verfahren mit einer Verwarnung nach Hause geschickt wurde.
    Dabei ist sonst Politik mit der Brechstange bzw. dem Schneidbrenner nicht die Sache des Günter Meyer zur Heide. Der gelernte Elektromechaniker aus Hiddenhausen ist ein ruhiger Typ. Nicht umsonst hat ihn schließlich seine Fraktion in das Landtagspräsidium entsandt. Aber die Sache mit der Leitplanke hatte ihn damals so gefuchst, daß er einfach handwerklich tätig werden mußte. Ob er in einem ähnlichen Fall heute noch einmal zum Schneidbrenner greifen würde? Meyer zur Heide, der nun schon seit 14 Jahren dem Parlament angehört, wiegt bedächtig den runden Schädel und drückt sich mit einem unbestimmbaren Lächeln um eine eindeutige Antwort.
    14 Jahre Landtag, dem Sozialdemokraten, der sich hörbar stolz zur "Teutonenriege" rechnet, ist das noch nicht genug. Zehn Jahre als Abgeordneter in einer Regierungskoalition würde er gern zehn Jahre in einer Fraktion mit absoluter Mehrheit folgen lassen. Ob er das mit der absoluten Mehrheit ernst meine? Günter Meyer zur Heide: "Warum nicht? Wenn wir unsere Umweltpolitik fortsetzen in der Art, wie Klaus Matthiesen sie anpackt, dann können wir die Grünen raushalten aus dem Landtag. Und wenn die nicht reinkommen, gewinnen wir auch wieder die absolute Mehrheit." Die F.D.P. ? Für Meyer zur Heide lohnt sich für den ehemaligen Koalitionspartner kein Gedanke.
    Dem Mann mit der obligatorischen Fliege im obersten Hemdenknopf sieht man heute auf den ersten Blick nicht mehr an, daß er eine Juso-Karriere hinter sich hat. Auf dem schon legendären Münchner Juso-Kongreß hatte Meyer zur Heide sogar für den Bundesvorstand kandidiert, aber knapp das Ziel verfehlt. Seitdem sind einige Jahre ins Land gegangen. Aber im Gegensatz zu manchen seiner damaligen Mitstreiter bezeichnet sich Meyer zur Heide noch heute ohne zu zögern als einen Linken, nicht ohne hinzuzusetzen, daß diese plakativen Etikettierungen heute kaum noch etwas besagen. Aber immerhin: In einer Zeit, in der alles in der SPD zur Mitte drängt, weil man dort die besseren Chancen wittert, ist es nicht selbstverständlich, daß einer in Amt und Würden von sich sagt: "Ich bin ein Linker."
    Auf die Frage, ob die Fraktion mit ihrer absoluten Mehrheit in den vergangenen vier Jahren nicht mehr hätte machen können, antwortet Meyer zur Heide mit der lakonischen Gegenfrage, was sie angesichts der Möglichkeiten eines Landtags, der gesellschaftlichen Umstände und der leeren Kassen denn mehr hätte tun können. Natürlich, alle Wünsche seien nicht erfüllt worden. Doch vor dem Wahlkampf im Wahlkreis Herford I, den er zuletzt mit 50,1 Stimmen für sich und die SPD gewonnen hatte, hat der Abgeordnete keine Bange: "Unsere Bilanz ist positiv." Nur der nachdrückliche Hinweis, daß "Landtag intern" keine Wahlkampfplattform sein wolle, konnte Günter Meyer zur Heide daran hindern, diese Erfolgsbilanz aufzuzählen.
    Ein böser Zusammenbruch während einer Reise des Parlaments nach Spanien ließ den erst 47jährigen Politiker innehalten und sich vornehmen, sich nicht nur für die Politik abzurackern. Dabei hatte ihn schon vor Jahren sein damals dreijähriger Sohn mit dem Hinweis aus der Küche jagen wollen, er habe hier als sozusagen fremder Onkel nichts verloren. Meyer zur Heide: "Das ging mir damals ganz schön nahe." Seitdem versucht er, wenigstens die Wochenenden der Familie zu widmen. Immer gelingt das nicht. Aber wenn es ihm gelingt, hat er auch kein schlechtes Gewissen: "Wir machen uns doch völlig unglaubwürdig, wenn wir für eine bessere Gesellschaftsordnung kämpfen wollen und unsere Familie geht dabei kaputt", zieht Meyer zur Heide harsch die Grenzen seines politischen Engagements. Der Kollaps in Spanien bewies, daß vieles auch bei Günter Meyer zur Heide Vorsatz bleiben muß. Aber weitermachen will er trotzdem.
    Reinhard Voss

    ID: LI84092D

  • Porträt der Woche: Werner Linkner (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 20.03.1984

    Es ist schon das zweite Mal, daß Werner Linkner die nicht leichte Aufgabe übernimmt, im letzten Viertel der Legislaturperiode über die Landesliste der SPD in den nordrhein-westfälischen Landtag nachzurücken. Das war in der letzten fünfjährigen Wahlperiode und auch diesmal kam der Klever Sozialdemokrat erst Ende letzten Jahres in das Landesplenum am Düsseldorfer Schwanenspiegel. Natürlich kann er nach seinen Worten "nicht dort anfangen, wo man vor vier Jahren begonnen hat", doch ist der erneute Einstieg in die landespolitische Szene für Werner Linkner zweifellos nicht so zeitraubend und strapaziös wie 1979. Damals geknüpfte Kontakte zu Abgeordneten und Ministerien werden aktiviert.
    Dabei kommt dem 55jährigen Mann vom Niederrhein ebenso zugute, daß er zwei gewichtigen Parlamentsausschüssen angehört, dem Innen- und dem Petitionsausschuß, wie auch seine jahrlange politische Erfahrung auf der kommunalen Ebene. So gehörte der gebürtige Duisburger etliche Jahre dem Stadtrat von Kleve an und rückte 1969 in den Klever Kreistag ein, wo er Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten war. Im selben Jahr wurde er auch in die Landschaftsversammlung Rheinland berufen. In beiden Gremien sind seine Aktivitäten auch heute noch groß.
    Der SPD-Politiker, dessen besonderes Engagement dem Sozial- und dem Umweltbereich gelten, sieht derzeit als seine Hauptziele an den Erhalt der linken niederrheinischen Bundesbahnstrecke sowie des Huckepack- und Containerverkehrs im rechtsrheinischen Emmerich. Eine Stillegung der Bahnlinie würde sich katastrophal für die Wirtschaftsförderung auswirken und diesen Raum mit einer ohnehin hohen Arbeitslosigkeit vor kaum noch lösbare Arbeitsplatzprobleme stellen. " Was nutzt uns die Strukturförderung dann, wenn wir von der Infrastruktur abgenabelt sind."
    Werner Linkner, den es 1949 als 20jährigen Zollamtsanwärter in die Grenzregion verschlug und der heute Vorsteher des Bundesbahn-Grenzzollamtes Kranenburg ist, kümmert sich seit vielen Jahren mit großem Fleiß und Ausdauer um die Probleme dieses Landstriches, kennt die Sorgen von dessen Bewohnern. Dazu zählt beispielsweise die Erhaltung des Reichswaldes als Erholungsgebiet ebenso wie als Trinkwasser- Reservoir.
    Seit langer Zeit schon im Gesundheitsausschuß der rheinischen Landschaftsversammlung, trug der SPD-Abgeordnete wesentlich zum patientengerechten und technisch-modernen Ausbau des Landeskrankenhauses Bedburg bei, dem größten psychiatrischen Zentrum Europas vor den Toren Kleves. Die allgemeine Klimaverbesserung für diese benachteiligten Menschen in der Öffentlichkeit bleibt aber weiter sein Anliegen. " Wir müssen mehr Verständnis und Gefühl für die Behinderten aufbringen." Der Sozialpolitiker Werner Linkner richtet sein Augenmerk auch auf die ältere Generation, setzt sich für neue Impulse in der Altenbetreuung ein.
    Der niederrheinische Politiker, dessen Vater Gewerkschaftler und ebenfalls Sozialdemokrat war, stieß 1958 zur SPD und hatte seitdem zahlreiche Parteiämter inne. Anerkennung für einen Parteifreund, der trotz mancher Rückschläge in einer "SPD-Diaspora" stets für seine Partei warb und kämpfte. "Man muß viel Idealismus haben", räumt er heute ein. Und diese menschliche Eigenschaft müssen ihm auch seine politischen Widersacher anerkennend zugestehen.
    In den Monaten bis zum Ende der Legislaturperiode will Werner Linkner vor allem für die Interessen des Kreises Kleve in Düsseldorf kämpfen, beherzt - aber ohne markige Worte. So, wie es eben dem Wesen des niederrheinischen Menschenschlages entspricht.
    Jochen Jurettko

    ID: LI840524

  • Porträt der Woche: Paul Krings (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 14.02.1984

    Als Jahrgang 1917 ist er der Senior der SPD-Fraktion. Doch wer Paul Krings gegenübersitzt, vergißt rasch das Alter des Solingers. Unter den buschigen Brauen liegen zwei Augen, die den Gegenüber fest anpacken. Und wenn er gleich zu Beginn des Gespräches sagt, daß er immer sagt, was er denkt, dann merkt man rasch, daß dies keine Phrase ist - von Abgeklärtheit keine Spur.
    Paul Krings sitzt erst seit 1980 im Landtag. Gedrängt hat er sich danach nicht. Warum der gelernte Schlosser, 1979 als Geschäftsführer der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr pensioniert, ein Jahr später doch noch in die Landespolitik einstieg? Krings lacht: "Die Genossen hier in Solingen suchten nach einem kämpferischen Gegenkandidaten zum Wahlkreisinhaber der CDU, um dem den Wahlkreis abzujagen. Da sind sie auf mich verfallen." Am Abend des Wahlsonntags im Mai 1980 erwies es sich, daß dies keine schlechte Idee gewesen war. Krings gewann den "schwarzen" Wahlkreis für die SPD. Sein Stimmenzuwachs lag mit acht Prozent weit über dem Landesdurchschnitt. Krings im Rückblick auf dieses Ergebnis: "Ich habe hier in Solingen einen guten Namen. Und ich konnte die Arbeitnehmer mobilisieren." Geschrieben lesen sich solche Sätze vielleicht etwas zu selbstbewußt. Aber der Solinger sagt sie mit so ruhiger, selbstverständlicher Stimme, daß man gar nicht auf die Idee kommen kann, hier lasse jemand verbal die Muskeln spielen.
    Paul Krings kommt aus einer sozialdemokratischen Familie. Als "Sohn meines Vaters" war es für ihn ganz selbstverständlich, noch 1932, als Fünfzehnjähriger, in die SPD einzutreten. Wenige Wochen später feierte er seinen 16. Geburtstag in einer Gefängniszelle der Nazis. In der gleichen Zelle saß sein Vater. Krings: "Da wurde aus dem Sohn des Vaters der Freund des Vaters."
    Als er nach Krieg und fünfjähriger Kriegsgefangenschaft in Jugoslawien ins heimatliche Solingen zurückkehrte, verdiente sich Paul Krings sechs Jahre lang seinen Lebensunterhalt als Straßenbahn- und Autobusfahrer - und stieg - ganz unten - wieder ein in die SPD.
    Nostalgie ist ihm im Rückblick auf diese Jahre dennoch fremd. Nicht in den fünfziger, sondern in den siebziger Jahren habe er sich am wohlsten in der SPD gefühlt. Warum? Krings zögert keinen Augenblick mit der Antwort: "Damals wurde in der Partei am konstruktivsten diskutiert. Da haben wir in der SPD und mit der SPD etwas verändert." Und dennoch: Für einen alten Sozialdemokraten hat Paul Krings ein merkwürdig distanziertes Verhältnis zur Partei: Von allen Übeln sei die SPD in der Parteienlandschaft noch das kleinste. Mit ihr und in ihr könne er am ehesten Kompromisse schließen. Paul Krings: "Ich bin nie ein Mitläufer oder Jasager gewesen. Der wäre ja ein schlechter Sozialdemokrat, der keine Kritik übte an seiner Partei." Auch das sagt er ruhig, selbstbewußt, unaufgeregt.
    Solingen gehört - parteiorganisatorisch - zum SPD-Bezirk Niederrhein. Paul Krings geniert sich nicht einzugestehen, daß er für dessen langjährigen Vorsitzenden Hans-Otto Bäumer "fast ein bißchen geschwärmt" habe. Diese Wertschätzung für den Polterer aus Velbert habe auch nach dessen Ausfällen gegen Johannes Rau vor und nach dem Rücktritt des Ministers nicht gelitten, obwohl Krings sie in Ton und Sache nicht teilt. Aber, so meint der gar nicht alte Senior der SPD-Fraktion: "Wer keine Fehler macht, macht auch nichts Gutes."
    Schwerpunkte seiner landespolitischen Arbeit sieht Paul Krings in seiner Tätigkeit im Justizausschuß und im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die Arbeit macht ihm da so viel Freude, daß diese erste nicht seine letzte Legislaturperiode sein müßte. Krings hütet sich allerdings wohlweislich, jetzt schon Ansprüche auf eine erneute Kandidatur anzumelden. Aber wenn die Partei ihn noch einmal zur Kandidatur auffordert, er würde nicht nein sagen.
    Voller Selbstironie nennt sich Paul Krings "ein Stück Solinger Inventar". Begrenzt auf seine Heimatstadt ist er dennoch nicht, was bewiese dies besser als sein letztes Ehrenamt, nämlich das wenig Ruhm und viel Arbeit einbringende Amt des Vorsitzenden der heimischen Europa-Union. Die Wahlbeteiligung aller Solinger am 17. Juni über 50 Prozent zu bringen, ist sein nächstes Ziel. Dies zu erreichen dünkt ihm schwieriger, als im nächsten Mai zu Hause die Mehrheit für die SPD zu gewinnen. Krings: " Von Europa nur zu reden, hilft nichts. Man muß etwas dazu tun." Ist es typisch, daß ein "Alter" dafür etwas tut?
    Reinhard Voss

    ID: LI840323

  • Porträt der Woche: Friedrich Schreiber (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 21 - 20.12.1983

    Seine harte Aussprache macht ihn als Import-Westfalen kenntlich. Aber gerade deshalb ist Friedrich Schreiber, der gebürtige Siebenbürger Sachse, doch wieder typisch für das Land von Kohle und Stahl. Da, am östlichen Rande des Völkerverschmelztiegels Ruhrgebiet, in Schwerte, ist der 49jährige Sozialdemokrat zu Hause, politisch und familiär. Er ist ebenso gut Reviermensch wie Westfale, könnte aber auch Rheinländer sein. Ihn als Nordrhein-Westfalen zu bezeichnen, ganz im Sinne eines sperrigen staatlichen Identitätsbegriffs, den dieses Bindestrich-Bundesland nur schwer vermittelt, trifft wohl genauer. In Kronstadt 1934 geboren, siedelte Schreiber 1952 mit den Eltern von Rumänien in die Bundesrepublik über. Hier mußte er 1954 das Abitur wiederholen, weil die schon 1951 bestandene rumänische Reifeprüfung hier nichts galt. Schreiber studierte Recht an den Universitäten Freiburg und München, legte beide Staatsprüfungen ab, wurde 1967 Anwaltsassessor und trat anschließend in die Finanzverwaltung ein. Nach Stationen bei verschiedenen Finanzämtern wurde er 1972 Oberregierungsrat bei der Oberfinanzdirektion Münster. Heute ist er Fachanwalt für Steuerrecht. Schreibers fiskalische Beamtenlaufbahn endete mit dem Beginn seiner Karriere im Landtag, in den er 1975 gewählt wurde. Schon zuvor betätigte er sich kommunalpolitisch für die SPD, in die er 1964, in vergleichsweise reifem Alter, eingetreten war. Er gehört dem Rat der Stadt Schwerte an, ist stellvertretender Fraktionschef. Er fühle sich, sagt er, "absolut in der Mitte" seiner Partei. Gleichwohl gilt er manchen als ein heimlicher Öko-Freak. Als Vorsitzender des Arbeitskreises "Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft" in der SPD-Landtagsfraktion hat er sich den Ruf eines nicht gerade modisch-, eher konservativ-grünen Roten erworben. (Als er noch nicht dem Landtag angehörte, war er schon längst auf dem Umwelt- Trip: Auf dem schwiegerväterlichen Hof im heutigen Schwerter Vorort Geisecke ließ er sieben Schafe als "Bio-Rasenmäher" grasen.) Anderwo fiel seine Zähigkeit auf, zuletzt im parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der die Indiskretionen im Zusammenhang mit Parteispenden- und Flick-Affäre aufklären sollte. Es kam nicht viel dabei heraus. Aber sein hartnäckiges Bohren trug Schreiber, diesem kantigen Juristen, den Titel eines unbequem-spröden Inquisitors ein, immerhin. Schreibers Herkunft, seine Erfahrungen, die nicht zuletzt auch in der Begegnung mit schwerer Krankheit, einem Knochenmarks(eiden, wvrze/n, aber auch sein zuweilen urwüchsig-derber Witz scheinen ihn für seine neue Funktion in der Führung der SPD-Landtagsfraktion zu prädestinieren. Als er in der Nachfolge Günther Einerts, der als Bundesratsminister nach Bonn ging, zum Parlamentarischen Geschäftsführer gewählt wurde, bekam er freilich keine Vorschußlorbeeren. Von den 82 anwesenden SPD- Abgeordneten stimmten nur 44 für ihn, 26 votierten mit Nein, elf enthielten sich der Stimme. Schreiber hat das als Herausforderung zur Integration verstanden. Denn er muß so etwas wie ein Dolmetscher für alle 106 SPD-Parlamentarier sein. Die Geschäftsordnung der Fraktion beschreibt das in nüchternem Juristendeutsch: Der Parlamentarische Geschäftsführer erledige "im Einvernehmen mit dem Fraktionsvorsitzenden die parlamentarischen, juristischen und organisatorischen Aufgaben der Fraktion". Außerdem muß er "den vom Fraktionsvorstand zu genehmigenden" Finanzplan der Fraktion aufstellen und die "einfachen Geschäfte der laufenden Verwaltung" führen - Funktionen allesamt, die Schreiber nach Herkunft, Profession und Neigung zu entsprechen scheinen. Zu Hause, in der nun knapperen Freizeit, wird er dennoch zuweilen - zum Vergnügen von Frau und Töchtern (drei) - zum Akkordeon greifen. Da dilettiert er, ganz Autodidakt, am liebsten mit Wanderliedern. Briefmarken- und Münzsammlung werden jetzt wohl auch ein wenig vernachlässigt werden. Und abgehen wird er auch jenen Parlamentskollegen, gleich welcher Fraktion, mit denen er nach heißen Landtagsdebatten ganz versöhnlich, aber wie man so sagt: Zünftig Doppelkopf oder Skat drosch. Für dieses Vergnügen mit dem hohen zwischenmenschlich-bindenden Wert hat er als "Parlamentarischer", bedauert Schreiber, jetzt leider keine Zeit mehr. Bernd Kleffner

    ID: LI832116

  • Porträt der Woche: Inge Donnepp (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 20 - 13.12.1983

    Einen Tag nach ihrem 65. Geburtstag wird Justizministerin Inge Donnepp am 14. Dezember aus ihrem Amt scheiden. Nach der früheren Kultusministerin Christine Teusch war die Sozialdemokratin die zweite Frau in einem Düsseldorfer Landeskabinett. Die langjährige Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen wird allerdings noch nicht gänzlich von der politisch-parlamentarischen Bühne abtreten. Bis zum Ende der Legislaturperiode 1985 wird sie ihr Abgeordnetenmandat ausüben.
    "Mädchen, lerne etwas Richtiges, alles andere hat keinen Sinn", spornte sie ihre Mutter schon in jungen Jahren zum Leistungswillen an. So studierte die gebürtige Westfalin aus Unna wie ihr Vater Rechtswissenschaften. Als Anwältin stellte sie sich 1947 auf eigene berufliche Beine und wechselte später zur "anderen Seite" über - sie wurde Richterin am Sozialgericht. 1957 trat die Juristin in die SPD ein, blieb jedoch zunächst im Hintergrund. Familie und Beruf gingen ihr vor, die Politik mußte zunächst zurückstehen.
    Das änderte sich, als die beiden Söhne aus dem Haus gingen. Sie engagierte sich zunehmend in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen und wurde 1973 deren Vorsitzende. Schließlich holte der damalige Ministerpräsident Heinz Kühn zwei Jahre später die engagierte Frauenrechtlerin in das Kabinett. Zunächst als Ministerin für Bundesangelegenheiten in Bonn und seit 1978 als Justizministerin kämpfte sie weiter für die Belange der Frau in der Gesellschaft.
    Zwar hatte Inge Donnepp wiederholt versichert, daß sie mit 65 Jahren den Ministersessel räumen wolle, doch hat sie sich den Eintritt ins Pensionsdasein sicherlich freundlicher vorgestellt. Seit Aufkommen der Gerüchte über eine Kabinettsumbildung schon im letzten Jahr wurde ihr Name immer wieder genannt. Sie fügte sich der Ungewißheit über den Zeitpunkt der Entlassung. Auch Vorwürfe mußte die Ministerin noch in den letzten Monaten hinnehmen, als ein Untersuchungsausschuß des Landtags ermittelte, daß im Zusammenhang mit den Indiskretionen in der Parteispenden-Affäre es "undichte Stellen" in ihrem Hause gab.
    Allerdings müssen selbst ihre Kritiker einräumen, daß sie sich stets mühte, den ihr gestellten Aufgaben gerecht zu werden und sie gewichtige Akzente gerade im Justizbereich setzte. Seit Jahren führt die Sozialdemokratin einen engagierten Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität. Mit ebenso großem persönlichen Engagement begegnet sie den Gefahren des Videomarktes vor allem für die Jugendlichen. Während der Parlamentsdebatten gewann ihre Natürlichkeit Respekt auch bei der Opposition. "Sie ist eine ehrliche Haut, die niemanden verletzen möchte", urteilte jüngst eine Kommentatorin.
    Auch während ihrer Ministertätigkeit gab die Sozialdemokratin schlichten bürgerlichen Lebensstil nicht auf. Und nicht selten genierte sie sich, wenn ihr Fahrer sie nach irgendwelchen Veranstaltungen nachts nach Hause bringen mußte. Diese Eigenschaften brachten Inge Donnepp viele Sympathien ihrer Umgebung. Die Politik ist ihre Passion, und wenn sie sich in der Vergangenheit zu entscheiden gehabt hätte zwischen einer kulinarischen Reise zu den Schlössern im Loire-Tal und einer strapaziösen Studienfahrt durch Israel, so wäre dies keine Qual der Wahl gewesen. Sie hätte sich für die nächste Strapaze entschieden.
    Allerdings wird die Politikerin jetzt ein lange Zeit vernachlässigtes Hobby wieder stärker pflegen können - das Klavier- und Orgelspielen. Die Liebe zum Klavier verbindet Inge Donnepp übrigens mit Ex-Kanzler Helmut Schmidt. "Im Orgelspielen ist er mir allerdings weit überlegen ", meint sie bescheiden.
    Jochen Jurettko

    ID: LI832012

  • Porträt der Woche: Waltraud Lauer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 19 - 06.12.1983

    Im Präsidium des Landtags sitzt sie folgerichtig links neben dem Präsidenten. Die Sozialdemokratin Waltraud Lauer ist eine von den drei Frauen, die den Chef des Landtags John van Nes Ziegler und seine zwei Stellvertreter bei der Arbeit im Plenum unterstützen.
    Seit 1975 ist die gebürtige Duisburgerin im Parlament und genießt bei ihren Genossen und auch bei der CDU-Opposition ein gleichermaßen gutes "Standing". Mit ihrer freundlichen und natürlichen Art hat sie jeder gern, und man hört auch auf sie. Die heute 57jährige hat keine Probleme, wenn es um die Anerkennung als Frau geht: " Wir haben die gleiche Arbeit zu leisten wie die Männer. Wenn wir das tun, werden wir auch anerkannt."
    Damit hat sich die Duisburgerin dann allerdings auch einige Belastungen aufgeladen. Sie ist nicht nur stellvertretende Fraktions vorsitzende der SPD, sondern auch Mitglied des Schulausschusses, Sprecherin im Ausschuß für Jugend, Familie und politische Bildung und außerdem noch Mitglied in der Landschaftsversammlung Rheinland.
    Aus dieser Auflistung geht schon hervor, daß ihr Interesse bislang vor allem im sozialen Bereich gelegen hat. Hier etwas zu bewegen, war ihr Hauptanliegen. Und ein bißchen stolz ist Waltraud Lauer darauf, daß es ihr im letzten Jahr gelungen ist, die Verpflichtungen des Landes so nachdrücklich darzustellen, daß trotz der heiklen Haushaltslage vier zusätzliche Millionen Mark für die Bildungspolitik im Etat lockergemacht wurden. Die Sozialdemokratin: "Ich komme aus einer Stadt mit hoher Arbeitslosenquote. Ich weiß, wovon ich spreche, wenn ich sage, daß hier Hilfe dringend notwendig ist." Konkret umreißt die Abgeordnete, was mit den Millionen geschieht: "Mit den Geldern wird beispielsweise auf Elternseminaren geübt, was Familien bei der Vorschulerziehung beachten müssen, oder es geht darum, das Problem Kind und Fernsehen anzupacken." Aus Erfahrung weiß Waltraud Lauer, daß Familien bei schmalem Geldbeutel für solche gesellschaftspolitischen Fragen kein Geld ausgeben und deshalb der Staat einspringen muß.
    Fast gleichrangig mit der Familienpolitik beschäftigt die SPD-Frau die Kommunalpolitik. Schließlich kommt sie aus der Gemeindearbeit. Bevor Waltraud Lauer aus dem Duisburger Rat in die Landespolitik überwechselte, war sie bereits über zehn Jahre lang Ratsherrin in ihrer Heimatstadt. Überhaupt ist Waltraud Lauer eine überaus politische Frau. Dazu hat ihre Familie viel beigetragen. Ihre Mutter, eine gebürtige Holländerin, war schon in der SPD, als es Frauen noch verboten war, an Parteiversammlungen teilzunehmen.
    Ihr Vater, der vor 1933 für die Duisburger SPD im Rat gesessen hatte, wurde nach der Machtergreifung arbeitslos, verfolgt und eingesperrt. Doch die Nachkriegszeit sah ihn ungebrochen politisch aktiv im Düsseldorfer Landtag, da, wo heute seine Tochter sitzt. Aus dem wachen Miterleben der Geschehnisse im Dritten Reich wollte Waltraud Lauer zunächst gar nichts mit der Politik zu tun haben. Auf Grund des väterlichen politischen Engagements war für sie der Besuch einer Oberschule oder gar eine Universität auch finanziell "gar nicht drin". Statt dessen absolvierte Waltraud Lauer nach der Volksschule die Handelsschule, machte eine kaufmännische Lehre und wurde Buchhalterin. Doch die Politik liegt ihr so im Blut, daß sie 1946 Mitbegründerin der Duisburger Falken wurde und im gleichen Jahr noch in die SPD eintrat.
    Bei den Falken lernte sie übrigens ihren Mann kennen, der heute als SPD-Fraktionsgeschäftsführer im Duisburger Stadtrat arbeitet. Als 1957 ihr Sohn geboren wurde, machte die aktive Genossin erst einmal beruflich eine Pause. Doch schon vier Jahre später war sie Ratsherrin in ihrer Heimatstadt: "Ich konnte einfach nicht zu Hause bleiben", meint sie heute.
    Der Umzug aus dem Stadtrat in das Landesparlament hat ihr keine Schwierigkeiten bereitet. Die Sozialdemokratin: "Es ist nur eine andere Ebene." In der wenigen ihr verbleibenden Freizeit liest sie gern - auch mal einen Krimi - kocht und hat mit besonderer Freude Gäste. In der Politik würde sie übrigens gern einmal "etwas anderes machen" als Familien- und Bildungspolitik. Ihr Interesse geht in Richtung Finanzen. Denn eines steht schon heute fest: Auch in der nächsten Legislaturperiode wird die wackere Sozialdemokratin wieder im Landtag mitarbeiten. Ihr Wahlkreis hat sie schon nominiert - und zwar einstimmig.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI831907

  • Porträt der Woche: Helmut Hellwig (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 15.11.1983

