Alfred Dobbert (1897-1975)

Alfred Dobberts politischer Lebenslauf weist Parallelen zu den Biografien anderer sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter auf. Wie ein Großteil seiner Fraktionskolleginnen und -kollegen verfügte er bereits über parlamentarische Erfahrung aus der Weimarer Zeit. Darüber hinaus war er wie viele frühe SPD-Abgeordnete in der Zeitungsbranche tätig und hatte sich gewerkschaftlich wie kommunalpolitisch engagiert. Zudem wurde Dobbert im Nationalsozialismus gemeinsam mit anderen Demokraten verhaftet und verfolgt.

Alfred Dobbert wurde am 2. Januar 1897 in Barmen (heute Wuppertal-Barmen) geboren. Sein Vater war gelernter Schlosser und viele Jahre bei den Bergischen Kleinbahnen als Vorarbeiter und Meister tätig. Da er in seinem Beruf an verschiedenen Orten eingesetzt wurde, war die Familie gezwungen, mehrfach umzuziehen. So besuchte Sohn Alfred die Volksschule in Barmen, Elberfeld (heute Wuppertal-Elberfeld), Benrath (heute Düsseldorf-Benrath) und Langerfeld (heute Wuppertal-Langerfeld). 1911 begann er eine Lehre als Riemendreher bei der Firma Kaiser & Dicke und absolvierte darüber hinaus die Fortbildungsschule. 1912 trat er der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ) bei, ein Jahr darauf wurde er Mitglied des Deutschen Textilarbeiterverbands (DTAV) und 1915 Mitglied der SPD. Im Ersten Weltkrieg wurde er als Soldat eingezogen und 1918 nach Frankreich und Belgien entsandt. Dobbert wurde verwundet und mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet.1

Nach dem Ende des Krieges ging Dobbert von der SPD zur Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) über. 1920 wurde er Gewerkschaftssekretär des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in Elberfeld-Barmen. Dieses Amt bekleidete er bis Ende Januar 1921. Danach wurde er Redakteur der USPD-Zeitungen „Volkstribüne“ in Elberfeld. Dobbert wechselte ein Jahr später wie ein großer Teil der USPD-Mitglieder, die nicht zur KPD übergegangen waren, zurück zur SPD und wurde dann Redakteur der sozialdemokratischen „Freie Presse“. Im März 1923 zog er nach Sachsen und war dort bis Ende Mai 1924 Sekretär des Deutschen Textilarbeiter-Verbandes in Großenhain. Ab Juni 1924 arbeitete er schließlich als leitender Redakteur bei der sozialdemokratischen „Volkszeitung“ in Meißen. Zudem begann er sich politisch zu engagieren. Dobbert war erst Stadtverordneter und wurde dann 1926 in den sächsischen Landtag gewählt. 1930 wurde er sogar für den Wahlkreis Dresden-Bautzen Mitglied des Deutschen Reichstags. In beiden Parlamenten war er in Agrar-, Wirtschafts- und Haushaltsausschüssen aktiv. Auch in privater Hinsicht waren die vergangenen Jahre ereignisreich: Dobbert hatte geheiratet und 1925 zusammen mit seiner Frau eine Tochter bekommen.2

1933 wurde Dobbert abermals in den Reichstag gewählt. Zusammen mit seinen Fraktionskolleginnen und -kollegen stimmte er gegen das nationalsozialistische Ermächtigungsgesetz. Kurz darauf wurde er von Ende März bis 12. April in „Schutzhaft“ genommen – anschließend befand er sich bis Ende Mai in sogenannter „Wohnungsschutzhaft“. Dobbert verlor im „Dritten Reich“ nicht nur sein Abgeordnetenmandat, sondern auch seine Redakteursstelle. Er versuchte jedoch weiterhin zu publizieren und verfasste u.a. Artikel für den Meißener Lokalteil der Dresdner Tageszeitung „Volksstaat“. Allerdings wurde er am 27. Juli 1934, nach einer Hausdurchsuchung in der ca. 500 seiner Bücher beschlagnahmt wurden, abermals verhaftet und bis zum 6. August im Dresdner Polizeigefängnis festgehalten. Nachdem er zwischenzeitlich als Seifenhändler und Versicherungsvertreter gearbeitet hatte, zog Dobbert wieder nach Wuppertal, wo er im November 1934 eine Stelle als Bezirksleiter der Alten Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft antrat. Er versuchte ein unpolitisches Leben zu führen und den Nationalsozialisten keinen weiteren Anlass für eine erneute Verhaftung zu liefern. Bereits 1934 war er Mitglied der Reichsschrifttumkammer geworden, 1936 wurde er zudem Mitglied des Reichsluftschutzbunds und 1937 Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV). Als Mitglied der Fachgruppe Versicherungsvertreter wurde er 1940 auch Mitglied er Deutschen Arbeitsfront (DAF). In all diesen Organisationen hatte er jedoch keine Funktionen übernommen. Ein Jahr nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde er für acht Monate als Landesschütze eingesetzt. 1943 bis 1945 war er dann als Infanterist und Artillerist u.a. in Dänemark stationiert.3

