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  • Porträt der Woche: Manfred Degen (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 08.11.1994

    Er ist ein Mann, der sich immer neue Ziele setzt und der nie seinen Ehrgeiz verliert: Manfred Degen, seit 1964 Mitglied der SPD und seit 1990 im Landtag. Eigentlich wollte er Karriere im Bergbau machen, und so absolvierte der heute 55jährige 1954 zunächst eine Ausbildung als Berglehrling. Doch nach der Knappenprüfung 1957, seiner Tätigkeit als Lehrhauer bis 1960 und dem Besuch der Bergvorschule stellte er fest, daß dieser Weg doch nicht das war, was er sich beruflich erträumt hatte.
    So sattelte der gebürtige Elbinger (Ostpreußen) 1960 um und war vier Jahre lang im Labor der Chemischen Werke Hüls tätig. Da ihn auch diese Arbeit auf Dauer nicht ausfüllte, besuchte er kurzerhand die Berufs-Abendschule und legte dort eine Begabten-Sonderprüfung ab. 1964 nahm er dann sein Studium an der Pädagogischen Hochschule Ruhr in Dortmund auf. Und nur drei Jahre später hatte er sein Ziel erreicht: Das Lehramt.
    1967 bis 1973 war Manfred Degen an der Volks- und an der Hauptschule in Mari, seiner Wahlheimatstadt, tätig, in die er 1954 gekommen war. "Es macht Spaß, wenn man mit Kreativität und Einfallsreichtum etwas bewegen kann", meint der vorwärtsstrebende Politiker, der es auf dem zweiten Bildungsweg bis zum Obervolksschulrat gebracht hat. Immer wieder opferte er seine Freizeit der Fortbildung und avancierte über ein Zusatzstudium 1973/74 schließlich zum Diplom-Pädagogen. Zusätzlich war er von 1973 bis 1990 Fachbereichsleiter an der Volkshochschule Mari "die Insel".
    Von seinem beruflichen Werdegang profitiert Manfred Degen heute auch im Landtag. Er weiß, wovon er spricht, wenn der Schulausschuß oder der Grubensicherheitsausschuß tagen. "Letzterer zum Glück nur in Notfällen", so sagt er. Degen ist diesem Gremium aus alter Tradition beigetreten. "Zu beiden Bereichen habe ich immer noch gefühlsmäßig eine enge Bindung", meint er rückblickend. So kennt er auch die Probleme an den Schulen und hat eine direkte Rückkoppelung zur Kommunalpolitik. Das war für ihn ein Grund mehr, sich freiwillig als Mitglied des Schulausschusses zu melden. "Manche Schwierigkeiten kann man auf dem kleinen Dienstweg erledigen, zum Beispiel im Gespräch mit den Ministern. Die enge Verknüpfung mit der Kommune war immer mein politischen Ziel." Das ist eine Ursache dafür, warum ihm die Arbeit im Bundestag immer schon als zu abgehoben erschien.
    Seinen Entschluß, in die SPD einzutreten, festigte vor 30 Jahren eine Rede des Politikers Otto Wels während eines Geschichtsseminars. "Da wußte ich, das ist die Partei, in der du zuhause bist", erinnert er sich. 1969 kam Manfred Degen in den Stadtrat von Mari und war dort bis 1973 Mitglied. Zuvor war er Juso-Vorsitzender des Stadtverbandes. "Zur Politik gehört viel Idealismus", betont er und nennt eine 50- bis 60- Stunden-Arbeitswoche für sich normal. Allerdings hält er nichts davon, wenn jemand frisch von der Universität in die Politik kommt. "Man sollte vorher einen Beruf ausüben, das ist wichtig für eine gewisse Form der Bodenhaftung", sagt er aus Erfahrung. Verständlich, daß er sich aufgrund seines persönlichen Werdegangs ganz besonders für den zweiten Bildungsweg einsetzt. "Der liegt mir extrem am Herzen." Dennoch appelliert er an die Lehrer, den jungen Leuten nicht nur das Studium zu empfehlen, sondern auch auf die Lehre als "attraktive Alternative "hinzuweisen.
    Ein Schlüsselerlebnis für das, was man vor Ort bewegen kann, war für Manfred Degen vor zwei Jahren, als ein leeres Bergwerk vor seiner Haustüre von Jugendlichen besetzt wurde. "Die Stadt hatte anfangs die Augen zugemacht." Mit der Hilfe des Abgeordneten investierte das Land 1,4 Millionen Mark in den "Schacht 8" und damit in ein soziokulturelles Zentrum. "Das war ein Erlebnis zu sehen, welches Durchhaltevermögen junge Leute haben. Politik wird einfach lebendig wenn man merkt, daß man trotz aller Reglementierungen viel bewegen kann", sagt ein Mann, der sich in vielen Bereichen engagiert — von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft bis hin zur Arbeiterwohlfahrt.
    Die Devise eines Mannes, der immerhin in 15 Fördervereinen zuhause ist, lautet in der Politik: "Man kann nicht everybody's darling sein. Irgendwann kommt die Quittung. Man sollte wirklich nur das versprechen, was man auch halten kann." Das Klima im Landtag hält Manfred Degen auch überparteilich für gut. Ist er auch grundsätzlich der Meinung, daß man "zu Zeiten aufhören soll", so hat er für sich persönlich genügend Ehrgeiz und Neugier, um sich immer wieder neue Ziele zu stekken.
    Andrea C. Stockhausen

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI941851

  • Porträt der Woche: Franz-Josef Pangels (CDU).
    Porträt
    S. 31 in Ausgabe 17 - 25.10.1994

    Vor dem Landtagspienum ist Franz-Josef Pangels selten zu hören — denn statt publikumswirksamer Reden bevorzugt der CDU-Abgeordnete aus Erkelenz-Matzerath die eher unauffällige Arbeit in den Ausschüssen und ist vor allem gern "an der Front", wie der 59jährige Parlamentarier die Tätigkeit in seinem Heinsberger Wahlkreis bezeichnet.
    Und der Kreis Heinsberg in der Aachener Region wird mit vielen, insbesonderen strukturellen Problemen konfrontiert. Da ist vor allem das "Reizwort" Garzweiler II. Für Franz-Josef Pangels ist die geplante Ausdehnung des Braunkohle-Tagebaus auf dieses Gebiet aus sozialen, ökologischen und auch finanziellen Gründen "nicht machbar".
    Da müßten einmal über 7000 Menschen umgesiedelt werden, müßten viele ihren ererbten Grund und Boden verlassen. Und dann sieht der CDU-Abgeordnete auch hinsichtlich des Grundwassers für das Schwalm-Nette-Gebiet ein "ökologisches Risiko", das sich zudem noch wegen der "Altlasten" des Tagebaus mit dem Rest-See auf Grundwasser und Klima vergrößern könnte. Diese nicht abzuschätzenden Negativ-Folgen hätten dann auch finanzielle Auswirkungen auf "ein Jahrhundert und noch länger". Im Kreis Heinsberg liegt auch die Zeche "Sophia Jacoba", deren Beschäftigtenzahl mittlerweile auf 2 500 halbiert wurde und die Mitte 1997 stillgelegt werden soll. So engagiert sich der CDU-Abgeordnete für Gewerbe-Neuansiedlungen, um Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. Bund, Land und die Region gemeinsam versuchen darüber hinaus, den Siemens-Konzern für den rund 50 Quadratkilometer großen früheren NATO-Flugplatz Wildenrath zu gewinnen, wo dann eine Teststrecke für den "ICE 3" entstehen würde. Zu den Mitbewerbern zählen allerdings auch Prag und das Land Brandenburg.
    Der Christdemokrat ist trotz dieser Konkurrenz optimistisch: "Die Aachener Region ist von ihrem wissenschaftlichen Potential der beste Standort überhaupt." Auch geographisch liege sie mit Maastricht, Lüttich und Mönchengladbach in der Nachbarschaft sehr günstig. In diesem Zusammenhang engagiert sich der Parlamentarier auch für den Weiterbau der A 46 bis an das niederländische Autobahnnetz.
    Für die starke persönliche Bindung an die Region war auch die Herkunft des Matzerathers mitentscheidend. Auf einem Bauernhof geboren, bewirtschaftet er heute noch den siebzig Hektar großen landwirtschaftlichen Betrieb. Nach Besuch der Volksschule, des Gymnasiums und nach der landwirtschaftlichen Ausbildung absolvierte er erfolgreich die Landwirtschaftliche Fachschule sowie die Geflügelzuchtfachschule. Vor der Übernahme des elterlichen Betriebes und seiner Erweiterung war Franz-Josef Pangels als Fachberater im Managementbereich renommierter Legehennengroßbetriebe tätig. Heute noch ist er Mitglied des Stabilisierungs-Fonds der Deutschen Geflügelwirtschaft und ist im Beirat der DEU-Vertriebsgesellschaft Ulm.
    Bereits 1953 schloß sich der Matzerather der CDU an und wurde seitdem in zahlreiche Parteigremien gewählt; so ist er beispielsweise seit neun Jahren Vorsitzender des Kreisverbandes Heinsberg. Auch gehört er dem Bundesagrarausschuß der CDU an. Bei der letzten Landtagswahl 1990 hat der Christdemokrat, der eine Legislaturperiode auch im Kreistag war, den Wahlkreis Heinsberg II für seine Partei wieder von den Sozialdemokraten zurückgeholt". Und auch im nächsten Jahr strebt das Mitglied des Umwelt- und des Petitionsausschusses den direkten Einzug in das Düsseldorfer Landesparlament an.
    In der knapp bemessenen Freizeit entspannt sich der Christdemokrat bei Musik — vor allem klassischer, und Literatur. Dann sind Beruf und Politik für einige Stunden weit entrückt.
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI941798

  • Porträt der Woche: Helmut Diegel (CDU).
    Porträt
    S. 31 in Ausgabe 16 - 27.09.1994

    Als Kreisvorsitzender in der CDU-Diaspora Hagen hat Helmut Diegel einen schweren Stand. Hier, an der Schnittstelle zwischen dem "schwarzen Sauerland" und dem "roten Ruhrgebiet", üben sich die heimischen Christdemokraten seit langen Zeiten in Geduld auf den Machtwechsel. Mit seiner jungen Garde will der 38jährige Diegel den Kreisverband auf Trab bringen. "Es geht aufwärts."
    Über die Jahre hinweg hat sich der christdemokratische Landtagsabgeordnete zum Multifunktionär gemausert. Seit acht Jahren sitzt der frühere Junge-Union- Funktionär im CDU-Landesvorstand, eben erst ist er in den CDU-Bezirksvorstand Ruhrgebiet gewählt worden. Außerdem lenkt Diegel (Originalton: Ich bin von Hause aus Vereinsmeier") seit zwei Jahren als Präsident die Geschicke des Basketball-Bundesligisten Brandt Hagen. Erste sportliche Erfolge bleiben nicht aus: Die Überraschungsmannschaft der "Langen Kerls" aus Hagen wurden 1994 Deutscher Pokalsieger und Vizemeister. Dabei führt der sparsame Haushaltsexperte den Verein im Gegensatz zu manch anderen Präsidenten im deutschen Spitzensport "bewußt wirtschaftlich".
    Als tätiger Gesellschafter eines Autoteile- Handels hat Diegel das Wirtschaften von der Pieke auf gelernt. Das eingesessene Familienunternehmen wird zwar überwiegend vom Bruder geführt, aber Helmut Diegel ist so oft wie eben möglich selbst im heimischen Unternehmen tätig. Daß der finanzielle Rückhalt dem Hagener CDU- Landtagsabgeordneten auch eine gewisse Unabhängigkeit von der Politik sichert, will Diegel nicht abstreiten. Deshalb leistet sich der Hagener schon mal den Luxus, wie sein politischer Ziehvater Kurt Biedenkopf an unpassenden Stellen die eigene Meinung zu Gehör zu bringen. In seiner stürmischen Zeit als CDU-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag hatte Biedenkopf dem Hagener im Landtag den Haushaltsbereich zugewiesen. Nach anfänglichem Unbehagen und Murren hat der gelernte Jurist die dröge Materie mit den Zahlen und Tabellen inzwischen "//abgewonnen". Schließlich ist der Haushalt der Nerv des Staates und entscheidet über die Zukunft. Als CDU-Obmann für Haushaltskontrolle bedauert Diegel allerdings manchmal, daß die Arbeit mit der Staatsknete nicht viel Außenwirkung erzeugt. "Schlagzeilen kann man hier kaum produzieren." Mit der angekündigten Verfassungsklage gegen ein SPD-Gesetz zur Neugliederung des Landesrechnungshofes straft sich der Haushaltsexperte in diesen Monaten allerdings selbst Lügen. Die öffentliche Diskussion über den von CDU, F.D.P und Grünen erhobenen "Maulkorb- Vorwurf" schlägt kräftige Wellen.
    In der eigenen Familie wandelt Helmut Diegel hingegen auf den Spuren der "Großen Koalition". Schließlich ist der Essener SPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Thulke ein angeheirateter Schwager des CDU- Abgeordneten — zwei Politiker einer Familie gleichzeitig im Parlament, das kommt auch nicht alle Tage vor. Und auch die Gattin hat der heute vierfache Familienvater von der Volme bei den "Roten "entdeckt — und abgeworben. Diegel traf seine spätere Frau und damalige Mitarbeiterin der SPD- Fraktion am Landtagskopierer — ausgerechnet an ihrem Geburtstag. Parteienwerbung a la Diegel: Heute ist die Angetraute eingetragenes Mitglied der CDU.
    "Der Wunsch nach einem Sohn war schon häufig Vater vieler Töchter", blickt Diegel stolz auf das Familienfoto mit den vier Töchtern. Die Familie genießt bei dem jugendlichen CDU-Politiker ("Ich war früher Karrierist") einen hohen Stellenwert. Wenn es sich zeitlich einrichten läßt, bringt er die Kleinen zur Schule und in den Kindergarten. Vom politischen Alltagsstreß reagiert sich der Vielbeschäftigte am liebsten an der Tischtennisplatte ab: Seit 20 Jahren spielt Helmut Diegel bei Post Hagen aktiv im Verein - derzeit in der 2. Mannschaft.
    Daß Helmut Diegel auch mit der oppositionellen CDU in Düsseldorf derzeit nur zweite Wahl ist, stört den Hagener gewaltig. In der Frage der CDU-Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 1995 hatten Diegel und andere Mitglieder des CDU- Bezirks Ruhrgebiet kräftig die Trommel für ihren Vorsitzenden Norbert Lammert gerührt. Das Ergebnis ist bekannt: Zur neuen Nummer 1 wählte die CDU-Basis den Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Helmut Linssen. In der Politik ist es wie beim Basketball: Man kann nicht immer gewinnen. Als Sportsmann nimmt Helmut Diegel auch politische Wettkämpfe sportlich.
    Wilfried Goebels

    ID: LI941689

  • Porträt der Woche: Walter Neuhaus (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 15 - 13.09.1994

    Viel schon ist über seine Bodenhaftung geschrieben worden, viel über seine Sachlichkeit und sein Ansehen auch bei politischen Kontrahenten: Walter Neuhaus, der CDU-Landtagsabgeordnete aus dem Märkischen Kreis, zählt zu jenen Parlamentariern, für die der hautnahe Kontakt zu den Bürgern weitaus wichtiger ist als der publik-trächtige Erfolg während Landtagsdebatten oder bei Festreden. Seiner Mentalität entsprechend und vom Elternhaus stark geprägt, wirkt der Sauerländer vor allem im Hintergrund — und dann um so wirkungsvoller.
    Die Liste der gesellschafts- und parteipolitischen Tätigkeiten des heute 62jährigen Landwirts, geboren in der Gemeinde Schalksmühle, ist lang; sie alle aufzuzählen, würde diesen Porträt-Rahmen sprengen. Sie begannen bei der Landjugend und setzten sich fort in den verschiedensten berufsständischen Organisationen, den kommunalen Parlamenten und in der CDU, der er seit 1957 angehört. So wirkte Walter Neuhaus fast 15 Jahre im Rat seiner Heimatgemeinde Schalksmühle und ist seit 1964 auch Mitglied des Kreistages, der ihn bereits drei Jahre später zum stellvertretenden Landrat wählte. Viele Jahre lang war der Christdemokrat Mitglied des Bezirksvorstandes Sauer-/Siegerland und Vorsitzender der Agrarsprecher der CDU-Bundestags- und Landtagsfraktionen. Bereits seit vier Legislaturperioden gehört der Sauerländer dem Düsseldorfer Landtag an, zunächst als Sprecher seiner Fraktion für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, seit 1990 als Vorsitzender des gewichtigen Ausschusses für Haushaltskontrolle. Angesichts der hohen öffentlichen Verschuldung sieht der Christdemokrat eine zunehmende Bedeutung für dieses Parlamentsgremium. Der Bürger habe einen Anspruch darauf, daß mit den Steuergeldern so verantwortungsvoll umgegangen werde, als wäre es sein eigenes Geld.
    Am Ende dieser Legislaturperiode im Mai 1995 will Walter Neuhaus aus dem Landtag ausscheiden. Zwei Gründe gab es für diesen Entschluß: Seine Partei hat ihn zum Spitzenkandidaten für das Amt des Landrates des Märkischen Kreises mit seinen 460 000 Einwohnern in 15 Städten und Gemeinden nominiert. Und außerdem möchte er seinen Sitz im Landesparlament für einen jüngeren Kollegen räumen. "Meinen Abgang wollte ich aber selbst bestimmen."
    Die Kandidatur für den Landrat bei den Kommunalwahlen geschieht "ohne Netz und doppelten Boden", wie er mit Blick auf die in der Vergangenheit jeweils wechselnden Mehrheiten von CDU und SPD in dem zweitgrößten Landkreis in Nordrheinwestfalen mit seiner komplizierten Struktur von ländlichen Räumen und städtischen Ballungszonen betont. Doch der Realist gibt sich optimistisch, genießt er doch ein breites Ansehen in der Bevölkerung. Hart in der Sache, doch immer fair in der Auseinandersetzung. "Ich sehe den Politiker der anderen Partei als Konkurrenten, nicht aber als politischen Feind."
    So bedauert Walter Neuhaus auch den Wandel im Umgang zwischen den Parlamentariern. Immer mehr werde nicht das Miteinander, sondern würden die Gegensätzlichkeiten in den Vordergrund gestellt. Dieses Negativ-Klima sei nach seiner Einschätzung eine Folge des Generationswechsels. Nach dem Krieg, in der Aufbauphase der Bundesrepublik, seien die Politiker mit vielen existentiellen Problemen konfrontiert worden, deren Lösungen nicht Parteiprogramme oder behördliche Regelungen vorgegeben hätten. "Da mußte gehandelt werden." Die jüngeren Kollegen seien aber im Wohlstand groß geworden und glaubten, auf das Miteinander nicht angewiesen zu sein. Auch fehle bei vielen der "Erfahrungsschatz" einer beruflichen Tätigkeit. Gleich nach dem Studium folge oft das Mandat.
    Die Politik müsse den "Bürgern aufs Maul schauen", betont Walter Neuhaus. Und so engagiert er sich auch in vielen Vereinen und Verbänden, "weil man dort direkten Kontakt mit den Menschen hat"; ob im Schützen- oder Turnverein, bei den Geflügelzüchtern, Jägern oder Reitern, sein Rat ist überall geschätzt. Für den Sauerländer ist sein Ausspruch, sich um die Probleme der Mitbürger zu kümmern, keine Worthülse, sondern eine tägliche Herausforderung.
    Jochen Jurettko

    ID: LI941547

  • Porträt der Woche: Heidi Busch (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 06.09.1994

    Nein, 30 oder gar 40 Jahre diesen "Job im Düsseldorfer Parlament zu machen, wie einige Kollegen, das kann sie sich nicht vorstellen. Für Heidi Busch ist die zeitliche Begrenzung der Parlamentsarbeit nicht nur demokratisch notwendig, auch für die eigene Lebensperspektive sei es sinnvoll, ab und an einen Wechsel zu riskieren.
    Für die Landtagswahl im kommenden Jahr ist sie in ihrem Kölner Wahlkreis erneut und einstimmig nominiert worden. Es wäre ihre dritte Legislaturperiode. Und wenn sie daran keinen Spaß mehr hätte, dann wäre es ihr, so sagt sie, nicht schwergefallen, darauf zu verzichten.
    In die Politik ist Heidi Busch durch die Auseinandersetzung mit der Bildungspolitik Anfang der 70er gekommen. Was damals von Kultusminister Girgensohn als Fortschritt für Lehrer und Schüler verkauft worden sei, das hätte sich für die Klassen- und Schülersprecherin an einem Kölner Gymnasium in der Praxis als hohle Sprüche herausgestellt. Dieses zunächst nicht parteipolitisch motivierte Engagement mündete in der Mitgliedschaft bei der Schülerunion. Aber schon 1972 trat Heidi Busch dann in die CDU ein. Nicht eben zur Freude ihres Vaters, erinnert sie sich. Weniger weil er eine andere politische Orientierung gehabt hätte, vielmehr habe er wohl Angst gehabt, seine Tochter würde in einer so großen Organisation "untergehen". Diese Befürchtung war völlig unbegründet, wie sich schnell herausstellte. Heidi Busch machte rasch Karriere. Zu rasch vielleicht, meint sie heute.
    Sie wurde Chefin der Kölner Schülerunion und sachkundige Bürgerin im Schulausschuß. Der damalige Landtagsabgeordnete machte keinen Hehl daraus, daß er sie gern als seine Nachfolgerin sehen würde. Die Partei habe sie damals gepackt wie "eine Kralle", sagt die 39 jährige. Sie konnte schlecht "nein" sagen, merkte aber, daß es nicht gut für sie war, bei jeder Aktion und Veranstaltung dabeizusein.
    Kurz entschlossen wechselte sie nach München, wo sie das inzwischen begonnene Studium — Geschichte, Theologie und Sport — fortsetzte. Nach dem Examen und einem Forschungsprojekt des bayrischen Kultusministeriums führte sie ihr Weg wieder zurück nach Köln. Weil sie nach einiger Zeit keine Lust hatte, als Lehrerin von einem Zeitvertrag auf den nächsten zu springen, um dann irgendwann möglicherweise eine feste Stelle zu bekommen, fing Heidi Busch etwas ganz anderes an. Sie arbeitete u.a. als Produktions- und Regieassistentin beim WDR und ging schließlich als Mitarbeiterin eines Abgeordneten zum Bundestag nach Bonn.
    Und da hätte sie auch gern weitergearbeitet. Doch dann kam das Angebot der Kölner CDU, für den Landtag zu kandidieren. Eigentlich war es nur eine Pro-forma-Kandidatur mit einem Listenplatz, der bei normalem Gang der Dinge nicht zum Sprung ins Parlament gereicht hätte. Doch nach der Wahl 1985 fand sich Heidi Busch unversehens im Düsseldorfer Landtag wieder.
    Was lag näher, als sich auch hier zunächst mit der Schulpolitik zu beschäftigen. Daneben wurde die junge Abgeordnete Mitglied in der Kommission Mensch und Technik. Dieser Bereich reizte sie besonders, weil er ein breites, aber auch für sie neues Themenspektrum abdeckte.
    Aus den Erfahrungen der ersten Legislaturperiode zog die Kölnerin Konsequenzen, als sie 1990 als Nachrückerin erneut in das Parlament einzog. Nach 20 Jahren intensiver Auseinandersetzung mit der Schulpolitik sei es Zeit für einen Wechsel gewesen: Heidi Busch wurde stellvertretende Vorsitzende im Ausschuß für Jugend und Familie. Nicht frustriert, eher sich selbst anspornend meint sie, Jugendpolitik habe längst noch nicht den Stellenwert in der Politik, auch in den eigenen Reihen, den sie haben müßte.
    Vor vier Jahren erfüllte sie sich einen Wunschtraum und kaufte einen alten Bauernhof in der Eifel. Die körperliche Anstrengung bei der umfangreichen Renovierung des Hofes sei nicht nur ein willkommener Ausgleich, hier kämen ihr oft auch Ideen für die politische Arbeit.
    Ob ihr hier auch die Idee zu dem Antrag gekommen ist, bei der Errichtung von Betriebskindergärten Unternehmen und Staat gemeinsam in die Pflicht zu nehmen? Jedenfalls hatte sie das für eine Oppositionsabgeordnete seltene Erlebnis, daß ihr Vorschlag im Parlament eine Mehrheit bekam.
    Auf Zusammenarbeit mit Leuten aus den anderen politischen Lagern legt sie nicht erst seitdem besonderen Wert. Diskussionen mit Andersdenkenden seien ohnehin am interessantesten, weil man sich selbst ständig in Frage steilen müsse. So war es kein Wunder, daß Heidi Busch zu den Mitinitiatoren der sog. "Werteinitiative" gehört, in der auch Politiker aus SPD, F.D.P., Grünen und parteipolitisch ungebundenen Zeitgenossen mitarbeiten. Angestoßen durch die zunehmende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft, vor allem bei Jugendlichen, will diese Initiative aufrütteln und Diskussionen über die Vorbildfunktion der Politik und der Politiker ebenso in Gang bringen, wie Fragen stellen. Fragen etwa danach, was "wir falsch machen" oder "was unsere Kinder fordern".
    Ihr Engagement in dieser Initiative ist auch in der CDU anfangs nicht überall auf Verständnis gestoßen. Doch die große Resonanz über Nordrhein-Westfalen hinaus beweise, daß es der richtige Weg sei, um auch mit Menschen ins Gespräch zu kommen, zu denen man im politischen Alltag sonst kaum noch Kontakt habe. Diskussionen mit Kirchen und Vereinen, Referate auf Kongressen, der Meinungsaustausch z.B. mit Erziehungswissenschaftlern — das ist etwas, was ihren Spaß an der Politik in den vergangenen Monaten noch verstärkt hat. Und wenn es mal wieder zuviel wird, dann geht's ab auf den Bauernhof, auch da hat Heidi Busch in den nächsten Jahren noch reichlich zu tun.
    Ralf Kapschack

    ID: LI941458

  • Porträt der Woche: Jarka Pazdziora-Merk (SPD).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 13 - 23.08.1994

    Schon als Kind wurde sie damit konfrontiert, wie sehr Politik Entscheidungen im Leben prägen kann. Denn die Eltern von Jarka Pazdziora-Merk, Tschechen, lebten in der ehemaligen DDR. Und nachdem ihr Vater Freunden bei der Flucht in den Westen geholfen hatte, mußte die Familie 1959 ebenfalls flüchten, weil er verhaftet werden sollte. Ein Erlebnis, das die damals 10jährige prägte und sicher mit ein Grund dafür war, daß sie später mit 19 Jahren in die SPD eintrat. "Man muß sehr viel Realismus mitbringen", umschreibt die heute 44jährige die politische Zielsetzung. Einer der Beweggründe für die vielseitig interessierte Mutter von zwei Töchtern im Alter von 13 und 16 Jahren, sich auch auf diesem Feld zu betätigen: Ihr Helfersyndrom für andere. "Das Gefühl, etwas für andere zu tun, ist für mich ebenso wichtig wie der Kontakt zu Menschen", meint die gelernte Graphologin und Kauffrau, die auch beruflich ein Multitalent ist. Der Wunsch, sich für Bürger einzusetzen, bestärkte 1983 den Entschluß von Jarka Pazdziora-Merk, in die Kommunalpolitik zu gehen.
    Zunächst aber sammelte die ehemalige Psychologiestudentin bereits in sehr jungen Jahren als Sachbearbeiterin und Handlungsbevollmächtigte Erfahrungen in der freien Wirtschaft. 1979 machte sie sich dann als freiberufliche Graphologin selbständig. Parallel dazu ging sie unaufhaltsam ihren politischen Weg. 1980/1988 war sie Mitglied im SPD-Ortsvereinsvorstand in ihrer Heimatstadt Essen, 1983/1984 Sachkundige Bürgerin im Ratsausschuß Gesundheit und Umwelt, 1984/1990 Mitglied in der Bezirksvertretung. 1985/1990 wurde Jarka Pazdziora-Merk zudem SPD- Fraktionsvorsitzende in Essen. All diese Aufgaben wußte sie dank ihres Organisationstalents immer gut mit der Familie zu vereinbaren. Seit ihrem Einzug in den Landtag stellte sie Aufträge für graphologische Gutachten, die sie ebenso für Betriebe wie für Partnerschaftsanalysen oder in Erbschaftssachen anfertigt, allerdings zurück. "Diese Gutachten sind sehr zeitaufwendig. Der Wähler hat jedoch einen Anspruch darauf, daß ich meine Aufgabe in seinem Sinn erfülle", betont die engagierte Politikerin, die im übrigen sehr gerne Betriebspsychologie studiert hätte. "Ich möchte aber nicht mit allen Aufgaben so sein, daß ich von der Welt nichts mehr mitbekomme. Wenn ich in den Supermarkt gehe und von Leuten angesprochen werde, möchte ich ebenso für sie Zeit haben wie für meine Kinder und deren Aktivitäten und Sorgen."
    Sichergestellt, daß Politik für sie nicht zu abstrakt, sondern bürgernah ist, hat Jarka Pazdziora-Merk auch durch die Auswahl der Ausschüsse, in denen sie im Landtag Mitglied ist. So sind ihr die Ausschüsse für Schule, Kultur, Kinder, Jugend und Familie sehr wichtig. Sie hat unter anderem die direkte Ansprache von Eltern und Kindern. "Man sieht am Ende Gestaltungsmöglichkeiten und Ergebnisse." Allerdings dürften Entscheidungen nicht vom "grünen Tisch" oder unter ideologischen Aspekten getroffen werden, merkt sie an. Natürlich sieht sie diese Arbeit vor dem Hintergrund ihrer beruflichen Ausbildung auch unter dem Gesichtspunkt Management: "Wir können hier etwas umsetzen und bewirken, sehen am Ende ein Ergebnis."
    Ihre eigenen Ziele umschreibt die umtriebige Abgeordnete so: "Eine weitere Periode im Landtag aktiv sein. Und Hauptsache, etwas Gutes und Sinnvolles tun." Entspannung findet die vielseitig interessierte stellvertretende SPD-Ortsvereinsvorsitzende von Essen-Stadtwald vor allem in der Familie: "Sie ist auch der Punkt, wo ich regeneriere." Das bedeutet für sie aber gleichzeitig, daß diese bei allem politischen Engagement im Mittelpunkt steht. Denn: "Meine Töchter sind noch in einem Alter, wo sie mich ein Stück brauchen." In der Familie wird viel über Politik diskutiert. So setzt sich Jarka Pazdziora-Merk auch stark für Frauenrechte ein und versucht, dies den Töchtern weiterzugeben. "Ich habe erst erfahren müssen, wie andere Frauen leben. Es gibt viele, die nicht den familiären Hintergrund gehabt haben wie ich, oder die sich nicht artikulieren können", so erinnert sich Jarka Pazdziora-Merk trotz der politischen Schattenseiten gerne an ihre Kindheit und Jugend zurück. Deshalb ist es für sie heute auch um so wichtiger, daß "wir im Landtag untereinander kooperieren und uns in unseren Fachgebieten austauschen. Wir Politiker müssen uns viel mehr vernetzen und konstruktiv zusammenarbeiten", appelliert sie.
    Eine der wichtigen Voraussetzungen für eine bürgernahe Politik ist für sie: auch die Zwischentöne beim Bürger zu hören. Mit Spannung geht sie deshalb mit den sieben Ortsvereinen ihres Wahlkreises in den Wahlkampf. "Ich versuche sehr viel über Gespräche zu erreichen — auch mit Ministern", sagt die Politikerin, die sich auf die Fahne schreibt: "Ich leiste mir, Politik zu machen, wie ich es für richtig empfinde." Dabei bleibt sie stets ihrer Devise treu: "Ich verspreche nichts, ich bemühe mich darum." Denn Aufrichtigkeit ist für die Abgeordnete, die begeistert immer neue Wege und Betätigungsfelder sucht, das wichtigste.
    Andrea C. Stockhausen

    ID: LI9413A2

  • Porträt der Woche: Egebert Reinhard (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 12 - 21.06.1994

