Erich Deppermann (1902-1963)

Erich Deppermann gehörte zu den wenigen frühen sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten, die in der Zeit der Weimarer Republik keine parlamentarische oder kommunalpolitische Erfahrung erworben hatten. Als Verfolgter im Nationalsozialismus verfügte er aber über Integrität. Außerdem galt er als kompetenter Vermittler –  dem humorvollen Deppermann gelang es nämlich mehr als einmal, eine verfahrene Verhandlung durch einen Witz zu entschärfen.1

Erich Deppermann wurde am 30. Juni 1902 als Sohn eines Tischlermeisters in der Bauerschaft Schildesche (heute Bielefeld-Schildesche) geboren. Bis zum 14. Lebensjahr besuchte Erich Deppermann die Volksschule Gadderbaum. Danach erlernte er in einer Maschinenfabrik das Dreherhandwerk. Wie der Großteil seiner späteren Fraktionskolleginnen und -kollegen war er klassisch sozialdemokratisch sozialisiert worden. Mit 16 Jahren trat er der SAJ bei, wurde kurze Zeit später Vorsitzender der Ortsgruppe Gadderbaum und schließlich Mitglied des SAJ-Bezirksvorstands für das östliche Westfalen und Lippe. Der SPD trat Deppermann 1920 bei. In späteren Jahren hatte er sich zudem in der Republikschutzorganisation Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold engagiert.2

Nach Ende seiner Lehrzeit ging Erich Deppermann für zwei Jahre auf Wanderschaft. Er kam schließlich zurück nach Bielefeld und wagte 1925 den Schritt in die Selbstständigkeit durch die Gründung eines Musikaliengeschäfts. Das Geschäft führte er zehn Jahre lang bis ihm 1935 vonseiten der Gestapo die Ausübung einer selbstständigen Existenz untersagt wurde. Grund hierfür war sein früheres sozialdemokratisches Engagement. Im Februar 1936 wurde er dann wegen Verstoßes gegen das sogenannte „Heimtückegesetz“ verhaftet3 – vorausgegangen war anscheinend folgende Begebenheit: „Als er in einem Gespräch die Meinung vertrat, es sei ‚immer einer mit brauen Hosen dabei, wenn man in der Zeitung etwas von Unterschlagung lese‘, wurde er der Verächtlichmachung der Parteiuniform für schuldig befunden. Und es war beinahe soviel[sic] wie Hochverrat, als er ironisch meinte: ‚Ja, die Führerrede war nicht schlecht – es konnte einem nur schlecht davon werden!‘“4 Beinahe ein Jahr verbrachte er in Haft, u.a. in den Konzentrationslagern Esterwegen und Sachsenhausen. Nach seiner Entlassung Mitte Januar 1937 arbeitete er bis zum Ende des Krieges als Dreher in einer Eisengießerei. Der NSDAP war Deppermann nie beigetreten, allerdings war er von 1938 bis 1945 nominelles Mitglied der Deutschen Arbeitsfront (DAF).5

1945 bestellte ihn die britische Besatzungsmacht zum stellvertretenden Arbeitseinsatzleiter beim Bielefelder Arbeitsamt. Ein Jahr darauf wurde er Bezirkssekretär für den SPD-Bezirk Ostwestfalen-Lippe. In dieser Position, die er bis 1962 innehatte, war er maßgeblich für den Wiederaufbau der Parteiorganisation verantwortlich. 1946 wurde er zudem Mitglied des westfälischen Provinzialrats und dann Mitglied des Ernannten Landtags Nordrhein-Westfalen. Dem Landtag gehörte er bis zu seinem Tode an. Bei allen anstehenden Wahlen gewann Deppermann das Direktmandat für seinen Wahlkreis Bielefeld-Land I. Als Abgeordneter engagierte sich Deppermann vor allem sozialpolitisch,  die Arbeit im Flüchtlingsausschuss lag ihm dabei besonders am Herzen. Während seiner gesamten Abgeordnetenzeit war er Mitglied des Ausschusses, zudem stand er diesem zwölf Jahre lang als Vorsitzender vor. Damit hatte er auch einen nicht zu unterschätzenden Anteil daran, dass die Integration der ostdeutschen Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen gelang. Ergänzend hierzu war er Vorsitzender des Kuratoriums der neu gegründeten Stiftung „Haus des Deutschen Ostens“, die sich den Anliegen der Vertriebenen annahm.6 Aufgrund seiner Arbeit wurde er im Januar 1963 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.7

