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Eberhard Brünen (1906-1980)

Eberhard Brünens Lebensgeschichte berührt, weil er für seinen Widerstand im „Dritten Reich“ einen immens hohen Preis zahlen musste. Über zehn Jahre lang war er inhaftiert und dabei Folter und Isolation ausgesetzt.

Eberhard Brünen wurde am 8. August 1906 in Duisburg geboren. Er wuchs in einem Arbeiterhaushalt auf. Nach dem Besuch der Volks- und der Mittelschule erlernte er den Beruf des Drehers. Neben seiner Arbeit bildete er sich durch den Besuch von Volkshochschulkursen weiter und er begann sich politisch wie gewerkschaftlich zu engagieren. So wurde er Mitglied des Deutschen Metallarbeiter-Verbands, wurde Mitte der 1920er Jahre Funktionär bei der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ) und trat 1928 der SPD bei. Mit der Politik der SPD war er allerdings so unzufrieden, dass er 1931 zur neugegründeten Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) wechselte. Im gleichen Jahr verlor Brünen seine Stelle und wurde arbeitslos.1

1933 entschied sich Brünen, zusammen mit seiner Verlobten Herta Niederhellmann, die Arbeit für die SAP in der Illegalität weiterzuführen und auf diese Weise die Nationalsozialisten zu bekämpfen. In der SAP war er für die Regionen Mittelrhein, Niederrhein und Westfalen verantwortlich. Mehrmals reiste er in die Niederlande und schmuggelte dort gedruckte illegale SAP-Schriften wieder nach Deutschland. Brünen war sich der Gefahr bewusst: Bereits am 4. März 1933 war er für einen Tag festgenommen worden. Im Oktober 1933 wurde die Polizei abermals auf ihn aufmerksam, jedoch gelang es ihm, sich durch Flucht der Festnahme zu entziehen. Er war nicht gewillt das Land zu verlassen und so wurde er schließlich am 3. November 1934 von der Gestapo gefasst. Der gerade einmal 28 Jahre alte Brünen wurde in die berüchtigte Dortmunder Steinwache gebracht, dort verhört und gefoltert.2 Zwischen den Verhören war er „an eine Wand der Dunkelzelle 19 angekettet worden, wobei ihm Scheinwerfer stundenlang ins Gesicht strahlten. 35 Tage und Nächte, also 6 Wochen lang, mußte er diese Tortur ertragen.“3

Im Juli 1935 wurde er vor dem Oberlandesgericht Hamm wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Außerdem verlor er für zehn Jahre seine bürgerlichen Ehrenrechte. Bis zum Kriegsende war Brünen in verschiedenen Zuchthäusern inhaftiert und bis 1944 wurde er in Einzelhaft gehalten. Bei seiner Befreiung am 7. Mai 1945 war er körperlich zu schwach für die Rückkehr nach Hause. Nach seiner Rekonvaleszenz kümmerte er sich um die medizinische Betreuung seiner ehemaligen Mitgefangenen, sodass er erst am 28. Juli 1945 zu seiner Familie zurückkehrte. Seine Verlobten Herta Niederhellmann, die er während der Haft über nicht hatte sehen können, hatte während des „Dritten Reichs“ ebenfalls schreckliche Erlebnisse durchmachen müssen. Auch sie war verhaftet worden und verbrachte sechs Jahre in Zuchthäusern, Lagern und zuletzt im KZ-Ravensbrück. Nach ihrer Entlassung war sie kurzzeitig als Hausangestellte für einen SS-Arzt tätig; später fand sie eine Anstellung als Hotelkassiererin. Dass sie in dieser Zeit abgesehen von Maßnahmen der Beobachtungen von weiterer Verfolgung durch die Gestapo verschont blieb, lag auch darin begründet, dass ihre vier Brüder in der NSDAP waren und sich für sie eingesetzt hatten. Eberhard Brünen und Herta Niederhellmann heirateten ein Jahr nach Kriegsende. Sie wurde Duisburger AWO-Vorsitzende und SPD-Stadtverordnete. Aufgrund der Misshandlungen während der langen Haft verstarb sie bereits 1956. Die Ehe der beiden blieb kinderlos.4