    Wenn ihm die Zeit bleibt, geht er samstags "auf Schalke". Teile von Schalke gehörten zu seinem Wahlkreis, da müsse man sich für Fußball interessieren, meint Egbert Reinhard schmunzelnd. Aber auch für die Dortmunder Borussen habe er etwas übrig. Bei der traditionellen Rivalität der beiden Revierclubs grenzt diese Sympathie für manchen Gelsenkirchener schon fast an Hochverrat. Seine Wähler ahnen von diesen "Abgründen" wahrscheinlich nichts, sonst hätten sie Reinhard seit 1970 nicht regelmäßig mit satten Mehrheiten nach Düsseldorf gewählt.
    Auch wenn man bei einem SPD-Abgeordneten aus Gelsenkirchen anderes vermuten könnte, durch das Elternhaus war sein Engagement bei den Sozialdemokraten nicht vorgeprägt. Im Gegenteil, da galt eher eine konservative Orientierung, der Großvater war sogar Stadtverordneter der Deutschen Volkspartei gewesen.
    Das Interesse an der Politik kam Egbert Reinhard nach dem Kriege, den er als jugendlicher Luftwaffenhelfer und dann für einige Monate auch in Gefangenschaft miterlebt hatte. Wie manche aus dieser Generation stellte er sich und anderen nicht nur die Frage .Wie geht es weiter?" Er wollte auch selbst etwas tun, für das neue, demokratische Deutschland.
    Das erschien ihm dringend notwendig, denn als er sein Abitur machte, stellte er fest, daß dieselben Lehrer, die ihn vor 45 von den Verheißungen des Nationalsozialismus überzeugen wollten, nun den jungen Leuten demokratische Tugenden beibringen sollten.
    Nach dem Abitur arbeitete er als Lokomotivführer im Bergbau, auch unter Tage, um sich Geld für das spätere Studium zu verdienen. Mit den Anfängen des Jura-Studiums in Münster fiel die Diskussion über die Wiederbewaffnung der jungen Bundesrepublik zusammen. Reinhard war wie viele andere seiner Kommilitonen strikt dagegen, engagierte sich im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und wurde 1952 Mitglied der SPD.
    Bereits vier Jahre später ging er als jüngstes Ratsmitglied für die SPD in die Stadtverordnetenversammlung in seiner Heimatstadt. Ab 1962 arbeitete er dann beim Städtischen Rechtsamt, wurde Chef der SPD-Betriebsgruppe und des Arbeitnehmerausschusses, einem Vorläufer der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen. Ein Beamter an der Spitze dieser Organisation war nicht eben alltäglich. Doch die Bergleute und Stahlarbeiter in der SPD hatten ihn akzeptiert, "was Du sagst, können wir verstehen", hatten sie ihm gesagt. Das war eine Anerkennung, die bis heute auch Auftrag für ihn ist.
    Und so waren es eben diese Arbeitnehmer und auch die Jusos, die ihn 1970 aufforderten, für den Landtag zu kandidieren.
    In den vergangenen 24 Jahren war er rechts- und innenpolitischer Sprecher der Fraktion, parlamentarischer Geschäftsführer, Vorsitzender des Rechts- und jetzt des Innenausschusses.
    Besonders am Herzen lag ihm die mehrfache Novellierung des Landespersonalvertretungsgesetzes, mit dem die Mitbestimmungsrechte der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst erheblich verbessert worden sind. Daß nicht zuletzt diese Diskussion ihm selbst in der eigenen Partei den Ruf eingetragen hat, oft zu sehr die Position der ÖTV zu vertreten, stört Reinhard überhaupt nicht. Schließlich ist er seit 40 Jahren Mitglied.
    Was ihn aber ganz gewaltig stört, ist das Vorurteil, die notwendige Modernisierung des öffentlichen Dienstes würde durch die Mitbestimmung behindert. Er hält das für absolut falsch und verweist auf zahlreiche Gegenbeispiele in Kommunen. Dort seien die Arbeitgeber froh, daß sie einen kompetenten Personalrat als Gesprächspartner hätten.
    Die Arbeitsweise des Landesparlaments habe sich deutlich verändert, sagt der 66jährige nicht ganz ohne Wehmut. Anders als früher würde heute stundenlang über Details diskutiert, oft ohne daß die große politische Linie noch erkennbar bleibe. Das sei unbefriedigend, weil man politisch nichts bewege. Und deshalb müsse man sich nicht wundern, wenn der Landtag als politisches Forum in der Öffentlichkeit nicht besonders beachtet würde. Das Parlament müsse sich auf seine Aufgabe als Gesetzgeber konzentrieren und dürfe sich nicht an die Stelle der Exekutive setzen. Auch an die Adresse der eigenen Fraktion sagt er, alle hätten das Problem erkannt, nur niemand unternehme ernsthafte Anstrengungen, um es zu ändern.
    Geändert hätte er gern auch längst die Arbeit der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. Sechs davon hat er in seiner Düsseldorfer Zeit miterlebt, davon einen, den Untersuchungsausschuß zur sog. Parteispendenaffäre, als Vorsitzender. Von der bisherigen Praxis, ein Mitglied des Parlaments zum Vorsitzenden zu machen, hält er gar nichts. Statt dessen sollte besser jemand von außen, z.B. ein Richter, die Verhandlungsführung übernehmen und mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden. Für die Parteien würde es zwar schwerer, den Ausschuß als politisches Kampfinstrument zu benutzen und auch zu mißbrauchen. Doch der Wert der Ergebnisse der Untersuchungsausschüsse sei dann allemal gewichtiger. Und schließlich würde die Glaubwürdigkeit ihrer Arbeit auch in der Öffentlichkeit deutlich erhöht.
    Nächstes Jahr ist für Egbert Reinhard Schluß in Düsseldorf. Die Genossen in Gelsenkirchen hätten ihn sicherlich noch einmal nominiert, doch mit Rücksicht auf seine Gesundheit hat er bereits vor zwei Jahren abgewunken. Ein bißchen unsicher ist er allerdings schon, ob Lesen, Skatspielen und Spaziergänge ausreichen, die fehlende tägliche Dosis Politik zu ersetzen.
    Ralph Kapschak

    ID: LI941245

  • Porträt der Woche: Marlis Robels-Fröhlich (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 14.06.1994

    Nur wenigen Parlamentariern bietet sich die optimale Konstellation, Beruf und Politik zum beiderseitigen persönlichen Nutzen zu verbinden. Bei der CDU-Landtagsabgeordneten und Fernseh-Programmacherin Marlis Robels-Fröhlich ergänzen sich beide Tätigkeitsfelder. Durch ihre berufliche Arbeit lernt die Kölnerin viele Menschen aller gesellschaftlichen Gruppen kennen, und sie wird mit deren unterschiedlichen Problemen konfrontiert. Diese Kontakte geben wiederum viele Anregungen für das parlamentarische Wirken, machen es aufgrund gewonnener Erfahrungen praxisorientiert.
    Ursprünglich wollte die gebürtige Geldernerin, Jahrgang 1937, Medizinerin werden. Doch während ihres Studiums in Köln jobbte sie beim Westdeutschen Werbefernsehen und fand zunehmend Interesse an den elektronischen Medien. So wechselte sie vom Hörsaal in das Studio, volontierte und arbeitete sich in den folgenden Jahren bis in die Fernsehdirektion hoch. Mehr als hundert Klein-Porträts über Landschaften, von der Eifel bis zum Weser bergland, machten sie ebenso bekannt, wie beispielsweise die erfolgreiche Familienserie "Auto-Fritze". Und nicht minder stolz ist Marlis Robels-Fröhlich auf die populäre Unterhaltungssendung "WWF-Club" mit Jürgen von der Lippe.
    Bereits 1967 trat die Kölnerin der CDU bei, politisch aktiv wurde sie allerdings erst mehrere Jahre später, als die Frauen- Union sie zum Mitmachen drängte. Seit 1985 gehört sie deren Landesvorstand an und seit 1988 auch dem Bundesausschuß Medienpolitik der CDU. Ihre kommunalpolitische Tätigkeit begann die Christdemokratin 1975 mit der Wahl in den Kölner Stadtrat, dem sie fast 14 Jahre angehörte. Als Sprecherin ihrer Fraktion im Gesundheitsausschuß engagierte sie sich besonders für ein "menschliches Krankenhaus" und für Humanität in der Psychiatrie. Im Kutturbereich trug die Fernsehredakteurin zum Aufbau Kölns als "NRW-Medienstadt" entscheidend bei.
    Als sogenannte Nachrückerin kam Marlis Robels-Fröhlich 1983 in den Landtag, wo ihre Fraktion sie zunächst in die Ausschüsse für Arbeit und Kultur sowie in den Rechtsausschuß berief. Heute ist sie stellvertretende Vorsitzende des Rechtsausschusses und leitet auch dessen Vollzugskommission. Als äußerst brisant bewertet die Kölnerin die derzeitige Lage des Strafvollzugs in Nordrhein-Westfalen: überfüllte Anstalten, teilweise bis zu dreißig Prozent überbelegt, große Drogen-Probleme und in den Untersuchungsgefängnissen besonders viele Jugendliche und Ausländer aus sechzig verschiedenen Nationen — und das alles bei zu wenig Personal.
    Die Christdemokratin plädiert denn auch für eine realistische Umsetzung des Strafvollzugsgesetzes. Nicht jeder Häftling beispielsweise sei nach ihrer Einschätzung fähig und willens zur Resozialisierung, und dies sollte auch berücksichtigt werden. "Also kein Zwang zu Resozialisierungskursen und ähnlichem." Jene aber, die sich auf ein straffreies Leben in Freiheit ernsthaft vorbereiten wollten, müßten die größtmögliche Unterstützung erhalten. Die Vorsitzende der Vollzugskommission erwartet vom Justizministerium entsprechende Vorschläge, "frei von jeder Ideologie".
    Als Kölnerin engagiert sich die Parlamentarierin im Landtag natürlich auch für den weiteren Ausbau ihrer Stadt als Medienzentrum. Keine andere Stadt in Nordrheinwestfalen hätte dafür bessere Voraussetzungen — mit dem WDR als größtes Funkhaus, dem Deutschlandfunk, der Deutschen Welle und RTL. Es gebe große Studios, viele mittlere und kleinere Betriebe der Medienwirtschaft, und zahlreiche Schauspieler wohnten in Köln. Die Medienpolitik des Landes sollte nicht nach dem Gießkannenprinzip betrieben, sondern konzentriert auf vorhandene Strukturen ausgerichtet werden.
    Nach zwölf Jahren im Landesparlament strebt die Journalistin, die in ihrer Freizeit gern reist und kocht, im Herbst ein neues parlamentarisches Wirkungsfeld an, den Bundestag. Wenn sie den Wechsel schafft, auch als Neuling würde die Kölnerin wegen ihrer großen Sachkenntnis in den verschiedenen Bereichen und ihres politischen Engagements bald unter ihren neuen Kollegen Beachtung finden.
    Jochen Jurettko

    ID: LI941144

  • Porträt der Woche: Daniel Kreutz (GRÜNE).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 10 - 31.05.1994

    Die Mobilisierung gesellschaftlicher Gegenmacht ist für Daniel Kreutz die zentrale politische Triebfeder: Mobilisierung gegen Armut, Arbeitslosigkeit und eine Umverteilung von unten nach oben. Der Abgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht sich als radikaler Interessen Vertreter für die Schwachen der Gesellschaft.
    Der 1954 in Reckling hausen geborene Parlamentarier knüpft in seinem politischen Engagement an das politische Wirken seiner Großväter an. Während er seine Eltern und ihr Umfeld als Lehrer eher als kleinbürgerlich charakterisiert, seien die Großväter "waschechte Proletarier" gewesen: Der eine Arbeiterrat in Recklinghausen, der andere KPD-Funktionär. Trotz eines angefangenen Studiums der Germanistik und Philosophie in Köln wollte Daniel Kreutz selbst nie Lehrer werden, die ständige "Disziplinierung von Kindern" habe er nicht aushalten wollen. Deshalb brach er sein Studium vorzeitig ab und ließ sich zum Maschinenschlosser umschulen. In einem kleinen Sondermaschinenbetrieb wurde er schnell Betriebsratsvorsitzender. Politisiert wurde Daniel Kreutz Anfang der siebziger Jahre durch die Spätwirkungen von Vietnamkrieg und Bildungsnotstand. Er engagierte sich in der "Gruppe internationaler Marxisten", einer trotzkistischen Splittergruppe, in der er bis zum ZK-Sekretär aufstieg. Er selbst habe schon damals die Auseinandersetzung mit der SPD als "wichtigster Strömung in der real existierenden Arbeiterbewegung" gesucht; andere K-Gruppen hätten unsinnigerweise versucht, den Kapitalismus mit sozialistischer Propaganda zu erschlagen; den realen DDR-Sozialismus empfand er als Begräbnis der eigenen linken Ideale. In der Gründungsphase der Grünen arbeitete Kreutz in einer Leverkusener Bürgerinitiative und versuchte insbesondere, Gewerkschafter gegen Atomanlagen zu mobilisieren. Die neue Partei lehnte er anfangs ab, da sie versucht habe, überparteiliche Bürgerbewegungen zu vereinnahmen. Doch als die Grünen ein wirtschaftliches Umbauprogramm Jenseits des Systemdualismus aus Kapitalismus und Kommunismus" zu entwerfen begannen, wurde die Partei für ihn attraktiv; 1986 wurde Daniel Kreutz Mitglied und unverzüglich Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft "Grüne und Gewerkschaften". Um nicht nur in der Partei, sondern auch in der Arbeitnehmervertretung politisch "ernster genommen" zu werden, ließ sich Daniel Kreutz 1990 in den Düsseldorfer Landtag wählen. Seitdem wird er häufig zu Podiumsdiskussionen eingeladen. Im Landtag arbeitet er im Sozialausschuß. Dort ist die SPD, die sich gern als "Partei der kleinen Leute" präsentiere, für den Grünen-Abgeordneten der zentrale politische Gegner: Gerne weist Kreutz auf die steigende Zahl von Millionären auch in Nordrhein-Westfalen hin; die SPD tue zuwenig gegen die "Bonner Umverteilung von unten nach oben", wirke mit am Abbau von Sozialleistungen und passe sich dem allgemeinen Rechtsruck in der Gesellschaft an.
    In seinem radikalen Engagement für sozial Schwache, Arbeitslose, Behinderte und Flüchtlinge sieht sich der Abgeordnete oft als einsamer Rufer in der Wüste. Selbst in der eigenen Fraktion gilt er als Linksaußen. Seine ernüchternde Bilanz nach beinahe vier Jahren Parlamentsarbeit: In der politischen Diskussion zähle selten das bessere Argument, es gehe vielmehr um bloße Machtpolitik. Kreutz ist fest davon überzeugt, daß gerade SPD-Politiker häufig seinen sozialpolitischen Argumenten folgen; doch die meisten würden schließlich aus Loyalität zur Landesregierung gegen ihre Überzeugung abstimmen.
    Daniel Kreutz sieht sich selbst als "Überzeugungstäter"; er sagt, was er denkt. Akribisch arbeitet er Gesetzesentwürfe durch und zeigt sozialpolitische Spielräume auf. Auch über die eigene Fraktion hinaus sind seine Fachkenntnisse durchaus geschätzt, doch vielen gilt er in seiner oft radikalen Kritik nicht als politikfähig. Er selbst verweist nicht ohne Stolz darauf, stets das gemacht zu haben, was er für richtig hält, sich nicht falschen Sachzwängen untergeordnet zu haben.
    An materiellen Erfolgen seiner parlamentarischen Arbeit fällt ihm nur wenig ein; da sei mal die eine oder andere Drogenhilfeeinrichtung auf seine Initiative hin gerettet worden, und aus der Forderung eines Lesben- und Schwulenreferats sei eine Landesförderung für den nordrhein-westfälischen Schwulenverband herausgesprungen; immerhin sei sein Büro inzwischen eine anerkannte Hilfsadresse für zahlreiche Minderheiten. Trotz aller Frustration will Daniel Kreutz auch 1995 erneut für den Landtag kandidieren. Er wünscht sich eine rot-grüne Koalition, und da werde er aufpassen, daß sich "die Grünen von den Sozis nicht über den Tisch ziehen lassen".
    Richard Hofer

    ID: LI941068

  • Porträt der Woche: Jürgen Thulke (SPD).
    Porträt
    S. 31 in Ausgabe 9 - 10.05.1994

    Er zählte zu der vielzitierten "68er Generation" — der "unruhigen Linken", die mit Proklamationen und Aktionen gesellschaftliche Gegebenheiten verändern wollte. Es war eine "heiße Zeit", erinnert sich heute Jürgen Thulke, SPD-Landtagsabgeordneter aus Essen. Dem früheren örtlichen Vorsitzenden der Jungsozialisten ist allerdings nicht nur die Erinnerung geblieben, auch sein kämpferischer Elan. Der Lebensweg des gebürtigen Esseners, Jahrgang 1938, begann wie viele andere: Volksschule, Realschule, mittlere Reife, Abitur im zweiten Bildungsweg. Dann entschied er sich für die Postlaufbahn, besuchte die Post-Ingenieur-Schule in Berlin und schloß sie als Ing. (grad) ab. Das berufliche Tätigkeitsfeld war dann das Fernmeldeamt Essen, wo er zuletzt als Oberamtsrat fungierte. Schon früh stieß der Sozialdemokrat zu den Gewerkschaften und vertrat die Interessen seiner Kollegen im Personalrat deren Vorsitzender er 1981 wurde.
    Die damalige Berlin-Krise, die Zeit kurz vor Errichtung der Mauer, die er in der deutschen Hauptstadt miterlebte, hat Jürgen Thulke "politisiert". So trat er der SPD bei und engagierte sich zunächst bei den Jungsozialisten. Als sie mit spektakulären Aktionen gegen das "Betreten verboten" der meist privaten Wald- und Uferwege um den Baldeney-See protestierten, war ihnen die öffentliche Aufmerksamkeit sicher. Später übernahm der Stadtrat die Forderungen der Jusos und setzte sie durch. "Wir hatten das Problem im Rat sturmreif geschossen."
    Seit seinem Eintritt in die SPD gehörte er mehreren Parteigremien an, so u.a. dem Unterbezirks- und Bezirksvorstand. Bereits seit 1972 ist Jürgen Thulke Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Essen-Frintrop. Dem Rat der Stadt Essen gehörte er zwei Legislaturperioden, von 1975 bis 1984, an. Dort galt sein Interesse der Stadtplanung und dem Sport. Wenn heute der Essener Norden von zahlreichen Grünflächen mit Wanderwegen geprägt ist, so ist es sein Mitverdienst. "Ein mühsames politisches Geschäft, ein Kampf von Parzelle zu Parzelle", resümiert er heute. Engagiert setzte er sich als Ratsvertreter für die Wohnumfeldverbesserung ein. Inzwischen eine erklärte Politik der Ruhrgebietsstädte.
    Als er 1985 als Direktkandidat in den Landtag gewählt wurde, berief ihn seine Fraktion in den Ausschuß für Kommunalpolitik. Schwerpunkt der Arbeit des Sozialdemokraten in diesem Parlamentsgremium ist auch heute noch die Gemeindefinanzierung. Nicht immer unter dem Beifall der anderen Kollegen ficht der Essener für die Großstädte, die er benachteiligt sieht. "Sie müssen eine Reihe von Problemen bewältigen, die die kleineren Gemeinden und Landkreise nicht kennen." Als Beispiele nennt er den Mangel an Flächen und demzufolge die hohen Grundstückskosten. Zwar würden die Einwohnerzahl und die Arbeitslosenquote bereits bei der Vergabe der Landesmittel berücksichtigt, doch dies genügt nach seiner Einschätzung nicht. "Wir brauchen ein Gutachten, das die unterschiedlichen finanziellen Belastungen der Städte nach ihrer Größe prüft." Für ungenügend hält Jürgen Thulke auch den finanziellen Ausgleich des Landes für die Aufwendungen der Kommunen für Asylbewerber und die Fördermittel für den Bau von Kindergärten. Angesichts der teuren Grundstücke sei die Fünfzig-Prozent-Förderung tatsächlich nur eine Ein-Drittel-Mitfinanzierung.
    Im Ausschuß für Wissenschaft und Forschung engagiert sich der Essener verständlicherweise vor allem für die Studienstätten seiner Heimatstadt. So sei der Neubau der Frauen-Klinik im Universitäts-Klinikum dringend erforderlich. Ebenfalls benötige die Gesamthochschule mit ihren inzwischen mehr als 20000 Studenten unbedingt einen größeren Hörsaal. Er hofft, daß nach Fertigstellung der Planungen die erste Baurate im nächsten Jahr bewilligt wird. Schließlich wirbt er für den Neubau für Wirtschaftswissenschaften und Informatik sowie eines sogenannten "Drittmittelhauses", in dem nur geforscht wird.
    Eigentlich hatte Jürgen Thulke Biologie studieren wollen, doch der berufliche Weg verlief anders. So machte er seinen Berufswunsch wenigstens zum Hobby — in zwei Gewächshäusern züchtet der Essener tropische Pflanzen, blühen Orchideen aus fernen Ländern. Und in seinem Arbeitszimmer erinnern Fots an ein weiteres Hobby. Mit Fotoapparat und Videokamera spürt er andere Länder auf und überfliegt dabei oft den Äquator.
    Jochen Jurettko

    ID: LI940989

  • Porträt der Woche: Bärbel Wischermann (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 8 - 26.04.1994

    Sie war die erste, die in ihrer Heimatstadt Bottrop Sprechstunden für die Bevölkerung einrichtete und die Bürgernähe suchte. Ob als Mitglied des Pfarrgemeinderates, als Schulpflegschaftsvorsitzende oder Ratsfrau, Bärbel Wischermann ist für die Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort immer da. "Ich habe schon immer gerne mit den Leuten geredet", sagt die 49jährige, die 1990 in den Landtag kam und seit 20 Jahren Mitglied der CDU ist. Viele Ämter absolvierte sie ehrenamtlich, bevor sie sich 1974 entschied, "ich mache aktiv mit". Als Mutter von drei mittlerweile erwachsenen Kindern war und ist sie natürlich auch Ansprechpartner in Sachen Kindergarten, und zwar schon lange bevor die Diskussion über dieses Thema öffentlich entfacht wurde. Jugendliche lagen der Pädagogin schon berufsbedingt immer sehr am Herzen. Und so ist es heute nur natürlich, daß die Ratsfrau Schulausschußvorsitzende in Bottrop und zudem Mitglied im Schulausschuß des Landes ist.
    Voller Enthusiasmus diskutierte sie jüngst mit Schülern der Oberstufe. "Ich habe einfach Schulen angeschrieben. Das ist so gut angekommen, daß wir es zu einer festen Einrichtung machen." "Auch bei uns zu Hause wurde und wird immer heiß diskutiert", sagt sie im Hinblick auf manch schwierige Frage, die ihr dabei von den Gymnasiasten gestellt wurde. Ohnehin nimmt die streitbare Politikerin kein Blatt vor den Mund, riskiert eher, daß sie sich einmal unbeliebt macht, als anderen Menschen etwas vorzumachen. Ihre Devise lautet "offen und ehrlich und auch einmal verlieren können". Denn: "Jede Negativ- Erfahrung ist auch eine Form der Persönlichkeitsgestaltung." Das wichtigste in der Politik ist für sie neben absoluter Ehrlichkeit Sachkundigkeit und der Vorsatz, "sich selbst treu zu bleiben".
    Sehr viel Spaß macht ihr auch die Arbeit im Petitionsausschuß des Landtags und in der Finanzkommission des Landes. So verhalf sie etwa einer Witwe, die eine Petition einreichte, zu ihrer Rente oder einem Lehrer zu seinem Beamtenrecht. "Auch das baut Politikverdrossenheit ab, wenn die Menschen merken, daß wir uns um sie kümmern." Und genau das schreibt sie allen Parteien im Petitionsausschuß auf die Fahne. Schon deshalb wünscht sich Bärbel Wischermann für das Wahljahr 1994, "daß keine Schlammschlachten ausgetragen werden, daß es keine Kampfmethoden, verbale Angriffe oder ein Hauen und Stechen gibt."
    Ganz ehrlich gibt Bärbel Wischermann zu, daß das Privatleben bei einer 70-Stunden- Woche leider oft auf der Strecke bleibt. Denn das gehört ihrer Meinung nach ja auch zum Leben dazu. "Ich hätte gerne mal Zeit für einen Marktbummel." Und leider würde man von Bekannten oft hören: "Du hast ja doch nie Zeit." Zum Glück aber unterstützt ihr Mann ihr politisches Engagement. Abgesehen davon ist Bärbel Wischermann ein Organisationstalent. Und das muß sie angesichts einer Fülle von Ämtern auch sein. Denn sie ist nicht nur seit 1984 Geschäftsführerin des Rhein-Ruhr-Klubs, sondern auch seit 1986 Beisitzerin der Frauenunion Bezirk Ruhrgebiet sowie Mitglied der Mittelstandsvereinigung der CDU. Die wenige Freizeit nutzt sie für Spaziergänge und ihr Hobby, die Kunstgeschichte. "Ich wollte dieses Fach eigentlich immer studieren", erzählt sie. Heute profitiert sie immer noch von den Studiengängen ihrer Kinder einmal zusätzlich. Was Bärbel Wischermann macht, macht sie mit Leidenschaft. "Ich war auch gerne Hausfrau und begeisterte Mutter", erinnert sie sich gerne an die Zeit zurück. Was ist für sie der größte Erfolg in der Politik? "Wenn ich den Bürgern erklären kann, wie schwierig die Politik ist. Wenn ich dafür werben kann, Verständnis für uns zu haben", sagt die stellvertretende Kreisvorsitzende der Frauenunion in Bottrop.
    Zur Situation der Frauen auf dem politischen Parkett meint sie: "Frauen agieren zwar oft im Hintergrund, zerreden aber nicht soviel wie Männer, bringen Themen gezielter auf den Punkt." Von der Quotenregelung hält Bärbel Wischermann indes überhaupt nichts. Vielmehr glaubt sie, daß diese den Frauen im Gegenteil auch schadet. Ihre Devise ist: "Derjenige, der der Beste ist, muß auch gewinnen." Ein Problem sieht sie allerdings darin, daß heute noch überwiegend Männer Entscheidungsträger sind. Doch auch dies werde irgendwann ad acta gelegt. "Die jungen Leute — ob Mann oder Frau — gehen heute doch schon ganz anders miteinander um."Frauen seien auch dazu aufgerufen, einmal durchzuhalten. Sie selbst hat sich das Motto "Das Leben ist so spannend" auf die Fahne geschrieben. Und so wird sie nie müde, immer neue Wege zu beschreiten. Die führen sie im Urlaub beispielsweise in die Bretagne, die Normandie oder nach Griechenland. Und auch hier ist Bärbel Wischermann stets auf Entdekkungstour. Denn neben dem Fulltimejob Politik sind auch Schlösser und Kirchen ihr großes Steckenpferd.
    Andrea C. Stockhausen
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI940869

  • Porträt der Woche: Gerd Mai (Grüne).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 19.04.1994

    Die Auseinandersetzung um die Startbahn West in Frankfurt, das Aufeinanderprallen von wirtschaftlichen Notwendigkeiten und ökologischen Erfordernissen — diese Erlebnisse haben seine politische Einstellung wesentlich geprägt.
    Für Politik hatte Gerd Mai sich schon während seiner Schulzeit interessiert, die Studienzeit an der Uni in Frankfurt gab den Ambitionen einen zusätzlichen Schub: Hier bekam er Kontakt zu Umweltgruppen und zu den Grünen.
    Daß sein Engagement für den Umweltschutz und gegen den Braunkohlentagebau in Garzweiler ihn, nachdem er nach Aachen zurückgekehrt war, auch parteipolitisch aktiv werden ließ, war dann eigentlich eine logische Konsequenz. 1983 war es soweit, Gerd Mai wurde Mitglied der Grünen.
    Zwei Jahre später kandidierte er mit Erfolg für den Rat seiner Heimatstadt Heinsberg, wurde Fraktionsvorsitzender und ging in den Bezirksplanungsrat beim Regierungspräsidenten in Köln.
    Um Dinge wie Abfallentsorgung und Braunkohle ging es da, und damit war er auch mitten in den landespolitischen Themen. In der eigenen Partei war er allerdings auf der Landesebene nicht weiter in Erscheinung getreten.
    Seine Kandidatur auf Platz 4 der Landesliste für die Landtagswahl 1990 hatte deshalb nur Außenseiterchancen — aber am Ende eben doch Erfolg. Das war um so überraschender, als Mai so gar nicht dem allgemein üblichen Klischee des "Grünen" entsprach: er kam aus dem ländlichen Raum und nicht aus dem gutbürgerlichen oder studentischen Milieu der Ballungsräume an Rhein und Ruhr. Seine "Basis" waren Kirchen, Verbände, wertkonservative Umweltschützer und nicht die "Szene" der Großstädte.
    Außerdem war er Lehrer an der Polizeischule in Linnich. Es war Zufall, daß er nach dem Germanistik- und Sportstudium dort gelandet war — aber bis heute hat er diese Zeit nicht bereut. Im Gegenteil, die Arbeit mit den jungen Polizisten hat ihm Spaß gemacht.
    Daß sich die Grünen als Partei verändert haben, kommt ihm, der sich nicht nur als Vertreter von Minderheiten versteht, sehr entgegen. Die politische Mitte müsse ebenso angesprochen werden wie Randgruppen, deren Schutz die Partei allerdings nach wie vor verpflichtet sei, meint Gerd Mai.
    Der Begriff "Gemeinwohl", bei manchem Grünen als konservative Ideologie verschrien, geht ihm ohne Zögern über die Lippen.
    Wie unterschiedlich dieser Begriff jedoch interpretiert werden kann, weiß der grüne "Realo" spätestens aus der aktuellen Auseinandersetzung über den Braunkohlentagebau Garzweiler II. Bei der Abwägung zwischen der Sicherung von Arbeitsplätzen und dem Erhalt einer halbwegs intakten Umwelt hätte sich die stärkere Lobby der Wirtschaft mit Berufung auf das Gemeinwohl durchgesetzt — gegen die politisch schwächer repräsentierten Umweltverbände. Hier müßten Arbeit und Umwelt mit neuen Ideen einander ergänzt und nicht das eine gegen das andere ausgespielt werden, fordert der umweltpolitische Sprecher seiner Fraktion. Er hofft, daß die Landesregierung die Planung zu Garzweiler II vor der nächsten Landtagswahl nicht mehr in trockene Tücher bringen kann. Denn nach dem Wahltag könnte manches ganz anders aussehen.
    Aber auch in den eigenen Reihen seien neue Ansätze und Phantasie im Umgang mit den aktuellen Problemen notwendig. Trotzdem werde "Querdenken" selbst bei den Grünen gelegentlich sanktioniert.
    In der Debatte über finanzielle Einsparungen der öffentlichen Hand etwa bedauert Mai, daß die Grünen dieses Feld nicht positiv besetzten. Schließlich seien sie angetreten, um Ressourcen zu schonen. Das sei auch auf finanzielle Mittel übertragbar. Statt sich konstruktiv für einen effizienteren Einsatz öffentlicher Gelder und eine Strukturreform der öffentlichen Verwaltung einzusetzen, agiere die Partei viel zu defensiv. Es gehe eben nicht nur um Sozialabbau und Stellenstreichungen. Die Vorstellung, vielleicht einmal in der Umweltverwaltung zu arbeiten, um zu sehen, ob die Konzepte praxistauglich sind, die man selbst mitentwickelt hat, findet der 36jährige ebenso reizvoll wie die Idee, wieder in den Lehrerberuf zurückzugehen. Doch zunächst will der Vater eines Sohnes seine Arbeit im Landtag fortsetzen. Und wenn nicht alles täuscht, dann wird er diesmal nicht als Außenseiter in die parteiinterne Nominierung gehen.
    Es sei denn. Umweltminister Klaus Matthiesen würde Gerd Mai — wie vor kurzem — noch einmal während einer Plenarsitzung öffentlich loben. Doch die Gefahr ist bei der bekannten Sympathie des Ministers für diese Oppositionspartei relativ gering.
    Ralph Kapschack

    ID: LI940756

  • Porträt der Woche: Ellen Werthmann (SPD).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 6 - 22.03.1994

