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  • Porträt: Dr. Martin Vincentz (AfD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 7 - 31.10.2023

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Dr. Martin Vincentz, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag. Der 37-jährige Arzt lebt in Krefeld.
    Noch bevor Martin Vincentz in sein Büro kommt, steht der Verdacht im Raum: Klimakleber in Düsseldorf. Schon wieder? So hatte es ein Fernsehteam ihm gegenüber geäußert, als der AfD-Vorsitzende noch im Auto saß, auf dem Weg in den Landtag. Später wird sich herausstellen, dass es Greenpeace-Aktivisten waren, die im Medienhafen einen Großeinsatz der Polizei verursachten. Klar ist an diesem Vormittag im Oktober aber nur: Der Rheinufertunnel ist dicht, nichts geht mehr, und Martin Vincentz steckt fest.
    Rund eine Stunde später trifft der 37-Jährige im Landtag ein. Genervt? Nein, es liege doch auf der Hand: Wer eine Botschaft rüberbringen wolle, kalkuliere die Provokation und Einschränkung anderer ein, sagt der Mann im Hemd und dunklen Sakko. Das sei üblich bei Demos. Problematisch werde es allerdings, wenn Verkehrswege blockiert würden und selbst die Polizei nicht mehr durchkomme. "Da kann ich nicht mitgehen", sagt der AfD-Politiker.
    Es klingt moderat, versöhnlich, wie er das sagt. Überhaupt stammen seine Worte nicht aus der Abteilung Attacke. Er konzentriere sich mehr darauf, was er sage, und weniger, wie er es sage. Das entspreche seinem Naturell - nicht nur in der Politik: Auch als Arzt in Krefeld sei er es gewohnt gewesen, erst zuzuhören, zu analysieren und dann eine solide Diagnose zu stellen.
    In einem bürgerlichen Elternhaus in Krefeld wuchs Vincentz auf. Am Küchentisch sei viel über Tagespolitik diskutiert worden, erzählt er. Seine Mutter, eine Postbeamtin, und sein Vater, ein Kaufmann, hätten ihm vermittelt, dass sich engagieren müsse, wer etwas verändern wolle. Ein Zitat von Charles Bukowski, eingerahmt in der Küche, kann Vincentz noch heute wiedergeben: "Alles Unglück dieser Welt hängt damit zusammen, dass die Dummen so selbstgewiss und die Klugen so voller Zweifel sind."
    Am Niederrhein habe er alles in allem eine für seine Generation typische Kindheit erlebt - "mit viel zu süßen Cornflakes, Comics und einem Nintento-Gameboy". Schon früh, mit sechs Jahren, begann er mit Degenfechten, das schnell mehr wurde als ein Hobby. Mehrfach war Vincentz später NRW-Meister und auch Deutscher Meister im Mannschaftsfechten.
    Der Sport fasziniert ihn bis heute. Fechten sei physisch anstrengend, aber auch ein "Denksport", erzählt Vincentz. Es werde als "das kluge Boxen" bezeichnet und habe ihn viele Lektionen gelehrt. Zwei Typen seien ihm bei Wettkämpfen in ganz Europa begegnet: die dominanten Fechter, die anderen ihren Stil aufoktroyierten, sowie die "Konterfechter", die aus der Beobachtung heraus agierten. Er sei, ganz seinem Naturell entsprechend, mehr der letztere Typ gewesen, ein Konterfechter.

    Vom Arzt zum Politiker

    Nach dem Abitur begann Vincentz sein Medizinstudium an der Universität in Köln. Ein kleines Apartment, nebenbei jobben, viel lernen, zudem fechten und Freunde treffen - so beschreibt er im Rückblick seine Studentenzeit, in der er eher zurückgezogen gelebt habe.
    Mit der Politik kam er verstärkt erst nach dem Studium in Berührung. Ausschlaggebend seien einerseits Positionen von AfD-Mitbegründer Bernd Lucke und dessen Kritik an der Euro-Politik vor rund zehn Jahren gewesen. Hinzu seien Mängel im Gesundheitssystem gekommen, die Vincentz als praktizierender Arzt erkannte: "Selbst hoch idealisierte Menschen werden in kurzer Zeit verschlissen."
    Als Arzt sei er "hoch beschäftigt", aber "geistig nicht ausgelastet" gewesen. Einige Male besuchte er Treffen der AfD-Ortsgruppe in Krefeld und kam schnell mit der Landesspitze der Partei in Kontakt. Bereits 2015 stieg er zum gesundheitspolitischen Sprecher der NRW-AfD auf. 2017 zog er als Abgeordneter für die AfD in den Landtag ein, seit 2022 ist er Vorsitzender seiner Fraktion sowie im AfD-Landesverband.
    Bis heute gebe es unterschiedliche Strömungen in der AfD. Von einem "Rechtsruck" der AfD, wie es in Medien oft heiße, könne dagegen nicht die Rede sein, weder in NRW noch bundesweit. Das seien Zuschreibungen von außen, verbreitet oft von Ausgeschiedenen aus der Partei nach politischen Niederlagen.
    Schade sei, dass die AfD mit einer "Brandmauer" von politischen Prozessen abgeschnitten werde, sagt Vincentz. Er selbst sei überzeugt von "Demokratie, Mitwirkung und Teilhabe", bezeichnet sich als "bürgerlich liberal". Wer rechtsradikal oder -extrem sei, habe in der Partei nichts zu suchen. Dafür zu sorgen, sei auch seine Aufgabe als Landesvorsitzender.macro tob not found
    Zur Person
    Dr. Martin Vincentz wurde 1986 in Tönisvorst im Kreis Viersen geboren. Er lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Krefeld.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Ich lese gerne und viel, weil es einfach zu viele gute Bücher gibt, um nur eins auszuwählen. Freuds "Zur Psychopathologie des Alltagslebens" oder doch lieber Hemingways "Paris, ein Fest fürs Leben"?

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Kommt immer auf die Stimmung an. Manche Tage sind es AC/DC, andere Miles Davis und wieder andere Claude Debussy.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Licht.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Es gibt noch zu viel zu sehen, um das abschließend zu beantworten, aber es verschlägt mich immer wieder zurück an die Côte d'Azur.

    ID: LI230718

  • Porträt: Iris Dworeck-Danielowski (AfD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 01.02.2022

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Iris Dworeck-Danielowski. Die 43-Jährige aus Köln ist Sprecherin für Familie, Kinder, Jugend und Frauen der AfD-Fraktion.
    Kürzlich war sie noch am Düsseldorfer Rheinufer, um zu demonstrieren. Das Thema: die Corona-Maßnahmen, wieder einmal. Von "dreisten Lügenmärchen" und einer "sich steigernden Übergriffigkeit der herrschenden Politik" ist die Rede in einem ihrer Videos, das die AfD-Politikerin später über ihren Youtube-Kanal verbreitet. Man sieht sie mit Rucksack in einem Pulk von Menschen, die gegen eine mögliche Impfpflicht auf die Straße gehen. "Eine Impfpflicht empfinde ich als unglaublichen Eingriff in meine persönliche Freiheit", sagt Iris Dworeck-Danielowski. Sie klingt dabei weniger harsch, als ihre Worte das vermuten lassen.

