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Landtag

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Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

16/116

16. Wahlperiode

10.06.2016

 

116. Sitzung

Düsseldorf, Freitag, 10. Juni 2016

Mitteilungen der Präsidentin. 11981

Vor Eintritt in die Tagesordnung. 11981

Nachtrag zu der Abstimmung
zu TOP 14
der 114. Plenarsitzung. 11981

Ergebnis. 11981

1   Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften (Kommunalvertretungsstärkungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/9795

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 16/12134

dritte Lesung. 11981

Hans-Willi Körfges (SPD) 11981

Ralf Nettelstroth (CDU) 11982

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 11983

Henning Höne (FDP) 11984

Michele Marsching (PIRATEN) 11986

Minister Ralf Jäger 11987

Ergebnis. 11987

Namentliche Abstimmung
siehe Anlage

2   Impfen schützt – Strategien zur Verbesserung des Impfschutzes in NRW

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/12111. 11988

Susanne Schneider (FDP) 11988

Angela Lück (SPD) 11989

Astrid Birkhahn (CDU) 11990

Arif Ünal (GRÜNE) 11991

Daniel Düngel (PIRATEN) 11992

Ministerin Barbara Steffens. 11993

Ergebnis. 11994

3   Rechte von Kindern und Jugendlichen in NRW stärken

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/12116. 11995

Ingrid Hack (SPD) 11995

Andrea Asch (GRÜNE) 11996

Christina Schulze Föcking (CDU) 11997

Marcel Hafke (FDP) 11999

Olaf Wegner (PIRATEN) 12004

Ministerin Christina Kampmann. 12005

Dr. Dennis Maelzer (SPD) 12007

Bernhard Tenhumberg (CDU) 12009

Dagmar Hanses (GRÜNE) 12011

Daniel Düngel (PIRATEN) 12012

Ministerin Christina Kampmann. 12013

Ingrid Hack (SPD) 12013

Ergebnis. 12013

4   Finger weg vom Bargeld – Nordrhein-Westfalen muss ein starkes Signal senden, um die Freiheit des Bargeldverkehrs zu erhalten!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/12122. 12013

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 12014

Markus Herbert Weske (SPD) 12015

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE) 12017

Ralf Witzel (FDP) 12019

Dietmar Schulz (PIRATEN) 12020

Minister Dr. Norbert Walter-Borjans. 12021

Ergebnis. 12023

5   Die Zukunftsfähigkeit von Politik und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen stärken – Engagement für die Initiative Open Government Partnership aufnehmen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/12107. 12023

Frank Herrmann (PIRATEN) 12024

Guido van den Berg (SPD) 12024

Kirstin Korte (CDU) 12025

Matthi Bolte (GRÜNE) 12025

Dirk Wedel (FDP) 12026

Minister Ralf Jäger 12027

Ergebnis. 12027

Anlage  12029

Namentliche Abstimmung zu TOP 1 – Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften (Kommunalvertretungsstärkungsgesetz)


Entschuldigt waren:

 

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft      
(ab 12 Uhr)

Minister Garrelt Duin

Ministerin Sylvia Löhrmann

Minister Johannes Remmel

Rainer Bischoff (SPD)

Gabriele Hammelrath (SPD)     
(bis 11 Uhr)

Eva Lux (SPD)

Wilfried Grunendahl (CDU)

Lothar Hegemann (CDU)

Theo Kruse (CDU)

Winfried Schittges (CDU)

Michael-Ezzo Solf (CDU)

Robert Stein (CDU)

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU)

Monika Düker (GRÜNE)
(ab 13 Uhr)

Arndt Klocke (GRÜNE)

Martina Maaßen (GRÜNE)

Karlheinz Busen (FDP)

Holger Ellerbrock (FDP)

Christian Lindner (FDP)

Dr. Joachim Stamp (FDP)

Dr. Ingo Wolf (FDP)

Oliver Bayer (PIRATEN)

Lukas Lamla (PIRATEN)

Dirk Schatz (PIRATEN)

Daniel Schwerd (fraktionslos)

 

 

Beginn: 10:04 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, 116. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Zuschauerinnen und Zuschauern auf der Besuchertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 18 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich unter Bezugnahme auf die Plenarsitzung am Mittwoch darauf hinweisen, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung „Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten“ Drucksache 16/12068 nach der ersten Lesung an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales überwiesen wurde. Inzwischen schlagen einvernehmlich alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen vor, den Gesetzentwurf auch an den Rechtsausschuss zur Mitberatung zu überweisen, also eine weitere Überweisung vorzunehmen.

Auch wenn es die Verständigung der Fraktionen untereinander gegeben hat, möchte ich gerne aus mehr als nur formalen Gründen darum bitten, das noch mal über eine Abstimmung deutlich zu machen. Deshalb: Wer gegen diese zusätzliche Überweisung ist, der möge sich jetzt melden. – Niemand. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der Rechtsausschuss in die Mitberatung eingetreten, und wir haben den entsprechenden Gesetzentwurf auch an den Rechtsausschuss überwiesen.

Damit treten wir in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1   Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften (Kommunalvertretungsstärkungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der CDU und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/9795

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 16/12134

dritte Lesung

Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Körfges das Wort.

Hans-Willi Körfges (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme Bezug auf die Debatten, die wir in den Fachausschüssen und mehrfach im Plenum – gestern in zweiter Lesung – geführt haben. Ich will mit einer Feststellung beginnen, die offensichtlich noch kein Allgemeingut ist: Sperrklauseln, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind verfassungsrechtlich gesicherte Instrumente, die bei Verhältniswahlen einer Zersplitterung von Parlamenten vorbeugen sollen. Das ist eine verfassungsrechtlich gesicherte Erkenntnis, die Bestandteil des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland ist.

Wir haben insoweit überprüft, ob die besonderen Anforderungen an eine solche Sperrklausel, bezogen auf den Grundsatz der Gleichheit der Wahl, mit unserem Vorschlag vereinbar sind. Ich darf Ihnen sagen, nicht nur ich, sondern die SPD-Fraktion insgesamt sieht sich durch die Ergebnisse des Gesetzgebungsverfahrens darin bestärkt, dass die Festschreibung einer kommunalen Sperrklausel in der Landesverfassung sachlich richtig, notwendig, aber vor allen Dingen auch verfassungskonform ist.

Ich will noch mal zusammenfassend darauf hinweisen, dass seit der Abschaffung der Sperrklausel im Jahr 1999 die Arbeit in unseren Kommunalparlamenten sich intensiv geändert hat und durch eine zunehmende Zersplitterung negativ beeinflusst worden ist. Insoweit, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich eindeutig darauf hinweisen, dass Kommunalparlamente und die Gemeindeordnung im Land Nordrhein-Westfalen eben gerade nicht mit den Zuständen und Verhältnissen in anderen Bundesländern zu vergleichen sind.

Wir haben – darauf will ich auch noch einmal aufmerksam machen – uns wissenschaftlich von Beginn an dem Diskurs gestellt und ergebnisoffen Gutachten in Auftrag gegeben. Insbesondere unter dem Aspekt der Ehrenamtlichkeit der wichtigen und schwierigen Arbeit in unseren Kommunalparlamenten ist es geboten, eine Sperrklausel in Höhe von 2,5 % mit einer geringen Sperrwirkung in unserer Landesverfassung zu verankern.