    "Schuld" an ihrem Einstieg in die Politik war ihr Vater, der als Bundesbahnbeamter stark in der Gewerkschaft engagiert war. Nachdem er Ellen Werthmann, seine jüngste Tochter, mit zu einer Wahl genommen hat, war für sie klar: "Ich will mich politisch engagieren." Mitglied der SPD wurde die 56jährige jedoch erst mit 30 Jahren. Zu gut hatte sie noch die Schwierigkeiten in Erinnerung, die ihr Vater wegen seiner Parteizugehörigkeit hatte. Daß sie sich den Sozialdemokraten anschloß, lag in der Natur der Dinge. Denn schließlich ist ihre Geburtsstadt Gelsenkirchen. Elf Jahre lang war Ellen Werthmann zunächst kommunalpolitisch tätig, setzte sich vor allem in den Bereichen Jugend und Schule ein. Als die gelernte Großhandelskauffrau, die über den zweiten Bildungsweg den Realschulabschluß machte, 1979 in den Rat der Stadt Gelsenkirchen kam, war sie fünf Jahre lang Vorsitzende des Obdachlosenbeirates. "Gelsenkirchen war eine der ersten Städte, die einen Obdachlosen- und Behindertenbeirat hatte." Darüber hinaus ist die Mutter von zwei erwachsenen Kindern stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen und Ortsvereinsvorsitzende der SPD in Gelsenkirchen, im übrigen eine von zwei Frauen in insgesamt 28 Ortsverbänden. Allein in ihrem Wahlkreis gibt es zwölf Verbände. .Um bürgernahe Politik zu betreiben", richtete sie dort ein Bürgerbüro ein. "Es kommen ebenso viele junge Menschen mit familiären Problemen zu uns wie ältere Personen mit Wohnungssorgen", erzählt die sozial engagierte Politikerin. "Wir freuen uns, daß sie die Schwellenangst überwinden und zu uns kommen." Dabei glaubt sie zu erkennen, daß die so oft beschriebene Politikverdrossenheit bei jungen Leuten nicht so groß ist. Von den drei Ausschüssen, in denen Ellen Werthmann im Landtag ist, liegt ihr der "Bauen und Wohnen "besonders am Herzen. "Wir sind in NRW an den Grenzen unserer Möglichkeit angekommen und fühlen uns von Bonn im Stich gelassen. Wenn man den Menschen die Wohnung nimmt, ist der soziale Abstieg programmiert." Deshalb sei es jetzt wichtig zu überlegen, ob man andere und einfachere Bauformen wähle und vor allem Baugenehmigungen vorantreibe. »Es ist doch zum Beispiel fraglich, ob man immer Keller braucht", meint sie im Hinblick auf die teilweise hochgeschraubten Standards, die ihrer Meinung nach eindeutig nach unten geschraubt werden müssen. Dabei müsse man jedoch weiter Wert auf ökologisches Bauen legen, zum Beispiel Wege finden, um die Heizkosten zu senken. So manches Schicksal, das die Politikerin mit Herz erfährt, geht ihr schon sehr nahe. Doch: "Es ist auch gut, daß man nicht wie eine Roboter funktioniert", meint sie dazu. Mit einigem Stolz erinnert sie sich daran, daß sie oft Menschen persönlich helfen konnte. In ihrer Heimatstadt wissen die Bürger, daß sie auch am Wochenende Ellen Werthmann zu Hause anrufen können. "Das Gefühl, helfen zu können, befriedigt auch als Politiker." Zum Thema Politikverdrossenheit spart sie nicht mit Kritik an den Medien. "Wenn sie nur negativ berichten, bleibt das nicht aus." Ihre größte Angst im Mammutwahljahr: "Daß die Wahlbeteiligung in anderen Ländern nur bei 40 Prozent liegt." Und "Gerade Frauen sollten ihr Recht nun in Anspruch nehmen", appelliert sie. Im Grunde glaubt Ellen Werthmann, "daß Frauen politischer sind, als man meint". Lange Zeit hat sie sich in Gelsenkirchen gegen die Quotenregelung gestellt. "Doch jetzt bläst uns der Wind ins Gesicht." Denn immerhin ist jeweils 40 Prozent des anderen Geschlechts in der Politik vertreten. Aber: "Wir Frauen stehen noch am Anfang." Ellen Werthmann hatte das Glück, in einen "gemischten Ortsverein" der SPD hineinzukommen und erkannte recht schnell, "daß Frauen gerade in der Kommunalpolitik sehr gut arbeiten und sich stark engagieren". Gleiches gilt ihrer Meinung nach für die Kolleginnen in der Fraktion. Gar nichts hält sie davon, die deutsche Sprache zu feminisieren. "Das ist nicht der Knackpunkt." Ebenso ist sie davon überzeugt, daß niemand direkt in die Politik gehen sollte, sondern erstmal einen Beruf erlernen müßte. "Dann hat derjenige ein ganz anderes Verständnis für die wirklichen Probleme." Sehr bedauert Ellen Werthmann, daß heute der Nachwuchs in der ehrenamtlichen Mitarbeit fehlt. " Viele sind in einer satten Zeit groß geworden, haben das Miteinander in einer Ellbogengesellschaft nicht mehr gelernt." Ihre Devise in der Politik — "Nicht nur meckern, sondern machen. Denn man lernt immer dazu und bleibt dadurch jung." Wichtig ist für sie, daß die Familie angesichts des großen politischen Engagements mitzieht. Bei einem 14- bis 15-Stundentag müssen alle an einem Strang ziehen und viel Verständnis aufbringen. Im Urlaub allerdings ist für sie die Hauptsache, "daß man nicht am Telefon verlangt wird". Denn zumindest die 14 Tage im Jahr, die sie mit ihrem Mann in Holland an der See verbringt, möchte sie abschalten. Dann findet sie auch Zeit, um dem Hobby Literatur nachzukommen, wobei sie auch hier in erster Linie Menschenschicksale bewegen.
    Andrea C. Stockhausen
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI940678

  • Porträt der Woche: Bernhard Flessenkemper (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 08.03.1994

    Auf den ersten Blick hat er eine typisch sozialdemokratische Parteikarriere gemacht: Als Jugendlicher schloß er sich den "Falken" an und bekam so Kontakt zur SPD, mit 18 Mitglied, dann Arbeit im Ortsverein, Ratsmandat und schließlich 1990 die Wahl in den Landtag als Abgeordneter für den Wahlkreis Düsseldorf III. Aber ganz so einfach war es dann doch nicht. Denn kurz nach seinem Eintritt in die SPD 1968 mußte der heute 44 jährige sein politisches Engagement für einige Zeit erheblich zurückfahren. Neben dem Studium war da auch noch eine Familie zu versorgen. Der gelernte Großhandelskaufmann hatte die Fachhochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt und studierte Betriebswirtschaft.
    Die Diplomarbeit brachte ihn dann wieder zu seinen politischen Wurzeln zurück. Es ging um "social marketing", um die Frage, ob und wie betriebswirtschaftliche Instrumente auch in den sogenannten "non-profit Organisationen" eingesetzt werden können, bei Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, aber auch z.B. beim Organisationsaufbau und der Personalplanung. Als Beispiel nahm Bernhard Flessenkemper die Arbeiterwohlfahrt. Das war kein Zufall, er hatte dort seinen Zivildienst absolviert und kannte daher den Alltag dieser Organisation nicht nur aus der Perspektive der Studierstube. Die Idee, nach dem Examen bei der AWO beruflich "einzusteigen", ließ sich aber nicht realisieren. Stattdessen heuerte Bernhard Flessenkemper in einer Marketingagentur an, wurde dort bald Abteilungsleiter und packte die Chance, sich selbständig zu machen, 1984 beim Schopf.
    Neben seiner erfolgreichen beruflichen Entwicklung fand er auch wieder Zeit, sich stärker in der Partei zu engagieren. Als Bezirksvertreter bereits kommunalpolitisch erprobt, kandidierte er 1985 für den Düsseldorfer Stadtrat. Doch als er 1990 in den Landtag einzog, gab er das Ratsmandat ganz bewußt auf: Anders als Landtagskollegen, die im Doppelmandat eine sinnvolle Verbindung von Kommunal- und Landespolitik sehen, wollte er sich auf die Landtagsarbeit konzentrieren.
    Und da widmet er sich vor allem der Umweltpolitik und den Themen Jugend und Familie. Das Engagement und die Hartnäckigkeit des Parlamentsneulings — er hat auch nichts dagegen, wenn man ihn ehrgeizig nennt — all dies scheint sich herumgesprochen zu haben. Im vergangenen Herbst wählte ihn die Fraktion zum stellvertretenden umweltpolitischen Sprecher. Dabei riskiert Flessenkemper, manchmal auch den eigenen Genossen auf die Nerven zu gehen. Denn was ihm nach wie vor viel zu oft fehlt, ist, wie er sagt, eine "professionelle" Herangehensweise an politische Probleme, eine konkrete Analyse der Durchsetzbarkeit, eine Aufstellung von Ablauf- und Zeitplänen und die effektive Kontrolle, welche Maßnahmen wie gegriffen haben. Bei solchen Kriterien läßt sich der Betriebswirt nicht verleugnen.
    Aber Flessenkemper will nicht als purer Technokrat gelten. Im Gegenteil: Die Angewohnheit in der Politik, jede Menge Papier zu produzieren und mit Allgemeinplätzen zu füllen, sei ein Grund für die vorhandene Politikverdrossenheit. Viele Dinge seien mittlerweile so komplex, daß sie nicht mehr kurzfristig zu managen seien. Deshalb sei es notwendig, auch nach außen Zwischenschritte deutlich zu machen, die zeigten, daß sich etwas bewegt und daß Politik handlungsfähig ist. Außerdem müsse die immer noch starke Vorliebe vieler Politiker eingeschränkt werden, bei einem bestimmten Problem zunächst einmal alle Eventualitäten zu erfassen und zu diskutieren, um dann eine Lösung zu finden, die für alle und zu jeder Zeit paßt. Oft sei es sinnvoller, einfach zu beginnen, Wege und Lösungsmöglichkeiten zu erproben, statt auf die Patentlösung zu warten.
    Als aktuelles Beispiel fällt ihm da die große Anfrage der SPD zur Rolle des Autos in der Stadt ein, an der er als Umweltpolitiker mitgearbeitet hat. Natürlich sei es sinnvoll, dieses Thema theoretisch aufzuarbeiten. Aber gleichzeitig hätte er sich gewünscht, konkreter darüber zu diskutieren, in welchen Kommunen schon etwas getan wird, wo es dabei hakt, welche Vorschriften sich in der Praxis bewährt haben oder auch nicht, wo welche Modellversuche möglich und sinnvoll sein könnten usw. usw. Umweltpolitisch ist Gerhard Flessenkemper übrigens nicht nur im Landtag engagiert. Bei der Bürgerinitiative gegen den geplanten Container-Bahnhof in Düsseldorf-Eller arbeitet er ebenfalls seit Jahren mit.
    Bei soviel Politik bleibt dem Familienvater für richtige Hobbys kaum noch Zeit. Trotzdem hat er den Schritt in den Landtag bisher nicht bereut. Eins habe er allerdings noch nicht richtig im Griff, sagt er: Die Flut von Papier effektiv zu bewältigen, die sich jeden Tag auf seinem Schreibtisch sammle. An der konkreten Lösung für dieses Problem wird er noch weitertüfteln müssen, schließlich will er im kommenden Jahr erneut für das Landesparlament kandidieren.
    Ralf Kapschack
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI940548

  • Porträt der Woche: Franz Skorzak (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 4 - 01.03.1994

    Ein engagierter Gewerkschafter und CDU- Mitglied "aus voller Überzeugung" - da muß er doch die falsche Gesinnung haben oder in der falschen Partei sein. Mit solchen Vorurteilen mußte sich der Ahauser CDU-Abgeordnete in seinem politischen Leben häufig herumschlagen. Doch Engagement in der CDU und in der Gewerkschaft sind für Franz Skorzak nie ein Widerspruch gewesen.
    1929 in Flensburg geboren, begann er 1943 eine Dreherlehre in einer modernen Holzverarbeitungsfirma. Die aber stand nach dem Krieg auf der Demontageliste der Engländer, so daß er sich in einem Omnibusbetrieb auch noch zum Kfz- Schlosser ausbilden ließ. Bereits mit 16 war er auf Drängen seiner Mutter in die Gewerkschaft eingetreten und wurde mit 23 bereits zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt.
    Zur CDU fand Franz Skorzak über sozialpolitische Seminare zur katholischen Soziallehre. Ihr geschlossenes Ordnungssystem habe ihn gerade nach der allgemeinen Orientierungslosigkeit in den Nachkriegsjahren fasziniert. Dort habe sein Menschenbild ein theoretisches Fundament bekommen: Der Mensch sei Individuum und Sozialwesen. Mit Sozialismus habe er ohnehin nie etwas am Hut gehabt. Und seine streng katholische Erziehung, zu der er sich bis heute bekennt, hätten auch den Grundzügen des Liberalismus widersprochen. So sei der Eintritt in die CDU 1949 beinahe zwingend erfolgt.
    Die Gewerkschaftskarriere begann nach einem Stipendium an der Akademie in Frankfurt: Gewerkschaftssekretär und CDA-Kreisvorständler in Moers, später DGB-Kreisvorsitzender in Ahaus und Mitglied des DGB-Landesvorstandes.
    Nach diversen Gremienposten in der CDU wurde Franz Skorzak 1968 zum Landrat des damaligen Kreises Ahaus gewählt, der Posten blieb ihm auch im 1974 neugebildeten Kreis Borken erhalten. Er zählt es heute zu seinen persönlichen Verdiensten, aus der fast ausschließlich durch die Textilindustrie geprägten Region einen aufstrebenden Wirtschaftsraum mit einer Vielzahl moderner Ausbildungs- und Arbeitsplätze gemacht zu haben.
    Erst 1985 ließ sich der CDU-Politiker in den Landtag wählen; der Wahlkreis Borken III ist bis heute ein CDU-Wahlkreis geblieben. Zielstrebig kämpfte er im Wirtschaftsausschuß für die Wirtschaftsförderung seines Wahlkreises und des gesamten westlichen Münsterlandes. Praktische Wirtschafts- und Strukturfragen stehen für ihn bis heute im Vordergrund, so manche Theoriedebatte hält er für überflüssig. Er selbst war nie ein Mann der großen Worte; Solidität, Nüchternheit und Bescheidenheit, aber auch Deutlichkeit und Beharrlichkeit kennzeichnen seinen politischen Stil; die praktische Umsetzbarkeit macht für ihn die Qualität politischer Konzepte aus. Den Frust als Mitglied einer Oppositionspartei, deren Vorschläge nur selten umgesetzt werden, erlebt er weniger stark als mancher Fraktionskollege; als Landrat im CDU-beherrschten Münsterland hätte er genügend Gestaltungsspielräume gehabt. Grundsätzlich hält er die Kommunalpolitik ohnehin für effektiver als die Landespolitik. Als Sprecher der CDU-Fraktion im Ausschuß für Mensch und Technik stritt Franz Skorzak in der vergangenen Legislaturperiode vehement für den Ausbau von Atomenergie und Gentechnik. Sein Credo: Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist nur mit Hilfe der neuen Techniken zu halten. Die Risiken seien prinzipiell beherrschbar. Wer in seinem politischen Handeln von Angst geprägt sei, könne nicht rational handeln. Die Gefahren beispielsweise bei der Gentechnologie will er hinnehmen, schließlich sei letztendlich "das Künstliche dem Natürlichen immer unterlegen".
    Darüber hinaus ist Franz Skorzak ein engagierter Verfechter für die künstliche Befruchtung im Reagenzglas. Der streng katholische Abtreibungsgegner Skorzak sieht in der künstlichen Befruchtung keinerlei Problem, solange die Frau, der drei befruchtete Eizellen eingepflanzt werden, auch bereit sei, Drillinge auszutragen.
    Seit der letzten Landtagswahl bereitet sich Franz Skorzak, der vor kurzem seinen 65. Geburtstag feierte, mehr und mehr auf seinen Abschied aus der Politik vor. 1992 legte er wegen der großen Doppelbelastung sein Mandat als Landrat nieder, und auch für den Landtag will er im nächsten Jahr nicht erneut kandidieren. Zusammen mit seiner Ehefrau will sich der Vater von vier Söhnen weiter im CDU-Seniorenkreis engagieren. Angst vor dem Ruhestand hat er allerdings keineswegs, im Gegenteil: Er freut sich darauf, ausgiebig durchs Münsterland zu radeln und viel Zeit für den Garten zu haben. Politik sei zwar wichtig, aber nicht alles. Zu einem erfüllten Leben gehöre es letztendlich auch, ganz in Ruhe einfach einen Baum anzuschauen.
    Richard Hofer
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI940463

  • Porträt der Woche: Karl Wegener (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 25.01.1994

    Er zählt zu den wenigen Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag, deren Beruf Landwirt ist: Karl Wegener aus dem münsterländischen Lüdinghausen. Und noch seltener ist es, daß — wie der gebürtige Gladbecker, sich jemand neben der Bewirtschaftung eines Vierzig-Hektar-Hofes und der Ausübung des politischen Mandates auch noch in zahlreichen berufsständischen Gremien vehement für die Interessen der problembeladenen Landwirtschaft engagiert.
    Eigentlich sollte der heute 59jährige nach dem Willen der Eltern als fünftes Kind auf dem bäuerlichen Anwesen gar nicht Landwirt werden, doch es war sein Wunschberuf. So verließ Karl Wegener nach dem sogenannten .Einjährigen" das Gymnasium, absolvierte vorzeitig die Gehilfenprüfung und wurde schon mit 23 Jahren Landwirtschaftsmeister. Zwei Jahre zuvor war er bereits als Verwalter auf dem Hof angestellt worden, den er heute noch als Pachtbetrieb bewirtschaftet — das Anwesen ist übrigens das Elternhaus des Limburger Bischofs Kamphaus.
    Der Münsterländer trat 1961 in die CDU ein, nachdem die örtlichen Christdemokraten auf den Jungbauern aufmerksam geworden waren und ihn für die damalige Amtsvertretung Lüdinghausen Land nominiert hatten. Danach — bis zur Wahl in den Landtag 1990, engagierte sich Karl Wegener als Ratsvertreter und Kreistagsmitglied, als Bürgermeister, Fraktionsvorsitzender oder Mitglied der Landschaftsversammlung Westfalen- Lippe in den verschiedensten Gremien. Überraschend, daß die Schwerpunkte des Landwirts neben Raumordnung und Planung die Finanzen waren. Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu Zahlen und fühlte mich auch mitverantwortlich für Sparsamkeit in den öffentlichen Haushalten."
    Mit stolzen 51,1 Prozent wurde der Christdemokrat 1990 im Wahlkreis Coesfeld l in das Landesparlament gewählt, wo er sich auch als ein Vertreter der landwirtschaftlich geprägten Kreise sieht. Die Fraktion berief ihn in den Haushalts- und Finanzausschuß sowie den Petitionsausschuß. Angesichts immer stärker schrumpfender finanzieller Spielräume macht sich Karl Wegener im ersteren Parlamentsgremium für eine Umstrukturierung der öffentlichen Leistungen stark, zumal die Personalkosten weiter steigen. »Die Zeit des Verteilens von guten Gaben ist vorbei."
    Als Landtagsabgeordneter und Landwirt zugleich kämpft er natürlich auch im Parlament für die bäuerlichen Interessen. So kritisiert er, daß die EG-Richtlinien mit ihren Erschwernissen, insbesondere für die Familienbetriebe, mit "preußischer Gründlichkeit" in Nordrhein-Westfalen umgesetzt würden — "im Gegensatz zu anderen Ländern". Die Folge: die Wettbewerbsverzerrungen werden immer größer, und die Einkommensbasis wird immer geringer. "Wir hängen am Tropf der öffentlichen Hand, was natürlich die Motivation der Bauern lähmt."
    In den berufsständischen Gremien werden sein Rat und jahrzehntelange Erfahrung geschätzt, ob als Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Coesfeld oder Vorsitzender des Hauptvereins Münster, ob als Vorstandsmitglied des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes oder der landwirtschaftlichen Sozialversicherungsträger. Der Lüdinghauser Abgeordnete, verheiratet und Vater von sieben Kindern, ist fest mit der bäuerlichen Scholle verwurzelt und hütet ländliche Tradition. Auf seinem Hof leben noch drei Generationen zusammen. Inzwischen eine Seltenheit selbst auf dem Lande.
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI940247

  • Porträt der Woche: Reinhard Wilmbusse (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 18.01.1994

    An den Fraktionssitzungen könne er aber nicht teilnehmen, hatte er seinen Genossen gesagt, denn zur gleichen Zeit würde der Kirchenchor proben, und da müsse er eben hin. Das war 1969, Reinhard Wilmbusse war gerade in den Stadtrat von Lemgo gewählt worden, zwei Jahre später war er bereits Bürgermeister, und vom Kirchenchor war keine Rede mehr.
    Zur Kommunalpolitik kam der gelernte Rechtspfleger eher zufällig. 1965, am Tag der für die SPD verlorenen Bundestagswahl, trat er in die Sozialdemokratische Partei ein. Der Bedarf an gesellschaftlichen Reformen sei so groß gewesen, meint er, daß er sich einfach engagieren mußte. Vier Jahre später ließ er sich von den Genossen überreden, für den Stadtrat zu kandidieren. Es wurde jemand gesucht, der sich mit dem Baurecht auskannte. Mit der ausdrücklichen Zusicherung, nur zu den Sitzungen des Bauausschusses erscheinen zu müssen, ließ sich Wilmbusse wählen.
    Das Ergebnis ist bekannt. Der Lemgoer gehört mittlerweile zu den profiliertesten Kommunalpolitikern in Nordrhein-Westfalen. 1975 kandidierte er erstmals für den Landtag, inzwischen hatte er eingesehen, daß nicht nur der Kirchenchor, sondern auch sein Beruf als Rechtspfleger unter der zeitlichen Beanspruchung durch die Kommunalpolitik litt: Er machte die Politik zu seinem Beruf.
    Aber die ersten Jahre in Düsseldorf verliefen anders als er sich das gedacht hatte. Er hätte sich gern vor allem mit der Kommunalpolitik beschäftigt, doch daraus wurde nichts. Er kam in den Ausschuß für Kommunalpolitik, doch die Fraktion wollte den Parlamentsneuling gleich zum justizpolitischen Sprecher machen. Und da der Justizausschuß und der für Kommunalpolitik gleichzeitig tagten, entschied sich Wilmbusse schweren Herzens zunächst für die Rechtspolitik.
    Nach der Landtagswahl 1980 wurde er dann aber doch der Mann für Kommunalpolitik in der SPD-Fraktion und ist es bis heute.
    Fast alle Entscheidungen des Landtags hätten mehr oder weniger direkte Auswirkungen auf die Kommune, sagt Reinhard Wilmbusse, das mache die Verknüpfung der Arbeit in Düsseldorf mit dem Amt des Bürgermeisters seiner Heimatstadt so reizvoll.
    Und als Bürgermeister habe er auch seine Meinung zur gegenwärtigen Kommunalverfassung verändert, meint er rückblickend. Anfang der 70er, als sich die nordrhein-westfälische SPD zum ersten Mal mit der Abschaffung der kommunalen Doppelspitze befaßte, war er noch auf der Seite der Gegner. Mitte der 80er aber hätte er sich schon den Befürwortern angeschlossen. Als der Landesparteitag im Dezember 1991 in Hagen gegen die Abschaffung der Doppelspitze und die "Urwahl" des Bürgermeisters entschied, gehörte Reinhard Wilmbusse neben Innenminister Herbert Schnoor zu den Verlierern.
    Die kommunale Doppelspitze entspreche nicht den Erfordernissen der täglichen Praxis, sagt Wilmbusse, deshalb mußte sie trotz des zunächst anderslautenden Parteibeschlusses über kurz oder lang kommen:
    Denn die rein ehrenamtliche Tätigkeit des Bürgermeisters sei eine Fiktion, wenn man es ernst mit der Aufgabe in seiner Stadt meine. Außerdem sei auch der Kommunalwahlkampf in den vergangenen Jahren immer mehr personenorientiert geführt worden. Die Spitzenkandidaten für das Amt des Bürgermeisters seien herausgestellt worden, ohne daß dies mit ihrer tatsächlichen Kompetenz übereinstimme. Bürgermeister und Ratsmitglieder seien bei der Kontrolle der Verwaltung zudem oft überfordert. Wer das "Sagen "habe in einer Kommune, der solle auch "den Bukkel hinhalten", solle sich dem Votum der Bevölkerung stellen. Insofern sind die Forderungen nach einer Urwahl des Bürgermeisters für Wilmbusse auch Forderungen nach einer Demokratisierung der Kommunalpolitik. Den Hauptkritikpunkt an der Urwahl in der eigenen Partei, die Befürchtung, daß sich die vom Volk gewählten Stadtoberhäupter zu "Sonnenkönigen" entwickeln könnten, möchte er durch eine Kopplung der Wahlzeit von Bürgermeister und Stadtparlament entkräften.
    Daß sich die SPD nach einigem Hin und Her auf einem neuen Landesparteitag im Januar nun doch für die Abschaffung der Doppelspitze und für die Urwahl entschied, erfüllt den Ostwestfalen mit einiger Genugtuung. Sicherlich habe dabei auch die Drohung der Opposition mit einem Volksbegehren eine Rolle gespielt, sagt Reinhard Wilmbusse. Schließlich wisse man nie, wie ein solches Volksbegehren ausgehe, deshalb solle man als Partei lieber selbst das Heft in der Hand halten.
    Bedauerlich findet er, daß bei der öffentlichen Diskussion über Doppelspitze und Urwahl andere, für ihn ebenso wichtige Aspekte der neuen Kommunalverfassung weitgehend unter den Tisch fallen, etwa die Möglichkeit des Bürgerantrags und -entscheids in den Kommunen und die neuen Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Betätigung der Städte.
    Diese neuen Rahmenbedingungen kann Reinhard Wilmbusse nach der nächsten Kommunalwahl ausprobieren. Denn für den Rat in Lemgo und für das Amt des Bürgermeisters wird er noch einmal antreten, ein letztes Mal. In Düsseldorf sei allerdings für ihn 1995 Schluß, sagt der 61 jährige. Teilweise bis zu 24 Stunden pro Woche im Zug von Lemgo an den Rhein, das sei doch allmählich etwas anstrengend. Und auf ähnliche Zusagen wie zu Beginn seiner politischen Karriere (s.o.) würde sich in Düsseldorf wohl niemand einlassen.
    Ralf Kapschack
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche' ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI940157

  • Porträt der Woche: Wolfgang Clement (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 22 - 21.12.1993

    Die Urteile schwanken. Den einen gilt Wolfgang Clement als arrogant, supraehrgeizig, verbissen, karrierebewußt und überaus fleißig, ein "Workaholic" mit Symptomen, wie sie Drogensüchtigen eigen. Andere halten den Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei für einen kompetenten Antreiber, überlegenen, ideenreichen Planer und Administrator, loyalen Kompagnon seines Regierungschefs Johannes Rau, einen stets zugänglichen Nothelfer ohne Eigennutz. Und vor allem für einen charmanten Partner. Clements öffentliches Bild schillert. Aus der alten Bergbaustadt Bochum gebürtig: Ein Kumpel ist er — und doch wieder nicht.
    Wolfgang Clement wurde am 7. Juli 1940 geboren, ist katholisch, glücklich verheiratet und Vater von fünf Töchtern. Abitur 1960 am renommierten Graf-Engelbert- Gymnasium. Jurastudium, Semestervolontariat bei der Westfälischen Rundschau, wissenschaftlicher Assistent in Marburg, dann Redakteur und bis 1981 Stellvertretender Chefredakteur der Westfälischen Rundschau. Bis ihn Willy Brandt als Sprecher der SPD nach Bonn holte.
    Das, und zuletzt stellvertretender Bundesgeschäftsführer der SPD, blieb er bis zum November 1986. Damals schmiß er hin, als die SPD in Hamburg eine schwere Niederlage erlitten hatte. Clement signalisierte damit, daß der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, Johannes Rau, dem er sich seit Jahren eng verbunden fühlt und für den er früher auch schon mal beim Abfassen von Regierungserklärungen befaßt war, keine Siegchancen habe. Es folgte ein Um- und Rückstieg in den Journalismus, zur Hamburger Morgenpost, deren Ruf Clement in knapp zwei Jahren Tätigkeit als Chefredakteur bundesweit zu mehren wußte, freilich mit mäßigem Erfolg in der Auflage.
    Im Januar 1989 holte ihn Rau zurück in die Politik und machte ihn in Düsseldorf zum Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei. Clement, Kenner der nordrhein-westfälischen Polit-Szene, reüssierte rasch. Die FDP lobte ihn als willkommenen Quereinsteiger. Und auch die CDU mochte ihm ihren Respekt nicht verweigern. Zumal Clement, der Jogger, im langen Einheits- Verhandlungsmarathon mit dem Bonner Unions-Fraktionschef Schäuble 1990 die Interessen von NRW und der Länder erfolgreich vertrat.
    Der Respekt, den sich der Sozi Clement dabei selbst bei dem damals noch übermächtigen Helmut Kohl erworben hatte, aber auch die Distanz, zu der Clement trotz allen Lobes nüchtern fähig ist, spiegelt eine ebenso ironische wie wahre Anekdote wider: Kohl, beeindruckt von seiner Verhandlungsführung und Beharrlichkeit, lud ihn ein, wenn er mal einen Job suche, zu ihm zu kommen. Darauf Clement: "Noch so ein Angebot, und ich bin kaputt."
    Dazu ist es nicht gekommen. Clement ist seit der Landtagswahl 1990 Minister. Und gilt als einer der Rau-Kronprinzen. Vor allem aus eigenem Verdienst. Der rastlose Rau-Freund hat wesentlich dafür gesorgt, daß der Hochtemperatur-Reaktor von Hamm-Uentrop stillgelegt wurde — NRW vorn beim Ausstieg aus der Atomkraft. Clement war es auch, der den Aufstieg von NRW zu einer der ersten Adressen auf dem Welt-Medienatlas auslöste.
    Und er organisierte, diesmal im Widerstreit mit seinem einstigen Einheits-Zwilling Schäuble, sehr subtil, ohne den Vorwurf zu riskieren, ein opponierender vaterlandsloser Geselle zu sein, den Bonner Widerstand gegen die Berliner Hauptstadt-Allmachtsvisionen und -ambitionen. Sein Engagement für das darbende Rumänien, die Rückkehr von Sinti und Roma nach Makedonien, für Hilfe in Osteuropa insgesamt hat ihm viel Lob (auch nicht wenig Kritik) eingetragen. Die westrumänische Stadt Timisoara hat ihn zum Ehrenbürger ernannt.
    "Sein bester Mann" (Kohl vor seiner Absage an den von ihm ursprünglich selbst gewünschten Präsidentschaftskandidaten Rau) mischt längst auch kräftig innerparteilich mit. Schon früh hat er erkannt, daß es weniger auf die derzeit machtlose SPD-Fraktion im Bundestag ankomme, vielmehr sei die SPD-Macht im Bundesrat eine "politische Mehrheit", mithin ein "wesentlicher Bestandteil der Politik in der Bundesrepublik". Das sei die "beste Chance, um auch in Bonn wieder an die Macht zu kommen". Das war 1991, nach dem Sieg Scharpings in Rheinland- Pfalz — ein vorausschauendes Urteil.
    Inzwischen hat sich die Lage für die Sozialdemokraten verbessert. Johannes Rau könnte davon am 23. Mai 1994 profitieren, wenn der nächste Bundespräsident gewählt wird. Und einer, der wiederum dabei gewinnen könnte, wäre Wolfgang Clement. Denn seit dem 6. Oktober 1993 gehört er dem Landtag an und erfüllt damit wie der mögliche Rivale Klaus Matthiesen, Raus Umweltminister, die Verfassungsvorschrift, daß Regierungschef in NRW nur sein kann, wer dem Parlament angehört.
    Bernd Kleffner
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI932250

  • Porträt der Woche: Katrin Grüber (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 21 - 14.12.1993

