Abgeordnetenporträts

Hilfe

Suche

Mit diesem Suchfeld werden alle Wörter des Titels und des Artikels durchsucht, außerdem alle bei dem Artikel zusätzlich erfassten Angaben.

Trunkierung:
* am Ende eines Suchwortes ersetzt ein oder mehrere Zeichen.

Suchwortverknüpfungen:

–"und-Verknüpfung"
Mehrere hintereinander eingegebene Suchworte werden automatisch mit "und" verknüpft, d.h. alle Suchworte müssen in einem Artikel vorkommen.
–"oder-Verknüpfung"
Die Eingabe von "or" zwischen den Suchworten bewirkt eine "oder-Verknüpfung", d.h. es muss nur eines der Suchworte in einem Artikel vorkommen.
–"Phrasen-Suche"
Suchworte, die mit Anführungszeichen oder Hochkommata verbunden werden, werden nur dann gefunden, wenn sie in der vorgegebenen Reihenfolge in einem Artikel vorkommen.

Suchfeldverknüpfungen
Wenn Suchworte in mehreren Suchfeldern eingegeben werden, werden die Sucheinträge mit "und" verknüpft.

Wählen Sie Suchergebnisse aus, die Sie gebündelt anzeigen oder ausdrucken lassen wollen.
  • Porträt der Woche: Hans Krings (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 4 - 11.03.1997

    So wie Hans Krings einem gegenübertritt — in dunkelblauem Tuch, mit makellosen Manieren — drängt sich die Frage auf, was er empfinde beim Anblick von Landtagskollegen in kunterbuntem Look oder in Hosenträgern. So etwas, sagt der frühere Leutnant der Bundeswehr, störe ihn nicht besonders. Als Vater von zwei Söhnen im Jugendlichen-Alter sei er gewöhnt, tolerant zu sein, was Kleidung angehe. Man müsse durch das Äußere auf den Menschen sehen.
    Die Antwort verstärkt den Eindruck gutbürgerlicher Noblesse, den der Sozialdemokrat aus Kerpen macht. Krings ist dem Naturell nach Offizier geblieben. Die vierjährige Militär-Vergangenheit hat den Mann nicht allein äußerlich geprägt. Er schätzt es so ein: Eine gewissen Disziplin, das planvolle Vorgehen — das lerne man beim Militär, und das sei auch ihm eigen. Krings ist kein "Kommißkopp". Im Gegenteil, irgendwann paßte ihm das Soldatsein nicht mehr. Es herrsche viel Routine beim Militär, es sei denn, man steige ganz hoch in der Hierarchie. Im übrigen sei er wohl auch zu sehr Individualist, meint der studierte Volkswirt, der eine Verwaltungslaufbahn einschlug, bevor er 1995 in den Landtag gewählt wurde — nach mehrfachem Anlauf.
    Als Parlamentarier vermißte er zunächst den Büroapparat, das hilfreiche Vorzimmer, das ihm als Abeitlungsleiter beim RP in Düsseldorf zustand. Mittlerweile habe er gelernt, perfekt am PC zu schreiben, und die Telefonanlage verstehe er jetzt auch.
    Die Freiheit eines Abgeordneten-Menschen ist Hans Krings wichtiger als der Status eines höheren Beamten. Ihm fällt die Biographie von Colin Powell, dem früheren US-General ein. Dort heiße es sinngemäß, wer sein berufliches Selbstbewußtsein aus Äußerlichkeiten wie der Amtsausstattung beziehe, sollte vorsichtig sein. Recht habe Powell, meint Krings. Wie kam Krings zur SPD?
    Er, der Ureifeler, stammt aus einfachem Elternhaus. Der Vater war Landbriefträger. Im Gymnasium spürte der junge Hans instinktiv die soziale Vorrangstellung der Mitschüler, die zu den sogenannten Trierer Patrizierfamilien gehörten. "Ich habe die materielle Enge zu Hause doch sehr empfunden."
    Als nach 25 Jahren ein Klassentreffen stattfand, war seine SPD-Mitgliedschaft für viele der ehemaligen Kameraden etwas schwer zu Verstehendes. Krings kann sich nicht vorstellen, in einer anderen Partei zu sein. Bewundernd spricht er über Helmut Schmidt. Der Kerpener Stadtrat meint, in der SPD wäre vieles anders, besser gelaufen, wenn Schmidt Mitte der Siebziger auch den Parteivorsitz übernommen hätte.
    Zu SPD-Chef Lafontaine geht Krings auf Distanz. Die Gründe liegen Jahre zurück. Lafontaine sei mit ihm einige Zeit lang in Prüm in derselben Klasse gewesen. Sehr auf sich bezogen und keinen anderen neben sich duldend — so schildert er den Mitschüler Oskar. Eine Begegnung später im Wahlkampf sei über ein lockeres Gespräch nicht hinausgegangen.
    Unter den NRW-Parteifreunden gefallen Krings besonders Wolfgang Clement und Klaus Matthiesen. An Clement schätze er dessen kühle, intellektuelle, auch ironische Art. Mit Matthiesen verbinde ihn herzliches Einvernehmen. Beide Politiker haben dem Abgeordneten Krings sehr geholfen, als ihm im Braunkohle-Wahlkreis wegen der Koalition mit den Grünen Empörung entgegenschlug. "Mit Hilfe von Clement und Matthiesen ist es schließlich gelungen, die Front zu halten."
    Da Hans Krings rank und schlank ausschaut, wird er gewiß eine Freizeit-Sportkanone sein. "Ja", sagt er, "ich bin passionierter Langstreckenläufer, wenn möglich jogge ich zwei Stunden täglich." Die belgische Schäferhündin ist seine treue Mitläuferin. Hätte er nicht wegen der politischen Arbeit in Kerpen und Düsseldorf soviel am Hals, würde er "irgendwann Extremsport, Triathlon oder so was" betreiben.
    Über den Sport des bekanntesten Sohnes seiner Heimatstadt Kerpen, über "Schumi" Schumacher also, äußert sich Krings politisch korrekt. Natürlich sehe er die Formel 1-Rennen Schumachers im Fernsehen, schon wegen eines gewissen Lokalpatriotismus. "Aber", setzt er schnell hinzu, "ob so etwas noch zeitgemäß ist, eine kritische Distanz zum Autorennsport will ich nicht verhehlen."
    Krings scheint ein unruhiger Geist zu sein. Das Reisen, der Müßiggang im Urlaub sind seine großen Leidenschaften nicht. Es gehe soviel Zeit dabei drauf, meinte er und ergänzt, er sei eben ein bißchen arbeitssüchtig. Trotzdem, bei der Frau Gemahlin steht er im Wort, mit ihr später einmal im Wohnmobil zu verreisen. "Aber eines Tages als Pensionär aufstehen und meiner Frau Tee kochen, das kann ich mir nicht vorstellen."
    Reinhold Michels


    ID: LI970455

  • Porträt der Woche: Annegret Krauskopf (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 3 - 25.02.1997

    "Mercedes baut doch keine Autos, um damit Menschen zu verletzen." Einer noch gar nicht gestellten Frage kommt Annegret Krauskopf (52), SPD-Landtagsabgeordnete aus Dortmund, mit diesem Bekenntnis zum Sozialsponsoring zuvor. Keine Zweifel begleiten auch diese Aussage: "Fürs Ehrenamt braucht man Rahmenbedingungen."
    Hintergrund für Krauskopfs Äußerungen sind ihr seit fast zwei Jahrzehnten währendes Engagement für die Verkehrssicherheit, vor allem, wenn es um die Sicherheit der Kinder geht. Als Leiterin der evangelischen Kindertagesstätte Jungferntal in Dortmund-Rahm hat sie über viele Jahre die Probleme der Kinder im Straßenverkehr vor Ort miterlebt. Seit 1982 ist sie Bundessprecherin der Vorschulparlamente, in denen Eltern und Erzieher ehrenamtlich in Zusammenarbeit mit der Verkehrswacht tätig sind. 37 Vorschulparlamente hat sie mit aufgebaut, mittlerweile gibt es über 40. Mercedes fördert jedes dieser Vorschulparlamente mit jährlich 10000 Mark. Krauskopf arbeitet weiterhin als freiberufliche Fachreferentin für Verkehrssicherheit und gehört dem Beirat der Deutschen Verkehrswacht an.
    Parallel zum beruflichen und ehrenamtlichen Engagement ist Annegret Krauskopf 1979 in die SPD eingetreten und war von 1989 bis 1995 Ratsmitglied in Dortmund. In der Partei sei ihr Start ein wenig schwierig gewesen, räumt die gebürtige Essenerin ein, da sie nicht den sozialdemokratischen "Stallgeruch" mitgebracht und sich auch nicht in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen engagiert habe.
    Deshalb hat sie lange überlegt, ob sie die ihr vor der Landtagswahl 1995 angetragene Direktkandidatur im Wahlkreis 130 übernehmen sollte. Denn noch vor der Landtagswahl 1990 hatte sich die Dortmunder SPD strikt geweigert, den Trend zur Frauenquote mitzumachen, so daß aus allen sechs Dortmunder Wahlkreisen SPD-Männer in den Landtag zogen. Doch seit 1995 gibt es Parität in der Dortmunder SPD: Drei Frauen und drei Männer vertreten die SPD der westfälischen Metropole im Landtag.
    Ihrem politischen Schwerpunkt entsprechend gehört Annegret Krauskopf dem Ausschuß für Kinder, Jugend und Familie an, dessen Vorsitzende sie im September 1996 wurde, nachdem ihr Vorgänger Erich Heckelmann zum hauptamtlichen Bürgermeister von Grevenbroich gewählt worden war. Ferner ist sie Mitglied im Ausschuß für Wissenschaft und Forschung.
    Innerhalb ihrer Partei, deren Ideologie sie natürlich mittrage, schlägt die SPD- Politikerin auch durchaus eigenwillige und kritische Töne an: "Die Erhöhung des Kindergeldes hätte ich jetzt nicht durchgesetzt". Den wirklich Bedürftigen bringe sie auch nicht viel, da sie voll auf die Sozialhilfe angerechnet werde. Und als "Reicher" brauche man in dieser Gesellschaft auch nicht 20 DM mehr Kindergeld. Krauskopf fordert differenzierte statt pauschale Lösungen. Als Sozialpolitikerin scheut sie nicht vor der Feststellung zurück, daß sie "bewußte Klientelpolitik" für die Familie betreibe, die gestärkt werden müsse. Dabei möchte sie andere Formen des Zusammenlebens nicht ausgrenzen, es geht ihr um die "kleinste gesellschaftliche Einheit".
    Angesichts der Finanznöte werde die Jugendhilfearbeit in den Städten zu oft als freiwillige Aufgabe verstanden, für die die Mittel gekürzt werden könnten, kritisiert Krauskopf. Deshalb müßten diese Aufgaben "verbindlich festgeschrieben" werden. Dann, so ist sie überzeugt, "wird sich auch das Bewußtsein der Kommunalpolitiker ändern". Daneben gelte es, die Jugendhilfearbeit dadurch zu straffen, daß die Träger öfter gemeinsam Aufgaben angingen.
    Auf die Kritik läßt Krauskopf aber auch Verständnis für die Kommunen folgen: Die Städte und Gemeinden dürften nicht so überfordert werden, wie dies der Bund zuletzt mit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz getan habe. In den Kindergärten müsse sich aber einiges ändern. So müßten etwa die Öffnungszeiten flexibler auf die Nachfrage und Bedarf ausgerichtet sein. Aus ihrer beruflichen Tätigkeit kommt die Erfahrung, daß Widerstände gegen solche Neuerungen oft von den Personalräten kommen, während die Mitarbeiter in der Regel dazu bereit seien. Im Landtag will sie sich dafür einsetzen: "Das Kindertagesstättengesetz muß einen flexibleren Rahmen setzen."
    In ihrer Freizeit kümmert sich die Familienpolitikerin Krauskopf am liebsten um ihre beiden Enkel: "Das ist eins der schönsten Dinge der Welt."
    Ludger Audick
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI970358

  • Porträt der Woche: Dr. Heinz-Jörg Eckhold (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 2 - 04.02.1997

    Heinz-Jörg Eckhold ist vor 55 Jahren in Oberhausen geboren worden. In Oberhausen fühlt er sich auch heute noch zu Hause. Seit langem ist er dort politisch aktiv. Der CDU-Fraktionschef im Rat von Oberhausen hat vor zwanzig Jahren einmal für den Bundestag kandidiert. Dem schließlich siegreichen SPD-Gegenkandidaten hatte er immerhin rund 6 000 Stimmen abnehmen können. Aber mehr als 34,5 Prozent waren für den Christdemokraten Eckhold nicht drin in der sozialdemokratischen Hochburg.
    Vielleicht erinnert sich der Mittfünfziger auch deshalb mit Bewunderung an Martin Heix, den Parteifreund, der bis 1962 stets den Oberhausener Wahlkreis gegen die SPD zu behaupten vermocht hatte.
    Unions-Politiker wie den früheren NRW-Ministerpräsidenten Karl Arnold oder Norbert Blüm nennt Eckhold, wenn man ihn nach politischen Leitbildern fragt. Blüm habe den Landesverband zusammengeführt. Eckhold will den Landesvorsitzenden der CDU deshalb so lange stützen, wie Blüm kandidiert.
    Eckhold war nach eigenem Bekunden immer ein Mann der CDU-Sozialausschüsse CDA; den Anliegen der Arbeitnehmer fühlt er sich verbunden. Gegen einzelne Sparbeschlüsse der Bundesregierung Kohl hat Eckhold gemeinsam mit anderen beim Kanzler schriftlich Bedenken angemeldet. "Aber", räumt er ein, "es gibt auch Solidarität in einer Partei, die man mit der Faust in der Tasche einbringen muß."
    Eckhold, Sohn aus einer einfachen Familie mit fünf Kindern, deren Vater in Oberhausen als Heimat- und Arbeiterdichter bekannt war, trat 1958 als damals noch nicht Volljähriger in die CDU ein. Das Elternhaus war sehr religiös, der Vater ein aktiver Kolpingmann. Mit siebzehn Jahren ging Sohn Heinz-Jörg zusammen mit dem Vater zur Kolping-Familie. Der junge Eckhold faßte einen Doppelbeschluß: Kolping-Mitgliedschaft plus CDU-Beitritt. Heinz-Jörg Eckhold war der erste in der Familie mit Parteibuch. Die Entscheidung, aktiv Politik zu machen, war folgerichtig. Eckhold erzählt, er habe sich für politische Nachrichten und Fragen schon im frühen Schüleralter interessiert. Er erinnert sich: "Mit neun habe ich die Meldungen über den Korea-Krieg verfolgt."
    Beruflich ist der Oberhausener nicht den geraden Weg gegangen. Nach der Volksschule folgte zunächst eine Lehre als Maschinenschlosser. Schon bald merkte der geistig Interessierte, daß dies nicht sein Beruf werden würde. Er wollte studieren, lernte weiter bis zum Abitur und belegte an der Universität schließlich die Fächer Germanistik, Geschichte und katholische Religion mit dem Ziel, Lehrer zu werden. Kurz habe er einmal daran gedacht, Priester zu werden, aber — er schmunzelt vielsagend — "dann habe ich ein junges Mädchen kennengelernt — meine heutige Frau."
    Die Bindung an Kirche und Religion blieb stark. Sie half Heinz-Jörg Eckhold sehr, nachdem die ehemals vierköpfige Familie ein furchtbarer Schicksalsschlag getroffen hatte. Acht Jahre lang unterrichtet Eckhold an einer Gesamtschule. Er sei einer der ersten Parteifreunde gewesen, die Heinrich Köppler über Gesamtschule aufgeklärt hätte, berichtet der Abgeordnete. Als Regelschule favorisiere er die Gesamtschule nicht, immerhin habe sie jedoch bewirkt, daß die Blasiertheit und Borniertheit mancher Gymnasien gebrochen werden konnte.
    Im Bundestagswahlkampf 1976 wurde dem Gesamtschullehrer immer wieder, vor allem beim Stichwort Berufsverbote seine CDU-Mitgliedschaft vorgeworfen, allerdings nicht von den Schülern, mit denen sei er gut ausgekommen. 150 von ihnen hätten gar der Schüler- Union angehört. "Kommunisten-Hasser" sei er beschimpft worden, dabei könne er gar nicht hassen.
    Nach den Jahren als Schullehrer wechselte Eckhold zum Bistum Essen, in die Erwachsenenbildung. Mit Ftuhrbischof Hengsbach arbeitete er eng zusammen. 1987 oblag es Eckhold, den Besuch des Papstes im Bistum vorzubereiten. Später leitete er das Bildungswerk des Bistums, die Akademie Wolfsburg. Für den Fall des Rückzugs aus dem Landtag steht für ihn ein Schreibtisch im Institut für soziale Bildung des Bistums Essen.
    Eckhold bedauert, daß er als erfahrener Kommunalpolitiker nicht im kommunalpolitischen Ausschuß des Parlaments wirken kann. Dafür ist er einer von zwei Männern im frauenpolitischen Ausschuß. "Ich bin ein Alibi-Mann in diesem netten Ausschuß", lacht er verschmitzt. Die Landtagsdebatten kommen ihm oft zu taktisch und vordergründig vor. Kritisch sieht er, daß man als Opposition kaum mitgestalten kann.
    Als mögliche Koalitionspartner der CDU will Eckhold die GRÜNEN nicht ganz ausschließen: "Bei denen gibt es Leute, mit denen sich zusammenarbeiten ließe." Als Politiker müsse man warten lernen. "Wir von der CDU müssen aber schon sehr lange warten." Man meint bei diesem Satz einen Seufzer zu hören. Was die Freizeitbeschäftigung betrifft, fällt Heinz-Jörg Eckhold nicht aus dem üblichen Rahmen: Lesen, meist Sachbücher, im Urlaub auch Romane, und möglichst einmal pro Woche eine Verabredung zum Tennis.
    Reinhold Michels

    ID: LI970260

  • Porträt der Woche: Wolfgang Drese (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 1 - 21.01.1997

    Er mag jene Politiker nicht, von denen es offensichtlich immer mehr gibt — die "Polit-Profis". Sie kommen meist von den Hochschulen und streben sogleich eine politische Karriere oder ein Mandat an, ohne zuvor einen Beruf erlernt zu haben. "So sehen dann auch oft deren Entschließungen und Entscheidungen aus, realitätsfern", kritisiert Wolfgang Drese. Der SPD-Landtagsabgeordnete aus Erkrath-Hochdahl bedauert den geringen Anteil von "Leuten aus der Wirtschaft" in den Parlamenten. Sie würden offensichtlich von den allgemeinen Parteistrukturen "abgeschreckt".
    Der gelernte Maschinenschlosser und Programmierer, der seit vielen Jahren im Verkauf einer großen Aufzugsbaufirma tätig ist, stieß Anfang der siebziger Jahre über die Jungsozialisten zur SPD. "Mir hatten so einige kommunale Dinge in Hochdahl nicht gepaßt", erinnert sich der heute 53jährige. Und da Wolfgang Drese nicht nur "meckern" wollte, engagierte er sich in einer politischen Partei. Bereits 1975 wurde der Sozialdemokrat in den Erkrather Stadtrat gewählt, dem er bis 1990 angehörte, davon vierzehn Jahre als Vorsitzender der SPD-Fraktion. Die Schwerpunkte seiner kommunalpolitischen Tätigkeit waren die Wirtschaftsförderung und die Stadtplanung.
    Zu jener Zeit entstand auch das großräumige neue Wohngebiet Hochdahl vor den Toren der Landeshauptstadt Düsseldorf, das heute für 30 000 Menschen ein Zuhause ist. Im Gegensatz zu manch anderen ähnlichen Großprojekten gilt es mitten in einer reizvollen Landschaft als architektonisch gelungen. Als langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender der Entwicklungsgesellschaft Hochdahl hat Wolfgang Drese an dem Gelingen dieses Projektes einen entscheidenden Anteil. Nach fünfzehnjähriger kommunalpolitischer Tätigkeit wollte sich der Sozialdemokrat 1990 eigentlich aus der Politik "zurückziehen und deren aktive Mitgestaltung Jüngeren überlassen. Doch die Partei ersuchte ihn, für den Landtag zu kandidieren, und er setzte sich im Wahlkreis Mettmann II erfolgreich durch, übrigens auch fünf Jahre später. In der letzten Legislaturperiode gehörte der Erkrather dem Rechtsausschuß sowie dem Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen an.
    Seit dem letzten Jahr engagiert sich der Abgeordnete im Ausschuß für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz sowie im Haushaltskontrollausschuß. "Ich wollte mal etwas anderes machen." Sein besonderes Anliegen ist es nun, dabei mitzuwirken, daß die bäuerlichen Familienbetriebe existentiell gesichert werden und "keine Strukturen wie im Osten" entstehen. Die kleineren Höfe müßten nicht nur gefördert werden, weil sie mehr Arbeitskräfte beschäftigten als die vollmaschinellen Großbetriebe mit ihrer Monostruktur, sondern weil sie auch einen bedeutenden Beitrag zum Naturschutz leisteten. Wichtig sei auch, daß über die Direktvermarktung das Vertrauen der Verbraucher in gesunde bäuerliche Produkte gestärkt werde.
    Der Parlamentarier hatte ein mehr als 300 Jahre altes Fachwerkhaus erworben, das er in den letzten zwölf Jahren selbst sanierte. Für Wolf gang Drese war diese "Eigenleistung" ebenso ein willkommener Ausgleich für das politische Wirken wie der Sport — allerdings reduziert er sich heute "altersbedingt" auf Tennisspielen. Der Erkrather zählt im übrigen zu jenen Politikern, denen "ideologisches Denken" ein Greuel ist. Jede Entscheidung sollte sach- und realitätsorientiert aus persönlicher Verantwortung getroffen werden.
    Jochen Jurettko

    ID: LI970155

  • Porträt der Woche: Dr. Axel Horstmann (SPD).
    Porträt
    S. 31 in Ausgabe 21 - 19.12.1996

    Es scheint eine Laune der politischen Natur zu sein, daß die meisten Arbeits- und Sozialminister in Nordrhein-Westfalen auf Namen hören oder hörten, die mit einem "Mann" enden: Grund-, Farth-, Heinemann hießen sie. Die Kette wurde nur von den Figgens und Münteferings unterbrochen. Und nun setzt sie Axel Horstmann fort.
    Der 42jährige hat einen sozialdemokratisch durchgeprägten Lebensweg hinter sich, wie er heute eigentlich nur noch höchst selten gemacht wird: Vater Dreher, später kleiner Verwaltungsangestellter, Mutter Friseuse — "kleine Leute", wie er selbst ganz ohne proletarisches Pathos sagt. Evangelische Volksschule im ostwestfälischen Enger, Widukind-Gymnasium, 1973 Abitur. Ein teures Studium auswärts kam nicht in Frage. Wäre da nicht die gerade gegründete Uni Bielefeld direkt vor der Haustür gewesen, er hätte wohl eine Lehre gemacht. So kann er Volkswirtschaft studieren, macht 1979 das Diplom und wird 1986 zum Dr.rer.pol. promoviert. — Horstmann, ein Kind sozialdemokratischer Bildungspolitik.
    Im selben Jahr übernimmt Horstmann das Amt für Wirtschaftsförderung und Liegenschaften bei der Stadt Detmold, ein Jahr später wird er Stadtkämmerer und Dezernent für Wirtschaftsförderung und 1990 Stadtdirektor in Detmold. Parallel dazu läuft die Karriere in der SPD, der Horstmann 1972, im Jahr der Willy-Wahl, beitritt. Von 1979 bis 1987 gehörter dem Rat seiner Geburts- und Heimatstadt Enger an, zuletzt als Fraktionschef. Von 1980 bis 1982 ist er stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungsozialisten, was seinen Ruf begründet, ein Parteilinker zu sein. Seit 1982 sitzt er im Vorstand des mit knapp 24 000 Mitgliedern kleinsten nordrhein-westfälischen SPD-Regionalsprengels, des Bezirks Ostwestfalen-Lippe, dem er seit 1988 vorsitzt. Und 1994 wird der Wirtschaftsexperte auf Vorschlag von Partei- und Regierungschef Johannes Rau Schatzmeister der NRW-SPD.
    Den bisherigen Höhepunkt seiner Laufbahn erreicht Horstmann am 27. November 1995: Ein halbes Jahr nach der letzten Landtagswahl, die für die SPD das Ende der absoluten Mehrheit bedeutete, holt ihn Rau in sein rot-grünes Kabinett, wo er die Nachfolge von Franz Müntefering antritt, der in Bonn SPD-Bundesgeschäftsführer geworden ist. Horstmann hat sich für dieses Amt nicht zuletzt durch sein Geschick bei den Koalitionsverhandlungen mit den GRÜNEN qualifiziert, die in ihm einen verläßlichen Partner sehen. Wohl auch, weil er zur Koalition steht und meint, es gebe "keine bessere Option".
    Für einen Linken mag er nicht gelten. Damit habe er "große Schwierigkeiten" sagt er. Aber zu den Repräsentanten des "Status quo", die alles beim alten lassen wollten, gehöre er auf keinen Fall. Mithin begreift er sein Ministeramt als "emanzipatorische Aufgabe". Er wolle die Menschen befähigen, so zu leben, wie sie es möchten statt sie zu versorgen. Daraufist seine Politik vor allem für Alte und Behinderte gerichtet.
    Größte Sorge aber mache ihm die hohe Arbeitslosigkeit, die trotz verbesserter Konjunktur weiter zunehme. Und stolz präsentiert er seine Bilanz: Während Bundesarbeitsminister Blüm Milliarden habe abgeben müssen, sei es ihm gelungen, die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik deutlich anzuheben — "und das in einem Sparhaushalt." Horstmann, der kein Mann großer Worte, eher der leisen Töne ist, ahnt freilich auch, daß die "wirklich schwerwiegenden Eingriffe" in die Sozialhaushalte erst noch kommen. " Wir stehen jetzt an der Kante", sagt er mit Blick auf die Bergleute, von denen bisher noch keiner ins Bergfreie gefallen sei. "Ich glaube, daß die Ruhe im Lande eine Täuschung ist."
    Auch innerparteilich bemüht sich Horstmann um Desillusionierung. Zusammen mit seiner ostwestfälischen Parteifreundin Gabriele Behler, der Schulministerin, hat er zur Reform der alten Tante SPD Gedanken zu Papier gebracht, die Abschied nehmen von einem Gesellschaftsmodell, das von Großindustrien und Großgruppen geprägt wird. Das ist ihm als Absage an die traditionelle SPD-Anhängerschaft des Ruhrgebiets und die Gewerkschaften vorgehalten worden. Was Horstmann nicht gelten läßt. Neue gesellschaftliche Entwicklungen verlangten von der SPD neue Antworten, hält er seinen Kritikern vor, die ihn zu nahe bei den GRÜNEN orten.
    Dem politischen Dauerstreß kann sich Ehemann und Familienvater Horstmann nur selten entziehen. Dann zieht es ihn mit dem ältesten seiner drei Kinder aus Herzog Widukinds Revier ins Reich von König Fußball. Bei Borussia Dortmund hat er zwei Dauerkarten. Und sonntags sieht man ihn gelegentlich beim Joggen durch den Teuteburger Wald.
    Bernd Kleffner

    ID: LI962171

  • Porträt der Woche: Wilhelm Droste (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 20 - 19.11.1996

    "Ich möchte dafür sorgen, daß unsere Region auf Landesebene wieder die Bedeutung erhält, die sie für uns selbst hat. Als unser Lebensraum. Als unsere Heimat." Mit diesen Worten warb Wilhelm Droste im Mai 1995 um das Vertrauen der Bürger in seinem Wahlkreis Ratingen und Heiligenhaus. Über die Landesreserveliste zog der 35jährige Christdemokrat dann in den Landtag ein und kann dort sein Versprechen als "Anwalt der Region" realisieren.
    Rund um die Uhr ist der Notarassessor im Einsatz, um den "Menschen da zu helfen, wo der Schuh drückt". Obwohl er ein Vollblutpolitiker mit vielen Ämtern ist, hat er seinen Beruf nicht an den Nagel gehängt. "Ich halte ihn auch für unverzichtbar. Denn Politik darf nie eine Existenzfrage sein", sagt der gebürtige Ratinger. "Es ist bedenklich, wenn jemand direkt vom Hörsaal in den Plenarsaal fällt. Man muß die berufliche Praxis kennenlernen, um die Probleme der Bürger erkennen und lösen zu können. Vor allen Dingen sollte ein Politiker finanziell unabhängig sein." Zum Glück ließ sich das politische Engagement Drostes mit den Interessen seines Arbeitgebers verbinden.
    Auf der anderen Seite warnt Wilhelm Droste davor, sich zu verzetteln. Kann ihm das aufgrund seiner Fülle von Posten nicht auch passieren? "Zunächst einmal steht für mich die Aufgabe im Vordergrund, nicht mein Amt", betont der Abgeordnete, der seit 1978 Mitglied der CDU ist. Als einziger Unionsabgeordneter aus dem Kreis Mettmann hat er im Landtag eine nicht leichte Aufgabe zu lösen. Denn natürlich wird ihm aus seinem Kreis einiges mit auf den Weg gegeben: Schließlich sitzt Droste seit 1989 auch im Mettmanner Kreistag. Getreu seiner heimatverbundenen Devise vertritt er auch in erster Linie die Anliegen seines Wahlkreises.
    Dazu zählt unter anderem der Einsatz für "sinnvolle Straßenbaumaßnahmen, die schon seit Jahren blockiert werden". So bezeichnet Wilhelm Droste den Lückenschluß der A 44 als längst überfällig. Er würde Ortsteile von Ratingen und auch Heiligenhaus entlasten und sei zudem lebenswichtig für die örtliche Wirtschaft. Für alle Konflikte im Zusammenhang mit Straßen oder Flughäfen gilt für den Eishockeyfan: Ein vernünftiger Ausgleich muß her, der die Bedürfnisse der Menschen und deren Gesundheit ebenso berücksichtigt wie die Belange der Wirtschaft.
    Eine Absage erteilt der Rechtsanwalt, dessen Vater schon Landtagsabgeordneter war, all denen, die sich aus Politikverdrossenheit immer mehr zurückziehen. "Politik lebt von Menschen und Ideen. Was kann ich als einzelner für den Staat tun, muß das Prinzip sein und nicht umgekehrt. Privatinitiativen und der Austausch von Einfällen — das gilt auch für die Kommunen — sind heute mehr denn je gefragt."
    Eine große Chance sieht Wilhelm Droste deshalb auch in der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, auf die auch das Ifo-Gutachten abzielt. "Ein Stadtteil weiß besser, wo Gelder eingesetzt werden müssen", meint der Politiker und rät gleichzeitig, Gesetze zu überprüfen, um ein gutes Stück Bürokratie abzubauen. Im Landtag selbst beklagt Droste, daß in den Ausschüssen meist hitzige Debatten Mangelware seien und Ideen oftmals abgeblockt würden. "Ich wünsche mir mehr überparteiliche Diskussionen, wie sie auch mein Vater erlebt hat. Heute beherrschen zu sehr Distanz und Kühle die Debatten. Es geht zuwenig um die Sache." Droste, der sich bei allem politischen Ehrgeiz als oberstes Gebot für sein Handeln Menschlichkeit gesetzt hat, ist selbst Mitglied im Innen- und Rechtsausschuß sowie im Petitionsausschuß.
    Er, der seinerzeit gegen Lärm- und Abgasbelastung durch den Düsseldorfer Flughafen protestiert hat, folgte der Aufforderung: "Na, dann mach mal (Politik)." Und entschied sich für einen 14-Stunden-Tag und mehr, um etwas zu bewegen. Droste, der unter anderem auch in Los Angeles studiert hat, ist bewußt, daß er als junger Politiker nicht die Welt aus den Angeln heben wird. Aber mit einer Portion Ehrgeiz und viel Beharrlichkeit setzt er sich für die Interessen der Städte ein.
    Andrea C. Grüten
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI962051

  • Porträt der Woche: Josef Wilp (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 19 - 12.11.1996