Ich bedanke mich ganz ausdrücklich bei allen Fraktionen, die an dieser schwierigen und wichtigen Arbeit beteiligt waren, aber auch bei denen, die mitunter auch sehr kritisch unseren Weg im Gesetzgebungsverfahren begleitet haben.

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Körfges, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Kern würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Hans-Willi Körfges (SPD): Ja, selbstverständlich.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr Kollege Körfges, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Sie sprachen darüber, dass Ihre Intention oder die Intention der Fraktionen, die den Gesetzentwurf stützen, die ist, dass Sie eine Zersplitterung der Räte verhindern oder dem entgegenwirken wollen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

– Ja, Sie mögen klatschen.

Wir haben im Verfahren schon gehört, wie ungeeignet die Maßnahme eigentlich ist. Aber darauf zielt jetzt auch meine Frage ab. Herr Kollege Körfges, können Sie für Ihre Fraktion ausschließen, dass Sie im weiteren Verlauf einen Gesetzentwurf einbringen werden, der dazu führen soll, dass die Fraktionsstärke von jetzt 5 % auf dann 2,5 % entsprechend abgesenkt wird, was in der Folge dazu führen würde, dass es mehr Fraktionen und eine stärkere Zersplitterung geben würde? – Danke.

Hans-Willi Körfges (SPD): Ich halte – vorsichtig ausgedrückt – den Hintergrund dieser Frage für einen sicheren Beleg dafür, dass es dem Fragesteller und seiner Fraktion an der gehörigen Erfahrung in kommunalpolitischen Angelegenheiten mangelt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Michele Marsching [PIRATEN]: Super! Gutes Argument! Mega!)

Denn die Frage, die Sie aufwerfen, hat mit dem hier in Rede stehenden Problem überhaupt nichts zu tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns von dem Gedanken leiten lassen, wie wir die Funktionsfähigkeit unserer Räte und Kreistage langfristig sicherstellen.

An der Stelle möchte ich auch denjenigen, die hier nach dem rheinischen Grundsatz argumentieren, es ist ja immer noch gutgegangen, eines entgegenhalten: Wollen wir wirklich so lange warten, bis unsere Räte und Kreistage beschlussunfähig werden? Wollen wir so lange warten, bis wir niemanden, der sich im beruflichen Leben oder in der Familie besonders engagiert, dafür finden, sich ehrenamtlich in der Kommunalpolitik zu bewegen?

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Fragen Sie doch einfach, wenn Sie die Frage nicht verstanden haben!)

– Sie haben gleich die Gelegenheit, Ihre Auffassung hier auszubreiten. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass jemand, der nicht in der Kommunalpolitik verankert ist, versucht, jetzt um sich zu rudern.

Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir lassen uns von unserem Weg nicht abbringen, die Bedeutung und die Handlungsfähigkeit unserer kommunalen Verfassungsorgane an der Stelle deutlich zu stärken.

Ich bedanke mich noch einmal bei allen, die diesen Weg mit uns gemeinsam gehen, und wünsche den Kommunen in Zukunft eine gestärkte Handlungsfähigkeit, nachdem wir die Sperrklausel hier verabschiedet haben. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Nettelstroth.

Ralf Nettelstroth (CDU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute nun die dritte Lesung zur Sperrklausel. Ich meine, dass die wesentlichen Argumente in der Tat ausgetauscht sind. Wir haben uns gestern sehr intensiv nochmals mit der Frage befasst.

Für uns als CDU-Fraktion ist wichtig, dass die über 20.000 ehrenamtlichen Ratsmitglieder, die tagtäglich wirklich tolle Arbeit leisten und versuchen, die Dinge vor Ort unter teils sehr widrigen Bedingungen zu regeln, Rahmenbedingungen vorfinden, die eine politische Arbeit vor Ort überhaupt noch ermöglichen.

Wenn man es auf das Wesentliche zurückführt – der Kollege Körfges hat es eben schon angesprochen –, dann unterhalten wir uns doch über Folgendes: Wir unterhalten uns darüber, dass die faktische Sperrklausel – und die ist in diesem Saal, wo die Anhörung stattgefunden hat, auch von allen Verfassungsrechtlern als unstreitig akzeptiert und als bestehend anerkannt worden – von um die 0,9 % auf jetzt 2,5 % moderat angehoben wird.

Wenn wir genau hinsehen, stellen wir fest, dass es im Wesentlichen die großen Räte dieses Landes betrifft. Wir haben nun einmal eine Vielzahl von Großstädten, und wir müssen daran interessiert sein, dass auch in diesen Großstädten politisch tragfähige Entscheidungen getroffen werden.

(Zuruf von den PIRATEN: Tragfähigkeit ist nur Ihre Meinung!)

Ich werbe deshalb heute zum letzten Mal insbesondere in Richtung der Piraten dafür, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Gestern ist noch einmal sehr deutlich geworden, dass diese Verfassungsänderung von dem Hohen Hause hier in großer Mehrheit mitgetragen wird.

Lassen Sie mich abschließend noch darauf eingehen: Herr Sommer hat mich gestern noch einmal persönlich gefragt, da ich auch kommunalpolitisch aktiv bin, ob ich denn selber den Eindruck hätte, dass man hier teilweise an die Grenzen der politischen Arbeit komme.

Herr Sommer, Sie waren, glaube ich, dabei, als wir am 29. April im kommunalpolitischen Ausschuss die Auswertung der entsprechenden Anhörung vornahmen. Ich durfte davon berichten, dass ich just am Vortag neun Stunden Sitzung hinter mich gebracht habe, und ich sage offen: Man kommt an seine Grenzen, wenn man irgendwann um halb zwölf dann noch nach Düsseldorf fährt und am nächsten Tag mit schmalem Auge

(Zuruf von den PIRATEN: Vielleicht mal nicht alles mitnehmen dann!)

an den Ausschussberatungen hier teilnimmt.

Das hat auch damit zu tun, dass viele dieser kleinen Gruppen natürlich die Veranlassung sehen, sich in den Reden zu produzieren und ihr Rederecht dort wahrzunehmen. Das führt dazu, dass eine Vielzahl von Punkten viel länger diskutiert wird, als sie vielleicht diskutiert werden müsste, wenn man sich vorher in kleineren Gruppen oder Fraktionen zusammenfinden würde.

Deshalb nochmals meine Bitte: Stimmen Sie heute zu. Ich denke, es ist ein historischer Moment für unser Land. Wir sollten diese Sperrklausel von 2,5 % heute mit breiter Wirkung dieses Landtages ins Land hinausschicken. Das ist ein wichtiges Signal für die Kommunalpolitiker vor Ort, und wir sollten möglichst breit daran mitwirken.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Nettelstroth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich dem Dank von Herrn Kollegen Körfges anschließen und für die sehr seriöse und engagierte Arbeit in den Gremien danken. Wir haben mehrere Gutachten in Auftrag gegeben, die ausgewertet wurden und eine breite Sachverständigenanhörung. Die Argumente sind in der Tat ausgetauscht worden.

