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  • Porträt: Jochen Ott (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 20.06.2023

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Jochen Ott, der neue Vorsitzende der SPD-Fraktion. Der Kölner ist seit 2010 Mitglied des Landtags und war zuvor Lehrer für Geschichte, Sozialwissenschaften und Katholische Religion.
    Jochen Ott, 49, verheiratet, drei Töchter, Oberstudienrat a. D. - und seit dem 23. Mai 2023 neuer Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Medien beschrieben den Kölner nach dessen Wahl als erfahrenen Landes- und Kommunalpolitiker, als Bildungsexperten, als bürgernah, zielstrebig, selbstbewusst, temperamentvoll. Als überzeugten Sozialdemokraten und ebenso überzeugten Katholiken. Aber auch als angriffslustig, zuweilen impulsiv und wenig diplomatisch. Als einen aus der "Abteilung Attacke".
    Der 49-Jährige fühlt sich durchaus treffend dargestellt - auch, was die "Abteilung Attacke" angeht. Er streite gerne in der Sache, sagt er, nur persönlich dürfe es nie werden. Diese Grenze überschreite er nicht: "Auch in der schärfsten Auseinandersetzung mit der Schulministerin in der vergangenen Wahlperiode gab es keine persönlichen Angriffe." Und ja, er sei emotional und temperamentvoll: "Ohne Emotionen erreicht man die Menschen in der Politik nicht." Wenig diplomatisch? Das allerdings sieht Ott anders: Wer mehr als 18 Jahre lang mit Köln einen der größten SPD-Unterbezirke in Deutschland geleitet habe, komme ohne Diplomatie nicht aus.
    Jochen Ott wurde in Köln-Porz geboren. Die Mutter war aktiv in der katholischen Kirche, der Vater zunächst Fernmeldehandwerker, dann Personalrat und Gewerkschafter. Als kleines Kind, erzählt Ott, durfte er bei den Feiern zum 1. Mai schon die Fahne der Postgewerkschaft mittragen. 1992 trat er in die SPD ein - "politisiert vom Golfkrieg und frustriert vom Stillstand der frühen 1990er-Jahre unter Helmut Kohl". Zugleich sei er über seine Mutter in der katholischen Kirche sozialisiert worden. Er war dort Jugendgruppen- und Pfarrleiter, mit knapp 19 Jahren Pfarrgemeinderatsvorsitzender. Es war die Zeit, als Ott dem weit über Köln hinaus bekannten Arbeiter- und Armenpfarrer Franz Meurer begegnete, der ihn und seine Frau später trauen und die drei Töchter taufen sollte. Er sei in Meurers Gemeinde der erste Zivildienstleistende gewesen, sagt Ott. Gemeinsam mit dem Geistlichen und dem Unternehmensberater Peter Sprong schrieb er das Buch "Rheinischer Kapitalismus. Eine Streitschrift für mehr Gerechtigkeit". Dass Pfarrer Meurer CDU-Mitglied ist, habe ihn nie gestört. Es sei wichtig, mit anderen demokratischen Parteien im Austausch zu bleiben.
    Der Fraktionschef und Oberstudienrat a. D. gilt als Bildungsexperte. Die eigene Schulzeit auf einem humanistisch geprägten Gymnasium sei "wunderbar" gewesen, schreibt er auf seiner Homepage. Als Achtklässler trat er bei der Schülersprecherwahl gegen Oberstufenschüler an - und gewann, "da die ganzen Kleinen mich gewählt haben". Es sei eine schöne Zeit gewesen, auch, weil er als Schülersprecher einiges mitbestimmen durfte: "Wir haben Projektwochen durchgesetzt und Demos für Frieden und Schulreformen organisiert. Karnevalssitzungen habe ich moderiert und mit anderen auch Musicals gespielt."
    Lehrer wollte er eigentlich nicht werden, erinnert sich der 49-Jährige. Ein Studium der Europawissenschaften habe ihn mehr gereizt. Sein Geschichtslehrer aber habe ein Lehramtsstudium empfohlen: "Da hast du was Sicheres und kannst später immer noch was anderes machen." Die Entscheidung habe er nie bereut.
    Jochen Ott macht auch Musik. Auf Youtube gibt es ein Video, in dem er "Wild Thing" von den Troggs singt und dazu Gitarre spielt. Die Liebe zur Musik begleitet ihn seit seiner Jugend. Irgendwann, sagt er, habe er sich eine neue, bessere Gitarre gewünscht. Er habe sie auch bekommen. Allerdings hatte seine Mutter eine Bedingung gestellt: "Dann musst du aber auch beim Schulkonzert spielen." Da der junge Jochen Ott auf klassische Musik jedoch "überhaupt keine Böcke" hatte, entschied er sich für "Do kanns zaubre" von BAP. Neben Bach und Beethoven stand so plötzlich auch Klaus "Major" Heuser, viele Jahre Gitarrist und Songschreiber der Kölner Rockband, als Komponist auf dem Konzertprogramm der Schule. "'Do kanns zaubre' ist das einzige Stück, das ich bis heute fehlerfrei spielen kann", sagt Ott. Es ist übrigens ein sehr ruhiges Lied. So gar nicht die "Abteilung Attacke".
    Michael Zabka

    Zur Person
    Jochen Ott (49) wurde in Köln-Porz geboren und lebt mit seiner Familie in Köln-Nippes. Nach dem Abitur studierte er Geschichte, Sozialwissenschaften und Katholische Religion an der Universität Köln und am King's College London. Von 2002 bis 2010 war Ott Lehrer an Gymnasien und der Gesamtschule Brühl. Er ist seit 1992 SPD-Mitglied, war von 2001 bis 2019 Vorsitzender der SPD Köln und von 2008 bis 2018 stellvertretender Landesvorsitzender der SPD Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 ist er Vorsitzender der SPD-Region Mittelrhein. Jochen Ott ist seit Juni 2010 Abgeordneter des Landtags. Am 23. Mai 2023 wurde er als Nachfolger von Thomas Kutschaty zum neuen Fraktionschef gewählt.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Ein Klassiker, der mich sprachlich und inhaltlich immer noch in den Bann zieht, ist "Das fliegende Klassenzimmer" von Erich Kästner. Vor allem im Urlaub lese ich so viele Bücher wie möglich; oft haben sie einen Sachbezug. In letzter Zeit hat mich am meisten Michael Sandel: "Vom Ende des Gemeinwohls. Wie die Leistungsgesellschaft unsere Demokratien zerreißt" begeistert. Er bringt darin auf den Punkt, was auch mich seit langem beschäftigt: Unsere Gesellschaft wurde in den letzten Jahrzehnten als Leistungsgesellschaft, die Meritokratie, aufgebaut. Dort wird versprochen, dass man, wenn man sich nur genug anstrengt, ein angemessenes Gehalt, Job, Anerkennung erhält. Die Realität zeigt: Der Ansatz ist gescheitert.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Ich mag vor allem Musik, die mich mitreißt. Daher höre ich gerne Deutsch Rock/Pop, am liebsten die alten (und neuen) Gassenhauer von BAP, Udo Lindenberg und Brings.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Erdbeermarmelade

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Meine Familie und ich fahren jedes Jahr zusammen in den Urlaub an die französische Atlantikküste in die Region um Soulac herum.

    ID: LI230417

  • Porträt: 1. Vizepräsident Rainer Schmeltzer (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 05.10.2022

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Rainer Schmeltzer (SPD), der 1. Vizepräsident des Landtags. Der 61-Jährige wurde in Lünen geboren und lebt dort mit seiner Familie bis heute. Er war von 2015 bis 2017 Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen.
    Lünen. Nordöstliches Ruhrgebiet, das Münsterland ist nahe. Ein Mittelzentrum, um die 88.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Einer von ihnen: Rainer Schmeltzer. Der 61-Jährige ist dienstältester Abgeordneter der SPD-Landtagsfraktion, 1. Vizepräsident des Landtags und einer der jüngsten Sänger des MGV Germania Niederaden. Für alle, die Niederaden nicht kennen: Es ist ein Ortsteil Lünens. Das Singen im Chor, sagt er, mache "tierischen Spaß". Niemanden interessiere, ob da ein Abgeordneter, ein Vizepräsident oder ein Minister auf der Bühne stehe.
    Schmeltzer hat eine Ausbildung als Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft gemacht, es folgte die Qualifikation zum Wohnungsfachwirt. "Für mich kam damals nur eine kaufmännische Ausbildung infrage", sagt er. "Zig Bewerbungen" habe er geschrieben, auch an das damals noch städtische Wohnungsunternehmen in Lünen. Er bekam die Zusage. Sein Ausbilder habe gesagt: "Das ist einer der krisensichersten Jobs, denn gewohnt wird immer."
    Mit zehn Jahren, so erzählt es der 1. Vizepräsident Kindern und Jugendlichen bei Besuchen im Landtag zuweilen, sei er in die Politik gekommen: "Ich blicke dann immer in ungläubige Gesichter." Er klärt auf: Mit zehn Jahren sei er das erste Mal Klassensprecher geworden, später dann Schülersprecher: "Ich habe die Interessen der Schülerinnen und Schüler vertreten. Das ist Politik."
    Sein Weg zur SPD führte über die Essener Gruga. Es war im Jahr 1976. Schmeltzer, 15 Jahre jung, wollte eigentlich mit seiner Mutter und einem Freund zur Kirmes auf dem Gruga-Vorplatz. Was er nicht wusste: In der Halle fand eine Parteiveranstaltung mit Willy Brandt und Heinz Kühn statt. Brandt war damals SPD-Vorsitzender, Kühn Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen. Schmeltzer wurde neugierig, ging in die Halle, hörte zu, was die Sozialdemokraten zu sagen hatten. "Ich konnte sogar kurz mit Willy Brandt sprechen", erinnert sich der Abgeordnete. An ein Autogramm des früheren Bundeskanzlers kam er nicht, deshalb schrieb er an die SPD-Zentrale. "In einer Zeitschrift hatte ich eine Karikatur von Willy Brandt entdeckt", erzählt der Lünener. Die habe er abgemalt und nach Bonn geschickt. Die Zeichnung kam tatsächlich unterschrieben zurück, dazu noch ein paar Fotos und ein "nettes Anschreiben". Das ungewöhnliche Autogramm hat er noch heute.
    Als dienstältester Abgeordneter der SPD-Fraktion denkt er natürlich manchmal an vergangene Zeiten zurück: "Da war nicht alles besser, einiges aber anders - zum Beispiel die Kommunikation." Früher, sagt er, habe man im Plenum "parlamentarisch noch richtig gestritten". Dabei konnte es auch mal lauter werden: "Nur unter die Gürtellinie durfte es nicht gehen."
    22 Abgeordnetenjahre - was bleibt im Gedächtnis? Bedeutend seien natürlich die aktuellen Themen, sagt Schmeltzer: der Umgang mit der Corona-Pandemie, die Energiekrise, der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Er erinnere sich aber auch an seine ersten Jahre im Landtag, an Debatten u. a. über Kampfhunde und die Landeshundeverordnung. "Ich hatte das Gefühl, da ging es nicht um Rot gegen Schwarz oder Gelb gegen Grün, da ging es um Hundehalter gegen Nicht-Hundehalter. Das waren hitzige Debatten."
    Dann die Zeit als Minister für Arbeit, Integration und Soziales. "Ich hätte das gerne noch länger gemacht", sagt er. Es kam anders. 2017 wurde Rot-Grün abgewählt, CDU und FDP übernahmen das Ruder. Als Minister habe er die Möglichkeit gehabt, direkt zu gestalten: "Mir hat das immer sehr viel Spaß gemacht. Ich habe aber auch Wert darauf gelegt, dass ich nie den Bezug zu den Menschen vor Ort verliere. Das hat mein ganzes Abgeordnetenleben geprägt."
    Als 1. Vizepräsident des Landtags komme ihm seine Erfahrung als Minister zugute - zum Beispiel bei diplomatischen Begegnungen. Schmeltzer: "Ich weiß, auf welchem Parkett ich mich da bewege." Dass er als Vizepräsident parteipolitisch neutral bleiben müsse, sei eine Umstellung, aber kein Problem. Hochinteressant sei die Vielseitigkeit der Termine, die er wahrnehme. Angefangen vom Weltkindertag, bei dem der Nachwuchs im Landtag kindgerecht an das Thema "Demokratie" herangeführt werde, bis hin zu Gesprächen mit dem britischen Generalkonsul oder dem ukrainischen Minister für Kommunen und Wiederaufbau.
    Seine Freizeit verbringt Rainer Schmeltzer gerne mit der Familie und engen Freunden. Und natürlich mit dem Männergesangverein Germania Niederaden. Die Stimmlage des 1. Vizepräsidenten: Tenor. Auf zwei bis drei Auftritte kommen die Herren im Jahr, meist bei befreundeten Vereinen. Das Repertoire bestehe überwiegend aus alten Volksliedern, sagt Schmeltzer. Gelegentlich singe man auch Modernes, zum Beispiel ein Udo-Jürgens-Potpourri. Wobei "modern" in diesem Zusammenhang relativ sei, wie er anmerkt.
    Michael Zabka

    Zur Person
    Nach der Mittleren Reife 1977 absolvierte Rainer Schmeltzer eine Ausbildung als Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Im selben Jahr trat er in die SPD und zwei Jahre später in die Gewerkschaft ÖTV (Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, heute Verdi) ein. Von 1980 bis 1992 war Schmeltzer bei der Dortmunder Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft beschäftigt. Es folgten Tätigkeiten als ÖTV-Gewerkschaftssekretär beim Hauptvorstand in Berlin und in der Kreisverwaltung Unna. In der rot-grünen Landesregierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) war Schmeltzer von Oktober 2015 bis Juni 2017 Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit Juni 2022 ist er 1. Vizepräsident des Landtags, seit Juni 2000 Abgeordneter. Rainer Schmeltzer ist verheiratet und Vater eines erwachsenen Sohns.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    -/-

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Schürzenjäger. Uns verbindet seit 43 Jahren eine persönliche Freundschaft.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Milch

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Mayrhofen und Gran Canaria

    ID: LI220816

  • Porträt: Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD).
    Porträt
    S. 31 in Ausgabe 3 - 12.04.2022

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD). Die 63-jährige staatlich anerkannte Erzieherin ist u. a. Mitglied in den Ausschüssen für Familie, Kinder und Jugend sowie Schule und Bildung.
    An ein Leben ohne Politik kann sich Eva-Maria Voigt-Küppers nicht erinnern: "Schon als ich ein kleines Mädchen war, wurde beim Abendbrot über politische Themen diskutiert", erzählt die 63-jährige SPD-Politikerin, die in Rheine geboren wurde und gemeinsam mit ihrer alleinerziehenden Mutter und ihren Großeltern in Würselen aufwuchs. "Meine Mutter war eine engagierte Gewerkschafterin, soziale Ungerechtigkeit hat sie immer fürchterlich aufgeregt."
    So war Eva-Maria Voigt-Küppers nicht nur die Politik, sondern auch die Partei ein Stück weit in die Wiege gelegt: "Als ich selbst begann, mich zu engagieren, war klar, dass ich in die SPD eintrete", sagt sie. Es war die Zeit von Willy Brandt und seinem Credo "mehr Demokratie wagen", die Voigt-Küppers prägte: "Das war eine sehr politisierte Zeit damals und ich hatte Glück, an einer Schule zu sein, die sehr viel Wert auf Mitwirkung legte."
    Voigt-Küppers engagierte sich in der Vertretung der Schülerinnen und Schüler, später in Elterninitiativen, stieg bei den Jusos bis in den Landesvorstand auf. "Da ergab sich meist das eine aus dem anderen: Wir hatten einen ziemlich verrotteten Spielplatz in der Nachbarschaft, also habe ich mich in einer Elterninitiative dafür eingesetzt, dass er saniert wird", erzählt die SPD-Politikerin. "Danach kamen viele auf mich zu und sagten: Du kennst die Lebenswelt von Familien und weißt um ihre Probleme - setz dich doch für sie in der Kommunalpolitik ein."
    Was sie stets begleitete, politisch wie privat: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Als Mutter von vier Kindern lebte sie gemeinsam mit ihrem Mann in Würselen bei Aachen, versuchte zunächst auch ihr Studium der Germanistik und Sozialwissenschaften und das politische Engagement weiterzuführen.
    Als das nicht mehr ging, entschied Voigt-Küppers sich, das Studium abzubrechen, mehr für ihre Kinder da zu sein - Ganztagsbetreuung habe es in den 1980er-Jahren noch kaum gegeben: "Wir wohnten sehr ländlich, alles war übersichtlich, beschaulich. Der Preis für dieses Idyll war aber ein Rollenbild ohne Gleichberechtigung. Ich musste zu Hause bleiben." Erst mit Mitte 30 begann sie eine Ausbildung zur Erzieherin. Als sie die gerade abgeschlossen hatte, starb ihr Mann an einer Hirnblutung. "Ich war nun allein verantwortlich für vier Kinder und für das Einkommen. Den Wert einer guten Familienpolitik habe ich damals am eigenen Leib erfahren."
    Seither ist gute Betreuung und Bildung von Kindern für die SPD-Politikerin ein Lebensthema: Als Kommunalpolitikerin habe sie für die Einführung des Offenen Ganztags gekämpft, auf Landesebene wolle sie den verbessern und für alle Kinder möglich machen: "Wichtig ist, dass die Kinder dort nicht nur betreut, sondern auch gebildet werden", sagt Voigt-Küppers. Bei der Kleinkind-Betreuung sei dort schon einiges geschehen: "Wir haben heute keine Kindergärten mehr, sondern Kindertagesstätten, in denen klar ist: Die Kinder müssen nicht nur versorgt, sondern auch gefördert werden."

    "Chancen für Familien"

    Auch hier verbinden sich in ihrem Leben Politisches und Privates: Sie selbst habe als Erzieherin gesehen, welche Chancen eine gute Kinderbetreuung Familien ermöglicht. "Ich habe lange in der Heimerziehung gearbeitet und gesehen: Es könnte diesen Kindern besser gehen, wenn die Rahmenbedingungen bessere wären."
    Und die nächste Generation, die von ihrer politischen Arbeit profitiert, gibt es in der Familie auch schon: Voigt-Küppers ist Großmutter von vier Enkeln, um die sie sich in ihrer Freizeit gerne kümmert. "Meine Kinder wohnen nicht weit entfernt und ich freue mich immer, wenn sie spontan vorbeikommen, wir alle zusammen Zeit verbringen."
    Der Politikbetrieb ist aus ihrer Sicht zumindest etwas familienfreundlicher geworden: Lange Sitzungen in den Abendstunden, die sie als junge Frau noch viel erlebte, werden seltener. "Da hat uns die Pandemie ein bisschen geholfen: Plötzlich sind Videokonferenzen von zu Hause möglich, Homeoffice wird selbstverständlicher - das kommt auch der Politik zugute", sagt sie.
    Wenn sie sich gerade nicht um Familienpolitik kümmert, fährt Voigt-Küppers gerne Fahrrad, liest oder geht wandern. Doch wenn es nach ihr geht, bleibt dafür auch in den kommenden fünf Jahren wenig Zeit: Im Mai kandidiert sie erneut für ein Landtagsmandat.
    Maike von Galen

    Zur Person
    Eva-Maria Voigt-Küppers wurde in Rheine geboren. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder. Nach dem Abitur 1977 studierte sie zunächst Germanistik und Sozialwissenschaften an der RWTH Aachen, arbeitete als Dozentin an der VHS Würselen und war freie Mitarbeiterin einer Tageszeitung. Seit 1998 ist sie staatlich anerkannte Erzieherin. 1974 trat sie in die SPD ein und war von 1984 bis 1988 Mitglied des Landesvorstands der NRW-Jusos. Sie ist Mitglied des SPD-Unterbezirksvorstands Kreis Aachen, seit 2010 stellvertretende Vorsitzende. Voigt-Küppers war bereits vom 9. Juni 2010 bis 14. März 2012 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Am 31. Mai 2012 zog sie erneut ins Landesparlament ein.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Ich lese gern und viel, deshalb ist die Frage schwer zu beantworten. Sehr viel nachgedacht in der letzten Zeit habe ich aber über "Über Menschen" von Juli Zeh.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Alles, was gute Laune macht.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Jungen Gouda, rohen Schinken, aber auch vegane Brotaufstriche.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Einmal im Jahr fahren wir mit allen Kindern und Enkeln zusammen zum Skiurlaub nach Südtirol. Das ist eine besondere Zeit im Jahr, auf die wir uns immer lange freuen. Ich liebe aber auch das Meer.

    ID: LI220325

  • Porträt: Sebastian Watermeier (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 12.10.2021

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Sebastian Watermeier (SPD). Der 36-jährige Historiker aus Gelsenkirchen vertritt seine Fraktion u. a. in den Ausschüssen für Europa und Internationales sowie für Digitalisierung und Innovation.
    Sebastian Watermeier stammt, wie er selbst sagt, aus einer klassischen sozialdemokratischen Familie. Beide Großväter waren Industriearbeiter, sein Vater trat wegen der Politik Willy Brandts in die SPD ein, das Parteibuch lag allerdings nur in der Schublade.
    Der 36-jährige Landtagsabgeordnete aus Gelsenkirchen wurde als direkt Betroffener politisch aktiv, wie er berichtet. Als CDU und FDP 2005 mit der Forderung nach Studiengebühren in den Landtagswahlkampf zogen, sei er zunächst mit Kommilitonen in Münster auf die Straße gegangen. Dann trat er den Sozialdemokraten bei. Andere Parteien seien für ihn nie in Betracht gekommen. Weder Grüne noch Linke und erst recht nicht CDU oder FDP hätten, so sagt er heute, Bezug zu seiner Lebenswelt gehabt.
    In der SPD machte der Student der Geschichte und Philologie rasch Karriere. Er engagierte sich bei den Jungsozialisten, wurde nach drei Jahren Juso-Chef in seiner Heimatstadt und stieg wenig später in die regionalen Vorstände der Partei auf. Als ihn 2014 der damalige Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete Joachim Poß fragte, ob er nicht in dessen Berliner Büro arbeiten wolle, griff Watermeier zu. Schließlich wüchsen im Ruhrgebiet Jobs für Geisteswissenschaftler nicht an den Bäumen.
    Doch schon nach einem Dreivierteljahr kehrte Watermeier in seine Heimatstadt zurück. Die Europaabgeordnete Gabriele Preuß bot ihm die Leitung ihres Heimatbüros an. Drei Jahre später begann seine eigene parlamentarische Karriere. Poß kandidierte nicht mehr für den Bundestag, der Landtagsabgeordnete Markus Töns strebte nach Berlin und sein Wahlkreis im Gelsenkirchener Süden wurde frei. Landespolitik findet Watermeier spannend, weil es dabei um Inhalte gehe, die unmittelbar mit dem Alltag der Menschen zu tun hätten. Als Beispiele nennt er das Thema Schule, das in vielen Familien zwischen Kindern, Eltern und Großeltern oft diskutiert werde, die Situation der Universitäten, Verkehrsprobleme sowie die Innere Sicherheit und die Sorgen der Polizei.
    "Wenn ich Schülern das föderale System erkläre, dann fange ich damit an, dass für die Probleme direkt vor der Haustür, etwa die Müllabfuhr, die Stadt oder der Kreis zuständig sind. Um die Bildung im Lande und die Sicherheit auf den Straßen kümmert sich die Landespolitik und die übergeordneten Fragen, etwa Steuern, Wirtschaft oder Verteidigung, sind Aufgaben des Bundes." Deshalb finde er es auch geradezu paradox, dass in der Regel die Beteiligung an Kommunalwahlen am niedrigsten sei, bei Bundestagswahlen am höchsten und beim Landtag meist irgendwo dazwischenliege.
    "Fest verankert im Wahlkreis"
    An einen Wechsel in die Bundes- oder Europapolitik denke er nicht. Er finde die Arbeitsbedingungen in Düsseldorf gut, freue sich, dass er abends nach Hause fahren und sich dort um seine anderthalbjährige Tochter kümmern könne. Wichtig sei ihm auch, dass er in seinem Wahlkreis fest verankert und regelmäßig anzutreffen sei. Bei der Landtagswahl im nächsten Mai möchte er wieder antreten. Neben der Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie werde es im Wahlkampf vor allem um das Thema Schule gehen, etwa den "gravierenden Lehrermangel" oder eine unzureichende Ausstattung der Schulen mit moderner Technik. Dabei wolle er sich mit seiner Partei dafür stark machen, dass die Mittel des Landes vor allem dorthin gingen, wo sie am dringendsten benötigt würden.
    Für einen gebürtigen Gelsenkirchener ist es nahezu selbstverständlich, Fan von Schalke 04 zu sein. Watermeier ist überzeugt, dass dem Verein schon in dieser Saison der Wiederaufstieg in die erste Bundesliga gelingt. Dabei gehe es um mehr als Fußball. Die Bedeutung von Schalke für die Stadt Gelsenkirchen könne gar nicht überschätzt werden, sagt der Abgeordnete. Wenn er als Jugendlicher irgendwo in der Welt gefragt worden sei, wo er herkomme, und er Gelsenkirchen gesagt habe, habe kaum jemand gewusst, wo das sei. Habe er aber "aus Schalke" gesagt, hätten alle sofort Bescheid gewusst.
    Peter Jansen

    Zur Person
    Sebastian Watermeier ist seit 1. Juni 2017 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Der gebürtige Gelsenkirchener studierte nach Abitur und Grundwehrdienst von 2005 bis 2006 Rechtswissenschaften und von 2006 bis 2011 Geschichtswissenschaft sowie Englische und Deutsche Philologie (Abschluss: Magister Artium). Seit 2005 ist er Mitglied der SPD, von 2008 bis 2011 war er Vorsitzender des Juso-Unterbezirks Gelsenkirchen. Seit 2012 ist Watermeier Mitglied des SPD-Unterbezirkvorstands Gelsenkirchen. Im Landtag ist er ordentliches Mitglied im Ausschuss für Europa und Internationales, im Ausschuss für Digitalisierung und Innovation sowie in der Enquetekommission II ("Brexit").

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Die "Klingen-Reihe" von Joe Abercrombie. Ein wunderbar sarkastisches Fantasy-Epos, das mit einigen Konventionen des Genres bricht und trotzdem eine große Geschichte spannend erzählt.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Am liebsten höre ich Heavy Metal.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Milchschnitte darf in meinem Kühlschrank nie fehlen. Das liegt sicherlich auch am Mitspracherecht meiner kleinen Tochter, mit der ich natürlich immer gerne und gerecht teile.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Mein liebstes Reiseziel liegt gar nicht so weit entfernt an der Wiege Europas: Die griechischen Inseln haben es mir wirklich angetan.

    ID: LI210918

  • Porträt: Gordan Dudas (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 30.03.2021

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Gordan Dudas (SPD). Der 50-Jährige stammt aus Lüdenscheid, seine Schwerpunkte im Landtag sind die Verkehrs- und Arbeitspolitik.
    Dass Gordan Dudas‘ Weg irgendwann in die SPD führte, ist keine große Überraschung. Dudas entstammt dem traditionellen Arbeitermilieu. Der Vater arbeitete als Monteur, die Mutter als Putzfrau. "Ich war ein Schlüsselkind", sagt der aus Lüdenscheid stammende Dudas. Wenn er nach der Schule nach Hause kam, wurde er früh zur Selbstständigkeit gezwungen. "Meine Mutter hatte etwas vorgekocht, das habe ich mir dann warm gemacht."
    Besonders prägend in der Zeit war der Klassenlehrer des heute 50-Jährigen, der ihn auf der Gesamtschule in Kierspe unterrichtete. "Er war ein Glücksfall für uns als Schüler und hat uns Werte beigebracht. Und er hat immer gesagt: Hinterfragt die Dinge!", so Dudas.
    Noch heute ist Dudas mit seinem ehemaligen Lehrer befreundet. Und ihm, so sagt er, verdankt er auch seinen Weg in die Politik. "Das Hinterfragen habe ich mir angeeignet", sagt Dudas. Mit 15 begann er, sich für Politik zu interessieren. Also machte er sich als Jugendlicher auf den Weg, schaute sich die Jugendorganisationen der Parteien an. "Bei den Jusos bin ich dann hängen geblieben. Da stimmte die Chemie. Dann hat sich alles gefügt und ergeben."
    Mit 16 Eintritt bei den Jusos, dazu mit 18 der Beitritt zur SPD. "Die Absicht, Politiker zu werden, hatte ich damals eigentlich überhaupt nicht", erzählt er. "Klar wollte ich mitreden, aber erstmals ging es um Themen und Einfluss vor Ort." Mit anderen Jugendlichen kämpfte Dudas damals für eine Diskothek in Lüdenscheid.
    Er machte eine Lehre als Raumausstatter, ging zur Bundeswehr und landete schließlich bei einem größeren Möbelhaus in der Region. Seine Aufgabe war die Gestaltung von Verkaufsflächen. "Schau-Werbe-Gestalter nannte sich das damals", erzählt Dudas. "Und das hat mir wirklich wahnsinnig viel Spaß gemacht."
    Eines Tages kam die Geschäftsleitung mit der Bitte auf ihn zu, die Rolle des Ausbildungsleiters in dem Haus zu übernehmen. "Da habe ich spontan zugesagt, was sich im Nachhinein als sehr gute Entscheidung erwiesen hat", sagt Dudas heute. Insgesamt 14 Jahre war er in dieser Rolle. "Auch das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht. Es war spannend mitzubekommen, wie sich junge Menschen vom Azubi weiterentwickeln und diesen Weg eng zu begleiten", so Dudas. "Bis 2010 habe ich das gemacht."
    In dieser Zeit blieb die Politik als Hobby immer fester Bestandteil in seinem Leben. "Ich wurde gefragt, ob ich nicht für ein Ratsmandat in Lüdenscheid kandidieren wolle", erinnert er sich. 1994 zog er für fünf Jahre in das Kommunalparlament. "Dann habe ich fünf Jahre Pause gemacht. Die Liebe war schuld daran. Ich hatte andere Interessen", lacht Dudas. 2004 zog er dann aber erneut in den Rat und ist seitdem ununterbrochen Mitglied dort.

    Landtags-Kandidatur

    2010 kamen wieder Menschen auf Gordan Dudas zu. Diesmal kam die Idee, ob er nicht für den Landtag kandidieren wolle. "Auch da habe ich zugesagt", sagt er. Nach Rücksprache mit der Familie warf er sich ins Rennen, kippte einen CDU-Wahlkreis und sitzt seitdem im Düsseldorfer Parlament. Neben der Verkehrspolitik ist die Arbeitspolitik Schwerpunkt des ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden.
    Das Landtagsmandat nimmt viel Zeit im Leben von Gordan Dudas in Anspruch. Er sagt: "Deswegen versuche ich, die wenige Freizeit, die ich habe, nicht zu vergammeln." Mit seiner heutigen Lebensgefährtin, mit der er seit 8 Jahren liiert ist, teilt er das große Hobby Wandern. "Am liebsten im Urlaub wie zuletzt in Österreich", so Dudas. Denn dort kann er das Wandern mit seiner weiteren Leidenschaft, der österreichischen Küche, gut verbinden. "Ich esse sehr gerne und bin ein ganz passabler Koch. Ich experimentiere gerne am Herd und meine Freunde müssen dann als Versuchskaninchen herhalten und meine Werke verspeisen", sagt er.
    Und als Ur-Lüdenscheider zum Essen ein gepflegtes Pils? "Da falle ich aus der Reihe", sagt er. "Ich bin ein großer Fan vom Alt und habe durch die Zeit in Düsseldorf da einiges kennengelernt. Ich habe immer einen Kasten Alt im Keller", so Dudas.Eine andere Leidenschaft, das Fußball-Gucken, tritt derzeit etwas in den Hintergrund.
    Wegen seiner Liebe zu Blau und Weiß. "In Lüdenscheid steht man irgendwann vor der Frage: Dortmund oder Schalke? Ich habe mich schon früh für die Schalker Seite entschieden, bin auch früh Mitglied geworden und habe noch eine vierstellige Mitgliedsnummer. Aber momentan macht es einfach wenig Spaß zuzuschauen. Ich leide im Stillen mit", so Dudas.
    Weniger Fußball, dafür mehr Zeit für den Wahlkampf. In gut einem Jahr ist Landtagswahl. Und Gordan Dudas hofft, dass seine Düsseldorfer Zeit noch weitergeht und er zum vierten Mal seinen Wahlkreis direkt holen kann.
    Jörg Löbker

    Zur Person
    Gordan Dudas wurde 1971 in Lüdenscheid geboren. Seit 1990 ist er Mitglied der SPD und war von 2010 bis 2018 Stadtverbandsvorsitzender der SPD Lüdenscheid. Seit November 2016 ist Dudas Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Märkischer Kreis und seit 2018 Mitglied im SPD-Landesvorstand NRW. Er ist Mitglied der Arbeiterwohlfahrt sowie der Gewerkschaft ver.di und seit Juni 2010 Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Ich mag besonders die "Kommissar Dupin"- Kriminalromane. Die Kombination aus Spannung, Humor und bretonischer Eigenart sind ein absoluter Lesespaß.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Ich bin da nicht festgelegt, je nach Stimmungslage höre ich Rock, Pop und Jazz, aber auch schon mal Stimmungs- und Karnevalsmusik.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Fleischwurst, Aufschnitt und Käse, damit ich auch in stressigen Zeiten schnell ein Brot schmieren kann.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Istrien! Sowohl die mediterranen slawisch-italienischen als auch die alpinen österreichischen ergänzt um die ungarischen Einflüsse machen diese Region so einzigartig erlebenswert.