    Karl Marx zu Ostern

    Vier Tage ist das nun her. Die Politikerin sitzt Mitte Dezember in einem Büro und nimmt sich eine kleine Auszeit von den Debatten im Plenum. Sie wirkt gut gelaunt, gelassen und spricht frei heraus über ihr politisches Engagement, das so manche Wendung gebracht hat: von ganz links zur politischen Heimatlosigkeit, von der Familienpolitik zur AfD. Wie passt das zusammen?
    Rückblende: Als jüngste von fünf Geschwistern wächst die heute 43-Jährige in einem von Gastarbeitern geprägten Stadtviertel in Wesel auf. Der Vater ist SPD-Mitglied, ihre Clique im Gymnasium ist politisch aktiv. Die Fragen des "kleinen Mannes" hätten sie ebenso wie die "Besserstellung von Kleinverdienern" interessiert, sagt die Abgeordnete. Sie schließt sich der damals jungen Organisation "Jungdemokraten/ Junge Linke" an.
    Mit Herzblut sei sie mehrere Jahre dabei gewesen, habe zu Ostern "in einer muffeligen Jugendherberge" bei einer Marxismus-Schulung "Das Kapital" von Karl Marx gewälzt. Mit 18 Jahren tritt sie in die PDS ein und zieht mit zwei Genossen nach Duisburg in eine Wohngemeinschaft. Im dortigen Kreisverband der Partei trifft sie auf Personen, die sie heute als "Hardcore-Altkommunisten" bezeichnet - und geht innerlich auf Distanz.

    "Casting" in der Kita

    Dworeck-Danielowski beginnt eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten. Sie zieht nach Dinslaken, arbeitet erst in einer Steuerkanzlei, später für ein Industriemontage-Unternehmen. Nach Jahren im Beruf lernt sie ihren heutigen Mann kennen und zieht 2005 mit ihm nach Köln, wo sie zu einem Versicherungsunternehmen wechselt.
    Politisch fühlt sie sich heimatlos. Einmal wählt sie die SPD - wegen Kanzler Schröder, da sie dessen "Basta"-Haltung mag. Aber sonst? Rückzug. Sie konzentriert sich auf ihr Privatleben, auf die Arbeit, macht berufsbegleitend eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Mit der Geburt ihres ersten Sohnes im Jahr 2013 sei das politische Engagement allerdings "wie ein Bumerang" zurückgekehrt, erzählt sie. Auch aus Frust: Gerne möchte sie ihren Sohn nach der Elternzeit zu Hause betreuen. Um zum Familieneinkommen beizutragen, beginnt sie aber wieder zu arbeiten - und stellt fest: Die Kita- Suche gestaltet sich schwierig, die Wartelisten sind lang, sie stellt sich in vielen Einrichtungen zum "Casting" vor. Ihr Eindruck: In der Familienpolitik liegt einiges im Argen.
    Über einen privaten Kontakt lernt sie eine damals neue Partei kennen: die AfD. Im Jahr 2014 tritt sie ein, arbeitet im Kreisverband Köln mit. Schon ein Jahr später wird sie zur stellvertretenden Vorsitzenden im Kreis gewählt, hilft, das AfD-Grundsatzprogramm zu erarbeiten. Gleichzeitig habe sie bemerkt, dass sich nahestehende Menschen von ihr distanziert hätten. Viele hätten die Partei mit "Nazis in Nadelstreifen" assoziiert, aber das sei falsch und nur eine "Zuschreibung von außen".
    Sie stehe zu 99,9 Prozent hinter dem Parteiprogramm und sehe in der Familienpolitik die Möglichkeit, ihre Themen einzubringen - wenn es etwa um die Betreuung von Kindern geht. Auch in der Corona-Politik sieht sie sich als Fürsprecherin von Familien, für die die Situation seit Pandemiebeginn "extrem belastend" sei.
    "Apropos Corona", sagt sie, wendet sich dem Pressesprecher der Fraktion zu und sagt, sie müsse noch einen Covid-19-Test machen. Sie selbst sei nicht geimpft, da es keine Langzeitstudien gebe und sie Vorbehalte bezüglich des Impfstoffs habe. Wie ein "Riesenfeldversuch" komme ihr die Pandemie-Bekämpfung vor. Der Test ist notwendig, um am Folgetag wieder Zutritt zum Parlament zu haben und an den Debatten teilnehmen zu können.
    Thomas Becker

    Zur Person
    Iris Dworeck-Danielowski gehört dem Landtag seit 2017 an. Die Mutter von zwei Kindern war von 2015 bis 2017 stellvertretende Vorsitzende des AfD-Kreisverbands Köln.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Bodo Kirchhoff: "Die Liebe in groben Zügen", weil es so wunderbar eine Ode an die Liebe in ihrer Vielschichtigkeit, den Zauber eines Neuanfangs, seine Grenzen sowie den Schatz des vertraut Beständigen ist.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Oh, da bin ich sehr breit aufgestellt: Je nach Stimmung ist von Falco über Richard Wagner bis zum guten alten Schlager fast alles dabei.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Auf jeden Fall eine Flasche "Light Live" - ein alkoholfreier Sekt zum Abspannen nach dem arbeitsreichen Plenaralltag.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Die größte Erholung finde ich beim Camping mit meinen Kindern und guten Freunden - so gerne am Müritzsee wie in den Alpen.

    ID: LI220118

  • Porträt: Helmut Seifen (AfD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 6 - 06.07.2021

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Helmut Seifen (AfD). Der 67-Jährige ist Sprecher seiner Fraktion im Ausschuss für Schule und Bildung, wissenschaftspolitischer Sprecher und Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses. Seifen ist Gymnasiallehrer und hat bis 2017 das Werner-von-Siemens-Gymnasium in Gronau geleitet. Er hat die Fächer Deutsch und Geschichte unterrichtet.
    Wenn Helmut Seifen im Landtag ans Redepult tritt, dann wird es gelegentlich literarisch. Neulich hat er von "Tobias Mindernickel" berichtet, dem Protagonisten aus Thomas Manns gleichnamiger Novelle, dessen "gefühlskaltes Mitleid" er auch in einem Antrag der SPD-Fraktion zu erkennen glaubte. Das Thema der Debatte: die Pandemie und ihre Folgen. Seifen ist von Haus aus Lehrer. Bis 2017 war er Leiter des Werner-von-Siemens- Gymnasiums in Gronau (Münsterland), hat Deutsch und Geschichte unterrichtet. In beiden Fächern gehe es schon in Klasse 5 um die "Substanz des Menschlichen und anthropologische Existenzgrundlagen", sagt er und erzählt die Geschichte von der eingesperrten Ziege, die sich nichts sehnlicher wünsche als saftige Wiesen und die Freiheit der Berge, obwohl sie genau wisse, dass dort der Wolf lauere. "Da sind schon Sextaner ganz gebannt", sagt der 67-Jährige.