Ich will nur noch auf einen Aspekt hinweisen: Es handelt sich um die Änderung der Verfassung und nicht des einfachgesetzlichen Rechts. Wir machen diese Verfassungsänderung, weil wir der Auffassung sind, dass die Räte, Kreistage und sonstigen kommunalen Gremien handlungsfähig sein müssen. Handlungsfähig heißt dabei nicht nur, eine Sitzung beendet zu bekommen, sondern die Politik in den Gemeinden zu gestalten und nach vorne zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Mostofizadeh, Entschuldigung, dass ich Sie jetzt unterbreche. Herr Kern würde auch Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Nein, ich möchte keine Zwischenfragen zulassen. Wir können das gerne über eine Kurzintervention regeln.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe deswegen gestern so viel Wert auf das Thema „Vielfalt“ gelegt, weil es keineswegs so ist, dass nur SPD, CDU und Grüne in den Stadträten vertreten sind. Wenn kommunale Initiativen eine Relevanz entwickeln, schaffen sie es sehr wohl in die Stadträte und in die Gemeinderäte, und sie schaffen es sehr wohl, das auch auf Dauer zu sein. Deswegen ist das kein Gegenargument. Es geht um die Relevanz und um die Tragfähigkeit des politischen Konzeptes, das dort vorliegt.

Ich möchte mir für meine Fraktion an dieser Stelle – weil das wahrscheinlich für die weiteren Beratungen wichtig sein wird – ausdrücklich die juristischen Einschätzungen, die Kollege Körfges vorgetragen hat, zu eigen machen. Außerdem möchte ich mich dem anschließen, was Herr Kollege Nettelstroth gesagt hat. Darüber hinaus verweise ich ausdrücklich auf die ausführlichen Ausführungen im Hauptausschuss.

Ich möchte noch auf einen Nebenaspekt hinweisen – die Verfassungsgerichte gehen darauf immer gerne ein –, und das ist die Frage: Wie viele Stimmen fallen durch die verschiedenen Sperrklauseln oder Wahlsystematiken weg?

Ich kann nur sagen: Bei einem reinen Mehrheitswahlrecht, das ebenso zulässig wäre, würden bereits bis zu 49,9 % der Stimmen wegfallen. Bei einem relativen Mehrheitswahlrecht – wir konnten das in Mannheim bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg beobachten – haben wiederum 22,6 % ausgereicht, um ein Landtagsmandat für den Wahlkreis Mannheim zu erreichen. Darüber sprach hier niemand, dass das eine Bedrohung der kommunalen Parlamente sein könnte, wenn das eingeführt würde.

(Zuruf von den PIRATEN: Mein Gott, so dumm kann man doch nicht sein!)

Nach dem, was wir nachgerechnet und die Verfassungsrechtler und Politikwissenschaftler vorgetragen haben, führt die faktische Sperrklausel, wie wir sie hier in Nordrhein-Westfalen kennen, zu folgendem Ergebnis – Kollege Nettelstroth hat es eben schon gesagt –: Die Sperrklausel kommt in den allermeisten Gremien überhaupt nicht zur Anwendung, und maximal im einstelligen Bereich wären in den größten Stadträten des Landes unter 4 % der Stimmen weggefallen. Das Hamburger Verfassungsgericht hat ausgeführt, dass bis zu 5,5 % – das war damals eine Entscheidung, die sich auf den konkreten Fall bezog – zu akzeptieren wären.

Ich werbe heute dafür: Stimmen Sie dieser sehr moderaten – ich habe es eben ausgeführt – Sperrklausel von 2,5 % zu. Bei der Frage der Zersplitterung hat es seit 1999 eine massive Zuspitzung gegeben.

Wir wollen das kommunale Ehrenamt stärken, und wir werden in den nächsten Wochen das Ehrenamtspaket durch den Landtag bringen. Deswegen haben wir sehr wohl deutlich gemacht, dass wir uns auch mit den niederschwelligen Punkten auseinandergesetzt haben. Dieser Gesetzentwurf ist die vernünftige Antwort auf die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen. Ich bitte daher um Zustimmung des gesamten Hohen Hauses. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der CDU)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. Bleiben Sie bitte gleich hier. Herr Kollegen Kern hat eine Kurzintervention angezeigt. – Herr Kollege Kern!

Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Mosatofizadeh, ich möchte an Sie die gleiche Frage richten wie an den Kollegen Körfges: Können Sie für Ihre Fraktion ausschließen, dass Sie im Nachgang zu diesem Gesetzgebungsverfahren im weiteren Verlauf einen Gesetzentwurf einbringen werden, der dazu dient, die Fraktionsstärke, die für Kommunalparlamente vorgesehen ist, von derzeit 5 % auf dann 2,5 % abzusenken? Das würde dann natürlich dem Ziel,

(Unruhe bei der SPD)

das Sie jetzt hier vortragen, diametral entgegenstehen, weil es zu einer weiteren Zersplitterung beitragen würde. Herr Körfges hat sich um diese Antwort gedrückt, was für mich die Antwort impliziert. Ich bin gespannt, wie Sie die Frage beantworten.

(Zuruf von der SPD)

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege Kern, ich werde niemals auf Spekulationen, und seien sie noch so geschickt gestellt – diese war jetzt, zugegebenermaßen, nicht besonders geschickt eingefädelt –, eingehen. Ich für meinen Teil kann nur …

(Beifall von den GRÜNEN – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Das war eine offene Frage, Herr Kollege! Eine einfache, offene Frage!)

– Ich antworte so, wie ich möchte, Herr Kollege.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von den PIRATEN: Eben, das ist ja das Problem!)

Ich werbe für den Gesetzentwurf, und ich werde mich nicht an Spekulationen über andere Punkte beteiligen.

Ich kann Ihnen nur den Hinweis geben – wenn Ihre Kollegen Sie informiert hätten, könnten Sie den Kenntnisstand auch haben –: Wir haben in der letzten und in der aktuellen Ehrenamtskommission weitere Vorschläge für die Verbesserung der Ratsarbeit gemacht. Ich bin kein Freund davon, Zweiklassensysteme oder Mehrklassensysteme in den Kommunalparlamenten einzuführen, sozusagen erst die Menschen reinzulassen und ihnen dann keine Antragsrechte zukommen zu lassen, die Redezeiten zu beschränken und sie nicht an Haushaltsberatungen zu beteiligen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von den PIRATEN: Da kriegst du „den Daumen hoch“!)

Deswegen bin ich der Auffassung, dass diese moderate Sperrklausel diese Unwuchten, die ich sehe und die meine Fraktion in dem jetzigen System sieht, genau die richtige Antwort ist, und ich beteilige mich nicht an weiteren Spekulationen.

(Zurufe von den GRÜNEN und der SPD)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh.

Bevor ich Herrn Höne für die FDP-Fraktion das Wort erteile, will ich die Kolleginnen und Kollegen darauf aufmerksam machen, dass die Piraten soeben gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt beantragt haben.

(Unruhe)

Nachdem das alle zur Kenntnis genommen haben, wird sich die Begeisterungswelle gleich wieder legen, und Herr Höne hat die ungeteilte Aufmerksamkeit des Hauses.

Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ergänzend zur gestrigen zweiten Lesung möchte ich heute für die Freien Demokraten drei Punkte in die Debatte einbringen.

(Zuruf von den PIRATEN: Vielleicht erklärst Du jetzt die Enthaltung!)

Erstens. Das kommunale Ehrenamt ist das Fundament unserer Demokratie. Es ist die Aufgabe und die Verantwortung des Landtages, dieses Fundament zu schützen.

Untrennbar damit verbunden ist die Attraktivität des kommunalen Ehrenamtes. Diese ist – das ist bei der Weiterentwicklung in der Ehrenamtskommission schon mit einzelnen Beispielen gemacht worden – unbedingt zu erhalten. Dieser Erhalt ist sicherlich eine ständige Aufgabe, der man sich nicht erst dann widmen darf, wenn es eigentlich schon zu spät ist.