    Der Mann sammelte bei der letzten Landtagswahl 65,3 Prozent für die SPD. So ganz "untypisch", wie Helmut Hellwig von sich behauptet, kann der Abgeordnete für die Region rund um Wanne- Eickel dann wohl nicht sein. Immerhin sagt Hellwig gänzlich unaufgeregt Dinge, die man von sozialdemokratischen Landespolitikern aus dem Ruhrpott in dieser Bestimmtheit selten hört. Zum Beispiel: "Pershing II und Cruise missiles sind Angriffswaffen. Wenn die Nato diese Waffen aufstellt, wird aus dem Verteidigungsbündnis ein Angriffsbündnis." Johannes Rau, neben dem Hellwig im SPD-Landesvorstand sitzt, wird dies wohl kaum unterschreiben. Im Gegensatz zu manch anderen Sozialdemokraten aus dem Ruhrgebiet, die sich in atemberaubendem Tempo aus Schmidt- Fans zu Nachrüstungsgegnern mauserten, kann Helmut Hellwig auf eine lange, persönliche Tradition kritischer Distanz zur oft bequemen Mehrheitsmeinung der Partei, seiner SPD, zurückschauen. Der ehemalige "Falke" - von 1963 bis 1967 gehörte er dem Bundesvorstand dieser sozialistischen Jugendorganisation an zählte zu den aktiven Ostermarschierern, er demonstrierte gegen die US-Aggression in Vietnam und sagte "Berufsverbot", als die meisten Sozialdemokraten dieses Wort noch nicht in den Mund zu nehmen wagten. Aber zu Hellwig gehört es auch, daß er es war, der damals das öffentliche Streitgespräch zwischen Rudi Dutschke und Johannes Rau organisierte. Weil die Genossen im heimischen Wanne-Eickel dafür keinen Saal zur Verfügung stellen wollten, suchte sich Hellwig eben einen Saal im nahen Wattenscheid. Der eher still wirkende Abgeordnete steht für seine Überzeugungen. Und deshalb ist es vielleicht doch nicht untypisch, daß in Herne, wo die Mehrheit der Bevölkerung wohl in diesen weltpolitischen und prinzipiellen Fragen anders denkt, 65,3 Prozent Helmut Hellwig wählten.
    Helmut Hellwig ist Vorsitzender des Ausschusses für Jugend, Familie und politische Bildung. Bei diesem Thema kann er sich schon ereifern. Für ihn gibt es "keine Entschuldigung", daß - auch von der eigenen sozialdemokratischen Landesregierung - nicht mehr investiert wird, um allen Schulabgängern einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu garantieren. Natürlich, die 200 Millionen Mark, die im Landeshaushalt 1984 für diesen Zweck ausgewiesen sind, seien besser als die Streichungen in den zurückliegenden Jahren. Aber Hellwig sagt es ohne Umschweife: "Die 200 Millionen reichen noch nicht aus." Der Abgeordnete hat noch immer nicht aufgehört, sich darüber zu wundern, daß in den westlichen Demokratien der, so sagt er es, "Stellenwert der Jugendpolitik" nicht in seiner ganzen Bedeutung erkannt wird. Hellwig leise aber provokativ: "Die Nazis und die Kommunisten, die haben mehr in ihre jeweilige Jugend investiert." Der Abgeordnete weiß natürlich ganz genau, daß die Kassen leer sind. Um so wichtiger erscheint es ihm, daß die Politiker.- und ganz besonders die Sozialdemokraten - peinlichst darauf achten, daß gerade im Umgang mit der Jugend zwischen Theorie und Praxis der Politik "keine zumindest nicht zu erklärenden Lücken klaffen". Wie lange es wohl dauern mag, bis die SPD (falls überhaupt jemals wieder) auf die Jugend eine derartige Anziehungskraft ausübt wie in den ersten Jahren der Kanzlerschaft von Willy Brandt? Hellwig gibt sich da keinen Illusionen hin: "Das dauert zehn Jahre - mindestens."
    Immerhin, der Mann aus Wanne-Eickel, der sich selbst, ungefragt, dem linken Spektrum der Partei zuordnet, sieht die SPD wieder auf dem richtigen Weg, den sie in seinen Augen während der Kanzlerschaft Helmut Schmidts verlassen hatte. Hellwig hält es da eher mit seinem Parteivorsitzenden und dessen Vision von einer Mehrheit links von der Mitte. Die gebe es wahrlich, meint er trocken, man müsse diese linke Mehrheit nur in den richtigen Themen bündeln. Die SPD könne das natürlich nicht, wenn sie zur Partei des öffentlichen Dienstes degeneriere. Hellwig weiß, wovon er spricht. Eines Tages, erzählt er, habe er im heimischen SPD-Ortsverein bemerkt, daß elf von 15 Vorstandsmitgliedern in der Stadtverwaltung beschäftigt waren. Hellwig kurz und bündig mit einem leisen Lächeln in den vom Kinnbart halb verdeckten Mundwinkeln: "Das habe ich dann aber schnell geändert." Wie es mit ihm selbst weitergehen mag? Über seine persönliche politische Zukunft will er nicht reden. Er sei dagegen, Personen, die eigene eingeschlossen, in den Mittelpunkt zu stellen. Helmut Hellwig: "Mir geht es um die Sache. Und da haben wir gerade in 'meinem' Ausschuß noch auf Jahre mehr als genug zu tun."
    Reinhard Voss

    ID: LI83171C

  • Porträt der Woche: Fritz Wirtz (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 02.11.1983

    Mit Ablauf dieser Legislaturperiode, im Frühsommer 1985, will Fritz Wirtz aus der Fraktion der SPD sein Mandat nieder/egen - "Jüngere müssen ran!'t meint er schon heute, mit 62 Jahren. Sein Nachfolger im Wahlkreis 124 Bochum I dürfte auf einer "Bank" sitzen; denn dieser Wahlkreis ist einer von denen, die der SPD traditionell sicher sind mit mindestens 60 Prozent der Wählerstimmen. "Leute aus dem Arbeitsleben, die die Probleme kennen" - so Wirtz finden alle Male mehr Vertrauen dort, wo viele noch im "Blaumann" ihre Brötchen verdienen und solche besser verstehen, die ihre klare Sprache sprechen, die die SPD aber auch wieder mehr ansprechen muß, solange für sie das Alphabet noch bei A wie Arbeiter beginnt.
    Der Name Fritz Wirtz stand und steht für eine solche Politik, er ist das geradezu klassische Beispiel für den - bis in die 60er Jahre typischen - Aufstieg eines Arbeiters und Gewerkschafters in der SPD. Geboren wurde er in Gelsenkirchen, einstmals "Stadt der 1000 Feuer", als Sohn eines selbständigen Malermeisters, dem die Nazis die Werkstatt schlossen, weil "der Sozialdemokrat den Mund nicht halten konnte". Sohn Fritz absolvierte die Volksschule und lernte Werkzeugmacher, bis er 1941 "dienstverpflichtet" wurde, zu den Marinewaffen nach Eckernförde. Dort wurde er umgeschult zum technischen Zeichner.
    Die Internierung nach Kriegsende dauerte nicht allzu lange, schon im August meldete sich der Heimkehrer wieder in seinem früheren Lehrbetrieb. Ein Jahr später trat Wirtz in die SPD ein ("Was sonst!"); seine Arbeitskollegen wählten ihn in den Betriebsrat. Damit begann seine eigentliche berufliche Laufbahn, die ihn als Geschäftsführer ausweist im Handbuch des Landtags - bei der Gewerkschaft, bei der IG Metall. Die schickte den "Neuen" erst einmal auf die Akademie der Arbeit nach Frankfurt, dann wurde Wirtz Jugendsekretär im DGB-Ortsausschuß Bochum- Wattenscheid. Als infolge plötzlichen Todes des Amtsinhabers ein Nachfolger für den DGB-Vorsitz im Kreis Neuss-Grevenbroich gesucht wurde, fiel die Wahl auf Wirtz. Von 1954 bis 1960 war er inzwischen verheiratet und Vater von zwei Kindern - Pendler zwischen Bochum und Neuss, ehe er die gleiche Aufgabe in seiner Heimatstadt übernehmen konnte. Seit 1967 ist er 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Bochum- Wattenscheid, auch Mitglied des Beirates und der Großen Tarifkommission. 1970 wechselte Wirtz aus dem Rat der Stadt Bochum (seit 1969) in den Landtag über, wo er in Ausschüssen tätig ist, die seinem beruflichen Weg und seinen Erfahrungen besonders entsprechen: Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Ausschuß für Grubensicherheit. Versteht sich, daß Wirtz sich leidenschaftlich zur Kohle-Vorrang-Politik bekennt, Braunkohle einbegriffen - "wir müssen da möglichst viele Arbeitplätze halten"! Zurückhaltung empfiehlt er beim verstärkten Einsatz von Kernenergie, "solange die Entsorgungsfrage nicht eindeutig geklärt ist". Einen "Wald- oder Umweltpfennig" hält Wirtz für "gut denkbar; alle sollten zahlen, nicht nur die Industrie". Mit der Einführung von bleifreiem Benzin "sollte die Bundesrepublik ein Beispiel setzen".
    Wer heute in Sachen Kohle und Stahl politisch aktiv ist, muß das Wort "Freizeit" zwangsläufig ganz klein schreiben. Dabei hat Wirtz mit den Spielcasinos in Bad Aachen und Bad Oeynhausen zu tun, von Amts wegen. Die führen zehn Millionen Mark jährlich an die Stiftung Wohlfahrtspflege ab; Vorsitzender dieser segensreichen Einrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen ist Fritz Wirtz. Mit den neun Mitgliedern des Stiftungsrates konnte er im vergangenen Jahr in 132 Fällen bestimmte Maßnahmen mit Zuschüssen aus der Spielbankabgabe fördern. In diesem Jahr sind es wieder zehn Millionen, über die die Stiftung Wohlfahrtspflege verfügen kann; behinderte und alte Menschen werden sich darüber ganz besonders freuen.
    Hans Krieger

    ID: LI831519

  • Porträt der Woche: Dr. Klaus Heugel (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 14 - 11.10.1983

    Die Tatsache, daß er ausgerechnet im Landtagswahlkreis 13 kandidiert hat, also dem Wahlkreis Köln I, hat den gebürtigen Berliner keineswegs bange gemacht. Auch beim Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag, dem er seit dem 29. Mai 1980 angehört, hatte Dr. Klaus Heugel zu keiner Zeit das Gefühl, von einem neuen Informationsfluß überschwemmt zu werden. Der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion im Kölner Stadtparlament, der mit seinem Landtagsmandat so etwas wie eine Verbindungsklammer zwischen Kommunalpolitik und Landespolitik bildet und sich dessen auch voll bewußt ist, kam illusionslos in das Landesparlament. Für ihn ist Landespolitik eine Fortsetzung der Kommunalpolitik auf höherer Ebene, ist es notwendig, als Kommunalpolitiker zu wissen, was im Lande gespielt wird und als Landtagsabgeordneter bei Sachfragen auf seine kommunalpolitischen Erfahrungen zurückgreifen zu können. Dazu bedarf es eines vollen persönlichen Einsatzes und einer Standhaftigkeit, sei es im Stadtrat von Köln, sei es im Düsseldorfer Landtag. Klaus Heugel, vom Jahrgang 1936, hat das bisher verkraftet, fühlt sich auf beiden Parlamentsebenen zu Hause und kann für sich außerdem noch die Erfahrungen in Anspruch nehmen, die er zwischen 1971 und 1975 als Referent im Bundeskanzleramt unter Professor Horst Ehmke gesammelt hat. Im Landtag selbst sitzt er im Haushalts- und Finanzausschuß, eine Tätigkeit, die dem Diplomkaufmann und promovierten Dr. rer. pol. wie auf den Leib zugeschnitten ist. Mit Geld umzugehen, hatte er schon als Projektsprecher bei der Deutschen Entwicklungsgesellschaft Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre gelernt. Aber auch persönlich weiß er den Wert des Geldes zu schätzen, hat er sich doch sein Studium selbst mitfinanzieren müssen und dabei ein Jahr unter Tage gearbeitet und die Befähigung als Lehrhauer erworben.
    Neben den parlamentarischen Funktionen, als Beobachter im Bundestag, Ratsherr in Köln und Abgeordneter im Landtag sowie seine beruflichen Erfahrungen verfügt der heute 46jährige auch über eine nicht zu unterschätzende Erfahrung in seiner Partei, in der er sich seit seinem Eintritt im Jahre 1978 bis zum Ortsvereinsvorsitzenden und Mitglied des Unterbezirksvorstandes vorgearbeitet hat. Darüber hinaus hat Heugel als Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, der Arbeiterwohlfahrt und des Arbeiter- und Samariterbundes sich freiwillig weitere Verpflichtungen aufgeladen.
    Im Landtag versucht er, auch das Anliegen seiner Kölner Wahlheimat durchzusetzen, aber er ist kein Mann mit Scheuklappen, dazu hat er zu lange in Essen, Duisburg und Dortmund gelebt, und dazu weiß er zu umfassend, daß es die Sorgen der Domstadt auch noch anderswo gibt. Wenn die Politik und andere öffentliche Verpflichtungen ihm nur halbwegs Zeit lassen, dann verbringt er sein Wochenende daheim in Köln am Stadtwaldgürtel, dann hält er sich mit Tennisspielen fit oder besucht auch mal ein Fußballbundesligaspiel in seiner Heimatstadt. Und wenn Spitzenspiele im Hallenhandball anstehen, dann zieht es den früheren Handballer auch schon mal in die Westfalenhalle nach Dortmund. Heugel ist Sportler, aber kein Typ eines Leichtathleten, der über kurze Strecken sprintet oder sich über lange Strecken quält - er bleibt lieber am Ball, sei es beim Tischtennis oder beim Tennis-, Hand- oder Fußballspiel. Vor allem aber in der Politik will er am Ball bleiben, in seiner sozialdemokratischen Partei, im Kölner Stadtrat und in der Landespolitik. Ob er am politischen Ball noch Höheres anpeilt, darüber schweigt er, lächelt in sich hinein, sieht sich als Realist, will aber auch nichts ausschließen.
    Karl Fischer

    ID: LI831423

  • Porträt der Woche: Erich Kröhan (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 13 - 04.10.1983

    Wer den Weg des 58jährigen Erich Kröhan nachzeichnet, der seit Juli 1966 als Mitglied der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag sitzt, entdeckt einen jener Männer, wie sie gerade in dieser Partei als Mandatsträger immer seltener werden: Der gebürtige Berliner, Sohn eines selbständigen Schneidermeisters, besuchte die Volksschule, lernte Maschinenschlosser und wurde - nach dreijähriger Soldatenzeit Fabrikarbeiter. Das blieb er auch, als er 1947, frisch verheiratet, über Duisburg nach Mülheim an der Ruhr übersiedelte. Da war er bereits, wie auch seine Frau, Mitglied der SPD. Kurt Schumacher und Ernst Reuter hatten ihm "den Weg gewiesen".
    Wer den Zweiten Weltkrieg und die schlimmen Jahre danach erlebt hat, in Berlin wie an der Ruhr, wer ein kaputtes Land aus den Trümmern auferstehen sah, mit seiner Hände Arbeit dazu beitrug, monatelang sogar als Minensucher, der "weiß, worum es einer Friedensbewegung wirklich gehen muß"; weiß auch besser als andere, warum die SPD bei der letzten Bundestagswahl gerade im Arbeitnehmerlager an Rhein und Ruhr deutliche Stimmenverluste erlitt: "Es sind zu wenige, die die Arbeitswelt kennen und ihre Probleme", betont Kröhan. Und da könne er "nur hoffen, daß bei künftigen Kandidatenwahlen wieder mehr Wert daraufgelegt wird; die gesamte Breite einer Volkspartei muß auch bei den Mandatsträgern ihren Ausdruck finden". Wenn Kröhan heute hört und liest, daß die SPD ihre Zielgruppenarbeit verstärken muß, wieder mehr in die Vereine und Vereinigungen hineinwirken muß - für ihn, der über Jahrzehnte "nur Ortsarbeit" betrieb, sind dies alte Erkenntnisse. Sie brachten ihm permanent Erfolg.
    Da sind Kommunalpolitik und Sport ganz naheliegend. Kröhan war über viele Jahre hinweg Mitglied des Rates der Stadt Mülheim, Vorsitzender des Stadtsportbundes ist er heute noch. Wenn er sagt, daß die 175000 Einwohner zählende Stadt 118 eingetragene Sportvereine mit 37000 Mitgliedern hat, so ist die "Weltmacht" Sport da erst recht ein Faktor, der in der Politik zählt. Versteht sich, daß seine Fraktion ihn bereits 1966 als Neuling in den Sportausschuß entsandte. Dort sitzt er heute noch und - "man kann gerade den kleinen Vereinen eine Menge helfen bei ihrer unschätzbaren Arbeit für die Jugend; Sport ist die beste Art von Jugendpolitik". Er ist schon ein bißchen stolz, daß es "inzwischen Sporteinrichtungen in ausreichender Zahl gibt, außer gedeckten Hallen". Freilich "müssen auch viele Einrichtungen jetzt modernisiert werden", deshalb "müssen wir die für 1983 um 20 Prozent gekürzten Mittel auf diesem Stand unbedingt halten". Auch die Übungsleiterhonorare - da geschieht "schon sehr viel Ehrenamtliches, im Interesse unserer Kinder".
    Den "Blaumann" hatte Kröhan 1961 mit dem Kittel eines technischen Angestellten im städtischen Amt für Brücken- und Ingenieurbau vertauscht, wobei er schnell sein "Herz für den Nahverkehr entdeckte". Das veranlaßte die Fraktion, ihn in den Verkehrsausschuß zu entsenden, dessen Vorsitzender er längst ist. "Kernstück" seiner Arbeit dort - während der letzten Legislaturperiode schon - war die Einführung des Verkehrs- Verbunds Rhein-Ruhr (VVR), "eine überzeugende Lösung, weil man mit einer Fahrkarte die verschiedensten Verkehrssysteme benutzen kann".
    Inzwischen hat der SPD-Verkehrsexperte "die meisten Großstädte im Ruhrgebiet unter der Erde durchwandert", nachdem er "die Stadtbahnidee seit 1968 verfolgt". Da will er "die ersten großen Baustufen noch im Verkehr erleben, begonnene Arbeiten nach 1985 gerne weiterführen". Das heißt, daß sein Arbeitstag weiterhin 16 Stunden haben wird, "wofür die Ehefrau viel Verständnis haben muß". Das dürfte ihr etwas leichter fallen; denn "drei Generationen wohnen einträchtig unter einem Dach". Wodurch sich "auch die Gartenarbeit von selbst erledigt", meint Kröhan schmunzelnd.
    Hans Krieger

    ID: LI831318

  • Porträt der Woche: Günther Einert (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 11 - 20.09.1983

    Ob er sich als Minister in Lauerstellung fühle? Günther Einert wäre kein Profi, wenn er diese Frage nicht mit gekonnt demonstrierter Abwehr zurückweisen würde. Nein, er habe keinen Ehrgeiz, wiegelt der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion ab. Und schon gar nicht warte er darauf, daß Johannes Rau den Kopf durch den Türspalt stecke und mit der Ernennungsurkunde winke. Dennoch: Der 52jährige graduierte Volkswirt, der seit Beginn dieser Legislaturperiode als parlamentarischer Geschäftsführer dafür zu sorgen hat, daß der Laden läuft in der Mehrheitsfraktion, ist der einzige SPD-Abgeordnete, dessen Name immer wieder genannt wird, wenn von der Rau aufgeredeten Regierungsumbildung geredet und geschrieben wird. Günther Einert versteht das sogar. Als " Vielzweckwaffe", wie er sich selbst charakterisiert, sei er eben wie geschaffen für solche Spekulationen, räumt er ein, nicht ohne noch einmal schnell hinzuzusetzen, daß er sich an solchen Spekulationen nicht beteilige.
    Der gebürtige Schlesier ist einer jener zahlreichen Akademiker in der SPD, die aus der Arbeiterschaft kommen. Als Schlosser und Schweißer verdiente er nach seiner Flucht in den Westen seine ersten harten D-Mark. Daß Arbeit - er sagt es so - "existenzieller Zwang" sein kann, weil es damals für ihn kein schützendes Elternhaus mehr, kein Härten abfederndes soziales Netz gab, gehört zu Einerts prägenden Erfahrungen. Was Handarbeit, was Knochenarbeit ist, hat Einert nicht vergessen, auch wenn es schon lange Jahre zurückliegt.
    Ein Aha-Erlebnis, das ihn zum Sozialdemokraten machte, hatte Günther Einert nicht. Seine Mitgliedschaft in der SPD (seit 1951) ist für ihn eine " logische Konsequenz" aus den Erfahrungen, die er am Arbeitsplatz und - stärker noch später als Gewerkschaftsmitglied machte. In der sozialdemokratischen Partei machte der junge Mann, inzwischen nach einem Studium in Hamburg und Illinois zum Volkswirt avanciert, auch schnell Karriere. Mit 34 Jahren - auf dem Papier also noch ein Jungsozialist wurde er schon Oberbürgermeister von Iserlohn. Und er blieb es zehn Jahre lang bis 1974. Damals war er schon Mitglied der SPD-Fraktion, die ihn vor zwei Jahren zu ihrem parlamentarischen Geschäftsführer wählte.
    Jetzt also ein Funktionär? Günther Einert fühlt sich von diesem Wort nicht gekränkt. In jedem größeren Betrieb müsse es Leute geben, die dafür verantwortlich seien, daß der Laden funktioniert. Wenn man solche Leute Funktionäre nenne - bitte, ihn störe das nicht, versichert der parlamentarische Geschäftsführer selbstbewußt. Ungehalten werde er nur, wenn man den "Funktionär" in die Nähe des "Apparatschick" rücke. Das sei er nun wahrlich nicht.
    Günther Einert ist ein nüchterner Mann, der sich selbst, seine Rolle in der Fraktion, auch die Möglichkeiten von Mehrheitsfraktion und Landtag nicht überschätzt. Der manchmal künstlich aufgeregte Alltag im Landtag - für den parlamentarischen Geschäftsführer sind das oft "die im politischen Geschäft vorgeschriebenen Kampf- und Schlachtgesänge", mit denen man sich selbst Mut und dem Gegner Angst machen will. Daß die parlamentarische Gangart mit der Opposition nach Einerts Beobachtung "ruppiger" geworden ist, daß die Kollegen von der CDU die Nase etwas höher tragen, seit ein Christdemokrat im Kanzleramt sitzt, nimmt Einert nichts von seiner Ruhe, die darauf gründet, daß in Düsseldorf die SPD-Fraktion und nicht etwa die Christdemokraten über Macht verfügen. Einert scheut das Wort von der Macht nicht. Im Gegenteil: "Das wäre ja eine traurige Fraktion, die nicht wüßte, daß sie Macht hat und diese auch gebraucht", diktiert der Geschäftsführer dem Fragesteller in den Schreibblock. Dies klingt nur deshalb nicht überheblich, weil gerade Einert nur zu gut weiß, daß die "Macht" selbst einer über die absolute Mehrheit verfügenden Fraktion ihre engen Grenzen hat. Besonders wenn die Kassen so leer sind, wie sie nun einmal nicht nur in Düsseldorf sind. Sein derzeitiger Job macht ihm dennoch Spaß. Und wenn es nach ihm ginge, würde er ihn auch noch gern ein paar Jahre lang behalten - sagt er. Was natürlich nicht bedeuten soll, daß er Johannes Rau einen Korb geben würde, falls der doch einmal den Kopf durch die Tür steckt und mit einer Ernennungsurkunde winke ...
    Reinhard Voss

    ID: LI831120

  • Porträt der Woche: Johannes Rau (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 28.06.1983

    Sogar manche Weggefährten und nicht nur seine politischen Gegner bringt Johannes Rau mitunter an den Rand der Verzweiflung. Sein früherer Königsmacher Hans Otto Bäumer warf ihm kürzlich geradezu wütend die Brocken vor die Füße und verabschiedete sich aus dem Kabinett mit der bitterbösen Begründung, dem Ministerpräsidenten fehle es an Führungskraft. Das mit der mangelnden Führungskraft - pflicht- und rollengemäß - perpetuierend zu behaupten, werden auch die Union und die kleine mittelständische Möllemann- APO, die F.D.P., nicht müde. Wenn's denn stimmt, nimmt es allerdings wunder, daß sich die oppositionelle CDU überhaupt und dann auch noch so lange und verbiestert über die Frage zerstritt, wer diesen Regierungschef mal schlagen könnte.
    Führung hin, Mangel her - mit seiner Tour und auf seine Weise hat Rau (fast) immer Erfolg gehabt, und das schon seit langem. Der politische Zögling Gustav Heinemanns kam über dessen kurzlebige "Gesamtdeutsche Volkspartei" 1957 zur SPD, zog nur ein Jahr später - also inzwischen vor genau 25 Jahren - in den Düsseldorfer Landtag ein, brillierte dort bald mit rhetorischen Attacken auf die streng konservative CDU-Kultusministerin Christine Teusch, stieg Ende der sechziger Jahre zum SPD-Fraktionsvorsitzenden auf, mehrte seine Popularität als Wuppertaler Oberbürgermeister und wurde - ohne Abitur und Hochschulstudium - 1970 Wissenschaftsminister unter Heinz Kühn. Mit seinem Namen sind die Gründungen der nordrhein-westfälischen Gesamthochschulen und der ersten deutschen Fernuniversität in Hagen verbunden. 1977 avancierte Rau zum Chef der Landes-SPD, hatte damit die entscheidende Weiche für den lange geplanten Einzug in die Düsseldorfer Staatskanzlei gestellt und wurde 1978 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.
    Und weiter ging's bergauf: Mit dem absoluten Wahlsieg der NRW-Sozialdemokraten im Mai 1980 und der Bestimmung Raus zum stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden durch den Münchener Parteitag knapp zwei Jahre später.
    Reiht man nur einen Teil der auf ihn gemünzten Attribute - gerechte wie möglicherweise fahrlässige - aneinander, so entsteht ein geradezu schillerndes Persönlichkeitsbild von dem 52jährigen Politiker: bibelfester Predigersohn und "Bruder Johannes", "Hoffnungsträger" einer bundesweit darniederliegenden SPD, harter "Malocher" mit 17-Stunden-Tag und jungenhafter Attitüde, "Zauderer" und politischer Daueraufsteiger, zuwendungsbereiter "Dialog-Präsident", raffinierter Taktiker, bierfreudiger Skatbruder, fröhlicher Selbstdarsteller und - dies allerdings ist durch Umfragen belegt - beliebter und anerkannter "Landesvater".
    Unbestreitbar gehört Rau nicht zu jenen politischen Kraftakteuren, die forsch Pflöcke einschlagen, an denen sich andere reiben. Vielmehr will und kann er zuwarten, bis Kompromisse und Konsens gefunden sind, in denen sich selbst bei heikelsten Sachproblemen eine breite Zustimmung in Partei, Fraktion und Kabinett wiederfindet. Das gilt für innerpolitisch so strittige Themen wie Nachrüstung und das Verhältnis zu den "Grünen", das gilt ebenso für das landespolitisch existentielle Bemühen um die Lösung der schier erdrückenden Strukturprobleme, die Bewältigung der Kohle- und Stahlkrise, und das gilt gleichermaßen für die Suche nach einem Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie.
    Offenkundig diesem auf Integration angelegten Kurs ist es ganz wesentlich zuzuschreiben, daß hinter Rau eine weitgehend loyale Partei auch in jenen Jahren stand, in denen andernorts Sozialdemokraten sich am zerstörerischen Bazillus unversöhnlicher Genossenanfeindungen infizierten und ihre Vorderleute demontierten.
    Schlagzeilenträchtiges Vorpreschen, das ist nicht die Marschtaktik von Johannes Rau. In kleinen Schritten möchte er vorankommen, dafür aber, wenn irgend möglich, mit der geschlossenen Mannschaft.
    Christoph Lütgert

    ID: LI83092E

  • Porträt der Woche: Landtagspräsident John van Nes Ziegler (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 14.06.1983