    Bodenständig und ebenso allen neuen Ideen aufgeschlossen — so sieht sich Josef Wilp, CDU-Landtagsabgeordneter aus dem münsterländischen Rheine. Herkunft und Lebensweg bestimmen diese beiden Wesensmerkmale des gebürtigen Mesumers. Im Elternhaus sei sehr viel politisch diskutiert worden, erinnert sich der heute 58jährige. "Und da gab es oft ganz konträre Meinungen." Dabei lernte er auch schon früh, daß man für seine Überzeugung mitunter hart kämpfen müsse, aber auf persönliche Angriffe verzichten sollte. Der Christdemokrat: "Niemand wird sagen können, mit dem Wilp kann ich kein Glas Bier mehr trinken."
    Aus einem katholischen Elternhaus stammend, war Josef Wilp schon in Jugendjahren in kirchlichen Verbänden aktiv. So war es auch kein Zufall, daß er nach dem Abitur neben Pädagogik auch Theologie und Sozialwissenschaften studierte. Als seine großen Vorbilder nennt er die Theologen Karl Rahner, Josef Pieper und auch Joseph Höffner. Das Studium für das Lehramt an Volks- und Realschulen schloß der Pädagoge ferner mit dem Diplom für christliche Sozialwissenschaften ab. Zunächst als Fachleiter für katholische Religionslehre am Bezirksseminar Rheine tätig, wurde er 1983 Rektor einer Hauptschule. Sie leitete er bis zur Übernahme des Landtagsmandates.
    Bereits als 26jähriger trat Josef Wilp der CDU bei, und er ist seit vielen Jahren Mitglied des Kreisvorstandes Steinfurt seiner Partei. Schon 26 Jahre engagiert sich der Abgeordnete in der Kommunalpolitik, davon gut zwanzig Jahre als Fraktionsvorsitzender im Rheiner Stadtrat. Seine sehr unterschiedlichen sachpolitischen Schwerpunkte sind die Finanzen, die Schulpolitik und die Wirtschaftsförderung. Im Stadtwerke-Ausschuß bemüht sich der Christdemokrat um einen schonenden Umgang mit den Ressourcen. Der Anbieter Stadtwerke sollte nicht bestrebt sein, möglichst viel Wasser, Strom und Gas zu "verkaufen", sondern er müsse seine Kunden zu einem sparsamen Verbrauch anregen.
    Beim zweiten Versuch, bei den letzten Landtagswahlen 1995, gelang es Josef Wilp, den Wahlkreis 96 (Steinfurt II) wieder für die CDU von den Sozialdemokraten zurückzuerobern. Zuvor war er Ende 1993 über die Reserveliste in das Landesparlament nachgerückt. Die Fraktion berief ihn in den Ausschuß für Kommunalpolitik, den Ausschuß für Kinder, Jugend und Familie sowie in den Petitionsausschuß. Der Kommunalexperte engagierte sich für die Interessen der Gemeinden und Städte, die er beispielsweise durch das Gemeindefinanzierungsgesetz des Landes verletzt sieht. Immer neue finanzielle Lasten würden ihnen aufgebürdet.
    Nicht minder vehement fordert der Münsterländer, daß die Familienpolitik endlich den ihr gebührenden Platz in der Landespolitik erhält. Eine stärkere Förderung der Familie sei um so dringender, weil viele instabil geworden seien. "Die Drei- Generationen-Familie gibt es kaum noch." In diesem Zusammenhang kritisiert er den "Rückzug in Raten" des Landes auch aus der Weiterbildung, einer Säule der Familienförderung. So sei seit 1977 der Landeszuschuß zu den Gesamtausgaben der Weiterbildung von rund 55 auf 20 Prozent im Jahr 1993 gesunken.
    "Weil Ideen es sind, die die Welt verändern", liest Josef Wilp gern historische Bücher. "Ich möchte etwas über die Motive der Handelnden erfahren." Entspannung bietet ihm auch die klassische Musik — nicht allein als Zuhörer, sondern auch als aktiver Geiger. Im Haus der Familie Wilp wird noch musiziert, eine Seltenheit nicht nur unter den 221 Landesparlamentariern.
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI961950

  • Porträt der Woche: Erika Rothstein (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 29.10.1996

    In Solingen geboren, in Solingen zu Hause, in Solingen bekannt — und von Solingen aus gereist in beinahe alle interessanten Ecken dieser Welt. Dies wäre die denkbar kürzeste Fassung, um Erika Rothstein zu beschreiben. Die Kommunalpolitikerin mit Leib und Seele, die von 1984 bis 1994 Bürgermeisterin in ihrer Heimatstadt war, und die sich anstrengen muß beim Aufzählen ferner Länder, die sie bereits bereist hat, ist eine aufgeschlossene, antwortbereite Gesprächspartnerin, die zum verabredeten Termin ein wenig außer Atem in ihr Büro in der Ebene 5 stürmt.
    Im Plenarsaal des Landtages wird soeben der Etat für 1997 debattiert, der Tag ist nicht ideal für ein ausgeruhtes Gespräch, aber: Verabredet ist verabredet, sie hat eine gute Stunde Zeit, dann ruft die Pflicht das Präsidiums-Mitglied Erika Rothstein zurück ins Plenum. Man spürt: Hier sitzt ein Mensch, der gelernt hat, die knappe Zeit einzuteilen.
    Erika Rothstein ist Sozialdemokratin durch und durch. Sie entstammt einer alten SPD- Familie, der Vater gehörte nach Kriegsende zu denjenigen, die die Partei in Solingen wieder neu gründeten. Warum sie nicht schon in den 50er Jahren, der Tradition im Elternhaus folgend, in die SPD eingetreten sei, weiß sie heute nicht mehr genau.
    Die Mitgliedschaft begann dann, als in Bonn Helmut Schmidt regierte, genauer: 1976. Die gelernte Industrie-Kauffrau ("früher hießen wir Mädchen auch Industrie-Kaufmann") engagierte sich schon im Alter von siebzehn Jahren in der DAG. Später war sie zehn Jahre lang Vorsitzende des Betriebsrates beim Solinger Zweigbetrieb von Mannesmann.
    Niemals hat sie einen Gedanken daran verschwendet, auch eine andere Partei als die SPD könnte ihr politische Heimat bieten. Das könne sie beschwören, sagt sie, ohne dabei verbissen zu wirken.
    Für Willy Brandt hat sie geschwärmt, Helmut Schmidt imponierte ihr, an Johannes Rau findet sie heute die Gabe eindrucksvoll, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Aber politische Vorbilder? Nein, die gebe es nicht.
    Politik zu machen hat bei Erika Rothstein mit dem Wunsch, helfen zu wollen, sehr viel zu tun. Allerdings folgte bei der Arbeit im Solinger Stadtrat, dem sie noch angehört, sehr schnell die ernüchternde Feststellung, daß man Mehrheiten benötigt, um seine Vorstellung von Hilfeleistung durchsetzen zu können.
    Als sie schließlich Bürgermeisterin war (1994 mußte sie wegen der inzwischen erstarkten GRÜNEN-Fraktion ihren Platz räumen), stellte sich bald das gute Gefühl ein: Hier kannst du was machen, für Menschen etwas erreichen, beispielsweise bei der Stadtverwaltung. Bürgermeisterin Rothstein schweißte die Solinger Frauenvereinigungen zu einem Frauenplenum zusammen, das es noch heute gibt. Sie unterstützte die Obdachlosen-Initiative "Raus aus der Sackgasse", und sie genoß zunehmend das Gefühl, in allen Stadtteilen "bekannt wie ein bunter Hund" zu sein.
    1990 folgte der Einzug ins Landesparlament, wo sie sich dank kollegialer Hilfe schnell eingelebt habe. Die erste Rede im Landtag galt den Roma und Sinti, die seinerzeit neben dem Landtag kampiert und für reichlich landespolitischen Gesprächsstoff gesorgt hatten. Die Integration von Ausländern ist der Kommunal- und der Landespolitikerin Rothstein ein großes Anliegen. Es gehe ihr dabei nicht darum, den Fremden Privilegien zu verschaffen, sondern gleiche Lebensbedingungen zu ermöglichen.
    Sie fände es zwar gut, wenn etwa hier geborene Ausländer der dritten Generation automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhielten, aber entscheidend sei dies für die Integration nicht, denn: "Wenn eine Türkin mit Kopftuch über die Straße geht, hilft ihr der deutsche Paß wenig."
    Die Menschen müßten Vorurteile gegenüber Ausländern abbauen. Deshalb verspreche sie sich viel von dem in Solingen geplanten Zentrum für Zuwanderung. Zum schwierigen politischen Alltagsgeschäft in der SPD/GRÜNEN-Koalition äußert sich die Abgeordnete vergleichsweise optimistisch. Als Solinger Ratsmitglied sei sie geübt im Umgang mit den GRÜNEN, was sie die Lage jetzt auch gelassener beurteilen lasse. Sie sei der festen Überzeugung, daß die Koalition halten werde. Natürlich sei es für sie ein tolles Erlebnis gewesen, als sie 1990 in den Landtag gekommen sei und ihre Partei alleine regieren konnte. Der Satz ist kaum ausgesprochen, als schon die schulterzuckende Bemerkung folgt: "Was will man machen, Koalitionen sind immer schwierig."
    In der SPD tendiert Erika Rothstein "Richtung links", wie sie bekennt, jedoch: Berührungsängste gegenüber Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen bestünden nicht, im Landtags-präsidium komme man gar menschlich hervorragend miteinander aus.
    Reinhold Michels
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI961856

  • Porträt der Woche: Irmgard Klingbeil (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 17 - 15.10.1996

    Gewachsen ist das politische Engagement der Zahnärztin Dr. Irmgard Klingbeil, als sie bei der Arbeit in den Schulpflegschaften ihrer vier Kinder merkte, daß viele der dort anstehenden Fragen ihre Lösung erst auf anderen Ebenen finden konnten. So ist sie 1977 in die CDU eingetreten. Die Annahme ihres ersten politischen Mandats im Kreistag von Gütersloh im Jahre 1980 hat sie sich aber nicht leichtgemacht. Ihr war bewußt, daß sie danach ihrer Familie nicht mehr so viel Zeit und Kraft widmen könnte, wie zuvor und vor allem ihren Kindern einen höheren Grad an Selbständigkeit abfordern mußte.
    Rasch kamen neue politische Aufgaben in der Familien- und Schulpolitik sowie der Arbeit für Behinderte hinzu. Das führte schließlich zur Wahl von Irmgard Klingbeil zur Aufsichtsratvorsitzenden der "Gemeinnützigen GmbH Werkstatt für Behinderte im Kreis Gütersloh", in der heute 600 Behinderte an mehreren Orten betreut und beschäftigt werden. Neben den Werkstätten bestehen zwei Wohnheime, ein weiteres Wohnheim und eine zusätzliche Werkstatt sind geplant. Zwar erfordern ihre Aufgaben in diesem Amt viel Zeit und Kraft, aber nirgendwo sonst wird die Tätigkeit so aufmerksam registriert und mit dankbarer Zuwendung belohnt. So will sie die Arbeit für Behinderte auch nach ihrer Wahl in den Landtag weiterführen. Mitarbeit unter anderem im "Kinderschutzbund", der "Deutschen Liga für das Kind" und im "Reichsbund der Kriegs- und Zivilbeschädigten" beweisen ihr besonderes Engagement.
    Stellvertretende Landrätin des Kreises Gütersloh war Dr. Irmgard Klingbeil 1988 bis 1994, seit 1988 ist sie Mitglied im Bezirksvorstand der CDU Ostwestfalen- Lippe, 1993 bis 1995 außerdem noch im CDU-Landesvorstand NRW. Zur Wahl in den Landtag meint sie, dahinter habe nicht nachdrückliches eigenes Karrierestreben gestanden, sondern der Wunsch des bisherigen CDU-Abgeordneten Karl-Ernst Strothmann aus Gütersloh nach Ablösung. Immerhin hat sie sich noch gegen zwei Gegenkandidaten durchgesetzt, bis sie von der NRW-CDU als Landtagskandidatin aufgestellt wurde. Die Gütersloher Politikerin hat in den Nachkriegsjahren ein hartes Flüchtlingsschicksal gehabt. Ihre Eltern und zwei Geschwister hatten in Halle/Saale gelebt und kamen nach der Flucht über die damalige innerdeutsche Grenze zusammen in einem einzigen zehn Quadratmeter großen Zimmer unter. Unter schwierigen Bedingungen mußte sie dort die Wissenslücken auffüllen, um den Anschluß an das westdeutsche Gymnasium zu finden. Nach dem Abitur 1955 studierte sie als Werkstudentin Zahnmedizin in Marburg/Lahn, München und Göttingen. Nach zweijähriger Arbeit in einer zahnärztlichen Praxis heiratete sie und legte ihre Doktorprüfung ab. Danach wurde sie Hausfrau: "Ich wollte meine Kinder selbst großziehen."
    Geringschätzung für jene Mütter, die sich vorrangig um Familie und Kinder kümmern, hat Irmgard Klingbeil in der praktischen Umsetzung der Familienpolitik immer wieder gestört. Demgegenüber vermißt sie ein Gegengewicht in der öffentlichen Meinung, das eine Entscheidung für die nach ihrer Meinung für Kinder außerordentlich wichtige Phase des Aufwachsens in der Familie stärker wertet. Dazu würde nach ihrer Ansicht auch eine Erleichterung des Wiedereinstiegs von Frauen in den Beruf gehören, der gegenwärtig oft nicht mehr gelingt. "Da wird sich in den Köpfen noch viel ändern müssen", meint Dr. Irmgard Klingbeil. Viele der jungen Männer freilich hätten jetzt schon eine andere Einstellung und erleichterten ihren Frauen die Beibehaltung der beruflichen Tätigkeit, indem sie sich selbst stärker an Haus- und Familienarbeit beteiligten.
    Bei der Zuweisung der Ausschußmitgliedschaften im NRW-Landtag wurde Dr. Irmgard Klingbeil Mitglied im Ausschuß für Wissenschaft und Forschung — "eine Fortführung der bisherigen Beschäftigung mit Schulen" — sowie im Ausschuß für Kultur, der nach ihrer Meinung inzwischen sehr notwendige Funktionen zu übernehmen hat. Im Ausschuß für Schule und Weiterbildung sowie im Ausschuß für Frauenpolitik wurde sie Stellvertretendes Mitglied.
    Der Zugang zu vielen auf der kommunalen Ebene nicht verfügbaren Informationen macht für die CDU-Abgeordnete die Arbeit im Landtag besonders interessant. Solches Wissen zwischen den verschiedenen Ebenen weiterzugeben und deren Arbeit miteinander zu verzahnen, gilt ihr als ein Teil ihrer Aufgaben. Frau Dr. Klingbeil sieht sich selbst als einen optimistischen Menschen. Mit der zunehmenden politischen Arbeit aber mußte sie ein Hobby aufgeben, das ihr und ihrem Mann über viele Jahre hin Freude gemacht hat: Den Tanzsport.
    Peter Weigert
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI961761

  • Porträt der Woche: Leonhard Kuckart (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 16 - 01.10.1996

    Eigentlich wollte er Lehrer werden, und weil er "nur" die Mittlere Reife besaß, absolvierte Leonhard Kuckart erfolgreich eine Sonderbegabtenprüfung. "Doch dann kam der Hammer", erinnert sich der CDU-Landtagsabgeordnete noch heute. Die damaligen Lehrer-Aspiranten mußten ein Instrument spielen, und das konnte er nicht. So erlernte der gebürtige Schwelmer, Jahrgang 1932, den kaufmännischen Beruf, wurde Verkaufsleiter und Prokurist in einem mittelständischen Unternehmen seiner Geburtsstadt.
    Wie so viele der damals Gleichaltrigen fand auch der Siegerländer schon als 19jähriger den Weg zur CDU. Später wurde er Vorsitzender des Kreisverbandes Ennepe-Ruhr und gehört heute dem Bezirksvorstand Westfälisches Industriegebiet an. Fast zwanzig Jahre war der Christdemokrat Mitglied des Rates der Stadt Schwelm und engagierte sich dabei insbesondere in den Bereichen Stadtentwicklung und Wirtschaft. Zehn Jahre lang stand er auch der CDU-Ratsfraktion vor. Seine kommunalpolitische Tätigkeit setzt der Landtagsabgeordnete heute im Kreistag Ennepe-Ruhr fort.
    Als ihn die Partei vor den Landtagswahlen 1980 auf den 31. Platz der Landesreserveliste setzte, galt er schlechthin als "Zählkandidat". Die Überraschung war für Leonhard Kuckart groß, als er wider Erwarten in den Landtag rückte. Mit einem guten politischen Gespür suchte sich der "Neuling" eine "Marktlücke" im parlamentarischen Geschäft aus - den Sportausschuß. Fünf Jahre später wurde er der Sprecher seiner Fraktion für den in der Vergangenheit oft vernachlässigten Bereich. Inzwischen ist der Sport in die Landesverfassung aufgenommen worden — und zu diesem nach seiner Einschätzung "herausragenden" Ergebnis trug der Schwelmer nicht unwesentlich bei.
    Seit 1980 gehört der Christdemokrat auch dem Kulturausschuß an, und er wurde im letzten Jahr zu seinem Vorsitzenden gewählt. In Anbetracht des bevorstehenden Umzugs der Bundesregierung nach Berlin und des europäischen Einigungsprozesses mit dem "Europa der Regionen" sei NRW nach seiner Auffassung zu neuen Überlegungen in der Kulturpolitik gezwungen. "Wir brauchen Highlights in der Kulturlandschaft an Rhein und Ruhr." Der Ausschußvorsitzende macht sich in diesem Zusammenhang für Tanztheater stark. Und zwar deshalb, "weil wir beispielsweise mit Pina Bausch in Wuppertal und der Folkwangschule in Essen, mit bereits existierenden guten Balletts dafür beste Voraussetzungen haben".
    Und der Christdemokrat tritt dafür ein, daß die Kultur genauso finanziell gefördert werde wie der Sport. So kämen beispielsweise Gelder aus dem "Spiel 77" und der Glücksspirale" dem Sport zugute. "Warum nicht auch für die Kultur?", fragt der Siegerländer. Und schließlich müßten die Sponsoren für die Kultur steuerlich gleich behandelt werden wie die für den Sport.
    Für eine drängende politische Frage hält Leonhard Kuckart auch die Aktivierung der älteren Mitbürger für die Gesellschaft. Aufgrund Ihrer Erfahrungen, die nicht zu erlernen seien, könnten sie wertvolle Hinweise für die Zukunft geben. Quantitativ hätten sie ohnehin schon einen große Einfluß, der oft unterschätzt werde.
    Sport und Kultur, die politischen Handlungsfelder, sind für Leonhard Kuckart auch die beiden Hobbies. Mit Gymnastik und Schwimmen hält er sich fit. Und er schreibt gern. So hat man ihm jüngst eine Kladde mit weißen Blättern geschenkt. Kurzgeschichten, die auf eigenen Erlebnissen und denen anderer beruhen, will er zu Papier bringen — ein ebenso außergewöhnliches wie interessantes Hobby eines Abgeordneten.
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI961676

  • Porträt der Woche: Alexandra Landsberg (GRÜNE).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 15 - 17.09.1996

    Sie ist Kölnerin, aber man hört es ihr nicht an. Das ist die erste Überraschung, wenn man sich mit Alexandra Landsberg trifft. Es folgen hernach weitere Überraschungen. Die zweitjüngste Abgeordnete, von Jahrgang 1968, ist bereits wirtschaftspolitische Sprecherin ihrer BÜNDNIS 90/GRÜ- NEN-Fraktion, und der schnelle politische Aufstieg scheint sie gar nicht zu irritieren. Selbstbewußt, frisch und — dem Anliegen des Bundespräsidenten gemäß — "unverkrampft" tritt diese junge deutsche Parlamentarierin auf. Alexandra Landsberg kommt aus bürgerlichem Hause, der Vater war einmal Mitglied der CDU, nahm jedoch mit Respekt hin, daß seine politisch engagierte Tochter vor ein paar Jahren an einem Freiluft-Stand der Kölner GRÜNEN den Aufnahmeantrag stellte. In der zehnten Klasse sei ihr die Politik schrecklich langweilig vorgekommen. Was sie damals interessiert habe, Friedens- und Umweltpolitik, Nicaragua, das habe die "Männer in den grauen Anzügen", die sie als Politiker erlebt habe, überhaupt nicht interessiert. So entschloß sie sich, bei den GRÜNEN aktiv mitzumachen. An eine Landtagskarriere hat die Diplom-Volkswirtin (Studium in Köln) nicht gedacht. Gut ein Jahr war sie 1994/1995 Fraktionsmitarbeiterin im Landtag, danach ganz kurz Assistentin einer GRÜNEN-Bundestagsabgeordneten, die wiederum ziemlich erbost war, als Alexandra Landsberg sich nach einer Stippvisite von zwei Monaten in Bonn Richtung Düsseldorfer Parlament verabschiedete. Nach einer, wie sie sich erinnert, zündenden Rede vor Delegierten hatte sie sich gegen vier Listenplatz-Bewerberinnen durchgesetzt.
    Alexandra Landsberg sagt, sie sei jeden Tag im Landtagsbüro. In der Woche arbeite sie 70 Stunden. Gefragt, ob ihre Studienkollegen von einst sie um ihr vergleichsweise hohes Berufs-Anfangs-Gehalt als Abgeordnete beneideten, antwortet sie unbekümmert: "Wer als Volkswirt bei der Bank angefangen hat, bekommt 30 000 Mark im Jahr weniger als ich jetzt." Sie vermißt den sich verflüchtigenden Kontakt zu den Kommilitoninnen und Kommilitonen. Sie seien in alle Winde verstreut. Es folgt ein unausgesprochenes "So ist das Leben". Frau Landsberg hat sich in ihre neue Arbeit gestürzt, die sie mit Leib und Seele macht. Sie hat nichts von einer grämlichen Weltverbesserin, liebt den Kontakt zu Menschen, schätzt die Möglichkeit, als Abgeordnete praktische Hilfe zu leisten. Als ein Beispiel für ihr Verständnis von politischer Dienstleistung erzählt sie von dem 90-Mitarbeiter-Betrieb, der unverschuldet mit einem Schlag in finanzielle Not geraten und aufgrund bürokratischer Langsamkeit und fehlenden öffentlichen Interesses vor dem Ruin gestanden habe. Da habe sie in den Landesministerien für Wirtschaft und Finanzen hin- und hertelefoniert, sich also so lange um den Vorgang gekümmert, bis die Firma finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen konnte.
    Vielleicht möchte sie später einmal selbst ein kleines Unternehmen führen oder aber unternehmensberatend tätig werden. Noch macht sie sich keine allzu ernsten Gedanken, wie das Berufsleben nach der politischen Laufbahn aussehen könnte. Daß sie als wirtschaftspolitische Sprecherin keine einschlägigen Berufserfahrungen hat, macht Frau Landsberg keine übertriebenen Sorgen. Sie habe in dem einen Jahr ihrer Abgeordnetenzeit bereits gute Kontakte zu kleinen und mittleren Betrieben, vor allem aus dem Bereich des Handwerks knüpfen können. Dort höre sie viel aus der Praxis, es entwickle sich ein kritischer Dialog, sie erfahre im großen und ganzen freundliches Entgegenkommen von den Unternehmenspraktikern.
    Alexandra Landsberg hat angenehme Umgangsformen. Sie helfen ihr beim Umgang mit Kolleginnen und Kollegen der anderen "politischen Feldpostnummern". Aber: Everybody's darling will sie nicht sein. Im Gegenteil. Bei den regelmäßig wiederkehrenden Auseinandersetzungen mit dem Regierungspartner SPD plädiert sie für eine härtere Gangart ihrer politischen Freundinnen und Freunde. Ob sie gegebenenfalls die Koalition auch aufs Spiel setzen würde? Da zögert sie mit der Antwort. Wenn man glaubwürdig bleiben wolle, dürfe man natürlich nicht immer nur so tun, als sei man der SPD böse, aber, so fügt sie hinzu: "Diese Koalition ist mir sehr wichtig."
    Ein Bündnis mit der CDU würde sie "im Grunde ausschließen", wie sie es formuliert. Schnell ergänzt sie, daß sie manchmal die SPD-Politik als erschreckend unflexibel empfinde. Auch kriege sie Wut, wie die Sozialdemokraten Koalitionsvereinbarungen nicht einhielten: "Das ist doch kein Stil, wir machen doch auch alle Nase lang Sachen, die wir nicht toll finden, aber so vereinbart wurden in der Koalition."
    Die junge Politikerin, die Köln liebt und Düsseldorf "auch schön" findet, schätzt Italien und die Küche des Landes. Sie vertieft sich in alle möglichen Romane, geht gerne ins Kino und schwingt sich aufs Fahrrad.
    Reinhold Michels
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI961533

  • Porträt der Woche: Walter Bieber (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 10.09.1996

    Für einen Landtagsneuling ist Walter Bieber ganz schön kregel. Bei seiner Jungfernrede - nur vier Monate nach Einzug in das Düsseldorfer Parlament im Oktober 1995 - nahm der Sozialdemokrat seinen politischen Gegner von der Union munter an: "Es tut mir leid, daß ich als neuer Abgeordneter Ihnen das sagen muß, aber: Thema verfehlt, setzen sechs." Mitte Mai 1996 war der SPD-Mann womöglich noch mutiger, denn er forderte unverblümt von der eigenen Regierung: "Die SPD-Fraktion erwartet von dem Landeskabinett, daß es in diesem Sinne zügig tätig wird." Beide Male ging es um den Köln/Bonner Flughafen. Und da kann Walter Bieber schon eine Lippe riskieren. Das ist sein ureigenster Beritt. Bieber ist in Troisdorf, also in unmittelbarer Nähe zum Airport, geboren und aufgewachsen und hier auch SPD-Vorsitzender und Fraktionschef. Wenn es um die Verkehrspolitik geht, weiß der SPD-Mann wie kaum ein anderer, die Interessen seiner Region zu wahren. "Aber natürlich hatte ich auch Glück, daß gerade mein Thema auf der Tagesordnung des Landtags stand", räumt der Rheinländer aufgeräumt ein.
    Dabei verhehlt der neue Mann im nordrheinwestfälischen Landtag keineswegs, daß ihm neben dem Kampf um die Sache auch die Auftritte selber Vergnügen bereiten. Allerdings räumt er ein: "Also, ich habe ja schon viele Reden gehalten, auch vor viel Publikum, aber beim ersten Auftritt im Plenum, war ich doch nervös." Aufatmend fügt er in typisch rheinischem Tonfall hinzu: "Als ich dann den ersten Satz gesprochen hatte, ging mir alles glatt von der Zunge. Es war ein wunderbares Gefühl." Die Kollegen gratulierten ihm anschließend, und selbst Fraktionschef Klaus Matthiesen knuffte ihm anerkennend mit der Bemerkung in die Seite: "War 'ne flotte Rede." Das hatten alle, die Bieber kennen, auch von ihm erwartet. Denn der Troisdorfer ist nur im Landtag neu, ansonsten ist der 48jährige mit dem schütteren Haar und dem verschmitzten Lächeln ein Polit-Profi. 1970 trat er in die SPD ein. Seither ist Politik sein Leben. Von der Pike auf lernte er die Kommunalpolitik und hat damit das beste Rüstzeug für die Landespolitik. Seine politische Karriere begann er als Troisdorfer Juso-Vorsitzender. 1973 rückte er in den SPD-Ortsvorstand auf, 19 Jahre amtierte er als Parteivize, bis er 1995 Vorsitzender wurde. 1971 zog Bieber, der sich selber als "harmoniebedürftig, aber keineswegs konfliktscheu" bezeichnet, als sachkundiger Bürger in den Stadtrat, avancierte 1975 zum ordentlichen Stadtratsmitglied und ist seit 1982 ununterbrochen Fraktionsvorsitzender im Troisdorfer Rat.
    So war es nur folgerichtig, daß die SPD den erfahrenen Kommunalpolitiker nach Düsseldorf schickte. Alles klappte wie am Schnürchen. Dafür hatte allerdings auch Hans Jaax, Biebers Vorgänger im Landesparlament und politischer Ziehvater, gesorgt. Der bereitete auch den Boden dafür vor, daß der "Neue" gleich im Verkehrsausschuß, neben Stadtentwicklung, Mietfragen und Finanzen Biebers Spezialthemen, mitarbeiten konnte. Bieber versteht sich im Düsseldorfer Parlament durchaus als Lobbyist für seine Region, für die er das Optimum erreichen will. "Ich bin mit Leib und Seele Kommunalpolitiker", gesteht der Mann, für den Landespolitik eine Form gehobener Kommunalpolitik ist und fügt hinzu: "Natürlich achte ich auf alle Sonderprogramme und alarmiere die Verwaltungschefs vor Ort, damit wir bei Windhundverfahren etwas abbekommen."
    In seinem Abgeordnetenzimmer im 5. Stock des Düsseldorfer Landtags beugt sich Bieber vergnügt über seinen Schreibtisch. "Obwohl ich jetzt mehr tun muß, bekomme ich meine Arbeit heute besser geregelt als früher", erklärt der SPD- Mann, der in seiner Freizeit Tennis spielt und schwimmt und den Urlaub gern in Südfrankreich verbringt. Das hat seinen Grund. Bieber ist als Abgeordneter sein eigener Herr und kann seine kommunalpolitische Arbeit mit der als Parlamentarier besser koppeln als in früheren Jahren als Angestellter. Von Haus aus ist der in der Wolle gefärbte Sozialdemokrat, der selber sagt, aus bescheidenen Verhältnissen zu kommen, Starkstromelektriker. Auf dem zweiten Bildungsweg holte er Fachhochschulreife und Abitur nach, studierte in Bonn Jura, jobbte im Pressezentrum des Bundestags als studentische Hilfskraft, arbeitete dann bei dem Bundestagsabgeordneten Heinz Pensky und wurde 1982 nach dessen Ausscheiden Mitarbeiter von Ingrid Matthäus-Maier.
    "Das war der Beginn einer großen Freundschaft, wie es schön bei Humphrey Bogart heißt", erinnert sich Bieber. Ingrid Matthäus-Maier wohnte im Nachbarort St. Augustin und brauchte, als sie nach dem Bruch der sozial-liberalen Koalition von der FDP zur SPD übergetreten war, jemanden, der die Partei und ihren neuen Wahlkreis kannte. "Da es mein Heimatbezirk war, konnte ich ihr ganz schön den Rücken freihalten." Elf Jahre arbeitete Bieber als Referent bei der Finanzexpertin in Bonn. Dann kam seine eigene Zeit. Niemand in der eigenen Partei machte ihm die Nachfolge von Jaax streitig. Für alle war klar, daß Bieber in den Düsseldorfer Landtag nachrücken würde. Und tatsächlich holte Bieber den Wahlkreis auch mit 43,9 Prozent der Stimmen.
    Als Landtagsabgeordneter sieht Bieber es als seine wichtigste Aufgabe an, zur Schaffung von Arbeitsplätzen beizutragen. Im Köln/Bonner Flughafen sieht er den Wachstumsmotor der Region schlechthin. Deshalb unterstützt er auch voll und ganz die Verkehrspolitik von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und bezieht eindeutig Position: "Wer die Möglichkeit des Nachtfluges unzumutbar beschneiden will, schwächt den Wirtschaftsstandort NRW und vertreibt die Frachtflugunternehmen, die auf den Nachtflug angewiesen sind, ins benachbarte Ausland. Wer dies tut, wird mit dem Etikett .Jobkiller' leben müssen", machte er in der Landtagsdebatte vom 9. Mai 1996 klar.
    So eindeutig Biebers Haltung in Sachen Flughafen ist, so pragmatisch ist der SPD-Mann auch in anderen Fragen. Von der Eingruppierung nach linken und rechten Flügeln oder der Einstufung in irgendwelche Schubladen hält er nichts. Mit einem etwas ironischen Grinsen meint er dann aber doch: " Wissen Sie, ich gehöre zur progressiv-dynamischen, vernunftbegabten linken Mitte."
    Gerlind Schaidt
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI961455

  • Porträt der Woche: Monika Brunert-Jetter (CDU).
    Porträt
    S. 31 in Ausgabe 13 - 03.09.1996

    Frauen machen in der Politik unaufhaltsam ihren Weg. Das haben vor Jahresfrist auch die Herren der Schöpfung im tiefen Sauerland erfahren müssen: Bevor für die Christdemokraten in den Landtag einzog, mußte sich die Hausfrau zunächst "im fairen Wettstreit" gegen drei männliche Parteifreunde durchsetzen. Am Ende hatte die Vorsitzende im Mescheder Gleichstellungsausschuß Partei und Wähler überzeugt. Auch wenn die dynamische 40jährige von leisen Zweiflern gehört hat: "Um Gottes Willen, jetzt schicken wir eine Emanze nach Düsseldorf."
    Dabei hat die dreifache Mutter mit überzogenem Emanzengehabe nach eigener Einschätzung nichts am Hut. 15 Jahre lang stellte die gelernte Bibliothekarin ihre beruflichen Wünsche für die Familie zurück. Doch auch vier Jahre vor dem Sprung ins dritte Jahrtausend fällt die unvermeidbare Standardfrage auf jeder Veranstaltung: "Wie regeln Sie das mit den Kindern?" Monika Brunert-Jetter hat ihr Haus bestellt: mit 16, 14 und 11 Jahren ist der Nachwuchs flügge. Außerdem hilft eine "eigentlich unbezahlbare" gute Fee im Haus, und auch der Gatte geht bei der Hausarbeit kräftig zur Hand.
    Das frauenpolitische Credo der Christdemokratin ist denn auch ganz einfach: "Jede Frau soll ihr Leben so führen, wie sie es will." Monika Brunert- Jetter sieht die berufliche Familienpause nicht als bleierne Zeit: "Mein Hobby ist die Familie." Da kommt es schon mal vor, daß die agile Powerfrau mit ihren Kids zum Open-air-Konzert der ewig-jungen Rock-Opas "Rolling Stones" pilgert. Die Politikerin will anderen Frauen und Müttern mit ihrer Doppelrolle ein wenig Mut machen: "Ich glaube, wir haben viele starke Frauen. Überall."
    Das schließt die Anerkennung männlicher Leistungen nicht aus. In die "Großen Schuhe" ihres landesweit hochangesehenen Vorgängers im Wahlkreis, Karl Knipschild, passe sie natürlich noch nicht hinein, gibt die Sauerländerin ehrlich zu. "Aber ich versuche Schritt zu halten, auch wenn die Füße anders aussehen." Nach sechsjähriger Mitarbeit im Rat der Stadt Meschede hat sich die Abgeordnete in Düsseldorf für die Ausschüsse Umwelt und Kommunales entschieden. Selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen, will sich die junge Frau ganz bewußt für die ländliche Region einsetzen. Zwar sind die eigenen Ländereien verpachtet, aber einige Pferde stehen schon noch auf dem heimischen Hof in Wennemen.
    Schon die 18jährige beteiligte sich an der Gründung des Ortsverbandes der Jungen Union in Meschede. Später zog es die in einem CDU-Elternhaus groß gewordene Politikerin in den Stadtverband, dann auch zur Frauen-Union. Die Mißstände des alltäglichen Lebens sind es, ein Stück persönliches Erleben, das die junge Frau zum politischen Engagement reizt. Da klingelt auch mal nachts das Telefon, und die Politikerin muß der Frau eines gewalttätigen Alkoholikers auf der Stelle einen Platz im Frauenhaus verschaffen.
    Monika Brunert-Jetter braucht den persönlichen Kontakt zu den Bürgern, auch wenn das im topographisch schwierigsten Wahlkreis des Landes fast unmöglich wird. Der Rothaarkamm trennt den Wahlkreis 144 Hochsauerland III/Siegen-Wittgenstein I — bis 90 Minuten Fahrt von einem Termin zum nächsten sind keine Ausnahme. "Die Politik in Düsseldorf orientiert sich zu stark an den Ballungszentren und übersieht das Sauerland", hat die Abgeordnete erkannt. Jüngstes Beispiel, das von Rot-Grün geplante Biosphären-Reservat im Hochsauerland. "Wir werden das verhindern."
    Dabei hat natürlich auch die CDU-Politikerin, die bei der Landtagswahl 1995 den CDU-Sockel als Newcomerin sensationell um zwei auf 50,1 Prozent hochsetzte, die Probleme in der Opposition erkannt. "Das ist schon recht frustrierend, wenn man sich mit dem richtigen und besseren Konzept nicht durchsetzen kann." In der eigenen CDU-Landtagsfraktion aber fühlt sich die Sauerländerin wohl. "Das Klima ist gut, und ich bin freundlich aufgenommen worden." Trotzdem verbringt die Landtagsabgeordnete sehr viel mehr Zeit im Wahlkreis als in der fernen Landeshauptstadt. Vor Ort ist die Politik eben doch oft handfester.
    Wilfried Goebels
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI961384