    ID: LI210319

  • Porträt: Gabriele Hammelrath (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 13.10.2020

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Gabriele Hammelrath (SPD).
    Aufgewachsen in einem katholisch geprägten Elternhaus im Leverkusener Stadtteil Rheindorf, Abitur auf einem katholisch geführten Mädchengymnasium - und dann als Studentin der Eintritt in die SPD! Der Lebensweg von Gabriele Hammelrath (67) war nicht immer stromlinienförmig. Dass sie irgendwann in der Politik landet, war aber dennoch abzusehen. Denn sie sagt: "Wenn man etwas erreichen will, braucht man eine einflussreiche Machtposition."
    Schon als Schülerin nahm Hammelrath eine Führungsrolle ein: Klassensprecherin, stellvertretende Schülersprecherin. Sie machte den Mund auf, wenn ihr etwas nicht passte. Das führte auf dem von Nonnen streng hierarchisch geführten Gymnasium auch zu Konflikten. "Wenn man die Form wahrte, war alles okay", erzählt sie. "Aber meine zweite Seite ist: Ich bin manchmal schon rebellisch."
    In Rheindorf wuchs sie als Kind behütet auf. In der Gegend kannte jeder jeden. "Ich war Einzelkind, durfte alles machen, was ich wollte. Dadurch war ich als Schülerin empfindlich, was Hierarchien angeht", so Hammelrath. "Aber ich war auch immer rheinisch harmoniebedürftig und so fand sich immer irgendwie ein Weg."
    Nach dem Abitur studierte sie Pädagogik, Psychologie und Soziologie an der Uni Köln. Ihre Diplomarbeit schrieb sie über die Ehe in der Industriegesellschaft. "Über das Frauenthema kam ich dann auch in die Politik”, so Hammelrath. Mit Anfang 20 bekam sie das Parteibuch der SPD. Ihre politische Heimat war immer der linke Flügel der Sozialdemokratie. Jahrelang engagierte sie sich ehrenamtlich. Sie wurde aktiv in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, war sieben Jahre lang deren Vorsitzende. Als ihre Tochter geboren wurde, nahm sie sich eine dreijährige politische Auszeit. Danach war sie Ortsvereinsvorsitzende in Ehrenfeld und später auch Vize-Chefin des Unterbezirks.
    Doch komplett abhängig sein von der Politik, das wollte sie nie. Beruflich stand sie somit schnell auf eigenen Beinen. Zunächst arbeitete sie ab 1980 fünf Jahre lang in einer Unternehmensberatung im Bereich Personal, Organisation und Marketing. Dann wechselte sie zur Kölner Volkshochschule, bevor sie 2005 Leiterin des Amtes für Weiterbildung der Stadt Köln wurde. Dieses Amt bekleidete sie sieben Jahre. Doch auch in dieser Zeit war die Politik immer Teil ihres Lebens, ob in Köln oder auch als Delegierte auf Landes- oder Bundesebene.
    Doch irgendwann wurde sie in ihrer Komfortzone unruhig. "In mir reifte der Wunsch, noch einmal etwas völlig anderes zu machen", sagt Hammelrath. Mit 59 Jahren wagte sie den beruflichen Neustart. Die 2012 kurzfristig angesetzte Neuwahl bot die Gelegenheit, für den Landtag zu kandidieren. Mit Erfolg auf Anhieb. Sie gewann das Direktmandat für den Wahlkreis Köln III. Für die Fraktion fungiert sie seit 2015 als stellvertretende wissenschaftspolitische Sprecherin und seit 2017 als Vize-Vorsitzende des Schulausschusses. Zudem bringt sie ihre berufliche Expertise ein, ist Beauftragte für Weiterbildung. Hammelrath: "Das Thema wird immer überfraktionell bearbeitet. Wir arbeiten beispielsweise zurzeit an einer Novellierung des Weiterbildungsgesetzes. Und ich bin sicher, das geschieht einvernehmlich mit allen demokratischen Fraktionen."
    Privat hat sich Hammelrath mit ihrer Familie in Ehrenfeld einen Arbeits-, Wohn- und Rückzugsraum erschaffen. Im Hinterhof ist der Garten der Familie, rings herum sind sowohl ihr Büro als auch das ihres Mannes. Zudem wohnt sie mit ihrem Mann und ihrer erwachsenen Tochter dort. "Es ist eine Oase in der Großstadt. Wir lieben es hier", sagt sie. Auf dem Gelände ist auch immer Hund "Clooney" (halb Bobtail, halb Chow-Chow) unterwegs. "Den Namen hat meine beste Freundin vorgeschlagen, weil dieser Hund so schön ist", lacht sie. Sie kümmert sich zusätzlich um eine Ziehtochter und zieht sich hin und wieder mit einem Krimi zurück. Seit 46 Jahren lebt sie in Köln. Hammelrath engagiert sich in zwei Karnevalsvereinen, ist immer beim Veedelszoch dabei.
    Auch wenn Hammelrath "eher für eine linkere Politik" steht, kann sie besonders in Zeiten der Corona-Pandemie einer Großen Koalition etwas abgewinnen. "Die großen Themen löst man nicht alleine", sagt sie. "In der Koalition gelingt es momentan am besten, den Laden zusammenzuhalten. Man muss in diesen Zeiten mehrheitsfähig sein und die Menschen mitnehmen." Der GroKo etwas Positives abgewinnen, das fällt nicht allen in ihrer Partei so leicht. Aber auch hier zeigt sich: Stromlinien sind nicht Gabriele Hammelraths Ding.
    Jörg Löbker

    Zur Person
    Gabriele Hammelrath (67) stammt aus Leverkusen. An der Universität Köln studierte sie Pädagogik, Psychologie und Soziologie und schloss das Studium als Diplom-Pädagogin ab. Seit 2012 ist sie Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Schon in meiner Kindheit habe ich alles gelesen, was mir in die Finger kam. Und das ist bis heute so geblieben. Zur Entspannung lese ich Krimis - von Patricia Cornwell und Elisabeth Herrmann bis Don Winslow. Aber auch eher skurrile Krimis, wie die von Margery Allingham, Fruttero & Lucentini oder Ross Thomas.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Alles im Bereich Jazz und Swing. Und natürlich den unvergleichlichen Beat und Rock der 1960er und 70er. Und ich lasse mich - inspiriert von den jungen Leuten um mich herum - immer wieder von der Musik junger Bands überraschen.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Es ist leichter aufzuzählen, was nicht in meinem Kühlschrank ist. Ich koche und esse leidenschaftlich gerne - am liebsten mit der Familie und/oder Freunden. Auf jeden Fall ist es regional und jahreszeitlich passend, weil nahezu alle Lebensmittel, auch das Fleisch, von den Bauern aus der Umgebung stammen. Also: kein Spargel im Winter, sondern Grünkohl oder Kürbis.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Italien, und zwar von Südtirol bis Sizilien, egal ob Berge oder Meer. Dieses Land hat alles: wunderbare Landschaften und die großartigsten Kulturstätten und die nicht nur in den großen und bekannten, sondern auch in den kleinen Städten. Die Menschen verstehen zu leben und sie verstehen viel von gutem Essen und Trinken. Leider verstehen sie nicht ganz so viel von Politik.

    ID: LI200818

  • Porträt: Carsten Löcker (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 3 - 05.05.2020

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Carsten Löcker (SPD). Der 59-Jährige stammt aus dem Ruhrgebiet und ist verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Schon sein Großvater war überzeugter Gewerkschafter und Sozialdemokrat. Löcker hat Ausbildungen zum Koch und Berufskraftfahrer absolviert. Bei den Vestischen Straßenbahnen war er Betriebsratsvorsitzender.
    Alles ist anders. Man trifft sich zum Gespräch nicht in Carsten Löckers Landtagsbüro oder sitzt sich im Foyer beim Kaffee gegenüber. Man erreicht ihn zu Hause am Telefon, in Herten-Disteln. Der SPD-Abgeordnete hat seinen Aktionsradius verstärkt in den heimischen Wahlkreis verlagert. Video-Calls, Telefonkonferenzen - und die Plenarsitzungen in Düsseldorf, an denen derzeit weniger Abgeordnete als sonst teilnehmen, verfolgt er meist online. "Klappt ganz gut", sagt er, "kann auf Dauer aber nicht den persönlichen Kontakt ersetzen." Die Politik in den Zeiten von Corona.

    Sonntags auf dem Sportplatz

    Herten also. Als er dort aufwächst, ist von Politik in seinem Elternhaus kaum die Rede. Diskutiert wird über Fußball. Sein Vater kickt in den 50ern erfolgreich in der Amateuroberliga bei Blau-Weiß Langenbochum, seine Mutter ist in den 60er-Jahren, als es der Frauenfußball noch schwer hat, bereits eine sehr gute Mittelstürmerin bei den Sportfreunden Herten. "Klar war, sonntags ging man auf den Sportplatz", erinnert sich Löcker. Schalke 04 ist oft Thema. Als Kind habe er zwei Schnuller im Mund gehabt, sagt der 59-Jährige, "einen königsblauen und einen roten".
    Für den roten sorgt sein Großvater. Er arbeitet als "Püttrologe" (Bergmann) auf der Zeche "Schlägel und Eisen", ist überzeugter Gewerkschafter und Sozialdemokrat. Dem Enkel rät er früh, sich zu engagieren, wenn er etwas ändern wolle, allerdings nur unter einer Bedingung: "Du kannst alles machen, außer in die CDU zu gehen." Noch ist der junge Carsten nicht so weit, aber sein Opa trägt früh dazu bei, dass die SPD - so Löcker - "bis heute Teil meiner DNA ist".

    Lehre als Koch

    Nach der Fachoberschulreife folgt zunächst eine Lehre als Koch. Er hat Interesse an Lebensmitteln, Sinn für gutes Essen. Die dreijährige Ausbildung ist auch sehr anstrengend, erfordert viel Disziplin, oft dauern die Arbeitstage in der Küche zwölf Stunden und länger. "Man musste sich durchbeißen", erinnert sich Löcker. Für ihn ist es gleichwohl eine spannende Zeit, von der er anschließend als Zeitsoldat bei der Bundeswehr profitiert. Dort landet er in der Verpflegungsverwaltung, kümmert sich um die Einkäufe, erstellt Speisepläne. Vier Jahre geht das so.
    Dann die Zäsur. Carsten Löcker hat seine Frau Petra kennengelernt, will eine Familie gründen. "Ich brauchte eine andere Struktur", sagt er, einen Beruf, der verlässlicher ist als das vergleichsweise hektische Dasein als Koch. 1987 geht er zu den Vestischen Straßenbahnen, die gerade Busfahrer suchen, macht eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Die Bezahlung ist gut, die Arbeitszeit geregelt. Parallel dazu begibt er sich auf die Spuren des Großvaters, wird freigestellter Betriebsrat, schließlich Vorsitzender. In die SPD ist er schon 1985 eingetreten.
    1999 trägt ihn seine lokale Arbeit in den Hertener Stadtrat, dem er 20 Jahre lang angehören wird, acht Jahre als Fraktionschef. Er erlebt und erleidet den typischen Alltag eines Politikers in der Emscherzone, und bei aller Liebe zum Revier ist Carsten Löcker weit davon entfernt, das Ruhrgebiet zu verklären. Finanzlöcher, wegbrechende Industriearbeitsplätze und eine schmale wirtschaftliche Substanz setzten der einst prosperierenden Kommune bis heute zu. "Herten muss kämpfen", sagt er unumwunden, "wir leben von der Hand in den Mund."
    Löcker findet sein persönliches Einsatzfeld als verkehrspolitischer Sprecher der SPD im Landtag, in den er 2012 gewählt wird. Er nennt es seine "Paradedisziplin". Bei der "Vestischen" habe er mitansehen müssen, wie Infrastruktur über Jahrzehnte von Regierungen jeder Couleur "kaputtgespart" worden sei, zugunsten des Autobahnbaus. "Der Nahverkehr war die Spardose, bis hin zum Verlust von Arbeitsplätzen", so Löcker, "davon hat er sich bis heute nicht erholt." Das müsse sich ändern.
    Ende des Gesprächs. "Machen Sie’s gut, Herr Löcker!" Vielleicht begegnet man sich mal zufällig, vielleicht im Landtag. Schüttelt sich nach der Corona-Ära mal die Hände. Damit man sieht, wen man vor sich hatte, damals am Telefon.
    Theo Schumacher

    Zur Person
    Carsten Löcker (59) war 14 Jahre lang Chef der Hertener SPD. Er wurde zweimal direkt für den Wahlkreis 70 (Herten/Marl) in den Landtag gewählt. Der Vater einer Tochter (29) ist Mitglied im Verkehrs- und Umweltausschuss.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    "Meine Reise in die Welt der Gewürze". Gewürze sind das Leben.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Hauptsache gewöhnlich.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    7 Grad Celsius. Mittel zum Leben brauchen gesunde Umgebung.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Ich wähle meine Reiseziele nach dem Essen aus: Cuisine impromtue. Trouvaillen vom Markt zu gutem Essen zusammenstellen

    ID: LI200311

  • Porträt: Stefan Zimkeit (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 15.10.2019

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Stefan Zimkeit (SPD). Der 55-jährige Oberhausener wollte ursprünglich Journalist werden.
    Ob von Verwandten, Freunden, Bekannten oder Bürgerinnen und Bürgern auf der Straße - es gibt keine Frage, die dem SPD-Landtagsabgeordneten Stefan Zimkeit in den letzten Wochen und Monaten so oft gestellt wurde wie die nach den künftigen Vorsitzenden seiner Partei. Beantworten kann er die Frage auch nicht, schließlich kann er ja nicht in die Herzen und Hirne von mehr als 400.000 Genossinnen und Genossen schauen. Wem er selbst seine Stimme beim Mitgliederentscheid Ende Oktober geben will, hat er noch nicht entschieden. Immerhin ist er mittlerweile überzeugt, dass die Prozedur seinen Sozialdemokratinnen und -demokraten guttut. In den Diskussionen auf den bisherigen Vorstellungsrunden ging es um Inhalte, den Umgang der Kandidatenpaare miteinander findet er ausgesprochen fair.

    Seit 2010 Landtagsabgeordneter

    Doch insgesamt macht sich der 55-jährige Zimkeit auch Sorgen um die Partei, der er seit seinem 18. Lebensjahr angehört und die ein wichtiger Teil seines Lebens geworden ist. Er ist überzeugt, dass die SPD existenziell wichtig für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist. Eine abschließende Erklärung für die schlechten Ergebnisse der Sozialdemokraten bei Wahlen und in Umfragen hat Zimkeit nicht. Er hält es jedenfalls für sehr schwierig, dass die SPD in dem gegenwärtigen Regierungsbündnis mit CDU und CSU im Bund wieder ein klares und eindeutiges Profil gewinnen kann, und fürchtet, dass viele Menschen nicht mehr wissen, wofür die SPD stehe und was sie für die Menschen bewirke.
    Dabei hat der Oberhausener, der seit neun Jahren dem Landtag angehört, selbst von der Bildungspolitik der Partei profitiert, deren Mitglied er heute ist. Beide Elternteile hatten keine höheren Bildungsabschlüsse, er war der Erste der Familie, der das Abitur machen und anschließend studieren konnte. Zur Partei stieß er schließlich, weil er in der Endphase der Friedensbewegung Anfang der 90er-Jahre zu der Überzeugung gelangt war, dass Demonstrationen ja ganz wichtig seien, aber zur politischen Gestaltung nicht ausreichten. Deshalb entschloss er sich, den Sozialdemokraten beizutreten, war zunächst bei den Jungsozialisten aktiv, wurde in die Bezirksvertretung gewählt, später in den Rat der Stadt Oberhausen und 2010 in den Landtag.
    Geplant war diese politische Karriere nicht, eigentlich hatte Zimkeit Journalist werden wollen. Während des Studiums verdiente er mit Kellnern und anderen Nebenjobs sein Geld. Nach dem Zivildienst auf einem Bauspielplatz in einem Stadtteil mit vielen Problemen war er ein halbes Jahr arbeitslos und lebte von Sozialhilfe. Er ist sehr froh, dass er sein Hobby Politik zum Beruf machen konnte.
    In der Landespolitik findet er vor allem die enge Verzahnung mit der Kommunalpolitik wichtig, damit seien die Landespolitiker nah bei den Problemen der Menschen vor Ort. Das wichtigste Thema im Landtag ist in seinen Augen die Bildungspolitik. Als haushalts- und finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion versuche er, mit dafür zu sorgen, die finanziellen Mittel so zu verteilen, dass sie dort ankämen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Dabei würden häufig die Möglichkeiten unterschätzt, die die Opposition auf dem Gebiet der Haushalts- und Finanzpolitik habe, sagt er. Zwar würden in der Regel alle ihre Anträge auf diesem Feld von der regierenden Koalition abgelehnt. Die ein oder andere Idee, die man dabei ins Gespräch gebracht habe, finde sich aber oft ein oder zwei Jahre später im Haushaltsentwurf der Regierung wieder.

    Borussia-Fan und Motorradfahrer

    Über sein Privatleben gibt Zimkeit nicht viel preis. Die Kaffeetasse auf seinem Schreibtisch verrät, dass er Fan von Borussia Mönchengladbach ist - eine Leidenschaft, die er mit der früheren Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nicht nur teilt, wenn sie gelegentlich gemeinsam zu Heimspielen im Borussia-Park fahren. Zimkeit geht gerne zu Rock-Konzerten und ist begeisterter Motorradfahrer. Urlaub macht er am liebsten da, wo es warm genug ist zum Motorradfahren, wo es schöne Städte gibt und wo das Meer in der Nähe ist zum Schwimmen.
    Peter Jansen

    Zur Person
    Der Diplom-Sozialwissenschaftler Stefan Zimkeit ist seit 2010 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Seit 1983 ist er SPD-Mitglied; von 1985 bis 1987 war er Vorsitzender der Oberhausener Jusos. Zimkeit ist u. a. Sprecher der SPD-Landtagsfraktion im Haushalts- und Finanzausschuss.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Kein bestimmtes. Ich lese gerne historische Romane, z. B. die Cicero-Trilogie von Robert Harris.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Bruce Springsteen. Er ist der Boss.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Zutaten für ein gutes Frühstück.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Der Borussia-Park in Mönchengladbach.

    ID: LI190818

  • Porträt: Dietmar Bell (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 26.03.2019

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Dietmar Bell von der SPD-Fraktion. Der 57-Jährige aus Wuppertal gehört dem Landesparlament seit 2010 an. Nach dem Abitur hatte er zunächst als Krankenpflegehelfer gearbeitet.
    Manchmal hilft eine kleine Geschichte, eine Person zu beschreiben. Bei Dietmar Bell geht sie so: Vor mehr als zehn Jahren organisierte er als Geschäftsführer von ver.di in Wuppertal einen Arbeitskampf gegen ein Multiplex-Kino, dessen Geschäftsführer sein eigener Zwillingsbruder ist. Es ging um höhere Löhne. Bell rief an: "Wir müssen dich jetzt bestreiken!" Man vereinbarte, öffentlichen Streit zu meiden, doch der Streik wurde durchgezogen, mit Erfolg. Solidarität und Loyalität, das war Dietmar Bell schon immer sehr wichtig. Da kennt er keine Verwandten.

    Lehre als Krankenpfleger

    Rückblende. Als Bell 1980 sein Abitur macht, sind Tarifkonflikte noch weit weg. Das angestrebte Lehramtsstudium verheißt kaum Jobaussichten, also arbeitet er als Krankenpflegehelfer, dann als Kraftfahrer. Verdient gut, genießt das Leben, feiert gern - "wie man das in jungen Jahren so macht". Aber irgendwann reift der Gedanke, er müsse "mal was Richtiges" anpacken, und er beginnt eine Lehre als Krankenpfleger.
    Es ist die Initialzündung. Die Bedingungen für die Auszubildenden seien miserabel gewesen. Als die Arbeitgeber ihre Vergütung drastisch reduzieren wollen, organisieren die Azubis auf eigene Faust einen Aufstand "im Rudelverfahren", wie Bell sagt, er als Schulsprecher vorneweg. Plötzlich steht er in strömenden Regen vor 300 Gleichgesinnten auf einem Platz in Wuppertal, als Hauptredner, weil die Jugendsekretäre der ÖTV im Stau feststecken. Der Kampf lohnt sich, die Kürzung wird abgewehrt.
    Mit 23 Jahren ist er politisiert. Spät, aber nachhaltig. Nach der Tätigkeit auf einer neurologischen Intensivstation besucht er die Sozialakademie Dortmund, studiert Sozialwissenschaften, ehe ihn die ÖTV Wuppertal 1991 als Gewerkschaftssekretär zu sich holt. Was folgt, ist fast zwangsläufig: Parteieintritt. SPD oder Grüne?, fragt sich Bell. "Bei den Grünen waren alle einer Meinung", sagt er, "das fand ich langweilig." Schließlich geht er zur SPD, "weil ich mich über sie geärgert habe". Die Partei sei gerade im Streit um ein schärferes Asylrecht eingeknickt, für ihn ein "historischer Fehler".

    "Soziales Gewissen"

    Er stammt aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater verkauft Fahrkarten bei der Schwebebahn, die Mutter ist Näherin. "Ohne die Reformen der Brandt-Ära hätte ich nie Abitur gemacht", sagt er. Auch heute glaubt er trotz der rasanten Talfahrt der SPD fest an ihre Chance, wenn sie nur ihrem sozialen Gewissen folge und sich weniger mit sich selbst beschäftige. "Die Leute wählen keine Partei, die an sich selbst zweifelt", sagt Bell.
    Sein Aufstieg in der SPD verläuft steil. Als 2003 der Ortsvorstand die Konsequenzen aus einem Spendenskandal zieht und zurücktritt, ist er zur Stelle. Ohne Funktion in der Partei kandidiert er für den Vorsitz und wird gewählt - "von null auf hundert". 13 Jahre bleibt er Parteichef, tritt 2009 bei der OB-Wahl gegen den populären CDU-Amtsinhaber Peter Jung an. Es ist eine Wahl, die er verliert, für sich aber als Erfolgserlebnis verbucht. 2010 dann zieht er erstmals in den Landtag ein. Er ist wissenschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion - "eine tolle Aufgabe".
    Dietmar Bell, seit 1991 mit seiner Frau Anne verheiratet, ist Wuppertaler durch und durch. Mit den Co-Abgeordneten Andreas Bialas und Josef Neumann teilt er sein Wahlkreisbüro im Johannes-Rau-Haus, der SPD-Zentrale. Beim Interview in Bells Landtagsbüro, vor dem ein Pina-Bausch-Plakat hängt, fällt der Name des Ex-Bundespräsidenten mehrfach. Nicht ohne Stolz berichtet Bell, wie ihn einst ein Anruf aus dem Präsidialamt überrascht hat: Rau würde ihn gern mal kennenlernen. Daraus wird ein langes Gespräch in Raus Wuppertaler Haus, "sehr wertschätzend", so Bell. Dass Rau seinen SPD-Unterbezirk genau im Blick hat, merkt er ein halbes Jahr später, als ein Brief ankommt. Darin fragt Rau spitz nach, warum denn eine verdiente Wuppertaler Genossin zu ihrem 90. Geburtstag keinen Blumenstrauß von der SPD bekommen habe.
    Tja ...
    Theo Schumacher

    Zusatzinformationen:
    Zur Person
    Dietmar Bell ist seit 2010 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Er hat sein Landtagsmandat dreimal in Folge direkt gewonnen. Bell ist wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Außerdem leitet er als Vorsitzender die Enquetekommission zur "Digitalen Transformation der Arbeitswelt in NRW".

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    W. G. Sebald - Austerlitz - Ein tief berührendes Buch über die persönliche Entwurzelung und Identitätssuche nach der Menschheitskatastrophe des letzten Jahrhunderts von einem viel zu früh verstorbenen Autor.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Nicht wirklich festgelegt. Gerne ein Sonntagmorgen mit dem Köln Konzert von Keith Jarrett und anschließend die Solo-Sonaten für Viola von Bach.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Orangen, für den frischen Saft am Morgen.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Astypalea, kleine griechische Insel, zu der ich alle drei bis vier Jahre zurückkehre, weil es ein Stück Heimat geworden ist.

    ID: LI190318

  • Porträt: Sarah Philipp (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 16.10.2018

    Wer sind die Menschen hinter den Argumenten im politischen Diskurs? Landtag Intern stellt Abgeordnete aller Fraktionen vor. Diesmal im Porträt: Sarah Philipp, die im Schulunterricht zur SPD fand, Duisburgerin durch und durch ist und seit diesem Jahr Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Landtag. Die 35-Jährige gilt vielen in ihrer Partei als Hoffnungsträgerin.
    Die Entscheidung, die Sarah Philipps künftiges Leben lenken sollte, fiel eher zufällig, als sie die zehnte Klasse des Steinbart-Gymnasiums in Duisburg besuchte. Im Politik-Unterricht wurden vor der Bundestagswahl 1998 die unterschiedlichen Wahlprogramme untersucht. Sie war in der Gruppe, die sich mit den Vorhaben der SPD befasste, und von deren Aussagen ganz angetan. Als sie wenig später den damaligen sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten und späteren Wahlsieger Gerhard Schröder in der Mercatorhalle erlebte, stand für sie fest: Hier will ich mitmachen. Mit gerade einmal 15 Jahren trat sie den Jungsozialisten bei, verteilte Luftballons und Kugelschreiber im Wahlkampf und machte rasch Karriere in den Parteiorganisationen ihrer Heimatstadt.

    Interesse an Landespolitik

    Ihr besonderes Interesse galt von Anfang der Landespolitik. Während ihres Studiums der Wirtschaftsgeografie und der politischen Wissenschaft in Aachen absolvierte sie ein Praktikum bei der damaligen Duisburger Landtagsabgeordneten Gisela Walsken. Und als Walsken, die mittlerweile Regierungspräsidentin in Köln geworden war, bei der Landtagswahl 2012 nicht mehr antrat, warf die Stadtentwicklerin Philipp kurzentschlossen ihren Hut in den Ring. Nach einer weitgehend schlaflosen Nacht verkündete sie den Duisburger Sozialdemokraten, dass sie im Süden der Stadt kandidieren wolle, wurde prompt zwei Wochen später aufgestellt und im Mai desselben Jahres in den Landtag gewählt.
    Ähnlich zielstrebig ging sie Anfang dieses Jahres vor, als die SPD-Landtagsfraktion, deren stellvertretende Vorsitzende sie mittlerweile war, einen neuen Parlamentarischen Geschäftsführer brauchte. Sie sei bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen, teilte sie den Kollegen in der Fraktion mit, trat an und wurde gewählt. Obwohl sie in ihrer neuen Aufgabe meist nicht im Licht der Öffentlichkeit wirkt, sondern - wie sie selbst lächelnd sagt - im Maschinenraum der Landespolitik arbeitet, wird die junge Duisburgerin schon von vielen in ihrer Partei als eine Hoffnung der SPD in Nordrhein-Westfalen gehandelt. Sarah Philipp weiß, welche Erwartungen in sie gesetzt werden, und macht auch keinen Hehl daraus, dass sie sich über diese Wertschätzung freut. Zu Kopf gestiegen ist ihr der gute Ruf nicht, sie will dafür sorgen, dass sie die Erwartungen nicht enttäuscht.
    Wichtig ist der jungen Sozialdemokratin dabei vor allem, den Begriff der sozialen Gerechtigkeit mit konkreten Inhalten zu unterfüttern. Dazu gehören für sie beitragsfreie Bildung von der Kita bis zu den Meisterkursen, eine gerechte Politik für Mieter und Vermieter, der Themenbereich Arbeit und Soziales und nicht zuletzt das Problem der Verteilungsgerechtigkeit und die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer. Angst, dass die SPD in Deutschland ein ähnliches Schicksal erleidet wie die Schwesterparteien in Frankreich, Italien oder den Niederlanden, hat Philipp nicht. Sie blickt stattdessen nach Großbritannien oder auch nach Wien, wo sie die sozialdemokratischen Parteien im Aufwind sieht, und ist überzeugt, dass sich auch die SPD wieder erholt. Sie betont: "Wir werden gebraucht!"

    Segeln als Hobby

    Bei allen Diskussionen über das, was derzeit in Berlin in Bundesregierung und Bundestag geschieht: Ein Umstieg von der Landes- in die Bundespolitik stand und steht für Sarah Philipp nicht zur Debatte. Daran habe sie keinen Gedanken verschwendet, sagt sie freimütig. Für sie sei es ganz wichtig, in dem Bereich, in dem sie arbeite, zufrieden zu sein und sich wohlzufühlen, und da sei sie in Duisburg und Düsseldorf am besten aufgehoben.
    In der wenigen Zeit, in der sie nicht in der Politik unterwegs ist, kann man die junge Frau beim Segeln auf der Duisburger Sechs-Seen- Platte finden, dort hat sie schon als Neunjährige ihren ersten Segelschein gemacht. Am Wochenende trifft man sie gelegentlich bei den Heimspielen des MSV Duisburg - der ihr derzeit nicht viel Freude macht - oder sie geht Einkaufen, ihr Freund ist dann fürs Kochen zuständig.
    Peter Jansen

    Zusatzinformationen:
    Zur Person
    Sarah Philipp (35) gehört dem nordrhein-westfälischen Landtag seit dem 31. Mai 2012 an. Sie ist Mitglied im Vorstand der SPD Duisburg und seit 2008 Vorstandsmitglied der SPD-Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) in Duisburg. Seit 2010 ist Philipp Vorsitzende des Ortsvereins Duisburg-Buchholz. Von Mai 2017 bis April 2018 war sie stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, seit April 2018 ist sie Parlamentarische Geschäftsführerin.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    "Raumpatrouille" von Matthias Brandt. Die phantastischen Abenteuer eines Kindes in der Bonner Republik.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Alles außer Kuschel-Rock. Wir sind schließlich Opposition!

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Wurst. Alles andere ist Käse. (Alte Titanic- Weisheit!)

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Das weiß ich noch nicht - es gibt noch viel zu entdecken. Das nächste Ziel heißt San Francisco.

    ID: LI180916

  • Porträt: Thomas Kutschaty (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 7 - 17.07.2018

    Thomas Kutschaty strahlt eine zufriedene Ruhe aus. In dem sachlich eingerichteten Büro des SPD-Fraktionsvorsitzenden im Düsseldorfer Landtag blickt er durch große Fenster auf den Rhein, wo die Frachtschiffe ihre Bahnen ziehen. Vor wenigen Tagen ist der SPD-Politiker und Vater von drei Kindern 50 Jahre alt geworden. Ein markantes Datum. Der neue SPD-Fraktionvorsitzende kann für seinen Lebensweg bilanzieren: Er hat wieder eine Etappe geschafft.

    "Aus einfachen Verhältnissen"

    Den politisch bemerkenswerten Aufstieg innerhalb der NRW-SPD hat sich der Jurist hart erkämpft. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, wie er selbst sagt. Der Vater war Eisenbahner. Thomas Kutschaty war der erste seiner Familie im Essener Norden, der aufs Gymnasium gehen durfte und Abitur machte. Sein Elternhaus war parteipolitisch nicht gebunden und doch war es sein Vater, der ihn mit zwölf Jahren auf eine Wahlveranstaltung mit Willy Brandt in die Essener Gruga-Halle mitnahm. Das habe ihn damals beeindruckt. Soziale Gerechtigkeit war das Thema. Noch vor dem Abitur, zwei Wochen nach seinem 18. Geburtstag, trat Kutschaty in die SPD ein und ließ sich auf die damals noch übliche Ochsentour ein: Jusochef, Ortsvereinsvorsitzender und Chef des mitgliederstarken SPD-Unterbezirks Essen.
    Im Gegensatz zu vielen seiner Mitstreiter verlor er die reale, berufliche Welt nie aus den Augen. Während seiner Zivildienstzeit entschied er sich, Rechtsanwalt zu werden. Die beiden dafür notwendigen Staatsexamen absolvierte er zügig. Als Strafverteidiger arbeitete er dann sehr bald selbstständig bis zum Jahr 2005, als er erstmals in den Landtag gewählt wurde. Wegen der engen Termintaktung vor Strafgerichten spezialisierte sich Kutschaty danach auf Baurecht. "Die Anwaltstätigkeit war für mich wichtig, weil ich ein zweites Standbein neben der Politik haben wollte", sagt Kutschaty.
    Als er im Landtag startete, war die Lage der SPD in NRW denkbar schlecht. Die CDU hatte die langjährige rot-grüne Regierung abgelöst. Natürlich konzentrierte sich der Anwalt auf das, was er am besten konnte. In einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Vorgängen im Umweltministerium zeigte Kutschaty in seiner nüchternen und unaufgeregten Art, was er drauf hatte. Die spätere Ministerpräsidentin Hannelore Kraft entdeckte sein Talent und ernannte ihn 2010 zum Justizminister.
    Seine anschließende siebenjährige Amtszeit lief in ruhigem Fahrwasser. Das ist gut für einen Justizminister, denn nichts schadet mehr, als dass die Justiz ins Gerede kommt. Kutschaty hält sich zugute, die Arbeitsbedingungen der NRW-Justiz verbessert zu haben. Mehr als 1.800 neue Stellen seien geschaffen worden. Er habe seinem Nachfolger einen ausgezeichneten Apparat übergeben. Ein bisschen Stolz schwingt bei Kutschaty dabei mit. Sein seriöses Outfit, das er nicht nur als Minister pflegt (dunkler Anzug und meistens auch Krawatte), passt zu ihm, wirkt nicht aufgesetzt. Er "verkleidet" sich auch nicht auf Parteitagen und gibt dann den lässigen Politiker. Er scheint mit sich selbst im Reinen. Seine neue Aufgabe als Fraktionsvorsitzender wird womöglich nicht die letzte Stufe auf seiner Karriereleiter sein. Vom Spezialisten und Fachpolitiker, der er als Justizminister war, muss er jetzt die Rolle des Generalisten übernehmen: Er muss also in allen Themen bewandert sein.
    Kutschaty ist mit 50 noch nicht im rentenfähigen Alter, wie er selbst betont. Und wie es sich anhört, demnächst selbst Ministerpräsident werden zu wollen, klingt bei Kutschaty so: "Wer sich für ein Spitzenamt bewirbt, muss willens sein, auch weitere Aufgaben zu übernehmen." Man darf gespannt sein.
    Heinz Tutt

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Thomas Kutschaty (50) ist seit 2005 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Der Jurist aus Essen war von Juli 2010 bis Juni 2017 NRW-Justizminister. Seit April 2018 ist er Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion.