Insofern steht für uns fest, dass die Antragsteller mit diesem Gesetzentwurf unter anderem das Ziel verfolgen, dieses Fundament zu schützen. Dazu kann ich ganz deutlich sagen: Hinsichtlich dieses Ziels besteht Einigkeit zwischen unserer Fraktion und den antragstellenden Fraktionen, wenngleich beim Weg wiederum nicht unbedingt Einigkeit herrscht.

Zweitens. Wenn das kommunale Ehrenamt das Fundament unserer Demokratie ist, dann sind, um im Bild zu bleiben, die wahlrechtlichen Grundsätze der Beton, aus dem dieses Fundament gegossen ist. Zu den wahlrechtlichen Grundsätzen gehört die Gleichheit der Stimme. Die Gleichheit der Stimme wird durch eine Sperrklausel ohne Zweifel eingeschränkt. Eine solche Einschränkung bedarf einer guten Begründung.

Ein solcher Grund kann die Funktionsunfähigkeit von kommunalen Vertretungen sein. Ich sage aber auch ganz deutlich, insbesondere in Richtung einzelner Vertreter der antragstellenden Fraktionen mit Blick auf die Ausschussberatung: Funktionsunfähigkeit darf nicht mit Unbequemlichkeit gleichgesetzt werden.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Um im Bild zu bleiben: Wer das tut, der gefährdet die Standfestigkeit des Hauses, über dessen Fundament ich gerade gesprochen habe.

Nun ist die Frage: Besteht überhaupt eine Funktionsstörung bei einem Rat, bei mehreren Räten? Besteht Bedarf, zu handeln? Nach Auffassung des Kollegen Mario Krüger, Bündnis 90/Die Grünen, besteht der Bedarf nicht, zumindest bestand er nicht. An dieser Stelle hat er nämlich am 26. September 2013 zum Thema „Sperrklausel“ gesagt – ich zitiere –:

„Wir sehen keinen akuten Handlungsbedarf.“

Die Bestätigung dazu hat übrigens die von der SPD zur Anhörung eingeladene Ratsfrau aus der Stadt Köln geliefert, die sich in der Anhörung dahin gehend äußerte, dass eine Funktionsunfähigkeit ihrer Meinung nach nicht festzustellen sei.

Wir von der FDP haben mehrfach von den Antragstellern Nachweise eingefordert, dass über das Gefühl hinaus, dass es immer schwieriger und immer umfangreicher geworden sei, Handlungsunfähigkeit droht. Ich kann feststellen, dass diese Nachweise bislang nicht zu unserer Zufriedenheit erbracht worden sind. Diese sind Sie schuldig geblieben.

Gestern und heute haben wir gehört, es müsse nicht nur um die abschließende Handlungsunfähigkeit gehen, sondern die drohende Funktionsunfähigkeit reiche aus. Zugegebenermaßen waren die Sachverständigen diesbezüglich in der Anhörung unterschiedlicher Auffassung.

Fest steht aber – und das ist der wichtige Punkt –: Nicht wir, die Nichtantragsteller, sind gefordert, die Funktionsfähigkeit nachzuweisen, sondern Sie, die Antragsteller, müssen die Funktionsunfähigkeit empirisch nachweisen.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Diese Funktionsunfähigkeit hat der Kollege Krüger am 26. September 2013 noch anders gesehen. Damals hat er nämlich in Richtung der Kollegen Körfges und Biesenbach hier gesagt – ich zitiere –:

„Herr Körfges oder Herr Biesenbach, nennen Sie mir aber nur ein Beispiel, wo eine Haushaltssatzung deshalb nicht verabschiedet werden konnte, weil der Rat derart zersplittert war beziehungsweise sich nicht einigen konnte. Ich kenne kein Beispiel.“

Daran anschließend steht im Plenarprotokoll:

„(Beifall von den PIRATEN)“

Wahrscheinlich ist genau diese Aussage der Grund dafür, warum Herr Krüger weder gestern noch heute in dieser Debatte sprechen durfte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, nach der gestrigen und heutigen Debatte sind Sie wenn schon nicht dem Hohen Hause, aber doch mindestens der Bevölkerung sowie den Wählerinnen und Wählern eine Erklärung dieser 180-Grad-Wende schuldig. Diese ist jedoch ausgeblieben.

Drittens. Grundsatz liberaler Politik und eines unserer Alleinstellungsmerkmale ist es, bei staatlichem Handeln stets nach dem mildesten Mittel zur Zielerreichung zu suchen.

Ich muss feststellen, dass eine solche Suche seitens der Antragsteller gar nicht erst angetreten wurde. An unterschiedlichen Stellen haben wir Freien Demokraten das eingefordert. Viele Sachverständige haben sich ähnlich geäußert. Man könnte zum Beispiel über das Kumulieren und Panaschieren sprechen, über eine Änderung der Geschäftsordnung eine Straffung erreichen, die Position der Bürgermeister stärken, die Bildung technischer Fraktionen erschweren, Fragerechte straffen usw. Prof. Oebbecke hat in der Anhörung hierzu wie folgt ausgeführt:

„Sie haben sich die einzige Stelle ausgesucht, wo es eng ist.“

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Henning Höne (FDP):

„Sie sind, was im Übrigen die Verfassung der Kommunen anbelangt, extrem frei in allem Möglichen, und Sie suchen sich dann die Stelle aus, wo Sie am engsten beschränkt sind.“

Im Ziel besteht Einigkeit: die Erhaltung der Attraktivität des kommunalen Ehrenamtes. Aber Sie sind Nachweise der Funktionsunfähigkeit schuldig geblieben, haben mildere Mittel nicht gesucht.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Henning Höne (FDP): Der Innenminister, der ja auch für den Schutz unserer Verfassung zuständig ist, sagte hier lapidar: „Es ist den Versuch wert“.

Dazu kann ich nur sagen: Für uns Freie Demokraten ist dies kein angemessenes Motto für den Umgang mit unserer Landesverfassung. Das sollte auch nicht der Umgang der Landesregierung bzw. eines Ministers mit unserer Landesverfassung sein. Wir werden uns der Stimme enthalten.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Für die Piraten spricht jetzt Herr Kollege Marsching.

Michele Marsching (PIRATEN): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Wir reden über das Demokratieabbaugesetz. Ich wiederhole noch einmal aus der Anhörung:

Es geht um den Ernstfall der Demokratie. Die Demokratie ist vom Staatsvolk aus zu denken. Sie ist nicht zu denken vom Arbeitsaufwand von Kommunalparlamenten.

Die Sichtweise, die Sie hier haben, ist grundlegend falsch.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, ich schäme mich tatsächlich, heute hier in diesem Haus zu stehen

(Zuruf von der SPD: Oh! – Weitere Zurufe von der SPD)

und – leider! – dieses Gesetz mit Ihnen gemeinsam zu verabschieden. Denn hinterher heißt es: Der Landtag war es!

Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich finde keine Antwort darauf, wie es sein kann, dass eine SPD, die über Jahre hinweg gesagt hat „Wir wollen mehr Demokratie wagen“,

(Jochen Ott [SPD]: Genau deswegen machen wir das!)

hier die kommunale Demokratie so einschränken will. Was würde Willy dazu sagen?