  • Porträt der Woche: Gabriele Sikora (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 12 - 25.06.1996

    In Castrop-Rauxel geboren, ist Gabriele Sikora mit jener typischen Bergarbeiterstadt fest verwurzelt; die SPD- Landtagsabgeordnete kennt deren Probleme wie kaum ein anderer Parteifreund und erlebte den strukturellen Einbruch in den siebziger und Anfang der achtziger Jahre hautnah mit. Selbst einschließlich der neuen Bundesländer ist diese Region an Emscher und Lippe auch heute eine der schwierigsten in Deutschland. Der sie umgebende Bergbau und das Elternhaus prägten auch die poltische Einstellung der heute 46jährigen.
    "Schon mein Großvater gehörte der SPD an, und die Partei spielte auch im familiären Kreis eine bedeutende Rolle", erinnert sich die Diplom-Betriebswirtin. So schloß sie sich bereits mit 15 Jahren den Jungsozialisten an und beteiligte sich damals an den lebhaften parteiinternen Diskussionen über das Godesberger Programm. Die Castrop-Rauxelerin ist überhaupt eine profunde Kennerin des Partei- "Innenlebens": Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften war sie fast vierzehn Jahre als Geschäftsführerin des mitgliederstärksten SPD- Bezirkes Westliches Westfalen tätig. Seit 1984 gehört das Vorstandsmitglied der örtlichen Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) dem Rat ihrer Heimatstadt an und ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion. Dort gilt ihr Engagement insbesondere der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. So schlössen sich im Rahmen der Zukunftsinitiative Emscher-Lippe-Raum engagierte Bürger aus den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen und Betrieben zu einem Verein namens "Ziel" zusammen, der vielen arbeitslosen Jugendlichen eine Zukunftschance bietet.
    Als bei den letzten Landtagswahlen im Mai 1995 von den sechs Wahlkreisen im SPD-Unterbezirk Recklinghausen drei "frei" wurden und für sie sich nur männliche Parteifreunde bewarben, stieg auch Gabriele Sikora couragiert in den Wettkampf-Ring und setzte sich gegenüber ihren Mitkonkurrenten im Wahlkreis 84 Recklinghausen IV erfolgreich durch. Und die Wähler beriefen sie anschließend am Wahlsonntag in das Düsseldorfer Landesparlament.
    Die SPD-Fraktion "beorderte" sie in die Ausschüsse für Verwaltungsstrukturreform sowie für Europa- und Eine- Welt-Politik. Im ersteren Landtagsgremium will die Sozialdemokratin dazu beitragen, daß die Landesbehörden "durchschaubarer" und vom überflüssigen Verordnungs-Gestrüpp gelichtet werden. Nachdem die Regierungspräsidenten eine Bestandsgarantie der Landesregierung besitzen, werde der Ausschuß in nächster Zeit die beiden Landschaftsverbände und den Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) kritisch unter die Lupe nehmen müssen, meint Frau Sikora. "Wir werden prüfen, ob sie ihre Aufgaben weiter behalten oder sie reduziert werden müssen." Dieser Prüfprozeß werde aber unter Anhörung der Betroffenen erfolgen.
    Ein größeres Gewicht wird nach ihrer Einschätzung der Europa-Ausschuß im Düsseldorfer Parlament erhalten, weil sich die Einflüsse der Europa-Politik auf das Land weiter verstärken würden. "In Brüssel werden die Weichen für die nächsten Jahre auch bei uns gestellt." Insbesondere für eine strukturschwache Region wie den Emscher-Lippe-Raum seien die dort getroffenen Entscheidungen von immenser Bedeutung.
    Wie für viele andere Parlamentarier ist auch für Gabriele Sikora die Freizeit kurz bemessen. Sie verbringt die Castrop-Rauxelerin mit der Lektüre eines guten Buches oder beim Skilaufen und neuerdings beim Tauchen. "Die Ruhe unter Wasser bringt große Entspannung."
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI961250

  • Porträt der Woche: Oliver Wittke (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 11 - 18.06.1996

    Er gehört zu den Jungen in der CDU, die dem eigenen "Laden" zu mehr Lebendigkeit und damit zu mehr Attraktivität verhelfen wollen. Und er gehört zu denen, die trotz des Aufmuckens gegen gewohnte Rituale auch noch Karriere machen.
    Oliver Wittke ist mal gerade 29 Jahre alt. Als Spitzenkandidat der Jungen Union kandidierte er im Mai 1995 und zog als einer von sechs CDU-Abgeordneten unter 35 über die Reserveliste in die neue Landtagsfraktion ein.
    Seine Entscheidung für ein Engagement bei den Christdemokraten fiel eigentlich schon in der Schulzeit: Sowohl die Bundesregierung als auch die Landesregierung in Düsseldorf und erst recht die Kommunalpolitik seiner Heimatstadt Gelsenkirchen waren "rot" dominiert. Das sollte sich ändern. Hinzu kam, daß er in der heißen öffentlichen Diskussion über den NATO-Doppelbeschluß die Argumente der CDU für plausibel hielt. Was lag da näher, als sich der Jungen Union anzuschließen.
    Drei Jahre nach dem Abitur zog er in das Gelsenkirchener Kommunalparlament ein. Um die politische Arbeit in seiner Heimatstadt wegen des Studiums nicht aufgeben zu müssen, entschied er sich ganz bewußt für die Ruhr-Universität in Bochum. Dort studierte er zunächst Wirtschaftswissenschaften, wechselte dann aber zur Geographie und schloß vor zwei Jahren mit dem Diplom ab.
    In der Zwischenzeit wurde Oliver Wittke Chef der Jungen Union im Ruhrgebiet. Dieser Bezirk, in einer für die CDU immer noch schwierigen Region, sei mit 10000 Mitgliedern größer als der Bezirksverband Oberbayern des Nachwuchses der CSU, meint Wittke nicht ohne Stolz.
    Die CDU rang sich nach verlorener Landtagswahl 1985 dazu durch, die Aufsplitterung in verschiedene Bezirksverbände im Ruhrgebiet abzuschaffen und eine einheitliche politische Organisationsebene zu bilden, den Bezirk Ruhrgebiet. Etwas Ähnliches möchte Wittke auch für die staatlichen Strukturen im Revier erreichen. Das Ruhrgebiet solle sich als politische Einheit artikulieren können und nicht länger durch drei Regierungsbezirke und zwei Landschaftsverbände vertreten werden. Die nach seiner Ansicht künstlichen Grenzen im Ruhrgebiet müßten endlich wegfallen.
    Für einen christdemokratischen Politiker sei das Ruhrgebiet eine große Herausforderung. Und zur Resignation gebe es überhaupt keinen Anlaß. Im Gegenteil, in Mülheim, Gladbeck, Mari und anderen Städten habe die CDU zuletzt stark zugelegt und die traditionelle Mehrheit der SPD gebrochen. Konsequente Oppositionsarbeit bringe eben mittelfristig Erfolge. Ein Rezept, das auch für die Landtagsarbeit gelte.
    Auch beruflich hat Oliver Wittke ganz praktisch mit den Problemen des Ruhrgebiets zu tun. Nach dem Studium stand er als Geograph nicht auf der Straße, wie die Eltern befürchtet hatten, sondern er stieg bei einer Entwicklungsagentur im östlichen Ruhrgebiet ein. Diese Agentur, ein Ansatz von public/private partnership, wie es im Neudeutsch heißt, bereitet alte Bergbau flächen für neue Aktivitäten vor.
    Nach dem Einzug in den Landtag ist Oliver Wittke nur noch halbtags bei der Entwicklungsagentur beschäftigt. Doch ganz aufgeben wollte er diesen Job nicht.
    Denn bei der Vorstellung, mit 29 schon Berufspolitiker zu sein, wurde ihm etwas mulmig. Außerdem meint er, ein solides berufliches Standbein sei auch nützlich für die Unabhängigkeit, auch gegenüber der eigenen Partei.
    Und die eigene Partei scheint einiges von dem jungen Mann aus Gelsenkirchen zu halten. Sonst wäre er von der eigenen Fraktion wohl kaum auf Anhieb in einen so populären und begehrten Ausschuß wie den für Verkehr geschickt worden. Außerdem ist Wittke Mitglied im neuen Migrationsausschuß. Gerade in diesem Themenfeld habe die Politik, nicht nur, aber auch die CDU erheblichen Nachholbedarf, sagt der überzeugte Anhänger eines Einwanderungsgesetzes.
    Oliver Wittke möchte über die Legislaturperiode hinaus Dinge anstoßen, in Bewegung bringen. Aber zwanzig Jahre Arbeit in der Opposition, wie das einige seiner Fraktionskollegen bereits hinter sich haben, das kann er sich nicht vorstellen. Wenn dann die Rede auf das Thema "Schwarz-Grün", also eine Koalition der CDU mit den GRÜNEN kommt, dann winkt Oliver Wittke gemäß der offiziellen Parteilinie ab. Noch, denn langfristig sei das schon denkbar, meint er.
    Der Farbe Grün ist Wittke ohnehin sehr verbunden. Als passionierter Jäger kann er das tun, was ihm in der Politik hoffentlich erspart bleibt: Einen Bock schießen.
    R. K.
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI961179

  • Porträt der Woche: Ursula Bolte (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 10 - 21.05.1996

    In der Geschichte des Landes Nordrheinwestfalen ist es ein Vorgang ohne Beispiel, daß jemand aus dem Vorsitzendenamt eines Landschaftsverbands in den Landtag gewählt worden ist. Bei Ursula Bolte aus Steinhagen war es der Fall, als sie im Mai 1995 im Wahlkreis Gütersloh III für die SPD gewählt wurde und dort das Mandat des aus Altersgründen ausscheidenden früheren Kultusministers Hans Schwier gewann.
    Zu Beginn des Jahres 1996 gab Ursula Bolte die Aufgabe der Vorsitzenden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe ab, die sie seit 1989 wahrgenommen hatte. Schon 1979 war sie Mitglied des Landschaftsverbands geworden. Leicht ist ihr das Ausscheiden dort nicht gefallen, denn für das sehr sachliche Klima der Zusammenarbeit in diesem Gremium hat sie auch heute nichts als Lob. Aber seit 1994 ist sie Landrätin des Kreises Gütersloh und dies sowie weitere politische Aufgaben ließen keine andere Wahl, wenn sie das Landtagsmandat voll wahrnehmen wollte. Ohnehin ist sie von morgens früh bis abends spät tätig — "und in der Regel auch an Wochenenden".
    Schon durch ihr Elternhaus ist Ursula Bolte in politisches Engagement hineingewachsen. "Anders als bei Gleichaltrigen wurde bei uns zu Hause immer über Politik, auch über die Zeit des Nationalsozialismus diskutiert", sagt die Landtagsabgeordnete. Das hat sie geprägt. "Für die Politik geworben hat mein Vater mich aber nicht. Das war mein damaliger Freund und heutiger Mann." Den äußeren Anstoß bildete ihr Auftritt bei einer Podiumsdiskussion, den sie vertretungsweise übernommen hatte. So kam es dazu, daß sie 1973 Mitglied des Kreistags Gütersloh wurde. Das war noch vor ihrem 30. Geburtstag.
    Die finanzielle Lage des Elternhauses hatte Ursula Bolte den Besuch eines Gymnasiums nicht erlaubt. Damals noch hätten Schulgeld, Autobusfahrkarten und der Kauf der Bücher die Familie überfordert. So wurde sie Industriekauffrau und übte diesen Beruf bis 1971 aus. "Daß ich nicht zum Gymnasium gehen konnte, hat mich empfindlich getroffen", sagt sie. "Es war für mich Anlaß, daran mitzuwirken, daß nicht das Einkommen der Eltern ausschlaggebend für die Bildungschancen der Kinder sein darf." In der Kommunalpolitik kam sie schnell in verantwortungsvolle Positionen. Als sie Landrätin des Kreises Gütersloh wurde, hatte sie schon 15 Jahre lang das Amt der Stellvertretenden Landrätin versehen.
    "Das ist mir so wichtig, daß ich mit meinem Mandat Menschen helfen kann", sagt Ursula Bolte. Nach der Geburt ihres ersten Kindes — sie hat einen Sohn im Alter von 25 Jahren und eine Tochter von 20 Jahren — ist sie nicht mehr in den Beruf zurückgekehrt. Die politischen Aufgaben nahmen zu. Zum Beispiel wurde sie noch zur Zeit von Ministerpräsident Heinz Kühn in den SPD-Landesausschuß NRW gewählt, dessen Vorsitzende sie seit 1982 ist. So kam sie auch in engeren Kontakt mit der Landespolitik. Zur Zeit ist dieser Landesausschuß in der SPD zur Disposition gestellt. "So wie der Landesausschuß jetzt ist, muß er reformiert werden", sagt auch seine Vorsitzende. Ohne Beschlußkompetenzen werde er in der Partei nicht ernstgenommen. Doch für eine Abschaffung des Landesausschusses ist Ursula Bolte nicht, seine Ersetzung durch jährliche Landesparteitage hält sie im Interesse der anstehenden Aufgaben für wenig effektiv und kostentreibend: "Der Landesausschuß hat 60 Mitglieder, zum Landesparteitag dagegen gehören 300 Delegierte und der Vorstand."
    Im NRW-Landtag gehört die Abgeordnete Ursula Bolte dem Ausschuß für Kommunalpolitik sowie dem Ausschuß für Verwaltungsstrukturreform als ordentliches Mitglied an. "In mehr als zwei Ausschüssen kann man kaum intensiv mitarbeiten", meint sie. Im Hauptausschuß, dem Ausschuß für Europa- und Eine-Welt-Politik sowie im Ausschuß für Kinder, Jugend und Familie ist sie Stellvertretendes Mitglied. Aus der Arbeit im Landtag ergeben sich manche sachlichen Berührungen zu ihrer Arbeit als Landrätin: "Im Kreis Gütersloh vollzieht sich ähnlich wie in den Städten des Reviers ein ständiger Strukturwandel. Auf Grund der Branchenvielfalt und der überwiegend mittelständischen Unternehmen haben wir jedoch bessere Chancen, den Wandel abzufangen", betont sie. "Von den 16 früheren Brennereien meiner Heimatgemeinde Steinhagen ist nur noch eine erhalten geblieben." Die früheren zwei Möbelfabriken beständen beide nicht mehr, und auch in der Textilbranche habe es herbe Einbrüche gegeben.
    Das Mandat als Landtagsabgeordnete ist lange Zeit ihr Ziel gewesen, gesteht Ursula Bolte. Nun wird sie es möglicherweise nur bis 1997 ausüben können, denn die jetzige ehrenamtliche Landrätin hat sich entschlossen, im kommenden Jahr bei der Wahl zur hauptberuflichen Landrätin zu kandidieren. Hat sie dabei Erfolg, würde sie aus dem Landtag ausscheiden müssen.
    Peter Weigert
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI961046

  • Porträt der Woche: Eckhard Uhlenberg (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 9 - 14.05.1996

    Daß er einmal die politische Laufbahn einschlagen wird, war für Eckhard Uhlenberg von der ersten Minute an klar. Die Passion wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt. "Ich komme aus einem politischen Elternhaus. Schon mein Großvater war Bürgermeister. Und mit meinen vier Geschwistern gab es von jeher teils kontroverse politische Diskussionen", erzählt der CDU-Politiker. "Politik spielte bei uns zu Hause immer schon eine große Rolle." So absolvierte der 48jährige denn auch eine klassische Karriere. Und seit Mai 1990 ist der gebürtige Werter zum zweiten Mal Mitglied des Landtages. Das Düsseldorfer Parlament ist für ihn kein Neuland mehr. Bereits von 1980 bis 1985 war er dort vertreten, hatte seinerzeit aber dann seinen Wahlkreis Soest verloren. "Ich habe 1986 zusammen mit Kurt Bieden köpf und Christa Thoben an der Fusion der CDU Rheinland und Westfalen-Lippe mitgewirkt." Eine Zeit, an die sich der Landwirt gerne erinnert. Damals wurde Norbert Blüm Landesvorsitzender, und Uhlenberg war sein Stellvertreter. Das Amt des stellvertretenden Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen bekleidet der Vater von drei Kindern auch heute noch.
    Eckhard Uhlenberg ist seit 1968 Mitglied der CDU. Und er absolvierte bei der Union eine klassische Laufbahn — vom Vorsitzenden des Kreisverbandes der Jungen Union Soest in den Jahren 1970 bis 1974 und dem CDU-Kreisvorsitz Soest 1977 bis 1995 bis hin zum Vorsitzenden des CDU-Landesagrar-Ausschusses, der er seit 1992 ist. An diesem Posten liegt Uhlenberg, der in seiner Heimat im Kreis Soest einen eigenen 50 Hektar großen Betrieb bewirtschaftet, besonders viel. Denn er hat sein Handwerk von der Pieke auf gelernt, weiß, wie arbeitsintensiv der Beruf des Landwirtes ist und kennt von daher all die Sorgen und Nöte seiner Berufskollegen. Als Vorsitzender der Agrarsprecher der CDU/CSU-Landtagsfraktionen will er auf Bundesebene einiges für diese Zunft bewegen.
    "Ich mag den pessimistischen Begriff Höfesterben nicht", sagt er. Vielmehr ist er davon überzeugt, daß man es mit einem Strukturwandel zu tun hat, dem man eben mit den entsprechenden Mitteln begegnen muß. "Wir müssen auch den jungen Leuten Mut machen, den elterlichen Hof zu übernehmen", meint der stellvertretende Vorsitzende der CDU- Fraktion. In diesem Zusammenhang beklagt er, daß NRW nicht ausreichend eigene finanzielle Anstrengungen unternimmt, um hier Unterstützung zu gewährleisten. "Nach wie vor kommen immerhin 60 Prozent der Fördermittel für einen wichtigen Zweig vom Bund, und nur 40 Prozent steuert das Land bei."
    In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Arbeitskreises Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz der CDU-Fraktion brachte er deshalb im Landtag einen Antrag ein: Danach soll geprüft werden, ob in Nordrhein-Westfalen eine Agrar- Marketing-Gesellschaft gegründet werden kann. "Sie soll gezielt Werbung für Produkte aus NRW machen. Denn wir haben erhebliche Markt-Anteile verloren und müssen das Vertrauen der Verbraucher wiedergewinnen", weiß Uhlenberg aus Erfahrung.
    Die Direktvermarktung durch den einzelnen Landwirt sei sicherlich auch ein wichtiger Bestandteil dieser Branche. Doch angesichts der Konkurrenz durch die Niederlande und Dänemark, aber auch schon allein durch Niedersachsen dürfe man sich auch den großen Kuchen nicht entgehen lassen. "Schließlich machen zum Beispiel die Bio-Bauern in NRW nur ein Prozent aller Landwirte aus. Man muß ebenso an die Allgemeinheit denken", mahnt Uhlenberg. "Wir brauchen im Kampf gegen die bevorstehenden Wettbewerbs-verzerrungen auf internationaler Ebene darüber hinaus eine einheitliche Währung und vor allen Dingen endlich einheitliche Umweltstandards." Gerade aufgrund des letzteren Faktors hätte Deutschland angesichts einer enormen Konkurrenz aus dem Ausland schon seine liebe Mühe.
    "Wir haben allein in Nordrhein-Westfalen insgesamt 60 000 landwirtschaftliche Betriebe. Ihnen muß man Perspektiven für die Zukunft bieten und den Beruf des Landwirtes wieder attraktiv machen. Dabei ist es die Aufgabe der Politik, hier die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen", mahnt Uhlenberg.
    Ob es im Land selbst zur Gründung einer Agrar-Marketing-Gesellschaft kommt, muß noch ein Gutachten klären. Uhlenberg, der nach der Meisterprüfung 1974 den Schritt in die Selbständigkeit als Landwirt wagte, wird jedenfalls alles daran setzen, um die Interessen der Agrarpolitik im bevölkerungsreichsten Land zu fördern und sie zu einer zukunftsorientierten Branche auszubauen.
    Andrea C. Stockhausen
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI960965

  • Porträt der Woche: Ilse Brusis (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 8 - 30.04.1996

    Offen, handfest und deftig, so charakterisiert Ilse Brusis den typischen Ruhrgebietler. Und so würde sich die 1937 in Wattenscheid geborene Abgeordnete und Ministerin auch selbst beschreiben. Bis auf die Kriegszeit, wo es bei der Oma im Siegerland sicherer war, lebte sie fast durchgehend in Wattenscheid und Bochum. Ihrem mehr preußisch als westfälisch ausgeprägten Pflichtgefühl ist es zuzuschreiben, daß sie im vergangenen Jahr nach Dortmund zog, weil sie dort von der SPD einen Wahlkreis erhielt.
    Ilse Brusis ist gelernte Lehrerin. Konrektorin, Schulleiterin, stellvertretende Leiterin und Chefin eines Dortmunder Bezirksseminars für Grund- und Hauptschule waren berufliche Stationen. Gegen die Schulmisere Ende der 60er Jahre — 62 Schüler in der Klasse und 30 Stunden in der Woche als Berufsanfängerin — engagierte sie sich bei der Lehrergewerkschaft GEW. Weil Ilse Brusis jedoch schon damals wirkliche Veränderungen nur durch Parteien für möglich hielt, trat sie bereits 1969 in die SPD ein.
    Nach zwei Jahren Schulrätin wurde sie 1977 zur NRW-Vorsitzenden der GEW gewählt. Doch bald geriet sie in einen erbitterten Clinch mit den Linken innerhalb der GEW. Zeitverträge, Zweidrittel-Stellen, all das bot für die eher pragmatische Vorsitzende Auswege aus der zunehmenden Lehrerarbeitslosigkeit. Doch bei der GEW-Mehrheit stießen solche Verhandlungsangebote an den damaligen Kultusminister Girgensohn auf harsche Kritik. Ilse Brusis behauptete öffentlich, ihre Gewerkschaft sei von DKP- Sympathisanten unterwandert. Die Konflikte zwischen den "Linken Dogmatikern" und der "Rechten Sozialdemokratin" eskalierten. Die GEW-Basis verhinderte die Wahl von Ilse Brusis zur stellvertretenden GEW-Bundesvorsitzenden und wählte sie 1981 als Landesvorsitzende ab.
    Doch die erzwungene Rückkehr in den Schuldienst währte nur ein halbes Jahr. Nicht zuletzt auf Betreiben von Johannes Rau wurde sie, trotz des erklärten Widerstandes linker Gewerkschafter, im Sommer 1982 in den geschäftsführenden DGB-Bundesvorstand gewählt, wenn auch mit für Gewerkschaftsverhältnisse bescheidenen 75 Prozent der Stimmen. Hier kümmerte sie sich vor allem um Weiterbildungsangebote für Gewerkschaftsfunktionäre und versuchte gegen den Mitgliederschwund vor allem unter Jugendlichen anzukämpfen.
    Als sie 1987 auch noch zur Vorsitzenden der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler Stiftung gewählt wurde, schien die Funktionärsarbeit in der Gewerkschaft bis zur Pensionierung programmiert. Doch dann kam am Rande eines Gewerkschaftskongresses 1990 der Anruf von Johannes Rau, verbunden mit der Bitte, Mitglied seines Kabinetts zu werden. Rau kannte Ilse Brusis schon aus seiner Zeit als Wissenschaftsminister, schätzte sie als zuverlässig und loyal, auch im SPD-Bundesvorstand, dem Ilse Brusis seit 1984 angehört. Völlig überraschend für die Öffentlichkeit wie für sie selbst wurde Ilse Brusis 1990 Ministerin für Bauen und Wohnen in Nordrheinwestfalen. Durch viele Gespräche, große Wißbegierde und zähes Aktenstudium gewann sie rasch Fachkompetenz und allgemeine Anerkennung. Als besondere Erfolge ihrer fünfjährigen Amtszeit sieht sie den Ausbau des sozialen Wohnungsbaus über das geplante Soll hinaus. Die Wohnungsnot insgesamt konnte sie zwar nicht beheben. Doch es gelang ihr, sich als sozialpolitischer Garant für öffentlichen Wohnungsbau vor allem gegenüber Irmgard Schwaetzer, ihrer Kollegin in der Bundesregierung, zu profilieren. Nicht zuletzt deshalb berief sie Rudolf Scharping vor der Bundestagswahl 1994 in sein Regierungsteam. Für Nordrhein-Westfalen schreibt sich Ilse Brusis die Zusammenlegung von Finanzbauverwaltung und staatlichen Hochbauämtern, an der sich so mancher Vorgänger die Zähne ausgebissen hatte, sowie eine neue Landesbauordnung mit besonderem Stolz auf ihre Fahnen.
    Bedingt durch den Einzug der Grünen in die Landesregierung übernahm Ilse Brusis im vergangenen Jahr die Leitung des neugeschaffenen Ministeriums für Stadtentwicklung, Kultur und Sport. Die Lebenssituation der Menschen vor Ort zu verbessern, dies soll das neue Ministerium leisten. Das Überleben des reichen kulturellen Angebots in Nordrhein-Westfalen gerade angesichts der leeren Kassen ist für Ilse Brusis eine herausragende Aufgabe dieser Legislaturperiode. Und die breite Kulturlandschaft genießt die zuständige Ministerin auch persönlich mit Freuden. Vernissagen, Musikaufführungen und Museumseröffnungen werden zu vergnüglichen Terminen, dabei hat die Ministerin ihre besondere Vorliebe fürs Tanztheater entdeckt. Als Sozialpolitikerin will sie dabei sicherstellen, daß die Kultur wie im übrigen auch der Sport nicht nur Angebote für Reiche vorsieht.
    Bei der Aufgabenfülle in Partei und Landesregierung bleibt für die reine Abgeordnetenarbeit nur wenig Zeit. Doch für die Sozialdemokratin alten Schlages wollte sie sich nach fünf Jahren in der Regierung auch zur Wahl stellen. Weitergehende Karriereabsichten hat sie nicht, das gibt ihr ein Stück Gelassenheit und Unabhängigkeit. Doch einen privaten Traum möchte sie bald verwirklichen: Nach vielen Urlauben an der deutschen Nord- und Ostsee in den vergangenen Jahren eine Abenteuertour nach Alaska.
    Richard Hofer

    ID: LI960839

  • Porträt der Woche: Peter Budschun (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 7 - 23.04.1996

    Als Kind teilte er das Schicksal so vieler Flüchtlinge und Vertriebener nach dem Krieg - Peter Budschun, gebürtiger Königsberger. Der damals Fünfjährige, seine Eltern und Geschwister fanden zunächst eine Bleibe in Schleswig-Holstein, zur "zweiten Heimat" aber wurde ihnen später Recklinghausen. Dort, auf der Zeche "General Blumenthal", begann 1955 als Berglehrling auch sein Einstieg in das Berufsleben.
    Schon früh engagierte sich der heutige SPD-Landtagsabgeordnete in der IG Bergbau und Energie, wurde Jugendsprecher der damaligen Hibernia AG mit ihren zwölf Schachtanlagen und Kokereien. Die erste Kohlekrise 1958 erlebte er als Knappe hautnah, und er mitinitiierte den legendären "Marsch nach Bonn". Vier Jahre später wechselte Peter Budschun zur Polizei. Der Ausbildung zum Polizeikommissar folgte eine über zwanzigjährige Tätigkeit als Sachgebietsleiter des Bezirks- und Ermittlungsdienstes im Schutzbereich Mari. Seit 1994 Erster Hauptkommissar, leitete er bis zu seiner Wahl in den Landtag die Polizeiwache Nord in Castrop-Rauxel.
    Bereits in jungen Jahren politisch geprägt durch das Elternhaus, trat Peter Budschun als 19jähriger in die SPD ein und war viele Jahre Vorsitzender des Ortsvereins Recklinghausen-Süd. Mit der Wahl in den Recklinghäuser Stadtrat 1975 begann seine kommunalpolitische Tätigkeit. Die Schwerpunkte seiner Arbeit sieht der SPD-Fraktionsvorsitzende in der Schaffung neuer Arbeitsplätze in der von Strukturwandel besonders stark betroffenen Stadt sowie in der Erhaltung von deren architektonischer Bausubstanz. Auch wirbt er für die Stärkung Recklinghausens als Ruhrfestspiel-Stadt.
    Die enge Verknüpfung zwischen den Kommunen und dem Land bewogen den Sozialdemokraten, sich um eine Kandidatur für das Düsseldorfer Landesparlament zu bewerben. Mit 56 Prozent der Stimmen holte er den Wahlkreis 85, Recklinghausen V, im vergangenen Mai für seine Partei. Sein Anliegen ist es nun, sich für seine Heimatstadt sowie die gesamte Emscher-Lippe- Region stark zu machen. Die Fraktion berief den "Neuling" in den Ausschuß für Kommunalpolitik — ein Parlamentsgremium also, in dem er sich für die Interessen der Gemeinden am besten engagieren kann. Die Umsetzung des "Ifo"-Gutachtens, das jene Großstädte mit einer Sozialhilfe-Kostenexplosion durch hohe Arbeitslosigkeit über die Schlüsselzuweisungen entlasten soll, sieht der Kommunalexperte nur als "ersten Schritt". Angesichts eines Fehlbetrages von 2,4 Milliarden Mark in den kommunalen Kassen müsse eine Reform der Gemeindefinanzierung an "Haupt und Gliedern" erfolgen.
    Als das "zentrale Thema" in der Landespolitik sieht Peter Budschun die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit mit all ihren Folgen. Der Wirtschaftsstandort NRW dürfe einerseits nicht "kaputtgeredet" werden, zum anderen müßten aber auch die notwendigen Voraussetzungen für seine Stärkung geschaffen werden; und dazu zählten eine moderne Verkehrsinfrastruktur und die Förderung neuer Technologien. Für den Sozialdemokraten ist aber auch der Erhalt der Arbeitsplätze im Steinkohlebergbau ein Anliegen, ist doch der Kreis Recklinghausen der größte kohlefördernde Standort in Deutschland.
    Der Recklinghäuser gibt schließlich zu bedenken, Mittel aus dem Solidaritätszuschlag, bevor er endgültig abgeschafft wird, auch in finanz- und strukturschwache Regionen Westdeutschlands fließen zu lassen. "Schließlich haben wir in der Vergangenheit auch mit Milliarden- Summen geholfen."
    Für Peter Budschun ist die Kommunalpolitik sein "Hobby". Und die "schönste Erholung" findet er in der Familie samt zwei Enkelkindern.
    Jochen Jurettko

    ID: LI960739

  • Porträt der Woche: Marie-Theres Ley (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 26.03.1996

