Wie kamen sie in die Politik? Wo liegen ihre politischen Schwerpunkte? Landtag Intern stellt in jeder Ausgabe Abgeordnete vor. Diesmal im Porträt: Lorenz Deutsch (FDP). Der 51-jährige Kölner ist kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion.
Lorenz Deutsch hält einen Moment inne. Man hätte schon über hellseherische Gaben verfügen müssen, sagt er dann, um sich die Bedingungen vorzustellen, unter denen die Menschen in Nordrhein-Westfalen, in der Bundesrepublik, in Europa und nahezu überall auf der Welt seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor einigen Monaten zu leben gezwungen sind. Voller Staunen denkt er daran zurück, wie schnell sich sein normalerweise prall gefüllter Terminkalender binnen weniger Tage geleert hat, als ob "das Wasser abläuft, wenn der Stöpsel aus der Badewanne gezogen wird". Langweilig wurde es dem kulturpolitischen Sprecher der FDP-Landtagsfraktion dennoch nicht. Statt Stunden in der Bahn, dem Auto und den verschiedensten Sitzungsräumen zu verbringen, häuften sich die Telefon- und Videokonferenzen am heimischen Schreibtisch.
Dass er auf viele direkte Kontakte mit Bürgerinnen und Bürgern des Landes, Begegnungen mit Familie, Freunden sowie Gesprächspartnerinnen und -partnern aus der Kulturszene verzichten musste, war für den 51-jährigen Kölner schmerzhaft und besonders gewöhnungsbedürftig. Die vom Staat angeordneten Einschränkungen hält Deutsch gleichwohl für richtig, sie hätten dazu beigetragen, dass Land und Bund die Herausforderungen einigermaßen bestanden haben. Bedenken hat der Liberale dennoch bei den tiefen Eingriffen in das private Leben der Menschen, so etwas habe es in der Geschichte der Bundesrepublik nie zuvor gegeben. Jetzt müssten nicht die Bürgerinnen und Bürger begründen, warum sie wieder mehr Freiheiten wollten, sondern die Politik müsse sehr sorgfältig darlegen, warum welche Einschränkungen weiterhin erforderlich seien. Wichtig seien dabei die richtigen Prioritäten, sagt Deutsch, "wir müssen parallel arbeiten". Ob es um Kultur, Sport, Wirtschaft oder die Kinder gehe - man dürfe nicht eins gegen das andere ausspielen, sondern müsse alle Bereiche gleichermaßen im Auge haben.
Der Germanist und Politikwissenschaftler hat erst vergleichsweise spät den Weg in die praktische Politik gefunden. Zwar stand er schon immer den Gedanken des Liberalismus nahe, doch erst nach dem Studium befand er, es sei nun an der Zeit, sich politisch zu engagieren, und trat in seiner Heimatstadt Köln den Freien Demokraten bei. 2004 wurde er von der Partei gebeten, als sachkundiger Einwohner im Kulturausschuss des Stadtrates mitzuwirken, und dann, so sagt Deutsch heute, ist eins zum anderen gekommen. Wenige Jahre später rückte er in die Bezirksvertretung für die Kölner Innenstadt ein, wurde in den FDP-Kreisvorstand gewählt, stieg zum Vizeparteichef auf und ist seit 2017 der oberste Freidemokrat in Köln.
Der Kulturpolitiker Deutsch empfindet es als Privileg, dass es auf diesem Feld, anders als etwa in der Innen-, Finanz- oder Bildungspolitik, einen großen Schulterschluss aller Beteiligten gebe, egal, ob sie einer Koalitions- oder Oppositionsfraktion angehörten. Die Vertreter aller Parteien empfänden sich als Sachwalter der Kultur im Lande, "da gibt es einen großen Korridor, in dem man gemeinsam agiert". Das Aufgabengebiet ist breit gefächert. Das Land Nordrhein-Westfalen ist selbst Träger einiger Institutionen wie der Kunstsammlung NRW oder dem Düsseldorfer Schauspielhaus, die Kulturpolitiker entscheiden über die Förderung von Projekten und Einrichtungen durch alle Sparten. Dabei ergänzen sie von Landesseite die Arbeit der Kommunen, auf denen die Hauptlast für Orchester und Theater liegt. Zurzeit werde an einem Rahmengesetz für die Kulturpolitik gearbeitet, in dem alle Regelungen zusammengefasst werden sollten.
Besonders stolz ist Deutsch auf eine Neuerung, die durch die Corona-Beschränkungen allerdings derzeit noch auf Eis liegt. Hinter dem sperrigen Begriff "Bibliotheksstärkungsgesetz", das vor allem auf sein Betreiben zurückgehe und das vom Landtag einstimmig verabschiedet wurde, verbirgt sich die Möglichkeit, dass alle öffentlichen Bibliotheken an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen. Mönchengladbach praktiziere den offenen Sonntag seit geraumer Zeit mit großem Erfolg, so Deutsch, jetzt sollten alle Kommunen folgen. Im Vordergrund steht für Deutsch dabei nicht die Ausleihe, sondern die Möglichkeit, sich in den Bibliotheken etwas anzuschauen, auszusuchen, auszuprobieren, mit der ganzen Familie nach Büchern, Spielen, Filmen oder anderem zu suchen.
In der wenigen freien Zeit, die Landtagsfraktion und Kreisverband Deutsch lassen, bleibt er dem Thema Kultur treu, er liest viel und gerne, geht ins Theater und in Konzerte und gelegentlich schafft er es sogar zu joggen. Als gebürtiger Kölner ist es nahezu unvermeidbar, dass er nicht nur zu den Karnevalsjecken zählt, er ist auch Fan des 1. FC Köln. Nur die Dauerkarte, die er lange besaß, hat er nicht erneuert, ihm fehlt schlicht zu oft die Zeit, ins Stadion zu gehen.
Peter Jansen
Zur Person
Lorenz Deutsch hat Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft an der Universität zu Köln studiert. Von 1998 bis 2011 war er dort wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Sprache und Literatur. 2011 wechselte er ans Institut für Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Deutsch ist seit 1997 Mitglied der FDP. Er ist seit Oktober 2017 Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Deutsch rückte für FDP-Chef Christian Lindner nach, der damals in den Bundestag wechselte.
Nachgefragt
Was ist Ihr Lieblingsbuch und warum?
Ich lese viel, und eigentlich ist immer das aktuelle mein Lieblingsbuch. Aber wenn ich mich entscheiden müsste (einsame Insel ...), dann fiele die Wahl auf: Shakespeare, Complete Works.
Welche Musik hören Sie gerne?
Das ist ganz stimmungsabhängig, und deshalb auch sehr vielfältig. Was ich immer schätze, ist gutes Songwriting. Hier ein Tipp: The Divine Comedy.
Was haben Sie immer in Ihrem Kühlschrank vorrätig?
Es ist immer für ein gutes Frühstück an Samstag und Sonntag mit meiner Frau gesorgt - unverzichtbar: Käse.
Ihr liebstes Reiseziel?
Italien, eigentlich überall, aber besonders: Apulien.
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