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, Sie haben es nicht geschafft, in der Anhörung – da können Sie hundertmal das Gegenteil behaupten – auch nur einen einzigen Vertreter aus einem Rat zu finden, der gesagt hätte: Es gibt tatsächlich eine strukturelle Funktionsunfähigkeit. Einzelne lange Sitzungen können dafür nicht herhalten. Einzelne lange Beratungen, wo in einem Rat über Milliardenhaushalte geredet und über 200 Millionen € in einer Stunde entschieden wird, können dafür nicht herhalten.

Sie haben gestern hier gesagt, dass es gar nicht um die tatsächliche Funktionsunfähigkeit geht – was übrigens das Verfassungsgericht sagt –, sondern die drohende Funktionsunfähigkeit würde schon ausreichen. Heute sprechen Sie hier gerade von der Funktionsunfähigkeit. Herr Kollege Mostofizadeh hat versucht, es noch einmal umzudefinieren; denn funktionsfähig ist ein Kommunalparlament nur dann, wenn es auch gestalten kann. Entschuldigung, dann ist das Kommunalparlament in Neuss funktionsunfähig! Denn da wird der neugewählte SPD-Bürgermeister ständig von der CDU blockiert. Wie wollen Sie denn so etwas verhindern? Das schaffen Sie mit einer Sperrklausel auf gar keinen Fall.

(Beifall von den PIRATEN – Zurufe von der SPD)

Dieses Demokratieabbaugesetz wird Ihnen um die Ohren fliegen. Wenn wir das hier gleich beschließen, werde ich als ein Mitglied der meistbetroffenen Partei aus dem Saal und zu meinem Landesvorstand gehen. Dann werden wir noch heute erste Schritte einleiten, um gegen dieses Gesetz zu klagen.

(Zurufe von der SPD: Buh! – Weitere Zurufe von der SPD)

– Ja, da können Sie tausendmal buhen, das ist mir völlig egal. Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie damit durchkommen: Wir sehen uns in Karlsruhe wieder; das kann ich Ihnen hiermit versprechen. Denn die Wahlrechtsgleichheit fußt einzig und allein – das wurde in der Anhörung gesagt – auf Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz. Und beim Grundgesetz, meine Damen und Herren, sind wir konservativ.

Sie sagen: Wir haben das ja wissenschaftlich begleitet. Das geschah, indem ein Professor damit beauftragt wurde, die Bürgermeister – nicht die Ratsvertreter – zu fragen, wie es denn in ihrer Stadt so aussieht. Dann wurde ein Fragebogen vorgelegt. Ich habe ein Beispiel aus der Stadt Köln. Da steht überall auf diesem Fragebogen: „Es ist kein Problem“. Danach kommt eine Abschlussfrage: „Glauben Sie, dass die Funktionsunfähigkeit des Rates gegeben ist?“ – Und wo überall vorher steht „Kein Problem, genug Zeit, alles gut“, wird am Ende angekreuzt: „Ja“.

Wenn das Ihre wissenschaftliche Vorgehensweise bzw. Ihr Beweis für die Funktionsunfähigkeit von Räten ist, meine Damen und Herren, dann weiß ich nicht, was ich noch unter „wissenschaftlich“ verstehen darf.

(Beifall von den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, es tut mir leid, ich rege mich darüber auf – und auch in der Anhörung war es so –: Es kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein, die Jasager zu fragen, ob sie „Ja“ sagen wollen.

Meine Damen und Herren, leider sind die fünf Minuten jetzt rum.

(Zuruf von der SPD: Gott sei Dank! – Weitere Zurufe von der SPD)

Das ist eigentlich schade, denn ich würde den Kollegen Nettelstroth gerne noch fragen, wie er denn glaubt, sich vor einer Wahl zusammenschließen zu können, wie er es gestern vorgeschlagen hat: Dann schließen Sie sich doch einfach mit anderen Parteien zusammen, dann kommen Sie über die Hürde! – Meine Damen und Herren, die einzigen, die es schaffen, sich zusammenzuschließen, um über die Hürde zu kommen, kommen vom rechten Rand. Und das sind genau die, die wir nicht haben wollen.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Marsching, jetzt sind die fünf Minuten rum.

Michele Marsching (PIRATEN): Ich sehe, dass meine Redezeit zu Ende ist. Das ist sehr schade, denn jede Sekunde, die ich hier reden konnte, um dieses Gesetz vielleicht noch zu verhindern, haben mir persönlich gut getan. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diesen Gesetzentwurf in zwei großen Runden sehr intensiv erörtert. Er hat im Parlament viel Zuspruch gefunden. Ich glaube, dass die den Gesetzentwurf tragenden Fraktionen sehr verantwortungsbewusst auch mit der verfassungsrechtlichen Situation in Bezug auf Sperrklauseln umgegangen sind.

Ich finde, man sollte den Expertinnen und Experten aus der Anhörung danken, die viele Anregungen für diesen Gesetzentwurf in die Diskussion eingebracht haben. 17 Jahre nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes glaube ich, dass mit dieser 2,5-%-Sperrklausel eine moderate und verfassungskonforme Regel gefunden worden ist. Ich glaube, das Parlament kann diesem Gesetzentwurf heute mit gutem Gewissen zustimmen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – An dieser Stelle schließe ich jetzt die Aussprache zur dritten Lesung des Gesetzentwurfs.

Wir kommen zur Abstimmung. Noch einmal zur Erläuterung: Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf Drucksache 16/9795 in der Fassung nach der zweiten Lesung. Und da das Beratungsverfahren hiermit abgeschlossen wird, handelt es sich demzufolge um eine Schlussabstimmung gemäß § 76 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass nach Art. 69 Abs. 2 unserer Landesverfassung für eine Verfassungsänderung die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Mitglieder des Landtages – das heißt von mindestens 158 Abgeordneten – erforderlich ist. Dazu führen wir jetzt gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung auf Antrag der Fraktion der Piraten eine namentliche Abstimmung durch.

Die Regeln der namentlichen Abstimmung kennen Sie, aber ich will sie der guten Ordnung halber noch einmal vortragen: Nach Abs. 2 des § 44 erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit „Ja“ oder „Nein“ zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

Den Namensaufruf wird gleich Frau Kollegin Kopp-Herr vornehmen. Ich bitte ganz herzlich darum, den beiden Schriftführern die Arbeit dadurch zu erleichtern, dass Sie erstens laut reden und zweitens der Geräuschpegel im Haus so niedrig bleibt, dass man Sie auch gut verstehen kann.

Damit, Frau Kopp-Herr, können Sie mit dem Namensaufruf beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt. [Abstimmungsliste siehe Anlage])

Bevor ich frage, ob zwischenzeitlich noch Kolleginnen und Kollegen in den Raum gekommen sind, Frau Kopp-Herr, schauen Sie doch noch einmal auf die Seite mit D, weil ich den Hinweis bekommen habe, dass zumindest Frau Düker eben übersehen worden ist.

(Schriftführerin Regina Kopp-Herr: Bei mir stand Frau Düker als entschuldigt; es tut mir leid! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Ab 13 Uhr!)

– Frau Düker hat mit Ja gestimmt.

Zwischenzeitlich sind in den Saal gekommen: Frau Kollegin Asch, Herr Kollege Bombis. Das sind die beiden, die ich gesehen habe.