    "Da möchte ich schon meine Ideen einbringen, und es würde mich sehr freuen, wenn wir möglichst rasch einen guten Wurf hinbekämen", beteuert Marie- Theres Ley und meint damit die geplante Zusammenführung von Kolleg- und berufsbildenden Schulen zu einem neuen System: dem Berufskolleg. Wichtig ist der CDU-Landtagsabgeordneten dabei die Abstimmung mit den Kammern. Angesichts der massiven Probleme auf dem Arbeitsmarkt hält die CDU-Politikerin es für besonders wichtig, die Schulzukunft gemeinsam mit der Industrie und dem Handwerk und nicht an ihnen vorbei zu planen. Als Kölnerin ist Frau Ley an der Kooperation auch deshalb besonders interessiert, weil die Domstadt als Medienzentrum neue Berufsbilder braucht.
    Vor neun Monaten ist die heute 56jährige in den Düsseldorfer Landtag eingezogen. Sie bereut den Entschluß nicht. "Zwar ist alles neu und ungewohnt, aber es gefällt mir sehr gut", erklärt sie. Nachdem es 1990 im ersten Anlauf nicht klappte, ist die Realschullehrerin im Mai letzten Jahres über die Reserveliste in das Landesparlament eingezogen. Antriebsfeder für ihre Kandidatur war übrigens das Schulthema. "Im Landtag bist Du an der Quelle und kannst direkt auf die Schulpolitik Einfluß nehmen", sagte sich die Mutter von fünf heute bereits erwachsenen Kindern. Tatsächlich sitzt Marie-Theres Ley, ganz wie sie es sich gewünscht hat, seit Juni 1995 im Ausschuß für Schule und Weiterbildung. Sie ist zuständig für die berufsbildenden Schulen. Und weil es so schön zusammenpaßt, und überdies wiederum der Bezug zu Köln gegeben ist, arbeitet die Unionspolitikerin auch im Ausschuß für Wissenschaft und Forschung mit.
    Ein Schulthema hat übrigens vor mehr als 20 Jahren den Anstoß dafür gegeben, daß es Marie-Theres Ley, selber Realschullehrerin, überhaupt in die Politik zog. "Mir reicht es", hatte sie 1974 gesagt, als die Sozialdemokraten die Kooperative Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen durchdrückten. Konsequent trat sie als entschiedene Gegnerin dieser Schulform in die CDU ein, um sich gegen die Schulpolitik der Regierung zur Wehr zu setzen.
    Erste Station in ihrer politischen Laufbahn war die Frauen-Union. Hier fühlte sie sich besonders gut aufgehoben und verstanden. 1984 übernahm sie in Köln und auch im Bezirk Mittelrhein den Vorsitz der Vereinigung. Mitglied im Rat der Stadt Köln wurde sie 1989. Noch heute bedauert sie ein wenig, daß sie mit dem Einzug in den NRW- Landtag auf ihre Ratsmitgliedschaft verzichten mußte. " 1994 hatte ich meinen Wahlkreis direkt gezogen, da nimmt man nicht leichten Herzens Abschied", betont die Unionsdame. Während sie aus Inkompatibilitätsgründen auf das Ratsmandat verzichten mußte, mischt Marie-Theres Ley in der Frauen-Union weiter munter mit. Aktuelles Thema: Bundeswehr und Frauen. Die Kölnerin ist strikt gegen ein Pflichtjahr für Frauen, dafür steht sie aber einer grundsätzlichen Öffnung der Bundeswehr auch für Frauen aufgeschlossen gegenüber.
    Dabei ist die CDU-Politikerin weder militant noch feministisch angehaucht, sondern schlicht realitätsbezogen. Ihrer Auffassung nach haben die letzten 15 Jahre viel für die Frauen gebracht, wie etwa die Anrechnung von Renten- und Erziehungszeiten. Im Bereich der Teilzeitarbeit, so Marie-Theres Ley, muß die Gesellschaft noch weiter für die Belange der Frauen sensibilisiert werden. Bedingt ist sie auch für die Quote. Bei gleicher Qualifikation sollten Frauen bevorzugt eingestellt werden, sofern nicht besondere Gründe, etwa der Unterhalt von Kindern, für den Mann sprächen. Ley: "Insgesamt muß die Benachteiligung von Frauen im Beruf weiter abgebaut werden."
    Bei soviel Engagement im politischen Bereich bleibt nur wenig Zeit für Hobbys. "Meine liebste Freizeitbeschäftigung ist die Familie", gesteht die im Vringsveedel geborene Kölnerin, die in der fünften Saison neben dem Karneval auch das Skifahren mag. Wenn etwas Zeit bleibt, liest die CDU-Abgeordnete leidenschaftlich gern, und zwar querbeet alles, was ihr in die Finger kommt — mit Ausnahme von Krimis, das unterscheidet die Christdemokratin von Konrad Adenauer, der ein Krimi-Schmökerer war.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI960638

  • Porträt der Woche: Tanja Brakensiek (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 19.03.1996

    Sie ist jung, hübsch und ehrgeizig, konservativ und zielstrebig, in der Boulevardpresse wurde sie schon zur Miß Landtag gekürt. Mit 27 ist Tanja Brakensiek das jüngste Mitglied des nordrhein-westfälischen Parlaments. Zu ihrer eigenen Überraschung setzte sie die CDU im jüngsten Wahlkampf auf einen aussichtsreichen Listenplatz. Den Parteistrategen imponierte offenbar das unbekümmerte und forsche Auftreten der Dortmunder Juristin in verschiedenen kommunalen Gremien. Da ist es nur ein Schönheitsfehler, daß sie in der CDU-Diaspora Dortmund nur magere 22 Prozent Direktstimmen verbuchen konnte, selbst das allerdings, so betont die Angeordnete, sei immerhin noch eine Steigerung von 1,5 Prozent gewesen.
    Der Kampf um den Erhalt ihres Gymnasiums, das nach dem Willen der SPD-geführten Stadtspitze in eine Gesamtschule umgewandelt werden sollte, bedeutete für Tanja Brakensiek im Rückblick den aktiven Einstieg in die Politik. Die "Zwangsverordnung von oben" habe sie besonders empört, und so schloß sie sich einem Bürgerbegehren an, das im wesentlichen von der CDU organisiert wurde.
    Das Elternhaus war konservativ geprägt, der Vater viele Jahre Mitglied der CDU, und so wurde auch Tochter Tanja 1990 Parteimitglied. Parallel zum Jurastudium in Bochum engagierte sie sich in diversen Bezirksgremien der CDU und der Jungen Union, wurde zur stellvertretenden Vorsitzenden der CDU in Dortmund-Eving sowie zur stellvertretenden Fraktionssprecherin in der Bezirksvertretung gewählt.
    Nach dem Studium begann Tanja Brakensiek als wissenschaftliche Assistentin an der Uni Dresden. Doch als sie dann für den Landtag kandidieren durfte, stürzte sie sich zielstrebig in den Wahlkampf, warb für mehr Umweltschutz und konservative Bildungspolitik: Erhalt der Hauptschulen, Zurückdrängen der Gesamtschulen, kürzere Ausbildungs- und Studienzeiten. Dabei erlebte sie die strukturellen Grenzen ihrer eigenen Partei in ihrer Heimatstadt. Gerade bei älteren Dortmundern sei sie zwar gut angekommen, doch die hätten dann häufig erklärt: Wir wählen seit 50 Jahren SPD, das können wir doch wegen Ihnen nicht ändern.
    Die CDU-Abgeordnete verkörpert einen Generationswechsel, in ihrer Partei wie auch im Landtag insgesamt. Die langatmigen Reden und Polemiken im Plenum stießen ihr von Anfang an unangenehm auf, solche Rituale tragen ihrer Meinung nach mit zur Parteiverdrossenheit bei, gerade bei jungen Leuten. Im Umweltausschuß will sie das Umweltprofil der Union schärfen helfen, plädiert für "ökologische Müllverbrennung" und einen landesweiten Abfallwirtschaftsplan. Den Umweltausschuß hält sie für das wichtigste parlamentarische Beratungsgremium, weil dort die Grundlagen für die Zukunft gelegt würden.
    Den Innenausschuß, in den sie als stellvertretendes Mitglied gewählt wurde, hält sie für ausgesprochen attraktiv. Mit den Themen rund um die Innere Sicherheit könne man die Menschen in besonderer Weise für Landespolitik interessieren. Ihr umfangreichstes Betätigungsfeld wird allerdings zunächst der Rechtsausschuß sein. Nicht zuletzt bedingt durch ihr Jurastudium kann sie sich hier auch fachlich einbringen. In der Ernennung zur Beauftragten der Vollzugskommission der CDU sieht sie einen Vertrauensbeweis ihrer Fraktion. Bei ihren Besuchen in den Haftanstalten des Landes will sie demnächst verstärkt auch Kontakte zu Gefangenen suchen. In der Rechtspolitik wird die konservative Grundauffassung der CDU- Politikerin deutlich: Zu starke Liberalisierungstendenzen betrachtet sie mit Argwohn; der Gefangene müsse so sicher wie möglich untergebracht werden, die Haftstrafe solle Unrechtsbewußtsein entwickeln. Dann allerdings müsse der Gefangene auch wieder in die Gesellschaft integriert werden. Konkrete politische Ziele für die erste Legislaturperiode fallen ihr zu vielen Themenbereichen ein: Im Umweltbereich eine Intensivierung der Kreislaufwirtschaft, mehr Computer in den Haftanstalten, um die Justizvollzugsbeamten zu entlasten, in der Bildungspolitik eine Schärfung der einzelnen Schulprofile. Ob der Einzug in den Landtag mit so jungen Jahren der Anfang einer politischen Karriere ist, darüber will Tanja Brakensiek gar nicht spekulieren. Ihre kommunalen Ämter hat sie weitgehend aufgegeben, sie will sich ganz auf ihre Landtagsarbeit konzentrieren. Neben ihrer politischen Arbeit hält sie weiterhin Kontakt zu Juristen, um "den Stoff nicht aus den Augen zu verlieren"; schließlich wolle sie sich nicht schon jetzt von der Politik abhängig machen, und die Arbeit als Anwältin kann sie sich auch gut vorstellen.
    Tanja Brakensiek wirkt sympathisch und bodenständig. Sie lebt mit ihrer Mutter in Dortmund, geht oft mit ihren beiden Hunden joggen, liest gerne Max Frisch und Patrick Süskind, schwärmt für klassische Musik und David Bowie. Christliche Nächstenliebe ist für sie ein Lebensprinzip. Toleranz auch gegenüber dem politisch Andersdenkenden hat für sie einen hohen Stellenwert. Die fehlende Politikerfahrung wird der Parlamentsneuling durch jugendlichen Wissensdurst und den engagierten Willen nach Veränderung wettmachen.
    Richard Hofer
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI960544

  • Porträt der Woche: Inge Lagemann (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 05.03.1996

    Als Studentin zählte sie zu den Weltverbesserern, sagt Inge Lagemann heute von sich selbst. Gerade dem "kleinen Mann" wollte sie ein leichteres und besseres Leben ermöglichen. Ein Wunsch, der für die 52jährige SPD-Politikerin nach wie vor noch Vorrang hat und ihr ganzes Wirken prägt. Dieses Ziel war mit ein Grund dafür, daß die Lehrerin beschloß, die politische Laufbahn einzuschlagen. "Ich wurde seinerzeit zuerst in die klassische Frauenpolitik gedrängt", erinnert sich Inge Lagemann, die in Schwerte geboren wurde und seit Juni 1965 Mitglied der SPD ist. Das Korsett gefiel ihr jedoch ganz und gar nicht. Sie wollte sich nicht in etwas hineinzwängen lassen. Denn sie verlangte mehr — auch an Mitspracherecht.
    Deshalb ging sie 1975 in den Rat der Stadt Schwerte. Von 1975 bis 1995 war sie Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes im Rat. Und mit Leichtigkeit gewann sie ein ums andere Mal ihren Wahlkreis. Schon deswegen fiel ihr der Abschied auch im vergangenen Jahr doppelt schwer. Nur im Mai 1995 rief eine neue Aufgabe: Mit einem überragenden Ergebnis von 50,5 Prozent wurde sie bei den Landtagswahlen in das Düsseldorfer Parlament gewählt. Damit wagte sie einen weiteren Schritt ihrer Polit-Karriere, der ihr anfangs nicht ganz leicht fiel, wie die kämpferische Pädagogin zugibt. — Doch frei nach dem Motto "Frauen müssen nicht nur in der Politik den Mund aufmachen" beweist sie auch hier erneut Durchsetzungsvermögen. Schon von der Diskussion, Mädchen und Jungen in bestimmten Fächern getrennt zu unterrichten, hält sie überhaupt nichts. "Sie müssen sich gegenseitig behaupten können und den Grundstock für ihre weitere Entwicklung legen", weiß Inge Lagemann aus Erfahrung.
    Im übrigen ist ihr der Weggang als Lehrerin aus der Hauptschule ebenso schwer gefallen wie die Tatsache, daß sie für den Landtag der Kommunalpolitik weitgehend den Rücken zudrehen mußte. Auf der anderen Seite sah sie ein, daß es keinen Sinn hatte, sich zu verzetteln und auf zu vielen Gebieten gleichzeitig aktiv zu sein. "Aber jetzt möchte ich erst recht etwas bewegen", spricht sie sich selbst Mut zu. Dabei wurde ihr der Einstieg in den Landtag nicht leicht gemacht. "Als Neuling hat man es schwer. Das hat mich schon ein bißchen geärgert." Beispielsweise kam sie nicht unbedingt in die Ausschüsse, die sie sich gewünscht hatte. Dazu zählt natürlich vor allen Dingen der Schulausschuß. Statt dessen wurde sie bei der Neubesetzung mit Beginn der neuen Legislaturperiode Mitglied des Petitionsausschusses und des Ausschusses für Europa und Eine-Welt-Politik. "Natürlich sind das auch interessante Aufgabengebiete. Aber während ich in anderen Ausschüssen zweifellos von meiner Erfahrung profitiert hätte, muß ich mich in die neuen Themenbereiche erst noch hineinfinden und viel lesen."
    Zu letzterem hat sie kaum genügend Zeit. Denn nach wie vor ist Inge Lagemann doch noch sehr oft in ihrem Wahlkreis. "Ich möchte niemals ein abgehobener Politiker werden", begründet sie ihren Wunsch nach Bürgernähe. Am wohlsten fühlt sie sich, wenn sie von den Menschen direkt angesprochen wird, die bei ihr Hilfe suchen. So kommen häufig ausländische Mitbürger oder arbeitslose Lehrer zu ihr, um sich in ihrer anscheinend ausweglosen Situation einen Rat zu holen.
    Sehr am Herzen liegt Inge Lagemann auch die Förderung der Kultur. Nicht umsonst war sie in Schwerte stellvertretende Vorsitzende im Ausschuß für Kultur und Weiterbildung, Sprecherin der SPD-Fraktion. "Ich hoffe nicht, daß die Kultur, die immer schon stiefmütterlich behandelt wurde, zusehends stirbt. Deshalb muß man unbedingt Fördervereine oder Sponsoren finden, beispielsweise große Unternehmen", wirbt sie für ihr Steckenpferd. Ganz besonders wichtig ist für sie, daß auch die Schulen hier entsprechend Mittel erhalten. "Sonst verarmen die Jugendlichen immer mehr, können sich bald überhaupt nicht mehr artikulieren." Kleintheater sollten ihrer Ansicht nach Eltern fördern, die es sich finanziell leisten können.
    So macht Inge Lagemann denn auch keinen Hehl daraus, daß sie mit Leib und Seele Lehrerin war. Und das wissen auch die ehemaligen Schüler, die sie nach wie vor privat besuchen. Sie wissen ebenfalls, daß sie eine (für die Sache) streitbare Frau ist, die ihre Ansichten nach außen hin vertritt. Auch daß sie ehrgeizig ist, ist bei Kollegen kein Geheimnis. Ihr Wunsch im Landtag: "Ausschußvorsitzende, das würde ich schon gerne machen."
    Andrea C. Stockhausen
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI960461

  • Porträt der Woche: Bernhard Recker (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 3 - 13.02.1996

    Mit der Steinkohlenzeche Westfalen wird die Stadt Ahlen Ende 1999 ihr wichtigstes Unternehmen und rund 4000 Arbeitsplätze verlieren. Für den Landtagswahlkreis, in dem Bernhard Recker zu Hause ist, überschattet das Auslaufen dieses Bergwerks die Zukunft. Der am 11. Mai 1995 in das Landesparlament gewählte CDU-Abgeordnete sieht im Strukturwandel und der Schaffung neuer beruflicher Perspektiven für die Menschen seiner Heimatstadt eine alles überragende Aufgabe. "Wir haben eine Chance, den Wandel zu schaffen, weil wir seit fast zehn Jahren den Termin der Zechenstillegung kennen", sagt Recker. Auch im Umland müssen nach seiner Ansicht neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Sein Wunsch: "Statt daß Prestigeobjekte gefördert werden, sollte es lieber der Stadt überlassen werden, wo sie die Prioritäten für ihre wirtschaftliche Zukunft setzen will."
    Bernhard Recker wohnt in Ahlen im Haus seiner Eltern. Sein Vater ist für den jetzt 56jährigen viel zu früh gestorben. Da war es nicht anders möglich, als daß er während seines Studiums täglich nach Münster fuhr. Auch nach dem Examen und bei der Anstellung als Lehrer blieb er daheim. "Ich war meiner Mutter verpflichtet", sagt er.
    Eingebracht hat ihm diese Entscheidung menschliche Verbindungen ungewöhnlicher Intensität. Bernhard Recker war schon in jungen Jahren sportlich aktiv, betrieb Handball und Leichtathletik. Nachdem er seinen Sportverein in zwei Fusionen führte, ist er heute Vorsitzender von ASG Ahlen, der nicht nur in der Handball- Oberliga spielt, sondern insgesamt 30 Mannschaften betreut. Inzwischen hat der Verein auch das Modell einer Talentförderung für junge Menschen eingerichtet, die nicht nur im Sport, sondern auch in der Schule vorangebracht werden.
    Seit 1964 war Recker Lehrer in Ahlen, seit 1983 Rektor einer Grundschule. Das heute landesweit angebotene Modell einer "verläßlichen Grundschule" mit Schülerbetreuung zu allen Vormittagsstunden gab es an seiner Schule schon seit zehn Jahren. Und das ohne finanzielle Leistungen der Eltern, die häufig beide berufstätig sein mußten. Alle Lehrer haben sich ehrenamtlich im Wechsel dafür eingebracht." Auch ein Angebot der Betreuung von Schulaufgaben am Nachmittag gab es. Daran haben immer rund zehn Prozent der Schüler teilgenommen.
    Für Bernhard Recker war es selbstverständlich, die Eltern seiner Schüler einmal im Jahr zu besuchen. Ebenso wie im Sport galt für ihn auch in der Schule der Grundsatz: "Man muß versuchen, den anderen aus seiner Situation und Generation heraus zu verstehen." Seit 1966 ist er verheiratet, hat zwei inzwischen erwachsene Kinder. Doch er gesteht offen, das Geld sei in seinen Anfangszeiten als Lehrer nicht gerade reichlich gewesen und Urlaubsreisen nicht selbstverständlich. So sei es gekommen, daß er 15 Jahre Jugendferienlager geleitet habe: "Für mich wurde das ein Hobby."
    In die Politik ging Recker mit 35 Jahren, als er sich im Beruf durchgesetzt hatte. Ratsmitglied in Ahlen wurde er 1974, Geschäftsführer der CDU-Stadtratsfraktion 1979, Stellvertretender Vorsitzender der Fraktion 1984. Seit 1993 ist er ihr Vorsitzender. Nach einer Mitgliederbefragung der CDU wurde er 1989 als Kandidat für das Bürgermeisteramt nominiert. Erst im Losentscheid bei Stimmengleichheit unterlag er dem SPD-Kandidaten.
    Nach der Wahl in den Landtag stört Bernhard Recker die harte Tonart des Umgangs zwischen den Parteien. Selten komme es zu einem wirklichen Austausch von Meinungen und Argumenten. Aus dem Stadtrat in Ahlen ist er das anders gewöhnt: "Vor Ort ist uns vieles gemeinsam gelungen". So sei zum Beispiel auch erreicht worden, die Unterbringung der Asylbewerber gemeinsam zu regeln. Seine Tätigkeit als CDU-Landtagsabgeordneter sieht Recker als großen Gewinn auch für die Kommunalpolitik" "Das ermöglicht einen positiven Austausch, wenn man die Probleme auch aus der Landessicht kennenlernt,", sagt er. andererseits kann ich in den Landtagsausschüssen Erfahrungen aus der kommunalen Tätigkeit vor Ort einbringen." Entsprechend den Schwerpunkten seiner Arbeit dort wurde Recker im Landtag als Mitglied in den Sportausschuß sowie in den Ausschuß für Schule und Weiterbildung gewählt. Die dritte Mitgliedschaft im Ausschuß für Grubensicherheit verdankt er seiner Herkunft aus dem vom Bergbau geprägten Ahlen.
    Für Bernhard Recker gibt es keine Zweifel, daß er seine Basiskontakte behalten will: "Sonst kann man keine realistische Politik machen." Und dafür tut er viel. In seinem Wahlkreisbüro in Ahlen ist er oft bis 20 Uhr Ansprechpartner für Bürger, in anderen Orten des Wahlkreises hält er Sprechtage ab — von 10 bis 22 Uhr. "Und die Fragen, die mir da gestellt werden, die will ich nach Düsseldorf in den Landtag bringen."
    Peter Weigert

    ID: LI960372

  • Porträt der Woche: Renate Düttmann-Braun (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 2 - 30.01.1996

    Zwar besitzt sie eine gute Portion Optimismus, aber Zweifel hatte die Christdemokratin Renate Düttmann- Braun doch, ob sie den Wahlkreis 99, Münster II, nach zwei Legislaturperioden wieder für die CDU zurückerobern könnte. Nachdem sich die Akademische Rätin bereits bei der Kandidatenaufstellung in der eigenen Partei gegenüber drei Mitbewerbern durchgesetzt hatte, war sie schließlich auch Gewinnerin am Wahlsonntag — dank eines sehr engagierten Wahlkampfes auf Straßen und in Sälen sowie der großen Unterstützung der Parteifreunde, wie sie nachdrücklich betont.
    Die "Lebensplanung" der gebürtigen Münsteranerin, Jahrgang 1944, war aber kaum darauf ausgerichtet, einmal dem nordrhein-westfälischen Landesparlament anzugehören. Nach dem Besuch des Bischöflichen Gymnasiums studierte sie an den Universitäten Münster und München Volkswirtschaftslehre, machte das Diplom und promovierte 1975 zur Dr. rer. pol. Ihren Berufseinstieg fand Renate Düttmann-Braun beim Rheinisch- Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, eines der fünf großen deutschen Forschungsinstitute, wo sie als wissenschaftliche Referentin in der Konjunkturforschungs- Abteilung tätig war. Gut drei Jahre später folgte die Münsteranerin einem Ruf in ihre Heimatstadt, zum Institut für Finanzwirtschaft der Westfälischen-Wilhelms-Universität. Dort schrieb sie auch ihre Doktorarbeit über die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen.
    Der CDU trat die Parlamentarierin erst 1979 bei, "als ich festen Boden unter den Füßen hatte". Ihren damaligen Parteieintritt verband sie mit dem Anliegen, kommunalpolitisch mitzugestalten, und nicht nur "ein Zählkandidat" zu sein. Die Gelegenheit bot Renate Düttmann-Braun der Ortsverein Roxel, wo sie sofort in dessen Vorstand gewählt und bei der folgenden Kommunalwahl 1984 in die Bezirksvertretung berufen wurde. Fünf Jahre später zog die Christdemokratin in den Rat der Stadt Münster ein, dem sie heute noch angehört. Umweltschutz, Energiebereich und öffentlicher Nahverkehr sind für die stellvertretende Vorsitzende des Stadtwerke-Ausschusses die Schwerpunkte ihres kommunalpolitischen Wirkens.
    Weil es auch nach ihrer Einschätzung "sehr hilfreich" ist, als Kommunalpolitikerin dem Landtag anzugehören, kandidierte sie erfolgreich für das Landesparlament. Die CDU-Fraktion berief ihr neues Mitglied in den Haushalts- und Finanzausschuß, den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung sowie in den Kulturausschuß — Bereiche, in denen sich die Akademische Rätin zweifellos auskennt.
    Große Sorge bereitet der Volkswirtschaftlerin die dramatische Verschuldung des Landes. Trotz des erwarteten Schuldenberges von über 131 Milliarden Mark Ende nächsten Jahres habe die Regierung nach ihrer Einschätzung nicht die Kraft, einen strikten Konsolidierungskurs zu fahren. Als Beispiel nennt die Abgeordnete den viel zu langsamen Stellenabbau in den Landesbehörden. "Wir können heute keine Politik mehr machen, für die man von allen gelobt wird."
    Für verfehlt hält das Mitglied des Kulturausschusses die. geplanten Personalstellen für die regionale Kulturpolitik. Statt dessen sollte man mit diesen Mitteln kulturelle Veranstaltungen fördern, von denen alle interessierten Bürger direkt profitieren würden. Mit Nachdruck plädiert die Münsteranerin, die Hochschulen aus der "finanziellen Zwangsjacke" des Landes zu nehmen. Die Bestrebungen, den Hochschulen mehr Autonomie zu geben, müßten auch die Forderung einschließen, daß sie "ihre" Studenten wählen könnten. Angesichts der gespannten Finanzlage sollten andererseits die Hochschulen, "darüber nachdenken", ob sie jedes Studienfach anbieten müßten.
    Gefragt nach ihren Hobbys nennt Renate Düttmann-Braun Belletristik und Tennis. Auch einen guten Film sieht sie gern. Doch viel Freizeit bleibt nicht, denn den mit dem Mandat verbundenen Auftrag der Wähler will die Münsteranerin sehr ernst nehmen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI960254

  • Porträt der Woche: Theodor Kruse (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 1 - 16.01.1996

    Im Dreß des Fußballclubs RW Lennestadt-Grevenbrück hat sich der CDU-Politiker Theo Kruse bis in die vierthöchste Spielklasse gekickt. In der Politik gelang dem überzeugten Berufsschullehrer in diesem Jahr sogar der "Aufstieg" in die zweite Liga und die Wahl zum Vorsitzenden des 3200 Mitglieder starken Olper CDU- Kreisverbandes. Doch Fußballnarr Kruse ist nicht Mario Basler und bleibt auch im Karrierehoch auf dem Teppich: "Wahlen werden vor Ort entschieden. Nicht in Brüssel, Bonn und Düsseldorf."
    Der 47jährige Christdemokrat hat das politische Geschäft von der Pike auf gelernt. Gegen den allgemeinen Links-Trend der 68er zog es den Studenten Kruse im Jahr 1971 in die CDU — natürlich erst, nachdem der kritische Kopf die Partei- und Wahlprogramme auf Herz und Nieren geprüft hatte. Vor allem die CDU-Position zur Familienpolitik, zur Wiedervereinigung und zur Rolle des Individuums in der Gesellschaft faszinierten den Sauerländer. Schon 1973 avancierte Theo Kruse zum Kreischef der Jungen Union in Olpe, 1984 gelang der Sprung in die Stadtverordnetenversammlung.
    Nach dem Examen in Köln heuerte der Kommunalpolitiker 1978 als Lehrer für Politik und Wirtschaft an den beruflichen Schulen in Olpe an. Den Wechsel zum Berufspolitiker auf Zeit erlebt der jugendliche Pädagoge heute mit einem lachenden und einem weinenden Auge: "Ich bin gerne zur Schule gegangen, weil es ungeheuer spannend sein kann, mit 17- bis 22jährigen politische Fragen zu diskutieren." Den Anschluß an die Jugend will Theo Kruse auch als Abgeordneter nicht verlieren. "Ich stelle mich, um das Vertrauen der jungen Generation in die Politik ein Stück zurückzugewinnen." Fernab von allen Wahlterminen hat der Olper deshalb die sechs Gymnasien vor Ort angeschrieben und ein Gespräch angeboten.
    Auch im traditionell "schwarzen" Olpe — bei der Landtagswahl holten die Christdemokraten mit 57,6 Prozent ihr bestes Ergebnis in Nordrhein-Westfalen — ist Bewegung in die Parteienlandschaft gekommen. Nur noch 20 der 39 Mandatsträger im Stadtrat sind Christdemokraten. Schon "fahren" die Grünen bei Wahlen in Olpe runde sieben Prozent der Stimmen ein. Zumindest für Theo Kruse liegen die Gründe für den Öko-Boom auf der Hand: "Die Jugend kennt die grünen Programme gar nicht." Schon aus Eigennutz will der Unionist den jungen Grün-Anhängern "Orientierungshilfe geben". Weil Kommunal- und Landespolitik enge Berührungen aufweisen, will das Sauerländer Eigengewächs das Mandat als Stadtverordneter auch als Mitglied des Landtages beibehalten. Eines aber hat den Neu-Parlamentarier schon in den ersten Monaten geschockt: "In der auf 300 Mitarbeiter aufgeblähten Landtagsverwaltung läßt sich manches zusammenstreichen." Dies werde eines seiner zentralen Themen, hat sich das Mitglied im Verwaltungsausschuß mutig vorgenommen. Daß die Bäume der Opposition nicht in den Himmel wachsen, erschwert das Geschäft in Düsseldorf natürlich. Der Abgeordnete muß umdenken: In Olpe wird regiert, in Düsseldorf opponiert.
    Theo Kruse setzt auf Eigenverantwortung und Engagement der Bürger. "Die Vereine halten die Gesellschaft zusammen." Deshalb lehnt es der Olper "Vereinsmeier" grundsätzlich ab, ehrenamtliche Tätigkeiten künftig aus der Staatskasse zu bezahlen. Notwendig sei eine offene Diskussion über die gesellschaftlichen Werte. Der Staat werde auf Dauer nicht jeden sozialen Wohlstand retten können. Kruse: "Heute ist es aber vielfach schon so, daß viele eher zum Sozialamt gehen als zu Nachbarn."
    Und Bedarf zum Umdenken sieht der studierte Betriebswirt auch im Bereich der Wirtschaftspolitik. Zur Mobilisierung neuer Ausbildungsplätze ruft der Olper die heimischen Unternehmen, Industrie- und Handelskammern, Schulen und Gewerkschaften an den vielbeschworenen "runden Tisch". Um die eigenen Sinne für die Probleme der Unternehmen zu schärfen, besucht Kruse regelmäßig die örtlichen Firmen. Das Sauerland ist eben nicht mehr nur das touristische Land der tausend Berge. "Der Industrieanteil in Olpe ist höher als im Ruhrgebiet."
    Wilfried Goebels

    ID: LI960178

  • Porträt der Woche: Frank Baranowski (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 21 - 12.12.1995

    Mit 33 Jahren ist er der zweitjüngste Abgeordnete in der 108 Mitglieder zählenden SPD-Landtagsfraktion — für Frank Baranowski ein Beweis dafür, daß es in der Fraktion noch immer einen Nachholbedarf an jungen Parlamentariern gibt. Deren ungenügende Repräsentanz war für den Gelsenkirchener auch ein wesentlicher Grund, sich im Unterbezirk seiner Partei mit weiteren drei Kandidaten um den Wahlkreis 88 zu bewerben. Er setzte sich gegenüber seinen Mitkonkurrenten durch und gewann den Wahlkreis auch bei den letzten Landtagswahlen im Mai wieder für die Sozialdemokraten. Für den langjährigen wissenschaftlichen Mitarbeiter des Vorgängers im Wahlkreis Gelsenkirchen II, des Abgeordneten Egbert Reinhard, ist das Düsseldorfer Parlamentsgeschehen zwar kein Neuland, aber es ist doch ein großer Unterschied, ob man Berater und "Zuträger" oder Handelnder ist. "Die Türen öffnen sich wesentlich schneller." Allerdings übernahm er das Landtagsmandat nach seinen Worten mit einer "sehr realistischen Erwartung". Er zähle nicht zu denjenigen, die meinen, sie könnten als einzelner Abgeordneter viel bewegen. Nur in Kooperation ließen sich politische Vorstellungen umsetzen. Diese Erfahrung machte Frank Baranowski übrigens auch während seiner Ratstätigkeit. Nach der Reifeprüfung studierte der gebürtige Gelsenkirchener an der Bochumer Ruhr-Universität Deutsch und Geschichte für das Lehramt der Sekundarstufe I und II und schloß sein Studium mit der ersten und zweiten Staatsprüfung erfolgreich ab. Zwischendurch lehrte der künftige Pädagoge an der Bergberufsschule in Recklinghausen bevor er Ende 1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der SPD-Fraktion wurde.
    Politisches Interesse zeigte Frank Baranowski bereits als Schülervertreter, und so trat er schon als Sechzehnjähriger den Jungsozialisten und der SPD bei. Mehr als sieben Jahre war er Unterbezirksvorsitzender der Jusos. Auch dem SPD-Unterbezirksvorstand angehörend, wählte ihn der Ortsverein im letzten Jahr zu seinem Vorsitzenden. Bei den Kommunalwahlen 1989 in den Gelsenkirchener Stadtrat gewählt, widmete sich der Sozialdemokrat insbesondere der Jugendpolitik und versuchte trotz der gebotenen Haushaltskonsolidierung die Förderung dieses wichtigen Bereichs weiter aufrechtzuerhalten. Die starken Auswirkungen der Landespolitik auf das kommunale Geschehen erfuhr der Stadtverordnete während seiner Tätigkeit im Rat, die er nach seinem Einzug in den Landtag aufgab. Diese Verzahnung will Frank Baranowski künftig bei seinem Stimmverhalten als Landtagsabgeordneter berücksichtigen. Für eine vorrangige Aufgabe hält das Mitglied des Ausschusses für Innere Verwaltung, ein Höchstmaß an innerer Sicherheit zu gewährleisten, weil sie für das Zusammenleben der Bürger von großer Bedeutung sei. Allerdings dürfe dieses Bemühen nicht zu Lasten demokratischer Grundrechte gehen. Im Gegensatz zu anderen Parteifreunden verursache ihm persönlich daher die mögliche Einführung des sogenannten "großen Lauschangriffs arge Bauchschmerzen". Wie andere Mitglieder des Petitionsausschusses bedauert auch Frank Baranowski die geringe Resonanz dieses Gremiums in der Öffentlichkeit.
    Als neuer Abgeordneter wäre nach seiner Einschätzung das Zusammenwachsen der neugewählten Fraktion sicher leichter gewesen, wenn die SPD wieder die absolute Mehrheit bei den Landtagswahlen errungen hätte. So hätten beispielsweise in den ersten Sitzungen die Koalitionsverhandlungen im Mittelpunkt gestanden und weniger die "Selbstfindung" der Fraktion. Wegen der Rücksichtnahme auf den grünen Koalitionspartner werde die Arbeit in Fraktion und Parlament ohnehin schwieriger — "aber auch spannender". Dabei ist sich der "Neuling" bewußt, daß er in den ersten Parlamentsjahren auch sein "Lehrgeld" werde bezahlen müssen wie in jedem anderen Beruf.
    Trotz der neuen Anforderungen will sich der Abgeordnete bemühen, sein "Privatleben" möglichst zu bewahren. Dazu zählen Haushaltsarbeit und Kinobesuche ebenso wie Reisen über den "großen Teich". Den "Amerika-Fan" fasziniert immer wieder die Weite dieses Landes.
    Jochen Jurettko

