Georg Richter (1891-1967)

Georg Richter galt in der politischen Auseinandersetzung zuweilen als „zu scharf und zu aggressiv“.1 Auf jeden Fall war er ein Politiker, der für seine Überzeugungen eintrat und nicht davor zurückscheute, sich Feinde zu machen. „Er […] war einer der übelsten Hetzer gegen den Nationalsozialismus“2 – so das Urteil des NS-Regimes.

Paul Georg Richter wurde am 13. Oktober 1891 in Leipzig geboren. Er wuchs in einer kinderreichen Handwerkerfamilie auf und zog 1898 mit seinen Eltern und Geschwistern ins thüringische Altenburg, wo er die Volksschule besuchte und sich ab 1906 in der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ) engagierte. Ein Jahr später wurde er Mitglied des SAJ-Bezirksvorstands. Er ging dann nach Düsseldorf, arbeitete als Schlosser und trat 1909 der SPD bei. 1910 wurde er Vorsitzender der SAJ in Düsseldorf. Außerdem war er gewerkschaftlich aktiv und zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt aus der evangelisch-lutherischen Kirche ausgetreten.3 Bei Beginn des Ersten Weltkrieges soll er gegen den Krieg protestiert haben, „auf der ‚Kö‘ niedergeschlagen und sofort zwangsrekrutiert“4 worden sein. Er geriet in Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1920 entlassen wurde. Richter wurde in seinem Betrieb gewerkschaftlicher Obmann und begann 1922 die Staatliche Fachschule für Wirtschaft und Verwaltung in Düsseldorf zu besuchen. Ein Jahr später erhielt er eine Stelle als Geschäftsführer des Staats- und Gemeindearbeiter-Verbands. 1925 wurde er Vorsitzender der SPD in Düsseldorf und 1926 Unterbezirkssekretär der SPD in Düsseldorf. Außerdem wurde im gleichen Jahr sein Sohn geboren, den er mit seiner Frau Erna (geb. Reifenrath) bekam. 1928 wurde er zudem Düsseldorfer Stadtverordneter und dann darüber hinaus Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat. Auch war er Aufsichtsratsmitglied der Rheinischen Bahngesellschaft AG und in der Republikschutzorganisation „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ aktiv.5

In der Endphase der Weimarer Republik hat Richter die Nationalsozialisten kompromisslos bekämpft.6 In seiner Gestapoakte hieß es später: „Er war ein erbitterter Gegner der NSDAP und beteiligte sich führend an der Hetze gegen den Nationalsozialismus. […] Er bestimmte auch die Kampflinie des Reichsbanners, die wiederholt zu schweren Zusammenstössen[sic] verschiedener Art führte.“7 Noch im Februar 1933 versuchte er eine Versammlung der „Eisernen Front“ mit vorangehendem Aufmarsch genehmigen zu lassen. Im März desselben Jahres kandidierte Richter erfolglos für den Deutschen Reichstag8 und im Mai floh er schließlich vor den Nationalsozialisten in die Schweiz. Von dort war er weiter gegen den NS-Staat aktiv. So schrieb er u.a. regimekritische Artikel in Schweizer Zeitungen und knüpfte Kontakte zu anderen Sozialdemokraten im Exil. Auch hielt er von Zürich aus Verbindungen zu Gleichgesinnten in Deutschland. 1934 wurde er in Abwesenheit vor dem Oberlandesgericht Hamm in einem Hochverratsverfahren angeklagt. Seine Frau war 1933 mit dem gemeinsamen Sohn in ihren Geburtsort zurückgezogen – nach Stendenbach bei Siegen (heute Kreuztal-Stendenbach). Sie kamen dort bei einem Verwandten unter und später bei einem Schuhmachermeister in der Nähe. Mitte der 1930er Jahre folgten sie Georg Richter in die Schweiz. Sein Bruder Walter indes schmuggelte für ihn illegale sozialistische Zeitungen über die Schweizer Grenze nach Deutschland. Bei einer solchen Aktion wurde er festgenommen und zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Georg Richter selbst wurde 1939 die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt.9

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Georg Richter nach Deutschland zurück. 1946 wurde er wieder SPD-Vorsitzender in Düsseldorf sowie Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Düsseldorf-Mettmann und Mitglied der SPD-Kontrollkommission. Zudem wurde er in Düsseldorf Stadtverordneter und Mitglied des ersten ernannten Landtags von Nordrhein-Westfalen. Bei den darauffolgenden Wahlen wurde er stets in seinem Wahlkreis Düsseldorf IV direkt gewählt. Er gehörte bis 1954 dem Landtag an und engagierte sich dort u.a. im Verkehrs- und Hauptausschuss. Darüber hinaus lagen ihm die Themen Wohnungsbau, Ernährung der Bevölkerung sowie Entnazifizierung besonders am Herzen.10 In dem Zusammenhang kritisierte er, dass der ehemalige Gauleiter der NSDAP des Gaus Düsseldorf Friedrich Karl Florian 1951 in Düsseldorf eine Wohnung beziehen konnte, während „Ausgebombte, Flüchtlinge, Vertriebene und politisch Verfolgte heute noch in Bunkern, Kellern und sonstigen menschenunwürdigen Schlupfwinkeln hausen“11 mussten. 1949 kandidierte Richter erfolglos für den ersten Deutschen Bundestag und 1954, nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag, trat er mit seiner Frau aus der SPD aus. Neben seiner politischen Arbeit war Richter auch als Verleger tätig. Er starb am 13. April 1967 in Düsseldorf.12