    Vor 30 Jahren noch stritten eifersüchtige Politiker, wer auf der Bühne staatlicher Landesherrlichkeit die Nummer eins sei - der Ministerpräsident oder der Landtagspräsident? Heute fragt keiner mehr danach! Nicht das Protokoll, die Persönlichkeit gibt den Ausschlag. 25 Jahre - ein nicht alltägliches, gewöhnliches Jubiläum für einen Parlamentarier - gehört jetzt John van Nes Ziegler dem Landtag an, ein treuer Angehöriger der großen Familie des deutschen Föderalismus, und dies nicht in Onkel-Rollen oder Cousin-Pose, sondern in der Position des Vaters.
    Am 25. Juli 1966 wurde der Kölner mit einem Schuß Hamburger Blut in den Adern erstmals zum Präsidenten des Landtags gewählt. Das Ereignis an sich war die Sensation, denn daß Sozialdemokraten zur stärksten Fraktion unter Oppositionsführer Heinz Kühn aufrücken würden, wollte so recht keiner wahrhaben. Ein junger, noch nicht einmal 50 Jahre alter Präsident übernahm die Glocke und Regie des Hohen Hauses. Zur Vereidigung kamen die meisten im Bratenrock, er selbst im hellen Sommeranzug. Eine Provokation?
    Wie John van Nes Ziegler dachte, bekannte er in seiner einzigen großen, auf Jahrzehnte hin bedachten Rede anläßlich einer Festversammlung, die 1969 dem Besuch des Bundespräsidenten Dr. Gustav Heinemann galt. Mit der neuen Epoche, mit den aufflammenden Zeichen einer stürmischen Zeit des jugendlichen Aufbegehrens beschäftigte sich van Nes Ziegler wie folgt:
    "... wer wollte das materiell orientierte Denken und Handeln von Menschen verurteilen, die sich, in ihren Idealen verraten und enttäuscht, nach 1945 auf das konzentrierten, was ihnen Befreiung aus der bittersten Not verhieß: den Wiederaufbau ..." Und der Präsident fuhr fort: "Pragmatisch und vielleicht auch egoistisch wollten sie in Ablehnung jeder Ideologie Wohlstand, Sicherheit und bescheidenes Glück ganz bewußt für sich." Der Präsident meinte, daß die geschundene Generation nicht an kommende Generationen dachte und leitete über:
    "Gewiß, mit dieser Einseitigkeit sehe ich uns nicht in der Nachfolge jenes '... Geschlechts erfinderischer Zwerge, die für alles gemietet werden können', von denen Brechts Galilei spricht; denn diese sind durch ihren Verrat gebunden, während uns nur die Trägheit des Herzens hindert. Aber selbst dies ist verhängnisvoll genug, weil wir an Glaubwürdigkeit verlieren und sie schließlich ganz einbüßen, wenn es uns nicht gelingt, die Selbstzufriedenheit zu überwinden und unsere Taten wieder zu legitimen Kindern unserer Worte zu machen."
    Schließlich sagte van Nes Ziegler: "Die zufriedene Bequemlichkeit und der übertriebene Stolz auf das Geleistete sind natürlich Reflexe auf die individuellen Nöte und Entbehrungen, welche die Älteren von uns in Deutschlands dunkelsten Stunden erleiden müßten. Aber so verständlich von da her unser Verhalten auch sein mag, wir dürfen uns nicht den Blick dafür versperren, daß die Jugend dieses Verständnis nicht teilen kann - oder jedenfalls nur dann, wenn wir uns sehr darum bemühen ..."
    Wer noch weiß, wo 1969 die Bundesrepublik stand, und wo heute - 14 Jahre später - die sogenannte Nachkriegspolitik der klassischen Demokraten von links bis rechts sich im Dialog mit der Jugend befindet, der muß jener selbstkritischen Weisheit des John van Nes Ziegler Nachdenklichkeit widmen - zumindest.
    Daß dieser Mahner 1980 zum zweiten Mal an die Spitze des Landtags trat, war ganz gewiß nicht eine Laune des Schicksals, sondern eher schon ein Akt der Gerechtigkeit, nachdem wieder die SPD als stärkste Fraktion auftrumpfen konnte. Die Übernahme, die Rückeroberung des Präsidentenamtes war allerdings mit dem quälenden Verzicht auf den liebgewordenen Stuhl des Oberbürgermeisters von Köln verquickt. So hat alles seinen Preis.
    In die Geschichte des Landes begibt sich John van Nes Ziegler auch als Erbauer des neuen Landtags. 30 Jahre lang haben die Parteien und Fraktionen, die Journalisten und die Öffentlichkeit gestritten, gefeilscht, miteinander und gegeneinander paktiert, auch intrigiertein Knäuel der Widersprüche, selbst Heuchelei war manchmal dabei. "NES", das freundschaftliche Kürzel seines langen, umständlichen Namens, durchschlug den Knoten mit der Kraft seiner ganzen Persönlichkeit.
    Demokratie hat auch mit "Herrschen" etwas zu tun, es herrscht die Mehrheit, und John van Nes Ziegler macht dies wahr. Praktisch angewandte Macht ohne Wenn und Aber bekamen zuletzt jene Widersacher zu spüren, die dem alten Fuchs einen Personalvorschlag zu entreißen versuchten. In solchen Augenblicken blitzt in dem sonst so kühlen Juristen die Leidenschaft des Politikers auf. Sein schneller Pfeil trifft, doch er trägt kein Gift.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LI83082A

  • Porträt der Woche: Reinhard Grätz (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 26.04.1983

    Vielleicht charakterisiert dies den Reinhard Grätz ganz treffend: Seit 13 Jahren ist der Wuppertaler Ingenieur jetzt schon Mitglied des Düsseldorfer Landtags aber duzen tut er sich, im Gegensatz zu den allermeisten Kollegen in der SPD- Fraktion, mit keinem einzigen Christdemokraten. Immerhin: "Mit einigen ganz wenigen" Kollegen von der Opposition habe er ein "stilles, menschliches Einvernehmen", auf das man zurückgreifen könne, wenn es nötig wäre, gibt Grätz zu erkennen, nicht verhehlend, daß ihm im Interview Persönliches schwer über die Lippen kommt. Der vor 43 Jahren in Schlesien geborene stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion gehört zu den Stillen im Ständehaus am Schwanenspiegel. Höchstens einmal im Jahr, so schätzt er, werde er mal so wütend, daß seine Stimme durch die gut gepolsterten Türen des SPD-Fraktionssaals auf den Flur dringe. Der letzte Anlaß für einen solchen Ausbruch, an den er sich erinnern könne? Grätz, nun doch lächelnd: "Das war schon zu später Stunde während einer Diskussion über Selbstverständnis und künftigen Kurs meiner Partei. Da mußte ich einfach mal losbrüllen. . . "Aber es scheint so, als sei ihm auch dieser einmalige jährliche Ausbruch irgendwie peinlich. Er sei kein "Pathetiker", habe vielmehr aus seiner schlesischen Heimat noch schwereres Blut mitgebracht, als es die Menschen in seiner bergischen Wahlheimat ohnehin haben.
    Reinhard Grätz ist seit 1957 Sozialdemokrat. Das Eintrittsdatum hat er noch genau im Kopf. "Es war einen Tag vor meinem 17. Geburtstag." An so eine Art Aha-Erlebnis, das ihn zu dieser Entscheidung bewegt hätte, kann er sich dagegen nicht erinnern. Das hat es wohl auch nicht gegeben. Das politische Interesse sei bei ihm so etwas wie ein "Naturereignis" gewesen. Ein bißchen sei er von den sozialdemokratischen Großvätern geprägt worden - aber, setzt er hinzu: "Entscheidend war wohl das eigene Erleben sozialen Unrechts, der Benachteiligung, der man als Vertriebener ausgeliefert war." Damals, nach dem Krieg, lebte Grätz mit seiner Mutter im Niedersächsischen. Die Realschule in der Kilometer entfernt liegenden Kreisstadt zu besuchen, blieb ein unerfüllbarer Wunsch. Aber er wurde nach nur siebenjähriger Volksschule auch nicht Knecht auf einem der umliegenden Höfe, wie viele seiner Altersgefährten, machte vielmehr eine Lehre als Ofensetzer und Fliesenleger, biß sich durch bis zum graduierten Ingenieur für Keramik. Heute ist Reinhard Grätz in seinem eigenen Selbstverständnis ein Politiker, ein Mensch, dem die Beschäftigung mit der Politik, mit öffentlichen Dingen - ja, er sagt es so - "Freude macht". Und das, obwohl manche Blütenträume, die nicht nur er nach dem Gewinn der absoluten Mehrheit am 5. Mai 1980 über die landespolitischen Möglichkeiten einer solchen Mehrheit längst verdorrt sind. Die Landeskasse ist leergefegt, daran ändert auch die absolute Mehrheit nichts. Grätz sagt es ganz lapidar: "Politik kostet Geld." Und das gelte auch für gesellschaftspolitische Reformen, selbst wenn es manche Genossen geben mag, die das nicht einsehen wollen. Dennoch: Am Bildungsurlaubsgesetz hält der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende eisern fest. Er rechnete es sich als Verdienst an, daß Johannes Rau dieses Versprechen ausdrücklich in seine achtziger Regierungserklärung aufgenommen hatte. Er will weiter dafür streiten, daß trotz der zögerlichen Haltung des Ministerpräsidenten noch in dieser Legislaturperiode "ein gesetzlicher Ansatzpunkt" für einen Bildungsurlaub für die Arbeitnehmer vom Landtag festgemacht wird.
    Daß er Einfluß auf die Landespolitik in Nordrhein-Westfalen hat, Einfluß auch nimmt, manchmal direkt in die Ministerien hinein, Reinhard Grätz streitet das nicht ab. Er möchte das auch noch gern lange Jahre weitertun. Vorausgesetzt, der Wähler gibt ihm dazu die Möglichkeit. Sehr bange braucht Grätz da nicht in die Zukunft zu schauen. Bei der Wahl 1980 wurde er mit stolzen 51,5 Prozent der Stimmen in den Landtag gewählt.
    Reinhard Voss

    ID: LI830517

  • Porträt der Woche: Helmut Müller (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 15.03.1983

    Er sagt, er sei eine "Rarität" in der SPD-Landtagsfraktion. Und er sei ein "Spätberufener". Und er lächelt bei beiden Bemerkungen verschmitzt, ganz so, als ob er sich wohl fühle als spätberufene Rarität. Die Rarität bezieht sich auf Helmut Müllers Beruf. Der SPD-Abgeordnete aus Düren ist selbständiger Vertriebskaufmann. Und die Selbständigen sind tatsächlich dünn gesät in der Regierungsfraktion. Spätberufen ist Helmut Müller in doppelter Hinsicht. Einmal, weil er erst 1967, damals immerhin "schon" 36 Jahre alt, Mitglied der sozialdemokratischen Partei wurde. Spätberufen ist er aber auch als Landtagsabgeordneter, gehört er dem Parlament doch erst seit dem 11. Oktober 1982 an. Er ist also noch ein richtiger Neuling im Landtag. Als solcher weiß er natürlich, daß nicht alle Wünsche sofort in Erfüllung gehen. Daß er als stellvertretender Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Selbständigen in der SPD (AGS) nicht dem Wirtschaftsausschuß des Parlaments angehört, wo er sein eigentliches Betätigungsfeld sieht, sondern sich zunächst mit einem Sitz im Ausschuß für Schule und Weiterbildung begnügen mußte, nimmt er mit der gebotenen Gelassenheit des Neulings. Ihm sei nie etwas geschenkt worden, und er habe dennoch das meiste von dem erreicht, was er sich vorgenommen habe, mahnt sich Müller selbst zu Geduld.
    Wie kommt ein selbständiger Kaufmann in die SPD, macht dort so etwas wie eine kommunale Karriere und erringt gar einen der begehrten Plätze im Düsseldorfer Landtag? Helmut Müller muß da etwas ausholen, um das zu erklären. Sozialdemokratisch angehaucht sei sein Elternhaus in Düren schon immer gewesen, wenn Mutter und Vater auch nicht Mitglied der Partei gewesen waren. Das Gymnasium - Müller: "Ich war der erste in der Familie, der eine höhere Schule besuchte" - mußte er nach der mittleren Reife verlassen, um Geld zu verdienen, weil der Schwerkriegsbeschädigte Vater als Frühinvalide die Fabrik verlassen mußte und seitdem jeder Pfennig umgedreht wurde im Hause Müller. Helmut Müller machte eine Lehre als Industriekaufmann, bildete sich später fort an der Kölner Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie, unterzog sich einer Spezialausbildung als Büroorganisator. Doch überall hatte er dabei - er lächelt wieder, wenn er sich dessen erinnert - einen "unheimlichen Freiheitsdrang". So war es nur logisch, daß er sich 1963 als Vertriebskaufmann selbständig machte. Erst vier Jahre später wurde Helmut Müller Mitglied der SPD. Hans Iven, damals Bundestagsabgeordneter in Düren, heute - noch Bundesbeauftragter für den Zivildienst, überzeugte den nicht mehr ganz jungen Mann, daß es nicht ausreiche, über Mehrheiten, die einem nicht passen, nur zu mosern. Heute ist Helmut Müller Vorsitzender des Dürener SPD-Ortsvereins. Ein Selbständiger an der Spitze eines SPD-Ortsvereins, der dazu noch mit den Jungsozialisten zu Hause ordentlich auskommt, so ordentlich, daß die sogar seine Kandidatur für den Landtag mit unterstützten - dies gibt es nicht oft in der SPD. Und das ist wohl auch der Grund, warum sich Helmut Müller auch als Neuling sicher fühlt im Düsseldorfer Landtag, gut aufgehoben und gut aufgenommen (er betont es ausdrücklich) von den Kollegen in der SPD-Fraktion.
    In seiner Jugend war Helmut Müller stark in der katholischen Jugendarbeit engagiert. Das "Christentum der Tat" sieht er noch heute in der SPD besser vertreten als in der Partei, die das Christlich im Namenszug führt. Er gehöre "weiß Gott" nicht zum linken Flügel der Partei, sei auch kein "Sozialist schlechthin". Aber er habe seinen Marx genau gelesen, schätze ihn als scharfen Analytiker und brauche deshalb Diskussionen mit den jungen Leuten in der Partei nicht zu fürchten. Nicht zu theoretisieren, sondern den "kleinen Leuten" zuzuhören und ihre berechtigten Forderungen in der "großen Politik" durchzusetzen - darin sieht Helmut Müller seine Aufgabe im Düsseldorfer Landtag. Eine "grundsolide Politik" müsse die SPD betreiben, verlangt der grundsolide Mann aus Düren. Dann kämen auch wieder bessere Zeiten für die SPD als jener 6. März 1983, der auch ihm, Helmut Müller verhehlt es gar nicht, schwer in die Knochen gefahren sei. Eine grundsolide Politik - das heißt für Helmut Müller zuallererst und ganz konkret: Sicherung der Arbeitsplätze. Seine Losung für die nächsten Jahre: "Auf Erfahrung aufbauen, aber aufgeschlossen sein gegenüber allen neuen Problemen." Dabei vergißt Helmut Müller aber nicht, besonders mit Blick auf die jungen Leute, hinzuzusetzen, daß "demokratisch nur Dinge machbar sind, für die es per Stimmzettel eine Mehrheit gibt". Diese Mehrheit endlich auch einmal in seiner Heimatstadt Düren zu erreichen, liegt dem Abgeordneten womöglich noch dringlicher am Herzen als die Arbeit in Düsseldorf. Er gesteht es freimütig ein: "Meiner Heimatstadt bin ich sehr verbunden" - es klingt wie ein Geständnis, das man eigentlich Frauen, nicht aber Städten macht.
    Reinhard Voss

    ID: LI83032C

  • Porträt der Woche: Willi Wessel (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 25.01.1983

    Er gehört zu denen, die anpacken können. Für ihn sind Probleme da, um sie zu lösen. Nicht lange reden, handeln. Oder auch: Wenn Menschen Fragen haben, geduldig zuhören, gemeinsam überlegen. Aber auf keinen Fall um sich die Mauer von Vorurteilen aufbauen. Das ist Willi Wessel aus Herten. Das heißt: Eigentlich ist er Niedersachse; aber wer kann schon im Ruhrgebiet sagen, er sei ein seit Generationen dort Ansässiger? Das Revier ist Willi Wessel längst Heimatgeworden. Mit 15 Jahren schon kam er hierher. Warum? "Ich wollte eine vernünftige Ausbildung haben und Arbeit. " Er ging in den Bergbau und zog bald darauf auch die väterliche Familie nach. Denn in dieser neuen Heimat wird nicht gefragt, woher jemand kommt oder wohin er geht. Hier wird gefragt, was er kann, was er leistet. Ein Feld, so richtig geschaffen für Männer wie Willi Wessel. Kein Wunder, daß der Berglehrling auf der Zeche "Schlägel und Eisen" schnell Anerkennung fand und er bald zum Jugendsprecher gewählt wurde. Angelpunkt war das Lehrlingsheim mit seinen 600 Insassen. Dort lernte er schnell die Probleme der Jugendlichen kennen - in der Arbeit wie in der Freizeit. Aber er lernte sie nicht nur kennen, sondern setzte sich dafür ein, daß Mißstände aufgehoben wurden, zum Beispiel die Lesebänder, an denen Sommer wie Winter, in brütender Hitze oder zugiger Kälte, in Lärm und Staub bis zu 100 "Auszubildende" standen, um das Gestein von der Kohle zu trennen. Da wurde auch das soziale Gespür von Wessel gespürt und geformt.
    Mit 21 Jahren war er im Betriebsrat einer der jüngsten Räte im Revier. Sechs Jahre später - wieder als Jüngster - Betriebsratsvorsitzender im Steinkohlenbergbau. Das war kein Ehrgeiz nach Posten, sondern die Verpflichtung, die ihm seine Arbeitskollegen schon früh übertrugen, weil sie wußten: Durch ihn fühlen sie sich am besten vertreten.
    Seit dem 15. Lebensjahr ist Wessel in der Gewerkschaft, selbstverständlich in der IGBE, und mit dem 18. Jahr ging er in die SPD, ebenso selbstverständlich, geprägt von Elternhaus und Arbeitswelt. Aber dafür hatte er sich ein besonderes Datum ausgesucht: den Tag der Arbeit, den 1. Mai 1955. Seit 1975 ist er Bürgermeister der Stadt Herten - noch eine Pflicht mehr für den Betriebsdirektor für Personal- und Sozialfragen. Auch das wurde er bei Gründung der Ruhrkohle AG 1970 als Jüngster.
    Herten ist eine schwierige Stadt mit vielschichtigen Sorgen. Dort wird in den drei Zechen soviel Kohle gefördert wie im ganzen Saarland zusammen, 50 Prozent aller Arbeitsplätze sind im Bergbau. Jeden Tag steht Wessel vor der Frage, wie der Dreiklang Industrie - Wohnen Leben in der 70000-Einwohner-Stadt harmonischer zum Klingen zu bringen ist. "Bürgermeister bin ich am liebsten", bekennt er. Aber weil er dieses Amt mit soviel Engagement ausfüllt, ist Willi Wessel auch für die Arbeit im Düsseldorfer Landesparlament geradezu prädestiniert. Denn hier will und kann er seine kommunalpolitische Erfahrung einbringen und dafür sorgen, daß nicht unnötiges Papier produziert wird und leere Vorschriften, sondern Verordnungen oder Gesetze, die "draußen im Land auch in die Praxis umgesetzt werden können". Da ist es dann auch verständlich, daß für Hobbys wenig Zeit bleibt. Gerne würde er im Garten wirken "aber das muß ich leider meiner Frau oder den drei Söhnen überlassen". Ein wenig Entspannung findet er beim Kartenspiel. Schon Tradition - und Ausgleich - ist der Skat mit dem politischen Gegner nach der Ratssitzung. Zu Hause zieht er Doppelkopf vor.
    Die größte Herausforderung, die er mit seiner Stadt jetzt bestehen muß, ist die Problematik der Bergehalden. Aber da ist sich Willi Wessel ganz sicher: Auch das wird er mit seinen Freunden und den Bürgern schaffen. Und Freunde hat er sehr viele: Man kennt sich in Herten. Und die Hertener kennen ihn, ihren Bürgermeister Willi Wessel. Wilm Herlyn

    ID: LI830108

  • Porträt der Woche: Karl-Heinz Schnepel (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 27 - 13.12.1982

    "Da hängt ein Haufen Arbeit dran", sagt Karl-Heinz Schnepel und meint seine Aktivitäten im Petitionsausschuß des Düsseldorfer Landtags. Diese Belastung hat er sich allerdings selber gewählt.
    Ursprünglich war der SPD-Abgeordnete Mitglied im Ausschuß für Jugend, Familie und politische Bildung. Das hat ihm zwar auch Freude gemacht, doch als sich die Möglichkeit ergab, tauschte er seinen Platz doch lieber gegen ein Mandat im Petitionsausschuß.
    Sein Argument dafür: "Mehr als in jedem anderen Gremium hat man im Petitionsausschuß die Möglichkeit, dem Bürger direkt zu helfen." Diese pragmatische Arbeit ist für den altgedienten Kommunalpolitiker zudem das richtige Betätigungsfeld.
    Alle 14 Tage hat er so zwischen sechs und acht Petitionen zu erledigen, und obwohl dabei so manches Wochenende drauf geht, tut es Karl-Heinz Schnepel nicht leid, daß er diese Wahl getroffen hat. "An jedem einzelnen Fall hängt doch ein Einzelschicksal", meint er.
    Der gelernte Former ist 1980 in den Landtag eingezogen. Wie er versichert, ist er gern Landtagsabgeordneter. "Die Atmosphäre in der Fraktion und zwischen den Kollegen ist besser als in manchem Gemeindeparlament", meint der SPD-Politiker und fügt hinzu: "Das hatte ich gar nicht erwartet; vielmehr hatte ich eine kalte und gleichgültige Stimmung befürchtet."
    Der Sozialdemokrat stammt aus Westfalen, wo bereits seine Eltern als Zigarrenheimarbeiter lebten. Im damaligen Löhne, das erst später mit fünf anderen Dörfern zu Löhne-Obernbeck zusammengefaßt wurde, erblickte er 1932 das Licht der Welt.
    Nach dem Volksschulbesuch machte er eine Formerlehre und erhielt 1949 den Facharbeiterbrief. Über 30 Jahre lang hat er dann in drei verschiedenen Gießereien gearbeitet. Schnepel: "Ich bin einer der wenigen Abgeordneten, die unmittelbar aus der Firma in den Landtag übergewechselt sind."
    Dabei hat sich der SPD-Mann für die Parteipolitik erst relativ spät engagiert. 1960 faßte er - etwas geschoben von seinem Bruder- den Entschluß, in die SPD einzutreten. Da war er aber bereits 16 Jahre Mitglied der IG Metall. Der SPD-Politiker: "In der IG Metall bin ich seit 1946; 1955 wurde ich zum Vertrauensmann gewählt." 1970 stieg er auf zum Betriebsrat.
    Das Interesse an seiner Umwelt brachte Karl-Heinz Schnepel dann aber doch in die Politik. 1962 wird er stellvertretender Vorsitzender im Ortsverein Obernbeck, 1975 Ortsvereinsvorsitzender, seit 1977 ist er im Ortsvereinsvorstand. Das Jahr 1964 sah ihn bereits parallel dazu als Ratsmitglied in Obernbeck. Von 1969 an ist er Mitglied im Rat der Stadt Löhne und seit 1975 bis heute erster stellvertretender Bürgermeister von Löhne.
    Als die Landtagswahlen 1980 näherrückten, bewarb sich der Westfale Schnepel um ein Mandat. In einer Kampfabstimmung hat er den Wahlkreis knapp gewonnen und ist mit 54 Prozent direkt in den Landtag eingezogen.
    Als Neuling mußte er sich erst einmal einen Platz erobern. "In drei Jahren ist das gut machbar", meint er heute und fühlt sich schon ganz wie ein alter Hase. Der SPD-Mann hat sich inzwischen auf seine besonderen Interessensgebiete spezialisiert: neben den Fragen der Petitionen gehört die kommunale Finanzpolitik dazu. Mit dem Einzug in das Landesparlament hat er seinen Beruf als Former aufgegeben. Schnepel: "Für einen Industriearbeiter gibt es keine Möglichkeit, seinen Beruf weiterzuführen", meint er und fügt hinzu: "Das macht kein Werk mit, so habe ich eben meinen Job an den Nagel gehängt." Jetzt ist Schnepel Voll-Politiker und möchte das auch noch eine ganze Weile bleiben. Zur Zeit beunruhigt ihn die desolate Finanzlage des Landes und der Kommunen besonders und er weiß: "Unsere Finanzen sind nicht so, daß man damit große Erfolgserlebnisse haben kann." Schnepel meint, daß es angesichts dieser Situation eben Aufgabe der Parlamentarier in dieser Legislaturperiode sein werde, Bestehendes zu erhalten, statt Neues zu schaffen.
    Schnepel: "Nehmen Sie den Abbau der Standards und die Auswirkungen auf die Kommunen. Da kann meiner Auffassung nach ein guter Mittelweg gefunden werden zwischen dem, was uns die Finanzlage abfordert und dem neuen Selbstverantwortungsgefühl, das in uns wächst." Seiner Meinung nach ist die Landesregierung auf dem richtigen Weg, wenn sie bei der Vereinfachung der Landesvorschriften gegenüber den Kommunen ansetzt. Der Parlamentarier: "Da ließe sich noch eine ganze Menge mehr machen." Am Beispiel der Kindergärtensituation weist er nach, daß die zu kurz gewordene Finanzdecke auch wieder ihre Vorteile hat, weil sie zur Eigeninitiative antreibt.
    Das ist auch genau die Haltung, die dem Privatmann Schnepel entspricht. In seiner Freizeit ist der gelernte Former nämlich ganz mit seinem Haus und Garten beschäftigt. Wenn er nicht über Petitionsakten büffelt, nützt er die Zeit, um im Garten seine Bäume zu schneiden oder Gemüse zu züchten. Schnepel: "Das macht Freude und es entspannt. Etwas anderes brauche ich als Hobby nicht."
    Gerlind Schaidt

    ID: LI82271C

  • Porträt der Woche: Manfred Hemmer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 26 - 06.12.1982

    Sein politisches Ziel, sagt er, sei es eigentlich nicht gewesen, Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag zu werden. Daß Manfred Hemmer im Mai 1980 dennoch in Hamm kandidierte und mit 54,6 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis erzielte, das die SPD jemals in diesem Wahlkreis verbuchen konnte, sei auf seine Einsicht zurückzuführen, daß die Kommunalpolitik ohne einen Einfluß auf die Landespolitik nur sehr schwer erfolgreich betrieben werden könne. Hemmer macht deshalb auch nach zweieinhalbjähriger Zugehörigkeit zum Düsseldorfer Landtag keinen Hehl daraus, daß er sich noch immer in erster Linie als Kommunalpolitiker fühlt, daß das Düsseldorfer Mandat "nur" wenn auch sehr willkommene und inzwischen sehr geschätzte - Hilfsfunktionen für ihn hat bei seiner Arbeit als Ratsherr in Hamm und womöglich demnächst als künftiger Oberbürgermeister der Stadt. Zu diesem Thema mag sich Manfred Hemmer jetzt noch nicht so gern öffentlich äußern. Daß er aber in den Kreis jener drei, vier Frauen und Männer gehört, die als Favoriten für die Nachfolge von OB Figgen gezählt werden, will Hemmer auch nicht abstreiten. Wer den bisherigen Lebensweg des gebürtigen Hammers (Jahrgang 1937) nachliest, braucht sich darüber nicht zu wundern. Viele Politiker reden zwar gern von der Basis - Manfred Hemmer ist einer von dieser Basis. Als er 1952 die Volksschule beendet hatte, fand er keine Lehrstelle. So verdingte er sich zunächst für ein Jahr als Hilfsarbeiter in einer Drahtfabrik. Er landete dort bald in der Schreinerei. Hemmer im Rückblick auf diese schwere Zeit: "Das hat mir dennoch Spaß gemacht. Und als ich die Möglichkeit erhielt, eine Schreinerlehre zu machen, habe ich sofort zugegriffen." Er beendete diese Lehre mit einer erfolgreichen Gesellenprüfung. Später qualifizierte sich Manfred Hemmer weiter zum technischen Zeichner und zum technischen Angestellten beim Landschaftsverband Westfalen Lippe. Damals hatte seine "Ochsentour" in der SPD schon längst begonnen. Hineingeboren in eine sozialdemokratische Arbeiterfamilie, war er schon Jahre vor dem Parteieintritt mit dem Vater, der damals und heute noch Unterkassierer im Ortsverein ist, von Genosse zu Genosse gelaufen, um den Mitgliedsbeitrag zu kassieren. Als er dann 1960 in die Partei eintrat, kannten ihn die meisten im Ortsverein schon. Manfred Hemmer kletterte langsam, aber beharrlich Stufe um Stufe in der Parteihierarchie, bis er es zum Unterbezirksvorsitzenden in Hamm, Mitglied des Bezirksvorstandes Westliches Westfalen und zum Vorstandsmitglied der SPD-Ratsfraktion im heimatlichen Hamm gebracht hatte. Sein ganz unspektakuläres Erfolgsrezept? Hemmer: "Ich meine, daß die Politiker eine Bringschuld den Bürgern gegenüber haben. Und das nicht nur jeweils sechs Wochen vor dem nächsten Wahltermin, sondern täglich." Manfred Hemmers Terminkalender beweist, daß diese Bringschuld für ihn keine Phrase ist: Da gibt es wenig Termine in Gremien und Konferenzen, desto mehr aber in den Vereinen und sozialen Einrichtungen seiner Heimatstadt. Er sei, sagt er, "für die großen Reden nicht zuständig". Vielleicht ist auch deshalb seine montägliche Bürgersprechstunde in Hamm immer überfüllt, weil die Leute inzwischen wissen, daß Hemmer hilft, wo immer er kann. Auch da hilft - natürlich ein Landtagsmandat. "Manche Türen öffnen sich einem Abgeordneten leichter als einem sozusagen gewöhnlichen Bürger", räumt er freimütig ein. Daß er diese Möglichkeit nach Kräften nutzt, um den Rat- und Tat suchenden Bürgern zu helfen, hält er für legitim und erlaubt. Mehr noch: Das sei eine nicht unwichtige Aufgabe eines Abgeordneten.
    Manfred Hemmer nennt sich selbst "einen Mann des Volkes". Bei dem gelernten Schreiner - "ich bin ein Mann der Praxis" - kann das nicht überheblich klingen. Ein ganz klein bißchen Bammel habe er deshalb schon gehabt, als er Landtagsabgeordneter wurde. Da gebe es, habe er gedacht, so viele kluge Leute. Ob er da mit seiner Volksschule wohl mithalten könne, überhaupt akzeptiert werde? Heute lächelt Manfred Hemmer über solche Neulings- Ängste. Sein auf solider kommunalpolitischer Basis ruhendes politisches Selbstbewußtsein ist in den zweieinhalb Jahren im Landtag eher gestiegen als gesunken. Die, wie er sie nennt, "Senkrechtstarter" in der SPD hätten der Partei eher geschadet. Von denen gebe es zu viele in der Partei, eine Einsicht, die sich zu Hemmers großer Befriedigung in der SPD immer mehr Raum verschafft.
    Zu Manfred Hemmer gehört, er sagt es gleich am Anfang des Gespräches, seine Frau. Ohne sich einen dabei abzubrechen, spricht er von ihrer großen Hilfe bei seiner Arbeit. Ohne sie sei er nicht das, was er heute ist, stünde er nicht dort, wo er heute steht, möchte der Abgeordnete festgehalten haben. Mit ihr und der 13jährigen Tochter Britta wandert er gern im Sauerland, wenn an einem Wochenende doch einmal etwas Zeit für die Familie ist. Dort tankt er nach eigenen Worten "Luft für die Arbeit an der Basis, die immer schwieriger wird, weil man den Leuten ehrlich sagen muß, daß vieles nicht mehr geht, was lange Zeit lief".
    Reinhard Voss