    "Immer neugierig"

    Er selbst sei stets gerne in die Schule gegangen - als Lehrer, aber auch als Schüler: "Ich war immer neugierig." Nur Langeweile habe er nicht gemocht. Und langweilige Lehrer. Das einzige Fach, das ihn, wenn überhaupt, nur am Rande interessiert habe, sei Mathematik gewesen.
    Als Helmut Seifen im Juni 2017 als Schulleiter verabschiedet wurde, nannte sein Stellvertreter ihn einen "Humanisten alter Prägung". So kann man es in einem Bericht der Lokalzeitung nachlesen. Seifen, so der Kollege, wolle "bei Individuen die höchstmögliche Leistung" herauskitzeln und sei gleichzeitig davon überzeugt, "dass sozialverantwortlicher Umgang miteinander unabdingbar ist für ein gelingendes autonomes Leben in einer Demokratie". Ob er sich treffend beschrieben fühle? "Ja", sagt Seifen.
    Als junger Lehrer sei er "sehr streng" gewesen, sein damaliger Schulleiter dagegen eher Vertreter einer Laissez-faire-Pädagogik. "Wir haben beide voneinander gelernt und gemerkt, dass der andere nicht ganz Unrecht hatte", sagt Seifen. Später, als er selbst eine Schule leitete, sei es für ihn das Entscheidende gewesen, Strenge in der Sache und Wertschätzung gegenüber der Person unabdingbar miteinander zu verbinden.

    "Humanistische Positionen"

    Früher war Seifen CDU-Mitglied, er saß für die Christdemokraten von 2004 bis 2009 im Rat der Stadt Gronau. Als CDU und FDP im Jahr 2005 die bisherige rot-grüne Landesregierung ablösten, seien seine Hoffnungen auf Veränderungen groß gewesen, aber schnell enttäuscht worden. Er habe "humanistische Positionen" wie das individuell orientierte Leistungsprinzip in der Bildungspolitik erwartet, aber nicht finden können. Mitentscheidend für seinen Parteiaustritt sei ein Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewesen. Über Thilo Sarrazins 2010 erschienenes Buch "Deutschland schafft sich ab" habe sie gesagt, es sei "nicht hilfreich". Mit diesen Worten habe die Kanzlerin im "Duktus von Kurfürsten" gesprochen, die den Menschen vorgeben wollten, wie sie zu denken hätten. Seifen: "Da war mir klar, das hat mit CDU nichts mehr zu tun."
    Er begann, sich im Internet über die Programme anderer Parteien zu informieren. Bei der AfD habe er Inhalte entdeckt, die in weiten Teilen früheren CDU-Positionen entsprochen hätten. Hinzu sei die Kritik an der Euro-Rettungspolitik und der Haltung Deutschlands in dieser Frage gekommen. Zum Humanismus gehöre es, zwischen Fremdverfügung und Selbstbehauptung das richtige Maß zu finden, sagt er. Die AfD habe genau diesen "Mangel an Deutschlands Selbstbehauptung" aufgegriffen.
    Zurück zum Anfang, zurück zu "Tobias Mindernickel", dem Protagonisten in Thomas Manns gleichnamiger Novelle. Mit der Erzählung habe sich Thomas Mann übrigens über den Philosophen Arthur Schopenhauer lustig gemacht, erklärt Helmut Seifen, der "Humanist alter Prägung".
    red

    Zur Person
    Helmut Seifen ist gebürtiger Gelsenkirchener. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Sein Studium der Germanistik, Geschichte, Philosophie und Pädagogik absolvierte er in Münster. Von 1981 an war er als Gymnasiallehrer tätig. Im Juni 2013 trat er in die AfD ein. Seit 2015 ist er fachpolitischer Sprecher der AfD für Schule und Weiterbildungspolitik und war bis 2018 Sprecher des Landesfachausschusses Schule und Bildung der AfD in Nordrhein-Westfalen. Der 67-Jährige ist seit Juni 2017 Landtagsabgeordneter.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Wilhelm Busch - Die fromme Helene

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Klassik von Bach bis Brahms - Big Band- Musik

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Käse und Weißwein

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Landschaften mit gelungener Verbindung von Natur und Kultur, z. B. Stubaital, Salzkammergut

    ID: LI210621

  • Porträt: Christian Loose (AfD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 02.02.2021

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Christian Loose. Der 45-jährige Diplom-Kaufmann ist wirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion.
    Die Vorkehrungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hätten die politische Arbeit im nordrhein-westfälischen Landtag nicht einfacher gemacht. Plexiglasscheiben vor und neben jedem Abgeordnetensitz im Plenarsaal engten den Raum ein, veränderten die Geräuschkulisse und machten Zwischenrufe mühsamer. "Ich habe viel weniger Lust dazwischenzufunken", sagt Christian Loose, wirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, augenzwinkernd. Im Fraktionssaal säßen die Abgeordneten mit großem Abstand zueinander, meist müssten die Mitarbeitenden draußen bleiben.
    Loose betrachtet einige der landesweit geltenden Beschränkungen skeptisch. "Mein Motto ist: Schulen öffnen und Alte schützen", sagt der 45-jährige Diplom-Kaufmann, der aufgrund seines Alters erst in einigen Monaten mit einem Impftermin rechnen kann. Er fordert vor allem den Einsatz von Schnelltests für Bewohnerinnen und Bewohner sowie Beschäftigte von Alten- und Pflegeheimen.
    Politisch aktiv wurde Loose, der nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Hagen und Münster bei einem großen Energieunternehmen als Controller arbeitete, als er den Mitgründer und früheren Vorsitzenden der AfD, Bernd Lucke, in einer Fernsehdiskussion erlebte. Bis dahin sei er zwar politisch interessiert gewesen und habe sich, geprägt durch seinen Vater, einem gelernten Schlosser und späteren Betriebsratsvorsitzenden in einem großen Industrieunternehmen, immer für Erhalt und Sicherung der Arbeitsplätze in der Industrie starkgemacht. Doch für ein politisches Engagement hätten ihm die Zeit und die zu ihm passende Partei gefehlt. Was Lucke etwa zu Steuerreformen oder Volksabstimmungen sagte, habe ihn so stark beeindruckt, dass er am nächsten Tag das Beitrittsformular ausgefüllt habe.
    Auch in der AfD wollte er zunächst aber nicht aktiv mitarbeiten, sondern vor allem die damals noch junge Partei personell und finanziell stärken. Dann aber sei dem Kreisverband Bochum der Schatzmeister abhandengekommen. Loose wurde gefragt, sagte zu und ist mittlerweile einer der dienstältesten Schatzmeister in der Partei. Obwohl sein politisches Interesse in erster Linie in der Finanz-, Wirtschafts- und Energiepolitik liegt - hier arbeitet Loose an den entsprechenden Programmen der Bundespartei mit -, gehört er seit 2014 dem Bochumer Stadtrat an. Er habe sich damals geärgert, dass ein Baugebiet in Bochum zwar ausgewiesen, aber nichts zur Realisierung unternommen worden sei. Deshalb habe er auf der AfD-Liste für das kommunale Parlament kandidiert - mit Erfolg.

