Abgeordnetenporträts

Hilfe

Suche

Mit diesem Suchfeld werden alle Wörter des Titels und des Artikels durchsucht, außerdem alle bei dem Artikel zusätzlich erfassten Angaben.

Trunkierung:
* am Ende eines Suchwortes ersetzt ein oder mehrere Zeichen.

Suchwortverknüpfungen:

–"und-Verknüpfung"
Mehrere hintereinander eingegebene Suchworte werden automatisch mit "und" verknüpft, d.h. alle Suchworte müssen in einem Artikel vorkommen.
–"oder-Verknüpfung"
Die Eingabe von "or" zwischen den Suchworten bewirkt eine "oder-Verknüpfung", d.h. es muss nur eines der Suchworte in einem Artikel vorkommen.
–"Phrasen-Suche"
Suchworte, die mit Anführungszeichen oder Hochkommata verbunden werden, werden nur dann gefunden, wenn sie in der vorgegebenen Reihenfolge in einem Artikel vorkommen.

Suchfeldverknüpfungen
Wenn Suchworte in mehreren Suchfeldern eingegeben werden, werden die Sucheinträge mit "und" verknüpft.

Wählen Sie Suchergebnisse aus, die Sie gebündelt anzeigen oder ausdrucken lassen wollen.
  • Porträt der Woche: Gabriele Behler (SPD).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 12 - 17.08.1999

    Man kann nicht behaupten, dass die Skulptur der Dargestellten schmeichelt: Eine stämmige Frau, um nicht zu sagen ein Trampel, bekleidet mit einer Art Dirndl, steht da auf dem Kopf und streckt die Beine in die Luft. Die lebensgroße Pappmachefigur hat Gabriele Behler von Hauptschülern aus dem westfälischen Delbrück geschenkt bekommen — völlig frei von Hintergedanken. Dass die Plastik Kopf steht, sei keine Anspielung auf ihre Politik, sondern lediglich eine Aufforderung, die Welt auch mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten, hätten ihr die Schüler erläutert. Gabriele Behler jedenfalls hat sich über das Kunstwerk gefreut und ihm einen Ehrenplatz in ihrem Büro zugewiesen.
    Sie wird mit solchen Sympathiebekundungen nicht gerade verwöhnt. Seit Sommer vorigen Jahres leitet Gabriele Behler das um Hochschule, Wissenschaft und Weiterbildung ergänzte Schulministerium, das die Sozialdemokratin schon seit 1995 führte. Die Hochschulen an Rhein und Ruhr betrachten das neue Superministerium eher skeptisch, ihrer Meinung nach bedarf es weiterhin eines eigenständigen Wissenschaftsressorts.
    Nicht weniger Skepsis schlägt der Ministerin aus Schulen und Interessenverbänden entgegen. Etwa, wenn sie von "Leistungskultur" spricht und erklärt, sie wolle den Nachweis führen, dass das öffentliche Schulsystem durchaus wettbewerbsfähig sei. Sie sieht darin die einzige Alternative zu dem Weg, den die meisten anderen Industriestaaten eingeschlagen haben: ein ärmliches öffentliches neben einem hochangesehenen und teuren privaten Schulwesen. Das heiße ja nicht, betont die Ministerin, dass jetzt nur noch die Mechanismen des Marktes angewendet würden. Es ist eine Politik der kleinen Schritte; keiner sonderlich spektakulär, aber jeder geeignet, Gegner hervorzurufen, die Schulleiter etwa, die künftig nur auf Zeit ernannt werden.
    Zugute kommt der 48-Jährigen bei ihren Reformen, dass ihr das Metier bestens vertraut ist. Nach dem Studium der Geschichte und Germanistik in Münster arbeitete sie als Studienrätin am Gymnasium in Halle/Westfalen. Danach war sie fünf Jahre ans Kultusministerium abgeordnet, wo sie die Machtmechanismen des Ressorts kennenlernte. Für vier Jahre wechselte sie dann noch einmal in den Schuldienst und leitete das Gymnasium in Bielefeld-Heepen, bis sie 1990 Abteilungsleiterin im Gleichstellungsministerium wurde.
    In der Partei ging es währenddessen steil nach oben: 1988 Mitglied im SPD-Bezirksvorstand Ostwestfalen-Lippe (OWL), 1989 Einzug in den Landesvorstand, 1990 stellvertretende OWL-Bezirksvorsitzende. Mit 40 Jahren löste sie 1991 schließlich die damals 67-jährige Antje Huber als stellvertretende Landesvorsitzende ab und verkörpert seither ein Stück Generationswechsel in der NRW-SPD.
    Dass sie zugleich eine Exponentin der Linken sei, hält sie dagegen für eine Medienerfindung. Diese "alten Linien", die Aufteilung in Linke und Rechte, "trägt doch schon lange nicht mehr", meint sie. Zu dem Etikett passt zumindest auch wenig, dass sie es war, die auf dem SPD-Landesparteitag 1993 einen pragmatischeren Kurs in Bezug auf die Gesamtschule durchsetzte und dafür hart attackiert wurde.
    Auffällig an dieser Karriere ist, dass sie ohne die berühmte Ochsentour verlief. Nie saß Gabriele Behler in einem Gemeinderat, und als Landtagsabgeordnete ist sie eine Anfängerin: Erst im September 1995 rückte sie ins Parlament nach. Das Direktmandat in ihrem Gütersloher Wahlkreis hatte der CDU-Konkurrent gewonnen. Und auch jetzt werde sie in ihrem Wahlkreis kaum als Abgeordnete, fast nur als Bildungsministerin wahrgenommen, sagt sie: "Die Leute kommen hauptsächlich mit Schulproblemen in die Sprechstunde."
    Gabriele Behler ist in erster Linie Parteipolitikerin. Dabei stammt sie aus einem "kleinbürgerlichen Elternhaus", wie sie es selbst nennt, in dem Politik eher als anrüchig galt. In ihrem Geburtsort Werne an der Lippe war ihr Vater Polizist, die Mutter Zahnarzthelferin. Den Weg zur SPD fand Gabriele Behler 1972 über ihre Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus. Ihr habe imponiert, dass die SPD als einzige Partei gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz stimmte. Mittlerweile, erzählt sie amüsiert, seien auch ihre zwei jüngeren Geschwister in die SPD eingetreten. Sie selbst ist kinderlos mit einem Arzt verheiratet. Was an Schulen heutzutage so vor sich geht, wisse sie aber ganz gut durch ihre Nichten und Neffen, mit denen sie in einer Hausgemeinschaft lebt. Irgendwann, sagt sie, wolle sie auch wieder als Lehrerin arbeiten — am liebsten eine achte Klasse in Deutsch unterrichten. Über Literatur lasse sich sehr viel, vor allem über Geschichte, vermitteln.
    Roland Kirbach

    ID: LI991270

  • Porträt der Woche: Rainer Lux (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 11 - 15.06.1999

    Rainer Lux versteht sich als Verlachter kommunaler Interessen im Düsseldorfer Parlament. .Mir geht es darum, daß die Gemeinden genügend Handlungsspielraum und eine ausreichende Finanzausstattung haben, um ihre Aufgaben vernünftig und ohne staatliche Gängelung erfüllen zu können', sagt der 48jährige CDU-Abgeordnete aus Bielefeld, der seit 1995 dem nordrhein-westfälischen Landtag angehört. Die Gemeinden müßten sich dagegen verwahren, daß man ihnen per Bundes- und Landesgesetz immer mehr Aufgaben aufbürdet, ohne daß sie zur Erfüllung dieser Arbeiten angemessen ausgestattet würden.
    Bislang gibt es noch eine Reihe von Bürgermeistern und Landräten im Landesparlament, die auf die Rechte der Gemeinden achten, doch nach der Kommunalwahl im September 1999 ändert sich das. Die dann gewählten hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte dürfen nicht mehr Parlamentarier sein. Damit wächst die Verantwortung derjenigen im Landtag, die dann noch in der Kommunalpolitik tätig sind. Dazu gehört Rainer Lux. Der gelernte Kriminalhauptkommissar ist CDU-Fraktionschef im Rat der Stadt Bielefeld und streitet nicht nur für die Stärkung der kommunalen Interessen seiner Heimatstadt, sondern plädiert für eine Stärkung der kommunalen und regionalen Interessen im Landtag überhaupt.
    Nachhaltig in der Politik engagiert hat sich Rainer Lux, der nach dem Abitur an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung studiert und 1979 einen Abschluß als Diplom-Verwaltungswirt gemacht hat, erst 1994, obwohl er bereits seit 1969 CDU- Mitglied ist. "Ausschlaggebend für mein politisches Aktivwerden war die Erkenntnis, daß man durch Kritik und gute Vorschläge allein in der Politik nichts bewegen kann." In Brackwede, einem Stadtteil von Bielefeld, wo er mit seiner Familie wohnt, wurde Lux zunächst Ortsvorsitzender. 1989 zog er in den Stadtrat von Bielefeld und in die Bezirksvertretung von Brackwede ein. Drei Jahre später wählten die Parteifreunde den Unionsmann zum CDU-Fraktionschef im Bielefelder Rat.
    1994 wurde er von den Ortsvorsitzenden autgefordert, für den Landtag zu kandidieren. Nach kurzem Bedenken stimmte Rainer Lux zu. Nach seiner erfolgreichen Wahl zog er die Konsequenz aus seinem politischen Engagement. Er verabschiedete sich von seiner Polizeikarriere — eine Entscheidung, die er sich reiflich überlegt hat — ist aber Fraktionschef und Mitglied in der Bezirksvertretung geblieben. "Die Rückkoppelung ist für meine Abgeordnetentätigkeit wichtig. Sie ist so etwas wie eine Triebfeder für meine Düsseldorfer Arbeit." In der Kommunalpolitik könne er auf vieles zurückgreifen, was er im Landtag erfahren habe. Umgekehrt würden in Düsseldorf die Grundlagen für manche Dinge gelegt, die für die tägliche Verantwortung vor Ort wichtig seien. "Ich sehe in Düsseldorf, wo die Gemeinden der Schuh drückt und erlebe in der Landeshauptstadt, was tatsächlich machbar ist."
    Parteiämter hat Lux nicht. Denn der CDU-Politiker lehnt die Anhäutung von zu vielen Mandaten strikt ab, "Man muß sich auf eine Aufgabe konzentrieren. Deshalb bin ich auch weder im Kreis- noch im Ortsvorstand der Union", erläutert der CDU-Politiker. Als Neuling im Landtag hatte er die Chance, sofort Mitglied im Haushalts- und Finanzausschuß zu werden. Diese Arbeit ruht allerdings derzeit, weil Rainer Lux als ehemaliger Polizeibeamter von seiner Fraktion in den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß für Forensik geschickt wurde. "Die Arbeit in dem Untersuchungsausschuß ist derart zeitaufwendig, daß ich gerade mal noch die Aufgaben im Rechtsausschuß, dem ich auch angehöre, schaffen kann."
    Einen großen Teil seiner Arbeitszeit verbringt Lux in seinem Wahlkreis. Das dortige Büro ist ständig besetzt. Mindestens dreimal in der Woche ist der CDU-Abgeordnete dort anzutreffen. "Sobald ich in Düsseldorf nicht gebraucht werde, bin ich im Büro oder vor Ort im Wahlkreis unterwegs." Denn ein ehrgeiziges Ziel des Unionspolitikers ist es, den Wahlkreis bei der nächsten Landtagswahl im Mai 2000 direkt zu ziehen.
    Denn daran läßt Lux keine Zweifel: Falls seine Partei ihn nominiert, möchte der Unionsmann in der nächsten Legislaturperiode gerne wieder in Düsseldorf mitmischen. "Man braucht eine gewisse Zeit, um sich einzuarbeiten, deshalb ist eine Legislaturperiode zu wenig, wenn man etwas im Landesparlament bewirken will. Kleine Erfolge kann der Christdemokrat bereits heute vorweisen. So ist es ihm gelungen, der rot-grün regierten Stadt Bielefeld mit Hilfe einer kleinen Antrage gehörig auf die Finger zu klopfen.
    Etwas selbstherrlich hatte die Stadt beschlossen, sich an einem Energieversorgungsunternehmen auf dem freien Markt zu beteiligen. Ein Vorgehen, das nach Auffassung des Unionsmannes Lux private, mittelständische Unternehmen benachteiligen würde. Mit seiner Anfrage Nr. 1123 zur "Ausweitung der wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Unternehmen" erreichte Lux immerhin, daß der Vorgang erst einmal auf Eis gelegt wurde. "Für jemanden, der wie ich noch neu im Landtag ist, ein schöner Erfolg", freut sich Lux.
    Auch daß Lux als Abgeordneter seinen Mitbürgern im Wahlkreis ab und an unter die Arme greifen kann, bereitet dem Parlamentarier sichtlich Vergnügen. So gelang es ihm, einem Altenpfleger, dessen niedersächsische Ausbildung in NRW nicht anerkannt wurde, zu helfen. Lux machte den zuständigen Minister auf das Problem aufmerksam. Tatsächlich wurde kurz darauf die niedersächsische Ausbildung in NRW anerkannt. Lux: "Auch das gehört zu den Aufgaben eines Abgeordneten, auf unspektakuläre und unbürokratische Weise zu helfen, wo es möglich ist."
    Etwa gleich stark wie das kommunalpolitische Engagement zieht auch die Familie mit Frau und zwei Kindern den CDU-Landtagsabgeordneten ins heimatliche Bielefeld. In der Freizeit beschäftigt den CDU-Politiker ein höchst ungewöhnliches Hobby. Lux sammelt Geschichtsatlanten, und im Urlaub fährt er besonders gern nach Frankreich, Italien oder England — zum Kajakfahren.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI991136

  • Porträt der Woche: Wilhelm Krömer (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 10 - 08.06.1999

    Ausgerechnet ein Sozialdemokrat, der frühere Kultusminister Hans Schwier, "animierte" Wilhelm Krömer, Landtagsabgeordneter zu werden. Als der damalige Bürgermeister des ostwestfälischen Petershagen aus Sorge um die Schließung einer dortigen Schule um einen Gesprächstermin bei dem obersten Schulchef bat, erteilte man dem Christdemokraten eine Abfuhr. "Da ich als Bürgermeister für jeden Bürger Zeit habe, ärgerte ich mich sehr", erinnert sich der gebürtige Mindener. Und da bei der 1990er Wahl sich für ihn die Chance bot, ein Landtagsmandat zu übernehmen, nutzte er sie.
    Aufgewachsen auf dem seit dem 17. Jahrhundert von den "Krömers" bewirtschafteten Bauernhof in Jössen, absolvierte der heute 60jährige denn auch die Lehre als Landwirt und besuchte die landwirtschaftliche Fachschule. Danach war er mehrere Jahre als Geschäftsführer der dortigen Ein- und Verkaufsgenossenschaft tätig. Mit der Heimat fest verwurzelt, engagierte sich der Ostwestfale schon in frühen Jahren in der Landjugend und der Evangelischen Kirche, wo er auch die zwei kirchlichen Verwaltungsprüfungen ablegte.
    Geprägt auch von dem legendären Lindenhof in Bethel, übernahm Wilhelm Krömer 1972 eine Referententätigkeit beim Diakonischen Werk in Minden, wo er anschließend bis 1990 als stellvertretender Geschäftsführer fungierte. Auch nach seiner Wahl in den Landtag blieb er für diese Einrichtung mit ihren inzwischen 880 Mitarbeitern als "Ehrenamtlicher" aktiv. Zur heutigen Bedeutung des Diakonischen Werkes Minden und zu dessen breitem Hilfsangebot trug der Abgeordnete wesentlich bei.
    Nicht überraschend ist, daß sich der Petershagener schon mit 17 Jahren auch der Jungen Union anschloß und dann der CDU, wo er bis heute eine Vielzahl von Führungsfunktionen ausübt. So ist er beispielsweise seit 1975 Kreisvorsitzender der Union Minden-Lübbecke und Mitglied des Bezirksvorstandes.
    Kommunalpolitisch tätig wurde der Christdemokrat 1965, zunächst als Ratsvertreter in seiner Heimatgemeinde Jössen, dann bis 1973 als deren Bürgermeister. Nach der Gebietsreform avancierte er zum Ortsvorsteher und gleichzeitig bis Ende 1994 zum Bürgermeister der größeren Stadt Petershagen. Bis heute ist er noch Erster Bürgermeister- Stellvertreter. Nicht ohne Genugtuung weist Wilhelm Krömer darauf hin, daß die SPD in Petershagen bei allen Wahlen eine klare Mehrheit erzielte — mit Ausnahme der Kommunalwahlen.
    Zweifellos das Verdienst eines Mannes, für den die kommunalen Ämter eine stete Verpflichtung sind, für die Belange der Bevölkerung einzutreten und für deren Sorgen ein offenes Ohr zu haben. Der CDU-Abgeordnete gehört den Ausschüssen für Arbeit, Gesundheit, Soziales sowie für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz an. Parlamentsgremien also, deren Aufgabenbereiche seinem politischen Engagement am nächsten liegen.
    So plädiert der Christdemokrat für das möglichst ortsnahe "humane Krankenhaus", wo das Betreuungspersonal noch Zeit für die Patienten hat. Und er nennt es einen "Skandal", daß es heute noch Fünf-Bett-Zimmer gebe. Auch sei der Ausbau von Hospizen dringend erforderlich, um alleinstehenden Menschen zu gewährleisten, daß sie in ihren letzten Wochen noch in Würde leben könnten. Einrichtungen für Obdachlose und Nichtseßhafte sollten Ihnen "Orientierungspunkte" vermitteln.
    Die ländlichen Regionen nennt Wilhelm Krömer eine "Kraftquelle" für das ganze Land, wo keine "Museumsdörfer" entstehen dürften. So sollten den dortigen Gemeinden planungsrechtlich eigene Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden. "Es muß was für die Rahmenbedingungen getan werden", fordert er.
    Der Familienvater von drei Kindern gehört noch zahlreichen weiteren Gremien an, beispielsweise der "Stiftung für Wohlfahrtspflege" des Landes und der Stiftung "Gerhart-Hauptmann-Haus" — ein mannigfaltiger Aktionsradius. Bei all dieser Tätigkeit sind für den Ostwestfalen Bodenhaftung, christliche Grundwerte und Pluralismus keine Schlagwörter, sondern eine tägliche Herausforderung.
    Jochen Jurettko

    ID: LI991050

  • Porträt der Woche: Anne Garbe (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 26.05.1999

    Durchsetzungsvermögen — das hatte Anne Garbe schon als Kind. Später ist ihr diese Eigenschaft auch in der Politik zugute gekommen. Aufgewachsen ist sie in Epe bei Gronau als Tochter eines kleinen Landwirts. Anne Garbe hat sechs Geschwister. Als einziges Kind in der Familie gelang es ihr, den Vater davon zu überzeugen, daß Kühe melken nicht ihr Ding ist — sie wurde von dieser Aufgabe befreit, machte eine Lehre als Bäckereiverkäuferin und arbeitete später als Datenerfasserin im EDV-Bereich.
    Anne Garbe stammt aus einem unpolitischen, stark katholisch geprägten Elternhaus — zur SPD stieß sie erst 1970 durch ihren Mann. Eigentlich hatte Anne Garbe gar nicht vorgehabt, politisch aktiv zu werden, doch als sie gemeinsam mit ihrem Mann und den zwei Töchtern 1971 von Rheine nach Roxel zog, konnte sie sich dem nicht mehr entziehen: Der Ortsverband Roxel war Anfang der siebziger Jahre sozialdemokratische Diaspora. Die neu Zugezogenen mit den Mitgliedsnummern 15 und 16 wurden vom Ortsverband euphorisch empfangen und gleich in die politische Arbeit mit einbezogen. Anne Garbe stellte zusammen mit anderen Frauen in Roxel die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) auf die Beine. Nach der Eingemeindung Roxels Mitte der siebziger Jahre setzte sie ihr frauenpolitisches Engagement in Münster fort.
    1985 konnte Anne Garbe ihr Durchsetzungsvermögen politisch gut gebrauchen. Als es im Vorfeld der Landtagswahl darum ging, den Spitzenkandidaten ihres Wahlkreises zu bestimmen, konnte sie ihren männlichen Mitbewerber in einer Kampfabstimmung aus dem Rennen werfen. Und dann kam das, womit Anne Garbe überhaupt nicht gerechnet hatte: Völlig überraschend gewann sie ihren für die SPD als aussichtslos geltenden Wahlkreis in Münster und konnte als Abgeordnete in den Düsseldorfer Landtag einziehen. Zwei Legislaturperioden hat sie im Landtag verbracht. Dann, bei der Wahl 1995, verlor die SPD die absolute Mehrheit und Anne Garbe ihren Wahlkreis — und damit auch ihr Landtagsmandat. Doch seit November 1998 ist sie wieder mit von der Partie, als Nachfolgerin für Johannes Pflug. Ihre Arbeit im Landtag hat sie da fortgesetzt, wo sie 1995 aufgehört hat. Anne Garbe ist wieder Mitglied im Petitionsausschuß und arbeitet im Frauenausschuß. Der Petitionsausschuß liegt ihr besonders am Herzen: "Wenn wir hier ein Gesetz beschließen, muß man sehen, was daraus wird. Im Petitionsausschuß habe ich das Ergebnis sofort und weiß, ob ich für einzelne Menschen etwas geschafft habe oder nicht."
    Anne Garbe hat ihren eigenen Kopf, zum Beispiel wenn es um die aktuelle Diskussion über die anstehende Verwaltungsstrukturreform geht. Im Gegensatz zur Mehrheit der SPD-Fraktion ist Anne Garbe gegen die geplante Auflösung der Landschaftsverbände. Sie kann sich nicht vorstellen, daß es eine kostengünstige, bürgerfreundliche und fachlich qualifizierte Alternative zu den beiden Verbänden gibt: "Und solange mir niemand erklärt, wie die Alternative aussieht, werde ich mich für den Erhalt der Landschaftsverbände einsetzen." Eine unbequeme Position zu vertreten macht Anne Garbe nicht unbedingt Spaß: "Da muß man schon was aushalten."
    In ihrer Freizeit liest die Westfälin gerne Krimis, eine ihrer Lieblingsautorinnen ist Elizabeth George. Im Urlaub wandert Anne Garbe, und da sie keine Steigungen mag, fährt sie am liebsten nach Holland: "Da kann ich tagelang am Strand geradeaus laufen."
    Ulrike Coqui

    ID: LIN05369

  • Porträt der Woche: Hildegard Nießen (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 8 - 11.05.1999

    Sie bricht eine Lanze für die "Ehrenamtlichen" in den Vereinen und Organisationen, deren Leistungen für die Gesellschaft der Staat niemals bezahlen könnte — Hildegard Nießen, SPD-Landtagsabgeordnete aus Stolberg.
    Viele Bürger wüßten leider gar nicht, wieviel Freizeit und auch persönliche Kosten mit einem Ehrenamt verbunden seien. Für die Parlamentarierin geht es nicht darum, sie finanziell stärker zu unterstützen — "wir müssen ihren unvergleichbar großen Wert für die Gesellschaft aber stärker herausstellen". Das müsse im übrigen schon auf der kommunalen Ebene geschehen.
    Dem Stolberger Stadtrat gehört die in Bardenberg bei Aachen geborene 52jährige Sozialdemokratin bereits seit fast 25 Jahren an. Deren kommunale Tätigkeitsfelder sind seitdem sehr vielseitig: Umwelt, Finanzen, Stadtplanung; und seit gut 15 Jahren ist die gelernte Bankkauffrau auch Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion.
    Als Kommunal- und Landesparlamentarierin hält Hildegard Nießen die Nähe zu den Mitbürgern für absolut wichtig. So nehme sie jede nur mögliche Gelegenheit wahr zu Kontakten und deren Pflege; ob es kulturelle oder sportliche Vereine seien oder die verschiedensten Organisationen. Dabei lernte sie übrigens auch das Wirken der "Ehrenamtlichen" zu schätzen.
    Haupttätigkeitsfelder sind für die Parlamentarierin die Wirtschaftsförderung und die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. So sieht sie sich als Ansprechpartnerin der örtlichen Unternehmen und vermittelt deren Anliegen auch im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium. Gleichzeitig wirbt sie bei den Betrieben für zusätzliche Ausbildungsplätze und arbeitet dabei Hand in Hand mit den Gewerkschaften und der Arbeitsverwaltung zusammen.
    Bereits 1970, als 24 jährige, trat die Stolbergerin der SPD bei. Sie habe sich damals sehr geärgert, daß der politische Gegner im Wahlkampf die Integrität von Willy Brandt öffentlich in Zweifel gezogen habe.
    Aber auch das Programm der Sozialdemokraten sei ein Grund für den Beitritt gewesen. Seit 1993 ist sie Mitglied des Bezirksvorstandes der SPD-Mittelrhein und im Unterbezirk Aachen ist sie dessen stellvertretende Vorsitzende.
    Weil die Sozialdemokratin ihre kommunalpolitischen Erfahrungen in die Landespolitik einbringen wollte, kandidierte sie 1995 im Wahlkreis 3, Kreis Aachen I, für das Landesparlament und kam auf 44,4 Prozent der Wählerstimmen. Die SPD berief sie in den Ausschuß für Kommunalpolitik sowie in den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz. Im Rahmen der Modernisierung der Verwaltung ist für die Sozialdemokratin von großer Bedeutung, daß den Kommunen mehr Spielräume in eigener Verantwortung eingeräumt werden und diese in ihren Entscheidungen nicht an starre Vorgaben des Landes gebunden sind. Dazu zähle auch, daß den Kommunen und ihren Unternehmen eine stärkere wirtschaftliche Betätigung erlaubt werde. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf der Regierung bewertete die SPD-Abgeordnete als einen Mittelweg zwischen einer ausnahmslosen Privatisierung kommunaler Leistungen und einer unbegrenzten Teilnahme der Kommunen am marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Natürlich sei es gleichermaßen wichtig, daß Städte und Gemeinden eine ausreichende finanzielle Ausstattung erhielten.
    In ihrer Freizeit hört die Parlamentarierin gern klassische Musik, auch ein Krimi gehört zur Entspannung. Und sie kocht gern, probiert immer wieder neue Gerichte aus.
    Jochen Jurettko

    ID: LIN05321

  • Porträt der Woche: Silke Mackenthun (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 27.04.1999

    "Nun sind wir mal in der Regierung drin, und da ist es unsere Aufgabe, soviel wie irgend möglich von unseren Zielen durchzusetzen", meint Silke Mackenthun mit Nachdruck. In ihren Fachbereichen Landwirtschaft, Forsten, Naturschutz und Umwelt arbeitet die 37 jährige GRÜ- NE Landtagsabgeordnete im Düsseldorfer Landtag jedenfalls nach dieser Devise. Ihre realpolitische Einstellung formuliert sie sympathisch nachvollziehbar: "Es hat keinen Zweck, Träumen hinterherzuhetzen, aber man soll sie auch nicht vergessen." Ihr Rat: "In der Praxis muß man Traum und Wirklichkeit sorgfältig voneinander trennen."
    Das tut die 1962 in Hamburg geborene GRÜNE Abgeordnete, die von ihrer politischen Herkunft her in keines der herkömmlichen Strickmuster der Ökopartei paßt. Auch, wenn sie sich nach ihrer inneren Einstellung keinem der Partei- und Fraktionsflügel richtig zugehörig fühlt, ist Silke Mackenthun ihrem ganzen Wesen nach doch eine bodenständige Reala, die zupacken kann und die weiß, wie man sich für die Belange der eigenen Wählerklientel einsetzt. "Ich bin der festen Überzeugung, daß man jedes politische Problem lösen kann, wenn man wirklich will", ist die GRÜNE überzeugt.
    Dabei stand Politik zunächst gar nicht auf der Lebensplanung der Norddeutschen. Zwar hatte sie schon seit Beginn ihres Germanistik-Studiums in Frankfurt in Wohngemeinschaften gelebt, war politisch aber eher ein Mitläufer gewesen. Das änderte sich, als Silke Mackenthun auf Architektur umsattelte und zum Studium an die Fachhochschule Bielefeld, Abteilung Minden, ging. Als NRW-Wissenschaftsministerin Anke Brunn den Studienstandort schließen wollte, gehörte die Architektur-Studentin Mackenthun zu den Gegnern dieses Plans: "Damals habe ich mich vom Zuschauer bei Demos zur Organisatorin von Protestveranstaltungen entwickelt", erinnert sich die 37 jährige GRÜNE Abgeordnete.
    Als sie dann richtig aufs Land zog, geriet Silke Mackenthun neben der Hochschulpolitik auch in die heiße Phase des Kommunalwahlkampfs von 1989. Nach einer Wahlveranstaltung kamen die GRÜNEN auf sie zu und forderten die junge Frau auf, bei der Öko-Partei mitzumachen. "Wir brauchen Leute, die so engagiert sind wie Du und die sich artikulieren können", hieß es. Die örtlichen GRÜNEN fragten die damalige Architektur-Studentin auch gleich, ob sie nicht für den Rat von Porta Westfalica kandidieren wolle. Ohne Zögern hat Silke Mackenthun "ja" gesagt und damit ihre politische Karriere begründet. Gleichzeitig fand sie eine politische Heimat, obwohl sie erst 1992 bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingetreten ist. Als Geschäftsführerin des GRÜNEN Kreisverbandes Minden-Lübbecke hat die heutige Landtagsabgeordnete die Wahlkämpfe organisiert. Bei der Bundestagswahl 1994 wurde sie selber als Direktkandidatin aufgestellt. Das hat nicht geklappt. Dafür ermunterten die Parteifreunde sie ein Jahr später, für den nordrheinwestfälischen Landtag zu kandidieren. Als Wahlkampfleiterin vor Ort ließ sich die ledige GRÜNE auf Platz 17 nominieren. Damit verband sich ein ehrgeiziges politisches Ziel. Platz 17 auf der Liste hieß nämlich siebeneinhalb Prozent für die Partei insgesamt zu holen. Silke Mackenthun: "Das war ein Anreiz für uns alle, einen möglichst guten Wahlkampf hinzulegen." Dennoch war die GRÜNE völlig perplex, als sie am Wahlabend aus dem Fernsehen erfuhr, daß ihre Partei sogar zehn Prozent der Wählerstimmen geholt hatte. "Damit war ich ziemlich unerwartet Landtagsabgeordnete", sagt Silke Mackenthun heute. Ihr Leben hat die GRÜNE von einem Tag auf den anderen geändert. "Für mich war klar: Wenn ich das Mandat annehme, dann ist das ein Fulltime-Job." Also gab sie alle anderen Parteiämter auf, verzichtete auch auf ihr Ratsmandat und pendelt seither zwischen ihrer westfälisch-lippischen Wahlheimat und der NRW-Hauptstadt Düsseldorf.
    "Im Schnitt bin ich zwei bis fünf Mal in der Woche in Düsseldorf", erklärt Silke Mackenthun. Als naturschutzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und Mitglied im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz und stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Umweltschutz und Raumordnung sowie im Petitionsausschuß gibt es zusätzlich zu den Fraktions- und Plenarsitzungen viel im Landtag zu tun. Dennoch fährt sie regelmäßig abends nach Hause. "Ich fühle mich als Regionalabgeordnete und möchte möglichst eng mit meinem Wahlkreis zusammenarbeiten." Mit dem GRÜNEN Kreisverband teilt sie sich ein Büro, das ständig besetzt ist, damit es für auskunftsuchende Bürger immer einen Ansprechpartner gibt.
    Am besten wäre nach Auffassung von Silke Mackenthun ein Regionalparlament, vor dem die Bürger möglichst basisnah ihre Wünsche vorbringen könnten. NRW sei als Flächenland zu groß, um von Düsseldorf aus wählernah betreut zu werden. Der Bezirksplanungsrat könne die Aufgabe nicht erfüllen. Zum einen verfüge er über keinen eigenen Haushalt und zum anderen sei er nur für bestimmte Aufgaben zuständig. Deshalb sollte der Landtag Teile seiner Macht an ein neues Bezirksparlament abgeben. Da sich der Traum vom Regionalparlament nicht so rasch verwirklichen lassen wird, möchte Silke Mackenthun im Mai 2000 gern noch einmal in den NRW-Landtag einziehen. Mit 43 Jahren will die zupackende GRÜNE, die in einer Wohngemeinschaft auf einem Bauernhof mitten auf dem Land lebt, und in ihrer Freizeit gerne wandert oder Gitarre spielt, dann politisch aufhören und etwas ganz Neues beginnen. Silke Mackenthun hat auch schon klare Vorstellungen über ihre Ziele nach dem Abgeordneten-Dasein: "Am liebsten möchte ich den Hof, auf dem ich lebe, auf Vordermann bringen, eine Käserei aufbauen und so richtig mit den Händen arbeiten."
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN05403

  • Porträt der Woche: Clemens Pick (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 6 - 30.03.1999