Haben noch weitere Kolleginnen oder Kollegen den Saal während der Abstimmung betreten? Schauen Sie noch einmal rechts und links Ihren Nachbarn an, und vergewissern Sie sich. – Wenn jetzt alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme in der namentlichen Abstimmung abgegeben haben, dann schließe ich die namentliche Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen. Da das erfahrungsgemäß schnell geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, bleiben Sie einfach im Raum.

(Die Auszählung erfolgt.)

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben gesehen: Die Schriftführerinnen und der Schriftführer sind wieder hereingekommen. Demzufolge haben wir jetzt ein Abstimmungsergebnis, das ich Ihnen verkünden möchte.

An der namentlichen Abstimmung beteiligt und damit ihre Stimme abgegeben haben sich 211 Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt 180 Abgeordnete. Mit Nein haben gestimmt 15 Abgeordnete. 16 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit – Sie erinnern sich, dass für eine Verfassungsänderung eine Zweidrittelmehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtags erforderlich ist, also die Zustimmung von 158 Abgeordneten – wurde mit den 180 Jastimmen das notwendige Quorum erreicht.

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Im Einvernehmen mit den Schriftführern stelle ich jetzt gemäß § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung ausdrücklich fest, dass die Zweidrittelmehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtags erreicht und damit der Gesetzentwurf Drucksache in dritter Lesung angenommen wurde. Damit ist das Gesetz verabschiedet. Somit wurden die Landesverfassung und das Kommunalwahlgesetz geändert.

Ich rufe auf:

2   Impfen schützt – Strategien zur Verbesserung des Impfschutzes in NRW

Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/12111

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat Frau Kollegin Schneider für die FDP-Fraktion das Wort.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Immer wieder berichten die Medien von Todesfällen aufgrund fehlender Impfungen. Das darf in einem hochentwickelten Industrieland wie unserem nicht passieren.

Denn objektiv betrachtet ist die Schutzimpfung eine der wirksamsten vorbeugenden Gesundheitsmaßnahmen. Wer aus ideologischen Gründen Impfungen ablehnt, ist ein Impfschmarotzer, denn er spekuliert auf den Impfschutz seiner Mitmenschen.

Eine Verbesserung des Impfschutzes sowie eine Erhöhung der Impfraten sollten daher auch ein vorrangiges Ziel der Gesundheitspolitik darstellen. Das haben auch viele Akteure erkannt. So sind auf Bundesebene durch das Präventionsgesetz zum Beispiel Nachweise über eine Impfberatung bei Aufnahme in die Kita, der Ausschluss ungeimpfter Kinder beim Auftreten von Masernausbrüchen oder Bonusleistungen der Krankenkassen eingeführt worden.

Auf Ebene der Länder hat die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern die „Nationale Lenkungsgruppe Impfen“ gegründet.

(Widerspruch von Ministerin Barbara Steffens)

Da wird gehandelt. Aber was hört man von unserer Gesundheitsministerin? – Praktisch nichts.

(Ministerin Barbara Steffens: Sie können ja mal fragen!)

Dabei ist der Handlungsbedarf immer noch groß. Dies zeigt unter anderem der internationale Vergleich hinsichtlich der Eliminierung von Masern und Röteln. So hat die RVC – das ist die Verifizierungskommission der Europäischen Region für die Eliminierung der Masern und Röteln in der WHO – festgestellt, dass es zwar in 32 Ländern gelungen sei, die Übertragung von Masern und Röteln zu unterbrechen. Das ist mehr als die Hälfte der Länder der europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation. In Deutschland allerdings kommen beide Infektionskrankheiten weiter endemisch vor.

Dies zeigt unter anderem der massive Masernausbruch vor einem Jahr in Berlin mit einem Todesfall oder bei uns in NRW der Ausbruch 2013 im Rhein-Erft-Kreis. Im letzten Jahr gab es mit 2.580 festgestellten Masernfällen den höchsten Stand seit über zehn Jahren. Gerade vor einer Woche erschienen wieder Meldungen über einen neuen Ausbruch in den letzten Wochen.

(Ministerin Barbara Steffens: Aber nicht hier!)

Die Ursache für diese Entwicklung liegt darin, dass immer noch viel zu wenige Menschen geimpft sind. Für eine Eliminierung von Masern wird eine Durchimpfungsquote von über 95 % vorausgesetzt, um diese Übertragungswege unterbrechen zu können.

Nach der Analyse aller kassenärztlichen Vereinigungen wurden 2014 in Nordrhein-Westfalen zu diesem Zeitpunkt bei der ersten Dosis nur eine Impfquote von 89 % und bei der zweiten Dosis sogar nur eine Impfquote von 77 % erreicht. Selbst bei der Einschulung werden die geforderten 95 % noch knapp verfehlt.

Es werden also nicht nur zu wenige Kinder geimpft, sondern es wird häufig auch viel zu spät geimpft.

Noch schlechter als bei den Kindern sieht es bei Jugendlichen und Erwachsenen aus. Sie werden von Impfaktionen nicht mehr erreicht. Es bestehen große Impflücken aufgrund fehlender Auffrischungen des Impfstatus. So sind zum Beispiel fast 30 % aller Erwachsenen ohne aktuellen Impfschutz gegen Tetanus und über 40 % ohne aktuellen Schutz gegen Diphterie. Nach einer aktuellen Insa-Umfrage überprüfen nur 43 % der Deutschen regelmäßig ihren Impfstatus.

Diese Zahlen sollten uns zum Handeln aufrufen. Wir brauchen mehr Aufklärung, um die Eigenverantwortung der Menschen zu fördern, um Wissenslücken zu schließen, um Misstrauen gegenüber Impfungen zu reduzieren und um die Motivation fürs Impfen zu steigern.

(Beifall von der FDP)

Wir sollten dabei die Ärzteschaft einbeziehen, aber auch die Krankenkassen mitnehmen, die an Impftermine erinnern könnten. Wir brauchen auch mehr valide Daten zum erreichten Impfschutz der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen. Dazu sollten wir landesweite Impfziele festlegen und diese regelmäßig überprüfen.

Doch was macht unser Gesundheitsministerium? – Das niedrigschwellige und aufsuchende Angebot über das Impfmobil wurde 2013 eingestellt.

 (Ministerin Barbara Steffens: Das wurde ja nicht genutzt!)

In der Antwort zu meiner Kleinen Anfrage stellten Sie den Impftag und den Impf-Parcours-Koffer als zentrale Maßnahmen dar. Diese wurden 2005 bzw. 2008 eingeführt. Bekanntlich stellten in den Jahren CDU und FDP die Landesregierung. Letztlich ist das eine Sammlung von Selbstverständlichkeiten und seit Jahren laufenden Maßnahmen. Von eigenen positiven Akzenten ist keine Spur zu finden.

Ein besonderes Trauerspiel ist das Zusammenwirken von öffentlichem Gesundheitsdienst und Krankenkassen im Hinblick auf eine vereinfachte Erstattung von Sachkosten bei aufsuchenden Impfaktionen. Dazu sollte eine entsprechende Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden. Wir haben das bereits 2013 gefordert. Anfang letzten Jahres sind aber die Verhandlungen gescheitert.

Eine weitere Klarstellung zur Streitfrage der Einzelabrechnungen erfolgte dann durch das im Juni 2015 verabschiedete Präventionsgesetz. Aber erst jetzt erwägt das Ministerium, doch noch einmal zu einer Neuaufnahme der Verhandlungen einzuladen. Das ist einfach zu wenig. Da sollten Sie die Verhandlungen viel aktiver moderieren.