    ID: LI180715

  • Porträt: Norbert Römer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 06.03.2018

    In der ersten Reihe seiner Fraktion saß er schon immer, jetzt steht er auch noch ganz vorn. Norbert Römer hat die alleinige Spitze der SPD im Landtag übernommen, seit die Macht samt Ministerpräsidentin den Sozialdemokraten bei der letzten Wahl abhanden kam. Ist Opposition wirklich Mist? "Man arbeitet viel für den Papierkorb", sagt der 70-Jährige, "aber wir müssen die Chance nutzen, unser Profil neu zu schärfen." Er jedenfalls habe seine neue Rolle schnell angenommen.
    Norbert Römer verkörpert ein Stück klassische SPD-Identität im Ruhrgebiet, wie man sie im Parlament nur noch selten findet. Der Bergbau hat ihn geprägt, obwohl er nie Kohle vor Ort gemacht hat. "Ich bin ein angelesener Bergmann", erzählt er, nicht ohne Selbstironie, in seinem Landtagsbüro. Seine Montan-Karriere fand über Tage statt: bei der IG Bergbau, als Pressesprecher und Redakteur des Gewerkschaftsmagazins, später dann als Gewerkschaftssekretär.

    "Er kommt nicht auf den Pütt"

    Als er fünf ist, zieht die Familie nach Castrop-Rauxel. Sein Vater arbeitet auf Zeche Erin. Der Sohn schließt 1961 die Volksschule ab, da hat die Steinkohlekrise bereits eingesetzt. Die Eltern sprechen ein Machtwort: "Aus dem Jungen darf alles werden, aber er kommt nicht auf den Pütt." Norbert Römer schlägt eine Verwaltungslaufbahn ein, wird später Zeitsoldat, absolviert schließlich ein Volontariat bei der WAZ. So landet er in der Pressestelle der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE).

    Da ist er schon Mitglied der SPD. Bergbau und Genossen - das gehört in jenen Jahren zusammen wie Castrop und Rauxel. Seine Mutter betreibt eine Gaststätte, wo auch der SPD-Ortsverein tagt. Ab und zu hilft er aus, steht hinterm Tresen, zapft Pils. Die Eltern gehören der SPD an und so ist es auch für ihn nur ein kurzer Weg zum Parteieintritt. Es ist 1968. "Ich hatte gar keine andere Chance", sagt Römer, kein Freund verschnörkelter Sätze.
    Heute, 50 Jahre danach, mag er nicht begreifen, dass demnächst die beiden letzten Pütts in NRW schließen werden. Für ihn war es stets unvorstellbar, dass es an der Ruhr einmal keinen Bergbau mehr gibt. "Ich halte das nach wie vor für falsch", sagt er. Zwar sei es die "große Leistung" von IGBE und SPD, dass Unruhen und Brüche vermieden wurden. Aber die Folgen sozialer Verwerfungen spürt er fast täglich, auch bei seiner Arbeit im Landtag.
    Dort zieht er 2005 ein. Ein Jahr später ist er Fraktionsvize. Als Hannelore Kraft 2010 mit den Grünen eine Minderheitsregierung bildet, organisiert Römer als Fraktionschef mit dem Grünen Reiner Priggen die mühsame Suche nach Mehrheiten. Der Kohlemann und der Ökostromer: Das gegensätzliche Duo bildet - so Römer - "den Stabilitätsanker" der Koalition. Bis heute haben sie privat Kontakt. Rückblickend sagt Römer, es sei ein "schweißtreibender, aber spannender" Job gewesen, den er nie gegen ein Ministeramt eingetauscht hätte: "Ich eigne mich nicht für Kabinettsdisziplin."
    Was hat sich im Landtag verändert? Römer legt Wert auf Respekt vor den Kollegen der politischen Konkurrenz, mit Ausnahme der AfD. "Ihr Auftreten ist ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund", zitiert er Kurt Schumacher, der mit diesen Worten 1932 im Reichstag Goebbels und die NSDAP attackierte. Mit den "bewussten Provokationen" der AfD müsse man umgehen, ohne ihnen eine Bühne zu bieten.
    In seiner eigenen Partei sieht der Chef des Bezirks Westliches Westfalen großen Nachholbedarf. "Wir müssen wieder erkennbar werden", sagt der GroKo-Kritiker, "die Menschen müssen uns besser unterscheiden können." Das bedeute, dass die SPD klarer Partei ergreifen müsse. Daran will er arbeiten, wenn er Ende Mai - wie angekündigt - den Fraktionsvorsitz abgibt. Vielleicht hat er dann auch etwas mehr Zeit für seine große Leidenschaft, das Kochen - für seine Frau Christine, und dafür, der Familienmensch sein zu können, der er so gern ist.
    Theo Schumacher

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Seit 2010 ist Norbert Römer Vorsitzender der Parlamentariergruppe NRW-Israel. Das will er bleiben. "Wir legen großen Wert auf gute Kontakte zu den jüdischen Gemeinden", sagt er.

    ID: LI180217

  • Porträt: Carina Gödecke (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 17.10.2017

    Die Niederlagen ihrer Partei bei der Landtagswahl im Mai und der Bundestagswahl im September beschäftigen Landtagsvizepräsidentin Carina Gödecke noch sehr. "Mir tut es persönlich weh", gesteht sie ein. Ihr Mitgefühl gelte vor allem den vielen jungen Mitgliedern der SPD, die mit einer großen Volkspartei etwas verändern und bewegen wollten und sich jetzt "in einem 20-Prozent-Turm wiederfinden". Die 58-jährige Abgeordnete aus Bochum ist dann manchmal froh, dass sie in der Politik schon viel erlebt hat: "Darum zieht mich das Ergebnis nicht komplett runter."
    Carina Gödecke kommt aus einer durch und durch sozialdemokratischen Familie. Schon ein Urgroßvater und ein Großvater waren Mitglieder in der SPD, Vater und Mutter gehörten eine Zeit lang dem Stadtrat in Bochum an. Sie selbst half in Wahlkämpfen, verteilte Flugblätter und klebte Plakate, als sie noch zu jung war, um Parteimitglied zu werden.
    Genauso eng wie mit der Sozialdemokratie ist ihr Lebensweg mit der Firma Opel verbunden. Ihr Vater war Meister im Stammwerk in Rüsselsheim und wurde gebeten, beim Aufbau des neuen Opel-Werks in Bochum mitzuarbeiten. Nach anfänglichem Zögern zog die Familie vom idyllischen Groß-Gerau in die Großstadt an der Ruhr und wohnte nur einen Steinwurf entfernt von den neuen Fabrikanlagen. Die Tochter einer Arbeiterfamilie hatte einige Mühe, sich am Hildegardis-Gymnasium durchzusetzen - einer Schule, die in den 1960er- und 1970er-Jahren vor allem von Töchtern aus gutbürgerlichen Elternhäusern besucht wurde. Dass sie am mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig der hoch angesehenen Schule schließlich ein gutes Abitur ablegte, ist für sie noch heute der Beweis, dass man schaffen kann, was man sich vorgenommen hat - und darüber hinaus, wie wichtig Bildungspolitik für die Zukunftschancen der jungen Generation ist.
    Diese Priorität spiegelt sich auch in ihrem beruflichen Werdegang wider. Sie studierte Chemie und Erziehungswissenschaften mit dem Ziel, Lehrerin zu werden, arbeitete vier Jahre lang für einen Bochumer Landtagsabgeordneten, bevor sie 1990 als pädagogische Referentin zum Heinz-Kühn-Bildungswerk wechselte. 1995 wurde sie erstmals in den NRW-Landtag gewählt. Schon fünf Jahre später wählte die Fraktion sie zu ihrer Parlamentarischen Geschäftsführerin, nach dem Amt des Vorsitzenden die wichtigste Funktion. Nach zehn anstrengenden Jahren wechselte sie 2010 ins Landtagspräsidium und nach dem Wahlsieg der SPD bei den vorgezogenen Wahlen 2012 wurde sie zur Landtagspräsidentin gewählt. Den Wechsel zurück auf den Stuhl der Vizepräsidentin nach der Wahl im Mai hat sie sich gut überlegt. Sie ist überzeugt, dass sie mit ihrer Erfahrung im Präsidium bei der Bewältigung kritischer Situationen dort sinnvolle Arbeit leisten kann.
    Der Grund, sich nach wie vor in der Politik, im Landtag wie in der Partei, zu engagieren, ist für Carina Gödecke derselbe wie zu Beginn ihrer politischen Laufbahn: Sie will helfen, die Welt ein Stück besser, ein Stück gerechter zu machen. Schülerinnen und Schülern habe sie einmal gesagt, wenn sie Regierungschefin wäre, würde sie ein "Kinder-glücklich-machen-Gesetz" erlassen, damit jedes Kind morgens zu Hause ein Frühstück hat, dass es zwischen mindestens zwei Paar Schuhen wählen kann und dass immer mindestens ein Elternteil für das Kind da ist. "Durch mein politisches Engagement will ich verhindern, dass die soziale Schere immer weiter auseinandergeht, und ein Schlüssel dazu ist die Bildungspolitik", ist ihre feste Überzeugung.
    In der wenigen Freizeit, die ihr die politische Arbeit lässt, kümmert sich Carina Gödecke um ihre Familie und erfreut sich am eigenen Garten. Immerhin hat sie es geschafft, mindestens einmal im Monat mit ihrem Mann ins Kino, Theater oder in ein Konzert zu gehen. Und zu den Träumen, auf deren Erfüllung sie hofft, gehört einerseits, genügend Zeit zu haben, um ihr Schul-Englisch aufzufrischen - und andererseits der Aufstieg des VfL Bochum in die erste Bundesliga. Eine Dauerkarte fürs Ruhrstadion haben ihr Mann und sie bereits.
    Peter Jansen

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Carina Gödecke (58), 1. Vizepräsidentin des nordrheinwestfälischen Landtags, ist verheiratet und wohnt in Bochum. Seit 1. Juni 1995 ist die Sozialdemokratin Abgeordnete des Landtags Nordrhein-Westfalen. In der 16. Wahlperiode war sie dessen Präsidentin.

    ID: LI170917

  • Porträt: Martin Börschel (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 21.02.2017

    Martin Börschel ist ein Mensch mit klaren Prinzipien, für den das Streben nach Gerechtigkeit Richtschnur allen Handelns ist. Die Wurzeln dafür wurden in der Familie gelegt. "Wir hatten nicht viel", berichtet der Kölner. Der Aufstieg durch Bildung war also keineswegs vorgezeichnet: Der Vater, ein gebürtiger Schwabe, verdiente zunächst als Holzwerkzeugmacher, dann als Bauarbeiter den Familienunterhalt. Die Mutter kümmerte sich um die Erziehung der Kinder - und pflegt die Nähe zur katholischen Kirche. So wuchs Börschel gemeinsam mit seiner Schwester in einem christlichen Milieu auf, war Messdiener, trug die Kirchenzeitung aus - und war damit der Liebling der alten Damen.
    "Die Umstände haben es gut mit mir gemeint", ist der inzwischen 44-Jährige dankbar, in einer sehr liberalen Umgebung aufgewachsen zu sein. Eine Grundlage dafür waren die sozial-demokratischen Bildungsreformen, die einen höherwertigen Schulabschluss erst ermöglichten. Als Erster aus der Familie hat Börschel das Abitur gemacht. Er interessierte sich bereits auf der Montessori-Grundschule für Politik, informierte sich über die Inhalte der Parteien und war später von den Initiativen der Friedensbewegung beeindruckt. "Ich war ab der zehnten Klasse Schülersprecher und habe eine Schülerzeitung mit herausgegeben." Das war sein Zugang zur Politik. Es ging um Themen wie den Golfkrieg. "Wir haben Demonstrationen organisiert und überlegt, wie wir unsere Meinung bemerkbar machen können."
    In dieser Lebensphase war es nicht vorgezeichnet, dass er später als SPD-Fraktionschef im Rat als "König von Köln" bezeichnet werden würde. "Das bin ich nicht, das war ich nicht - und so habe ich mich nie empfunden", versichert Börschel, der im Zweitberuf Kommunalpolitiker ist. "Das ist eine gute Mischung", verweist er darauf, dass er die Interessen von Stadt und Land verknüpfen und damit Synergieeffekte erzielen kann. Aus seiner lokalen Sicht war die von den rot-grünen Mehrheitsfraktionen 2014 im Landtag durchgesetzte Erhöhung der Grunderwerbssteuer eine falsche Entscheidung, weil damit die ohnehin in Großstädten hochpreisigen Eigenheimbau-Pläne nochmals verteuert wurden. "Das war eine Entscheidung der inneren Konsequenz", begründet er seinen Rücktritt als haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. "Die Erhöhung hatte nicht die negativen Auswirkungen, die ich befürchtet hatte. Da bin ich widerlegt", verweist er auf die anhaltend hohe Nachfrage nach Grundstücken. Gleichzeitig warnt er aber vor "überbordenden energetischen Anforderungen" beim Häuslebau.
    Der Rückzug vom Sprecheramt habe ihm zugleich Respekt und Kritik eingebracht, aber deshalb sieht er sich in der Landtagsfraktion nicht isoliert oder gar auf verlorenem Posten. Dauerhaft dürfte die SPD nicht auf seine aktive Rolle verzichten können, denn viele Talente hat die Partei in dieser aufstrebenden Altersklasse nicht. Sogar Oppositionspolitiker bedauern, dass ihnen ein kluger Widersacher fehlt. Das dürfte wohl nur eine Übergangsphase sein, denn Börschels Wiedereinzug ins Landesparlament scheint bei den heimischen Mehrheitsverhältnissen ziemlich sicher zu sein. Mit ihm ist also weiter zu rechnen.
    Statt "Papst oder Pilot", wie er als Kind seinen Berufswunsch in Poesiealben verewigte, ist er Rechtsanwalt geworden. Wegen der Kölner Spendenaffäre, die er gemeinsam mit seinem Freund und Nachbarn Jochen Ott meistern musste, verzichtete er auf die angestrebte Promotion. Der praktizierende Katholik stand damals als mit Abstand Jüngster an der Spitze der SPD-Ratsfraktion - und nicht wenige rechneten mit seinem Scheitern. Doch Börschel hat sich - stets freundlich, verlässlich und mit beinahe preußischer Disziplin - durchgebissen.
    Finanzpolitiker ermöglichten in Zahlen gegossene Gerechtigkeitspolitik, setzten damit auch die Grundlage des Zusammenlebens, das im gegenseitigen Respekt funktionieren müsse, sagt Börschel. Vorbeugende Politik sei eine "präventive Investition in die Gesellschaft", deren Ertrag sich später auszahlen werde, so der Sozialdemokrat. Der verheiratete Vater einer neunjährigen Tochter hat als Mitglied des Untersuchungsausschusses Silvesternacht die "für den Staat zutiefst beschämende Katastrophe" mit aufgearbeitet und dabei erfahren, dass die schweren Übergriffe auf Frauen trotz individuell größtmöglichen Einsatzes der Polizisten nicht verhindert werden konnten. Diese Eindrücke haben ihn auch geprägt.
    Robert Vornholt

    ID: LI170217

  • Porträt: Angela Lück (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 20.12.2016

    Prominente Politiker nutzen gerne ihre Familiennamen zu Wortspielen, wenn sie zu Treffen einladen. Der frühere Ministerpräsident Rüttgers lud Journalisten regelmäßig zum Plausch in den "Rüttgers-Club", wenig später legte die jetzige Amtsinhaberin Hannelore Kraft (SPD) mit ihrem turnusmäßigen "Kraft-Raum" nach und der SPD-Fraktionschef Norbert Römer mit der "Römer-Quelle".
    Auch die SPD-Abgeordnete Angela Lück (57) aus Löhne in Ostwestfalen bedient sich seit geraumer Zeit eines Wortspiels mit ihrem Namen: "Lückenlos aus Düsseldorf " nennt sie ihren regelmäßigen Informationsbrief, mit dem sie die rund 40.000 Bürgerinnen und Bürger in ihrer Heimatstadt über die Politik im fernen Düsseldorf informieren will.
    Angela Lück weiß, was sie ihren Wählern schuldig ist. Sie wurde erstmals nach der Ära Rüttgers im Jahr 2010 mit knapp 47 Prozent direkt gewählt und löste damit den langjährigen CDU-Mandatsträger im Handstreich ab. Bei der vorgezogenen Neuwahl 2012 legte sie sogar auf 49 Prozent zu. "Das verpflichtet. Ich lege größten Wert auf die Arbeit im Wahlkreis", erklärt Lück. Regelmäßig taucht sie auch für einen Tag in die Berufswelt vor Ort ein, etwa als Schwimmmeisterin im Freibad oder im Verkaufsraum eines ortsansässigen Bäckers. "Die Termine sind wichtig. Dort erfährt man, wo der Schuh wirklich drückt."

    Engagement im Betriebsrat

    Die gelernte Krankenschwester, Mutter von zwei Kindern, wurde bereits während ihrer Schulzeit auf der Fachoberschule für politische Themen sensibilisiert. Zunächst engagierte sie sich in Gewerkschaft und Betriebsrat, weil sie bald merkte, dass es an ihrem Krankenhaus einiges zu verbessern gab.
    Beim ersten Kind konnten die Eltern noch helfen, Beruf und Erziehung unter einen Hut zu bringen. "Beim zweiten Kind war das schwieriger. Ich legte überwiegend Nachtschichten ein, um tagsüber für die Kinder da zu sein." Ein Knochenjob, erinnert sie sich heute. Sie ärgerte sich damals, dass eine Pflichtpause von einer Stunde nachts nicht auf die reguläre Arbeitszeit angerechnet wurde - und sie sorgte dafür, dass Abhilfe geschaffen wurde. Die Kolleginnen und Kollegen merkten bald: Mit der kann man was anfangen. Sie wurde 1990 in den Betriebsrat gewählt und vertrat dort bis zum Jahr 2010 die Interessen der Belegschaft. Zwischen 2001 und 2010 übernahm sie im Herz- und Diabetes-Zentrum NRW eine Führungsposition als stellvertretende Abteilungsleiterin.
    Mitglied der SPD wurde sie am 1. Mai 1997 - am Tag der Arbeit erklärte sie dem damaligen stellvertretenden Bürgermeister, jetzt sei es für sie an der Zeit, Gewerkschaft und Sozialdemokraten näher zusammenzubringen. Bereits drei Jahre später war sie Mitglied im Löhner Stadtrat. "Die Kinder waren aus dem Gröbsten raus, ich wollte etwas verändern", erinnert sich Angela Lück. Der Sozial- und Gesundheitsbereich lag ihr besonders am Herzen. Schon bald agierte sie in der Führungsriege (2006 bis 2010) der Fraktion als stellvertretende Vorsitzende.
    Eigentlich sei es damals Rüttgers gewesen, der sie in die Landespolitik getrieben habe. Sie sei "richtig sauer" auf die CDU-geführte Landesregierung geworden, weil sie auch in Löhne habe erleben müssen, "wie sich das Land auf Kosten der Kommunen finanziell bereicherte". Auf Anhieb schaffe sie bei der Wahl 2010 den Sprung in den Landtag. Es lag auf der Hand, dass sie sich dort in der Gesundheitspolitik engagieren würde. Bis heute ist sie Mitglied im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie im Integrationsausschuss. Nicht immer ist es einfach, mit dem Koalitionspartner Kompromisse zu finden, doch darin ist Angela Lück geübt: Sie ist zuversichtlich, mit Gesundheitsministerin Barbara Steffens (GRÜNE) jetzt einen Weg zu finden, die Impfquote auch bei jungen Heranwachsenden in NRW zu steigern.
    Privat entspannt sich die Politikerin bei der Gartenarbeit oder bei Radtouren mit ihrem Mann. Das kann in der Hügellandschaft der Ravensburger Mulde gelegentlich anstrengend sein. "Damit wir nicht immer den Berg hoch schieben müssen, sind wir seit einigen Monaten mit dem E-Bike unterwegs."
    Heinz Tutt

    ID: LI161021

  • Porträt: Serdar Yüksel (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 15.11.2016

    Mit der Wahl in den nordrhein-westfälischen Landtag ging für Serdar Yüksel, SPD-Abgeordneter aus Wattenscheid, ein Traum aus der Kinderzeit in Erfüllung. Schon als kleiner Junge war der heute 43-Jährige politisch interessiert. Sein Vater, 1964 aus der Türkei eingewandert, Arbeiter bei Krupp und in der IG Metall organisiert, las seinen Kindern jeden Tag Artikel aus einer deutschen und einer türkischen Zeitung vor und als Serdar zum 13. Geburtstag eine Schreibmaschine geschenkt bekam, schrieb er einen zweiseitigen Bewerbungsbrief an das Bonner Erich-Ollenhauer-Haus, die damalige SPD-Zentrale. Er wollte Mitglied bei den Sozialdemokraten werden und hatte gedacht, erinnert er sich heute lächelnd, dass man sich dafür bewerben müsse wie für einen Job oder einen Ausbildungsplatz. Drei Jahre später hatte Yüksel das notwendige Alter erreicht und wurde sofort in dem Ortsverein aktiv, in dem er noch heute Mitglied ist. 2001 wurde er in den Vorstand der SPD Bochum gewählt und als die bisherige Abgeordnete Birgit Fischer 2010 nicht mehr zur Wahl antrat, bewarb sich Yüksel um die Kandidatur im Wahlkreis und setzte sich gegen zwei Konkurrenten klar durch.
    Beruflich war er damals als Krankenpfleger auf einer Intensivstation tätig, zusätzlich studierte er berufsbegleitend Gesundheitswissenschaften, ein recht neuer Zweig, in dem es um Fragen geht wie Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz oder individuelle Vorsorge.
    Einerseits ist Yüksel ein Beispiel für die gelungene Integration eines jungen Mannes aus einer Zuwandererfamilie. Andererseits hat er schon früh am eigenen Leib erfahren, wie viel offener und versteckter Diskriminierung Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland ausgesetzt sind. Nach der vierjährigen Grundschulzeit sagte seine Lehrerin, er habe zwar das Zeug, die Realschule oder das Gymnasium zu besuchen, aber seine Eltern gingen ja sicher bald zurück in die Türkei und da reiche hier die Hauptschule. Noch heute kann es ihm passieren, dass er, wenn er zu einer offiziellen Veranstaltung geht, gefragt wird, wen er denn gefahren habe. Im Landtagswahlkampf hörte er durch Zufall, wie sich zwei ältere Damen unter seinem Plakat unterhielten und eine sagte: "Jetzt kandidieren hier schon die Türken." Er sprach die beiden an, stellte sich als Kandidat vor, erzählte ihnen, was er im Landtag mache, und hörte beim Weitergehen, wie die Frau zu ihrer Freundin sagte: "Och, der ist ja ganz nett. Ich glaub’ den wähl’ ich." Und erst kürzlich machte der Abgeordnete Schlagzeilen im Ruhrgebiet, als er zusammen mit einem Zeitungsreporter eine Diskothek in seiner Heimatstadt besuchen wollte und ihm der Zutritt verweigert wurde, weil er Türke sei.
    Der Kampf gegen Diskriminierung und der Einsatz für ein normales, konfliktfreies Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft sind nicht die einzigen Themen in der politischen Arbeit Yüksels. Im Landtag gehört er dem Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales an, der sich, wie er sagt, mit den Grundbedürfnissen der Menschen beschäftigt: Jeder will einen sicheren Arbeitsplatz, optimalen Gesundheitsschutz und eine solide Absicherung im Alter. Außerdem kümmert er sich im Petitionsausschuss um Sorgen und Probleme der Bürger, die sich hilfesuchend an den Landtag wenden.

    Flüchtlingsdorf gegründet

    Ganz besonders am Herzen liegt dem Abgeordneten das von ihm gegründete Flüchtlingsdorf NRW im Nordirak. In der Nähe von Dohuk finden Flüchtlinge Unterkunft in Containern, die in der Region hergestellt werden. Yüksel und seine Helfer organisieren Schulunterricht und sorgen für eine handwerkliche Ausbildung der Jugendlichen. In Deutschland wirbt er für das humanitäre Projekt und versucht, Spender zu gewinnen. Auf Urlaubsreisen hat er verzichtet, stattdessen fliegt er, wenn er ein paar freie Tage hat, in den Nordirak und kümmert sich vor Ort um sein Flüchtlingsdorf.
    Viel Zeit für Hobbys lässt ihm sein politisches und humanitäres Engagement nicht und wenn er sich tagsüber durch Stapel von Akten und Vorlagen gekämpft hat, steht ihm abends nur selten der Sinn danach, noch ein Buch zu lesen. Nur für Fußball, seine zweite Leidenschaft, findet er noch Zeit. Dabei schlägt das Herz des mitten im Ruhrgebiet lebenden Yüksel nicht für einen der großen Vereine aus Dortmund, Gelsenkirchen oder Bochum, er ist Fan der SG Wattenscheid 09, deren beste Zeiten lange vorbei sind und die heute in der Regionalliga West spielt.
    Peter Jansen

    ID: LI160919

  • Porträt: Jens Geyer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 21.09.2016

    Langeweile kommt bei Jens Geyer selten auf. "Das ist manchmal schon eine kleine logistische Herausforderung, alles unter einen Hut zu bringen", sagt er. Denn neben dem Landtagsmandat und den Verpflichtungen im Wahlkreis ist der SPD-Politiker auch noch Betriebsratsvorsitzender bei einem Pharmaunternehmen in Monheim. Doch auch wenn der Terminkalender meist voll sei und die Zeit für private Dinge begrenzt, die Arbeit abseits des Parlaments mache Spaß. "Man ist sehr nah bei den Menschen und bekommt direkt mit, was sie für Sorgen und Probleme haben. So hautnah kommt die Politik sonst nicht dran." Der 53-Jährige spricht von einer "Erdung" und dem "Boden der Tatsachen", auf dem er dadurch bleibe. "Denn hier im Landtag ist man ja doch irgendwie in einer Wolke der Glückseligkeit. Das wahre Leben spielt sich hier nicht ab", sagt der freigestellte kaufmännische Angestellte.
    Seit 2012 ist Jens Geyer Mitglied des Landtags. Damals gewann er den Wahlkreis Mettmann I überraschend gegen seinen Kontrahenten und Mandatsinhaber von der CDU. "Da hatte ich vorher nicht mit gerechnet", erinnert sich Geyer. Die Politik wurde schlagartig zum Beruf. Zuvor war Geyer kommunal aktiv gewesen. Zwischen 1990 und 1994 war er Juso-Kreisvorsitzender in Mettmann und saß von 2005 bis 2011 im Rat der Stadt Monheim. Dem SPD-Ortsverein in Monheim stand Geyer von 2007 bis 2010 vor. Eine klassische "Parteikarriere" könnte man sagen. In die SPD eingetreten ist er schon früh. Im Jahr 1979 - mit 16 Jahren - entschied sich der damalige Schüler für die Sozialdemokraten. Das familiäre Umfeld hatte ihn geprägt. "Außerdem überzeugten mich die Grundwerte der Partei wie Chancengerechtigkeit und Solidarität."
    Bereut hat Geyer seine Entscheidung nicht. "Natürlich gibt es auch Momente des Zweifelns. Es ist doch ganz normal, dass man nicht immer zu 100 Prozent hinter einer Partei steht und andere Ideen hat. Aber solange die Gesamtrichtung stimmt, ist alles gut", sagt er selbst. Andere Vorstellungen als seine Partei hatte Geyer vor Jahren, als es um die Einführung des sogenannten Kommunal-Solis ging. Seine Wahlkreisstädte Hilden, Langenfeld und Monheim sollten einen großen Anteil an den Hilfsgeldern für klamme Kommunen zahlen. In der Summe zu viel - fand Geyer und kämpfte für seine Leute vor Ort und gegen die Pläne der Landesregierung, "Als Abgeordneter sollte man schon die Interessen des Wahlkreises vertreten - selbst wenn es dann gegen die Partei ist", sagt er. Am Ende müsse es aber einen Ausgleich aller Interessen geben. Mit dem damals gefundenen Kompromiss, die Summe der Abgaben zu halbieren, könne er leben. "Ich finde im Moment auch keine andere Antwort als diesen Kommunal- Soli. Für eine ganz neue Finanzierung der Kommunen bräuchte es alle Bundesländer und den Bund. Das bekommen wir hier alleine in NRW nicht hin."
    Auf der einen Seite die Interessen der Wählerinnen und Wähler vor Ort und auf der anderen Seite das Wohlergehen des Landes - Geyer hält es für nötig, beides im Blick zu halten. "Da kommt wohl der Betriebsrat wieder raus, der auch vermitteln muss", sagt er. Wichtig sei, den Leuten die Sachen transparent zu erklären. "Natürlich mag jeder gerne einfache Antworten. Bei komplexen Dingen funktioniert das aber nicht immer. Da müssen wir Politiker, aber auch die Bürger selbst, sich manchmal etwas mehr Zeit nehmen."
    Zeit genommen hat sich der zweifache Familienvater auch, um sich in die Themen im Landtag einzuarbeiten. Als Mitglied im Ausschuss für Schule und Weiterbildung, dem Innenausschuss sowie dem Ausschuss für Europa und Eine Welt muss Geyer eine Bandbreite von Fachgebieten abdecken. Seinen Schwerpunkt sieht er selbst im Bereich Inneres. Geht es um Europa, zeigt sich trotz all der momentanen Schwierigkeiten die feste europäische Überzeugung. "Europa ist nach wie vor die Zukunft. Ich fände eine Arbeit im Europäischen Parlament wesentlicher spannender als im Bundestag. Auf lange Sicht wird dort die Musik spielen", ist sich Geyer sicher. Ambitionen zu wechseln hegt er aber nicht. Bei der Landtagswahl im kommenden Jahr möchte der SPD-Mann seinen Wahlkreis wieder gewinnen. Eine Prognose, wie es dann politisch in NRW weitergeht, wagt er nicht. "Die Politik ist so schnelllebig geworden. Alles ist möglich."
    Christian Wolf

    ID: LI160719

  • Porträt: Regina Kopp-Herr (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 26.04.2016

    Das politische Engagement hat Regina Kopp-Herr von ihren Eltern übernommen. Aber erst als sie, "der Liebe wegen", von ihrer Geburtsstadt Oberhausen nach Bielefeld umgezogen war und die drei ältesten Kinder zur Schule gingen, fand sie 1992 den Weg in eine politische Partei. "Ich habe damals die Programme der SPD und der GRÜNEN genau gelesen und bei den Sozialdemokraten fand ich mich am besten aufgehoben." Bis zur aktiven Teilnahme an der Bielefelder Kommunalpolitik dauerte es dann aber noch einmal sechs Jahre. Im Jahr des Parteieintritts hatte sich die jüngste Tochter angemeldet und beanspruchte zunächst die volle Aufmerksamkeit ihrer Mutter.
    Ab 1998 besuchte die gelernte Medizinisch-technische Assistentin regelmäßig die Veranstaltungen ihres Ortsvereins im Bielefelder Südwesten. Als sie sich nach einigen Jahren ernsthaft mit dem Gedanken trug, für die Bezirksvertretung in Brackwede, dem größten der Bielefelder Bezirke, zu kandidieren, wurde sie praktisch über Nacht mit dem Angebot überrascht, doch für den Stadtrat anzutreten. Der bisherige Kandidat hatte kurzfristig die Brocken hingeworfen, die örtliche SPD war in Verlegenheit, und Regina Kopp-Herr kam als Retterin in der Not. Die Kommunalwahlen 2004 endeten für sie mit einem halben Erfolg: In Brackwede wurde sie in die Bezirksvertretung gewählt, seit 2009 ist sie Bezirksbürgermeisterin, die Wahl in den Rat gelang erst fünf Jahre später.
    Offenbar hat ihre kommunalpolitische Arbeit die örtliche Parteispitze überzeugt, denn schon bald kamen erste vorsichtige Fühlungnahmen, ob sie sich vorstellen könne, 2010 für den Landtag zu kandidieren. Regina Kopp-Herr konnte, wurde aufgestellt und gewann zur allgemeinen Überraschung ihren Wahlkreis direkt.
    Den Schritt in die Landespolitik und die damit verbundene anstrengende Pendelei zwischen Bielefeld und Düsseldorf hat die heute 57-jährige Politikerin nie bereut, im Gegenteil: "Ich empfinde es als großes Privileg, als Abgeordnete arbeiten zu dürfen, immer wieder mit neuen spannenden Problemen konfrontiert zu werden und immer wieder interessante Menschen kennenzulernen."
    Besonders wichtig ist Landespolitik in ihren Augen durch den engen Bezug zur Kommunalpolitik und damit zu den Menschen, die in den Kommunen leben. Eine Wählerin habe ihr mal gesagt, Landes- und Kommunalpolitiker müssten sich immer bemühen, ihr Handeln zu erklären, erzählt sie. "Wir sind nahe bei den Menschen und unsere Aufgaben umfassen eine unglaubliche Bandbreite, von der In-Vitro-Befruchtung bis zur Beamtenbesoldung."
    Sorgen bereiten Kopp-Herr wie nahezu allen Politikern die großen Erfolge, die die neue Partei AfD bei den jüngsten Landtagswahlen erzielt hat. Über die Ursachen ist sie ein Stück ratlos, denn "viele Wähler können sich gar nicht mit dem Programm auseinandergesetzt haben, da lag ja noch nicht mal der Entwurf vor". Zum Teil erklärt sie sich das Abschneiden der AfD mit einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis in weiten Teilen der Bevölkerung. "Viele Menschen fremdeln mit der Zeit, in der sie leben. Sie haben kein Verständnis für diejenigen, die anders aussehen, sich anders kleiden." Gleichzeitig fürchtet sie aber auch, dass die Soziologen der Uni Bielefeld Recht haben mit ihrem Untersuchungsergebnis, dass rechtes Gedankengut selbst in der Mitte der Gesellschaft fest verankert ist. Allein wenn sie sich die Vorstellungen der AfD zu Fragen wie Emanzipation und Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft anschaue, könne sie nur kopfschüttelnd feststellen, dass dort ein Frauenbild wie vor über hundert Jahren herrsche.
    Ist Regina Kopp-Herr nicht in Landtag, Bezirksvertretung oder Partei beschäftigt, hat keine Sitzungen des Beirats der Justizvollzugsanstalt in Brackwede und kein Treffen von Pro Familia, wo sie dem Vorstand angehört, versucht sie, ein bisschen Zeit für ihre Hobbys aufzubringen. Sie näht gerne, egal, ob Kleidungsstücke, Taschen oder Patchwork- Decken, sie singt nach Möglichkeit in einem Chor mit, und den Sommerurlaub verbringt sie am liebsten auf dem Fahrrad. Und wenn es die Zeit und die finanziellen Mittel erlauben, will sie sich noch einen großen Traum erfüllen: die Ostküste der USA entlang reisen, von Maine hoch im Norden bis nach Florida im Süden.
    Peter Jansen