    Für außerordentlich wichtig hält Clemens Pick, daß Politiker wirtschaftlich unabhängig sind. Sie sollten daher vor dem Einstieg in die Politik erst einen Beruf erlernen. So absolvierte der CDU-Landtagsabgeordnete aus Nettersheim in der Eifel nach der Hauptschule zunächst die Bäcker- und Konditorlehre, es folgte die Meisterprüfung, und dann war er mehrere Jahre als Betriebsleiter tätig. Nach dem anschließenden Studium an der Wirtschaftsakademie wechselte der heute 51 jährige als Erwachsenenreferent zum Deutschen Kolpingwerk nach Köln, wo er jetzt Referatsleiter für die allgemeine Verbandsarbeit ist.
    In dieser Eigenschaft gehört er auch dem Bundesvorstand des Kolpingwerkes an. Bereits mit 18 Jahren trat der aus einem sehr politischen Elternhaus stammende Rheinländer in die Junge Union ein. Es waren die politisch unruhigen sechziger Jahre, und auch Clemens Pick wollte "etwas gesellschaftlich verändern". Geprägt von seiner Umgebung, sah er bei den Christdemokraten seine politische Heimat. Schnell wurde er zunächst Orts-, dann Kreis- und später Bezirksvorsitzender der CDU-Nachwuchsorganisation. Inzwischen ist er seit vielen Jahren stellvertretender Kreisvorsitzender der Euskirchener Union. Dem Rat der Gemeinde Nettersheim gehört der Christdemokrat bereits seit 1974 an, fünf Jahre später wurde er Vorsitzender der CDU-Fraktion. Für eine seiner Hauptaufgaben hielt der noch heute amtierende Fraktionschef, der Kommune eine solide Haushaltswirtschaft zu gewährleisten. Dank einer absoluten Ratsmehrheit habe man auch unpopuläre Entscheidungen treffen können, ohne Kompromisse machen zu müssen, betont der Christdemokrat. Die Wähler honorierten den eisernen Sparwillen: Bei der letzten Kommunalwahl kam die Union auf 72,5 Prozent der Stimmen, zwanzig Prozent mehr als fünf Jahre zuvor.
    Als Clemens Pick 1995 mit einem beachtlichen 48,3-Prozent-Ergebnis in seinem Wahlkreis Euskirchen II in den Landtag rückte, berief ihn die Fraktion in die Ausschüsse für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz sowie für Umweltschutz und Raumordnung. Schwerpunkte im ersteren Parlamentsgremium sind für den passionierten Jäger die Forstwirtschaft und die Jagdpolitik.
    Aus einer waldreichen Region kommend, bemüht sich der Nettersheimer um eine stärkere Absatzförderung des heimischen Holzes. Insbesondere das sogenannte Schwachholz könne wegen fehlender entsprechender Industrie nicht verarbeitet werden. So engagiert er sich für die Ansiedlung eines Zellstoffwerkes und bedauert, daß die Landesregierung sie "mit wenig Leidenschaft" betreibe.
    Im Umweltausschuß sind die Bereiche Wasser und Abwasser seine parlamentarischen Tätigkeitsfelder. So setzt sich Clemens Pick vehement für eine vergleichbarkeit der Berechnungen der Abwassergebühren ein. Es sei nicht hinnehmbar, daß beispielsweise die Bewohner der Gemeinde Hellental wegen der Topographie der Eifel und den erhöhten Anforderungen an die Vorfluter über 15 Mark pro Kubikmeter zahlen müßten. Das Land müsse solchen Kommunen über Teil-Entschuldungen finanziell helfen.
    Die Eifel mit ihrem großen Wasserreservoir hat zur Folge, daß weite Flächen als Wasserschutzgebiete ausgewiesen sind und dadurch die landwirtschaftlichen Betriebe teilweise akute Existenzsorgen haben. Das Verwaltungsratsmitglied des Wasserverbandes Eifel/Rur setzt dabei auf eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen der Wasser- und der Landwirtschaft.
    Der CDU-Landtagsabgeordnete sieht sich zuallererst als Anwalt der Menschen in seiner Region und pflegt zu ihnen enge Kontakte. Und zwei seiner politischen Wirkungsfelder bieten ihm auch die erforderliche Entspannung: Die Jagd und die Natur. Nicht zu vergessen die Gartenarbeit — "mein großes Hobby".
    Jochen Jurettko

    ID: LIN05240

  • Porträt der Woche: Hedwig Tarner (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 16.03.1999

    Kinder mit dem familiären Hintergrund haben es nicht leicht, die eng gesteckten Dorfzäune zu überspringen. Hedwig Tarner, Zweitältester von vier Sprößlingen sogenannter kleiner Leute vom (Münster-)Lande hat es geschafft. Vater: Fabrikarbeiter, schon mit 48 Frührentner. Mutter: Hüterin des Hauses, die heute noch in dem Bett schläft, in dem sie einst geboren wurde.
    Es ging bescheiden zu im Hause Tarner. Hedwig mußte selbstverständlich die Pullover der älteren Schwester auftragen. Die Möglichkeiten waren auch in nicht finanzieller Sicht beengt. Hedwig durfte erst im dritten Schuljahr Hosen anziehen, mußte indes, dem Dorf- und Elternhaus-Gebot angeblicher Mädchen- Schicklichkeit gehorchend, einen Flock darüber tragen.
    Mit 15 Jahren machte die Warendorf erin eine Lehre als Bürokauffrau, schloß sich der IG Metall an und erlebte dort zum ersten Mal SPD- Genossen der alten Schule: Man nahm das junge Ding, Jahrgang 1960, nicht ernst. Es ging jedoch seinen zweiten Bildungsweg bis zum Abitur, engagierte sich als sachkundige Bürgerin bei der 84er Kommunalwahl in Warendorf, kam in den Stadtrat und stieß erst später, 1989, als Mitglied zu den GRÜNEN. Damals war Hedwig Tarner eine Linke. Heute antwortet sie spontan und beherzt "nein" auf die Frage, ob sie noch immer links sei. Frau Tarner zählt sich zu den Realpolitikern der Partei: Politische Theorie ist ihr wichtig, aber sie müsse umsetzbar sein. Die Parlamentarierin legt Wert darauf, daß die Menschen nach fünf Jahren "Rot-Grün" sagen können, das sei etwas Anderes, Besseres gewesen als "Rot pur".
    Sympathisch wirkt, daß Hedwig Tarner nicht zu der Sorte gesellschaftlicher Aufsteiger zählt, die ihrer Heimat schnöde den Rücken kehren. Sie ließ sich weder blenden noch verbiegen, das "Non degenerabo" des Dorfjungen Theo Waigel könnte auch ihr Lebensmotto sein. Hedwig Tarner ist sich ihrer Verwurzelung im Westfälischen bewußt. Sie denkt nicht daran, auch nur einen Wurzelstrang abzutrennen.
    Das Studium der Geographie hat sie ein wenig verbummelt, fast möchte man sagen: zwangsläufig. Denn 1987 kam der Sohn zur Welt. Das Stipendium reichte nicht, die junge Mutter und Studentin mußte zusätzlich Geld verdienen. Mit dem Kindesvater hat sie ein offenbar wohlgelungenes Arrangement getroffen: Der Knabe wird mal beim Vater, mal bei der Mutter erzogen, erlebt so die Eltern auch bei der Fron des Alltags und nicht nur im Sonntagsstaat.
    Selbstkritische Wehmut kommt auf, wenn Frau Tarner von den Zetteln erzählt, welche der Sohn ihr manchmal im Büro hinterlegen läßt. Da steht dann beispielsweise drauf, die Mutter habe wieder keine Zeit für Schularbeitshilfe gehabt. Das mühselige Pendeln zwischen Warendorf und Landtag Düsseldorf, die politische Arbeit und das Kümmern ums Kind — alles zusammen sei das schon heftig, sagt Hedwig Tarner. Dennoch möchte sie gern auch noch die nächste Legislaturperiode im Landtag arbeiten. Lieber wäre ihr aber wohl — auch aus privaten Gründen —, die Bürger ihres Wohnortes wählten sie im Spätsommer zur Bürgermeisterin. Sie wird kandidieren. Eine reine Zählkandidatur sei das nicht, meint sie mit dem Schuß an Selbstsicherheit, den sie Im Gespräch Minuten zuvor hatte vermissen lassen.
    Ob sie sich ein Regierungsamt zutraue? "Wissen Sie, ich hab' viele Defizite, zum Beispiel bei sprachlichen Formulierungen. Ich hab' beispielsweise erst in der Grundschule gelernt, Hochdeutsch zu reden, meine Mutter verwechselt heute noch mir und mich." "Aber", sagt der Gesprächspartner, "man kann doch viel dazulernen, wofür Sie selbst ein Beispiel sind". "Sie haben recht, man kann manches lernen, aber ich bin halt Westfälin und deshalb etwas langsam."
    So sehr Hedwig Tarner ihr Westfalen-Sein gerne betont: Im Vergleich mit den aus ihrer Erfahrung fixeren Rheinländern empfand sie ihre etwas größere Übersetzung, ihre vielleicht fehlende Schlagfertigkeit auch schon einmal als hinderlich; was nie zu Grübeleien geführt hat. Hedwig Tarner sagt sich: Ich bin wie ich bin.
    Genauso offen, wie sie über ihre wirklichen oder eingebildeten Defizite spricht, räumt die GRÜNE ein, daß sich das Fraktionsmitglied einer Regierungspartei nach der politischen Decke zu strecken habe.
    In politischen Dingen sucht sie Bodennähe. Von Verkehrs-, Raumordnungspolitik versteht sie etwas. "Da bin ich fit." Frau Tarner geht gerne systematisch an Probleme heran, strukturiert und ordnet sie, und ist zum Erstaunen des elfjährigen Filius von mathematischen Dingen fasziniert.
    Als GRÜNE singt sie das Hohelied des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs besonders laut. Nicht immer sei es richtig, ein von Autolärm belästigtes Dorf durch Ortsumgehungsstraßen zu entlasten. Da müsse zunächst an andere, billigere, administrative oder bauliche Maßnahmen (Lärmschutzwälle/ Pförtnerampeln) gedacht werden. Straßen gebe es grundsätzlich genug im Land, behauptet sie und setzt hinzu: "Das heißt nicht, daß man nicht an der einen oder anderen Stelle was machen muß."
    Die junge Frau, der es manchmal leidtut, nicht Lehrerin geworden zu sein, liest gerne Reiseliteratur. Einmal erst in ihrem Leben hat sie Europa verlassen — bei der Reise des Städtebauausschusses nach Kanada im Vorjahr. Seit 20 Jahren macht sie Urlaub in den Pyrenäen. Im Sommer geht's zum schwedischen Vättersee — zur bekannten Rennradtour. Hätte Hedwig Tarner einen Reisewunsch frei, entschiede sie sich für Fernost (mit dem Rad nach Peking!) und von Wladiwostok aus mit der legendären Transsibirischen Eisenbahn zurück.
    Reinhold Michels

    ID: LIN05181

  • Porträt der Woche: Dr. Harald Pohlmann (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 4 - 02.03.1999

    "Sonntagsreden und Montagshandeln klaffen auseinander", stellt der CDU-Landtagsabgeordnete Dr. Harald Pohlmann enttäuscht fest. Im Moment bestehe zwar ein "Modetrend" in NRW, den Mittelstand zu loben und zu pflegen, aber das sei eine Frage des politischen Marketings in der offiziellen Landespolitik ohne handgreifliche Auswirkungen.
    Pohlmann selbst ist mittelständischer Unternehmer und sieht sich als "klassischen Existenzgründer". Sein Studium hat er zunächst mit einem selbstgegründeten Sportartikelgeschäft finanziert und seit 1983 ein Freizeitzentrum am Emmerstausee in Ostwestfalen aufgebaut. Dort will er auch als Landtagsabgeordneter weiter unternehmerisch tätig bleiben — und das nicht allein, um die Widersprüche der Wirtschaftspolitik vor Ort weiter verfolgen zu können, sondern auch, weil für ihn diese Arbeit "spannend und sehr motivierend" ist.
    Hinter einem Ladentresen im Einzelhandelsgeschäft seiner Eltern zu stehen, war für Harald Pohlmann bis zu seinem Abitur immer wieder eine Routineaufgabe. "Das prägt", meint er. "Gegessen wurde dann, wenn gerade kein Kunde da war." Bei seinem Studium in Bielefeld, Köln und Hamburg bildete für ihn von Anfang an Wirtschaftsgeschichte den Schwerpunkt.
    Seine Magisterarbeit in Bielefeld behandelte die Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen. Seine Hamburger Doktorarbeit aber war von der Persönlichkeit des 1932 verstorbenen Reeders Richard C. Krogmann und dessen Bemühungen um den Aufbau der Seeberufsgenossenschaft bestimmt. "Heute bezeichnet man einen solchen Problemkreis als Frage der Subsidiarität", betont Pohlmann. Da gehe es darum, wieweit der Staat eingreifen müsse oder ob das Notwendige auch durch Selbstverpflichtung statt durch Gesetz bestimmt werden könne.
    "Wir brauchen Taten statt Bürokraten", sagt Dr. Harald Pohlmann heute. Kostenentlastung und weniger Reglementierung oder Auflagen seien für Existenzgründungen und das Entstehen neuer Arbeitsplätze entscheidend. "Es muß sich auch lohnen, finanzielle Risiken einzugehen, die gerade Unternehmensgründer sehr belasten können." In einem Klima von Neid und Mißgunst gegenüber jungen Unternehmern seien aber zu wenige bereit, diese Risiken einzugehen. "Da helfen keine versprechen und Hochglanzprospekte."
    Pohlmann hat sich das Geld für sein Studium zeitweilig durch Jobs beim Bau verdient. Er bekennt aber auch, daß er durch den Verein, in dem er am Regattasegeln als Wettkampfsport teilnahm, zur Gründung eines eigenen Geschäfts für Boote und Wassersportzubehör ermutigt wurde. So unternahm er schon im zweiten Studiensemester den Schritt in die Selbständigkeit.
    Die Einrichtung von zwei weiteren Geschäften folgte, bis Pohlmann 1982 einer Anfrage der Gemeinde Schieder folgte, am neuen Emmerstausee ein Freizeitzentrum zu eröffnen. Angesichts des großen Kapitalbedarfs dafür verkaufte er die Fachgeschäfte an Mitarbeiter und konzentrierte sich auf den Ausbau der Anlagen an dem 100 Hektar großen Stausee in Ostwestfalen. "Daß ich das jetzt trotz der Aufgaben als Landtagsabgeordneter weiterführen kann, verdanke ich der Hilfe meiner Frau und meiner Mitarbeiter", sagt er. Dennoch gilt für Pohlmann eine Siebentagewoche. Zum Segeln mit Frau und Sohn kommt er nur noch gelegentlich, den Wettkampfsport hat er aufgegeben.
    Politisch engagierte sich Dr. Pohlmann 1991 mit dem Beitritt zur CDU. Als Kreis- und Landesvorsitzender der Wirtschaftsjunioren war er häufig in Düsseldorf und bei den Landesministerien. Da drängten ihn Unternehmerkollegen, die Sichtweise mittelständischer Unternehmen auch in der Politik zu vertreten. 1994 wurde er Mitglied im Kreistag Lippe, 1994 auch Kreisvorsitzender und seit einem halben Jahr Bezirksvorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT). Er ist außerdem Mitglied im Bezirksvorstand Ostwestfalen-Lippe der CDU. Pohlmann führt den Vorsitz in der "Initiative Schieder- Schwalenberg", einem Zusammenschluß des ortsansässigen Gewerbes.
    In den NRW-Landtag kam Pohlmann am 1. August 1998 als Nachrücker für den CDU- Landtagsabgeordneten Wilhelm Riebniger, der wegen seiner Wahl zum hauptamtlichen Landrat des Kreises Soest ausschied. Pohlmann ist ordentliches Mitglied in den Landtagsausschüssen für Haushaltskontrolle sowie für Städtebau und Wohnungswesen, unter anderem auch stellvertretendes Mitglied in der Arbeitsgruppe "Staatsbad Oeynhausen" des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
    An einen Erfolg von Lösungsstrategien der jetzigen NRW-Wirtschaftspolitik bei einem Ausgleich von Strukturschwächen durch Subventionen glaubt Dr. Harald Pohlmann nicht: "Ausgaben von mehr als 100 Millionen Mark für Projekte wie HDO Oberhausen oder Gran Dorado in Medebach sind meiner Überzeugung nach falsch. Finanzielle und bürokratische Entlastung mittelständischer Unternehmen — das ist, was fehlt."
    Peter Weigert

    ID: LIN05140

  • Porträt der Woche: Helga Gießelmann (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 09.02.1999

    Frauenpolitik heute — das heißt für Helga Gießelmann "Kräfte bündeln". Seit Sommer 98 ist die Diplomsoziologin Sprecherin ihrer Fraktion im Ausschuß für Frauenpolitik im Landtag. Die Zeiten, in denen Frauen massiv Druck gemacht und ihre Forderungen lautstark und energisch angemeldet haben, sind vorbei, und das bedauert die Sozialdemokratin. Für sie steht fest: Frauenpolitik ist und bleibt — auch wenn Frauen mittlerweile schon vieles erreicht und erstritten haben — "ungeheuer wichtig." Daß die umstrittene Frauenquote zunehmend auch von Frauen selbst kritisch diskutiert wird, findet Helga Gießelmann nicht richtig: "Gleichberechtigung muß eine Selbstverständlichkeit werden, und an vielen Stellen sieht man, daß es ohne Quote nicht geht. Die Quote ist Mittel zum Zweck, nicht das Ziel."
    Helga Gießelmann ist in Isingdorf-Arrode, einer Kleinstadt bei Bielefeld, geboren und aufgewachsen. Sie stammt aus einem Arbeiterhaushalt, beide Eltern waren Seidenweber. Mit 15 Jahren begann Helga Gießelmann, sich politisch bei den Falken zu engagieren: "Es war die Zeit des Aufbruchs, wir waren kritisch, haben Normen in Frage gestellt, wollten vieles besser machen." Nach ihrem Volksschulabschluß machte sie eine Lehre als Industriekauffrau. Danach arbeitete sie als Sekretärin. Anfang der siebziger Jahre folgte sie mit ihrer kleinen Tochter ihrem Mann nach Hamburg.
    Dort begann sie 1974 an der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) über den zweiten Bildungsweg ein interdisziplinäres Studium der Fächer Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Rechtswissenschaften und Soziologie: "Für uns war damals klar: Bildung ist Macht, wir wollten die Gesellschaft verändern."
    Schon in ihrer Hamburger Studienzeit begann Helga Gießelmann sich für Frauenfragen zu interessieren. Doch richtig Feuer fing sie erst in Bielefeld, wo sie 1977 ein Soziologiestudium aufnahm und sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit intensiv mit Frauenforschung beschäftigte. Sie wurde Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) im Unterbezirk Bielefeld, setzte sich für die Einrichtung kommunaler Gleichstellungsstellen ein und wurde schließlich selbst Leiterin der Gleichstellungsstelle der Stadt Herford.
    Ein Sitz im Landtag war eigentlich nie erklärtes Ziel von Helga Gießelmann. Doch als 1990 in ihrem Wohnort Bielefeld ein Wahlkreis frei wurde, bewarb sich die AsF-Vorsitzende um das Mandat. An den Spitzen der 13 ostwestfälischen Wahlkreise gab es damals keine einzige Frau, tür Helga Gießelmann ein Grund mehr zu kandidieren.
    Daß sie sich im Landtag gezielt für frauenpolitische Themen einsetzt, ist für sie selbstverständlich. Neben ihrer Arbeit im Frauenausschuß und im Ausschuß für Wirtschaft liegt der Sozialdemokratin vor allem ihre Mitarbeit in der Enquete-Kommission "Zukunft der Erwerbsarbeit" am Herzen: "Da geht es nicht nur um Tagespolitik, da muß man langfristiger planen und denken, Strategien entwickeln. Und das finde ich spannend."
    Helga Gießelmann verfolgt die Dinge gerne gründlich. Sie liest viel, "wuselt gerne herum", wie sie selber sagt. Wenn bei der Arbeit Fakten durcheinander geworfen werden oder aber viel Zeit mit langatmigen, inhaltlich leeren Vorträgen verschwendet wird, reißt ihr auch schon mal der Geduldsfaden. Aber das empfindet sie dann nicht unbedingt als negativ, denn: "Wenn ich wütend bin, bin ich am besten."
    Ihr Mann ist für sie ein kritischer Diskussionspartner, und auch ihre drei inzwischen erwachsenen Kinder haben ihr politisches Engagement mit Interesse und meist auch wohlwollend verfolgt. Nur die Wahlkampfzeiten haben sie manchmal als "lästig" empfunden.
    Helga (Gießelmanns Hobby ist ein kleiner Hund und heißt Acla. Mit Acla macht sie gerne lange Spaziergänge. Ab und zu geht's auch mal in den Hundeverein. Und dort, das hat Helga Gießelmann erstaunt festgestellt, "wird manchmal heftiger gestritten als in der Politik".
    Ulrike Coqui

    ID: LIN05108

  • Porträt der Woche: Werner Jostmeier (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 2 - 02.02.1999

    "Wir dürfen die Zukunft nicht verspielen. Nordrhein-Westfalen muß für das Informationszeitalter gerüstet sein", trommelt der CDU-Politiker Werner Jostmeier unverdrossen. Besonders sorgt sich der Unionsmann aus Dülmen, der dem Düsseldorfer Landtag seit 1995 angehört, derzeit um die "Ingenieurslücke". Angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen sei es völlig unverständlich, daß es für den Bereich der Informations- und Kommunikationswirtschaft mit seinen großen Zukunftschancen nicht genügend qualifizierte Bewerber gebe. Jostmeier macht für diesen Fachkräftemangel vor allem rückläufige Haushaltsmittel für Forschung und Lehre verantwortlich. Sie würden sich in sinkenden Studentenzahlen niederschlagen. Jostmeiers Engagement für die Informations- und Kommunikationswirtschaft kommt nicht von ungefähr. Zwölf Jahre lang war der Westfale bei Post und Telekom — vorwiegend im Personal- und Medienbereich — beschäftigt, ehe er Parlamentarier wurde. Tatsächlich schien es dem heute 48jährigen schon ein wenig an der Wiege gesungen, daß seine Berufskarriere über seinen Job bei der Post führen würde.
    Denn während des Zweiten Weltkrieges betreute sein Vater neben einer Schmiede und einem landwirtschaftlichen Betrieb auch eine Poststelle, und als Postlerkind hatte Jostmeier bei der Bewerbung einen sogenannten Bonus und bekam einen Job bei der gelben Firma. Schnell stellte er fest, daß die Bandbreite der Beschäftigungsmöglichkeiten bei einem Mammutunternehmen wie der Post riesig war und es für ihn spannende berufliche Aufstiegsmöglichkeiten gab.
    Doch bis zum Fachbereichsleiter der Telekom, der für 170 000 Mitarbeiter zuständig war, hatte Jostmeier einen weiten Weg zurückzulegen. 1959 in Weite bei Dülmen geboren, besuchte Jostmeier die dortige einklassige Grundschule, später das Gymnasium, wechselte zur Handelsschule, die er mit der Fachschulreife verließ, um eine Lehre als Schmied und Landmaschinenmechaniker zu machen. Danach arbeitete er im väterlichen Betrieb. Doch das genügte ihm nicht. Während er weiter das elterliche Unternehmen leitete und ausbaute, machte er über den zweiten Bildungsweg das Abitur und studierte in Münster Jura, Volkswirtschaft und Geschichte. Nach dem zweiten juristischen Examen ließ er sich als Rechtsanwalt nieder, um mit der praktischen Anwaltstätigkeit vertraut zu werden.
    Zur Politik kam Jostmeier während des Studiums. Als Gegner der Ostverträge des damaligen SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt reagierte er politisch. "Ich wollte damals Flagge zeigen", sagt Jostmeier heute. 1972 trat er in die CDU ein. "Meine Eltern waren in keiner Weise politisch, aber bei der konservativ christlichen Grundhaltung meines Elternhauses kam für mich nur die Union als Partei in Frage." Nach seinem Parteieintritt kamen in rascher Folge politische Positionen auf ihn zu. So ist Jostmeier heute unter anderem stellvertretender Ortsvereinsvorsitzender von Dülmen-Mitte, Vize-Kreisvorsitzender in Coesfeld und Vize-Bezirksvorsitzender Münsterland.
    Als der CDU-Landtagsabgeordnete und Landwirt Karl Wegener nicht noch einmal für das Düsseldorfer Parlament kandidieren wollte, wurde Jostmeier als Nachfolger vorgeschlagen. "Ich interessierte mich für den Job, weil es — wie sich jetzt bestätigt — keine Arbeit gibt, die vielfältiger ist." Er setzte sich gegen sechs Bewerberinnen und Bewerber durch und hat bei der Landtagswahl 1995 seinen Wahlkreis auch direkt gezogen. Als Parlamentsneuling war Jostmeier bei der Wahl der Ausschüsse, in denen er mitarbeiten wollte, nicht wählerisch. Aber er hatte Glück: Neigung und vorhandene Plätze paßten zueinander. Weil der vielseitige CDU-Politiker sich für Außen- und Europa-Politik interessiert, ist er in den Ausschuß für Europaund-Eine-Welt-Politik gekommen. Da er auch etwas von Landwirtschaft versteht, mischt er als stellvertretendes Mitglied im Ausschuß Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz mit. Nach dem Ausscheiden des innenpolitischen Sprechers Heinz Paus ist Jostmeier jetzt auch Mitglied im Hauptausschuß. Als Volljuristen hat die Fraktion ihn für die schwierige Arbeit im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Klärung der Vorgänge beim Oberhausener Trickfilmstudio HDO bestimmt.
    Neben der Parlamentsarbeit pflegt der CDU- Mann sorgfältig seinen Wahlkreis. Ein bißchen stolz meint der Unionsabgeordnete: "Ich bin bekannt dafür, daß ich die Bürger, die sich an mich wenden, nicht abhalftere, sondern wirklich versuche, ihnen zu helfen." Jostmeiers Wahlkreisbüro ist ständig besetzt, und er bereist regelmäßig alle Orte, die zu seinem politischen Beritt gehören, und führt mit allen Verwaltungschefs Gespräche. Jostmeier, der gern auch in der nächsten Legislaturperiode wieder Landtagsabgeordneter sein möchte: "Ich fühle mich hier wohl, die Arbeit macht mir Spaß und an den Reaktionen der Kollegen merke ich, daß ich so furchtbar schlecht nicht sein kann."
    Obwohl der Arbeitstag für Jostmeier lang ist, findet der seit 1979 verheiratete Vater von vier Söhnen doch immer noch Zeit für die Familie und seine Hobbys. Er hört gern Musik, spielt selber Gitarre, Akkordeon und Trompete, hält sich bei Gartenarbeit fit, und wenn es nötig ist, fährt er auch noch den Mähdrescher und unterhält sich mit seinen Nachbarn auf Plattdeutsch.
    Gerlind Schaidt

    ID: LIN05069

  • Porträt der Woche: Willi Zylajew (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 19.01.1999

    Als der damals 18jährige Willi Zylajew in der Abendschule ein Referat über die 1968 im Bundestag vertretenen Parteien halten mußte, knüpfte er die ersten Kontakte zur Politik. Und nach intensivem Studium deren Programme entschloß sich der gebürtige Kölner ein Jahr später, der CDU beizutreten. "Die Sozialausschüsse hatten es mir angetan und auch die damaligen ,Visionärs- Politiker' Katzer und Blüm", erinnert sich der heutige mittelrheinische CDA- Bezirksvorsitzende.
    Denn vor allem der soziale Bereich bestimmt den bisherigen beruflichen wie politischen Lebensweg des gelernten Meß- und Regelmechanikers. Nach der Lehre erwarb er an der Abendschule die Fachhochschulreife und hatte das Ziel, Ingenieur zu werden. Doch bereits als Jugendvertreter im DGB-Ortskartell Hürth aktiv, entschied sich der Hürther schließlich für das Studium der Sozialarbeit an der Fachhochschule Köln und wurde Sozialarbeiter.
    Beim Caritasverband des Kreises Köln sprang Willi Zylajew immer dort ein, "wo soziale Schwerpunkte entstanden" — ob bei Asylanten oder Gastarbeitern, bei Jugendlichen oder älteren Menschen. Seit 1986 Leiter der Altenheimverwaltung des Caritasverbandes für den Erftkreis, legt er großen Wert, sich trotz seiner parlamentarischen Tätigkeit noch um diese älteren Mitbürger zu kümmern. "Ich habe mich nicht beurlauben lassen."
    Schon seit 1975 engagiert sich der Christdemokrat in der Kommunalpolitik, als Mitglied des Hürther Stadtrates und seit längerem auch als stellvertretender Bürgermeister. Dem Kreistag des Erftkreises gehört er inzwischen 14 Jahre an.
    1995 in den Landtag gewählt, berief ihn die Fraktion in den Ausschuß für Kinder, Jugend und Familie, den Migrations- und den Sozialausschuß - Tätigkeitsfelder, die dem Hürther "am Herzen liegen".
    So zählt für den Christdemokraten die Förderung der Familien zu den originären Landesaufgaben. "Wir unterstützen aber mit enormen Mitteln vor allem Institutionen, die Familien in der Krise helfen", kritisiert der Abgeordnete. "Die Familien müssen erst zu sozialen Randgruppen werden, wenn sie Hilfe bekommen." Statt dessen fordert er eine stärkere direkte Unterstützung "gesunder Familien", beispielsweise durch offene Jugendeinrichtungen und Familienurlaub mit Bildungscharakter. "Mit Freizeit-Einrichtungen erreichen wir mehr als mit Beratungsstunden." Sehr kritisch beurteilt Willi Zylajew auch die derzeitige Migrationspolitik, die sich für ihn in einer "absoluten Schieflage" befindet. So sollten die Politiker endlich den Mut aufbringen, den ausländischen Mitbürgern zu vermitteln, daß sie selbst einen Beitrag zu Integration leisten müßten. So sollten sie die deutsche Sprache erlernen und die Chance nutzen, Vereinen beizutreten. Als "Migranten-Enkel" — seine Großeltern stammen aus Litauen, "kann ich es etwas deutlicher sagen", meint der Abgeordnete.
    Im Sozialbereich hält es der Hürther für wichtig, daß die Sozialhilfeempfänger möglichst an die Arbeitswelt wieder herangeführt werden. So sei es "schlimm", daß der Staat relativ großzügig Sozialgelder auszahle, diese Mittel aber nicht an die Teilnahme an beruflichen Qualifizierungs- bzw. Trainingsmaßnahmen oder an sozialen Tätigkeiten binde.
    Daß für den Vater von fünf Kindern die Politik "nicht der Mittelpunkt, sondern nur ein Teil meines Lebens ist", beweisen dessen vielfältigen anderen Aktivitäten. So legt er als gelernter Handwerker selbst Hand an im Einfamilienhaus mit Garten. Und er arrangiert internationale Begegnungen in Partnerstädten, wie beispielsweise im polnischen Skawince südlich von Krakau oder im englischen Thetford.
    Jochen Jurettko

    ID: LIN05033

  • Porträt der Woche: Prof. Dr. Manfred Dammeyer (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 21 - 22.12.1998

    Die Karriere Manfred Dammeyers ist nicht immer so zielstrebig und berechenbar verlaufen wie die anderer Politiker. Das mag mit ein Grund für die Verblüffung gewesen sein, die die Wahl des 59jährigen zum Nachfolger Klaus Matthiesens als Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion Anfang November auslöste. Hatte doch wenige Monate zuvor, wie es schien, gerade sein politischer Abstieg begonnen. Wolfgang Clement hatte nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten das Kabinett verkleinert und Dammeyers Ressort, das Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten, das er seit 1995 führte, aufgelöst.
    Prompt sahen manche Kommentatoren Dammeyer nun im neuen Amt schon als "Gegenspieler" zu Clement. Dammeyer reagiert unwirsch auf derlei Unterstellungen. Wenn er damals verärgert gewesen wäre, hätte er doch auch das Amt des Präsidenten des EU-Ausschusses der Regionen hingeschmissen — ein Amt, in das er erst Anfang des Jahres mit überwältigender Mehrheit gewählt wurde und das er auch weiter ausüben will. Und schon hat er das Gespräch auf sein Lieblingsthema gebracht: Europa. In der Kombination seiner neuen Aufgabe im Landtag mit der Brüsseler Funktion sieht er einen besonderen Reiz. Es komme darauf an, die "europäischen Dimensionen" von Landespolitik zu sehen. Als Beispiel führt er einen Richtlinienentwurf der EU an, der die künftige Rechtsform europaweit tätiger Aktiengesellschaften regelt. Dabei gehe es auch um die Frage der Mitbestimmung — "ein nordrheinwestfälisches Thema", sagt er begeistert, das nun auf europäischer Ebene verankert werde.
    Dammeyers europapolitisches Engagement, das ihm in Brüssel viel Ansehen eingetragen hat, könnte man angesichts seines Werdegangs als eine Art Läuterung zum elder statesman sehen. In jüngeren Jahren stand er eher im Ruf eines linken Bürgerschrecks, etwa als Bundessekretär des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Ein Ruf, der ihm auch noch als bildungspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion anhaftete, als er leidenschaftlich für die landesweite Einführung der Gesamtschule eintrat. Auch heute noch weckt das Thema Bildung seine Leidenschaft, und das hat mit seiner Biographie zu tun. Daß er, Sohn eines Hilfsarbeiters aus Ostwestfalen, Abitur machen und studieren konnte, sei ihm "nicht an der Wiege gesungen worden". Gleiche Bildungschancen für alle sind ihm ein Anliegen. Daß eine Untersuchung der OECD jetzt ergab, nur noch 25 Prozent eines Jahrgangs in Deutschland ergriffen ein Studium, zeige, wie sehr die 16 Jahre amtierende konservative Bundesregierung die Bildungschancen breiter Schichten wieder verschlechtert habe.
    Dammeyer studierte Sozial- und Erziehungswissenschaften. Danach zog es ihn nach Oberhausen, wo Hilmar Hoffmann seinerzeit die Volkshochschule leitete. Ein halbes Jahr später übernahm er selbst die Leitung. Auch der Oberhausener Kurzfilmtage wegen wechselte er an die Ruhr. Dammeyer ist begeisterter Cineast, verfaßte viele Filmkritiken und gehört immer noch dem Beirat der Kurzfilmtage an. Kürzlich hielt er einen Vortrag auf der Duisburger Filmwoche.
    Obwohl er längst Politiker im Hauptberuf ist — seit 1975 vertritt er den Wahlkreis Oberhausen II im Landtag und hat diverse Parteiämter inne —, pflegt er etliche Leidenschaften außerhalb der Politik. In Duisburg ist er Honorarprofessor für Politische Wissenschaften. Außerdem übersetzt er schwedische Literatur ins Deutsche. Kürzlich schrieb er ein Buch über den schwedischen Literaturnobelpreisträger Eyvind Johnson, der Anfang der zwanziger Jahre in Oberhausen lebte. Auf die drei Söhne, zwischen 30 und 37 Jahren alt, scheinen indes mehr seine künstlerischen Neigungen und weniger die politischen Ambitionen abgefärbt zu haben: Alle drei sind bildende Künstler geworden — wobei auch die Mutter, von Beruf Kunstlehrerin, den Ausschlag gegeben haben könnte.
    Daß Dammeyer selbst der Politik den Rücken kehrt und sich ganz der Kunst oder der Wissenschaft zuwendet, ist wohl auszuschließen. Dazu ist er, bei aller Intellektualität, zu passioniert und zupackend. Die GRÜNEN, die Klaus Matthiesen zu dessen Abschied spontan ein Ständchen darbrachten ("Viel Glück und viel Segen..."), in der Hoffnung, mit dem Nachfolger leichteres Spiel zu haben, könnten sich zu früh gefreut haben. Er sehe eine seiner Hauptaufgaben darin, sagt Dammeyer, "das Profil der eigenen Gruppierung zu schärfen". Dies allerdings könnte auch an die Adresse der Regierung gerichtet sein.
    Roland Kirbach

