Walter Freitag (1889-1958)

Walter Freitag war nach Hans Böckler und Christian Fette der dritte Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Alle drei waren darüber hinaus Mitglieder des ernannten Landtags von Nordrhein-Westfalen. Dies zeigt wiederum, zu welch hohem Anteil die frühe bundesrepublikanische Führungselite im NRW-Landtag vertreten war und dass sie dort bereits miteinander interagierte.

Walter Freitag wurde am 14. August 1889 in Remscheid geboren. Sein Vater war Schlosser, verstarb allerdings bereits 1896. Seine Mutter musste daraufhin Walter und seine beiden Geschwister als Putz- und Waschfrau durchbringen. Nach dem Besuch der Volksschule machte Walter Freitag eine Lehre als Werkzeugdreher. Bereits in jungen Jahren war er in der Arbeiterbewegung eingebunden und von deren Ideen geprägt. So trat Freitag, beeinflusst von dem sozialistischen Gedankengut, 1906 aus der evangelischen Kirche aus; Ende 1907 wurde er dann Mitglied des Deutschen Metallarbeiter-Verbands und Anfang 1908 Mitglied der SPD. In beiden Organisationen engagierte er sich ehrenamtlich neben seinem Beruf. 1910 nahm er an einer Wahlrechtsdemonstration teil, in deren Folge ein Verfahren wegen Landfriedensbruch gegen ihn eingeleitet wurde – zu seiner Erleichterung wurde das Verfahren jedoch eingestellt. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wurde er als Soldat eingezogen, allerdings durfte er ab 1917 schließlich als Dreher in der Rüstungsindustrie arbeiten. Im gleichen Jahr trat er von der SPD zur USPD über.1

Während der Novemberrevolution wurde Freitag Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats in Remscheid. 1919 wurde er in Remscheid Gewerkschaftssekretär des Metallarbeiter-Verbands und ein Jahr darauf schließlich Bezirksleiter des Verbands in Hagen. Diese Funktion behielt er bis 1933. 1922 kehrte Freitag wieder zu den Mehrheitssozialdemokraten zurück und wurde 1931 Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Hagen-Schwelm. Für die SPD wurde Freitag 1932 sogar in den Preußischen Landtag gewählt.2

Nach der Gleichschaltung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933 versuchten die Nationalsozialisten mangels fehlendem Personals und fehlender Expertise Freitag zu einer Weiterführung seiner gewerkschaftlichen Arbeit zu bewegen. Freitag lehnte jedoch ab und wurde daraufhin im Oktober 1933 in das KZ Neusustrum bei Papenburg im Emsland gebracht, wo auch das Lied der „Moorsoldaten“ entstand. Später wurde er in das KZ Lichtenburg bei Torgau verfrachtet. Während seiner KZ-Haft wurde Freitag schwer misshandelt. Im Herbst 1935 wurde er entlassen, stand jedoch weiterhin unter polizeilicher Aufsicht und erhielt zudem das Verbot, sich im Bezirk Hagen aufzuhalten. Er zog daraufhin nach Dortmund. Es folgten sechs Jahre Arbeitslosigkeit, weil dem Dortmunder Arbeitsamt untersagt wurde, ihm eine Arbeit zuzuweisen. Erst 1941 wurde ihm gestattet einer Beschäftigung für 45 Pfennig pro Stunde nachzugehen. Er bekam schließlich eine Anstellung als Wachmann in einer Wach- und Schließgesellschaft sowie 1942 eine Stelle als Feuerwehrmann im Werk Hörde des Dortmund-Hörder-Hüttenvereins.3