    ID: LI822623

  • Porträt der Woche: Friedhelm Ottlinger (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 24 - 15.11.1982

    Über seine eigenen Vorzüge und Stärken zu reden, fällt Friedhelm Ottlinger schwerer als manch anderem Politiker. Aber nachdem er ein paar Momente nachgedacht hat, glaubt der 52jährige Abgeordnete aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis, den er im Mai 1980 mit glatten 63 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, doch zu wissen, warum seine Karriere in der SPD und der Gewerkschaft von früher Jugend an stetig und ohne Abschwünge nach unten aufwärts geführt hat: "Ich bin eine Integrationsfigur. Ich habe mich nie vor irgendwelche Flügel spannen lassen. Ich habe in all meinen verschiedenen Ämtern nie etwas verheimlicht oder geschönt." Und er setzt dieser kurzen Selbstcharakterisierung lächelnd hinzu: "Deshalb mögen mich wohl eine ganze Menge Leute."
    Daß er einmal beliebter Oberbürgermeister in Witten und - nach der heftig von ihm bekämpften Gebietsreform - geachteter Landrat im Ennepe-Ruhr-Kreis werden würde, war dem Arbeiterkind aus Witten wahrlich nicht an der Wiege gesungen worden. Als gerade 15jähriger begann er nach dem Zweiten Weltkrieg eine Bäckerlehre. Warum? Friedhelm Ottlinger sucht da gar nicht nach hochtrabenden Erklärungen: "Da gab es immer was zu essen. Und das war damals wichtig für einen, der oft Hunger hatte." Nach der Lehre aber wechselte Ottlinger das Arbeitsfeld. Er band die weiße Bäckerschürze ab und schlüpfte in den "Blaumann" bei den Mannesmann-Röhrenwerken. Nicht etwa, um eine zweite Lehre zu machen, sondern als ungelernter Arbeiter. Auch für diese Entscheidung hat er eine ganz einfache Erklärung: "Da konnte ich mehr Geld verdienen als in der Backstube."
    Aber Friedhelm Ottlinger wäre nicht geworden, was er heute ist, wenn er sich mit dem Geldverdienen zufriedengegeben hätte. Der junge Arbeiter wurde im neuen Betrieb gleich Mitglied der IG Metall, und zwar nicht nur zahlendes, sondern stark engagiertes Mitglied. Und so dauerte es nicht lange, bis er Jugendvertreter und Betriebsrat, freigestellter Betriebsrat und schließlich 1. Bevollmächtigter in Witten wurde, ein Amt, das er heute noch ausübt.
    In der SPD ging es ähnlich flott bergauf. Schon ein Jahr nach seinem Parteieintritt 1953 - "wochenlang hatte ich den Aufnahmeantrag mit mir rumgetragen, bis ich ihn, zufällig in eine Mai-Feier der 'Falken' geraten, spontan abgab" - war Friedhelm Ottlinger schon Ortsvereinsvorsitzender. Damit begann der Weg, der ihn bei der Landtagswahl vom 10. Mai 1980 mit stolzen 63 Prozent als vorläufiger politischer Endstation in den Düsseldorfer Landtag führte. Als richtiger Neuling hatte er sich hier von Anfang an nicht gefühlt. Als ehemaliger Oberbürgermeister (1967 bis 1978) traf er viele bekannte Gesichter. Und worum es im Landtag ging, wußte er auf Grund seiner reichen politischen Erfahrung natürlich auch. Er verhehlt denn auch gar nicht, daß es in erster Linie kommunalpolitische Interessen waren, die ihn nach Düsseldorf lockten. Friedhelm Ottlinger: "Hier wird das Geld verteilt, das die Kommunen so dringend brauchen. Es ist immer nützlich, möglichst selbst am Ort der Entscheidung zu sein, nach Möglichkeit sogar mitbestimmen zu können." Dabei sind Illusionen über seine Handlungsmöglichkeiten selbst als Mitglied einer Mehrheitsfraktion seine Sache nicht. Besonders nicht, wenn es ums Geld geht. Als Bund, Land und Gemeinden das Geld noch mit leichter Hand ausgaben in der Erwartung, ein ständig steigendes Wirtschaftswachstum werde die Kassen immer wieder füllen, habe er, erinnert sich Friedhelm Ottlinger, schon vor dieser Politik gewarnt. Mit solchen Mahnungen zur Mäßigung habe er sich damals nicht nur Freunde gemacht. Im Gegenteil: "Viele haben mich dumm angeguckt und gemeint, ich sei ein Miesmacher." Daß er in dieser Sache recht behalten hat, ist für den Abgeordneten, der sich als "Vertreter des kommunalen Einflusses im Landtag" bezeichnet, kein reiner Grund zur Freude. Beim Gemeindefinanzierungsgesetz werde es diesmal besonders hoch hergehen, glaubt der neue Abgeordnete zu wissen.
    Bei seinen vielen Verpflichtungen als Landrat, IG-Metall-Bevollmächtigter und Landtagsabgeordneter bleibt für Friedhelm Ottlinger nicht viel Platz für Privates. Da ist er zufrieden, daß die beiden Söhne - einer wurde Polizist, der andere Schlosser- schon aus dem Haus sind. "Verwandtschaftspflege", sagt er und Spaziergänge in den schönen Wäldern rings um Witten bieten ihm Entspannung. Und der vierzehntägliche Stammtisch im "Försterhaus". Eine Stunde lang wird dort politisiert, danach holt die Runde Musikinstrumente hervor, spielt und singt. Rings um Witten ist das eine Art Geheimtip. Wo sonst kann man einen leibhaftigen Landrat noch in trauter Runde sozusagen öffentlich singen sehen ?
    Reinhard Voss

    ID: LI822420

  • Porträt der Woche: Bernd Poulheim (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 22 - 02.11.1982

    Weil ihm in seiner Heimatgemeinde "so manches nicht paßte", kam er in die Politik. Heute könnte sich Bernd Poulheim (50) ein Leben ohne sie "überhaupt nicht mehr vorstellen". Der im Wahlkreis 9, dem Kerngebiet des Rheinischen Braunkohlenreviers, direkt gewählte SPD-Abgeordnete ist auch Bürgermeister der 50000-Einwohner-Stadt Bergheim und Mitglied des Kreistages des Erftkreises. Außerdem gehört der ehemalige kaufmännische Angestellte und Arbeitsgruppenleiter der Rheinischen Braunkohlenwerke als IGBE- Mann dem Betriebsrat des Kohlekonzerns an. Als Angestelltenvertreter der Gruppenverwaltung Fortuna, die den größten Tagebau betreut, ist er bereits seit 1971 von seiner früheren Tätigkeit freigestellt.
    Der Ursprung der politischen Karriere des gebürtigen Kölners datiert vom Ende der fünfziger Jahre. Damals war der junge Familienvater (ein Sohn, eine Tochter) mit einigen Beschlüssen des Rates seiner Wahlheimat Oberaußem nicht einverstanden. Er schrieb, allein auf sich gestellt, Briefe und Beschwerden ans Gemeindeparlament des seinerzeit noch selbständigen Bergarbeiter-Dorfes. "Da haben mich ein paar alte Knacker ausgelacht und gefragt, warum ich sie nicht persönlich angesprochen hätte", erinnert sich Poulheim. Jedenfalls begriff der junge Mann den Hinweis auf die ortsübliche Basis-Demokratie, er wurde zum regelmäßigen Zuhörer im Ratssaal und trat 1961 in die SPD ein.
    Im Jahr darauf war er Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) im Ortsverein und kandidierte, "nachdem ich mich über die Verfahrensabläufe sachkundig gemacht hatte", 1968 erfolgreich für Gemeinderat und Amtsvertretung. 1972 zog er auch in den Kreistag ein. Planungs- und Strukturfragen und speziell auch die Schulpolitik wurden zum Steckenpferd des SPD- Kommunalpolitikers und ehemaligen Realschülers.
    Da er bedächtiges Abwägen und Ausloten des Für und Wider dem spontanen Wort vorzieht, da er zäh verhandeln, aber auch abwarten kann, erwarb sich Bernd Poulheim über den heimatlichen Sprengel hinaus ein gutes Ansehen bei der Bevölkerung zwischen Braunkohle und Zuckerrüben. Sein Rat war bald auch beim politischen Gegner geschätzt. Den eigentlichen Durchbruch zum Erfolg schaffte er nach der kommunalen Neuordnung, die im Kölner Raum Anfang 1975 vollzogen wurde. Wenige Monate später wurde er stellvertretender Bürgermeister in der erheblich vergrößerten alten Kreisstadt Bergheim und rückte allmählich zum führenden Sozialdemokraten an der mittleren Erft auf.
    Als der damalige langjährige Lokalmatador Richard Kasper sich aus der Politik zurückzog und in die Steiermark auswanderte, war es gar keine Frage, daß der gleichaltrige Bernd Poulheim sein Nachfolger für die Landtagskandidatur werden würde. Unausgesprochene Befürchtungen im SPD-Lager, der Wechsel könne Stimmen kosten, weil der ruhigsachliche Poulheim so ganz anders auftrat als "Volkstribun" Kasper, strafte das Wahlergebnis Lügen. Poulheim erzielte mit 52,5 Prozent noch zwei Prozentpunkte mehr als sein Vorgänger und eines der besten SPD-Ergebnisse in ganz Nordrhein-Westfalen.
    Dieser Vertrauensbeweis der Wähler hat Bernd Poulheim weiteren Auftrieb gegeben. Die zwölf bis 15 Stunden, die er aufgrund seiner vielen Ämter täglich unterwegs sein muß, die Repräsentationspflichten auch am Wochenende scheut er nicht. Nein, er habe sein politisches Engagement "bisher nicht bereut", sagt er. Und er fügt gleich hinzu: "Wenn meine Genossen mich noch wollen, stehe ich auch 1985 wieder zur Verfügung." An der Tätigkeit im Landtag hat er nach eigenem Bekunden "viel Spaß". Er gehört hier den Ausschüssen für Schule und Weiterbildung und dem Rechnungsprüfungsausschuß als ordentliches Mitglied sowie dem Wirtschaftsausschuß und dem Ausschuß für Landesplanung und Verwaltungsreform als Stellvertreter an. Fürs Private bleibt Bernd Poulheim nur noch wenig Zeit. Nun, die beiden Kinder sind inzwischen erwachsen, Ehefrau Christa hat wieder eine berufliche Tätigkeit aufgenommen. Zum Schwimmen, das er früher ebenso wie Wasserball als Wettkampfsport betrieben hat, kommt der vielbeschäftigte Politiker nur noch gelegentlich. Einer, der zu Hause stets auf ihn wartet, kommt aber noch täglich zu seinem Recht: Terrier "Terry". Er begleitet seinen Herrn allabendlich beim Spaziergang am Tagebaurand, der manchmal bis auf die Zeit nach Mitternacht verschoben werden muß, und auch frühmorgens, wenn Bernd Poulheim "so oft es eben geht" durch die Erft-Niederung radelt.
    Karlegon Halbach

    ID: LI82221E

  • Porträt der Woche: Dr. Dr. Dieter Aderhold (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 21 - 11.10.1982

    Auf seinem Briefkopf steht ganz einfach "Dieter Aderhold". Dabei könnte er dem Namen einmal Prof. und zweimal Dr. vorsetzen. Daß er es nicht tut, ist für den sozialdemokratischen Abgeordneten aus Kierspe kein Akt der Koketterie. Der Dr. jur. und der Dr. phil. (in Politologie) und die Professur für Politikwissenschaft sind in Aderholds Augen "berufliche Qualifikationen und keine Titel" im politischen Alltag bei sich zu Hause im Sauerland manchmal eher störend, weil sie ihn als einen reinen Theoretiker ausweisen könnten, der er nicht sein will. Die jahrelange engagierte Tätigkeit im Sozialrat des Märkischen Kreises, wo er sich für ein Frauenhaus, für Seniorenarbeit und die Behinderten einsetzte und vergangene Woche mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt wurde, beweisen die praktische Seite des Dieter Aderhold. Für Behinderte habe er gearbeitet, ihnen das Leben zu erleichtern versucht, "ohne daß ich wußte, daß es mich selbst treffen könnte", erzählt der 1939 im heutigen Tansania als Sohn eines Missionars geborene Aderhold. Der Hochschullehrer aus Kierspe leidet seit einem Jahr an multipler Sklerose. Als er diesen Befund seinen politischen Freunden vom Krankenhausbett aus schriftlich mitteilte und begründete, warum er seine politischen Funktionen und Mandate nicht niederlegen werde, schrieb er, er sei zuversichtlich, daß er dem wesentlichen Kern seiner Aufgaben gerecht werden könne und fuhr dann fort: "Meine Zuversicht umfaßt auch die Bereitschaft der Umwelt, einen Behinderten in öffentlichen Funktionen zu akzeptieren und ihm in gewohnter Unbefangenheit gegenüberzutreten." Und damit ist für Dieter Aderhold das Thema abgehakt.
    Aderhold ist seit 1980 Mitglied des Düsseldorfer Landtags. Aber er ist kein Neuling (auf welchen Abgeordneten kann dieses Wort überhaupt noch zutreffen in der Mitte einer fünfjährigen Legislaturperiode?). Als er im Mai 1980 den Märkischen Wahlkreis II mit einem Zugewinn von 5,4 Prozent für die SPD von der CDU zurückeroberte, wußte er schon, was ihn in Düsseldorf erwartete, hatte er doch schon von 1966 bis 1970 im Landtag gearbeitet. Bei der Kandidatenaufstellung 1970 sei er dann aber "ausgestiegen worden", erinnert sich der "neue" Abgeordnete ohne Grimm an jene turbulenten Zeiten, als nach der Gebietsreform auch im Sauerland "alles durcheinanderging und die Mehrheiten sich änderten". Die politische Zwangspause nutzte Dieter Aderhold, um seine juristische Ausbildung mit der zweiten Staatsprüfung und dem Referendariat abzuschließen.
    Als Regierungsrat im Düsseldorfer Wissenschaftsministerium erweiterte er anschließend, wie er es formuliert, "ganz enorm seinen Horizont". Warum er nicht Karriere im Ministerium machte? Darauf hat Dieter Aderhold eine einfache Erklärung, die eingefleischten Düsseldorfern nicht gefallen mag: "Die emotionalen Beziehungen und Verflechtungen zum schönen Sauerland" hätten ihn zurückgezogen. Da oben im Märkischen sei es doch viel schöner als am Rhein. Also wurde Aderhold Professor in Siegen und fuhr von dort jeden Tag nach Hause ins schöne Kierspe zur Frau und dem jetzt 17jährigen Sohn. In dieser Zeit schrieb er auch sein nach eigener Einschätzung wichtigstes Buch. Der Titel "Kybernetische Regierungstechnik in der Demokratie" hört sich abstrakter an, als es der Inhalt ausweist. Jetzt, da die Staatskassen leergefegt sind, fühlt er sich mit diesem 7. Band des Deutschen Handbuchs der Politik eindrucksvoll bestätigt. Es werde jetzt erst "so richtig aktuell", lächelt er leise, denn jetzt müßten alle Politiker aller Parteien endlich überlegen, wie "die Dinge strukturell zu ändern sind", deren Mängel lange Jahre mit finanziellen Pflastern zugedeckt worden seien.
    Politik ist für Aderhold, auch im nordrhein-westfälischen Landtag, "die Summe von ganz vielen kleinen administrativen Schritten". Und wenn jetzt die Finanznot die Politiker zwinge, die Folgen auch dieser kleinen Schritte sorgfältiger und eher zu überdenken, als dies in der Vergangenheit oft der Fall gewesen sei, dann seien die leeren Staatskassen kein Grund, "um nur traurig zu sein". Der von ihm beklagte "tiefe Graben zwischen Theorie und Praxis in der Politik" könne jetzt vielleicht, hoffentlich, ein bißchen zugeschüttet werden. Auf diesem Gebiet, meint Aderhold, könne man von den Amerikanern durchaus lernen. Über seine Zukunftspläne und -hoffnungen zu reden, scheut sich Dieter Aderhold mit Blick auf den Rollstuhl, an den ihn die Krankheit gefesselt hat. Aber Wehleidigkeit ist seine Sache nicht. "Man muß einfach arbeiten", sagt er knapp: in der SPD, die ihren Standort neu definieren müsse und, mehr noch, im Lande mit den Leuten, die, zu Recht, von den Politikern mehr erwarteten als Reden, die oft nicht im Einklang stünden mit dem, was sie tun.
    Reinhard Voss

    ID: LI822122

  • Porträt der Woche: Dieter Blumenberg (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 19 - 20.09.1982

    Darin ist sich der Gewerkschafter Blumenberg mit dem Genossen Blumenberg einig: "Die Gewerkschaften sind auf eine gute Zusammenarbeit mit der SPD angewiesen", sagt er und schiebt die Begründung gleich nach: "Wir brauchen die Sozialdemokratie als Partei, um unsere Ziele durchzusetzen."
    Dennoch sähe es der DGB-Kreisvorsitzende Köln, Chef des mit 160000 Mitgliedern größten Gewerkschaftsbezirks in der Bundesrepublik, recht gerne, wenn die Sozialdemokraten beim augenblicklichen Koalitionsgerangel ihre eigenen Ziele etwas nachhaltiger gegenüber dem kleinen Partner F.D.P. durchsetzen würden.
    Für den SPD-Mann und Gewerkschafter der frühen Stunde steht trotz augenblicklicher atmosphärischer Störungen fest, daß viele Ziele der SPD mit denen der Gewerkschaften identisch bleiben. Dazu zählt Blumenberg etwa die Mitbestimmung, den Bildungsurlaub und auch die Verkürzung der Lebensarbeitszeit.
    All dies sind nach Auffassung von Blumenberg auch politische Ziele, die angesichts magerer Haushaltsjahre durchgesetzt werden können. Der SPD-Mann: "Man braucht nicht immer Geld, um politisch etwas zu bewegen, oft sind nur ein paar Ideen notwendig."
    Der gebürtige Pommer hat sich seinen politischen Weg selbst gezimmert. Er ist nicht über das Elternhaus oder irgendwelche Traditionen zur Sozialdemokratie gekommen. In dem kleinen Ort Stepenitz geboren, hat er nach der Volksschule eine Schriftsetzerlehre absolviert, ehe er 1942 eingezogen wurde, an die Front kam und schließlich in britische Kriegsgefangenschaft geraten ist.
    Als er 1948 aus einem Lager in Ägypten zurückkehrte, beschloß er im Westen zu bleiben. Es verschlug ihn in den Kölner Raum. Die Domstadt wurde zu seiner Wahlheimat, weil ihm hier zuerst Arbeit mit Unterkunft angeboten wurde.
    Für eine Tiefbaufirma entrümpelte er im Stadtteil Ehrenfeld zerbombte Wohnviertel. Mit voller Berechtigung kann der Arbeitnehmer Blumenberg daher auch in Anlehnung an die Bonner Kanalarbeiterriege von sich behaupten: "Ich kenne den Kanalbau auch von innen."
    Die Kanalarbeiterei ließ er dann aber doch rasch sein, als er eine eigene Bleibe gefunden hatte, und machte lieber im angestammten Beruf als Schriftsetzer weiter.
    Während sich Blumenberg ohne Zögern gleich nach seiner Rückkehr für den Eintritt in die Industriegewerkschaft Druck entschied, machte er sich über einen Parteieintritt nachhaltig Gedanken. "Ich gehöre einer Generation an, die eine Menge Vorbehalte gegen politische Aktivitäten hat", bekennt er freimütig.
    So hat er sich denn gründlich in der Parteienlandschaft der fünfziger Jahre umgesehen. "Ich kenne Gustav Heinemann von Parteiversammlungen der Gesamtdeutschen Volkspartei, habe Hans Reimann bei der DKP erlebt, und mitbekommen, wie autoritär Konrad Adenauer mit der Union umsprang."
    Nach dieser Erkundungsphase war für den Gewerkschafter klar, daß sein Herz zur SPD gehörte. "Nur die kam in Frage", bekräftigt er heute. Hier muß er sich politisch schon lange zu Hause gefühlt haben, denn als er 1959 ein Beitrittsformular anforderte, waren die Genossen sehr erstaunt: Sie hatten geglaubt, er sei schon längst Mitglied bei ihnen. Seither schmelzen bei Dieter Blumenberg gewerkschaftliche und parteipolitische Aktivitäten immer mehr zusammen.
    Hatte er Mitte der fünfziger Jahre zunächst den ehrenamtlichen Vorsitz der IG Druck übernommen, wurde er im Mai 1960 Sekretär der Bezirksvertretung. Seit 1979 ist er DGB-Kreisvorsitzender in Köln.
    Als SPD-Mitglied war er bis zur Eingemeindung der 30000-Seelen-Gemeinde Lövenich nach Köln im dortigen Rat; zunächst als Fraktionsvorsitzender, später dann als stellvertretender Bürgermeister tätig.
    Nach der Eingemeindung kandidierte Blumenberg dann für den Rat der Domstadt und wurde auch hier bald stellvertretender Fraktionsvorsitzender. 1980 kam dann der Sprung in den nordrhein-westfälischen Landtag.
    Nach einigen Umgewöhnungsschwierigkeiten hat sich Dieter Blumenberg auch mit dieser neuen Aufgabe angefreundet: "Als Kommunalpolitiker ist man daran gewöhnt, täglich Entscheidungen zu treffen, konkret etwas zu bewirken! Hier im Landtag ist alles mittelbarer", meint er. Doch hat er sich arrangiert, gehört dem Hauptausschuß an und sitzt im Ausschuß für Kommunalpolitik. Blumenberg: "Im Hauptausschuß habe ich die Medienpolitik im Auge, und im Ausschuß für Kommunalpolitik kann ich die Position der Großstädte gegenüber dem Land vertreten", erklärt er.
    Privat ist Dieter Blumenberg verheiratet und hat eine Tochter. In der Freizeit segelt er gern und liest jede Menge neue Literatur.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI821905

  • Porträt der Woche: Dr. Bernd Brunemeier (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 06.09.1982

    Aktive Arbeit in der Kommunalpolitik und in der Landespolitik können über weite Strecken des Jahres kaum Freizeit bringen. Aber "wenn Freizeit, dann ist klassische deutsche Literatur das Attraktivste, das ich mir denken kann. Goethe und Heine besonders." Es ist der SPD- Abgeordnete Dr. Bernd Brunemeier aus Brackwede bei Bielefeld, der mit einem solchen Bekenntnis überrascht. Welcher Politiker aus der jüngeren Generation Brunemeier ist 39 Jahre alt - hat heute schon Dichterfürsten im Herzen und im Kopf. Es paßt zusammen, wenn Brunemeier auch noch sagt, daß er die Natur bewundert, sehr gerne spazierengeht. Zwar "hat auch Ostwestfalen manchen Reiz", doch Brunemeier, in Brackwede geboren, zieht es zur Urlaubszeit gen Süden, in den deutschen Süden: "Ich brauche Bayern", meint er und schränkt gleich augenzwinkernd ein: "Jedenfalls die Landschaft."
    Freilich ist dies für den "Lehrer aus Berufung", der aus einem Arbeiterhaus kommt, Werkzeugmaschinenmacher lernte, über den zweiten Bildungsweg die mittlere Reife nachholte und 1966 das Abitur ablegte, längst nicht die Erfüllung des Daseins. Als "Sternstunde" bezeichnet es Brunemeier, "wenn man manchmal als Vermittler zwischen Kommunalpolitik und Landespolitik hilfreich sein kann.
    Er war noch nicht drei Jahre SPD-Mitglied ("das ist bei Brunemeiers alte Familientradition"), da berief ihn die Partei bereits in die Bezirksvertretung Brackwede (1973). Seit 1979 führt er dort die Fraktion. Seine politischen Aktivitäten liefen parallel zum Studium der Germanistik und der Geographie an der Ruhr-Universität Bochum, wo er 1978 zum Dr. phil. promovierte. Das erste Staatsexamen für das Lehramt folgte im gleichen Jahr. Dann war Brunemeier als wissenschaftlicher Angestellter an der Ruhr-Uni, anschließend Studienreferendar in Paderborn bis 1980. Als er Studienassessor wurde, mußte er sich bald "außer Diensten" auf die Besuchskarten drucken lassen: Mit 48,8 Prozent gewann er deutlich am 11. Mai 1980 den Wahlkreis 107 Bielefeld III für die SPD. Seine Eingliederung in die Landtagsfraktion empfindet Brunemeier im Rückblick als "freundlich und harmonisch", das Zustandekommen von Entscheidungen "für alle Neulinge zunächst nicht so leicht durchschaubar". Nun, nach mehr als zwei Jahren ist dies Erinnerung, steht die Ausschußarbeit im Vordergrund. Brunemeier ist "mit voller Absicht" in nur einem Ausschuß, dem für Schule und Weiterbildung, wo er einen "enormen Arbeitsanfall" sieht. Er will hier die Bemühungen seiner Partei fortsetzen helfen, "alle Bildungsreserven auszuschöpfen und soviel wie nur möglich zu fördern, damit die Chance der Selbst verwirklichung für jeden einzelnen verbessert wird. Aber auch in Hinsicht auf das Leben in einer freiheitlichen Gesellschaft". Für ihn gilt "als oberstes Ziel, soziale Barrieren abzubauen".
    Die finanziellen Nöte machen für Brunemeier "zu einem der bedrückendsten Probleme des Landes, daß nicht alle studieren können, die es möchten. Gerade der Lehrerberuf- und wir brauchen Lehrer! - ist so attraktiv". Und er wünscht sich auch "mehr Einstellungen; zu viele stehen jetzt draußen vor der Klassentür..." Im Ausschuß ist, seiner Ansicht nach, der Beratungsschwerpunkt von den Gesamtschulproblemen auf die Hauptschulprobleme verlagert worden. Und in absehbarer Zeit, so vermutet Brunemeier, wird die Gymnasium-Oberstufe Thema Nummer eins sein, "weil die reformierte Oberstufe jetzt so heftig kritisiert wird, gerade von den Universitätslehrern".
    Ist solche Kritik nicht berechtigt? Brunemeier: "Das eigentliche Problem ist das Verhältnis der Spezialisierung zur Allgemeinbildung. Falls Vorwürfe überhaupt berechtigt sind, dann sind sie jedenfalls überzogen." Der Abgeordnete "weiß, wovon er spricht"; es ist doch nicht so lange her, daß er selbst an der Oberstufe unterrichtet hat. Ob er dies eines Tages wieder tun wird, wird der Lauf der Zeiten zeigen. Immerhin möchte er,.gerne im Landtag bleiben".
    Hans Krieger