    "Taktisches Manöver"

    Innerhalb der AfD liege er auf der Linie des Vorsitzenden Jörg Meuthen, vom Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke, Vormann des rechten Parteiflügels, halte er wenig. Dessen Bedeutung werde in der Öffentlichkeit überschätzt, inhaltlich habe Höcke kaum etwas zu bieten, sagt Loose. Er selbst bezeichnet sich als "Hardliner im freiheitlich-konservativen Lager". Und dabei nehme er kein Blatt vor den Mund, egal, ob es um den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet von der CDU oder um Mitglieder der eigenen Partei gehe. Dass die AfD von den anderen Parteien in der Bundesrepublik weitgehend geschnitten werde, ist in seinen Augen im Wesentlichen ein taktisches Manöver, "um uns klein zu halten". Er sei überzeugt, dass in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren die AfD etwa in Sachsen oder in Mecklenburg-Vorpommern in der Landesregierung vertreten sein werde, zunächst vielleicht über eine Tolerierung. "Wenn auf Dauer 30 Prozent der Wähler ignoriert werden, macht das die Leute wütend."
    Wenn Loose mal nicht von der Politik in Beschlag genommen wird, geht er mit Frau und Sohn gerne wandern, zum Tennis hat er kaum noch Zeit, seitdem er das Mandat in Düsseldorf hat. Auch ins Stadion von Borussia Dortmund, seinem Lieblingsverein in der Fußball-Bundesliga, schafft er es nicht mehr, und das nicht erst, seitdem die Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.
    Peter Jansen

    Zur Person
    Christian Loose (45) ist gebürtiger Ibbenbürener. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann studierte er an der Fernuniversität Hagen und an der Universität Münster Betriebswirtschaftslehre. 2002 schloss er das Studium als Diplom-Kaufmann ab. Loose ist seit 2013 Mitglied der AfD und war von September 2014 bis September 2020 Mitglied im Rat der Stadt Bochum. Seit 2017 ist er Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag und dort u. a. Sprecher seiner Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    "Blackout" von Marc Elsberg. Ein wirklich fesselnder Thriller darüber, was passiert, wenn ein Land seine Energieversorgung gegen die Wand fährt. Diese schonungslose Beschreibung der zwingenden Folgen kann niemanden kalt lassen, der sich mit dem Thema Energieversorgung schon einmal beschäftigt hat.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Von "99 Luftballons" bis "Born to be wild". Auf jeden Fall Gute-Laune-Musik. Das passt immer dann, wenn ich gute Laune habe. Und es hilft in den seltenen Fällen, wenn ich wieder welche bekommen möchte.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Natürlich Milch. Denn Milch macht ja bekanntlich müde Männer munter.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Südtirol. Dort können wir in Bergseen schwimmen, wandern und auf der Alm einen Kaiserschmarrn genießen. Abends im Dorf lassen wir den Tag dann mit einem Glas Wein und dem Blick auf die Berge ausklingen.

    ID: LI210119

  • Porträt: Herbert Strotebeck (AfD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 01.09.2020

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Herbert Strotebeck. Der 68-jährige Diplom-Kaufmann ist Sprecher der AfD-Fraktion im Haushalts- und Finanzausschuss sowie in dessen Unterausschuss "Personal".
    Sein Büro im Landtag wirkt nüchtern, zweckmäßig. Auf dem Schreibtisch Aktenordner, Laptop und PC, ein Locher. Keine Familienfotos, keine Urlaubsandenken, nichts Persönliches. An der Wand immerhin ein Kunstkalender. Das aktuelle Blatt zeigt eine Zeichnung Picassos. "Alles andere würde nur ablenken", sagt Herbert Strotebeck.
    Strotebeck ist Mitglied der AfD-Fraktion und mit 68 Jahren einer der ältesten Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag. Geboren wurde er in Penzlin in Mecklenburg-Vorpommern. Das Städtchen habe er aber nie wirklich kennengelernt. "Ich wurde ja mit anderthalb Jahren verschleppt", erzählt Strotebeck. "Verschleppt" - so hätten es die DDR-Behörden genannt, wenn Eltern ihre noch kleinen Kinder mit auf die Flucht in den Westen genommen haben. Für die Mutter sei es die zweite Flucht innerhalb weniger Jahre gewesen. Als 16-Jährige sei sie bereits aus Königsberg (seit 1946 Kaliningrad) vor der Sowjetarmee nach Mecklenburg geflohen, wo sie ihren Mann kennengelernt habe. Herbert Strotebeck und seine Eltern fanden ihr neues Zuhause schließlich im Tecklenburger Land. Zu seinem Geburtsort Penzlin, sagt der Abgeordnete, habe er keinerlei Beziehung.
    Während andere Jungen vielleicht Lokführer, Astronaut oder Fußballstar werden wollen, hatte Herbert Strotebeck schon früh anderes im Sinn - er wollte später "etwas Kaufmännisches" machen. Versicherungen vielleicht. Oder zum Finanzamt. "Es war damals nicht schwierig, eine Lehrstelle zu finden", sagt er. Bei ihm habe es auf Anhieb geklappt. Nach der Ausbildung zum Versicherungskaufmann folgten Abschlüsse als Betriebswirt, als Versicherungsfachwirt und schließlich als Diplom-Kaufmann.
    Wenn Strotebeck, der seit 2013 im Ruhestand ist, von seinem Berufsleben spricht, spürt man: Versicherungen waren mehr als nur ein Job für ihn. Gut 25 Jahre lang sei er im Vorstand des Bildungswerks der Versicherungswirtschaft in Essen gewesen, außerdem mit mehr als 30 aktiven Jahren dienstältester Prüfer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Düsseldorf für das Berufsbild der Versicherungskaufleute. Damit ist Schluss, in diesem Jahr sei die fällige Verlängerung ausgeblieben. Strotebeck hätte gerne noch weitergemacht, hat aber auch Verständnis für die Entscheidung: "Ich werde bald 70 und bin nicht mehr im Versicherungsfach."