Unmittelbar nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes engagierte sich Freitag beim Wiederaufbau der Metallarbeitergewerkschaft und der SPD in seiner Region. Von 1946 bis 1949 war er zudem Landrat im Kreis Ennepe-Ruhr. Ebenfalls 1946 war er Mitglied im Zonenausschuss der Gewerkschaften der britischen Zone und zog in den ernannten Landtag von Nordrhein-Westfalen ein. Landtagsabgeordneter blieb er bis 1950 – dort war er im Wirtschafts- und im Energieausschuss tätig. Darüber hinaus war er von 1949 bis 1953 Mitglied des Bundestags. Freitag war der Überzeugung, dass SPD und Gewerkschaftsbewegung gleiche Ziele verfolgen und dementsprechend gemeinsame Wege beschreiten sollten. Doch er konnte nicht beiden Organisationen gleichermaßen seine Aufmerksamkeit widmen und so räumte er der gewerkschaftlichen Arbeit im Laufe der Zeit den Vorrang ein. 1947 wurde er zusammen mit Wilhelm Petersen Vorsitzender der IG Metall für die britische Zone und des Landes Bremen. 1948 vereinigte sich die Gewerkschaft der britischen und amerikanischen Zone und 1950 schließlich wurde Walter Freitag zusammen mit Hans Brümmer Vorsitzender der IG Metall für das Gebiet der Bundesrepublik. Als IG Metall-Vorsitzender setzte sich Freitag für die paritätische Mitbestimmung ein. Zudem war er stets ein vehementer Verfechter der Schaffung einer Einheitsgewerkschaft gewesen. Dementsprechend selbstverständlich war die IG Metall dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) beigetreten. Freitag war außerdem Mitglied im Beratenden Ausschuss der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sowie Mitglied des Internationalen Metallarbeiter-Bunds.4

Nach dem plötzlichen Tod des ersten DGB-Chefs Hans Böckler zeigte auch Walter Freitag Ambitionen auf das Amt des Vorsitzenden. Allerdings hatte sich Böckler vor seinem Tod ausdrücklich den Vorsitzenden der IG Druck und Papier, Christan Fette, als Nachfolger gewünscht. Auf dem Bundeskongress in Essen Ende Juni 1951 verzichtete Freitag erst einmal auf eine Kampfkandidatur. Als jedoch die Kritik an Fette als DGB-Chef in den darauffolgenden Monaten nicht abriss, wurde eine Ablösung Fettes innerhalb der Gewerkschaftsbewegung weiter diskutiert. Freitag wurde gedrängt, sich erneut zu bewerben. Auch innerhalb der SPD wurde eine Unterstützung Freitags erörtert, da man sich von ihm eine stärkere Orientierung des DGBs an die Ziele der SPD erhoffte.5 Dass man von Freitag selbst keine hohe Meinung hatte, verdeutlicht folgender vertrauliche Bericht für den SPD-Parteivorstand: „Freitag hat eine ‚letzte Entscheidung‘ noch nicht getroffen. Diese hängt zweifellos davon ab, ob ihn der Parteivorstand dazu ermuntert und ihm zu verstehen gibt, daß er diese Kandidatur energisch unterstützen und seine Wahl sichern werde. (Auch dann ist bei Walter Freitag’s Charakter mit starken Schwankungen zu rechnen[…])6

Freitag setzte sich auf dem Bundeskongress in Berlin im Oktober 1952 gegenüber Fette mit 184 zu 154 Stimmen durch. Allerdings verlief auch Freitags Amtszeit als Vorsitzender des DGBs wenig glücklich. Freitag wurde intern kritisiert – so warf man ihm bei Lohnkonflikten mit Arbeitergebern „übersteigerte Mäßigung“ vor. Auch die Affäre um Viktor Agartz wirkte sich negativ auf sein Ansehen aus. Aus gesundheitlichen Gründen – u.a. litt er schwer an Diabetes – legte er schließlich sein Amt im Oktober 1956 nieder. An dem DGB-Kongress, auf dem sein Nachfolger Willi Richter gewählt wurde, konnte Freitag selbst nicht mehr anwesend sein. Zugutehalten muss man Walter Freitag, dass er, auch wenn er selbst keinen Aufbruch bzw. Generationswechsel der Gewerkschaftsbewegung verkörperte, doch einen generationellen Wechsel innerhalb des DGBs eingeleitet und befördert hat.7

Als DGB-Vorsitzender war Freitag zudem Mitglied des Exekutiv-Rates des Internationalen Bunds Freier Gewerkschaften und wurde 1953 sogar dessen Vizepräsident. Zudem war er seit 1955 Mitglied des Verwaltungsrats der Deutschen Bundesbahn. Freitag war verheiratet. Er starb am 7. Juni 1958 im Alter von 68 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls in seinem Heim in Herdecke an der Ruhr.8