    ID: LI821711

  • Porträt der Woche: Jürgen Schaufuß (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 28.06.1982

    Wohin geht ein Lehrer, wenn er in den Landtag gewählt wird? Natürlich in den Schulausschuß. Für Jürgen Schaufuß (SPD) ist diese Logik einsichtig. "Denn hier habe ich keine Schwierigkeiten, von Anfang an voll mitarbeiten zu können." Schaufuß gehört zu den Neulingen im Parlament. Darum ist diese Legislaturperiode für ihn "in vielen Bereichen eine Zeit des Zuhörens, des Sehens, des Informiertwerdens, des Einarbeitens". So bescheiden der Rektor a. D. auftritt, so selbstbewußt ist er aber auch, wenn er zugibt: "Natürlich ist die Gefahr gegeben, wenn ausschließlich Fachleute über ihr Fach entscheiden. Da halte ich auch in den Ausschüssen eine gesunde Mischung - und die ist ja im Schulausschuß gegeben - für erforderlich." Zu den "abwartenden Menschen" gehöre er, sagt Schaufuß über sich, und "wem ist schon damit gedient, wenn man in allen Bereichen mitmischen wollte?". Ihn habe, nach der großen Freude am Wahlabend ein etwas beklommenes Gefühl beschlichen, von nun an mit Leuten zusammenzuarbeiten, die er häufig bisher nur dem Namen nach kannte. Darüber lange Zeit nachzudenken, hatte er nicht: Schon ein halbes Jahr später hielt er vor dem Parlament seine Jungfernrede zum Familienbericht.
    Schaufuß gehört nicht zu den Parteipolitikern, die das Thema Jugend erst dann entdecken, wenn sie ein politisches Mandat haben. Seine Arbeit galt diesem Problem auch schon zu der Zeit, als er - seit 1970 - Mitglied des Rates der Stadt Frechen ist. Sein Interesse an Politik wurde im Aufbaugymnasium in Herchen an der Sieg geweckt. " Wir hatten einen Schulleiter, der der Bekennenden Kirche angehörte und uns lehrte, gerade in politischen Fragen nachzuhaken." 1940 in Halle/Saale geboren, erlebte Schaufuß zwar die nationalsozialistische Herrschaft nicht mehr bewußt, aber seine Generation fühlte eine stärkere Bindung an die Zeit zwischen 1933 und 1945 als die Jugend heute. Im Gymnasium gründete und leitete er einen politischen Arbeitskreis, lud "große Namen" zu Gesprächen ein - "ich erinnere mich an Diskussionen mit Gustav Heinemann und Erich Ollenhauer". Er beklagt, daß die Schule heutzutage auf dem Feld der politischen Bildung zu wenig leiste - daß auch die Lehrer sich zu wenig engagieren.
    Noch während seines Studiums in Bonn und Münster trat er 1962 in die SPD, 1963 in die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ein. Er engagierte sich außerdem als Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Studenten an Pädagogischen Hochschulen und im AStA.
    Seine politische Karriere hat er nicht gesteuert. "Ich mag keine Gruppenabsprachen und Kungeleien hinter den Kulissen - ich habe mich einfach interessiert gezeigt, mitgemacht und mich engagiert." Folgerichtig verlief so seine Laufbahn: 1970 Ratsmitglied in Frechen, fünf Jahre später dort Fraktionsvorsitzender, Mitglied des Kreistages des Erftkreises von 1975 bis 1980. Die Sorge des engagierten Schulpolitikers: "Die Leistungsfähigkeit unseres Bildungsangebotes muß erhalten bleiben." Um so schwerer fiel ihm, angesichts der schmalen Landeskasse, die zum Teil enormen Abstriche in diesem Bereich mitzutragen. Dabei sieht er auch, daß Nordrhein-Westfalen - im Vergleich mit den anderen Bundesländern - noch einen großen Nachholbedarf im Rahmen des Bildungs-Gesamtplanes hat: "Das ist für mich keine Frage der Lehrerbesoldung, sondern vielmehr eine Frage der Schüler/Lehrer-Relation, eine Frage des Ausfalls von Stunden und vor allem des Unterrichts für ausländische Schüler." Gerade in diesem Bereich möchte er mehr tun, "damit nicht das alles Sonntagsreden bleiben". Und er sagt auch: "Ich würde auf ein Prozent meines Gehaltes verzichten, wenn damit mehr Lehrerstellen geschaffen werden könnten."
    Schaufuß ist seit 1963 verheiratet und hat eine 14jährige Tochter. Für Hobbys - außer Familie und Politik - hat er kaum Zeit. Er liest zum Ausgleich und wandert gerne. Und die Briefmarken, die er noch von Verwandten aus der DDR bekommt, wandern zunächst erst einmal in einen Karton.
    Dr. Wilm Herlyn

    ID: LI821514

  • Porträt der Woche: Siegfried Jankowski (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 14 - 21.06.1982

    "Wenn jeder nur fünf Prozent von dem täte, was er vom anderen erwartet, sähe diese Welt anders aus", sagt Siegfried Jankowski und meint das auch so. Zumindest für sich selber versucht er diese Lebensphilosophie in die Tat umzusetzen. Da er zudem kein Radikaler ist, sondern Ausgleich, Toleranz und Kompromiß auf seiner Fahne stehen, hat der mit 1,86 Meter Größe nicht zu übersehende Siegfried Jankowski im Düsseldorfer Landtag schnell Freunde gefunden.
    Bei der letzten Landtagswahl im Mai 1980 hat er für sich selbst und auch für seine Parteifreunde überraschend den kippligen Wahlkreis 22 (Leverkusen II, Rheinisch- Bergischer Kreis) im ersten Anlauf direkt geholt, obgleich er für die CDU hochgerechnet war. Seither sieht man den SPD- Mann mit der Vorliebe für ein gepflegtes Äußeres - Jankowski über sich selbst: "Ich ziehe mich gern gut an." - im Plenarsaal, in der Lobby und nach den Sitzungen im interfraktionellen Kreis in der Kaffeeklappe, wo er für fröhliche Stimmung sorgt. "Politik ist doch nicht nur Konfrontation. Das ist doch auch Verständnis für den anderen und ein Aufeinanderzugehen", meint denn auch der seit 22 Jahren als Betriebsrat bei der Firma Dynamit Nobel freigestellte Jankowski. Seine ausgleichende Freundlichkeit hat ihm diese Aufgabe beschert und sicher auch die raschen Sympathien im Landtag eingebracht.
    Als Redner hat er sich im Parlament zwar bislang nicht hervorgetan und steht auch dazu: "Da halte ich mich noch zurück. Man soll sein Pulver nicht zu früh verschießen." Doch in seinem Bereich, dem Ausschuß für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge, da wirkt er aktiv mit in der Landespolitik.
    Sein Sonderinteresse für Flüchtlinge erklärt sich aus der eigenen Vergangenheit. Siegfried Jankowski kam selber als Flüchtling aus der DDR in die Bundesrepublik und hat hier mit Arbeitslosenfürsorge neu angefangen. Der SPD-Politiker wurde 1927 in Frankleben/Merseburg geboren, ist also Sachsen-Anhaltiner und als Rheinländer nur ein "Imi". Das verrät aber nur ab und an seine leicht sächselnde Sprachmelodie.
    Eine politische Laufbahn war bei dem heute 53jährigen nicht vorprogrammiert. "Ich komme aus einer ganz normalen Familie", meint der SPD-Mann, fügt aber selbst hinzu, daß das Leben schon dafür gesorgt hat, daß er nicht unpolitisch bleiben konnte. Nach der Volksschule absolvierte Jankowski eine Laborantenlehre, und als 16jähriger kam er an die Front in Kurland. Aus der amerikanischen Gefangenschaft wurde er rasch entlassen und begann ein Chemiestudium in Zwickau. Doch politische "Unbilden" störten den Studiengang, und nach drei Semestern ging er in einer "Nacht-und-Nebelaktion" über die grüne Grenze in den Westen.
    Zunächst fand er Unterschlupf bei Verwandten in Wolfsburg, verdingte sich auf dem Bau und als Anstreicher. Als dann auch seiner Frau der Sprung in den Westen gelungen war, zog es das junge Ehepaar in das Rheinland. Leichlingen wurde die Wahlheimat des Sachsen-Anhalters.
    Auf seinen heutigen Arbeitsplatz gelangte er auf kuriose Weise: Freunde halfen nach. Sie bewarben sich an seiner Statt, einfach, weil sie den Posten für Siegfried Jankowski für richtig hielten. Er selber hatte abgewinkt und kein Interesse gehabt. Als dann von der Firma die Aufforderung kam, exakte Bewerbungsunterlagen zu schicken, griff er zu - und hat es bis heute nicht bereut. Ein ähnlicher Schicksalsknuffer hat Siegfried Jankowski in die Politik gebracht. Beim Kartenspiel in einer Gaststätte witzelte er über die gewichtigen Ratsherrn, die in Wirklichkeit gar nicht so viel täten. Er selber, so verkündete Jankowski, würde das mit der linken Hand machen. Ein paar Kommunalpolitiker hörten den flotten Spruch und hielten ihm vor, daß es viele gäbe, die so kritisierten, doch aufs Bessermachen käme es an und hielten ihm gleich ein Aufnahmeformular für die SPD unter die Nase. Das war 1964. Danach rückte er über die Reserveliste in den Leichlinger Rat, wurde 1969 stellvertretender Fraktionsvorsitzender, dann 1970 ihr Vorsitzender, kandidierte für den Kreistag im rheinisch-bergischen Kreis und landete als Mann der Basis mit einem Direktmandat im nordrhein-westfälischen Landtag. Heute hat er mitten in Leichlingen ein Büro für Bürgerberatung und hält enge Kontakte zu den Bürgern, für die er ein Parlamentarier zum Anfassen bleiben will.
    Mit seiner beruflichen und politischen Karriere ist der überzeugte Rheinländer aus Sachsen-Anhalt recht zufrieden; doch er verkennt nicht: "Ich habe immer das Glück gehabt, daß ich zur richtigen Zeit Menschen getroffen habe, die geholfen haben."
    Gerlind Schaidt

    ID: LI821418

  • Porträt der Woche: Franz Brodowski (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 12 - 01.06.1982

    Der SPD-Landesvorsitzende Johannes Rau hat einmal gesagt, daß er sich auch im politischen Geschäft gelegentlich mehr Fröhlichkeit wünsche. Man müsse auch mal zusammen feiern und lachen können. Franz Brodowski aus der Fraktion der SPD ist solch ein Mann, den gesellige Fröhlichkeit prägt, der - so sagen seine Freunde - "auch mal einen guten Witz erzählt". Eigenschaften, die jenen im besonderen eigen sein sollen, die von dort kommen, wo der Wein wächst. Bei Brodowski ist das Gegenteil der Fall. Er kommt aus Bergenau in Ostpreußen, aus der Landschaft um die Masurischen Seen, die Stille atmet, Beschaulichkeit. Er ist dort am 6. April 1922 geboren, als Sohn eines mittelständischen Bauunternehmers, "mit Landwirtschaft nebenbei", wie dortzulande üblich. Das führte dazu, daß Brodowski "als Kind schon ganz schön ran mußte", mit Vaters Säge und Hammer so gut umzugehen lernte wie dessen erwachsene Mitarbeiter.
    Es kam ihm zugute, als er 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft nach Nordrhein-Westfalen gelangte und als Werkstudent im Bergbau sein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Kettwig an der Ruhr finanzierte. Es waren jene Zeiten, da kein Mensch daran dachte, daß es einmal ein Honnefer Modell geben sollte oder gar BAFÖG. Brodowski blickt zurück: "90 Mark von der Zeche und 90 Mark vom Arbeitsamt - das war's!" Zwei Staatsprüfungen für das Lehramt an Volksschulen (1953 und 1956) öffneten die beruflichen Türen. Ein berufsbegleitendes Studium am Heilpädagogischen Institut an der Pädagogischen Hochschule Dortmund, nochmals erweitert auf Sprachheilpädagogik, schloß ab mit der Staatsprüfung für das Lehramt an Lernbehindertenschulen und an Sprachheilschulen. Brodowski war dann zwei Jahre Sonderschullehrer, anschließend Rektor einer Lernbehindertenschule. Längst in Dinslaken ansässig, wurde er 1964 Sprachheilbeauftragter für diesen Kreis, 1975 für den Kreis Wesel.
    Bereits 1958 hatte er sich zum Eintritt in die SPD entschlossen: "Und zwar nicht als Beitragszahler, sondern um aktiv mitzumachen." Dies fand bald Ausdruck in Berufungen: 1961 saß er bereits im Rat der Stadt Dinslaken (bis 1980), und der Vorsitzende des Ortsvereins (von 1964 bis 1978) führte auch sechs Jahre lang die Ratsfraktion. Sicher kam es ihm zugute, daß "man bei dem Pädagogen Brodowski bewundert, daß er nicht zwei linke Hände hat", erklärt er dies selbst. Daß das Herz "links" schlägt, ist im Wahlkreis 64 (Wesel III) eh kein Nachteil, sondern der besten Voraussetzungen eine, von der Kommunal- in die Landespolitik zu wechseln. Es gelang Brodowski im Mai 1980 mit guten 58,3 Prozent.
    Der Rektor außer Diensten sagt von sich selbst, daß er "mit allen Demokraten, denen es um die Sache geht", einen Ausgleich findet Das habe "wohl auch dazu beigetragen, daß man ihm Ämter übertrug". Seit eineinhalb Jahren ist es ihm eine "große Befriedigung", daß er im Petitionsausschuß des Landtages "vielen Bürgern helfen konnte". Man glaubt es ihm, wenn er hinzufügt, "ich tue mein Bestes, wenn so mancher Bürger sich untergepflügt sieht in Verwaltungsdingen". Im Ausschuß für Schule und Weiterbildung paßt Brodowski nach eigenen Worten "nicht in die Schablone", kocht er "auch kein eigenes Süppchen. Die Sachentscheidung ist immer vorrangig." Politik sieht er überhaupt und prinzipiell "nicht einseitig". Er möchte "immer wieder wählbar sein. Auch für solche, die parteipolitisch nicht gebunden sind. Wenn das so gesehen wird, wird es auch honoriert", zieht er das Fazit. Und er fühlt sich auch als MdL "nicht als etwas Besseres, sondern als Mensch wie jeder andere auch". Die Fraktion hat ihn "sofort akzeptiert und mit menschlicher Wärme aufgenommen", erinnert er sich. "Da ist alles aus einem Guß. Ein sehr gutes Klima. Was ja keineswegs selbstverständlich sein muß ..."
    Dem Vater von drei Töchtern, allesamt auch in pädagogischen Berufen oder im entsprechenden Studium, sieht man an, daß er "zeitlebens gerne und viel gewandert" ist. Mit Schulklassen vor allem, weil er - "vom Hochgebirge bis zur See" - die Natur liebt. Beschäftigung im Garten, wenn immer möglich, gehört dazu. Die Lust am Fotografieren ist ein "kleines Hobby", das immerhin schon Preise eintrug. Was er am liebsten liest? Moderne Literatur.
    Hans Krieger

    ID: LI821226

  • Porträt der Woche: Volkmar Schultz (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 03.05.1982

    Noch vor ein paar Jahren war es völlig "außerhalb seines Gedankenkreises", daß er einmal ein politisches Mandat anstreben könnte. "Als städtischer Beamter bin ich nie auf den Gedanken gekommen", meinte Volkmar Schultz. Heute ist der Sozialdemokrat aus Köln Landtagsabgeordneter, hat sich beurlauben lassen und sieht sich in seinem neuen Arbeitsbereich als Vollpolitiker. 1965 war er in die Partei eingetreten und hatte vom Plakatkleben über das Kouvertieren alle Basisarbeiten mitgemacht. Als zur letzten Landtagswahl 1980 die Wahlkreise neu geschnitten wurden, war just in seinem heimatlichen Porz der Wahlkreis 7 vakant. Als Parteifreunde ihn fragten, wie es denn mit einer Kandidatur stünde, griff Volkmar Schultz zu und eroberte das Mandat im ersten Anlauf in direkter Wahl.
    Daß der in Boeken bei Schwerin geborene Journalist seine politische Heimat bei den Sozialdemokraten gefunden hat, war nach eigner Auffassung vorprogrammiert. "Mein Vater war Volksschullehrer, und die galten im Mecklenburgischen wegen ihrer geistigen Aufmüpfigkeit als 'rot'. Das hat sich wohl vererbt", berichtet der SPD-Mann. 1938 geboren, kam der heutige nordrhein-westfälische Landespolitiker mit zehn Jahren 1948 über die grüne Grenze ins Rheinland nach Leverkusen, wo seine Familie nach den Kriegswirren wieder zusammenfand.
    Volkmar Schultz fühlt sich ganz als Rheinländer. "Alle wichtigen Ereignisse in meinem Leben, habe ich hier erlebt, das prägt", sagt er. Sein erstes bewußtes Erlebnis vom Rheinland war ein Haufen Trümmer. So sah er die Silhouette von Köln, als er zusammen mit seiner Mutter mit einer Fähre den Rhein überquerte. "Da habe ich zum ersten Mal richtig begriffen, was Krieg bedeutet", erinnert sich der heute 44jährige.
    Echtes politisches Bewußtsein ist bei ihm 1955 erwacht, als er für ein Jahr als Austauschschüler in den USA lebte. "Dort wurde ich mit der Geschichte Deutschlands in einem Ausmaß konfrontiert, wie ich es in der Bundesrepublik nicht gekannt hatte. "Immer wieder wollten die Amerikaner von dem jungen Deutschen wissen, wie das mit "Nazideutschland" habe passieren können. Volkmar Schultz: "Wir jungen Menschen sollten in den USA als Botschafter des guten Willens fungieren. Wir fühlten uns auch angesprochen und konnten dennoch nicht alle Fragen beantworten."
    "Die Zeit in den USA war der auslösende Faktor für meinen politischen Werdegang", meint Volkmar Schultz heute. Er sei damals noch nicht parteipolitisch aktiv geworden, aber es war "mein Schlüsselerlebnis", bekräftigt er.
    Nach dem Abitur begann er mit dem Studium der Geschichte und Anglistik. Das Geld dafür verdiente er sich als Fremdenführer in Köln. Volkmar Schultz: "Das brachte neben dem Verdienst zwei weitere Vorteile: ich konnte meine Sprachkenntnisse vervollkommnen und zugleich die Historie vertiefen." Als die Stadt Köln ihm dann ein verlockendes Angebot im Verkehrsamt machte, hängte er sein Studium an den Nagel und widmete sich der Pressearbeit für die Domstadt.
    Nach acht Jahren ließ er sich dann von der damals noch unabhängigen Stadt Porz für die dortige Pressearbeit abwerben und versuchte mit viel Verve die Eingemeindung nach Köln zu verhindern. "Als das dann doch geschah, kehrte ich ungewollt in den Schoß von Mutter Colonia zurück", berichtet er über seinen beruflichen Werdegang.
    Als stellvertretender Nachrichtenamtschef verkaufte er die neuesten Nachrichten aus Köln. Nebenher lief da aber schon seine parteipolitische Karriere, die ihn dann 1980 voll einholte.
    Heute sitzt Volkmar Schultz im Landtag und hat sich für seine erste Legislaturperiode ein Ziel gesetzt: lernen, lernen und nochmals lernen. Als Schwerpunkte für seine parlamentarische Arbeit hat er den Wohnungsbau und die Verkehrspolitik gewählt. "Das sind zwei Themenbereiche, die auch für Köln als Knotenpunkte des Handels immer lebenswichtiger waren", begründet er sein Interesse.
    Für seine Hobbys "Reisen mit Familie" und Fotografieren, bleibt kaum noch Zeit. "Überhaupt", meint der SPD-Politiker, "die Parlamentarierlaufbahn braucht viel mehr Zeit als die Bürger gemeinhin denken." Die 60-Stunden- Woche sei die Regel. Volkmar Schultz: "Das geht nur gut, weil meine Familie voll mit meinem Wechsel in die Politik ein verstanden ist."
    Gerlind Schaidt

    ID: LI82101F

  • Porträt der Woche: Helmut Kupski (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 29.03.1982

    Inzwischen hat er sich an das "Genosse" und das "Du" unter den Genossen längst gewöhnt. Mehr noch, er hat es als Ausdruck besonderer Verbundenheit und Solidarität untereinander schätzengelernt. Aber Helmut Kupski verhehlt nicht, daß er Schwierigkeiten gehabt hatte mit dem "Du" und dem "Genosse", damals, 1972, als er in Krefeld von der CDU zur SPD wechselte. Damals arbeitete Kupski schon ein Dutzend Jahre beim Landeskirchenamt in Düsseldorf, sozusagen ein Arbeitsplatz nach Wunsch für den gebürtigen Ostpreußen, der in einer betont christlich geprägten Familie aufgewachsen war und in eine ähnlich stark geprägte Familie hineingeheiratet hatte. Warum er die CDU verlassen hatte und statt dessen - unter "Mitnahme" seines kommunalpolitischen Mandates in Krefeld - in die SPD eingetreten war? Helmut Kupski wird diese Frage natürlich nicht zum erstenmal gestellt. Er hat darauf eine klare Antwort: "Ich habe gesehen, daß die praktische CDU-Politik mit dem Anspruch des 'C' in ihrem Namen nicht übereinstimmt." Er habe auf die Sozialausschüsse gehofft, gehofft, daß sie sich mit ihrer Politik in der CDU durchsetzen, wenigstens einen Teil des Ahlener Programms in die Tat umsetzen könnten. Als diese Hoffnung in immer weitere Ferne rückte, begann Kupski über einen Wechsel zu den Sozialdemokraten nachzudenken, weil deren politischer Anspruch und deren praktische Politik mehr miteinander übereinstimmten, als dies für sein Empfinden bei der CDU der Fall war.
    Das Tüpfelchen auf dem i war für den Parteiwechsel dann der Anspruch der CDU, für alle Vertriebenen zu sprechen. Noch als CDU-Mitglied habe er, der Ostpreuße, sich genötigt gesehen, öffentlich der Vertriebenenpolitik der CDU zu widersprechen, erinnert sich der Gewerkschafter und Presbyter an diese wilde Zeit des Wechsels. Und er erinnert sich auch, daß seine Frau "gewisse Schwierigkeiten" hatte mit der Entscheidung ihres Mannes und bei den beiden Schwägern bestehen diese Schwierigkeiten noch heute.
    Für das, was einen engagierten Christen besonders anspricht in der SPD, hat Helmut Kupski eine griffige Formel parat. Er schickt den Satz voraus, daß das Wort von der Nächstenliebe bei vielen Christen leider zu einem Lippenbekenntnis verkümmert sei, und fährt dann fort: "Solidarität ist Nächstenliebe plus Konsequenzen - das ist für mich sozialdemokratische Politik, oder", setzt er selbstkritisch lächelnd hinzu, "das ist es zumindest im Ideal fall." Solche Idealfälle sind selten.
    Ein Idealfall ganz anderer Art verhalf Helmut Kupski in den Landtag. Daß er den Wahlkreis 59 (Krefeld II) mit 45,7 Prozent der Stimmen gewann, rechnet er zuletzt seinem eigenen Verdienst an. Da hätten vielmehr die früheren Parteifreunde von der CDU geholfen, weil die Franz Josef Strauß zum Kanzlerkandidaten der Union für die Bundestagswahl gekürt hätten, eine Fehlentscheidung, die auf die nordrhein-westfälische Landtagswahl einen für die CDU Kurt Biedenkopfs dunklen Schatten warf. "Strauß hat mir geholfen", räumt Kupski freimütig ein. Mit Hilfe des Bayern jagte der Neuling keinem Geringeren als Konrad Grundmann den Wahlkreis ab, eine Niederlage, an der der heutige Landtagsvizepräsident damals im Mai 1980 schwer zu schlucken hatte. Erst beim Gottesdienst vor der ersten Plenarsitzung brachte es Grundmann über sich und gratulierte dem Sieger mit Handschlag. Kupski nimmt ihm diese Verspätung nicht krumm: "Wir kommen heute gut miteinander aus." In der sozialdemokratischen Landtagsfraktion wissen die Kollegen Kupskis inzwischen, daß der Neue aus Krefeld zu den harten Arbeitern gehört, dem nichts ferner liegt, als ständig fromme Sprüche zu klopfen. Und wenn er doch mal etwas über seinen Glauben und seine berufliche Bindung an das Landeskirchenamt sagt, hört sich das ganz handfest an. Etwa so: Das Christsein habe sich hier auf der Erde zu beweisen. Kupski: "Ob es ein Leben nach dem Tod gibt, ist da von sekundärer Bedeutung. "Dieses Christsein hier auf Erden kann sich für Kupski an so banalen Dingen wie an einer Straßen führung erweisen. Der Abgeordnete gehörte zu den Initiatoren und Haupttreibern, die sich gegen die linksrheinische Autobahn wehrten. Gegen die Autobahn wurde der Kampf verloren. "Aber wir haben immerhin erreicht, daß der Nordzubringer in Krefeld nicht autobahnmäßig ausgebaut wurde, wie dies ursprünglich geplant war, und wir haben Lärmschutzmaßnahmen durchgesetzt." Das sei mehr als nichts.
    Reinhard Voss

    ID: LI82091C

  • Porträt der Woche: Manfred Ludwig Mayer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 7 - 15.03.1982