    ID: LI982140

  • Porträt der Woche: Frank Sichau (SDP).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 20 - 15.12.1998

    Er ist der einzige Pfarrer unter den 221 Landesparlamentariern — Frank Sichau, SPD-Abgeordneter aus Herne. Das viel Zeit beanspruchende politische Mandat gestattet es dem gebürtigen Wanne-Eickeler aber heute nur noch wenig, seelsorgerisch in seiner evangelischen Kirchengemeinde Baukau tätig zu sein. Der 50jährige nutzt jedoch die Möglichkeiten als Abgeordneter, sich für hilfesuchende Mitbürger weiter zu engagieren. So ist er beispielsweise Vorsitzender der Drogenberatung in Herne.
    Nach dem Abitur und der Ableistung des Wehrdienstes studierte er Evangelische Theologie, wurde Vikar und später Pastor. 1978 wurde er dann als Pfarrer des Kirchenkreises Herne in den Berufsschuldienst berufen. Neben der Erteilung des Religionsunterrichtes übte Frank Sichau auch seelsorgerische Tätigkeiten in der Kirchengemeinde aus.
    Das soziale Programm der SPD, aber auch deren damalige Repräsentanten, wie Willy Brandt und Heinz Kühn, gaben den Ausschlag für seinen Parteieintritt 1968. Nach zahlreichen Aktivitäten bei den Jungsozialisten wurde er 1979 in den Rat der Stadt Herne gewählt. Dort widmete sich der Sozialdemokrat insbesondere dem Bereich Kinder/Jugend/Familie und war von 1991 bis 1994 auch stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender. Nach seiner Wahl in den Landtag 1995 legte er das kommunalpolitische Mandat nieder.
    Kontinuierlich setzt der Herner im Ausschuß für Kinder, Jugend und Familie seine frühere Tätigkeit auf Kommunalebene jetzt auf der Landesebene fort. Zudem gehört er dem Migrationsausschuß und der Strafvollzugs-Kommission des Rechtsausschusses an.
    Der anhaltenden Kritik gegen das neue Kindergarten-Gesetz setzt Frank Sichau entgegen, daß man die Ausgaben-Dynamik aller Träger von Kindertagesstätten habe bremsen müssen. Und es sei erfreulich, daß dies mit deren Einvernehmen durch das neue Gesetz erreicht werde. Handlungsbedarf sah der Sozialdemokrat auch beim Landesjugendplan. Man habe weitere Träger und neue Aufgaben fördern müssen, was angesichts der knappen Finanzmittel nur durch eine Umverteilung der bisherigen Gelder möglich gewesen sei.
    Der Vorsitzende der Strafvollzugskommission des Landtags setzt sich vehement für eine kurzfristige Aufstockung des Personals in den Gefängnissen und für ein Sofort-Bauprogramm zur Erweiterung von vier bis fünf bestehenden Haftanstalten ein. Außerdem sollten zur Entlastung der Strafvollzugsbediensteten und der teils überbelegten Anstalten die Alternativ-Sanktionen, wie gemeinnützige Arbeit und der Täter-Opfer-Ausgleich, von den Gerichten stärker genutzt werden. Der Abgeordnete befürwortet in diesem Zusammenhang auch Überlegungen, Delikte künftig teilweise mit Fahrverboten zu ahnden. "Diese Einschränkung der Mobilität tut weh."
    Frank Sichau stammt aus einer Region, dem nördlichen Ruhrgebiet, mit einer "Emigrationsgeschichte". Zuerst seien die Westpreußen gekommen, dann die Koreaner und zuletzt die Türken. Wichtig sei, die ausländische Wohnbevölkerung zu integrieren. "Das beginnt bei der Sprachförderung und endet bei der Berufsförderung der Jugendlichen." Der Sozialdemokrat begrüßt die von der Bonner Koalition geplante Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft, die für ihn eine Angleichung an europäisches Recht sei. Auch erwartet er von ihr, daß diese Kinder und Jugendlichen aus der dritten Einwanderergeneration dann eher den fundamentalistischen und radikalen Strömungen widerstehen können. Der Vater von zwei Söhnen ist mit der Region fest verwurzelt. So ist er auch Vorsitzender der Gesellschaft für Heimatkunde in Wanne-Eickel. Und mit Schwimmen und Tennisspielen versucht er sich fit zu halten — "was jedoch immer spärlicher wird".
    Jochen Jurettko
    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)

    ID: LI982032

  • Porträt der Woche: Hans Martin Schlebusch (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 19 - 08.12.1998

    Kommunalpolitik zwischen BÜNDNIS 901 DIE GRÜNEN und CDU ist bestimmendes Element für den Landtagsabgeordneten Hans-Martin Schlebusch. Als Mitglied im Rat der Stadt Mülheim hat er die Ablösung der sozialdemokratischen Oberbürgermeisterin Eleonore Güllenstern durch den CDU-Oberbürgermeister Hans-Georg Specht 1994 mit vollzogen.
    Gegenüber langjährig verhärteten Machtpositionen der SPD im Ruhrgebiet hält Schlebusch es für die CDU geboten, auf die "Grüne Karte" zu setzen. "Wenn die CDU die sozialdemokratischen Mehrheiten im Ruhrgebiet brechen will, kann sie dies nur mit den GRÜNEN. Wir dürfen unsere Identität als Partei aber nicht in diesem Bündnis aufgeben, sondern müssen immer wieder im Dialog gegenüber den GRÜNEN und der Öffentlichkeit unsere unterschiedlichen Positionen deutlich machen."
    Als Wink des Schicksals betrachtet es Schlebusch, daß er am 16. Dezember 1997 für Karl Meulenbergh in den Landtag nachgerückt ist. Dieser war zum hauptamtlichen Landrat im Kreis Aachen mit den Stimmen der CDU und der GRÜNEN gewählt worden.
    Schlebusch hat sich im Rat der Stadt Mülheim seit 1979 insbesondere für Probleme der Schul- und Weiterbildungspolitik eingesetzt. "Bereits 1984 gehörte Ich dem Arbeitskreis zur Verminderung der Jugendarbeitslosigkeit an, den der ehemalige Europaabgeordnete Dr. Otmar Franz ins Leben gerufen hat." Hier wurde versucht, durch konkrete Hilfe im Einzelfall in Abstimmung zwischen Arbeitsamt und Unternehmen Jugendliche zu qualifizieren und im ersten Arbeitsmarkt unterzubringen. Neuerdings setzt sich Schlebusch in seinem Stadtteil Speidorf dafür ein, daß gesunde arbeitslose Sozialhilfeempfänger gemeinnützige Arbeiten verrichten, z. B. bei der Grünflächenpflege.
    "In meiner beruflichen Laufbahn habe ich Ergänzungsschulen, Ersatzschulen und öffentliche Schulen durchlaufen und bin ein Fan der Privatschulen geworden." Diese Schulen tragen wesentlich zur Vielfalt des Schulwesens in NRW bei, und es gelingt ihnen, die Problematik der Gebäudeunterhaltung zu lösen. "Die Schüler fühlen sich in den Mauern der Privatschulen wohl."
    Der alles beherrschende Ausbau nur von Gesamtschulen sei schlecht, so Schlebusch. Neu nachgedacht werden sollte angesichts der Qualitätsuntersuchung des Max-Planck- Instituts über "Sonderschulen für Begabte". "Wir müssen die Realschulen stärker fördern."
    In seinem beruflichen Weg ist Schlebusch für diese Arbeitsgebiete besonders geprägt worden. Nach dem Wehrdienst studierte er 1968 bis 1972 Wirtschaftswissenschaften und Mathematik an der Universität Bochum. Er legte das Examen als Diplom-Ökonom ab und arbeitete zunächst zwei Jahre als Revisionsassistent bei der Deutschen Unilever GmbH in Hamburg. Im Februar 1975 wurde er Lehrer, später stellvertretender Schulleiter und Schulleiter an der privaten Fachschule für Wirtschaft in Duisburg und der Wirtschaftsfachschule Bahr. Seit März 1983 ist er Studienrat an der Hans-Böckler-Schule in Oberhausen.
    Schlebusch ist Mitglied im Ausschuß für Wissenschaft und Forschung des Landtags, dazu stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Schule und Weiterbildung. Zunehmend überträgt Ihm seine Partei auch in der Öffentlichkeit Aufgaben in der Diskussion um Qualifikation und Ausbildung von Jugendlichen. Er ist aber auch Mitglied im Petitionsausschuß, wo es seiner Ansicht nach darum geht, für die Bürger erlebbar werden zu lassen, "daß sich für den Bürger etwas getan hat".
    Mitglied der CDU ist Schlebusch 1972 geworden. Er war Vorsitzender der Jungen Union in Mülheim und ist seit 1978 Vorsitzender des Ortsverbandes Mülheim-Speldorf. Ungewöhnlich ist, daß der Berufsschullehrer seit 1990 auch Vorsitzender der CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung in seinem Kreisverband geworden ist und deren Landesvorstand angehört. Ein "sehr politisches Elternhaus" ist nach Ansicht des CDU-Landtagsabgeordneten bestimmend für sein Engagement gewesen. "Meine Mutter war ehrenamtlich für UNICEF tätig, mein Vater 13 Jahre lang Vorsitzender eines Sportvereins in Übach-Palenberg." Aber auch der Bruder war in Aachen in der Hochschulpolitik tätig, seine Schwester Mitglied des Studentenparlaments. Doch daß Schlebusch Mitglied in der "Mausefalle" ist, einem Verein zur Pflege der Mülheimer Mundart, war damit sicher nicht vorbestimmt. Privat fährt er gern Fahrrad oder spielt mit seinem 14-jährigen Sohn und der zwölfjährigen Tochter Tennis.
    An den Wänden seines kleinen Abgeordnetenbüros unter dem Dach des Landtags hängen nicht nur Bilder aus seiner Heimatstadt, sondern auch ein Stadtplan mit kleinen Fotos von den Stationen einer Informationstour durch 15 Mülheimer Unternehmen. Die Notwendigkeit des Interesses an den kleineren Wirtschaftseinheiten spiegelt sich für ihn auch in der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses zur kostspieligen Förderung des "Hollywood"-Projekts HDO in Oberhausen wider. "Im Prinzip haben wir genug Geld, es müßte nur in kleinen Einheiten und transparent eingesetzt werden. Mit noch mehr Bürokratie ist ein Strukturwandel nicht zu schaffen."
    Peter Weigert

    ID: LI981962

  • Porträt der Woche: Bernhard Schemmer (CDU).
    Porträt
    S. 31 in Ausgabe 18 - 24.11.1998

    Bernhard Schemmer gehört zu den Übriggebliebenen, die im Landtagskasino bewußt die Raucherzone ansteuern. Und die kein schlechtes Gewissen haben, wenn nach dem Platznehmen die erste Bewegung dem Griff nach der Zigarillo- Schachtel gilt. Es ist ein warmer Tag, das Jackett hängt über der Stuhllehne. Die Unterhaltung beginnt schnörkellos. Der erste Eindruck bleibt auch später bestehen: Schemmer ist ein handfester Typ. Es ist gut vorstellbar, daß aus seinem Jugendwunsch, Bauer zu werden, etwas Richtiges geworden wäre. Wenn da nicht auch die beachtlichen Schulleistungen in Mathematik und das Streben nach Höherem, dem Ingenieurwesen, gewesen wäre. Schemmer ist Münsterländer.
    Dort, wo er groß geworden ist, mit sieben Geschwistern auf einem kleinen landwirtschaftlichen Hol, mußten die Kinder mit anpacken. Alle acht Schemmer-Sprößlinge schafften mindestens mittlere Reife. Für den Abgeordneten aus Reken im Kreis Borken ist dies auch ein Beweis dafür, daß es im Leben aufs Können und aufs Wollen ankommt. Natürlich gab es im Elternhaus Autorität, vor allem des Vaters, aber als sonderlich störend, gar behindernd habe man diese nicht empfunden. So ein Schollenverbundener wie Bernhard Schemmer denkt auch an die Studienphase im weltstädtischen Hamburg nicht sehnsüchtig zurück. Nach einer Lernzeit als Vermessungstechniker ging er als 18iähriger in der Metropole zur Ingenieurschule. Immerhin: er suchte sich Hamburg und nicht Oldenburg aus, was damals auch möglich gewesen wäre. Aus der Berufsschule in Münster gingen fünf Münsterländer mit nach Hamburg. Als Lebenserfahrung sei das ganz nett gewesen, auch sei er später hin und wieder noch einmal dort gewesen, berichtet Schemmer, indes:.Wenn man verheiratet ist, Kinder hat, da gefällt mir Reken doch besser als Wohnort." Mit 21 Jahren war der junge Mann Diplom-Ingenieur. Sofort machte er wieder Nägel mit Köpfen. Er heiratete — "freiwillig", wie er schmunzelnd hinzufügt. Es folgen weitere dreieinhalb Studienjahre an der TU Hannover, später dann eine gut zweijährige Referendarzeit mit dem Ziel: Vermessungs- und Liegenschaftsassessor.
    Mit 28 Jahren läßt er sich als öffentlich bestallter Vermessungsingenieur in Borken nieder. Stolz liegt in der Stimme, wenn der hochgewachsene Mann von den 20 Mitarbeitern in der Firma erzählt, die ihm zusammen mit einem Partner gehört. Das Personal sei ausschließlich selbst ausgebildet. Der Mann überläßt offensichtlich nicht gerne etwas dem Zufall. Wäre der Slogan nicht vergeben, er könnte Schemmers sein: Auf diese Steine können sie bauen. Klar, daß der selbständige Ingenieur das bekannte Klagelied von zu wenig Selbständigen in den Parlamenten, also auch im Landtag zu Düsseldorf, anstimmt.
    Vor zehn Jahren wäre es auch ihm nicht möglich gewesen, alles unter einen Hut zu bringen: Kommunales Mandat im Stadtrat von Reken, Fraktionsvorsitz, Arbeit im Landtag, Betrieb. Es sei schwierig, das ganze zu koordinieren, aber er würde es noch mal genauso machen. Die bisherigen drei Jahre im NRW-Parlament betrachtet Schemmer etwas vage als interessante Lebenserfahrung. Politik mache er mit Passion, vor allem die Kommunalpolitik ist sein politisches Standbein. Der 1950 geborene Mann trat 1976 in die CDU ein, da war Helmut Kohl schon drei Jahre Bundesvorsitzender. Lange Amtszeiten, wie die von Kohl, bedeuten nach Schemmers Einschätzung nichts Negatives. Er spricht von Kohl und Johannes Rau. Wenn er sehe, wie Rau in den letzten Jahren das Politik-Management aus der Hand gegeben habe, und wenn er dies mit Kohls Einflußnahme vergleiche, dann sehe man doch deutlich, wie Letzterer noch ins Geschehen eingegriffen habe. Schemmer denkt bürgerlich-konservativ, und das auch schon als Jüngerer.
    Das Politische hat ihn gepackt während der 68er Bewegung an den Hochschulen. "Alles nur durch eine rote Brille zu sehen, das hat mir gestunken." Obwohl er als Student nicht für das Konservieren des Verstaubten gewesen sei, habe er sich doch als Vertreter der Anti-68er an der Hochschule gefühlt und der schweigenden Mehrheit zur Sprache mit verholten. Da kommt wieder der praktisch Denkende zum Vorschein: Unzufrieden zu sein mit bestimmten Verhältnissen, hier speziell der scheinbar roten Uni-Übermacht, sei am ehesten geeignet, aktiv zu werden, etwas dagegen zu tun. Sind seine drei Kinder heute unzufrieden mit den bestehenden politischen Verhältnissen im bürgerlichen Haus Schemmer? "Ich bin sicher, daß die CDU wählen."
    In der Politik, ob daheim in Reken oder im Landtag, interessiert sich der Volksvertreter besonders für Wohnungs-/Städtebau und Verkehrsproblem-Lösungen. Der Mann vom Land weiß, warum die Verkehrspolitik so wichtig ist. "Immer noch gibt es viele Ortschaften, wo eine vernünftige Umgehung nicht vorhanden ist Was wir da manchen Bewohnern an täglichen Belästigungen zumuten..." Ob sich jemand wie Schemmer je vorzustellen vermochte, in einer anderen Partei aktiv zu werden? Nein, an der FDP störe ihn die vermeintliche Liberalität, die jetzt mit dem Namen Leutheusser-Schnarrenberger verbunden sei. Außerdem ist ihm die FDP für seinen Geschmack zu sehr mit der großen Wirtschaft verbunden. Schemmer fühlt sich dem Mittelstand besonders nah. An Clements Regierungserklärung könnte er vieles gegenzeichnen, aber: "Ich trage mich, wo der Mann in den vergangenen Jahren war, der gehört doch dem Laden schon lange an."
    Clements Regierungserklärung habe teilweise so geklungen, als sei der neue Regierungschef von außen dazugestoßen. Als Wirtschaftsminister habe er gewiß etwas Positives bewirkt im Bereich Medienansiedlung. Aber das NRW-Kartell der Großbetriebe, Stadtverwaltungen und Gewerkschaftsfunktionäre, welches gesunde Entwicklungen in vielen Ballungszentren verhindert habe, sei bei Clement nicht auf Widerstand gestoßen. Im Kreis Borken habe man dagegen zeitig auf Umstrukturierung und Mittelstand gesetzt. In 25 Jahren sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 25 Prozent gestiegen. Zum Schluß gibt der Raucher Schemmer noch ein anderes "Laster" preis: "Ich mache noch etwas ganz Schlimmes, ich gehe zur Jagd. Aber ich habe damit überhaupt keine Probleme."
    Reinhold Michels

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen)

    ID: LI981883

  • Porträt der Woche: Heinz Wirtz (SPD).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 17 - 10.11.1998

    Das Elternhaus hat Heinz Wirtz stark geprägt. Sein Vater war Gewerkschaftssekretär, später Bevollmächtigter der IG Metall in Bochum und 15 Jahre lang bis 1985 SPD-Landtagsabgeordneter. So trat der gebürtige Wattenscheider, Jahrgang 1943, als städtischer Verwaltungslehrling bereits mit 16 Jahren der ÖTV bei und engagierte sich gleich gewerkschaftlich, baute eine Jugendgruppe bei der Stadtverwaltung auf. Und nach Absolvierung der Bundeswehr schloß er sich den Sozialdemokraten an.
    Seit 1990 führt Heinz Wirtz den Stadtbezirk Bochum-Wattenscheid seiner Partei und wurde bei den letzten beiden Wahlen gegen jeweils nur eine Stimme von den Delegierten in seiner Funktion bestätigt, worauf er besonders stolz ist. Auch gehört er seit mehreren Jahren dem SPD-Unterbezirksvorstand Bochum an und engagiert sich besonders in der Öffentlichkeitsarbeit.
    Nach Absolvierung der Ausbildung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst am Dortmunder Studieninstitut für kommunale Verwaltung wurde der Diplom-Verwaltungswirt später Leiter der Bezirksverwaltung Bochum-Wattenscheid mit ihren rund hundert Mitarbeitern und pflegte den Kontakt zu den örtlichen Kommunalpolitikern. Für das heutige Mitglied des Landtagsausschusses für Kommunalpolitik sind diese damaligen beruflichen Erfahrungen besonders hilfreich.
    Seit 1990 als im Wahlkreis 126 (Bochum III) zweimal direkt gewählter Abgeordneter im Düsseldorfer Landesparlament macht sich der Sozialdemokrat für eine hinreichende Finanzausstattung der Kommunen stark. Dazu zählt nach seinen Worten auch deren wirtschaftliche Betätigung. "Die Gemeindeordnung muß in diesem Bereich ein Stück freier gestaltet werden". Abgesehen von der örtlichen Begrenzungsklausel dürften die Kommunen derzeit nur dann wirtschaftlich tätig werden, wenn ein "dringender öffentlicher Bedarf" bestehe, kritisiert der Abgeordnete. Das sei eine zu enge Begrenzung.
    So fürchtet Heinz Wirtz, daß angesichts der Liberalisierung des Strommarktes die Städte in "arge Bedrängnis" kommen werden, falls es bei den Beschränkungen in der Gemeindeordnung bleibe. Natürlich dürfe es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten privater Anbieter kommen. Für dringend erforderlich hält das Mitglied des kommunalpolitischen Ausschusses auch eine Neuverteilung des gesamten Steueraufkommens zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
    Als Mitglied des Verkehrsausschusses des Landtages drängt der SPD-Abgeordnete nach mehr Mitteln im Landeshaushalt vor allem für die Erhaltung der Landesstraßen. Nicht vernachlässigt dürfe aber auch der Bau zusätzlicher Ortsumgehungen. Nach seinen Worten liegt ihm besonders am Herzen, daß die Bundesstraßen im mittleren Ruhrgebiet verbessert und komplementiert werden. Konkret fordert der SPD-Abgeordnete auch die Erweiterung der A 40 zwischen Bochum und Essen, die Beseitigung des Nadelöhrs Essen- Frillendorf (A 52) und die Fortführung des Emscher-Schnellweges. In Partei und Gewerkschaft fest verwurzelt und als Abgeordneter parlamentarisch engagiert, entspannt sich der Sozialdemokrat bei einem Abenteuer- oder Kriminalroman. Auch die Musik der fünfziger Jahre — Erinnerung an die Jugendzeit — ist eine willkommene Abwechslung.
    Jochen Jurettko

    ID: LI981775

  • Porträt der Woche: Gerd-Peter Wolf (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 27.10.1998

    Einen "Tiefwurzler" nennt sich Gerd-Peter Wolf. Stolz bekennt sich der 46jährige dazu, seine Heimat Altenessen im Essener Norden noch nie in seinem Leben länger verlassen zu haben. Hier ist er geboren, zur Schule gegangen, und hier hat er seiner Familie vor einigen Jahren ein Häuschen gebaut. Auch seine Ausbildung zum Diplomverwaltungswirt und seinen Wehrdienst absolvierte er in Essen.
    Die Familie seiner Mutter ist seit Jahrhunderten in Altenessen ansässig. Sein Urgroßvater, der Schmidt hieß, hatte 17 Kinder und pflegte abends über die Straße zu rufen: "Alles, was Schmidt heißt, reinkommen!" Wolfs Vater, ein Mecklenburger, kam nach dem Krieg als Zirkusreiter auf der Durchreise vorbei und blieb in Altenessen hängen. "Auf Zeche" fand er Arbeit.
    Vergangene Zeiten: Die drei Altenessener Schachtanlagen sind längst geschlossen. Wie der Stadtteil zu neuem Leben erweckt werden kann und neue Arbeitsplätze geschaffen werden können — das habe ihn sein "ganzes politisches Leben" hindurch beschäftigt und geprägt, sagt Wolf. Schon 1972 als Juso wirkte er am ersten Programm zur Sanierung Altenessens mit. Seit 1985 vertritt er den Stadtteil für die SPD im Landtag. Mit stolzen 74,8 Prozent der Wählerstimmen zog er damals ins Parlament. Und selbst bei der letzten Wahl 1995, als die SPD nach 15 Jahren ihre absolute Mehrheit im Land einbüßte, brachte es Wolf immer noch auf 65,4 Prozent.
    Gerd-Peter Wolf ist nicht so vermessen, solche Ergebnisse allein den eigenen Verdiensten zuzuschreiben. Trotz Zechensterben und Strukturwandel sei Altenessen eben nach wie vor ein Stadtteil mit einem hohen Anteil von Arbeitern, und die wählten nun mal traditionell SPD. Allerdings sei es auch nicht mehr so, wie ein boshafter Spruch sagt, daß man in Wahlkreisen wie seinem selbst "einen Besenstiel aufstellen und rot anmalen" könne und er würde gewählt. Dazu habe sich die Struktur in seinem Wahlkreis schon zu sehr geändert — glücklicherweise, fügt er hinzu. Etliche Handwerker und Kleingewerbler hätten sich inzwischen auf Brachflächen niedergelassen, Mittelstandsfamilien hier ihre Eigenheime gebaut.
    Daß auch diese neuen gesellschaftlichen Gruppen sich mit Wolf identifizieren können, liegt gewiß mit daran, daß er alles andere als ein linker Bürgerschreck ist. Er bekennt sich dazu, ein "Kanalarbeiter" zu sein, wie sich die konservativen Sozialdemokraten nennen. Seit jeher sei für ihn weniger Willy Brandt als Helmut Schmidt ein Vorbild gewesen.
    "Ich war immer schon konservativ, auch als Juso", sagt er, der 1969 der SPD beitrat. Als es in der Partei zum guten Ton gehörte, den Wehrdienst zu verweigern, verpflichtete sich Wolf 1972 nach seiner Ausbildung zum Diplomverwaltungswirt für zwei Jahre bei der Bundeswehr. Für die Kernkraft trat Wolf ebenso ein wie für den Nato-Doppelbeschluß. Er grinst: "Die Jusos waren froh, als ich 35 wurde — und so dem Juso-Alter entwachsen war.
    Mit den Grünen hatte er lange Zeit "nichts am Hut". Er könne sich auch eine Zusammenarbeit mit der CDU vorstellen, wenigstens mit einigen ihrer Politiker, räumt er ein. Wegen der "strategischen Bedeutung" für den Machtwechsel in Bonn sei er 1995 dennoch für eine rot-grüne und gegen eine große Koalition auf Landesebene eingetreten.
    Mittlerweile empfindet er fast so etwas wie Sympathie für den Koalitionspartner, zumindest wenn er so gesittet daherkommt wie Michael Vesper, der grüne Bauminister, mit dem er aufgrund seines Fachgebiets häufig zu tun habe und "toll" zusammenarbeite. Wolf gehört dem Verkehrsausschuß sowie dem Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen an; außerdem ist er seit einiger Zeit baupolitischer Sprecher seiner Fraktion — alles zum Wohle von Altenessen, einem der letzten großen Sanierungsgebiete im Revier, als dessen erster Lobbyist Wolf sich versteht.
    Das macht für ihn den Sinn von Politik aus: "dicke Bretter bohren" und "penetrant erfolgreich sein" — im Gegensatz zu den Ideologen und Visionären, gerade auch in seiner Partei, die meist nur "elegant erfolglos" blieben. Die Landespolitik ist nach Wolfs Meinung die ideale Bühne, nach diesem Verständnis Politik zu machen: Einflußreich genug, um mitentscheiden zu können, aber noch nicht zu weit weg von den Menschen, den Adressaten der Entscheidungen. Ein Bundestagsabgeordneter könne nie so konkret handeln, daß er die Auswirkungen in seinem Wahlkreis sehe — er dagegen schon, sagt Wolf und ist deshalb davon überzeugt: "Ein guter Landespolitiker wird nie ein Bundespolitiker".
    Roland Kirbach

    ID: LI981644

  • Porträt der Woche: Ina Meise-Laukamp (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 15 - 29.09.1998

    Sie sind zu dritt, und sie sitzen gemeinsam auf einem Flurabschnitt im Landtag: Die drei sozialdemokratischen Abgeordneten aus Lippe. Eine von ihnen, die einzige Frau, ist Ina Meise-Laukamp. "Lieber im Kleinen etwas tun, als im Großen darüber reden", dieser Satz von Willy Brandt ist ihr politisches Motto. Daß man durch "persönlichen Einsatz im politischen Bereich etwas bewirken kann", diese Erfahrung hat die Lipperin schon als Jugendliche gemacht. Mit 15 setzte sie gemeinsam mit den Jusos die Errichtung eines Jugendraums in ihrer Heimatstadt Lemgo durch — und das war auch gleichzeitig die Weichenstellung für ihren politischen Werdegang. Obwohl sie nicht aus einer "urtypisch sozialdemokratischen" Familie kommt, trat Ina Meise-Laukamp sofort nach ihrem 16. Geburtstag in die SPD ein, wurde noch im gleichen Jahr Juso-Vorsitzende in Lemgo und kann jetzt nach 25 Jahren, wie sie selber sagt "Silberhochzeit mit meiner Partei" feiern.
    Ina Meise-Laukamp hat in Lemgo, wo sie auch heute noch lebt, die Realschule besucht und mit der mittleren Reife abgeschlossen. Ihren ursprünglichen Berufswunsch — Heilpädagogin — konnte sie nicht verwirklichen, alle Fachschulen waren damals überfüllt, sie bekam keinen Ausbildungsplatz. Ihr Soziales Jahr in der Stiftung Eben-Ezer, das sie angetreten hatte, um die nötigen Voraussetzungen für ihre geplante Ausbildung mitzubringen, hat sie trotzdem nicht bereut. Die Pflege schwerstbehinderter Kinder war für sie eine Erfahrung, die sie nicht missen möchte. Schließlich absolvierte Ina Meise-Laukamp eine Lehre bei der Stadt Lemgo und arbeitete dort als Verwaltungsfachangestellte.
    Nach der Geburt ihres ersten Kindes legte sie erst einmal eine Babypause ein. Danach holte der Lemgoer Landtagsabgeordnete Reinhard Wilmbusse die damals 22jährige als parlamentarische Mitarbeiterin in sein Wahlkreisbüro. Als Wilmbusse 1994 Bürgermeister von Lemgo wurde und sein Landtagsmandat abgab, kam für Ina Meise-Laukamp der Sprung nach Düsseldorf: Nach der Wahl im Mai 1995 trat sie als Abgeordnete in die Fußstapfen von Wilmbusse. Sie ist die Abgeordnete mit der "längsten Ausbildungszeit, 14 Jahre lang hat sie für Wilmbusse gearbeitet. Geplant hat sie ihre politische Karriere als Parlamentarierin nicht, "es hat sich so ergeben".
    Bei ihrer Arbeit im Landtag liegt ihr vor allem der Sozialausschuß am Herzen. Ina Meise-Laukamp befaßt sich intensiv mit der Seniorenpolitik. Ihr zweites Steckenpferd ist die Kurorte-Problematik im Land. "Das ist ein harter Brocken", so die Lipperin, denn "wir können nicht alle Probleme lösen, die Strukturkrise wurde von Bonn verursacht." Seit eineinhalb Jahren ist Ina Meise-Laukamp ständig auf Achse, besucht die Kurorte in Nordrhein-Westfalen und versucht, sich ein Bild von der Lage zu machen. Ihr Mann und ihre zwei Kinder unterstützen ihr politisches Engagement, "anders ginge das auch gar nicht". Während der Plenarwochen bleibt Ina Meise-Laukamp von Dienstag bis Freitag in Düsseldorf, die Heimfahrt nach Lemgo wäre zu langwierig und zeitraubend. "Ich fahre auf Montage", sagt sie zu ihren Kindern, wenn sie nach Düsseldorf aufbricht. Auch wenn Tochter (18) und Sohn (14) mächtig stolz sind auf ihre Mutter, manchmal "kommt etwas Frust auf, weil Ich so oft weg bin". Wenn Ina Meise-Laukamp nicht "on tour" ist, dann arbeitet sie in ihrem Wahlkreisbüro am Lemgoer Marktplatz. Einzelnen Bürgern helfen, vor Ort etwas erreichen, das macht ihr besonders großen Spaß.
    Die erste SPD-Frau aus Lippe im Düsseldorfer Landtag arbeitet besonders gut unter Druck und auch gerne im Team. Allerdings: "Bei Sturheit, Intoleranz und Uneinsichtigkeit, da platzt mir auch schon mal der Kragen."
    In ihrer Freizeit reitet die 41 jährige am liebsten — und das schon seit über 30 Jahren. Ein eigenes Pferd hat sie nicht, dafür aber das Glück, daß ihr Nachbar zwei besitzt und ihr gerne eins für ihre Ausritte zur Verfügung stellt. Zu einem guten Essen sagt Ina Meise-Laukamp nicht nein, vor allem wenn etwas aus der indischen Küche auf den Tisch kommt: "Das ist so schön scharf."
    Ulrike Coqui

    ID: LI981558

  • Porträt der Woche: Hubert Schulte (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 14 - 15.09.1998

    Mit der Oppositionsrolle im Landtag mag sich der Sauerländer Hubert Schulte nicht so recht anfreunden. "Es ist viel schöner in einer Regierungspartei", weiß der CDU-Abgeordnete aus eigener kommunalpolitischer Erfahrung. Im Mendener Rat hat Schulte einiges mitgemacht: Von 1984 bis 1994 die absolute Mehrheit der CDU, seither ist die Union vor Ort auf die Hilfe einer Unabhängigen Wählergemeinschaft angewiesen. Nur im Düsseldorfer Landtag, da will es mit der Rückkehr der Christdemokraten an die Macht einfach nicht klappen...
    Schon früh fand der gelernte Elektriker über Gewerkschaftsjugend und Betriebsratsarbeit zur Politik. Zunächst in der Jungen Union, seit 1968 engagierte sich Hubert Schulte in der CDU. Im Jahr 1970 legte der damals 25jährige alle politischen Ämter nieder: nach der Geburt der Tochter wollte sich der Sauerländer mehr um die eigene Familie kümmern. "Ich habe wegen der Familie von 1970 bis 1982 ganz bewußt keine Politik gemacht und dies auch im nachhinein nicht bereut", sagt Schulte. Seit 34 Jahren ist der heute 53jährige verheiratet. Halbe Sachen lehnt der gebürtige Hönnetaler ab — ganz Sauerländer eben.
    1984 wurde der CDU-Politiker Mitglied im Rat der Stadt Menden, seit 1987 ist Hubert Schulte stellvertretender Fraktionsvorsitzender und seit 1992 Stadtverbandsvorsitzender der CDU Menden. Mit 45,1 Prozent der Stimmen wurde Schulte 1995 direkt in den Düsseldorfer Landtag gewählt. Dort zog es den engagierten Elektromeister gleich in den Wirtschaftsausschuß. Privatisierung, Förderung des Mittelstandes, Eigeninitiative und das Zurückdrängen der öffentlichen Hand, das sind die Hauptanliegen, die den CDU-Politiker umtreiben. Im Landtag sitzen dem Handwerker zu viele Mitglieder aus dem öffentlichen Dienst, vor allem zu viele Lehrer. Die könnten sich von Vater Staat einfach für eine Zeit freistellen lassen für die politische Arbeit, beklagt Schulte deren Privilegien. "In der Wirtschaft ist die Kombination von Beruf und Politik deutlich schwieriger."
    Nach den ersten drei Jahren im Landtag bedauert Schulte, daß der Kontakt zu den anderen Fraktionen auch in den Fachausschüssen relativ gering bleibt. Trotzdem könne man auch aus der Opposition heraus kommunale Interessen vertreten und häufig Türen öffnen. Zwar ist die hervorragende Zusammenarbeit mit den Abgeordneten der angrenzenden Wahlkreise der Arbeit für die Region nützlich. Allerdings kann sich auch Schulte vorstellen, daß die Sauerland- Abgeordneten genauso wie Münsterländer, Revierabgeordnete und Ostwestfalen die Vertretung ihrer gemeinsamen Ziele noch kraftvoller gestalten. Schließlich sei das Sauerland mehr als grüne Lunge und Reservat für das Ruhrgebiet, warnt Schulte.
    Grundsätzlich sieht der CDU-Politiker die Anmeldung von FFH-Gebieten (Flora-Fauna-Habitat) im Sauerland positiv. Die FFH-Richtlinie dürfe aber nicht dazu mißbraucht werden, ganze Landstriche von Infrastrukturmaßnahmen auszuschließen und neue Gewerbegebiete zu verhindern. In jedem Einzel fall müsse es eine Abstimmung mit Kreis und Kommune geben. Sorgen bereitet Schulte die Entwicklung des Tourismus im Sauerland. "Dem Tourismus wird in den Gemeinden nicht die nötige Bedeutung beigemessen." Die Verkehrsvereine in Menden, Balve, Hemer und Neuenrade gehen jetzt neue Wege und werben gemeinsam auf Touristik-Messen für die Schönheit der heimischen Natur.