    "Kritik am Euro"

    Mit dem Ruhestand begann sein politisches Engagement. "Für Politik habe ich mich schon immer interessiert", sagt der 68-Jährige. Nun hatte er mehr Zeit, setzte sich an den Computer und klickte sich durch die Programme der Parteien. Die "Leitlinien" der AfD hätten ihn angesprochen, weil sie mit Zustimmung der Mitglieder entstanden seien, besonders die Kritik am Euro. Er lud einen Aufnahmeantrag herunter, füllte ihn aus und schickte ihn zurück. Wenig später bekam er seinen Mitgliedsausweis. "Ohne Prüfung", betont Strotebeck. Er halte das für falsch. Auf diese Weise seien Leute in die Partei geraten, die dort nicht hineingehörten. Als Sprecher des AfD-Kreisverbandes Mettmann habe er sich deshalb mit den meisten Mitgliedern persönlich unterhalten, bevor über eine Aufnahme entschieden wurde, denn: "Wir wollen die rechten Vögel nicht bei uns haben."
    Strotebeck distanziert sich vom - mittlerweile offiziell aufgelösten - "Flügel" der AfD, von Leuten wie Björn Höcke, dem AfD-Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag ("Ich habe 2017 offen den Parteiausschluss Höckes unterstützt"), und Andreas Kalbitz, der vor seinem Ausschluss u. a. Mitglied des AfD-Bundesvorstands war ("Ich bin froh, dass Kalbitz raus ist"). "Der Flügel wird in seiner Bedeutung überschätzt", sagt Strotebeck. Natürlich sei die AfD eine rechte Partei. Für ihn bedeute das "rechtschaffen, geradlinig, ehrlich und zielstrebig, aber nicht rechtspopulistisch oder rechtsnational".
    Seine Schwerpunkte im Landtag seien die Themen Haushalt und Wirtschaft. Er erzählt von Schulden, die an kommende Generationen weitergereicht würden, von einer "Euro-Rettung", die nicht weit gekommen sei. Und dass ihn das alles ärgert.
    Das Gespräch findet im Raum des AfD-Fraktionspressesprechers Michael Schwarzer statt. Ob auch ein Blick ins eigene Büro des Abgeordneten möglich sei? "Natürlich", sagt Strotebeck. Auf dem Flur weist er den Weg, der in diesem Fall einmal nach links führt.
    Michael Zabka

    Zur Person
    Herbert Strotebeck wurde in Penzlin (Mecklenburg-Vorpommern) geboren. Der Diplom-Kaufmann im Ruhestand lebt in Erkrath, ist verheiratet, Vater zweier erwachsener Kinder und dreifacher Großvater. Mehr als 30 Jahre lang arbeitete er als leitender Angestellter in der Versicherungswirtschaft. Strotebeck ist seit 2013 Mitglied der AfD und Sprecher des AfD-Kreisverbands Mettmann sowie des Bezirksverbands Düsseldorf. Seit 1. Juni 2017 ist er Abgeordneter des Landtags Nordrhein-Westfalen.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Ein spezielles Lieblingsbuch habe ich nicht, meine Lieblingsautoren sind Hans-Werner Sinn und Thilo Sarrazin.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Operettenmelodien und Oldies.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Mineralwasser oder Gemüse-/Tomatensaft.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Die Nordseeküste.

    ID: LI200618

  • Porträt: Gabriele Walger-Demolsky (AfD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 1 - 28.01.2020

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Gabriele Walger-Demolsky (AfD). Die 54-jährige Betriebswirtin stammt aus Bochum.
    Dass es nicht immer leicht sei, sich zur AfD zu bekennen und für die Partei öffentliche Funktionen wahrzunehmen, habe sie schon am und vorm eigenen Haus erfahren müssen, sagt Gabriele Walger-Demolsky. Die Reifen ihres Autos seien zerstochen, die Hauswand beschmiert, tote Vögel vor den Eingang gelegt worden. Lediglich ein Mann, der sie an einem Werbestand als "Nazi-Schlampe" beschimpft habe, sei von einem Gericht - wegen der "Schlampe" - verurteilt worden. Aber sie habe auch positive Erfahrungen gemacht, wenn es um ihre Parteimitgliedschaft gehe, berichtet die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. Mehrere Familienmitglieder seien ebenfalls in der Partei engagiert, und sie habe auf Zugfahrten festgestellt, dass viele Mitreisende interessiert zuhörten, wenn sie sich als AfD-Mitglied zu erkennen gebe und von ihrer politischen Arbeit erzähle.
    Auch im Landtag sei es nicht immer einfach. Es gebe Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fraktionen, mit denen man sich völlig normal unterhalten könne, berichtet die aus Bochum stammende Betriebswirtin. Aber es seien auch welche dabei, die ihr den Gruß verweigerten oder es ablehnten, sie beim Namen zu nennen, obwohl sie in denselben Ausschüssen säßen.
    Dabei sei offensichtlich, dass Protest und Widerstand, womit sie immer wieder zu tun habe, nicht in erster Linie ihr als Person gelten, sondern der Partei, in der sie seit 2013 Mitglied ist. Mit dem umstrittenen thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke habe sie nie ein Wort gewechselt. Sie habe im September zu den Ersten gehört, die den "Appell der 100" unterzeichneten. Darin hätten sich Parteimitglieder vor allem aus den alten Bundesländern für eine "bürgerliche, freiheitliche, patriotische" AfD eingesetzt und scharfe Kritik an Höcke und dem ihm nahestehenden Flügel geübt.
    Die deutlichen Unterschiede bei Wahlergebnissen und Erscheinungsbild ihrer Partei zwischen den neuen und den alten Bundesländern erklärt sich Walger-Demolsky mit der unterschiedlichen Geschichte der Menschen in Ost- und Westdeutschland. Die Menschen zwischen Mecklenburg und Thüringen seien anders politisch aufgewachsen, sie pflegten eine andere, weit weniger diplomatische Sprache als ihre Landsleute zwischen Schleswig-Holstein und Bayern. In der Sozial- und Wirtschaftspolitik bezögen sie linkere Positionen als ihre Parteifreunde aus dem Westen.

