22.02.2024

Anhörung zur Wohnungsbaupolitik

In einer Anhörung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Digitalisierung haben sich Sachverständige zum Thema „Wohnungsbaupolitik“ geäußert. Hintergrund war ein Antrag der SPD-Fraktion.

Die Fraktion fordert in ihrem Antrag (18/6381) „Schubkraft und Fortschritt für die Wohnungsbaupolitik in Nordrhein-Westfalen“, angemessener Wohnraum müsse für alle Bevölkerungsschichten bezahlbar sein. Die Landesregierung solle u. a. zügig ein Sofortprogramm „Bauen jetzt“ konzipieren. Es solle zu einer „Neubau- und Sanierungsoffensive im Wohnungssektor“ führen.

Nach Angaben von IT.NRW hätten die nordrhein-westfälischen Bauämter im ersten Halbjahr 2023 lediglich Baugenehmigungen für 21.211 Wohnungen erteilt. Dies seien 32,6 Prozent weniger als von Januar bis Juni 2022. Hinzu komme ein „beispielloser Niedergang des öffentlich geförderten Mietwohnungsbaus“. Auch bei der Förderung von Wohneigentum sei das Bild „desaströs“. Dabei sei der Bedarf an zusätzlichem Wohnraum groß.

„Derzeit dramatisch“

Zahlreiche Sachverständige teilten in ihren schriftlichen Stellungnahmen die Zustandsbeschreibung der SPD-Fraktion. In der Tat sei die Situation im Wohnungsbau „derzeit dramatisch“, bestätigte die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände (Städtetag, Landkreistag, Städte- und Gemeindebund). Der „Trend eines sinkenden Bestandes an gefördertem Wohnraum“  habe jedoch lange vor 2017 begonnen und sich in den Folgejahren lediglich fortgesetzt: „Den Vorwurf einer gescheiterten Wohnraumpolitik deswegen pauschal gegenüber der amtierenden Landesregierung zu erheben, wird aus unserer Sicht den tatsächlichen Entwicklungen nicht gerecht.“

Zentral sei eine Erhöhung der Mittel für die öffentliche Wohnraumförderung, so die Arbeitsgemeinschaft. Dabei sei „festzustellen, dass mit dem Entwurf der Eckpunkte für die öffentliche Wohnraumförderung 2024 das Programmvolumen mit 1,7 Mrd. Euro zuzüglich etwaiger nicht verausgabter Restmittel aus dem Förderjahr 2023 auf einen Höchststand aufgestockt werden soll und NRW damit im Bundesvergleich den absoluten Zahlen nach beispielgebend ist“.

Die Lage auf den Wohnungsmärkten in NRW stelle viele Haushalte vor existenzielle Probleme, schrieb der Deutsche Mieterbund. Dass sich die Situation weiter zuspitzen würde, sei allerdings „seit Jahren absehbar“ gewesen. Statt frühzeitig gegensteuernde Maßnahmen zu ergreifen, habe „das politische Handeln die Krise des Wohnens sogar noch verstärkt“. Mieterschutzrechte seien „abgebaut“ worden, das habe zum Mietpreisanstieg der vergangenen Jahre beigetragen. Man stimme der SPD-Fraktion zu, „dass es eines entschiedenen öffentlichen Impulses bedarf, um der gegenwärtigen Krise zu begegnen“. Die öffentliche Wohnraumförderung müsse dabei eine noch viel größere Rolle spielen. Zudem brauche Nordrhein-Westfalen, wie von der SPD gefordert, eine eigene Landesbaugesellschaft: „Der Verkauf der LEG mit ihren 93.000 Wohnungen im Jahre 2008 hat die öffentliche Hand wertvoller Steuerungsmöglichkeiten beraubt.“

„Nur eine Teilverantwortung“ 

Die Wohnungswirtschaft in NRW befinde sich in einem „operativen Umfeld (Zinsen, Baupreise), das man als einen ‚perfekten Sturm‘ bezeichnen kann“, befand Prof. Dr. Stefan Kofner (Hochschule Zittau/Görlitz). Abgesehen davon habe das Land NRW „nur eine Teilverantwortung, weil es nur einen Teil der wohnungspolitischen Instrumente kontrolliert“. Wesentliche Instrumente seien Bundesrecht. Zudem setze der SPD-Antrag „zu einseitig auf die Förderpolitik“.

Der Rückgang der Baugenehmigungen sei kein spezifisches Problem in NRW, so  Prof. Dr. Michael Voigtländer (Institut der Deutschen Wirtschaft, Köln). Er sei „vor allem dem zeitgleichen Anstieg der Zinsen und der Baukosten in Deutschland geschuldet“. Voigtländer wies darauf hin, „dass die Ausstattung NRWs mit Sozialwohnungen im Bundesvergleich als sehr gut angesehen werden kann“. Laut einer aktuellen Studie verfüge das Land mit 435.000 Sozialwohnungen über rund 40 Prozent des gesamten Sozialwohnungsbestands in Deutschland. Wesentliche Ziele müssten eine  Beschleunigung der Verfahren, Entbürokratisierung sowie kontinuierliche Baulandausweisung in wachsenden Regionen sein.

Unbestritten stehe der Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen und dem gesamten Bundesgebiet spätestens seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und seiner Auswirkungen stark unter Druck, so der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen. Hinzu komme, dass die nordrhein-westfälische Wohnungswirtschaft erhebliche Investitionsmittel für die energetische Transformation ihrer Bestände zur Klimaneutralität bis 2045 aufwenden müsse. Diese Investitionsmittel würden begrenzt, wenn mehr Kapital für den Mietwohnungsneubau eingeplant werden müsse: „Daraus entsteht in der Praxis ein Dilemma.“ 

Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen begrüßte den Antrag der SPD-Fraktion „im Grundsatz“. Es bedürfe eines „radikalen Umdenkens, um die aktuelle Baukostenkrise und die damit einhergehende Wohnungsbaukrise nachhaltig aufzulösen“. Die Kammer empfahl u. a. eine deutliche Steuervergünstigung für die Errichtung neuer öffentlich geförderter Wohnungen und den Wegfall der Grunderwerbsteuer beim Ersterwerb einer selbstgenutzten Immobilie. Durch das Aufstocken bestehender Gebäude könnten zudem bis zu 1,1 Millionen zusätzliche Wohnungen entstehen.

Text: zab

Die Fraktionen im Landtag NRW