    ID: LI160319

  • Porträt: Cornelia Ruhkemper (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 22.12.2015

    Dass Cornelia Ruhkemper, die 61-jährige Vizevorsitzende des Landtagsausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, sich in einer Partei engagieren und in der Politik mitmischen würde, das war schon von Geburt an vorbestimmt. Sie kommt aus einem politischen Elternhaus, ihr Vater war Mitglied der damals noch eigenständigen Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, ihre Mutter war in der Kommunalpolitik aktiv und gehörte der Stadtschulpflegschaft in Bottrop an. Schon als Jugendliche ging Cornelia Ruhkemper gelegentlich mit ihren Eltern zu den Versammlungen des SPD-Ortsvereins Bottrop-Stadtmitte. Was damals noch Schnupperkurs genannt wurde, heißt heute Gastmitgliedschaft. Im Alter von 22 Jahren wollte sie dann nicht nur zuhören, sondern auch mitdiskutieren und entscheiden und trat in die Partei ein. Dass es eine Entscheidung für das Leben sein sollte, hatte ihr Vater klargestellt. Aus zwei Organisationen trete man nicht aus, hatte er seiner Tochter mit auf den Weg gegeben, aus der Gewerkschaft und aus der Partei.
    In der SPD machte Ruhkemper Karriere, in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), im Ortsverein und ab 1994 auch im Bottroper Stadtrat. Sie war Sachbearbeiterin beim Kreiswehrersatzamt Düsseldorf, in der von Männern geprägten und eher konservativ angehauchten Welt der Bundeswehr erntete sie manch skeptischen Blick, wenn ihr politisches Engagement bekannt wurde. Nach der Kommunalwahl 1999 wurde sie in Bottrop zur Bürgermeisterin gewählt, in der SPD übernahm sie 2005 die Aufgabe einer stellvertretenden Vorsitzenden des Unterbezirks Bottrop.
    Als der damalige Bottroper SPD-Vertreter im Landtag, Klaus Strehl, nach vier Legislaturperioden nicht wieder antrat, fragte er als erstes Cornelia Ruhkemper, ob sie nicht seine Nachfolge antreten wolle. Nach einer Woche intensiven Nachdenkens stimmte sie zu, wurde von ihrer Partei aufgestellt und gewann ihren Wahlkreis. Beeinflusst wurde ihre Entscheidung für den Wechsel nach Düsseldorf dadurch, dass ihr Lebensgefährte 2005 erfolgreich als Oberbürgermeister in Bottrop kandidierte und nicht beide Partner in der städtischen Politik aktiv sein wollten. Strehl riet ihr, sich im Bereich Umwelt- und Naturschutz im Landtag zu engagieren. Ihre politische Konkurrentin Barbara Wischermann von der CDU, die 2005 auch nicht mehr angetreten war, gab ihr die Empfehlung, in den Petitionsausschuss zu gehen, den die CDU-Politikerin zuletzt geleitet hatte.
    Beiden Ratschlägen ist Ruhkemper gefolgt und hat ihre Entscheidung nicht bereut, wobei sie kein Hehl daraus macht, dass ihr die Arbeit im Petitionsausschuss, dem Kummerkasten des Landtags, oft mehr Freude macht als die im Agrar- und Umweltausschuss, die gelegentlich doch recht trocken sein könne. Und als typischem Kind des Ruhrgebiets sind ihr die Sorgen und Nöte der einfachen Bürger, die im Petitionsausschuss zur Sprache kommen, manchmal auch näher als die Probleme der Landwirte.

    Tochter eines Bergmanns

    Dass Opposition Mist sei, wie ihr ehemaliger Parteivorsitzender Franz Müntefering einmal gesagt hatte, kann Ruhkemper nicht uneingeschränkt bestätigen. Als sie im Sommer 2005 in das Landesparlament einzog, war ihre Partei nach fast 40 Jahren wieder auf die Oppositionsbänke verbannt worden, und in der arg zusammengeschmolzenen Fraktion herrschte großes Wehklagen. Frustrierend sei es schon gewesen, dass nichts von dem, was sorgfältig erarbeitet worden war, im Landtag eine Mehrheit fand, erinnert sie sich, "aber wir haben uns in der Zeit auch inhaltlich gut weiterentwickelt. Es war ein Atemholen für die Zukunft."
    Ein wenig Wehmut befällt die Tochter eines Bergmanns, wenn sie an das Jahr 2018 denkt, in dem das Bergwerk Prosper-Haniel als letztes in der einstigen Zechenstadt Bottrop dicht gemacht wird. Aber ihr ist auch klar, dass der Prozess nicht aufzuhalten ist, dass in wenigen Jahren in Deutschland keine Steinkohle mehr abgebaut wird. Doch sie ist überzeugt, dass der RAG-Konzern, eines der Nachfolgeunternehmen der früheren Ruhrkohle, gut genug aufgestellt ist, um die Herausforderungen zu bewältigen, und dass ihre Heimatstadt den Einschnitt "einigermaßen hinkriegt".
    Peter Janse

    ID: LI150918

  • Persönlich: Georg Fortmeier (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 28.05.2015

    Georg Fortmeier, SPD-Landtagsabgeordneter aus Bielefeld und Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, ist Ostwestfale nicht nur von Geburt, sondern auch aus Überzeugung. Geboren und aufgewachsen ist er in Schloss Neuhaus bei Paderborn, studiert hat er an der damals noch ganz jungen Uni in Bielefeld, und seit Jahrzehnten lebt er in Dornberg, einem Vorort der ostwestfälischen Metropole. Der im Juni 60 Jahre alt werdende Jurist verkörpert geradezu die Eigenschaften, die er selbst seinen Landsleuten zuschreibt. Eher zurückhaltend seien die Ostwestfalen, dabei gingen sie dann sehr sorgfältig an die Probleme ran. Erfolge würden nicht gleich an die große Glocke gehängt. Dies, und diesen kleinen Seitenhieb mag er sich nicht verkneifen, unterscheide sie von den Rheinländern.

    Kommunalpolitisch engagiert

    Politisch interessiert war Fortmeier schon, als er noch im eher konservativ-katholisch geprägten Elternhaus im Hochstift Paderborn lebte. Nach dem Tode seiner ersten Frau startete er neu, schrieb sich in Bielefeld bei den Juristen ein, und als 1982 CDU, CSU und FDP den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt durch ein konstruktives Misstrauensvotum stürzten, wurde aus der Sympathie für die SPD konkretes Engagement und Mitgliedschaft. Spät habe er in der Partei angefangen, dann aber auch richtig, sagt Fortmeier von sich. Nach drei Jahren war er bereits Vorsitzender seines heimatlichen Ortsvereins, dann wurde er in die Bezirksvertretung gewählt. 1999 ging er in den Rat der Stadt, zehn Jahre später übernahm er hier den Fraktionsvorsitz, den er auch heute noch innehat. Ab 1990 leitete er das Wahlkreisbüro der damaligen Bielefelder SPD-Bundestagsabgeordneten, erst Günter Rixe, dann Rainer Wendt, bis er 2010 selbst erfolgreich für den Landtag im Wahlkreis Bielefeld/Gütersloh kandidierte. Die kommunalpolitische Arbeit ist, das hat er seitdem festgestellt, deutlich zeitaufwendiger als die Tätigkeit in Düsseldorf. Weil die Kommunen in hohem Maße vom Land abhängig sind, die meisten Gesetze des Landes vor allem in und von den Kommunen umgesetzt werden, hält er das gleichzeitige Engagement in Landes- und Kommunalparlament trotz der hohen zeitlichen Belastung für ausgesprochen sinnvoll. Als Vorsitzender eines großen Ausschusses, in dem die Interessen der Düsseldorfer Regierungsparteien SPD und Grüne nicht immer von vornherein deckungsgleich sind, sieht sich Fortmeier nicht in der vordersten Konfliktlinie. Er versucht, den Diskussionsprozess in dem Gremium zu moderieren. Bei aller Neutralität, zu der ihn der Vorsitz verpflichtet, achtet er als Sozialdemokrat darauf, dass Versuche der Opposition, einen Keil zwischen die Koalitionspartner zu treiben, nicht von Erfolg gekrönt werden. Dass das nicht immer einfach ist, kann man an der Diskussion über die Verteuerung von Stromerzeugung aus Braunkohle sehen, die SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel angestoßen hat. Fortmeier macht aus seinen Bedenken kein Hehl. NRW sei Industrieland und wolle das bleiben. Damit ist es auf eine zuverlässige Energieversorgung angewiesen, auch an den Tagen, an denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Das Ziel, in der Energieerzeugung ohne die Klima belastenden fossilen Brennstoffe auszukommen, hält er für erstrebenswert. Doch mindestens genauso wichtig sei die Aufgabe, Industrie, Wirtschaft und Haushalte jederzeit sicher mit Strom zu versorgen.
    Bei so viel politischem Engagement bleibt für Hobbys nur wenig Zeit. Er lese zwar gerne, sagt Fortmeier, seit Monaten aber fast ausschließlich Vorlagen aus dem Rathaus oder aus der Landesregierung. Entspannung findet Fortmeier bei gemeinsamen Theater- und Konzertbesuchen mit seiner Frau, bei der Arbeit im Garten und beim Sport. Nachdem er als junger Mann zu den talentierten deutschen Leistungsschwimmern zählte, belässt er es heute bei der Sportbeobachtung im Fernsehen, mit den Schwerpunkten Fußball, Handball und seiner alten Leidenschaft, dem Schwimmen.
    Peter Jansen

    ID: LI150418

  • Persönlich: Wolfgang Große Brömer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 29.01.2015

    Ein gewinnendes Lächeln ist das "Markenzeichen" von Wolfgang Große Brömer. "Ehrliche Freundlichkeit gehört zur Politik", meint der SPD-Landtagsabgeordnete aus Oberhausen. Er hat allerdings auch schon erfahren, dass seine angenehme Art missverstanden wird: Als ironisch oder gar spöttisch werde gelegentlich sein Lächeln gewertet. Dabei mag der 62-Jährige keine aufgesetzte Fröhlichkeit, aber liebt humorvolle Menschen. Er selbst charakterisiert sich als "nachdenklich aufgeschlossen". Gute Voraussetzungen, um als Vorsitzender des Schulausschusses mit der erforderlichen Geduld lange Diskussionen konzentriert aushalten zu können.
    "Ich liebe den politischen Diskurs", bekennt der Lehrer, der zuletzt als Leitender Gesamtschullehrer tätig war. Der Berufswunsch stand für ihn bereits in der Oberstufe fest. "Ich wollte die Welt im Kleinen verändern und schlauer machen", doch die Grenzen dieses guten Vorsatzes hat er "recht schnell" erfahren. Natürlich ist sich Große Brömer des permanenten Verdachts bewusst, als besserwisserisch zu gelten. Doch diese vermeintliche Rolle sei kein Alleinstellungsmerkmal für Lehrer.
    Die Nähe zur Politik wurde dem aus "einer recht konservativen katholischen Familie" stammenden Oberhausener quasi in die Wiege gelegt: Sein Großvater war CDU-Bürgermeister in seiner Heimatstadt, sein Vater - wie seine Schwester Pädagoge - ebenfalls sehr an politischen Prozessen interessiert. Den Anstoß für den Eintritt in die SPD 1972 gab die Politik von Willy Brandt: "Als Schüler war ich fasziniert von der Ostpolitik. Die eröffnete neue Blickwinkel."
    Als 25-Jähriger wurde er Vorstandsmitglied bei den Oberhausener Jusos. "Da habe ich einiges bewegt", erinnert er sich an den ersten Anti-Atom-Antrag, als es die Grünen noch gar nicht gab. Ein Jahr später folgte der Vorsitz bei den dortigen Falken, den er sechs Jahre lang behielt. "Ich betrachte mich nach wie vor als pragmatischen Linken", versichert Große Brömer. Motivation und Antrieb für sein Engagement sei ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, das ihn das Ziel verfolgen lässt, ungerechte Zustände verändern zu wollen. Die persönlichen Attacken gegen Brandt, der wegen seiner Öffnung zum Osten angefeindet und verleumdet wurde, bewegten den Sozialdemokraten, die Beobachterrolle zu verlassen und aktiv zu werden.
    Neben der Arbeit in der Oberhausener Kommunalpolitik, die ihn "erde", übernahm er als 54-Jähriger Verantwortung in der Partei. Nach sechsjähriger Tätigkeit als Unterbezirksvorsitzender gab er das Amt 2012 an Michael Groschek ab. Wie stark verwurzelt Große Brömer in der Bevölkerung ist, belegen die Wahlergebnisse. Eindeutig holte er seit 2000 immer wieder das Direktmandat. 2017 tritt er aber nicht erneut als Landtagskandidat an: "Man muss irgendwann Schluss machen können", hat er seinen Rückzug bei Erreichen des Pensionsalter bereits organisiert und beweist damit, dass Loslassen zu den Eigenschaften zählt, die er selbst umsetzt.
    "Verbinden statt trennen", setzt er darauf, Probleme nicht nur zu beschreiben, sondern möglichst pragmatisch lösen zu wollen. Bei komplexeren gesellschaftlichen Fragestellungen sei Polarisierung ein falscher Politikansatz. Das Erreichen eines hoch gesteckten Ziels gilt auch für die aktuell größte bildungspolitische Herausforderung: die Umsetzung des gemeinsamen Lernens von Schülern mit und ohne Behinderungen. Die Inklusion werde zu wenig aus der Sicht der Schüler beleuchtet, beschreibt Große Brömer die Veränderung als Prozess. "Ich glaube, dass die Inklusion funktioniert, zumal ich mir keine Alternative vorstellen kann", versichert er. Aber: "Da gilt es noch sehr viele dicke Bretter zu bohren und viele Schwierigkeiten zu meistern."
    Familiär ist der 62-Jährige unter Frauen: Ehefrau, drei erwachsene Töchter und seit November die erste Enkelin sind sein Umfeld, dem er sich stärker widmen möchte. Wenn er in naher Zukunft mehr freie Zeit hat, könnte er sich der Familienforschung widmen, denn der Name lässt mehr als erahnen, dass es einen bäuerlichen Ursprung gegeben haben muss. Mit vollem Namen heißt er übrigens Wolfgang Wilhelm Josef Große Brömer.
    Etwas überraschend erscheint - neben dem Lesen von Fachliteratur bis zu Krimis - ein Hobby, das der 62-Jährige künftig intensiver pflegen möchte: Nicht schrauben, aber intensiv putzen kann der Oberhausener demnächst sein Motorrad. Die BMW 1200 RT ist mit 115 Pferdestärken eine Tourenmaschine, mit der er angenehm unterwegs sein kann. Ob dabei auch sein verschmitztes Lächeln zu sehen sein wird, ist sehr wahrscheinlich, denn dann dürfte er den Alltag hinter sich gelassen haben.
    Robert Vornholt

    ID: LI150119

  • Persönlich: Christian Dahm (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 03.12.2014

    Selbsteinschätzung und Fremdwahrnehmung sind fast identisch: Christian Dahm charakterisiert sich selbst - nach anfänglichem Zögern und in gebotener Bescheidenheit - als "bodenständig, ausgleichend und stets den Kompromiss suchend". Wegbegleiter des 51-Jährigen ergänzen die Eigenschaften des Ostwestfalen mit den Anmerkungen "ruhig, sachlich, besonnen, aber gelegentlich etwas distanziert erscheinend". Insgesamt also gute Voraussetzungen, um als Vorsitzender des Kommunalausschusses die Debatten in eine möglichst konstruktive Richtung zu steuern.
    In dem Gremium gebe es einen Grundkonsens, weil viele Ausschussmitglieder kommunalpolitisch aktiv sind, befindet Dahm. "Uns alle treibt an, etwas für die Städte und Gemeinden zu tun - nur der richtige Weg dorthin ist streitig." Die Nähe zur lokalen Politik ist dem verheirateten Vater von zwei erwachsenen Söhnen in die Wiege gelegt worden. In einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus aufgewachsen, ist er vom politischen Engagement seines Vaters im Kreis Herford geprägt worden. Nach ehrenamtlichen Tätigkeiten im Kindergarten und in der Schulpflegschaft und der damit verbundenen Sozialisation war der Eintritt in die Partei konsequent und folgerichtig. "Es gab keine Alternative zur SPD. Nirgendwo sind die soziale Gerechtigkeit und der Einsatz für die Menschen so ausgeprägt wie in der SPD", erläutert er seine inzwischen 25 Jahre zurückliegende Entscheidung. Nach dem "Hürdenlauf durch die Ortsvereine" nutzte Dahm auch seine durch den Polizeibeamtenberuf erworbenen Kenntnisse, um sich vom sachkundigen Bürger über das Ratsmandat bis zum SPD-Fraktionsvorsitzenden (2006 bis 2012) in Vlotho voranzuarbeiten. Bereits seit zehn Jahren ist er in der knapp 20.000 Einwohner zählenden Kommune an der Weser Vorsitzender im Ausschuss für Schule, Jugend und Sport. "In der Kommunalpolitik ist man nah an den Menschen", erklärt der Politiker, dass sich die Arbeit im Lokalen und im Landtag gut ergänzt. Dass dabei die beruflichen Erfahrungen einfließen, hält Dahm für selbstverständlich: "Korrekt, geradlinig, klar strukturiert und immer ehrlich" - diese Eigenschaften habe er als Polizist ("Ich habe immer Uniform getragen") umgesetzt - und setze sie in der Politik fort. "Ich habe gelernt, schnell Wichtiges von Unwichtigem zu trennen", setzt er auf klare und nachvollziehbare Entscheidungen. "Dafür stehe ich und daran lasse ich mich messen." Deshalb drücke er sich nicht davor, auch unbequeme Wahrheiten klar zu benennen, befindet der Polizeihauptkommissar.
    "Es ist mir eine besondere Ehre, das Mandat auszuüben und meinen Wahlkreis im Parlament zu vertreten", ist dem 51-Jährigen eine gewisse Demut im Amt nicht verloren gegangen. "Eine politische Karriere kann und sollte man nicht planen", rät Dahm. Dass er seine angestrebten politischen Ziele mit dem Vorsitz im Kommunalausschuss und der Mitarbeit im Innenausschuss bereits erreicht hat, dürfte diese Einschätzung erleichtert haben. Und wer weiß, was noch folgt? Denn als Kommunal-Ausschusschef knüpft er an die Arbeit seiner Parteifreunde Edgar Maron und Carina Gödecke an. Der Freund der leisen Töne neigt nicht zum Jammern: "Stärken statt Schwächen betonen", lautet seine Devise. Die "junge, aufstrebende und wirtschaftsstarke Region Ostwestfalen" ist seiner Einschätzung gut im Landesparlament vertreten. "OWL ist nicht abgehängt, sondern gut aufgestellt", kommentiert der Kommunalexperte etwa das Dauerbrennerthema Gemeindefinanzierung. Von einer Bevorzugung des Ruhrgebiets könne bei den Überweisungen des Landes keine Rede sein.
    Der Diplom-Verwaltungswirt, der nach seiner dreijährigen Tätigkeit bei der Bezirksregierung Detmold bis 2010 im Polizeipräsidium Bielefeld tätig war, wurde jüngst von seiner beruflichen Vergangenheit eingeholt. Ausgerechnet in Herford kam es zu Auseinandersetzungen, in die die dort lebenden Jesiden einbezogen wurden. "Das war schon eine knisternde Stimmung", beschreibt der Polizist die Situation bei den Krawallen. Natürlich war er selbst vor Ort, um sich ein unverfälschtes Bild von der Lage zu machen. "Wir müssen dem Extremismus die Grenzen aufzeigen", betont Dahm unmissverständlich. Und da ist eine gewisse Distanz zu den Ereignissen für eine abgewogene Urteilsbildung hilfreich.
    Robert Vornholt

    ID: LI141022

  • Portrait: Rainer Bovermann (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 01.10.2014

    Auf dem Schreibtisch von Rainer Bovermann prangt zwischen Notebook samt Maus und Mauspad in den Farben von Borussia Dortmund eine dunkelblaue Kapitänsmütze der Bundesmarine. Seit kurzem ist der 56-jährige Politiker aus Hattingen nicht nur SPD-Abgeordneter im Landtag, Vorsitzender des Hauptausschusses und der Verfassungskommission und zumindest einmal in der Woche Professor an der Ruhr-Uni Bochum, sondern auch Vorsitzender des Freundeskreises der Fregatte "Nordrhein-Westfalen". Die wird zwar erst im nächsten Jahr getauft, deren künftige Besatzung hat ihm aber schon im Voraus die schmucke Kopfbedeckung zukommen lassen. Dabei ist das Engagement für das neue Schiff für Bovermann nicht nur Seefahrerromantik von Landratten. Künftig werde die Fregatte den Namen des Landes auf allen Weltmeeren zeigen, sagt er, und, was ihm noch wichtiger ist, nach dem Wegfall der Wehrpflicht können durch solche Freundeskreise die Beziehungen zwischen der Bundeswehr und der Bevölkerung ein bisschen gepflegt werden.
    Oberster Marinefreund des Landtags ist Bovermann geworden, weil er den Hauptausschuss des Landtags leitet, ein Gremium, in dem vom Abgeordnetenrecht über die politische Bildung bis zu den Beziehungen des Landesparlaments zu Militär, Kirchen, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen alles bearbeitet wird, was den anderen Fachausschüssen nicht zuzuordnen ist. Der Name Hauptausschuss kann dabei leicht irreführend sein, denn das Gremium ist nicht das Ersatzparlament, das die Aufgaben des Landtagsplenums übernimmt, wenn das Haus in einer Notsituation nicht zusammentreten kann. Das macht in Nordrhein-Westfalen der ständige Ausschuss, der sich aus den Mitgliedern des Ältestenrates zusammensetzt.
    Hier ist auch der Berührungspunkt zur nächsten Aufgabe des Politikwissenschaftlers, der Arbeit in der Kommission, die die Verfassung des Landes überarbeiten und an die Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts anpassen soll. Schon oft musste Bovermann die Frage beantworten, warum NRW überhaupt eine Verfassung braucht, schließlich gebe es doch das Grundgesetz, und das gelte in ganz Deutschland. Dem hält er entgegen, dass die Länder im Grunde genommen eigene Staaten seien und bereits vor der Gründung der Bundesrepublik bestanden. Nordrhein-Westfalen hatte in der Nachkriegszeit mit der Verabschiedung einer eigenen Verfassung gewartet, bis das Grundgesetz vorlag. Der 1950 verabschiedete Text regelt nicht nur die staatliche Organisation und das Zusammenwirken der Verfassungsorgane, er enthält das Recht auf Arbeit, trifft Aussagen zu Bildung und Erziehung und verpflichtet das Land sogar, das Kleingartenwesen zu schützen, eine Aufgabe, die in den Hungerjahren nach dem Krieg deutlich wichtiger war als heute.
    Vier große Themenfelder hat sich die Verfassungskommission vorgenommen. Ende nächsten Jahres sollen die Reformvorschläge dem Landtag zugeleitet werden und dann in einen von möglichst vielen Abgeordneten getragenen Gesetzentwurf einmünden. Denn das übliche Gegenüber von Koalition und Opposition funktioniert in Verfassungsfragen nicht, zur Verabschiedung ist eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich. Im Einzelnen geht es um das Verhältnis zwischen Landtag und Landesregierung, um die Rollenverteilung zwischen Regierungsund Oppositionsfraktionen im Parlament, um die Beziehungen zu den Kommunen und die Stellung des Verfassungsgerichts in Münster. Interessanter auch für eine größere Öffentlichkeit wird es, wenn sich die Kommission mit der Frage beschäftigt, ob künftig schon 16-Jährige und Bürger aus anderen EU-Staaten den Landtag wählen dürfen, ob die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheid auf Landesebene zu hoch sind und wie die Schuldenbremse beim Landeshaushalt, zu der die Landesregierung nach dem Grundgesetz verpflichtet ist, im Einzelnen aussehen soll.
    Trotz des zeitraubenden Engagements in Landtag, Wahlkreis und Partei hält Bovermann an seiner Lehrtätigkeit in Bochum fest, jeden Freitag am frühen Abend diskutiert er mit Politikstudierenden über Kommunalpolitik, Föderalismusprobleme und Parteienforschung. Als "Grenzgänger" zwischen politischer Wissenschaft und praktischer Politik hat sich der Abgeordnetenprofessor einmal bezeichnet. Dabei macht er aus eigenem Erleben die Erfahrung, dass sich Politik nicht nach dem Lehrbuch gestalten lässt und dass andererseits längst nicht alles zutrifft, was die politische Wissenschaft verkündet. Selbst in der wenigen Freizeit lassen ihn Politik und Politikwissenschaft nicht los, dann greift er zu Fachlektüre, um zumindest auf diese Weise über den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion auf dem Laufenden zu sein.
    Peter Jansen

    ID: LI140820

  • Portrait: Dieter Hilser (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 04.06.2014

    In seiner Stammkneipe "Brinkhoffs-Treff" im Essener Osten ging man gnädig mit ihm um, als das von der Landesregierung verordnete Rauchverbot die Theke in Raucher und Nichtraucher spaltete. Zwar flachsten einige Gäste ("Du hast uns das eingebrockt"), doch der langjährige SPD-Landtagsabgeordnete Dieter Hilser erinnert sich: "Ich habe nicht richtig was abbekommen." Kein Wunder, befand er sich doch sozusagen auf heimischem Terrain. Die Essener Kneipe ist auch ein Treff seines SPDOrtsvereins, dem er seit Anfang der 80er-Jahre angehört. Nach einer Ochsentour durch die Partei und die Kommunal- und Landespolitik ist Hilser heute Vorsitzender des Ausschusses für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr im Düsseldorfer Landtag.
    Anfang 1980 stellten sich die entscheidenden Weichen für Hilser. Seine berufliche Laufbahn hatte ihn vom Schwarzwald nach Essen verschlagen. Hilser, der in dem beschaulichen Ort Triberg 1953 geboren wurde und anschließend in Freiburg sein Studium der Volkswirtschaft abgeschlossen hatte, lockte 1982 eine Referenten- Stelle bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nach Essen. Bereits während des Studiums hatte er Kontakte zur GEW-Hochschulgruppe geknüpft, und zwar so erfolgreich, dass er auf deren Ticket in Freiburg zum AStA-Vorsitzenden gewählt wurde.
    Die Gewerkschaftsarbeit bestimmte in Essen zunächst weiterhin sein Leben. Die ersten Wochen lebte er mit seiner Frau Annette in einem Schwesternheim. Sie war ihm ins Ruhrgebiet gefolgt und hatte eine Anstellung im Krankenhaus gefunden. Später zogen die Hilsers in die Großsiedlung Bergmannsfeld im Essener Osten, die damals der landeseigenen LEG gehörte. Sehr bald wurden ihm die Probleme der Mieter nahe gebracht. Er engagierte sich bald darauf im Mieterbeirat.
    Wenige Jahre später engagierte sich Hilser stärker als bisher auch parteipolitisch. In die SPD war er bereits 1975 eingetreten. So richtig aktiv wurde er allerdings erst 1988 in seinem Essener Ortsverein. In dem von Arbeitern geprägten Stadtteil unternahm er in der damaligen SPDHochburg seine ersten politischen Gehversuche. Sechs Jahre später wurde er zum Ortsvereinsvorsitzenden gewählt, im gleichen Jahr kandidierte er für den Essener Stadtrat. Intern entschied er die Kandidatur für sich mit 80 zu 47 Stimmen. "Solche Ergebnisse vergisst man nicht", sagt Hilser.
    Zu dieser Zeit lebte er bereits mit seiner Familie, inzwischen waren Sohn und Tochter auf der Welt, in einem kleinen Reihenhaus im Essener Osten. Die junge Familie hatte sich im Ruhrgebiet eingelebt. In den Ferien zog es die Hilsers in die Tiroler Berge zu Klettertouren. Seine Frau war und ist stets mit von der Partie. Seine Kinder waren, so glaubt der Politiker, damals wohl nicht immer so begeistert. "Meine Tochter meidet heute Berge", scherzt Hilser.
    Im Essener Rat widmete er sich zunächst dem Wohnungsbau, ab 1998 leitete er den Finanzausschuss der Stadt. Inzwischen waren die Zeiten für die SPD nicht einfacher geworden. "Es gab immer weniger zu verteilen", beschreibt Hilser die Lage. Im Jahr 2000 sei er ermuntert worden, für den Landtag zu kandidieren. Hilser holte den Wahlkreis auf Anhieb mit mehr als 50 Prozent der Stimmen als Direktkandidat.
    Als Neuling im Düsseldorfer Landtag blieb er seinen Themen treu und wurde in den Bauauschuss entsandt. Jahre später wurde der Verkauf der LEG-Immobilien von der schwarz-gelben Landesregierung vorangetrieben - da schloss sich für Hilser wieder ein Kreis. Den Verkauf konnte seine Partei in der Opposition zwar nicht verhindern, doch, da ist sich Hilser sicher: "Die LEG-Debatte war ein Mosaikstein, der dazu beitrug, die damalige Landesregierung abzulösen."
    Sozusagen an der Heimatfront in Essen hat der Landtagsabgeordnete die Bodenhaftung nicht verloren. Im letzten Jahrzehnt gab es viele Baustellen für den Sozialdemokraten, der seit 2003 SPD-Chef der viertgrößten Stadt im Lande ist. Schlechte Wahlergebnisse hatten für Unzufriedenheit unter den Genossen gesorgt. Der bescheiden wirkende Hilser, dem man auf den ersten Blick keine markigen Sprüche zutraut, hat es offenbar auf seine Weise geschafft, den Laden zusammen zu halten. Und darauf ist der Wahl-Essener stolz.
    Den Bezug zu seinem Geburtsort Triberg hat Fussball-Fan Hilser übrigens nie abreißen lassen. In seiner Stammkneipe gehört er zwar eher symbolisch dem Fan-Klub der TSG 1899 Hoffenheim an und sein Herz schlägt natürlich für Rot-Weiß Essen. Aber: Mitglied ist er immer noch im FC Triberg. Es ist der Verein, für den er als 16-Jähriger in der Schwarzwald-Auswahl spielte. "Ein Stück des Kunstrasens neben der Eckfahne gehört mir", scherzt FC-Triberg-Sponsor Hilser. Als Politiker muss man eben flexibel sein.
    Heinz Tutt

    ID: LI140622

  • Portrait: Daniela Jansen (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 26.03.2014