Da Deppermann, anders als die meisten seiner Fraktionskolleginnen und -kollegen, gute Beziehungen zu den FDP-Abgeordneten pflegte, war er sogar mit am Zustandekommen der ersten sozialdemokratisch geführten Regierung in Nordrhein-Westfalen beteiligt. Im Dezember 1955 gaben nämlich die FDP-Abgeordneten Siegfried Zoglmann und Dr. Heinz Lange Deppermann zu verstehen, dass die Freien Liberalen unter Umständen bereit wären, die Koalition mit der CDU in Nordrhein-Westfalen aufzukündigen, um stattdessen eine Koalition mit der SPD einzugehen. Über diesen Vorstoß der FDP informierte Deppermann umgehend den SPD-Fraktionsvorsitzenden Fritz Steinhoff. Anfang 1956 kam der Koalitionswechsel tatsächlich zustande: Der amtierende Ministerpräsident Karl Arnold wurde durch ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt und Fritz Steinhoff wurde neuer Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens.8

Neben seinen Tätigkeiten im Landtag engagierte sich Deppermann kommunalpolitisch. Seit Kriegsende saß er im Bielefelder Kreistag und war dort lange Jahre SPD-Fraktionsvorsitzender. 1961 übernahm er schließlich das Amt des Landrats. Bereits zwei Jahre später, am 17. August 1963, starb Deppermann nach einer schweren Gallenoperation infolge einer Kreislaufschwäche in Brackwede (heute Bielefeld-Brackwede). Er war verheiratet und Vater eines Sohnes.

Endnoten
1 Vgl. Strutz, Georg: Er wirkte für eine menschenwürdigere Zeit. Die Kraft eines fröhlichen Herzens. Zum Tode Erich Deppermanns, in: Freie Presse vom 19.08.1963.
2 Vgl. ebd. sowie Deppermann, Erich: Brief an die SPD-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen vom 24.02.1948, in: AdsD. Sammlung Personalia. 6/SAMP002470.
3 Vgl. Deppermann: Brief an die SPD-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen.
4 Zitiert nach o.V.: Landrat Erich Deppermann wird heute 60 Jahre alt: Mit der Zeit gehen und jung bleiben, in: Freie Presse vom 30.06.1962.
5 Vgl. Brief Kommandantur des Konzentrationslagers Sachsenhausen an die Ortspolizeibehörde Brakwede bei Bielefeld vom 12.10.1936, in: Stadtarchiv Bielefeld. Bestand Gemeinde Gadderbaum (Sig.: 130,9/1942); Beschluß des Ausschusses für die Entschädigung für Freiheitsentziehung vom 24.10.1949, in: Stadtarchiv Bielefeld. Nachlass Emil und Maria Gross (Sig.: 200,27/112); Brief Erich Deppermann an die Kreisverwaltung. Amt für Wiedergutmachung vom 02.09.1955, in: Stadtarchiv Bielefeld. Bestand Amt für Wiedergutmachung Kreis (Sig.: 120,3/A 83); Deppermann: Brief an die SPD-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen; ders.: Entnazifizierungsakte, in: Landearchiv NRW. Abteilung Rheinland. Entnazifizierungsakten (Sig.: NW 1058-00932) sowie o.V.: Die Landtagskandidaten der SPD, in: Freie Presse vom 12.4.1947.
6 Seit 1992 trägt die Stiftung den Namen »Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus – Deutsch-osteuropäisches Forum«.
7 Vgl. Brief Chef der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen an den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28.01.1963, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Ordensakten (Sig.: NW-O-6255); o.V.: Landrat Erich Deppermann wird heute 60 Jahre alt sowie Strutz: Er wirkte für eine menschenwürdigere Zeit.
8 Vgl. Düding, Dieter: Zwischen Tradition und Innovation. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen 1946-1966, Bonn 1995, S. 155; ders.: Parlamentarismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1980. Vom Fünfparteien- zum Zweiparteienlandtag, Düsseldorf 2008, S. 374-376; Deppermann, Erich: Briefe an Fritz Steinhoff vom 29.11.1955 und 1.12.1955, in: StA Bielefeld SPD-Bezirk Ostwestfalen-Lippe, Nr. 319 I.
9 Vgl. Die Landräte des Landkreises Bielefeld von 1816-1966 vom 08.08.1966, in: Stadtarchiv Bielefeld. Bestand Kreis Bielefeld (Sig.: 120,1/1800) sowie Sterbeurkunde Erich Deppermann vom 17.08.1963, in: Stadtarchiv Bielefeld. Bestand Amt für Wiedergutmachung Kreis (Sig.: 120,3/A 83).
 

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