    Die hat es auch dem leidenschaftlichen Mineraliensammler Schulte angetan. Zwar findet der sympathische Abgeordnete heute keine Zeit mehr, die Steinbrüche mit Hammer und Meißel nach Mineralien abzuklopfen. "Das Sauerland ist aber eines der ergiebigsten Mineraliengebiete in Deutschland", weiß der bodenständige Mendener. Hier ist er früher tagelang auf der Suche nach seltenen Stücken herumgewandert. "Wenn man etwas erreichen will, dann muß man es auch richtig machen." Steine suchen kostet Zeit, die aber ist knapp. Vielleicht packt Hubert Schulte Hammer und Meißel später einmal wieder aus. Im Augenblick aber konzentriert sich der Sauerländer voll auf die Politik. Wie sagte der Christdemokrat noch am Anfang: "Ich gebe mich mit der Oppositionsrolle nicht zufrieden."
    Wilfried Goebels

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)

    ID: LI981451

  • Porträt der Woche: Rolf Seel (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 13 - 08.09.1998

    Als Zwanzigjähriger "nimmt man den Mund oft voll", und meint, vieles besser machen zu können, resümiert Rolf Seel. Doch reden könne jeder, man müsse auch selbst anpacken, meinte damals der gebürtige Kreuzauer und trat 1975 in die CDU ein. Noch im selben Jahr schickte die Partei das Neu- Mitglied als sogenannten sachkundigen Bürger in den Sozialausschuß des Gemeinderates seines Heimatortes. Vier Jahre später wurde er in das Kommunalparlament gewählt, wo der Christdemokrat seitdem in verschiedenen Funktionen sich für die gemeindlichen Belange engagierte — als stellvertretender Bürgermeister und seit 1992 als Fraktionsvorsitzender.
    Auch der berufliche Werdegang von Rolf Seel wurde vom Kommunalen bestimmt. Nach Besuch der Real- und der Höheren Handelsschule absolvierte er die Inspektoren-Ausbildung bei der Stadt Düren. Als späterer Sportreferent gab er den 115 (!) Sportvereinen mit ihren 31000 Mitgliedern viele Impulse. Aber auch der Kulturbereich lag dem früheren Rhythmus-Gitarristen in einer Bigband am Herzen. Nach seiner Wahl in den Landtag 1995 wurde er entsprechend der gesetzlichen Regelung für die Zeit seiner Abgeordnetentätigkeit als Beamter beurlaubt. D
    er Christdemokrat holte im übrigen den Wahlkreis 8 Düren II nach zehn Jahren wieder für seine Partei zurück. Die Fraktion berief den Kreuzauer in seinen " Wunschausschuß", den Sportausschuß, wo er allerdings schnell mit den finanziellen Realitäten konfrontiert wurde.
    "Es fehlt das Geld, um sinnvolle Aktivitäten als Abgeordneter auf den Weg zu bringen." Sorgen bereiten ihm insbesondere die im Rahmen des "Goldenen Plans" in den sechziger Jahren errichteten Sportanlagen. Sie müßten heute dringend saniert und modernisiert werden. Auch plädiert er für eine finanziell bessere Entschädigung der Übungsleiter. Was ehrenamtlich geleistet werde, entlaste schließlich den Staat. Im übrigen ist der Abgeordnete auch Kreisvorsitzender der Deutschen Olympischen Gesellschaft.
    Im Ausschuß für Haushaltskontrolle, dem Rolf Seel auch angehört, gebe es zwar keine öffentlichen "Highlights", aber eine Menge Arbeit. Als besondere Probleme nennt er die vielen Förderprogramme des Landes und den daraus resultierenden großen Behördenapparat. Sie alle müßten auf ihre Effektivität hin dringend überprüft werden.
    In der vergangenen Woche ist Rolf Seel zum neuen Vorsitzenden des Ausschusses für Haushaltskontrolle gewählt worden.
    Als Mitglied des Ausschusses für Verwaltungsstrukturreform tritt der Christdemokrat ebenfalls für eine radikale Reform der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen ein. Leider habe die frühere Rau-Regierung dem Parlamentsgremium "Manschetten" angelegt. Nach der jüngsten Kabinettsverkleinerung hofft aber Rolf Seel, daß die Reform auch bei den Mittelbehörden fortgesetzt werde. Der Bürger sehe sich von einer Unzahl von Ebenen politisch und administrativ "betreut", die kostspielig und ineffizient seien.
    Der Kreuzauer, der sich selbst als "geselliger Mensch" charakterisiert, betrieb denn auch in seiner Freizeit viele Jahre Mannschaftssport — Fußball. Inzwischen hat der 45jährige wegen der Belastungen als Ratsmitglied und Landtagsabgeordneter schweren Herzens auf das runde Leder verzichtet. Heute joggt der Vater von zwei Söhnen regelmäßig durch die heimatliche Region — fünf Kilometer.
    Jochen Jurettko

    (Das namentlich gekennzeichnete "Porträt der Woche" ist Text eines jeweiligen Gastautors und muß nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.)

    ID: LI981366

  • Porträt der Woche: Wolfgang Röken (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 12 - 25.08.1998

    Wolfgang Röken ist von sportlich-kultivierter Erscheinung. Früher, als Leiter einer Hauptschule, war er gewiß eine Respektsperson auch für die größten Rabauken. Der Sozialdemokrat aus Gladbeck plaudert in angenehmem, kontrolliertem Ton, eine hinreichend gepflegte Atmosphäre beim Tischgespräch scheint ihm wichtig zu sein. Wenn er über sich als politischen Arbeiter daheim in der Gladbecker Parteipolitik sagt, er sei "der Junge für alles", kommt man ins Grübeln. Ob der eher feingeistig wirkende Mann wirklich auch ein Sozialdemokrat fürs Grobe sein kann? Er selbst sagt über sich, nach außen hin wirke er ruhig, ein dickes Fell jedoch habe er sich nicht zulegen können, es würde auch die notwendige Sensibilität stören.
    Schnell spürt man, daß der Pädagoge Röken nicht leidenschaftlich gerne über Schul- und Bildungspolitik redet. Es bleibt bei einem wackren Bekenntnis für die Gesamtschule, deren Idee man nach Rökens Meinung konsequenter hätte verfolgen und durchsetzen müssen. Schließlich hätten andere vergleichbare Industriestaaten doch auch Schulsysteme mit Gesamtschulcharakter. "Aber", betont er, "ich will mich bewußt hier nicht mit Bildungspolitik befassen." Ihn stört die Schablone: Aha, ein Lehrer, folglich Schulpolitik. Also: Wolfgang Röken der politische Generalist. Das hat ihm in der Zeit als Ober-/Bürgermeister von Gladbeck geholfen. Er übernimmt gerne Verantwortung, wenn es geht, in leitender Funktion. Jemand, der so engagiert ist, wie der leidenschaftliche Kommunalpolitiker Röken, von dem manche sagen, er sei ein Workaholic, für den muß doch Politik Drogenersatz sein. "Ja", räumt der SPD-Abgeordnete ein, "trotz allen Ärgers, den die Politik mit sich bringt, eine gewisse Droge ist sie schon." Röken stört der Ansehensverlust, den die Politiker erleiden. Er sagt, er sei pflichtbewußt, jemand, der in der Kommunal- und Landespolitik weniger große Erklärungen als vielmehr kleine vernünftige Taten schätzt. Er mag es, wenn die Menschen seinen Rat suchen. Das Wahlkreisbüro hat von 8 bis 18 Uhr geöffnet.
    Röken entstammt keiner sozialdemokratischen Familie, wiewohl die Mutter seit 20 Jahren die SPD wählt. Über die Mutter spricht er mit großer Bewunderung. Nachdem der Vater, ein Schneidermeister, bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war, mußte die Mutter wieder arbeiten, damit sie ihm das Studium finanzieren konnte. Eigentlich habe er Publizistik belegen wollen, doch dies sei zu langwierig und damit zu teuer gewesen. Also entschied sich der junge Wolfgang Röken fürs kurze Studium an der PH im heimatortnahen Essen. Für die Schwester blieb "nur" die Realschule. Gleichheit der Bildungschancen für alle — dieses Anliegen habe ihn letztlich in die SPD gebracht, erinnert sich der in Sachsen-Anhalt Gebürtige. In der Sozialdemokratie verschmäht er das Flügeldenken. Ein politischer Typus wie Wolfgang Clement sage ihm sehr zu. Über Willy Brandt spricht Röken zwar wie jeder aufrechte Sozialdemokrat mit Respekt, aber er findet auch: "Man sollte Brandt nicht überhöhen, ich habe mich politisch nie zu seinen Enkeln gerechnet." Über seine Arbeit im Landtag redet er mit reichlich Sinn fürs Machbare: "Es war mir klar, daß ich nicht in der ersten Reihe sitze, ich bin nicht angetreten, um den Düsseldorfer Himmel zu stürmen." In den Landtagsausschüssen für Städtebau und Wohnungswesen sowie Verkehr will Röken seine langjährigen Erfahrungen aus Gladbeck einbringen, natürlich auch noch etwas für den eigenen Wahlkreis "herausholen". "Denn dort bin ich gewählt worden." Ginge es nach ihm, ließe er sich auch für die kommende Legislaturperiode wählen.
    Immer wieder lenkt Röken das Gespräch Richtung Kommunalpolitik. Er streicht die fahrradfreundliche Stadt Gladbeck heraus, das erfolgreiche Modellprojekt ÖPNV, die Städtepartnerschaften zusätzlich zum Üblichen. Auf die von ihm angestoßene Verbindung, beispielsweise zum türkischen Alanya, ist er besonders stolz. In Gladbeck leben 6 500 Türken, die Stadt hat 80 000 Einwohner. Wann immer er dienstlich oder privat in die Türkei reise, empfinde er die Deutschfreundlichkeit dort: "Fast beschämend für uns." Röken kann sich, bei aller Verwurzelung im Revier, auch über Reisen in die weite Welt begeistern. Der dienstliche Abstecher nach Vancouver im Frühjahr war ein unvergeßliches Erlebnis. Nach New Orleans möchte er einmal, dort, wo Jazz in der Luft liegt. Diese Musikrichtung hat es dem Abgeordneten angetan. Wie das bei einem wie ihm, der gern alles selbst in die Hand nimmt, nicht verwundert, hat er sich zum Vorsitzenden des Gladbecker Jazzclubs wählen lassen. "Wir veranstalten jedes Jahr das schönste Jazzfest im Ruhrgebiet", meint er. "Ja, einmal nach New Orleans, das wäre ein Traum." Eine weitere Idee von Röken war es, Jazz im Rathaus zu bieten, stets am 2. Advent wird der Ratssaal leergeräumt für eine gemischte Präsentation von Jazzmusik und Kunsthandwerk.
    Zurück zur Politik: Röken mag klare Verhältnisse, sprich absolute SPD-Mehrheiten. Das müsse auch das SPD-Ziel für den nächsten Landtag sein, anderenfalls werde man doch für vieles verantwortlich gemacht, das man nur mit halbem Herzen mittrage. Es wurmt einen wie Röken gewaltig, daß in Gladbeck derzeit nicht die SPD, sondern die CDU den Bürgermeister stellt. Allerdings wirkt der Politiker, der die Werke von John Steinbeck und Werner Bergengruen zu seiner Lieblingslektüre zählt, zu keinem Zeitpunkt des Tischgesprächs, bei dem er sich zum Essen einen Weißwein gönnt, verbissen parteipolitisch.
    Reinhold Michels

    ID: LI981256

  • Porträt der Woche: Thomas Mahlberg (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 11 - 23.06.1998

    Für einen Vertreter aus der Diaspora macht Thomas Mahlberg einen recht fröhlichen und ausgeglichenen Eindruck. Aus Duisburg kommt er, ist dort geboren und aufgewachsen. Und dort scheint als eine Art Naturgesetz zu gelten, daß die SPD für alle Zeit sämtliche fünf Landtagswahlkreise direkt gewinnt. Selbst im Süden der Stadt mit eher bürgerlichen Stadtteilen, in Thomas Mahlbergs Wahlkreis, blieb die CDU bei der letzten Wahl unter 30 Prozent. Schon lange habe sich seine Partei in Duisburg mit Wahlergebnissen wie in Ostdeutschland abzufinden, sagt er, doch klagend klingt das nicht.
    Das mag an seinem noch recht jugendlichen Alter liegen — er ist gerade 33 Jahre alt — und der damit verbundenen Zuversicht, daß sich dieser Zustand in seinem politischen Leben doch noch einmal ändern könnte. Bei der Landtagswahl 1995 trat er als jüngster der fünf Duisburger Kandidaten seiner Partei an, als einziger war er genügend weit vorn auf der Landesliste plaziert, so daß es zum Sprung ins Parlament reichte. Thomas Mahlberg ist ehrlich genug, dies nicht eigenen Verdiensten zuzuschreiben, sondern dem Bestreben der CDU, sich zu verjüngen und Nachwuchspolitikern eine Chance einzuräumen. Erst ein halbes Jahr vor der Landtagswahl war er in den Duisburger Rat gewählt worden. Von der Landtagskandidatur hatte er sich allenfalls etwas mehr Bekanntheit erhofft, die seiner kommunalen Arbeit nützlich sein könnte. "Ich bin nicht angetreten, um unbedingt Abgeordneter zu werden", sagt er. Überhaupt, so versichert er, habe es ihn nicht der Karriere wegen in die Politik gezogen, sondern "aus Spaß am Gestalten". Und, das räumt er ein: "Ich rede gern mit."
    Mit neunzehn, nach dem Abitur, trat er 1984 der CDU bei. Von 1989 bis 1995 war er Vorsitzender der Jungen Union in Duisburg. Mit seinem Wechsel nach Düsseldorf gab er das Amt ab, obwohl er immer noch im Junge-Union-Alter ist. Er käme sich selbst etwas unglaubwürdig vor, sagt er, wenn er jetzt noch die Interessen von 14- oder 16jährigen vertreten sollte.
    Bald drängte es Mahlberg auch in die Kommunalpolitik. Mit 24 Jahren wurde er sachkundiger Bürger im Umweltausschuß der Stadt Duisburg, mit 26 Mitglied der Bezirksvertretung Duisburg- Süd und drei Jahre später Ratsmitglied. Aufgrund seines noch recht jungen Alters zählte die Jugendpolitik zu seinen Politikschwerpunkten. Weil ihn Jugendpolitik nach wie vor interessiert, gehört er jetzt im Landtag auch dem Ausschuß für Kinder, Jugend und Familie an, ebenso dem Ausschuß für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie. Das Interesse für Wirtschaft rühre von seinem Beruf her, sagt Mahlberg, der auch der CDU-Mittelstandsvereinigung angehört. Nach dem Abitur zog es Mahlberg nicht an eine Universität, sondern gleich ins Berufsleben. Bei Klöckner & Co. in Duisburg absolvierte er eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann. 1991 wurde er dort Handlungsbevollmächtigter, zuständig für den Chemiehandel, den er mit aufgebaut hat.
    Innerhalb der CDU fühlt sich Mahlberg eher dem konservativeren Wirtschaftsflügel zugehörig, weniger den Sozialpolitikern. Umweltproblemen, meint er etwa, werde im allgemeinen zu viel Priorität eingeräumt. Allzu restriktive Umweltauflagen behinderten oftmals die wirtschaftliche Entwicklung. Nur eine florierende Wirtschaft jedoch, davon ist er überzeugt, könne neue Arbeitsplätze schaffen und sei so die beste Sozialpolitik.
    Doch klingt es keineswegs streitbar, wenn er solche Ansichten vorträgt. Mahlberg ist ein Mann der leisen Töne, der offensichtlich auch zuhören kann. Daß Politik viel mit Kommunikation, auch mit "Verkaufen" zu tun hat, ist seine Überzeugung. Daher pflegt er viele Kontakte, nimmt Termine wahr und lädt gern Gäste, insbesondere aus seinem Wahlkreis, in den Landtag ein. Dabei geht es ihm auch darum, das Ansehen der Politiker zu fördern. Daß viele Menschen nur noch abfällig über den Berufsstand reden, empfindet er als "ungerecht", schließlich mühten sich die meisten von ihnen redlich ab.
    Als Single kann er für derlei Aktivitäten auch noch mehr Zeit erübrigen, als dies Politikern mit Familie möglich ist. Dennoch, bedauert er, lasse auch ihm der alltägliche Streß zu wenig Zeit für Hobbys. Früher habe er zum Beispiel gerne Fußball gespielt, heute spiele er nur noch in der Landtagsmannschaft, und dann spüre er hinterher ganz gehörig seine Knochen.
    Roland Kirbach

    ID: LI981149

  • Porträt der Woche: Erwin Siekmann (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 10 - 16.06.1998

    Schon seit dem 15. Lebensjahr prägt Erwin Siekmann sein gewerkschaftliches Engagement. Bereits während seiner Lehre als kaufmännischer Angestellter bei der Barmer Ersatzkasse (BEK) trat der damals 15jährige in die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) ein, sechs Jahre später, als 21 jähriger, saß der gebürtige Bochumer bereits in dem für das gesamte Bundesgebiet zuständigen Hauptpersonalrat dieser Krankenkasse.
    Nach Abschluß der ersten und zweiten Verwaltungsprüfung erwarb sich der heutige SPD-Landtagsabgeordnete während eines sechssemestrigen Studiums beim DGB Kenntnisse in Volks- und Betriebswirtschaft sowie in Sozialpolitik. Sein beruflicher Weg führte ihn schließlich zur Betriebskrankenkasse Hoesch Dortmund, wo er seit längerem deren stellvertretender Geschäftsführer ist.
    Im Jahre 1972 trat Erwin Siekmann in die SPD ein, um sich auch politisch für die Rechte der Arbeitnehmer einsetzen zu können. In verschiedenen örtlichen Parteigremien aktiv, nominierten ihn die Dortmunder Parteifreunde 1979 für den Rat der Revierstadt. Dort übernahm er während seines sechzehnjährigen kommunalpolitischen Wirkens eine Vielzahl von Aufgaben und Ämtern. Als Folge des Unvereinbarkeitsbeschlusses zum Doppelmandat mußte der Sozialdemokrat bei seinem Einzug in den Düsseldorfer Landtag 1995 seine Tätigkeit im Stadtrat aufgeben. Wie schon im Kommunalparlament, so liegen seine Schwerpunkte auch im Landtag in den Bereichen Soziales und kommunale Finanzen. Die Fraktion berief ihn in den Haushalts- und Finanzausschuß sowie in den Ausschuß für Kommunalpolitik.
    Der heute 62jährige Sozialdemokrat plädiert im finanziell angespannten Gesundheitsbereich für mehr Eigenverantwortung. Man dürfe sich nicht nur auf die Solidargemeinschaft verlassen, sondern müsse sich selbst "stark machen". Dazu gehöre beispielsweise die Vorsorge. "Man sollte vernünftig leben und auch Sport treiben!" Andererseits müßten alle notwendigen Behandlungsmöglichkeiten jedem Menschen zur Verfügung stehen.
    Als "Schutz in allen wichtigen Lebenslagen" dürfe die Sozialversicherung nicht abgebaut, sondern sie müsse "vitalisiert" werden, fordert Erwin Siekmann weiter. So ist er ein Verfechter der Einbeziehung der Beamten und der sogenannten Höherverdienenden in die Pflichtversicherung. Als Realist weiß er, daß dies ein langfristiges Ziel ist. Die privaten Krankenkassen sollten sich auf zusätzliche Leistungen konzentrieren.
    Mit Nachdruck plädiert der Dortmunder für eine solide Finanzpolitik. Das sei auch eine Verpflichtung gegenüber den Steuerzahlern. Die alljährliche Netto-Kreditaufnahme des Landes müsse reduziert und später müßten auch die Schulden abgebaut werden. Es sei daher zwangsläufig, daß zusätzliche notwendige Leistungen des Landes nur durch Einsparungen in anderen Bereichen finanziert werden dürften. "Prioritäten zu setzen, bedeutet nicht nur Wichtiges festzuschreiben, sondern auch weniger Wichtiges zu kürzen und ganz zu streichen." Da fehle oft die Kraft der Politiker, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. So müsse es beispielsweise eine strikte Begrenzung der Personalkosten und Versorgungsleistungen geben.
    Der im Wahlkreis 134, Dortmund V, direkt gewählte Sozialdemokrat sucht ständig den Kontakt zu den Mitbürgern, und bei seinen Diskussionen und Vorträgen bemüht er sich um eine "adressatengerichtete" Sprache. "Man muß verstanden werden, sonst hat die Politik ihre Aufgabe verfehlt."
    Der leidenschaftliche Skatspieler zählt nicht zu jenen, die im Urlaub um die Welt düsen. "Man muß nicht alle Länder gesehen haben. Zu Hause ist es auch schön." So ist denn auch Erwin Siekmanns "Stolz" die Familie, Ehefrau und zwei Töchter. Zu Hause findet er Entspannung und Ausgleich.
    Jochen Jurettko

    ID: LI981062

  • Porträt der Woche: Sylvia Löhrmann (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 9 - 03.06.1998

    "Ich bin ein ziemliches Arbeitstier und mache ungern Fehler." Sylvia Löhrmann hat Politikmanagement in Solingen gelernt: Neun Jahre lang war sie dort Ratsmitglied und Fraktionssprecherin der GRÜNEN. Jetzt hat sie diese beiden Funktionen aufgegeben, um genug Zeit für ihre neue Position zu haben: seit Mitte März ist Sylvia Löhrmann parlamentarische Geschäftsführerin der GRÜNEN. Vernetzen und Koordinieren, für einen reibungslosen Ablauf sorgen bei allen parlamentarischen Vorgängen, die die GRÜNE Fraktion betreffen, Vorbereitung der Ältestenratssitzung, Teilnahme am Jour fixe mit der SPD, das sind ihre Aufgaben.
    "Ich sehe darin nicht die Funktion einer dritten Sprecherin neben Roland Appel und Gisela Nacken, sondern sehe mich in einer Managementposition", beschreibt Sylvia Löhrmann ihren neuen Posten. Der Fundi-Flügel der Fraktion hatte bei der Wahl zur parlamentarischen Geschäftsführerin nicht für Sylvia Löhrmann gestimmt, weil er eine Kandidatin aus den .eigenen Reihen' auf dem Posten sehen wollte. Nachdem Sylvia Löhrmann gewählt worden war, weigerte er sich, die Vorstandswahlen zu Ende zu führen. Das findet die neue parlamentarische Geschäftsführern der GRÜNEN unbefriedigend, aber "ich glaube, daß die Situation, die da eingetreten ist, sich nicht gegen meine Person gerichtet hat". Sylvia Löhrmann möchte innerhalb der Fraktion daran arbeiten, die Kommunikation zu verbessern und durch reibungsloses Management dafür zu sorgen, daß die inhaltliche Arbeit gestärkt wird.
    Natürlich wird sie sich auch weiterhin intensiv ihrer Ausschußarbeit widmen. Im Kommunalpolitischen Ausschuß liegen Sylvia Löhrmann die Finanzen besonders am Herzen: "Die Umstrukturierung des Finanzausgleichs halte ich für richtig, weil sich bestimmte Belastungen in den großen Städten potenzieren, ich habe deshalb dafür geworben, daß wir uns jetzt an die Umsetzung machen."
    Wie ein roter Faden durch ihre Arbeit zieht sich Sylvia Löhrmanns frauenpolitisches Engagement. Sie ist Feministin, und das heißt für sie "eindeutig Parteilichkeit für Frauen und Mädchen". Sylvia Löhrmann ist stolz auf die Früchte, die ihr Engagement in Solingen getragen hat: dort wurde eine Anlaufstelle gegen sexualisierte Gewalt eingerichtet, die Gleichstellungsstelle gut ausgebaut.
    Sylvia Löhrmann ist ein Kind des Ruhrgebiets. Sie wurde in Essen geboren, und als die Eltern mit ihr 1969 nach Witten zogen, bestand die damals Zwölfjährige darauf, weiter in ihrer Heimatstadt zur Schule zu gehen. Zwei Stunden Fahrt für eine Strecke nahm sie dafür gerne in Kauf. Und das lag auch an ihrer Schule: das katholische Mädchengymnasium "Beatae Mariae Virgines" hat Sylvia Löhrmann gerne besucht, denn "da wurden wir gezielt gefördert, waren der Jungenkonkurrenz nicht ausgesetzt". Auch wenn ihr die Schule noch so gut gefiel, Lehrerin war nach dem Abitur nicht ihr Traumberuf. Sylvia Löhrmann war schon damals ein großer Skandinavien- und Großbritannien-Fan: Sie wollte Lektorin für Schwedisch und Englisch werden. Da das an ihrer Wunsch-Uni, der Ruhr-Universität Bochum, aber nicht so ohne weiteres möglich war, entschloß sie sich, Deutsch und Englisch für das Lehramt zu studieren. Ein Schulpraktikum während ihrer Studienzeit hat sie dann schließlich motiviert, doch Lehrerin zu werden. Sylvia Löhrmann hat elf Jahre lang an der Städtischen Gesamtschule Solingen unterrichtet: "Ich bin Gesamtschullehrerin aus Überzeugung, das Schulsystem ist meiner Ansicht nach besser als sein Ruf."
    Die Anti-AKW- und die Frauenbewegung haben sie politisch geprägt. "Grün gewählt" hat sie schon immer, 1985 trat sie in die Partei ein. Ihren eigenen politischen Stil beschreibt Sylvia Löhrmann als "hart in der Sache, aber verbindlich im Ton und im Umgang". Innerhalb der GRÜNEN-Fraktion zählt sie zu den sogenannten Regierungslinken, hat den Kreis "Genuß und Vernunft" um Roland Appel und Bärbel Höhn mitbegründet. In ihrer Freizeit genießt Sylvia Löhrmann die Lektüre englischer Frauenkrimis, ganz vernünftig auch manchmal in der Originalsprache, um nicht aus der Übung zu kommen. Sie verreist gerne, am liebsten mit dem Schiff nach Skandinavien oder Großbritannien und ist ein Fan der italienischen Küche. Außerdem pflegt Sylvia Löhrmann noch immer Kontakt zum Ruhrgebiet: "Ich habe eine alte Neigung zum Theater und habe immer noch ein Abo in Bochum, vermisse aber die Peymann-Truppe."
    Ulrike Coqui

    ID: LI980947

  • Porträt der Woche: Irmgard Schmid (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 8 - 26.05.1998

