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25.09.2023

Ein Parlament zieht um

Seit 35 Jahren ist der Landtag im Parlamentsgebäude am Rhein zu Hause. Davor tagte er rund 40 Jahre lang im Ständehaus. Dazwischen lag ein Umzug. In Teil 2 der Online-Serie "35 Jahre Landtag am Rhein" erzählt Verwaltungsmitarbeiter Frank Dulies, wie er den Landtagsumzug mit organisiert und erlebt hat.

Am Ziel: Lastwagen der Umzugsfirma vor dem Parlamentsneubau

Herr Dulies, wie langwierig ist es, wenn ein Landesparlament umzieht?

Frank Dulies: Der Umzug hat innerhalb der parlamentarischen Sommerpause 1988 stattgefunden und reibungslos geklappt. Innerhalb einer Woche zogen die Abgeordneten um, in der folgenden die Verwaltung und weitere zwei Wochen später die Fraktionen – eben sobald deren Räume amtlich zur Nutzung freigegeben waren. Das bedarf natürlich einer sorgfältigen Vorbereitung. Wir waren vier oder fünf Leute im Umzugsteam, jedes Referat und jede Fraktion hatte einen Umzugsbeauftragten benannt, der dafür sorgte, dass die Umsetzung vor Ort funktionierte. Diese Beauftragten hatten einen direkten Draht zu unserer Umzugsleitstelle. Außerdem hat uns eine Firma beraten. Zentral war unser Umzugshandbuch. Darin stand für alle, was zu tun ist, von A wie Aufkleber bis Z wie Zeitpläne. 

Aufkleber für Umzugskartons?

Ja, eine Kleinigkeit mit großer Wirkung. Damit alle Kartons an der richtigen Stelle wieder ankommen, war genau festgelegt: Was muss wo auf dem Aufkleber draufstehen? Wo auf den Kartons müssen Aufkleber kleben? Welche Farbe müssen sie haben? Mit dem Farbkonzept haben wir bauliche Bereiche unterschieden.

Wie war denn festgelegt, wohin ein bestimmtes Büro umzieht? Der Landtagsneubau war ja ein komplett anderes Gebäude als das Ständehaus.

Das stimmt. Deshalb haben wir zunächst Raumpläne erstellt und ein Raumkonzept erdacht. Wir haben den Landtag in verschiedene Bereiche aufgeteilt, etwa den A-Bereich definiert, den B-Bereich usw. – jeweils rund um zentrale Treppenhäuser und Aufzüge. Und wir haben einen Vorschlag erarbeitet, welche Einheiten sinnvollerweise wo sitzen könnten: Wo die Fraktionen? Wo das Referat, das sich mit Plenums- und Ausschussangelegenheiten befasst? Wo die Hausverwaltung und -technik? Das Umzugshandbuch enthielt auch für alle einzelnen Personen die neue Raumnummer.

Eine Woche bevor es losging wurden rund 2.000 Kartons verteilt – im Umzugshandbuch steht: „Hamstern ist nicht notwendig.“  Was musste denn alles eingepackt werden?

Vor allem Unmengen an Papier: Akten, Vorgänge, Parlamentsdokumente, Briefwechsel ... Außerdem Schreib- und Rechenmaschinen, Bilder und Pflanzen und vereinzelt Möbel. Aber grundsätzlich war die Büroausstattung, also die Möbel und die Technik, im Landtagsneubau komplett neu und musste nicht mit umziehen.

War der Umzug ins neue Gebäude emotional?

Ja, es war ein Umbruch. Auf der einen Seite haben die räumlichen Gegebenheiten im Ständehaus es begünstigt, dass man viel miteinander ins Gespräch kam, vieles auf kurzem Weg auf dem Flur oder in der Teeküche geklärt werden konnte. Es hatte eine persönliche Atmosphäre, die Dienstwege waren kurz. Der Landtagsneubau bot hingegen mehr Platz und bessere Arbeitsbedingungen, war technisch auf der Höhe
der Zeit und natürlich ein tolles Gebäude.

Und er bot Platz für alle. Zuvor waren wir auf drei Gebäude verteilt. Neben dem Ständehaus selbst waren noch Kolleginnen und Kollegen – darunter ich – in Gebäuden in der Kronprinzenstraße und in der Elisabethstraße untergebracht,
weil das Ständehaus zu klein geworden war. Vom Haupthaus zum Gebäude an der Kronprinzenstraße führte ein Tunnel, man kann sagen, ein sehr langer Flur, aber eben unterirdisch.

Wegweiser im neuen Gebäude

Sind die Abgeordneten, und alle, die außerdem im Landtag arbeiteten, gut mit dem neuen Parlamentsgebäude zurechtgekommen?