1945, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde Dobbert Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Wuppertal sowie Mitglied des beratenden Provinzialrats Nordrhein. Zudem wurde er einige Jahre später stellvertretendes Mitglied des Zonenbeirats für die britische Besatzungszone. In dieser Zeit war er bereits mit vielen verantwortungsvollen Aufgaben betraut, denn bereits 1946 war er Chefredakteur des sozialdemokratischen „Rhein-Echos“ in Düsseldorf, Stadtverordneter in Wuppertal, Vorsitzender des SPD-Bezirks Niederrhein sowie Mitglied des ernannten Landtags von Nordrhein-Westfalen geworden. Dobbert, der im Gegensatz zur SPD-Parteiführung den Zusammenschluss von Rheinland und Westfalen ausdrücklich begrüßt hatte, wurde 1947 nach der ersten nordrhein-westfälischen Landtagswahl stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Von 1948 bis zu seinem Ausscheiden 1966 war er zudem erster Vizepräsident des Landtags. Für dieses Amt war er besonders geeignet, da er politischen Ausgleich, Verständigung und Kompromiss nicht verächtlich machte, sondern deren Bedeutung geradezu hervorhob.4 Ihm war wichtig: „Die Parteien müssen hart konkurrieren, aber sie dürfen sich nicht bekriegen.“5 Es verwundert daher nicht, dass er sehr auf den Umgangston im Düsseldorfer Landtag achtete. Sein Verhältnis zur SPD-Parteiführung war indes nicht immer frei von Konflikten. So kritisierte er beispielsweise den SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher für seine Reden zur Bundestagswahl 1949. Dobbert selbst wurde zwar 1950 Mitglied des Parteivorstands, blieb dies jedoch nur bis 1952. Dafür wurde er Mitglied des Parteirats.6

1952 widmete sich Dobbert, der Mitglied der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen war, noch einmal dem Versicherungswesen. Zuerst war er als Bezirks- und Organisationsleiter tätig und 1954 wurde er Direktor der Provinzialversicherungsanstalten der Rheinprovinz in Düsseldorf. Zudem trat er wieder in die evangelische Kirche ein, aus der er 1919 ausgetreten war.7 Der Wiedereintritt war ein durchaus untypisches Verhalten für einen führenden Sozialdemokraten der damaligen Zeit. Er erklärte seinen Entschluss jedoch folgendermaßen: „Seit Jahren, schon in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, habe ich mich mit der Frage beschäftigt, ob ich wieder in die evangelische Landeskirche eintreten solle, aus der ich 1919 ausgetreten bin. […] Die Haltung der evangelischen Kirche der sozialistischen Bewegung gegenüber vor dem ersten Weltkrieg und manche Stellungnahme der Kirche bei Ausbruch des ersten Krieges, und dann die Lehren Darwins und Häckels waren für viele von uns jungen Arbeitern und Sozialdemokraten ein Anlass zum Kirchenaustritt. […] Im Laufe der Jahre – und nicht zuletzt im sogenannten ‚Dritten Reich‘ – wandelten sich allmählich in religiös-philosophischer Hinsicht meine Anschauungen.“8

Dobbert war wie viele seiner sozialdemokratischen Fraktionskolleginnen und -kollegen nicht nur in landes-, sondern auch kommunalpolitischen Ämtern aktiv. Bis 1969 blieb er Ratsmitglied der Stadt Wuppertal und war darüber hinaus dort von 1961 bis 1964 Erster Bürgermeister. 1967 erhielt er den Ehrenring der Stadt Wuppertal sowie 1966 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Alfred Dobbert starb am 19. November 1975 in Wuppertal. Er wurde auf dem Unterbarmer Friedhof beigesetzt.9