    Irmgard Schmid sieht sich als Frau der Mitte. "Ich bin keine Linke", sagt die 53jährige SPD-Landtagsabgeordnete aus Kierspe mit lächelndem Kopfschütteln. Erläuternd fügt sie hinzu: "Die Haltung von Klaus Matthiesen und Wolfgang Clement, das ist auch meine Linie." Vor allem ist die Sozialdemokratin aus dem Westfälischen Pragmatikerin. Mit Verstand und Charme, aber auch mit Zähigkeit wirbt sie für ihre politischen Ziele. "Man muß offen miteinander reden, dann findet sich schließlich auch ein Kompromiß", heißt die Devise, nach der die SPD-Frau handelt.
    Daß diese Überzeugungsarbeit zuweilen recht mühsam ist, wurde unlängst im Landwirtschaftsausschuß — Irmgard Schmid ist stellvertretende Vorsitzende in dem Gremium — deutlich, als es um die Umsetzung der europäischen FFH-Richtlinie in Nordrhein-Westfalen ging. Der kleine grüne Koalitionspartner möchte die Richtlinie möglichst weit ausgelegt wissen. Irmgard Schmidt plädiert dagegen vor allem für Machbarkeit. "Die Gemeinden müssen auch in zehn Jahren noch Gewerbegebiete ausweisen können und dürfen durch die FHH-Richtlinie nicht stranguliert werden", vertritt sie standhaft ihre Position.
    Ihrer Einschätzung nach werden bei allzu stringenter Umsetzung der Europa-Beschlüsse einige nordrhein-westfälische Gemeinden in ihrer Existenz bedroht. "Das wird es mit mir nicht geben", betont die SPD-Frau fest. "In so einem Fall gibt es dann auch schon mal recht ernsthafte Auseinandersetzungen mit dem Koalitionspartner", räumt die Sozialdemokratin ein. "Wir müssen vernünftige Lösungen finden, die einerseits den Gemeinden die wirtschaftliche Lebensfähigkeit sichern und andererseits die Umwelt so weit wie möglich schonen."
    Um eine möglichst "zielorientierte Arbeit" geht es der SPD-Abgeordneten auch im Wirtschaftsausschuß, dem sie seit Beginn ihrer parlamentarischen Arbeit im Düsseldorfer Landtag 1990 angehört. "Für Neulinge im Landtag ist es nicht üblich, gleich in den mächtigen Wirtschaftsausschuß zu kommen, aber ich habe dafür gekämpft und mich durchgesetzt", erinnert sie sich heute. Ihre Argumentation überzeugte: "Ich vertrete einen Wahlkreis, der durch den Mittelstand geprägt ist. Außerdem gibt es in den kleineren Kommunen bei uns noch viele Haupterwerbslandwirte. Da ist die Mitarbeit im Wirtschaftsausschuß nur folgerichtig."
    Die Kombination von Wirtschafts- und Landwirtschaftsausschuß hält die SPD-Frau aus Kierspe für besonders glücklich. "Auf diese Weise habe ich einen guten Überblick und weiß ziemlich genau, wo man eingreifen muß", sagt sie. In den acht Jahren, die Irmgard Schmid jetzt schon Parlamentarierin ist, hat sie so manches Mal mithelfen können, daß von Konkursen bedrohte Unternehmen gerettet werden konnten. "Anders als im Ruhrgebiet sterben bei uns im Märkischen Kreis die Arbeitsplätze leise. Deshalb ist es um so wichtiger, daß sich die Politiker aus dem Wahlkreis um den Bereich Wirtschaft kümmern."
    Und das tut Irmgard Schmid. Die engagierte Politikerin, sie sitzt übrigens auch im Präsidium des Landtags, versteht sich vor allem als Wahlkreisabgeordnete. "Der Vorteil in einem ländlich strukturierten Gebiet ist, daß ich viele Bürger persönlich kenne und umgekehrt sie mich auch." In Lüdenscheid hat Irmgard Schmid ein Wahlkreisbüro, das wochentags von 8 bis 15 Uhr besetzt ist. "Außerdem wissen die Bürger, wo ich im Telefonbuch zu finden bin. Sie rufen auch privat an, und ich bin flexibel." Die SPD-Politikerin hat für die Probleme ihrer Wähler ein offenes Ohr. "Ich reise viel im Wahlkreis herum, mache Firmenbesichtigungen und unterrichte mich, was sich in meinem Beritt so tut", erklärt sie ihre Wahlkreisarbeit. "Wenn ich mich vor Ort informiert habe, kann ich ein Problem besser als vom grünen Tisch aus beurteilen."
    Das klingt ganz nach Vollblut-Politikerin. Tatsächlich ist die am Niederrhein in Haldern geborene Irmgard Schmid heute ein Polit-Profi. Doch an der Wiege hat man ihr das politische Lied nicht gesungen. Sie kommt aus einem bodenständigen Handwerkerhaushalt. Dort wurde zwar politisiert und — konservativ gewählt, aber politisch aktiv waren ihre Eltern nicht. Nach der Volksschule absolvierte Irmgard Schmid eine Lehre als Verkäuferin im Nahrungsmittelgewerbe, machte anschließend eine Metzgerlehre und arbeitete eine Zeitlang im elterlichen Betrieb, ehe sie über den zweiten Bildungsweg Lehrerin wurde und zwanzig Jahre lang in Kierspe an der Gesamtschule arbeitete.
    Während des Studiums in Köln beschäftigte sie sich eingehender mit Politik. "Sehr beeindruckt hat mich Gustav Heinemann und seine Haltung zu den Jugendproblemen der damaligen Zeit", weiß sie noch heute. Er und das politische Umfeld der damaligen Zeit bewirkten, daß Irmgard Schmid 1970 in die SPD eintrat. Die politische Karriere ergab sich dann von selbst. 1975 — das erste ihrer drei Kinder war gerade geboren — wurde sie in den Stadtrat von Kierspe gewählt. Von 1979 bis 1989 war sie in ihrer Heimatstadt stellvertretende Bürgermeisterin. Gerade als sie beschlossen hatte, mit der Politik etwas zu pausieren, wurde die SPD-Frau von Parteifreunden aufgefordert, für den Landtag zu kandidieren. "Manche Chancen kommen nur einmal", sagte sie sich damals. Nachdem sie sich mit der Familie beraten hatte, griff Irmgard Schmid zu und hat ihren Wahlkreis auch direkt gezogen.
    Trotz aller Intensität, mit der Irmgard Schmid ihren Polit-Job betreibt, bleibt für Kinder und Freunde noch immer Zeit. Und auch ihr Hobby, ein schöner großer Bauerngarten, kommt nicht zu kurz. "Ich habe eben eine handwerkliche Ader", sagt sie vergnügt und freut sich schon auf den nächsten Gang durch ihre 2000 Quadratmeter Grün.
    Gerlind Schaidt

    ID: LI980860

  • Porträt der Woche: Ursula Monheim (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 7 - 12.05.1998

    Als Abgeordnete, die dem NRW-Landtag erst seit 1995 angehört, sitzt Ursula Monheim normalerweise auf den hinteren Rängen im nordrhein-westfälischen Parlament. Doch bei der Debatte über den Beschluß der katholischen Bischöfe zur Schwangerenberatung Anfang Februar 1998 saß die CDU- Politikerin aus Leverkusen in der ersten Reihe. Mutig vertrat sie gemeinsam mit ihren Parteikolleginnen christdemokratische Positionen. Es wurde eine erfreulich sachbezogene und ehrliche Debatte. Die unterschiedlichen Positionen zwischen Regierung und Opposition wurden deutlich herausgearbeitet.
    Während SPD-Gleichstellungsministerin Ilse Ridder-Melchers betonte: "Beratung und Berechtigungsschein zur Abtreibung gehören zusammen", setzte die Christdemokratin Ursula Monheim dagegen: "Klar ist, daß nach einer Alternative zum jetzigen System der Berechtigungsscheine gesucht werden muß, um die Doppeldeutigkeit dieses Dokuments aufzulösen." Und die CDU- Frau wurde noch deutlicher: "Es ist immer diese Doppeldeutigkeit des Scheins gewesen, der auch außerhalb der katholischen Kirche sehr umstritten war und von vielen, vor allem auch von Juristen, nicht mitgetragen wurde."
    Die CDU-Frau weiß, wovon sie spricht. Als die Debatte über den Paragraphen 218 zu Beginn der 90er Jahre besonders hitzig geführt wurde, war Ursula Monheim, selber Mutter von drei Kindern, voll engagiert. Doch während viele Frauen damals nur diskutierten, lautete ihre Devise: "Reden reicht nicht. Die Frauen brauchen ein verläßliches Angebot, und zwar nicht nur bis zur Geburt ihres Kindes, sondern darüber hinaus." So kam es zur Gründung des Vereins "Wort und Tat", dessen Vorsitzende Ursula Monheim ist. 1992 hat sie ein Wohnhaus mit vier Wohneinheiten für alleinerziehende schwangere Frauen eröffnet. Zu dem Haus gehört eine Kindertagesstätte, wo die Kinder vom vierten Lebensmonat an betreut werden. Ziel von "Wort und Tat" ist es, daß die Frauen eine unterbrochene Schul- oder Berufsausbildung nachholen und beenden können.
    Bei ihrer Parlamentsarbeit im Düsseldorfer Landtag kommt der Unionspolitikerin ihr kirchliches Engagement zugute. Die 1939 in Münster geborene Philologin arbeitet in mehreren katholischen Gremien mit, ist unter anderem Vorsitzende des Katholikenrates Leverkusen, Mitglied im Vorstand des Diözesanrates Köln sowie des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken.
    Zur Politik ist Ursula Monheim allerdings über die Schulpolitik gekommen. Konkret über die Koop-Debatte. "Die Programmatik der Union hat mich überzeugt", erinnert sich Ursula Monheim. 1988 trat sie in die CDU ein. Ein Jahr später wurde sie sachkundige Bürgerin im Sozialausschuß des Rates der Stadt Leverkusen. Der Sprung in den nordrheinwestfälischen Landtag klappte beim ersten Anlauf 1990 nicht. Doch fünf Jahre später gelangte sie um so sicherer in das Landesparlament. Tatsächlich kam sie auch gleich in die beiden Ausschüsse, die sie sich gewünscht hatte: den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie den Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen. Die Mitarbeit im Städtebauausschuß bedeutet für Ursula Monheim so etwas wie die Verwirklichung eines Jugendtraums. "Während meines Anglistik- und Russisch- Studiums in Münster habe ich auch viele Vorlesungen in Architektur belegt. Stadtplanung und Stadtentwicklung haben mich immer fasziniert", sagt sie. Im Landtag geht es im Ausschuß für Städtebau um ganz konkrete Fragen wie etwa die Schaffung von Wohnraum für ältere Menschen oder darum, wie man Wohnraum für Gruppen organisiert, die sich in unserer Gesellschaft schwer in ein normales Umfeld integrieren lassen.
    Im Sozialausschuß liegen die Schwerpunkte ihrer Arbeit in der Krankenhaus-, Drogen- und Behindertenpolitik. Die Christdemokratin kämpft beispielsweise dafür, daß in den Schulen für geistig Behinderte eine ähnliche pflegerisch-therapeutische Versorgung eingerichtet wird, wie sie an Schulen für Körperbehinderte bereits existiert.
    In ihrem Wahlkreis in Leverkusen engagiert sie sich für das sogenannte "Bunkerprojekt". Dabei geht es darum, einen Bunker mit arbeitslosen Jugendlichen zu Wohnraum umzubauen. Nur solche Firmen bekommen den Zuschlag, die sich verpflichten, Jugendlichen innerhalb des Projektes eine Ausbildung zu geben. Zuletzt waren 15 Jugendliche in diese Maßnahme eingebunden.
    Ein ganz wichtiger Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit ist für Ursula Monheim die Wahlkreisarbeit. Sie hat dafür gesorgt, daß in ihrem Wahlkreisbüro unter der Woche immer ein Ansprechpartner erreichbar ist, der Anfragen entgegennimmt. Über eine Zeitungsanzeige kündigt die CDU-Politikerin ihre Sprechstunden an, ist aber telefonisch jederzeit erreichbar. "Die Bürger kommen mit ganz privaten Fragen zu mir, etwa wenn sich jemand total verschuldet hat. Aber sie wollen auch Auskunft über die Pflegeversicherung oder Rentenfragen."
    Gern würde Ursula Monheim ihre Arbeit auch in der nächsten Legislaturperiode weiterführen. "Man braucht eine gewisse Zeit, um sich im Parlament einzuarbeiten, und dann sind fünf Jahre für ein vernünftiges Mittun doch eine sehr kurze Zeit", ist Ursula Monheim überzeugt. Für ihre Abgeordnetentätigkeit tritt sie gern mit den Hobbys etwas kürzer. Allerdings liest sie weiterhin leidenschaftlich gern. Auch gemeinsame Wanderungen und Konzertbesuche mit ihrem Mann, der Familie und Freunden gehören bei ihr zum Ausgleich zur Politik. Gerlind Schaidt

    ID: LI980758

  • Porträt der Woche: Johannes Remmel (Grüne).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 6 - 28.04.1998


    Johannes Remmel fällt einem schon beim Durchblättern des Landtag-Handbuchs auf. Ein jugendliches Gesicht strahlt da heraus, die Haare etwas wirr und der Hemdkragen offen — ein deutlicher Kontrast zu den Porträts der meisten anderen Parlamentarier. Mit 35 Jahren ist Remmel nicht nur einer der jüngsten Abgeordneten — er verkörpert auch jenen Typus von Politiker (und Mann), der nicht nur auf die Karriere fixiert ist, und der vor allem mit den GRÜNEN Einzug in die Politik hielt. Remmels Kurzbiographie im Handbuch zählt zum Beispiel Stationen auf wie " 1988/89 Hausmann".
    "Ich hab' mein Leben nicht so sehr geplant, sondern meistens gerade das gemacht, was anstand", gesteht er freimütig. So verfaßte der Sportbegeisterte zum Beispiel einen Fahrrad-Reiseführer sowie andere Berichte für Reiseverlage. Dann wieder unterrichtete er "Deutsch als Fremdsprache" für Flüchtlinge. Ein Lehramtsstudium brach er wieder ab, weil er nach mehreren Praktika erkannte, daß ihm der Beruf doch keinen Spaß macht. Und als vor knapp zehn Jahren sein Sohn geboren wurde, blieb er zu Hause und kümmerte sich um Kind und Haushalt. Einer seiner Leitsprüche sei ein Zitat von Gandhi, sagt er: "Der Weg ist das Ziel". Daß dieser Weg 1995 in den Landtag führen sollte, war eigentlich auch nicht so richtig geplant. Remmel stand auf Platz 24 der Landesliste — normalerweise ohne Aussicht auf ein Mandat. Nur dank des guten Wahlergebnisses der GRÜNEN von zehn Prozent zog dieser Listenplatz noch.
    Das unerwartet hohe Wahlergebnis habe nicht nur die Zahl der GRÜNEN-Abgeordneten glatt verdoppelt, es habe auch die Struktur der Fraktion deutlich verändert, betont Remmel. Während in der vorigen Legislaturperiode der Rhein-Ruhr- Ballungsraum überrepräsentiert und die ländlichen Gebiete benachteiligt gewesen seien, verteilten sich nun die Gewichte etwas gerechter. Johannes Remmel, man ahnt es, vertritt einen dieser ländlichen Wahlkreise, den Kreis Siegen. Dort, in Siegen, ist er geboren und aufgewachsen. Geprägt hätten ihn sein "sehr katholisches Elternhaus" sowie katholische Jugendorganisationen, etwa die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg, erzählt er. Der Kirche gehört er nach wie vor an, wenngleich sich im Lauf der Zeit die politische Richtung seines Glaubens grundlegend geändert hat: In den späten siebziger, frühen achtziger Jahren wurde er ein Anhänger der sogenannten Theologie der Befreiung. Auch der Eurokommunismus hatte es ihm seinerzeit angetan. Für viele Menschen vor allem in der Friedensbewegung, in der sich Remmel damals engagierte, verband sich damit die Hoffnung, die Erstarrung der Blöcke in Ost und West zu überwinden und einen dritten Weg, jenseits von Sozialismus und Kap/talismus, einzuschlagen.
    Als aus der Friedens- und Umweltbewegung die GRÜNEN hervorgingen, "war von Anfang an klar, daß das meine Partei ist". Bald gehörte Remmel dem Vorstand des Siegener GRÜNEN-Stadtverbandes an, wurde Geschäftsführer der GRÜNEN- Ratsfraktion und 1989 selbst Ratsmitglied. Nach der Kommunalwahl 1994 wirkte er maßgeblich am Zustandekommen einer rot-grünen Zusammenarbeit im Siegener Rat mit — die zwei Jahre später wieder zerbrach. Seitdem, sagt Remmel nüchtern, sei Rot-Grün für ihn "kein Projekt" mehr, sondern eine ganz normale Koalition.
    Überhaupt sind die Visionen mittlerweile weitgehend dem Pragmatismus gewichen. An der GRÜNEN-Landtagsfraktion schätze er zum Beispiel, daß in ihr "sehr viel kommunalpolitische Erfahrung" versammelt sei und daß sie "keinen akademischen Politikstil" pflege. Remmel: "Politik hat viel mit handwerklichen Fertigkeiten zu tun."
    Viel unspektakuläre Kleinarbeit prägt Remmels Politikalltag heute, im Verkehrsausschuß, im Ausschuß für Umweltschutz und Raumordnung. Etwas über den Tag Hinausweisendes erhofft er sich von der "Enquetekommission zur Zukunft der Mobilität", deren Vorsitz er innehat. Sein größter Wunsch wäre, daß deren Bericht nach getaner Arbeit einmal so viel Resonanz finden möge wie seinerzeit der Bericht der Enquetekommission des Bundestages zum Klimaschutz.
    Darüber hinaus kümmert sich Remmel intensiv um seinen Wahlkreis. Fast täglich pendelt er zwischen Siegen und Düsseldorf, um den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren. Viele Politiker kleiner Parteien, kritisiert er, verstünden sich eher als Fachpolitiker und weniger als Wahlkreisabgeordnete, da sie ja ohnehin nie direkt gewählt würden. Das hält er für falsch.
    Trotz seiner steten Präsenz zu Hause schafft er es zu seinem Bedauern jedoch nicht mehr, wie früher regelmäßig, zweimal die Woche zum Fußballtraining zu gehen: "Ich kann jetzt nur noch sonntags am Spiel teilnehmen."
    Roland Kirbach

    ID: LI980658

  • Porträt der Woche: Friedhelm Lenz (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 5 - 24.03.1998

    Anders als seine damaligen Schulkameraden beteiligte sich Friedhelm Lenz rege an den politischen Diskussionen im Elternhaus. So trat der heutige Kölner Landtagsabgeordnete denn auch bereits mit 18 Jahren in die SPD ein. "Nach 18 Jahren CDU-geführter Bundesregierung wollten wir es besser machen", erinnert er sich. Bevor der in Rauschendorf/Siegkreis gebürtige Sozialdemokrat, Jahrgang 1945, etwas "verändern" konnte, mußte er allerdings die typische "Parteikarriere" absolvieren. Sie führte über den stellvertretenden Distrikt-Kassierer und stellvertretenden Ortsvorsitzenden in Porz schließlich in den Unterbezirksvorstand Köln, dem er heute noch angehört.
    Wie für so viele seiner Fraktionskollegen begann auch für Friedhelm Lenz die politische Tätigkeit im kommunalen Bereich. 1978 zog er in den Kölner Stadtrat ein und gehörte zehn Jahre lang dem Fraktionsvorstand an. Schwerpunkte des kommunalen Wirkens waren die Allgemeine Verwaltung und Ausländerfragen. Nach einem entsprechenden Beschluß des Kölner SPD-Unterbezirks, der Doppelmandate verbietet, mußte der Sozialdemokrat 1994 den Ratssitz räumen. Heute bedauert er das damalige Votum seiner Parteifreunde, könnte man doch mit den im Landtag wie im Stadtrat erworbenen Kenntnissen und Kontakten erfolgreicher kommunale Interessen vertreten.
    Auf Vorschlag der Porzer Sozialdemokraten kandidierte Friedhelm Lenz bei der letzten Landtagswahl 1995 im Wahlkreis Köln II und erreichte 46 Prozent der Stimmen für seine Partei. Die Fraktion berief ihn in den Ausschuß für Innere Verwaltung, den Petitionsausschuß und den Ausschuß Eine-Welt und Europa.
    Nach 16jähriger Tätigkeit im Kölner Stadtrat reizte ihn das neue parlamentarische Wirkungsfeld. Und das um so mehr, weil viele kommunale Probleme nur mit Hilfe des Landes zu lösen seien. Sei es der Wohnungs- oder Straßenbau, überall habe das Land mit seinen Zuschüssen "die Finger im Spiel". Zudem ist der Sozialdemokrat seit 1964 bei den Stadtwerken Köln tätig, zuletzt in der Abteilung Konzernplanung und Konzernstrategie.
    Der Innenausschuß im Landtag zählt zu den Wunschausschüssen des Abgeordneten, sieht er doch die innere Sicherheit als das nach der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wichtigste innenpolitische Thema. "Die Menschen haben Angst vor der Kriminalität und der Überfremdung, und die Politik muß diese Sorgen ernst nehmen." Je länger der Sozialdemokrat in diesem Gremium tätig ist, desto größer wird seine Erkenntnis, daß das Verbrechen nur in enger Zusammenarbeit zwischen allen europäischen Ländern erfolgreich bekämpft werden kann — "sonst werden wir von der organisierten Kriminalität überrollt". Europol hält er daher für besonders wichtig.
    Das arbeitsintensivste Gremium ist für den Parlamentarier der Petitionsausschuß, dem er aber sehr gern angehört. Man könne dort dem Bürger noch direkt helfen, sich mit dessen persönlichem Schicksal unmittelbar beschäftigen. Der Ausschuß werde nach seiner Einschätzung von den Kommunalverwaltungen sehr ernst genommen, so daß die Erfolgsquote entsprechend hoch sei. "Dort, wo offensichtliches Unrecht entstanden ist, kann auch geholfen werden."
    Neben seiner parlamentarischen Tätigkeit hat der Kölner noch eine andere Wirkungsstätte: Er ist Präsident der SpVg Porz, eines Vereins, "aus dem Nationalspieler hervorgegangen sind", wie der 52jährige nicht ohne Stolz bemerkt. Die Jugendarbeit liegt ihm besonders am Herzen. Die SpVg besitzt inzwischen 18 Jugendmannschaften. Wenn Politik und Sport es zeitlich ermöglichen, besucht der Abgeordnete gerne die Oper und Philharmonie. Aber auch längere Wanderungen dienen der Entspannung.
    Jochen Jurettko

    ID: LI980551

  • Porträt der Woche: Marie-Luise Fasse (CDU).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 4 - 10.03.1998

    "Die Partei ist heute abend geschlossen", sagte zur Überraschung des Anrufers eine jugendliche Stimme am Telefon der Rheinberger Politikerin Marie-Luise Fasse. Es war der Sohn, der sich vor Jahren gegen die Basisarbeit seiner Mutter am Abend auf seine Weise zur Wehr setzte. Daß der Junge damals eigentlich im Recht war und der Familie ihr Anspruch zustehen muß, gehört zur Grundüberzeugung der CDU-Vorsitzenden im Kreis Wesel. Marie-Luise Fasse ist neben ihrem Amt an der Spitze der Kreispartei auch Vorsitzende des CDU-Ortsverbandes Budberg, gleichzeitig Mitglied im Rheinberger Stadtrat. Ihr Kreistagsmandat hat sie aber abgegeben, als sie im Juni 1995 in den Landtag gewählt wurde. Mit ihrem Ehemann, einem Banker, hat sie damals den Umfang ihres Engagements abgestimmt, weil der Einzug ins Landesparlament natürlich weniger Zeit für die Familie bedeutet: "Wenn ich nicht einen so verständnisvollen Partner hätte, ginge das alles nicht."
    Möglichst direkt möchte sie mit den Menschen und ihren Anliegen zu tun haben. Basisarbeit ist ihr wichtig, denn die Bürger seien nur für Politik zu gewinnen, wenn sie ihnen auch glaubhaft vermittelt werde. Daß Marie-Luise Fasse bei der letzten Kommunalwahl einen Wahlkreis zurückgewinnen konnte, der zehn Jahre zuvor an die SPD verlorengegangen war, scheint ihre Auffassung von Parteiarbeit zu bestätigen. Mit Bedauern räumt sie ein, daß sie aber so fast keinen Abend zu Hause ist. Im NRW-Landtag hat die neue Abgeordnete mit der Zugehörigkeit zu den Ausschüssen für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz, für Verkehr und für Frauenpolitik die Schwerpunkte ihrer Arbeit setzen können. "Da läßt sich etwas bewegen", sagt sie. "Und es bietet ein breites Spektrum an Information für die eigene Basis im Wahlkreis."
    Gerade auch am Niederrhein drängen sich die Probleme: eine neuer Gebietsentwicklungsplan, weitere großflächige Auskiesungen, FFH-Regelungen (nach der Europarichtlinie Fauna, Flora, Habitat) und dadurch Einschränkungen der Landwirtschaft, Strukturwandel im Bergbau und eine, auch von den niederländischen Nachbarn aggressiv vorangetriebene Struktur- und Verkehrspolitik. Grenzübergreifende Zusammenarbeit hat daher auch zukünftig besondere Bedeutung für die regionale und interkommunale Entwicklung des Niederrheins.
    Mitglied der CDU ist Marie-Luise Fasse erst 1982 geworden. Die Sorge für die Schwestern, die zehnjährige Berufstätigkeit als Energieberaterin bei einem Energieversorgungsunternehmen und eine Zeitlang die Fürsorge für den Sohn und den Ehemann hatten Vorrang. Aber ihr Vater gehörte zu den Gründern der Partei im westfälischen Dülmen, so daß ihr politische Tätigkeit vertraut war.
    "Was einem selbst Freude macht, das kann man auch der Jugend vermitteln", sagt die CDU-Politikerin. Als sie in der Partei aktiv wurde, waren die Vorstände meist reine Männersache: "Jetzt sind im Kreisvorstand der Partei fünfzig Prozent Frauen."
    "Da hat ein Umdenkungsprozeß eingesetzt", unterstreicht sie. Möglichst rasch versucht Marie-Luise Fasse Frauen und Jugendliche zu fördern und in die Arbeit der Partei einzubinden. So ist aus ihrem Wahlkampf eine aktive Gruppe der Jungen Union entstanden.
    "Politik ist Leben — und die Verwirklichung des Menschen geschieht im Dialog, in der doppelten Fähigkeit zu reden und zuzuhören, zu antworten und darin sich auch vom Wort treffen zu lassen", meint Marie-Luise Fasse. "Anders gesagt: Dialog, das meint die Bereitschaft zur Kooperation." Für das Miteinander zum gemeinsamen politischen Ziel auch innerhalb der Vereinigungen der CDU deutlich einzutreten, gehöre ebenso dazu wie das Gespräch mit den Parteifreunden. Als Kreisvorsitzende müsse sie ohnehin die Aufgaben abstimmen, so etwa bei der Wahl von hauptamtlichen Bürgermeistern oder eines Landrats. "Man muß deutlich sagen, was man nicht kann. Die Bürger erwarten das", unterstreicht Marie-Luise Fasse. Schließlich gebe es stets genügend Fachleute, deren Rat man einholen könne. "Die CDU ist zum Beispiel die einzige Partei, die aktive Landwirte als Landtagsabgeordnete im Fachausschuß hat."
    Entspannung findet die CDU-Politikerin beim Lesen und klassischer Musik, auch singt sie gern im Kirchenchor. "Leider habe ich nicht mehr so viel Zeit dazu." Aber Zeit für Ausflüge auf dem Fahrrad beschafft sie sich auch immer mal wieder. "Das war uns bei Pättkestouren in der alten westfälischen Heimat ebenso vertraut wie nun am Niederrhein." Manchmal fährt sie auch mit den Kindern ihrer jüngsten Schwester am Rhein entlang. "Dabei sieht man immer wieder Dinge vor Ort, die für die Arbeit wichtig sind." Und es klingt fast wie das Erfolgsgeheimnis der CDU-Politikerin, wenn sie sagt, daß Politik Ideen, Kraft, vor allem aber Spaß an der angenommenen Aufgabe braucht.
    Peter Weigert

    ID: LI980460

  • Porträt der Woche: Irmgard Mierbach (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 3 - 10.02.1998

    "Es ist wichtig, daß Frauen auch in den politisch entscheidenden Ausschüssen vertreten sind und sich nicht auf den Bereich Schule und Sozialpolitik abdrängen lassen", sagt Irmgard Mierbach. Für die zierliche SPD-Landtagsabgeordnete im Düsseldorfer Landtag ist klar, daß es nicht nach der Devise gehen darf: "Schule und Soziales sind das Metier der Frauen, und da, wo die Musik bestellt wird, da spielen die Männer." Deshalb hat die Sozialdemokratin aus Leverkusen auch für einen Platz im Finanzausschuß gekämpft. So ganz einfach war das nicht. Aber ihr Vorgänger Horst Henning habe sie frühzeitig auf die Bedeutung des Gremiums aufmerksam gemacht. "Der Ausschuß ist nicht besonders publikumswirksam, und außerdem ist er sehr arbeitsintensiv", wußte die Abgeordnete also von vornherein. "Aber es handelt sich um einen der wichtigsten und einflußreichsten Ausschüsse, die es im Landtag gibt. Wer da drin sitzt, weiß, wo es politisch langgeht."
    Zwar bedauert Irmgard Mierbach ein bißchen, daß die guten Zeiten vorbei sind, wo die Finanzausschußmitglieder noch wie mit der Gießkanne Wohltaten über das Land regnen lassen konnten, aber ihr Insiderwissen möchte sie nicht missen. Auch wenn es heute eher so sei, daß die Mitglieder des Finanzausschusses als die Buhmänner des Parlamentes erschienen. Wenn sie ihren Kämmerer in Leverkusen anrufe, stöhne der als erstes: "Nein, bitte nicht schon wieder eine schlechte Botschaft." Andererseits könne sie als Finanzausschußmitglied doch das eine oder andere für ihren Wahlkreis tun.
    Überhaupt sei dieses Gremium so eine Art "Überausschuß", wo die Grundsatzentscheidungen fielen und die Schwerpunkte der Politik festgelegt würden. Das Arbeitsfeld von Irmgard Mierbach rundet sich ab, weil sie gleichzeitig noch im Unterausschuß Personal des Finanzausschusses und im Ausschuß für Haushaltskontrolle vertreten ist.
    Überhaupt macht ihr die Arbeit im Düsseldorfer Parlament Spaß. Nach zweieinhalb Jahren Abgeordnetendasein sind die Anfangsschwierigkeiten vergessen. Das Zurechtfinden im Rundbau am Rhein bereitet ihr keine Schwierigkeiten mehr. Allerdings hat sie nicht vergessen, wie freundlich Verwaltung und Kollegen ihr als Parlamentsneuling geholfen haben.
    Ein bißchen beneidet sie die westfälischen Kollegen um den guten Kontakt untereinander. "Wir Mittelrheiner machen den Fehler, daß wir nach den Sitzungen zu schnell nach Hause fahren, anstatt den Umgang mit den anderen Abgeordneten zu suchen." Andererseits zieht die Wahlkreisarbeit sie nach den Plenartagen immer wieder rasch nach Leverkusen. "Das ist der zweite Schwerpunkt meines Parlamentarierlebens, und da stecke ich viel Arbeit rein", erklärt sie mit einem leichten Seufzer.
    Während sie bei der Ausschußarbeit einen festumrissenen Themenkreis abzuarbeiten hat, sind die Anforderungen bei der Wahlkreisarbeit ganz unterschiedlich. "Da gibt es Termine beim Einzelhandelsverband oder bei der Polizei. Da kommen Bürger mit ihren Problemen oder Parteifreunde wollen Rat", umreißt sie die unterschiedlichen Arbeitsbereiche. "In jedem Fall bin ich immer auf dem lautenden über das, was in meinem Wahlkreis los ist", resümiert sie zufrieden die positive Seite der Wahlkreisarbeit. Gut informiert ist Irmgard Mierbach auch deswegen, weil sie noch Ratsmitglied in Leverkusen ist. Dieses Doppelmandat hält sie wegen der Basisbindung für wichtig. Oft werden im Parlament Entscheidungen mit großen Auswirkungen auf die Kommunen gefällt. "Und die kann man nur mit ausreichender Erfahrung in der Kommune richtig treffen", ist die SPD-Politikerin überzeugt. Niemand sollte ihrer Auffassung nach in den Land- oder Bundestag gehen, ohne zuvor in der Kommune an der Basis mitgearbeitet zu haben.
    Für sich selber überlegt Irmgard Mierbach allerdings, ob sie das Ratsmandat bei der nächsten Kommunalwahl nicht abgeben soll. Zwar begeistert sie ihre Arbeit als Vorsitzende des Kulturausschusses im Leverkusener Rat noch immer, andererseits werden beide Aufgaben mit der Zeit doch etwas viel, zumal es auch viele terminliche Überschneidungen gibt. Die Landtagsarbeit möchte sie gerne weitermachen. Da sie ihren Wahlkreis direkt gezogen hat, wird es wohl auch kaum Schwierigkeiten bei der Wiederaufstellung geben. Dennoch formuliert die SPD-Frau zurückhaltend: "Das werden wir zu Hause alles in Ruhe abklären. Ich hoffe, daß meine Leute mit mir zufrieden sind."
    Ihre Leute, das sind die SPD-Freunde in Leverkusen, die ihr 1995 das Landtagsmandat angetragen haben, nachdem sie seit Mitte der 70er Jahre an der Basis kräftig mitgeackert hat. Die am 10. August 1942 in Pfalzburg geborene Irmgard Mierbach ist eigentlich Rheinländerin. Die Kriegswirren hatten sie und ihre Familie ins Lothringische verschlagen. Aber schon 1944 war sie wieder in Köln. Hier machte sie ihr Abitur und die Ausbildung zur Programmiererin. Dann heiratete sie nach Leverkusen und zog zwei Kinder groß.
    Über die politisch interessierten und in der SPD engagierten Schwiegereltern, die Nachbarschaftshilfe und verschiedene Bürgerinitiativen kam sie dann selber der SPD näher und trat 1964 in die Partei ein. Danach ging es mit der politischen Karriere recht zügig voran. Der SPD-Fraktionsvorsitzende fragte zunächst, ob sie nicht bürgerschaftliches Mitglied im Jugendwohlfahrtsausschuß werden wollte. Als 1975 die Gebietsreform anstand und die Sozialdemokraten eine krisenfeste Mannschaft für mehrere Jahre suchte, zog sie in den Rat der Stadt ein. Als Fraktionsgeschäftsführerin und Vorsitzende des Kulturausschusses wurde die Politik bald zur Profession und der Umzug ins Landesparlament schließlich eine logische Folge.
    Für Hobbys und Freizeit bleibt Irmgard Mierbach heute wenig Zeit. Dennoch liest, wandert und schwimmt sie gern, geht mit Vergnügen ins Theater und nimmt sich Zeit für Freunde. Seit sie nach ihrer Scheidung allein lebt, und die Kinder bereits eine eigene Familie haben, weiß sie, wie wichtig Freunde sind. Gefragt, wo sie denn politisch einzuordnen ist, kommt nach einer kurzen Pause mit einem vergnügten Lächeln die ziemlich präzise Antwort: "Vermutlich gehöre ich zur gestandenen Mitte".
    Gerlind Schaidt

    ID: LI980347

  • Porträt der Woche: Ewald Groth (GRÜNE).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 2 - 03.02.1998