Nach dem Krieg war Brünen wieder politisch aktiv. So trat er abermals der SPD bei und wurde als Unterbezirkssekretär eine prägende Figur der Partei im Duisburger Raum. 1946 war er für ein Jahr ernannter Landrat des Kreises Dinslaken und von 1946 bis 1969 Ratsmitglied in Duisburg. Besonders am Herzen lagen ihm die Anliegen der unter dem Nationalsozialismus Verfolgten. Deren Opfer gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen; dafür setzte er sich ein. So war Brünen, der 1947 in den nordrhein-westfälischen Landtag einzog, dort von 1948 bis 1950 Vorsitzender des Sonderausschusses für Haftentschädigung und von 1958 bis 1961 Vorsitzender des Ausschusses für Wiedergutmachung. Von 1950 bis 1954 gehörte er nicht dem Landtag an, weil er von 1949 bis 1953 und noch einmal von 1961 bis 1972 Mitglied des Bundestages war. Dort engagierte er sich u.a. beherzt für die Schaffung eines Entschädigungsgesetzes.5

Trotz aller Erfolge hinsichtlich der gesellschaftlichen Anerkennung und der Entschädigungszahlungen war Eberhard Brünen alles andere als zufrieden mit der geleisteten Wiedergutmachung. Dabei kritisierte er auch die Haltung einiger Parteigenossen. So warf er beispielsweise Ministerpräsident Heinz Kühn vor, der selbst eine Verfolgungsbiografie hatte, sich kaum für die Belange der ehemals NS-Verfolgten eingesetzt zu haben.6 Zudem kritisierte Brünen den antikommunistischen Kurs der SPD. Er selbst hielt Kontakt zu Kommunisten, die ebenfalls unter dem NS-Regime gelitten hatten. Derlei Aktionen führten mehrfach zu heftigen Konflikten. In einem internen SPD-Schreiben wurde Brünens Verhalten als „oftmals parteistörend bzw. parteischädigend“7 beschrieben. Nachdem er am 30. Oktober 1980 in Duisburg nach einem kurzen Leiden gestorben war, hieß es in einem seiner Nachrufe: „Vital, leidenschaftlich engagiert, auch für seine politischen Freunde nie bequem, ging […] Eberhard Brünen […] seinen Weg. […] An Mut hat es ihm nie gemangelt, wenn es hieß, einen Standpunkt zu vertreten.“8 Für seine Verdienste in der Kommunalpolitik wurde Eberhard Brünen von der Stadt Duisburg zum Stadtältesten ernannt sowie mit dem Ehrenring, der Stadt- und Mercatorplakette ausgezeichnet.9