    ID: LI952158

  • Porträt der Woche: Dr. Hisham Hammad (GRÜNE).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 20 - 05.12.1995

    "Mölln, Hünxe und Solingen mahnen uns alle!" Hisham Hammad erzeugt in seiner ersten Landtagsrede Zustimmung und Betroffenheit Der erste Palästinenser im nordrhein-westfälischen Parlament tritt energisch ein für mehr Rechte für Ausländer, für Konzepte gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit. Hisham Hammad mahnt aus eigener Erfahrung: Politische Verfolgung wegen seiner Volkszugehörigkeit bestimmen weite Teile seiner Biographie. Als Palästinenser wurde der 1951 am Rande von Ost-Jerusalem geborene Abgeordnete jahrzehntelang benachteiligt. Nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 floh er mit seiner Familie von der Westbank zunächst nach Jordanien. Der Bürgerkrieg gegen die palästinensische Minderheit machte die weitere Flucht nach Kuweit notwendig. Wegen seiner Volkszugehörigkeit hatte er dort kaum Chancen auf einen Studienplatz, und so begann er schließlich mit dem Studium der Zahnmedizin in Belgrad.
    Hier wurde er zum ersten Mal politisch aktiv. Als stellvertretender Vorsitzender der palästinensischen Studentenorganisation trat er öffentlich für das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes ein und wurde daraufhin vom jordanischen Geheimdienst als "Mitglied einer terroristischen Vereinigung" eingestuft.
    Nach 12 Semestern wollte er seinen Beruf in seiner Heimat "für seine Leute" ausüben. Doch gleich bei seiner Wiedereinreise nach Jordanien konfiszierten die Behörden seinen Paß. Die folgenden zwei Jahre waren durch Arbeitsverbot, ständige Schikane und psychologischen Druck geprägt. Der Geheimdienst habe ihn zur Kooperation zwingen wollen: "Man hat mich geschlagen, beschimpft und gedemütigt." 1990 beantragte Hammad Asyl in der Bundesrepublik. Der Antrag wurde abgelehnt, der drohenden Abschiebung kam er auf Bitten seiner Frau durch Heirat zuvor. Von Politik hatte Hammad erst einmal genug. Beruflich begann er in Deutschland als Schulzahnarzt in Lüdenscheid, später machte er sich als Kieferorthopäde in Castrop-Rauxel selbständig. 1986 nahm er die deutsche Staatsangehörigkeit an; als Jordanier habe er sich ohnehin nie gefühlt, er sehe sich "als Weltmensch". Mit dem deutschen Paß sei in jedem Fall aber seine persönliche Freiheit größer geworden.
    Den Weg zu den Grünen fand Hammad in den 80er Jahren über die Friedensbewegung. Er demonstrierte gegen die NATO-Nachrüstung und gegen die Diktaturen in Südamerika und Südafrika, trat 1988 in die Partei ein.
    Sein Engagement gegen Ausländerfeindlichkeit begann mit dem Brandanschlag in Rostock. Daß die Zivilbevölkerung geklatscht habe, weil ein Asylbewerberheim brennt, das habe ihm Angst gemacht, aber auch zu eigenem Engagement motiviert. Bei den Grünen arbeitete er in der Kampagne "Farbe bekennen", wurde in den Landesparteirat gewählt und zog schließlich nach der Wahl am 14. Mai in den Landtag ein, mit 15 Prozent erhielt er in seinem Dortmunder Wahlkreis das beste Ergebnis eines Grünen im Ruhrgebiet.
    Mit viel Euphorie startete Hammad seine Parlamentsarbeit. Doch schon nach einem halben Jahr bilanziert er nüchtern, daß sein Hauptthema, die Ausländerpolitik, bei keiner Partei ein vorrangiges Thema ist, auch nicht bei den Grünen selbst. Bislang kämpft er vergeblich für ein Landesinstitut für Migrationsforschung und ein Migrationsreferat im Arbeitsministerium. Damit würde er gerne die "politischen Rahmenbedingungen für die Ächtung der Diskriminierung" schaffen. Den Vorsitz im neugeschaffenen Migrationsausschuß gab er bald wieder ab, die damit zusammenhängenden Verwaltungsarbeiten lagen ihm nicht. Daß ausgerechnet er diesen Vorsitz übernehmen sollte, sei doch wohl auch mehr "Symbolik" gewesen. Gleichwohl verkennt der Abgeordnete nicht den Effekt von Symbolik in der Politik und macht ihn sich auch zunutze: In der ersten Plenarsitzung des neugewählten Parlaments trug er demonstrativ ein Palästinensertuch, die öffentliche Aufmerksamkeit war ihm sicher. Hammad sieht aber auch die Gefahr, wegen seiner Herkunft als "Aushängeschild" mißbraucht und instrumentalisiert zu werden, nicht zuletzt von seiner eigenen Partei. Als Zahnmediziner interessiert ihn die Gesundheitspolitik ebensosehr wie die Ausländerpolitik. Doch weil er nunmal auf diesem "Ticket" gewählt sei, will er im betreffenden Ausschuß wenigstens frei von Rücksichten reden können, als Vorsitzender hätte er bisweilen auch als Schlichter und integrierende Kraft zwischen den Fraktionen wirken müssen. Darüber hinaus ließ sich Hammad in den Innenausschuß wählen, der sich gleichfalls mit vielen ausländerrelevanten Fragen befaßt.
    Diskriminierungen von Ausländern und Menschen ausländischer Herkunft abzubauen, darin sieht der Abgeordnete seine politische Mission. Er will sich einsetzen für ein umfassendes Wahlrecht für Ausländer, die in Deutschland seit Jahren ihren Lebensmittelpunkt haben. Er will einen besseren Zugang von Ausländern auf dem Arbeits-, Wohnungs- und Versicherungsmarkt erreichen. Leidenschaftlich plädiert er für ein Antidiskriminierungsgesetz; das allein verändere zwar nicht "das Denken und den Unfug in den Köpfen", doch es sei ein Mittel, "den Betreibern von Diskriminierungen das Handwerk zu legen".
    Trotz allen Engagements möchte Hisham Hammad die Politik nicht auf Dauer zu seinem Lebensmittelpunkt machen und auf keinen Fall finanziell von ihr abhängig werden. Als Halbtags/ob übt er seinen Beruf als Kieferorthopäde nach wie vor aus, und er will es sich auch nicht nehmen lassen, seinen beiden Kindern weiterhin regelmäßig Märchen aus dem Orient vorzulesen. Gleichwohl mangelt es ihm nicht an politischem Selbstbewußtsein. Natürlich könne er sich auch vorstellen, Minister zu werden. "Migranten wollen Verantwortung übernehmen", so sein Credo, "und sie sind auch fähig dazu."
    Richard Hofer

    ID: LI952042

  • Porträt der Woche: Werner Bischoff (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 19 - 28.11.1995

    Nur wenige Parlamentarier haben die Möglichkeit, ihr politisches Wirken mit der beruflichen Tätigkeit zu verbinden. Zu diesen Ausnahmen zählt der SPD-Landtagsabgeordnete und Landesvorsitzende der Gewerkschaft Chemie/Papier/Keramik, Werner Bischoff. Politik und Gewerkschaft prägten denn auch den Lebensweg des heute 48jährigen Sozialdemokraten.
    Nach dem Schulabschluß absolvierte der gebürtige Gelsenkirchener eine Lehre als Ziseleur bei der Ruhrgas AG in Essen und war anschließend dort auch mehrere Jahre als Facharbeiter tätig. Während dieser Zeit engagierte er sich bereits in der Gewerkschaftsjugend, und nach Ableistung des Zivildienstes wechselte Werner Bischoff hauptberuflich als Gewerkschaftssekretär zu der IG Chemie, Papier, Keramik. Bereits seit 1990 ist er ihr Landesvorsitzender.
    Früh schloß sich der Gewerkschafter auch der SPD an, engagierte sich zunächst bei den Jungsozialisten und war zeitweilig stellvertretender Vorsitzender im Bezirk Westliches Westfalen der Jusos. Nach seinem Wohnortwechsel ins rheinische Monheim 1970 wurde der Sozialdemokrat aktiv in der örtlichen Parteiarbeit und 1976 in den Stadtrat gewählt, wo er seit sechs Jahren Fraktionsvorsitzender seiner Partei ist. Als die frühere Landtagspräsidentin Ingeborg Friebe im Mai dieses Jahres nicht mehr für das Landesparlament kandidierte, bewarb sich der Gewerkschafter um "ihren" Wahlkreis Mettmann I und holte ihn wieder für die Sozialdemokraten.
    Der Gewerkschafter weist auf den gewaltigen Umstrukturierungsprozeß der Industrie hin, der die Arbeitnehmer wie das Management der Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt. Auch die SPD und die Gewerkschaften müßten bei diesem Prozeß ihre Positionen beziehen, zu deren Erarbeitung Werner Bischoff beitragen will. Durch den engen und ständigen Kontakt zu den Arbeitnehmern behalte er nach seiner Einschätzung eine große Bodenhaftung, und die Gefahr werde so vermieden, sich "abzuheben".
    Der SPD-Landtagsabgeordnete, der von seiner Fraktion in den Ausschuß für Umweltschutz und Raumordnung berufen wurde, hält die gegenseitige Abstimmung beider Bereiche für unerläßlich. Sie beeinflusse auch sozial- und bildungspolitische Entscheidungen. In diesem Zusammenhang erinnert der Landeschef der IG Chemie- Papier-Keramik, daß seine Gewerkschaft eine der ersten gewesen sei, die Umweltthesen formuliert und sich dazu bekannt hat, aus Verantwortung vor kommenden Generationen an einem Ausgleich zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Interessen mitzuarbeiten.
    Die Umweltpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen sei in den zurückliegenden Jahrzehnten, so Werner Bischoff, nicht gegen die Gewerkschaften und nicht gegen die Industrie, sondern mit diesen gemacht worden. Die politischen Forderungen beispielsweise nach Luftreinhaltung, Gewässerschutz u.a.m. seien auch im hohen Maße umgesetzt worden. Das gelte für alle Industriezweige, namentlich für die Chemie.
    Mit Nachdruck weist der Gewerkschaftschef darauf hin, daß die Koalitionsvereinbarung mit Bündnis 90/Die Grünen auch ein "Bekenntnis" zur Chemieindustrie enthält und man jetzt nicht aus der grünen Minderheitenposition heraus ständig "individuelle Interpretationen" des Vertrages "nachschieben" dürfe. Dieser Industriezweig sei mit 85 Milliarden Mark Jahresumsatz der stärkste in Nordrhein-Westfalen und in ihm seien nicht nur direkt rund 200000 Menschen beschäftigt, sondern er sichere in seiner sekundären und tertiären Beschäftigungswirkung noch ungleich mehr Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen.
    Dem Vater von zwei erwachsenen Töchtern macht die Politik trotz des prallen Terminkalenders nach eigenem Bekunden viel Spaß. Und so verspürt er auch hinsichtlich der knapp bemessenen Freizeit keine "Defizite".
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI951959

  • Porträt der Woche: Herbert Reul (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 18 - 14.11.1995

    Seine Stimme in Landtagsfraktion und Landespartei ist gewichtig: Herbert Reul, stellvertretender Vorsitzender der Parlamentsopposition und Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU. Diese Autorität des 43jährigen Rheinländers unter den Christdemokraten ist nicht allein in seinen beiden Ämtern begründet; großes persönliches Engagement, politische Glaubwürdigkeit und Sachkenntnis haben nicht nur bei seinen Parteifreunden Anerkennung abverlangt. Der 1952 in Langen feld geborene Studienrat wurde schon in jungen Jahren politisch aktiv und übernahm rasch Führungspositionen zunächst auf Orts-, dann auf Kreis- und schließlich auf Landesebene. Seit 1987 gehört Herbert Reul dem CDU-Landesvorstand an, wurde 1991 Generalsekretär des mitgliederstärksten Landesverbandes und ein Jahr später in den Bundesvorstand gewählt. Die Landtagsfraktion wählte ihn jüngst erneut zu einem ihrer stellvertretenden Vorsitzenden.
    Insbesondere in seiner Eigenschaft als Generalsekretär machte er auch bundesweit auf sich aufmerksam: So fand das von ihm mitformulierte bildungspolitische Programm der NRW-CDU mit der Gleichrangigkeit von akademischer und beruflicher Bildung auch im Programm der Bundespartei seinen Niederschlag. Eine Vorreiterrolle übernimmt die nordrhein-westfälische Union auch bei der Parteireform. Erstmals wurde der Spitzenkandidat für die letzten Landtagswahlen durch eine Mitgliederbefragung designiert. Auch in den Kreisverbänden setzt sich die Urwahl der Kandidaten für Parlamente und Parteiämter durch. Zuvor hatte die "rechte Hand" des Landesvorsitzenden Blüm die Organisationsstruktur des Landesverbandes gestrafft und seine Finanzen saniert, "die bislang unangenehmste Aufgabe", wie er heute feststellt.
    Vor der Übernahme des Generalsekretär-Postens setzte er als schulpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion sechs Jahre lang Akzente in der Bildungspolitik und kämpfte vehement im Parlament wie "vor Ort" für die Erhaltung des gegliederten Schulwesens in Nordrhein-Westfalen. Verständlich, daß sich der Pädagoge und Sozialwissenschaftler auch heute noch in diesem Bereich engagiert.
    Der Christdemokrat tritt für die "Leistungsschule" ein, weil die Kinder und Jugendlichen für ihren späteren Lebensabschnitt lernen müßten, Leistung zu erbringen und Verantwortung zu übernehmen. "Das unsinnige Gerede von der Schule, die nur schön und gemütlich sein soll, muß endlich aufhören." Wer in der Jugend nicht lerne, daß man selbst verantwortlich sei für sein Leben, werde später auch nicht Verantwortung für andere übernehmen. Diese Erfahrung hat Herbert Reul zweifellos im Elternhaus gewonnen, wo er mit vier Geschwistern aufwuchs. Der Generalsekretär zählt weder zu den Heißspornen noch zu den Kopfnickern in Partei und Landtagsfraktion. Zu Beginn des Superwahljahres 1994 kritisierte er scharf seine eigene Partei wegen ihres damaligen negativen öffentlichen Erscheinungsbildes und warf den CDU-Führungskräften vor, ihre "Qualität" daran zu messen, mit wieviel verschiedenen Themen sie in der Zeitung stünden oder im Fernsehen zu sehen seien. Der ansonsten eher "ruhig-sachliche Typ" mit musischen Interessen gilt als Politiker, der sich nicht vor Problemen versteckt oder sie "unter den Teppich kehrt".
    Heute sieht es der Christdemokrat als eine Hauptaufgabe seiner Partei an, die Menschen in Nordrhein-Westfalen darüber aufzuklären, "was mit Rot- Grün für unser Land auf dem Spiel steht". Die NRW-CDU müsse sich als eine politische Alternative profilieren, die für Fortschritt und Zukunft stehe. Daher sollte auch innerparteilich wieder stärker politisiert werden, empfiehlt der Generalsekretär den örtlichen Parteigremien. "Sie konzentrieren sich zu sehr auf die Kommunalpolitik."
    Während seines bisherigen politischen Wirkens setzte Herbert Reul nach seinen eigenen Worten nicht auf kurze "Zauberstablösungen", sondern immer auf eine Politik des langen Atems. Vielleicht ist diese Handlungsweise mühsamer, aber sicherlich erfolgreicher, bilanziert man seine Tätigkeit in Partei, Fraktion und Parlament.
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI951856

  • Porträt der Woche: Heinrich Dietmar Borcherding (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 17 - 31.10.1995

    Turbulent wie die Nachkriegszeit, so verlief auch der Lebensweg des Mindener SPD-Landtagsabgeordneten Heinrich Dietmar Borcherding in den Kindheits- und Jugendjahren: Flucht als Dreijähriger im Winter 1945 aus dem ehemaligen Warthegau. Zuflucht bei Verwandten im mecklenburgischen Stralsund und schließlich ein neues Zuhause in Dankersen bei Minden. Schon früh übernahm der gebürtige Langenauer Verantwortung im Elternhaus, nachdem sein Vater Opfer der Kriegswirren geworden war.
    Nach einer Maschinenschlosserlehre und der Fachoberschulreife erlangte Borcherding 1966 über den zweiten Bildungsweg im Bielefelder Westfalen-Kolleg das Abitur — übrigens zusammen mit dem heutigen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder. Es folgten das Studium des Lehramtes für Berufsschule an den Universitäten Hannover und Hamburg mit beiden Staatsexamen. Seine berufliche Wirkungsstätte fand der heutige Oberstudienrat 1972 an der Gewerblichen Kreisberufsschule in Minden, wo er bis zu seiner Wahl in den Landtag im Mai dieses Jahres tätig war.
    Der politisierenden "68er Generation" angehörend, trat Heinrich Borcherding bereits während des Studiums der SPD bei und wurde später in zahlreiche Parteigremien berufen. Fast zwangsläufig wurde die Bekanntschaft mit der Kommunalpolitik. Als Mitglied des Kreistages Minden-Lübbecke seit 1973 setzte der Sozialdemokrat Akzente vor allem in der Jugend- und Schulpolitik und zählte dann zu den Mitinitatoren des ersten Landschaftsplanes in Nordrheinwestfalen. Auch schon früh erkannte er die Probleme der Abfallentsorgung. Die Anerkennung für sein Engagement für die heimische Region kam in der Wahl zum Landrat 1984 zum Ausdruck. Inzwischen ist er bereits zum zweiten Mal in seinem Amt bestätigt worden.
    Auch außerhalb des Kreises nimmt der Sozialdemokrat Einfluß auf die Kommunalpolitik. So ist er stellvertretender Landesvorsitzender des Landkreistages NRW und Präsidiumsmitglied des Deutschen Landkreistages. In der "Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik" (SGK) bekleidet er Führungspositionen auf Landes- und Bundesebene.
    Die enge Verzahnung zwischen Landes- und Kommunalpolitik bewog Heinrich Dietmar Borcherding vor der letzten Landtagswahl, sich um die freigewordene Kandidatur seiner Partei im Wahlkreis 112 (Minden-Lübbecke III) zu bewerben — gegen zwei Mitbewerber. In einer Urwahl entschieden sich mehr als siebzig Prozent der Mitglieder für den heutigen Landtagsabgeordneten.
    Von der SPD-Landtagsfraktion ließ sich der Ostwestfale in den Sportausschuß insbesondere deswegen wählen, weil der Landessportbund und das Land gemeinsam im Kreis Minden-Lübbecke Projekte zur Förderung des Breitensports in ländlichen Regionen unterstützen. Die Sportvereine sollen befähigt werden, ihre Angebots-Palette auch unter gesundheitsvorsorgenden Aspekten zu erweitern. Sport im Kindergarten, aber auch für arbeitslose Jugendliche zählen ebenfalls zu den Modellprojekten. Und im Ausschuß für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz will sich der Abgeordnete für die Erhaltung der Lebensqualität im ländlichen Raum stark machen.
    Der "Neuling" im Düsseldorfer Landesparlament sieht auf Grund seiner langjährigen kommunalen Erfahrungen aber auch seine Aufgabe darin, kritisch darauf zu achten, daß Initiativen des Landes die Gemeinden und Kreise nicht noch mehr finanziell belasten. Zusätzliche Bürden könnten sie einfach nicht mehr verkraften.
    In der heimischen Region wird sein Engagement für die Bürger nicht nur erkannt, der Vater von zwei Töchtern ist auch als "radelnder Landrat" bekannt. Und nicht selten animiert er Freunde und Bekannte zu gemeinsamen Radtouren. Ein willkommener Ausgleich für einen Parlamentarier, dessen Terminkalender prall gefüllt ist.
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI951742

  • Porträt der Woche: Hans Peter Lindlar (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 17.10.1995

    "Wir müssen sehr intensiv daran arbeiten, daß die Verwaltung für den Bürger durchschaubarer wird. In den Verwaltungen sind dringend Vereinfachungen nötig, damit der einzelne weiß, an wen er sich wenden muß." Hier sieht Hans Peter Lindlar einen Schwerpunkt seiner Arbeit. Als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für die Verwaltungsstrukturreform setzt er sich unter anderem für eine Art " Wegweiser durch die Behörden" ein. "Es muß für den Bürger ersichtlich sein, wer für gewisse Bereiche verantwortlich ist", sagt er. Der Vorsatz, dem Mann auf der Straße helfen zu können, war für den 48jährigen ein Grund mehr, in die Politik zu gehen. "Es macht viel Freude, sich vor Ort zu engagieren", meint der Gymnasiallehrer, der seit 1968 Mitglied der CDU ist und seit Mai 1990 ein Landtagsmandat hat. Seine große Liebe zur Kommunalpolitik wurde ihm allerdings auch in die Wiege gelegt. Sein Großvater kandidierte 1933 für die Zentrumspartei, sein Vater war später Landrat.
    "Kommunalpolitik war bei uns zu Hause immer ein Thema", erzählt Hans Peter Lindlar. Schmunzelnd erinnert er sich jedoch daran, daß sein Vater wenig begeistert war, als der Sohn schließlich Mitglied der CDU wurde. Hans Peter Lindlar hätte auch einen ruhigeren Weg einschlagen können. Denn nach dem Studium der Philologie, Germanistik und Geographie an der Universität Bonn und der Referendarzeit wurde er 1975 Beamter auf Lebenszeit. Getrost hätte der Oberstudienrat (Seit 1979) seinem Lehrauftrag nachgehen können und Politik Politik sein lassen können. Doch der Wunsch, zu helfen und im Miteinander etwas zu bewirken, war größer. So wirkte der Major der Reserve zunächst in seiner Geburtsstadt Hennef/Sieg im Rat als sachkundiger Bürger mit. "Ich bin sehr bodenständig", bekennt der Vater von zwei Kindern. "Ich bin nie aus meiner Heimatstadt weggegangen. Und das ist heute ein Vorteil. Denn die Leute kennen mich und kommen mit ihren Problemen zu mir."
    So bezeichnet er seinen Werdegang denn auch als "klassische Karriere". Seit 1979 ist er Ratsmitglied in Hennef, seit 1983 CDU-Fraktionsvorsitzender. In letzterer Funktion wurde er wiedergewählt. Von 1975 bis 1980 war Hans Peter Lindlar zudem Stadtverbandsvorsitzender in Hennef. Wegen der Kandidatur von Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidat der CDU/CSU bei den Bundestagswahlen 1980 trat Hans Peter Lindlar aus Protest von diesem Amt zurück. "Ich kann nicht etwas vertreten, hinter dem ich nicht stehe. Und hinter diesem Kandidaten stand ich nun einmal nicht", erklärt er dazu.
    Als den ruhenden Pol in seinem hektischen Alltag bezeichnet Hans-Peter Lindlar, der von 1979 bis Herbst 1990 außerdem Mitglied des Kreistages Rhein-Sieg- Kreis war, seine Familie. Hier schöpft der Landtagsabgeordnete wieder Energie. Und die setzt er dann wiederum auf dem Tennisplatz ein, wenn seine beiden Söhne ihn herausfordern. Eine Herausforderung sieht Hans Peter Lindlar auch in seinem weiteren politischen Schwerpunktthema, dem Umweltschutzbereich. So war es ihm ein besonderes Anliegen, als Mitglied im Umweltausschuß des Landtages mitzuwirken. Auch hier hat er die Möglichkeit, Probleme auf kommunaler Ebene umzusetzen und sich als Politiker zum Anfassen zu verwirklichen. "Es kommt immer darauf an, in Einzelfällen etwas bewegen zu können." Ähnlich sieht er seine Aufgabe auch als stellvertretender Bundesvorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV). "Da ist zum Beispiel der große Komplex der Abwassergebühren. Die müssen im Sinne der Kommunen begrenzt werden."
    Bei aller Ernsthaftigkeit und den vielen Schwierigkeiten, die sich auf dem politische Feld ergeben, hat Hans Peter Lindlar nie seinen Humor verloren. Er selbst bezeichnet sich als rheinische Frohnatur. "Man muß sich selbst auch mit einiger Distanz sehen können," betont er. "Es gehört einfach dazu, daß man auch schon einmal Kollegen auf die Schippe nimmt." In der knapp bemessenen Freizeit findet das Mitglied der CDA immer noch Zeit, um seinem Hobby nachzugehen: dem Karneval, der ihn zum Glück lediglich saisonal bedingt in Anspruch nimmt. So ist Hans Peter Lindlar Mitglied der Karnevalsgesellschaft " 1. Hennefer Stadtsoldaten". Die Truppe tritt auch bei Veranstaltungen auf der Bühne auf und hat sich ebenfalls eine soziale Verantwortung auf die Fahne geschrieben: In französischen Uniformen sind die "Stadtsoldaten" bei gemeinnützigen Veranstaltungen unentgeltlich mit von der Partie. "Es macht eben Freude, sich in möglichst vielen Bereichen für etwas einsetzen zu können", betont ein Mann, der mit Offenheit und Elan Schwierigkeiten in allen Lebenslagen meistert und dabei nie eine gesunde Portion Optimismus verloren hat.
    Andrea C. Stockhausen

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI951651

  • Porträt der Woche: Lothar Hegemann (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 15 - 10.10.1995

    "Dem Volk aufs Maul schauen, aber nicht nach dem Munde reden", zitiert Lothar Hegemann gern das Luther- Wort. Für den stämmigen Christdemokraten ist es eine ständige persönliche Herausforderung, Politik für die Menschen zu machen. Man müsse sich vor politischen Entscheidungen stets fragen, "wem nutzen und wem schaden sie". Diese Einstellung mag in der starken Bodenhaftung des gebürtigen Recklinghäusers mitbegründet sein, mit der Mentalität vieler "Ruhrgebietler" — und als ein solcher fühlt sich der heute 48jährige CDU-Landtagsabgeordnete.
    Einer katholischen Familie entstammend, fand der damalige Chemielaborant über die katholische Jugend den Weg in die Junge Union und 1967 in die CDU. Seitdem stieg der auch der Union gegenüber oft kritische Christdemokrat stetig auf den Parteisprossen: Vorsitzender des Stadt- und dann des Kreisverbandes Recklinghausen, Mitglied des Bezirksvorstandes Ruhrgebiet und des Landesvorstandes. Kommunalpolitisch engagiert sich Lothar Hegemann seit 1975 als Abgeordneter des Recklinghäuser Stadtrates.
    Die CDU im Ruhrgebiet — die "ewig Zweite" auf der politischen Bühne an Ruhr und Lippe. Lothar Hegemann ist einer ihrer intimsten Kenner. Aber auch einer der wenigen wortmächtigen und zuweilen polternden Kontrahenten der Sozialdemokraten im Revier. Mit einer Portion Ironie beschreibt er das Verhältnis zwischen beiden Parteien: "Die SPD umarmt uns im Revier kräftig. Wenn wir dann nach Luft schnappen, steckt sie uns Zucker in den Mund in der Absicht, daß wir Karies bekommen."
    Dem Landtag gehört der heute selbständige Versicherungskaufmann seit 1980 an. Und erst vor wenigen Monaten wurde er als stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion wiedergewählt. Als Mitglied des Hauptausschusses gilt sein Interesse insbesondere der Medienpolitik. Der Christdemokrat hält nach wie vor die Medienvielfalt im Fernsehbereich durch die Lizenzen der privaten Anbieter für richtig, sieht aber gleichzeitig auch die wachsenden Gefahren für die jugendlichen Zuschauer. Bei der Abwägung zwischen "Kunstfreiheit" und Jugendschutz müsse letzterer immer Vorrang haben.
    Scharf kritisiert Lothar Hegemann die Benachteiligung des westfälischen Landesteils und vor allem des Ruhrgebietes bei der Ansiedlung der sogenannten Neuen Medien. Er hätte auch von der Landesregierung ein Konzept erwartet, daß nicht nur auf das Rheinland setzt mit WDR, VOX, RTL, VIVA, Deutsche Welle u.a.m. Auch Dortmund oder Bielefeld beispielsweise hätte das Land als Standorte anbieten müssen.
    Als CDU-Obmann im Landtagsausschuß "Mensch und Technik", der sich den Auswirkungen der Technik auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten widmet, warnte er vor der Versuchung der Politiker, möglichst viele Vorschriften zu erlassen und auch davor, nur die Risiken zu sehen, die neue Technologie eröffne auch viele Chancen.
    Der Christdemokrat zählte zu den Wortführern des Dioxin-Untersuchungsausschusses in der letzten Legislaturperiode. Innerhalb eines guten Jahres habe dieses Parlamentsgremium achtzig Sitzungen abgehalten, und dessen Mitglieder hätten Tausende von Aktenseiten studiert. Heute fragt sich Lothar Hegemann, ob sich dieser Aufwand gelohnt habe. "Ich zweifle daran." Entweder müsse das entsprechende Gesetz gravierend zugunsten des Parlamentes geändert werden, oder man sollte die Untersuchungsausschüsse ganz abschaffen, bilanziert der CDU-Abgeordnete die "Knochenarbeit" der Ausschußmitglieder. Er liebt deutliche Worte.
    Vor drei Jahrzehnten hat der Recklinghäuser für sich die "Droge" Politik entdeckt, und sie läßt ihn nicht mehr los. Doch anders als andere Suchtmittel bewirkt sie engagiertes Handeln für die Gemeinschaft, bei Lothar Hegemann vor allem für das Ruhrgebiet.
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI951557

  • Porträt der Woche: Heinrich Kruse (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 14 - 26.09.1995

    Bevor Heinrich Kruse (49) mit seiner Kritik loslegt, betont er, daß er nicht gegen die Braunkohle sei. Doch mit der Mehrheitsmeinung in seiner Fraktion zu Garzweiler II stimmt der CDU-Abgeordnete aus Bocholt keineswegs überein: "Wir können nicht Rheinbraun einen Blankoscheck geben, 120 Millionen Jahrestonnen bis 2040 abzubaggern."
    Landwirtschaftsmeister Kruse, der seit zehn Jahren den Landtagsausschüssen für Umweltschutz und Raumordnung sowie für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz angehört, räumt ein, daß man dem Braunkohleunternehmen Planungssicherheit bieten müsse. Dafür hätte es aber aus seiner Sicht ausgereicht, zunächst nur ein Teilgebiet von Garzweiler II für den Abbau in den Jahren 2006 bis 2017 zuzulassen. Dann wäre Zeit gewonnen worden, "an moderner Umwelttechnik zu nutzen, was möglich ist". Als Beispiel nennt er die Kobra-Kraftwerkstechnik, mit der in einigen Jahren ein höherer Wirkungsgrad und damit ein geringerer CO2-Ausstoß erreicht werden könnte.
    Mit der Genehmigung von Teilabschnitten, die sich nach Kruses Auffassung auch betriebswirtschaftlich rechnen würden, hätte sich auch die Möglichkeit eröffnet, künftige Entwicklungen auf dem Energiesektor zu berücksichtigen, etwa im Bereich der erneuerbaren Energien. Möglicher Kritik beugte er so vor: "Dabei ist mir natürlich klar, daß wir die großen Walzstraßen im Industrieland Nordrhein-Westfalen nicht mit Windkrafträdern betreiben können." Hier sei er völlig realistisch, beteuert er und wiederholt seine Forderung: " Was im Umweltschutz möglich ist, müssen wir einfach nutzen."
    Im Rückblick auf die beiden vergangenen Wahlperioden des Landtags benennt Kruse dies als sein Hauptthema: Eine engere Verflechtung, eine dichtere Vernetzung zwischen Umweltschutz, Rohstoffen und Landwirtschaft: "Wenn wir keine Landwirtschaft mehr hätten, dann wäre der ländliche Raum tot." Dies könne man In anderen Regionen Europas und auch in den neuen Bundesländern sehen. Mit dem Rückgang der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Hofe sei dort "das Leben in den Dörfern förmlich kaputt gegangen". Entschieden weist er gelegentlich geäußerte Vorwürfe zurück, sich mit solchen Äußerungen als Lobbyist der Landwirtschaft ausgewiesen zu haben. Stets habe er sich vor allem für den Umweltschutz engagiert, auch in seiner parlamentarischen Arbeit.
    Gleichzeitig versichert Kruse, daß der Landwirtschaftsausschuß, dessen Vorsitzender er in der elften Legislaturperiode war, durchaus nicht unter Arbeitsmangel leide, nachdem zahlreiche Kompetenzen nach Bonn und besonders nach Brüssel abgegeben werden mußten. Naturschutz, Gewässerschutz und Verbraucherschutz seien sehr intensiv mit der Landwirtschaft verknüpft. So sei in Nordrhein-Westfalen, der mit 18 Millionen Einwohnern dichtest besiedelten Region Europas, die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ einwandfreien Nahrungsmitteln ein wichtiger Punkt.
    Mit Nachdruck setzt sich Kruse für ein Gütesiegel für Nahrungsmittel ein. Für die Vermarktung der in Nordrhein-Westfalen produzierten Nahrungsmittel müsse mehr getan werden. So sollte auf den Nahrungsmitteln eine regionale Herkunftsbezeichnung stehen, etwa "Fleisch aus dem Münsterland" oder "Obst vom Niederrhein". Die Verbraucher würden heute häufig verunsichert durch negative Schlagzeilen, wie etwa beim britischen Rinderwahnsinn BSE. Solcher Verunsicherung könne man nur mit kleinräumigen Herkunftshinweisen entgegenwirken.
    Freimütig räumt Kruse ein, daß eine solche Warenauszeichnung naturgemäß nicht nur im Interesse der Verbraucher, sondern auch der Produzenten liege, denn schließlich könnten dadurch die Marktchancen durchaus verbessert werden. Kruse: "Wir müssen sehr viel deutlicher als bisher herausarbeiten, daß Erzeuger und Verbraucher mehr gemeinsame Interessen haben, als es bisher dargestellt wurde." Wichtig sei es auch, stärker gegen die sogenannte "Umetikettierung" vorzugehen. Er erinnerte an die kriminelle Energie, mit der holländische Tomaten als deutsche angeboten wurden, was zu Millionengewinnen geführt habe. Kritisch beurteilt Kruse die Arbeit der von Firmen und Verbänden getragenen "Agrargenußmarketing" (AGM) in Münster, die erhebliche Zuschüsse vom Land erhalte. Diese Landesmittel sollten aus Kruses Sicht besser und wirkungsvoller eingesetzt werden. In einem neuen Konzept solle das Land seine Zuschüsse binden an klare Kriterien, wobei auch die Herkunft der Produkte aus NRW-Regionen erkennbar werden müsse. Bei der AGM übe das Land, so Kruse, keinerlei Kontrolle darüber aus, welche Produkte der dort organisierten Brauereien, Fleischereien und Molkereien bezuschußt würden.
    Ludger Audick