Mit unserem Antrag wollen wir die Landesregierung antreiben, damit wir mit den guten Impfstoffen, die in diesem Land zur Verfügung stehen, einen besseren Impfschutz erreichen. Denn mit Globuli kommen wir hier nicht weiter. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Lück.

Angela Lück (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Antrag bringt die FDP-Fraktion zum wiederholten Mal ein wichtiges gesundheitspolitisches Thema in die parlamentarische Beratung ein. Viele Krankheiten kommen aufgrund umfangreicher Impfprogramme in Deutschland glücklicherweise nur noch selten vor. Daher gewinnen aber manche Menschen den Eindruck, eine Impfung sei überflüssig.

Aber was würde passieren, wenn man sich zum Beispiel auf Reisen eine Infektionskrankheit einfängt und eine Kinderlähmung die Folge ist? Diese Erkrankungen kommen in Afrika und Asien zum Teil noch vor. So könnten sie wieder nach Deutschland gelangen. Wenn hier viele Menschen ohne Impfschutz wären, könnte sich die Krankheit auch hier wieder ausbreiten. Infektionskrankheiten sind so mobil wie die Menschen, die sie verbreiten können.

Deshalb ist es wichtig, dass auch in Deutschland weiter gegen diese Krankheiten geimpft wird. Die Impfung bietet den besten verfügbaren Schutz.

Fast alle Eltern in Deutschland entscheiden sich heutzutage, ihr Kind impfen zu lassen. Dies zeigen auch die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen. Rund 95 % der Erstklässler haben die wesentlichen Grundimpfungen erhalten. Allerdings lassen noch zu wenige Eltern ihren Kindern die zweite Impfung beispielsweise gegen Masern, Mumps und Röteln geben. Daher ist es, um einen sicheren Impfschutz zu erreichen, nötig, diese noch einmal zu informieren und aufzufordern.

Bereits vor ungefähr zwei Jahren haben wir uns hier ausgiebig mit dem Antrag der FDP mit dem Titel „Masernerkrankungen verhindern, Aufklärung und Impfschutz für alle Generationen verbessern!“ beschäftigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns in der Ausschussarbeit, aber auch in einer Expertenanhörung damit befasst und können deshalb auch heute noch einmal deutlich machen, was in Nordrhein-Westfalen bereits unternommen wird, um die Impfbereitschaft zu steigern.

Es gibt Maßnahmen zur Erhöhung der Impfraten. Zum einen geschieht dies durch die Förderung der Aufmerksamkeit für das Impfen unter den Ärztinnen und Ärzten durch den bereits etablierten Impftag in Nordrhein-Westfalen, der als eine Fachtagung im öffentlichen Gesundheitsdienst durchgeführt wird.

Ferner finden sich Beiträge des Landeszentrums Gesundheit in den Ärzteblättern und erfolgt die Einbindung von Impfthemen in den Schulunterricht mit der Bereitstellung der entsprechenden Unterrichtsmaterialien.

Frau Schneider, Sie stellen das hier immer so ein bisschen als lächerlich hin. Aber ich denke, das ist eine gute Maßnahme, gerade den Schülerinnen und Schülern in der achten Jahrgangsstufe noch einmal deutlich zu machen, welche Notwendigkeit für Impfungen weiterhin besteht.

Es gibt den erleichterten Zugang zu Impfungen für besondere Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel die Impfangebote für Flüchtlinge und Asylsuchende, die ja durch unser Gesundheitsministerium im vergangenen Jahr eingeführt worden sind, die Auffrischungskurse „Impfen“ für Ärztinnen und Ärzte in den Gesundheitsämtern in Nordrhein-Westfalen und natürlich die Erfassung von Impfquoten im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen gemäß Infektionsschutzgesetz.

Viele Hausärzte beteiligen sich auch an dem bundesweit zurzeit laufenden Projekt „Deutschland sucht den Impfpass“. Viele Hausärzte sprechen ihre Patientinnen und Patienten an, um auch diesen noch einmal aufzuzeigen, wie wichtig ein ausreichender Impfschutz ist.

Auf der Bundesebene haben wir mit dem neuen Präventionsgesetz zusätzliche Maßnahmen bekommen, um das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Bedeutung der eigenen Gesundheit und in diesem Zusammenhang den Impfschutz zu stärken.

Der Überweisung in den Fachausschuss stimmen wir selbstverständlich zu. Wir wollen uns da intensiv damit befassen, wie wir den Impfschutz der Menschen in Nordrhein-Westfalen verbessern können. Ob es allerdings die Maßnahmen sind, die die FDP in ihrem Antrag heute fordert, müssen wir sicherlich noch erörtern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Lück. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Birkhahn.

Astrid Birkhahn (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Meine Herren, meine Damen! Der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlichen Gefährdungen ist eine der vornehmsten und wichtigsten Aufgaben staatlicher Gesundheitspolitik. Und dazu gehört auch in ganz entscheidender Weise die Eliminierung von Infektionskrankheiten.

Die Vorrednerinnen haben sehr deutlich gemacht, in welchen Bereichen man aktiv ist, wie dringend das Impfen ist. Aber ich möchte an einer bestimmten Stelle noch einmal nachfassen, um deutlich zu machen, wie wichtig dieses Thema Impfen ist, weil es uns alle angeht und uns alle betrifft.

Nehmen wir das Beispiel der Masern, dieser schrecklichen Infektionskrankheit, die hoch ansteckend ist, Komplikationen hat und auch tödlichen Ausgang zeitigen kann. Das muss man ganz klar sehen. Das ist keine Kinderkrankheit, sondern etwas, was uns stark beschäftigt.

Wir können natürlich sagen: Wir haben ja eine gute Impfquote. Wir haben eine Durchimpfungsquote von 94,9 %. Das ist doch schon recht gut. – Aber wir müssen der Redlichkeit halber auch sagen: Immer wieder erleben wir den Ausbruch von Masernepidemien in einem begrenzten Raum. Deswegen muss man ganz klar feststellen: Die bereits erreichte Quote ist nicht ausreichend. Das Risiko bleibt.

Die Impfpraxis in unserem Land muss verbessert werden. Da hilft wirklich nur Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Das ist nichts, was einmal geschieht, sondern etwas, an dem man dranbleiben muss. Frau Lück hat auf die guten Ansätze hingewiesen, aber wir müssen kontinuierlich weiter am Ball bleiben.

Und bei dieser Aufklärung müssen wir uns auch den Diskussionen und Fragen stellen, die da lauten: Ist Impfen sinnvoll? Ist Impfen gefährlich? Wir müssen das Misstrauen auflösen, das immer noch in vielen Kreisen vorhanden ist. Und wir müssen die Wirksamkeit wirklich explizit herausstellen.

Wir müssen auch bei manchen vorhandene Fehlinformationen relativieren, dass kleine Kinder doch gar nicht geimpft zu werden bräuchten, dass sie noch diesen sogenannten Nestschutz hätten. Da muss man differenziert deutlich machen, dass das für ein bestimmtes Alter, für eine bestimmte Art von Krankheiten gilt, aber dass das kein genereller Schutz ist.

Das Ziel unserer Aufklärung, denke ich, ist in mehrfacher Hinsicht festzumachen, nämlich darin, zum einen die Impfraten zu erhöhen, aber auf der anderen Seite auch deutlich zu machen, dass die Eigenverantwortung das entscheidende Moment ist. Es kann nicht sein, eine Impfpflicht zu fordern, sondern das Individuum, der Einzelne, die Einzelne muss erkennen: Das ist meine Verantwortung, und ich setze mich entsprechend ein.