    "Die Grünen sind eine Verhinderungs-Partei." Das werfen ihnen Kritiker bei heftigen Debatten auch in Nordrhein-Westfalen oftmals vor. "Das Wort verhindern ist nicht schlimm. Es gibt Dinge, die zwingen einfach dazu. Die Hauptsache ist, daß man umstrittenen Projekten Alternativen und Konzepte entgegensetzen kann", sagt die Umweltreferentin der Grünen im Landtag, Dr. Katrin Grüber. Und genau das schreibt sie ihrer Partei und sich selbst zu. "Das Land Nordrhein-Westfalen hätte Milliarden sparen können, wenn man auf uns gehört hätte." Als Beispiele nennt sie den "Schnellen Brüter" in Kalkar sowie den ersten großtechnischen Hochtemperaturreaktor (THTR) der Welt in Hamm-Uentrop, der wegen Sicherheitsmängel im Oktober 1988 stillgelegt wurde.
    "Auch bei der Gentechnologie werden wir nun alles daransetzen, um ihren Einzug zu verlangsamen", betont die 35jährige. Denn auch hier gebe es Ausweichmöglichkeiten, beispielsweise in der Landwirtschaft. Vormachen kann man der gebürtigen Frankfurterin auf diesen Gebieten so leicht nichts. Nach dem Abitur 1976 studierte sie Biologie und Chemie für das Lehramt an Gymnasien. Von 1976 bis 1987 war Katrin Grüber an der Universität in Tübingen. Und von November 1985 bis August 1986 studierte sie an der University of East Anglia. Ein Jahr später promovierte die engagierte Politikerin in Biologie.
    Ihre erste Stelle trat Katrin Grüber 1988 beim Stadtreinigungsamt Stuttgart an. Dort war sie als Beraterin für die Umsetzung eines Papierrecyclingkonzeptes zuständig. "Ich wollte politisch noch aktiver werden", begründet sie ihren Entschluß, die Polit-Bühne zu betreten, auf der ihr heute das Fachwissen zugute kommt. So zum Beispiel auch als Vorsitzende des Ausschusses "Mensch und Technik" im Landtag. "Ich bemühe mich darum, Neutralität zu wahren und angemessene Entscheidungen zu finden", beschreibt Katrin Grüber ihre Arbeitsweise. Dabei bescheinigt sie gerade "ihrem "Ausschuß, der sich mit den Folgen der Gentechnik ebenso befaßt wie mit denen der Atomtechnik, eine gute konstruktive Diskussion und Zusammenarbeit. Eine Tatsache, die der Enkelin des Widerstandskämpfers Heinrich Grüber, der während der Nazi-Zeit Juden bei der Flucht aus Konzentrationslagern half, in Debatten im Landtag oft fehlt. "Ich wünsche mir mehr inhaltliche Debatten. Die anderen Parteien sollten Vorschläge nicht einfach ablehnen, nur weil sie von den Grünen kommen", appelliert Katrin Grüber. Vor allem aber müßten die Sorgen und Ängste der Bürger ernster genommen werden, betont die aktive Umweltschützerin, die seit Mai 1990 im Landtag ist. Dies einzubringen, war für die 35jährige ein Grund mehr, in das politische Geschehen einzugreifen.
    Sie persönlich sucht die Nähe zu der Bevölkerung stets vor Ort. Zum Beispiel wahrt sie ebenso den Kontakt zu den Geschädigten im Holzschutzmittel-Skandal wie zu den Betroffenen in der Kieselrot-Affäre in Remscheid. "Will man als Politiker ernstgenommen werden, dann muß man auch die Bevölkerung ernst nehmen." Doch darf die Umweltpolitik nach Ansicht von Dr. Grüber dabei nicht isoliert betrachtet werden. Im Dialog seien vielmehr viele Faktoren zu berücksichtigen: Umwelt, Mensch und Wirtschaft.
    Seit dem 17. Lebensjahr setzt sich Dr. Katrin Grüber bereits in Menschenrechtsorganisationen ein. So war sie bis 1988 Mitglied bei Amnesty International. Auf dem Weg dorthin hatte sie vor allem das Vorbild des Großvaters vor Augen. Mit ihrem Wohnortwechsel von Tübingen nach Düsseldorf stieg sie dann bei den Grünen in Nordrhein-Westfalen ein. Und über Platz sieben der Landesliste erhielt sie schließlich sehr schnell ein Landtagsmandat. "Das war schon eine Überraschung", räumt die Diplom-Biologin ein. Denn schließlich gehörte sie dem Landesverband noch nicht allzu lange an. Nach drei Jahren im Düsseldorfer Parlament lautet ihr Fazit: "Die Politik muß offener werden. " So könnte sich Katrin Grüber gut vorstellen, daß auch die Ausschüsse des Landtages öffentlich tagen sollten, der Bürger dadurch mehr am Geschehen beteiligt werde. "Wir müssen die Verkrustung aufbrechen", glaubt sie. Dabei denkt sie auch an den Ausschuß Verwaltungsstrukturreform, in dem sie selbst Mitglied ist. Gerade er sei ein gutes Beispiel dafür, daß man Politik bürgernah und transparent gestalten kann. Obwohl die 35jährige in ihrer Arbeit tief verwurzelt ist, achtet sie darauf, daß noch ein bißchen Freiraum für Hobbys bleibt. Dazu zählen Spaziergänge, Kochen und Literatur. "Es wäre ein trauriges Bild, wenn die Politik am Ende dazu führt, daß man nur noch funktioniert." Abgelegt hat Dr. Katrin Grüber auch ihre alte Liebe zu der früheren Studentenheimat England nicht. Mindestens einmal im Jahr verbringt sie ihren Urlaub dort.
    Andrea C. Stockhausen
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI932148

  • Porträt der Woche: Andreas Lorenz (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 20 - 30.11.1993

    Die Nachkriegsjahre mit ihrer Teilung Deutschlands prägten entscheidend den Lebensweg des Aachener CDU-Landtagsabgeordneten Andreas Lorenz. In der Nähe von Naumburg in Sachsen-Anhalt geboren, verlor der heute 55jährige promovierte Diplomchemiker während des Krieges im Kindesalter seinen Vater. Trotz aller Schwierigkeiten machte er später das Abitur und wurde dann sogleich mit den hochschulpolitischen Zwängen der früheren DDR konfrontiert. Da das "Plansoll" an Studenten in den von ihm angestrebten Studiengängen Betriebs- und Volkswirtschaft erfüllt war, mußte er auf das sozialistisch geprägte Fach Arbeitsökonomie ausweichen. Doch schon nach zwei Semestern wurde Andreas Lorenz wegen nichtkonformen Verhaltens von der Leipziger Universität ausgeschlossen und "zur Bewahrung" in einen Produktionsbetrieb verwiesen.
    Die Berliner Mauer stand damals noch nicht, und so zog er es vor, nach Westdeutschland zu wechseln. Der Westen überraschte den DDR-Studenten gleich mit einer bösen Nachricht: Sein Abitur wurde nicht anerkannt. Nach seiner Wiederholung machte er einen neuen Studienanlauf bei der Technischen Hochschule in Aachen. Da BAFÖG wie Honnefer Modell damals noch unbekannt waren, finanzierte sich der Aachener sein Chemiestudium an den Wochenenden auf einer Dortmunder Kokerei. »Jeden Freitag pendelte ich in Richtung Ruhrgebiet", erinnert sich der Christdemokrat. Nach erfolgreichem Studium war er zunächst in der Petrolchemie tätig, bis er später als Wissenschaftlicher Beamter an die TH Aachen berufen wurde. Heute doziert er ehrenamtlich über Brennstoffchemie an der Hochschule.
    Seine "hautnahen" Erfahrungen mit einem sozialistischen Staat bewogen Andreas Lorenz, sich schon früh politisch zu betätigen — "damit dieses Regime nicht überschwappt"; zunächst im Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) und wenig später in der CDU. Nach der Kommunalwahl 1975 zog der Christdemokrat in den Aachener Stadtrat ein, dem er noch heute angehört. Die Kultur und die Umwelt sind die beiden Schwerpunkte seines kommunalpolitischen Wirkens.
    So zählt er beispielsweise zu den Mitinitiatoren von Euro-Gress, einer Konzerthalle für rund 1400 Besucher. Die ehemalige Kaiserstadt habe eine große Musiktradition, was sich auch in den zahlreichen Gesangvereinen niederschlage. Und Aachen könne auf das erste von einer Bürgerschaft getragene Stadttheater verweisen. Vorsitzender des Umweltausschusses wurde er nach seiner Einschätzung, weil die Naturwissenschaftler den Vorteil haben, die Probleme "in der Sache" zu erkennen.
    Zu Beginn der Legislaturperiode im Mai 1990 wurde der Aachener in den Düsseldorfer Landtag gewählt. Seine Fraktion berief ihn in den Umweltausschuß sowie in den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung. Da die Politik nach seiner Ansicht "eigenen Gesetzlichkeiten" folge, sei es sehr von Nutzen, aus einer Disziplin zu kommen, wo sich jede Aussage mit nachweisbaren, sich auf Naturgesetze stützenden Fakten belegen lassen müsse. Mit dieser Arbeitsweise auch an politische Probleme heranzugehen, schaffe eine große sichere Basis. So hält der CDU-Abgeordnete auch wenig von emotionellen politischen Entscheidungen. "Da fällt man letztlich auf den Bauch."
    Weil Nordrhein-Westfalen nur über Kohle verfüge, brauche es, so Andreas Lorenz, dringend die Wissenschaft und Forschung. "Von der Umsetzung in die Technik leben wir." So dürfe sich gerade NRW aus der "ureigensten Länderaufgabe", der Hochschulpolitik, nicht etappenweise zurückziehen. "Wir brauchen heute hochqualifizierte Menschen."
    Wenn auch die Politik nach eigener Einschätzung sein Hobby ist, so ist der Vater von drei Kindern gleichzeitig ein begeisterter Schwimmer. Der Abgeordnete war mit 17 Jahren der jüngste Schwimmeister Deutschlands und mußte damals bereits in der früheren DDR die Verantwortung über ein Schwimmbad übernehmen. Heute ist er Vorsitzender des Sportvereins für Kunst- und Turmspringen SV Neptun Aachen, eines Vereins mit internationalem Ruf.
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI932079

  • Porträt der Woche: Siegfried Jankowski (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 19 - 16.11.1993

    Er ist ein Vollblutpolitiker, wie er im Buche steht. Und dennoch: "Man muß wissen, wann man aufhören muß." Seit 25 Jahren hat Siegfried Jankowski sein Leben der Politik verschrieben. An seinem 65. Geburtstag sagte er im vergangenen Jahr, daß er auf keinen Fall ein "Vorzeige-Greis" werden will. Aus dieser Äußerung zog er dann wenig später die Konsequenzen. Ohne Koketterie oder Verbitterung erklärte der Leichlinger Landtagsabgeordnete der SPD: "Bis 1995 will ich alle Ämter aufgeben und meine Arbeit als Politiker beenden." Weder für die Kommunalwahl 1994 noch für die Landtagswahl 1995 will er wieder zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für die Ratsausschüsse und die Arbeit in der Partei.
    Damit entsteht nicht nur auf kommunaler Ebene eine große Lücke, denn die SPD in Leichlingen muß erst einmal einen neuen Spitzenkandidaten für das Amt des Bürgermeisters und den Wahlkreis Jankowskis finden, der stets als Hochburg der Sozialdemokraten galt.
    "Ich werde weder im Streit noch aus Resignation gehen", betont der gelernte Chemie-Laborant, der 30 Jahre lang Betriebsrats-Vorsitzender bei der Dynamit Nobel AG und als erster Angestellter in eine solche Funktion gewählt worden war. Ausgelöst wurde sein Entschluß vielmehr durch ein Schlüsselerlebnis vor eineinhalb Jahren, denn zu diesem Zeitpunkt entdeckte der 66jährige eine neue Leidenschaft: Das Segeln. In all den Jahren hatte Siegfried Jankowski nie Zeit für seine Familie, geschweige denn für Hobbys. Das will er künftig nun nachholen.
    "Auf meinem ersten Segeltörn habe ich erst einmal begriffen, wie wichtig die Gemeinschaft ist, daß man losgelöst von Problemen in Gesprächen viel Kraft schöpfen kann", erzählt er und macht keinen Hehl daraus, daß ihn die Entwicklung in der Politik schon vor diesem Hintergrund sehr traurig stimmt. "Heute ist eine andere Generation dort am Zuge, die nicht mehr das Gespräch über die Parteien hinweg sucht. Man ist zu stromlinienförmig. Ich vermisse zunehmend das menschliche Miteinander und eine Nähe zur Bürgerschaft." Siegfried Jankowski ist ein Abgeordneter zum Anfassen. Rund um die Uhr nimmt er auch in seiner Heimatstadt Leichlingen am Geschehen teil, ist für den Bürger immer präsent.
    Mit der Begründung "im Land kann ich mehr bewegen", lehnte er es vor acht Jahren auch ab, in den Bundestag zu wechseln. Nicht nur kritisieren, sondern besser machen, lautete die Devise Jankowskis, der seit 1984 erster stellvertretender Bürgermeister der Stadt Leichlingen ist. Sie ebnete im übrigen auch den Weg in die Politik. Als er abends in fröhlicher Runde vor über 30 Jahren ein Ratsmitglied bzw. dessen Arbeit kritisierte, ließ dieses sich nicht lange bitten und legte Jankowski getreu nach diesem Motto sofort eine Beitrittserklärung auf den Tisch. 1960 wurde Jankowski Mitglied bei der SPD, bereits sieben Jahre später saß er im Leichlinger Stadtrat. Als er 1980 dann in den Landtag kam, war er sieben Jahre lang noch zusätzlich bei Dynamit Nobel beschäftigt. "Es stellte sich aber eine gewisse Unzufriedenheit ein", erinnert er sich rückblikkend. Der Fulltimejob eines Abgeordneten mit drei Ausschüssen und die Tätigkeit in der freien Wirtschaft — auf Dauer war dies aus zeitlichen Gründen nicht mehr miteinander zu vereinbaren. Siegfried Jankowski entschied sich ein weiteres Mal für die Politik.
    Bis 1984 war der passionierte Tennis- und Skatspieler zudem SPD-Fraktionsvorsitzender in Leichlingen, von 1975 bis 1979 Mitglied des Kreistages im Rheinisch-Bergischen Kreis. Trotz einer Fülle von Ämtern — "von einer 40-Stunden-Woche habe ich nur geträumt" — stand der Bürger für ihn stets im Vordergrund. Hilfesuchende waren und sind in seinen Bürgersprechstunden stets gut beraten. Sie wissen, daß dort ein Politiker Fachwissen und vor allem Zeit für sie hat.
    "Heute prägen vornehmlich Profilneurosen die Politik", beklagt Siegfried Jankowski. Der Mensch stehe hilflos vor "arroganten Behörden" und "verbeamteten Parlamenten". Von dieser Kritik nimmt er keine politische Ebene aus — auch die kommunale nicht. "Die meisten Politiker wissen gar nicht mehr, was in den Menschen vor sich geht." Deshalb müßte sich auch niemand über eine gewisse Parteien- und Politikverdrossenheit in der Bevölkerung wundern. Doch so ganz wird sich der Träger des Bundesverdienstkreuzes — es wurde ihm 1991 verliehen — trotz aller privaten Pläne nicht aus dem öffentlichen Geschehen zurückziehen können. "Ganz ohne Politik geht es vermutlich nicht", gesteht Siegfried Jankowski. Viele Parteifreunde und Leichlinger traten bereits kurz nach Bekanntwerden seines Entschlusses an ihn heran. "Vielleicht werde ich deshalb später so etwas wie ein Beraterbüro einrichten."
    Im übrigen will er zusammen mit seiner Frau dann die Freizeit auch für Fernreisen nutzen.
    Andrea C. Stockhausen

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI931940

  • Porträt der Woche: Manfred Kuhmichel (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 09.11.1993

    Für Manfred Kuhmichel (50) war es eine "reizvolle Sache", als er 1990 nach erstmaliger Wahl in den Landtag von der CDU- Fraktion in den Schulausschuß entsandt wurde. Reizvoll deshalb, weil er nach 25 Jahren im Schuldienst nun nicht mehr direkt von der Schulpolitik betroffen war, sondern sie — wenn auch aus der Opposition heraus — mitgestalten konnte. Zwölf Jahre lang hat er als Rektor die Mallinckrodt-Hauptschule in Altenessen im Essener Norden geleitet. Im Laufe seines Berufslebens habe er "von Anfang an alles miterlebt", nämlich die Einrichtung des eigenen Hauptschul-Bildungsganges und die Bildungswerbung in den 60er Jahren wie auch die heranwachsende Konkurrenz durch die Gesamtschule.
    Trotz der zurückgegangenen Bedeutung der Hauptschule möchte er — wie auch die CDU in Nordrhein-Westfalen — den verfassungsrang der Hauptschule gesichert sehen, vielen Schülern bietet die Hauptschule, davon ist Kuhmichel überzeugt, größere Chancen als andere Schulformen. In dem von seiner Partei entwickelten Konzept der differenzierten Mittelschule sieht er eine Möglichkeit, durch ein Zusammengehen mit der Realschule im ländlichen Raum die Hauptschule auch einzügig erhalten zu können. Gerade in kleinen Gemeinden sei die Hauptschule als Träger des Kulturangebotes besonders wichtig. Ebenso müsse stärker ins Bewußtsein gerückt werden, daß die Hauptschule den Weg öffne bis hin zu einer Studiermöglichkeit. Kuhmichel: "Dies kommt dem Bohren dicker Bretter gleich, solange Eltern sich nach wie vor quasi schon bei der Zeugung überlegen, wie sie ihr Kind zum Abitur bringen."
    Auch Kuhmichels zweiter Ausschuß- Wunsch ist in Erfüllung gegangen, er gehört dem Ausschuß für Wissenschaft und Forschung an. Aufgrund der Kulturhoheit hätten ja beide Ausschüsse gesetzgeberische Funktionen, so daß dort auch Politik direkt umgesetzt werden könne. Die Arbeit in beiden Ausschüssen hat ihm wiederbewußt gemacht, wie wichtig es sei, daß in der Schule Studierfähigkeit vermittelt werde.
    Als Basis seiner Arbeit im Landesparlament bringt Kuhmichel jahrelange kommunalpolitische Erfahrungen mit. Im Essener Süden — er wohnt im 1970 nach Essen eingemeindeten ländlichen Burgaltendorf — ist er seit 1979 dreimal direkt in den Rat der Stadt gewählt worden, wo er sechs Jahre lang stellvertretender Fraktionsvorsitzender war. In den Landtag rückte er allerdings nur über die Reserveliste ein, obwohl sein Wahlkreis über Jahrzehnte hinweg eine "sichere Bank" für die CDU gewesen war. 1980 war der Wahlkreis erstmals für die CDU "gekippt" und an die SPD gefallen. 1985 und 1990 wiederholten sich die Wahlniederlagen, doch Kuhmichel will alles daransetzen, den Wahlkreis 1995 für seine Partei zurückzugewinnen. So macht er sich Mut: 1990 betrug die Differenz im Wahlergebnis von SPD (44 Prozent) und CDU (38 Prozent) nur noch sechs Prozent, nachdem der Unterschied 1985 bei elf Prozent gelegen habe.
    In seiner Partei hat sich Kuhmichel schon früh engagiert, seit 17 Jahren leitet er den CDU-Ortsverband Burgaltendorf, in Essen ist er stellvertretender CDU-Vorsitzender. In der Politik versteht er sich nicht als "Harmoniker", in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner gelte für ihn: angriff muß sein." In der eigenen Partei sei er jedoch nicht sehr glücklich darüber, daß es auch Streit um des Streites willen gebe. Gelegentlich werde die Sache vorgeschoben, wo es doch nur um Personen gehe. Kuhmichel: "Das stört, das hindert die Arbeit, das bremst die CDU, wenn es manchem immer nur um eine parasitäre Profilierung geht." Über die Jahre hätten sich wohl in allen Parteien Spezialisten entwickelt, die weniger durch politische Arbeit auffielen, sondern eher als "Profi- Kritiker".
    Von seiner Familie fühlt sich Manfred Kuhmichel voll gestützt in der politischen Tätigkeit. Nicht ohne Stolz erzählt er, daß die beiden Kinder schon im Alter von 16 Jahren in die CDU eingetreten sind, "ohne daß ich Druck ausgeübt hätte". Mit regelmäßigem Tennisspiel hält er sich fit. Der ehemalige aktive Fußballer und Handballer ist Mitglied der Bundesligisten Schalke 04 und Tusem Essen.
    Ludger Audick
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI931849

  • Porträt der Woche: Ruth Hieronymi (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 17 - 26.10.1993

    Ob im Plenum oder Hauptausschuß des Düsseldorfer Landtages, ob im Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks oder im Landesvorstand ihrer Partei — die CDU- Abgeordnete Ruth Hieronymi vertritt stets couragiert wie sachkundig ihre Meinung. Und auch wenn ihre kämpferischen Worte mitunter nicht das Gefallen der Parteifreunde — und erst recht nicht ihrer politischen Widersacher — finden, müssen sie doch schließlich das überzeugende Engagement der gelernten Historikerin anerkennen. Die 44jährige Bonnerin nimmt ihre Mandate sehr ernst; ist bereit, auf sehr viel persönliche Freizeit zu verzichten. Und mit einer guten Portion rheinischer Fröhlichkeit geht sie auch an für sie besonders schwierige Aufgaben heran.
    In Beuel geboren, besuchte sie die Volksschule und schloß das Gymnasium mit dem Abitur ab. Unmittelbar danach heiratete sie, und Studium sowie Hausfrauen- und später Mutter"pflichten" liefen dann nebeneinander her. Ruth Hieronymi studierte Geschichte und Soziologie und absolvierte später das Magisterexamen. Als damals 24jährige trat sie 1971 in die CDU ein, wurde noch im selben Jahr Vorsitzende der Jungen Union in Beuel und nahm im Bezirksausschuß ihrer Heimatstadt die ersten kommunalpolitischen Aktivitäten auf. Später, 1975, wurde sie in den Bonner Stadtrat gewählt und engagierte sich dort 15 Jahre lang insbesondere im sozialen Bereich, war auch Vorsitzende des Ausländerbeirates. Zwischendurch gehörte die Stadtverordnete eine Legislaturperiode der Landschaftsversammlung Rheinland an.
    Das Vertrauen der Parteimitglieder berief Ruth Hieronymi in zahlreiche Ämter: Landesvorsitzende der Jungen Union Rheinland, Mitglied des Landesvorstandes der CDU Rheinland und nach deren Fusion 1986 mit der westfälischen Landespartei, Landesvorstandsmitglied der NRW-CDU. Dem Führungsgremium der Bonner Christdemokraten gehört Ruth Hieronymi bereits seit 1973 an.
    Als sie 1985 erstmals in den Düsseldorfer Landtag einzog, widmete sie sich insbesondere dem sozialen Bereich, den Problemen von Jugend und Familie. Dabei setzte sie angesichts knapper öffentlicher Mittel auf die Selbsthilfegruppen. "Ob es nun Frauen, Behinderte, Ausländer oder ältere Menschen sind, sie alle müssen lernen, wie man sich am besten gegenseitig und untereinander hilft." Fünf Jahre später, zu Beginn der laufenden Legislaturperiode 1990, wählte ihre Fraktion die Bonnerin zur stellvertretenden Vorsitzenden und entsandte sie als Sprecherin in den gewichtigen Hauptausschuß. Dort engagiert sich die Christdemokratin in der Europa- und Medienpolitik, sie beschäftigt sich mit Verfassungs- und Bundesratsangelegenheiten. Als besondere Anerkennung ihrer Arbeit dürfte die Berufung in die damalige Verfassungskommission von Bundestag und -rat gegolten haben. Heute ist die Landesparlamentarierin besonders froh über den neuen Artikel 23 im Grundgesetz, der die Beteiligung der Bundesländer in der Europäischen Gemeinschaft sichert.
    Als leidenschaftliche Kämpferin für die Vielfalt von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk gewinnt sie immer wieder Aufmerksamkeit im Landtag wie im Rundfunkrat des Kölner Senders. Bereits in den achtziger Jahren focht sie für die duale Rundfunkordnung. Heute möchte sie die Medienpolitik nicht, wie sie den Sozialdemokraten vorwirft, auf eine "reine Standortpolitik" reduziert sehen, sondern die anstehenden Probleme, wie die Gewaltdarstellung im Fernsehen und die sich abzeichnende Medienkonzentration, müßten durch eine sachgerechte Novellierung des Rundfunkstaatsvertrages gelöst werden.
    Bislang vergeblich allerdings probte die Christdemokratin den aufstand" gegen die Geheimniskrämerei im Rundfunkrat. Sie kann es nicht verstehen, daß man die Tagesordnung dieses Aufsichtsgremiums — wie in einem Kommunalparlament — nicht in einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil gliedern kann. Und die Rundfunkrätin äußert sich betroffen über die "Selbstgerechtigkeit" im WDR. In den letzten zehn Jahren habe man keiner Programmbeschwerde stattgegeben, keine sei im Rundfunkrat "durchgekommen". Da stimme nach ihrer Einschätzung etwas nicht, "denn so perfekt kann keiner sein". Und auch nur, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag zur Pluralität erfülle, sei seine weitere Existenz gerechtfertigt, betont die Medienpolitikerin unmißverständlich. Sie schätzt klare Worte.
    Bei so viel Engagement in den verschiedensten Bereichen bleibt die Zeit für Hobbys und persönliche Neigungen knapp. Doch das ist das Los vieler Politiker, die oft zu Unrecht und pauschal in der Öffentlichkeit attackiert werden.
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI931755

  • Porträt der Woche: Erika Rothstein (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 12.10.1993

    Als Erika Rothstein 1976 in die SPD eintrat, war sie schon über 40. Doch politisiert war sie schon lange, schon ihre beiden Großväter waren im damals noch in Einzelgemeinden zersplitterten Solingen Stadträte für die SPD. Das Engagement für die Arbeitnehmer, Unterprivilegierten und die sogenannten "kleinen Leute" zieht sich durch die Biographie der Solinger Bürgermeisterin und SPD-Landtagsabgeordneten. In die aktive Politik geriet sie jedoch eher durch "Zufall".
    Die SPD-Abgeordnete, 1935 in Haan geboren, ist ausgebildete Industriekauffrau. Bis zu ihrem Einzug in den Landtag vor drei Jahren hatte sie 33 Jahre lang in einem großen Solinger Stahlhandelsunternehmen gearbeitet. Schon bald engagierte sie sich in der DAG und im Betriebsrat, bis sie die Belegschaft zur Betriebsratsvorsitzenden wählte. Politischen Ehrgeiz hatte sie nie. Gewerkschaftsfreunde überredeten sie 1976, in die SPD einzutreten, Parteifreunde überredeten sie 1979, für den Stadtrat zu kandidieren, und Ratsfreunde überraschten sie schließlich damit, daß sie 1984 Bürgermeisterin werden und 1990 sogar für den Landtag kandidieren sollte. Doch war sie einmal überredet und gewählt, ging sie die jeweils neue Aufgabe mit Spaß und Einsatz an. In ihrer politischen Arbeit fühlt sie sich oft als Sozialarbeiterin. Für die häufig überfüllten Sprechstunden mit den "ganz normalen Leuten" nimmt sie sich viel Zeit. Da werde ihr immer wieder deutlich, daß "verdammt viele Leute Hilfe brauchen". Und ohne lange bürokratische Wege versucht das "soziale Gewissen von Solingen", wie sie Parteifreunde gerne nennen, direkt zu helfen. Wenn sich zum Beispiel ein Ausländer bei ihr über die schlechte Behandlung von selten der Stadt beschwert, dann staucht sie auch schon mal den betreffenden Mitarbeiter auf dem Ausländeramt zusammen. Seit 1984 ist Erika Rothstein im Ausländerbeirat von Solingen, zu ihren Freunden gehören Angehörige vieler Nationalitäten.
    So ist es kaum verwunderlich, daß sie in ihrer ersten Rede im Landtag für ein Bleiberecht der Roma in Nordrhein-Westfalen plädierte. Durch die Kontakte, die sie als Abgeordnete schnell zu den Spitzenbeamten der Düsseldorfer Ministerien aufbaute, konnte sie das fehlende Geld für einen Vorschulunterricht für ausländische Kinder lockermachen, der ausgerechnet in der Zeit des mörderischen Brandanschlags in Solingen beinahe wegen fehlender 45 000 Mark nicht zustande gekommen wäre. Freimütig bekennt sie sich dazu, als Solinger Abgeordnete im Landtag auch für ihre Stadt Lobbyarbeit zu betreiben. Das schließt auch so manchen Konflikt ein: So klagte sie gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz, das ihrer Meinung nach Städte von der Größe Solingens benachteilige. Gleichzeitig stimmte sie im Landtag dafür; denn die Klage habe nur einen Teil des gesamten Gesetzes berührt. Im übrigen könne ohne Fraktionsdisziplin keine Politik durchgesetzt werden.
    In Gewissensfragen läßt sich die Abgeordnete allerdings nicht in die Mehrheitsvorgaben einbinden. Die Grundgesetzänderung des Asylrechts beispielsweise hielt sie für völlig falsch; bei der entsprechenden Landtagssitzung blieb sie der Abstimmung fern. Als Parteilinke schreibt sie den Genossen gerne ins Stammbuch, daß die "Lebensleistung der SPD im Einsatz für die Benachteiligten, Unterdrückten, Entrechteten und Ausgepreßten" liege. In den 80er Jahren engagierte sie sich in der Friedensbewegung; den Ostermarschierern stellte sie in Solingen eine Turnhalle für die Übernachtung zur Verfügung; atomare Bunkerplätze lehnte sie ab, sie könnten als "Kriegsvorbereitung" mißverstanden werden.
    In der Landtagsfraktion und in den Ausschüssen hält sich Erika Rothstein bisher zurück. Ein Fachgebiet, in dem sie sich als Expertin ausweisen könnte, hat sie noch nicht gefunden. Vielmehr sammelt sie Informationen, hört zu und läßt sich beraten. Ihr erwachsener Sohn Mathias zählt zu den engsten Beratern; er drängt unter anderem darauf, daß das "linke Gewissen" seiner Mutter unter dem Anpassungsdruck der realen Politik keinen Schaden nimmt. Mit ihm ging sie in den letzten Jahren auch gerne auf exotische Urlaubsreisen. In ihrer knappen Freizeit zu Hause liest sie bevorzugt Horror-Romane.
    Vom realen Streß mancher Plenar- und Fraktionssitzung hat sich Erika Rothstein bisher nicht abschrecken lassen. In ihren Augen verhindert das Doppelmandat als Bürgermeisterin und Abgeordnete, sich von den eigenen Wählern zu entfernen, ein Phänomen, daß sie bei manchen Kollegen beobachte. Daß "die Erika nicht Gefahr läuft, Berufspolitikerin zu werden" wird bei den Genossen in Solingen als positive Eigenschaft hervorgehoben. Insofern dürfte auch einer Kandidatur für 1995 nichts im Wege stehen.
    Richard Hofer

    ID: LI931650

  • Porträt der Woche: Gudrun Reinhardt (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 15 - 05.10.1993