    Daniela Jansen muss noch ein wichtiges Gespräch führen, ehe sie den Weg in die Landespolitik einschlagen kann. Sie besucht die Kindertagesstätte ihrer Zwillingskinder und spricht mit den Erzieherinnen. "Sie haben zwei glückliche Kinder", bekommt die junge Mutter zu hören. Es ist der entscheidende Satz damals im März 2012. Die Sozialdemokratin wagt eine neue Herausforderung und lässt sich in Aachen als Direktkandidatin für den nordrhein-westfälischen Landtag aufstellen.
    Zwei Jahre ist dies nun her. Daniela Jansen sitzt im Foyer des Parlaments, trinkt Milchkaffee und erzählt aus einem erstaunlichen Leben. Die 36-Jährige trägt ein elegantes rotes Kleid und an einem gelben Band um ihren Hals den diesjährigen Orden des "Aachener Karnevalsvereins". Am Wochenende zuvor war Jansen unter den Festgästen, als FDP-Parteichef Lindner der "Orden wider den tierischen Ernst" verliehen wurde.
    Sie wird an diesem Abend beim närrischen Landtag dabei sein; Dutzende Prinzenpaare sind mit ihrem Gefolge gekommen und flanieren im Foyer umher. Daniela Jansen wird später mitfeiern, in Düsseldorf übernachten und am nächsten Tag an der Plenarsitzung teilnehmen. Zwei Tage wird sie ihre Kinder nicht sehen. Dann kümmert sich ihr Ehemann verstärkt um die Kleinen. Eine Kinderfrau und eine Babysitterin unterstützen die Familie an mehreren Nachmittagen.
    Frau Jansen wagt etwas: Kinder und Karriere, gleichzeitig. Ihre Eltern in Ennigerloh hadern zwar mit der Doppelbelastung ihrer Tochter; sie machen sich Sorgen, ob das alles so richtig ist. Doch sie selbst mag weder auf das eine noch auf das andere verzichten. Man kann auch sagen, Jansen will das Maximum aus ihrem Leben herausholen. "Ich bin sehr diszipliniert. Ich bin ein Kopfmensch, aber ich höre auf mein Bauchgefühl", sagt sie. Disziplin bedeutet bei ihr aber nicht, spaßfrei oder unlocker zu sein, sondern dass sie sich die Zeit für Spaß ebenfalls bewusst einteilt. "Wenn Karneval ist, dann bin ich eben auf Jück", sagt sie. Dann feiert sie. Sonst ackert sie wochentags von morgens bis abends in parlamentarischen Gremien. "Montag- und Freitagnachmittag halte ich mir frei für meine Kinder. Wenn dann eine Einladung kommt, muss ich leider absagen. Es ist wichtig, dass man sich die Zeit genau einteilt", sagt Jansen.
    Sie ist jemand, der sich rasch zurechtfindet. Sie wird in Dortmund geboren, wächst im Münsterland auf und studiert Sozial-, Politikund Medienwissenschaften in Düsseldorf. Eigentlich will sie Journalistin werden, doch in der Landeshauptstadt sieht sie zu wenige Chancen, Fuß zu fassen. Also jobbt die selbstbewusste Frau nebenher für Vodafone und betreut Premiumkunden.
    In dieser Zeit lernt sie ihren späteren Mann Björn kennen und da verändert sich wieder vieles. Sie schließt das Studium in Düsseldorf mit dem Bachelor ab, wechselt 2002 zur RWTH in Aachen und macht dort ihren Abschluss als Magistra Artium. Sie wird Projektmanagerin in der Regionalagentur Aachen, kehrt nach der Geburt ihrer Kinder rasch wieder ins Büro zurück.
    Mit Politik kommt sie früh in Berührung. Ihre Familie tickt sozialdemokratisch, ihre Großmutter ist seit über 40 Jahren Parteimitglied. Schon als kleines Mädchen demonstriert Jansen gegen Helmut Kohl mit. In die SPD tritt sie erst 2004 ein. Es geht dann alles recht schnell. Jansen lernt Politik im Eiltempo. Sie arbeitet bei Karl Schultheis im Landtag und im Aachener Büro der Bundestagsabgeordneten Ulla Schmidt.
    Sie kokettiert bei der Landtagswahl 2012 mit ihrem Debütantinnen-Status und wirbt als "frischer Wind" um Stimmen. Ihr gelingt ein großer Achtungserfolg: Sie erringt das Direktmandat in Aachen und setzte sich gegen den wesentlich bekannteren CDU-Landeschef Armin Laschet durch. Es muss auch eine Genugtuung für sie sein, weil sie in den vergangenen Jahren gesehen hat, wie Kinderlose in ihrem Alter leichter Karriere machen, weil sie auf weniger Belange Rücksicht nehmen müssen. Sie setzt sich deshalb dafür ein, Familie und Beruf besser miteinander zu verbinden. Sie ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen der SPD Aachen und des Ausschusses für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation im Landtag.
    Nach ihrem erfolgreichen Einzug ins Landesparlament kümmert sich das Paar aktuell intensiv um die politische Karriere ihres Mannes. Björn Jansen kandidiert als OB-Kandidat in Aachen und fordert den christdemokratischen Amtsinhaber heraus. "Wir beraten und helfen uns gegenseitig", sagt Frau Jansen. Wenn die heiße Phase vor der Kommunalwahl im Mai startet, wird sie für ihn und die anderen SPDRatskandidaten wieder Wahlkampf machen. Und wenn es passt, dann nimmt sie ihre beiden Kinder einfach mit.
    Kristian Frigelj

    ID: LI140324

  • Portrait: Günter Garbrecht (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 29.01.2014

    Günter Garbrecht ist Sozialpolitiker mit Leib und Seele. Das Schicksal von Menschen am Rande der Gesellschaft, von Armen und Alten, von Arbeitslosen, von Drogen- und Alkoholabhängigen, von AIDS-Kranken und Behinderten lässt dem Bielefelder Sozialdemokraten, Vorsitzender des Landtagsausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales, keine Ruhe. Mit mittlerweile 64 Jahren setzt er sich mit derselben Leidenschaft und demselben Elan für die ein, die sich selbst kaum äußern können und am dringendsten auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, wie zu Beginn seiner politischen Karriere.
    Dabei wird er sich nahezu jeden Tag aufs Neue bewusst, dass Sozialpolitik im Land bedeutet, dass ganz dicke Bohlen gebohrt werden müsssen. Die "Oberregulierer", wie er sie nennt, sitzen im Bundesministerium und im Bundestag in Berlin, da drüber noch die Eurokraten in Brüssel, für die konkrete Umsetzung sozialpolitischer Maßnahmen sind die Kommunen zuständig, "und das Land hängt als Zwitter irgendwo dazwischen". Es fehle an einer eindeutigen Zuordnung, alles sei miteinander verzahnt und verzweigt. Trotz dieser schwierigen Gemengelage ist Garbrecht stolz darauf, was seit seinem Eintritt in den Landtag vor fast 14 Jahren auf diesem Gebiet erreicht wurde, vor allem natürlich auf das, was die rot-grüne Koalition unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zunächst als Minderheitsregierung und seit 2012 mit stabiler Mehrheit bewegt hat. Nur wenig ist spektakulär, vieles hat nicht einmal den Weg in die Nachrichten gefunden, für die Betroffenen war es aber oft eine große Hilfe. Dabei geht es um eine bessere Infrastruktur bei der Pflege, die es alten Menschen ermöglicht, in ihrem vertrauten Zuhause zu bleiben, um eine bessere Finanzierung der Altenpflege, um den Beruf des Pflegers für junge Leute attraktiver zu machen, um konkrete Hilfen für Sucht- und Drogenkranke, die oft von der Politik ausgegrenzt werden, ein Politikfeld, das Garbrecht auch aufgrund seiner persönlichen Geschichte besonders nahe ist.
    Ein nach wie vor umstrittenes Gesetz, mit dem er sich als Ausschussvorsitzender intensiv beschäftigen musste, hat sogar sein eigenes Leben massiv verändert. Nicht zuletzt unter dem Einfluss des Nichtraucherschutzgesetzes der rot-grünen Koalition hat sich Garbrecht nach fast 50 Jahren intensiver Qualmerei zum Nichtraucher gewandelt, seit über zwei Jahren hat er keine der früher so geliebten schwarzen französischen Glimmstengel angefasst.
    Auf seine Vergangenheit als linker Gewerkschafter und leidenschaftlicher Kämpfer gegen die Notstandsgesetze ist Garbrecht heute noch so stolz, dass er am liebsten rote Schlipse und rote Hosenträger trägt. Ein Parteisoldat, der alles gut findet, was Vorsitzende und Vorstände verkünden, ist er dabei nie gewesen. Noch heute regt er sich über die geschönten Statistiken zur Ausbildungssituation junger Leute auf, und dabei ist es ihm egal, ob sie von seinen Parteifreunden Andrea Nahles im Bund oder Guntram Schneider im Land verkündet werden. "Schönfärberische Reden kann ich auf den Tod nicht ausstehen, egal, wer sie hält." Politik kann nur erfolgreich sein, wenn sie die Fakten so zur Kenntnis nimmt, wie sie wirklich sind, und nicht sich und anderen etwas in die Tasche lügt, ist er überzeugt.
    Mehrfach ist der in seiner Heimatstadt Bielefeld fest verankerte Sozialpolitiker gefragt worden, ob er nicht für den Bundestag kandidieren wolle. Doch das kam für Garbrecht nie infrage, die Luft im politischen Klima der Bundeshauptstadt ist ihm zu dünn. Vor 14 Jahren war er aus der Schichtarbeit in einem Unternehmen der Metallindustrie in den Landtag gewechselt, damit nicht nur Gewerkschaftssekretäre, sondern auch Arbeiter von der Werkbank und somit Arbeitnehmerinteressen in der Landespolitik vertreten sind. "Im Landtag kann man sich noch immer erden, das ist im Bundestag schon sehr viel schwieriger", ist Garbrecht überzeugt. Auf den Fluren des Landesparlaments ist Garbrecht mittlerweile eine Art Institution, Freunde hat er in allen Fraktionen und respektvoll reden auch die von ihm, die seine politischen Überzeugungen nicht teilen. Unüberhörbar ist der Bielefelder auf jeden Fall, seine markante Stimme ist auch dann zu vernehmen, wenn die Mikrofonanlage ausfällt. Trotz aller Sympathie und Wertschätzung, die ihm entgegengebracht werden, ist für ihn mit Ende der Legislaturperiode unwiderruflich Schluss, mit dann 67 Jahren will er 2017 nicht noch einmal für den Landtag kandidieren. Dann will er die Bücher lesen, für die er jetzt nur selten Zeit hat, dann will er häufiger zu Hause am Herd stehen und seine Freunde mit selbstgemachter Marmelade überraschen. Ganz ohne ehrenamtliches Engagement im Bereich der Sozialpolitik wird es dann allerdings auch nicht gehen.
    Peter Jansen

    ID: LI140123

  • Portrait: Marc Herter (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 24.07.2013

    Ein rotes Rennrad und eine Kuriertasche hängen an der Wand neben der Bürotür. Marc Herter blickt direkt darauf, wenn er an seinem Schreibtisch sitzt. Das Vehikel stammt aus seiner Jugendzeit und erinnert ihn an den Landtagswahlkampf 2010. Damals ist der Sozialdemokrat von seiner Heimatstadt Hamm nach Düsseldorf geradelt und hat Bürgerwünsche eingesammelt. Das Rennrad könnte ihn auch ans Tempo seiner politischen Karriere erinnern: Herter hat in seinen drei ersten Jahren als Landtagsabgeordneter eine erstaunliche Wandlung vollzogen.
    Es lässt sich an den Plenar- und Ausschussdebatten erkennen, dass der 39-Jährige ein anderer Abgeordneter geworden ist. Es gab für ihn seit 2011 nur noch wenige Gelegenheiten, ans Rednerpult zu treten. Als der Landtag jüngst das novellierte Abgeordnetengesetz beriet und verabschiedete, war der junge Sozialdemokrat wieder häufiger im Plenum zu vernehmen. Herter ist als parlamentarischer Geschäftsführer (PGF) Herr der unsichtbaren Abläufe in der SPDFraktion geworden. Seine meiste Arbeit verrichtet er im "Maschinenraum", wie er selbst sagt.
    Das muss ein selbstbewusster Politiker erst einmal können: sich lieber in den Dienst der anderen zu stellen und seine eigene Präsenz zurückzunehmen. Fraktionsmanager Herter hat dafür zu sorgen, dass der Vorsitzende Norbert Römer und die übrigen 97 sozialdemokratischen Parlamentarier angemessen zur Geltung kommen und die Regierungslinie gewahrt wird. "Ich sehe auch weiterhin meine Schwerpunkte in der Kommunal- und Haushaltspolitik, aber ich bin jetzt vor allem für die organisatorischen und strategischen Aufgaben in der größten Fraktion zuständig. Als PGF muss man sich mit allen Themen befassen. Man wird zum Generalisten", sagt Herter.
    Sein Einfluss lässt sich weniger an Redebeiträgen und Schlagzeilen messen, sondern eher an einer anderen Besonderheit: Unter jedem SPD-Fraktionsantrag, der im Parlament gestellt wird, steht auch sein Name. Er koordiniert und kontrolliert gewissermaßen als letzte Instanz im Benehmen mit der Fraktion. Es gibt noch einen anderen Maßstab für den Erfolg eines PGF: die Geschlossenheit in der Fraktion. Herter kennt Eigenheiten, Spezialitäten, Sorgen und Nöte seiner Fraktionskollegen. Er ist Vermittler zwischen Führung und einfachen Abgeordneten. "Wir diskutieren offen in der Fraktion, hier kann jeder seine Position einbringen und wir bilden uns unsere Meinung. Am Ende gehen wir dann geschlossen in die parlamentarische Abstimmung", sagt Herter. Die öffentlich umstrittene Nullrunde für höhere Beamte war solch ein exemplarisches Thema, bei dem einige Abgeordnete intern ihr Unwohlsein bekundeten, aber die Regierungslinie nicht anzweifelten.
    Herter nennt zwei maßgebliche Voraussetzungen für einen erfolgreichen PGF: "Für mich zählen Verbindlichkeit und Verlässlichkeit im Umgang miteinander. Das gilt auch gegenüber den anderen Fraktionen." Er ist darin talentiert, einen pragmatischen Umgang zu pflegen, ohne seinen Überzeugungen untreu zu werden. Man kann mit ihm leicht ins Plaudern geraten, aber er kann auch mit höflicher Bestimmtheit zum Ende kommen, wenn der nächste Termin drängt. Als Fraktionschef Römer 2011 einen Amtsnachfolger für die Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Altenkamp suchte, kam Herter gleich in Betracht. Er war ein Parlamentsneuling, doch vieles sprach für ihn. Herter und Römer kennen sich seit Jahren aus Hamm. Herter eilt der Ruf voraus, loyal und fleißig zu sein und sich ausdauernd in komplizierte Themen einarbeiten zu können. Seine Loyalität zur Ministerpräsidentin und SPD-Landeschefin hat er ebenfalls bewiesen: Als Hannelore Kraft nach der Landtagswahl 2010 zauderte, eine Minderheitsregierung einzugehen, da verteidigte Parteivize Herter dies in der SPD, und er begründete genauso überzeugt ihren Kurswechsel wenige Tage später.
    Herter hat, gemessen an seinem Alter, reichlich politische Erfahrungen gesammelt, als Juso-Landeschef, Fraktionschef im Stadtrat Hamm und stellvertretender Landesvorsitzender der NRW-SPD. Er kennt die politische Arbeit im Tal, im Basislager und in der hohen Landespolitik. Nun hat sich Herter der Arbeit im Maschinenraum der parlamentarischen Macht verpflichtet. Es sieht alles danach aus, dass ihm noch eine aussichtsreiche politische Zukunft bevorsteht. Das rote Rennrad an seiner Bürowand ist jedenfalls fahrtüchtig.
    Kristian Frigelj

    ID: LI130722

  • Römer, Norbert (SPD)
    Im Interview: Norbert Römer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 27.02.2013

    Herr Römer, Ihre Heimat ist das Ruhrgebiet, Ihr Vater war Bergmann. Sie haben Jahrzehnte für die Gewerkschaft Bergbau und Energie gearbeitet. Sind Sie der Prototyp des nordrheinwestfälischen Sozialdemokraten?

    Den prototypischen Sozialdemokraten gibt es gar nicht. Dazu vereint die SPD zu viele Menschen unterschiedlichster Herkunft. Was stimmt: Ich bin im Ruhrgebiet, in Herne-Sodingen geboren worden. Als ich fünf Jahre alt war, sind meine Eltern ein paar Kilometer weiter nach Castrop- Rauxel gezogen - und da lebe ich heute noch. Also hat Sie das Revier geprägt?

    Klar. Ich bin in einer Zechenkolonie groß geworden. Das Zusammenleben mit vielen anderen - nicht nur auf dem Sportplatz, das hat mich geprägt. Ich hoffe, dass ich mir den schnörkellosen Umgang und die freundliche Offenheit bis heute bewahrt habe, dass ich zuhören und spontan reagieren kann.

    Und zur SPD hat das Ruhrgebiet Sie auch gebracht?

    Ich hatte doch gar keine andere Chance (lacht). Mein Vater, meine Mutter waren in der Partei. Meine Eltern hatten eine Zeit lang eine Gaststätte. In der traf sich auch der SPD-Ortsverein Obercastrop-Ost. Ich bin einfach in die Partei hineingewachsen.

    Heute sind Sie Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag. Die 13 Millionen Wählerinnen und Wähler in Nordrhein-Westfalen gelten als wahlentscheidend. Wie hart wird der Bundestagswahlkampf?

    Der wird hart, anstrengend und schweißtreibend. Ich bin aber sicher, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hier den Grundstein für den bundesweiten Erfolg der SPD legen werden.

    Was heißt das für die Arbeit im Landtag?

    Wir machen zielorientiert unseren Job. Thema Nummer eins ist und bleibt für uns, die SPD, die soziale Gerechtigkeit. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit, die allen viel abverlangt, wollen die Leute, dass es gerecht zugeht. Mit dem Konzept "Kein Kind zurücklassen" etwa versuchen wir, Chancengleichheit für alle herzustellen, unabhängig vom Einkommen des Elternhauses. Wir sehen unseren Auftrag darin, die Lage der Menschen zu verbessern.

    Dazu müssen neue, gut bezahlte Jobs entstehen ...

    ... und deshalb steht im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ein klares Bekenntnis zur Industriepolitik als Grundlage unseres Wohlstands. Vor der Wirtschafts- und Finanzkrise haben doch viele - auch Journalisten - gemeint, industrielle Produktion sei ein Auslaufmodell und Finanzdienstleistungen die Zukunft. Pustekuchen.

    Und heute?

    Heute ist klar: Eine starke mittelständisch geprägte Industrie sichert Berufsperspektiven und bietet Arbeitsplatzchancen, also gute Arbeit an. Wir haben hier starke Gewerkschaften. Mit denen zusammen werden wir die Verwerfungen von Leiharbeit und Zeitarbeit zurückdrängen. Das ist ausgeartet und vernichtet reguläre Arbeitsverhältnisse zugunsten von Minijobs oder immer neuer Praktikantenverträge. Das muss wieder auf ein normales Maß zurückgefahren werden. Die anständigen Betriebe dürfen am Ende nicht die Dummen sein. Aber werfen viele Wähler der SPD nicht vor, prekäre Beschäftigung mit den Hartz-Reformen selbst forciert zu haben? Viele Teile der Reformen waren gut und richtig. Frau Merkel erntet heute, was die Regierung Schröder gesät hat. Allein die 2,77 Millionen Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger bundesweit, die bis dahin keine Chance auf qualifizierte Arbeitsförderung und -vermittlung hatten, haben von den Reformen profitiert. Uns ist aber auch klar, dass die Arbeit der Jobcenter noch besser werden muss. Die schwarz-gelbe Bundesregierung muss endlich damit aufhören, die Eingliederungsmittel für die wichtigen Qualifizierungsmaßnahmen beständig zu kürzen! Die harten Auseinandersetzungen in meiner Partei will ich gar nicht leugnen. Viele haben uns verlassen - das hat geschmerzt, keine Frage. Deshalb gibt es für die SPD nichts Wichtigeres, als immer am Einsatz für soziale Gerechtigkeit festzuhalten. Wegen unserer sozialpolitischen Kompetenz unterscheiden wir uns von anderen. Ja, es hat auch Fehlentwicklungen gegeben, was die Ausweitung etwa von Minijobs, Leiharbeit angeht Das muss korrigiert werden. Und wir brauchen endlich einen gesetzlichen Mindestlohn. Vollzeit erwerbstätige Menschen müssen von dem, was sie rausbekommen, auch leben können.

    Vor Ihrer Zeit als Fraktionsvorsitzender war die Energiepolitik Ihr Fachgebiet. Wie sehr schmerzt das von den Grünen mit durchgesetzte Ende der Steinkohle?

    Ich halte die Entscheidung, den Bergbau 2018 endgültig zu beenden, für falsch. Aber die politischen Mehrheiten im Bund und in Nordrhein- Westfalen waren nun einmal so. Umso wichtiger ist, dass kein Bergmann ins Bergfreie fällt, dass es also keine betriebsbedingten Kündigungen gibt. Jetzt müssen wir daran arbeiten, den ehemaligen Bergbauregionen neue wirtschaftliche Perspektiven zu eröffnen, wie es - um nur einige Branchen zu nennen - mit der Logistik, der Chemieindustrie oder der Gesundheitswirtschaft schon teilweise gelungen ist.

    Sie verstehen aber, dass sich viele über Ihr demonstrativ gutes Verhältnis zum grünen Fraktionschef und erklärten Kohlegegner Reiner Priggen wundern?

    Ich habe Reiner Priggen gerade erst ein Ständchen zum 60. Geburtstag gesungen - in Begleitung des Ruhrkohle-Chors. Als Fraktionsvorsitzende sorgen wir dafür, dass SPD und Grüne sich nicht aneinander abarbeiten, sondern vertrauensvoll und aufgabenorientiert zusammenarbeiten. In der ersten Auflage unserer Koalition bis 2005 war das nicht immer so. Beide Parteien haben dazugelernt. Aber gerade deshalb kann unsere Zusammenarbeit ein gutes Beispiel für Berlin sein. Ich sage unserem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück immer wieder: Schau‘ Dir das hier an!
    Andreas Wyputta

    ID: LI130223

  • Portrait: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 12.09.2012

    In einem unbedachten Augenblick verpasst Hannelore Kraft den direkten Weg zur Macht. Die soeben wiedergewählte und vereidigte Ministerpräsidentin bedankt sich in einer kurzen Ansprache ans Parlament und kehrt vom Redepult in die Reihen der SPD-Landtagsfraktion zurück. Diesen unüblichen Weg kommentiert Landtagspräsidentin Carina Gödecke an jenem 20. Juni mit einem dezenten Hinweis: "Frau Ministerpräsidentin, Sie dürfen natürlich jederzeit im Kreis der Landtagsabgeordneten mitten im Plenum Platz nehmen, aber wenn Sie mögen, dürfen Sie nun auch auf den Platz der Ministerpräsidentin." Fröhliches Lachen im Plenum, selbst bei der Opposition, und Frau Kraft geht zu den verwaisten Regierungsbänken und setzt sich ganz rechts auf ihren angestammten Platz.
    Es gibt bei ihr immer noch solche Momente der Machtvergessenheit, in denen sie auf Außenstehende besonders menschlich wirkt. Doch sie werden seltener. Denn längst ist Hannelore Kraft in ihrem Amt angekommen und wird davon vereinnahmt. Die Sozialdemokratin ist zur Landesmutter Nordrhein-Westfalens herangewachsen; sie ist unter den populärsten deutschen Politikern die Zweitbeliebteste, knapp hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie ist die Kandidatenhoffnung der SPD im Bund, für was auch immer. Man erinnert sich kaum mehr daran, dass sie 2010 auch nicht den direkten Weg zur Macht einschlug und nach einem unklaren Landtagswahlergebnis und unerquicklichen Sondierungsgesprächen zunächst lieber in der Opposition bleiben wollte.
    Sie kann noch leicht die Arbeitertochter aus dem heimatlichen Stadtteil Dümpten in Mülheim an der Ruhr sein - das zeigen ihre Stadionbesuche bei Borussia Mönchengladbach. Sie sitzt jetzt zwar in der VIP-Loge und fügt sich, anfangs noch widerstrebend, den Sicherheitsrichtlinien für Spitzenpolitiker, aber sie benimmt sich wie früher auf den einfachen Sitzplätzen. Wenn Gladbach Tore schießt, springt sie auf, umarmt Sitznachbarn, klatscht Hände ab, wenn es schlecht läuft, mosert sie. Als die 51-jährige nach ihrer Wiederwahl zur Ministerpräsidentin gefragt wird, was sie zuerst "anpacken" wolle, sagt sie: "Meinen Mann." Als die Opposition sie einmal im Plenum allzu zu sehr piesackt, ruft sie: "Butter bei die Fische" und "Reden wir mal Tacheles." Wenige Schnörkel, etwas Schminke, mehr Kanten. Längst ist dieser im Ruhrgebiet gewachsene Klare-Kante- Charakter zum zentralen Element einer politischen Glaubwürdigkeitsstrategie geworden. Ihr Mantra lautet "versprochen, gehalten".

    Authentisch

    Kraft ist damit das Kunststück gelungen, eine politische Minderheit in eine neue rot-grüne Mehrheit zu verwandeln. Und auch sonst steht ihre politische Karriere in Kontrast zu den sozialdemokratischen Verläufen in Nordrhein- Westfalen. Sonst war es für die SPD in Nordrhein-Westfalen zur Tradition geworden, dass sie ihre Zugpferde in der Regierung nach Heinz Kühn im Lauf wechselte und eine dynastische Ad-Hoc-Erbschaftsfolge etablierte. Die Nachfolger kündigten sich meist früh an, drängten als Kronprinzen. Kraft hingegen kam aus der Opposition.
    Sie besitzt keinen politischen Masterplan hin zur Spitze, als sie 1994 in die SPD eintritt und sechs Jahre später als Direktkandidatin erstmals in den Landtag kommt. Es ist ein unbekannter Weg mit ungewisser Richtung, unbekannten Abzweigungen. Die Parlamentsnovizin hat auch Glück, bekommt seltene Chancen, nutzt günstige Gelegenheiten. Ministerpräsident Wolfgang Clement gerät in personelle Not, als sich sein Europaminister 2001 wegen einer Steueraffäre zurückziehen muss. Die damals 39-jährige Kraft hingegen ist ein Vorbild an Transparenz, sie zeigt ihre Einnahmen im Internet; die kluge Mülheimerin wirkt obendrein frisch, geradeaus, unerschrocken. Sie übernimmt später das gewichtigere Wissenschaftsressort. Vier Jahre gehört sie zum Kabinett, und wäre es wohl auch weiter geblieben, wenn nicht die Abwahl der SPD nach 39 Regierungsjahren gekommen wäre.
    Sie wird nicht für den Niedergang der alten Regierungspartei verantwortlich gemacht, es müssen andere weichen. Kraft wird zur SPD-Fraktionsvorsitzenden gewählt, zur Oppositionschefin. In dieser Zeit wird der Grundstein für eine langfristige Strategie gelegt. Zwei Jahre später übernimmt sie den vakanten SPD-Landesvorsitz und reserviert sich die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2010. Altvordere in der SPD betrachten sie mit Skepsis, sie die erste Frau an der Spitze, wirkt nicht wie ein political animal, ein ungewohnter Kontrast zu legendären Leitwölfen. Sie wird unterschätzt. In geselligen Runden erzählt Kraft bisweilen, dass sie einigen auf die Füße getreten sei. Jemand, der sie in kritischen Momenten weit hinter den Kulissen erlebt hat, sagt: "Sie kann ganz schön die Krallen ausfahren." Natürlich fragt man sich, wohin das alles führen wird. Die stellvertretende Parteivorsitzende Kraft zerschlägt sehnliche Erwartungen in der SPD, sich demnächst um die Kanzlerkandidatur zu bewerben. Sie hat dies für 2013 ausgeschlossen, ebenso für 2017. Kategorisch klingt ihre Absage, ungewöhnlich für einen Politiker, logisch für eine Authentizitätsmeisterin. Keiner weiß, was passiert, wenn die SPD nicht mehr so stillhält wie in diesen Tagen, wenn sie aus allen Ecken laut zu rufen beginnt. Vielleicht kann Hannelore Kraft bestimmen, wann die Partei rufen soll. Sie macht zumindest den Eindruck, als könnte sie entscheiden, wie ihr Weg entlang der Macht verläuft.
    Kristian Frigelj

    ID: LI120817

  • Portrait: Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD).
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 7 - 05.07.2012

    Das Büro neben dem Plenarsaal ist größer als manche Zwei-Zimmer-Wohnung in ihrer Heimatstadt Bochum, von der Fensterflucht hat man einen schönen Blick auf den träge vorbeifließenden Rhein. Manchmal kann es Carina Gödecke, die neue Landtagspräsidentin, noch nicht wirklich fassen, dass sie, Tochter einer Arbeiterfamilie aus dem Ruhrgebiet, jetzt hier ihren Arbeitsplatz hat, dass sie zur obersten Repräsentantin von 237 Abgeordneten gewählt ist, zur Vorgesetzten von rund 300 Mitarbeitern der Landtagsverwaltung, dass die Ministerpräsidentin und deren Kabinettsmitglieder vor ihr den Eid auf die Verfassung ablegen mussten.
    "Ich bin nicht mehr nur Carina Gödecke, 53 Jahre alt und Großmutter von fünf Enkelkindern", sagt sie dann, um sich selbst ihrer Rolle immer wieder zu vergewissern, "ich bin zu einer Institution geworden."
    Mehr Veränderung will sie allerdings nicht zulassen, die Menschen sollen sie so erleben, wie sie ihnen im Wahlkampf begegnet, offen, unkompliziert, ohne Allüren. In vielen Punkten weist ihre Laufbahn verblüffende Parallelen mit dem Werdegang von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auf, der Tochter einer Straßenbahnerfamilie aus dem wenige Kilometer entfernten Mülheim/Ruhr. Gödecke spricht, obwohl in Hessen geboren, die Sprache des Ruhrgebiets. Sie ist nicht eitel und statusbewusst, sie muss nicht in der ersten Reihe sitzen, obwohl ihr oft gar nichts anderes übrig bleibt. Sie macht, wie sie es selbst in der Sprache ihrer Heimat ausdrückt, "kein Gedöns". Dabei kommt ihr ihre Herkunft aus einer durch und durch sozialdemokratisch geprägten Familie zugute. Der Vater, ein Opel-Arbeiter, hatte schon in ihrer Geburtsstadt Groß-Gerau für die SPD im Rat gesessen, die Mutter war in der IG Metall engagiert. Nach dem Umzug nach Bochum Anfang der 1960er-Jahre, wo Vater Gödecke das neue Opel-Werk mit aufbaute, wurden beide Elternteile in den Rat der Ruhrstadt gewählt. Tochter Carina war das erste Familienmitglied, das ein Gymnasium besuchen konnte, eine Art Lyzeum für die höheren Töchter der Stadt. Das war für das Arbeiterkind nicht immer ganz einfach: "Ich wurde nicht mit der Bratsche in der Hand geboren. Bei uns wurde ‚Brüder, zur Sonne, zur Freiheit‘ gesungen."
    Doch das zierliche blonde Mädchen biss sich durch, wie sie überhaupt zu ihren wichtigsten Eigenschaften "Steherqualitäten" zählt. Es blieb nicht aus, dass sie schon früh im Elternhaus mit praktischer Politikarbeit konfrontiert wurde, da wurde am Esstisch über Kommunalpolitik und den nächsten Wahlkampf diskutiert, da halfen die Kinder auch mal mit und steckten Flugblätter der SPD in die Briefkästen in ihrem Viertel. Als junges Mädchen stand für Carina Gödecke fest, dass sie selbst nie in eine Partei eintreten würde, "die nimmt einem ja die Eltern weg", klagte sie bei ihren Freundinnen. Doch mit 16 hatte sie sich anders entschieden, da wollte sie ein eigenes Parteibuch. Ihr Vater stimmte zu, allerdings nur unter der Bedingung, dass die Schule absoluten Vorrang hat. "Erst machst du das Abitur, bevor du eine Funktion übernimmst", gab er seiner Tochter mit auf den Weg.

