Für einen Landtagsneuling ist Walter Bieber ganz schön kregel. Bei seiner Jungfernrede - nur vier Monate nach Einzug in das Düsseldorfer Parlament im Oktober 1995 - nahm der Sozialdemokrat seinen politischen Gegner von der Union munter an: "Es tut mir leid, daß ich als neuer Abgeordneter Ihnen das sagen muß, aber: Thema verfehlt, setzen sechs." Mitte Mai 1996 war der SPD-Mann womöglich noch mutiger, denn er forderte unverblümt von der eigenen Regierung: "Die SPD-Fraktion erwartet von dem Landeskabinett, daß es in diesem Sinne zügig tätig wird." Beide Male ging es um den Köln/Bonner Flughafen. Und da kann Walter Bieber schon eine Lippe riskieren. Das ist sein ureigenster Beritt. Bieber ist in Troisdorf, also in unmittelbarer Nähe zum Airport, geboren und aufgewachsen und hier auch SPD-Vorsitzender und Fraktionschef. Wenn es um die Verkehrspolitik geht, weiß der SPD-Mann wie kaum ein anderer, die Interessen seiner Region zu wahren. "Aber natürlich hatte ich auch Glück, daß gerade mein Thema auf der Tagesordnung des Landtags stand", räumt der Rheinländer aufgeräumt ein.
Dabei verhehlt der neue Mann im nordrheinwestfälischen Landtag keineswegs, daß ihm neben dem Kampf um die Sache auch die Auftritte selber Vergnügen bereiten. Allerdings räumt er ein: "Also, ich habe ja schon viele Reden gehalten, auch vor viel Publikum, aber beim ersten Auftritt im Plenum, war ich doch nervös." Aufatmend fügt er in typisch rheinischem Tonfall hinzu: "Als ich dann den ersten Satz gesprochen hatte, ging mir alles glatt von der Zunge. Es war ein wunderbares Gefühl." Die Kollegen gratulierten ihm anschließend, und selbst Fraktionschef Klaus Matthiesen knuffte ihm anerkennend mit der Bemerkung in die Seite: "War 'ne flotte Rede." Das hatten alle, die Bieber kennen, auch von ihm erwartet. Denn der Troisdorfer ist nur im Landtag neu, ansonsten ist der 48jährige mit dem schütteren Haar und dem verschmitzten Lächeln ein Polit-Profi. 1970 trat er in die SPD ein. Seither ist Politik sein Leben. Von der Pike auf lernte er die Kommunalpolitik und hat damit das beste Rüstzeug für die Landespolitik. Seine politische Karriere begann er als Troisdorfer Juso-Vorsitzender. 1973 rückte er in den SPD-Ortsvorstand auf, 19 Jahre amtierte er als Parteivize, bis er 1995 Vorsitzender wurde. 1971 zog Bieber, der sich selber als "harmoniebedürftig, aber keineswegs konfliktscheu" bezeichnet, als sachkundiger Bürger in den Stadtrat, avancierte 1975 zum ordentlichen Stadtratsmitglied und ist seit 1982 ununterbrochen Fraktionsvorsitzender im Troisdorfer Rat.
So war es nur folgerichtig, daß die SPD den erfahrenen Kommunalpolitiker nach Düsseldorf schickte. Alles klappte wie am Schnürchen. Dafür hatte allerdings auch Hans Jaax, Biebers Vorgänger im Landesparlament und politischer Ziehvater, gesorgt. Der bereitete auch den Boden dafür vor, daß der "Neue" gleich im Verkehrsausschuß, neben Stadtentwicklung, Mietfragen und Finanzen Biebers Spezialthemen, mitarbeiten konnte. Bieber versteht sich im Düsseldorfer Parlament durchaus als Lobbyist für seine Region, für die er das Optimum erreichen will. "Ich bin mit Leib und Seele Kommunalpolitiker", gesteht der Mann, für den Landespolitik eine Form gehobener Kommunalpolitik ist und fügt hinzu: "Natürlich achte ich auf alle Sonderprogramme und alarmiere die Verwaltungschefs vor Ort, damit wir bei Windhundverfahren etwas abbekommen."
In seinem Abgeordnetenzimmer im 5. Stock des Düsseldorfer Landtags beugt sich Bieber vergnügt über seinen Schreibtisch. "Obwohl ich jetzt mehr tun muß, bekomme ich meine Arbeit heute besser geregelt als früher", erklärt der SPD- Mann, der in seiner Freizeit Tennis spielt und schwimmt und den Urlaub gern in Südfrankreich verbringt. Das hat seinen Grund. Bieber ist als Abgeordneter sein eigener Herr und kann seine kommunalpolitische Arbeit mit der als Parlamentarier besser koppeln als in früheren Jahren als Angestellter. Von Haus aus ist der in der Wolle gefärbte Sozialdemokrat, der selber sagt, aus bescheidenen Verhältnissen zu kommen, Starkstromelektriker. Auf dem zweiten Bildungsweg holte er Fachhochschulreife und Abitur nach, studierte in Bonn Jura, jobbte im Pressezentrum des Bundestags als studentische Hilfskraft, arbeitete dann bei dem Bundestagsabgeordneten Heinz Pensky und wurde 1982 nach dessen Ausscheiden Mitarbeiter von Ingrid Matthäus-Maier.
"Das war der Beginn einer großen Freundschaft, wie es schön bei Humphrey Bogart heißt", erinnert sich Bieber. Ingrid Matthäus-Maier wohnte im Nachbarort St. Augustin und brauchte, als sie nach dem Bruch der sozial-liberalen Koalition von der FDP zur SPD übergetreten war, jemanden, der die Partei und ihren neuen Wahlkreis kannte. "Da es mein Heimatbezirk war, konnte ich ihr ganz schön den Rücken freihalten." Elf Jahre arbeitete Bieber als Referent bei der Finanzexpertin in Bonn. Dann kam seine eigene Zeit. Niemand in der eigenen Partei machte ihm die Nachfolge von Jaax streitig. Für alle war klar, daß Bieber in den Düsseldorfer Landtag nachrücken würde. Und tatsächlich holte Bieber den Wahlkreis auch mit 43,9 Prozent der Stimmen.
Als Landtagsabgeordneter sieht Bieber es als seine wichtigste Aufgabe an, zur Schaffung von Arbeitsplätzen beizutragen. Im Köln/Bonner Flughafen sieht er den Wachstumsmotor der Region schlechthin. Deshalb unterstützt er auch voll und ganz die Verkehrspolitik von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und bezieht eindeutig Position: "Wer die Möglichkeit des Nachtfluges unzumutbar beschneiden will, schwächt den Wirtschaftsstandort NRW und vertreibt die Frachtflugunternehmen, die auf den Nachtflug angewiesen sind, ins benachbarte Ausland. Wer dies tut, wird mit dem Etikett .Jobkiller' leben müssen", machte er in der Landtagsdebatte vom 9. Mai 1996 klar.
So eindeutig Biebers Haltung in Sachen Flughafen ist, so pragmatisch ist der SPD-Mann auch in anderen Fragen. Von der Eingruppierung nach linken und rechten Flügeln oder der Einstufung in irgendwelche Schubladen hält er nichts. Mit einem etwas ironischen Grinsen meint er dann aber doch: " Wissen Sie, ich gehöre zur progressiv-dynamischen, vernunftbegabten linken Mitte."
Gerlind Schaidt
(Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)
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