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)

    ID: LI951431

  • Porträt der Woche: Brigitte Speth (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 13 - 19.09.1995

    An den Abend des 14. Mai erinnert sich Brigitte Speth mit gemischten Gefühlen: In ihrem Düsseldorfer Wahlkreis hatte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin wieder die Nase vorn — eine Leistung, auf die sie sich etwas zugute hält, denn: viel Bildungsbürgertum ist dort zu Hause, und im übrigen liegt in dieser Ecke der Landeshauptstadt traditionell der F.D.P.- und Grünen-Anteil recht hoch. Aber da gab es eben auch das Abrutschen der Landes- SPD, das im Ergebnis die Sozialdemokraten ihre absolute Mehrheit kostete. "Das hat mich traurig gemacht, geschockt hat es mich nicht", resümiert Brigitte Speth. Beinahe im selben Atemzug äußert sie sich skeptisch zu der rot-grünen Zusammenarbeit: "Meine Erfahrung mit den Grünen aus den letzten Jahren lassen mich daran zweifeln, daß es eine gute, reibungslose Zusammenarbeit geben wird." Die Grünen machten, ähnlich wie die F.D.P., zu sehr Klientel-Politik, dadurch gerate ihnen das zusammenhängende soziale und demokratische Gefüge der Politik aus dem Blick. Auf dem Politikfeld, das sie besonders gründlich beackert, der Bildungs- und Schulpolitik, möchte sie sich den Blick nicht verengen lassen. Das Thema sei unglaublich wichtig für Kinder und Jugendliche, findet die Bundesvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Bildungspolitik, aber auch für die Wirtschafts- und Technologieentwicklung des Landes. Die Diplom-Physikerin, die 1944 in Thüringen geboren wurde, in Mönchengladbach- Rheydt aufwuchs, in Aachen studiert hat und seit 1974 in Düsseldorf lebt, nennt die Entwicklung des Reviers verbindlich. Sie meint damit die Umstrukturierung, die Rücksicht nehme auf die Bergleute und Stahlkocher. Es sei für sie eine zutiefst soziale Frage, ob eine Wirtschafts- und Technologiepolitik mit einem schnellen Ausstieg aus hergebrachten Strukturen einhergehe oder auf die betroffenen Menschen und Regionen Rücksicht nehme. Die weitverbreitete Meinung, ihre Partei sei technologiefeindlich, ist nach Frau Speths Meinung falsch, das Image aber hafte und verschwinde so schnell nicht. Sie selbst lehne als Naturwissenschaftlerin neue Technologie nicht grundsätzlich ab. Bei Bio- und Gentechnik sei sie allerdings skeptisch, und zur Kernenergie sage sie kategorisch "nein". "Technikfolgen-Abschätzung" lautet Speths Schlüsselwort. Die Forschung in der Bio- und Gentechnik müsse viel stärker vernetzt werden, etwa mit der Sozialpolitik. Das scheitere anfangs sicherlich schon an den unterschiedlichen Fachsprachen, aber es könne langfristig dazu führen, die Beunruhigung der Öffentlichkeit über manche technologische Entwicklung zu verkleinern. Beim Thema Kernenergie-Nutzung sieht sie keinen Bedarf, die Öffentlichkeit durch mehr Aufklärung zu beruhigen. An den "inhärent sicheren Atomreaktor" glaubt sie nicht, gewiß jedoch an das Restrisiko der Kernkraft-Nutzung. Wieder verweist sie auf ihr Physikstudium, währenddessen sie sich besonders mit dem Zweig Hochenergietechnik befaßt habe. Wie fand die Naturwissenschaftlerin aus einem, wie sie sagt, sehr konservativen Elternhaus, zur SPD? Eine Affinität zu dieser Partei habe sie schon lange gehabt, vielleicht auch als Affront zum Elternhaus. Schon früh reagierte sie sehr aufgebracht auf soziale Mißstände. Anfang der siebziger Jahre machte sie mit bei der Brandt-Initiative "Willy wählen". Den Schritt zur SPD-Mitgliedschaft vollzog sie erst 1979, als Helmut Schmidt Kanzler war und als die Nachrüstungsdebatte ihrem Höhepunktzustrebte. Vieles habe sie damals nicht verstanden, als Schmidt regierte — die "sehr autoritäre Politik, die beabsichtigte Nachrüstung". An der schon historischen Bonner Großdemonstration der "Friedensbewegung", 1981, hat Frau Speth teilgenommen. Die spätere Entscheidung des Bundestages für die Nachrüstung des Westens sei für sie schwer auszuhalten gewesen. Wohl aus dieser Zeit rührt ihr Ruf, sie zähle zum linken Flügel der SPD. Der Ruf verfestigte sich, als sie besonders engagiert die Gesamtschule verfocht. Auch heute noch ist sie von dieser Schulform überzeugt, wenn sie auch einräumt, Verständnis zu haben für diejenigen, die sich gegen die Gesamtschule entscheiden. Am Bild von der linken Brigitte Speth möchte sie Korrekturen anbringen. Sie hält sich für integrationsfähig, weiß aber auch: Einstein hat recht, ein Vorurteil sei wirklich schwerer zu spalten als ein Atom. Zu ihren Charaktereigenschaften zählt die rheinische SPD-Abgeordnete "ein hohes Maß preußischen Pflichtbewußtseins", "innere Unruhe", "Durchhaltevermögen" und "Neugier". Ein wißbegieriger Mensch wie Brigitte Speth reist selbstverständlich gerne, am liebsten nach Griechenland, aber auch nach Lateinamerika. Im Sommer brach sie Richtung Simbabwe auf. Früher geliebte Sportarten wie Tennis und Skifahren übt sie nicht mehr aus. Die heutigen Hobbys sind weniger anstrengend: Sie fotographiert, bastelt Puppen nebst deren Stuben, und außerdem schreibt sie Märchen für Kinder. Diese werden nicht veröffentlicht, vielmehr bei passender Gelegenheit verschenkt.
    Reinhold Michels
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI951338

  • Porträt der Woche: Dr. Katrin Grüber (Grüne).
    Zweite Vizepräsidentin.
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 12 - 12.09.1995

    Von Andrea C. Stockhausen
    "Daran habe ich im Traum nicht gedacht." Katrin Grüber war letztlich wohl doch überrascht, daß sie am 1. Juni als erste Abgeordnete der GRÜNEN zur Landtags-Vizepräsidentin gewählt wurde. Als die 37jährige Biologin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hinblick auf die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD in das Rennen um dieses hohe Amt geschickt wurde, hatte sie sich zunächst wohl wenig Chancen ausgerechnet. Doch ihre Wahl gilt als Signal, als Zeichen des guten Willens der SPD. Wenn auch nicht alle Sozialdemokraten ihr die Stimme gaben — dafür aber einige von der CDU — bei diesem Thema lächelt Katrin Grüber nur. Denn der Umzug aus dem sechsten Stock des Landtages und dem "einfachen" Abgeordneten-Büro hinunter in die dritte Etage bedeutet für die gebürtige Frankfurterin umgekehrt einen Schritt nach vorne auf der Karriereleiter: Mit Bergen von Ordnern, Unterlagen und Akten zieht sie in die Räume der Vizepräsidentin.
    Kommen auch jetzt jede Menge repräsentative Verpflichtungen auf sie zu, so will sie doch ihr politisches Mandat nicht vernachlässigen. Dazu zählen ihre Schwerpunktthemen: die Chemie und die Gentechnik ebenso wie ihr "persönliches Steckenpferd" — die Verwaltungsreform. "Ich freue mich auf die neue Aufgabe", sagt die ehemalige Umweltreferentin der Grünen. Eigens zu diesem Zweck will sich die sonst eher leger gekleidete Wahl-Düsseldorferin auch ein neues Kostüm zulegen. Besonders freudig schaut sie der Zusammenarbeit mit dem Landtagspräsidenten Ulrich Schmidt und dem ersten Stellvertreter Hans- Ulrich Klose entgegen, die sie nicht nur menschlich sehr schätzt, "Ich habe mit ihnen schon in Ausschüssen bestens zusammengearbeitet", meint die engagierte Politikerin, die seit 1990 im Landtag ist und seither unermüdlich durch das Land reist, um vor Ort Gespräche zu führen.
    Kontakt wahrt sie beispielsweise auch zu den Interessenverbänden der Chemie. "Eine meiner interessantesten und spannendsten Wahlveranstaltungen vor der Landtagswahl war ein Besuch bei der Hüls AG in Mari", erzählt sie. Dabei ging es um die Auswirkungen von PVC. Trotz kontroverser Standpunkte sei die Diskussion sehr ergiebig gewesen. Bei ihrer bevorstehenden Parlamentsarbeit — als Moderatorin über 221 Abgeordnete — muß ihrer Meinung nach der "Mensch mehr durchkommen". "Ich will aber auf keinen Fall Ulrich Schmidt und Hans-Ulrich Klose vorweggreifen, die auf diesem Gebiet schon mehr Erfahrungen haben und sehr gute Arbeit geleistet haben." Eindrücke sammelte jedoch auch sie in dieser Hinsicht, und zwar bei der Leitung von Sitzungen als Ausschußvorsitzende. Trotzdem gab Katrin Grüber, die ursprünglich Biologie und Chemie für das Lehramt an Gymnasien studierte, zu, daß sie vor ihrer ersten Plenarsitzung "schon ein bißchen aufgeregt war". Allzuviel einschalten will sie sich aber nicht in die Debatten, die sie im dreistündigen Wechsel mit Ulrich Schmidt und Hans-Ulrich Klose leitet. Denn: "Dann gilt man sehr schnell als Nörglerin. " Das wiederum heißt nicht, daß sie den einen oder anderen Abgeordneten — egal welcher Couleur — nicht zur Ordnung rufen wird, wenn er oder sie in den Redebeiträgen übers Ziel hinausschießt. "Die vordringliche Aufgabe der Politik ist es, gegen die Politikverdrossenheit anzugehen", betont Katrin Grüber, die 1988 unter anderem Beraterin für die Umsetzung eines Recycling-Konzeptes in Stuttgart war. Sie denkt dabei vor allem an die schlechte Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl. "Wir müssen auch die Öffentlichkeit mehr in die parlamentarische Arbeit einbeziehen, zum Beispiel durch Veranstaltungen", schlägt Katrin Grüber vor. "Moderne Parlamentsarbeit braucht moderne Darstellungsformen." Hier schwebt ihr eine journalistische Aufarbeitung von Anhörungen und anderen Sitzungen im Landtag vor. Ähnliches hat sie bereits für ihren bisherigen Ausschuß "Mensch und Technik" praktiziert. Im übrigen will sie diese Posten schweren Herzens aufgeben, denn das wäre ja "Ämterhäufung".
    "Dem Bürger muß Demokratie wieder mehr Spaß machen. Und wir müssen für mehr Verständnis für unsere Arbeit werben", mahnt die 37jährige. Daß der Plenarsaal an Sitzungstagen teilweise halbleer sei, habe ja schließlich nichts damit zu tun, "daß wir Abgeordneten faul sind". Sie erinnert an Termine oder Gespräche, die die Parlamentarier am Rande der Debatten führen müssen. Als ein Instrument, um für mehr Verständnis beim Bürger zu werben, bezeichnet sie Bürgerfragestunden. Die seien auch im Landtag selbst eine Überlegung wert. Fraglich sei jedoch, ob die Bürger extra nach Düsseldorf kommen würden. Vermutlich wäre es nach Ansicht von Katrin Grüber sinnvoller, so etwas direkt in den einzelnen Städten einzurichten.
    Denn gerade Politik an Ort und Stelle ist nach Ansicht der rührigen Abgeordneten wichtiger denn je. "Wir müssen die Probleme der Menschen vor deren Haustüre lösen", rät sie. Man dürfe sich nicht zu sehr vom alltäglichen Geschehen entfernen, sagt die Grüne, die sich selbst zum unabhängigen Flügel ihrer Partei zählt. Ganz klar erteilt sie deshalb auch den sogenannten "stromlinienförmigen Politikern" eine Absage. Ein wichtiges Anliegen ist ihr von daher auch die Verwaltungsreform. Behörden transparenter und effektiver zu gestalten, das bedeutet für sie auch Bürgernähe. "Ein Stadtrat darf sich zum Beispiel nicht mit der Frage beschäftigen, welche Farbe ein Fahrradweg haben soll. Er muß ein komplettes Konzept für Radwege erarbeiten." Die Aufgaben konzentrieren und bündeln, so lautet die Devise für eine effektive politische Arbeit.
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion Übereinstimmen)

    ID: LI951251

  • Porträt der Woche: Erster Vizepräsident Dr. Hans-Ulrich Klose (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 11 - 11.07.1995

    Von Jochen Jurettko
    Das eindrucksvolle Stimmenergebnis bei der jüngsten Wahl zum ersten Vizepräsidenten des nordrhein-westfälischen Landtages bestätigte es erneut: Hans-Ulrich Klose ist über die Parteigrenzen hinweg hoch geachtet. Der gebürtige Brandenburger, der engagierte Protestant und der Bürgermeister der niederrheinischen Gemeinde Korschenbroich besitzt viele Eigenschaften, die sein persönliches Profil schärften und seiner Umgebung Anerkennung abverlangen.
    "Er ist sich immer treu geblieben", hieß es in der Laudatio zum 60. Geburtstag des Christdemokraten am 29. März dieses Jahres: Schon als 17 jähriger "Ost "-CDUler, als Bespitzelter und Inhaftierter des damaligen DDR-Staatssicherheitsdienstes, später im Westen als Richter am Sozialgericht und als Parlamentarier. Als 1987 für Honecker im Schloß Benrath ein Empfang gegeben wurde, ließ es der Vizepräsident nicht allein bei Höflichkeitsfloskeln, sondern sprach auch ein mahnendes Wort zum früheren DDR-Staatsratsvorsitzenden über die politischen Gefangenen in Ostdeutschland. Die Mißachtung der Menschenrechte persönlich erfahren, streitet Klose für dieses Gut als Jurist, Politiker und Christ. Menschenrechte, das hat nichts mit links oder rechts zu tun, auch nicht mit dem Ort oder Land, in dem sie verletzt werden.
    Bereits seit 1966 dem Landtag angehörend, nahm der promovierte Jurist bislang eine Fülle von Funktionen in der evangelischen Kirche, in der Union und im kommunalen Bereich wahr. Es sei ihm dabei nie nur um das Amt gegangen, er habe etwas tun, bewegen wollen, urteilt ein Weggefährte. Und ob als Rechtsexperte seiner Fraktion, als Sozialpolitiker oder Vizepräsident, er ist einer der wenigen Politiker, die über ihr Tun nur wenig reden — auch das ist die Eigenschaft eines Mannes, der das nachdenkliche Gespräch ebenso schätzt wie die gesellige Runde.
    Für die bedeutendste Erfahrung seines Lebens hält Klose, daß er ein Drittel seines Lebens in der Mark Brandenburg verbracht und damit die mitteldeutsche Kultur mit ihrer geistigen Ausstrahlung erfahren und dann zwei Drittel seines bisherigen Lebensweges im Rheinland beschritten habe, mit seiner stolzen nach Westen orientierten katholisch kulturellen Tradition. Nicht minder wichtig sei auch, ein Jahrhundert erlebt zu haben mit zwei Kriegen und Verfolgungen, aber auch des Zusammenbruchs zweier Systeme, des Nationalsozialismus und des Sozialismus.
    Der Brandenburger fühlt sich am Niederrhein wohl, der Protestant in einer katholisch geprägten Landschaft. Und es ist kein Zufall, daß Klose der erste evangelische Kreisvorsitzende im damaligen CDU- Landesverband Rheinland war.
    Bei aller Härte der politischen Auseinandersetzung müsse man die persönliche Lebenssphäre des politischen Gegners achten, fordert der Vizepräsident. Und er beklagt, daß zunehmend mit einer Unerbittlichkeit und manchmal auch Hinterhältigkeit in der Politik gearbeitet werde. Es müsse versucht werden, Brücken zu schlagen und da, wo Gemeinsamkeiten möglich seien, sie auch anzustreben. Es gebe eine Reihe von grundsätzlichen politischen Zielen, die nur in einer großen Breite erreicht werden könnten. So gab Klose in der Vergangenheit oft Beispiele für Fairneß gegenüber dem politischen Kontrahenten und für erfolgreiches Brücken-Schlägen.
    Nach längerer Unterbrechung seiner langjährigen kommunalpolitischen Tätigkeit ist der Christdemokrat im letzten Jahr zum Bürgermeister seiner Wohngemeinde Korschenbroich gewählt worden. Zwar eine zusätzliche, aber "schöne" Aufgabe, wie er betont. Denn vor allem auf örtlicher Ebene kann man "handfeste Politik" machen — für die Menschen.

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI951166

  • Porträt: Präsident des Landtags.
    Ulrich Schmidt (SPD) strebt eine gute Arbeitsatmosphäre an.
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe S1 - 10.06.1995

    Von Ralt Kapschack
    Irgendwie lief es ja schon auf ihn zu. Denn nachdem Ingeborg Friebe angekündigt hatte, nicht mehr für das Landesparlament zu kandidieren, war ihr bisheriger Stellvertreter — aus der nach wie vor stärksten Fraktion — erste Wahl für die Position des Landtagspräsidenten. Ulrich Schmidt macht auch keinen Hehl daraus, daß er diesen Höhepunkt seiner politischen Karriere angestrebt hat, nachdem der Platz frei wurde. Daß es allerdings so problemlos ablaufen würde, hat selbst ihn etwas überrascht.
    Als ihn seine Freunde aus dem SPD-Bezirk Westliches Westfalen vorgeschlagen hatten, gab es in der Fraktion eigentlich keine Diskussion mehr.
    Ein Grund dafür ist sicherlich die ausgleichende Art des Abgeordneten aus Wetter, eine gute und notwendige Voraussetzung für einen Landtagspräsidenten. Der andere Grund ist wohl die Tatsache, daß Ulrich Schmidt dem Landtag seit zwanzig Jahren angehört, den Parlamentsalltag also in- und auswendig kennt.
    Wäre es nach seiner Mutter gegangen, dann wäre Ulrich Schmidt nicht Politiker geworden. Sie riet ihm bereits früh ab, sich überhaupt mit Politik zu beschäftigen, denn diese sei viel zu wechselhaft und unberechenbar. Seinen Vater hat er nie gesehen, er fiel als Soldat im Krieg 1942. Im März jenes Jahres wurde Ulrich Schmidt geboren.
    Der Verlust des Ernährers und die Nachkriegswirren brachten die Familie in eine schwierige wirtschaftliche Lage.
    Vielen anderen ging es ähnlich. Weil die Not unverschuldet war, die Regierung Adenauer aber zuwenig für die Familien tat, wurden in Bonn Demonstrationen organisiert. Ein Motto damals: "Witwen- und Waisenrenten aufbessern."
    Bei diesen Aktionen und später beim Protest gegen die Wiederbewaffnung lernte Ulrich Schmidt, daß man sich selbst engagieren muß, wenn sich politisch etwas bewegen soll.
    Mit 14 begann der Junge aus Wetter eine kaufmännische Lehre bei Hoesch in Dortmund. Von Wetter jeden Morgen in aller Frühe mit der Bahn nach Dortmund und nachmittags zurück, das war damals fast eine "Weltreise".
    Nach dem Abschluß der Ausbildung fand er allerdings keine Anstellung im erlernten Beruf, statt dessen wurde ihm eine Stelle bei der Hoesch-Betriebskrankenkasse angeboten. Im nachhinein war das ein Glücksfall. Denn bei der fünfjährigen Arbeit am Schalter, bei zahllosen Gesprächen ging es immer um die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der "kleinen Leute". Und diese Zeit war wohl mit ausschlaggebend für Schmidts späteres politisches Engagement.
    Bevor er sich allerdings parteipolitisch festlegte, verglich das Mitglied der IG Metall erst einmal verschiedene Parteiprogramme und trat dann in die SPD ein. Das war 1964.
    Elf Jahre später wurde er Bürgermeister in seiner Heimatstadt Wetter und zog zum ersten Mal, als direkt gewählter Abgeordneter, in den Landtag ein. Bei seinem damaligen Arbeitgeber hatte er es zwischenzeitlich zum Referenten für Grundsatzfragen gebracht. Doch Ulrich Schmidt machte vor zwanzig Jahren die Politik zu seinem Beruf und verabschiedete sich bei Hoesch.
    In seinem Wahlkreis und als Bürgermeister hatte er anschließend alle Hände voll zu tun. Der Strukturwandel war in vollem Gange. Der vergebliche Kampf der Belegschaft um den Erhalt der Firma Mönninghoff in Hattingen oder die Entwicklung der Henrichshütte forderten monatelang den ganzen Mann, zeigten aber auch die Grenzen politischer Einflußnahme auf wirtschaftliche Prozesse. Für Schmidt stehen diese beiden Firmennamen auch für bittere persönliche Niederlagen.
    Die Verknüpfung von kommunal- und landespolitischer Arbeit hat sich für ihn rückblickend trotz allem bewährt. Denn vor Ort merkte man schnell, ob Gesetze, die der Landtag beschlossen hatte, überhaupt praktikabel seien oder nicht.
    In Düsseldorf konzentrierte sich Ulrich Schmidt schnell auf den Bereich Arbeit und Soziales. Vor allem die Behinderten- und Altenpolitik lag ihm am Herzen. Und so ist er stolz, daß mit dem Landesaltenplan auch von ihm persönlich wichtige Daten in diesem Politikfeld gesetzt worden sind: Das Angebot für ältere Menschen hat sich deutlich verbessert.
    Für Behinderte, vor allem geistig Behinderte, ist die Situation bei weitem noch nicht befriedigend. Im Augenblick wird ein entsprechender Landesplan erarbeitet. Da geht es nicht zuletzt ums Geld. Doch unter dem Diktat der leeren Kassen, das ist für Ulrich Schmidt klar, dürfen nicht ausgerechnet die Schwächsten leiden. Wenn er von diesen Menschen redet, dann hat er konkrete Beispiele, persönliche Schicksale vor Augen. Als Landesvorsitzender der Lebenshilfe und Mitglied im Vorstand der Evangelischen Stiftung Volmarstein (ehemals Orthopädische Anstalten) weiß er schließlich, wo der Schuh drückt.
    Der zweite Schwerpunkt seiner Landtagsarbeit war bisher die Reform der Verwaltungsstruktur. Schmidt wurde vor zweieinhalb Jahren Vorsitzender eines neuen Fachausschusses, der die schwierige Aufgabe hat, Vorschläge zu machen, wie die Verwaltung des Landes effektiver und bürgerfreundlicher werden kann. Bei diesem Thema könne man "keine schnelle Nuß knacken" meint Schmidt. Zwar steige der Reformdruck durch die Finanzprobleme der öffentlichen Hand. Tragfähige Lösungen könne es aber nur in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und Beschäftigten geben — und die seien ja auch dazu bereit. Für Schmidt ist dieses Thema ein, wenn nicht der Schwerpunkt in der neuen Legislaturperiode.
    Auch für die Arbeit des Landtags gibt es eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen. Ein entsprechendes Gutachten soll jetzt in Ruhe ausgewertet werden. Der Präsident will auch hier nichts überstürzen, doch die Richtung ist eindeutig: Die Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten sollen weiter verbessert werden, gleichzeitig soll der Landtag noch stärker als bisher offen sein für politische und kulturelle Aktivitäten.
    Das ist ein wichtiges Ziel für den neuen Chef im Düsseldorfer Landtag. Das andere ist, trotz aller politischen Meinungsverschiedenheiten eine gute Atmosphäre in der Parlamentsarbeit zu schaffen. Nach dem Wahlergebnis dürfte das nicht einfacher geworden sein. Trotzdem, Ulrich Schmidt freut sich auf diese Herausforderung.

    Bildunterschrift:
    Ulrich Schmidt, nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse im Mai dieses Jahres.

    ID: LI95S114

  • Porträt der Woche: Präsident des Landtags.
    Ulrich Schmidt (SPD) strebt eine gute Arbeitsatmosphäre an.
    Porträt
    S. 11 in Ausgabe 10 - 07.06.1995

    Von Ralt Kapschack
    Irgendwie lief es ja schon auf ihn zu. Denn nachdem Ingeborg Friebe angekündigt hatte, nicht mehr für das Landesparlament zu kandidieren, war ihr bisheriger Stellvertreter - aus der nach wie vor stärksten Fraktion - erste Wahl für die Position des Landtagspräsidenten. Ulrich Schmidt macht auch keinen Hehl daraus, daß er diesen Höhepunkt seiner politischen Karriere angestrebt hat, nachdem der Platz frei wurde. Daß es allerdings so problemlos ablaufen würde, hat selbst ihn etwas überrascht. Als ihn seine Freunde aus dem SPD-Bezirk Westlichen Westfalen vorgeschlagen hatten, gab es in der Fraktion eigentlich keine Diskussion mehr.
    Ein Grund dafür ist sicherlich die ausgleichende Art des Abgeordneten aus Wetter, eine gute und notwendige Voraussetzung für einen Landtagspräsidenten. Der andere Grund ist wohl die Tatsache, daß Ulrich Schmidt dem Landtag seit zwanzig Jahren angehört, den Parlamentsalltag also in- und auswendig kennt.
    Wäre es nach seiner Mutter gegangen, dann wäre Ulrich Schmidt nicht Politiker geworden. Sie riet ihm bereits früh ab, sich überhaupt mit Politik zu beschäftigen, denn diese sei viel zu wechselhaft und unberechenbar. Seinen Vater hat er nie gesehen, er fiel als Soldat im Krieg 1942. Im März jenes Jahres wurde Ulrich Schmidt geboren. Der Verlust des Ernährers und die Nachkriegswirren brachten die Familie in eine schwierige wirtschaftliche Lage.
    Vielen anderen ging es ähnlich. Weil die Not unverschuldet war, die Regierung Adenauer aber zuwenig für die Familien tat, wurden in Bonn Demonstrationen organisiert. Ein Motto damals: "Witwen- und Waisenrenten aufbessern." Bei diesen Aktionen und später beim Protest gegen die Wiederbewaffnung lernte Ulrich Schmidt, daß man sich selbst engagieren muß, wenn sich politisch etwas bewegen soll.
    Mit 14 begann der Junge aus Wetter eine kaufmännische Lehre bei Hoesch in Dortmund. Von Wetter jeden Morgen in aller Frühe mit der Bahn nach Dortmund und nachmittags zurück, das war damals fast eine "Weltreise".
    Nach dem Abschluß der Ausbildung fand er allerdings keine Anstellung im erlernten Beruf, statt dessen wurde ihm eine Stelle bei der Hoesch-Betriebskrankenkasse angeboten. Im nachhinein war das ein Glücksfall. Denn bei der fünfjährigen Arbeit am Schalter, bei zahllosen Gesprächen ging es immer um die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der "kleinen Leute". Und diese Zeit war wohl mit ausschlaggebend für Schmidts späteres politisches Engagement.
    Bevor er sich allerdings parteipolitisch festlegte, verglich das Mitglied der IG Metall erst einmal verschiedene Parteiprogramme und trat dann in die SPD ein. Das war 1964.
    Elf Jahre später wurde er Bürgermeister in seiner Heimatstadt Wetter und zog zum ersten Mal, als direkt gewählter Abgeordneter, in den Landtag ein. Bei seinem damaligen Arbeitgeber hatte er es zwischenzeitlich zum Referenten für Grundsatzfragen gebracht. Doch Ulrich Schmidt machte vor zwanzig Jahren die Politik zu seinem Beruf und verabschiedete sich bei Hoesch.
    In seinem Wahlkreis und als Bürgermeister hatte er anschließend alle Hände voll zu tun. Der Strukturwandel war in vollem Gange. Der vergebliche Kampf der Belegschaft um den Erhalt der Firma Mönninghoff in Hattingen oder die Entwicklung der Henrichshütte forderten monatelang den ganzen Mann, zeigten aber auch die Grenzen politischer Einflußnahme auf wirtschaftliche Prozesse. Für Schmidt stehen diese beiden Firmennamen auch für bittere persönliche Niederlagen.
    Die Verknüpfung von kommunal- und landespolitischer Arbeit hat sich für ihn rückblickend trotz allem bewährt. Denn vor Ort merke man schnell, ob Gesetze, die der Landtag beschlossen habe, überhaupt praktikabel seien oder nicht.
    In Düsseldorf konzentrierte sich Ulrich Schmidt schnell auf den Bereich Arbeit und Soziales. Vor allem die Behinderten- und Altenpolitik lag ihm am Herzen. Und so ist er stolz, daß mit dem Landesaltenplan auch von ihm persönlich wichtige Daten in diesem Politikfeld gesetzt worden sind: Das Angebot für ältere Menschen hat sich deutlich verbessert.
    Für Behinderte, vor allem geistig Behinderte, ist die Situation bei weitem noch nicht befriedigend. Im Augenblick wird ein entsprechender Landesplan erarbeitet. Da geht es nicht zuletzt ums Geld. Doch unter dem Diktat der leeren Kassen, das ist für Ulrich Schmidt klar, dürfen nicht ausgerechnet die Schwächsten leiden. Wenn er von diesen Menschen redet, dann hat er konkrete Beispiele, persönliche Schicksale vor Augen. Als Landesvorsitzender der Lebenshilfe und Mitglied im Vorstand der Evangelischen Stiftung Volmarstein (ehemals Orthopädische Anstalten) weiß er schließlich, wo der Schuh drückt.
    Der zweite Schwerpunkt seiner Landtagsarbeit war bisher die Reform der Verwaltungsstruktur. Schmidt wurde vor zweieinhalb Jahren Vorsitzender eines neuen Fachausschusses, der die schwierige Aufgabe hat, Vorschläge zu machen, wie die Verwaltung des Landes effektiver und bürgerfreundlicher werden kann. Bei diesem Thema könne man "keine schnelle Nuß knacken", meint Schmidt. Zwar steige der Reformdruck durch die Finanzprobleme der öffentlichen Hand. Tragfähige Lösungen könne es aber nur in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und Beschäftigten geben - und die seien ja auch dazu bereit. Für Schmidt ist dieses Thema ein, wenn nicht der Schwerpunkt in der neuen Legislaturperiode.
    Auch für die Arbeit des Landtages gibt es eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen. Ein entsprechendes Gutachten soll jetzt in Ruhe ausgewertet werden. Der Präsident will auch hier nichts überstürzen, doch die Richtung ist eindeutig: Die Arbeitsbedingungen für die Abgeordneten sollen weiter verbessert werden, gleichzeitig soll der Landtag noch stärker als bisher offen sein für politische und kulturelle Aktivitäten.
    Das ist ein wichtiges Ziel für den neuen Chef im Düsseldorfer Landtag. Das andere ist, trotz aller politischen Meinungsverschiedenheiten eine gute Atmosphäre in der Parlamentsarbeit zu schaffen. Nach dem Wahlergebnis dürfte das nicht einfacher geworden sein. Trotzdem, Ulrich Schmidt freut sich auf diese Herausforderung.