    Zur rechten Zeit am rechten Ort

    Carina Gödecke hielt sich dran und absolvierte nach und nach die Ochsentour der Parteikarriere. Erst übernahm sie die Aufgaben, die niemand machen wollte, sie kassierte die Beiträge, sie führte in den Vorstandssitzungen Protokoll. Dann wurde sie erst zur stellvertretenden, dann zur Ortsvereinsvorsitzenden gewählt, 1989 - da war sie gerade 31 Jahre alt - als drittes Mitglied der Familie auch in den Rat der Stadt. Ihre Wahl in den Landtag verdankt sie der Neuordnung der kommunalen Führungsebene: Weil der damalige Bochumer Oberbürgermeister Ernst- Otto Stüber als Stadtoberhaupt nicht mehr dem Landtag angehören konnte, wurde ein Wahlkreis frei und Carina Gödecke konnte antreten.
    Viele Zufälle hätten bei ihrer politischen Karriere eine Rolle gespielt, sie sei halt immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Dass sie mit Kompetenz, Einsatz und Intelligenz auch meist das Richtige gemacht hat, verschweigt sie aus Bescheidenheit. Als sie nach ihrer Wiederwahl im Jahr 2000 beim damaligen Fraktionsvorsitzenden Edgar Moron vorstellig wurde und verlangte, jetzt müsse eine Frau aus dem Bezirk Westliches Westfalen auf einen Stellvertreterposten gewählt werden und die Parlamentarierinnen hätten sie vorgeschlagen, hatte sie keinen Erfolg. Moron hatte anderes mit ihr im Sinn: Carina Gödecke wurde Parlamentarische Geschäftsführerin und blieb auf diesem Posten zehn Jahre - so lange wie niemand vorher und, wie sie glaubt, auch niemand nach ihr.
    Nach den ersten Sitzungswochen als Landtagspräsidentin ist von Lampenfieber nichts mehr zu spüren. Souverän, freundlich, aber auch bestimmt, wies sie Kraft nach ihrer Wiederwahl zur Ministerpräsidentin darauf hin, dass es ihr selbstverständlich frei stünde, auf ihrem Abgeordnetenstuhl Platz zu nehmen, dass sie sich jetzt aber wieder in der Regierungsbank neben dem Präsidentenpodest niederlassen könne. Gödecke wirbt für ein selbstbewusstes Parlament und verweist auf zahlreiche Entscheidungen oberster Gerichte des Bundes und der Länder, die die Position von Bundestag und Landtagen gegenüber den jeweiligen Regierungen deutlich gestärkt haben. Als langjährige Gewerkschafterin hat sie dafür ein Beispiel aus der Arbeitswelt: So wie es für jede Unternehmensführung gut ist, wenn ihr ein starker Betriebsrat gegenübersteht, so ist es für jede Regierung gut, wenn sie ein starkes Parlament als Gegenüber hat.
    Mit etwas mehr Freizeit, von denen sie nach den zehn arbeitsintensiven Jahren als Parlamentarische Geschäftsführerin geträumt hat, wird es in diesem Jahr wohl nichts mehr werden. Das sieht man, wie sie sorgenvoll gesteht, mittlerweile ihrem Garten an, den sie zwar sehr liebt, in dem es aber derzeit ganz schlimm aussieht. Vielleicht können dann die Enkelkinder - das älteste ist sieben - beim Unkraut jäten helfen.
    Peter Jansen

    ID: LI120715

  • Porträt: Dr. Fritz Behrens (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 25.01.2012

    Fritz Behrens erinnert sich noch genau an den Tag, als ihn die Polizei suchte. Es war Anfang Juli 1995, und er, der designierte NRW-Justizminister, war mit seiner Familie zum Campingurlaub aufgebrochen, obwohl die Regierungsbildung nach der Landtagswahl noch nicht abgeschlossen war. Johannes Rau tat sich schwer mit dem Personaltableau für sein neues Kabinett, weil er auch die Grünen berücksichtigen musste.
    Familie Behrens aber wollte weg. Auf der A 61 hörte sie, wie der Verkehrsfunk im Radio das Kennzeichen ihres Autos durchgab und bat, sich bei der Polizei zu melden. Dann schwebte ein Hubschrauber über seinem Wagen mit dröhnendem Megaphon. Behrens fuhr raus und wurde an die Staatskanzlei verwiesen. Dort erfuhr er, dass Rau sich entschieden hatte. "Wir haben dann Familienrat gehalten, mit Frikadellen auf der Raststätte", erzählt Behrens. Er versprach seiner Frau und seinen beiden Kindern, dass sie eine Woche später in Urlaub fahren würden. Rau war freilich dafür bekannt, sich gern Zeit zu lassen. Aber am 17. Juli bekam der angehende Minister seine Ernennungskurkunde und eilte in den Urlaub.
    Fritz Behrens kann viele solcher Anekdoten erzählen, aus denen sich einiges lernen lässt: über die Beharrlichkeit und Ungeduld von Behrens, über die Entscheidungsfreude von Rau und welche großen Hebel mitunter die Politik in Gang setzt, um etwas zu erreichen. Der 63-jährige Neusser ist früh mit diesen Hebeln in Berührung gekommen. Zunächst schien er als Student der Rechts- und Staatswissenschaften wegen exzellenter Noten prädestiniert zu sein für eine Karriere als Richter. 1976 promovierte er zum Zukunftsthema "Rechtsgrundlagen der Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaften". Auf den ersten Blick sah man ihm seinen Werdegang nicht an, weil er einen verwegenen dichten Bart trug. "Ich sah aus, als ob ich bei den ,Saints’ Beatmusik machen würde", erzählt Behrens. So hieß damals seine Band, in der er den Bass zupfte.
    Neben der Juristerei lockte ihn die Politik immer stärker. Bereits mit 23 Jahren trat Behrens in die SPD ein. Der gebürtige Göttinger lernte in seinem Referendariat die Staatskanzlei der niedersächsischen Landesregierung unter Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) kennen. Dann stieß er auf eine Stellenanzeige der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei, deren politische Ausrichtung ihm entsprach. Gleich nach seinem zweiten Staatsexamen wechselte Behrens in die Abteilung für Ressortkoordination und politische Planung nach Düsseldorf.
    Zum damaligen Chef der Staatskanzlei Herbert Schnoor entwickelt er ein besonderes Vertrauensverhältnis. Behrens wurde dessen persönlicher Referent und wechselte mit ihm ins Innenministerium. Rau berief Behrens dann 1983 zu seinem Büroleiter. 1986 wurde er zum Düsseldorfer Regierungspräsidenten und 1995 zum Justizminister ernannt. Als Clement drei Jahre später die Nachfolge von Rau antrat, übernahm Behrens eine unter Verfassungsrechtlern umstrittene Ressortkombination: Er wurde Minister für Inneres und Justiz, freilich nur für wenige Monate, weil der Verfassungsgerichtshof NRW nach einer CDU-Klage monierte, dass der Landtag bei dieser wichtigen Entscheidung hätte miteinbezogen werden müssen. Behrens übernahm das Innenressort, ein Krisenjob, wie sich bald herausstellte. Das Jahr 2000 ist ihm in besonderer Erinnerung: ermordete Polizisten, Bombenexplosion an der S-Bahn-Station Düsseldorf-Wehrhahn, Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge, Castortransporte, die Debatte um das NPD-Parteiverbot. Behrens absolvierte Sondersitzungen mit den Amtskollegen und musste Oppositionskritik abwehren. "Das Ministerium kümmert sich intensivst um die Sicherheitslage in diesem Lande", betonte er damals im Landtag. Auch künftig werde man "bei Schutzmaßnahmen aller Art, auch den schärfsten, Anschläge nicht ausschließen können". Kaum ein Jahr später geschahen die Terroranschläge des 11. September.
    Zugleich verschlechterte sich die Lage für die SPD. Behrens ahnte früh, dass die Landtagswahl 2005 schlecht für seine Partei ausgehen wird. Nach der Niederlage kam er über die Landesliste in den Landtag. Er konzentriert sich nun auf den Vorsitz des Kulturausschusses und die Aufgabe als Präsident der Kunststiftung NRW. Eine wichtige Entscheidung hat Behrens für die nächste Legislaturperiode getroffen: Er wird nicht noch einmal für den Landtag kandidieren. Er will die anwaltliche Beratung noch ausbauen und kann sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen: "Mein Terminkalender ist voll wie zu Ministerzeiten" - sein Smartphone unterstreicht dies während des Gesprächs immer wieder mit leisem Zirpen.
    Kristian Frigelj

    ID: LI120120

  • Porträt: Marc Herter (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 28.09.2011

    Es waren außergewöhnliche Umstände, die dazu geführt haben, dass Marc Herter nach nur einem Jahr Mitgliedschaft im Landtag plötzlich in das Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Fraktion gewählt wurde, eine der wichtigsten Funktionen im Parlament. Nach dem Eklat um die geplatzte Pairingabsprache mit der CDU hatte seine Vorgängerin Britta Altenkamp ihren Rücktritt erklärt, und innerhalb weniger Tage schlug der SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Römer den 37-Jährigen aus Hamm vor, Vorsitzender der Ratsfraktion in seiner Heimatstadt, von 2000 bis 2004 Chef der Jusos in NRW und seit 2010 stellvertretender Landesvorsitzender und in der Fraktion zuständig für Kommunalpolitik.
    Die Empörung und die Aufregung, die Altenkamps Fauxpas im Sommer ausgelöst hatten, haben sich mittlerweile gelegt. Nachwirkungen in der SPD-Fraktion sind nicht zu spüren, sagt Herter, und er ist auch überzeugt, dass sich die Beziehungen zu den anderen Fraktionen wieder normalisiert haben. Zugute kommen ihm dabei seine herausragendsten Eigenschaften: seine stets gleich bleibende Freundlichkeit und Verbindlichkeit.
    Angst vor der neuen Aufgabe als oberster Fraktionsmanager hatte Herter nicht, aber Respekt, gerade weil er noch Neuling im Parlament ist. Dieser Respekt schützt ihn davor, die Arbeit hemdsärmelig anzugehen, ist er überzeugt. Neuling ist er auch nur im Landtag, nicht in der Politik. Langjähriges Engagement in der SPD-Nachwuchsorganisation und zehn Jahre an der Spitze der SPD-Ratsfraktion in Hamm waren eine harte Schule. Zudem hat Herter, wie ihm schon seine Mutter bescheinigte, "Nerven wie Drahtseile". Ihn bringt so schnell nichts aus der Ruhe und unter Zeitdruck "werde ich sogar ruhiger", hat er den Eindruck. Inhaltlich fühlt er sich ebenfalls gewappnet. "Ein Parlamentarischer Geschäftsführer muss nicht auf jedem Gebiet ein Fachmann sein", sagt Herter, "aber die zentrale Botschaft, den Kern des Problems, das sollte er schon draufhaben."
    Politisiert wurde Herter durch die Friedensdemonstrationen Anfang der 90er-Jahre. Aus Protest gegen den Golfkrieg marschierte er im kalten Winter mit vielen Gleichgesinnten durch die Innenstadt von Hamm. Er nahm sich vor, selber etwas zu tun, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, und weil er in der Friedensdemonstration die Fahne der örtlichen Jusos entdeckt hatte, schloss er sich dieser Gruppierung an. Bis er sich dann auf der ersten Ortsvereinssitzung sehen ließ, dauerte es noch einmal rund zwei Jahre, seitdem geht er aber regelmäßig zu seinen Parteisitzungen. Seine Eltern waren zwar politisch interessiert, tolerant und gesellschaftlich eher liberal, aber nicht parteipolitisch gebunden. Als wichtigste Maxime gaben sie ihm schon als Schüler mit auf den Weg, niemanden zu verachten, weil er wenig Geld hat und sich keine Markenklamotten leisten kann.
    Herter ist mit Leib und Seele Landespolitiker. "Landespolitik wird weithin unterschätzt", bedauert er, dabei nehme ihre Bedeutung eher zu. Als Beispiele nennt er die Bildungspolitik und die Politik für die Kommunen. "Hier fallen wichtige Entscheidungen, die unmittelbaren Einfluss auf das Leben vor Ort haben." Natürlich sei jedes Land auch auf den Bund angewiesen, aber jedes Land habe viele Schaltstellen, um Politik selbst zu gestalten und gerade ein großes Bundesland wie NRW könne überall mitreden und in vielen Fällen auch mitentscheiden.
    Als sein größtes politisches Ziel in der Landespolitik bezeichnet es Herter, die Kommunen finanziell so auszustatten, dass sie wieder selbstständig handeln und gestalten können, "da komme ich aus meiner kommunalpolitischen Haut nicht heraus". Dabei ist die Hilfe für die Kommunen in seinen Augen nicht nur eine materielle Frage, "da geht es darum, wie wir die Demokratie in den Kommunen stärken". Daneben steht für das Kind des Ruhrgebiets, das eine der letzten noch arbeitenden Zechen jeden Tag vor Augen hat, "die immerwährende Herausforderung Strukturwandel in NRW, das gilt seit mehr als 40 Jahren". Die Landespolitik müsse Motor dieses Wandels sein. Als Beispiele für Handlungsfelder nennt er die Industriepolitik und die berufliche Qualifikation junger Menschen.
    Für Hobbys bleibt seit der Übernahme des Geschäftsführerjobs noch weniger Zeit als früher. Wenn es eben geht, setzt sich Herter am Wochenende auf sein Rennrad und tankt beim Radeln wieder Kraft für die nächste Arbeitswoche.
    Peter Jansen

    ID: LI110922

  • Porträt: Norbert Römer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 30.03.2011

    Eigentlich steht Norbert Römer ständig im Schatten der Landesregierung. Sobald sich Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zu Wort meldet, wird sie als maßgebliche Stimme der Sozialdemokraten wahrgenommen und der SPD-Fraktionschef verblasst. Er teilt dieses Schicksal mit früheren Vorsitzenden der größten Regierungsfraktion. Es gibt nur selten Chancen, sich zu profilieren. Vor wenigen Wochen wurde diese politische Regelmäßigkeit jedoch durchbrochen. Römer bestimmte die Schlagzeilen, als er drohte, die SPD werde "die Wähler befragen", also Neuwahlen beantragen, falls die Opposition auch gegen den Haushalt 2011 vor dem Landesverfassungsgericht klagt. Frau Kraft unterstützte den überraschenden Vorstoß. Freilich ist koalitionsintern umstritten, dass Römer die Eskalationsmaschine so früh aktiviert hat und aufgeregter denn je über Neuwahlen spekuliert wird. Dass Römer wenig später damit kokettierte, der reguläre Wahltermin am "Muttertag 2015" sei ihm der genehmste, offenbart wiederum die politische Chuzpe des 64-Jährigen. Er gilt als fleißiger und loyaler Helfer der Ministerpräsidentin. Norbert Römer war einer der wenigen, die Frau Kraft als Oppositionsführerin in der vergangenen Legislaturperiode frühzeitig in ihr Vertrauen zog. Er ist ein verschwiegener Ratgeber, jemand, der sich auskennt mit den Mechanismen der Politik, der Gewerkschaften und der SPD. Sein recht später Aufstieg in der Politik war nicht zu erwarten gewesen, denn er konnte in der Partei die schnellen Wege nicht gehen. Der gebürtige Herner hoffte im Jahre 2000 auf einen Einzug in den Landtag, scheiterte damals mit einer Sondernominierung für einen sicheren Listenplatz. Immerhin ein wichtiges Signal für das nächste Mal war gesetzt. 2002 wurde er Vorsitzender des einflussreichen SPD-Bezirks Westliches Westfalen, 2004 Schatzmeister des SPD-Landesverbandes. Ein Jahr später kam Römer über Listenplatz 2 ins Parlament und musste sich an Oppositionsarbeit gewöhnen, weil die CDU nach 39 Jahren die Landtagswahl gewonnen hatte. Der Vater eines erwachsenen Sohnes hat gelernt, dass sich Geduld auszahlt. Er kommt immerhin aus einer Branche, die von ihrem ungeheuren Beharrungsvermögen profitiert, dem Steinkohle-Bergbau. Seine Eltern stammen aus Bergmannsfamilien. Er selbst arbeitete nicht unter Tage wie sein Vater, sondern ließ sich in der Verwaltung seiner Heimstadt Castrop-Rauxel zum Verwaltungsbeamten ausbilden und volontierte bei der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Dann wechselte er zur Presseabteilung der Bergbaugewerkschaft IGBE, später IGBCE, wurde Pressesprecher, Chefredakteur, Gewerkschaftssekretär. Römer hat sich vor allem einen Namen gemacht mit seinem Einsatz für den Erhalt der heimischen Steinkohleförderung. Er propagiert trotz des Ausstiegsbeschlusses einen Sockelbergbau und bleibt unerschütterlich in dem Glauben, dass die deutsche Steinkohle irgendwann wettbewerbsfähig wird. Er sieht den teuer erkauften behutsamen Strukturwandel als großes soziales Verdienst und ärgert sich über die "Schlaumeier in den Elfenbeintürmen der Wissenschaft, manchmal auch in den Zeitungsstuben", die meinen, es hätte schneller gehen müssen. Vor einiger Zeit traf Römer einen Journalisten, der jemanden mit den Worten zitiert hatte, der Bergbau sei tot. Römer entgegnete ihm beim Händedruck: "Der Bergbau lebt. Glückauf."
    Sein neues Projekt ist die rot-grüne Minderheitsregierung. Eine Stimme fehlt den Koalitionsfraktionen bis zur absoluten Mehrheit, also muss die relative Mehrheit gegenüber CDU und FDP genutzt werden. Das erfordert viel Feinjustierung und Selbstdisziplin. Römer verkörpert die konservative SPD, bezeichnet sich als "Antikommunisten". Er hält wenig von der Linken-Fraktion, weiß aber, dass deren Stimmverhalten für Rot-Grün entscheidend ist. Nur sagt er das nicht so, sondern: "Wir reden mit der Linkspartei genauso wie mit den anderen." Er hat sich mit den Grünen arrangiert und trägt die Ökologisierung der SPD mit, auch wenn er kritisch beäugt, dass dem Klimaschutz absoluter Vorrang eingeräumt werden soll. Der pragmatische, umgängliche Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen erleichtert ihm die gemeinsame Herausforderung, einen parlamentarischen Schutzschild für die Landesregierung zu bilden. Eine funktionierende Abwehr scheint nötiger denn je, seitdem das Landesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt 2010 mit seiner übermäßigen Verschuldung für verfassungswidrig erklärt und die Landesregierung eine schwere Niederlage erlitten hat. Römer verteidigt unbeirrt die Leitlinie der Ministerpräsidentin. Er hat sich wieder in ihren Schatten gestellt, aber man sieht ihn jetzt deutlicher als vorher.
    Kristian Frigelj

    ID: LI110420

  • Politiker mit Ecken und Kanten.
    Nachruf auf Karl Josef Denzer (SPD), Landtagspräsident a. D.
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 23.02.2011

    "Kinder, macht doch kein Theater. Also wirklich: Ich möchte nichts". So blieb es beim Blumenstrauß, als Karl Josef Denzer 1990 nach fünf Jahren aus seinem Amt als Präsident des Landtags verabschiedet wurde. Denzer war 65 Jahre alt und verließ die politische Arena. Was anderen in der Politik nicht gelingt, er schaffte es. 20 Jahre für die SPD als Landtagsabgeordneter, die fünf letzten als Präsident, jetzt kam der Ruhestand. Denzer schaffte den Übergang ohne Entzugserscheinungen.
    Typisch Denzer. Er mochte es nicht, Aufhebens von seiner Person zu machen. Er war bescheiden, aber kein Leisetreter. Wenn es um etwas zu kämpfen galt, konnte er hartnäckig, ja stur sein wie die Menschen seiner ostwestfälischen Wahlheimat. Seine richtige Heimat - er stammte aus Trier - machte ihn zum Kompromiss fähig. Das Streben nach Konsens ließ den Politiker und Präsidenten Denzer nicht konturlos werden. Er behielt seine Ecken und Kanten und scheute nicht das klare (und manchmal schnelle) Wort. Feind und mitunter auch Freund vergrault? Denzer sorgte dafür, dass dieser Zustand nicht lange anhielt.
    "Jupp", wie ihn seine Genossen und Freunde diesseits und jenseits der Grenzen der politischen Lager riefen, war impulsiv, spontan und aufrichtig. Er war andererseits verlässlich, hartnäckig, pflichtbewusst wie konsequent. Da sollte sich niemand von seiner Kumpelhaftigkeit täuschen lassen. Das war manchmal nur Fassade, Denzer konnte auch anders.
    Ziemlich rasch nach der Präsidentenwürde kam die Bürde, die dieses Amt für seine Inhaber bereit hält. Ein halbes Jahr nach seiner Wahl zum Präsidenten des 10. Landtags musste Denzer die Erhöhung der Diäten der Abgeordneten vertreten und begründen. Es gehe hier weder um einen Selbstbedienungsladen noch um eine Weihnachtsbescherung für die Abgeordneten, erklärte forsch der frisch gebackene Präsident. Er sehe sich bei diesem Thema nicht in eine Verteidigungsposition gedrängt, "denn wir haben nichts zu verbergen und brauchen weder Kritik noch Diskussionen zu scheuen, solange wir in eigener Sache für jeden durchschaubar handeln". Nur eben in eigener Sache - dieses Verfahren werde "nicht nur in der Öffentlichkeit oft als unglücklich empfunden", räumte Denzer selbstkritisch ein.
    War hier gegenüber der veröffentlichten Meinung erfahrungsgemäß kein Blumentopf zu gewinnen, Denzers Amtszeit insgesamt war interessant und hatte ihre Höhepunkte und Leistungen. Er und der Landtag gestalteten Politik in der aufregenden Zeit der beginnenden deutschen Wiedervereinigung.
    Der Föderalismus der Bundesländer bekam ein neues Gesicht im Zuge des deutschen Einigungsprozesses. Um hierzulande und in Europa die Position der Länder zu stärken und Kompetenzen einzufordern, unterstützte Denzer als Parlamentspräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslands nach Kräften die Arbeit der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Länderparlamente: "Wir wollen ein föderatives Deutschland in einem bürgernahen Europa der Regionen", fasste er in seiner Bilanz der Amtszeit Ende Mai 1990 im Plenum sein politisches Credo zusammen.
    In diesem Rückblick ohne Wehmut, aber mit Stolz und Selbstbewusstsein ging Denzer auf einen anderen Höhepunkt seiner Amtszeit ein, den Umzug des Landtags in sein neues Haus. Man kann nicht sagen, dass er einer der glühendsten Verfechter der Neubaupläne war. Aber ihm oblag es, diesen Umzug zu organisieren und zum Erfolg zu bringen - und so quasi nebenbei eines seiner wichtigsten Anliegen umzusetzen, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten.
    In seiner letzten Rede verabschiedete sich der Präsident vom Landtag. Er erinnere sich nicht nur an eine befriedigende politische Tätigkeit und an zahlreiche bewegende politische Ereignisse, resümierte Denzer, "sondern auch - und dies ganz besonders - an die Begegnung mit vielen Menschen, die mir Hilfe und Unterstützung, menschliche Wärme und freundschaftliche Zuneigung gegeben haben". Zu solchen Tugenden war auch Karl Josef Denzer fähig. Jetzt ist er im Alter von 85 Jahren gestorben.
    Jürgen Knepper

    ID: LI110324

  • Porträt: Carina Gödecke (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 9 - 14.10.2010

    Carina Gödecke lächelt und blickt verschwörerisch, so als berge ihr neues Büro ein Geheimnis. "Kommen Sie, ich zeige Ihnen was", sagt sie und drückt an der Holzwand eine Klinke herunter. Hinter einer unscheinbaren Tür wird ein winziges Badezimmer sichtbar, mit Duschkabine und blitzblank geputzten Fliesen. Die Bochumerin entdeckt immer noch Neues im Rundbau am Rheinufer, obwohl sie dem Parlament seit 15 Jahren angehört.
    Die 51-Jährige kennt ansonsten sämtliche Gänge, Nischen, die langen und die kurzen Dienstwege. Sie hat noch erlebt, wie die SPD die "Kaffeeklappe" besetzt hielt. Sie kennt die Ausläufer jener legendären sozialdemokratischen Hochzeiten. Nach der Wahlniederlage 2005 musste sie auch die Ohnmacht der Opposition kennenlernen. Nun hat Rot-Grün die Regierungsgeschäfte dieses Jahr wieder übernommen, und es öffnete sich eine besondere Tür für die Sozialdemokratin. "Jawohl, Carina Gödecke aus der Kolonie Vollmond in Bochum-Laer ist jetzt Vizepräsidentin", schreibt sie im Juli auf ihrer Homepage. Bei den Präsidiumswahlen habe sie das beste Ergebnis bekommen - 161 von 181 Stimmen. Stolz schwingt in jeder Zeile mit.
    Gödecke ist zufrieden, was aus ihr, jenem kleinen blonden Mädchen, geworden ist, das 1962 mit seinen Eltern aus Hessen in die Opel-Stadt Bochum kam. Sie erzählt in ihrem Büro, dass sie zum ersten Mal ihr Vorwärtskommen genau geplant habe, denn bisher sei vieles in ihrem Leben zufällig auf sie zugekommen. Weit vor der Landtagswahl begann sie also zu überlegen, welche politische Aufgabe sie beruflich noch reizen könnte. Rasch geriet das Landtagspräsidium in ihr Blickfeld, denn für sie gilt das als Krönung einer parlamentarischen Laufbahn. Seit dem Jahre 2000 schuftete sie als Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion, gönnte sich kaum Freizeit. Solche Kärrnerarbeit belastet Knochen und Seele, auch bei einem so belastungsfähigen und fleißigen Menschen. Wer Gödecke in den vergangenen Jahren begegnete, der sah eine diskrete Parlamentarierin, die sich allenfalls zum Lächeln einer Thebanerin hinreißen ließ und unausgesprochen verkündete: Ich weiß alles, aber ich sage nichts. Sie wirkte für Außenstehende unnahbar, galt aber in der Fraktion als kommunikative Kümmererin. "Ich bin niemand, der Mauern um sich herum aufbaut", sagt sie. Freilich zwang ihre Aufgabe sie immer wieder zu einer gewissen Distanz. "Sie sind ein Stück weit einsam, Sie gehören keiner Clique an", sagt Gödecke. Sie musste dem Fraktionsvorstand den Rücken freihalten, aber auch auf die Stimmung in der Fraktion eingehen. Sie versuchte, Konflikte zu erahnen, ehe diese aufloderten, und instruierte die Kollegen eindringlich vor Debatten und Abstimmungen.

    Regieanweisungen

    Längst gilt sie parteiübergreifend als Koryphäe in parlamentarischen Verfahrensfragen. Nur einen Plenartag hat sie in den vergangenen zehn Jahren verpasst, da musste sie am Rücken operiert werden. Es war Donnerstag, der 10. September 2009. Vorsorglich hatte sie in die Tagesordnung "Regieanweisungen" für die Fraktion eingetragen. Es ging alles gut. Kurz zuvor hat einer ihrer Mitarbeiter noch eine andere Tür aufgestoßen und sie ermuntert, ihre Gedanken für die eigene Homepage niederzuschreiben. Seitdem existiert die Rubrik "Gödeckes Woche", die jeden Sonntag von der Ich-Erzählerin fortgeschrieben wird. Hier erlebt man Gödecke gewissermaßen ganzheitlich, nicht nur als Politikerin. Sie wird mitunter sehr privat und schreibt darüber, wie ihre hoch betagte Mutter Johanna allein immer schwerer zurechtkam und in einem Pflegeheim ein neues Zuhause fand. Sie berichtet über ihre Rückenprobleme und die leidigen Arzttermine. Regelmäßig tauchen ihr Lebensgefährte Heinz-Martin, dessen Kinder und Enkel in den Einträgen auf. Gödecke genießt ihre erweiterte, neue Familie, die sie nach der Trennung von ihrem Ehemann hinzugewonnen hat. Und oft klagt sie über die chronische Schwäche ihres VfL Bochum. Aus den aktuellen Wochenberichten erfährt man, dass Gödecke sich mit perfektionistischer Leidenschaft auch auf das neue Amt der Vizepräsidentin konzentriert. "Ich war zumindest ganz zufrieden mit mir. Zumal ich eine weitere Premiere erleben durfte: die Fragestunde. Das ist schon so was wie die hohe Kunst der Sitzungsleitung. Aber, "Feuertaufe" bestanden ohne Murks zu machen oder Mist zu verzapfen", schreibt Carina Gödecke Anfang Oktober in ihr Tagebuch. Sie freut sich, dass sie nun auch Gespräche am Rande des Plenums führen kann und nicht mehr auf alles Acht geben muss - endlich Zeit, neue Türen zu öffnen.
    Kristian Frigelj

    ID: LI100926

  • Porträt: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 8 - 29.09.2010

    Bislang hat Hannelore Kraft noch nicht einmal die Zeit gefunden, ihr neues Büro in der zehnten Etage der Staatskanzlei nach ihren eigenen Vorstellungen auszustatten. Das riesige Büschel Anturien und die üppig wuchernde Graspflanze hat Vorgänger Jürgen Rüttgers hinterlassen. Von ihr stammen lediglich ein paar Bücher im Regal, ein Foto von Johannes Rau, das ihr dessen Witwe mit ein paar liebevollen Grüßen zugeschickt hat und ein Bild der Familie. Für die künstlerische Ausgestaltung sollen jetzt Kinder und Jugendliche des Landes sorgen: das Gewinnerbild eines landesweiten Wettbewerbs findet seinen Platz im Arbeitszimmer der Ministerpräsidentin.
    Seit dem 14. Juli ist die 49-jährige Bankkauffrau, Diplomökonomin und Unternehmensberaterin Ministerpräsidentin im größten Bundesland - die erste Frau an der Spitze der Landesregierung - und in dieser Zeit musste sie schon ein Wechselbad der Gefühle erleben. Am ersten Wochenende im Amt das grandiose Festival auf der A 40, wo Milllionen von Menschen zwischen Duisburg und Dortmund fröhlich und friedlich feierten, am zweiten Wochenende das tragische Unglück auf der Loveparade in Duisburg mit 21 Todesopfern. Mit ihrer einfühlsamen und bewegenden Rede auf der Trauerfeier für die Opfer in der Salvatorkirche hat die Mutter, deren 17-jähriger Sohn selbst zu den Besuchern der Loveparade gehört hatte, vielen Menschen aus dem Herzen gesprochen.
    Kraft hat in ihrem neuen Amt die Bodenhaftung nicht verloren. Wie schon seit Jahren hat sie den Sommerurlaub mit Mann und Sohn in der Sportschule im sauerländischen Sundern verbracht; wenn es die Zeit zulässt, geht sie am Wochenende noch selber einkaufen. Die ohnehin schon knappe Freizeit wird durch das neue Amt natürlich weiter eingeschränkt. Auch als Oppositionsführerin und SPD-Landesvorsitzende war sie nahezu jedes Wochenende unterwegs. Aber selbst die "Tatkraft"-Tage, an denen sie im Wahlkampf einmal monatlich in einem Betrieb oder einer sozialen Einrichtung mitgearbeitet hat, will sie als Ministerpräsidentin fortführen. Und wenn es ihr Terminkalender zulässt, sieht man sie weiterhin mittags in der Kantine des Landtags - zwischen Abgeordneten und Mitarbeitern, wie in den letzten Jahren auch.

    Ziele

    Kraft hat im Jahr des Wahlkampfs, des - wenn auch mehr gefühlten - rot-grünen Wahlsiegs und der Regierungsübernahme an Ansehen gewonnen, in den eigenen Reihen der SPD des Landes und des Bundes, auch bei ihrem Bündnispartner, den Grünen, und vielleicht sogar auch beim politischen Gegner. Vor allem die Art, in der sie die wochenlangen Sondierungen mit den Linken, mit der CDU und mit der FDP geführt und zu einem Ergebnis gebracht hat, mit dem kaum jemand rechnen konnte, hat ihr in eigenen Reihen einiges an Anerkennung eingetragen. Daran änderte auch nichts, dass sie vor der Entscheidung, mit den Grünen eine Minderheitsregierung zu bilden, zunächst zurückschreckte und vom kleineren Koalitionspartner sowie von ihren Genossen in Berlin sanft gedrängt werden musste. Ein Interview des NRW-FDP-Vorsitzenden Andreas Pinkwart, in dem er die Koalition mit der CDU mit dem Wahltag für faktisch beendet erklärte, lieferte dann aus ihrer Sicht den willkommenen Anlass, das Wagnis einer Regierung ohne Mehrheit einzugehen.
    Gut zweieinhalb Monate nach ihrer Wahl ist Kraft unverdrossen zuversichtlich, dass die Minderheitsregierung, die sie leitet, stabiler und langlebiger ist, als viele ihr jetzt zutrauen. Dabei setzt sie auf eine neue Kultur im Parlament, die Debatten und Auseinandersetzungen sollen nicht wie gewohnt als ritualisierter Streit zwischen Koalition und Opposition ablaufen. Gemeinsam, so ihre Vorstellung, sollen alle Fraktionen nach den besten Lösungen für NRW suchen . "Koalition der Einladung" nennt sie das und hofft, dass es vielleicht mal ein Modell werden könnte. Dass die ersten Reaktionen aus den Reihen von CDU und FDP eher kritisch und skeptisch bis strikt ablehnend ausfallen, darf sie allerdings nicht wundern. Schließlich haben Rote und Grüne in ihren ersten Gesetzentwürfen ihre Wahlversprechen eingelöst und unter anderem die Abschaffung von Studiengebühren und Kopfnoten beschlossen - Reformen, die die alte schwarz-gelbe Koalition unter erheblichem Kraftaufwand durchgesetzt hatte und deren Abschaffung sie jetzt verständlicherweise nicht jubelnd begleitet. Aber Kraft registriert auch andere Signale. So haben alle Fraktionen die Einladung ihrer grünen Stellvertreterin und Schulministerin Sylvia Löhrmann angenommen, auf einem "Bildungsgipfel" darüber zu debattieren, ob es Chancen für eine von allen Parteien akzeptierte neue Schulstruktur in Nordrhein-Westfalen gibt.
    Kraft sitzt am Anfang einer Legislaturperiode, von der niemand weiß, wie lange sie dauern wird, parteiintern fester im Sattel denn je. In der SPD ist kein Wort der Kritik über sie zu hören. Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, dass sie im Mai geschafft hat, was noch ein halbes Jahr zuvor als so gut wie ausgeschlossen galt: Sie hat ihre Partei nach nur fünf Jahren in der Opposition wieder in die Regierung gebracht. Auch auf Bundesebene hat Krafts Wort an Gewicht gewonnen, als Ministerpräsidentin des größten Bundeslands und eine von vier Stellvertretern des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel findet sie zunehmend Gehör über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinaus.
    Peter Jansen

    ID: LI100820

  • Porträt: Edgar Moron (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 10.03.2010