    Als "haltlose Argumente" stuft Ewald Groth (44), Kommunal-Experte der GRÜNEN-Fraktion des Landtags Klagen der Kommunen über eine unzureichende Finanzausstattung ein. Im Zeichen massiver Steuerausfälle kommt es aus seiner Sicht darauf an, diesen Mangel gerecht zu verteilen: "Unter dem Zeichen dieses Mangels sind die Kommunen ausreichend ausgestattet." Nicht gelten läßt er Vorwürfe, das Land lasse die Städte und Gemeinden in ihrer Finanznot im Stich. Denn in den vergangenen zehn Jahren habe sich das Land — auch für die Kommunen — weitaus mehr als diese verschuldet.
    Gut gerüstet sieht Groth die Kommunen für die verwaltungsstrukturreform. Die Kreise und kreisfreien Städte verfügten über ausreichende "Man- und Womanpower", um zusätzliche Aufgaben von höheren Verwaltungsebenen übernehmen zu können. Die Qualifikation der Mitarbeiter dieser Verwaltungen "gebietet es geradezu, ihnen weitere Aufgaben- und Finanzverantwortung zu geben". Wie dies geschehen könnte, erläutert Groth am Beispiel Kindergarten. Wenn der bisherige Wirrwarr ersetzt würde durch eine klare Aufgabenverantwortung der Jugendämter der Kreise und der kreisfreien Städte, dann müßten sie auch die Finanzverantwortung bekommen. Das Land habe sich darauf zu beschränken, Rahmenbedingungen zu setzen. Groth: "Diese müssen so offen gestaltet sein, daß wirklich nur Mindeststandards gewährleistet sind."
    Bei einer solchen Verlagerung von Aufgaben hält Groth eine " Verschlankung" der Mittelinstanzen für möglich und sinnvoll. Die verbleibenden Aufgaben sollten in Regionalverwaltungen gebündelt werden, die gleichzeitig staatliche und kommunale Aufgaben übernehmen und demokratisch kontrolliert werden sollten. Kommunalpolitische Erfahrungen hat Groth mit in den Landtag gebracht, als er 1995 über den 16. Landeslistenplatz in den Landtag einzog. Seit 1989, dem Jahr seines Eintritts in die Partei der GRÜNEN, war er deren Fraktionssprecher im Gemeinderat von Ostbevern, ab 1994 stellvertretender Fraktionssprecher im Kreistag Warendorf. Obwohl er aus einer sozialdemokratischen Familie in der Ruhrgebietsstadt Lünen stammt, ist er nie Mitglied der SPD geworden, sondern über die Friedens- und Antiatomkriegsbewegungen bei den GRÜNEN gelandet. Aus familiären und beruflichen Gründen zog er ins münsterländische Ostbevern, als Sonderschullehrer hat er in Osnabrück und Münster gearbeitet.
    Der Schwerpunkt von Groths Arbeit im Landtag ist die Kommunalpolitik. Ohne Wenn und Aber setzt er sich für ein Kommunalwahlrecht ab 16 Jahren ein: "Das macht Sinn, weil junge Leute sich dann eher beteiligen können und auch eher von Politikern wahrgenommen werden als Wählerinnen und Wähler." Etwas zurückhaltender reagiert er auf die Frage, ob bei Kommunalwahlen die Fünfprozentklausel entfallen sollte. Deren Abschaffung möchte er verbinden mit der Einführung des Kumulierens und des Panaschierens in das Kommunalwahlrecht. Dies ist allerdings mit den Sozialdemokraten zumindest in der laufenden Legislaturperiode nicht zu machen.
    Im Münsterland ist der Vater von zwei Kindern zu einem begeisterten Radfahrer geworden. Gern wandert er auf Nordseeinseln oder im Gebirge, gelegentlich klettert er auf hohe Berge.
    Ludger Audick

    ID: LI980231

  • Porträt der Woche: Volkmar Klein (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 20.01.1998

    "Trotz all unseres Wehklagens, uns geht es doch hundertfach besser als jenen Menschen in den Entwicklungsländern", betont Volkmar Klein immer wieder. Der CDU-Landtagsabgeordnete war jüngst privat in Ghana und besuchte CVJM-Freunde, die dort an mehreren Projekten tätig sind. Aus der christlichen Verantwortung heraus besteht für ihn die Verpflichtung, sich nicht nur um die Probleme der heimischen Bevölkerung zu kümmern, sondern auch um die Menschen in jenen Ländern. So freute sich der Abgeordnete auch, daß seine Fraktion ihn in den Ausschuß für Europa- und Eine-Welt-Politik berief.
    Geboren am 13. Januar 1960 in Siegen, absolvierte Volkmar Klein das Gymnasium und studierte Volkswirtschaft an der Universität Bonn. Als Diplom-Volkswirt war der Burbacher längere Zeit bei einer Beratungsfirma im australischen Melbourne tätig, seit 1989 ist er leitender Mitarbeiter eines Klinikunternehmens.
    Mit der Politik kam der Abgeordnete schon früh in Berührung, zunächst als Schülersprecher, dann als Bezirksvorsitzender der Jungen Union im Sauer-/Siegerland. 1984 wurde der Christdemokrat in den Rat der Gemeinde Burbach gewählt, wo sein Interesse insbesondere dem Finanzbereich galt. Von 1992 bis zu diesem Jahr war er Bürgermeister seiner Heimatgemeinde. Im Rahmen der neuen Gemeindeordnung berief Burbach einen hauptamtlichen Bürgermeister.
    Im CDU-Kreisvorstand Siegen/Wittgenstein aktiv, bewarb sich Volkmar Klein vor der letzten Landtagswahl 1995 erfolgreich um ein Mandat im Düsseldorfer Landesparlament. Der Grund war vor allem seine kommunalpolitische Erfahrung, daß viele Entscheidungen am Rhein getroffen würden, die vor Ort kaum noch geändert werden könnten. "Das fällt in einer kleinen Gemeinde um so stärker auf, weil dort der Eindruck entsteht, daß die Landespolitik sich insbesondere an den Großstädten orientiert." Im Haushalts- und Finanzausschuß versteht sich der Burbacher denn auch als "Interessenvertreter" der Regionen abseits der Ballungsräume. "Die Gelder müssen gerechter über das ganze Land verteilt werden." Angesichts der desolaten Finanzlage des Landes fordert der Christdemokrat mehr Mut der Landespolitiker auch zu unpopulären Entscheidungen. "Wir dürfen unsere Politik nicht danach ausrichten zu gefallen."
    So kritisiert er beispielsweise den erheblichen bürokratischen Aufwand für die Zuweisung von Kleinstbeträgen an die Kommunen. Es sei ärgerlich, daß das Land Büchereistellen mit einem jährlichen Kostenaufwand von 4,5 Millionen Mark unterhalte, die für die Sechs-Millionen-Förderung der kommunalen Bibliotheken zuständig seien. Diese Stellen müßten dringend abgeschafft werden, fordert der Abgeordnete. Schließlich sei der Sachverstand der Gemeinden so groß, daß sie keinen "Vormund" vom Land benötigten. Nach seiner Einschätzung gebe es noch viele Beispiele von unnötigem Geldausgeben. "Wir müssen alle Einrichtungen und Programme des Landes radikal durchforsten."
    In der Freizeit widmet sich der Familienvater vor allem seinen Kindern — zwischen einem und neun Jahren alt. Da sieht man ihn zusammen mit seinen Sprößlingen Kaninchenställe oder Hütten hinter dem Wohnhaus bauen. Auch im großen Repertoire von Spielen kennt sich der Abgeordnete aus. Für sein eigentliches Hobby, den Kanu-Sport, bleibt dann allerdings kaum noch Zeit.
    Jochen Jurettko

    ID: LI980137

  • Porträt der Woche: Friedrich Schepsmeier (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 21 - 23.12.1997

    Friedrich Schepsmeier rechnet sich zu den Teutonen. "Wie bitte?" der Abgeordnete aus dem fernsten Winkel des Landes klärt umgehend auf: " Teutonen — so nennen sich die dreizehn Fraktionsmitglieder aus Ostwestfalen." Und weiter: "Wir halten gut zusammen." Wenn Sitzungswochen sind, reservieren die Teutonen Bahnabteile. Die erste Gruppe, zu der Schepsmeier gehört, steigt in Minden ein, der Rest folgt im Hauptbahnhof Bielefeld.
    Wegen der vergleichsweise weiten Anreise nach Düsseldorf — die Bahn braucht drei Stunden — sitzt Schepsmeier in der sitzungsfreien Zeit nicht im Landtagsbüro. Und wenn er in Düsseldorf das Mandat wahrnimmt, dann übernachtet er während der Woche dort. Das Dorf Wehe, das zu Rahden gehört, ist für ein tägliches Hin und Her zu weit weg von der Landeshauptstadt.
    Schepsmeier kommt vom Lande. Daheim bewohnt er mit Frau und drei Kindern zwischen sechs und vierzehn Jahren ein umgebautes Schulhaus nebst 3 800 Quadratmetern Grundfläche. Bienen und Hühner komplettieren das rustikale Leben, das Schepsmeier, der als Student die Großstadt Bielefeld kennengelernt hat, jetzt genießt.
    Sein Vater hatte ein paar Jahre im Nebenerwerb Landwirtschaft betrieben. Sechs Hektar bewirtschaftete die Familie damals. Als Brotberuf diente das Bäckerhandwerk. Die Schepsmeiers zählten sich damals zu den kleinen Leuten. Das bekam der junge Friedrich im Gymnasium manchmal zu spüren, nicht von den Klassenkameraden, vielmehr von einigen Lehrern.
    Noch heute erinnert sich der 1949 geborene Politiker daran, wie sich manche Herren Studienräte über die leicht abgewetzte Kleidung des Schülers Friedrich oder das Fehlen eines kompletten Lexikons zu Hause mokierten.
    So etwas prägt nicht nur empfindsame Naturen. Friedrich Schepsmeier erlebte das Dilemma fehlender Chancengleichheit. Fortan empfand er sozialdemokratisch. Mit 17 Jahren schloß er sich der SPD an. Schon in der Schule nannte man ihn den Roten Zar. Viel später schulmeisterte ihn, den Jungsozialisten, Helmut Schmidt auf dem Bundesparteitag 1973. Die Jusos hatten ein Gegenkonzept zum ökonomischen Langzeitprogramm der Partei-Granden vorgelegt.
    Von der 68er Aufbruchstimmung wurde auch Schepsmeier angesteckt. Man habe nach Berlin zur APO geschaut, sei aber noch ein bißchen zu jung gewesen, um dazuzugehören. Heute vermißt Schepsmeier die geistige Regsamkeit jener Aufbruchjahre. Der politische Betrieb erschöpfe sich zu sehr im Tagesgeschäft.
    Schepsmeier, der Gymnasiallehrer für Mathematik und Soziologie, betrachtet sich nicht als Intellektuellen. "Den einen klingt das etwas überheblich, den anderen wie ein Schimpfwort", meint er. Er dürfe die Bodenhaftung nicht verlieren, erst recht nicht in einem Wahlkreis mit sechs Gemeinden mit jeweils zwischen sieben und zwölf Ortschaften sowie regem Vereinsleben. "Das Grußwort des Wahlkreisabgeordneten darf nicht länger als fünf Minuten dauern, dann hockt man sich zu den Leuten und muß ganz handfest dabei sein." Der beurlaubte Lehrer beklagt, daß sein Berufsstand und der öffentliche Dienst generell im Landtag und anderen Parlamenten reichlich vertreten sind: "Den anderen Gruppen wird es schwergemacht."
    Schepsmeier, der ein enges Verhältnis zu seiner evangelischen Kirche pflegt, strebte 1995 nicht mit vollster Leidenschaft in den Landtag. "Ich bin gestandener Kommunalpolitiker", sagt das Mitglied des Kreistages Minden-Lübbecke. Nachdem der Wahlkreis-Abgeordnete Krumsiek im November 1994 plötzlich verzichtete, habe er sich kurzfristig entscheiden müssen: "Ich hab' halt gesagt, o.k." Er sei ein Pflichtmensch, seine Frau behaupte, er könne nicht leicht nein sagen. Ein Bundestagsmandat kommt für Schepsmeier nicht in Frage: "Ich bin auch zu alt zum Umtopfen."
    Im Landtag liegt dem Pädagogen das Schul- und Kindergartenwesen am Herzen. Außerdem will er mit dafür sorgen, daß die Landesgesetzgebung nicht großstadt-orientiert wird, vielmehr die Belange des ländlichen Raumes berücksichtigt. Aktiver Sport und ausgiebige Reiseaktivitäten sind nicht Schepsmeiers Sache. Früher hat er Handball gespielt, heute verspricht er hin und wieder den Söhnen, von denen einer BVB- und ein anderer KSC-Fan ist, gemeinsame Stadionbesuche. Familienvater-Pflichten. Von Fernweh nicht sonderlich geplagt, möchte er doch einmal die USA kennenlernen. Auch Italien reizt ihn, Spanien hingegen gar nicht.
    In der Freizeit liegt Schepsmeier daran, das große Grundstück in Ordnung zu halten. Die Lust anzupacken, korrespondiert mit dem Hang zur Literatur. Thomas Manns Opus hat er gelesen, Bölls Werk dergleichen. Aus dem Roten Zar aus Quartaner- und Tertianer-Zeiten ist mit den Jahren ein besonnener Sozialdemokrat und Familienmensch geworden: geistig interessiert und der Scholle verhaftet.
    Reinhold Michels

    ID: LI972129

  • Porträt der Woche: Gerhard Wirth (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 20 - 16.12.1997

    Es ist außergewöhnlich, ausgerechnet über ein Hobby zur Politik zu kommen: Gerhard Wirth interessiert sich nicht nur für die Fotografie, der SPD-Landtagsabgeordnete ist ein beachteter Porträtist. Als Jugendlicher wurden seine Fähigkeiten nicht nur mit dem Bundes-Fotopreis der Jugend gewürdigt, auch auf zahlreichen Ausstellungen, selbst in Israel, fanden seine Arbeiten große Anerkennung. Als der damals 24jährige Meinerzhagener auch einmal einen SPD-Ratsvertreter fotografierte, fragte der ihn plötzlich: "Hast Du nicht Lust, in die Partei zu kommen?" Und er tat es.
    Seitdem prägt die Partei den Lebensweg des heute 45jährigen. Geboren im märkischen Kierspel, sah Gerhard Wirth seinen beruflichen Wirkungskreis eigentlich im Maschinenbau. Er absolvierte die Werkzeugmacherlehre und besuchte erfolgreich die Fachhochschule. Nach anschließendem zweijährigen Zivildienst wechselte der Meinerzhagener in jenen Bereich, der "mir in den Adern liegt": er studierte Sozialarbeit. Während seines Studiums engagierte sich der Sozialdemokrat bereits in seiner Partei, wurde Vorsitzender der örtlichen Jungsozialisten. Später war er Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten, und seit 1980 ist er Geschäftsführer des SPD-Unterbezirks Märkischer Kreis. Seit 1979 gehört Gerhard Wirth auch dem Rat der Stadt Meinerzhagen an, wo er schon seit zahlreichen Jahren Vorsitzender der SPD-Fraktion ist. Wie auch als Kreistagsmitglied seit 1984, sind Planung und Verkehr die Schwerpunkte seines kommunalen Wirkens. 1990 in den Landtag gewählt, holte der SPD-Abgeordnete auch fünf Jahre später den Wahlkreis 148, Märkischer Kreis l, für seine Partei. Auch im Landesparlament gilt sein Interesse dem Verkehrs- und Baubereich, in deren zuständigen Ausschüssen er ist.
    Wenn es nicht zu einem Verkehrskollaps kommen solle, so müsse der Verkehr stärker von der Straße auf die Schiene "umdirigiert" werden, meint er. Daran mitzuarbeiten, hält der Meinerzhagener für eine seiner wichtigsten Aufgaben, nicht zuletzt aus Umweltschutzgründen. So engagiert er sich beispielsweise für eine Wiederbelebung der in den achtziger Jahren stillgelegten Strecke zwischen Hagen und Gummersbach für den Personenverkehr. Allerdings unterstützt er die Flughafenpolitik des Wirtschaftsministers im Interesse Nordrhein-Westfalens, "weil sonst die Leute nach Amsterdam fahren". Der SPD-Abgeordnete sieht sich als einen Vermittler zwischen dem Land und seinem Wahlkreis. Daher hat er nach eigenem Bekunden auch niemals versucht, die "Karriereleiter in Düsseldorf zu besteigen". Er hält in diesem Zusammenhang seine Zugehörigkeit zum Stadtrat und Kreistag für wichtig, "um mitzubekommen, was da unten passiert". So konnte Gerhard Wirth beispielsweise mithelfen, zahlreiche regionale Probleme mit Hilfe des Landes zu lösen.
    Trotz der zahlreichen politischen Aufgaben möchte der Vater von drei Kindern auch andere Aktivitäten nicht vermissen. "Ich mache gern Politik, aber es gibt auch etwas anderes im Leben." So ist er passionierter Segler, der vor allem die Ostsee und das Mittelmeer liebt. Und wer im Märkischen Kreis und seiner Umgebung eine schwarze "Moto Guzzi" sichtet, auf der siebzig PS starken Maschine könnte Gerhard Wirth sitzen. Aber auch der Wohnwagen ist für ihn ein unverzichtbares Gefährt, wenn das Urlaubsziel mitsamt Familie Griechenland ist.
    Jochen Jurettko

    ID: LI972039

  • Porträt der Woche: Gisela Ley (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 19 - 09.12.1997

    Abstoßend empfindet Gisela Ley Heuchelei, Intrigantentum und Ungeduld. Wieso Ungeduld? fragt man sich. Führt die Gesprächspartnerin die Unterhaltung nicht ohne eine Spur von Hektik, verzichtet sie nicht auffallend auf den verstohlenen Blick zum Handgelenk, dort, wo die Uhr ist? Wirkt sie nicht ganz entspannt an diesem vergleichsweise lebendigen Plenartag — jedenfalls bis zu dem Moment, als ein Fraktionskollege an den Tisch eilt und etwas von Kampfabstimmung sagt? "Nein", sagt Gisela Ley, "das meine ich nicht mit Ungeduld." Wenn es sein müsse, nehme sie sich ausgiebig Zeit, sei sie die Ruhe selbst. Was sie nicht leiden könne und ungeduldig mache, seien wichtige Dinge, deren Erledigung sich hinziehe, sei richtig Erkanntes, bei dem man nicht, zu Potte" komme.
    Tugenden, welche die Sozialdemokratin aus Leichlingen besonders schätzt, sind Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit. In ihrer politischen Arbeit versucht sie, sich danach zu richten. Ein selbstbewußter Blick soll signalisieren, daß es meistens gelingt. Gisela Ley ist in der Großstadt geboren worden und aufgewachsen. Die Düsseldorferin zog 1966 mit ihrem ersten Mann ins beschauliche Leichlingen. Das war eine Entscheidung, die sie bis heute nicht bereut hat. Frau Ley ist überzeugte Kleinstadtbewohnerin, wo der Kontakt der Menschen untereinander noch funktioniere, jedenfalls besser als in der Anonymität der Metropole. Der Kontakt zu Menschen ist ihr äußerst wichtig. Vereinzelung wäre für sie ganz schlimm. Gisela Ley macht nicht den Eindruck einer Betriebsnudel, aber wie ein roter Faden zieht sich durch ihr Leben, besonders das politische, der Wunsch, sogar der Drang, unter Menschen zu sein, ihnen zur Verfügung zu stehen, zu helfen, wo es nötig oder sinnvoll erscheint.
    Die Frau hat ein großes soziales Herz. 1969 entschied sie sich für die SPD-Mitgliedschaft. Eine andere Partei kommt für sie nicht in Frage. Käme es irgendwann einmal dazu, daß ihr die SPD nicht mehr passe, würde sie austreten, nicht jedoch die Partei wechseln.
    Mit dem üblichen "Du", gar der für manche Ohren peinlich klingenden Anrede Genossin bzw. Genosse, hat die Frau, die ladylike wirkt, keine Probleme. "Das stört mich nicht, im Gegenteil, das zeigt ein bißchen unsere Verbundenheit in der Partei." "Im übrigen", fügt sie hinzu, "was kann die alte SPD dafür, daß die Anrede Genosse von den Kommunisten mißbraucht wurde?"
    Zu Beginn ihrer politischen Arbeit fällt die Mutter zweier damals noch kleiner Söhne durch reichlich Engagement in verkehrspolitischen Angelegenheiten auf. Die Kinder gingen in Leichlingen in den Kindergarten, dann dort zur Schule. Als Mutter wisse man besser als der ganztägig beschäftigte Vater, wo Gefahrenpunkte an Schul- und Kindergartenwegen lauern, wo ein Radweg not tut. Es sind die kleinen, aber wichtigen Dinge des Alltagslebens, für deren vernünftige Regelung sich die Leichlinger Stadträtin von Anfang an ins Zeug legte — ob im Verkehrsausschuß oder im Sozialausschuß. Ihr Engagement fiel Parteifreunden angenehm auf, so angenehm, daß bald schon die Mitgliedschaft im Kreistag folgte.
    Mindestens dreimal im Monat ruft Gisela Ley zur Bürgersprechstunde. Einmal pro Jahr lautet das Angebot an alle: Kaffeeklatsch mit Gisela. Da kommen sie dann mit ihren großen und kleinen Sorgen, und Gisela Ley hört viel zu und freut sich später riesig, wenn sie das eine oder andere im Sinne ihrer Kaffeegäste erledigen konnte.
    Sie geht nicht gerne mit der Brechstange vor, eher mit weiblicher Klugheit, was einschließt, auch mal einen Schritt zurückzutun im Wissen, hernach zwei Schritte weiter zu kommen. Die Frau bezeichnet sich als Pragmatikerin. Kein ideologisch gefärbter Ton kommt ihr im ausgiebigen Gespräch über die Lippen. Sie versteht sich als emanzipierte Frau, ohne das Wort "Emanzipation" wie eine Standarte vor sich her zu tragen. Schon die Mutter habe ihr und den beiden Schwestern eingetrichtert, daß es für Mädchen genauso wichtig sei wie für Jungen, beruflich auf eigenen Beinen zu stehen. Gisela Ley wurde Bürokauffrau, ging, wiederum auf gutes Zuraten der Mutter, 1959 für zwei Jahre nach London. Hätte sie heute noch einmal zu wählen, würde sie Psychologie studieren. Faszinierend sei für sie, das Wesen der Menschen zu ergründen. Wohl auch deshalb übernahm sie 1988 eine neue berufliche Aufgabe in der Rheinischen Landesklinik Langenfeld, von der sie beurlaubt ist, seit sie 1995 in den Landtag gewählt wurde. Die Arbeit im Düsseldorfer Landtag sei die logische Fortsetzung dessen, was sie in zwei Jahrzehnten kommunalpolitischer Tätigkeif erreicht habe. Da drängt sich dann die Frage auf, ob nicht die Kandidatur für den Bundestag eine weitere logische Fortsetzung wäre. Das Nein folgt prompt. Im Bundestag würde sie den Bezug zu den Menschen doch stärker verlieren, allein schon wegen der größer geschnittenen Wahlkreise.
    Daß die Unlust am Bundestag vielleicht auch damit zu tun haben könnte, daß der demnächst nicht mehr in gemütlichen rheinischen Gefilden tage, bestreitet Gisela Ley mit dem Satz: "Berlin würde mich als alte Reisetante nicht stören." Beim Stichwort "Reisen" räumt die Touristikkauffrau ein, daß ihr manche Gegenden der Erde noch fremd seien, sie beispielsweise sehr gerne Südostasien kennenlernen möchte. "Sie wissen, wenn man Kinder hat und großziehen muß, dann bleibt eben mancher Reisewunsch unerfüllt." Das bejammert sie nicht, findet es ganz normal. Mit 65 Jahren wird Gisela Ley, die gerne eine zweite Legislaturperiode in Düsseldorf sein möchte, der Politik "tschüs" sagen. Spätestens dann folgt der Trip nach Südostasien.
    Reinhold Michels

    ID: LI971965

  • Porträt der Woche: Bernd Schulte (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 18 - 25.11.1997

    In die Lüdenscheider Kommunalpolitik zog es den damals 25jährigen Christdemokraten Bernd Schulte anno 1975 mit dem Anspruch, "den Oberen mal zu zeigen, wie man richtige Opposition macht". Die Sache scheiterte: Die "Schwarzen" gewannen überraschend die Kommunalwahlen und beendeten die 19jährige Vorherrschaft der Sozialdemokraten. Seit 1994 "kann der Oppositionsanspruch verwirklicht werden", schmunzelt Schulte leicht gequält. Da nämlich ging der Lüdenscheider Union mit dem Koalitionspartner FDP auch die Macht im Rat "verloren".
    Der gelernte Diplom-Verwaltungswirt fand schon 1969 zur CDU. Ausgerechnet in der Zeit, als die unruhigen "68er" Jugend und Studenten in ihren Bann zogen, entdeckte Schulte sein Alternativ-Modell bei den Konservativen. Bereits ein Jahr später war Schulte CDU-Vorstandsmitglied im Stadtverband Lüdenscheid, 1975 Vorstand im Märkischen Kreis. Da hatte er längst schon an der Seite Matthias Wissmannns im Bundesvorstand der Jungen Union gesessen.
    Mit Unterstützung der Jung-Unionisten versuchte Schulte schon 1975 naßforsch den Durchmarsch in den Düsseldorfer Landtag — vergeblich. "Ich war damals zu jung und zu grün", weiß der Lüdenscheider heute rückblickend. Die 20jährige Berufsphase als Verwaltungsbeamter der Stadt Lüdenscheid und beim Evangelischen Kirchenkreis sei mehr als wichtig für die eigene Entwicklung gewesen. "Daß es erst 1995 klappte, bereue ich nicht."
    Im Düsseldorfer Landtag bleibt der 47 jährige den alten Leidenschaften treu. Bauen, Planen, Stadtentwicklung im Städtebauausschuß, dazu der Ausschuß für Verwaltungsstrukturreform. Besonders bedauert Schulte, daß sich bei der Strukturreform "nichts tut". Trotz großer Gemeinsamkeiten mit der CDU opferten die GRÜNEN ihren Reformeifer leider immer wieder auf dem "Altar der Koalitions-Raison".
    Als CDU-Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Lüdenscheid kennt Schulte die Probleme der "Menschen vor Kohle". Die Wechselwirkung zwischen den Erfahrungen auf Stadt- und Kreisebene und der Landespolitik ist es, die den Abgeordneten am Düsseldorfer Mandat reizt. Wobei die Kommunalpolitiker nach den Erfahrungen des Sauer/anders am Rhein einen schweren Stand haben. "Jeder Kommunalpolitiker, der sich kritisch im Ausschuß meldet, wird als Städte-Lobbyist abgeputzt", weiß Schulte. Allerdings habe sich im Dauerkonflikt zwischen Land und Gemeinden ein parteiubergreifendes Bündnis der Kommunalpolitiker im Landtag zusammengerauft.
    Die geplante Übertragung von Zuständigkeiten auf die Kommunen versteht Schulte denn auch weniger als Entgegenkommen des Landes. "Das Diktat der leeren Kassen zwingt das Land, Aufgaben auf die unteren Ebenen abzuwälzen. Im Gegenzug werden die Kommunen dann von kostspieligen Auflagen befreit."
    Richtig sauer wird der Lüdenscheider, wenn er auf die Benachteiligung des ländlichen Raumes durch das Land zu sprechen kommt. "Wir werden deutlich schlechter gefördert als die SPD-Hochburgen im Ruhrgebiet", klagt Schulte. Derzeit entwickelt der CDU-Bezirk Sauer-/Siegerland eine neue Strategie für die fünf südwestfälischen Kreise, um sich mehr Gehör zu verschaffen. Am Beispiel der Polizeireform zeichnet der CDU- Abgeordnete die Probleme der ländlichen Region auf: NRW wolle weitere Polizeiwachen schließen und werde die Präsenz der Polizei auf dem Land damit verschlechtern. Wenn zudem künftig Polizeibehörden kreisübergreifend arbeiten müßten, werde der direkte Draht des Bürgers zur Polizei verlängert. Schulte: "Die Sicherheit leidet."nd auch mit dem "Großstadt- Sozialdemokrat" Michael Vesper (GRÜNE) hat Schulte seine Schwierigkeiten. Der Bauminister wolle den öffentlich geförderten Miet- und Geschoßwohnungsbau gezielt im Umkreis von Bahn-und Bushaltestellen ansiedeln. "Taktdichten und Bahnlinien wie in den Großstädten können ländliche Gemeinden aber nicht bezahlen", kritisiert Schulte. Und dann gerät der ruhige CDU-Politiker in Rage: NRW solle den Wohnungsbau deshalb besser dort fördern, wo die Gemeinde einen Siedlungsschwerpunkt ausweise. Fleißig wie eine Ameise wechselt der Multifunktionär zwischen seinen Ämtern als CDU-Fraktionschef in Lüdenscheid, Mitglied im CDU-Bezirks- und Kreis- und Stadtvorstand. "Für Hobbys bleibt da nicht viel Zeit", klagt der verheiratete Politiker. Ausgleich findet Schulte in Garten und freier Natur. Vielleicht rührt daher die geistige Nähe zu manch grünem Gedanken. "Es gibt Berührungspunkte mit den GRÜNEN —, aber noch ist das Wasser zu tief." Heute sei die Zeit für eine schwarzgrüne Zusammenarbeit auf Landesebene nicht reif. Que sera, was wird sein?
    Wilfried Goebels

    ID: LI971869

  • Porträt der Woche: Dietrich Thiede (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 17 - 04.11.1997

    Unter den vielen Millionen Deutschen, die 1945 aus den damaligen Ostprovinzen flüchteten oder ausgewiesen wurden, war auch der gebürtige Schneidemühler Dietrich Thiede. Damals acht Jahre alt, verschlug es ihn mit seiner Mutter und den zwei Geschwistern von Pommern nach Westfalen. Unter den damals schwierigen Bedingungen absolvierte er in Herford die mittlere Reife, besuchte die Handelsschule, machte die Ausbildung zum Speditionskaufmann und wurde später Versandleiter einer Möbelfabrik.
    Ende der sechziger Jahre fand der heutige CDU-Landtagsabgeordnete ein neues Tätigkeitsfeld, das auch seinen persönlichen Interessen entsprach: Er wurde Berufsberater und widmete sich bis zu seinem Einzug ins Landesparlament 1995 insbesondere behinderten arbeitssuchenden Jugendlichen. Eine ehrgeizige Aufgabe.
    Erst als 35jähriger trat Dietrich Thiede der CDU bei — als "Protest gegen die damalige Ostpolitik der Brandt-Regierung", wie er sich heute noch erinnert. Bereits knapp drei Jahre später wurde der Herforder in den Kreistag gewählt und engagierte sich dort aufgrund seiner beruflichen Erfahrung im Schulbereich. Seit 1989 ist er stellvertretender Landrat und gleichzeitig Mitglied der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe. Seine dortigen Schwerpunkte: Jugend- und Gesundheitspolitik. Und in der Partei folgte dem Vorsitz der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) 1979 der des CDU-Kreisverbandes. Dieses Führungsamt hat Dietrich Thiede auch heute noch inne.
    Im zweiten Anlauf schaffte es der Christdemokrat über die Landesreserveliste im Mai 1995 in den Landtag einzuziehen. Als "Neuling" habe man es schwer, sich zunächst zurechtzufinden, meint er. Doch Fraktion und Verwaltung halfen ihm, die ersten Hürden zu nehmen.
    Der Herforder engagiert sich heute im Petitionsausschuß und im Ausschuß für Kommunalpolitik — übrigens, zwei "Wunsch-"Gremien. So könnten die Parlamentarier im Petitionsausschuß vielen Klagen der Bürger nachgehen und ihnen bei berechtigten Anliegen auch helfen. Insbesondere der Sozialbereich sei so kompliziert, daß selbst ein guter Rat für zahlreiche Hilfesuchende von Nutzen sei.
    Nach wie vor beschäftigen den CDU-Abgeordneten aber auch jene Jugendlichen, die bei der rasanten technischen Fortentwicklung auch den steigenden Anforderungen der Schule nicht mehr gewachsen sind und sie ohne einen Abschluß verlassen. Sie finden dann keine Lehrstelle. Der CDU-Politiker fordert daher ein Umdenken in der Ausbildungspolitik. Bei der Schaffung neuer Ausbildungsgänge müsse man auch an jene Jugendlichen denken. "Das muß doch in einer arbeitsteiligen Gesellschaft möglich sein."
    Einst selbst am Schlagbaß in einer Band, ist Dietrich Thiede auch heute noch ein begeisterter Jazz- Hörer. Für den Besuch von Konzerten bleibt allerdings kaum Zeit. Denn neben der parlamentarischen Tätigkeit im Landtag und Kreistag widmet sich der CDU-Kreisvorsitzende auch den neun Ortsverbänden seiner Partei. So bleibt schließlich meist nur die Gartenarbeit als willkommener Ausgleich zu einer terminprallen Woche.
    Jochen Jurettko

    ID: LI971750

  • Porträt der Woche: Elke Talhorst (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 16 - 28.10.1997