    Für die jüngst von CDU-Fraktionschef Helmut Linssen geforderte "Rückbesinnung" auf die Werteerziehung und -Verantwortung in Schule und Gesellschaft focht sie schon in den siebziger Jahren, wo die antiautoritäre Erziehung mit ihren negativen Begleitfolgen vor allem in der Schule "in" war: Gudrun Reinhard! wehrte sich zunächst als Schulpflegschaftsvorsitzende in Siegen und später als engagiertes Mitglied des Elternvereins NW landesweit gegen die sogenannte Konflikttheorie, die, so die CDU-Abgeordnete heute, "den Kindern beibringen sollte, sich von allem zu befreien". Damals habe sich eine "Spaltung" zwischen Schule und Elternhaus vollzogen. "Drucksachen" seien an Schulen verteilt worden, die "regelrecht gegen das Elternhaus aufwiegelten", erinnert sich die Mutter von zwei Söhnen.
    So war es für Gudrun Reinhardt, die im pommerschen Köslin geboren wurde, auch eine Selbstverständlichkeit, daß sie sich der Bürgeraktion gegen die von der damaligen SPD/F.D.P.-Koalition geplanten Kooperativen Schule anschloß, weil sie sie als einen "vorbereitenden Schritt zur Einheitsschule" beurteilte. "Das Volksbegehren war eine große Sache, es solidarisierte viele Eltern." Der Erfolg ist für sie auch heute noch ein Beweis, daß man mit großem Engagement vieles bewegen könne. Sie befürwortet daher auch die angestrebte Parteireform der NRW-CDU mit einer stärkeren Mitwirkung der Mitglieder. "Das Votum der Basis müssen wir dann sehr ernst nehmen."
    Anfang 1979 trat die Siegenerin der CDU bei und wurde noch im selben Jahr in den Stadtrat gewählt. Neben der Sozial- und Altenpolitik war der Schulbereich für ihr kommunales Betätigungsfeld vorprogrammiert. "Wir waren eine der ersten Kommunen, wo die Gesamtschule mit Brachialgewalt zu Lasten eines Gymnasiums durchgesetzt werden sollte." Dem ersten Anlauf, der auch die SPD-Fraktion spaltete, konnten sich deren Gegner erwehren, später wurde sie doch noch gegründet.
    Vor der letzten Landtagswahl 1990 bewarb sich die stellvertretende CDU-Vorsitzende des Kreises Siegen-Wittgenstein um ein Mandat, und ihre Partei wählte sie auf einen aussichtsreichen Platz der Landesreserveliste. Im Düsseldorfer Landesparlament engagiert sich die Christdemokratin wieder vor allem in der Schulpolitik und kämpft für die Erhaltung des gegliederten Schulwesens, weil es nachweislich das beste für eine begabungsgerechte Ausbildung der Kinder sei. In diesem Zusammenhang kritisiert sie die ungleiche Behandlung der herkömmlichen Schulen und der Gesamtschulen durch die Landesregierung. So seien in der Vergangenheit beispielsweise zahlreiche Anträge gegliederter Schulen auf einen Ganztagsbetrieb abgelehnt worden, während im gleichen Zuge Gründungsbegehren von Gesamtschulen genehmigt worden seien. Nach ihrer Einschätzung konzentrieren sich auch heute noch die Richtlinien und Lehrpläne der nordrhein-westfälischen Schulen, Insbesondere die für den Politikunterricht, auf das Erziehungsziel der "Selbstverwirklichung" und lehnten alles ab, was auf Bindungen gerichtet sei. Die Parlamentarierin forderte demgegenüber u.a., daß die grundlegenden christlichen Erziehungsziele nicht auf den Religionsunterricht beschränkt bleiben dürften, sondern auch in den anderen Unterrichtsfächern Berücksichtigung finden müßten. Nach dem Abitur studierte Gudrun Reinhardt Mathematik, Romanistik und Sport an der Frankfurter Universität und absolvierte das Sportexamen. Die angehende Pädagogin heiratete, und die berufliche Laufbahn ordnete sie der Familiengründung unter — was sie übrigens nicht bereut hat. Der Schule blieb sie trotzdem nahe als engagierte Elternvertreterin. Neben ihrer parlamentarischen Tätigkeit widmet sich die Siegenerin der klassischen Musik und besucht gern Konzerte. Zuweilen kann man sie aber auch auf dem Tennisplatz oder auf dem Tanzparkett sehen.
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI931535

  • Porträt der Woche: Laurenz Meyer (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 14 - 21.09.1993

    Der Kompromiß ist ein wesentliches Element auf dem Weg zur politischen Entscheidungsfindung. Laurenz Meyer würde diesen Satz bedenkenlos unterschreiben. Vor einem Kompromiß aber müssen für ihn die divergierenden Meinungen aufeinandertreffen, auch "in aller gebotenen Härte", wie er betont "Ungeschminkt die Meinung sagen, selbst wenn's weh tut", das ist für den Westfalen eine wichtige Voraussetzung für die politische Arbeit. Erst wenn im politischen Streitgespräch die Zielvorstellungen klar herausgearbeitet worden sind, lassen sich, so Meyers Erfahrung, die Ausmaße eines Kompromisses ausloten. Verloren hat für ihn, wer schon zum Zeitpunkt der noch kontrovers geführten Diskussion die Kompromißformel vorwegnimmt.
    Diese Einstellung zur politischen Streitkultur hat dem Diplom-Volkswirt nicht immer nur Freunde geschaffen. Dennoch ist ihm dafür per saldo mehr Anerkennung als Ablehnung zuteil geworden, wie sein politischer Lebenslauf zeigt.
    Sein erstes "öffentliches Engagement" endete im Eklat, allerdings bewußt kalkuliert: Als Oberschüler, gegen Ende der 60er Jahre, gebärdete sich Meyer als Störenfried auf einer NPD-Versammlung mit Alfred von Thadden. Dessen Rede unterbrach der damalige Twen immer wieder durch laute Zwischen fragen, so lange, bis von Thadden diesen unbequemen Geist von seinen braunen Saalordnern an die Luft befördern ließ.
    Heute nennt Meyer diese Situation ein Schlüsselerlebnis, führte sie ihn doch hin zur aktiven Auseinandersetzung mit politischen Themen. Bis dahin hatte er Politik eher aus den Diskussionen im Elternhaus erlebt. Alsbald fand er über seinen Freundeskreis ersten Zugang zur Jungen Union (JU) und trat, nachdem er als Gast an einer für ihn sehr bedrückenden Berlinfahrt teilgenommen hatte, 1968 in die CDU ein.
    Politisches Rüstzeug erhielt er vor allem beim Bundestagsabgeordneten Professor Günther Rinsche, für den er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Wahlkreis- Assistent arbeitete. Gleich nach Ende seines Volks- und Betriebswirtschaftsstudiums in Münster wurde Meyer 1975 in den Stadtrat von Hamm gewählt. Schon als stellvertretender Kreisvorsitzender der Jungen Union und JU-Landesvorstandsmitglied war er Bürgervertreter im Jugendwohlfahrtsausschuß gewesen. Dem Hammer Stadtrat gehört Meyer seither ohne Unterbrechung an, inzwischen als Fraktionsvorsitzender der CDU.
    Wichtige Erfahrungen sammelte er in dieser Zeit auch als Mitglied im Wirtschaftsausschuß und über elf Jahre als Vorsitzender des Kulturausschusses. 1980 wurde Laurenz Meyer in den Landesvorstand der CDU Westfalen gewählt. Dort und im Fachausschuß Wirtschaft der Westfalen-CDU begann die Zusammenarbeit mit Christa Thoben, seiner Vorgängerin im Amt der wirtschaftspolitischen Sprecherin der Landtagsfraktion. Erfahrungen, die sich für ihn als parteipolitischer Karriereknick nach oben auswirken sollten. Nachdem sich Frau Thoben für den Weg aus der Politik zurück in die Wirtschaft entschieden hatte, nominierte ihn die Ruhr-CDU als Landtagsabgeordneten und sicherte seine Kandidatur über die Landesreserveliste ab.
    Als schließlich die CDU-Landtagsfraktion ihn gleich zum neuen wirtschaftspolitischen Sprecher wählte, erhielt Meyer von einigen den Stempel des Großindustrie- Lobbyisten. Eine Einschätzung, die er sich selbst nur damit erklären kann, daß man ihn vor allem nach seinem Hauptberuf — Hauptabteilungsleiter in der Dortmunder VEW-Hauptverwaltung — beurteilte. Gegen das Vorurteil über seine Person mußte er anfangs der Legislaturperiode noch heftig ankämpfen. Meyer selbst sieht sich "eher als Sprecher der kleinen und mittleren Unternehmen", die kaum irgendwelchen Einfluß bei den Kommunen oder beim Staat haben. Ihnen gilt seine deutliche Sympathie, für sie macht er Wirtschaftspolitik. Diese Aufgabe erfüllt ihn auch in der Opposition.
    Die einzige wirkliche Schwierigkeit macht dabei nicht etwa die SPD-Mehrheitsfraktion, sondern der Wirtschaftsminister selbst. »Herr Einert vertritt immer häufiger Positionen, die ich als CDU-Politiker übernehmen könnte." Geschickt blocke so jedoch der Minister viele der CDU-Argumente ab, setzte aber gleichwohl seine öffentlichen Ankündigungen politisch nicht durch. Um so beharrlicher hält Meyer mit seinem in 25 Jahren politischer Arbeit bewährten Rezept dagegen: Erst die Konflikte deutlich herausstellen, um anschließend daraus den für alle tragfähigen Kompromiß zu entwickeln. Denn — siehe oben — ohne vernünftige Kompromisse ist für Laurenz Meyer eine vernünftige Politik nicht denkbar.
    Sievert Herms
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI931458

  • Porträt der Woche: Dietrich Kessel (SPD).
    Porträt
    S. 31 in Ausgabe 13 - 14.09.1993

    Eigentlich sei es reiner Zufall gewesen, daß er ausgerechnet in Witten gelandet sei, sagt Dietrich Kessel rückblickend. Als er 1969 als Assistent von Frankfurt mit seinem damaligen Chef nach Bochum gegangen sei, habe er schlicht eine Wohnung gesucht. Und da sei ihm über die Uni eine »Landesbediensteten-Wohnung" in Witten angeboten worden, die anscheinend kein Mensch haben wollte. Die Wohnung lag in günstiger Entfernung zum neuen Arbeitsplatz, also habe er zugegriffen.
    Und in der Ruhrstadt sei er eigentlich auch erst wirklich aktiv in der SPD geworden, obwohl er bereits 1965 eingetreten war. Sein politisches Interesse sei vor allem durch das soziale Engagement seines Großvaters und seines Vaters geprägt worden, meint Dietrich Kessel. Vater und Großvater, beide als Pfarrer im Südhessischen tätig, waren wohl auch SPD-Wähler, aber selbst nie Mitglied bei den Sozialdemokraten.
    Der Sohn jedenfalls war nicht mehr nur Mitglied, er machte auch Parteikarriere in seiner neuen Heimat. Dietrich Kessel wurde Vorsitzender der Wittener Jusos und war an der Bildung des neuen Unterbezirks Ennepe-Ruhr/Witten beteiligt. Diese Neuorganisation wurde mit der Eingliederung Wittens in den Ennepe-Ruhr- Kreis 1975 notwendig.
    Seit damals gehört Dietrich Kessel dem Vorstand dieses Unterbezirks an, fünf Jahre lang ist er mittlerweile Vorsitzender. Um etwas "zu bewegen" stieg er in die Kommunalpolitik ein und ging nach der kommunalen Neugliederung gleich in den Kreistag nach Schwelm.
    Vor drei Jahren entschied er sich schließlich für "Politik als Beruf. Mit 62,3 Prozent holte er den Landtagswahlkreis Ennepe- Ruhr III (Witten). Die personelle Verbindung zwischen Kommunal- und Landespolitik sei sinnvoll, sagt Dietrich Kessel. Als konkretes Beispiel nennt er die Strukturkonferenzen des Landes, auf denen Entwicklungskonzepte für die einzelnen Regionen erarbeitet werden sollen. Der Ennepe- Ruhr-Kreis ist mit dem einen Teil der Region "Mittleres Ruhrgebiet", mit dem anderen der "Märkischen Region" zugeordnet. Gerade hier habe es sich als notwendig herausgestellt, daß er im Kreistag, wo die Dinge zusammengeknüpft werden müßten, auch die eigenen Kenntnisse aus der Landespolitik einbringe.
    Seine Hauptinteressen sind neben der Kommunalpolitik die Themen Wissenschaft und Forschung. Kein Wunder, schließlich arbeitete Kessel insgesamt 16 Jahre als Angestellter im Rektorat der Uni Bochum. Als Mitglied des Wissenschaftsausschusses im Landtag bot ihm diese Kontinuität von beruflicher und politischer Arbeit gute Voraussetzungen. Gute Voraussetzungen, um auch als Neuling in der Fraktion richtig "zu landen". Verständlicherweise stoße man als "Neuer" immer auf Abgeordnete, die sich in Jahren vorher etwas aufgebaut hätten und nun um ihren Einfluß bangen würden.
    Als einer der Wissenschaftspolitiker seiner Fraktion hat Dietrich Kessel jedenfalls das Gefühl, einige Entscheidungen maßgeblich beeinflußt zu haben. Und da hat er auch die Erfahrung gemacht, daß die Mehrheitsfraktion durchaus nicht alles schluckt, was die Landesregierung vorschlägt. Bei der Novellierung der Hochschulgesetze etwa seien die Beschlüsse des zuständigen Arbeitskreises und schließlich auch der gesamten Fraktion erheblich über die Pläne des Wissenschaftsministeriums hinausgegangen.
    Aber er teilt natürlich auch die Erfahrungen anderer Abgeordneter, die sich bisweilen als Ein-Mann-Betrieb der Ministerialbürokratie deutlich unterlegen fühlen. Auf der anderen Seite werden aus dem Wahlkreis ganz konkrete Probleme, Wünsche und Forderungen an ihn herangetragen. Und es gibt bei vielen Leuten "die Vorstellung, der Abgeordnete muß nur mit dem Finger schnalzen und dann läuft es". Nicht wenige Leute seien erstaunt, daß der Abgeordnete wie alle anderen an Recht und Gesetz gebunden sei. In einer solchen Erwartungshaltung sieht Kessel auch einen Grund für die aktuelle Politikverdrossenheit. Die Politiker selbst hätten allerdings einen erheblichen Anteil daran, denn viele hätten in der Vergangenheit den Eindruck vermittelt, sie könnten im Grunde alle Probleme lösen.
    "Ich werde mit bemühen, ob ich eine Lösung in ihrem Sinne hinkriege, muß ich offen lassen. Eine Lösung versprechen, daß mache ich nicht, hat Dietrich Kessel für sich als Maxime beim Umgang mit seinen Wählern festgelegt. Daß ihm eine solch realistische Einstellung nicht nur Freunde beschert, nimmt er in Kauf.
    Ralf Kapschack
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI931383

  • Porträt der Woche: Karl Meulenbergh (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 12 - 29.06.1993

    Der "Meulenberhg-Hof" in Hofstadt im Kreis Aachen wird bereits von der fünften Generation geführt, und sein heutiger Besitzer, der CDU-Abgeordnete Karl Meulenbergh, hat im Gegensatz zu zahlreichen anderen Landwirten keine Sorge, daß diese Tradition sich nicht weiter fortsetzen würde. Eines Tages wird sein Sohn das bäuerliche Erbe übernehmen. Die Bodenständigkeit und das nachbarschaftliche Engagement der Meulenberghs dokumentiert auch ihr Stammbuch, das bis zum Jahre 1750 reicht. So waren die meisten Vorfahren des Parlamentariers auf den verschiedensten Ebenen ehrenamtlich tätig — ob als Bürgermeister, Schöffe oder in einem ähnlichen Amt. So ist es denn auch nicht verwunderlich, daß Karl Meulenbergh in einer Straße in Herzogenrath-Merkstein wohnt, die nach seinem Urgroßvater, dem Ehrenbürgermeister jener Landgemeinde, benannt ist.
    Der heute 49jährige Landwirt wurde in Merkstein geboren, und schon damals war zumindest der berufliche Weg vorgezeichnet: Mittlere Reife, Ausbildung zum Landwirtschaftsgehilfen bei der Landwirtschaftskammer Rheinland und Besuch der Landwirtschaftsschule, Höhere Landbauschule mit Abschluß als Diplom-Agraringenieur. Für Karl Meulenbergh beginnt der Tag um sechs Uhr morgens, und wenn ihn keine Termine als Landtagsabgeordneter oder Kreistagsmitglied binden, widmet er sich dem bäuerlichen Betrieb. Und während die meisten seiner Parlamentskollegen in der Sommerpause den verdienten Urlaub genießen, ist der Mähdrescher die "Wirkungsstätte" des Herzogenrathers.
    Mit 28 Jahren trat Karl Meulenbergh der CDU bei — "wie es sich damals für eine konservative Familie gehörte". Und schon vier Wochen später wählte man ihn zum Ortsvorsitzenden. Bereits ein Jahr danach gehörte der Christdemokrat dem Rat der Stadt Herzogenrath und dem Kreistag des Kreises Aachen an. Während der Christdemokrat das Ratsmandat nach dem Einzug in den Düsseldorfer Landtag 1990 niederlegte, engagierte er sich noch als Fraktionsvorsitzender — seit 1976 übrigens — im Kreisparlament. Auch beschäftigt er sich dort mit Finanzfragen.
    Seine Fraktion berief den "Neuling" denn auch in den gewichtigen Haushalts- und Finanzausschuß. Wie schon damals in den Kommunalparlamenten (,das ist in meinen 17 Haushaltsreden nachweisbar"), macht sich der Christdemokrat nun auch in Düsseldorf für einen "schlanken Staat" stark. Als wichtige Voraussetzung nennt er die Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Der Staat sollte sich aus allen Dienstleistungen zurückziehen, die effektiver und kostengünstiger von privaten Unternehmen ausgeführt werden könnten. So käme es denn auch automatisch zu einem Bürokratieabbau, der heute angesichts der bedrohlichen Finanzlage der öffentlichen Hand um so dringender sei.
    Tiefe Einschnitte sieht der Kommunalpolitiker Karl Meulenbergh auch durch den Solidarpakt auf die Städte und Gemeinden zukommen. Die Vereinbarungen zum Aufbau der neuen Bundesländer seien zwar zu begrüßen, lösten allerdings erhebliche Finanzierungsprobleme aus. Er fordert daher eine gerechte Verteilung der Lasten zwischen dem Land und seinen Kommunen. Außerdem dürfe es keine weiteren Belastungen durch das Land geben, vielmehr sollten den Gemeinden Leistungsreduzierungen ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang greift der CDU- Abgeordnete auch in die aktuelle Diskussion über die Verlängerung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst ein. Er plädiert für eine Mehrarbeit von einer Stunde für alle Arbeitnehmer. Das wäre nicht nur ein Beitrag zur Deutschen Einheit, sondern durch die zusätzliche Arbeitsstunde würde nach seiner Einschätzung auch die Wirtschaft "in Schwung kommen". Der Trend zu immer kürzeren Arbeitszeiten sei nicht unumkehrbar.
    Mit Tennis hält sich Karl Meulenbergh fit für seinen 16-Stunden-Tag. Auch spielt er noch regelmäßig in der Bezirksklasse der Senioren. Die entstehenden Zeitprobleme löst er mit seinem persönlichen Grundsatz, alles was für einen erstrebenswert sei, könne man auch durch Planung koordinieren. Und der Herzogenrather hat Gefallen an seinem bäuerlichen Beruf wie an seinem Mandat.
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI931253

  • Porträt der Woche: Brigitte Schuhmann (DIE GRÜNEN).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 11 - 22.06.1993

    Ja, sicher habe sie der Beschluß der Landesdelegiertenkonferenz der Grünen in Ennepetal gefreut, daß Schülern künftig mehr Rechte eingeräumt werden sollen. Aber trotzdem habe die Bildungspolitik längst nicht den Stellenwert in der grünen Politik und Fraktionsarbeit, der ihr eigentlich zustehe, meint Brigitte Schumann. Sie muß es wissen, schließlich ist sie die bildungspolitische Sprecherin der grünen Fraktion.
    Daß andere Themen oft als wichtiger angesehen werden, findet sie vor allem deshalb unverständlich, weil die Kultur- und Bildungspolitik das originäre Feld der Landespolitik sei. In kaum einem anderen Bereich könne das Land so weitgehend eigenverantwortlich Politik machen. Außerdem müsse gerade auch über die Schule am gesellschaftlichen Bewußtsein gearbeitet werden. Nur so hätten notwendige Veränderungen im Sinne der grünen Programmatik überhaupt eine Chance. Als sie nach der Landtagswahl 1990 von den anderen Fraktionsmitgliedern gedrängt wurde, die Bildungs- und Kulturpolitik zu ihrem Schwerpunkt zu machen, habe sich die Begeisterung in Grenzen gehalten, sagt Brigitte Schumann rückblickend. Denn sie hätte sich auch gern um Frauen-, Jugend- und Sozialarbeit gekümmert.
    Nach drei Jahren intensiver Arbeit sei ihre anfängliche Abneigung allerdings verschwunden. Schließlich habe sie 15 Jahre lang Bildungspolitik von der anderen Seite erlebt, als Lehrerin für Deutsch und Englisch an der Luisenschule in Mülheim. In Mülheim ist die 46jährige auch geboren. Bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr sei sie allerdings kaum mit Politik konfrontiert worden. Die Schulzeit an einem traditionellen Mädchengymnasium habe mit der Lebenswirklichkeit nicht sehr viel zu tun gehabt. Um so größer war dann der Schock, als sie beim Beginn des Studiums 1966 voll in die sich entwickelnde Studentenbewegung geriet. Einer der zahlreichen Hochschulgruppen schloß sie sich zwar nicht an, aber bei vielen Aktionen und "Teach-Ins" war sie natürlich dabei.
    In dieser Zeit sei auch ihr Bewußtsein dafür gewachsen, daß politische Veränderungen notwendig seien. Durch die Erfahrungen in der Referendarzeit, wo starre Lehrpläne wenig Rücksicht auf die Menschen vor und hinter dem Lehrerpult genommen hätten, sei dies noch bestärkt worden.
    Mitte der 70er dann die Debatte über die .Berufsverbote". Obwohl sie selbst nicht unter den sogenannten Radikalerlaß fiel, konnte sie dessen Auswirkungen auf ihre Schule konkret erleben. Die Motivation der Lehrerkollegen ließ rapide nach, und die Angst vor Kritik wuchs. Die offensichtliche ungleiche Behandlung von rechts und links damals habe ihrem politischen Engagement einen Schub gegeben. Sie wurde Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, aber noch nicht Mitglied einer Partei.
    Statt dessen arbeitete sie in der Mülheimer Frauenbewegung mit. Aus dieser Zeit kennt sie auch ihre heutige Parlamentskollegin Heidi Berger (SPD). Fünf Jahre habe es gedauert, bis endlich auf öffentlichen Druck in Mülheim ein Frauenhaus eingerichtet werden konnte.
    Nach den kommunalpolitischen Erfahrungen mit der SPD in dieser Auseinandersetzung kam ein Beitritt zu den Sozialdemokraten für Brigitte Schumann nicht in Frage. Aber sie wollte jetzt kontinuierlich politisch arbeiten — und da gab es ja noch die Grünen. In der Frauenpolitik bestanden kaum Meinungsunterschiede, hinzu kamen die klare Position zum NATO-Doppelbeschluß und der zentrale Stellenwert der Ökologie.
    1982 wurde Brigitte Schumann Mitglied der Partei. Zwei Jahre später saß sie bereits im Mülheimer Stadtrat, bis 1989 als Sprecherin der grünen Fraktion.
    Um Politik hauptberuflich "machen" zu können, kandidierte sie im Vorfeld der Landtagswahl 1990 für einen aussichtsreichen Listenplatz — und sie hatte Erfolg.
    Obwohl sie einige Abstriche machen mußte an ihren ursprünglichen Vorstellungen von "Politik als Beruf" — für Brigitte Schumann ist der Job der Landtagsabgeordneten eine "persönliche Weiterbildungsmaßnahme", die sich bislang gelohnt hat. Natürlich sei sie in einer privilegierten Situation, sie habe Kontakte und Erfahrungen gemacht, die eben nur so möglich seien. "Der Blick hinter die Kulissen ist unbezahlbar", sagt sie.
    Trotz aller Einschränkungen im Privatleben, bei Hobbys und dem seltener gewordenen Kontakt zu Freunden — sie würde es wieder tun. Deshalb stehen hinter einer erneuten Kandidatur für Brigitte Schumann keine Fragezeichen. Schließlich gibt es in der Bildungspolitik noch reichlich zu tun.
    Ralf Kapschack
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI931168

  • Porträt der Woche: Donata Reinecke (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 02.06.1993

    Schon in jungen Jahren hat sich Donata Reinecke ein Prinzip zu eigen gemacht — nicht von anderen etwas zu erwarten, bevor man nicht selbst Hand angelegt hat. Und diese Richtschnur zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben der SPD- Landtagsabgeordneten aus Köln, im beruflichen ebenso wie im politischen Bereich. Und die gebürtige Westpreußin, Jahrgang 1944, wollte schon früh sich selbst und ihrer Umgebung bestätigen, daß auch Frauen in der Gesellschaft "etwas werden können". Denn eigentlich sei sie, so räumt die Studienrätin ein, "so eine der typischen Töchter, die eigentlich ein Sohn sein wollten".
    Bereits in dar Kindheit wurde Donata Reinecke mit den Problemen eines Elternhauses konfrontiert, wo beide Partner berufstätig sind. Nach dem erfolgreichen Abschluß der Schneiderlehre erreichte sie über den zweiten Bildungsweg die Fachhochschulreife und studierte an der Ingenieurschule in Mönchengladbach. "Ich war in meinem Studiengang die einzige Frau." Nach bestandenem Examen als Textilingenieurin besuchte sie zwei Jahre später die Kölner Universität, die sie mit dem ersten und zweiten Staatsexamen beendete. Die Studienfächer: Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik. Seit 1980 unterrichtete die Pädagogin an einer Berufsbildenden Schule in Köln.
    Sie, die nach eigener Einschätzung "die Frage der Gerechtigkeit immer deutlich wahrgenommen hat", trat 1972 in die SPD ein. Der Anlaß waren für Donata Reinecke die "unehrenhaften Auseinandersetzungen" um den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt. Doch auch dessen Eintreten für soziale Gerechtigkeit und die Bildungspolitik der SPD waren Gründe für den Parteieintritt. Nach dem Prinzip, erst einmal selbst Hand anzulegen, zählte sie zu den Mitbegründern einer Kölner Bürgerinitiative für .Brandt/Scheel" und engagierte sich im Bundestagswahlkampf. Als andere ihr Wahlkampfkonzept noch entwarfen, warben wir schon um Stimmen."
    In der Partei auch weiterhin aktiv, wurde die Kölnerin 1980 in den Stadtrat gewählt, wo sie sich im Finanz- und Umweltausschuß engagierte. Sie ließ sich bewußt in die beiden Gremien berufen, "weil die Frauen von ihren männlichen Kollegen gern für den Kultur- und Schulbereich gewonnen werden". Eine "Knochenarbeit", wie sie heute resümiert. Denn die Mutter einer Tochter mußte als sogenannte Alleinerziehende viele Jahre Haushalt und Beruf, Partei- und Ratsarbeit aufeinander abstimmen. In ihren Worten klingt aber auch ein wenig Stolz heraus, wenn sie sagt, "irgendwie wollte ich jungen Frauen beweisen, daß es trotzdem klappt". Die "sinnvolle parlamentarische Lehrzeit" endete 1989, weil nach einem Unvereinbarkeitsbeschluß der Kölner SPD ein Doppelmandat nicht zulässig ist. Bei der letzten Landtagswahl 1990 in das Düsseldorfer Landesparlament gewählt, gehört die Sozialdemokratin dem Wissenschafts- und Umweltausschuß sowie dem Ausschuß für Haushaltskontrolle an. Im Umweltausschuß bemüht sie sich, Kompromisse zwischen Ökologie und Ökonomie zu finden. "Was nützt das beste Klima, wenn die Leute ihr Brot nicht verdienen." Die Hochschulen sieht sie als Stätten, die am geeignetsten sind, um Antworten auf Probleme und gesellschaftliche Veränderungen zu geben. So setzt sich die Kölnerin für eine Hochschulstrukturreform unter enger Beteiligung der Professoren ein. "Man muß mit ihnen reden."
    Wer Donata Reinecke als zielstrebige "Karriere frau" einstufen wollte, würde ihr nicht gerecht. Für die Sozialdemokratin steht die Politik nicht im Mittelpunkt — "und sie darf vor allem nicht die Lebensfreude verderben". So reist sie gern, hört häufig Musik und liest viel, vor allem Belletristik. Ich habe immer ein Buch in der Handtasche." Und wenn man sie fragt, was sie am meisten schätzt, kommt sogleich die Antwort: Aufrichtigkeit und Menschlichkeit. " Übrigens, alljährlich tanzt die Kölnerin in den Mai — "auch das gehört zur Menschlichkeit in der Politik".
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)

    ID: LI931049

  • Porträt der Woche: Marianne Hürten (DIE GRÜNEN).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 9 - 25.05.1993

    Nicht gerade grün-typisch verlief der Weg von Marianne Hürten in den Landtag. Nach der Schule ließ sich die am 20. Februar 1953 geborene Abgeordnete bei der Bayer AG als Chemielaborantin ausbilden, engagierte sich in der DGB-Jugend und wurde schon bald Mitglied im Betriebsrat. Doch SPD-Arbeit innerhalb der IG-Chemie, worauf ein solcher Lebenslauf hindeuten könnte, war nie die Sache der kämpferischen Kölnerin. Bis heute beklagt sie den "Schmusekurs" vieler sozialdemokratischer Betriebsräte. Und ihre eigene Gewerkschaft hält sie für blind gegenüber den Umweltgefahren, zum Beispiel bei der Dünnsäure-Verklappung; im Konfliktfall würde stets nur das "Arbeitsplatzargument" zählen.
    Konsequenterweise kandidiert Marianne Hürten in schöner Regelmäßigkeit auf einer alternativen Betriebsratsliste, ebenso konsequent versuchte die IG Chemie immer wieder ihr widerspenstiges Mitglied auszuschließen — bisher vergeblich. Ihre politische Heimat fand die konfliktbereite Arbeitnehmerin schließlich bei den Grünen, bei denen sie 1980 Mitglied und für die Landtagswahl in NRW 1985 Spitzenkandidatin wurde. Als sie während des Wahlkampfs öffentlich die von Bayer zu verantwortenden Umweltrisiken anprangerte, drohten ihr auch noch disziplinarrechtliche Schritte seitens des Arbeitgebers wegen "betriebsschädigenden Verhaltens".
    Doch der persönliche Einsatz bis an den Rand der eigenen Existenzgefährdung führte seiner Zeit nicht zum politischen Erfolg; die Grünen scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde. Im zweiten Anlauf, wenn auch nicht mehr als Nummer 1 der Landesliste, gelang aber dann 1990 der Sprung ins Düsseldorfer Parlament.
    Hier versucht Marianne Hürten seitdem vor allem Grüne Frauenpolitik durchzusetzen. Ihr Leitgedanke: Frauen haben ein Recht auf eigenständige Existenzsicherung. Als frauenpolitische Sprecherin der Fraktion sieht sie trotz prinzipiell gemeinsamer Ziele in der Frauenministerin den politischen Gegner. Nicht zuletzt deren schwache Position im Kabinett habe an der strukturellen Benachteiligung von Frauen kaum etwas geändert. Das Frauenfördergesetz der Landesregierung ist in ihren Augen kaum "das Papier wert, auf dem es gedruckt ist". Das von Marianne Hürten federführend ausgearbeitete "Antidiskriminierungsgesetz" fordert hingegen zum Beispiel konsequent die Quotierung auf allen Ebenen.
    Doch für radikal-feministische Leitgedanken ist im Landtag weit und breit keine Mehrheit in Sicht, das bedeutet für eine ausgewiesene Feministin einen schweren Stand. Abgesehen von den Schwierigkeiten, die eigenen Ideen durchzusetzen, leidet die Grüne Abgeordnete unter dem allgemeinen Desinteresse, das "Frauenthemen "im Landtag wie in der Öffentlichkeit generell hervorrufen. Und es erschreckt sie regelrecht, wie "unreif "vor allem männliche Abgeordnete mit "saublöden Bemerkungen" auf frauenpolitische Debatten, zum Beispiel über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, reagieren würden.
    Sitzungsfreie Wochen nutzt Marianne Hürten ausgiebig für die Teilnahme an Besprechungen bei Bayer. Aufgrund konkreter Betriebserfahrungen verfaßte sie beispielsweise eine Große Anfrage zur Gewerbeaufsicht, die allerdings die eigene Fraktion immer wieder auf die lange Bank geschoben habe. Vor dem Hintergrund der jüngsten Chemie-Unfälle fordert sie unter anderem Mindestschichtbesetzungen in den Betrieben. Die Anbindung an die "reale Arbeitswelt" empfindet sie einerseits als hilfreich für die politische Arbeit, andererseits auf Dauer als zu kräftezehrend. Das heißt für die nächste Legislaturperiode: Landtag oder Betriebsrat.
    Im Rückblick auf die bisherige Tätigkeit im Landtag fällt der zum linken Flügel der Partei gehörenden Abgeordneten spontan ein Erfolgserlebnis ein: Die Landesregierung habe auf ihre Initiative hin 1,5 Millionen Mark für vergewaltigte Frauen in Bosnien bereitgestellt.
    In der Regel aber lehnten Mehrheitsfraktion und Landesregierung ihre Vorschläge erst einmal ab, um sie später im Zuge eigener Gesetzesvorschläge teilweise wieder aufzugreifen. Marianne Hürten nimmt solche parlamentarischen Spielchen inzwischen gelassen hin; letztendlich würde auch so die Politik insgesamt "angeschoben". Immerhin würde die eigene Fraktion in sämtlichen Gesetzesvorlagen inzwischen die "frauenpolitischen Gesichtspunkte" berücksichtigen.
    Richard Hofer

