Johann Ernst (1888-1969)

Johann Ernst war wie viele der frühen nordrhein-westfälischen CDU-Landtagsabgeordneten Gewerkschafter. In seiner politischen Arbeit war es ihm deshalb ein besonders Anliegen, sich für die Interessen der Arbeiterschaft einzusetzen. Im Nationalsozialismus traf ihn nicht nur der Verlust seiner Ämter und die Zerschlagung der Gewerkschaften schwer, auch eine mehrwöchige Haft hatte er zu erdulden.

Johann (Johannes) Ernst wurde am 30. Oktober 1888 in Kirschienen (heute Kiersiny) im Kreis Braunsberg (heute Braniewo) in Ostpreußen geboren. Er wuchs in einer kinderreichen katholischen Kleinbauernfamilie auf und besuchte die Volksschule in Engelswalde (heute Sawity). Nach dem Ende der Schule begann Johann zuerst in der Landwirtschaft zu arbeiten, entschied sich dann jedoch für den Bergmannsberuf. Er zog ins Ruhrgebiet und fuhr 1905 seine erste Schicht in Hombruch-Barop (heute ein Dortmunder Stadtteil). Von 1908 bis 1911 leistete er seinen Militärdienst bei der Kaiserlichen Marine u.a. auf dem berüchtigten Kanonenboot „SMS Panther“. Ab 1911 arbeitete er auf der Zeche Preußen II in Lünen. Zudem begann Ernst sich zu politisieren. Bereits 1907 war er Mitglied des „Gewerksvereins christlicher Bergarbeiter Deutschlands“ geworden und 1912 trat er der katholischen Deutschen Zentrumspartei bei. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Ernst zum Dienst in der Marine eingezogen. Am Ende des Krieges war er Bootsmannsmaat.1

1919 zog Ernst wieder in den Osten, denn er wurde in Schlesien hauptamtlicher Bezirksleiter des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter. Später wurde er in Waldenburg (heute Wałbrzych) Stadtverordneter und Mitglied des niederschlesischen Provinziallandtags. 1921 entsandte ihn der Gewerksverein als Bezirksleiter ins Aachener Steinkohlerevier. Dort wurde er u.a. auch publizistisch aktiv. So verfasste er eine Reihe Artikel zu politischen und wirtschaftlichen Themen in den zentrumsnahen Zeitungen und christlichen Gewerkschaftsorganen der Region. 1923 beteiligte sich Ernst am passiven Widerstand gegen die französischen und belgischen Besatzer, weshalb er am 24. August verhaftet und in das Aachener Gerichtsgefängnis gebracht sowie am 18. Oktober aus den besetzten Gebieten ausgewiesen wurde. Erst 1924 konnte er wieder nach Aachen zurückkehren. Ernst wurde dann 1928 Stadtverordneter in Herzogenrath bei Aachen und im gleichen Jahr Mitglied des rheinischen Provinziallandtags. 1932 zog er sogar im Wahlkreis 2 Köln-Aachen in den Deutschen Reichstag ein.2

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor Ernst seine Stelle beim Gewerksverein.3 „Bei meiner Entlassung 1933 wurde ich gleichzeitig meiner Ämter als Vorstandsmitglied der Aachener Knappschaft, als Mitglied des Aufsichtsrates der Aachener Bergmannssiedlungsgesellschaft u. der Reichsbeihilfe für den Bau von Bergmannswohnungen sowie meiner Stellungen beim Landesarbeitsgericht u. dem Verwaltungsrat des Arbeitsamtes in Aachen u. des Landesarbeitsamtes in Köln enthoben. Ebenso meiner Eigenschaft als Mitglied des Reichstags, des Provinziallandtages u. des Provinzialausschusses, sowie des Gemeinderates in Herzogenrath entkleidet.“4 Ernst fand schließlich eine Stelle als Bezirksinspektor bei einer Lebensversicherung. Er wurde einfaches Mitglied der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und später einfaches Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), stand aber unter Beobachtung des NS-Staates. Im Zuge der „Aktion Gitter“, der Verhaftungswelle nach dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944, wurde Ernst am 24. August von der Gestapo in Gewahrsam genommen – exakt 21 Jahre nach seiner ersten Verhaftung. Er wurde erst in das Aachener Gerichtsgefängnis und dann in das Kölner Messelager gebracht, einer Außenstelle des KZ-Buchenwald. Aufgrund der unhygienischen Verhältnisse erkrankte er dort an Flecktyphus. Im Herbst des gleichen Jahres wurde er entlassen.5