    Für sie sind Respekt und Achtung auch gegenüber politischen Gegnern sehr wichtig: Elke Talhorst, SPD-Landtagsabgeordnete aus dem niederrheinischen Moers lehnt denn auch "rhetorische Zuschläger" kategorisch ab, und sie mußte nach eigenem Bekunden während ihrer gut zweijährigen Parlamentszugehörigkeit erst lernen, mit dem oftmals "rüden Ton" zwischen den Fraktionen umzugehen.
    Das Streben nach Gemeinsamkeit auch im politischen Bereich entspricht nicht nur dem Naturell der gebürtigen Bochumerin ("ich bin kein Inselmensch"), es leitet sich auch aus ihrer Erkenntnis ab, daß es nicht nur "eine Wahrheit" gebe. "Wir können nicht alles wissen, um ein Problem gerecht zu lösen: dabei müssen uns andere mithelfen." Nach der mittleren Reife und dem Besuch der Handelsschule absolvierte Elke Talhorst, Jahrgang 1945, erfolgreich die Ausbildung als Industrie-Kauffrau. Der anschließende Berufseinstieg "verzögerte" sich allerdings. Sie wurde Mutter. Als ihr Sohn dann sechs Jahre wurde, trat sie wieder ins sogenannte Erwerbsleben ein, besuchte einen Verwaltungslehrgang bei der Bundesknäppschaft Moers und war dann als Sozialversicherungsfachangestellte tätig.
    Als 27jährige trat die Moerserin in die SPD ein, "weil damals Brandt die Vision von einer menschenwürdigen Gesellschaft vermittelte, an der ich mitarbeiten wollte". So engagierte sie sich zunächst im Ortsverein, hatte später etliche Führungspositionen im Unterbezirk Wesel inne, und bereits seit 1983 gehört sie dem niederrheinischen Bezirksvorstand an.
    Ihre Partei nominierte Elke Talhorst 1979 für den Rat der Stadt Moers, dem sie noch heute angehört und wo die Schwerpunkte ihrer kommunalpolitischen Tätigkeit die Bereiche Personal und Finanzen sind. In der Vergangenheit engagierte sich die Sozialdemokratin auch für die Behinderten. Auch sie können nach ihrer Einschätzung Höchstleistungen vollbringen, die von den nichtbehinderten Menschen aber nicht beachtet würden. Von 1989 bis 1994 war sie auch Mitglied des Weseler Kreistages.
    Als ihre Partei die heutige Abgeordnete vor den Landtagswahlen 1995 fragte, ob sie für das Düsseldorfer Landesparlament kandidieren wolle, erbat sie sich längere Bedenkzeit. Mit den sprichwörtlichen "preußischen Tugenden" ausgestattet, fragte sich die Moerserin, ob sie für diese neue Aufgabe die erforderliche Qualifikation habe und auch die mit dem Landtagsmandat verbundene politische Verantwortung übernehmen könne. Mit 57,1 Prozent eroberte Elke Talhorst schließlich den Wahlkreis 65, Wesel IV, für ihre Partei. Die Fraktion berief sie dann in den Haushalts- und Finanzausschuß sowie in das Haushaltskontrollgremium. Eine "gute Politik" zeichne sich aus, indem sie ein solides Finanzgebaren praktiziere. Und dazu will sie in ihrer Ausschußarbeit beitragen. Auch gehört sie bereits dem Fraktionsvorstand an.
    Vielfältig wie ihr politisches Engagement ist auch die Gestaltung ihrer Freizeit. So radelt die Abgeordnete gern mit ihrem Ehemann durch die niederrheinische Landschaft und "läßt gemeinsam die Seele baumeln". Sie greift ebenso gerne zu einem Buch, von Graham Greene bis Alice Schwarzer. Und wenn irgendwo ein Rockkonzert veranstaltet wird, kann man sie als begeisterte Zuhörerin in den vorderen Reihen sehen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI971649

  • Porträt der Woche: Michael Breuer (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 15 - 08.10.1997

    Der Abgeordnete Breuer gehört zu der stattlichen Schar jüngerer Politiker in der CDU, die noch längst keine "40" auf dem Buckel haben, aber dennoch unübersehbar in die Verantwortung drängen. Michael Breuer (den zweiten Vornamen Thomas führt er zwecks Unterscheidung vom Vater, der ebenfalls Michael heißt) ist erst 31 Jahre alt. Er machte Abitur, als Helmut Kohl schon drei Jahre Bundeskanzler war und 22 Jahre an der Spitze der CDU Deutschlands stand. Wiewohl Breuer dem imaginären Kohl-Fanclub nicht angehört, spricht er doch voller Respekt über die politische Statur des Pfälzers. Breuer teilt dazu Kohls Optimismus, was einen erneuten Sieg bei der Bundestagswahl am 27. September kommenden Jahres angeht. Der Kanzler werde es wieder schaffen, wie schon so oft in der Vergangenheit. Breuer hat Kohl auf Deutschland-Tagen der Jungen Union und bei zahlreichen CDU-Bundesparteikongressen erlebt. Das sei schon eine beeindruckende Persönlichkeit, sagt der junge Landtagsabgeordnete aus dem Erftkreis.
    Als Vorbild betrachtet er Kohl nicht. Schon gar nicht möchte er Politik derart wie Kohl zum Lebensinhalt von jungen Jahren an werden lassen. Überhaupt: Das Wort "Vorbild" erscheint dem studierten Volkswirt, der in Bonn beim späteren Nobelpreisträger Reinhard Selten Examen gemacht hat, in Bezug auf jede denkbare andere Person als zu hoch gegriffen.
    Michael Breuer kommt vom Dorf, genauer aus Ahrem bei Lechenich, das wiederum zu Erftstadt gehört. Zuhause wuchs er zusammen mit drei Schwestern, zwei älteren und einer jüngeren auf. Der Vater ist Rheinländer, die Mutter stammt aus Oberschlesien. Politik, besonders Kommunalpolitik war im Haus von Stadtrat Breuer senior Gesprächsstoff. Das junge Leben von Breuer junior verlief in bürgerlich-geordneten Bahnen. Aktiver Fußballer bei Rot-Weiß Ahrem, Meßdiener, regelmäßiger Kirchgang, Gymnasiast in Lechenich, Eintritt in die Junge Union als Abiturient 1985, wenig später Mitgliedschaft in der CDU.
    Mit 20 Jahren gab Breuer das Fußballspielen auf, heute schaut er gelegentlich bei Heimspielen von Borussia Mönchengladbach, seinem rheinischen Lieblingsverein, zu. Die freie Zeit ist knapp geworden. Das Bücherlesen beschränkt sich beinahe auf die Ferien. Jogging als Ausgleichs- Aktivität zu der vielen Schreibtischarbeit kommt auch nur an den Wochenenden vor. "Ja", sinniert der Politiker im Gespräch, "wenn man so darüber redet, stellt man fest, wie wenig Hobbys einem geblieben sind." Breuer wird dabei nicht melancholisch, er ist ein eher lockerer Typ, wie das heute heißt, ein positiv Denkender, kein Grübler.
    Im Landtag, dem Breuer seit 1995 angehört, wurde er gleich zu Beginn mit Arbeit gut versorgt. Er gehört den Ausschüssen für Haushaltskontrolle, für Wissenschaft und Forschung, für die Verwaltungs-Strukturreform sowie als stellvertretendes Mitglied dem Haushalts- und Finanzausschuß an. Besonders die älteren Kollegen seien zu Anfang sehr hilfsbereit gewesen. Der Wirtschaftsfachmann ist klug genug, nicht erkennen zu lassen, wie ihn der oft fehlende ökonomische Sachverstand im Parlament irritiert. Er weicht der entsprechenden Frage aus mit dem Hinweis, es sei schade, wie wenig klar den Leuten generell die Konsequen von Haushalts- und Finanzpolitik seien. Er bemühe sich, die komplexen Sachverhalte so einfach wie möglich darzustellen. Breuer, der eine Ader für wissenschaftliches Arbeiten in seinem Fach hat (er war zweieinhalb Jahre am Institut für Mittelstandsforschung tätig) arbeitet seit 1993 auf Stundenbasis für eine Kölner Wirtschaftsberatungs-Gesellschaft. Er kann sich gut vorstellen, einmal ein Unternehmen zu leiten oder gar ein solches zu gründen. Dann wäre allerdings Schluß mit der Politik. In Kampflaune gerät der CDU-Mann, wenn er über die nötige Verwaltungs-Strukturreform und diejenigen, die dabei auf der Bremse stehen, spricht. "Wir sind in den Behörden noch Kilometer weit weg von der Dienstleistungsgesellschaft; haben Sie schon einmal versucht, nach 17 Uhr in einem Amt auch nur eine Nachricht zu hinterlassen?"
    Breuer ist Optimist genug, seiner Partei in NRW eine bessere Zukunft vorauszusagen. Man müsse nur die riesigen Defizite der Landesregierung glasklar herausstellen. Fleißarbeit und eine konsequente Oppositionspolitik seien nötig. "Schauen Sie sich die niedrige Investitionsquote in NRW an, das ist doch erschreckend. Schauen Sie sich die Vorbehalte gegen Gen- und Biotechnologie bei Rot/Grün an." Ein klares Bekenntnis zum Euro ist für den Politiker und Volkswirt selbstverständlich. Natürlich zeigt er sich schlüssigen ökonomischen Argumenten, etwa des Bundesbankpräsidenten und anderer Fachleute gegenüber aufgeschlossen. Indes: Wichtiger als alle wirtschaftswissenschaftlichen Einwände ist ihm die politische Bedeutung der europäischen Union, "dem entscheidenden Thema meiner Generation", wie Breuer formuliert. Der Euro müsse kommen. Es fehlte nicht viel, und er hätte wohl ein Kohl'sches "Punkt, Aus, Feierabend" hinzugefügt.
    Der Abgeordnete kritisiert Politiker, die es nicht fertigbringen, den Menschen überzeugend die Vorteile der europäischen Währung zu erklären. Es fehle an Aufklärung über den Euro.
    Der 31jährige Erftstädter ist verheiratet und noch kinderlos, wie er erzählt. Der Freundeskreis ist nicht CDU-lastig. Anders als vielen seiner Mitmenschen liegt Breuer nicht sonderlich viel daran, zu verreisen. "Einmal Urlaub im Jahr — das ist mir eigentlich genug, aber ich vermisse auch nichts, wenn ich mal ein oder zwei Jahre lang keine Urlaubsreise gemacht habe."
    Reinhold Michels

    ID: LI971548

  • Porträt der Woche: Michael Scheffler (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 14 - 30.09.1997

    Wäre Michael Scheffler ein Gebrauchtwagenhändler — man würde ihm wohl unbesehen ein Auto abkaufen, so rechtschaffen und offen und auch etwas bieder wirkt der SPD-Abgeordnete auf Anhieb. Nicht in den Landtag, wo er seine Wichtigkeit inszenieren könnte, bittet er zum Interview, sondern zu sich nach Hause in Iserlohn. Handwerker haben das Heim gerade in eine Baustelle verwandelt, die Kinder lärmen, doch Michael Scheffler läßt sich von all dem Trubel wenig beirren. Bedächtig und unprätentiös gibt er Auskunft. Der Mann scheint in sich zu ruhen, und man spürt: Hier, in der Familie und seiner sauerländischen Heimat, hat der Vater dreier Kinder seinen Mittelpunkt.
    Ganz in der Nähe, in Letmathe, heute ein Stadtteil Iserlohns, wurde Scheffler 1954 geboren. Im benachbarten Hohenlimburg absolvierte er nach der mittleren Reife eine Lehre zum Industriekaufmann bei Hoesch, wo er bis 1987 als Sachbearbeiter beschäftigt war. In die SPD trat er 1971 als Sechzehnjähriger ein. Im Unterschied zu vielen Sozialdemokraten seiner Generation, die dem akademischen Milieu entstammten und damals die theoretische Diskussion in die Partei trugen, ging es Scheffler stets mehr ums Praktische. Deswegen gehörte er zum Beispiel auch der Jugendvertretung bei Hoesch an und füngierte später als Vertrauensmann der IG Metall. "Ich wollte immer etwas Konkretes für die Menschen tun, persönliche Hilfe leisten", beschreibt er seine Motivation.
    Schefflers Hang zum Pragmatischen zeigt sich auch in seinem frühen Engagement in der Kommunalpolitik. Bereits mit 21 Jahren war er sachkundiger Bürger im Iserlohner Rat. Mit 30 wurde er ordentliches Ratsmitglied und zugleich zweiter stellvertretender Bürgermeister. Dem Rat gehört er nach wie vor an. Außerdem ist er inzwischen Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Märkischer Kreis und Mitglied im SPD-Bezirksvorstand Westliches Westfalen.
    Den Einzug in den Landtag 1995 sieht der bisherige Kommunalpolitiker als eine Art Neubeginn an. "Die haben in Düsseldorf nicht gerade händeringend auf mich gewartet", nimmt er sich selbst auf die Schippe und fügt ernst hinzu: "Man braucht eine gewisse Zeit, die eigene Rolle zu finden. Ich denke, Ich lerne immer noch." Dabei empfindet er es als zusätzliche Herausforderung, "in die großen Fußstapfen" eines prominenten Vorgängers getreten zu sein: Scheffler übernahm den Wahlkreis von Günther Einert, dem früheren Wirtschaftsminister und noch früheren Iserlohner Oberbürgermeister. Zugleich verkörpert der 43jährige damit ein Stück Generationswechsel in der SPD — ein geglücktes obendrein: Wie Einert gewann Scheffler das Mandat direkt.
    Der Aufstieg von der Kommunal- in die Landespolitik bedeutet für Scheffler aber auch so etwas wie einen Wechsel vom Amateur- ins Profilager. Mit dem Einzug ins Landesparlament gab er seinen Job als Geschäftsführer des AWO-Kreisverbandes Hagen-Märkischer Kreis auf, den er seit seinem Weggang von Hoesch innehatte. "Jetzt ist Politik mein Beruf", sagt er eher nachdenklich. Und als wolle er sich selbst versichern, dennoch nicht von seiner inneren Unabhängigkeit eingebüßt zu haben, fügt er an: "Ich könnte mir auch vorstellen, beruflich noch mal was ganz anders zu machen."
    Doch das ist wohl eher vorsorglich gemeint. Noch reizt es den Neu-Parlamentarier viel zu sehr, sein Wissen und seine Erfahrungen aus der Zeit als AWO-Geschäftsführer in Politik umzusetzen. So gehört er dem Landtagsausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales an. "Sozial- und Jugendpolitik hat mich schon immer interessiert", erklärt er und bedauert, daß "die Landespolitik leider nicht alles auffangen kann, was die Bundesregierung beschließt". Ihn bedrücke, sagt er, wie durch die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung vor allem "immer mehr jungen Menschen die Perspektive genommen" werde. Sozialpolitikern wie Rudolf Dreßler, dem stellvertretenden SPD- Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, fühlt sich Scheffler verbunden. Daß dessen Politik in jüngster Zeit zunehmend als "unmodern" gescholten wird, kann er nicht nach vollziehen. Scheffler: "Was ist unmodern daran, sich für diejenigen am unteren Rand einzusetzen, die mittlerweile immer mehr alleingelassen werden?"
    Als Landespolitiker, wie es sein Vorgänger Einert war, fühlt sich Michael Scheffler indes noch lange nicht. "Ich betrachte mich mehr als Vertreter meines Wahlkreises". Wenn zum Beispiel jetzt das Iserlohner Frauenhaus in die Landesförderung aufgenommen worden sei oder die Regierung den Neubau eines Hallenbads genehmigt habe — "dann hat man da schon dran mitgestrickt", sagt er in einer Mischung aus Stolz und Verlegenheit.
    Roland Kirbach

    ID: LI971466

  • Porträt der Woche: Bernard Tenhumberg (CDU).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 13 - 16.09.1997

    Wer wie Bernhard Tenhumberg (CDU) nur wenige Kilometer von der holländischen Grenze entfernt in Vreden (Kreis Borken) zuhause ist, hat sehr konkrete Erfahrungen mit Europa. Da kann seine Aussage kaum verwundern: "Was wir hier im Landtag darüber sprechen, ist ein bißchen weit weg von der Realität." Aus der Nähe stellten sich die Vorteile und die Nachteile ganz anders dar. Da schwingt Kritik mit am Landtagsausschuß für Europapolitik und Entwicklungszusammenarbeit, dem er nicht angehört.
    Der 41jährige aus dem Westmünsterland ist bereit zur Konkretisierung. So führe die Grenznähe zur Wettbewerbsverzerrung etwa im Landschafts- und Straßenbau, die in dem Grenzkreis mittlerweile nahezu alle Unternehmen dieser Branche vom Markt habe verschwinden lassen. Dafür nennt er einige ursächliche Beispiele: Während ein niederländischer LKW 50 Tonnen laden darf, beträgt die Höchstbelastung eines deutschen Lastwagens gleichen Typs nur 40 Tonnen. Alter Straßenteer muß in Deutschland in geschlossenen Hallen entsorgt werden, während die holländische Firma auch das deutsche Altmaterial in der freien Fläche in den Niederlanden entsorgen darf, was zu einem deutlichen Wettbewerbsvorteil führt.
    Im Euregiorat, in dem Tenhumberg auch mitarbeitet, befasse man sich mit solchen alltäglichen Problemen, Lösungsansätze seien aber dort ebenso wie in der Landespolitik nicht erkennbar. Dies sei kein Problem mangelnder Annäherung in der Gesetzgebung der EU-Staaten, meint Tenhumberg, sondern der Umsetzung gesetzlicher Vorschriften. Auf deutscher Seite würden die europäischen Empfehlungen meistens mit sofortiger Wirksamkeit in nationales Recht umgesetzt. Auf holländischer Seite werde die Umsetzung dagegen erst nach einer mehrjährigen Übergangsfrist wirksam.
    Dazu nennt er ein Beispiel aus der Kälbermast, die in der münsterländischen Agrarregion eine wichtige Rolle spielt. Eine EU-Richtlinie schreibt aus Tierschutzgründen größere Kälberboxen vor, was die Kälbermast verteuert. In Deutschland ist dies bereits seit 1996 in Kraft, in den Niederlanden erst ab 2004. So haben die deutschen Mäster ihre kleinen Boxen nach Holland verkauft und auf diese Weise dazu beigetragen, daß dort noch acht Jahre lang preisgünstiger gemästet werden kann. Tenhumberg: "Es darf nicht sein, daß die Umsetzungen zeitversetzt erfolgen." Hier sieht er eine Aufgabe der Landesregierung, über den Bundesrat auf die Beseitigung solcher Mißstände hinzuwirken.
    Nach seiner erstmaligen Wahl in den Landtag vor zwei Jahren ist Tenhumberg wunschgemäß von seiner Fraktion in den Wirtschaftsausschuß entsandt worden. Sein Schwerpunkt ist dort das Thema Risikokapitalgesellschaft, durchaus naheliegend für den ehemaligen Leiter der Kreditabteilung einer Genossenschaftsbank. Mittlerweile bestehe Konsens zwischen allen Fraktionen im Landtag, eine solche Risikokapitalgesellschaft ins Leben zu rufen. Damit könne auf der einen Seite dem Eigenkapitalmangel vieler Unternehmen in NRW entgegengewirkt und auf der anderen die "Selbständigenlücke" in NRW verkleinert werden.
    Im selben Atemzug beklagt Tenhumberg als typisch für Nordrhein-Westfalen eine Benachteiligung des ländlichen Raums gegenüber den Ballungszentren und der kleinen Unternehmen gegenüber den großen Konzernen: "Für große Unternehmen ist es unproblematisch, innerhalb von wenigen Wochen vom Land in dreistelliger Höhe Millionenbeträge zu erhalten. Aber wenn ein kleines Unternehmen auf dem platten Land ein zinsgünstiges Darlehen von 100000 Mark aus dem Gründungs- und Wachstumsprogramm haben will, dann dauert das ewig lange oder wird gar abgelehnt, wie es erst kürzlich wieder von der Investitionsbank des Landes praktiziert worden ist."
    Neben seinem Schwerpunkt Wirtschaftspolitik ist Tenhumberg seit dem vergangen Jahr auch Mitglied im Landtagsausschuß für Kinder, Jugend und Familie. Hier hält er sich für einen geborenen Fachmann, denn schließlich stammt er aus einer kinderreichen Familie — er hat sechs Brüder, selbst ist er der älteste. Alle Brüder haben wieder Söhne, nur er selbst hat neben einem Sohn auch eine Tochter. In diesem Ausschuß sind die Kindergartenpolitik und Scientology-Fragen seine Arbeitsgebiete. Außer in der Landespolitik ist Tenhumberg auch in der Kommunalpolitik aktiv, seit 13 Jahren gehört er dem Rat der Stadt Vreden an, wo er seit 1994 Vorsitzender der CDU-Fraktion ist. Nach seiner Wahl in den Landtag hat er bei seiner Bank gekündigt, da der Einsatz auf Landes- und Kommunalebene einen Zwölf- Stunden-Tag ausfülle. In seiner Freizeit arbeitet er gern im Garten, nur selten betätigt er sich noch als Münzensammler.
    Ludger Audick

    ID: LI971344

  • Porträt der Woche: Hans-Peter Meinecke (SPD).
    Porträt
    S. 35 in Ausgabe 12 - 09.09.1997

    Sage niemand, daß die Generation der Mittfünfziger der Computerwelt und allem, was dazugehört, aus Desinteresse und Unverständnis den Rücken kehre. Hans-Peter Meinecke ist 53 Jahre alt und bei allem, was mit Computertechnik und -Programmen zu tun hat, up to date. Der SPD-Landtagsabgeordnete aus Remscheid bekennt seine Begeisterung mit dem Satz: "Es macht mir viel Spaß, am Wochenende zwei bis drei Stunden durchs Internet zu surfen. Bei Computern bin ich auf dem neuesten Stand." Zum Sport hat Meinecke ein zwiespältiges Verhältnis. Früher, da hat er Leichtathletik betrieben, auch Fußball. Aber nun gibt es "Probleme mit den Knochen", also bleibt nur noch die Zuschauer-Position.
    Wer mit Hans-Peter Meinecke Kontakt aufnimmt, spürt schnell, daß hier ein bodenständiger homo politicus ohne allzu große Illusionen am Werk ist. Meinecke singt ein Hohelied auf die Kommunalpolitik. Das Wahlkreisbüro in Remscheid ist ihm politisches Basislager, im Stadtrat ist er seit 1995 Fraktionschef der SPD. Alles, was sich auf landespolitischer Ebene tue, betrachte er durch die Brille des Kommunalpolitikers, sagt der beurlaubte Kriminalbeamte. Er setzt hinzu: "Ein Landtagsabgeordneter, der keine kommunale Funktion hat. läuft Gefahr, ein bißchen die Bodenhaftung zu verlieren." 1987 hat Meinecke noch etwas anderes gedacht. Damals kandidierte er für den Bundestag. Nur wenige Stimmen fehlten seinerzeit. Nun sei jedoch die Bundespolitik oder das, was man "große Politik" nenne, für ihn keine Alternative mehr. Kommunal- und Landespolitik sehe er mittlerweile als wichtiger an, weil man sich mehr mit den Menschen und mit dem, was ihnen auf den Nägeln brenne, beschäftige.
    Der Kripomann ist seit 1995 im Düsseldorfer Parlament. Erhofft, in drei Jahren wiedergewählt zu werden, denn ein Zurück in den Polizeidienst strebt er nicht an. Meinecke war nicht von Anfang an bei der Kripo. " 1969 begann die Laufbahn bei der Polizei erst Schutzpolizei mit Streifendienst im Auto und auf dem Krad." Stets habe er sich bei der Polizei wohlgefühlt, obwohl er zum Beruf gekommen sei wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde. Irgendwann beschloß Meinecke, hauptberuflich mal etwas Anderes zu machen.
    In die Partei trat Meinecke hauptsächlich wegen Willy Brandt ein. Ihm und seiner Politik habe er sich gefühlsmäßig verbunden gefühlt. Auch der jüngere Rau hat dem in Wuppertal geborenen Abgeordneten imponiert, vor allem die Art, "wie der junge Rau den Menschen das Gefühl gegeben habe, daß er sie ernst nimmt." Er selbst neigt als Politiker zu pragmatischer "Helmut-Schmidt-Politik". Selbstverständlich gebe es für ihn Grundsätze, jedoch verschwänden im Laufe der Zeit die Illusionen. Nicht leiden kann Meinecke Politiker und Politikerinnen, die "die Wahrheit so hindrehen, wie sie es gerade brauchen".
    Wehmut legt sich in Meineckes Stimme, wenn er an die alten sozialdemokratischen Zeiten denkt. Heute sei alles im Umbruch, die Wirtschaftspolitik, die Wolfgang Clement für die SPD vertrete, wäre so vor Jahren noch nicht möglich gewesen. Er bedauere ein wenig die geringe Unterscheidbarkeit der Wirtschaftspolitik der großen Parteien, aber, so findet der 53jährige Remscheider, "das ist wohl unumkehrbar". Die SPD sollte nach seiner Meinung stets das Soziale in den Vordergrund rücken. Auf die Frage, ob er sich für einen Linken halte, antwortet Meinecke ausweichend: "Das ist 'ne Frage. Bei bestimmten Dingen wird man mich als einen Linken ansehen, aber das gilt nicht durchgängig."
    Als gelernter Polizist, der viel mit den unschönen Dingen des Lebens zusammengekommen sei, der die dunklen Seiten der menschlichen Natur täglich erlebt habe, hat Meinecke etwa zu Fragen der Verbrechensbekämpfung eine feste Überzeugung. Täter, die wissen, was sie tun, sollten härter bestraft werden. "Aber bei den Nichtsteuerungs fähigen - da nützt Strafe gar nichts." Er sei kein "Law-and-order"-Mann, aber seine Erfahrung lehre ihn, daß bestimmte Leute "eben weggeschlossen" werden müssen. Flugs setzt er hinzu: "als ultima ratio".
    Mit stolzem Unterton berichtet der Abgeordnete, er habe schon viermal im Plenum zu innenpolitischen Problemen geredet. Da er auch im Schulausschuß tätig sei, werde gewiß bald eine Rede vor dem Parlament zu Fragen der Schulpolitik fällig sein.
    Der Vater von vier Kindern hält die Idee der Gesamtschule nach wie vor für faszinierend, wenn er auch die Schwierigkeiten dieser Schulform in der Praxis nicht leugnen will. Von den beiden Zwillingstöchtern, die anfangs zur Gesamtschule gegangen sind, besucht eine heute das Gymnasium. Eine dritte Tochter ist ebenso auf dem Gymnasium. Der Sohn, der mittlerweile Physik studiert, war auch auf dem Gymnasium. Er habe als Vater die Unterschiede der Schulformen gut erkennen können, erzählt Hans-Peter Meinecke. Sicherlich gehe die Gesamtschule zu Beginn mit den Schülern pfleglicher um als das Gymnasium, das doch für manche Kinder einen ziemlich brutalen Übergang bedeute. Aber, so betont Schulpolitiker Meinecke, in den Schulen müsse Leistung gefordert werden. Schul- und Hochschulanforderungen sollten stärker verzahnt werden: "Ich sehe die Schwierigkeiten vieler Abiturienten, den späteren Anforderungen gerecht zu werden und zu studieren."
    Reinhold Michels

    ID: LI971293

  • Porträt der Woche: Heinz-Helmich van Schewick (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 11 - 01.07.1997

    Seine Wiege stand im thüringischen Sonneberg, und es war das Kriegsjahr 1940. Knapp fünf Jahre später floh Heinz-Helmich van Schewicks Mutter mit den beiden Söhnen vor der anstürmenden sowjetischen Armee zunächst nach Höxter, später fanden sie im niederrheinischen Goch eine Bleibe. Wie viele Flüchtlinge in jenen Jahren lebten sie in Baracken, "und ich lief in geschenkter Kleidung herum", erinnert sich der heutige CDU-Landtagsabgeordnete aus Bonn. Diese Zeit habe ihn nach eigenem Bekunden sehr geprägt.
    Bergauf ging es, als der Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte und er später als Astronom an die Bonner Universität berufen wurde. Heinz-Helmich van Schewick besuchte das Aloysius-Kolleg der Jesuiten in Bad Godesberg, und unmittelbar nach dem Abitur absolvierte er den Wehrdienst. Während seines Studiums in Psychologie und Kunstgeschichte in Bonn und Köln nahm er an mehreren Wehrübungen teil und brachte es inzwischen zum Oberstleutnant der Reserve.
    Die Psychologie hatte es dem Bonner Studenten angetan, weil "meine Kontaktfreude es mir ermöglicht, mich mit dem Gesprächspartner zu identifizieren". Der gebürtige Thüringer studierte bei damals namhaften Psychologen, und sogleich nach dem Diplom-Examen wurde er in die Bonner Zweigstelle des Nürnberger Instituts für Marktforschung berufen, das der bekannte Sozialpsychologe Professor Bergler leitete. Nach etlichen Jahren erfolgreichen Wirkens gründete der Parlamentarier eine eigene psychologische Praxis in Bonn.
    Vom Elternhaus geprägt, trat Heinz-Helmich van Schewick 1964 in die CDU ein, nachdem er zuvor schon lange ihrer Nachwuchsorganisation, der Jungen Union, angehörte. Heute ist er Vorsitzender des Ortsverbandes Bonn-Nord. Bereits seit 1975 Mitglied des Bonner Stadtrates, liegen die Schwerpunkte seiner kommunalen Tätigkeit in den Bereichen Sport und Kultur.
    Das ist kein Zufall, ist der Abgeordnete doch seit jungen Jahren ein begeisterter Fußballer und spielte mehrere Jahre in der Jugendmannschaft des SC Bonn und war später ihr Betreuer. 13 Jahre lang, bis 1995, leitete er als Vorsitzender diesen bekannten Sportverein. Die "Nähe" zum runden Leder aber sucht der Christdemokrat nach wie vor: Er gehört dem Fußballverein des Landtages an.
    Als Heinz-Helmich van Schewick 1985 zum ersten Mal ins Düsseldorfer Landesparlament zog, berief ihn seine Fraktion in den Sport- sowie den Haushalts- und Finanzausschuß. Heute gehört er neben dem Sport- auch dem Verkehrsausschuß an. Für den Abgeordneten hat der Sport einen hohen sozialen Wert, weil er, ähnlich wie die Kirchen, den Menschen zur Achtung und Verantwortung gegenüber dem Nächsten verpflichte. Sein Engagement gilt daher den Vereinen, die in ihrer gesellschaftspolitischen Aufgabe unterstützt werden sollten.
    Im Verkehrsausschuß tritt der Parlamentarier für eine größere Mobilität auch unter umweltverträglichen Gesichtspunkten ein. Aktuell plädiert er für den Ausbau der ICE-Strecken und günstige Verbindungen zwischen den beiden Flughäfen Düsseldorf und Köln. Entspannung von Beruf und Politik findet der Psychologe in der Musik. Der Radius seines Interesses ist groß: von der klassischen Musik, von Beethoven und Schubert bis zum Rocksänger Joe Cocker. Und wer zufällig einem Radler in dunklem Anzug begegnet, der zu irgendeiner Feierlichkeit strebt, es könnte Heinz-Helmich van Schewick sein...
    Jochen Jurretko

    ID: LI971171

  • Porträt der Woche: Christian Michael Weisbrich (CDU).
    Porträt
    S. 27 in Ausgabe 10 - 18.06.1997

