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19.09.2023

Neubau am Rhein: Eine runde Sache

Die Architekten des Landtagsgebäudes bezeichneten es als „dargestellte Demokratie“. Der Entscheidung für einen Neubau aus dem Jahr 1988 ging eine intensive Debatte voraus – bis am Ende ein Entwurf stand, der die Jury durch ein „Spiel mit Kreisen“ überzeugte. Aber warum brauchte es überhaupt ein neues Parlamentsgebäude? Eine Spurensuche und Teil 1 der Online-Serie „35 Jahre Landtag am Rhein".

Landtagsbau im Februar 1984: Noch führte eine Hochstraße unmittelbar am Landtag vorbei. Zehn Jahre später wurde sie abgerissen und durch Wege für Radfahrer und Fußgänger ersetzt

Nein, so konnte es nicht weitergehen, da waren sich die Landtagsfraktionen von CDU, SPD und FDP einig. Die Räume im Düsseldorfer Ständehaus, wo der Landtag seit 1949 tagte, waren zu eng. Es mangelte an Büros für Abgeordnete, an Räumen für die Fraktionen, die Verwaltung, die Bibliothek, und vor allem mangelte es an Platz im Plenarsaal: Im 19. Jahrhundert, als das Rheinland noch unter preußischer Herrschaft stand, war der Saal des damaligen rheinischen Provinziallandtags für rund 80 Personen hergerichtet worden, die selten tagten. Jetzt aber, nach 1949, tummelten sich im fensterlosen Plenarsaal bei schlechter Akustik und trübem Licht mehrere hundert Menschen, darunter neben Abgeordneten auch Besucherinnen und Besucher sowie Pressevertreterinnen und -vertreter.

Erweiterungsbau

Die Frage nach Alternativen entwickelte sich zum Dauerthema im Landtag: Zwischen 1955 und 1972 gab es rund 80 Initiativen, die auf neue Baumaßnahmen zielten; mal sollte es ein Umbau sein, mal ein Anbau, dann wieder ein Neubau an einem anderen Standort. Auch weit gediehene Entwürfe wurden jedes Mal zu den Akten gelegt: Als 1977 beispielsweise ein Erweiterungsbau am Ständehaus entstehen sollte, machte sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt der Grünanlagen am Schwanenspiegel stark. 

Das Projekt geriet ins Stocken. In den Jahren zuvor waren bereits neue Standorte etwa auf dem Düsseldorfer Messegelände oder an der Haroldstraße verworfen worden. Aus Platznot kam es zu Behelfslösungen; der Landtag war zeitweise in sieben Gebäuden untergebracht – für viele Abgeordnete, aber auch Mitarbeitende in der Verwaltung ein unhaltbarer Zustand. „Zuständehaus“ wurde das Ständehaus laut einem Bericht des „Spiegel“ deshalb auch genannt. 

Unruhe machte sich breit: Hans Koch, damals Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, forderte im Januar 1978 laut einem Zeitungsartikel, dass der Landtag nach Neuss umziehen solle, wenn in Düsseldorf keine Lösung gefunden werde. Der SPD-Abgeordnete Hans-Georg Vitt schlug vor, der Landtag solle nach Essen in die Villa Hügel verlegt werden. Die Stadt Köln unterbreitete sogar ein Angebot für ein Baugrundstück – bis die Stadt Düsseldorf schließlich ein Gelände ausfindig machte, das sich im Nachhinein als Glücksgriff herausstellen sollte: Der Berger Hafen, direkt am Rhein, sollte trockengelegt werden, um ein Areal für ein repräsentatives Landtagsgebäude herzurichten.

Im Dezember 1978 beschloss der Hauptausschuss des Landtags, das rund 32.000 Quadratmeter große Grundstück zu kaufen. Wenig später legte der damalige Landtagspräsident Dr. Wilhelm Lenz ein Raumkonzept vor und erläuterte seine Vorstellungen zum Plenarsaal, dem Herzstück des parlamentarischen Geschehens: „Alle Abgeordneten, auch die Mitglieder der Landesregierung, sitzen in kreisförmiger Anordnung.“ Das Kreisrund des Raumes sollte mit der traditionellen Sitzordnung – dem Gegenüber von Parlament und Regierung – brechen und bei aller Verschiedenheit der Standpunkte einen parlamentarischen Debattenstil des Miteinanders prägen.