Nach Ende des Krieges wurde Ernst Gründungsmitglied der nun überparteilichen Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IG BE) und Bezirksleiter der Gewerkschaft im Aachener Steinkohlenreviers. 1947 wurde er dann Direktor für Sozialfragen in der Deutschen Kohlenbergbauleitung in Essen, wo er sich vor allem für den Bergarbeiterwohnungsbau einsetzte. 1945 hatte er sich zudem an der Gründung der CDU im Rheinland beteiligt und im September des gleichen Jahres wurde er in den rheinischen Landesvorstand der CDU gewählt. Auch wurde er Mitglied des Zonenausschusses der CDU in der britischen Besatzungszone. 1946 wurde Ernst Stadtverordneter der CDU in Aachen, Mitglied des Kreistags Aachen-Land sowie Landrat des Landkreises Aachen. Bereits ein Jahr zuvor war er Mitglied des beratenden Provinzialrats Rheinland geworden und mit der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen wurde er im Oktober 1946 Mitglied des ernannten NRW-Landtags. Bis 1958 gehörte er dem Landtag an und engagierte sich u.a. im Wirtschaftsausschuss und im Arbeitsausschuss. Im September 1950 ernannte ihn Ministerpräsident Karl Arnold zum Arbeitsminister. Als am 1. Oktober 1953 das Arbeitsministerium mit den Ministerien für Wiederaufbau und Soziales zusammengelegt wurde, wurde Ernst noch vor Ende der Wahlperiode von seinem Amt entbunden. Sein Nachfolger im Ministerium für Arbeit, Soziales und Wiederaufbau wurde Otto Schmidt, der vorherige Wiederaufbauminister.6 Karl Arnold begründete die Zusammenlegung wie folgt: „Durch die Bundesgesetzgebung und durch innere Verwaltungsmaßnahmen haben sich auch die Zuständigkeiten des Arbeitsministeriums spürbar verringert. […] Die verbliebenen Aufgaben boten keine ausreichende Grundlage für ein selbstständiges Ministerium.“7

In den folgenden Jahren machte sich Ernst als Schlichter bei Arbeitskonflikten einen Namen. Bereits 1953 vermittelte er bei dem nordrhein-westfälischen Textilarbeiterstreik und wenig später bei einem Konflikt in der eisenverarbeitenden Industrie Nordrhein-Westfalens. Überregionale Bekanntheit errang „Schlichter Ernst“ 1956/1957, als er den schleswig-holsteinischen Metallarbeiterstreik, den damals längsten Streik der bundesrepublikanischen Geschichte, mitbeenden konnte. Ende 1957 half – der in seinem Auftreten bescheidene – Ernst mit, als Vermittler zwischen dem Gesamtverband metallindustrieller Arbeitgeberverbände und der IG Metall einen Tarifkompromiss zu erzielen. 1958 wurde Ernst – mittlerweile 70 Jahre alt – überraschenderweise noch einmal Minister in Nordrhein-Westfalen. Ministerpräsident Franz Meyers ernannte ihn zum Arbeits- und Sozialminister, da er einen ausgewiesenen Arbeiterhintergrund besaß. Ein Jahr später wurde Ernst dann Minister für Bundesangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen. 1960 trat Ernst allerdings aus gesundheitlichen Gründen zurück. Für sein politisches und gewerkschaftliches Engagement wurde ihm der große Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland mit Stern und Schulterband sowie der Päpstliche Ritterorden vom Heiligen Sylvester verliehen. Johann Ernst war verheiratet und Vater zweier Söhne. Er starb am 20. April 1969 in Aachen.8