    ID: LI951035

  • Porträt der Woche: Eine engagierte Demokratin.
    Ingeborg Friebe (SPD) nimmt Abschied vom Landtag.
    Porträt
    S. 35 in Ausgabe 8 - 03.05.1995

    Von Richard Hofer
    Ingeborg Friebe blickt zufrieden auf ein erfülltes politisches Leben zurück. Die fünfjährige Präsidentschaft im Düsseldorfer Landesparlament war der Höhepunkt einer nie spektakulären, aber soliden und engagierten politischen Arbeit. Für die Rechte des Parlaments kämpfte die nun scheidende Präsidentin unverdrossen, legte sich dabei nicht selten auch mit Parteifreunden der eigenen Regierung an. Beharrlich wehrte sie sich gegen anmaßende Übergriffe der Exekutive zu Lasten des Parlaments. So kämpfte sie gegen die Staatskanzlei um ein Mandat des Landesparlaments im Ausschuß der Regionen im Europäischen Parlament und erreichte einen Kompromiß. Und sie ließ nicht zu, daß Ministerien im Landtag Veranstaltungen durchführten, der sei schließlich das "Haus des Parlaments". Wenn auf Veranstaltungen Staatssekretäre mehr Beachtung finden als "vom Volk gewählte Abgeordnete", beklagt sie dies als Verfall demokratischer Kultur.
    Dabei wollte die engagierte Parlamentarierin nach 1945 von Politik erst einmal gar nichts wissen. Ihre Jugend war geprägt von der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus. Die Familie opponierte offen gegen die Nazi-Diktatur, als Kind wurde sie ständig hin- und hergerissen zwischen nazi-kritischem Elternhaus und Blut- und Boden-Erziehung in der Schule. Die Mutter, Sozialdemokratin, wurde von der GESTAPO geschlagen, der Vater, Kommunist, im KZ ermordet.
    Doch die Neugier über die Ursachen jener traumatischen Erlebnisse weckte dann doch bald das Interesse an der Politik. In Abendkursen studierte sie Englisch und Gesellschaftskunde und engagierte sich, ganz in der Tradition ihrer Eltern und Großeltern, beim DGB. Dort arbeitete sie zunächst in der Rechtsschutzabteilung und wurde 1950 zur Landesvorsitzenden der HBV in Niedersachsen gewählt. Nach der Geburt ihrer zwei Söhne legte sie dann eine längere politische Pause ein.
    1966 zog die gebürtige Braunschweigerin nach Nordrhein-Westfalen, in ihrer neuen Heimatstadt Monheim stürzte sie sich in die Kommunalpolitik. Sie übernahm diverse Partei- und Ratsfunktionen und wurde 1976 Bürgermeisterin, ein Jahr nach ihrem Einzug in den Landtag und jenem Coup, der sie vor Ort zur "Mutter Courage" werden ließ: Die sozial-liberale Landesregierung hatte eigentlich schon die Zusammenlegung von Langenfeld und Monheim beschlossen. Doch die frischgebackene Abgeordnete bündelte alle Kräfte, ging auch in anderen Fraktionen auf Stimmenfang und rettete in der entscheidenden Abstimmung per Hammelsprung im Landtag die Unabhängigkeit Monheims, indem sie persönlich an der "Ja-Tür" Wache schob und gerade noch genügend Abgeordnete zum Abstimmungsgang durch die "Nein-Tür" bewegen konnte.

    Brücken bauen

    Praktische Arbeit für den Einzelnen interessierte Ingeborg Friebe stets mehr als abstrakte politische Gedankenspiele. Im Petitionsausschuß engagierte sie sich gegen die Entmündigung von Kranken, im Gesundheitsausschuß kämpfte sie für die Auflösung der überdimensionierten und entpersönlichten Psychiatrien. Als Anke Brunn 1978 nach Berlin "entsandt" wurde, wählte die Fraktion Ingeborg Friebe in ihren Vorstand, da war der Grundstein für die Parlamentskarriere gelegt. Die Männer der SPD verschreckte sie nie durch emanzipatorische Ansprüche, dem Quotenbeschluß ihrer Partei stimmte sie ohne innere Überzeugung zu, mehr aus "Solidarität mit den Frauen insgesamt". Schließlich war sie die erste Frau an der Spitze eines SPD-Unterbezirks und hatte sich auch bei ihrer ersten Landtagskandidatur gegen drei männliche Mitbewerber durchgesetzt — ohne Quotenbeschluß.
    1985 wurde Ingeborg Friebe Vizepräsidentin des Landtags und 1990 schließlich Nachfolger von Karl Josef Denzer. Die neue Präsidentin zeigte Sinn für Kunst und Historie. Nach gründlicher Auseinandersetzung mit dem Künstler ließ sie Günther Uecker ein riesiges Nagel-Relief vor dem Eingang des Plenarsaals installieren. Der neue Landtag wurde mehrfach Tribüne für außergewöhnliche Theaterstücke und Performances. Die alljährliche Veranstaltung "Kinder im Parlament" geht ebenso auf ihre Initiative zurück wie die eindringliche Gedenkveranstaltung angesichts der Befreiung des KZ von Auschwitz vor 50 Jahren.
    Ingeborg Friebe macht das Amt Spaß. Gerne empfängt sie ausländische Gäste und repräsentiert nicht ohne Stolz "ihr" Nordrhein-Westfalen in seiner ganzen Vielfalt. Den Parlamentsablauf versuchte sie stets sachgerecht und unabhängig zu managen, pochte im Ältestenrat unerbittlich auf ihre Kompetenz. Manch hitzige Debatte konnte sie in ihrer ruhigen und sachlichen Art abkühlen. Brücken zu bauen, darin sieht sie eine wichtige Aufgabe ihres Amts. Vorwürfe, sie würde etwa in "Aktuellen Stunden" die SPD bevorzugen, kränken sie.
    Nächstes Jahr wird Ingeborg Friebe 65. Nach 20 Jahren Landtagsarbeit möchte sie nun das Parlament verlassen. Mit großer Befriedigung registriert sie, daß der alte Landtag nun doch im Besitz des Landes bleiben soll, auch wenn sich ihre Vision von einem "Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalens" wegen der knappen Haushaltsmittel nicht erfüllen dürfte.
    Der endgültige Abschied von der Politik steht allerdings noch aus, Bürgermeisterin von Monheim möchte sie noch einige Jahre bleiben. Doch freut sie sich, künftig auch mehr und mehr private Wünsche realisieren zu können. Vor allem möchte sie reisen, nach Kanada und mit dem Schiff zum Nordpol. In der Wandelhalle des Landtags wird sie indes demnächst als erste Frau in der Präsidenten-Galerie verewigt werden. Als kämpferische Parlamentarierin mit Herz hat sie ein Stück Landtagsgeschichte mitgeschrieben.

    (In der Papierausgabe des Heftes findet sich dieser Artikel auf S. 31)

    ID: LI950892

  • Porträt der Woche: Klaus-Dieter Völker (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 7 - 04.04.1995

    Als gelernter Seidenweber begann Klaus- Dieter Völker seine politische Karriere, als Prokunst einer Bank wird der 57 jährige sie spätestens nach Ablauf der nächsten Legislaturperiode beenden. Dazwischen liegen bewegte Jahre, beruflich und politisch.
    Über die Jugenddorf-Bewegung kam Völker zur CDU, für einen Betriebsratsvorsitzenden war das Mitte der sechziger Jahre längst keine Selbstverständlichkeit.
    Noch im selben Jahr, nämlich 1964, rückte er für die Partei in den Stadtrat von Haan ein. Zur großen Überraschung hatte Völker gleich beim ersten Anlauf den SPD-Altbürgermeister in dessen Wahlkreis geschlagen. Dieser Mann war auch Völkers Vorgänger als Betriebsratsvorsitzender gewesen.
    Bei der Landtagswahl 1970 sprang Völker für einen anderen ein, der aus beruflichen Gründen passen mußte. Für die Partei war das ein Glücksfall, denn der "Neue" holte den bis dahin sicheren SPD-Wahlkreis. 1975 gelang ihm das noch einmal.
    Daß er sich in seiner ersten Legislaturperiode den Bereichen Arbeit und Soziales widmete, neben der Innenpolitik, lag aufgrund seiner Biographie nahe. Ab 1975 kümmerte er sich dann hauptsächlich um die Verwaltungsreform und den Städtebau. 1977 geriet die Textilfirma, in der Völker seit 25 Jahren beschäftigt war, ins Trudeln. Schließlich mußte sie Konkurs anmelden. Im Gläubigerausschuß traf der Betriebsratsvorsitzende Klaus-Dieter Völker seinen heutigen Chef — der war damals Vertreter der Gläubigerbank.
    Banken hatte Völker bis dahin nur als Kunde erlebt. Zwar hatte er sich wegen der schlechten Zukunftsperspektive der Textilindustrie schon darauf eingestellt, einen anderen Job suchen zu müssen. Doch daß er, mit Volksschulabschluß und einer Weiterbildung zum REFA-Fachmann einmal bei einer Bank arbeiten würde, daran hatte er nicht im Traum gedacht.
    Nach einer Trainee-Ausbildung bei der Deutschen Bank wurde er in der Wuppertaler Filiale verantwortlich für das Firmenkundengeschäft. Schwerpunkte sind dort nach wie vor die Sanierung und Abwicklung von Unternehmen. Und da kann Völker immer noch auf seine Erfahrungen als Arbeitnehmervertreter zurückgreifen, etwa wenn es um die Ausarbeitung von Sozialplänen geht. In diese Phase der beruflichen Neuorientierung fiel dann ein erster Rückschlag seiner politischen Karriere. 1980 verlor er seinen Wahlkreis knapp an die SPD. Da war es erst einmal vorbei mit der Arbeit in Düsseldorf. Denn auf der Landesliste war Völker nicht abgesichert. Ähnlich erging es ihm fünf Jahre später.
    In dieser "landtagslosen" Zeit konnte er sich dann noch stärker mit der Kommunalpolitik befassen. Schließlich ist er seit 1973 unter anderem Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Kreistag von Mettmann.
    1990 gelang ihm dann über die Landesliste wieder der Sprung ins Landesparlament. Doch es hätte sich viel geändert in der Zwischenzeit, meint Völker rückblickend. Mit dem Umzug in das neue Parlamentsgebäude seien die Arbeitsbedingungen der Abgeordneten zwar deutlich besser geworden, nicht aber das politische Klima.
    Der Plenarsaal zum Beispiel trage nicht wie im alten Landtag zur Nähe bei. Im Gegenteil sei es trostlos für Redner, wenn der Saal, wie viel zu oft, mehr als halbleer sei. Bei seinem Neuanfang in Düsseldorf hätte sich Völker gern hauptsächlich mit der Haushalts- und Finanzpolitik beschäftigt, die Planungen seiner Fraktion sahen jedoch anders aus.
    Und so blieb der Mann aus Haan bei den Themen Städtebau und Verwaltungsreform. Dafür schickte ihn seine Fraktion ins Landtagspräsidium. Doch da hatte sich Klaus- Dieter Völker etwas mehr Ein flußmöglichkeiten erwartet. Grundsätzlich sollten Dinge, die die Abgeordneten betreffen, Sache des Präsidiums sein, meint Völker. Bis jetzt habe dieses Gremium keine wirklich politischen Rechte — und das sei wohl auch so gewollt. Ideen, was man ändern könnte, hat Völker schon. So stellt er sich viel häufiger Debatten über wirklich landespolitische Themen vor — anders als bislang, wo für ihn hauptsächlich Kommunal- und Bundespolitik die Diskussionen bestimmen.
    Die Debatten müßten straffer geführt werden, und die Disziplin der Abgeordneten müsse steigen. Um die Anwesenheit seiner Kolleginnen und Kollegen zu gewährleisten, will Klaus-Dieter Völker ihnen auch ans Portemonnaie gehen. Nur erhebliche finanzielle Einbußen würden die Abgeordneten wieder ins Plenum zurückholen, meint er. Und das sei dringend notwendig. Denn er habe immer wieder "Manschetten", wenn er eine Besuchergruppe einlade und befürchten müsse, daß die meisten Abgeordneten an Sitzungstagen irgendwo seien, nur nicht im Plenarsaal. Und das sei dann den Besuchern und Wählern kaum zu vermitteln. Die Partei- und Politikverdrossenheit würde so weiter zunehmen.
    Ähnliche Auswirkungen sieht er auch bei der neuen Kommunalverfassung. Mit der Abschaffung der Doppelspitze und der Direktwahl hätten sich die Parteien ein Stückweit selbst aufgegeben und Populisten das Feld überlassen. Er habe Angst, daß bald der Karnevalsprinz eher Bürgermeister werden könne als eine qualifizierte Kraft.
    Ralf Kapschack

    ID: LI950743

  • Porträt der Woche: Werner Stump (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 28.03.1995

    In seiner Jugend hat Werner Stump Leistungssport betrieben, genau gesagt Leichtathletik — und da die Kurzstrecken 100 und 200 Meter. Sprinterqualitäten kamen ihm jetzt auch zugute: Denn wenn es nach seinen Parteifreunden im Erftkreis gegangen wäre, dann wäre er bei der Nominierung für die Landesreserveliste weit hinten gelandet. Sie hatten, in einer Nacht- und Nebel-Aktion, wie Werner Stump meint, einen nahezu unbekannten Gegenkandidaten für einen der vorderen Listenplätze aufgestellt, und diesem Vorschlag war der Landesvorstand gefolgt. Doch auf dem CDU-Parteitag setzte sich Stump dann durch. Es ist seine dritte Kandidatur für das Landesparlament.
    Mit 20 trat der gebürtige Recklinghäuser in die Junge Union ein. Nach dem Umzug ins Rheinland, nach Lövenich, gründete er dort die Ortsgruppe der CDU-Nachwuchsorganisation und wurde Kreisvorsitzender. Mit 25 zog er als jüngstes Ratsmitglied der Christdemokraten in den Gemeinderat ein. "Den Jungen müssen wir an die Arbeit kriegen" hätten sich die "alten Herren der örtlichen CDU" damals wohl gedacht, erzählt Werner Stump. Und so machten sie ihn gleich zum Fraktionsgeschäftsführer.
    1972 wollte Werner Stump eigentlich mit der aktiven Politik aufhören, denn der Beruf ließ ihm kaum Zeit dazu. Aus beruflichen Gründen war er inzwischen nach Bergheim umgezogen.
    Dann besuchte er aber irgendwann eine Versammlung der Kerpener CDU und diskutierte eifrig mit. Der damalige Parteivorsitzende fragte Stump bald danach, ob er nicht sein Nachfolger werden wolle. Und er — der nach eigenen Worten immer nach Verantwortung gestrebt hat — ließ sich überreden. Drei Jahre später wurde er Ratsmitglied in Kerpen, Fraktionsvorsitzender und schließlich Bürgermeister.
    Gern wäre er auch Landrat geworden. Aber dem Spitzenkandidaten der CDU im Erftkreis bei den Kommunalwahlen im vergangenen Oktober ging es wie Parteifreunden in anderen Städten und Kreisen. Die F.D.P. verabschiedete sich aus dem Kreistag, damit fiel der "natürliche " Koalitionspartner weg. Auch eine schwarzgrüne Zusammenarbeit hätte sich Stump vorstellen können, doch dazu reichte das Wahlergebnis ebenfalls nicht.
    Dafür wurde er Ortsvorsteher in Kerpen-Sindorf, da, wo er seinen Kommunalwahlkreis immer direkt gewonnen hat. Diese Entscheidung sei im Familienrat einstimmig gefallen, meint der zweifache Vater. Und er versteht diese zusätzliche Funktion als Zeichen an die Bürger und an seine Parteifreunde, daß er nicht "abgehoben" ist.
    Der Kommunalpolitik hat lange die politische Arbeit von Werner Stump dominiert. Deshalb war es kein Wunder, daß er auch in der kommunalpolitischen Vereinigung der CDU aufstieg. Zusammen mit dem früheren Münsteraner Oberbürgermeister Twenhöven stellte er den finanziell und organisatorisch arg gebeutelten Landesverband der Organisation wieder auf die Beine, anschließend wurde er Mitglied im Bundesvorstand der christdemokratischen Kommunalpolitiker.
    Doch als die CDU im Erftkreis den Beschluß faßte, niemand dürfe mehr als drei Parteifunktionen innehaben, da war es für ihn klar, die Funktionen vor Ort denen auf Landes- und Bundesebene vorzuziehen.
    Trotz des intensiven Engagements in der Politik wollte der Regierungs-Oberamtsrat beim Bundesamt für Verfassungsschutz nach eigenen Worten nie ein "Politprofi" werden. Und als 1985 ein Kandidat für den Landtag gesucht wurde, stellte sich Werner Stump zwar zur Verfügung — aber nicht weil er nach Düsseldorf wollte. Er wollte lieber Landrat werden und so den Landtagswahlkampf nutzen, um seine Bekanntheit zu steigern.
    Der Landtagswahlkreis ging dann auch erwartungsgemäß an die Sozialdemokraten. Und daß er mit einem relativ schlechten Platz auf der Landesliste ins Parlament gerutscht war, erfuhr er eher zufällig am Wahlabend durch den WDR. In der CDU-Fraktion wurde er gleich Kommunalpolitischer Sprecher, nach der Wahl vor fünf Jahren übernahm er dann den Umweltausschuß. Und da ist er maßgeblich an einer Entscheidung beteiligt, die SPD-Fraktionschef Friedhelm Farthmann als die schwierigste und bedeutendste der Legislaturperiode bezeichnet hat: Die Entscheidung über den Braunkohleabbau Garzweiler II.
    Ausgerechnet an seinem 51. Geburtstag, kurz vor Weihnachten, leitete Werner Stump die abschließenden Beratungen des Arbeitskreises Garzweiler II des Braunkohleausschusses, dessen Vorsitzender er ebenfalls ist.
    Das positive Votum für den weiteren Abbau im Bereich Garzweiler hält Stump für gerechtfertigt, trotz der erheblichen Konsequenzen für die dort lebenden Menschen und für die Natur. Man habe einen tragfähigen Kompromiß gefunden, sagt er. Schließlich könne Nordrhein-Westfalen auf den Energieträger Braunkohle nicht verzichten. Außerdem sei das RWE gezwungen worden, Kraftwerke mit einem Milliardenaufwand umzurüsten, um sie effektiver und damit umweltfreundlicher zu machen. Das sei auch industriepolitisch ein ganz wichtiger Aspekt, denn die neue Technik lasse sich exportieren und sichere so zusätzliche Arbeitsplätze.
    Die Argumente seines Fraktionschefs Helmut Linssen, dem die Pläne des RWE nicht weit genug gingen, haben Werner Stump nicht überzeugt — aber Krach habe es deswegen nicht gegeben,sagt er.
    Auf seinem Schreibtisch liegen nebeneinander ein Brikett mit der Aufschrift "Ja zur Braunkohle" und ein Glas mit Grundwasser aus dem geplanten Abbaugebiet, das ihm Umweltschützer gegeben haben. Ein Hinweis darauf, daß ihn dieses Thema noch lange beschäftigen wird. Und räumen muß er den Schreibtisch ja nicht, wie gesagt, nicht zuletzt wegen der Sprinterqualitäten.
    Ralf Kapschack

    ID: LI950652

  • Porträt der Woche: Bärbel Höhn (GRÜNE).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 14.03.1995

    Links denken und als "Reala" handeln, diesen Spagat vollzieht Bärbel Höhn seit ihrem Einzug in den Landtag 1990. Die Fraktionssprecherin gehört parteiintern dem "Linken Forum" an, hat aber mit Fundamentalisten und deren konsequenter Ablehnung von Regierungsbeteiligung nichts am Hut. Im Gegenteil: Die rot-grüne Koalition nach der Landtagswahl ist ihr erklärtes Ziel. "Linkssein" ist für Bärbel Höhn heute wichtiger denn je. Es bedeute ein deutliches Bekenntnis gegen die aggressiver werdende Ellbogengesellschaft.
    Ihre politischen Wurzeln sieht die Abgeordnete in den 68er Studentenprotesten. Zu deren Hochzeit drückte sie zwar noch in einem beschaulichen Städtchen Schleswig- Holsteins die Schulbank. Doch mit dem Mathematik- und Volkswirtschaftsstudium in Kiel ging es dann ab 1971 richtig los: Teilnahme an Demos gegen den Vietnamkrieg, gegen die Erhöhung der Straßenbahntarife und später dann gegen das AKW in Brokdori. Zu den organisierten linken Studentengruppen hielt Bärbel Höhn wegen deren Intoleranz indes Abstand, trotz programmatischer Sympathie. Auch die endlosen Theoriedebatten unter den Linken hatten Höhn zumeist gelangweilt, stattdessen setzte sie stets auf konkrete Projektarbeit. Daß sie als Oberhausener Stadträtin mit einer Bürgerinitiative gegen die Stadt den Bau eines Kindergartens erzwang, verbucht sie bis heute als einen wichtigen politischen wie persönlichen Erfolg.
    Nach Nordrhein-Westfalen kam die gebürtige Flensburgerin 1978. Als Diplom-Mathematikerin arbeitete sie im Rechenzentrum der Gesamthochschule Duisburg. 1984 kam sie über die Wählergemeinschaft Bunte Liste in den Oberhausener Stadtrat und wurde nach der Aufstellung als Direktkandidatin für die Landtagswahl 1985 Mitglied der Grünen. Der Wohnort in der Nähe einer Kokerei, die Erkrankung eines ihrer beiden Kinder beim Umzug ins Ruhrgebiet, das alles führte zu wachsendem Engagement gegen Schadstoffemissionen jeglicher Art. In der Partei profilierte sich Bärbel Höhn vor allem durch die Organisation von Widerstand gegen Müllverbrennungsanlagen. Als dann die Abfallpolitik 1990 zentrales Wahlkampfthema der Grünen wurde, wählte die Partei Bärbel Höhn zur Spitzenkandidatin. Am liebsten wäre sie mit einer reinen Frauen-Crew in den Landtag eingezogen, doch da machte die Parteibasis nicht mit. Kaum Probleme gab es hingegen nach dem knappen überspringen der Fünf-Prozent- Hürde bei der Wahl zur Fraktionssprecherin. Zu ihrem eigenen Bedauern gelangte sie aus fraktionsinternen Gründen nicht in den Umweltausschuß, der für "ihr Thema", die Müllverbrennung, fachlich zuständig ist. Gleichwohl ergreift sie zu dem Thema im Plenum gerne das Wort und liefert sich insbesondere mit Umweltminister Matthiesen erbitterte Wortgefechte. Der ist für die Abgeordnete ein "rotes Tuch", an dem man sich "abarbeiten" müsse. Ihre Ablehnung der Müllverbrennung vertritt sie kompromißloser als mancher Fraktionskollege vom "Realo-Flügel". Insbesondere zum grünen "Medien-Star" Michael Vesper steht Bärbel Höhn in einem latenten fraktionsinternen Konkurrenzverhältnis. "Wir fühlen uns wie ein altes Ehepaar", sagt die Abgeordnete augenzwinkernd. "Wir schätzen uns, aber wir lieben uns nicht." Gleichwohl kritisiert sie unverhohlen, daß Vesper manchmal "zu sehr an seine Person" denke, während sie sich selbst mehr "der Gruppe verpflichtet" fühle.
    Jenseits der Umweltpolitik interessiert sich die Abgeordnete am meisten für Entwicklungspolitik. "Global denken, lokal handeln", unter dieser Devise will sie die Weltprobleme auch zur Sache von Landespolitik machen. Nicht ohne Stolz erinnert sie daran, daß auf ihre Initiative im Hauptausschuß hin SPD-Landesregierung und SPD-Fraktion 1,5 Millionen Mark für vergewaltigte Frauen im ehemaligen Jugoslawien bereitgestellt hätten.
    Nach fünf Jahren Parlamentserfahrung glaubt Bärbel Höhn allmählich die Spielregeln zu kennen. Anfangs, so gesteht sie freimütig ein, sei sie unsicher gewesen, ob sie denn die Spitzenposition in der Fraktion überhaupt ausfüllen könne. Wegen mangelnder Erfahrung fühlte sie sich den "Altprofis" der anderen Parteien oft unterlegen. Als Fraktionssprecherin sah sie sich häufig zu Antworten auf nahezu alle Debattenthemen gedrängt, und dabei zwangsläufig produzierte "Sprechblasen" liefen ihrem Anspruch auf Debattenniveau zuwider. Doch das Ausreizen der eigenen Grenzen war für Bärbel Höhn stets eine treibende Kraft. Auch das "äußerst schwere Mathe-Studium" habe sie seiner Zeit nicht zuletzt gerade begonnen, "weil es so schwer war".
    Heute sind die Anlaufprobleme überwunden. Bärbel Höhn hat sich manchem Parlamentsritual unterworfen und wird trotz aller leidenschaftlichen und demonstrativen Widerspenstigkeit zunehmend auch von den anderen Parteien anerkannt. An ihrem Mandat reizt sie die Verknüpfung von politischer Arbeit im Parlament und dem Gespräch mit Bürgern und Bürgerinitiativen vor Ort. Am liebsten würde sie natürlich Umweltministerin werden. Doch, hier ganz als "Reala" denkend, fügt sie hinzu: "Es gibt auch andere wichtige Positionen."
    Richard Hofer

    ID: LI950564

  • Porträt der Woche: Hermann Kampmann (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 21.02.1995

    In die IG Metall ist er mit 15 eingetreten, am selben Tag als er seine Lehre als Feinblechner in einer Lampenfabrik in Neheim begann. Man muß sich engagieren, vor allem als Arbeitnehmer, um seine Rechte und Interessen durchzusetzen, das war für Hermann Kampmann schon in frühen Jahren klar. Er wurde rasch in die Betriebsjugendvertretung gewählt und besuchte gewerkschaftliche Schulungskurse. Doch was gemeinhin als Beginn einer klassisch sozialdemokratischen Karriere gilt, bei Kampmann nahm es einen anderen Lauf: In seiner Heimatstadt Neheim war er in der Katholischen Jugendbewegung und der Kolping-Familie aktiv. Und so lernte er während seiner Ausbildung die katholische Soziallehre kennen, die, wie er sagt, ihn bis heute fasziniert und seinen weiteren Lebensweg entscheidend geprägt hat. Beruflich qualifizierte er sich weiter, wurde Angestellter, bis er sich 1964 als Bezirkssekretär ganz der Katholischen Arbeitnehmerbewegung verschreibt. Für die neue Stelle mußte er allerdings nach Hamm umziehen, was dem bodenständigen Sauerländer gar nicht leichtfiel.
    Seit zwei Jahren war er da mittlerweile in der CDU, und deshalb fand er auch am neuen Wohnort schnell Anknüpfungspunkte für sein politisches Engagement. Zunächst als Bürgervertreter in verschiedenen Ausschüssen, dann mischte er als Ratsmitglied in der Hammer Kommunalpolitik mit.
    1985 wurde er Diözesansekretär im Erzbistum Paderborn. Damit sei er, der nie eine höhere Schule, erst recht keine Universität besucht habe, Ansprechpartner für 40 000 Mitglieder der KAB in rund 350 Vereinen, erzählt Hermann Kampmann stolz.
    Über die berufliche Tätigkeit im sogenannten "vorparlamentarischen Raum", in Vereinen und Verbänden, habe er gelernt, dessen Bedeutung für politische Entwicklungen, Diskussionen und Entscheidungsprozesse nicht eben niedrig zu bewerten. "Derjenige, der einen Ordnungsbeitrag leistet in unserem Gemeinwesen, ist Politiker im wahrsten Sinne des Wortes", zitiert er Thomas von Aquin. Und das seien beileibe nicht nur die Parteien, deren oft zu hörender Alleinvertretungsanspruch Hermann Kampmann ohnehin nicht behagt.
    Nicht zuletzt, weil er zu wenige Arbeiter im Parlament vertreten und damit ihre Interessen unterrepräsentiert sah, ließ sich Kampmann 1985 über die Landesreserveliste in den Landtag wählen.
    Dort beschäftigt er sich allerdings nicht, wie man hätte vermuten können, hauptsächlich mit den Bereichen Arbeit und Soziales. Im Gegenteil, um nicht "farbenblind" zu werden, wurde er, der ausgewiesene Sozialexperte, Mitglied im Verkehrs-, Petitionsausschuß und im Ausschuß für Grubensicherheit.
    Der Verkehrsausschuß sei naheliegend gewesen, sagt er, schließlich sei Hamm mit dem Datteln-Hamm-Kanal, der guten Autobahnanbindung und dem ehemals größten "Verschiebebahnhof" Europas ein Verkehrsknotenpunkt par excellence. Damit das so bleibe, habe er sich gemeinsam mit seinem Kollegen Manfred Hemmer von der SPD auch erfolgreich dafür eingesetzt, daß nach der Wiedervereinigung die erste Intercity-Strecke nach Ostdeutschland einen Haltepunkt in Hamm bekommen habe.
    Der Petitionsausschuß sei so etwas wie ein "Supersozialausschuß". Für ihn, der immer großes Interesse an Alltagsproblemen gehabt habe, sei es besonders spannend, ein Spektrum zu bearbeiten, das vom Bauen im Außenbereich bis zur Asylproblematik reiche. Schließlich könne man hier als Politiker oft konkret etwas für den einzelnen Bürger bewirken. Immerhin würden 25 Prozent der Petitionen positiv, also im Sinne der Antragsteller, entschieden. Nach dem Tod von Heinrich Dreyer wurde Hermann Kampmann dann allerdings doch ordentliches Mitglied im Ausschuß für Arbeit und Soziales.
    Und das ist trotz aller Ausflüge, z. B. in die Verkehrspolitik, natürlich nach wie vor "sein" Metier. Seit dem vorigen Jahr ist Hermann Kampmann im Landesvorstand der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Als Chef der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Arbeitnehmerorganisationen in Nordrhein-Westfalen ist er z.B. für die Vertretung dieser Organisationen in den Gremien der Selbstverwaltung, etwa bei der AOK oder der Landesversicherungsanstalt verantwortlich. Dort sammelt Hermann Kampmann ständig aufs neue Erfahrungen über die "normalen" Probleme der Arbeitnehmer. Und da "der Arbeiter seine Interessen artikulieren muß, um mitmischen zu können", hält er immer noch sonntags Kurse im Joseph-Joos- Haus am Möhnesee, der Heimvolkshochschule der KAB.
    Daß er 1995 wieder antreten würde, wenn die Sitze im Landtag vergeben werden, stand für ihn außer Frage. Aber die Nominierung durch seine Parteifreunde mit mehr als 98 Prozent der Stimmen ist für Hermann Kampmann ein schon fast "unanständiges" Ergebnis.
    Ralf Kapschack

    ID: LI950447

  • Porträt der Woche: Winfried Schittges (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 3 - 14.02.1995

    Wenn Winfried Schittges von einer Sache überzeugt ist, so ficht er engagiert wie temperamentvoll für ihre Durchsetzung — auch wenn er nicht immer den ungeteilten Beifall seiner Parteifreunde findet, wie beispielsweise bei der rigorosen "Kappung" der nordrhein-westfälischen Mittelbehörden mit ihren fast 25 000 Mitarbeitern. "Sie sind nicht mehr finanzierbar, durchschaubar und teilweise unnötig." An die Stelle der Regierungspräsidien, Landschaftsverbände und anderer Einrichtungen sollten einige wenige Regionalbehörden treten. Keine Existenzberechtigung hätten nach seiner Einschätzung auch die Staatshochbauämter.
    Auch in anderen Bereichen der Landesverwaltung müßten die "großen Wasserköpfe" verschwinden, fordert der gebürtige Krefelder. Der Landesregierung traut der Christdemokrat eine umfassende Verwaltungsreform, einen "schlanken Staat", allerdings nicht zu. "Was bisher geschehen ist, war Stückwerk." Ähnlich verhalte sie sich nach seinen Worten bei der Privatisierung von Landesbeteiligungen. "Es bleibt bei Ankündigungen." Andere Bundesländer, wie beispielsweise Bayern und Rheinland-Pfalz, hätten durch konsequente Privatisierungsprogramme ihre Finanzlage aufgebessert oder mit den Mitteln Zukunftsprojekte gefördert.
    Hartnäckig tritt das Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses daher beispielsweise für eine Reduzierung des Landesanteils an der Westdeutschen Landesbank auf 25,1 Prozent ein und hält den "horrenden" Forst- und Waldbesitz des Landes für überflüssig. Natürlich seien Privatisierungen keine "Zauberformel" für eine Gesundung der Landesfinanzen, aber ein Beitrag, die Verschuldung zu zügeln.
    Der Diplom-Betriebswirt, Jahrgang 1946, absolvierte zunächst die Lehre als Industriekaufmann und studierte dann über den zweiten Bildungsweg Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Mönchengladbach. Daran schloß sich ein Studium der Rechtswissenschaften in Bonn an. Während dieser Zeit unterrichtete Winfried Schittges auch an der Krefelder Berufsschule in den Fächern Betriebswirtschaftslehre und Politikwissenschaften. Nach Abschluß des Studiums war die Westdeutsche Landesbank seine Berufsstation, wo er in den verschiedensten Bereichen, so auch in der Luxemburger Vertretung, tätig war. Gut zehn Jahre später machte sich der Krefelder als beratender Betriebswirt selbständig.
    Der CDU trat der Niederrheiner bereits 1969 bei und engagierte sich zunächst in der Jungen Union, deren Kreisvorsitzender er zeitweise war. Inzwischen ist der Christdemokrat seit fast zehn Jahren Vorsitzender der Krefelder CDU und seit sechs Jahren Vizechef des niederrheinischen Bezirksverbandes. Dem Rat seiner Heimatstadt gehört Winfried Schittges seit 1975 an, wo er sich mit Schwerpunkt Sozialpolitik besonders um die sogenannten "Randgruppen" der Gesellschaft kümmert. Die Spielnachmittage für Kinder beispielsweise haben in Krefeld schon jahrzehntelange Tradition. In der Landschaftsversammlung Rheinland ist er stellvertretender Vorsitzender und finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion.
    Engagierte Partei- und Kommunalarbeit hatten fast "zwangsläufig" zur Folge, daß die örtlichen Parteigremien den Krefelder vor der letzten Landtagswahl 1990 für einen Listenplatz vorschlugen. Er selbst hielt diese Verknüpfung zwischen kommunal- und landespolitischem Wirken für sehr sinnvoll und sieht sich heute im Düsseldorfer Abgeordneten-Alltag in seiner Einschätzung bestätigt.
    Neben Beruf und Politik nimmt der Sport noch eine große Rolle in seinem Leben ein. Seit zehn Jahren Vorsitzender der "DJK Rheintreu Bockum", die während seiner Amtszeit den Aufstieg bis in die zweite TT- Bundesliga schaffte, spielt Winfrid Schittges noch immer aktiv mit — allerdings in der Kreisliga-Abteilung. Und bei heimischen Spielen von Fußball-Bundesligist Bayer Uerdingen und dem Krefelder Eishockey-Verein ist der Vorsitzende des Sportausschusses des Rates seiner Heimatstadt meistens interessierter Zuschauer.
    Jochen Jurettko