    Manfred Ludwig Mayer ist das, was man sich landläufig unter einem ordentlichen, erdverbundenen Sozialdemokraten vorstellen mag: sachlich, eher ruhig als temperamentvoll, kein begnadeter Redner, vielmehr einer, der zuhört und abwägt, ehe er, dann aber beharrlich, eine Sache anpackt. Der 1934 in Magdeburg geborene, nun aber schon seit Jahren in Düsseldorf lebende Abgeordnete sagt von sich selbst, daß er kein "Senkrechtstarter" sei. Die Umstände seines Lebens waren auch nicht danach. Nach dem Volksaufstand 1953 in der DDR verließ Manfred Ludwig Mayer seine Heimat. Über die Schwierigkeiten, die er damals nach dem niedergeschlagenen Aufstand hatte, mag er heute nicht mehr viele Worte machen. Er war eine kurze Weile inhaftiert und haute nach der Entlassung gleich ab über die Grenze. Da saß er dann im Auffanglager bei Hannover. In seinem Beruf als Elektrotechniker gab es damals keinen Job. "Bergbau oder Landwirtschaft wurde uns angeboten, sonst nichts", erinnert sich Mayer mit einem leisen Lächeln in den Mundwinkeln. Weil er aus dem Lager raus, arbeiten und den Lebensunterhalt selbst verdienen wollte, meldete er sich als Knecht auf einem Hof im Rheinischen, in der Nähe von Radevorm wald. Das war, Mayer lacht heute darüber, ein Schuß in den Ofen. Er habe beinahe Angst vor den Hühnern gehabt, und eine Kuh zu melken - allein der Gedanke war ihm unvorstellbar. Der Bauer war ihm dennoch nicht gram. Denn der neue Knecht ohne Draht zu Feder- oder Borstenvieh verstand um so mehr von anderen Drähten: Manfred Ludwig Mayer erneuerte und modernisierte die gesamte elektrische Installation des Hofes. Und als das gemacht war, zog er wieder seiner Wege. Er fand dann bald einen Job in seinem Fach, aber die Fummelei mit den Kabeln füllte ihn doch nicht aus. "Ich wollte", erzählt Mayer, "mit Menschen zu tun haben, im weitesten Sinne, irgendwie mehr kreativ." Er träumte eine Zeitlang davon, Dramaturg zu werden, klopfte sogar ganz arglos einmal beim großen Gustaf Gründgens an die Tür.
    Von den Träumen in die Realität zurückgekehrt, schulte Mayer um. Er wurde Berufsberater, machte so etwas wie Karriere in dem Beruf und ist heute Leiter einer Arbeitsgruppe, die überall im Lande versucht, im direkten Kontakt mit den jungen Leuten deren Berufswünsche zu erfahren - und wenn möglich - zu erfüllen.
    Weil er nicht nur nörgeln, sondern selbst "etwas gestalten" wollte, wurde Manfred Ludwig Mayer Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Acht Jahre später saß er im Rat der Stadt Düsseldorf, wieder zehn Jahre später erhielt er dort den Ehrenring der Stadt. Er fühlte sich "rundum wohl" als Kommunalpolitiker. Handfeste Arbeit sei das dort gewesen, erinnert sich Mayer gern an diese Zeit zurück. Die Düsseldorfer Bürger waren mit seiner Arbeit offensichtlich zufrieden. Denn als Mayer 1980 in einem als "todsicher schwarz" geltenden Wahlkreis antrat, jagte er seinem Mitbewerber von der CDU rund acht Prozent der Stimmen ab und sorgte damit, zum ersten und bisher einzigen Mal in seinem Leben, für eine Schlagzeile: "Der große Sieger heißt Mayer", meldete die "Rheinische Post" in ihrem Lokalteil am Montag nach der Wahl ihren Düsseldorfer Lesern.
    Es gibt Menschenkenner, die teilen die Leute in zwei Gruppen auf: in eine große, von denen man kein, und eine sehr viel kleinere, von denen man unbesehen jedes gebrauchte Auto kaufen würde. Mayer gehört zur zweiten Kategorie. Vielleicht hat er deshalb auch so viel Erfolg als Schiedsmann, ein Ehrenamt, das er mehr als ein Dutzend Jahre ausübte, zuletzt als Vorsitzender der Schiedsmannsvereinigung im Landgerichtsbezirk Düsseldorf. Und vielleicht rührt auch von dieser Tätigkeit Mayers überraschendste Bemerkung während des Gesprächs für dieses Porträt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann wäre Karl Heinz Hansen heute noch wie er selbst Mitglied der Düsseldorfer SPD. Manfred Ludwig Mayer: "Die Partei hätte ihn ertragen müssen. Wo kommmen wir hin, wenn wir alle kritischen Geister ausgrenzen?" Womit sich der Düsseldorfer Landtagsabgeordnete nicht mit den politischen Inhalten - und schon gar nicht mit der Form des bekannteren Düsseldorfer Bundestagsabgeordneten identifizieren möchte. Aber, so weiß Mayer auch aus eigener Erfahrung: "Wenn man in einer für einen selbst sehr wichtigen Sache immer gegen die Wand zu laufen meint, kann man schon wütend werden, sich auch mal im Ton vergreifen." Doch bei allem Verständnis zu Hansen Über einen Unterschied /äßt Mayer keinen Zweifel: "Hätte ich solche Konflikte mit der Partei, gäbe ich mein Mandat zurück." Solche Konflikte sind zur Zeit nicht in Sicht. Aber das ist kein Grund, an der Ernsthaftigkeit von Mayers ehrenwerter Absicht für den Fall X zu zweifeln.
    Reinhard Voss

    ID: LI820719

  • Porträt der Woche: Johannes Pflug (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 5 - 15.02.1982

    Zwar wird er zu den sogenannten "Linken" in seiner Partei gezählt, doch gleichzeitig kann er gute Kontakte zur CDU aufweisen: Johannes Pflug, direktgewählter SPD-Landtagsabgeordneter im Wahlkreis Duisburg II, wird vermutlich auch von politischen Gegnern geschätzt wegen seiner Offenheit und Geradlinigkeit. Der aus einer Bergbaufamilie in Duisburg-Hamborn stammende 36jährige Sozialdemokrat focht für Umweltschutz und Stadtsanierung schon zu einer Zeit, wo beide Probleme noch im Hintergrund der öffentlichen Diskussion standen.
    Dieses Interesse dürfte mitausgelöst worden sein durch die räumliche Umgebung, die Zechenhäuser und den Berufsweg des heutigen Ingenieurs (grad.) für Vermessungstechnik. Mit 18 Jahren in die SPD eingetreten, und später als Mitglied des Duisburger Stadtrates auch Vorsitzender des Sanierungsausschusses, setzte sich Johannes Pflug mit Nachdruck für die Abkehr von der damaligen Flächen- zur sogenannten Objektsanierung ein. Gegen den Widerstand der Verwaltung kämpfte der gleichzeitige SPD-Fraktionsvorsitzende der Hamborner Bezirksvertretung auch für umweltgerechtere Straßen in den Sanierungsgebieten. "Wir haben alles getan, um die Pläne von klotzigen, vierspurigen Fahrbahnen kaputt zu machen", erinnert er sich heute. So wurden aus Fahrbahnen Grünflächen. Für den Kommunalpolitiker ist es unerläßlich, daß die Bebauungspläne für den Bürger verständlicher konzipiert, und dieser stärker daran beteiligt werden müsse. "Im Vorfeld der Planungen muß die Diskussion stehen."
    Nach der letzten Landtagswahl von seiner Fraktion in den Ausschuß für Landesplanung und Verwaltungsreform delegiert, sind dort seine Schwerpunkte der Umweltschutz und die Entbürokratisierung. Nach seiner Ansicht müssen die "Doppel- und Dreifach-Prüfungsverfahren" bei der Gewährung von Fördermitteln abgeschafft und "mehr Vertrauen in den Sachverstand und die Eigenverantwortung der Gemeinden" gesetzt werden. Als Duisburger Abgeordneter sieht er es als seine Aufgabe an, die VEBA-Ansiedlung im Orsoyer Rheinbogen zu verhindern. Es müsse bei der Landesplanung zu einem ausgewogenen Verhältnis der Standorte für Kraftwerke und industrielle Großprojekte im Lande kommen. Auch sollten die Art und Größe neuer industrieller Ansiedlungen auf die jeweilige Wirtschafts- und Siedlungsstruktur des betroffenen Raumes zugeschnitten sein.
    Im Ausschuß für Wissenschaft und Forschung will der SPD-Politiker neue Akzente setzen. Die strukturpolitische Bedeutung einer Hochschule für die Region werde noch zu wenig erkannt. Am Beispiel der Universität Duisburg lasse sich verdeutlichen, daß sie auch die Aufgabe habe, in einer Region neue Arbeitsplätze zu schaffen, wo durch Forschung und Lehre viele Arbeitsplätze vernichtet worden seien. Die Universitäten müßten die Probleme ihrer Regionen "aufnehmen". Ein untragbarer Zustand ist es schließlich nach Meinung des Ausschußmitgliedes, daß die Hochschulen den Wünschen der Studenten für bestimmte Studiengänge, wie Sozialarbeiter, Politologe und Pädagoge immer noch in großem Umfange Rechnung tragen, obwohl nur eine geringe gesellschaftliche Nachfrage vorhanden sei. Überdies setzt sich der SPD-Abgeordnete für eine "landesspezifische" Konzentrierung der Forschungspolitik ein.
    Das langjährige Gewerkschaftsmitglied wurde vor der letzten Landtagswahl zu einer Kandidatur für das Landesplenum von Parteifreunden ermuntert. Als "Neuling" fühlt sich Johannes Pflug nach gut eineinhalb Jahren bereits in die Fraktion integriert. Für den "Sozialdemokraten der Basis" bleibt aber die Arbeit im Wahlkreis der Schwerpunkt seines politischen Wirkens. Und wenn der Vater eines Sohnes einmal von Politik nichts hören will, dann greift er zum Fotoapparat oder zieht die Fußballschuhe an...
    Jochen Jurettko

    ID: LI820520

  • Porträt der Woche: Rudolf Drese (SPD).
    Porträt
    S. 14 in Ausgabe 3 - 01.02.1982

    Er ist kein ideologischer Schwärmer, noch ein Mann großer Worte - Rudolf Drese (49) haben seine Umgebung und berufliche Tätigkeit geprägt: der Pütt. In Essen geboren, begann der heutige SPD-Landtagsabgeordnete nach Absolvierung der mittleren Reife seinen Berufsweg bei Krupp - wie übrigens auch sein Vater. Der Kaufmannsgehilfenprüfung folgte die Tätigkeit als Magazinverwalter zunächst auf der Essener Zeche Rossenray und seit 1970 auf der Zeche Niederberg im niederrheinischen Neukirchen-Vluyn. Er erlebte das Wachsen und den Niedergang der Ruhrkohle, kennt die Sorgen der Menschen rund um die Fördertürme.
    Schon früh der IG Bergbau und Energie beigetreten, wurde Rudolf Drese zunächst Stellvertreter und dann Vorsitzender des Betriebsrates. Über die Gewerkschaft fand er 1967 den Weg zu den Sozialdemokraten, kam drei Jahre später in den Rat der Stadt Kamp-Lintfort und war bis zu seiner Wahl in den Düsseldorfer Landtag 1980 Fraktionsvorsitzender. Der mit einem Zugewinn von 6000 Stimmen gegenüber der letzten Landtagswahl eroberte Wahlkreis Wesel I ist einer der flächengrößten des Landes; industriell geprägt im Süden, landwirtschaftlich im Norden. Der Zielkonflikt zwischen Industrie und Umweltschutz ist hier allgegenwärtig, zwischen Kohle und Grün.
    So ist es auch kein Zufall, daß sich der erfahrene Kommunalpolitiker bemühte, von seiner Fraktion in den Ausschuß für Ernährung, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft berufen zu werden, in den sogenannten "Grün"-Ausschuß, der sich nach Einschätzungen Dreses "mit der Industrie zuweilen beißt". Der Gewerkschaftler tritt dabei für einen vernünftigen Ausgleich zwischen Landschafts-/Umweltschutz und der Schaffung neuer Arbeitsplätze ein. "Der Bergmann ist Realist genug, um zu wissen, daß wir Kohlekraftwerke und Halden in Kauf nehmen müssen, um Arbeitsplätze zu erhalten. Sonst können wir den Pütt schließen." Der SPD-Politiker sieht einen Nachteil darin, daß sich die sogenannten "Grünen" "besser artikulieren können" als beispielsweise die Bergleute.
    Der Abgeordnete weiß aus seiner kommunalpolitischen Praxis auch, daß die Sicherung und der Ausbau von Arbeitsplätzen ohne angemessene Wohnungen unmöglich sind. Dabei sieht er die Modernisierung von Altbauten und die Schaffung von Mietwohnungen wie Eigenheim als gleichberechtigt an.
    Früher selbst aktiver Fußballer und heute noch am Sport interessiert, ist Rudolf Drese auch Mitglied des Sportausschusses. Sein besonderes Anliegen in diesem Gremium ist es, daß auch jene verstärkt die Möglichkeit erhalten sich sportlich zu betätigen, die nicht in Vereinen organisiert sind. Zudem will er der Versuchung begegnen, daß die Randzonen gegenüber den Ballungsräumen vernachlässigt werden.
    Wie die anderen "Neulinge", so mußte sich auch der Kamp-Lintforter erst mit seiner jetzigen parlamentarischen Wirkungsstätte bekanntmachen. Dabei halfen ihm die älteren Fraktionskollegen, aber auch eigener Fleiß. So studierte er während der Sommerpause Sitzungsprotokolle, Drucksachen und vieles mehr der letzten Legislaturperiode. Auch sein parlamentarisches Selbstbewußtsein half ihm zum erfolgreichen Einstieg. Ein Selbstbewußtsein übrigens, "das den häufig anzutreffenden falschen Respekt vor ministeriellen und administrativen Größen nicht kennt", wie jüngst ein Kollege lobend feststellte.
    Der SPD-Politiker, Vater von drei Kindern, sucht das Gespräch mit den Bürgern, ob als Mitglied zahlreicher lokaler Vereine oder in seiner Eigenschaft als Abgeordneter. Und das gibt Rudolf Drese Rückhalt für seine Arbeit in Düsseldorf.
    Jochen Jurettko

    ID: LI82031B

  • Porträt der Woche: Hans Frey (SPD).
    Porträt
    S. 14 in Ausgabe 1 - 18.01.1982

    Ein Schalke-Fan ist Hans Frey nicht. Und das, obwohl er in Gelsenkirchen geboren wurde, dort zur Schule ging und heute mit Frau und zwei Kindern dort auch wohnt. Die Ehrenkarte, die ihm als Mitglied des Rates von Gelsenkirchen vom traditionsreichsten Fußballverein des Reviers überreicht worden war, gab er deshalb kühlen Herzens zurück. Als Abgeordneter des Wahlkreises Gelsenkirchen I, wo er am 5. Mai 1980 stolze 62,0 Prozent einheimsen konnte, hat Hans Frey an den Königsblauen ein nur wirtschaftspolitisch motiviertes Interesse. "Wenn Schalke in der ersten Bundesliga spielt, kommen mehr Zuschauer aus der Region, das gibt mehr Einnahmen. Deshalb bin ich für den Wiederaufstieg von Schalke." Sonst aber sei Fußball für ihn kein Thema, winkt der junge Abgeordnete ab.
    Hans Frey, der am 24. Dezember Weihnachten und Geburtstag zusammen feiern muß, machte seine ersten politischen Gehversuche bei den Jungsozialisten. Das war Ende der sechziger Jahre, als die Apo die Universitäten durchlüftete, für heilsame Unruhe sorgte im Land. Jahrgang 1949 gehört er heute altersmäßig noch immerzu den Jusos, fühlt sich mit ihnen auch durch "gemeinsame Grundüberzeugungen" verbunden. Aber wenn Hans Frey von seinen Erfahrungen spricht, die er im Gelsenkirchner Rat und im Landtag machte, wenn er von der Notwendigkeit einer Integration auch der kritischen Geister in die demokratischen Institutionen des Staates spricht, dann wird die Kluft sichtbar, die den "alten Juso" aus den Zeiten der Voigt, Roth und Wieczorek-Zeul trennt von jenen desorientierten und desillusionierten jungen Genossen, die Anfang Dezember in Köln-Chorweiler die nordrhein-westfälischen Jusos des Arbeitsjahrgangs 1981 repräsentierten.
    Hans Frey war Gymnasiallehrer, ehe er Landtagsabgeordneter wurde. Obwohl selbst Studienrat, hat er sich nie als "typischen Studienrat mit gedrechselter Sprache" sehen wollen. Von einem derartigen Berufsbild und Selbstverständnis habe er sich - auch äußerlich erkennbar - ganz bewußt abgesetzt. Der jetzige Abgeordnete versichert, gern Lehrer gewesen zu sein. Warum er dann diesen Job an den Nagel gehängt habe? "Noch lieber" sei er sozusagen hauptberuflich in die Politik gesprungen, als sich nach dem Verzicht des jetzigen Oberbürgermeisters Werner Kuhlmann die Chance bot, das Mandat in Gelsenkirchen zu gewinnen.
    Hans Frey ist ein ruhiger Typ. Er redet langsam und bedächtig, zögert, wenn er von sich selbst sprechen soll. Munterer, auch schärfer in der Sprache, wird der junge Abgeordnete, wenn die Rede auf seine Heimatstadt Gelsenkirchen kommt. Über einhundert Jahre lang sei die Stadt ausgepowert worden. Die Region um Gelsenkirchen habe am meisten unter der industriellen Entwicklung gelitten, von der sehr viele im Land profitiert hätten, reich geworden seien. Um so unverständlicher, auch ungerechter empfindet der Gelsenkirchener Hans Frey das mokante Lächeln vieler Menschen außerhalb des Reviers über jene, die dort heute noch leben. Im Bewußtsein zu vieler Zeitgenossen lebten da im Zentrum des Reviers doch nur noch "die Deppen", die es nicht geschafft hatten, in gesündere, lieblichere Gegenden zu entkommen, erbost sich der Abgeordnete. Den in dieser ausgebeuteten, ausgebluteten Region Ausharrenden mit größerer Achtung vor ihrer und ihrer Vorfahren Leistung zu begegnen, ist eine jener Forderungen Freys, die so gar nicht zu dem Schreckensbild passen, das in vielen Köpfen - aus was für Gründen auch immer über " die Jusos " berumgeistert.
    Den Einfluß, den so ein Landtagsmandat seinem Inhaber verschafft, will Hans Frey für eine Bewußtseinsveränderung in Sachen Revierbewohner nutzen. Dabei macht er sich keine Illusionen. Er war zu lange Jungsozialist, engagiert in den theoretischen Auseinandersetzungen des SPD-Nachwuchses in der Periode der hoch fliegendsten Anstrengungen und der daraus abgeleiteten Ansprüche, als daß er die Möglichkeiten des einzelnen in einer hochindustrialisierten Massengesellschaft überschätzen würde. Hans Frey sieht die Sache vielmehr ganz nüchtern. Als Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags habe er unbestritten mehr Möglichkeiten, Einfluß zu nehmen, als ein, sagen wir, SPD-Ortsvereinsvorsitzender in Gelsenkirchen. Um diesen Einfluß auszuschöpfen, will Hans Frey, er sagt das ganz freimütig, zunächst mal zwei Legislaturperioden im Landtag bleiben. Seiner Ansicht nach kann man erst nach einer solchen Zeitspanne beurteilen, ob man etwas bewegen konnte oder ob man wie ein Hamster im Laufrädchen durch den Käfig gerannt sei. Käme er zu dem zweiten Ergebnis, dann will Hans Frey gern aufs Mandat verzichten, noch einmal etwas anderes machen. Aber das ist noch vage. Kann es ja auch bleiben. Denn noch hat der junge Mann viel Zeit.
    Reinhard Voss

    ID: LI82011C

  • Porträt der Woche: Karl Böse (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 31 - 21.12.1981

    Eine Stadt, die jetzt in aller Munde ist - Dortmund -, ist fest in der Hand der SPD, was ihre Repräsentanz im Landtag von Nordrhein-Westfalen betrifft. Ihre sechs Wahlkreise wurden am 11. Mai 1980 mehr oder weniger deutlich "geholt": 56,7 Prozent der Stimmen waren das mindeste, 68,0 Prozent das höchste Ergebnis. Einer der Dortmunder Wahlsieger ist Karl Böse, 41 Jahre alt, verheiratet und Hauptschulrektor außer Diensten. Er packte "auch ein paar Punkte drauf" im Wahlkreis 134 (Dortmund V), "und der Genösse Trend marschierte auch noch für mich mit" - bis auf 59 Prozent. Dieser Wahlkreis im Süden der Stahlstadt scheint ein Erbhof.
    Spekulationen, was wäre, wenn die Wähler in den Stahlstandorten heute an die Urnen gehen mußten, wehrt Böse ab. Das mag überraschen; denn er hat sich gerade in seinem Wahlkreis mit vielen "Hoescbianern " zu befassen, die ihm derzeit wohl nicht nur Freundlichkeiten sagen. Aber sie haben dem Sohn eines Kesselschmieds zum Mandat verholten, weil sie ihn für einen der Ihren halten, obgleich er Lehrer ist: Böse: "Ich bin ja nicht wegen meines Berufes gewählt worden, sondern wegen meiner Arbeit für die Arbeitnehmer; sonst hätte ich in Dortmund überhaupt keine Chance auf ein Mandat."
    Die sattsam bekannte Kritik, daß in den Parlamenten heute zu viele Lehrer sitzen, läßt sich zwar durch Zahlen erhärten, aber Böse bezieht sie "überhaupt nicht" auf sich selbst. Der in Schwerte Geborene hat nach dem Abitur - den Vater hatte der Gymnasium-Besuch noch Schulgeld gekostet in den fünfziger Jahren - ein Studium an der nahe gelegenen Pädagogischen Hochschule begonnen, ,,und zwar aus Liebe zu diesem Beruf", und 1964 die erste Staatsprüfung abgelegt. Eintritt in den Schuldienst und in die SPD folgten fast gleichzeitig. "Wer die Demokratie stärken will, muß sich auch selbst engagieren", erklärt Böse diese Entscheidung, die für ihn in seinem sozialen Umfeld "gar nicht anders ausfallen konnte". Seither ist er aktiv im Ortsverein, seit 1974 dessen Vorsitzender, und strebt keine weiteren Funktionen an - "man kann nicht mehreren Herren dienen, das würde sich auf meine Arbeit hier auswirken". Daß er Mitglied des Rates der Gemeinde Holzen wurde (1969 bis 1974), war nur folgerichtig: man kannte und schätzte ihn, zumal er sich in der sportlichen Jugendarbeit längst Meriten erworben und selbst auch Handball gespielt hatte, bevor er sechs Jahre lang Vereinsvorsitzender des TuS Holzen wurde. So etwas zählt im Revier.
    Als Holzen 1979 eingemeindet wurde, kam Böse in den Rat der Stadt Dortmund, zu dem er weiterhin "engste Beziehungen"pflegt. Wenn schon in der dortigen SPD Doppelmandate in der Kommunal- und Landespolitik strikt abgelehnt werden, so praktizieren die sechs Dortmunder die vielzitierte und durchaus wünschenswerte Verzahnung auf ihre Art: die Ratsfraktion lädt die "Düsseldorfer" regelmäßig zu ihren Sitzungen ein; man bespricht sich und stimmt sich ab.
    Im Falle Böse strahlt das auf die Arbeit in den Ausschüssen für Verkehr und Arbeit, Gesundheit und Soziales aus. Beide sind "aus Dortmunder Sicht sehr wichtig", betont Böse, der sich im Verkehrsausschuß besonders um den öffentlichen Personennahverkehr sorgt. In dem anderen Ausschuß geht es ihm vor allem um Arbeitsmarkt- und Ausländerfragen. Diese Probleme kennt er bis ins Detail aus eigener Praxis; in 15 Jahren hat er sich ein Urteil bilden können darüber, was es bedeutet, wenn an einer Schule der Ausländeranteil 50 Prozent und mehr beträgt. "Solche Überfrachtung abbauen, die Kinder der ausländischen Mitbürger gleichmäßig auf alle Schulen verteilen" - Böse weiß wohl, daß sich hier sozialer Sprengstoff ansammeln könnte. Möglicherweise wird er damit noch einmal befaßt, wenn er in den Schuldienst zurückkehrt und Mathematik, Geschichte und Sport wieder an die Stelle jener Aktenberge treten, mit denen er es als MdL zu tun hat. "Die Kopierer haben auch mein Leben verändert, sie werden überreichlich genutzt", sinniert er nach eineinhalb Jahren Landtagserfahrungen.
    Hans Krieger

    ID: LI813125

  • Porträt der Woche: Manfred Böcker (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 29 - 30.11.1981

    Sich selbst charakterisiert er als ,,ruhig, besonnen, ausgeglichen, mit einer gewissen Bescheidenheit ausgestattet".
    Die energische Mundpartie und die tiefen Falten über der Nasenwurzel aber zeigen, daß Manfred Böcker bei aller Bescheidenheit auch sehr genau weiß, was er will. Und das sind nicht immer Kleinigkeiten. Zur Zeit legt sich der Lipper Sozialdemokrat mit keinem Geringeren als den britischen Streitkräften an, die ihren Truppenübungsplatz Sennelager vergrößern wollen. Böcker, in aller Bescheidenheit, versteht sich: "Ich hoffe, daß meine Freunde und ich solche Pläne kaputtkriegen." Und dann setzt er ganz ohne Bescheidenheit hinzu: "So etwas können wir uns nicht bieten lassen. Der Truppenübungsplatz ist für die Briten groß genug."
    Illusionen über die Möglichkeiten eines Landtagsabgeordneten in Düsseldorf hat Manfred Böcker keine mehr, hat sie wohl auch nicht gehabt, ehe er im vergangenen Jahr seinen Job als Konrektor der Hauptschule im lippischen Augustdorf an den Nagel hängte und mit 48,3 Prozent der Stimmen im Rücken in das Düsseldorfer Parlament kam. Aber für das, was möglich ist, will erstreiten. Zum Beispiel auch gegen die Absicht der eigenen Regierung, die Eltern der Fahrschüler nun auch noch an den Kosten für die oft lange, nervtötende, anstrengende Fahrerei der Kinder zu den Schulen zahlen zu lassen. Auch diese Absicht des Kabinetts Rau möchte der Sozialdemokrat "kaputtkriegen" - und er hat einige Aussicht, daß dies gelingt. Es spricht für das Selbstbewußtsein des 1940 in Essen geborenen Abgeordneten, daß er sich nicht scheut, die von der Landesregierung noch nicht aufgegebene geplante Kostenbeteiligung der Eltern an den Fahrtkosten als "eine einzige Katastrophe" zu kennzeichnen. Die Kollegen in Fraktion und Regierung hätten wohl nicht gewußt, was sie da mit solchen Plänen auf dem flachen Land anrichteten, argwöhnt Manfred Böcker. Für ihn ist das um so unverständlicher, weil nach seiner Einschätzung die SPD die nächsten Wahlen auf dem flachen Land gewinnen muß - "oder wir gewinnen sie gar nicht".
    Manfred Böcker weiß, wovon er spricht. Als er 1969 in Augustdorf Mitglied der SPD wurde, zählte der dortige Ortsverein 23 Mitglieder, die Partei war im Gemeindeparlament in einer schier hoffnungslos erscheinenden Opposition. Heute ist der Augustdorfer Bürgermeister ein Sozialdemokrat - Manfred Bökker stellt dies ganz sachlich, ohne Anflug von Triumph fest. Wie er - gleich ein Jahr nach dem Parteieintritt Ortsvereinsvorsitzender geworden - diesen Wandel geschafft habe? Manfred Böcker: "Wir haben erst einmal ein bißchen kommunalpolitischen Krach gemacht. Das war nötig, um überhaupt ins Gespräch zu kommen." Weil die Leute aber kein Interesse, auch kein Verständnis für parteipolitisch motivierten Zank haben, wurde auch in Augustdorf die Krachphase rasch durch ruhige Arbeit abgelöst - bis die Mehrheitsverhältnisse sich endlich drehten.
    Solcher Sacharbeit für die Anliegen der ganz gewöhnlichen Zeitgenossen, die mit den Parteien gewöhnlich nicht viel im Sinn haben, will sich Manfred Böcker "ich bin extra nicht in den Schulausschuß gegangen" - auch im Landtag widmen. Für ihn sind die parlamentarischen Sternstunden nicht "große" Reden im Plenum. Mit den Möglichkeiten eines Abgeordneten der Mehrheitsfraktion Bürgerwünsche, so sie denn gerechtfertigt sind, erfüllen zu können, Dinge auf den Weg zu bringen, die im Zuständigkeitsdschungel der Behörden hängenblieben, politische Gestaltungsmöglichkeiten für die Kommunalpolitiker draußen auf dem Lande freizuhalten, erfolgreich freizukämpfen gegen das Begehr der Ämter, "alles festzurren zu wollen" - das sind Manfred Böckers Sternstunden als Parlamentarier. Kleine Erfolge auf diesen Feldern sind es, die ihn voller Überzeugung sagen lassen: "Noch macht es Spaß in Düsseldorf."
    Ehe der Lipper Sozialdemokrat Volksschullehrer und später Konrektor wurde, diente er vier Jahre bei der Luftwaffe. Befehl und Gehorsam als Strukturprinzip einer Armee habe er auf die Dauer nicht ertragen können, begründet Böcker seinen damaligen Wechsel von der Flugüberwachung zur Pädagogischen Hochschule. Natürlich: Sachkompetenz beuge ersieh - "still und gehorsam", lächelt er ein bißchen ironisch - aber solche Kompetenz müsse erfahrbar sein, nicht nur abzulesen an Dienstgrad, Gehaltsstufe oder Titel auf dem Türschild. Überflüssig, eigentlich hinzuzusetzen, daß dies in Manfred Böckers Augen nicht nur für die militärische Seite des Lebens gilt.
    Reinhard Voss

    ID: LI81291E

  • Porträt der Woche: Karl Josef Denzer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 27 - 16.11.1981