    "Politisch interessiert"

    Sie selbst rechnet sich der "bürgerlichen Mehrheit" in der AfD zu, welche früher zum größten Teil die Union oder die FDP gewählt habe. Vor ihrem Parteieintritt sei sie zwar politisch interessiert gewesen, aber nicht engagiert. Ihre größte politische Aktion hatte sie demnach als Schulsprecherin einer Bochumer Schule. Damals organisierte sie eine stadtweite Demonstration gegen die geplante Abschaffung der Schulsekretärinnen. Aus Widerstand gegen die Einführung des Euro hat sie sich Ende der 90er-Jahre für wenige Monate dem "Bund freier Bürger" angeschlossen. 15 Jahre später sympathisierte sie mit dem Protest des Wirtschaftsprofessors Bernd Lucke, einem der Gründungsväter der AfD, gegen die europäische Eurorettungspolitik. Als ihr Mann ihr 2013 sagte, er sei der neuen Partei beigetreten und fahre jetzt zum Gründungsparteitag nach Berlin, beschloss sie spontan, mitzufahren und sich ebenfalls der AfD anzuschließen. Noch heute sei sie stolz auf ihre niedrige vierstellige Mitgliedsnummer.
    Landespolitik findet sie faszinierend, weil die Probleme näher bei den Menschen seien und greifbarer als in der Bundespolitik. Vor allem in der Schulpolitik sieht sie weitgehende Übereinstimmung mit den Positionen der FDP, ob es um den Erhalt des dreigliedrigen Schulsystems geht oder die Beibehaltung einer neunjährigen Gymnasialzeit. Gravierende Unterschiede zu allen anderen im Landtag vertretenen Parteien stellt sie dagegen beim Thema Zuwanderung und Integration fest, für das sie in ihrer Fraktion zuständig ist. Trotz dieser Differenzen könne sie sich eine Zusammenarbeit mit der CDU vorstellen, vor allem bei den Themen Schule, Innere Sicherheit und Wirtschaft. "Konsequenterweise" stimme die AfD fast 40 Prozent der Anträge aus den Regierungsfraktionen zu, mit etwas Bauchschmerzen könnten es auch mehr sein. Die Beteiligung der AfD an einer Landesregierung in einem der alten Bundesländer sei dennoch auf absehbare Zeit nicht vorstellbar, in einem der neuen Länder hält sie das in den nächsten fünf Jahren allerdings für machbar.
    Wenn die Politik sie nicht in Beschlag nimmt, sind ihre liebsten Beschäftigungen Reisen und Lesen. Und schon seit vielen Jahren geht sie einmal im Monat zum Schießen in ihrem Sportschützenverein.
    Peter Jansen

    Zur Person
    Gabriele Walger-Demolsky (54) ist seit 2017 Abgeordnete des nordrhein-westfälischen Landtags und seit 2013 Mitglied der AfD. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion. Die Bochumerin ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien sowie im Integrationsausschuss. In beiden Ausschüssen ist sie auch Sprecherin ihrer Fraktion.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Der Schatten des Windes von Carlos Ruiz Zafón. Die Sprache verzaubert und der Roman fordert den Leser.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Jazz und Shanties. Daher habe ich früher auch gerne WDR 5 gehört.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Apfelschorle und natürlich eine Leckerei für unser schnurrendes Familienmitglied.

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Der Norden von Ostfriesland bis Tromsø. Die einzige Gegend, wo Regen zur Folklore gehört.

    ID: LI200116

  • Porträt: Dr. Martin Vincentz (AfD).
    Porträt
    S. 23 in Ausgabe 6 - 16.07.2019

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Dr. Martin Vincentz (AfD). Der 33-jährige Arzt gehörte früher zu den 32 besten Degenfechtern Deutschlands.
    Als Arzt ist Dr. Martin Vincentz (33) filigranes Arbeiten gewöhnt. In seiner Freizeit kann er aber auch mit dem groben Degen umgehen. Vincentz entdeckte als Kind seine Leidenschaft fürs Fechten, war als Jugendlicher auf internationalen Turnieren vertreten und gehörte einmal als Erwachsener zu den 32 besten Degenfechtern Deutschlands. "Viele verbinden die AfD mit einem scharfen Schwert. Ich aber gelte, auch innerparteilich, eher als einer, der das feine Florett beherrscht", sagt Vincentz.
    Inzwischen hat er den Degen auf der Planche an den Nagel gehängt. Dafür hat er es jetzt politisch mehr mit dem Florett zu tun. Denn die Politik ist nun das alles bestimmende Thema im Leben des Allgemeinmediziners.
    Durch Auftritte von Bernd Lucke in TV-Talkshows wurde Vincentz auf die AfD aufmerksam. "Ich hatte bis dahin nur mal Kontakt zur Jungen Union", sagt er. "Aber das Klima dort gefiel mir nicht zu 100 Prozent. Das war mir alles zu glatt, häufig stand wohl mehr der Karrieregedanke im Vordergrund als das ernsthafte Auseinandersetzen mit politischen Themen." Vincentz suchte im heimischen Krefeld Kontakt zur AfD, trat 2014 in den Ortsverband ein. Der 33-Jährige fand Gefallen an der Partei, wurde schnell stellvertretender Ortsvorsitzender, landete dann auf der Landesliste zur Landtagswahl 2017. Zunächst stand er auf Platz 16. Als am Wahlwochenende der Parteikollege auf Listenplatz 12 überraschend zurückzog, wurde Vincentz gefragt, ob er den Platz einnehmen will. Er sagte zu - und landete im Landtag.
    "Als Mediziner war ich ja 70-Stunden-Wochen gewöhnt", sagt er. "Und wenn man es als Landtagsabgeordneter wirklich ernst meint, nimmt diese Arbeit ähnlich viel Zeit in Anspruch." Aber das stört ihn nicht. "Wenn ich etwas mache, dann mache ich es auch richtig", so Vincentz. So, wie er es mit seinem Plan, der AfD beizutreten, gemacht hat. Die intensivsten Gespräche vor seinem Eintritt in die AfD führte Vincentz mit seiner Frau. Die gebürtige Französin unterstützte ihren Mann von Anfang an und begleitete ihn auch zu Veranstaltungen. "Sie hat sich dabei intensiv mit den Inhalten auseinandergesetzt und ist inzwischen ebenfalls Mitglied geworden", so Vincentz. Da seine Frau auch Ärztin ist, steht die Gesundheitspolitik natürlich im Zentrum der Diskussionen zu Hause.
    In seinem privaten Umfeld stieß Vincentz nicht auf uneingeschränktes Verständnis. "Es gab verschiedene Reaktionen auf meinen Beitritt in die Partei. Ein Drittel, das waren aber eher entfernte Bekannte, haben den Kontakt zu mir einfach abgebrochen; ich hatte nicht einmal Gelegenheit, meine Motive zu erklären", erinnert er sich. "Das zweite Drittel kam auf mich zu und fragte mich skeptisch, wieso ich das mache. Und das letzte Drittel waren Freunde, die mich verstanden und bestärkt haben."

