Kühn war bereits in jungen Jahren politisch interessiert und engagiert. Mit 16 Jahren trat er der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ) bei und mit 18 Jahren der SPD. In der SAJ wurde er nach kürzester Zeit führender Funktionär der Oberrhein-Provinz. Grundsätzlich übernahm Kühn, wenn er in einer Organisation aktiv wurde, schnell Führungsaufgaben – dies war auch bei der Vereinigung sozialistischer Studenten und bei der Republikschutzorganisation „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ der Fall. Kühn war enorm wissbegierig, kommunikativ und voller Tatendrang; zudem verfügte er über organisatorisches wie rhetorisches Talent, was er in seinem politischen Engagement zu nutzen wusste.3
Bis zu den Wahlen am 5. März 1933 kämpfte Kühn öffentlich für den Erhalt der Demokratie und gegen die nationalsozialistische Bedrohung. Eine Woche danach wurde er von SA-Leuten verhaftet und in das Kölner Gefängnis Klingelpütz gebracht. Ein mit ihm wohl sympathisierender Vernehmungsbeamter ließ ihn überraschenderweise in der Nacht frei. SS und Gestapo-Leute versuchten daraufhin ihn wieder dingfest zu machen, doch vergeblich: Kühn war untergetaucht. Er floh ins Exil, zuerst ins Saarland, dann in die Tschechoslowakei bis er schließlich 1936 nach Belgien kam, wo er 1939 seine langjährige Freundin Marianne Schley heiratete. Das Paar bekam 1944 einen Sohn. Bereits 1934 verlor Kühn die deutsche Staatsangehörigkeit. Während seiner Zeit im Ausland hielt er Kontakt zu verschiedenen sozialdemokratischen Widerstandsorganisationen und schmuggelte immer wieder illegale politische Schriften nach Deutschland. Auch schrieb er selbst für die sozialistische Exilwochenzeitung „Freies Deutschland“. Da er von den Nationalsozialisten wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ strafrechtlich gesucht wurde, war er ab 1940 – mit der Besetzung Belgiens – gezwungen, im Untergrund weiterzuarbeiten.4 So gab er seit 1943 seine „Freiheitsbriefe an die Deutsche Wehrmacht“ heraus, die er jedes Mal mit dem Satz enden ließ: „Stürzt Hitler, rettet Deutschland!“5
Nach Kriegsende kehrte Kühn nach Deutschland zurück. 1946 wurde er Redakteur der sozialdemokratischen „Rheinischen Zeitung“ und ab 1949 – zusammen mit Willi Eichler – Chefredakteur. Zudem wurde er Mitglied der IG Druck und Papier und engagierte sich verstärkt bei der SPD. 1948, mit 36 Jahren, wurde er in den Vorstand des SPD-Bezirks Mittelrhein gewählt und 1953 zum Vorsitzenden des Bezirks. Ebenfalls 1948 zog er als Nachrücker in den Düsseldorfer Landtag ein. Als wortgewaltiger Redner machte er sich dort schnell einen Namen und vertrat die SPD u.a. in schulpolitischen Fragen. Nach der Bundestagswahl 1953 wurde Kühn Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Er plante, sich vollständig auf die Bundespolitik zu konzentrieren, wo er sich vor allem medienpolitischen Themenfeldern widmete und kandidierte 1954 nicht erneut für den Landtag.6
1954 wurde Kühn Mitglied des SPD-Parteivorstands. Er war überzeugt von der Notwendigkeit innerparteilicher Reformen und befürwortete dementsprechend die Entwicklung des Godesberger Programms. Daneben lag ihm auch die internationale Zusammenarbeit am Herzen. Durch seine Jahre im Exil sprach Kühn fließend englisch, französisch und niederländisch. Dies mag auch ein Grund dafür gewesen sein, dass ihn die SPD 1957 in die Beratende Versammlung des Europarates entsandte. Den Vorsitz der dortigen Sozialistischen Fraktion hatte er ab 1959 inne.7
Kühn wechselte Anfang der 1960er Jahre überraschenderweise wieder in die Landespolitik und wurde SPD-Spitzenkandidat im Landtagswahlkampf 1962. Die SPD-Landtagsfraktion befand sich in einer Krise um die politische Ausrichtung: Während Traditionalisten den ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Fritz Steinhoff als Herausforderer favorisierten, plädierten die Reformer für den eher bürgerlichen Fritz Kassmann. In dieser verfahrenen Situation wirkte die Aufstellung Kühns wie der ideale Kompromiss: Er besaß ohne Zweifel reformerischen Eifer, jedoch auch proletarische Sozialisation. Kühn führte einen modernen und ambitionierten Wahlkampf, der ganz auf seine Person zugeschnitten war. Mit dieser Strategie hatte er durchaus Erfolg. Die SPD gewann knapp vier Prozentpunkte hinzu und erreichte erstmals ein Ergebnis über 40 Prozent. Allerdings blieb die CDU weiterhin stärkste Kraft, sodass Kühn im Landtag das Amt des SPD-Fraktionsvorsitzenden übernahm. Als neuer Fraktionsvorsitzender und neuer Vorsitzender der NRW-SPD ging er daran, Fraktion und Partei grundlegend zu modernisieren und personell zu erneuern. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Fritz Steinhoff setzte Kühn auf Streitkultur, Debatte und Wettbewerb. Zugleich reiste er viel durch Nordrhein-Westfalen – auch um Vorbehalte gegenüber der SPD, wie sie gerade bei Katholiken und Landwirten oftmals anzutreffen waren, abzubauen. So verschwieg er zwar nicht, dass er bereits mit 16 Jahren aus der Kirche ausgetreten sei, beschrieb sich aber gleichzeitig als „freireligiös“.8
Bei der Landtagswahl 1966 konnte die SPD in Nordrhein-Westfalen erstmals mehr Stimmen auf sich vereinigen als die CDU. Die Sozialdemokraten erhielten 49.5 Prozent und verfehlten damit nur knapp die absolute Mehrheit. CDU und FDP zusammen verfügten über eine hauchdünne Mehrheit und führten erst einmal ihre Regierungskoalition fort. Nachdem aber auf Bundesebene die Koalition aus Union und FDP nicht fortgesetzt wurde, führten beide Parteien auf Landesebene jeweils für sich Koalitionsgespräche mit der SPD. Am 8. Dezember 1966 wurde schließlich Heinz Kühn mit den Stimmen der FDP zum neuen Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens gewählt. Die SPD/FDP-Regierung in Nordrhein-Westfalen wurde durch ihre erfolgreiche Politik zum Wegbereiter der sozialliberalen Koalition im Bund.9