Endnoten
1 O.V.: Düsseldorfer Profile. Kandidat der SPD. Georg Richter, in: Rhein-Echo vom 09.06.1950.
2 Brief Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern an die Abteilung I des Reichsministeriums des Innern vom 15.04.1939 bzgl. der Ausbürgerung Georg Richters, in: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts. Ausbürgerungslisten (Sig.: PAAA_RZ214_099795_416).
3 Vgl. Mitgliedsbuch Georg Richters der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Personalbogen Georg Richter, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle Dresden an die Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Düsseldorf vom 09.11.1936, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Heiratsschein Paul Georg Richter und Erna Richter (geb. Reifenrath) vom 26.03.1921, nachträglich ausgestellt am 14.06.1935, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entschädigungsakten (Sig.: BR 2182-18654); Richter, Georg: Fragebogen für Delegierte und Gastdelegiere des SPD-Parteitages vom 13.04.1948, in: AdsD. Bestand Sammlung Personalia (Sig.: 6/SAMP008094) sowie Röder, Werner / Strauss, Herbert A..: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. 3. Bde., Bd. 1, München u.a. 1980, S. 601.
4 O.V.: Düsseldorfer Profile. Kandidat der SPD. Georg Richter.
5 Vgl. Richter, Georg: Fragebogen für Delegierte und Gastdelegiere des SPD-Parteitages vom 13.04.1948; Personalbogen Georg Richter; Vermerk Gestapo Düsseldorf vom 09.06.1936, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle Düsseldorf an die Geheime Staatspolizei. Staatspolizeileitstelle Stuttgart vom 13.07.1938, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern an die Abteilung I des Reichsministeriums des Innern vom 15.04.1939; o.V.: Düsseldorfer Profile. Kandidat der SPD. Georg Richter sowie Röder / Strauss: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, S. 601.
6 Vgl. Brief Geheime Staatspolizei. Geheimes Staatspolizeiamt an die Staatspolizeistelle Düsseldorf vom 24.08.1936, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern an die Abteilung I des Reichsministeriums des Innern vom 15.04.1939 sowie o.V.: Düsseldorfer Profile. Kandidat der SPD. Georg Richter.
7 Brief Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle Düsseldorf an die Geheime Staatspolizei. Staatspolizeileitstelle Stuttgart vom 13.07.1938.
8 Vgl. Politischer Lebenslauf Georg Richter, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief ders. an das Polizeipräsidium Düsseldorf vom 24.02.1933, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Düsseldorfer Polizeipräsidium an die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Ortsgruppe Düsseldorf vom 28.02.1933, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern an die Abteilung I des Reichsministeriums des Innern vom 15.04.1939 sowie o.V.: Düsseldorfer Profile. Der „eiserne Schorsch“, in: Rhein-Echo vom 04.08.1949.
9 Vgl. Anklageschrift des Generalstaatsanwalts vom 31.03.1934, in: Bundesarchiv. Bestand Strafprozessakten (Sig.: R 3018/5393); Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 30.06.1934, in: Bundesarchiv. Bestand Strafprozessakten (Sig.: R 3018/5393); Brief Preußische Geheime Staatspolizei. Geheimes Staatspolizeiamt an die Staatspolizeistelle in Düsseldorf vom 30.04.1936, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Stapo Düsseldorf an die Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle für den Regierungs-Bezirk Köln vom 17.10.1936, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Preußische Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Köln an die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Arnsberg in Dortmund-Hörde vom 29.10.1936, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Preußische Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Arnsberg an die Staatspolizeistelle in Dortmund-Hörde vom 23.11.1936, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Düsseldorf an das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin vom 16.12.1936, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle Düsseldorf an die Geheime Staatspolizei. Staatspolizeileitstelle Stuttgart vom 13.07.1938; Brief Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle Stuttgart an die Staatspolizeistelle Düsseldorf vom 16.07.1938, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Geheime Staatspolizei. Staatspolizeistelle Düsseldorf an die Geheime Staatspolizei. Staatspolizeileitstelle Stuttgart vom 03.12.1938, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Staatspolizeileitstelle Düsseldorf an den Regierungspräsidenten in Düsseldorf vom 15.10.1939, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-9458); Brief Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern an die Abteilung I des Reichsministeriums des Innern vom 15.04.1939; Beschluß des Kreis-Anerkennungsausschusses vom 10.4.1953, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entschädigungsakten (Sig.: BR 2182-18654); Brief Walter Richter an Georg Richter o.D., in: AdsD. Bestand Sammlung Personalia (Sig.: 6/SAMP008094) sowie Röder / Strauss: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, S. 601.
10 Vgl. Richter, Georg: Fragebogen der britischen Militärregierung vom 6.12.1946, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1002-PP-6885); ders.: Fragebogen für Delegierte und Gastdelegiere des SPD-Parteitages vom 13.04.1948; o.V.: Düsseldorfer Profile. Der „eiserne Schorsch“; o.V.: Düsseldorfer Profile. Kandidat der SPD. Georg Richter sowie Röder / Strauss: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, S. 601.
11 Richter, Georg: Offener Brief an den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, in: Rhein-Echo vom 18.06.1951.
12 Vgl. Brief Alfred Nau an die Mitglieder des Parteivorstandes und der Kontrollkommission vom 20.09.1954, in: AdsD. Bestand Sammlung Personalia (Sig.: 6/SAMP008094); Sterbeurkunde Georg Richter vom 13.04.1967, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entschädigungsakten (Sig.: BR 2182-18654); o.V.: Düsseldorfer Profile. Der „eiserne Schorsch“ sowie Röder / Strauss: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, S. 601.

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