    ID: LI930972

  • Porträt der Woche: Horst Jäcker (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 11.05.1993

    Die Stätte seiner ersten Berufsausbildung hat einen klangvollen Namen — das Segelschulschiff "Deutschland", und drei Jahre lang sah er als Leichtmatrose alle Kontinente: Horst Jäcker wollte eigentlich Kapitän werden. "Doch dann merkte ich, daß die Ozeane doch nicht mein 'Zuhause' sind", begründet der sauerländische CDU-Abgeordnete seinen zweiten beruflichen Start als Industriekaufmann. Später wechselte er in die Versicherungsbranche und ist heute Generalagent einer schweizerischen Versicherungsgesellschaft.
    Mit 17 Jahren trat der gebürtige Werdohler, Jahrgang 1941, der Jungen Union bei, vier Jahre später der CDU. Mehr als zwei Dutzend Jahre führte er den CDU-Ortsverband, und heute ist er dessen Ehrenvorsitzender. In der 22000 Einwohner zählenden Gemeinde fest verwurzelt, gehört Horst Jäcker seit 1969 nicht nur dem Gemeinderat an — und ist seit 1972 erster stellvertretender Bürgermeister —, sondern auch vielen Vereinen. So ist er auch Vorsitzender des Fördervereins der Realschule Werdohl, der sich bemüht, die Schule durch Spenden mit zusätzlichem Lehrmaterial, beispielsweise Computern, auszustatten. Dem früheren aktiven Wasser- und Handballer liegen insbesondere die Sportler am Herzen. Seit drei Legislaturperioden leitet der Vorsitzende des Schwimmvereins Werdohl auch den Sportausschuß des Kommunalparlamentes und tritt dort aus eigener Erfahrung engagiert für die Belange der Vereine und deren ehrenamtliche Mitarbeiter ein. Sein Wirken fand in der Verleihung des Großen Ehrenringes der Stadt 1989 öffentliche Anerkennung.
    Über die Landesreserveliste kam Horst Jäcker 1985 erstmals in den Düsseldorfer Landtag, dessen Präsidium er heute angehört. Fünf Jahre später, zu Beginn der neuen Legislaturperiode, berief seine Fraktion den Sauerländer in seinen "Wunschausschuß", den Sportausschuß. Dort hatte er im letzten Jahr einen persönlichen Erfolg zu verbuchen. Insbesondere auf Betreiben des Ausschusses wurde der Sport in der Landesverfassung verankert und somit dessen gesellschaftspolitische Bedeutung "aufgewertet". Nach seiner Einschätzung sind sich viele Parlamentskollegen nicht bewußt, welch große Bedeutung der Sport für die Gesundheit und die individuelle Freizeitgestaltung hat. Trotz der fast fünf Millionen Mitglieder in etwa 20000 Vereinen habe der Sport in den Parlamenten keine starke Lobby. So wirbt der CDU-Abgeordnete beispielsweise für eine Anhebung der Zuschüsse für Übungsleiter und der steuerfreien Aufwandsentschädigung. Den ehrenamtlich Tätigen müsse zumindest ein Teil ihrer Unkosten ersetzt werden.
    Ein weiterer Interessenbereich ist natürlich die Kommunalpolitik. In diesem Zusammenhang beklagt er, daß den Kommunen mit ihrem engen finanziellen Spielraum auch noch das Abwasserbeseitigungskonzept aufgebürdet werde. Angesichts eines Anschlußgrades von ohnehin schon neunzig Prozent sollte es zeitlich gestreckt werden. "Anstatt die 100-Prozent-Marke zu erreichen, sollten wir besser in Ostdeutschland auf wenigstens fünfzig Prozent kommen." Und vehement wandte er sich bei der damaligen Funktionalreform-Debatte gegen das Vorhaben, den 13 Städten unter 25000 Einwohnern das Bau- und das Jugendamt zu nehmen, und damit ein Stück Selbständigkeit. Nicht zuletzt auf Druck des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen, deren Mitglied der Abgeordnete ist, konnten die Städte selbst entscheiden, ob sie beide Ämter in eigener Verantwortung weiterführen wollten. Der Parlamentarier engagiert sich seit 1985 übrigens auch im Hauptausschuß des Städte- und Gemeindebundes.
    Der Vater von zwei Töchtern zählt zu jenen Abgeordneten und Politikern, die sich nicht "nach vorn" drängen und auch keine Schlagzeilen auf sich ziehen; entsprechend ihres Mandatsauftrages tun sie mit viel persönlichem Einsatz ihre Pflicht.
    Jochen Jurettko

    ID: LI930847

  • Porträt der Woche: Vera Dedanwala (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 27.04.1993

    "Ich wollte mich politisch engagieren, um nicht mehr ohnmächtig dazustehen." Nach einem Schlüsselerlebnis faßte Vera Dedanwala 1971 den Entschluß, Mitglied der SPD zu werden. Fortan verfolgte sie zielstrebig eine politische Karriere bis hin zum Landtagsmandat im Jahr 1990.
    Gegen ihren eigenen Willen und den vieler Eltern war die damals einzige Hauptschulrektorin in Wuppertal zwangsversetzt worden. Notgedrungen mußte sie ihren Sessel in einer katholischen Schule räumen. Von diesem Zeitpunkt beschloß sie, nun die politischen Geschicke selbst mitzubestimmen. Elf Jahre lang engagierte sich die 49jährige als Ratsfrau in ihrer Heimatstadt Wuppertal. Zuerst war sie in Bezirksvertretungen tätig, dann war sie unter anderem Vorsitzende des Schulausschusses und stellvertretende Vorsitzende des Jugendwohlfahrtsausschusses. Elf Jahre lang war Vera Dedanwala aktiv in der Kommunalpolitik beschäftigt. Dann erkannte sie, welche Fesseln den Kommunen durch die Gesetzgebung des Landes angelegt werden. Die Vorstellung, auf der nächsthöheren Ebene etwas bewegen zu können, faszinierte die Mutter von zwei erwachsenen Töchtern derart, daß sie für den Landtag kandidierte.
    Ich habe aber nie den Bezug zur Kommunalpolitik verloren", sagt die Pädagogin, die ihren zweiten Beruf anfangs als Hobby betrieben hat. "Wer in die Politik geht, sollte zuvor einen anderen Beruf ausgeübt haben", meint sie. Das gewährleiste eine gewisse Unabhängigkeit — auch bei der Meinungsbildung und -äußerung. "Notfalls kann man in den alten Bereich zurückgehen."
    So kann auch Vera Dedanwala auf dem politischen Parkett selbstbewußt ihre eigene Linie vertreten. Beispielsweise stand sie im Gegensatz zu manchen Parteikollegen den Petersberger Asylbeschlüssen positiv gegenüber. Das Ziel der gebürtigen Radevormwalderin in der Politik: "Bewußt konkrete Situationen verbessern."
    "Wenn ich zum Beispiel über die Belange einer Berufsgruppe zu entscheiden habe, muß ich auch wissen, wie deren Alltag aussieht", beschreibt Vera Dedanwala ihre Vorstellung von politischer Arbeit. Die aktive Abgeordnete ist unter anderem Mitglied im Innenausschuß und im Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Landtag. Vor diesem Hintergrund verschaffte sich die Politikerin während der Diskussion über die Pflegeversicherung beispielsweise selbst ein Bild vor Ort und arbeitete 14 Tage als Hilfskraft im Pflegeschichtdienst in einem Krankenhaus. Als es um das Kienbaum-Gutachten für die Polizei in Nordrhein-Westfalen ging, schob sie Dienst bei einer Polizeistation. Und zuletzt blickte sie hinter die Kulissen eines Sozialamtes, um die Probleme bei Asylfragen zu durchleuchten. Demnächst will sie in einem Waisenhaus arbeiten, um zu sehen, "wie die Wirklichkeit aussieht".
    Einen engen Kontakt pflegt Vera Dedanwala deshalb auch zu den Betrieben in ihrem Wahlkreis Wuppertal IV. Zur Debatte über eine allgemeine Politik- und Parteienverdrossenheit meint die stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende der SPD Wuppertal: "Ich glaube, es wird im Moment einfach lieber über die Politik geschimpft. Wir brauchen aber wieder das aktive Mitwirken der Bürger im Staat." Die Bevölkerung sei in ihrer Eigen Verantwortung gefragt. Dieses Stück Selbstverantwortung in vielen Lebensbereichen könne der Staat dem Einzelnen nicht abnehmen. Allerdings trage die Diskussion über verschiedene Untersuchungsausschüsse gegen Minister nicht zur Akzeptanz von Politik bei. Selbstverständlich müssen nach Ansicht von Vera Dedanwala mögliche Unregelmäßigkeiten in der Politik geklärt werden, "aber auf sachlicher Ebene". Das Thema Politik bestimmt auch im Privatleben der Abgeordneten, für die ein Achtstundentag ein Fremdwort ist, viele Gespräche mit den beiden Töchtern. Diese sind ebenfalls Mitglieder der SPD, "sehen dies durchaus aber auch kritisch".
    Wichtig ist auch für Vera Dedanwala, daß die Grundlinie innerhalb einer Partei stimmt, "dann kann man sie akzeptieren". Die Frauen im Landtag sind ihrer Meinung nach durch alle Parteien hinweg sehr tüchtig, engagieren sich auf einer breiten Ebene in allen Bereichen. Fehlt der SPD- Abgeordneten ein Thema, das im "Tagesgeschäft" vielleicht zu kurz kommt? "Die soziale Absicherung im Alter ist vielleicht ein Thema, mit dem man sich einmal konkreter beschäftigen müßte." Eine Problematik, die Vera Dedanwala ebenfalls durch ihre Arbeit nicht fremd ist. Denn nach wie vor ist sie noch Bürgerschaftsvertreterin im Klinikausschuß der Stadt Wuppertal. Darüber hinaus ist die Lehrerin für Geschichte und Mathematik Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Sozialdemokraten im Bildungsbereich. Ihre Erfolgserlebnisse in der Politik? "Solche, die man greifen kann. Das ist das Wichtigste."
    Andrea C. Stockhausen
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI930761

  • Porträt der Woche: Hartmut Schauerte (CDU).
    Porträt
    S. 31 in Ausgabe 6 - 30.03.1993

    "Ohne Spannung fließt kein Strom." Hartmut Schauerte bemüht gerne die Gesetzmäßigkeiten der Physik, um seinen provokanten Politikstil zu erklären. Mit scharfer und bildhafter Sprache stößt er nicht selten auch die eigenen Parteifreunde vor den Kopf, wenn er zum Beispiel der NRW- CDU .sozialpolitische Einseitigkeit" bescheinigt. Wirtschaftswachstum und eine möglichst niedrige Staatsquote sind für den haushalts- und finanzpolitischen Sprecher der Fraktion unerläßlich; nur so könnten die globalen Aufgaben gelöst werden, angefangen von der Deutschen Einheit bis hin zur weltweiten Flüchtlingsproblematik.
    Das politische Engagement begann in den Zeiten der Studentenbewegung, als der 1944 in Kirchhundem-Flape geborene Sauerländer den "Vormarsch des Marxismus in die politischen und gesellschaftlichen Eliten" zu beobachten glaubte. Als stellvertretender RCDS-Vorsitzender gründete er an vielen Unis in der Bundesrepublik Studentengliederungen der CDU und ließ keine Gelegenheit aus, den damaligen APO-Führern contra zu geben.
    Wahrscheinlich wäre der gelernte Jurist bis heute Kommunalpolitiker im Kreis Olpe geblieben, hätte ihm nicht Heinrich Köppler vor der Landtagswahl 1980 eine .wichtige Führungsaufgabe" im Düsseldorfer Parlament versprochen. Mit der Perspektive, sofort einer der führenden Oppositionsführer oder gar, im Fall eines politischen Machtwechsels, Minister zu werden, entschied sich Schauerte für den Landtag. Durch den Tod Köpplers hatte Schauerte zum Start seiner Abgeordnetentätigkeit 1980 auch den Mentor verloren. So wurde er zunächst einfacher Abgeordneter und normales Mitglied im Finanzausschuß. Seine beharrliche Forderung nach einem .schlanken Staat", die seinerzeit beispielsweise schon den Verkauf von West LB-Anteilen beinhaltete, stieß zwar zunächst auch in der eigenen Partei auf Widerstand. Doch heute verweist er mit Stolz darauf, daß viele seiner finanzpolitischen Vorstellungen in der eigenen Fraktion inzwischen eine Mehrheit gefunden haben. Konsequenterweise stieg der Sauerländer 1985 zum finanzpolitischen Sprecher seiner Partei auf. Seitdem sind die Haushaltsdebatten seine Domäne, die .Schuldenpolitik der Landesregierung" sein immerwährendes Angriffsziel. Als Fürsprecher des Mittelstandes kritisiert der CDU-Abgeordnete allerdings genauso unnachgiebig das Pflegeversicherungsmodell seines Parteichefs Norbert Blüm. Nicht zuletzt deshalb lehnte es Schauerte vor zwei Jahren ab, Generalsekretär der nordrhein-westfälischen CDU zu werden. Als Blüms Statthalter hätte er die notwendige Loyalität nicht garantieren können.
    Solch forsches innerparteiliches Auftreten kann sich der Mann aus dem Sauerland leisten. Einmal hat er sein berufliches Standbein nie verlassen. Um möglichen Interessenkollisionen zwischen seiner Arbeit als Abgeordneter und als Rechtsanwalt zu entgehen, hat er zwar mittlerweile seine Sozietät verkauft. Inzwischen aber ist er Teilhaber einer florierenden Vertriebsgesellschaft für medizinische Geräte.
    Darüber hinaus sorgt die starke Hausmacht im Kreis Olpe für hinreichende Unabhängigkeit vom Landesverband. In seinem Wahlkreis Olpe ist Hartmut Schauerte seit 20 Jahren unumstrittener Kreisvorsitzender. Fast 60 Prozent der Wähler gaben ihm im Landtagswahlkampf 1990 ihre Stimme. Taktisch geschickt, machte er zum Beispiel im Kreisvorstand einen Mann der IG Metall zu seinem Stellvertreter. Im eigenen Wahlkreis setzt Schauerte auf Ausgleich und Kompromiß.
    Anders in Düsseldorf. Da zielt der CDU- Abgeordnete auf Polarisierung. Neben dem drohenden "finanzpolitischen Kollaps" prangert er seit zehn Jahren in der Asylpolitik "Scheinasylanten" an und schielt dabei ganz bewußt auf politisches Wählerpotential am rechten politischen Rand. Seiner Meinung nach werde der Rechtsstaat erschüttert, wenn das Gesetz "zu 95 Prozent mißbraucht wird".
    Nicht zuletzt wegen seines kompromißlosen, mitunter auch rücksichtslosen Eintretens für die eigene Überzeugung ist Hartmut Schauerte heute in den Reihen der CDU einer der profiliertesten Abgeordneten. Seine scharfen analytischen und rhetorisch oft brillanten Reden sorgen im Landtagsalltag für überdurchschnittliche Aufmerksamkeit. Und sein Wort gilt heute etwas in der Fraktion. Auf sein Drängen hin wurde Bernhard Worms nach dem Wahldebakel für die CDU 1990 als Fraktionsvorsitzender durch Helmut Linssen abgelöst, kurz darauf wurde Schauerte selbst zu einem der Stellvertreter gewählt. .Die Zelten sind vorbei, daß man sich entschuldigen mußte, CDU-Opposition in Düsseldorf zu machen", erklärt er heute. Und weil die Regierung Respekt vor der Opposition bekommen müsse, habe er auch auf die Ausweitung des derzeitigen Parlamentarischen Untersuchungsausschusses gedrängt. Denn: .Nicht Oppositionsparteien werden gewählt, sondern Regierungen werden abgewählt."
    Richard Hofer
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI930680

  • Porträt der Woche: Karl Knipschild (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 16.03.1993

    Die Tage des Sauerländers Karl Knipschild sind lang. Täglich fünf Stunden sitzt der fleißige CDU-Landtagsabgeordnete aus dem idyllischen Westernbödefeld in Bus und Bahn, um im Düsseldorfer Landtag seine Pflicht zu tun. Preußisch-korrekt versteht der gelernte Landwirt das Mandat der Bürger als Fulltime-Job. "Halb bewundere ich die anderen Abgeordneten für ihre gesteigerte Leistungsfähigkeit", blickt der Parlamentarier augenzwinkernd auf das Heer der Politikerkollegen mit den lukrativen Haupt-und Nebenberufen. "Halb verstehe ich aber nicht, wie man das Mandat ausüben und den Wahlkreis dann noch betreuen kann."
    Seit 1980 gehört der 57jährige Abgeordnete dem Landtag an. In 25jähriger Kommunalarbeit als Ratsherr und Bürgermeister in Bödefeld, später als stellvertretender Bürgermeister in Schmallenberg, hat Karl Knipschild die notwendige Erfahrung für die heutige Funktion erworben: Fast sieben Jahre steht der CDU-Abgeordnete an der Spitze des Düsseldorfer Petitionsausschusses. "Bei uns artikuliert sich die Staatsverdrossenheit der Bürger wie in einem Brennglas", weiß Knipschild. Mit den jährlich 1000 Petitionen sei der Ausschuß längst zum Katalysator zwischen dem bürgerlichen Unmut und der Politik geworden.
    Die knapp 13jährige Tätigkeit im Bürgerausschuß gestattet dem Vorsitzenden eine Langzeitbetrachtung. Zwar sei die Zahl der Petitionen seit 1980 stabil. Die Inhalte der Begehren und vor allem der Stil seien aber in den vergangenen fünf Jahren stetig aggressiver geworden. Weil "Politiker ja doch alle zum großen Haufen gehörten", seien Beschimpfungen und Beleidigungen an der Tagesordnung. Vor allem die abgelehnten Potenten — immerhin 60 Prozent — neigten zu Vorwürfen bis hin zu Vergleichen mit Gestapo-Methoden. "Einer stand sogar vor meiner Haustür und wollte zur Selbstjustiz schreiten."
    Der häufig unkonventionelle, unorthodoxe Arbeitsstil im Ausschuß mache dessen Wirken natürlich angreifbar, räumt Knipschild ein. Das hat der Petitionsausschuß gerade erst im "Fall Nehrling" erleben müssen, als er offensichtlich vorschnell dem Sohn des Staatssekretärs einen Persilschein ausstellte und daraufhin von Justizministerium wie Opposition heftig gerüffelt wurde. Das Gros der Petitionen dreht sich allerdings um Asyl- und Ausländerprobleme, Renten-, Sozialhilfe- und Versorgungsfrage sowie Eingaben von Häftlingen. Da Briefe an den Petitionsausschuß als einzige unzensiert die Gefängnismauern verlassen, macht mancher Knacki von diesem Grundrecht ausgiebig Gebrauch. "Ein Häftling hat jeden Tag eine Petition mit Beschwerden übers Essen bis zum Freizeitangebot eingereicht. Insgesamt 47 Stück — die Leute haben Zeit."
    Jede Woche ist der Ausschußvorsitzende mindestens einen Tag auf Ortsterminen im ganzen Land unterwegs. Da bleibt nicht mehr viel Freizeit. Schließlich darf auch die "Famillje" wie der Sauerländer mit den Worten des Kanzlers spricht, nicht zu kurz kommen. Der vierfache Familienvater genießt die Mußestunden im heimischen Westernbödefeld und widmet sich, so oft es nur geht, dem Hobby Waldarbeit. Schließlich besitzt Karl Knipschild sieben Hektar Wald, die gepflegt werden wollen. Bis vor drei Jahren war der bodenständige "Schwarze" auch noch an der grünen Platte beim Tischtennis aktiv.
    Derzeit überlegt der CDU-Politiker, ob er sich 1995 nach dann 15jähriger Abgeordnetentätigkeit im "schwierigsten geographischen und topographischen Wahlkreis des Landes" noch einmal zur Wahl stellt. Die Landtagsfraktion hofft jedenfalls, daß der sachliche und stets präsente Anwalt der Bürger dem Reiz des Ruhestandes widersteht. Dann kann er sich weiter seiner Leidenschaft, der Bauverwaltung, widmen. Gerade erst hat Knipschild wieder ein Paradebeispiel für die ungleiche Meßlatte auf den Tisch bekommen, die die Verwaltung manchmal anlegt. Während eine Weihnachtsbaumkultur mit 30000 Quadratmeter Fläche ohne Bedenken genehmigt wurde, erhielt der Nachbar im Ort eine Absage für ein nur 3 000 Quadratmeter großes Christbaum-Areal. Knipschild: "Da bin ich mal gespannt, wie die das begründen wollen."
    Daß der Alltag im politischen Düsseldorf nicht nur Streß, Ärger und Parteienstreit mit sich bringt, belegen gerade die späten Debatten im Landtag. Als die Grünen vor kurzem einen Antrag zum Umgang mit häuslichem Ungeziefer auf die Tagesordnung brachten, kamen den Abgeordneten bei den nicht immer ernstgemeinten Beiträgen vor Lachen die Tränen. Aber auch sonst will sich Karl Knipschild über sein Politikerdasein nicht beklagen. "Schließlich ist die Arbeit im Petitionsausschuß für einen Oppositionspolitiker die fruchtbarste Tätigkeit überhaupt", sagt Knipschild. "Da kann man wenigstens noch etwas bewegen."

    ID: LI930552

  • Porträt der Woche: Ludgerus Hovest (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 4 - 09.03.1993

    Sie sind ihm nicht "in den Schoß gefallen" — die Ämter in der Partei und die Mandate im Parlament hat Ludgerus Hovest meistens erst nach demokratischem Wettbewerb mit Konkurrenten erhalten. Dieses meist erfolgreiche Durchsetzen gegenüber den Mitkandidaten dürfte zum Selbstbewußtsein des heute 42jährigen Sozialdemokraten zweifellos beigetragen haben. Es ermöglicht dem Weseler Landtagsabgeordneten auch, politische Fragen undogmatisch einzuschätzen und zu beurteilen.
    In Münster geboren, absolvierte Ludgerus Hovest eine Lehre als Chemielaborant an der dortigen Universität. Anschließend folgten der Besuch der Chemotechniker- Fachschule in Mülheim und eine mehrjährige Berufstätigkeit in einem Bielefelder mittelständischen Unternehmen. Schon während der Lehre knüpfte er Kontakte zu den Gewerkschaften, später engagierte er sich als Betriebsrat für die Belange der Arbeitnehmer. Mit den Gewerkschaften schon früh verbunden, bedurfte es dann 1973 auch keiner großen Überlegungen, das Angebot der IG Chemie-Papier- Keramik zu bejahen und deren Gewerkschaftssekretär zu werden. Nach seinem Einzug in das Düsseldorfer Landesparlament vor fast acht Jahren mußte er allerdings seine Tätigkeit einschränken.
    Bereits mit zwanzig Jahren trat Ludgerus Hovest der SPD bei, wohl beeinflußt durch die damaligen "68er"-Ereignisse, wie er sich heute erinnert. Er engagierte sich zunächst bei den Jungsozialisten, wurde Orts- und später Unterbezirksvorsitzender. Nach einer beruflichen Zwischenstation in Bayern (.da war es schwer, als Preuße politisch mitzuarbeiten") wurde der heutige Weseler SPD-Stadtverbandsvorsitzende 1984 in das Kommunalparlament der niederrheinischen Stadt gewählt. Als Stadtverordneter setzte er sich erfolgreich für den Erhalt des im Zusammenhang mit der damaligen Kommunalreform bedrohten Jugendamtes in Wesel ein, und auch an der Errichtung der lange umstrittenen Gesamtschule hatte er einen großen Anteil. Seit 1989 Fraktionsvorsitzender, ist die Wirtschaftsförderung nach wie vor ein Schwerpunkt seines kommunalen Wirkens. Der Gewerkschaftssekretär sieht realistisch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zahlreiche gleiche Interessen: .Die Gewerkschaften müssen daran interessiert sein, daß die Wirtschaft floriert, dann geht es auch ihnen gut."
    Der Einzug in den Landtag 1985 schaffte der Sozialdemokrat entgegen allen Prognosen. Der Wahlkreis 63, Wesel II, galt als eine CDU-Domäne und wurde vom früheren Bürgermeister Detert repräsentiert. "Der Andrang meiner Parteifreunde, gegen ihn zu kandidieren, war verständlicherweise nicht groß." Und als Ludgerus Hovest in die "Wahlkampf-Arena" stieg, glaubte er nicht, sie als "Sieger" zu verlassen — "das war für mich mehr eine langfristige Zielplanung". Um so größer war am Wahlabend die Überraschung. Fünf Jahre später, 1990, wurde er mit deutlichem vorsprung wiedergewählt.
    Inzwischen gehört der Abgeordnete dem Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie dem Umweltausschuß an. Sein Hauptanliegen ist es jedoch, beide Mandate, das des Stadtverordneten und das des Wahlkreis-Landtagsabgeordneten, so zu nutzen, daß für die Gemeinden und deren Bewohner "was rumkommt". So sieht sich der Weseler insbesondere als Mittler und Fürsprecher des heimischen Raums bei den Ministerien und Landesbehörden, ob es um die Modernisierung eines Krankenhauses oder die Förderung von Städtebaumaßnahmen geht. Die "Profilierung" am Rednerpult des Plenarsaals ist für ihn nicht erstrebenswert.
    Ungeachtet dessen gibt es für den Abgeordneten in beiden Landtagsausschüssen wichtige Betätigungsbereiche als Gewerkschaftler. So wirbt er bei der anstehenden Novellierung des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes insbesondere für klarere Regelungen beim Anspruch auf einen Bildungsurlaub auch der Arbeitnehmer in kleineren Betrieben. Derzeit müssen diese Arbeitnehmer nach seiner Einschätzung viel persönlichen Mut haben, solchen Urlaub zu beantragen. Im Umweltausschuß zählt er zu den Verfechtern des Einklangs zwischen Ökologie und Ökonomie. Die Gesetze sollten praktikabel sein und dürften im Ergebnis nicht zur Folge haben, daß "wir schließlich unsere Betriebe dichtmachen müssen".
    Der Weseler gehört zu jenen wenigen Parlamentariern, für die die Politik "nicht alles ist". So hat sich der Tennisspieler und Briefmarkensammler Ludgerus Hovest nach seinen Worten "viel Freiräume" erhalten für Familie und Hobby: "Ich sag' auch mal einen Termin ab." Anderen Parlamentariern sollte der Niederrheiner ein Beispiel sein.
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI930461

  • Porträt der Woche: Herbert Heidtmann (SPD).
    Porträt
    S. 31 in Ausgabe 3 - 16.02.1993

    Karrierepläne in Hinblick auf einen Ministerposten oder auch "nur" einen Vorsitz in einem der Fachausschüsse hatte Herbert Heidtmann nie. Für den 65jährigen ist klar, daß er mit Ende der Legislaturperiode nicht erneut für den Landtag kandidieren will. So habe er sich beim allgemeinen Postengeschacher Unabhängigkeit bewahrt und sich auf seine sachliche Arbeit in Schul- und Landwirtschaftsbereich konzentrieren können.
    1928 im Kreis Oberberg geboren, 30 Jahre Kommunalpolitik im Kreis Oberberg, Landtagsabgeordneter für den Kreis Oberberg: Das zeigt Beständigkeit und Heimatverbundenheit. Auch Solidarität und Treue, Pflichtbewußtsein und Ordnung zählen zu den Lebensprinzipien des SPD-Abgeordneten. Sie leiten sich ab aus dem Elternhaus und auch aus der Zeit, in der er aufwuchs.
    Unter der "Last der frühen Geburt" hat Herbert Heidtmann nach eigenen Angaben lange gelitten. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs habe er von den ungeheuerlichen Nazi-Verbrechen erfahren. Daraufhin beschäftigte er sich intensiv mit der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus.
    Nach dem Germanistik- und Geographiestudium in Köln wurde Heidtmann 1958 Gymnasiallehrer in Bergneustadt und 1969 Leiter des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums in Wiehl. "Der Name Bonhoeffer war und ist für mich Programm", betont der ehemalige Oberstudiendirektor. Dessen persönliches Engagement aus einem christlichen Weltbild heraus und der bedingungslose Widerstand gegen das Unrecht faszinieren den Politiker Heidtmann. Für den Lehrer Heidtmann war es persönliches Anliegen, seine Schüler "für die Demokratie zu begeistern".
    Zum politischen Idol wurde für den SPD- Abgeordneten Willy Brandt. .Da öffnete sich etwas in die Zukunft hinein", erinnert sich Heidtmann im Rückblick auf Brandts Kanzlerjahre mit leuchtenden Augen. Jene Euphorie und Politiklust seien bereits während der Schmidt-Ära auf Sach fragen verengt worden. Unter solchen strategischen Zwängen leide die SPD bis heute.
    Zur aktiven Politik kam Heidtmann Anfang der 60er Jahre, als er die Leitung der Volkshochschule in Bergneustadt übernahm. Angeregt durch beruflich bedingte Kontakte mit Kommunalpolitikern trat er 1963 in die SPD ein und ging ein Jahr später in den Stadtrat. Eine 20jährige kommunalpolitische Karriere in Bergneustadt über den Ortsvereinsvorstand, Fraktionsvorsitz im Rat bis hin zum Bürgermeister verhalfen ihm dazu, daß er nach einer Kampfabstimmung gegen einen innerparteilichen Mitkonkurrenten 1985 über das Direktmandat im Wahlkreis Oberberg-Süd in den Landtag einzog. Das gute Wahlergebnis betrachtet er im nachhinein als .Wiedergutmachung der Bevölkerung", die ihn 1984 als Bürgermeister nicht wiedergewählt hatte.
    Im Schulausschuß wurde der Abgeordnete schnell damit konfrontiert, daß die Zeit für große Reformen wegen der knappen Finanzen bereits der Vergangenheit angehörte. "Im Grunde wird nur noch an Bestehendem festgehalten", stellt Heidtmann heute ohne Illusion fest. Die Gesamtschule hält der einstige Gymnasialleiter für die "Schule der Republik": Sie sei "die der Demokratie angemessenste Schulform". Generell würden die "ideologiebefrachteten Debatten" über die gesamte Schulreform aber mehr frustrieren als konstruktive Lösungen versprechen. An der Kritik des Kultusministeriums will er sich nicht beteiligen. Loyalität und Treue zur Partei und Fraktion gehören für Herbert Heidtmann zu den Grundprinzipien seiner politischen Arbeit.
    Neben der Schule hat sich der Abgeordnete auch der Sorgen der Bauern angenommen. Um auch im Landwirtschaftsausschuß selbsterlebte Erfahrungen einbringen zu können, arbeitete er auch schon einmal auf einem Bauernhof als "Knecht". Das Bauernsterben, wie es der Bergneustädter auch in seinem Wahlkreis beobachtet, würde auch Kulturlandschaft zerstören. Ein enges Verhältnis zur Natur macht Heidtmann indes zum Gegner von Massentierhaltung sowie von übermäßigem Chemieeinsatz oder auch gentechnologischen Versuchen in der Landwirtschaft.
    Als engagierter Befürworter regenerativer Energien sieht er sich in vielen programmatischen Fragen den Grünen nahe; an ihnen kritisiert er allerdings, daß sie "immer alles sofort durchsetzen wollen". Unter Kollegen gilt Heidtmann generell eher als abwägend und vorsichtig, aber auch als freundlich und meistens gut gelaunt.
    Generell zeigt sich der SPD-Abgeordnete in seiner Einstellung zu den Oppositionsparteien als typisches Mitglied einer langjährigen Mehrheitsfraktion. "Die Opposition hat inhaltlich nichts zu bieten; sie hat keine Konzepte, mit denen man etwas anfangen könne" ist für Heidtmann das Resümee seiner bisherigen Landtagsarbeit. Die laufenden Untersuchungsausschüsse seien reine "Schmutzkampagnen", die politisch "nichts bringen" würden.
    Persönlich engagiert sich Heidtmann im Düsseldorfer Parlament ganz besonders für die Integration behinderter Kinder in den normalen Schulbetrieb. Ein entsprechender Antrag aus dem Juli 1991 trägt im wesentlichen seine Handschrift. Mit Stolz verweist er darauf, daß sich seitdem die Situation behinderter Kinder im Lande verbessert hat. Schon allein deswegen habe sich für ihn die Arbeit im Landtag gelohnt.
    Richard Hofer

