26.05.2023

Landtag gedenkt Opfer des Brandanschlags von Solingen

Vor 30 Jahren starben beim Brandanschlag von Solingen fünf Mitglieder der Familie Genç. Viele weitere Familienmitglieder wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Der Landtag gedachte anlässlich des Jahrestags der Opfer und rief zum Kampf gegen Rechtsextremismus auf. Mitglieder der Familie Genç verfolgten die Debatte von der Besuchertribüne aus.

Die Abgeordneten verabschiedeten einen Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP (18/4358). Darin heißt es: „Die Erinnerung an Solingen ist eine wichtige Mahnung, Rechtsextremismus und Rassismus einzudämmen und demokratische Haltungen in unserer Gesellschaft fortwährend zu stärken. Das ist eine wesentliche Aufgabe von Staat und Zivilgesellschaft.“ Die Landesregierung wird u. a. aufgefordert, den Ermittlungsdruck gegen rechtsextremistische Straftaten hoch zu halten. Die AfD-Fraktion enthielt sich bei der Abstimmung. Ein Änderungsantrag der AfD (18/4487) wurde abgelehnt.

„Liebe lässt den Menschen leben, aber der Hass, der bringt den Tod“, zitierte CDU-Fraktionschef Thorsten Schick die im Oktober 2022 verstorbene Mevlüde Genç. Sie hatte bei dem heimtückischen Brandanschlag vor 30 Jahren zwei Töchter, zwei Enkelkinder und eine Nichte verloren. Mevlüde Genç habe den Hass hinter sich gelassen und ihr Leben der Versöhnung und Verständigung gewidmet. Die ganze Familie sei zu „Botschaftern der Versöhnung“ geworden. Die Tragödie von Solingen sei „Teil der kollektiven Erinnerung unseres Landes“, sagte Schick: „Wir dürfen niemals vergessen, was Menschen anderen Menschen in unserem Land angetan haben.“ 

Es sei eine Ehre für das Parlament, dass Familie Genç an diesem Tag in den Landtag gekommen sei, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Jochen Ott. Niemand verkörpere den „Geist der Versöhnung“ mehr als Mevlüde Genç. Der Mordanschlag von Solingen sei eine Zäsur gewesen: „Seitdem konnte es keinen Zweifel mehr geben: Rassismus und Rechtsextremismus sind tödliche Realität in Deutschland.“ Der gewalttätige Rechtsextremismus sei die „größte Gefahr unserer Demokratie“. Er  müsse „die Macht der wehrhaften Demokratie zu spüren bekommen – und zwar noch härter und stärker, als es bisher der Fall war“, sagte Ott.

Anfang der 1990er-Jahre sei „rassistisch aufgeheizt“ über die Aufnahme von Geflüchteten diskutiert worden, sagte Verena Schäffer, Fraktionschefin der Grünen. Trotz der Pogrome von Mölln, Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda habe der Bundestag 1993 den sogenannten Asylkompromiss – laut Schäffer eine „erhebliche Beschneidung des Asylrechts“ – beschlossen. „Für Neonazis und Rechtsextreme muss das eine Bestätigung für ihre menschenverachtende Hetze gewesen sein.“ Nur drei Tage später habe das Haus der Familie Genç gebrannt. Demokratinnen und Demokraten müssten sich dafür einsetzen, konsequent gegen Rechtsextremismus vorzugehen. 

Mit der Debatte, sagte FDP-Fraktionschef Henning Höne, mache der Landtag deutlich: „Auch 30 Jahre nach dem feigen Anschlag haben wir die Opfer nicht vergessen.“ Den Angehörigen, die den Anschlag in Solingen überlebten, gelte „unser tief empfundenes Mitgefühl“. Menschenverachtende Taten dürften sich nicht wiederholen. Daher sollten Handlungskonzepte gegen Rechtsextremismus und Rassismus weiterentwickelt und Dunkelfelder erforscht werden. Die antragstellenden Fraktionen setzten sich u. a. dafür ein, Maßnahmen und Projekte zum Gedenken an den rechtsextremistischen Brandanschlag in Solingen zu fördern. 

Dr. Hartmut Beucker (AfD) sagte, der Landtag gedenke in Trauer des „feigen Anschlags“ vor 30 Jahren. Einen vergleichbaren Anschlag habe es in NRW nicht gegeben. Aus ihm müssten Lehren gezogen werden. Er kritisierte allerdings den Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP. Dieser verurteile zurecht Rechtsextremismus und Rassismus. Er vermische aber andere Dinge damit, die nichts mit dem Thema zu tun hätten. Auch stelle der Antrag nicht die Frage, ob die bisherigen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus effizient und zielgerichtet seien. Daher habe seine Fraktion einen Änderungsantrag eingebracht. 

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach von „einem der dunkelsten Tage in der Geschichte unseres Landes“. Fünf junge Menschen seien Opfer eines heimtückischen Brandanschlags geworden, der aus Hass begangen worden sei. Auch Wüst erinnerte an Mevlüde Genç. Sie sei ein großes Vorbild der Versöhnung gewesen und habe dem Hass Liebe entgegengesetzt. Den Rechtsextremismus nannte der Ministerpräsident die größte Gefahr für unsere Demokratie. Er betonte: „Es ist unser Land, ein Land der Vielfalt, ein Land der Toleranz, ein Land des respektvollen Miteinanders. Dieses Land lassen wir uns von niemandem wegnehmen.“ 

Text: zab, tob, wib

Die Fraktionen im Landtag NRW