Gut ein halbes Jahr später verpflichtete sich die Stadt, die Rheinuferstraße, die damals noch direkt vor dem Baugrundstück verlief, in einen Tunnel zu verlegen. Damit war der Weg frei für einen bundesweiten Architektenwettbewerb, der 1979 ausgeschrieben wurde. 58 Entwürfe wurden eingereicht, im Februar 1980 prämierte eine Jury die Sieger: Der erste Preis ging an das Architektenbüro Eller-Moser-Walter & Partner aus Düsseldorf.

„Wie eine geöffnete Blüte“ 

Ausgehend von der Forderung nach einem kreisrunden Plenarsaal machten die Architekten runde Formen zum wesentlichen Gestaltungsmerkmal des Parlamentsneubaus. „Wie eine geöffnete Blüte“ habe das Bauwerk im Preisträgerentwurf ausgesehen, schrieb ein Journalist in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ am 5. März 1980. Der Entwurf bestand aus 27 Ringen, Zylindern und Spangen – alle angeordnet um den runden Plenarsaal. Runde Fraktions- und Ausschusssäle umgaben den Plenarbereich wie Satelliten. Weitere Trakte mit Büroräumen waren schalenförmig um den Plenarsaal angeordnet.

„Der Plenarsaal als ‚Kern‘ ist wie ein Fixstern von den Fraktionssälen und den Spiralformen der Abgeordnetenbereiche umrundet“, schrieb Architekt Prof. Fritz Eller (1927–2018), der damals an der RWTH Aachen lehrte, rückblickend über die gestalterischen Ideen. Ein „Spiel mit Kreisen“ habe ihm und seinen Architektenkollegen vorgeschwebt.

„Wir versuchten, ein architektonisches Bild zu entwerfen, in dem der Sinn des Parlaments und das Wesen unserer Demokratie zum Ausdruck kommen.“ Das neue Gebäude sollte für Bürgernähe, Offenheit und Transparenz stehen – ein Grund dafür, warum so viel Glas verbaut wurde.

Die Bagger rollen an

Im April 1980 begannen die Vorbereitungen für den Bau: Zunächst wurde das Becken im aufgegebenen Berger Hafen mit Kies aufgeschüttet, anschließend rollten die Bagger an, um die Speicher, Lagerschuppen und Kräne abzubrechen. Die Stadt übergab das baureife Gelände im August 1981. Baubeginn war ein Jahr später, 1984 wurde Richtfest gefeiert, und es dauerte weitere vier Jahre, bis am 7. September 1988 das Landesparlament erstmals im neuen Gebäude tagte. 

Am 2. Oktober 1988 wurde der Landtag am Rhein offiziell eingeweiht – genau 42 Jahre, nachdem die nordrhein-westfälische Volksvertretung am 2. Oktober 1946 erstmals getagt hatte. Prof. Heinrich A. Große-Sender, damaliger Direktor des Landtags, würdigte den neuen Landtag kurz nach seiner Eröffnung in einer Broschüre: „Das neue Haus soll der heutigen Auffassung von Demokratie gerecht werden. Kontrollierbarkeit von Entscheidungsvorgängen, Transparenz und Bürgernähe sind daher wichtige Merkmale des Gebäudes.“ Bewusst sei auf „überkommene Symbolik von Herrschaftsmacht“ verzichtet worden. „Das Gebäude thront nicht über der Stadt, sondern, eingebettet in einen Bürgerpark und nach Form, Höhe und Materialien stadtplanerisch in die Stadt integriert, präsentiert sich der Landtag als Haus der Bürger dieses Landes.“ Und da steht es noch immer, zwischen Rheinkniebrücke und Fernsehturm, eingebettet in den Bürgerpark – ein Bau, der Maßstäbe setzt.

Text: tob

Bilder-Slideshow „35 Jahre Landtag am Rhein“ 

Die Bilder stammen überwiegend aus dem landtagseigenen Bildarchiv, in dem Entwicklung des Neubaus mit zahlreichen Motiven dokumentiert ist. Die Slideshow ist während der Parlamentsnacht am 29. September 2023 auch auf der Leinwand auf dem Vorplatz des Landtags zu sehen.   

Die Fraktionen im Landtag NRW