Endnoten
1 Vgl. Brief Alfred Dobbert an Eugen Richter vom 03.02.1946, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (NW 1022-D 8923); Brusis, Ilse / Wettig-Danielmeier, Inge (Hrsg.): „Wir haben etwas bewegt“. Der Seniorenrat der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. 110 Lebensläufe von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, Berlin 2008, S. 67-68, hier S. 67; Schröder, Wilhelm Heinz: Sozialdemokratische Parlamentarier in den Deutschen Reichs- und Landtagen 1867-1933, Düsseldorf 1995, S. 413 sowie o.V.: Bis heute ein engagierter Politiker. Alfred Dobbert wurde 75 Jahre alt – Aktiv für Stadt, Land und Bund, in: Bergische Wochenpost vom 06.01.1972.
2 Vgl. Brief Dobbert an Richter vom 03.02.1946; Haunfelder, Bernd: Nordrhein-Westfalen. Land und Leute 1946-2006. Ein biographisches Handbuch, Münster 2006, S. 122; Düding, Dieter: Zwischen Tradition und Innovation. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen 1946-1966, Bonn 1995, S. 34-25; o.V.: Dobbert, Alfred, in: Schumacher, Martin (Hrsg.): M.d.L. Das Ende des Parlamentarismus 1933 und die Abgeordneten der Landtage und Bürgerschaften der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus, Düsseldorf 1995, S. 27; o.V.: Dobbert, Alfred, in: Schumacher, Martin (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus, 3. erheblich erw. und überarb. Aufl. Düsseldorf 1994, S. 279; Kassebeer, Friedrich: Ein halbes Jahrhundert mit dem SPD-Parteibuch. Landtagsvizepräsident Alfred Dobbert erzählt von seinen Erfahrungen, in: Die Welt vom 9.1.1965; o.V.: Wachablösung am Niederrhein, in: Demokratischer Aufbau vom Juni 1960 sowie o.V.: Lebensbilder der Zeit: Alfred Dobbert, in: Demokratischer Aufbau, 11, vom November 1956.
3 Vgl. Dobbert, Alfred: Entnazifizierungsakte, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Entnazifizierungsakten (NW 1002-G 18092); Brief Dobbert an Richter vom 03.02.1946; Gupta, Milon: Vom Spitzenklöppler zum Spitzenpolitiker. Vor 100 Jahren wurde der ehemalige Landtagsvizepräsident Alfred Dobbert geboren, in: Neues Rheinland vom März 1997; Haunfelder: Nordrhein-Westfalen, S. 122 sowie Kassebeer: Ein halbes Jahrhundert mit dem SPD-Parteibuch.
4 Vgl. Brief Dobbert an Richter vom 03.02.1946; Keinemann, Friedrich: Aus der Frühgeschichte des Landes Nordrhein-Westfalen. Ein Gespräch mit Landtagsvizepräsident a. D. Alfred Dobbert, Hamm 1975, S. 4; Düding: Zwischen Tradition und Innovation, S. 34-35; ders.: Parlamentarismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1980. Vom Fünfparteien- zum Zweiparteienlandtag, 2008 Berlin, S. 80; Gupta: Vom Spitzenklöppler zum Spitzenpolitiker; Fischer, Karl: Porträt der Woche. Alfred Dobbert (SPD) ehem. Vizepräsident des Landtages, in: Landtag intern vom 21.11.1975; o.V.: Bis heute ein engagierter Politiker sowie o.V.: Alfred Dobbert, in: Vorwärts vom 3.1.1962.
5 Zitiert nach Gupta: Vom Spitzenklöppler zum Spitzenpolitiker.
6 Vgl. Brusis / Wettig-Danielmeier: „Wir haben etwas bewegt“, S. 68 sowie Henkels, Walter: Der Führer der Opposition. Bonner Köpfe II, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.11.1949
7 Vgl. Dobbert: Entnazifizierungsakte; Haunfelder: Nordrhein-Westfalen, S. 122 sowie Brusis / Wettig-Danielmeier: „Wir haben etwas bewegt“, S. 68
8 Brief Alfred Dobbert an Pfarrer Przybylski vom 11.4.1955, in: AdsD. Bestand Alfred Dobbert (Sig.: 1/ADAB000001).
9 Vgl. Brief Chef des Bundespräsidialamtes an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10.08.1966, in: Landesarchiv NRW (Abteilung Rheinland). Bestand Ordensakten (Sig.: NW-O-7354); Schnöring, Kurt: Alfred Dobbert 1897-1975, in: Metschies, Michael (Hrsg.): Wuppertaler Biografien. Folge 13, Wuppertal 1977, S. 17-22, hier S. 20; Gupta: Vom Spitzenklöppler zum Spitzenpolitiker sowie o.V.: Höchste Auszeichnung für Alfred Dobbert. Heute erhielt er das Schulterband zum Großen Verdienstkreuz, in: General-Anzeiger Wuppertal vom 19.11.1966.

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