Monika Pieper merkte kürzlich wieder, wie
schnell man anecken kann, als sich die Landtagsverwaltung
meldete. Ein Abgeordneter der
Piratenfraktion hatte das Gesicht des NSA-Whistleblowers
Edward Snowden ans Büro-Fenster geklebt, so dass man es von außen sehen
konnte. Allerdings vertrug sich dies nicht
mit der Hausordnung. Also wurde die Kopie
wieder abgenommen. Monika Pieper hat als
parlamentarische Geschäftsführerin viel gelernt
über Usancen im Parlament, auch dass es Beschwerden
gibt, wenn man einen kleinen rosa
Tannenbaum ins Fenster stellt. "Ich glaube, dass
kaum einer von uns eine realistische Vorstellung
davon hatte, was uns hier erwartet", sagt Pieper
und fügt hinzu: "Ich finde es schwierig, etwas zu
verändern. Das System ist extrem starr."
Man kann überhaupt darüber staunen, dass
die 50-Jährige als Abgeordnete der PIRATEN-Partei
im Landtag sitzt. Eine solche politische
Karriere wäre in den meisten Parteien kaum
denkbar. Die Studien- und Berufskoordinatorin
an einer Förderschule in Bochum interessiert
sich seit jeher für Politik; in der Studienzeit
tendierte sie als Gegnerin des Nato-Doppelbeschlusses
zu den Grünen. Doch die etablierten
Parteien wirkten auf sie befremdlich, weil
sie keine Möglichkeit sah, mitzugestalten und
nicht zu den "Abnickern" gehören wollte.
Dann schrieb ihr jüngerer Sohn in der Schule
eine Facharbeit über die PIRATEN-Partei. Sie
wurde neugierig und besuchte den ersten Landesparteitag
in Gelsenkirchen im Januar 2010.
"Da war so eine Aufbruchstimmung. Da war
so eine Kraft. Das hat mich fasziniert", erinnert
sich Pieper. Sie fühlte sich wohl, obwohl sie
nicht den Klischees entspricht: "Ich bin weder
Computer-Nerd noch jung und männlich." Sie
schwärmt vom intensiven Austausch, vom basisdemokratischen
Prinzip. "Ich sehe wieder einen
Hoffnungsschimmer am politischen Himmel in
Deutschland", steht in ihrem Online-Lebenslauf. Sie trat bei den PIRATEN ein, gründete den
Bochumer Kreisverband, organisierte Infoveranstaltungen.
2010 misslang den Neulingen das
Debüt im Landesparlament. Die nächste Chance
bot sich unverhofft zwei Jahre später. Pieper
unterrichtete an jenem 14. März 2012, als der
Schulleiter mittags erzählte, dass sich der Landtag
aufgelöst hatte. "Das ist jetzt Deine Chance",
sagte er. Sie überlegte eine Woche, vieles sprach
für eine Kandidatur. Günstiger konnte die Zeit
nicht sein; ihre beiden Söhne waren erwachsen
geworden; sie wollte etwas Neues ausprobieren.
Etwas wagen. Pieper wurde auf Platz 8 der Landesliste
aufgestellt und machte Wahlkampf. Die
PIRATEN bekamen 7,8 Prozent und Pieper zog
mit 19 Mitstreitern in den Landtag ein.
Nun wollten sie alles anders machen, so,
wie sie es auf den Plakaten versprochen hatten:
"Klarmachen zum Ändern." Doch erst einmal
hatten sie genug damit zu tun, die Abläufe zu
verstehen. Pieper wurde schulpolitische Sprecherin
und übernahm als parlamentarische
Geschäftsführerin die wohl anstrengendste
Aufgabe einer Fraktion. "Das ist manchmal
schon ein Hamsterrad und man hat wenig Zeit
innezuhalten. Man muss auf sich achten, sonst
verbrennt man", sagt Pieper. Es bleibt nur noch
wenig Zeit für ihre private Krimi-Bibliothek.
Bis zu 80 Stunden arbeitet sie in der Woche,
aber ihr gefällt es, dass sie einen Einblick in alle
politischen Bereiche bekommt. Sie hat ja auch
einen größeren Aufwand als Amtskollegen, weil
die PIRATEN Fraktionssitzungen im Internet
übertragen. Außenstehende dürfen mitreden,
und so kann es fünf bis sieben Stunden dauern.
Der Anspruch der totalen Transparenz lässt sich
im Alltag nur mit größter Mühe durchhalten.
"Man kann auch über einen Informations-Overflow eine Desinformation herbeiführen",
sagt Pieper selbstkritisch.
Sie beklagt zudem Defizite im parlamentarischen
Alltag. "Im Moment gibt es eine große Enttäuschung
bei uns darüber, dass es bei den anderen
Fraktionen häufig nicht um die Sache geht. Es
steht Parteipolitik im Vordergrund." Sie erzählt
von Abgeordneten anderer Fraktionen, die bestimmte
Dinge genauso sähen wie die PIRATEN,
aber aus Fraktionsdisziplin anders abstimmten.
Bei ihr hat sich eine wichtige Erkenntnis durchgesetzt:
"Erst einmal muss man das Spiel kennen,
um die Regeln brechen zu können." Deshalb ließ
sie doch noch einen Tannenbaum aufstellen.
Kein kleines rosa Exemplar auf dem Fenstersims;
im Fraktionsfoyer steht jetzt ein großer Tannenbaum
in Pink. Für Monika Pieper ist es wie ein
kleiner Sieg über das Establishment. Im nächsten
Jahr soll es auch eine Ausstellung über Edward
Snowden geben. "Wir holen Snowden zurück in
den Landtag", sagt Monika Pieper und lächelt zufrieden.
Kristian Frigelj
ID: LI131121