    ID: LI950363

  • Porträt der Woche: Dr. Achim Rohde (F.D.P.)
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 2 - 31.01.1995

    Beinahe hätte er nach der Niederlage seines Freundes Jürgen Möllemann auf dem jüngsten F.D.P.-Landesparteitag die Brocken hingeworfen. Doch nach dem Liebeswerben des neuen Vorstands wollte er die niedergedrückte Partei dann doch nicht im Stich lassen. Und weil für Achim Rohde das Abenteuer stets wesentliche Triebfeder für sein politisches Engagement war, will er es letzt noch einmal wissen und die Liberalen auch nach dem 14. Mai in den Landtag führen.
    Im Düsseldorfer Parlament begann vor knapp 30 Jahren Rohdes politische Karriere, die viele Wellentäler durchlebte. Gezielte Karriereplanung war dem Liberalen stets fremd, insofern sieht er auch politische Rückschläge gelassen. Das Jurastudium in Bonn und München zielte erst einmal auf eine freiberufliche Tätigkeit. Doch 1966 stieg der Verwaltungsjurist in die Ministerialbürokratie ein, zunächst als Referent der Landesminister Kienbaum und Kohlhase. 1968 holte ihn Walter Scheel als "Persönlichen" und Redenschreiber nach Bonn, ihn begleitete Rohde ein Jahr später auch ins Auswärtige Amt. Die sozialliberale Ostpolitik ist für Rohde bis heute ein politischer Meilenstein, auch ein Schlüssel für den Zusammenbruch des Kommunismus und die deutsche Wiedervereinigung. Damals, so gerät Rohde heute in fast nostalgisches Schwärmen, hätte die F.D.P. ein klares Profil gehabt und auch den Anspruch auf Moral in der Politik eingelöst.
    Doch der politische Mittelpunkt war für den gebürtigen Düsseldorfer schnell wieder die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt: 1970 wurde Rohde Kabinettsreferent und später Gruppenleiter im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium, als Horst-Ludwig Riemers Chefdenker und Intimus — eine makellose Polit- Bürokratenkarriere: In neun Jahren vom Assessor zum Ministerialdirigenten. Rohdes Managementqualitäten wurden parteiübergreifend anerkannt. Und so stand 1975 auch bei der Berufung zum Düsseldorfer Regierungspräsidenten nichts im Wege. Diesen Posten nahm der FDP.-Mann selbstbewußt wahr und verärgerte damit bald die SPD. Er sorgte für einen Bezirksplanungsrat aus CDU und F.D.P., kurbelte eine eigene regionale Wirtschaftsförderung an, unterzeichnete private Umweltschutzverträge und kritisierte deutlich und öffentlich die schleppende Umweltpolitik der SPD-Landesregierung Anfang der 80er Jahre. Offensiv verteidigte er die Wende der Bonner Parteifreunde hin zur CDU. 1983 kam es dann zum Eklat: Innenminister Schnoor entließ Rohde aus dem Amt des Regierungspräsidenten wegen "fehlender Vertrauensbasis".
    Überdies war Rohde wegen einer umstrittenen Nebentätigkeit in die Schlagzeilen geraten, das politische Aus schien besiegelt. Doch als privater Unternehmensberater arbeitete der passionierte Politiker gerade einmal zwei Jahre. Aus einem plötzlichen Gefühl heraus stimmte er einer Kandidatur zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 1985 zu, arbeitete als Nachfolger von Jürgen Möllemann an einem markanten Profil der Landes-F.D.P. und hatte Erfolg: Die F.D.P. zog nach fünfjähriger Abstinenz wieder in den Landtag ein, Rohde wurde Fraktionsvorsitzender und geißelt seitdem mit scharfen Worten Schuldenpolitik, Filz und Bürokratie der Sozialdemokraten. Doch Opposition um ihrer selbst willen war Rohdes Sache nie. Bei dem Versuch der CDU etwa, Ministerpräsident Johannes Rau in Kungeleien mit dem einstigen SED-Regime zu verwickeln, stellte er sich demonstrativ an die Seite des sozialdemokratischen Regierungschefs. Und öffentlich plädierte Rohde auch für die Wahl Raus zum Bundespräsidenten, freilich nicht ganz ohne strategischen Hintergedanken: Ein Weggang des Wahlmagneten Rau nach Berlin hätte die Chancen auf eine sozialliberale Regierung in Düsseldorf zweifellos erhöht. Gleichwohl ist laut Rohde "ein Neuanfang in NRW nur mit der CDU möglich", auch wenn er Teile der CDU gerne als "katholische SPD" abkanzelt.
    Achim Rohde sieht sich als Liberal-Konservativer, wenngleich er Ende der 60er Jahre an der sozial-liberalen Wende in Land und Bund mitwirkte. Seine immerwährende Forderung nach Entbürokratisierung schließt auch eine radikale Parlamentsreform ein: Maximal 100 Landtagsabgeordnete, Schluß mit den "endlosen Plenardebatten voller Langeweile und Geschwafel", Konzentration auf politische Expertenrunden.
    Prinzipiell kritisiert Rohde die Kurzatmigkeit der Tagespolitik, auch in der eigenen Partei. Allzu selten würden klare Ziele formuliert und nach den nationalen Interessen gefragt. Die wichtigste aktuelle Aufgabe sieht der passionierte Leser von Science-fiction-Büchern in der Vorbereitung auf die Zukunft: Weg von der Subvention alter Industrien, hin zu Investitionen in Forschung, Technologie und Bildung. Dies sei im Hinblick auf künftige Generationen geradezu ein moralisches Gebot der Stunde. Nach zehn Jahren als F.D.P.-Fraktionschef würde Rohde gerne auch mal wieder den Job wechseln. Da könnte er sich natürlich gut einen Ministerposten vorstellen, denn als reiner Parlamentarier würde er ja vor allem "Worte dreschen", als Minister könne er gestalten.
    Den Rutsch unter die Fünfprozenthürde empfände der Liberale natürlich als "Katastrophe für NRW". Doch selbst könnte sich der 58jährige nach beinahe 30 Jahren aktiver Politik auch attraktive politikferne Aktivitäten vorstellen: Bücher schreiben, als Unternehmensberater arbeiten, Filme drehen, zum Mond fliegen. Auf seine Kosten käme der Abenteurer Rohde sicherlich auch außerhalb des Düsseldorfer Parlaments.
    Richard Hofer

    ID: LI950274

  • Porträt der Woche: Annelie Kever-Henseler (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 1 - 17.01.1995

    "Ich wäre unglücklich, wenn ich ausschließlich Landtagsabgeordnete wäre. Ich brauche die Praxis." Und die hat Annelie Kever-Henseler im sozialen Bereich gefunden, der ihr seit Jahren sehr am Herzen liegt. So ist die gelernte Wissenschaftliche Mitarbeiterin in ihrer Heimatstadt Köln nicht nur Vorsitzende der Drogenhilfe mit 60 hauptamtlichen Mitarbeitern, sondern auch Vorsitzende der Jugendkunstschule Köln-Rodenkirchen. "Eine Einrichtung, die bei der Bekämpfung von Gewaltproblemen bei Jugendlichen eine große Rolle spielt." Den Jugendlichen wird hier versucht, etwas Sinnvolles an die Hand zu geben. Besonders stolz ist die 47jährige auf ihren Arbeitskreis Rheinstraße" in der Domstadt. Mit ihm wurde 1989/90 ein sozialer Brennpunkt mit alten "Laubengang-Häusern" nach jahrelanger Vorarbeit auf gelungene Weise saniert, wie ihr Experten bescheinigen.
    Und noch einen anderen Erfolg kann sich Annelie Kever-Henseler auf die Fahne schreiben: Die zwei Millionen Mark Unterstützung, die vom Land in ihren Wahlkreis im Kölner Süden flössen, um den Hochwasser-Opfern von Weihnachten 1993 zu helfen. "In erster Linie ging das Geld an Leute mit kleinen Gehältern, an Rentner und Kinderreiche", freut sie sich auch heute noch. Einen weiteren Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit sieht Annelie Kever-Henseler, die 1972 in die SPD eintrat und seit 1990 im Landtag ist, im Ausschuß für Mensch und Technik. "Wie wirken sich die neuen Technologien auf den einzelnen Menschen aus", so lautet die spannende und vorrangige Frage, die sie sich selbst stellt. Vor Ort sucht sie auch bei diesem Thema deshalb das Gespräch mit Betroffenen und Verbänden, zum Beispiel das Transplantationsgesetz betreffend.
    Kontakte hält die Abgeordnete ferner zu Schulen und Eltern. Als Mitglied des Schulausschusses des Landtags widmet sie sich verstärkt dem Bereich der Sonderpädagogik. Die Integration von Behinderten und Nichtbehinderten ist ihr besonders wichtig. "Ich habe noch eine Reihe von Dingen, die ich durchsetzen möchte", sagt die ehrgeizige Politikerin. So müsse zum Beispiel das Methadon-Programm mit psychosozialer Betreuung unbedingt weiter ausgebaut werden. Vorrang habe allerdings die Suchtvorbeugung.
    Durchsetzungsvermögen bewies Annelie Kever-Henseler schon allein bei ihrem beruflichen Werdegang. Nachdem sie bis 1971 als Kaufmännische Angestellte tätig war, absolvierte sie zwei Jahre später am Köln-Kolleg ihr Abitur und nahm dann das Studium der Rechtswissenschaft auf. 1975 bis 1986 war sie als Werkstudentin in verschiedenen Firmen beschäftigt. 1989/ 90 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin. "Politik hat mich schon in der Schule interessiert", begründet sie ihren Entschluß, schließlich diesen Weg einzuschlagen.
    Ihr Engagement hat aber auch einen relativ hohen Preis: Nämlich einen akuten Mangel an Freizeit. Liebend gerne würde sie sich mehr ihrem Garten widmen. Auch Hunde liebt sie über alles. Doch für ein Haustier fehlt einfach die Zeit. Ihr Mann hat zum Glück viel Verständnis für sie. "Er ist selbst politisch aktiv, darum ergänzen wir uns wunderbar."
    Der persönliche Wunsch von Annelie Kever-Henseler: "Weitermachen", sagt sie kurz und bündig. Denn in der zweiten Legislaturperiode sei man zweifellos doch sattelfester". Sie sei schon deshalb noch wichtiger, weil man sich nicht mehr orientieren müsse, sondern zielgerechter seinen Sachgebieten nachkommen könne. Ihr politisches Handwerkszeug hat sie auf jeden Fall von der Pike auf gelernt. Und das erkannten die Wähler 1990 in ihrem Wahlbezirk Köln III auch an. Immerhin setzte sie sich klar mit 46,9 Prozent der Stimmen ab. Ihren politischen Auftrag erfüllt die dynamische Kölnerin auch als Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Bayenburg /Marienburg /Raderberg /Raderthal seit 1981. Darüber hinaus ist sie Geschäftsführerin von "forum DS" — einem Verein zur Förderung der politischen Bildung und Publizistik. "Wichtig ist für mich, daß ich durch meine konkrete Arbeit Hilfestellung leiste, ob in der Jugendarbeit, in der Drogenpolitik oder in anderen sozialen Bereichen."
    Und das kann sie vor Ort in ihrem Wahlkreis im Kölner Süden, den sie bestens kennt — mit all seinen Menschen und deren Sorgen und Nöten. Zupacken lautet die Devise von Annelie Kever-Henseler, wenn Not am Mann ist. So steht das Telefon in ihrem Büro auch selten still, denn irgend jemand sucht immer ihren Rat — und sie umgekehrt die Zusammenarbeit mit Kollegen. Denn eines ist ihr schon allein aufgrund ihrer "Sozialarbeit" klar: Auf den Teamgeist kommt es an.
    Andrea C. Stockhausen

    ID: LI950160

  • Porträt der Woche: Gisela Nacken (GRÜNE).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 22 - 23.12.1994

    Nein, eine Koalition mit der CDU auf Landesebene kann sie sich nicht vorstellen. Trotz der Zusammenarbeit in einigen Kommunen nach der Wahl im Oktober. Dazu seien die Unterschiede, z.B. in der Sozial- oder Asylpolitik, viel zu groß. Da gebe es doch wesentlich eher Berührungspunkte mit den Sozialdemokraten, wenngleich die SPD oft links rede und rechts handle, meint die 37 jährige Abgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus Aachen, Gisela Nacken.
    Ihre Partei solle sich aber nicht zuerst über mögliche Koalitionen, sondern über eigene Inhalte, Positionen und Ideen definieren. Dann würden sich mögliche Partner von selbst ergeben, auch für die Landtagswahl im kommenden Mai.
    Mit der CDU hatte sie bereits von Jugend an enge Berührung: Ihr Vater war Christdemokrat und Kommunalpolitiker. Da wurde auch am Mittagstisch über Politik gesprochen, zum Leidwesen der Mutter, und da wurden auch gemeinsam Wahlplakate für den Vater geklebt, meint Gisela Nacken. Trotz aller Differenzen in manchen Fragen habe sie damals gelernt, daß man sich engagieren muß, wenn man etwas verändern will.
    In die praktische Politik kam sie über das Studium der Architektur an der TH Aachen zwischen 1976 und 1983. Die Auseinandersetzung mit Problemen der Stadtplanung etwa habe unmittelbar nach konkreten Alternativen vor Ort gedrängt. Da wurden provisorische Fahrradwege auf die Straße gepinselt oder, weil preiswerter Wohnraum fehlt, Häuser besetzt.
    1983 wurde sie Mitglied der Grünen, drei Jahre später Sprecherin der Partei in Aachen — und das ist sie bis heute. Gisela Nacken wollte sich auf die Parteiarbeit konzentrieren und ging deshalb nicht in das Stadtparlament, obwohl ihre Partei seit 1984 im Aachener Rat vertreten ist.
    Während die Grünen bundes- und auch landesweit teilweise dramatische Flügelkämpfe bestehen mußten, sei die Situation in Aachen vergleichsweise idyllisch gewesen: Es habe keine nennenswerte Polarisierung innerhalb der Partei und auch keine zwischen der Partei und ihren Vertretern im kommunalen Parlament gegeben, sagt Gisela Nacken. Vermutlich weil der politische Kurs vor Ort seit jeher von den Pragmatikern geprägt worden sei.
    Gisela Nacken gilt in ihrer Partei als klassische Vertreterin dieser Strömung, als "Reala" eben. Doch mit solchen Schlagworten kann sie nicht viel anfangen.
    Sie teile den Politikansatz von Antje Vollmer und Christa Nickels, die auch so etwas wie Vorbilder für sie seien, meint Gisela Nacken. Das heiße, sich nicht in Schablonen drängen lassen, mit allen reden — auch quer zu den politischen Lagern. Von 1984 bis 1990 war die Aachenerin stellvertretende Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland. Daß sie sich auch hier schwerpunktmäßig um die Bereiche Bauen und Wohnen kümmerte, lag nahe, zumal sie zwischenzeitlich als freiberufliche Architektin einiges an praktischer Berufserfahrung sammeln konnte.
    1987 wurde Gisela Nacken Mitarbeiterin der Bundestagsfraktion, blieb es bis 1990, als sie in den nordrhein-westfälischen Landtag einzog.
    Was sie an dieser neuen Aufgabe besonders gereizt habe, sei die Verknüpfung von Wohnen und Verkehr gewesen — und die Tatsache, daß das Land hier konkrete Handlungsspielräume habe. Die parlamentarischen Abläufe und Spielregeln kannte sie aus ihrer Bonner Zeit, das war sicherlich ein Vorteil.
    Als Mitglied im Verkehrsausschuß mußte sie allerdings feststellen, daß dieser Politikbereich nach wie vor eine Männerdomäne ist. Zu lange habe man sich hier mit rein technischen Fragen beschäftigt und erst spät erkannt, daß Verkehrs- auch Gesellschaftspolitik sei.
    Immerhin sei es gelungen, nach einer intensiven öffentlichen Diskussion und in dieser Legislaturperiode, landesweit, bis auf wenige Ausnahmen, das Semester-Ticket für Studierende einzuführen. Ein Erfolg auch für die Umwelt, sagt Gisela Nacken nicht ohne Stolz. Zähneknirschend räumt sie ein, daß eine der wenigen Ausnahmen ausgerechnet Aachen sei.
    Um ihren Politikansatz bei den Grünen auch landesweit deutlicher zu machen, kandidierte Gisela Nacken beim Landesparteitag der Grünen gegen die "Linke" Bärbel Höhn um Platz eins der Landesliste für die Wahl im kommenden Mai — und sie unterlag deutlich. Im nächsten Landtag wird sie dennoch vertreten sein, wenn die Grünen den Sprung erneut schaffen. Daran hat Gisela Nacken natürlich überhaupt keine Zweifel. Ihr weiteres Engagement in Düsseldorf ist allerdings gar nicht so »normal", wie es auf den ersten Blick scheint. Schließlich hat sie während der Legislaturperiode zwei Kinder zur Welt gebracht. Für deren Erziehung wird auch weiterhin in erster Linie der Vater zuständig sein. Aber der hat vollstes Verständnis für die politischen Ambitionen seiner Partnerin, immerhin ist Reiner Priggen selbst Sprecher der nordrhein-westfälischen Grünen. Und der jüngste ihrer beiden Söhne darf Gisela Nakken ohnehin bis auf weiteres nach Düsseldorf begleiten — und so auch Parlamentsluft schnuppern, er ist mal gerade vier Monate alt und wird noch gestillt.
    Ralf Kapschack
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI942260

  • Porträt der Woche: Ilka Keller (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 21 - 13.12.1994

    "Sie macht von sich reden, ohne ins Gerede zu kommen", so lautete eine Zeitungsüberschrift kürzlich anläßlich ihres 50. Geburtstages, Ilka Keller gilt als engagierte Kämpferin mit Herz und Verstand, als eine Frau, die Familie, Beruf und Politik wunderbar unter einen Hut bringen kann. Den Siegburgern brachte sie Kultur bei, wie Landrat Dr. Franz Möller sagt. Auf ihre Initiativen gehen der Kulturpreis des Kreises ebenso zurück wie die Gründung eines Kunstvereins, die Förderung von denkmalwürdigen Gebäuden, Kindermalschulen, der Wettbewerb "Musizierende Jugend" und die Gedenkstätte "Landjuden an der Sieg" in Windeck. Stets versteht sie es, den Rhein-Sieg-Kreis und die Gemeinde Swisttal in positive Schlagzeilen zu bringen.
    Das Interesse für die Politik wurde llka Keller förmlich in die Wiege gelegt. Schon als 14jährige kam sie damit in Berührung, weil die Familie kommunalpolitisch tätig war. Und 1973 entschloß sie sich, Mitglied der CDU zu werden. Ein Jahr später wiederum entschied sie sich, eine Frauen-Vereinigung in Swisttal ins Leben zu rufen und warb auf einen Schlag 300 Mitglieder. Bis 1985 engagierte sie sich als Vorsitzende. Gleichzeitig war sie im Gemeinderat tätig und kam 1979 in den Kreistag des Rhein- Sieg-Kreises. Ganz nebenbei machte sich llka Keller 1985 noch selbständig als Inhaberin eines Reisebüros in Bonn und Alfter. Wie sie das alles unter einen Hut bringt? "Ich halte es für wichtig, daß Frauen bereit sind, sich zu engagieren und nicht nur davon reden." Abgesehen davon ist sie ein Organisationstalent und eine Frühaufsteherin, so daß sie ihr Pensum bestens bewältigen kann.
    Eine ganz wesentliche Rolle spielt natürlich, daß die Familie inklusive Tochter (16) und Sohn (25) ihr unermüdliches Engagement unterstützen. "Ich muß immer wieder etwas Neues wissen. Es ist so spannend, etwas kreativ zum Nutzen der Gemeinschaft zu entwickeln", meint die Abgeordnete, die seit Mai 1990 im Landtag ist. Besonders stolz ist sie darauf, daß es ihr gerade noch gelungen ist, von Innenminister Schnoor 100 000 Mark für ein Magazin in einer ehemaligen Schuhfabrik in Siegburg zu erhalten. Dort sollen im kommenden Frühjahr ständige Ausstellungsräume für den Kunstverein eingerichtet werden. Neben dem kulturellen Bereich liegen llka Keller auch die Landwirtschaft und der Obstbau in ihrer Region sowie der Umweltschutz sehr am Herzen. "Die Landwirtschaft ist ein spannendes Arbeitsfeld. Man muß den Landwirten durch ein Zusammenwirken die Chance zum Überleben geben. Besonders wichtig ist es, bei der Bevölkerung ein Bewußtsein dafür zu schaffen, was man an eigenen Produkten vor der eigenen Haustüre hat."
    Bei all ihren Themenschwerpunkten will sie jedoch nie nur "im eigenen Saft schmoren", sondern sucht vor Ort das Gespräch mit Einzelpersonen, Gruppen und Verbänden. Denn: "Es ist wichtig, den Menschen als Mittelpunkt unseres politischen Handelns einzubinden." "Man braucht viel Kraft und Kampfgeist in der Politik", gibt die temperamentvolle Frau zu. "Ich habe auch um meinen Wahlkreis kämpfen und eine Portion Risikobereitschaft mitbringen müssen."Der Wähler dankte es ihr bei den Landtagswahlen vor vier Jahren mit 48,7 Prozent der Stimmen. "Wenn ich die Unterstützung der Basis in meiner Partei bekomme, hätte ich im nächsten Landtag gerne einen eigenen Aufgabenbereich", wünscht sich llka Keller, zumal sie glaubt, daß der Frauen-Anteil in der Politik stagniert. Allerdings vertritt sie auch die Ansicht, daß man ihnen mehr Möglichkeiten der Teilzeitarbeit einräumen muß.
    Die Liste ihrer eigenen Ämter und Positionen ist endlos: Vorsitzende des Kreiskulturausschusses, Vorsitzende des CDU- Ortsverbandes und Verfechterin einer optimalen Jugendpolitik. Seit drei Wochen ist sie auch europapolitische Sprecherin der CDU im Unterausschuß Europapolitik und Entwicklungszusammenarbeit des Hauptausschusses. Bei all ihrem Einsatz findet die Abgeordnete, die einfach nur Spaß an ihren vielen "Karrieren" zu haben scheint und im Oktober nach zehn Jahren ihr Mandat als Kreistagsabgeordnete abgegeben hat, ab und zu noch Zeit, sich ihrem "Nebenberuf" als Reisebüro-Verkehrsfrau zu widmen. Dank ihres gut funktionierenden 17köpfigen Teams in ihrem Geschäft kann sie — wenn auch selten — schon einmal eine Reisegruppe begleiten, so erst kürzlich in den Oman in Ost-Arabien. Die wenige Freizeit, die ihr bleibt, nutzt die stellvertretende Kreisvorsitzende zum Lesen. Zudem sammelt sie leidenschaftlich gerne moderne Bilder. Apropos Bild: In genau das paßte auch die Tatsache, daß sie anläßlich ihres runden Geburtstages mit immerhin 350 Ehrengästen auf Geschenke verzichtete und statt dessen um eine Spende für die Jugendarbeit in ihrer Gemeinde bat.
    Andrea C. Stockhausen
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI942148

  • Porträt der Woche: Uwe Herder (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 20 - 29.11.1994

    Für Johannes Rau sei er der teuerste Abgeordnete, berichtet Uwe Herder nicht ohne Stolz. Über 100 Millionen Mark habe er als sportpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in den vergangenen Jahren für den Sport herausgeholt, eine Investition, die nicht nur der bloßen Leibesübung diene. Der Sozialdemokrat sieht im Sport eine immense gesellschaftliche Chance: Eine Chance zur Integration von Ausländern, eine Chance, Jugendliche in Gemeinschaft einzubinden, eine Chance, ältere Menschen aus der Vereinsamung herauszuholen. Sein Engagement für Sportvereine reicht bis ins Parlament Landtag selbst: 1981 gründete er den FC Landtag, dem er bis heute als Mannschaftskapitän vorsteht. Als Torwart und später als Verteidiger hat aber auch er nicht verhindern können, daß seine Mannschaft meistens beide Punkte dem Gegner überlassen mußte.
    Den Vorsitz im sportpolitischen SPD- Arbeitskreis hat der einst passionierte Handballer 1985 übernommen. Dabei ist für den gebürtigen Königsberger die Verkehrspolitik Schwerpunkt der fachlichen politischen Arbeit. Und die hängt eng mit seinem beruflichen Werdegang zusammen: Betonbauerlehre, Ingenieursstudium mit Schwerpunkt U-Bahn-Bau in Wuppertal und Bochum. Die Untertunnelung der Großstädte ist für Uwe Herder bis heute berufliches und politisches Lieblingskind. Als Ingenieur war er maßgeblich am Bau der Düsseldorfer U-Bahn beteiligt, als Politiker hat er den Verkehrsministern Jochimsen, Zöpel und Kniola beharrlich den "Segen der U-Bahn "schmackhaft zu machen versucht. Nach dem Ausscheiden Zöpels sah sich Herder gar als Nachfolger im Gespräch, doch paßte er offenbar nicht auf das "Schachbrett" des Ministerpräsidenten. Dabei ist Herder Johannes Rau zumindest räumlich ganz nah: Seinen Wahlkreis hat der Verkehrsexperte in Wuppertal, wo er zwar 1975 nach einem Stimmen-Patt gegen seinen CDU-Kontrahenten erst durch Losentscheid verlor, seit 1980 aber stets als der strahlende Sieger ins Landesparlament zog. Raus "Versöhnen statt Spalten" hat Herder durchaus auch für sich als richtige Polit-Strategie ausgemacht: Überzeugungsarbeit beim Bürger habe stets mehr bewirkt als autoritäres Durchsetzen von oben.
    "Heimat" ist für Uwe Herder indes nicht Wuppertal, sondern seine Geburtsstadt Königsberg. Den Besuch in diesem Jahr, mit dem vollen Ausmaß der Zerstörung vor Augen, schildert er als "bitter". Die kulturelle Verbundenheit sei stets geblieben, das heimische Bücherregal über Ostpreußen sei "länger als das über Wuppertal".
    Gebietsansprüche, die ewig gestrige Vertriebenenverbände bis heute im Munde führen, lehnt er indes unmißverständlich ab, da halte er es mit Ralph Giordano: "Adieu, Königsberg".
    Auch die Jugendzeit im konservativen bayerischen Zwiesel hat Spuren hinterlassen. In Fragen der Abtreibung beispielsweise ist Uwe Herder der Union näher als den meisten Genossen. Gleichwohl ist der politische Werdegang prototypisch sozialdemokratisch: Eintritt in die SPD, Vorsitz im Ortsverein, Juso-Vorsitz, Stadtverordneter in Wuppertal, Gewerkschaftsmitglied. Neben seinem verkehrspolitischen Engagement setzte er in der örtlichen Kultur nachhaltige Akzente: Das Engels- wie das Eise Lasker-Schüler-Denkmal gehen auf die Beharrlichkeit des Ex-Kommunalpolitikers zurück — 1989 gab Herder seine Ratsarbeit auf, "auf Drängen meiner Frau".
    Der Sozialdemokrat gilt in seiner Landtagsarbeit auch fraktionsübergreifend als kompetent. Als Verkehrspolitiker sei er bewußt nie aus der 2. Reihe herausgetreten, um nicht mit seiner beruflichen Tätigkeit als Verkehrsprojektplaner zu kollidieren. Bei der Abstimmung über Projekte, an denen er beruflich beteiligt sei, würde er sich der Stimme enthalten. Korrektheit und Loyalität zu Partei und Landesregierung sind für den Wuppertaler feste Richtlinien. Der Beruf verschafft ihm hinreichende politische Unabhängigkeit. Gleichwohl möchte er die parlamentarische Arbeit nicht mehr missen. Zwar sei er regelrecht schockiert gewesen, als er einmal im Schulausschuß einen Kollegen vertreten mußte und die dort herrschende verbissene Polarisierung erlebte. Doch namentlich die Arbeit im Verkehrsausschuß empfindet er als wohltuend sachlich. Er versteht sich als Pragmatiker, schätzte aber gleichwohl die Visionen von Kniolas Amtsvorgänger Zöpel, "auch wenn die oft falsch waren". Das Verkehrschaos könne nicht "mit dem Fahrrad" gelöst werden, doch einschneidende Reglementierungen gegen den ungebremsten Autoverkehr seien unumgänglich: Tempo 30 in den Innenstädten, teilweise Sperrung der City- Kernbereiche, Ausbau des Park-and-Ride für Buspendler. Andererseits hält Herder nichts von "grüner Traumtänzerei": Er plädiert, stärker auch als Verkehrsminister Kniola, für weitere U-Bahn-Tunnel, auch um die umstrittene DÜ-BO-DO käme man nicht herum. In der Fraktion hat Herders politisches Wort Gewicht, auch wenn er bislang eher im Hintergrund agiert. Ein weiterer politischer Aufstieg des 52jährigen scheint nicht ausgeschlossen.
    Richard Hofer
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI942068

  • Porträt der Woche: Eberhard Sohns (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 19 - 15.11.1994

    Die Kindheit haben sein Wesen und seinen Lebensweg stark beeinflußt: Der berufsbedingte achtmalige Ortswechsel seiner Eltern, die entbehrungsvollen Nachkriegsjahre und der frühe Broterwerb zunächst in der Landwirtschaft und dann im Bergbau. Das soziale Engagement des SPD-Abgeordneten Eberhard Sohns ist heute sehr ausgeprägt. Ob im heimatlichen Kamp-Lintfort oder im entfernten Ostpreußen — dort, wo Hilfe not tut, versucht er sie zu geben.
    Bereits mit 15 Jahren ging der gebürtige Berliner, Jahrgang 1936, in den Pütt. Dann das übliche Durchlaufen der Bergbauberufe: Knappe, Hauer, Steiger, Fahrsteiger und Obersteiger. Zwischendurch Berufsaufbauschule und Fachhochschulreife im zweiten Bildungsweg mit der Devise: "Wenn du etwas verändern willst, mußt du nach oben."
    Und der damalige Jugendsprecher und spätere Betriebsrat auf der Schachtanlage "Friedrich Heinrich" wollte etwas verändern, wollte die »soziale Komponente" einbringen. Eberhard Sohns gründete kleine Gruppen, wo sich der eine um den anderen kümmert. Später, als Hauptabteilungsleiter, baute er dieses Netz gegenseitiger Hilfe weiter aus. Der SPD trat das Mitglied der IG Bergbau und Energie 1970 bei und wurde auch gleich im Ortsverein Kamp-Lintfort aktiv. Inzwischen ist er sein Vorsitzender. Seit 1978 gehört er auch dem Vorstand des Unterbezirkes Wesel an. Vor seiner Wahl in den Landtag 1990 engagierte sich der Sozialdemokrat sechs Jahre lang als sogenannter "sachkundiger Bürger" im Kreistag.
    Als gewählter Abgeordneter des noch vom Bergbau und der Landwirtschaft geprägten Wahlkreises Wesel I sieht sich der Sozialdemokrat als Interessen Vertreter beider Wirtschaftszweige. Beide hätten mit großen Strukturproblemen zu kämpfen. So gelte es besonders. Ersatzarbeitsplätze zu schaffen und die jungen Menschen für ihre berufliche Zukunft zu qualifizieren. Als Mitglied des Landtagsausschusses für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz hat der Schutz der Umwelt und Natur für Eberhard Sohns hohe Priorität.
    Unverzichtbar für seine parlamentarische Arbeit ist der enge Kontakt zu den Bürgern, den jungen wie älteren. So bietet der Abgeordnete regelmäßig sogenannte Bürgerstunden an, und einmal im Jahr lädt er die Bewohner eines Altenheims zu einer Schiffsfahrt auf dem Rhein ein. Diese Abwechslung vom Alltag erfreut sich bei den älteren Menschen natürlich großen Zuspruchs.
    Soziales Engagement zeigt der gebürtige Berliner auch außerhalb Nordrheinwestfalens — im ehemaligen Ostpreußen. In den beiden letzten Jahren haben er und seine Ehefrau mit Unterstützung von Freunden insgesamt zwölf Hilfstransporte in den Raum Königsberg/Tilsit arrangiert. Dort verteilen beide nicht nur eigenhändig dringend benötigte Nahrungsmittel und Kleidung an von der Armut besonders betroffene Menschen, sie initiieren auch kleinere Projekte unter dem Motto "Hilfe durch Selbsthilfe". So entstanden beispielsweise eine Schneiderei, eine landwirtschaftliche Maschinen-Station u.a.m. Nun hofft der Abgeordnete, daß auch die Landesregierung und die Europäische Union ihn bei der Schaffung größerer Projekte unterstützen werden.
    Der Sozialdemokrat will im nächsten Frühjahr in seinem Wahlkreis erneut für den Landtag kandidieren. Seine Begründung: "Die Politik macht mir Spaß, weil man mit Menschen viel zusammen ist und ihnen auch oft helfen kann." Der Gesprächspartner nimmt Eberhard Sohns diesen Beweggrund ohne Zweifel ab.
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI941944

Lädt

Die Fraktionen im Landtag NRW