    Wer den "Jupp" in seinen Bielefelder Jahren der ungewissen Nachkriegszeit erlebte, wird noch wissen, daß dieser Karl Josef Denzer mit Schillerkragen nicht etwa nach der blauen Blume der altdeutschen Jugend suchte. Nein, im traditionsreichen, klassischen Arbeitermilieu zwischen Dürkopp und Gildemeister der Leineweberstadt war die rote Nelke nicht nur am 1. Mai dem Jungsozialisten Denzer ein Symbol für Solidarität.
    Die Bielefelder Sozialdemokratie mit Carl Severing und Carl Schreck war stets auf Nachwuchs bedacht. Ihrer politischen Obhut entstammte Emil Gross, auch der Lipper Wilhelm Mellies, der in Heinrich Drake einen weiteren väterlichen Fürsprecher hatte. Mellies stieg auf zum stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden an der Seite Erich Ollenhauers nach Kurt Schumachers Tod. Emil Gross wurde 1946 Mitglied des Landtags und führte die sozialdemokratische Fraktion in Fritz Steinhoffs erster Regierungszeit.
    Karl Josef Denzer ist der zweite Bielefelder, der inzwischen denselben Stuhl im Landtag eingenommen hat. Ob Zufall oder nicht, es war ein Glücksfall für die SPD-Landtagsfraktion, was augenfällig die jüngste Abstimmung bestätigte. Von 101 Abgeordneten stimmten 92 für Denzers Wiederwahl, ein großartiger Vertrauensbeweis, der an Heinz Kühns beste Zeiten erinnerte, an jene Jahre, da er die Opposition führte. Und alle wissen: Es ist leichter, eine Fraktion zu führen, die nicht in der Regierungsverantwortung ihrer Freunde viele Bürden mitzutragen hat, und es ist auch einfacher, eine Fraktion zu lenken, die an Koalitionspartner gebunden ist. Vor allem aber ist es angenehmer, problemloser für den Fraktionschef, wenn er nicht mit so ungeheuren Etatproblemen befaßt wird, wie dies nun schon seit Übernahme des Amtes im Spätsommer 1980 der Fall ist.
    Denzer wurde 1925 in Trier geboren, nach 1945 dann zum Politiker in Bielefeld gemacht, und dies mit Hilfe solcher Männer wie Emil Gross. Schon 1954 war Denzer Bezirksvorsitzender der Jungsozialisten von Ostwestfalen-Lippe, Gemeinderat, dann Mitglied des Landesausschusses, schließlich Ratsherr in Bielefeld, Fraktionschef und Vorsitzender des Unterbezirks seiner Partei. 1970 errang Denzer das Landtagsmandat.
    Der Beruf wurde nicht vergessen, kaum vernachlässigt. Denzer holte sich das Diplom in der Verwaltungsakademie zu Münster und war mehr als zehn Jahre in leitenden Funktionen bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse tätig. Dort wie im Landtag ging es ums Geld, folgerichtig entwickelte sich der kernige Politiker zum Nachfolger des früheren Etatexperten in der Fraktion, Friedel Neuber.
    Manch sozialdemokratischer Jungmann mit Steilflugkarriere pflegt für die Parteiöffentlichkeit sein "sozialistisches Gewissen", und sei es nur akustisch. Denzer käme eine solche Sentenz nie über die Lippen. "Das Kapital" von Karl Marx trug er noch nie unterm Arm; der soziale Pragmatiker brauchte seine Hände für zupackende Spontaneität. - Dies ist nicht der Mann der großen Rede, er liebt die Praxis. Als ihm ein Rentner das Sparbuch unter die Nase hielt, ganz stolz ob der 10000 Mark, da sah Denzer auf einen Blick, daß die Bank viel zu wenig Zinsen ausgezahlt hatte. Denzer schlug Krach, das Geld mußte nachgezahlt werden. Die SPD nach Godesberg hat nicht zuviel von solchen Parteimitgliedern.
    Nordrhein-Westfalens Landespolitik sozialdemokratischer Ausprägung personifiziert sich heute in Johannes Rau auf der Regierungsseite und in Karl Josef Denzer auf der Parlamentsseite in mitunter idealer Weise. Wenn der Ministerpräsident vor lauter Rücksichtnahme zu leise spricht, übertönt ihn lautstark der Fraktionschef - wenn Denzer den Gegner oder auch disziplinlosen Parteifreund scharf angreift, daß die Fetzen fliegen, sammelt sie Rau wieder ein. Und dabei weiß der eine vom anderen, sie können sich aufeinander verlassen. BRUTUS hier unbekannt!
    Im Hause Denzer wird die Erinnerung an Fritz Erler hochgehalten. Er ging keinen Kompromiß ein, wenn sich eine bessere Alternative bot. Er war ein preußischer Sozialdemokrat wie Otto Braun und wie Emil Gross und ist Vorbild für Denzer geblieben.
    Horst-Werner Hartelt

    ID: LI812720

  • Porträt der Woche: Dr. Heinz Baberg (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 25 - 19.10.1981

    Es gibt "Neulinge"- das Wort muß wohl in Gänsefüßchen gesetzt werden, weil diese Landtagsperiode ja nun schon älter als ein Jahr und kein Abgeordneter mehr ganz "neu" ist -, es gibt also "Neulinge" im Landtag, die sind schon alte politische Hasen. Zu ihnen zählt Heinz Baberg, seit 17 Jahren Bürgermeister in Plettenberg. Ohne sich mit ihm auf eine Stufe stellen zu wollen, aber auch ohne falsche Bescheidenheit, sieht der Plettenberger Bürgermeister Ähnlichkeiten zwischen sich und dem gerade eindrucksvoll in seinem Amt bestätigten Nürnberger Oberbürgermeister Andreas Urschlechter. Bei sich im märkischen Kreis sei er so ungefährdet wie der Nürnberger Parteifreund. Und das habe die gleichen Ursachen: Eine sachliche, bürgernahe, sparsame Kommunalpolitik, in der Parteipolitik - wenn überhaupt - erst die dritte oder vierte Geige spielen dürfe. Baberg mit dem Blick von Düsseldorf ins heimische Sauerland: "Wir sind auf dem Teppich geblieben. Wir machen nur vernünftige Dinge, da kann die Opposition nichts herummäkeln."
    Der 54jährige Kommunalpolitiker verhehlt nicht, daß er erst Bürgermeister und dann Landtagsabgeordneter ist. Das Düsseldorfer Mandat, mit 53,3 Prozent der Stimmen mühelos gewonnen, hat für ihn eher eine "unterstützende" Funktion bei seinen Bemühungen, möglichst viel herauszuholen für sein Plettenberg und die Umgebung. In den sechziger Jahren hatte Heinz Baberg mal für den Bundestag kandidieren wollen. Nachdem er bei der innerparteilichen Kandidatenkür knapp unterlegen war, verlegte er sich zunächst auf seine berufliche Karriere. Mit Erfolg: Der Dr. phil. brachte es bis zum Oberstudiendirektor, eine Aufgabe, die zuletzt nur noch unter großen Schwierigkeiten mit seinem Engagement als Bürgermeister unter einen Hut zu bringen war. Eine schwere Herzkrankheit war der Preis, den er für die doppelte Belastung zahlen mußte.
    Der berufliche und politische Erfolg lassen Heinz Baberg eine offene Sprache führen. Da wird nicht herumtaktiert - auch nicht im Umgang mit den eigenen Genossen. Ihm kommt leicht von den Lippen, daß aus Plettenberger Sicht "oben viel Unsinn produziert wird". Seit er selbst nun zu diesem "oben"zählt, hat er gelernt, daß ein einzelner Abgeordneter - auch wenn er in der Mehrheitstraktion sitzt - keine eöume avsreißen kann. Als ein Mann von der Front (er sagte es so) könne man aber doch immerhin mithelfen, daß von der Regierung keine "Kardinalfehler" begangen werden. Als Kardinalfehler der Vergangenheit wertet Heinz Baberg die Lehrmittelfreiheit und den kostenlosen Schülertransport, Segnungen sozialdemokratischer Regierungstätigkeit, die jetzt mühsam und unter politischen Schmerzen wieder gestrichen werden müssen - um nur zwei aktuelle Beispiele zu nennen.
    Er sei immer dafür gewesen, daß die gutverdienenden Mitbürger Schulbücher und Fahrkarten für ihre Kinder selbst bezahlen sollten. Und nach seinen Erfahrungen wären die auch immer dazu bereit gewesen. Daß weniger verdienende Eltern sich diskriminiert fühlen könnten, wenn man ihren Kindern aus diesem Grund Bücher und Fahrkarten kostenlos überläßt, will Baberg nicht akzeptieren. Er habe noch nie gehört, daß sich jemand diskriminiert gefühlt habe, weil er weniger Steuern zahle als der Bankdirektor von nebenan, heißt sein plastisches Gegenargument.
    Gleichmacherische Ideologie ist die Sache des Plettenberger Bürgermeisters nicht. Er kam ja auch nicht mit Hurra und Gebrüll in die SPD. Im Gegenteil. Im Gespräch verhehlt Heinz Baberg nicht, daß er lange über seine Bonner Studententage hinaus der SPD eher skeptisch gegenübergestanden habe. Mit der CDU habe er allerdings auch nie etwas im Sinn gehabt, schon weil es ihn geärgert habe und noch ärgere, daß eine Partei das "C" in ihrem Namen führt. Für Baberg ist das eine Art Anmaßung. Die Tür zur SPD öffnete sich für den schon damals engagierten Kommunalpolitiker erst mit dem Godesberger Programm. Er habe erst in kommunalen Ausschüssen mitgearbeitet ohne SPD-Mitglied zu sein, bis er dann, 1961, doch Sozialdemokrat wurde. Nicht unwesentlichen Anteil an dieser Entscheidung hat der heutige Bundeskanzler. Damals sprach Helmut Schmidt, noch Schmidt-Schnauze, einmal in der Westfalenhalle. Baberg: "Ich war begeistert." So begeistert von der Regierungspolitik des Kanzlers Schmidt ist der Landtagsabgeordnete heute nicht mehr. Bevor er aber kritische Einwände konkretisiert, spricht er selbst von den Zwängen, denen auch eine Persönlichkeit wie der Kanzler unterworfen ist, wer wüßte das besser als ein so erfahrener Bürgermeister. Fehler zu machen ist für Heinz Baberg übrigens nicht ehrenrührig. Sie einzugestehen schon gar nicht. Er selbst war zunächst Mitglied des Philologenverbandes, weil in seiner ersten Schule alle im Kollegium dieser Standesorganisation angehört hatten. Der Abgeordnete im Rückblick auf die Anfänge seiner beruflichen Karriere: "Ich habe dann schnell gemerkt, daß ich nicht in den Philologenverband gehörte und bin statt dessen Mitglied der GEW geworden."
    Daß er damals der erste und lange Zeit einzige gewerkschaftlich organisierte Lehrer am Gymnasium war, erfüllt ihn noch heute mit fast so etwas wie Stolz.
    Reinhard Voss

    ID: LI81251F

  • Porträt der Woche: Joachim Westermann (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 23 - 05.10.1981

    Der Wahlsieg vom 11. Mai 1980, über den seine Genossen so jubelten, wäre dem Sozialdemokraten Joachim Westermann beinahe zum politischen Verhängnis geworden. Daß er seinen Wahlkreis im Hochsauerland nie würde direkt gewinnen können, hatte Westermann gewußt, ehe der Wahlkampf begann. Dennoch war sich der gelernte Galvaniseur ziemlich sicher gewesen, daß er den Sprung nach Düsseldorf schaffen würde: Sein 27. Platz auf der Landesreserveliste galt unter "normalen Umständen" als ungefährdet. Aber die Mai- Wahl war eben nicht normal. Die vielen Parteifreunde, die oft zur eigenen Überraschung der CDU die Direktmandate wegschnappten, hätten Westermann um ein Haar aus dem Landtag herausgesiegt: Je mehr Direktmandate für eine Partei, desto weniger Plätze "ziehen" auf ihrer Landesreserveliste. Bei der SPD zog, als abgerechnet wurde, gerade noch Platz 27, Westermanns Platz. Die Welt wäre für den 33jährigen allerdings auch nicht zusammengebrochen, wenn die Wahlarithmetik es anders gewollt hätte. Dem Diplom-Ökonom mit Prokura in der Tasche macht die Politik zwar Spaß - der Mittelpunkt aber, um den sein Denken und Fühlen kreist, ist sie nicht. Er hat deshalb auch seinen Beruf nicht aufgegeben, arbeitet vielmehr jede Woche mindestens zwei Tage im Betrieb. Er nennt dies "mein berufliches Standbein behalten". Wirtschaftlicher Sachverstand sei für einen Abgeordneten wichtig. Und, setzt er hinzu, "der muß durch Arbeit gepflegt werden".
    Daß er das Arbeiten gelernt hat, gibt dem jungen Abgeordneten Sicherheit und Selbstbewußtsein. Wenn es nach seinem Vater gegangen wäre, hätte Joachim Westermann eine andere "Karriere" - ein Wort, das er nicht mag gemacht. Nach dem Abitur sollte der Joachim nach dem Motto, daß das Handwerk goldenen Boden habe, im väterlichen Betrieb anfangen - und wohl auch ein Arbeitsleben lang bleiben. Westermann erfüllte dem Vater nur den ersten Wunsch. Er machte im väterlichen Betrieb zwar eine Lehre als Galvaniseur, begann dann aber das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Ruhruniversität in Bochum. Der Vater zahlte keinen Pfennig. Zu Hause in Arnsberg bekam der Student Kost und Logis - für die Fahrkarte nach Bochum und das nötige Taschengeld mußte er beim Vater arbeiten.
    Joachim Westermann erzählt das ohne Groll. Solche Erfahrungen seien wichtig. Und er fügt unbefragt hinzu, was jungen Sozialdemokraten heute sonst nicht mehr so leicht über die Lippen kommt: Auch seine Zeit bei der Bundeswehr sei für ihn "wichtig" gewesen. Er habe dort viel gelernt - und meint damit nicht etwa die Waffentechnik, sondern die Erfahrungen mit den Gleichaltrigen beim Miteinander auf enger Bude, beim Gammeldienst auf dem Kasernenhof oder der Schinderei draußen in der Kampfkompanie. Westermann: "Das war für mich keine verlorene Zeit."
    Zur Politik, zur SPD, kam er eher zufällig. Ein Freund hatte ihn zu den Jungsozialisten mitgenommen. Es habe "ganz vernünftig" geklungen, was die Jusos da geredet hatten, weiß er noch heute. Und weil er in seiner Freizeit "etwas Sinnvolles" machen wollte, sei er dort hängengeblieben. So undramatisch kann ein Weg beginnen, der in den Landtag nach Düsseldorf führt.
    Der Hochsauerlandkreis ist keine Gegend, in der für Sozialdemokraten Milch und Honig fließen, in der die Menschen massenhaft in die Partei strömen. " Wenn man das Abi hat, sich engagiert und mitmacht, geht es verhältnismäßig schnell, daß man in Funktionen gewählt wird", spielt der junge Abgeordnete seinen Aufstieg in der Partei herunter. Immerhin, in rasendem Tempo geht es auch im Sauerland nicht aufwärts in der SPD-Hierarchie: Fast elf Jahre ist er jetzt Sozialdemokrat, seit gut einem Jahr Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Ob die Macht Spaß macht? Von "Macht" will er nichts wissen. Davon habe er bisher wenig gespürt. Seine kleinen Erfolgserlebnisse hat er eher im Petitionsausschuß als im Wirtschaftsausschuß, in den er von der Fraktion wunschgemäß geschickt wurde. Und zu Hause, im Hochsauerland, bringt da das Mandat Macht und Einfluß? Da wechselt Joachim Westermann für einen Moment die ruhige, distanzierte Sprechweise. "Mit dem Mandat", er sagt es leise und ganz unpathetisch, "muß man vor Ort dienen."
    Reinhard Voss

    ID: LI812321

  • Porträt der Woche: Gerd Müller (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 21 - 20.07.1981

    Er zählt nicht zu den "auffälligen'' Abgeordneten des nordrhein-westfälischen Landtages, trotzdem sind Fraktionskollegen wie auch politische Gegner bereits auf ihn aufmerksam geworden - und das schon nach einjähriger Zugehörigkeit zum Landesparlament: Gerd Müller, SPD-Abgeordneter aus Mülheim, hat inzwischen in den Landtagsausschüssen als sachkundiger Kommunalpolitiker und Wirtschaftsexperte Anerkennung gefunden.
    Der gebürtige Mülheimer des Jahrganges 1940 studierte nach dem Abitur zunächst Germanistik und Geschichte, später konzentrierte er sich auf die Wirtschaftswissenschaften und absolvierte das Examen als Diplom-Kaufmann. Tätigkeit im Datenverarbeitungsbereich und seit 1974 Hauptreferent bei der Kraftwerks-Union in Mülheim sind seine beruflichen Etappen. Zur SPD stieß der Sohn einer Handwerksfamilie bereits zu Beginn seiner Studienzeit, 1969 nominierte sie ihn für das Stadtparlament, und fünf Jahre später wählte der Mülheimer Rat den inzwischen versierten Planungsexperten zu seinem Ersten Bürgermeister.
    Während dieser Zeit und bis 1980, wo Gerd Müller nach Einzug in den Landtag sein kommunales Mandat niederlegte, hat er als Vorsitzender des Planungsausschusses die städtebauliche Entwicklung Mülheims entscheidend mitgeprägt. Dabei ging es ihm nicht um eine wachstums-orientierte Stadtpolitik, sondern um eine an die Tradition Mülheims anknüpfende bauliche Humanisierung. "Die meisten Bürger haben es inzwischen geschafft, ihre eigenen ,vier Wände' in Ordnung zu bringen, aber wenn sie aus dem Fenster sehen, da gibt es noch eine Menge zu tun." Die Wohnumgebung zu verbessern und für die Verkehrsberuhigung gerade in den Revierstädten etwas zu tun, sind nach Ansicht des SPD-Politikers eine der wesentlichsten Aufgaben der Zukunft.
    Wie für viele seiner Parlamentskollegen bedeutet die Wahl in den Landtag gleichzeitig die Verpflichtung, sich für die Interessen der Kommunen im Düsseldorfer Parlament stark zu machen. Dieses Anliegen habe nichts mit einseitiger Interessenvertretung zu tun, sondern sei legitim. So möchte Gerd Müller im Landtagsausschuß für Kommunalpolitik ein "Interessenwahrnehmer der kommunalpolitischen Stimme" sein. Im Zeichen immer knapper werdender öffentlicher Mittel dürften die Gemeinden im Verteilungskampf nicht zu kurz kommen.
    Erfreut war der SPD-Abgeordnete darüber, daß seine Fraktion ihn auch in den Wirtschaftsausschuß delegiert hat. Dort kann der Hauptreferent in der Kraftwerksindustrie seine beruflichen Erfahrungen einbringen. Dabei beschäftigt ihn verständlicherweise vor allem die Energiepolitik. Zwar hat für den Sozialdemokraten die Kohle als heimische Energiequelle Vorrang, doch bekennt er sich gleichzeitig freimütig für den Ausbau der Kernenergie. Entgegen der landläufigen Meinung sieht Gerd Müller inzwischen zahlreiche technische Möglichkeiten, die Immissionen von Kohlekraftwerken auf ein erträgliches Maß zu senken.
    Bereits als Schüler und Student in der evangelischen Jugend aktiv tätig, wird auch heute sein Wirken in der Politik von christlichen Grundsätzen mitgeprägt, wie der SPD-Abgeordnete betont. Vielseitig sind neben Politik und Beruf die Interessen des Vaters eines sechsjährigen Sohnes. Sie reichen vom Theater und Film bis zur modernen Literatur und Kunst. All das dürfte dazu beitragen, daß von dem Mülheimer SPD-Unterbezirksvorsitzenden eine gewisse "Überlegenheit" gegenüber Alltagswidrigkeiten ausgeht.
    Jochen Jurettko

    ID: LI81211F

  • Porträt der Woche: Horst Steinkühler (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 19 - 06.07.1981

    Es gibt Fragen von Journalisten, da mag der Befragte im stillen denken: "Blöder Kerl, warum fragt er nicht etwas Intelligenteres?" Horst Steinkühler war - natürlich - zu höflich, um solche Gedanken zu zeigen - aber etwas Ähnliches mag der Sozialdemokrat aus Oerlinghausen wohl gedacht haben, als ich ihn fragte, warum er sich denn um ein Landtagsmandat beworben habe. Bei solcher Frage gibt es für die Antwort zwei Möglichkeiten: Man drischt ein paar flotte Phrasen oder stochert nach den wahren Beweggründen. Steinkühler entschied sich für die zweite Möglichkeit. Nach kurzem Zögern nannte er vier Gründe: Als städtischer Bediensteter habe er kein kommunalpolitisches Amt anstreben können, die örtliche Partei habe ihn gedrängt, bei ihm sei Interesse an einem Landtagsmandat vorhanden gewesen und man habe ihn für mehrheitsfähig gehalten. Das alles klingt nüchtern, handfest, ehrlich. Und so wirkt auch, wenn der Ausdruck denn erlaubt ist, der ganze Kerl. Was nicht verwunderlich ist, hat doch der 44jährige Ostwestfale ("Teutonenriege ist für mich ein Wertbegriff") eine Vergangenheit hinter sich, die er mit dem Satz umschreibt: "Ich habe mich hochgeackert." Volksschule, Weberlehre, Arbeit in diesem Beruf, Weiterbildung zum Industriemeister und wegen der Krise in der Textilindustrie dann schließlich der nicht ganz freiwillige Wechsel in städtische Dienste sind die Stationen des Berufslebens, aus dem er für sich in Anspruch nimmt, "vieles pragmatischer zu sehen, das, was machbar ist, manchmal eher zu erkennen als einer, der die Arbeitswelt nur von Schule und Universität kennt". Das soll bei Steinkühler kein Ausdruck der Mißachtung von Akademikern sein. Aber die selbstbewußte Kennzeichnung eines Unterschiedes. Steinkühler geniert sich nicht einzugestehen, daß er ohne große Erwartungen in den Düsseldorfer Landtag kam. Dafür hat er aber auch eine plausible Erklärung: "So von außen betrachtet kann man die Arbeit eines Landtages doch gar nicht konkret beurteilen. Ob er jetzt, ein gutes Jahr im Düsseldorfer Parlament, enttäuscht sei? Nein, im Gegenteil. Dem Parlamentsneuling macht die Sache sogar noch Spaß, auch wenn er gleich zu Beginn seiner Arbeit begreifen mußte, daß nicht alle Blütenträume reifen. Er wäre nämlich gern in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales gegangen, mußte sich aber wegen des großen Andranges dort mit seiner zweiten Wahl, dem Ausschuß für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten, bescheiden. Seinen innerparteilichen Standort beschreibt er mit "links von der Mitte" und grenzt sich damit, ein wenig ironisch lächelnd, von seinem Landesvorsitzenden Johannes Rau ab, "der ja bekanntlich uns alle umfaßt". Zu Johannes Rau fällt ihm auch noch etwas anderes ein: Der Regierungschef und sein Kabinett führten die Fraktion - "zum Beispiel bei der Gestaltung des letzten Haushaltes" - an zu kurzer Leine. Dafür habe er zwar ein "gewisses Verständnis", es gäbe ja auch "irgendwo Sachzwänge" für die Regierung. Aber dennoch: Beim Haushalt 1982 will sich der neue Abgeordnete im Ausschuß doch bemühen, mehr als beim ersten Mal auf eigene Akzente der SPD-Fraktion gegenüber der Regierungsvorlage zu achten.
    Obwohl als aktiver Gewerkschafter und Sozialdemokrat tief in die Gremienarbeit verstrickt, zählt er sich nicht zu den Genossen, die Johannes Rau auf dem jüngsten SPD-Landesparteitag in Köln in der Gefahr sah, vor lauter Sitzungen hinter verschlossenen Türen keinem gewöhnlichen Bürger mehr zu begegnen. Aber daß er nur noch wenig Zeit für Familie und Hobby - das Wandern und Campen - hat, verhehlt er nicht. Um so größer ist die Vorfreude auf den Urlaub. Da geht es mit Frau und Tochter und Zelt nach Dänemark, auf die Insel Fanö. Horst Steinkühler: "Wir machen das schon zum zehnten Mal. Das hätte ich früher nicht für möglich gehalten. Aber die Dänen haben mich mit ihrer ganzen Art überzeugt."
    Reinhard Voss

    ID: LI81191D

  • Porträt der Woche: Heinz Hunger (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 15.06.1981

    Heinz Hunger ist sich da ganz sicher: "Die CDU wird es nicht wagen, offiziell und als Partei ein Volksbegehren gegen unser Gesamtschulgesetz zu unterstützen." Diese Sicherheit nimmt der Bielefelder Sozialdemokrat, der vor Jahresfrist mit genau 49 Prozent der Stimmen zum erstenmal in den Düsseldorfer Landtag gewählt wurde, nicht etwa aus seiner intimen Kenntnis der CDU-Fraktion. Hunger ist ein zu realistischer man möchte beinahe sagen: erdverbundener - Zeitgenosse, als daß er sich einbildete, nach einjähriger Parlamentszugehörigkeit alle Gedanken und taktischen Winkelzüge der Biedenkopf-Truppe zu kennen, um ein so entschiedenes Urteil über ihre Haltung zum Gesamtschulgesetz zu fällen. Aber der Geschäftsführer der Bielefelder SPD - gelernter Buchbinder mit engen Bindungen zu den Gewerkschaften - hat als langjähriger Kommunalpolitiker seine Hand am Puls der Leute in Ostwestfalen. Und von daher glaubt er zu wissen, daß auch viele Bürger, die sonst der CDU nahe stehen, den großen Schulkampf nicht wollen. Ganz abgesehen von der Tatsache, daß zu viele Eltern die Gesamtschule wollen, "und das weiß die CDU", sieht Hunger optimistisch in die Schul- Zukunft des Landes.
    Über die Bildungspolitik aber redet er nur, wenn er nach seiner Meinung gefragt wird. Ganz anders ist die Sache bei seiner eigentlichen politischen "Leidenschaft", der Wohnungspolitik. Leidenschaft hat für den bärtigen Bielefelder mit dem stets korrekt zurückgekämmten Haar beim Thema Wohnen durchaus einen doppelten Sinn: Ein Thema auch, an dem man leiden kann. In Bielefeld wohnt Heinz Hunger in einem Sanierungsgebiet. Da weiß er, wovon er redet, wenn er im Landtagsausschuß für Städtebau und Wohnungswesen das Wort ergreift. In Bielefeld hat er sich beispielsweise früh stark gemacht für eine Zwischennutzung leerstehender Häuser. "Wir haben sie für eine symbolische Gebühr den Studenten überlassen. Geld ist bei dieser Problematik nicht der Stein des Anstoßes. Viel wichtiger ist, daß die Leute auch wirklich freiwillig ausziehen, wenn die Planungen so weit sind, daß die Häuser abgerissen werden müssen", beschreibt Hunger die Marschrichtung seiner Bielefelder Parteifreunde im Häuserkampf und setzt hinzu, daß er sehr hoffe, daß die Studenten die Abmachungen einhielten, die sie mit der Stadt getroffen haben. Der ehemalige Vorsitzende der sozialistischen Jugendorganisation "Die Falken" in Bielefeld - mit den "Linken" in der Landtagsfraktion hat er nach eigenem Bekunden vielleicht auch wegen dieser Vergangenheit keine Schwierigkeiten - ist Pragmatiker genug, um ideologisch aufgetürmte Barrieren souverän zu mißachten. Wenn es um die Sache geht, hat er im Gegensatz zu manch anderen Sozialdemokraten auch keine Berührungsängste mit den Alternativen, die in Bielefeld mit einer "Bunten Liste" den Einzug ins Kommunalparlament schafften. In der Wohnungsproblematik sei man sich mit den "Bunten" sehr nahe, verhehlt der Bielefelder Ratsherr (seit 1967) nicht. Und um noch einmal auf die Bildungspolitik zurückzukommen - für eine Gesamtschule in Bielefeld hätten Sozialdemokraten und "Bunte" zusammen gestimmt.
    Heinz Hunger gehört zur sogenannten "Teutonenriege" der SPD-Fraktion, ein Charakteristikum, das keinen schmählichen Klang für ihn hat. Minderwertigkeitsgefühle habe man da oben in Ostwestfalen gegenüber der Düsseldorfer Landeshauptstadt nie gehabt - aber sich lange Zeit personell doch etwas unter Wert behandelt gefühlt. Seit Schwier aber im Kabinett sitzt und Denzer an der Fraktionsführung steht, habe man auch in dieser Beziehung nichts mehr zu klagen, lächelt der Bielefelder Abgeordnete verschmitzt. Daß sich die "Teutonenriege" manchmal vor wichtigen Abstimmungen trifft, will Hunger nicht als Fraktionierung der Fraktion mißdeutet wissen. Wenn man etwas in einer so großen Fraktion erreichen wolle, müsse man seine Anliegen schon mal etwas "vorprogrammieren" - andere täten das ja wohl auch, um in der Fraktion für die heimische Region einen möglichst dicken Fisch an Land zu ziehen, wenn es darum geht, Landeszuschüsse zu kanalisieren.
    Das Bild zum Fisch kommt Hunger nicht von ungefähr über die Lippen. In seiner Freizeit ist er engagierter Angler. Seine Spezialität: Aale. An den skandinavischen Gewässern, wo er am liebsten Urlaub macht, hat er schon bis zu zwanzig Stück in einer Nacht aus dem Wasser geholt. Kein Anglerlatein, versichert er nachdrücklich. Man könne ja seine Frau fragen.
    Reinhard Voss