Endnoten
1 Vgl. Freitag Walter: Mein Lebenslauf o.D., in: Biografische Kompendien des Landtags von Nordrhein-Westfalen (Sig.: A0208/0196); Creutzenberg, Willi: Walter Freitag (1889-1958). Verantwortung in vielen Funktionen, in: Faulenbach, Bernd u.a. (Hrsg.): Sozialdemokratie im Wandel. Der Bezirk Westliches Westfalen 1893-2001, 4. erw. Aufl., Essen 2001, S. 179-180, hier S. 179; Wickert, Christl: Der Freiheit verpflichtet. Gedenkbuch der deutschen Sozialdemokratie im 20. Jahrhundert, hrsg. vom Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Marburg 2000, S. 101; Beier, Gerhard: Schulter an Schulter, Schritt für Schritt. Lebensläufe deutscher Gewerkschafter. Von August Bebel bis Theodor Thomas, Köln 1983, S. 60-61; Haunfelder, Bernd: Nordrhein-Westfalen. Land und Leute 1946-2006. Ein biographisches Handbuch, Münster 2006, S. 156 sowie o.V.: Freitag, Walter, in: Interpress Archiv. Internationaler biographischer Pressedienst vom 3.10.1956.
2 Vgl. Creutzenberg: Walter Freitag (1889-1958), S. 179; Schröder, Wilhelm Heinz: Sozialdemokratische Parlamentarier in den Deutschen Reichs- und Landtagen 1867-1933, Düsseldorf 1995, S. 448-449; Wickert: Der Freiheit verpflichtet, S. 102 sowie Beier: Schulter an Schulter, S. 61.
3 Vgl. Freitag: Mein Lebenslauf o.D., in: Biografische Kompendien; ders.: Presse-Fragebogen vom 11.08.1948, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Erteilte Lizenzen (Sig.: NW 11 Nr. 31); Creutzenberg: Walter Freitag (1889-1958), S. 179; Wickert: Der Freiheit verpflichtet, S. 102; Beier: Schulter an Schulter, S. 61-62; o.V.: Freitag (Herdecke), Walter, in: Schumacher, Martin (Hrsg.): M.d.L. Das Ende des Parlamentarismus 1933 und die Abgeordneten der Landtage und Bürgerschaften der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus, Düsseldorf 1995, S. 41; o.V.: Freitag, Walter, in: Interpress Archiv sowie o.V.: Freitag, Walter, in: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000004715 (abgerufen am 1.10.2019).
4 Vgl. Lebenslauf Walter Freitag o.D., in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Ordensakten (Sig.: NW O Nr. 2376); Creutzenberg: Walter Freitag (1889-1958), S. 179; Wickert: Der Freiheit verpflichtet, S. 102; Beier: Schulter an Schulter, S. 62; o.V.: Freitag, Walter, in: Interpress Archiv; o.V.: Freitag, Walter, in: Munzinger Online sowie o.V.: Zum Tode Walter Freitags. Ein unermüdlicher Vorkämpfer der Arbeiterbewegung schied dahin, in: Vorwärts vom 13.06.1958.
5 Vgl. Schönhoven, Klaus: Nach der Ära Böckler: Die Führungskrise im Deutschen Gewerkschaftsbund 1951/52, in: Kocka, Jürgen / Puhle, Hans-Jürgen / Tenfelde, Klaus (Hrsg.): Von der Arbeiterbewegung zum modernen Sozialstaat, in: München u.a. 1994, S. 173-189, hier S. 176-184 sowie Beier: Schulter an Schulter, S. 64.
6 Vertraulicher Bericht für den geschäftsführenden Parteivorstand, in: AdsD. Bestand Siegmund Neumann (Sig.: 1/SNAA000026).
7 Vgl. Brief Walter Freitag an Erich Ollenhauer vom 9.12.1955, in: AdsD. Bestand Walter Freitag (Sig.: 1/WFAB000005); Creutzenberg: Walter Freitag (1889-1958), S. 179; o.V.: Freitag, Walter, in: Munzinger Online; Beier: Schulter an Schulter, S. 64-65; Schönhoven: Nach der Ära Böckler, S. 181, 185 sowie o.V.: Freitag, Walter, in: Interpress Archiv.
8 Vgl. Creutzenberg: Walter Freitag (1889-1958), S. 180; Wickert: Der Freiheit verpflichtet, S. 102 sowie o.V.: Freitag, Walter, in: Munzinger Online.

Die Fraktionen im Landtag NRW