    Für den Abgeordneten Christian Michael Weisbrich wird es keine zweite Legislaturperiode im Düsseldorfer Landtag geben. 1999 will er direkt gewählter Landrat des Kreises Viersen werden. Das kommunalpolitische Hemd sei ihm näher als der landespolitische Rock, sagt der CDU-Politiker. Wer sich mit ihm länger über Politik und Wirtschaft unterhalten will, kann eigentlich nur bedauern, daß dem Landesparlament ein vielseitiger Fachmann verlorengehen wird. Weisbrich gehört zu der immer selteneren Spezies von Abgeordneten, die praktische Erfahrungen in der privaten Wirtschaft gesammelt haben, die Verwaltungserfahrung besitzen und in Stadt und Land bewiesen haben, daß sie politische Köpfe sind.
    Weisbrich spricht von sich selbst als einem Exoten. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre und des Wirtschaftsingenieurwesens in Frankfurt/Main und Darmstadt arbeitete der gebürtige Oberscb/esier (Jahrgang 1942) zunächst in einem Einzelhandelsbetrieb, sodann in der Bauindustrie.
    Der in Mittelhessen Aufgewachsene bewarb sich später mit Erfolg um eine Stelle bei der Stadtentwicklungsgesellschaft im niaderrheinischen Nettetal. Später war Weisbrich, der sich inzwischen am Niederrhein zu Hause fühlt, acht Jahre lang Stadtdirektor von Nettetal. Erneut wechselte er in die Privatwirtschaft: diesmal als Geschäftsführer eines heimischen Familienunternehmens der Stahlbranche.
    Der Mann kann vergleichen: Die Entscheidungswege seien in der öffentlichen Verwaltung tatsächlich ungleich komplizierter und langsamer als bei Privatfirmen. Am schlimmsten sei nach seiner Erfahrung die Bürokratie auf Landesebene. Weisbrich: "Völlig überdimensioniert, die schmoren zum Teil im eigenen Saft." Den ansonsten ruhig argumentierenden Abgeordneten bringt es schier auf die Palme, wenn er als stellvertretender Vorsitzender des Landtags-Ausschusses für Verwaltungs-Strukturreform miterleben muß, daß man auf der Stelle tritt.
    Auf selten der Landesregierung sei niemand ernsthaft daran interessiert, die Verwaltung wirklich zu reformieren. Weisbrichs bittere Bilanz hat auch einen Namen: Johannes Rau. Aus Gründen der politischen Opportunität wolle der Ministerpräsident keine effiziente Organisation der Landesverwaltung, keine Verminderung der Ministerien. Insofern lasse sich über die bisherige Arbeit im Verwaltungsstruktur-Reform-Ausschuß sagen: Außer Syesen nichts gewesen. Säbe es in der Kasse eines Privatunternehmens so aus wie in derjenigen des Landes, würde alles auf den Prüfstand gestellt, damit Kosten und Leistungen wieder in ein ausgewogenes Verhältnis gerieten. Im Land passiere aber überhaupt nichts. Ihm fehle jedes Verständnis dafür, daß beispielsweise nach einem Gutachten ein Drittel der Stellen in der Hochbauverwaltung eingespart werden könnten, daß aber der zuständige Landesminister darauf keine Rücksicht nehme.
    Weisbrich spricht nicht wie der Blinde von der Farbe. Als Firmen-Leiter mußte er seinerzeit betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Das sei seine bitterste berufliche Erfahrung bislang gewesen, als wegen der internationalen "Stahl-Subventionitis" der heimische Stahl-Familienbetrieb einen Standort mit 200 Mitarbeitern aufgeben mußte. Mit großer Sorge blickt Weisbrich in die finanzielle Zukunft des Landes NRW. Heule müsse das Land für 100 000 Pensionäre 5,5 Milliarden Mark bezahlen. In nur achtzehn Jahren würden bereits 225 000 Versorgungsempfänger mit 12,5 Milliarden Mark zu bezahlen sein. Das sei nicht zu schultern, dann fliege der Landeshaushalt in die Luft.
    Weisbrich fordert mutige Sparanstrengungen der politisch Verantwortlichen; "Kluge und Dumme — beide tun sie am Ende das gleiche, nur, der Kluge tut's zur rechten Zeit." Der Politiker vom Niederrhein scheut sich nicht, ziemlich klar zur Steinkohle-Subventionierung Stellung zu beziehen. Er schätze Wirtschaftsminister Clement als Fachmann, aber was sich dieser Mann im März an Aufwiegelung der Bergleute geleistet habe, gehe auf keine Kuhhaut. NRW habe den Strukturwandel systematisch verschlafen. Weisbrich: "Aus Sicht sozialdemokratischer Klientelpolitik fand man es über Jahrzehnte hinweg bequem, den Strukturwandel langsam zu betreiben." Er kenne im übrigen den Verdruß der übrigen Landesteile darüber, wie Milliarden-Beträge an Subventionen ins Ruhrgebiet flössen. Weisbrich: "Selbstverständlich darf es jetzt keinen ganz scharfen Bruch geben, aber, daß dieser Unfug aufhören muß, ist für mich sonnenklar." Japan sei aus Kostengründen aus dem Steinkohle-Bergbau ausgestiegen, habe sich statt dessen an australischen Gruben beteiligt. Weisbrich: "Die ganze Argumentation vom sogenannten Referenzbergbau — alles an den Haaren herbeigezogen." Hier werde kurzsichtige Politik betrieben, statt den Kumpel in die Augen zu schauen und ihnen zu sagen: "Freunde, es geht nicht mehr so weiter, wie wir Euch das gesagt haben." Nun müsse man es hinkriegen, pro Jahr eine Zeche stillzulegen, der Winkel des Sinkfluges sollte abgeflacht werden. Aber: "Die Stunde der Wahrheit kommt." Weisbrich erzählt, wie er den gnadenlosen Anpassungsprozeß in der Stahlindustrie miterlebt habe. Da habe es zwar einige öffentliche Sozialplanmittel gegeben, aber nichts im Vergleich zu den Kohlesubventionen." Subventionen seien am Ende Teufelszeug, weil die Menschen sich in falscher Sicherheit wögen, meint Weisbrich.
    Der Abgeordnete aus dem Kreis Viersen ist verheiratet und hat einen Sohn, der in Aachen Maschinenbau studiert. Vater Weisbrich war früher ein begeisterter Fußballspieler, danach zog es ihn zum Wettkampf-Tennis. Mit den Jahren kam das Interesse am Golfspielen. "Handicap 27 — nichts besonderes", sagt er. Schmunzelnd fügt der Hobbygolfer hinzu: "Wer heute beruflich stark in Anspruch genommen wird und ein Handicap unter 20 hat, mit dessen Arbeitseinsatz kann etwas nicht stimmen."
    Weisbrich respektiert das von bösen Tricks freie Verhältnis zwischen CDU-Oppositionsführer Helmut Linssen und dem CDU-Landesvorsitzenden Norbert Blüm. Er habe es sehr geschätzt, daß der eine nichts Böses über den anderen gesagt habe, als es um Blüms erneute Kandidatur für den Parteivorsitz gegangen sei. Weisbrich läßt keinen Zweifel daran aufkommen, daß er es politisch für besser gehalten hätte, wenn Linssen gewählt worden wäre. Dieser habe aber nun einmal Blüm versprochen, aus Loyalität nicht gegen ihn zu kandidieren. Weisbrich zollt Respekt: "In der Politik gibt es zuwenig Menschen, die fair miteinander umgehen."
    Reinhard Michels


    ID: LI971070

  • Porträt der Woche: Sigrid Klösges (SPD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 9 - 21.05.1997

    Sie wollte von jeher etwas bewegen und eine gleichberechtigte Gesprächspartnerin mit fundierten Fachkenntnissen sein. Eine Schulleiterin — "die alles wußte und ich nichts" — bewegte Sigrid Klösges dann endgültig dazu, die politische Laufbahn einzuschlagen. "Ich habe mich damals als Schulpflegschaftsvorsitzende sehr darüber geärgert", erinnert sich die Sozialdemokratin. Als Mutter von zwei Kindern wollte sie schließlich wissen, worum es ging. Also holte sie die Defizite auf und entwickelte sich im Lauf von 30 Jahren zur Expertin in Sachen Schulpolitik.
    Der Weg in die Politik war ohnehin programmiert, schon allein durch ein SPD- Elternhaus. Folgerichtig trat auch sie mit 26 Jahren in die Partei ein. Am 1. Juni 1995 erreichte sie ihr gewünschtes Ziel: Die gebürtige Krefelderin wurde Abgeordnete des Landtages. "Ich wollte in das Parlament, weil ich dort Schulgesetze mitgestalten kann", sagte die 58jährige.
    Seit Jahren ist Sigrid Klösges, die nach dem Besuch der Höheren Handelsschule in verschiedenen Wirtschaftsbereichen tätig war, Mitglied des Bezirksvorstandes Niederrhein der Arbeitsgemeinschaft für Bildungspolitik. Und seit 1984 ist sie zudem Ratsmitglied in Krefeld und seit 1989 stellvertretende Fraktionsvorsitzende.
    Es war für die Seidenstädter auch keine Frage, sie zur Vorsitzenden des Schulausschusses des Rates zu ernennen. Nebenbei findet Sigrid Klösges noch Zeit, im Aufsichtsrat der Wirtschaftsförderungsgesellschaft und im Verwaltungsrat der Sparkasse Krefeld mitzuwirken. Die Berufsbezeichnung Hausfrau, die sie offiziell angibt, ist von daher stark untertrieben. Mit Recht blickt sie voller Stolz auf das zurück, was sie bislang in der Schulpolitik allein für ihre Heimatstadt Krefeld geleistet hat. Dazu zählt unter anderem die Gründung der ersten Gesamtschule 1986 in Krefeld — und das trotz der damaligen CDU-Mehrheit.
    Mit Hilfe des Elternwillens setzte Sigrid Klösges die Pläne seinerzeit federführend durch. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum ihre Tochter heute eine Berufsausbildung zur Gesamtschullehrerin absolviert. Inzwischen gibt es drei Gesamtschulen in ihrer Geburtsstadt. Und die Einrichtungen wenden sich allesamt an die Fachfrau Sigrid Klösges, wenn sie Fragen oder Probleme haben. Sie wissen, daß sie der "Motor in Sachen Schule" ist, viele Initiativen bewegt hat und noch bewegen wird.
    "Schlimm ist aber, wie sehr den Kommunen heute über die Spargesetze zugesetzt wird", beklagt die kulturpolitische Sprecherin Krefelds. Von daher sei es auch traurig, daß die Denkschrift der Bildungskommission erst spät vorgelegt worden sei. Das sei in eine Zeit gefallen, in der überall der Rotstift angesetzt werde. "Trotzdem bin ich über das umfangreiche Gutachten sehr glücklich, auch wenn man über einzelne Punkte durchaus streiten kann", sagt Sigrid Klösges. Unter die Kritikpunkte fällt ihrer Meinung nach zum Beispiel die Tatsache, daß man Mehrstunden für die Lehrer, wie sie vorgesehen sind, gerechter nach Schulformen verteilen müßte.
    Nicht unerheblich ist der Einfluß von Sigrid Klösges auch darauf gewesen, daß Krefeld inzwischen als gute Schulstadt bezeichnet werden kann. So wird an fast allen Einrichtungen bereits Unterricht von 8 bis 13 Uhr erteilt. Eine "Selbstverständlichkeit", um die in vielen anderen Städten noch hart gerungen wird, seit das Bildungsministerium sich in dieser Frage einschaltete.
    "Man muß generell mehr Frauen dazu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen", meint die ehrgeizige Politikerin, die bei all ihrem Engagement von Ehemann und Kindern voll unterstützt wird. "Was sie dazu brauchen, ist vor allen Dingen Organisationstalent." Eine Gabe, die sich Sigrid Klösges selbst auf die Fahnen schreiben kann. Anders hätte sie ihre Aufgaben "nebenbei" auch nicht erfüllen können, als die Kinder noch klein waren. Heute aber steckt sie sich immer wieder neue politische Ziele.
    Andrea C. Grüten

    ID: LI970943

  • Porträt der Woche: Ingrid Fitzek (GRÜNE).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 8 - 13.05.1997

    Als die junge Abgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1995 in den Landtag kam, war das für sie kein Sprung ins kalte Wasser wie bei vielen der Kolleginnen und Kollegen. Das "Wasser" erwies sich als bereits vorgewärmt, denn die studierte Sozialwissenschaftlerin Ingrid Fitzek hatte schon landespolitische Erfahrung als wissenschaftliche Mitarbeiterin der GRÜNEN-Fraktion gesammelt.
    Frau Fitzek hat nichts übereilt in ihrer politischen Karriere. Bevor sie 1989 in die Partei eintrat, schaute sich die gebürtigen Krefelderin erst einmal bei den GRÜNEN am Studien- und Wohnort Duisburg um und machte Jugend- und Stadtteilarbeit im Norden der Stadt. Ihr gefiel, daß man sich engagieren konnte, ohne direkt Parteimitglied werden zu müssen. Sie wollte jedenfalls nicht direkt ein Gesamtbekenntnis ablegen, wie sie erzählt. Imponiert hätten ihr die GRÜNEN allerdings von Beginn an, weil sie sich auch dann für ihre Überzeugung eingesetzt hätten, wenn es dafür öffentlich "Prügel" gegeben habe.
    Nachdem Ingrid Fitzek für sich die Frage positiv entschieden hatte, ob sie überhaupt in die Politik gehen sollte, stand fest, daß es keine halben Sachen geben werde. "Karteileiche" bleiben — das wollte sie nicht. Dieses "Wenn schon, denn schon" sieht man der charmanten Frau mit dem dezenten Schmuck nicht auf den ersten Blick an. Sie sei, sagt sie von sich, durchaus kampfentschlossen, wenn es ihr sachlich notwendig erscheine. Flugs kommt das Gespräch auf das landespolitische Großthema Garzweiler II und die selbstkritischen Anmerkungen von vier grünen Parlamentariern zur rot-grünen Regierungsrealität in Düsseldorf. Ingrid Fitzek war Mitverfasserin des "Busch-Papiers". Sie findet es schade, daß sie und die drei anderen in den Verdacht gerieten, das Ende der Koalition heraufbeschwören zu wollen. Das Gegenteil sei richtig, betont Ingrid Fitzek. Man wolle eine Trendumkehr, die auch mit Blick nach Bonn aufzeige, daß mit Rot-Grün politisch etwas verändert werden könne im Land. Beim Thema Garzweiler II klingt die Abgeordnete sehr entschieden. Klimapolitisch verheerend sei das Projekt sowie energiepolitisch unnötig und sozialpolitisch nicht zumutbar für die Menschen, die umgesiedelt werden müßten.
    "Politik", findet sie, "muß über eine Legislaturperiode hinaus denken": "Welche Verantwortung tragen wir für die Zeit, in der wir schon nicht mehr politisch verantwortlich sind?" Sie jedenfalls würde eher den Koalitionsbruch in Kauf nehmen, statt vom Nein zu Garzweiler II abzurücken.
    Ingrid Fitzek ist in der Fraktion für Wissenschaftspolitik zuständig. Zur Kommunalpolitik verspürt sie keinen Drang, ebensowenig zur Bundespolitik: "Landespolitik ist für mich das Richtige." Politische Vorbilder hat sie nicht. Eine Mitgliedschaft in anderen Parteien kam für sie nie in Frage. Sie entstammt keinem politischen Elternhaus. Zu Hause betrachtete man den Eintritt der Tochter in die Partei skeptisch, heute begegnet ihr "kritische Solidarität". Die Mutter hat sich indes noch nicht zur GRÜNEN-Wählerin entwickelt.
    Ingrid Fitzek hat ein Faible für England. Anfang der achtziger Jahre war sie als Studentin ein halbes Jahr in Sheffield. Sie mag die englische Sprache, die französische fiel ihr stets schwerer. Damals in Sheffield erlebte sie zwar eine Stadt in "wunderschöner Umgebung", aber mit großen Strukturproblemen einschließlich Arbeitslosigkeit. Zum erstenmal sei ihr Armut im Straßenbild aufgefallen. Das habe es zu der Zeit zu Hause noch nicht gegeben. Sie setzt hinzu: "Das ändert sich leider", woran die Bundespolitik nicht unschuldig sei. Bundespolitisch laufe vieles schief, Kommunen und Länder könnten nicht alles ausgleichen. Der Wegfall von Alt-Arbeitsplätzen lasse sich nicht so schnell kompensieren. Auch deshalb halte sie es für Augenwischerei, in den öffentlichen Haushalten zu rigoros zu sparen. Menschen zu entlassen, mit der Folge, daß viele der Entlassenen anschließend die Sozialämter bevölkern — das könne nicht Sinn der Sparanstrengungen sein.
    Die Abgeordnete aus Duisburg befürwortet zwar Solidarität mit den neuen Ländern, jedoch nicht nach dem Gießkannenprinzip. Strukturhilfen dürften nur dorthin fließen, egal ob in neue oder alte Länder, wo sie noch benötigt würden. Der Privatmensch Ingrid Fitzek zählt zur Mehrzahl derjenigen, die gerne verreisen. Wie gesagt: England bevorzugt sie wegen der Sprache, der Mentalität der Bewohner und trotz der Küche. Italien schätzt sie der Schönheit des Landes, der Leute und der Küche wegen — und auch, weil dort der Bruder ihres Lebensgefährten lebt.
    Reinhold Michels

    ID: LI970853

  • Porträt der Woche: Claudia Nell-Paul (SPD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 29.04.1997

    Claudia Nell-Paul kann man meist schon riechen, noch ehe sie zu sehen ist: Die SPD-Abgeordnete ist stets in eine dicke Wolke aus Zigarillo-Qualm gehüllt, deren Geruch einem bereits von weitem in die Nase fährt. Ein Spleen aus Imagegründen? Zweifellos unterstreicht er die elegante Erscheinung der 43jährigen und verleiht ihr zugleich einen Hauch Verruchtheit. Nein, nein, es handele sich um ein echtes Laster, versichert sie. Sie paffe die kleinen braunen Stinker ja nicht nur, sondern inhaliere sie. Etwas kokett klingt das schon, vor allem, wenn sie zugleich beteuert, sie möchte keineswegs nur als "Kulturtante" abgetan, sondern als Politikerin auch auf anderen Feldern ernstgenommen werden. Doch könnte man sich, beispielsweise, eine nüchterne Haushaltspolitikerin vorstellen, die unablässig Zigarillos qualmt? Ob "Kulturtante" oder nicht: Kultur ist Claudia Nell-Pauls Leidenschaft. Daß daraus jedoch ihr politisches Fachgebiet wurde, ergab sich eher zufällig. Von Haus aus ist sie eigentlich Diplom-Pädagogin. 1973, nach dem Abitur, verschlug es die aus Wertheim in Nordwürttemberg stammende Tochter einer sozialdemokratischen Familie zum Studium nach Düsseldorf. Im selben Jahr trat sie der SPD bei. Der Schritt habe sich wie von selbst ergeben, erzählt sie. Vor allem ihr Vater, "ein in sich gekehrter Mann", den die Nazis ins KZ gesperrt hatten, habe sie politisch geprägt. Inzwischen ist sie sowohl in der Düsseldorfer SPD wie auch im Rheinland heimisch geworden. Ihre alte Heimat besuche sie heute nur noch "wie eine Touristin". Während des Studiums engagierte sie sich bei den Jusos, in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) und in ihrem Ortsverein. Nach ihrer Ausbildung strebte sie zunächst nur eine berufliche Karriere an; sie wurde pädagogische Mitarbeiterin des Familienbildungswerks derAWO in Düsseldorf, 1982 übernahm sie die Leitung des Paul-Gerlach-Bildungswerks der AWO, die sie bis 1995 innehatte.
    Die politische Laufbahn begann eher überraschend. Als kurz vor der Kommunalwahl 1984 der SPD-Ratsherr ihres Ortsvereins sein Mandat niederlegte und wegzog, wurde Claudia Nell-Paul zu ihrem eigenen Erstaunen als Ersatz nominiert und gewählt. Die neue Fraktion kürte sie zudem zu ihrer kulturpolitischen Sprecherin.
    Diese Zeit bezeichnete Claudia Nell-Paul als "Lehrjahre" in Sachen rot-grüner Zusammenarbeit. Es war eine der ersten Kooperationen auf kommunaler Ebene, die SPD und GRÜNE damals in Düsseldorf wagten. Entsprechend groß waren die Reibungsverluste. Seitdem hänge bei ihr am Projekt Rot-Grün "kein Herzblut" mehr, sagt die Abgeordnete — weder im Positiven noch im Negativen. War sie auch zufällig in die Politiklaufbahn katapultiert worden — ihren weiteren Weg wollte Claudia Nell-Paul nicht mehr allein dem Zufall überlassen: 1990 bemühte sie sich um den Landtagswahlkreis Düsseldorf II. Doch unterlag sie knapp ihrer Gegenkandidatin Carla Boulboulle — eine Wahl, die der SPD bald Ärger bereiten sollte. Denn Carla Boulboulle outete sich kurz darauf als Trotzkistin und wurde im Oktober 1990 aus der Partei ausgeschlossen. Ihr Mandat behielt sie allerdings die ganze Legislaturperiode über.
    Erst seit der Landtagswahl 1995, als Claudia Nell-Paul im zweiten Anlauf den Sprung ins Parlament schaffte, haben die Sozialdemokraten aus Düsseldorf II nun auch wieder eine Landtagsabgeordnete. Das erfordere jetzt eine gewisse Aufbauarbeit, sagt die Neu-Parlamentarierin, weswegen sie einen großen Teil ihrer Tätigkeit dem Wahlkreis widme, mit Besuchen, Vorträgen und Veranstaltungen. Im Landtag gehört sie dem Ausschuß für Europa- und Eine-Welt-Politik und Entwicklungszusammenarbeit sowie dem Kulturausschuß an. Ihre Sorge, als "Kulturtante" nicht ernstgenommen zu werden, hat sicher auch mit der Geringschätzung zu tun, die der Kultur selbst oft entgegengebracht wird. Die Haltung, zuerst komme alles andere, und Kultur sei nur das "Sahnehäubchen", klagt sie, sei leider weit verbreitet, auch in ihrer eigenen Partei: "Ich sehe das anders, Kultur ist ein hohes Gut für die gesellschaftliche und demokratische Entwicklung."
    Claudia Nell-Paul wünscht sich daher, die Kulturschaffenden des Landes würden sich mehr zusammentun. "Die Stärken, die wir haben, müssen wir bündeln", fordert sie. Welche andere Region habe etwa eine solch reichhaltige Theater- und Museumslandschaft wie Nordrhein-Westfalen? Doch leider verhindere das Pfründendenken kommunaler Kulturgewaltiger oftmals die Zusammenarbeit.
    Politik bedeutet ihr aber nicht alles. Ebenso wichtig ist ihr das Privatleben, von dem sie aber nur wenig preisgeben mag. Nur wenn sie von ihrem 13jährigen Sohn berichtet, entfährt ihr schon mal: "Er ist das Wichtigste, das ich bisher hervorgebracht habe."
    Roland Kirbach

    ID: LI970747

  • Porträt der Woche: Rudolf Henke (CDU).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 6 - 21.04.1997

    Mit dem Einzug von Rudolf Henke in den Düsseldorfer Landtag wurde 1995 die zwanzig Jahre währende "arztfreie Zone" beendet. Zweifellos ein lang andauernder Mangel, denn das Land ist für viele Fragen der Gesundheitspolitik zuständig. Der Aachener CDU-Abgeordnete und Internist am St. Antonius-Hospital in Eschweiler bringt denn auch seine tägliche Erfahrung und sein Fachwissen in die parlamentarischen Entscheidungsgremien ein. Der gebürtige Dürener, Jahrgang 1954, sammelte bereits als Medizinstudent an der RWTH Aachen die ersten politischen Erfahrungen. So vertrat er die TH-Studierenden zahlreiche Jahre im Studentenparlament und war eine Zeitlang dessen Präsident. Als stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Demokratischen Studenten (EDS) war Rudolf Henke auch für die Belange der Studierenden auf europäischer Ebene tätig.
    Zunächst als Assistenz- und seit 1988 als Oberarzt der Klinik für Hämatologie/Onkologie am Eschweiler Hospital tätig, engagierte sich der Aachener in der betrieblichen Mitarbeitervertretung. Die Anerkennung seiner Berufskollegen fand in der Wahl zum zweiten Bundesvorsitzenden der im Marburger Bund organisierten Krankenhausärzte sowie zum NRW-Landesvorsitzenden ihren Niederschlag. Jüngst wurde er auch in den Vorstand der Bundesärztekammer berufen.
    Waren seine vielfältigen Aktivitäten zunächst auf die berufspolitische Ebene konzentriert, so entschloß sich Rudolf Henke dann 1992, einer Partei beizutreten, der CDU. "Ich wollte der allgemeinen Politikverdrossenheit entgegentreten und auch nicht tatenlos dem Treiben rechter und linker Extremisten zusehen." Schließlich habe unsere Demokratie nur mit engagierten Bürgern und Parteien eine Zukunft. Bereits knapp drei Jahre später kandidierte der Christdemokrat für den Landtag und eroberte den Wahlkreis Aachen II nach zehn Jahren wieder für seine Partei zurück. Die Fraktion berief den Mediziner in den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie in den Ausschuß für Wissenschaft und Forschung. Parlamentsgremien also, wo er Erfahrungen und Fachwissen am besten einbringen kann. Und Probleme, die nach Lösungen drängen, gibt es genügend: Da sind die Auswirkungen der Gesundheitsstrukturreform, die Bedarfsplanung der Krankenhäuser, die Umsetzung der Pflegeversicherung, die Neustrukturierung der Universitätskliniken und nicht zuletzt die Drogenpolitik.
    Aber auch sogenannte Randgruppen der Gesellschaft beschäftigen den Aachener: "Ein großer Teil der Obdachlosen ist medizinisch unversorgt." Da diese Menschen aber den Weg zum Arzt scheuten, "müssen wir zu den Leuten auf die Platte oder in deren Unterkünfte gehen". In zahlreichen Diskussionen und Vorträgen fordert der Christdemokrat eine neue Grundsatzdebatte zur Frage der Eigenverantwortung des einzelnen Bürgers und wann er die Solidarität der Gesellschaft brauche.
    Als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises 2 fühlte sich Rudolf Henke verpflichtet, neben seinen Fachbereichen auch allgemeine Themen aufzugreifen, die die Aachener Bürger beschäftigen: beispielsweise Schulen und Verkehr. Angesichts des großen Betätigungsradius hat der Vater von vier Töchtern zwischen drei und elf Jahren für seine beiden Hobbys kaum noch Zeit, die da sind gute Spielfilme sehen und Kochen.
    Jochen Jurettko

    ID: LI970636

  • Porträt der Woche: Dorothee Danner (SPD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 5 - 25.03.1997

    Da kann man nicht meckern: Die Frauenquote bei den sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten aus Ostwestfalen-Lippe stimmt seit der letzten Landtagswahl im Mai 1995. Von 13 Parlamentariern aus diesem Beritt sind fünf Frauen. Eine von ihnen ist Dorothee Danner. Mit dem besten Wahlergebnis in Ostwestfalen-Lippe schaffte die 47 jährige gleich beim ersten Anlaut den Sprung in den Düsseldorfer Landtag. Zusammen mit NRW-Schulministerin Gabi Seh/er, Ursula Bolte, Helga Giesselmann und Ina Meise-Laukamp sorgte sie für die Verstärkung des weiblichen Lagers. Bis auf Helga Giesselmann sind alle Parlamentsneulinge. Das schweißt zusammen. In den Anlangsmonaten halt man sich beim Zurechtfinden in dem nicht ganz einfachen Landtagsgeflecht. Und bei den Jungfernreden herrschte nette Solidarität. Als Dorothee Danner im Dezember 1995 erstmals im Plenum an das Rednerpult trat, war sie ganz dankbar, daß die Parlamentskolleginnen ihr den Rücken stärkten. "Als stellvertretende Landrätin habe ich schon viele Reden gehalten, aber im Parlament zu sprechen, ist doch etwas anderes", erinnert sie sich an ihren Auftritt und auch daran, daß es im Anschluß sogar ein paar Blümchen gab.
    Heute fühlt sich Dorothee Danner im Landtag schon ganz heimisch. Ihr Abgeordnetemimmer hat sie mit persönlichen Dingen wie Bildern und Geschirr von zu Hause wohnlich hergerichtet. "Ich verbringe doch viel Zeit hier im Büro, da muß ich mich auch wohl fühlen', erklärt sie. Die Parlamentsarbeit macht ihr richtigen Spaß, obwohl sie sich zwei besonders arbeitsintensive Gebiete ausgesucht hat. Wie ihr Vorgänger Karl-Heinz Schnepel wollte sie gern in den Petitionsausschuß, und gleichzeitig interessierte sie sich für den Umweltausschuß. Tatsächlich hat sie es geschafft, in beide zu kommen.
    Vor allem im Petitionsausschuß hat Dorothee Danner den Kontakt zum Bürger, den sie als Parlamentarierin braucht. Im Schnitt tagt das 25köpfige Gremium alle 14 Tage. In der Zwischenzeit müssen acht bis zehn Akten zu Hause bearbeitet werden, damit es in der folgenden Sitzung mit der Beschlußfassung weitergehen kann. Doch die Arbeit im Petitionsausschuß beschränkt sich nicht auf Schreibtischtätigkeit. Häufig gibt es Ortstermine. "Die machen die Aufgabe so zeitaufwendig, zugleich aber auch reizvoll", erklärt die SPD-Frau.
    Gleich bei ihrem ersten Fall konnte Dorothee Danner ein Erfolgserlebnis verbuchen, obwohl ihr politischer Berater, Ex-MdL Karl-Heinz Schnepel die Eingabe für hoffnungslos angesehen hatte. .Es tut mir leid, das wird in die Hose gehen', hatte er die Neu-Parlamentarierin gewarnt. Vielleicht war das ein Grund für Dorothee Danner, sich besonders ins Zeug zu legen. Es ging um ein junges Mädchen aus Marokko, das von seinen Verwandten, die inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt hatten, adoptiert werden sollte. Obwohl das Mädchen bei den Verwandten wohnte, wollte das Ausländeramt, daß es nach Marokko zurückkehrte, um von dort aus die Adoption zu betreiben. Das schien hoffnungslos, da der Vater sich von der Familie getrennt hatte, die Mutter schwerkrank, die Großmutter, bei der das Kind autgewachsen war, inzwischen verstorben und der Großvater 300 Kilometer entlernt von einer größeren Stadt lebte.
    Zusammen mit einer Anwältin und einer Mitarbeiterin des Jugendamtes gelang es Dorothee Danner, das Ausländeramt zu überreden, zunächst einmal die Entscheidung des Familiengerichtes abzuwarten. Und tatsächlich mußte die 14jährige nicht noch einmal zurück nach Marokko. "Als alles in trockenen Tüchern war, bin ich wie auf Wolken aus der Stadt, wo der Fall sich abspielte, hinausgeschwebt", erinnert sich die Abgeordnete.
    Im Umweltausschuß hat sich Dorothee Danner auf das Gebiet der Abtallpolitik spezialisiert. "Wir sind ganz stolz darauf, daß wir nach langen Gesprächen mit den Bundnisgrunen ein gemeinsames Papier zustande gebracht haben", meinte sie. Es soll auf lange Sicht verhindern, daß in einigen Deponien Müll zu Bllllgprelsen abgekippt werden kann.
    Mit diesen beiden Fachbereichen Ist die SPD-Abgeordnete voll ausgelastet Zumal sie in ihrem Herforder Wahlkreis auch noch eine Bürgerstunde eingerichtet hat. "Jeden Montag ist Sprechstunde. Der Kontakt, den ich dabei mit den Bürgern bekomme, Ist wichtig für meine Arbeit in Düsseldorf." Da Dorothee Danner zugleich auch noch sachkundige Bürgerin im Gleichstellungsausschuß in ihrem Heimatort Löhne ist, verliert sie die Rückkoppelung an die Basis nicht.
    So selbstverständlich die Sozialdemokratin heute ihr Politikerinnen-Leben führt, an der Wiege war ihr diese Zukunft nicht gesungen worden. Sie wurde am 22. Februar 1949 in Marl-Hüls geboren. Ihr Vater war Diplomingenieur, die Mutter Einzelhandelskauffrau. Beide waren nicht sehr politisch. Nach dem Hauptschulabschluß setzte Dorothee Danner ihre Ausbildung zur Tischlerin durch. "Meine Zielvorstellung war immer, eine eigene kleine Werkstatt mit einer ebenso netten kleinen Galerie oder einem Kunstgewerbegeschätt zu haben." Natürlich war sie in der Berufsschule, aber auch in der Ausbildung ein "absolut buntes Huhn" unter all den männlichen Gesellen.
    Und doch hat ihr Beruf auch etwas mit dem Entschluß zu tun, in die Politik zu gehen. Nach mehreren erfolgreichen Anstellungen zog sie mit ihrem Mann nach Detmold und erkundigte sich beim dortigen Arbeitsamt nach einem Job. Die Antwort verblüffte und verärgerte sie. Klipp und klar wurde ihr mitgeteilt, Tischler sei keine Arbeit für eine Frau. Das sei viel zu schwer. Kurzum, Frauen würden in diesem Beruf nicht beschäftigt. "fn dem Augenblick habe ich mir gesagt: Jetzt reicht's. Wir Frauen dürfen uns nicht alles gefallen lassen. Das war für mich der Grund, in die Politik zu gehen."
    Dem Entschluß ließ Dorothee Danner rasch Taten folgen. Sie trat in die SPD ein und wurde politisch aktiv. Auf den Posten der stellvertretenden Ortsvorsitzenden folgte die Arbeit als Pressebeauftragte des Ortsvereins und stellvertretende Vorsitzende der AsF Im Ortsverband Löhne. Dann kamen Ämter im Bezirk. 1989 wurde sie Mitglied im Kreistag von Herford, um sogleich den Posten der stellvertretenden Landrätin zu übernehmen. "Das war ein Sprung ins kalte Wasser, aber die Arbeit hat mir viel Freude gemacht", sagt sie heute.
    Natürlich war das ein Vollzeitjob, den sie mit ihrer Familie — Mann, Sohn und Tochter — geregelt bekommen mußte. Aber wie sich zeigte, war die viele Arbeit ein Lebenselexier für Dorothee Danner. Als Karl-Heinz Schnepel nicht mehr für den Landtag kandidierte, bewarb sich die SPD-Frau um das Mandat. Sie gewann zunächst gegen eine Gegenkandidatin und dann das Landtagsmandat. Weitere politische Ambitionen hat sie vorerst nicht. So, wie der neue Job sich angelassen hat, möchte sie im Jahr 2000 gern noch einmal kandidieren, doch bescheiden sagt sie: "Darüber entscheidet die Partei."
    Und ein bißchen natürlich auch die Familie. Lange hat sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern diskutiert, ob sie sich als Landtagsabgeordnete bewerben soll. "Schließlich muß die Familie mitziehen, sonst kann man so einen Job nicht übernehmen", weiß Dorothee Danner und freut sich, daß ihr Mann sie voll bei ihrer politischen Arbeit unterstützt. Mindestens ebenso stolz ist sie, daß auch Sohn und Tochter ein paar zusätzliche Aufgaben übernommen haben, damit die Mutter Politikerin sein kann. Bei so vielen Aktivitäten bleibt Dorothee Danner kaum Zeit für Hobbys nebenher. Doch sie gesteht: "In den Ferien restauriere ich noch immer gerne Schränke."
    Gerlind Schaidt

    ID: LI970559

Lädt

Die Fraktionen im Landtag NRW