Reinhold Trinius ist keiner von denen, die mit dem verletzenden Wort schnell bei der Hand sind. Er wirkt eher bedächtig denn als temperamentvolk Aber bei "erkennbarer Ungerechtigkeit" und bei "Verstoß gegen die Fairneß-Regeln", da rastet er schon mal aus. Das war zuletzt der Fall, als der Düsseldorfer Landtag über den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß debattierte, dem Trinius angehört.
Da hatte der 58jährige Sozialdemokrat, gelernter Studienrat mit den Fächern Geschichte und Deutsch, die Opposition, deren Angriffe auf die Landesregierung er für "unanständig" hält, mit einer nordrheinwestfälischen Variante der berühmten Rede des Marc Anton aus Shakespeares "Cäsar" attackiert und ironisch ihre Wortführer als "ehrenwerte Männer" bezeichnet, um dann vom "Fangschuß" zu reden, den Brutus und seine Komplizen Cäsar beigebracht hätten. Diese eher feine, aber nicht näher erläuterte Anspielung auf den CDU-Abgeordneten und Hobbyjäger Schauerte, der im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuß davon gesprochen hatte, nun werde er Finanzminister Schleußer den "Fangschuß" geben, geriet CDU und F.D.P. nur zur Belustigung. Schließlich wurde, wie überliefert ist, Cäsar erdolcht. Die in den Augen von Trinius mit dem Wort "Fangschuß" ausgedrückte "ungeheuerliche Menschenverachtung" verkehrte sich damit in Schenkelklopfen über einen wohl ungebildeten, tölpelhaften Menschen.
Daß Trinius eher das Gegenteil ist, ficht niemand an. Der gebürtige Sachsen- Anhaltiner studierte nach seiner Flucht 1953 aus der damaligen DDR in Münster und Tübingen, engagierte sich früh in der evangelischen Kirche, für die er nach dem Examen in der außerschulischen Bildung tätig war. Und er blieb immer ein Grenzgänger, einer, der die Spaltung Deutschlands am eigenen Leib erlebt hatte, aber nicht hinnehmen wollte.
Am besten sah er seine Vorstellungen in der SPD aufgehoben, der Trinius 1961 beitrat. Dafür waren vor allem Persönlichkeiten wie Kurt Schumacher, Ernst Reuter und Willy Brandt Vorbild. Ihre deutschlandpolitischen Reden seien für ihn prägend, sagt er. Er selbst, von Ost nach West gewandert, glaubte bis zum Mauerbau, daß die Spaltung bald vorbei sei. Die Jahrzehnte später erst mögliche Deutsche Einheit war denn auch für ihn ein tiefes, bewegendes Ereignis.
Freunde haben ihn bewegen wollen, in seine alte Heimat zurückzukehren. Aber er hat sich anders entschieden, vor allem weil er seinen Platz als Politiker hier gefunden hat eine Rolle, die ihn in den Stand setzt, an der Verbesserung der Verhältnisse in Ostdeutschland an entscheidender Stelle mitzuwirken. Im Landtag gehört Reinhold Trinius dem Haushalts- und Finanzausschuß an, einem der wichtigsten parlamentarischen Gremien. In der SPD- Fraktion ist er einer der stellvertretenden Vorsitzenden.
Erste politische Erfahrungen sammelte Trinius als Kommunalpolitiker im Ostwestfälischen. Dorthin, ins heutige Porte Westfalica, war er nach seinem Studium verschlagen worden. Lange Jahre gehörte er dem Gemeinderat an, ehe er sich ganz seiner Arbeit in Düsseldorf widmete. Dorthin wird er seit 1970 regelmäßig mit klaren Mehrheiten gewählt. Trinius ist Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, von amnesty international, des Vorstands der Evangelischen Pflegeanstalt Wittekindshof und von Haus Neuland.
Der Kettenraucher filterloser Zigaretten, verheiratet, Vater von drei Kindern, wirbt unter dem Aspekt der Stabilisierung Ostdeutschlands dafür, die jungen, noch nicht gefestigten Demokratien in Osteuropa massiv zu unterstützen. "Wir brauchen einen Marshallplan für Osteuropa", verlangt er. Entscheidende Aufgabe der Politik heute müsse es sein, daß die Wirtschaft dort erfolgreich und sozial, aber nicht in Form eines Beutezuges Fuß fassen könne, "sonst werden die jungen Demokratien brüchig".
Was die Finanzen in Deutschland und speziell in NRW angeht, müsse entschieden gespart werden, sagt der Experte Trinius. Aber Sparen allein reiche wohl nicht, wenn allein NRW im nächsten Jahr mit einem Minus von vier Milliarden Mark rechnen müsse. Wenn die Einnahmeseite nicht verbessert werde, "gefährden wir die Demokratie von unten her", befürchtet er. Mithin brauchten die Länder eigene Einnahmequellen, also so etwas wie Ländersteuern. Und nötig sei auch ein Haushaltssicherungsgesetz bei Bund und Ländern. Trinius ist entschlossen, auch 1995 wieder für den Landtag zu kandidieren. Um sich dafür fitzuhalten, liest er viel und wandert. Vor allem im Harz, der wie er selbst die deutsche Teilung und ihre Aufhebung symbolisiert.
Bernd Kleffner
(Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)
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