    "Ich geh‘ lieber freiwillig, bevor die Leute fragen, was will der alte Kerl da noch." Edgar Moron, Landtagsvizepräsident, Vorsitzender der SPD-Fraktion von 2000 bis 2005, Abgeordneter seit 1990 und zumindest landespolitisches rotes Urgestein, findet, nun sei es genug. "Mein Lebensalter sagt mir deutlich, ich soll das Mandat Jüngeren überlassen", er will nach der Landtagswahl mehr Zeit mit Frau, Kindern und den beiden Enkeln verbringen, häufiger die Ferienwohnung in Südtirol aufsuchen, um dort zu wandern und Mountainbike zu fahren sowie seinen Hobbys Fotografieren und Briefmarken sammeln nachzugehen.
    In zwei Jahrzehnten als Sozialdemokrat im Landesparlament hat Moron alles erlebt und mitgemacht: unter Ministerpräsident Johannes Rau die absolute Mehrheit, als sich die SPD-Fraktion oft bis in die Nacht um den richtigen Weg stritt, unter Rau und seinen Nachfolgern Wolfgang Clement und Peer Steinbrück die rot-grüne Koalition, die immer wieder mal auf der Kippe stand und unendlich schwierige und langwierige Abstimmungsprozesse erforderte. Die letzten fünf Jahre dann auf der harten Oppositionsbank und dem vergleichsweise bequemen Sessel des Vizepräsidenten, ein, wie er selbst sagt, "weniger anstrengender Ausklang".
    In den 20 Jahren haben sich nicht nur die Mehrheitsverhältnisse im Landtag verändert, auch die heutige Atmosphäre unterscheidet sich erheblich vom Klima in den 90er-Jahren. "Früher war es kumpelhafter", sagt Moron, man habe auch außerhalb der Sitzungen mal zusammengesessen, um ein Bier zu trinken. Und wenn Loke Mernizka, schwerstgewichtiger SPD-Abgeordneter aus dem Siegerland, seine Gitarre dabei hatte, dann wurden in der legendären "Kaffeeklappe" Arbeiter- und Studentenlieder gesungen.
    Am stärksten beeindruckt war Moron in seiner langen Parlamentszugehörigkeit von Johannes Rau, "er war sowohl menschlich wie politisch eine herausragende Persönlichkeit". Auch in den anderen Parteien fand er Politiker, die einen nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht haben, etwa den Sozialpolitiker Hermann-Josef Arentz oder den Verkehrspolitiker Heinz Hardt bei der CDU, Jürgen Möllemann von der FDP, der trotz mancher Schwächen eine "ganz besondere Person" gewesen sei, oder Michael Vesper von den Grünen, mit dem es immer zu diskutieren gelohnt habe. Moron selbst hatte seinen beeindruckendsten und nachhaltigsten Auftritt im Parlament am 13. November 2008 in einer Debatte über den angeblichen Flirt der SPD mit der Linkspartei. In einer fulminanten Rede wies er die Vorwürfe zurück, die Sozialdemokraten verrieten ihre Grundsätze. "Noch heute erhalte ich E-mails zu dieser Rede" und selbst Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), der an der Sitzung nicht hatte teilnehmen können, ist später auf Moron zugegangen und hat ihm ein Kompliment für die "tolle Rede" ausgesprochen.
    Zur Politik gefunden hat der in Berlin aufgewachsene Moron durch seine Schulleiterin, eine von den Nazis verfolgte Sozialdemokratin, die im KZ Sachsenhausen gesessen hatte. Sie hat sein Interesse geweckt und mit dazu beigetragen, dass er in Berlin Politik- und Sozialwissenschaften studierte, "sehr zum Unwillen meiner Mutter, der etwas Seriöses lieber gewesen wäre".
    Mit der SPD hatte der junge Student nicht viel am Hut, sie war ihm in Berlin in der Zeit der Studentenproteste schlicht zu rechts. Erst als er 1970 einen Job bei der Bundeszentrale für politische Bildung in Köln antrat, traf er am Rhein auf eine andere, offenere, tolerantere Partei. Ein erster Versuch, in den Bundestag gewählt zu werden, ging schief. In der schwarzen Eifel hatte der rote Moron keine Chance. Doch vor der Landtagswahl 1990 brauchte die SPD einen Kandidaten für den südlichen Rhein-Erft-Kreis, wo Moron wohnt, und er holte das Mandat im ersten Anlauf.
    An seine erste Rede kann sich Moron noch ebenso gut erinnern wie an seine wichtigste, damals ging es um Ausländerpolitik und die anstehende Ausweisung einer großen Gruppe von Sinti und Roma. Der erste Auftritt am Rednerpult des Plenarsaals war vor allem deswegen schwierig, weil die SPD damals nicht so recht wusste, wie sie mit dem Problem umgehen sollte. Es gab erhebliche Differenzen zwischen dem damaligen Innenminister Herbert Schnoor und Sozialminister Hermann Heinemann. "Auf jeden Fall bin ich für die Rede gelobt worden", grinst Moron beim Rückblick, obwohl die eigentliche politische Botschaft nicht durchschimmerte. Aber das soll ja heute noch gelegentlich bei Landtagsreden nicht anders sein ... Peter Jansen

    ID: LI100322

  • Porträt: Stefanie Wiegand (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 12 - 17.12.2009

    Den Weg zur Sozialdemokratie hat Stefanie Wiegand erst zur Jahrtausendwende gefunden. Dann aber ging es für die studierte Geologin Schlag auf Schlag: Schon 2002 war die Späteinsteigerin Vorsitzende des Münsterländer Ortsvereins Südlohn-Oeding, drei Jahre danach saß Stefanie Wiegand bereits im Düsseldorfer Landtag. Eine Polit-Karriere im D-Zug-Tempo. "Mich hat in der großen Politik einiges geärgert", erinnert sich die Sozialdemokratin an erste Berührungspunkte zur Politik. "Es ist leicht zu schimpfen. Ich wollte selber etwas machen."
    Seit zwei Jahren ist die 40-Jährige Mutter der kleinen Tochter Elena. Das Sein prägt das Bewusstsein: Seit der Geburt hat Stefanie Wiegand die Schwächen im Betreuungssystem und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hautnah kennengelernt. "Ich weiß, wie es ist, wenn der gut organisierte Betreuungsplan wie ein Kartenhaus zusammenbricht", sagt die Politikerin. Wenn die Tagesmutter ausfällt, die Kita geschlossen ist oder das Kind mit 40 Grad Fieber im Bett liegt. Viele Firmenchefs und Kollegen zeigen wenig Verständnis für stornierte Termine.
    In der Lokalpolitik wie im Düsseldorfer Landtag macht sich Stefanie Wiegand deshalb stark für flexible Öffnungszeiten im Kindergarten. Schließlich kann nicht jeder Berufstätige sein Kind um 16 Uhr aus der Kita abholen. Und im Landtag hofft die Abgeordnete, dass der lange versprochene Betriebskindergarten im nächsten Jahr endlich seine Pforten öffnet. "An langen Plenartagen ist es schwierig, eine Betreuung sicherzustellen." Weil der Gatte häufig beruflich unterwegs ist, springen die Großeltern an diesen Tagen oft als Kindermädchen ein. Stefanie Wiegand will für Eltern endlich neue Wege in der Betreuung einschlagen: In der nächsten Wahlperiode möchte sie gern im Familienausschuss ihre Erfahrungen einbringen.
    Die Härten des Politikerdaseins hat die junge Politikerin im Kommunalwahlkampf 2009 erleben müssen. Mit achtbaren 47 Prozent der Stimmen unterlag die Genossin im "schwarzen" Münsterland bei der Kandidatur zur hauptamtlichen Bürgermeisterin für Südlohn und Oeding. Stefanie Wiegand nahm die Niederlage sportlich und bedankte sich bei denen, die ihr das Vertrauen geschenkt hatten. Die Chancen, den Wahlkreis bei der Landtagswahl direkt zu gewinnen, bleiben allerdings gering. Beim letzten Urnengang 2005 lag der CDU-Kandidat mit rund 62 Prozent um Längen vor der Sozialdemokratin Wiegand mit 24,5 Prozent. Die "rote Zora" geht gleichwohl auf alle Katzenhochzeiten, um bei den Wechselwählern zu punkten: "Ich verspreche aber nichts, was ich nicht halten kann." Für die nächste Wahlperiode des Landtags hat sie der eigene Wahlkreis bereits nominiert - Stefanie Wiegend hofft nun auf einen aussichtsreichen Listenplatz. 2005 zog die Liste bis Platz 44. Punktlandung: Wiegend hatte Listenplatz 44. Erst am späten Abend stand der Einzug in den Landtag nach langer Zitterpartie fest.
    Für die Reiterei findet die Pferdebesitzerin im Dauerstress zwischen Südlohn und Düsseldorf zum eigenen Leidwesen nur noch einmal in der Woche Zeit. In ihrer neuen Heimat Südlohn fühlt sich die in Hattingen geborene Politikerin aber pudelwohl. "Der Menschenschlag im Münsterland ist schnell per Du, ist spontan und offen." Als Mitglied des Petitionsausschusses im Landtag bleibt Stefanie Wiegand geerdet. "Ich mache das mit Leib und Seele, weil ich nahe bei den Menschen bin. Die Arbeit holt einen immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück." Und im Umweltausschuss kann die Geologin ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse einbringen. Auch wenn der Ausschuss nur wenig mit ihrem Spezialgebiet Lagerstättenkunde für die Erdöl- und Erdgassuche zu tun hat.
    Stefanie Wiegand vertritt den Wahlkreis 78 Borken II. Der letzte Sozialdemokrat, der in diesem Sprengel den Sprung in den Landtag schaffte, war Walter Werner. Der war bis 1958 Mitglied des Landtags. Elf Jahre später wurde die aktive SPD-Politikerin geboren. Nach 47 Jahren Abstinenz hatte Borken II im Jahr 2005 endlich wieder eine SPD-Abgeordnete. Am Muttertag im Mai 2010 will Stefanie Wiegand verhindern, dass der heimische Wahlkreis eine neue Ära ohne eigenen Genossen in Düsseldorf erleiden muss.
    Wilfried Goebels

    ID: LI091221

  • Porträt: Wolfgang Röken (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 07.10.2009

    "Als ich 1995 mit 52 Jahren mein Landtagsmandat angetreten bin, habe ich gesagt: Ich werde die Welt nicht verändern und nicht den Düsseldorfer Himmel stürmen. Ich werde aber an den kleinen Dingen drehen."
    Auch fast anderthalb Jahrzehnte später ist Wolfgang Röken noch immer sehr präzise präsent, mit welchen Gedanken er seinerzeit den Wechsel von der Kommunal- in die Landespolitik vollzogen hat. Nun stehen ein solch offenes Bekenntnis zu Bescheidenheit sowie die Einsicht in die Begrenztheit persönlichen Einflusses und politischen Handelns prinzipiell jedem Menschen gut zu Gesicht. Doch bei allem Understatement ist es ebenso so richtig festzuhalten, dass der Gladbecker Sozialdemokrat bereits in seinem kommunalen Politikerleben eine durchaus respektable Erfolgsbilanz aufzuweisen hat. "Richtig gepackt worden durch die Politik bin ich eigentlich durch den Kampf um die Selbstständigkeit Gladbecks", erinnert sich Röken an seine politischen Anfänge zurück. Die liegen darin, dass Röken es sich zugute schreiben lassen darf, als einer der Akteure Mitte der 70-Jahre GlaBotKi und GlaGelsKi mit verhindert und maßgeblich den Weg für die Eingliederung seiner Heimatstadt Gladbeck in den Kreis Recklinghausen geebnet hat. Inzwischen sind diese beiden Kunstwörter, die für die ungeliebte Zusammenlegung der Städte Gladbeck, Bottrop und Kirchhellen bzw. später Gladbeck, Gelsenkirchen und Kirchhellen stehen, zwar längst auf dem Müllhaufen der Landesgeschichte gelandet. Wer jedoch die harten politischen und juristischen Auseinandersetzungen in NRW erlebt hat, erinnert sich genau, welche gewaltigen Emotionen dieses Thema damals freigesetzt hat und Wanne-Eickeler und Wattenscheider noch heute in Wallung bringt. Bei seinem Parteieintritt 1970 hatte der nach dem frühen Tod des Vaters in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsene Röken sein Lehramtsstudium abgeschlossen und seine erste Stelle angetreten. Diese Reihenfolge hatte er bewusst eingehalten: "Vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal war mir von jeher ein Greuel", sagt Röken: "Ein Politiker muss einen handfesten Beruf haben und nicht auf Politik angewiesen sein."
    Dass die kommunalpolitischen Turbulenzen Röken bereits 1976 mit 33 Jahren ins Gladbecker Oberbürgermeisteramt brachten, war weniger einer groß angelegten Strategie geschuldet. Nachdem die Groß-Bottroper Träume am Nikolaustag 1975 vor dem Verfassungsgericht platzten, lag es auf der Hand, den jungen SPD-Vorsitzenden auch zum Ersten Bürger der Stadt zu wählen.
    Nicht die Bildungspolitik ("Im Schulausschuss sitzen genug Lehrerinnen und Lehrer"), sondern Stadtentwicklung und Verkehr bildeten fortan bis zum heutigen Tag die politischen Schwerpunkte Rökens, der in diesem Fachausschuss den Vorsitz inne hat. Sein Bürgermeisteramt verlor er 1994 durch eine der ersten schwarz-grünen Koalitionen. Er war beteiligt an der Gründung des Verkehrsverbundes Rhein Ruhr 1980, brachte das Ticket 2000 und das Semesterticket mit auf den Weg und sorgte als passionierter Radfahrer dafür, dass Gladbeck zu den Gründungskommunen der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte gehörte. Auch das Kulturzentrum - Jugendzentrum, Stadtbücherei, Stadthalle -, das Bürgerhaus und das Schulzentrum Brauck fallen in seine Gladbecker Zeit. Stolz ist Röken auch auf die von ihm auf den Weg gebrachten neuen Städtepartnerschaften mit Wodzislaw Slaski (ehemals Loslau) in Polen (1990) und Alanya in der Türkei (1993) als Ausdruck fortschreitender Integrationsbemühungen. Konsequenterweise stieß der begeisterte Jazz-Fan in der letzten Legislaturperiode im Landtag auch die deutsch-türkische Parlamentariergruppe an.
    Dass bei dem großen Engagement der private Freiraum nicht allzu zu kurz kommt, ist dem zweifachen Familienvater und Großvater einer Enkeltochter gleichwohl sehr wichtig: "Den Sommerurlaub verbringen wir immer mit der ganzen Großfamilie. Jeder muss ein solches Refugium haben."
    Von Politikmüdigkeit will Röken trotz des inzwischen erreichten kalendarischen Rentenalters nichts wissen: "Ich bin fit und es macht mir im Landtag nach wie vor richtig Spaß, zumal im Bereich Bauen und Verkehr auch noch einiges für Dorsten und Gladbeck zu erledigen ist: A 52, Stadtumbau West, Soziale Stadt. Deshalb habe ich auch meine Bereitschaft signalisiert, 2010 noch einmal antreten zu wollen", ist Röken mit Hinweis auf seine Erfahrung, Kompetenz und Reputation zuversichtlich.
    Michael Fritsch

    ID: LI090918

  • Porträt: Helene Hammelrath (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 8 - 09.09.2009

    Wer die Homepage von Helene Hammelrath besucht, findet nicht nur Informationen über die SPD-Abgeordnete und ihre politischen Aktivitäten, sondern auch gleich noch Kochrezepte und Verbrauchertipps. Unter dem Link "Futter für‘s Volk" gibt es bei der Parlamentarierin jede Woche neue Kochvorschläge und Nützliches für den Haushalt. Die Rezepte sind auch in gedruckter Form als kleine rote Kochbücher zu haben. Helene Hammelrath verteilt die Büchlein als Visitenkarte in ihrem Rheinisch-Bergischen Wahlkreis. "Kochen hat zwar nicht direkt etwas mit Politik zu tun. Aber mit Rezepten ist es ein wenig wie in der Politik. Beim Kochen soll es am Ende schmackhaft sein. Auch für eine erfolgreiche Politik benötigt man gute Rezepte", meint die SPD-Politikerin.
    Die 1950 in Bensberg geborene SPD-Politikerin ist zwar erst seit 2005 im NRW-Landtag, doch sie ist schon Vollprofi. "Mir ist es ganz wichtig, mich um Probleme der Bürgerinnen und Bürger zu kümmern", beschreibt sie den Schwerpunkt ihrer Arbeit. Folgerichtig macht sie ihre Wahlkreisarbeit beim Bürger vor Ort. "Die Termine werden mit meinem Wahlkreisbüro abgesprochen, aber ich treffe mich grundsätzlich mit den Menschen dort, wo sie leben. Da lasse ich mir die Probleme hautnah vorführen und sehe sofort, worum es geht", erläutert sie ihre Arbeitsweise.
    Als Mitglied im Wirtschaftsausschuss geht es dabei häufig um den Erhalt von Arbeitsplätzen, die Ansiedlung von Unternehmen, aber auch verkehrstechnische Fragen. Wie heimatverbunden die SPD-Frau ihre Mandatsarbeit angeht, zeigt sich darin, dass sie vom Finanzausschuss in den Sportausschuss wechselte, um die Sportaktivitäten ihres Hand- und Fußballbegeisterten Wahlkreises besser unterstützen zu können. Und natürlich ist Helene Hammelrath auch selber Mitglied in einem Fußballverein.
    Als jüngstes von zwölf Kindern hat sie ein realistisches Lebensbild und früh gelernt, das Beste aus jeder Situation zu machen. Ihre Familie wurzelt in einem christlich-katholischen Umfeld und ihre Eltern standen dem Zentrum nahe. Der Vater war Kaufmann und parteipolitisch ungebunden, allerdings ein strikter Gegner des Nationalsozialismus, was während des Dritten Reiches zu vielerlei Schwierigkeiten für die Familie führte. "Weil mein Vater offen seine Meinung äußerte, schwebte immer ein Damoklesschwert über ihm", weiß die SPD-Politikerin und fügt stolz hinzu: "Aber ich bin sehr glücklich, dass meine Eltern so waren, wie sie waren."
    Helene Hammelrath machte nach dem Abitur eine Banklehre bei der Kreissparkasse Köln, wurde Bundesbankbetriebswirtin, wechselte wieder in die freie Wirtschaft zum Genossenschaftsverband Rheinland und ging danach zur Bank für Sozialwirtschaft. 1992 gründete sie die Bürgschaftsbank für Sozialwirtschaft in Köln und ist seither deren Geschäftsführerin. Voller Überzeugung sagt sie: "Ich bin mit Leib und Seele Bankerin".
    Durch das politisch wie sozial engagierte Elternhaus hatte Helene Hammelrath schon früh einen Bezug zu politischen Dingen. Sie entschied sich für die SPD als politische Heimat. 1976 trat sie in die Partei ein, drei Jahre später saß sie im Rat der Stadt Bergisch Gladbach, war Mitglied der Arbeiterwohlfahrt und Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Seit 1991 ist Helene Hammelrath stellvertretende Bürgermeisterin. 2000 fehlten ihr ein paar hundert Stimmen zum Einzug in den NRW-Landtag, fünf Jahre später klappte es über die Landesliste. Inzwischen ist sie so gut im Geschäft, dass sie, sofern die Partei zustimmt, 2010 gern noch einmal für den Landtag kandidieren möchte.
    Über ihre zahlreichen Funktionen in der Kommunalpolitik kam die SPD-Politikerin auch zum Karneval: "Der Aufsichtsrat der BELKAM, dem ich angehörte, wurde 1999 angesprochen, ob wir uns vorstellen könnten, das Dreigestirn für Bergisch Gladbach zu stellen; wir haben nach kurzem Überlegen zugesagt." Als einzige Frau im Gremium übernahm Helene Hammelrath die Rolle der Jungfrau. "Damals wussten wir nicht, auf was wir uns da eingelassen hatten. Wir hatten 148 Auftritte in kürzester Zeit. Es war unbeschreiblich", erinnert sie sich. Heute ist sie nur noch inaktives Mitglied, geht aber natürlich zu Sitzungen und auch den heimatlichen Zug anschauen.
    Ihre Freizeitaktivitäten bezeichnet die SPD-Abgeordnete als "zwangsläufig etwas dürftig". Sie kocht gern, hat einen Lebensgefährten, der sie in allem unterstützt, und sie versucht, sich jede Woche ein wenig Zeit freizuschaufeln, um sich um ihre zwei Patenkinder zu kümmern. "Mit dem kleinen Vierjährigen verbringe ich ein paar Stunden auf dem Bauernhof oder unternehme sonst etwas mit ihm."
    Gerlind Schaidt

    ID: LI090827

  • Porträt: Hans Theo Peschkes (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 01.04.2009

    Eine Frage an Hans Theo Peschkes erledigt sich von allein. Egal, ob man ihn zu Hause in Bocholt besucht oder an seinem Arbeitsplatz in Düsseldorf: die nach seinem Lieblingsfußballverein. In seinem Garten weht seit vielen Jahren die Schalker Fahne und die Sitzcouch in seinem Landtagsbüro ziert eine königsblaue Decke mit den Vereinsinsignien des Revierklubs so akkurat, dass man sich gar nicht traut, sich auf einer solchen edlen Devotionalie niederzulassen. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen also für das Amt eines Sportpolitischen Sprechers, das der SPD-Politiker aus dem Münsterland seit seinem Einzug in den Landtag 2005 innehat. Doch täte man Peschkes unrecht, ihn auf den Fußballsport zu reduzieren. Zwar war er in seiner Kindheit zunächst sehr wohl am runden Leder aktiv, wechselte dann aber zum Tischtennis, später zum Segeln und mit Anfang 40 zum Langlauf, wo er es auf beachtliche Leistungen brachte. "Ich gebe zu, ich war damals besessen. Ich habe 14 Marathonläufe bestritten, davon einen in drei Stunden und fünf Minuten. Das konnte sich sehen lassen", ist der heute 62-Jährige zu Recht stolz beim Rückblick auf die 90er-Jahre. Auch die politische Karriere des Hans-Theo Peschkes ist eine Art Marathonlauf, was vor allem mit seinem Wohnort zusammenhängt. "Das Westmünsterland ist für SPD-Leute nicht sehr karrierefördernd", räumt der verheiratete Vater von vier erwachsenen Kindern ein. Ebenso wie die Tatsache, dass er seinen im zweiten Anlauf 2005 errungenen Landtagssitz lediglich dem schlechten Abschneiden seiner Partei und dem damit verbundenen Verlust zahlreicher Direktmandate zu verdanken hat. Ein Realismus, der sich aus jahrzehntelanger politischer Erfahrung auf kommunaler Ebene speist. 40 Jahre ist der gelernte Diplom-Finanzwirt und langjährige Betriebsprüfer in diesem Jahr Mitglied der SPD, in die er wie viele Frauen und Männer seiner Generation über Willy Brandt gekommen ist.
    Erstmals in den Rat seiner Heimatstadt kam Peschkes bei den Kommunalwahlen 1975. Dem Kreistag in Borken gehört er seit 1984 bis heute an, der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe seit 1989 bis 2005. Seit 2001 ist Peschkes zudem Stadtverbandsvorsitzender der SPD in Bocholt - und dennoch mit seinen kommunalen Ambitionen noch nicht am Ende. In diesem Jahr tritt er als Kandidat für den Landratsposten im Kreis Borken an. Wohl wissend, dass seine Aussichten ähnlich einzustufen sind wie diejenigen, als Bocholter SPDPolitiker ein Direktmandat für den Landtag zu erringen. Für seine Außenseiterrolle hat der gern mit einem Schuss Selbstironie operierende Politiker folgende Sprachregelung gefunden: "Es ist nicht zwingend, dass der neue Landrat am Ende Peschkes heißt." Dass er es auch mit CDU-Politikern kann, insbesondere mit seinem direkten Gegenspieler Hendrik Wüst, daraus macht Peschkes im Übrigen keinen Hehl. Eine seiner Töchter hat mit ihm Abitur gemacht. "Wenn Du schlecht über Hendrik redest, dann wähle ich Dich nicht", habe sie ihm gedroht. Daran habe er sich auch gehalten, versichert Peschkes, "obwohl uns politisch natürlich Welten trennen."
    Hatte Peschkes in seinen frühen politischen Jahren zunächst seine beruflichen Kompetenzen als Haushalts-, Finanz- und Steuerexperte eingebracht, so steht jetzt als Landespolitiker der Sport im Mittelpunkt. Und da hat er in den bislang knapp vier Landtagsjahren eine ganz neue Erfahrung gemacht. "Es gibt kein Gebiet mit solch umfassender gesellschaftlicher Bedeutung wie den Sport." Das reiche vom Kindergarten bis zum Seniorensport, von der maßgeblichen Bedeutung für die Gesundheit bis zur Integration. Und deshalb verfolgt Peschkes auch ein großes Ziel: "Ich möchte, dass der Sport endlich die gesellschaftliche Anerkennung findet, die ihm zusteht."
    Als bekennender Familienmensch mit einem inzwischen zehnmonatigen Enkelkind hat Peschkes auch noch einen großen privaten Wunsch. Noch einmal mit der ganzen Großfamilie wie früher an der französische Atlantikküste in Lacanau bei Bordeaux Sommerurlaub zu machen. Das hätten sich Frau und alle gewünscht. "Drei Jahre arbeiten wir schon an dem Projekt, aber noch hat es nicht geklappt", bedauert Peschkes. Aber als Marathonläufer weiß er ja nur zu genau, dass man sein Ziel erreicht, wenn man den Willen dazu hat.
    Michael Fritsch

    ID: LI090423

  • Porträt: Ulla Meurer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 28.01.2009

    Ihre Freizeit nutzt Ulla Meurer noch heute gern für sportliche Aktivitäten. In ihrer Jugend war die im hessischen Schlitz geborene SPD-Abgeordnete begeisterte Leichtathletin. Der 100- und der 200-m-Lauf waren ihre Spezialität. Mit 15 Jahren gewann sie mit ihrer Mannschaft eine Meisterschaft im Waldlauf. Parallel dazu spielte sie Handball. Mitte der 90er-Jahre hatte Ulla Meurer, die Geschichte und Germanistik an der RWTH Aachen studierte, ein kleines sportliches Comeback, als sie bei den Stadtmeisterschaften der Leichtathletik in ihrem Wahlkreis Heinsberg Stadtmeisterin wurde.
    Sportlich wollte es Ulla Meurer auch angehen, als sie zusammen mit ihrem Mann im letzten Sommer mit Zelt und Fahrrad durch Nordrhein-Westfalen radelte. Als passionierte Verfechterin des Raucherschutzes im Düsseldorfer Landtag wollte die Sozialdemokratin vor Ort erkunden, wie das neue Nichtrauchergesetz in der Praxis angewendet wird. Gleich zu Beginn musste sie erleben, dass auf einem Campingplatz jeden Abend "geschlossene Gesellschaft" war. Damit durfte in den Gastronomieräumen geraucht werden und draußen auch. "Für Nichtraucher war kein Eckchen frei, wo der Qualm nicht hingezogen ist", erinnert sich die SPD-Abgeordnete.
    Noch unerfreulicher war ein Erlebnis in Detmold. Da hatte sich die Parlamentarierin in einem Biergarten niedergelassen, um einem Platzkonzert zuzuhören Als es anfing zu regnen und sie in das Haus flüchtete, erfuhr sie, dass das Lokal als Raucherklub geführt wurde. Ihr Versuch, daraufhin die Essensbestellung rückgängig zu machen, misslang zunächst. Erst als sich Ulla Meurer als Landtagsabgeordnete outete, die im NRW-Parlament vehement für den Nichtraucherschutz ficht, konnte sie sich durchsetzen. "Das Ganze war höchst unerfreulich und das Personal sehr uneinsichtig", bilanziert Ulla Meurer enttäuscht ihre praktische Erfahrung.
    Das Negativ-Erlebnis hindert die SPD-Frau jedoch keineswegs daran, sich weiterhin für eine Präzisierung des Nichtrauchergesetzes stark zu machen. "Meiner Meinung nach brauchen wir eine bundeseinheitliche Regelung", sagt die 53-Jährige, die selber früher einmal stark geraucht hat. "In meiner Jugend habe ich für Raucherecken auf dem Schulhof gekämpft, jetzt bin ich froh, dass das Rauchen in Schulen generell verboten ist", freut sich die Abgeordnete. Zur entschiedenen Kämpferin gegen die Qualmerei ist Ulla Meurer allerdings erst durch die Krankheit des jüngeren ihrer zwei Söhne geworden. "Seither darf bei uns zu Hause nicht mehr geraucht werden", sagt Ulla Meurer.
    Politisch aktiv wurde Ulla Meurer, die auch gelernte Industriekauffrau ist, nachdem die SPD die Bundestagswahl 1983 verloren hatte. "Da habe ich gesagt: Nun erst recht. Du meckerst nicht länger herum, sondern du machst mit." Exakt am 8. März 1983, am internationalen Frauentag, trat sie in die von ihr favorisierte SPD ein. Dort arbeitete sie bei der "SGK" und der "AsF" mit, wurde Vize-Vorsitzende des Ortsvereins Heinsberg und kam 1989 erstmals in den Rat der Stadt, dem sie auch heute noch angehört. Außerdem ist Ulla Meurer Mitglied in der Gewerkschaft ver.di.
    Vor der letzten Landtagswahl bewarb sie sich um ein SPD-Mandat und rutschte für sie völlig unerwartet in den Landtag. "Ich wollte mich engagieren, für die Partei kämpfen, Stimmen sammeln und es einfach mal gemacht haben", begründet sie ihre Kandidatur. "Mit meinem Listenplatz 42 hatte ich wirklich nicht mit einem Abgeordnetenplatz gerechnet", sagt Ulla Meurer heute. Inzwischen hat die SPD-Abgeordnete an ihrer neuen Aufgabe so viel Freude, dass sie gerne wieder kandidieren möchte. Als ordentliches Mitglied im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, im Ausschuss für Frauenpolitik sowie im Ausschuss für Generationen, Familie und Integration hat sie einen umfangreichen Aufgabenbereich gefunden, bei dem sich viele Themen verzahnen. In allen drei Ausschüssen setzt Ulla Meurer den Schwerpunkt auf die Verbesserung des Kinderschutzes. "Sie sind immer das schwächste Glied in der Gesellschaft und brauchen die meiste Hilfe", ist die Abgeordnete überzeugt.
    Als Ausgleich zu ihrer stressigen Abgeordnetenarbeit werkelt Ulla Meurer gern in ihrem Blumengarten, schmökert Krimis oder reist mit ihrem Mann als Koch per Zelt durch europäische Länder. "Mein Mann kann auf einem Trangia- Brenner ein so tolles Drei-Gänge-Menü zubereiten, dass alle Frauen auf dem Campingplatz neidisch werden und die Männer Stress bekommen, weil sie das nicht machen", gibt Ulla Meurer lachend preis.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI090120

  • Porträt: Angela Tillmann (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 12 - 03.12.2008

    Ihre Homepage verrät: Angela Tillmann ist unverheiratet, aber seit 23 Jahren glücklich in denselben Mann verliebt. Sie mag Katzen, den Wind und das Meer und immer wieder hofft die SPD-Abgeordnete auf weiße Weihnachten. In ihrem Abgeordnetenleben ist die 51-Jährige offen für den Dialog und aufgeschlossen für neue Wege. So sucht Angela Tillmann in ihrem Wahlkreis auf ihre Art den Kontakt zum Bürger. "Ich gehe gern auf die Straße und rede mit den Menschen, um zu erfahren, wo es Probleme gibt", sagt die Parlamentarierin. Um eine Unterhaltung in Gang zu bringen, hat sie ihre eigene Methode entwickelt.
    "An Markttagen baue ich in meinem Wahlkreis neben meinem Stand eine Plakatwand mit einigen zentralen Thesen meiner Arbeit auf", erklärt die SPD-Politikerin. Vorbeigehende haben Zeit, den Text in Ruhe zu lesen. Wenn dann das Interesse geweckt ist, können die Leute sie ansprechen. "Das ist eine gute Taktik, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen", hat die SPD-Politikerin ihre Erfahrungen gemacht. Auf diese Weise knüpfe man Kontakte, ohne dass die Menschen sich überfallen fühlen. Die Markttreffen sind nach Überzeugung von Angela Tillmann eine gute Ergänzung zu festen Bürgersprechstunden, die sie im Wahlkreis ebenfalls anbietet.
    Als migrationspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion und Mitglied im Ausschuss für Generationen, Familie und Integration sowie im Ausschuss für Schule und Weiterbildung ist sie viel im Land unterwegs, um die Ziele ihrer Partei zu erklären. Ihr Schwerpunktthema ist die Integrationspolitik. "Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft", betont die SPDFrau und fordert: "Dazu gehört auch, dass sich die Deutschen auf den Weg machen und ihren Beitrag zum guten Zusammenleben leisten." Ein richtiger Schritt zur Integration wäre ihrer Auffassung nach die Einführung von verpflichtenden Kindergärten. Vom dritten, spätestens vom vierten Lebensjahr an sollten alle Kinder in den Kindergarten gehen, damit eine einheitliche Entwicklung gesichert wird, findet die SPDAbgeordnete. Voraussetzungen wären genügend Plätze und Kostenfreiheit. Für diese Idee muss die Sozialdemokratin auch noch in ihrer eigenen Partei Überzeugungsarbeit leisten. Doch das schreckt die SPD-Frau nicht. "Ich bin in die Politik gegangen, weil ich an den gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen etwas verändern möchte", sagt sie entschieden.
    Nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau hat Angela Tillmann Sozialpädagogik studiert, weil sie Menschen helfen wollte.
    Als Diplom-Sozialpädagogin in der Jugendarbeit in Düsseldorf beschäftigt, erkannte sie rasch, dass viele Benachteiligungen strukturell bedingt sind und man die Probleme grundsätzlich anpacken muss. Aus diesem Motiv trat sie 1989 in die SPD ein. "Ich wollte von Anfang an aktiv mitmischen", bekennt sie offen, und folgerichtig hat sie sich rasch in verantwortungsvolle Positionen hochgearbeitet.
    Der Mitgliedschaft in verschiedenen Parteigremien folgte 1994 die Wahl in den Rat der Stadt Mönchengladbach. Dort war sie seit 1999 stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Als Parteifreunde ihr die Kandidatur für den Landtag antrugen, hat sie zugegriffen. "Das bot mir die Chance, hauptberuflich das zu machen, was ich bis dahin ehrenamtlich neben meinem Beruf getan habe", sagt sie offen und fügt hinzu, dass sie ihre politische Arbeit auch gern in der nächsten Legislaturperiode fortsetzen würde. "Ich glaube, dass man vor Ort und zusammen mit den Menschen einiges bewegen kann, wenn man nur entschlossen genug zupackt."
    Als Schriftführerin im Landtag hat sich Angela Tillmann viel Routine angeeignet, obwohl sie anfangs mit dem Parlamentsalltag Schwierigkeiten hatte. "Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mich an die festgelegten Redezeiten und die fehlende Spontaneität gewöhnt habe", räumt sie ein. Noch heute bedauert die SPD-Abgeordnete die starren Regeln, die während der Plenardebatten kaum einen Sinneswandel zulassen. "Das einzige, was man erreichen kann, ist eine Vertagung", sagt sie.
    Weil Angela Tillmann ihr Hobby zum Beruf gemacht hat, nennt sie als zweitschönste Freizeitbeschäftigung das Reisen. Lange Zeit ging es dabei in Europa Richtung Norden. Doch zunehmend zieht es sie auch in den Nahen Osten. Viele Länder, in die man relativ gefahrlos reisen kann, hat sie mit ihrem Lebensgefährten bereits "abgegrast".
    Gerlind Schaidt

    ID: LI081220

  • Porträt: Heike Gebhard (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 06.06.2008

    Wer Heike Gebhard in ihrem Wahlkreisbüro im Herzen von Gelsenkirchen-Buer besucht, dem bleibt nicht verborgen, dass der sozialdemokratische Stallgeruch, der der 54-Jährigen seit 1972 anhaftet, bis heute nicht verflogen ist. "Wenn ich die Werte, die ich vermitteln möchte, nicht auch vorlebe, dann bin ich nicht glaubwürdig und habe auch keinen Erfolg", begründet sie ihre bewusste Entscheidung zur Bodenhaftung in Bescheidenheit in einer Region, die im öffentlichen Bewusstsein nicht unbedingt als Hochburg der Reichen und Schönen gilt.
    Dass Heike Gebhard trotz der SPD-Wahlniederlage 2005 inmitten des Ruhrgebiets noch satte 51,8 Prozent eingefahren hat, bedeutet für die Politikerin, die selbst aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammt, eine große Verpflichtung gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern. Von daher gesehen scheut sie sich auch nicht, offen Partei zu ergreifen: "Ich muss auch formulieren können, für wen ich Politik mache", sagt sie. Und wenn es nicht mehr zu verteilen gebe als nun einmal da ist, dann müssen halt auch welche etwas abgeben. "Diese Konsequenz auch offen auszusprechen und um Mehrheiten dafür zu kämpfen, müssen wir wieder lernen", formuliert Gebhard ihr sozialdemokratisches Selbstverständnis.
    Dass sie schon früh mit 18 Jahren zur SPD stieß, war sowohl Ausdruck ihrer realen Lebenserfahrung als auch den seinerzeit äußerst politisierten Jahren der Großen Koalition und der Kanzlerschaft Willy Brandts. "Bis auf zwei Schülerinnen waren wir in der Oberstufe schon alle politisch organisiert", erinnert sich Heike Gebhard an die Zeit vor und nach 1970 zurück. Damals hatte sie als Außenseiterin aus einem sozial schwächeren Milieu stets heftig um Anerkennung zu ringen. Eine Erfahrung, die sie entscheidend geprägt hat und schon früh zu einer Kämpferin für Gleichbehandlung und soziale Gerechtigkeit werden ließ.
    Gleichzeitig aber auch starke Antriebsfeder war, selbst nach oben zu kommen. Das durch ein Stipendium unterstützte eher untypische "Frauenstudium" Mathematik und Wirtschaftswissenschaften verschaffte der jungen Frau, die in den siebziger Jahren bis zur ersten weiblichen Juso-Vorsitzenden in NRW aufstieg, später einen hochinteressanten Einstieg in das Berufsleben. Denn dass sie der Gründungsrektor der Gesamthochschule Essen, Professor Dr.-Ing. Peter Neumann-Mahlkau, als persönliche Referentin haben wollte, wäre beispielsweise bei einem Pädagogik-Studium kaum denkbar gewesen. Denn Natur- und Ingenieurwissenschaftler standen seinerzeit in dem Ruf, Frauen allenfalls dann ernst zu nehmen, wenn sie ihnen beruflich auf Augenhöhe gegenübertraten.