    ID: LI81171B

  • Porträt der Woche: John van Nes Ziegler (SPD).
    Porträt;

    S. 7 in Ausgabe 14 - 18.05.1981

    Vor die Wahl gestellt, in den Bundestag oder in die Landespolitik zu gehen, gab er dem Landesparlament den Vorzug. Zwischen Regierung und Landtag favorisierte er abermals das Parlament: John van Nes Ziegler. Seine höchstpersönlichen Entscheidungen sind dem heute sechzigjährigen Kölner Rechtsanwalt nicht leichtgefallen. Für einen Politiker, der Verantwortung sucht und Macht nicht scheut, waren sowohl die Versuchung, nach Bonn zu gehen, als auch mehrfach das Angebot, Minister zu werden, groß. Selbst im Kandidaten-Karussell für das Amt des Regierungschefs war er im Gespräch.
    Wenn er sich dennoch so und nicht anders entschieden hat, dann wohl deshalb, weil er zumindest in den entscheidenden Jahrzehnten seines politischen Lebens seine ganze persönliche Unabhängigkeit wahren wollte, weil er sich die Möglichkeit vorbehalten wollte, auch seinen politischen Freunden sagen zu können: "Bis hierhin und keinen Schritt weiter!" Diese klare Absage an ein Karrieredenken zugunsten persönlicher und beruflicher Entscheidungsfreiheit ist im politischen Raum heute keineswegs mehr selbstverständlich. Sie wurzelt zutiefst im Negativerlebnis eines Angehörigen jener Zwanziger-Jahrgänge, die, ohne eigenes Verschulden, im Pimpfenalter den Nationalsozialismus erleben müßten, um entsetzt oder frustriert zusehen zu müssen, wie nicht nur einzelne, sondern ganze Parteien und Religionsgemeinschaften kapitulierten, bevor sie überhaupt gefordert wurden. Für eben diese Zwanziger-Jahrgänge hat auch heute noch die innere Freiheit einen anderen Stellenwert als für manche darauffolgende Generationen.
    Die Antwort auf seine persönliche Enttäuschung über das Versagen eines inkonsequenten Bürgertums war für Nes Ziegler, einem Soldaten bis zur Kapitulation, der Beitritt zu einem in Gründung begriffenen "Sozialistischen Studentenbund". Eine weitere Konsequenz: der Eintritt in die SPD, der schon im zweiten Nachkriegsjahr erfolgte. Auf studentischer Ebene brachte es der aus bürgerlichem Elternhaus stammende van Nes Ziegler bald bis zum Bundesvorsitzenden, ja zum Repräsentanten des internationalen "Sozialistischen Studentenbundes" in Europa.
    Die Parteikarriere in der SPD vollzog sich dagegen weniger steil. Dennoch erkletterte der Kölner Jurist Sprosse um Sprosse der Parteileiter und plazierte sich auch im Kölner Stadtrat, wo er es in den sechziger und siebziger Jahren bis zum Fraktionsvorsitzenden der SPD und schließlich von 1973 bis 1980 auch zum Oberbürgermeister der Domstadt brachte. Letzteres ein "männermordendes Amt", wie er selbst offenherzig bekannte.
    In der Landespolitik befürwortete der Kölner Sozialdemokrat, der nach einem kurzen Gastspiel in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre, bei dem er noch Karl Arnold als Ministerpräsident erlebte, seit 1958 ununterbrochen dem Düsseldorfer Landtag angehörte, 1966 die große Koalition mit der CDU im Sinne Herbert Wehners und im Konsens mit Heinz Kühn. Dabei erwies er sich als ein außerordentlich geschickter Unterhändler. Doch als eine erdrückende Mehrheit in der SPD-Landtagsfraktion die große Koalition verwarf, sah er sich desavouiert und verzichtete in der kleinen Koalition mit den Freien Demokraten auf ein Ministeramt.
    Statt dessen trieb er als Landtagspräsident die Parlamentsreform voran, trug auch gegen Anfeindungen aus den eigenen Reihen dazu bei, die parlamentarischen Rechte der Opposition, vor allem des Oppositionsführers, zu verstärken und verfolgte diese Reformbemühungen auch zwischen 1970 und 1980 konsequent weiter, als die CDU den Parlamentspräsidenten stellte und er sich mit dem Vize-Amt begnügen mußte. In seiner zweiten Amtszeit bis 1985 tritt der Kölner Sozialdemokrat, der zugunsten seiner Tätigkeit als Parlamentspräsident auf das wichtigste Amt des Kölner Oberbürgermeisters verzichtet hat, mit Vehemenz für den Landtagsneubau ein, obwohl er selbst lange Zeit dessen Plänen sehr kritisch gegenübergestanden hatte. Van Nes Ziegler macht sich keine falschen Vorstellungen darüber, daß der Hausherr des voraussichtlich in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre bezugsfertigen Neubaus ein anderer sein wird. Es spricht für ihn, daß er, wie sein Amtsvorgänger Wilhelm Lenz, mit dem ihn persönlich mehr als nur die gemeinsame Heimatstadt der gleiche Jahrgang verbindet, wenn es ums Landesparlament geht, auch unpopuläre Entscheidungen zu verantworten bereit ist: Der Landtag - so habe ich den Landtagspräsidenten in Erinnerung solle nicht nur ein parlamentarischer Zweckbau mit einem Höchstmaß an Funktionsfähigkeit sein, sondern auch die Öffnung des Parlaments zur Landeshauptstadt und den Bürgern dieses Landes repräsentieren. Ein großes Plus für verantwortliche Demokraten in diesem Lande, daß sie bewußt weit über ihre Amtszeit hinaus zu planen und zu handeln bereit sind.
    Karl Fischer

    ID: LI81140D

  • Porträt der Woche: Uwe Herder (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 12 - 04.05.1981

    Heute kann Uwe Herder über die Sache lachen. Doch als nach der 75er Wahl trotz aller Zählerei feststand, daß er und Manfred Sanden von der CDU es in Wuppertal auf genau 27 425 Stimmen gebracht hatten und das Los für Sanden und gegen Herder entschied - da, räumt er heute freimütig ein, hat er damals geflucht und ein bißchen mit Fortuna gehadert. Fünf Jahre später entschied nicht die Glücksgöttin, entschieden vielmehr 48,6 Prozent der Wähler im Wahlkreis 33 (Wuppertal I), daß der Sozialdemokrat und Verkehrsbau-Ingenieur Uwe Herder Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags werden sollte. Herder vergibt sich nichts, wenn er zugibt, daß der in Wuppertal besonders zugkräftige Name des Ministerpräsidenten einen wohl nicht zu unterschätzenden Anteil am diesmal so glatten Sieg über den Konkurrenten von der CDU gehabt hatte.
    Uwe Herder ist - wenn man allein die Berufsausbildung zum Maßstab macht aus jenem Holz, aus dem heute noch in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Ministerpräsidenten geschnitzt werden: Er hat nämlich wie Holger Börner eine Betonbauer-Lehre absolviert - ohne allerdings mit dieser handfesten Ausbildung so oft zu kokettieren wie der hessische Ministerpräsident. Eigentlich hatte er Architekt werden wollen, aber für ein solch langes Studium reichte damals das Geld in der Familie Herder nicht. So besuchte der gebürtige Königsberger, Jahrgang 1942, nach der Lehre die Ingenieurschule für Bauwesen und arbeitet nach erfolgreichem Abschluß als graduierter Ingenieur in einem Düsseldorfer Büro. Seit Jahren ist dort schon sein beruflicher Schwerpunkt die U-Bahn der Landeshauptstadt. Und so ist es kein Wunder, daß der ehemalige Wuppertaler Juso-Vorsitzende - in dieser Funktion war er direkter Nachfolger von Reinhard Grätz - im Landtag seinen politischen Schwerpunkt im Verkehrsausschuß sieht. Zur Lobby der Verkehrsplaner, die immer mehr, immer größere und immer breitere Straßen gebaut sehen möchten, gehört er allerdings nicht. Den sogenannten Leber-Plan des damaligen Bundesverkehrsministers und heutigen Bundestagsvizepräsidenten Georg Leber, nach dem es kein Bundesbürger von seiner Wohnung weiter als 15 Kilometer zum nächsten Autobahnanschluß haben sollte, wertet Uwe Herder schlicht als "schwachsinnig". Die Positionen der "Grünen" und vieler unorganisierter Umweltschützer seien allerdings genauso "illusionär". Die Verkehrspolitik zu verstetigen, extreme Pendelausschläge zu vermeiden - es wäre in Herders Augen schon viel, wenn sich das erreichen ließe. Für den berufsmäßigen Planer und Techniker ist es dabei keine Frage, daß nicht etwa die Verkehrsplaner in irgendwelchen Straßenbauverwaltungen zu entscheiden haben, wo wie welche Straßen gebaut werden, sondern daß diese Entscheidung Sache der Politiker sein - wieder werden - müsse. Das gesteigerte Umweltbewußtsein der Bürger sei dabei von den Politikern nicht als Ärgernis, sondern als Hilfe zu betrachten, nimmt Herder sich und seine Kollegen in die Pflicht.
    Dabei scheut Herder nicht davor zurück, das demokratische Mehrheitsprinzip in gewissen Bereichen als Maßstab für politische Entscheidungen abzulehnen. Zum Beispiel auf dem Gebiet der Kunst. Der schnauzbärtige neue Landtagsabgeordnete hat da schon längere, einschlägige Erfahrungen aus der Kommunalpolitik. Herder ist nämlich maßgeblich mit dafür verantwortlich, daß die Wuppertaler sich noch in diesem Sommer über das vielumstrittene Engels-Denkmal - je nach politischer Überzeugung und Kunstverstand - freuen oder ärgern können. "In Fragen der Kunst kann man sich nicht nach Mehrheitsmeinungen richten", heißt Herders fester Glaubenssatz zu diesem Thema, es gäbe sonst kaum Kunst. Es sei in ungezählten Fällen auf fast allen Gebieten der Kunst oft erst die Nachwelt gewesen, die die Kunstwerke der zu ihren Lebzeiten verfemten und verkannten Mitbürger als solche erkannt hätten, meint der Abgeordnete auch mit Blick auf das Wuppertaler Engels-Denkmal.
    Uwe Herders politische Perspektiven? Da lacht er. Trotz Betonbauer-Lehre will er nicht Ministerpräsident werden - "und auf keinen Fall bis zum 60. Lebensjahr Mitglied des Landtags bleiben". Der Rest ist - nicht schweigen, sondern zuhören, Handlungschancen suchen, lernen. Das ist mehr als große Worte.
    Reinhard Voss

    ID: LI811220

  • Porträt der Woche: Hans Rohe (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 10 - 27.03.1981

    Hans Rohe ist nach eigenem Selbstverständnis nie Jungsozialist gewesen, obwohl er, als er 1955 Mitglied der SPD wurde, mit damals 24 Jahren sozusagen biologisch noch zu den Jungsozialisten zählte. Nach seiner Lehre als Schmied und Schlosser aber war Rohe in der Partei nicht nach theoretischen Höhenflügen, sondern nach praktischer Arbeit zumute. Ihn zog deshalb nichts zu den Jusos. Er engagierte sich vielmehr in der Kommunalpolitik und in seiner Gewerkschaft, der IG Bergbau und Energie. Und so ist es bis heute geblieben.
    Wer Rohe, seit 1975 Mitglied des Landtags, in seiner zweiten Legislaturperiode bereits Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes, deshalb einen "rechten" Sozialdemokraten nennt, kann den hauptamtlichen Gewerkschafter damit nicht ärgern. "Ich gucke mir die an, die so etwas sagen, und dann weiß ich, was ich davon zu halten habe", meint Rohe trocken. Mit der Gesäßgeographie, die da rechte und linke und mittlere Sozialdemokraten unterscheidet, kann der Sprecher der " Teutonenriege" innerhalb der SPD-Fraktion nichts anfangen. Wenn eine sachbezogene Arbeit rechts sei, dann sei er allerdings ein Rechter. Aber daß ihn die Arbeitgeber auch schon als einen linken Gewerkschafter bezeichnet hatten, verdeutliche den Unsinn solchen Klassifizierungen.
    Deutlicher als jegliche Rechts-Links- Markierung wird Rohes politisches Selbstverständnis durch den noch gar nicht so lange zurückliegenden Einstieg in die "große" Politik akzentuiert: Als Unterbezirksvorsitzender der SPD, als ehemaliger Landrat, als SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag Minden-Lübbecke hatte er sich 1975 aussuchen können, ob er in den Bundestag oder lieber in den Landtag gehen wollte. Beide Mandate waren frei, für ihn zum Greifen nahe. Rohe entschied sich "wegen der größeren Bürgernähe" gegen Bonn und für Düsseldorf. Ob er es inzwischen bereut habe? Das "Nein" kommt spontan - allerdings mit dem Zusatz, daß er nicht gewußt habe, welche Belastung an einem Landtagsmandat hänge.
    Dennoch will er seinen Hauptberuf als Gewerkschaftssekretär nicht aufgeben. Der Hobby-Bergsteiger steht in dieser Beziehung ganz fest auf dem Boden der Tatsachen: "So ein ordentlicher Beruf im Rücken macht freier im Umgang mit den Kollegen und der Partei. Da kann man die Sache auch einmal hinschmeißen" - eine Betrachtungsweise, die bei Hans Rohe rein theoretischer Natur ist. Im Gegensatz zu dem von manchem Kollegen angestimmten Klagelied über den immer kleiner werdenden Wirkungsgrad eines deutschen Landtagsabgeordneten hat Rohe nämlich schnell herausgefunden, daß man bei der nötigen Beharrlichkeit und einigem Durchsetzungsvermögen, besonders natürlich als Mitglied der Mehrheitsfraktion, doch einiges bewegen kann im Land. Als stellvertretender Vorsitzender des Petitionsausschusses kann sich Rohe dabei eine von ihm selbst eingestandene "Aversion" gegen manche Auswüchse der Verwaltung nicht verkneifen. Manchmal werde in der Verwaltung vergessen, daß man nicht Selbstzweck, sondern für den Bürger, den Steuerzahler, da sei, knurrt der Abgeordnete im Rückblick auf manche Fälle, mit denen er im Petitionsausschuß konfrontiert war.
    Die von ihm immer gesuchte Bürgernähe trieb Rohe auch in den Verkehrsausschuß. An den Straßen erhitzen sich die Gemüter der Leute: Die einen wollen breitere, schnellere Straßen, die anderen gar keine neuen. Rohe: "Wir müssen draußen den Kopf dafür hinhalten, ganz gleich, ob gebaut oder ob nicht gebaut wird. Deshalb müssen wir als Abgeordnete auch näher an die Planung solcher Straßen ran. Wir müssen frühzeitig an der Planung beteiligt sein auch wenn es den beteiligten Verwaltungen nicht in den Kram paßt. Solche interessenbezogenen Widerstände muß man überwinden."
    Da weiß jemand, was er will, kein übersteigertes Selbstwertgefühl - aber auch keine falsche Bescheidenheit. Hans Rohe erhielt bei der Wahl am 10. Mai 54,3 Prozent der Stimmen. Auch das gibt Mut und Selbstvertrauen und, setzt Rohe hinzu, "die Verpflichtung zu harter Arbeit". Seine Frau, die oft abends allein zu Haus ist, seit der Sohn in Karlsruhe studiert, weiß davon ein traurig Lied zu singen. Hans Rohe ganz unsentimental: "Das hat sie vorher gewußt. Das war bei uns fast immer so. Das gehört zum Preis von Mandat und Beruf." Reinhard Voss

    ID: LI81100F

  • Porträt der Woche: Rudolf Apostel (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 16.03.1981

    Ob als Gewerkschaftler, Kommunalpolitiker oder als Landtagsabgeordneter - Rudolf Apostel suchte bisher stets nach dem rechten Maß für das politisch Machbare. Der bei der letzten Wahl im Mai 1980 direkt im Wahlkreis Wesel IV gewählte SPD-Landtagsabgeordnete schätzt keine "großen Sprüche", sondern bemüht sich selber um klare Antworten auf drängende Fragen. So empfiehlt er beispielsweise seinen Parteifreunden, angesichts der knapper werdenden Finanzmittel immer darauf zu achten, "daß unser soziales Engagement uns die Augen nicht davor verschließt, daß das Geld erst verdient werden muß, bevor es als Steuern zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben genutzt werden kann". Diesen Realitätssinn hat sich der heute 48jährige schon in Jugendjahren erworben. Zum Kriegsende gerade die Volksschule absolviert, verdiente sich der gebürtige Essener zunächst seinen Lebensunterhalt in der Landwirtschaft, bevor er dann 1949 als Berglehrling seinen beruflichen Weg antrat. Die weiteren Stationen: Hauer, Bergschule, Steiger und seit 1974 Stabsingenieur. Aus eigener Erfahrung kennt denn auch das aktive Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie die Sorgen der Kumpel im Pütt wie die Probleme des Bergbaus. Behutsamkeit ("und keine Sprüche") gilt auch für Rudolf Apostel in der Frage der künftigen Energieversorgung. Zwar ist er ein Verfechter der von der Düsseldorfer Landesregierung verfolgten Kohle-Vorrang-Politik, doch schließt er gleichzeitig auch den begrenzten Ausbau der Kernenergie nicht aus. Allerdings müßten Aufbereitung bzw. Lagerung der Brennelemente gesichert sein. Die Kernenergie hält der SPD-Abgeordnete dort von Nutzen, wo sie über den Weg der Kohleveredelung die Bundesrepublik von den Ölimporten unabhängiger macht. Ehrlichkeit in der Politik bedeutet für den Sozialdemokraten auch, auf die "handfesten Nachteile" der Kohle- Vorrang-Politik hinzuweisen, auf die nicht unerhebliche Umweltbelastung, auf Bergehalden und Bergbauschäden.
    In die SPD trat Rudolf Apostel 1967 ein, zwei Jahre später wurde er in den Rat der damals noch selbständigen Industriegemeinde Rheinkamp gewählt. Nach ihrem Zusammenschluß 1975 mit Moers berief ihn die dortige SPD-Ratsfraktion zu ihrem Vorsitzenden. Seitdem sind die Sanierung alter Baubestände, wie Bergarbeitersiedlungen, und die Erschließung neuen Baugeländes in der weiträumigen niederrheinischen Stadt am Rande des Reviers zwei Schwerpunkte des SPD- Kommunalpolitikers. Der Landtagsabgeordnete drängte sich nicht nach dem Düsseldorfer Mandat, doch als man es ihm anbot, sagte er ein uneingeschränktes Ja. Als langjähriges Ratsmitglied hatte er erfahren, daß die Kommunalpolitik durch die Entscheidungen des Landtages geprägt wird. So möchte der SPD-Abgeordnete zum einen die Erfahrungen in die gesetzgeberische Arbeit des Landesplenums einbringen und zum anderen dessen Verständnis für die Kommunalpolitik verstärken.
    Mit Erfolg bemühte sich der Landtagsneuling, von seiner Fraktion in den gewichtigen Wirtschaftsausschuß berufen zu werden, "weil Wirtschaft und Politik nicht voneinander zu lösen sind". Dort wiederum findet die Energiepolitik das größte Interesse des Abgeordneten. Sie ist nach seiner Ansicht eine wesentliche Voraussetzung für die Lösung wirtschaftlicher Probleme. Außerdem gehört Rudolf Apostel als stellv. Mitglied dem Ausschuß für Grubensicherheit an. Angenehm überrascht ist der Sozialdemokrat von der schnellen kollegialen Zusammenarbeit mit seinen Fraktionsfreunden. "Das hab' ich schwieriger eingeschätzt." Dem Familienvater von vier (fast) erwachsenen Kindern macht das politische Mitgestalten-Können viel Freude. "Daher stellt sich die Frage der Freizeit für mich nicht." Und er kann dabei auch mit dem Verständnis seiner Ehefrau rechnen - sie ist Moerser Kreistagsabgeordnete.
    Jochen Jurettko

    ID: LI810813

  • Porträt der Woche: Ulrich Schmidt (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 6 - 23.02.1981

    Er zählt zwar zu den nach außen hin "unauffälligen" Abgeordneten des nordrhein-westfälischen Landtages, aber gerade etliche von ihnen sind es, die diesem Parlament seine Impulse geben und die Landespolitik in manchen Bereichen stark beeinflussen. Zu diesen Abgeordneten gehört auch Ulrich Schmidt (39), der den Wahlkreis 122, Ennepe-Ruhr-Kreis II, 1975 wie 1980 für die Sozialdemokraten eroberte.
    Daß er heute dem Vorstand der SPD-Landtagsfraktion angehört und ein gewichtiges Wort im Haushalts- und Finanzausschuß sowie im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat, fiel Ulrich Schmidt nicht in den Schoß. Zielstrebigkeit und zugleich Ausdauer sowie ein rechtes Maß für das politisch Machbare mögen dafür entscheidend sein. Jene Eigenschaften gewann der heutige Referent bei der Betriebskrankenkasse des Hoesch-Konzerns schon früh. Da war die Stahlkrise Ende der fünfziger Jahre, die der damalige Hoesch-Lehrling durch eine "vorsorgliche Kündigung" selbst erfuhr, da war aber auch seine Aktivität in der evangelischen und gewerkschaftlichen Jugendbewegung der Nachkriegszeit.
    Als 22jähriger schloß sich der gebürtige Wittener der SPD an - "nachdem ich die Parteiprogramme verglichen hatte". Seine Parteifreunde wählten ihn inzwischen zum Ortsvereinsvorsitzenden Wetter- Volmarstein und stellvertretenden Unterbezirksvorsitzenden Ennepe-Ruhr- Witten, auch gehört er dem SPD-Landesausschuß an. Neben diesen Parteiämtern widmet sich der langjährige Metall- Gewerkschaftler der Arbeiterwohlfahrt, deren Kreisvorsitzender er ist. 1970 in den Rat der Stadt Wetter berufen, wurde er fünf Jahre später zum Bürgermeister gewählt.
    Hatte Ulrich Schmidt schon als Kommunalpolitiker einen engen Kontakt zu den Orthopädischen Anstalten der Diakonie in Volmarstein, so widmete er sich gleich nach seinem Einzug ins Düsseldorfer Landesparlament vor allem der Alten- und Behindertenpolitik. Das Mitglied des Stiftungsrates Wohlfahrtspflege möchte die immer steigende Zahl älterer Mitbürger möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung sehen und plädiert daher notwendigerweise auch für den weiteren Ausbau der Sozialstationen. Dabei müsse der Staat den freien Trägern finanziell spürbar unter die Arme greifen.
    Der SPD-Abgeordnete zählt auch zu den Initiatoren der kürzlich vorgelegten Großen Anfrage seiner Fraktion zur Behindertenpolitik in Nordrhein-Westfalen. Die Behinderten sollten nach seinen Vorstellungen weniger in Sondereinrichtungen "abgeschoben" werden, sondern vielmehr in die Gesellschaft integriert werden. Dabei müsse ihnen natürlich Hilfestellung geleistet werden, beispielsweise behindertengerechte Wohnungen und Beförderungen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das erfordere nicht immer finanziellen Mehraufwand, sondern oft nur guten Willen und eine Portion Phantasie.
    Auch als Landtagsabgeordneter möchte Ulrich Schmidt sein Wirken in der Kommunalpolitik nicht missen. Angesichts der engen Verzahnung zwischen dem Land und den Gemeinden hält der SPD- Politiker ein Mandat in beiden Gremien für nützlich. Schließlich würden beispielsweise viele Gesetze im Landtag beschlossen, die in den Kommunen dann praktiziert werden müßten. So ist der Sozialdemokrat denn auch aus eigener kommunalpolitischer Erfahrung gegen zu viel Reglementierung. Die Spontaneität müsse viel stärker als bisher die Bürokratie ersetzen. So nimmt er auch auf Landesebene seine Arbeit in der Kommission Personalbedarf und Stellenpläne des Landtages sehr ernst.
    Angesichts der mannigfaltigen Aufgaben auch im außerparlamentarischen Raum ist für Ulrich Schmidt die Sieben-Tage- Woche "normal". So ist es auch sehr selten, daß seine Sangesfreunde ihn auf ihren Proben begrüßen können.
    Jochen Jurettko

    ID: LI810614

  • Porträt der Woche: Bodo Champignon (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 06.02.1981

    Blöde Witzchen über seinen Namen können Bodo Champignon heute nur noch ein müdes Lächeln entlocken. Er kennt sie alle. Der Sproß einer alten Hugenottenfamilie verhehlt allerdings auch nicht, daß er diese Gelassenheit seinem eigenen Namen gegenüber erst mühsam lernen mußte. Als Heranwachsender habe er es kaum gewagt, sich Mädchen vorzustellen, erinnert sich der inzwischen 39jährige heute eher amüsiert.
    Den Dortmunder Christdemokraten ist das Lachen über Bodo Champignon spätestens am 11. Mai 1980 im Halse steckengeblieben. Mit 3,7 Prozent plus erzielte der neue Kandidat im Wahlkreis 133 den höchsten Zuwachs aller SPD- Abgeordneten in der östlichen Ruhrgebietsmetropole. Ein solches Ergebnis dämpfte ein bißchen das Lampenfieber, mit dem der gelernte Industriekaufmann seine ersten parlamentarischen Gehversuche im Düsseldorfer Landtag machte. " Wie ein Blinder im Nebel" habe er sich in den ersten hektischen Tagen der neuen Legislaturperiode im Landtag gefühlt. Auf die Frage, wie er denn als Neuling von den "alten Hasen" in der Fraktion aufgenommen worden sei, antwortet Bodo Champignon zunächst mit einem spontanen "jovial", korrigiert dieses jovial aber auf die Zusatzfrage, ob Jovialität etwa das Klima zwischen alten und jungen Abgeordneten in der SPD- Fraktion präge, zu einem "fair".
    Ein solcher verbaler Rückzieher mag charakteristisch sein für den jungen Dortmunder Abgeordneten. Wichtiger als bestimmte Reizworte ist ihm die Sache. Das Beispiel Gesamtschule verdeutlicht diese Haltung: In der Wortwahl ist er nicht mit allem einverstanden, was die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zu den Plänen der Landesregierunggesagt und geschrieben hat. Die Kritik selbst teilt er. Bodo Champignon: "Damit identifiziere ich mich. Ich bin gegen das Wischi-Waschi in einigen Passagen des Gesetzentwurfes. Ich bin gegen eine Bestandsgarantie für jedes Gymnasium um jeden Preis. Der Gesamtschule gehört die Zukunft."
    Das ist eine klare Sprache, die der Dortmunder Abgeordnete in der Gewerkschaft gelernt hat, wo er sich viel früher als in der SPD engagiert hatte. 1956 - dreizehn Jahre, ehe er das Parteibuch der SPD erwarb - wurde er Mitglied der IG Bergbau. Champignon lernte damals übrigens auf der gleichen Zeche, auf der sein Vater 1944 tödlich verunglückte. 1961 wechselte er über zur IG Metall, wurde Vertrauensmann und Betriebsrat bei Hoesch. So kann es niemanden verwundern, daß neben der Bildungspolitik die Zukunft der Stahlstadt Dortmund dem gebürtigen Dortmunder Landtagsabgeordneten besonders am Herzen liegt. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, bei der großen Dortmunder Demonstration Ende vergangenen Jahres mitzumarschieren, um sich ganz persönlich zu engagieren für das neue Stahlwerk, das seiner Ansicht nach "einfach kommen muß, sonst trocknet die ganze Region aus".
    In der politischen Gesäßgeographie sieht sich Bodo Champignon "links von der Mitte". Er räumt ein, daß dies zur Zeit kein besonders gemütlicher Platz ist. Es habe schon Zeiten gegeben, in denen es mehr Spaß gemacht habe, Sozialdemokrat zu sein, ein "linker" zumal, räumt der Abgeordnete freimütig ein. Wenn es heute beispielsweise in der Partei fast als verwerflich gelte, Pazifist zu sein, dem Pazifismus das Wort zu reden, dann könnten sich ihm schon "die Nacken haare sträuben" - um des lieben Friedens willen mit der Partei mag er ein solches Thema aber öffentlich nicht vertiefen.
    Die obligatorische Frage schließlich nach den Freizeitbeschäftigungen eines Abgeordneten beantwortet Champignon mit einem Wort: "Familie." Wann immer es ihm gelingt, Termine abzuwehren, sei er bei seiner Frau und den beiden Söhnen (13 und 16). Er habe natürlich nichts zu verbergen, aber was man da so mache im Familienkreis, gehe die Öffentlichkeit eigentlich nichts an, weist er weitere neugierige Fragen ab. Recht hat er. Reinhard Voss

    ID: LI81041E

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Die Fraktionen im Landtag NRW