    ID: LI930381

  • Porträt der Woche: Bärbel Höhn (Die Grünen).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 02.02.1993

    In die Politik wollte sie eigentlich nie. "Es ist schon ein schmutziges Geschäft, ein menschlich grausames Spiel." Ganz bewußt hebt sich Bärbel Höhn (40) deshalb auch optisch vom Management in der Politik ab. Man glaubt ihr, wenn sie sagt: »Für mich ist allein das Leistungsprinzip wichtig." Und die Lust, etwas zu gestalten, ist ihrer Ansicht nach bei Frauen stärker als bei Männern. "Letztere taktieren mehr, kämpfen daher auch öfter gegen Frust an." Die Diplom-Mathematikerin merkte an praktischen Beispielen, daß sie etwas in der Politik bewegen kann. Als Studentin in den 68er Jahren engagiert, leistete die Mutter von zwei Söhnen in den 80er Jahren einen erheblichen Beitrag zur Gründung eines neuen Kindergartens in ihrer Heimatregion Oberhausen. Zusehends wuchs in ihr der Wunsch, der SPD-Mehrheit in NRW ein Konzept entgegenzusetzen. Das Engagement der Fraktionssprecherin der Grünen, die 1990 in den Landtag einzog, gilt vor allem dem Abfallbereich. Ihr Ziel im "Elfenbeinturm" Landtag ist es, gegen die Ankündigungspolitik anzutreten und sich für eine vorsorgende Umweltpolitik einzusetzen, die ihrer Meinung nach zur Zeit noch nachsorgend betrieben wird. Als Mitglied des Stadtrates in Oberhausen 1985/89 setzte sie die tagtäglichen Probleme der Bürger in Politik um. Ein Grundsatz, an dem sie auch in ihrem heutigen Amt festhält. Obwohl Freizeit bei Bärbel Höhn kleingeschrieben wird, zumal sie seit 1989 auch Mitglied der Bezirksvertretung und der ÖTV ist, versteht sie es, ein intaktes Familienleben zu pflegen. In Diskussionen kann sie dabei auch in der Familie "gut damit leben, wenn jemand anderer Meinung ist". Daß einer der Söhne etwa ein Bankpraktikum macht, ist für sie kein Problem. "Ich will die Lobby derjenigen vertreten, die keine haben. Die Wirtschaft hat eine." Um den Kontakt zum Bürger und zu seinen Problemen zu wahren, fährt Bärbel Höhn meistens mit dem Zug. "Demokratie muß nachvollziehbar sein." Ihr größter Wunsch im Hinblick auf ihr politisches Schwerpunktthema: "Wenn wir den Chemie-Cocktail aus dem Müll rausholen, das wäre für mich ein großer Erfolg."
    Andrea C. Stockhausen
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI930224

  • Porträt der Woche: Karin Hussing (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 19.01.1993

    Sie lehnt die "angepaßten" Politiker entschieden ab und auch jene, die den Bürgern "nach dem Munde reden". So hat denn auch Karin Hussing keine Scheu vor kritischen Worten gegenüber ihren Parteifreunden, und sie versteckt sich auch nicht, wenn sie in der Öffentlichkeit ihre eigene Meinung zu politischen Fragen vertritt und dabei mitunter "vorgeführt" wird. Die CDU-Landtagsabgeordnete aus Herne ist davon überzeugt, daß der Wähler ehrliche, bisweilen auch unangenehme Antworten der Politiker längerfristig honoriert. Wer sich bei seinen Antworten an dem öffentlichen Meinungsklima "orientiere", trägt nach ihrer Ansicht zur Politikverdrossenheit bei. Meinungsdifferenzen in der eigenen Partei sollten in deren Gremien ausgetragen werden, nicht aber über die Medien. Die Christdemokratin schätzt nach eigenem Bekunden harte Auseinandersetzungen in der Sache; persönliche Tiefschläge gegenüber Parteifreunden wie politischen Gegnern lehnt sie aber strikt ab. "Man sollte sich immer gegenseitig respektieren."
    Die in Recklinghausen geborene Parlamentarierin, Jahrgang 1941, war nach dem Abitur und bis zur sogenannten "Familienphase", der Geburt ihres ersten Kindes, etliche Jahre als Sparkassenangestellte tätig. Schon bevor sie 1974 der CDU beitrat, wurde die Mutter von zwei Söhnen als aktives Mitglied der Schulpflegschaft mit den Folgen politischer Entscheidungen konfrontiert. Nachdem Karin Hussing fünf Jahre später in den Rat der Stadt Herne gewählt wurde, galt ihr Engagement denn auch insbesondere Jugend-, Familien- und Sozialfragen. Nach gut einem Jahrzehnt kommunaler Tätigkeit schien für die Christdemokratin, die "Spaß an der Politik" hat, die "Zert reif "zu sein, sich um ein Landtagsmandat zu bewerben. In einer Kampfabstimmung setzte sie sich überraschend, aber deutlich gegenüber ihrem Mitkonkurrenten im Kreisverband durch und zog dann im Mai 1990 über die Landesliste in das Düsseldorfer Parlament. Da die Hernerin eine entschiedene Gegnerin des Doppelmandates ist ("mehrere Mandate kann man nicht hundertprozentig ausüben"), legte sie ihren Stadtratssitz nieder.
    Auf Anhieb gelang es Karin Hussing, von der Fraktion in ihren "Wunschausschuß" delegiert zu werden, den Ausschuß für Inneres. Nach dem Abitur wollte sie zur Kriminalpolizei, doch der ausbildungsbedingte Fortzug nach Süddeutschland fand damals nicht die Zustimmung des Elternhauses. So sieht die Parlamentarierin jetzt in diesem Landtagsausschuß die Chance, sich doch noch im polizeilichen Bereich zu engagieren. So beklagt die Abgeordnete die Unterbezahlung vieler Polizeibeamter angesichts ihrer vielfältigen und verantwortungsvollen Aufgabe, die innere Sicherheit zu gewährleisten. Und für die Politikerin ist es auch ein persönliches Anliegen, das Verhältnis zwischen Polizei und Bürger zu verbessern, den einzelnen Beamten als Helfer und nicht als "Buhmann" darzustellen.
    In den Petitionsausschuß, für viele Abgeordnete ein "ungeliebtes Kind" wegen der zeitaufwendigen Arbeit, ging die Hernerin freiwillig, weil sie insbesondere in diesem Parlamentsgremium für einen Oppositionspolitiker die Chance des persönlichen Kontaktes mit dem Bürger sieht und ihm direkte Hilfe angeboten werden könne. Sicherlich dürfe sich der Petitionsausschuß nicht über gesetzliche Regelungen hinwegsetzen, er könne aber vielfach bei festgefahrenen Verhandlungen zum Abbau von Frust beitragen und auch durch sehr viel Hartnäckigkeit die Petition schließlich zum Erfolg führen. Die Christdemokratin sieht in der Ausschußtätigkeit auch eine Selbstbestätigung dafür, daß die Arbeit eines Politikers sich nicht nur "irgendwo im Nebulösen" vollzieht, sondern konkrete Hilfe für Bürger leisten kann. Der Radius ihres Wirkens reicht weit über die parlamentarische Tätigkeit hinaus. So ist sie u.a. stellvertretende Landesvorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung der NRW-CDU, Mitglied des Landesvorstandes der Frauen-Union, des Bezirks- und Kreisvorstandes der Union. Ohne die Unterstützung und das Verständnis der Familie wäre dieses Arbeitspensum nicht zu schaffen, betont die Abgeordnete. Nach dem Hobby gefragt, kommt schnell die Antwort: "Meine Garderobe selbst nähen." Doch der Griff zu Schere und Nadel wird immer seltener. Die Politik bestimmt den Alltag.
    Jochen Jurettko (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI930139

  • Porträt der Woche: Dr. Annemarie Schraps (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 22 - 22.12.1992

    "Mehr Herz im Parlament und "Mehr Nachdenken über die Vorschläge der Opposition" haben sich für Annemarie Schraps nach zweijähriger Abgeordnetentätigkeit als persönliche Grundbedürfnisse herauskristallisiert. Die rüde Art, wie die Landesregierung Anregungen der Opposition verwerfe, sei für sie nach langjähriger Ratstätigkeit in Krefeld ein "Kulturschock" gewesen. Doch inzwischen habe sie auch gelernt, selbst "auszuteilen". Dabei hat sie es nicht leicht. Als umweltpolitische Sprecherin ihrer Fraktion wurde die promovierte Geologin zur Fachkontrahentin von Umweltminister Klaus Matthiesen. Und allein gegen dessen Erfahrung, Rhetorik und Taktik anzukommen, ist für einen Parlamentsneuling ein harter Brocken.
    Doch durchgebissen hat sich Annemarie Schraps in ihrem Leben schon häufig. 1936 in Oelsnitz/Vogtland geboren, erlebte sie in frühen Jahren "zwei Diktaturen", wie sie selbst betont: Erst die Nazis, dann die Kommunisten. Der Vater wurde nach dem Weltkrieg nach Sibirien verschleppt, sie selbst floh 1954 aus der damaligen DDR nach West-Berlin. Ihre auch durch die christliche Erziehung hervorgerufene Sympathie zur CDU erlebte einen Höhepunkt, als nach dem Besuch von Konrad Adenauer 1955 in Moskau ihr Vater aus dem sibirischen Straflager in Workuta entlassen wurde.
    Nach dem Geologiestudium in Braunschweig, der Geburt zweier Söhne und der Adoption einer Tochter begann 1969 die aktive Parteiarbeit bei der CDU. Aus beruflichen Gründen ihres Mannes war sie nach Krefeld gezogen und als "Mikätzchen" bis zu ihrem Einzug in den Landtag Lehrerin im Angestelltenverhältnis. Neben ihrem Beruf machte sich die Neu-Krefelderin auf den Weg zu einer linearen Parteikarriere: Erst im Parteivorstand, später in Bezirksvertretung und Kreisvorstand, schließlich im Landesvorstand der nordrhein-westfälischen CDU. Im Stadtrat brachte sie es bis zur stellvertretenden Bürgermeisterin, in der Frauen-Union ist sie heute die stellvertretende Landesvorsitzende. 1978 gründete sie den Verein "Sport für betagte Bürger", der heute, wie sie mit spürbarem Stolz erzählt, 1600 Mitglieder zählt.
    Nach 20 Jahren aktiver und erfolgreicher Kommunalpolitik war der Einzug von Annemarie Schraps in den Landtag über die CDU-Landesreserveliste nur folgerichtig. Der "Wille zur politischen Gestaltung", aber "natürlich auch der persönliche Ehrgeiz" haben sie zur Kandidatur getrieben. Im Umweltausschuß gilt sie als äußerst gewissenhaft, penibel darauf bedacht, Anträge vor allem der Landesregierung genau studieren zu können. Initiative zeigt sie in erster Linie dann, wenn es um Bodenschutz geht; da kennt sie sich aufgrund ihres Studiums bestens aus und bringt unermüdlich Anträge ein. "Das ist mein größtes Hobby", bekennt sie auch ohne Umschweife. Engagiert fordert sie für Nordrhein-Westfalen ein eigenes Bodenschutzgesetz, bisher vergeblich. "Das ist das Schicksal als Oppositionspartei", meint sie schon etwas resigniert.
    Beim ihrer Meinung nach drängendsten Umweltproblem, der Abfallbeseitigung, liegt die CDU-Abgeordnete mit Umweltminister Matthiesen prinzipiell auf einer Linie. Da beklagt sie nur, daß der sich mit dem Neubau weiterer Müllverbrennungsanlagen vor Ort nicht wirksam genug durchsetzen könne. Der "Ankündigungsminister", wie sie Matthiesen im Einklang mit ihren Fraktionskollegen gerne nennt, solle aber prinzipiell "nicht so viel reden", sondern "mehr konkret tun". Das gelte auch für den Abbau der Unmengen an Verordnungen im Umweltbereich. Da freut es die CDU-Abgeordnete, daß der SPD-Minister da "auch endlich etwas kapiert habe". Doch er müsse nicht immer nur nach Bonn und Brüssel zeigen, sondern in Nordrheinwestfalen selbst Veränderungen herbeiführen.
    Die Grünen sieht die CDU-Umweltexpertin nicht als Verbündete an. Da gebe es zu viele "utopische Forderungen "und im Parlamentsalltag zu häufig "unbewiesene Unterstellungen". Ihrer eigenen Partei will sie ins Stammbuch schreiben, daß die wirtschaftlichen Probleme dieser Tage den Umweltschutz nicht in den Hintergrund drängen dürften. Sie gesteht zu, daß es da mit den Fachkollegen aus der Wirtschaft oder dem Verkehrsbereich schon einmal Meinungsunterschiede gebe. Als "Ja-Sagerin" will sie auf keinen Fall gelten, auch nicht in der eigenen Partei.
    Persönlich am Herzen liegt ihr eine verstärkte Umwelterziehung junger Menschen. Energisch fordert sie nach dem Vorbild von Baden-Württemberg auch für Nordrhein-Westfalen ein freiwilliges "ökologisches Jahr". Außerhalb des Parlaments pflegt die Umweltfachfrau der CDU Verbindungen zu Verbraucherberatungsstellen und Umweltverbänden. Auch im Krefelder Stadtrat ist sie weiterhin aktiv. Mit ihren jetzigen Mandaten fühlt sie sich ausgefüllt, eine weitere Parteikarriere ist nicht geplant: "Wenn ich auch nach 1995 das bliebe, was ich heute bin, dann wäre ich zufrieden."
    Richard Hofer (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI922248

  • Porträt der Woche: Jürgen Jentsch (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 21 - 15.12.1992

    Er zählt zu jener Generation, deren Kindheit die Kriegs- und Nachkriegszeit entscheidend beeinflußt und geprägt haben: Schon als Vierjähriger verlor Jürgen Jentsch seinen Vater an der Front, als Achtjähriger wurden er und seine Mutter von den Polen aus dem heimatlichen Stettin vertrieben. Über Notunterkünfte in Schleswig kamen sie schließlich nach Gütersloh, wo der heutige Parlamentarier die Schlosserlehre absolvierte. 25 Jahre lang war dann Jürgen Jentsch in seinem Beruf tätig, bis ihn 1980 die Gewerkschaft zum Sekretär für den großräumigen DGB- Bezirk Paderborn berief. Schon als Handwerker war das damalige Betriebsratsmitglied übrigens der IG Metall beigetreten; später bekleidete er zahlreiche Ehrenämter im DGB, so gehörte er u.a. dem Bundeshandwerksausschuß der Gewerkschaften an.
    Der frühe Eintritt in die Gewerkschaftsbewegung und seine politische Heimat, die SPD, sind keine Zufälle. Sein Großvater, der den im Krieg gefallenen Vater "ersetzte", war Gewerkschafter und Sozialdemokrat. Neben seiner vielfältigen Gewerkschaftsarbeit widmet sich Jürgen Jentsch bis heute noch insbesondere Jugendproblemen. Nachdem er 1975 in den Gütersloher Stadtrat gewählt worden war, engagierte sich der Sozialdemokrat für die sogenannten freien Jugendgruppen. Als heutiger Landesvorsitzender der "Aktion Jugendschutz e.V.", der vor allem beratend und informativ wirkt, wird er mit vielen Problemen konfrontiert. Als aktuelle sind die zunehmenden Gewaltdarstellungen in den elektronischen Medien und der teilweise noch tabuisierte sexuelle Mißbrauch von Kindern zu nennen. Schließlich rückt die Gewalt in den Schulen in die öffentliche Aufmerksamkeit.
    Der Sozialdemokrat kam 1985 sozusagen "über Nacht", wie er sich heute erinnert, in den Düsseldorfer Landtag. Als Kandidat des Wahlkreises 103, Gütersloh II, hatten weder er noch seine Familie und Parteifreunde damit gerechnet, die jahrzehntelange Domäne der CDU für Sozialdemokraten zu erobern. "Meiner Familie und mir brachte die Wahlnacht die größte Überraschung." Fünf Jahre später, 1990, fiel der Wahlkreis wieder der SPD zu. Heute gehört Jürgen Jentsch dem Ausschuß für Innere Verwaltung, Ausschuß für Kinder, Jugend und Familie sowie als stellvertretendes Mitglied dem Umweltausschuß an. Im letzteren Parlamentsgremium gilt er als engagierter Verfechter alternativer Energien. So bedauert er es, daß der Staat deren Entwicklung in der Vergangenheit kaum gefördert, sondern vernachlässigt habe. Noch als seine Partei der Kernenergie eher wohlwollend gegenüberstand, war er bereits ein entschiedener Gegner des Atomstroms. Der Partei voraus war der Sozialdemokrat auch in einem anderen Bereich. In einer Zeit, wo der Individualverkehr noch den absoluten Vorrang hatte, machte sich Jürgen Jentsch bereits für den öffentlichen Personennahverkehr stark.
    So mag es auch nicht mehr überraschen, daß der Gütersloher sich als einer der ersten "männlichen" Parlamentarier für die Gleichberechtigung einsetzte und dem Landtagsausschuß für Frauenpolitik seit seiner Gründung angehört. Heute zählt er zu den wenigen Männern in diesem Gremium und wird von den Kolleginnen längst akzeptiert. "Wir haben ein sehr partnerschaftliches Verhältnis." Der Mitinitiator des Frauenförderungsgesetzes ist zuversichtlich, daß es die verfassungsrechtliche Hürde in Karlsruhe nehmen wird. Während sich die Gleichberechtigung in den öffentlichen Verwaltungen allmählich durchsetze, gebe es noch große Schwierigkeiten in den Privatunternehmen und auch im gesellschaftlichen Bereich, urteilt der Abgeordnete. Die Zugehörigkeit zum Ausschuß ist für ihn im übrigen auch ein persönlicher Gewinn. "Man bekommt eine aufgeschlossenere Denkweise und sieht schärfer die mannigfaltigen Benachteiligungen des anderen Geschlechts."
    Mit der parlamentarischen Tätigkeit im Landtag und Stadtrat ist das Wirken des Gütersloher Abgeordneten jedoch noch nicht erschöpft. So ist Jürgen Jentsch Kreisvorsitzender des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und der Arbeiterwohlfahrt, ist Unterbezirkschef der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, und er gehört schließlich dem Hauptausschuß des Deutschen Jugendherbergswerkes an. In all diesen Gremien versucht er praxisorientierte Anregungen zu geben und etwas zu bewegen. Kein Wunder, daß für den heute 53jährigen frühere Hobbys, wie Briefmarken und Schmalfilm, "ruhen müssen". Die notwendige Entspannung holt er sich zu Hause, bei Ehefrau Elisabeth und Sohn Sören.
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI922134

  • Porträt der Woche: Roland Appel (DIE GRÜNEN).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 20 - 01.12.1992

    Nach dem Einzug der Grünen in den Landtag 1990 ließ die Landtagspräsidentin den Abgeordneten Appel fragen, ob er denn lila Haare und knallbunte Hosen mit der Würde des Parlaments für vereinbar hält. Klar, meinte der Parlamentsneuling, Abgeordnete seien doch auch aufgerufen, Landestracht zu tragen. Er stamme aus dem Bonner Norden, und da würden 80 Prozent Punks wohnen. Inzwischen gehört der "bunte Vogel" zum gewohnten Bild des Düsseldorfer Landtags. Von seinen Abgeordnetenkollegen fühlt er sich heute im allgemeinen akzeptiert.
    Der Einstieg in die Politik begann 1972. Damals, fasziniert von der Aufbruchstimmung der Ära Brandt/Scheel, trat er in die F.D.P. ein. "Demokratie wagen", eine Liberalisierung der Gesellschaft und die Stärkung von Bürgerrechten, dafür, wie er damals dachte, lohnte sich das politische Engagement. Der gebürtige Kölner lebte zu dieser Zeit in Baden-Württemberg. Die dortigen Jungdemokraten erschienen ihm progressiver als die Jusos, er fand es "toll, daß die F.D.P. sich eine antikapitalistische Jugendorganisation leistete".
    Mit der Wende der F.D.P. zur CDU 1982 verließ Roland Appel die F.D.P. Zwischenzeitlich arbeitete er als Wahlhelfer der SPD, bis er die freiheitlichen Bürgerrechte am ehesten bei den Grünen zu verwirklichen glaubte. Ein "Grüner der Graswurzelbewegung", in erster Linie fixiert auf Ökologie, sei er nie gewesen. Auch im gängigen Fundi-Realo-Spektrum war er nie einzuordnen. Inhaltlich sympathisierte er stets mit den Linken, während er bei den Realos den pragmatischen Bezug zur Parlamentsarbeit schätzte.
    Wie viele seiner Generation — geboren 1954 — hat er sich mit einem umfangreichen Studium (Philosophie, Jura, Politische Wissenschaften in Tübingen und Bonn) ein Legitimierungsstandbein geschaffen, das es ihm erlaubte, so nebenbei "in irgendwelche Jobs reinzutaumeln". So taumelte er zunächst in ein Zeitungspraktikum und dann urplötzlich in eine feste Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter in die Bundesfraktion der GRÜNEN für den Arbeitskreis Recht. Parteimitglied wurde er 1985, um auch mit(be)stimmen zu können. Vor allem für sein vielfältiges und parteiintern geschätztes Engagement gegen die Volkszählung setzten ihn die Grünen auf einen Listenplatz, der so gerade für den Einzug in den Landtag reichte.
    Hier hat das ehemalige Vorstandsmitglied der Humanistischen Union es weitgehend geschafft, seine außer- und innerparlamentarischen Oppositionsthemen, wie zum Beispiel in der Asylpolitik, unter einen Hut zu bringen: Plädoyer im Parlament für ein Bleiberecht der Roma, demonstrative Solidarität mit Bettelmarsch und Protestlager unter der Rheinbrücke. Durch ein neues, von ihm mitherausgegebenes Buch mit dem provozierenden Titel "Die Asyllüge" will Appel Flüchtlings- und Protestgruppen jetzt Argumente für ihre Auseinandersetzung gegen die zunehmend ausländerfeindliche Stimmung im Lande liefern.
    Weitere Kernthemen in seiner Parlamentsarbeit sind der Verfassungsschutz und die Stärkung individueller Freiheitsrechte. Der Radikal-Liberale träumt beispielsweise davon, den Verfassungsschutz zu einer Servicestation für den Bürger umzufunktionieren: Zu einer wissenschaftlichen Beratungsstelle, die jeden Interessierten über Herkunft, Ziele und Methoden beobachtungswürdiger Vereinigungen von der Scientology bis zur FAP informiert.
    Die Zeit fürs Private ist für den leidenschaftlichen Motorradfahrer seit seinem Einzug in den Landtag knapp geworden. Beinahe zwangsläufig würden alte Freunde vernachlässigt, auch seine vor wenigen Monaten geborene Tochter komme immer wieder zu kurz. Denn neben seiner Abgeordnetenarbeit muß er auch noch die grüne Basis pflegen. Als exotischer Landtags-Promi ist er ein häufig angefragter Gesprächspartner.
    Richard Hofer

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI922057

  • Porträt der Woche: Reinhold Trinius (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 19 - 17.11.1992

    Reinhold Trinius ist keiner von denen, die mit dem verletzenden Wort schnell bei der Hand sind. Er wirkt eher bedächtig denn als temperamentvolk Aber bei "erkennbarer Ungerechtigkeit" und bei "Verstoß gegen die Fairneß-Regeln", da rastet er schon mal aus. Das war zuletzt der Fall, als der Düsseldorfer Landtag über den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß debattierte, dem Trinius angehört.
    Da hatte der 58jährige Sozialdemokrat, gelernter Studienrat mit den Fächern Geschichte und Deutsch, die Opposition, deren Angriffe auf die Landesregierung er für "unanständig" hält, mit einer nordrheinwestfälischen Variante der berühmten Rede des Marc Anton aus Shakespeares "Cäsar" attackiert und ironisch ihre Wortführer als "ehrenwerte Männer" bezeichnet, um dann vom "Fangschuß" zu reden, den Brutus und seine Komplizen Cäsar beigebracht hätten. Diese eher feine, aber nicht näher erläuterte Anspielung auf den CDU-Abgeordneten und Hobbyjäger Schauerte, der im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuß davon gesprochen hatte, nun werde er Finanzminister Schleußer den "Fangschuß" geben, geriet CDU und F.D.P. nur zur Belustigung. Schließlich wurde, wie überliefert ist, Cäsar erdolcht. Die in den Augen von Trinius mit dem Wort "Fangschuß" ausgedrückte "ungeheuerliche Menschenverachtung" verkehrte sich damit in Schenkelklopfen über einen wohl ungebildeten, tölpelhaften Menschen.
    Daß Trinius eher das Gegenteil ist, ficht niemand an. Der gebürtige Sachsen- Anhaltiner studierte nach seiner Flucht 1953 aus der damaligen DDR in Münster und Tübingen, engagierte sich früh in der evangelischen Kirche, für die er nach dem Examen in der außerschulischen Bildung tätig war. Und er blieb immer ein Grenzgänger, einer, der die Spaltung Deutschlands am eigenen Leib erlebt hatte, aber nicht hinnehmen wollte.
    Am besten sah er seine Vorstellungen in der SPD aufgehoben, der Trinius 1961 beitrat. Dafür waren vor allem Persönlichkeiten wie Kurt Schumacher, Ernst Reuter und Willy Brandt Vorbild. Ihre deutschlandpolitischen Reden seien für ihn prägend, sagt er. Er selbst, von Ost nach West gewandert, glaubte bis zum Mauerbau, daß die Spaltung bald vorbei sei. Die Jahrzehnte später erst mögliche Deutsche Einheit war denn auch für ihn ein tiefes, bewegendes Ereignis.
    Freunde haben ihn bewegen wollen, in seine alte Heimat zurückzukehren. Aber er hat sich anders entschieden, vor allem weil er seinen Platz als Politiker hier gefunden hat — eine Rolle, die ihn in den Stand setzt, an der Verbesserung der Verhältnisse in Ostdeutschland an entscheidender Stelle mitzuwirken. Im Landtag gehört Reinhold Trinius dem Haushalts- und Finanzausschuß an, einem der wichtigsten parlamentarischen Gremien. In der SPD- Fraktion ist er einer der stellvertretenden Vorsitzenden.
    Erste politische Erfahrungen sammelte Trinius als Kommunalpolitiker im Ostwestfälischen. Dorthin, ins heutige Porte Westfalica, war er nach seinem Studium verschlagen worden. Lange Jahre gehörte er dem Gemeinderat an, ehe er sich ganz seiner Arbeit in Düsseldorf widmete. Dorthin wird er seit 1970 regelmäßig mit klaren Mehrheiten gewählt. Trinius ist Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, von amnesty international, des Vorstands der Evangelischen Pflegeanstalt Wittekindshof und von Haus Neuland.
    Der Kettenraucher filterloser Zigaretten, verheiratet, Vater von drei Kindern, wirbt unter dem Aspekt der Stabilisierung Ostdeutschlands dafür, die jungen, noch nicht gefestigten Demokratien in Osteuropa massiv zu unterstützen. "Wir brauchen einen Marshallplan für Osteuropa", verlangt er. Entscheidende Aufgabe der Politik heute müsse es sein, daß die Wirtschaft dort erfolgreich und sozial, aber nicht in Form eines Beutezuges Fuß fassen könne, "sonst werden die jungen Demokratien brüchig".
    Was die Finanzen in Deutschland und speziell in NRW angeht, müsse entschieden gespart werden, sagt der Experte Trinius. Aber Sparen allein reiche wohl nicht, wenn allein NRW im nächsten Jahr mit einem Minus von vier Milliarden Mark rechnen müsse. Wenn die Einnahmeseite nicht verbessert werde, "gefährden wir die Demokratie von unten her", befürchtet er. Mithin brauchten die Länder eigene Einnahmequellen, also so etwas wie Ländersteuern. Und nötig sei auch ein Haushaltssicherungsgesetz bei Bund und Ländern. Trinius ist entschlossen, auch 1995 wieder für den Landtag zu kandidieren. Um sich dafür fitzuhalten, liest er viel und wandert. Vor allem im Harz, der wie er selbst die deutsche Teilung und ihre Aufhebung symbolisiert.
    Bernd Kleffner

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921957

  • Porträt der Woche: Günther Langen (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 18 - 03.11.1992

    "Schwarz wie die Nacht und heiß wie die Liebe." Das Firmenmotto der größten und einzigen Kaffee-Rösterei des Hochsauerlandes paßt haargenau auf ihren Besitzer. Denn Günter Langen (57) ist nicht nur CDU-Landtagsabgeordneter im "schwarzen " Medebach — er ist auch Vater von fünf Kindern. "Wer schaffen will, muß fröhlich sein", weiß der singende Bürgermeister, der auch in der Landeshauptstadt Düsseldorf bei Fraktionsfesten der Christdemokraten den Ton angibt.
    Doch wie kommt ausgerechnet eine Kaffee-Rösterei ins Sauerland? Nach der Fachhochschulreife hatte es Langen zum Außenhandel nach Hamburg gezogen. Dort fand der Lehrling Gefallen an Tee und braunen Bohnen und sollte eigentlich als Tee-Tester ins ferne Kalkutta wechseln. Die Liebe machte einen Strich durch die Rechnung — Langen zog es zu Rosemarie ins Sauerland, wo er 1959 die Güla-Kaffee-Rösterei gründete. Und daß die Zahl der Röstereien seitdem in Deutschland von 3 000 auf 100 schrumpfte, stört Langen nicht die Bohne. Sein Kaffee dampft. Seit 1962 Mitglied der CDU, Kreisvorsitzender, Ratsherr, Kreistagsabgeordneter, Bürgermeister und ab 1990 Landtagsabgeordneter. Multifunktionär Langen hat seinen Weg gemacht — und ist zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Denn geboren ist der Kaufmann in unmittelbarer Nähe des Düsseldorfer Landtags, erst 1939 zog die Familie nach Medebach. Im Wahlkreis 143 verfügt die Union über satte 53,3 Prozent der Stimmen. "Da habe ich im Landtag eine neue Erfahrung gemacht, daß wir bei Abstimmungen immer unterliegen", erinnert sich der begeisterte Fußballfan, der für den FC Landtag — auf eigene Kosten — sogar in Simbabwe vor 40 000 Zuschauern gegen das Leder trat. Hier hat der frühere Kicker der 1. Mannschaft vom TuS Medebach auch sein "erstes Tor auf afrikanischem Boden geschossen".
    Als CDU-Kreisvorsitzender im Hochsauerland betreut Langen 8 000 Mitglieder. Im Landtag arbeitet der Sauerländer im kommunalpolitischen und im Verkehrs-Ausschuß. "Ich fühle mich als Wahlkreisabgeordneter", weiß Langen um die vorteile der kurzen Wege als Abgeordneter in die Ministerien. Auch deshalb möchte der Medebacher 1995 noch eine zweite Runde im Parlament drehen. Weil Langen aber auf keiner Landesliste abgesichert ist, muß wieder die eigene Mehrheit her."Auch im Sauerland muß mancher umdenken, ein schwarzer Besenstiel reicht da nicht mehr." Also hängt sich "Güla" rein und macht seinen Job.
    Nicht nur Langen beklagt, daß das Sauerland bei der Vergabe von Fördermitteln des Landes benachteiligt wird. 630 Millionen Mark habe die SPD für den Bau der Rheinuferstraße vor dem Amtssitz Johannes Raus bewilligt. Mit dem Geld hätten dringend notwendige Ortsumgehungen errichtet werden können. Benachteiligt werde die ländliche Region aber auch bei Fördermitteln für Kurorte und Abwassermaßnahmen. Langen: "Die SPD pflegt eben ihre Mehrheiten."
    In 28jähriger Kommunalpolitik hat der CDU-Politiker ("letztes Bollwerk vor Hessen") aber das Leben mit politischen Wirrnissen erlernt. Niemals über Dinge ärgern, die man nicht ändern kann, heißt die Parole. Die Rheinuferstraße wird gebaut, Langen macht weiter. Trotz der SPD- Betonmehrheit im Landtag legt der bodenständige Sauerländer denn auch Wert auf guten Kontakt zum politischen Gegner und bevorzugt den sachlichen Ton im Ausschuß. Auch das frühere Gruppendenken in der eigenen Fraktion sei mit den 40 Einsteigern vom Tisch. Langen: "Das Arbeitsklima ist gut, es gibt kein Stadt- Land-Denken."
    Demokratie lebt vom Wandel. Deshalb will Langen den CDU-Kreisvorsitz "irgendwann aufgeben". Schülergruppen, die den Medebacher Vertreter im Landtag besuchen, empfiehlt der Abgeordnete denn auch, frühzeitig ehrenamtlich Verantwortung zu übernehmen. Die Politik brauche ständig neue Ideen und neue Leute. Der "Senior" selbst genießt es, am Sonntag "die Seele baumeln zu lassen". Dann sitzt der Frühschoppenclub der alten Fußballfreunde wie seit Jahrzehnten schon in trauter Runde beim Bier zusammen. Eben: Wer schaffen will, muß fröhlich sein.
    Wilfried Goebels