    Rollenbilder

    Dass Heike Gebhard ab 1986 vier Mal Mutter wurde, hat zwar ihre berufliche Karriere zeitweilig ruhen lassen, keinesfalls aber ihre politischen Ambitionen. Denn sie wollte ja stets für eine Politik kämpfen, die es Frauen und Müttern ermöglicht, berufliche Karriere, Familie und ehrenamtliches Engagement miteinander zu vereinbaren. Ein Unterfangen, das in den achtziger Jahren ohne engagierte Mithilfe von Großeltern praktisch unmöglich war. Dass heute auch die Union für eine solche Politik eintritt, bestätigt die SPDFrau zwar. Gleichwohl stellt sie selbstkritisch fest: "Das alte Rollenbild bei uns zu durchbrechen war auch nicht einfach, auch wenn die Frage der Gleichberechtigung von Frau und Mann schon seit August Bebel im Programm steht".
    Als sich Heike Gebhard im zweiten innerparteilichen Anlauf erfolgreich für ein Landtagsmandat 2005 durchsetzen konnte, hat sie bis zuletzt darauf gehofft, nicht auf den Oppositionsbänken zu landen. Doch gehört es für sie zur Selbstverständlichkeit, sich von der Partei in die Pflicht nehmen zu lassen und dorthin zu gehen, "wo sich die Notwendigkeit ergibt". "Da halte ich es ganz mit Franz Müntefering", bekennt sie, ohne den Begriff "Parteisoldatin" in den Mund zu nehmen. Als gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion will sie jedoch ihren Anteil dazu beitragen, so rasch wie möglich wieder an die Regierung zu kommen. "Oppositionsarbeit muss anspruchsvoll sein", sagt Heike Gebhard, auch wenn viel Arbeit vergeblich ist. Doch von alleine komme der Wähler nicht zurück: "Das muss man sich erarbeiten." Die Zielmarke für 2010 sei jedoch ganz klar: "Ich bin nur deshalb in die Politik gegangen, weil ich etwas bewegen und gestalten wollte". Und das - und da sind wir wieder ganz nah bei Franz Müntefering - sei in der Opposition "grundsätzlich schwieriger".
    Autor: Michael Fritsch

    ID: LIN04784

  • Porträt: Karl Schultheis (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 16.04.2008

    Dass Karl Schultheis als sozialdemokratischer Abgeordneter gegen Studiengebühren für das Erststudium ist, versteht sich von selber. Eine andere Qualität hat da schon seine feste Zusicherung, bei einem SPD-Wahlsieg im Jahr 2010 das Erststudium wieder gebührenfrei zu machen. Und der hochschulpolitische Sprecher der SPDFraktion belässt es nicht bei Versprechungen für die Zukunft. Als Pragmatiker hat er über schon jetzt konkret entlastende Möglichkeiten nachgedacht und herausgefunden, dass die Gebühren fürs Erststudium unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich absetzbar sind. Deshalb rät der Oppositionspolitiker Karl Schultheis: "Ich kann nur jeden Studierenden auffordern zu prüfen, ob es sich nicht lohnt, die Studiengebühren in der Steuererklärung anzugeben."
    Der engagierte Sozialdemokrat weiß, wovon er spricht. Denn er beschäftigt sich seit 1985 mit Hochschulfragen. Damals war er als SPD-MdL zehn Jahre lang hochschulpolitischer Sprecher. Danach arbeitete er zehn Jahre im NRW-Wissenschaftsministerium, ehe er 2005 als Abgeordneter in das Parlament zurückkehrte. Mit Sorge verfolgt der gebürtige Aachener den Rückgang der Studentenzahlen, weil die jungen Menschen von den Studiengebühren abgeschreckt würden. "Angesichts des steigenden Bedarfs an hochqualifizierten Beschäftigten in der Wirtschaft brauchen wir mehr Studierende", kritisiert der Oppositionspolitiker die Regierungspolitik. Freimütig räumt der SPD-Politiker ein, dass es schwierig sei, aus der Opposition heraus etwas zu verändern. Doch gerade die sich abzeichnenden Korrekturen in der Hochschulpolitik seien ein gutes Beispiel dafür, wie man auch als Opposition etwas bewirken könne, wenn man alle Möglichkeiten offensiv nutze.

    Leidenschaft

    Neben seiner Arbeit im Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie engagiert sich Schultheis im Petitionsausschuss. Schon während seiner ersten Zeit im Landtag habe er für die Petitionsarbeit eine Leidenschaft entwickelt, die er jetzt wiederentdeckt habe. "Der Ausschuss gewährt einen umfangreichen Überblick über die Sorgen der Bürger", ist Schultheis überzeugt. "Unabhängig von der Mehrheitsfindung im Landtag hat man als Mitglied im Petitionsausschuss die Chance, erfolgreich Probleme der Bürger zu beheben oder Fehlentwicklungen entgegenzuwirken", sagt der SPD-Mann und fügt hinzu: "Der Ausschuss dient der Demokratiepflege. Die Arbeit ist sehr zeitaufwendig, aber es ist gut investierte Zeit."
    Karl Schultheis ist ganz bewusst in die Politik gegangen. Als Sprössling einer traditionell sozialdemokratisch orientierten Familie trat Schultheis bereits als 16-jähriger in die SPD ein. Nach Schule und Anglistik- sowie Geschichtsstudium an der RWTH Aachen gelangte er zu der Auffassung, dass man selber ein Mandat übernehmen müsse, um eigene Ideen in Realität umwandeln zu können. 1985 und 1990 hat er seinen Wahlkreis in Aachen direkt gewonnen. Als danach der Sprung ins Parlament nicht mehr klappte, hat Schultheis zunächst als Persönlicher Referent, dann als Gruppenleiter Forschung im Ministerium für Wissenschaft und Forschung gearbeitet.
    Doch die aktive politische Arbeit ließ ihn nie los. Seit 1989 sitzt er im Rat seiner Heimatstadt, seit 1994 ist er Vorsitzender der Aachener SPD, seit 2002 Mitglied im SPDLandesvorstand. Bei der letzten Landtagswahl kandidierte der Sozialdemokrat, der verheiratet ist und einen Sohn hat, erneut - diesmal über Liste - erfolgreich für den NRW-Landtag. Der Parlamentarier versteht sich als Verbindungsmann zwischen der Kommunal- und Landespolitik. "Ich versuche landespolitisch das durchzusetzen, was wir kommunalpolitisch auch umsetzen können." Um Kontakt zu den Bürgern zu halten, ist ihm die Wahlkreisarbeit besonders wichtig. "Ich habe in Aachen ein Büro und Sprechzeiten, bin aber auch jederzeit über Handy zu erreichen", versichert er.
    Autorin: Gerlind Schaidt

    ID: LIN04458

  • Porträt: Dr. Gerd Bollermann (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 12.03.2008

    Der Dortmunder SPD-Abgeordnete Gerd Bollermann gehört zu den eher Stillen im Landtag. Er drängt sich nicht vor, wenn entschieden wird, wer in der Kernzeit im Plenum das Wort ergreift und auch Zwischenrufe von ihm verzeichnet das Protokoll höchst selten. "Ich muss nicht im Rampenlicht stehen", begründet der 58-jährige Hochschullehrer seine Zurückhaltung in der öffentlichen Auseinandersetzung. Leise, aber dafür umso beharrlicher verfolgt Bollermann seine Ziele, sei es im Landtag, wo er sich um so sperrige Themen kümmert wie die Schnittstelle von Hochschule und Wirtschaft, um Technologiezentren und Außenwirtschaft.
    "Das sind alles Themen, bei denen laute Marktschreierei nicht weiterhilft." Dass Bollermanns Arbeit auch von denen geschätzt wird, die ihm politisch nicht von vornherein nahestehen, zeigt, dass er zu den wenigen Sozialdemokraten gehört, die mit der goldenen Ehrennadel des Handwerks ausgezeichnet wurden. In Dortmund hat er schon vor Jahrzehnten zusammen mit der dortigen Handwerkskammer die erste übertriebliche Ausbildungswerkstatt gegründet, die mittlerweile mehreren tausend nicht immer unproblematischen jungen Menschen zu einer angesehenen Berufsausbildung und einem Job verholfen hat.
    Still, aber effektiv geht Bollermann auch seiner Arbeit im Wahlkreis im Dortmunder Süden nach. Sein Büro hat er im Schultenhof eingerichtet, einer Einrichtung für Behinderte, die er aus seiner Arbeit im Stadtrat der Westfalenmetropole kannte. In dem alten Fachwerkbauernhof residiert er in der früheren Schlafkammer des Bauern und seiner Frau. Mit der ungewöhnlichen Standortwahl will Bollermann zeigen, dass der Umgang mit Behinderten völlig normal ist, dass wir Menschen nicht ausgrenzen dürfen.
    Den Hof nutzt er für vielfältige Aktivitäten. Unter dem Motto "Gerd am Herd" lud er Anfang März zum Kochkurs für westfälische Küche ein, es gab Dortmunder Senfsuppe, einen gefüllten Schweinerollbraten und einen Nachtisch auf der Basis von Pumpernickel. Ihm kam es vor allem auf die Gespräche mit den 25 Teilnehmern an, "da kommen ganz andere Leute als zur Gründersprechstunde", die er ebenfalls auf dem Bauernhof anbietet.

    Wanderweg

    Ganz wichtig sind Bollermann, der vor dem Studium der Sozialwissenschaften, Erziehungswissenschaft und Psychologie zunächst Kunst studiert hatte, künstlerische Aktivitäten auf dem Hof. In den Ferien lädt er Kinder dazu ein, ihre Fantasie und Kreativität auszutesten. Jungen Künstlern, vor allem Bildhauern, gibt er Gelegenheit, ihre Werke auszustellen. "Sachmal Gerd, kannze nich auch watt für uns machen?" fragte ihn neulich einer der Bewohner des Schultenhofs und Gerd konnte. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Lebensgroße weiße Plastikbären stellte er den Behinderten zur Verfügung, die sie mit viel Liebe und Akribie bunt bemalten.
    Mit der ihm eigenen Zähigkeit verfolgt Bollermann zusammen mit Freunden aus dem Wahlkreis ein ebenso originelles Projekt: einen Wander- und Radweg von Schwerte nach Castrop, der nur durch Naturschutzgebiete und Kleingartenanlagen führt. Emschergenossenschaft, Stadtgrün Dortmund und Landesbetrieb Straßen.NRW haben bereits zugesagt, an der Verwirklichung der rund 60 Kilometer langen Route mitzuwirken, die alle Facetten der Region zeigen soll: wunderschöne Landschaften, die Denkmäler der jahrhundertelangen Industriegeschichte und die High-Tech-Labors der Moderne. "Das wird noch ein paar Jahre dauern", ist sich Bollermann im Klaren, aber stolz ist er darauf, dass er das Projekt mit auf den Weg gebracht hat.
    Wenn ihm die politische Arbeit in Düsseldorf und im Wahlkreis und seine berufliche Tätigkeit als Referent und Berater für Organisationspsychologie mal Freizeit lässt, dann werkelt Bollermann am liebsten im eigenen Garten. Demnächst soll der Teich erneuert werden, letztes Jahr hat er eine neue Steintreppe gemauert. Wer Bollermann beim Rasenmähen antrifft, sollte ihn besser nicht stören. Denn "dabei lasse ich meine Gedanken wandern."
    Autor: Peter Jansen

    ID: LIN04346

  • Porträt: Renate Hendricks (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 13 - 21.12.2007

    Das Modewort Powerfrau klingt stark abgegriffen, deshalb charakterisieren wir doch Renate Hendricks besser mit dem guten alten Begriff Energiebündel. Wer die 55-jährige Bonner Abgeordnete, die wie eine Endvierzigerin wirkt, eine knappe Stunde lang erlebt und danach seinen persönlichen Eindruck wiedergibt, für sein Gegenüber dürfte der Tag wohl getrost 25 Stunden haben, erntet ein zweifach fröhliches Nicken: von Frau Hendricks und von deren langjähriger Mitarbeiterin Angelika Dirks.
    Renate Hendricks hatte sich einen Namen als Elternsprecherin in Bund und Land gemacht, lange bevor sie 2005 für die SPD in den Landtag gewählt wurde. Bundeselternrat und Hendricks - das gehörte zwei Jahrzehnte lang zusammen wie Bonn und der Rhein. Zur SPD fand die politische Seiteneinsteigerin erst 2004.
    Jetzt hat die Oppositions-Fraktion im Landtag eine Bildungs- und Schulfachfrau, die sich in vorderster Front für eines ihrer Kernanliegen stark macht: die Einführung einer Einheits- oder Gemeinschaftsschule. Die verheiratete Mutter von fünf Kindern behauptet, es gebe nicht das nur praktisch begabte und das ausschließlich theoretisch veranlagte Kind, vielmehr stets eine Mischung aus beiden, kurz: Vielfach-Begabungen.
    Hendricks, die zum Wahlkampf-Schattenkabinett des SPD-Spitzenkandidaten für die Niedersachsen- Wahl am 27. Januar gehört, bejaht die Frage, ob das Theodor-Fontane Zitat auf ihrer Internet-Seite "Gegen eine Dummheit, die gerade in Mode ist, kommt keine Klugheit an", auf die neuerliche Schuldebatte pro und contra gegliedertes Schulwesen angewendet werden könne: "Unser derzeitiges Schulsystem genügt weder den Anforderungen an ein sozial gerechtes Bildungssystem, noch ist es sonst optimal für die Jugend." Sodann formuliert sie schneidig: "Wir wollen eine Schule bis zur 10. Klasse für alle. Es gibt in Europa siebzehn Länder, die keine Gemeinschaftsschule haben, sechzehn davon in Deutschland."
    Renate Hendricks, die ein Diplom in Sozialpädagogik und zusätzlich Studienerfahrung in Psychologie besitzt, macht den Eindruck politischer Eingleisigkeit. Ihr politisches Denken und Wollen scheint um das eine Thema zu kreisen: Schule. Indes, was für eine gewaltiges, wichtiges Thema ist das aber doch! Hendricks zitiert einen Lehrer mit diesem Satz: "Jeden Morgen, wenn ich in die Klasse gehe, weiß ich, dass ich der Zukunft unseres Landes gegenübertrete."
    Da Bildung zu Hause anfängt, hat Renate Hendricks auch hier gemeinsam mit ihrem Mann, den sie vor mehr als drei Jahrzehnten in Finnland kennenlernte, ihr Bestes gegeben, immer treu nach Erich Kästners Devise: "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." Die fünf Söhne und Töchter im Alter zwischen 21 und 32 Jahren sind, altmodisch ausgedrückt, wohlgeraten. Alle haben Abitur. Die Jüngste studiert Tourismus und Event-Management, der Älteste ist Geschäftsführer im Telekommunikations-Bereich. Die Zweitälteste hat ihre sympathische Mutter jüngst zur Oma gemacht.

    Lebensthema

    Immer wieder im Gespräch kommt Hendricks auf ihr politisches Lebensthema Schule/Bildung zurück: Gerhard Schröders unmögliche Lehrer-Schmähung "faule Säcke" habe sie als unklug empfunden. Pädagogen müssten motiviert und nicht demotiviert werden, wenn man sie für Veränderungen gewinnen wolle. Hendricks hat ein Buch geschrieben. Der Titel klingt teutonisch schwer, man müsste ihn mit Richard-Wagner-Musik unterlegen: "Schicksal Schule." An der Stelle versteht sie weder Spaß noch Spott: Schule sei unser Schicksal. Was das Land brauche, seien mehr Menschen, die sich um Kinder kümmern wollen und können.
    Noch etwas Privates zum Schluss: Sie ist Vorsitzende eines Trägervereins, der ein Landschulheim in der Eifel betreibt. "Die Stadt Bonn wollte es loswerden, wir haben gesagt, das geht nicht, Kinder aus sozial benachteiligten Familien müssen die Chance bekommen, wenigstens mit ihrer Klasse einmal wegzufahren."
    In der kanadischen Provinz Quebec besitzen die Hendricks ein Haus. Zwei Mal im Jahr reist man hin. Auf die Bemerkung, es gebe kürzere Anreisen zum eigenen Ferienhaus, entgegnet der Kanada- und Skandinavien-Fan: "Fahren Sie mal mit dem Zug nach Cuxhaven, wohin ich neulich musste, das dauert auch so lang wie ein Flug nach Quebec."
    Autor: Reinhold Michels

    ID: LIN04124

  • Porträt: Jürgen Unruhe (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 10 - 24.10.2007

    Dass man Jürgen Unruhe zu den Landtagsabgeordneten zählt, die wenig respektvoll als "Hinterbänkler" bezeichnet werden, stört den 37-jährigen Sozialdemokraten aus der tiefschwarzen Diaspora nicht besonders. "Ich hatte nicht die Vorstellung, dass ich hier als Parlamentsneuling gleich alles umkrempeln kann und täglich in der Zeitung stehen muss", sagt der Postzusteller aus der Gemeinde Steinheim im Kreis Höxter. "Ich bin auch hier um zu lernen." Wie im Fußball, neben der Politik seine zweite große Leidenschaft, sieht er seine Rolle im Landtag nicht im Sturm, sondern im hinteren Mittelfeld.
    Der Schlacks mit der blonden Bürstenfrisur ist fest in seiner Heimatgemeinde verwurzelt. Im Dörfchen Ottenhausen - "eins der schönsten Dörfer Deutschlands", wie Unruhe stolz verkündet - war bereits sein Vater Vorsitzender der örtlichen SPD. "Weil ich die Schwächeren unterstützen und nicht mit der Mehrheit laufen wollte und aus Familientradition bin ich auch mit 24 in die Partei eingetreten." Schon ein Jahr später wurde er in den Rat der Gemeinde Steinheim gewählt, seit drei Jahren ist er dort Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion.
    Die Liebe zur Heimat gab auch den Ausschlag bei der Berufswahl. Post oder Straßenbauamt hatten ihm die Berufsberater empfohlen, nachdem Unruhe die Mittlere Reife erreicht hatte. Weil die Bewerbungsfrist für den Straßendienst abgelaufen war, bewarb er sich bei der Post und wurde sofort eingestellt. Von seiner Arbeit als Briefträger oder Zusteller, wie es heute heißt, schwärmt Unruhe noch heute und manchmal, wenn es seine knapper gewordene Freizeit zulässt, begleitet er seinen Nachfolger auf der Runde durch die Gemeinde. "Auf dem Land sieht die Arbeit des Zustellers völlig anders aus als in der Stadt." Da werden nicht einfach die Briefe in den Kasten geworfen, da hat man auch noch Zeit für ein Schwätzchen mit den Nachbarn, Freunden und Bekannten. Und weil das Postamt in Steinheim auch erst gegen sieben Uhr morgens beliefert wird, muss er auch nicht ganz so früh aufstehen wie seine Kollegen in den Großstädten.
    Seine Wahl in den Landtag vor zweieinhalb Jahren war fast ein kleines Wunder. Denn die Region Höxter ist eine Hochburg der CDU, als Direktkandidat hat ein Sozialdemokrat kaum eine Chance, und weil bei früheren Wahlen nur selten ein Listenkandidat der Roten ins Landesparlament gewählt wurde, war der Kreis über viele Jahrzehnte SPD-freie Zone. Auch Unruhe hatte ohne große Hoffnungen auf einen Mandatsgewinn zugesagt, als ihn der Kreisvorsitzende Johannes Reinicke gefragt hatte, ob er nicht für den Landtag kandidieren wolle, "eher aus Neugier und um etwas zu lernen." Umso größer war für ihn die Überraschung, als am späten Abend des Wahlsonntags ein Parteifreund anrief und aufgeregt fragte, ob er schon auf die Internet- Seite des Innenministeriums geguckt habe. Da konnte man nämlich lesen, dass als 43. und Vorletzter Jürgen Unruhe aus Steinheim in den Landtag gewählt worden war. "Ich habe erst gezögert, ob ich das überhaupt machen soll und habe eine ziemlich unruhige Nacht verbracht", erinnert sich Unruhe.

    Diaspora

    Bereut hat er seine Entscheidung nicht, aus dem Heimatdorf in die ferne Großstadt Düsseldorf gewechselt zu sein, und sei es auch nur, um den Menschen in seiner Heimat zu zeigen, dass es auch die SPD gibt. "Wir hatten über Jahrzehnte keinen Bundestags- und keinen Landtagsabgeordneten. Wenn irgendwo ein Schützen- oder Dorffest gefeiert wurde, war die SPD nie vertreten. Jetzt müssen sie überall die rote Socke einladen", freut sich Unruhe.
    Im Landtag engagiert er sich vor allem im Petitionsausschuss und kümmert sich insbesondere um die Probleme der Sträflinge in den ostwestfälischen Justizvollzugsanstalten Werl und Senne. Viel Zeit kostet auch die Arbeit im Umwelt- und Landwirtschaftsausschuss. Ärgern kann er sich über die Attitüde mancher Kollegen aus den Regierungsfraktionen, nach der früher alles schlecht gewesen sei und heute nur noch Gutes getan werde.
    Fußball spielt Unruhe auch als 37-Jähriger noch, regelmäßig beim TuS Teutonia Vinsebeck und gelegentlich beim Düsseldorfer FC Landtag. Dort ist er einer der Jüngsten und Besten, denn: "Bei einigen Parlamentskollegen reicht die Kondition nur noch bis zur Wimpelübergabe."
    Autor: Peter Jansen

    ID: LIN03651

  • Porträt: Britta Altenkamp (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 23.05.2007

    Im Handbuch des Landtags steht sie an erster Stelle, in ihrer politischen Karriere hat sie den Sprung nach vorn ebenfalls geschafft: Britta Altenkamp, Abgeordnete aus Essen, ist mit 42 Jahren das jüngste Mitglied der "Girlgroup" aus dem westlichen Ruhrgebiet und Lippe, die mit Hannelore Kraft (Mülheim), Gisela Walsken (Duisburg) und Ute Schäfer (Lage) derzeit deutlich den Ton in der SPD-Fraktion angibt. "Als Ruhrgebietsfrauen gehen wir schon sehr direkt und ohne Scheu in die Auseinandersetzungen", räumt Altenkamp ein. Doch zeige sich auch allmählich, "dass man aus dieser Aufstellung gegenüber der stark männerorientierten CDU etwas machen kann", kommentiert die Sozial- und Finanzpolitikerin jene Konstellation, die zwei Jahre nach dem Machtverlust ihrer Partei allmählich Konturen gewinnt. Auch aus darüber hinaus gehenden Gedankenspielen macht die stellvertretende Partei- und Fraktionsvorsitzende keinen Hehl: "Ich rede da gar nicht drum herum: Das wichtigste politische Ziel für mich ist es, wieder in Regierungsverantwortung zu kommen." Was dann mit ihr persönlich passiere, sei nachrangig und werde sich nahezu zwangsläufig ergeben.
    Langen Atem zu haben, das hat Britta Altenkamp schon als Jugendliche bewiesen, als sie zwar über Jahre mit der Sozialdemokratie sympathisierte, den Atom- und Nachrüstungskurs Helmut Schmidts Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre aber kompromisslos ablehnte. "Die Gewissheit, dass es so viele Atombomben auf der Welt gab, um sie 40 Mal und mehr zu zerstören, hat mir unglaubliche Zukunftsängste bereitet", erinnert sich Britta Altenkamp nur allzu gut an das seinerzeit nicht nur unter Jugendlichen sehr weit verbreitete Gefühl. Es war gleichzeitig die Geburtsstunde der Grünen, denen sich Altenkamp allerdings trotz ihrer Nähe in diesen Fragen zu keiner Zeit verbunden fühlte: "Da waren zu viele meiner Lehrer. Und wie die uns pädagogisieren wollten, das fand ich unerträglich", lautet ihre einleuchtende wie banale Begründung.
    Nach dem Sturz Helmut Schmidts und der Abkehr der SPD von Atomkraft und Nachrüstung war der Weg frei für einen Parteieintritt, den Britta Altenkamp kurz nach dem Abitur 1984 vollzog. Bereits zwei Jahre später stand sie - inzwischen Studentin der Germanistik, Geschichte und Soziologie - als erste Frau überhaupt den Jusos in Essen vor, wurde in den Unterbezirksvorstand gewählt, wurde Mitglied der Bezirksvertretung und des Rates.
    Und erlebte in anderthalb Jahrzehnten die Blüte und den hausgemachten, beispiellosen Niedergang ihrer Partei in der einstigen roten Ruhrgebietshochburg mit.
    Der Höhepunkt dieser Entwicklung, das sensationelle Scheitern ihres politischen "Ziehvaters" Detlev Samland als SPD-Oberbürgermeisterkandidat von Essen 1999, bedeutete gleichzeitig die Hinwendung Altenkamps zur Landespolitik. 1999/2000 setzte sich die damals 35-Jährige im Wahlkampf gegen Freund und Feind durch und zog im Mai 2000 erstmals als Direktkandidatin ins Landesparlament ein.

    Klare Sprache

    Bewegte sich Altenkamp, die in ihrer knappen privaten Zeit gern - und am liebsten zusammen mit ihrem Mann - kocht, in der ersten Legislaturperiode zunächst weiter auf ihren klassischen Feldern Kinder-, Jugend-, Sozialund Migrationspolitik, so wollte sie sich 2005 auf jeden Fall mit der Haushalts- und Finanzpolitik einen bis dato unbekannten Bereich erobern. "Ein absoluter Glücksfall", wie sie heute bekennt.
    Denn der Grund für ihren Wunsch hatte einen sehr konkreten Aufhänger: "Ich habe während der Diskussion um die Offene Ganztagsschule miterlebt, wie dringend notwendig es ist, den Blick darauf zu erhalten, was eigentlich finanziell machbar ist." Eine noch viel zu selten gewonnene Erkenntnis, die Britta Altenkamp auch schon als Oppositionspolitikerin verinnerlicht hat: "Man muss von vorneherein den Gleichschritt zwischen politischer Willensbekundung und ihrer Finanzierbarkeit anstreben. Sonst wirft man mit dem Hintern wieder um, was man vorne vorsichtig aufgebaut hat." Klare Botschaft, klare Sprache. Mehr kann man von Politik nicht verlangen.
    Autor: Michael Fritsch

    ID: LIN03148

  • Porträt der Woche: Norbert Römer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 07.03.2007

    Aha, ein Junge aus dem Revier! Wer Norbert Römer kennenlernt und sich mit ihm in ein Gespräch vertieft, merkt schnell, dass der gebürtige Herner, der in Castrop-Rauxel zu Hause ist, die Wesensmerkmale des praktischen Menschenschlags zwischen Duisburg und Dortmund ausstrahlt: Bodenhaftung wahrend, Redebrimborium meidend, auf Traditionen achtend, theoretischen Moden fern, menschlichen Sorgen nahe stehend. Römer, Jahrgang 1947, der bei der Unterhaltung so offen, freundlich und adrett wirkt wie ein Handelsvertreter, dem man gerne mehr abkauft als man wirklich braucht, sagt mit einem Schmunzeln im Gesicht über sich und seine Herkunft, er habe keine andere Chance gehabt, als Sozialdemokrat zu werden.
    Ihn kennzeichnet ein klassischer SPD-Lebenslauf: Großvater und Vater Bergmänner, engagiert in SPD und Gewerkschaft, verankert im wertkonservativen Ruhrpott-Leben unter und über Tage. Vater und Mutter betrieben eine Nebenerwerbs-Gaststätte, die auch das örtliche SPD-Vereinslokal war. Der Vater war so klug, seinem Sohn Norbert und dessen jüngerem Bruder vom Bergmanns-Beruf abzuraten. Norbert Römer schlug ab 1961 die Verwaltungslaufbahn ein. 1968 trat er in die Partei ein, die bekannten Genossen und kernigen Gewerkschafter Adolf Schmidt und Horst Niggemeier waren für ihn politisch-gewerkschaftliche Bezugspersönlichkeiten.
    "Die SPD", sagt SPD-Fraktionsvize Römer, der Ende 2006 nach vielen Jahren sein Arbeitsverhältnis zur IG BCE gelöst hat, "muss immer ganz nah an den Menschen sein." Sie müsse in die schwierigen Wohnviertel gehen, dorthin, wo man als Sozialdemokrat womöglich kritisiert und beschimpft werde. Die CSU in Bayern ist dem Sozialdemokraten von altem Schrot und Korn in ihrer Volksnähe durchaus ein Vorbild. So sehr sich Römer als Sozialdemokrat ohne Wenn und Aber bezeichnet, so sehr widerstrebt es ihm, politisch Andersdenkende als Feinde zu betrachten: Gegner - das ja, aber nach dem politischen Streit müsse man in geselliger Runde zusammen ein Bier trinken können.
    Diejenigen, die den Ruhrpott-Mann kritisch sehen, bemängeln sein scheinbar nicht enden wollendes Gefecht für Kohlebergbau, Pütt und Grubenlampen-Romantik. Der mit einer Katholikin verheiratete, praktizierende Protestant, der behauptet, sich gut hineinversetzen zu können in Politiker mit explizit christlichem Gedankengut, berichtet von schwierigen Versammlungen mit bedrängten Kumpeln: "Wenn Sie Betriebsversammlungen erleben, bei denen auch die Ehefrauen der Bergleute zugegen sind, deren Pütt stillgelegt wird, dann müssen Sie die Menschen schon überzeugen, warum es dennoch eine Zukunft gibt." Norbert Römer will damit ausdrücken: Ein Politiker an Rhein und Ruhr, ein Sozialdemokrat zumal, muss dem Volk aufs Maul schauen, nicht nach dem Mund reden. Ecken und Kanten zeigen: Ja, aber immer auch versuchen, Interessen-Ausgleich zu schaffen und die Menschen zusammen zu führen. So ähnlich hätte das auch Johannes Rau formulieren können. Norbert Römer ist kein Parteimensch, der alles gutheißt, was sein Verein produziert. Er will sich den Blick für die Unzulänglichkeiten der eigenen Truppe bewahren.
    Dem schlanken Mann sieht man nicht an, dass das Kochen eine seiner privaten Leidenschaften ist. Daheim steht er, wenn immer es geht, am Herd. Man kann ihm eine Riesenfreude mit Büchern über regionale Küche machen. Auch beim Zubereiten von Leckereien mag Römer keinen Schnickschnack. Dazu passt, dass er sich besonders auf Eintopfgerichte versteht. Weiteres aus dem Privathaus Römer: wenn Sport, dann ein bisschen Nordic Walking, Winterfrische auf Sylt, sommers Richtung Süden, bevorzugt Toskana und Südtirol.
    Autor: Reinhold Michels

    ID: LIN02928

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