    "Streit- und Debattenkultur"

    Auf seine Mitgliedschaft in der Partei wird Martin Vincentz heute noch häufig angesprochen. Aber er setzt sich gerne mit den Fragen der Menschen auseinander, sucht den Diskurs. Vincentz: "Ich mag es, verschiedene Ansichten zu debattieren. Das ist etwas, was in der Gesellschaft derzeit verloren geht, eine vernünftige Streit- und Debattenkultur." Mit seiner Partei und ihrer Ausrichtung setzt sich der gebürtige Krefelder selbst ständig auseinander. "Mir macht der rechte Rand der Partei schon Sorgen", so Vincentz. "Ich sehe diese Strömung als ernsthafte Gefahr für die Partei und versuche, auf Leute einzuwirken, die mit rechten Äußerungen aus der Reihe fallen. Denn das ist nicht das, was ich mir unter der AfD vorstelle."
    Auch Anfeindungen hat Vincentz schon persönlich erfahren. "Einmal wurde mein Auto zerkratzt. Und auf dem Weg zu einem Parteitag wurde ich von Gegendemonstranten, die noch nie vorher ein Wort mit mir gewechselt haben, als Holocaust-Leugner beschimpft", sagt er. "Aber körperliche Angriffe sind mir glücklicherweise bisher erspart geblieben, ich habe auch noch keine Morddrohungen erhalten. Die Anfeindungen sind eher verbal, wirken aber oft unversöhnlich."
    Im Landtag merkt Vincentz, dass sich der Umgang der anderen Fraktionen mit den AfD-Abgeordneten verbessere. "Anfangs haben wir schon Vorbehalte gegen uns wahrgenommen. Wir wurden zum Teil nicht mal gegrüßt. Das normalisiert sich aber zusehends", sagt er - und greift zum Florett: "Wir können weiter unseren Teil dazu beitragen, denn wir haben in der aktuellen Stimmungslage ja auch noch eine Menge Hausaufgaben zu erledigen."
    Jörg Löbker

    Zur Person
    Dr. Martin Vincentz stammt aus Tönisvorst und hat Humanmedizin in Köln studiert. Er ist stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Krefeld, Leiter des Landesfachausschusses Gesundheit und seit 2016 gesundheitspolitischer Sprecher des AfD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen. Der 33-Jährige ist seit 1. Juni 2017 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    Nur eines zu nennen, fällt schwer. Milan Kunderas "Die Unsterblichkeit" fällt mir jetzt spontan ein. Weil er es wieder schafft, die ganze unerträgliche Leichtigkeit des Seins mit einer einzigen Geste zu beschreiben.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Meine musikalischen Vorlieben sind eigentlich breit gefächert, nennen würde ich am ehesten 70er-Jahre Rock; manches war früher eben doch einfach besser!

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    In tiefster Dunkelheit ein Licht ... Und Senf. Nicht, weil ich Senf so mag, aber er hält sich eben lange; eine löbliche Eigenschaft!

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Die Erde hat so viele schöne Fleckchen, aber wenn ich wählen muss, dann die Heimat meiner Frau: die Cóte d‘Azur.

    ID: LI190621

  • Porträt: Andreas Keith (AfD).
    Porträt
    S. 15 in Ausgabe 1 - 29.01.2019

    Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Andreas Keith, der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion. Der 51-jährige gelernte Forstwirt stammt aus der Pfalz und lebt heute im Rheinland.
    Wenn es nach seinen Großeltern gegangen wäre, dann säße Andreas Keith heute nicht als Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, sondern als CDU-Abgeordneter im Kreistag von Ludwigshafen und würde auf dem familieneigenen Hof Obst, Wein und Spargel anbauen. Im Zentrum der Pfalz hat der heute 51-Jährige seine Wurzeln; und an der Pfalz hängt auch heute noch sein Herz, dort protestierte er gegen die Stationierung von US-amerikanischen Pershing-II-Raketen und die Lagerung von chemischen Waffen im nahen Fischbach, dort schloss er sich der Jungen Union an. Dort endete auch seine erste politische Laufbahn, als er auf einer Diskussionsveranstaltung in Schifferstadt dem damaligen Bundeskanzler und CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl eine Frage nach den Raketen stellte, die der als ausgesprochen frech empfunden habe.
    Die Liebe und der Beruf verschlugen den gelernten Forstwirt Jahre später ins Rheinland nach Leverkusen, wo er sich mittlerweile auch zu Hause fühlt. Das Interesse an Politik hatte nicht nachgelassen und lag wohl in der Familie. Mit Eltern und Großeltern war regelmäßig über aktuelle politische Fragen diskutiert worden, ein Cousin ist Gründungsmitglied der Grünen in Rheinland-Pfalz. Keith fühlte sich damals von den Thesen Bernd Luckes, einer der Gründer der AfD, angesprochen und reiste eigens nach Hannover, um Lucke zu hören und kennenzulernen. Als Lucke erfuhr, dass Keith u. a. in einer Agentur für die damals neu entstehenden Social Media arbeitete, verpflichtete er ihn gleich zur damals noch ehrenamtlichen Tätigkeit für die AfD in diesem Bereich. 2013, als aus der Bewegung auf dem Gründungskongress in Oberursel im Taunus eine Partei wurde, war Keith eines der ersten Mitglieder.
    Die Themen, die ihn damals bewegten, waren ganz andere als die Probleme, mit denen die AfD heute in erster Linie in Verbindung gebracht wird. Keith ging es damals um das Thema Demokratie, etwa die direkte Wahl des Bundespräsidenten und die Stärkung von dessen Position, er plädierte für mehr Volksentscheide und teilte Luckes Kritik an der EU-Bürokratie in Brüssel. Als Lucke 2015 den parteiinternen Machtkampf gegen Frauke Petry und andere Widersacher verlor und sich verabschiedete, kam für Keith selbst allerdings ein Austritt nicht in Betracht: Er hatte die neue Partei, die überall in Deutschland regionale Verbände gründete und bei Wahlen zunehmend erfolgreich war, zu seinem eigenen Ding gemacht.

    Wandern und Fußball

    Keith ist überzeugt, dass Deutschland die AfD als "konservative Partei" braucht. "Wenn man das als rechts bezeichnet, bin ich eben rechts." Er denkt an die vielen Menschen, denen die Entwicklung in allen möglichen Bereichen zu schnell geht, die sich nach Heimat, nach Geborgenheit, nach einer vertrauten Umgebung sehnen. Für diese Menschen soll die AfD nach seiner Vorstellung eine demokratisch legitimierte Stimme sein. Rechtsextremistische Tendenzen, die der AfD immer wieder vorgehalten werden, kann er im nordrhein-westfälischen Verband, wo er auch Landesgeschäftsführer war, nicht erkennen. Er macht aber kein Hehl daraus, dass die Sprache, die besonders in ostdeutschen Verbänden häufig zu hören ist, nicht die seine ist. Damit käme man in den neuen Ländern vielleicht auf bessere Ergebnisse, in der alten Bundesrepublik schreckten solche Töne aber viele Menschen ab. Keith ist in diesem Sinne eigenen Angaben zufolge mit seinen ostdeutschen Parteifreunden im Dialog, er vertraut dabei auch auf den innerparteilichen Lernprozess.
    Viel Zeit für Privatleben bleibt ihm neben seiner Arbeit im Landtag und seiner Funktion in der Partei nicht, im vergangenen Jahr war er an 30 Wochenenden im Einsatz. Wenn ihn die Politik mal loslässt, geht er mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen gerne wandern und zwar sowohl in seiner neuen wie auch in seiner alten Heimat. Leidenschaftlich gerne spielt Keith Fußball und war auch schon für den FC Landtag im Einsatz. Sein Herz schlägt aber für den 1. FC Kaiserslautern, mittlerweile Drittligist. Wenn der FCK zu Auswärtsspielen nach Krefeld, Köln oder Münster reisen muss, dann ist Keith auf der Tribüne anzutreffen.
    Peter Jansen

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Andreas Keith (51) hat eine Ausbildung zum Forstwirt und eine Weiterbildung zum Forsttechniker absolviert. Seit 2013 ist er Mitglied der AfD. Er ist Gründungsmitglied des Landesverbandes NRW sowie Mitglied des Landesvorstands. Keith ist verheiratet und hat zwei Kinder.