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921854

  • Porträt der Woche: Helmut Harbich (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 17 - 20.10.1992

    Er sieht sich nicht als "Parteisoldat", und für ihn ist die Politik auch kein Vollzeit-Job: Aufgrund des Abgeordnetengesetzes mußte Helmut Harbich zwar das Amt des Hauptgeschäftsführers der Kreishandwerkerschaft Mönchengladbach niederlegen, doch auch heute noch ist er mannigfaltig für das Handwerk tätig und engagiert sich auch bei der Förderung des Nachwuchses. Der niederrheinische CDU-Landtagsabgeordnete hält es für eine politisch "ungesunde Entwicklung", daß immer mehr Parlamentskollegen sich sofort nach ihrer beruflichen Ausbildung ausschließlich der Politik zuwenden oder ihren Beruf nach der Mandatsübernahme an den Nagel hängen. Der Abgeordnete gewinne aber insbesondere im Beruf tägliche Erfahrungen für sein politisches Handeln. Seit 1975 bereits im Düsseldorfer Landesparlament, vermißt Helmut Harbich heute auch jene frühere Atmosphäre, wo Freundschaften quer durch die Fraktionen geschlossen wurden und es auch den "Mut zu Originalität" gab. Die Klimaverschlechterung ist nach seiner Einschätzung auch eine Generationsfrage.
    Der Christdemokrat, Jahrgang 1932, wurde im niederschlesischen Kreis Olmütz geboren und wie Millionen von Landsleuten nach Kriegsende aus seiner Heimat vertrieben. Nach mehreren Zwischenstationen fanden seine Eltern und er in Alpen am Niederrhein ein neues Zuhause. Dem Abitur folgte das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Freiburg und Münster mit anschließendem ersten und zweiten Staatsexamen. Zunächst für einige Jahre als Richter tätig, wechselte der Jurist dann als Hauptgeschäftsführer zur Kreishandwerkerschaft in Mönchengladbach.
    Vom Elternhaus her "politisch vorbelastet", schloß sich Helmut Harbich bereits 1965 der CDU-Mittelstandsvereinigung an, deren Kreisvorsitzender er heute noch ist, und trat später auch der Union bei. Schon seit 1969 gehört der Christdemokrat dem Stadtrat an, wo der Bausektor und die Wirtschaftsförderung die Schwerpunkte seiner kommunalpolitischen Aktivitäten sind. Der Parlamentarier, der sich als "politischer Ziehsohn" des früheren Ministerpräsidenten Franz Meyers sieht, holte seit 1975 auch dessen damaligen Wahlkreis Mönchengladbach II für die Unionspartei. Die CDU-Fraktion berief ihn in dieser Legislaturperiode in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales, deren stellvertretender Vorsitzender er ist, und in den Verkehrsausschuß. Noch in der preußischen Administration sieht der Abgeordnete die Ursache dafür, daß der niederrheinische Raum keine optimalen Verkehrsverbindungen habe. Mit dem Autobahnbau sei in dieser Region sehr spät begonnen worden, und auch heute noch fehlten eine Reihe von Teilabschnitten. Ein ähnliches Defizit sei im Schienenverkehr zu beklagen. Angesichts des nahenden EG-Binnenmarktes und des sehr starken Verkehrsflusses in Richtung der niederländischen/belgischen Häfen hält der Parlamentarier den Ausbau beider Verkehrswege für dringend erforderlich.
    Als insgesamt unzureichend beurteilt er die Mittelstandsförderung in Nordrheinwestfalen. Die Förderprogramme des Landes müßten sich stärker auf die Klein- und Mittelbetriebe ausrichten, die zahlenmäßig das Rückgrat der Beschäftigungspolitik seien. Während die Großbetriebe schrumpften, kämen von den mittelständischen Unternehmen die eigentlichen Innovationen. In diesem Zusammenhang kritisiert Helmut Harbich, daß das berufliche Bildungswesen sehr im argen liege. Bei den beruflichen Schulen herrsche ein großer Nachholbedarf. Da die Kommunen aber finanziell überfordert seien, diese Aufgabe zu lösen, sollte das Land ein solches Modernisierungsprogramm initiieren. Kritisch beurteilt er auch die Lehrpläne, wo man teilweise noch wie zu "Großvaters Zeiten" herumwerkele. Statt möglichst viel Allgemeinwissen nach wie vor vermitteln zu wollen, sollte die Technologie einen breiteren Raum im Unterricht erhalten.
    Der heute 60 jährige hielt sich schon immer fit durch den Sport. Doch während der Mönchengladbacher früher die Fußballstiefel schnürte, greift er heute zum Tennisschläger. Und die Ski gehören im Winter ebenso zum Urlaubsgepäck wie im Sommer und Herbst die Wanderschuhe. Von geselligem Charakter, schätzt Helmut Harbich die Diskussion mit Freunden und Bekannten. Und auch in den eigenen vier Wänden wird der Dialog gepflegt. Seine Ehefrau ist schon seit 34 Jahren Lehrerin — und da gibt es gegenseitig Gesprächsstoff genug.
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921753

  • Porträt der Woche: Horst Radtke (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 16 - 06.10.1992

    Der Gesprächspartner spürt Horst Radtkes Engagement, wenn dieser — fern jeden Eiferertums — Sätze spricht wie diese: "Ich bin ein fürchterlicher Gegner von Altenheimen, von 'normalen' Altenheimen. Denn dort werden dem Menschen die alltäglichen Funktionen abgenommen, das Essenkochen, das Putzen, das Waschen. Diese Tätigkeiten werden im Altenheim ersetzt und mit Sozialhilfe bezahlt — ein völliger Wahnsinn."
    Beim Thema Altenpolitik wird deutlich, daß der SPD-Landtagsabgeordnete Radtke (50) ein sozialpolitischer Profi ist: 1969 hat er bei der Arbeiterwohlfahrt in seiner Geburtsstadt Essen als Sozialarbeiter begonnen, bereits fünf Jahre später wurde er deren Geschäftsführer. Heute hat die AWo Essen in über 80 Einrichtungen 830 hauptamtliche und 2500 ehrenamtliche Mitarbeiter. Er war bereits Vorsitzender des Sozialausschusses des Rates der Stadt Essen gewesen, als er 1985 erstmals in den Landtag gewählt wurde. Auch hier bringt er seine sozialpolitischen Erfahrungen ein, als Mitglied der Ausschüsse für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie für Kinder, Jugend und Familie.
    Wenn keine Altenheime mehr, was dann? Radtke erläutert seine Vorstellungen an Essener Beispielen: Das Land sollte vordringlich den Bau von Altenwohnungen fördern, alte Menschen würden dann aus ihren größeren Wohnungen ausziehen. Für die Altenwohnungen sei ein Betreuungskonzept erforderlich: Neben dem flächendeckenden Netz von Sozialstationen gehörten dazu ambulante Dienste wie Rollende Küche. Fußpflegestationen, Altenbegegnungsangebote und soziale Hilfsdienste. Nicht ohne Selbstbewußtsein berichtet er von diesem in Essen verwirklichten AWo-Projekt »Betreutes Wohnen für Senioren", das er als beispielhaft bezeichnet: Der alte Mensch wohnt in einem Appartement, in das er seine Möbel mitbringen kann, nur die Küche ist eingerichtet. Die AWo gewährt acht Pflegetage pro Jahr und sorgt für das Putzen der Fenster. Für jeden Bewohner obligatorisch ist ein Notruf, der schnelle Hilfe garantiert. Zusätzlich zahlen muß der Bewohner für alle weiteren Leistungen.
    Aus Radtkes Sicht sollten alle herkömmlichen Altenheime durch solche Wohnformen ersetzt werden. Die Essener AWo strebe an, alle Altenheimplätze in Pflegeplätze umzuwandeln. Hier sei der Bedarf sehr groß. So verfüge die AWo in Essen nur über 750 Heim- und Pflegeplätze, es gebe aber 1600 wartende auf Pflegeplätze. Ohne jegliches Pathos stellt er fest, "daß ich mit dafür gesorgt habe, daß Alten heimbetten in NRW nicht mehr gefördert werden". Der Bedarf an Pflegeplätzen werde weiter steigen, denn die Menschen werden "immer älter, immer kränker, immer pflegebedürftiger". Nüchtern stellt er fest: "Schon jetzt sind 60 Prozent der Heimbewohner bei der AWo Essen geistig verwirrt." Für verwirrte Senioren fordert er ein besonderes Konzept zur Unterbringung, denn heute wohnten sie noch "mit allen Gefährdungen" in Heimen. Zur Zeit baue die AWo in Essen ein Modellhaus für die Unterbringung von Schwerstverwirrten. Schon während seiner Ausbildung zum technischen Zeichner entdeckte Radtke sein Interesse an sozialer Arbeit, nachdem er erste Erfahrungen etwa bei den Falken oder als Erzieher in einem Kinderheim gesammelt hatte. Er nahm eine zweite Ausbildung in Angriff, die er schließlich mit dem "Diplom-Sozialarbeiter" abschloß. Er war Gründer des "Vereins für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten". Durch intensive Sozialarbeit trug er dazu bei, daß in Essen im Laufe der Jahre die meisten Obdachlosen-Unterkünfte geschlossen werden konnten: Die Zahl der Obdachlosen ging von 12000 auf 900 zurück.
    "Ich bin kein Ideologe, sondern immer ein Pragmatiker gewesen", stellt Radtke, der seit 30 Jahren Sozialdemokrat ist, lapidar fest. So hält er es auch nicht für "unbedingt schlimm", daß die Arbeit im Landtag seine berufliche Tätigkeit ergänzt: "Das wollte ich auch so. Ich glaube schon, daß die praktischen Erfahrungen aus jahrelanger Sozialarbeit mir in der Arbeit hier helfen." Dies gelte nicht nur für die Altenpolitik. So hat er sich für mehr Hilfskräfte in den Kindergärten eingesetzt und hält in der Drogenpolitik Methadon dann für unverzichtbar, wenn Menschen sonst ohne Perspektive sind. Gleichzeitig benötige Nordrheinwestfalen aber dringend erheblich mehr Therapieplätze. Horst Radtke, Vater eines erwachsenen Sohnes, ist als Briefmarkensammler Mitglied eines entsprechenden Vereins, reist gerne und hält seine Eindrücke auf Video fest.
    Ludger Audick

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921646

  • Porträt der Woche: Lothar Niggeloh (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 15 - 22.09.1992

    "Lothar, halt dich raus aus der Politik!" Diesen nachdrücklichen Rat seines Großvaters hat er schließlich doch nicht beachtet, aber bis heute hat er es nicht bereut. Erst mit 40 Jahren unterschrieb Lothar Niggeloh einen Aufnahmeantrag der SPD und gab dem jahrelangen Drängeln der Gevelsberger Genossen nach. Gern hätten sie den gelernten Maschinenschlosser und aktiven Gewerkschafter schon früher in ihren Reihen gesehen. Das soziale Engagement gehört in der Familie Niggeloh quasi zur Erbmasse, immerhin waren vor Lothar bereits der Großvater und der Vater Betriebsratsvorsitzende. Von ihnen fühlt sich der Sozialdemokrat wesentlich geprägt, als seine politischen Vorbilder nennt er Willy Brandt und Herbert Wehner. Daß sich der Vater von drei Kindern parteipolitisch engagierte, um die "Interessen der kleinen Leute" zu vertreten, lag trotz der obengenannten Warnung nahe. Trotzdem hätte er es sich nicht träumen lassen, zehn Jahre nach diesem Schritt bereits im Landtag zu sitzen. Ganz zufällig war es aber wohl doch nicht: Kurz nach dem Parteieintritt übernahm er schon Vorstandsfunktionen und wurde nach der Kommunalwahl 1984 Ratsmitglied in Gevelsberg. Gegen drei Mitkonkurrenten konnte er sich dann bei der parteiinternen Auswahl für die Landtagswahl 1990 durchsetzen und vertritt nun zum ersten Mal den Wahlkreis 151 (Ennepe-Ruhr I) im Landesparlament.
    Die Umstellung von der Kommunal- auf die Landespolitik fiel dem Neuling nicht ganz leicht. "Es dauert, bis man den Durchblick hat", resümiert er die ersten zwei Jahre. Konkrete Ergebnisse ließen in der Regel länger auf sich warten als bei Auseinandersetzungen im Betrieb. Doch mittlerweile und dank der Hilfe erfahrener Hasen aus der Fraktion, findet sich der Gevelsberger zurecht.
    Gern wäre er in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales gegangen, um seine Kenntnisse und Erfahrungen einzubringen — doch da waren die SPD-Plätze schon "besetzt". Auch dies eine neue Erfahrung für einen der letzten "Malocher" in der SPD-Fraktion, die den direkten Weg aus dem Betrieb ins Parlament gefunden haben.
    Nun ist er Mitglied im Haushalts- und Finanzausschuß und im Ausschuß "Mensch und Technik". Besonders die Arbeit im zweiten macht ihm Spaß, immerhin ist dies ein "Querschnittsausschuß", dessen Aufgaben in viele Politikbereiche hineinreichen. Das ist nicht immer ganz problemlos, und auch die Akzeptanz bei den Mitgliedern anderer Ausschüsse könnte noch besser sein.
    Dabei hat dieser in deutschen Landesparlamenten bislang einzigartige Ausschuß auch für Lothar Niggeloh eine Perspektive, die für die gesellschaftliche Entwicklung der Zukunft entscheidend sei. "Die Gestaltung der Technik muß sich nach den Bedürfnissen der Menschen orientieren", sagt der Praktiker aus Gevelsberg, sonst sinke die Akzeptanz bei den Arbeitnehmern. Und deshalb mache diese Art von Technikentwicklung und -einsatz auch ökonomisch Sinn. Vordringlich sei z.B. eine rasche Verbesserung des Arbeitsschutzes mit Hilfe neuer Technik. Einige Nachbarländer sähen mit ihren Standards da wesentlich besser aus als die Bundesrepublik.
    Für den Gewerkschafter ist die Auseinandersetzung mit konkreten sozialen Problemen der einzige Weg, um eine "Verfestigung der Rechtsradikalen in der politischen Landschaft" zu vermeiden. Bei diesem Thema ist er empfindlich, verständlicherweise: sein Großvater hat im KZ gesessen. So war es für ihn keine Frage, daß er bei der Demonstration gegen eine Veranstaltung der DVU in Schwelm vor einiger Zeit in der ersten Reihe marschierte.
    Als einen Grund für den Zuwachs der Rechtsextremen sieht Niggeloh den Umgang der Parteien miteinander. Auch im Düsseldorfer Landtag ziele der Stil der Auseinandersetzung oft unter die Gürtellinie. Die Bevölkerung quittiere diese Entwicklung mit zunehmender Abkehr von den etablierten Parteien. Die Alternative sei nicht ein "Schmusekurs" der großen Parteien, sondern eine klare, aber faire Darstellung der eigenen Positionen und der Unterschiede zu den anderen. Und mit Hinweis auf die Debatte über eine Modernisierung der SPD meint Niggeloh, vor allem die SPD dürfe nie vergessen, "wo sie herkomme". Wer angesichts einer Zwei- Drittel-Gesellschaft davon rede, die soziale Frage sei gelöst, der berinde sich nach dem Scheitern des "realen Sozialismus" zwar voll im Trend, mit der Wirklichkeit habe das aber wenig zu tun.
    Ralf Kapschack

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921535

  • Porträt der Woche: Gabriela Gorcitza (SPD).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 14 - 15.09.1992

    Sie sieht sich nicht als Frauenrechtlerin, und sie ist erst recht keine "Emanze", mit natürlichem Charme und viel Engagement setzte sich Gabriele Gorcitza schon immer für die Schwächeren in der Gesellschaft ein, für die, "die sich nicht wehren können", und sie bricht auch eine Lanze für "ihr" Geschlecht. Denn Frauen gehen nach ihrer Einschätzung alle Politikbereiche "praktischer" an, "sie sagen in drei Sätzen, worauf es ankommt, während Männer dafür ein ganzes Referat benötigen". Als Grund für diesen auffälligen Unterschied nennt die SPD-Landtagsabgeordnete den Zwang der meisten Frauen zum "Organisieren". Viele seien berufstätig, hätten Kinder und einen Haushalt. Die Mutter des 14jährigen Boris spricht aus Erfahrung. Die gebürtige Hernerin, Jahrgang 1952, absolvierte nach Besuch des Gymnasiums die kaufmännische Lehre im Baubereich und wurde später Betriebswirtin. Schon während der Schulzeit, dann auch in den Ausbildungsjahren, engagierte sie sich als Jugendsprecherin der IG Metall für jene, die der Hilfe ihrer Mitmenschen bedürfen. Aus einem liberalen Elternhaus stammend, kam sie vor allem aufgrund ihrer Gewerkschaftstätigkeit in die Nähe zur Sozialdemokratie. Allerdings trat Gabriele Gorcitza der Partei erst 1976 bei, weil, wie sie feststellte, "man als Wähler allein nicht viel ändern kann". Inzwischen ist sie schon seit acht Jahren Vorsitzende des Ortsvereins Herne Alt und gehört auch dem Führungsgremium des mitgliederstarken Unterbezirkes an.
    Mit der Wahl 1984 in den Stadtrat erwarb die Sozialdemokratin ihre kommunalpolitischen Erfahrungen. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit waren der Umweltschutz und die Jugendhilfe. Als sie dann 1990 als direkt gewählte Kandidatin im Wahlkreis Herne I mit 64,6 Prozent der Stimmen in den nordrhein-westfälischen Landtag einzog, verzichtete sie auf die weitere Ausübung des kommunalen Mandates. Auf Anhieb in den SPD-Fraktionsvorstand berufen, engagiert sie sich heute im Ausschuß für Umweltschutz und Raumordnung sowie im Petitionsausschuß. Die Hernerin beschäftigt vor allem die Abfallproblematik, die alle Bürger fordere, zur Reduzierung des Mülls beizutragen. Dabei stellt sie nicht zuletzt bei ihrem Sohn fest, daß die Jugendlichen auf diesem Gebiet meistens aufgeklärter seien als die Erwachsenen. "Sie denken bereits an die Zukunft unserer Erde." Zu dieser Einstellung trage nach ihren Feststellungen die Schule bei, wo im Unterricht oft darüber geredet werde, "wie man im Alltag praktischen Umweltschutz betreiben kann".
    Der Landtagsabgeordneten, die in ihrem Wahlkreis regelmäßig Bürgerstunden abhält, ist die Zugehörigkeit zum Petitionsausschuß nicht nur ein "persönlicher Gewinn". Die Möglichkeit, Menschen in diesem Parlamentsgremium direkt helfen zu können, ist für sie um so bedeutsamer, weil man auf diesem Wege auch zum Abbau der allgemeinen Parteienverdrossenheit beitragen könne. "Die Leute merken dann schnell, daß man nicht .abgehobene', sondern praktische Politik macht." So ist die Parlamentarierin auch eine rege Besucherin von Vereinen und Organisationen, denen sie erläutert, "was in Düsseldorf beschlossen wird".
    Wie für die meisten "Neulinge" bedeutete auch für Gabriele Gorcitza der Wechsel von der "überschaubaren" Herner Ratszur 121 Mitglieder zählenden Landtagsfraktion eine große Umstellung. Und dann ist noch das Düsseldorfer Mammut-Parlamentsgebäude, das ohnehin das gegenseitige Kennenlernen erschwert. "Wenn man da drinnen sitzt, fühlt man sich 'abgenabelt' von zu Hause", meinte die Abgeordnete.
    Die neue parlamentarische Herausforderung drängt private Neigungen derzeit in den Hintergrund, doch würde es dem aufgeschlossenen Wesen der Parlamentarierin nicht entsprechen, sich nur noch auf die Politik zu konzentrieren. Konnte die Hernerin schon ihren "Traumberuf" nicht realisieren — Archäologin zu werden —, so liest sie heute mit großer Wißbegierde die entsprechende Fachliteratur und besucht archäologische Museen. Dort und auch in Kunstausstellungen könnte sie sich tagelang aufhalten. Eine Frau, die nicht nur Sprosse um Sprosse auf der Karriereleiter nach oben strebt. Auch dieser Wesenszug macht die Abgeordnete sympathisch.
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921476

  • Porträt der Woche: Alfons Löseke (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 13 - 07.07.1992

    Politik mit Pfiff und Fair play mit dem politischen Gegner, das war schon immer die Parole des Arnsberger CDU-Abgeordneten Alfons Löseke. Daß dabei der Freizeitdreß des Hobby-Schiedsrichters mindestens ebenso schwarz war wie dessen politische Seele, daraus hat der 60jährige Christdemokrat freilich nie einen Hehl gemacht. Im Rat der Arnsberger CDU-Fraktion hört die eigene Mannschaft seit 1981 auf das Kommando ihres Fraktionsvorsitzenden Löseke.
    Als Rechtsaußen — was sonst — begann der begeisterte Fußballfan seine Karriere beim Arnsberger 09. Später dann pfiff er in der Oberliga West und hätte fast den Sprung ins Bundesliga-Geschäft geschafft — wenn nicht Politik und Beruf den ganzen Mann gefordert hätten. Denn Alfons Löseke ist mit Haut und Haaren Kommunalpolitiker. Und weil das so ist, gehörte er 1975 zum Club der Verweigerer, als die kommunale Neugliederung aus den Gemeinden Neheim-Hüsten und Arnsberg die 80000-Einwohner-Stadt Arnsberg zusammenfügte. Die Geschichte ist bekannt: Löseke unterlag, nahm die Niederlage sportlich und machte weiter.
    Geboren wurde Alfons Löseke am 26. April 1932 im kleinen Holsen, heute Kreis Paderborn. Mit Ehefrau Lili hat der gelernte Industriekaufmann fünf Kinder — natürlich spielen zwei davon Fußball. Fast 40 Jahre arbeitete Löseke im Bereich der Haustechnik, zuletzt als kaufmännischer Leiter und Prokurist einer Firma mit 100 Beschäftigten. Da fiel der Entschluß nicht leicht, den Chefsessel gegen die Abgeordnetenbank im Düsseldorfer Landtag einzutauschen.
    Er habe sich nicht danach gedrängt, sagt der CDU-Politiker heute. Selbst als die beiden Stadtverbandsvorsitzenden ihn gebeten hätten, habe er drei Monate Überlegenszeit verlangt. Schließlich war der Arnsberger da schon 58 Jahre alt. Dann aber hat es Alfons Löseke gehalten wie immer: Wenn die Entscheidung einmal gefallen ist, dann ganz. Vor zwei Jahren gelang ihm als Landtagskandidat das Kunststück, den fünf Jahre zuvor vom damaligen CDU-Matador Theo Schwefer an die SPD verlorenen Wahlkreis Arnsberg/Sundern für die CDU zurückzuerobern. Mit knappen 95 Stimmen Vorsprung lief Alfons Löseke vor dem SPD- Kandidaten Jochen Westermann über die Ziellinie. Westermann, von den Genossen nach dem überraschenden Flop gut versorgt, wurde Staatssekretär im Bauministerium.
    Im Düsseldorfer Landtag beschäftigt sich der spätberufene Sauerländer Löseke vorrangig mit der Familien- und Wirtschaftspolitik. Dabei räumt der Familienmensch ein, daß sich die CDU den gesellschaftlichen Realitäten neu anpassen mußte. Der wachsenden Zahl Alleinerziehender müsse durch verbesserte Familienausgleichsmaßnahmen geholfen werden. Dazu gehöre mehr Kindergeld, Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub. "Viele Familien gehen auseinander wegen des Geldmangels", sagt Löseke. "Deshalb kann man auch Politik mit Geld machen." Geld sparen dagegen könnte der Landtag nach Ansicht des Parlamentariers durch die Begrenzung der Abgeordnetenzahl von heute 239 auf höchstens 201. .Man muß auch mal an dem Ast sägen, auf dem man sitzt", fordert Löseke. Die Praxis zeige, daß sich das verschuldete Bundesland Nordrhein-Westfalen zuviele Abgeordnete und zuviel Ministerialbürokratie leiste. "Die Abgeordneten sollten die eigenen Gesetze einhalten." Politische Glaubwürdigkeit hat für den bodenständigen Sauerländer einen hohen Stellenwert.
    Im heimischen Arnsberg gilt Löseke über die Parteigrenzen hinweg als "Politischer Fuchs", der Politik mit dem Herzen macht und nicht nur für seine Wähler als Ansprechpartner ein offenes Ohr hat. Daß der CDU-Politiker dabei über die Jahre hinweg manche kritische Klippe umschifft hat, kommt nicht von ungefähr. Schließlich hat der begeisterte Segler seit 1965 ein Boot an der Mohne und sogar schon mit einer Jolle an der Kieler Woche teilgenommen. Heute geht es der 60jährige Seebär geruhsamer an und ist inzwischen auf ein Siebenmeter-Kajütboot umgestiegen.
    Und was ihn am Düsseldorfer Parlamentsgeschäft am meisten überrascht hat? "Geschockt hat mich die Papierflut", zögerte Löseke keine Sekunde. "Das könnte ich mir rationeller vorstellen." Denn Zeit ist knapp für einen Wahlkreisabgeordneten, der neben seiner zweistündigen Anreise zum Parlament und zahllosen repräsentativen Aufgaben vor Ort viel Arbeitszeit in Fraktion, Ausschüssen und Arbeitskreisen bindet. Trotzdem will Löseke 1995 noch einmal als Direktkandidat in Arnsberg antreten, um den direkten Draht zwischen Ratstraktion und Parlament zu nutzen. "Der trockene Stoff ist nicht meine Sache", räumt Löseke ein. Der typische Sauerländer ist eben Praktiker.
    Wilfried Goebels

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI921350

  • Porträt der Woche: Gisela Meyer-Schiffer (SPD).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 12 - 30.06.1992

    Nein, als "Quotenfrau" fühle sie sich nicht, meint die junge Abgeordnete aus Duisburg. Aber sicherlich seien ihr die Diskussion in der SPD und der Quotenbeschluß zugute gekommen, als sie sich im dritten Wahlgang überraschend gegen die männliche Konkurrenz bei der Nominierung für die Landtagswahl 1990 durchsetzen konnte.
    Das sozialdemokratische Elternhaus hat das politische Engagement von Gisela Meyer-Schiffer wesentlich beeinflußt. Mit 16 trat sie bereits in die SPD ein, engagierte sich bei den Jungsozialisten, im Ortsverein und bei den SPD-Frauen. Heute ist sie Vorsitzende der Duisburger AsF und stellvertretende Unterbezirksvorsitzende der SPD. Mitte dreißig und fast zwanzig Jahre Parteiarbeit, da kennt man den Laden und auch seine wunden Punkte. So macht sich die gelernte Historikerin Gedanken darüber, ob Politik noch richtig "angeboten "wird, wie man vor allem junge Leute für die Mitarbeit in einer Partei gewinnen kann, um die drohende Überalterung der SPD in den Griff zu bekommen. Die Idee, etwa bei Wahlen Listenplätze für junge Leute vorzuhalten, hält sie zumindest für überlegenswert. Untersuchungen belegten, daß junge Leute wieder verstärkt Interesse an der Kommunalpolitik hätten. Daraus müsse die Partei Konsequenzen ziehen und zum Beispiel Mandate auch denen anbieten, die nicht schon 25 Jahre dabei seien. Parteiveranstaltungen müßten dringend den Charakter des "Rituals nur für Eingeweihte" verlieren, um auch "normale Bürger" neugierig auf Politik zu machen. ,Wir müssen auf die Leute zugehen, denn sie kommen nicht mehr zu uns."
    Entscheidend sind für sie Offenheit und, wo nötig, auch das Eingeständnis eigener Schwächen und Fehler. "Es ist schlimm, wenn wir so tun, als hätten wir für alles fertige Konzepte."
    Die Erfahrung, daß diese Einstellung angreifbar macht, mußte sie auch im Parlament rasch machen. Vertrauliche Gespräche mit Kollegen aus anderen Fraktionen blieben nicht vertraulich und wurden für die parteipolitische Auseinandersetzung ausgenutzt.
    Trotzdem würde sie den Schritt in den Landtag wieder tun. Anfangs habe sie wie viele Neulinge ein Ohnmachtsgefühl gegenüber den Ministerien gehabt, gegenüber den absoluten Fachleuten aus dem Regierungsapparat. Der Rat von Kollegen, sich thematisch zu konzentrieren, habe geholfen. Haushalts- und Finanzpolitik und die Schulpolitik sind jetzt ihre Schwerpunkte.
    Ihre erste Rede im Parlament hielt sie dann auch zu einem schulpolitischen Thema. Das ganze Wochenende habe sie sich darauf vorbereitet, doch in der kurzen Redezeit konnte sie nur wenig von dem sagen, was sie eigentlich zu sagen hatte. Und sie erinnert sich daran, daß Herbert Reul sie mit einem Zwischenruf fast aus dem Konzept gebracht hätte. Mittlerweile nutze sie selbst dieses Instrument der parlamentarischen Debatte, und sie hat Spaß daran. Freude macht ihr die Arbeit im Landesparlament vor allem dann, wenn in Entscheidungen der Arbeitskreise und der Fraktion kommunale Interessen berücksichtigt werden. Die enge Verbundenheit mit der Kommunalpolitik ist für Gisela Meyer-Schiffer nach wie vor ein unverzichtbarer Bestandteil ihrer politischen Arbeit. Als Mitglied des Duisburger Schulausschusses etwa weiß sie unmittelbar, wie sich landespolitische Entscheidungen vor Ort auswirken.
    Die Situation vor Ort, in Duisburg, war für sie auch ein Grund, sich für das Ausländerwahlrecht einzusetzen. "Der Umgang mit den ausländischen Mitbürgern gebietet einfach dieses Recht." Das hat der jungen Sozialdemokratin selbst in der eigenen Partei nicht nur Freunde gemacht. Die Erfahrung, daß in großen Veranstaltungen kaum jemand bereit ist, sich für ausländische Mitbürger stark zu machen, hat sie ernüchtert. Trotzdem ist sie von ihrem Weg überzeugt. Die kritische Grundeinstellung verdanke sie ihrem Vater, den die Nazis als Kommunalbeamten aus dem Dienst jagten, und dessen Familie fast vollständig im KZ Buchenwald umgekommen sei. Er habe ihr die Demokratie als unschätzbaren Wert und die Vorsicht vor allzu leichter Zustimmung zu offiziellen Leitbildern beigebracht.
    Ihren Mann hat Gisela Meyer-Schiffer übrigens, wie könnte es anders sein, bei der politischen Arbeit kennengelernt. Kinder sind nicht da, doch mit diesem Thema sei sie noch nicht fertig, meint sie augenzwinkernd. Eine schwierige Entscheidung — denn ein Leben ohne Politik könne sie sich nicht vorstellen. Das nimmt man ihr ohne Zögern ab.
    Ralf Kapschack

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

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