Im Vorfeld war von einigen Besuchern des Landtagsneubaus zu hören: „Du liebe Güte, wie finden wir uns bloß zurecht?“ Wir haben dann zum Umzug viele Schilder aufgestellt, alles Mögliche ausgeschildert. Man braucht in diesem Gebäude einfach eine Woche, bis man sich zurechtfindet. Alles ist rund – das ist eine Herausforderung für die Orientierung.

Waren schon Computer im Einsatz?

Briefe wurden nach wie vor auf der elektrischen Schreibmaschine geschrieben. Aber die Datenverarbeitung war schon digital: Wir waren an einen Großrechner des Landesamts für Datenverarbeitung und Statistik angeschlossen und konnten dort über Eingabemasken Daten ein speichern – etwa zu den Räumen des Landtags.
Sie wurden alle akribisch erfasst, ausgemessen und beschrieben. Wie viele Fenster, Teppichboden welchen Herstellers, wie viel Quadratmeter Tapete etc. Das Raumbuch, das wir so damals elektronisch angelegt haben, hilft uns bis heute.
Es ist der Ursprung des Gebäudemanagementsystems. Wenn heute ein Raum für eine Besprechung gebucht oder doch nicht gebraucht wird, muss niemand mehr Listen mit Tipp-Ex bearbeiten. In unserem System sind nicht nur alle Räume gelistet, sondern auch alle Anlagen samt Wartungsstand, alle Schlüssel usw.

Wie haben Sie persönlich den Umzug erlebt?

Ich habe mich darauf gefreut. Ein tolles Gebäude in besonderer Lage, das technisch anspruchsvoll ausgestattet war. Die Hausverwaltung und Bautechnik erforderte auch eine ganz andere Betreuung: Der Landtag bekam damals eigenes Personal, das sich zum Beispiel um die Elektronik oder die Sanitärtechnik kümmert. Im Ständehaus gab es einfach einen Hausmeister. Der hatte Werkzeug, eine Leiter und was ein Hausmeister sonst so braucht. Ansonsten wurden Reparaturfirmen beauftragt. Heute besitzt der Landtag selbst schon 250 Leitern, die auch ständig im Einsatz sind.

War zum Umzug alles fertig?

Nicht ganz. Auf dem Vorplatz etwa fehlte noch die Brunnenskulptur „Tzaphon“ – bei der feierlichen Eröffnung hat man dann einfach in die runde Vertiefung Blumen gepflanzt – im Muster und in den Farben des Landeswappens.


Interview: sow

Sonderumzüge

Die Bibliothek des Landtags mit damals rund 30.000 Titeln bedurfte einer eigenen, spezialisierten Umzugsfirma. Marion Konradt, bereits damals Mitarbeiterin der Bibliothek, erinnert sich, dass die Kartons aus dem Untergeschoss eine Treppe hinauf getragen werden mussten – dann aber ging es aufs Rollband, ähnlich wie bei der Kofferabfertigung am Flughafen. Und so rollte der Bibliotheksbestand durch ei-
nen Seiteneingang auch wieder in die Bibliothek des neuen Landtags hinein. Weitere Sonderumzüge waren nötig, um etwa vertrauliche Unterlagen, das Archiv, die Druckerei, die Poststelle, den Wirtschaftsbereich – aber auch Bilder und
Pflanzen sicher in den Neubau zu transportieren.

Technik früher und heute

Das Ständehaus, erinnert sich Frank Dulies, verfügte über einen Fernschreiberaum. Außerdem sendete der Landtag seit 1986 über Bildschirmtext – Vorläufer des Internets – aktuelle Informationen in die Welt. Wer ein entsprechendes Endgerät zu Hause hatte, konnte die Nachrichten empfangen. In den neuen Büros warteten Anschlussdosen auf die Abgeordneten, an denen sowohl Sprach-, Daten-, Bild- und Text-Endgeräte angeschlossen werden konnten – für die bald folgende ISDN-Technik war bereits alles vorbereitet.Außerdem gab es im neuen Landtag von Anfang an eine sogenannte elektroakustische Lautsprecheranlage. Damit lassen sich zentrale Durchsagen sowie Plenardebatten in jedes Büro übertragen, Notfall-Anweisungen im ganzen Haus platzieren oder auch nur bestimmte Gebäudeteile ansprechen – etwa alle Büros, die zu einer bestimmten Fraktion gehören. 

Bilder-Slideshow „35 Jahre Landtag am Rhein“ 

Die Bilder stammen überwiegend aus dem landtagseigenen Bildarchiv, in dem Entwicklung des Neubaus mit zahlreichen Motiven dokumentiert ist. Die Slideshow ist während der Parlamentsnacht am 29. September 2023 auch auf der Leinwand auf dem Vorplatz des Landtags zu sehen.   

Die Fraktionen im Landtag NRW