    Nachgefragt
    Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
    John Irving: Gottes Werk und Teufels Beitrag: Eine mitreißende Beschreibung des Dilemmas, sich zwischen Gut und Böse entscheiden zu müssen - und dann festzustellen, dass es nicht immer ein Gut oder Böse gibt. Zudem finde ich es faszinierend, dass es Menschen gibt, die unendlich traurige Geschichten erzählen können und ihre Leser trotzdem nicht mutlos machen, sondern das Gefühl vermitteln, dass zumindest einige Sonnenstrahlen, ganz vorsichtig, immer dann für Aufhellung sorgen, wenn man den Tränen nahe ist.

    Welche Musik hören Sie gerne?
    Mit großer Begeisterung höre ich Singer und Songwriter wie David Gray oder Natalie Merchant.

    Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
    Milch. Ohne Milch geht bei uns nichts. Ob im Müsli, als Kakao oder einfach so: Die Milch macht‘s!

    Ihr liebstes Reiseziel?
    Kroatien. Eines der schönsten Segelreviere in Europa, mit traumhaften Inseln und beeindruckenden Landschaften. Dabei voller Kultur und Geschichte, vor allem aber geprägt von unglaublich freundlichen, hilfsbereiten Menschen mit einer großen Gelassenheit.

    ID: LI190115

  • Porträt: Markus Wagner (AfD).
    Porträt
    S. 19 in Ausgabe 6 - 19.06.2018

    Für Politik interessiert sich Markus Wagner, der Vorsitzende der AfD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, seit er denken kann. Bereits als Achtjähriger hatte er gebannt den Ablauf des konstruktiven Misstrauensvotums gegen den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) verfolgt. Wagner war aufseiten der Konservativen und drückte Herausforderer Rainer Barzel (CDU) die Daumen. 1972 war das. Etliche Jahre später trat Wagner, mittlerweile vom oberbayerischen Bad Tölz ins ostwestfälische Bad Oeynhausen umgezogen, in die CDU ein und gründete in seinem Heimatort einen Kreisverband der Jungen Union.
    Doch Mitte der 1990er-Jahre fühlte er sich in der Union nicht mehr richtig wohl. Die vom damaligen Bundeskanzler und CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl versprochene geistig-moralische Wende vermochte er nicht zu erkennen, die geplante Einführung des Euro hielt er für einen großen Fehler. Insgesamt konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, die Union marschiere nach links. 1996 trat er aus der Partei aus.

    "CSU des Nordens"

    Sein Interesse an Politik wurde wieder angefacht, als nach der Jahrtausendwende in Hamburg die Partei "Rechtsstaatliche Offensive" gegründet und deren Vorsitzender Ronald Schill 2001 zum Innensenator berufen wurde. In der Hoffnung, Kriminalität werde nun kompromisslos bekämpft, trat Wagner 2001 der Schill-Partei bei, die er als "CSU des Nordens" ansah, und wurde schon zwei Jahre später stellvertretender Vorsitzender. Doch 2004 brach die Partei an internen Querelen um ihren Vorsitzenden auseinander. Wagner engagierte sich kurzfristig in kleineren Parteien; spätestens 2008 jedoch, so sein Plan, wollte er sich ganz aus der Politik zurückziehen.
    Als 2013 die Alternative für Deutschland gegründet wurde, fühlte Wagner sich angesprochen. Der damalige AfD-Vorsitzende Bernd Lucke sorgte mit seiner Kritik an der Euro-Rettungspolitik für Aufsehen; Wagner teilte die Kritik. Die Euro-Rettungspolitik war es auch, die ihn vor fünf Jahren zum Eintritt in die AfD bewogen hat. Sie stehe heute zwar nicht mehr so im Mittelpunkt der medialen Berichterstattung, die aktuelle Diskussion um die Situation in Italien zeige aber seiner Ansicht nach, auf wie tönernen Füßen die Gemeinschaftswährung nach wie vor stehe.
    In der Landespolitik, mit der sich Wagner seit seiner Wahl in den NRW-Landtag vor gut einem Jahr vorwiegend beschäftigt, tritt seine Partei für ein mehrgliedriges und durchlässiges Schulsystem ein, das auch kooperative Gesamtschulen umfasst. Der "Inklusion mit der Brechstange" stehe die AfD kritisch gegenüber; stattdessen will sie die Förderschulen stärken. Die AfD will darauf drängen, dass in Fragen der Inneren Sicherheit die von der Landesregierung versprochene Null-Toleranz-Politik gegen Kriminalität auch umgesetzt wird. Die angekündigte Zahl der zusätzlichen Ausbildungsplätze für Polizisten hält sie für zu gering.
    Auch in der Landtagsarbeit hat für die AfD die Flüchtlingspolitik einen hohen Stellenwert. 97 Prozent der seit 2015 nach NRW gekommenen Flüchtlinge hätten nach dem Asylkompromiss der 1990er-Jahre keinen Anspruch auf Asyl. Diese Menschen müssten fit gemacht werden für die Rückkehr in ihre Heimatländer. Es sei nicht hinnehmbar, dass zahlreiche Ausreisepflichtige dieser Pflicht nicht nachkämen. Die Kinder der Flüchtlinge sollten nicht in den Regelschulen, sondern in den Unterkünften unterrichtet werden, sagt Wagner. Weil es dafür nicht genug Lehrer gebe, sollten geeignete Lehrkräfte unter den Flüchtlingen angeworben werden.
    Wagner hält es grundsätzlich für denkbar und wünschenswert, dass die AfD irgendwann auch in der Landesregierung vertreten sein könnte.
    Peter Jansen

    Zusatzinformation:
    Zur Person
    Markus Wagner (54) ist verheiratet und Vater eines Kindes. Er ist stellvertretender Sprecher des AfD-Bezirksverbandes Ostwestfalen-Lippe und Sprecher des AfD-Kreisverbandes Minden-Lübbecke. Dem nordrhein-westfälischen Landtag gehört Wagner seit 1. Juni 2017 an. Seit Oktober 2017 ist er Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion. Seit 1993 ist er zudem geschäftsführender Gesellschafter einer Einrichtung der Eingliederungshilfe für psychisch erkrankte Menschen.

    ID: LI180619

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Die Fraktionen im Landtag NRW