Endnoten
1 Vgl. Wickert, Christl: Der Freiheit verpflichtet. Gedenkbuch der deutschen Sozialdemokratie im 20. Jahrhundert, hrsg. vom Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Marburg 2000, S. 61-62; Meyer, Kristina: Die SPD und die NS-Vergangenheit 1945-1990, 2. Aufl., Göttingen 2015, S. 25 sowie Pietsch, Hartmut: Nachkriegszeit 1945-1948, in: ders. / Scherschel, Horst (Hrsg.): „Ein schwerer Kampf ist's, den wir wagen“. 125 Jahre Sozialdemokratische Partei in Duisburg, Duisburg 1989, S. 172-179, hier S. 175.
2 Vgl. Anklageschrift des Generalstaatsanwalts vom 23.05.1934, in: AdsD. Bestand Eberhard Brünen (Sig.: 1/EBAG000001); Einlieferungs-Anzeige Eberhard Brünen, ausgestellt vom Polizeipräsidium Duisburg-Hamborn vom 04.03.1933, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-12946); Högl, Günther / Bilitzky, Karl / Knippschild, Dieter: Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933 – 1945. Katalog zur ständigen Ausstellung des Stadtarchivs Dortmund in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, 2. überarbeitete Aufl., Dortmund 2002, S. 188; Graber, Adolf jun. / Tietz, Manfred: Die Bahn des Kometen, in: Tappe, Rudolf / Tietz, Manfred (Hrsg.): Tatort Duisburg 1933-1945. Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus. 2. Bde., Bd. 2, Essen 1993, S. 253-336, hier S. 254-256 sowie Wickert: Der Freiheit verpflichtet, S. 62.
3 Graber / Tietz: Die Bahn des Kometen, S. 258.
4 Vgl. Anklageschrift des Generalstaatsanwalts vom 23.05.1934, in: AdsD. Bestand Eberhard Brünen (Sig.: 1/EBAG000001); Abschrift der Urteilsverkündung des Oberlandesgerichts Hamm vom 16.07.1935, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Gestapoakten (Sig.: RW 0058-12946); Brünen, Eberhard: Fragebogen der Hilfestelle für alle politischen Häftlinge Duisburg Hamborn vom 09.03.1946, in: Stadtarchiv Duisburg. Bestand Tietz, Manfred /VNN (Sig.: 46-95/19); Brünen-Niederhellmann, Herta: Fragebogen der Hilfestelle für alle politischen Häftlinge Duisburg Hamborn vom 10.01.1946, in: Stadtarchiv Duisburg. Bestand Tietz, Manfred /VNN (Sig.: 46-95/19); Düding, Dieter: Zwischen Tradition und Innovation. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen 1946-1966, Bonn 1995, S. 45; o.V.: Eberhard Brünen. Wiedergutmachung Pflicht – Noch nicht am Ende seiner Arbeit, in: Demokratischer Aufbau vom April 1957; Tietz, Manfred: Ruhrort, Carpstraße 18…, in: ders. / Tappe, Rudolf (Hrsg.): Tatort Duisburg 1933-1945. Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus. 2. Bde., Bd. 2, Essen 1993, S. 398-448, hier S. 402-404; Wickert: Der Freiheit verpflichtet, S. 62 sowie Meyer: Die SPD und die NS-Vergangenheit, S. 25-26.
5 Vgl. Meyer: Die SPD und die NS-Vergangenheit, S. 25, 77, 181; Wickert: Der Freiheit verpflichtet, S. 62; o.V.: Eberhard Brünen. Wiedergutmachung Pflicht – Noch nicht am Ende seiner Arbeit, in: Demokratischer Aufbau vom April 1957 sowie Pietsch: Nachkriegszeit 1945-1948, S. 175.
6 Vgl. Brief Oberstadtdirektor in Duisburg an Eberhard Brünen vom 03.05.1956, in: Stadtarchiv Duisburg. Bestand Wiedergutmachungsakten (Sig.: 506/00210); Entschädigungsbescheid Eberhard Brünen vom 14.12.1965, in: Stadtarchiv Duisburg. Bestand Wiedergutmachungsakten (Sig.: 506/00210); Meyer: Die SPD und die NS-Vergangenheit, S. 360, 400 sowie Witt, Otto: Bericht vom 12.02.1951.
7 Nippgen, Hermann: Bericht über das Verhalten des Genossen Eberhard Brünen vom Januar 1951, in: AdsD. Bestand Sammlung Personalia (Sig.: 6/SAMP002061). Vgl. auch Brief Eberhard Brünen an Oberbürgermeister Seeling vom 03.12.1950, in: Stadtarchiv Duisburg. Bestand Seeling, August (Sig: 46-60/440) sowie Brief Oberstadtdirektor in Duisburg an Oberbürgermeister Seeling vom 20.12.1950, in: Stadtarchiv Duisburg. Bestand Seeling, August (Sig: 46-60/440).
8 Heck, Erich: Eberhard Brünen ist tot. Mut und Bescheidenheit prägte sein Leben. Er gehörte zu den Politikern der ersten Stunde, o.D., in: AdsD. Bestand Sammlung Personalia (Sig.: 6/SAMP002061).
9 Vgl. ebd.

Die Fraktionen im Landtag NRW