Endnoten
1 Vgl. Ernst, Johann: Lebenslauf vom 07.10.1963, in: ACDP. Pressearchiv (Sig.: PA-P2-Em-Err); Simons, Konrad: Schlichter Ernst. Atemberaubender Lebenslauf durch die deutsche Geschichte, in: Rheinische Post vom 18.04.1959; Brülls, Klaus / Casteel Winfried: „Schafft die Einheit“. Aachen 1945: Die freien deutschen Gewerkschaften werden gegründet, in: DGB-Bildungswerk NRW e.V. (Hrsg.): „Schafft die Einheit“. Aachen 1945: Die freien deutschen Gewerkschaften werden gegründet, Essen 2005, S. 9-57, hier S. 34; o.V.: Ernst, Johann, in: Interpress Archiv. Internationaler biographischer Pressedienst vom 13.07.1960 sowie o.V.: Bergmann macht Karriere. NRW-Arbeitsminister Ernst 70 Jahre alt, in: Neue Ruhr Zeitung vom 30.10.1958.
2 Vgl. Ernst, Johann: Fragebogen der Militärregierung vom 08.11.1945, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1079-7347); ders.: Lebenslauf vom 07.10.1963; Haunfelder, Bernd: Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei 1871-1933. Biographisches Handbuch und historische Photographien, Düsseldorf 1999, S. 307; Brülls / Casteel: „Schafft die Einheit“, S. 34; Simons: Schlichter Ernst; o.V.: Ernst, Johann, in: Interpress Archiv; o.V.: Johann Ernst: Geduld und Sachkenntnis, in: Westfälische Allgemeine vom 12.02.1957 sowie o.V.: Johann Ernst gestorben, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.04.1969.
3 Vgl. Ernst: Fragebogen der Militärregierung vom 08.11.1945.
4 Ebd.
5 Vgl. ebd.; ders.: Mitgliedsbuch der Deutschen Arbeitsfront (DAF), in: ACDP. Nachlass Johannes Ernst (Sig.: 01-385-0006-4); ders.: Sonderausweis für politisch, rassisch und religiös Verfolgte vom 08.08.1946, in: ACDP. Nachlass Johannes Ernst (Sig.: 01-385-0006-4); Ernst, Hanno: Lebenslauf Johannes Ernst, in: ACDP. Nachlass Johannes Ernst (Sig.: 01-385-0006-4); Hammer, Walter: Hohes Haus in Henkers Hand, Frankfurt a.M. 1956, S. 39; Fings, Karola: Messelager Köln. Ein KZ-Außenlager im Zentrum der Stadt, Köln 1996, S. 15; Haunfelder, Bernd: Nordrhein-Westfalen. Land und Leute 1946-2006, Münster 2006, S. 141; Simons: Schlichter Ernst sowie o.V.: Landrat Johann Ernst, in: Aachener Volkszeitung vom 19.5.1947.
6 Vgl. Ernst: Lebenslauf vom 07.10.1963; Brülls / Casteel: „Schafft die Einheit“, S. 34; Haunfelder: Nordrhein-Westfalen, S. 141; ders.: Reichstagsabgeordnete, S. 307; Hammer: Hohes Haus, S. 39; o.V.: Ernst, Johann, in: Interpress Archiv; o.V.: Bergmann macht Karriere; o.V.: Johann Ernst: Geduld und Sachkenntnis, in: Westfälische Allgemeine vom 04.12.1957 sowie o.V.: Ernst, Johann, in: Munzinger Online/Personen - Internationales Biographisches Archiv, URL: http://www.munzinger.de/document/00000004740 (abgerufen am 5.10.2020).
7 Stenographischer Bericht über die 91. Sitzung des Landtages Nordrhein-Westfalen am 27. Oktober 1953.
8 Vgl. Brief Chef des Bundespräsidialamtes an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16.10.1958, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Ordensakten (Sig.: NW-O-3046); Ernst: Lebenslauf vom 07.10.1963; Stenographischer Bericht über die 46. Sitzung des Landtages Nordrhein-Westfalen am 13. September 1960; Haunfelder: Nordrhein-Westfalen, S. 141; Simons: Schlichter Ernst; o.V.: Ernst, Johann, in: Interpress Archiv; o.V.: Bergmann macht Karriere; o.V.: „Ehrlicher Makler“, in: Westfalenpost vom 08.02.1957; o.V.: Johann Ernst gestorben sowie o.V.: Ernst, Johann, in: Munzinger Online/Personen.

Die Fraktionen im Landtag NRW