(Beifall von der CDU)

Die zweite Schwachstelle, um die es geht, sind die Impflücken. Sie gilt es zu vermeiden. Einmal geimpft heißt noch lange nicht, dass es einen lebenslangen Schutz gibt, sondern man muss auf die Auffrischungsimpfungen achten. Da ist ganz deutlich, dass wir ein System schaffen müssen, das die Vergesslichkeit der Menschen auslöschen kann und wirklich dazu führt, dass man an diese Termine denkt.

Von daher kann der Anschluss an die Arbeit der Lenkungsgruppe sehr hilfreich sein, damit die einzelnen Aspekte – die Kooperation, die Aufklärung, das Warmhalten des Themas, das Arbeiten mit dem Thema – wirklich gut bearbeitet werden können.

Meine Herren, meine Damen, Impfen ist keine Privatangelegenheit. Wir müssen das Bewusstsein in der Gesellschaft schärfen, dass wir eine Verantwortung für den Schutz der uns Anvertrauten, für unsere Kinder, für die Menschen, die mit uns leben, haben. Wir müssen das Bewusstsein dafür schärfen, dass wir auch für den Schutz der Gesellschaft verantwortlich sind.

Mir ist einmal ein schönes Beispiel erzählt worden, was Impfen eigentlich bedeutet. Dann nämlich gilt das Motto: Wenn ich geimpft bin, habe ich einen Schutzschirm, den ich aufspannen kann. Wenn jeder Geimpfte seinen Schutzschirm mit sich trägt, dann können wir auch die schützen, die aus gesundheitlichen Gründen oder aus Unverträglichkeitsgründen nicht geimpft werden können. Die können wir durch den gesamten Schutz, durch unsere Schirmchen, schützen. Wenn wir allerdings keine Schirme haben, weil wir der Meinung sind, impfen lohne nicht und deshalb lasse man es sein, dann gefährden wir unsere Nachbarn, dann gefährden wir die Menschen, die mit uns leben. Deswegen ist es wichtig, dass das Bewusstsein wächst: Impfen kann schützen.

Wir haben Maßnahmen im Land, die angewandt werden und die auch wirksam sind. Aber es ist nicht die Zeit, sich zurückzulehnen und zu sagen „das ist genug“, sondern die Intensivierung der Maßnahmen ist angezeigt.

Die erneute Diskussion im Ausschuss wird die Notwendigkeit dieser Auseinandersetzung deutlich machen. Ich denke, das wird eine sehr fachbezogene und hoffentlich auch ergebnisorientierte Diskussion. – Heute danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und Dietmar Brockes [FDP]

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Birkhahn. – Für die Fraktion Die Grünen spricht Herr Ünal.

Arif Ünal (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Impfschutz haben wir im Landtag bereits mehrfach beraten. Wie schon bei den letzten Beratungen können wir auch heute feststellen, dass NRW bei der Erreichung der Impfquote zu den führenden Bundesländern gehört.

Nach den Zahlen des Robert Koch-Instituts können wir sagen: Bei einer Durchimpfungsquote von 97,8 % bei den ersten Impfungen und 94,6 % bei der zweiten Masernimpfung könnte diese Quote nach unseren Beratungen sogar noch um einen halben Prozentpunkt erhöht werden. Das heißt: Seit 2013 haben wir die Durchimpfungsquote erhöhen können.

Die von der Weltgesundheitsorganisation zur Elimination, also dem weitgehenden Verschwinden der Masern genannte Durchimpfungsquote von 95 % ist fast erreicht. Damit liegen wir im Vergleich der Bundesländer ziemlich an der Spitze. Durchschnittlich liegt die Quote in den westdeutschen Bundesländern bei 92,6 % und in den neuen Bundesländern bei 93,8 %. So gesehen liegen wir bei den alten Bundesländern an der Spitze. Das heißt, unsere Maßnahmen in NRW zeigen schon Wirkung.

Trotz dieser erfreulichen Entwicklungen müssen wir natürlich davon ausgehen, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen durchgängig einen umfassenden Impfschutz aufweisen. Deshalb existiert in NRW seit mehreren Jahren eine Reihe von Projekten zur Erhöhung der Durchimpfungsrate. Beispiele finden sich in erster Linie bei der Primär- und der Sekundärprävention.

Zu den Maßnahmen zählen unter anderem Fachtagungen in öffentlichen Gesundheitsdiensten oder Schulungen der Ärztinnen und Ärzte seitens der Kassenärztlichen Vereinigungen. Hier ist man sehr aktiv. Ein weiteres Ziel ist es, den Impfschutz in den Schulen zu einem Thema zu machen. Das alles sind wirksame Maßnahmen, die wir bereits erfolgreich durchführen.

Zudem müssen die Akteure sicher auch ein bisschen angeschoben werden. Das hat die Landesregierung 2013 getan, indem nämlich eine Diskussion mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Krankenkassen über Rahmenvereinbarungen begonnen wurde.

Ich muss ehrlich zugeben, dass bis heute noch kein Ergebnis vorliegt, aber dafür sind letztlich die kommunalen Spitzenverbände und die Krankenkassen verantwortlich. Ein solches Ergebnis kann nicht die Landesregierung oder das Parlament vorschreiben. Jedoch müssen wir den Beteiligten deutlich machen, dass wir eine solche Rahmenvereinbarung zum Impfschutz in NRW brauchen und dass sie auf ein Ergebnis hinwirken mögen.

Zur Durchsetzung des Impfschutzes wurden im Nationalen Impfplan 2012 Ziele formuliert. Die Akteure der Nationalen Impfkonferenz überprüfen, ob diese Ziele in Deutschland eingehalten werden. Ich glaube, dass mit der im Mai 2016 gegründeten „Nationalen Lenkungsgruppe Impfen“ ein guter Ansprechpartner und ein wichtiges Koordinierungsgremium zur Verfügung steht. Das ist eine richtige Maßnahme, um auf Bundesebene sämtliche Maßnahmen koordinieren und vernetzen zu können und daraus wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen.

Nordrhein-Westfalen beteiligt sich sowohl finanziell als auch ideell an den bundesweiten Aktivitäten, vor allem bei der Mitfinanzierung der Geschäftsstelle der Nationalen Impfkonferenz. Diese ist zwar im bayerischen Gesundheitsministerium eingegliedert; aber NRW beteiligt sich nach dem Königsteiner Schlüssel finanziell an dieser bundesweiten Initiative.

Vieles ist schon auf den Weg gebracht, einiges ist noch zu tun. Darüber können wir im Fachausschuss ausführlich diskutieren. Wir stimmen der Überweisung des Antrags in den Fachausschuss zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Düngel.

Daniel Düngel (PIRATEN): Meine Damen und Herren! Wir reden über das Impfen. Man könnte sagen: Täglich grüßt das Murmeltier. Aber ich möchte das keinesfalls negativ verstanden wissen – häufig bringt man das ja in einem negativen Kontext.

Ich bin sehr dankbar, liebe Susanne Schneider, dass wir dieses Thema heute im Plenum und auch in den kommenden Ausschusssitzungen noch einmal beraten werden. Es ist ein wichtiges Thema.

Zuletzt wurde Ende 2013 ein entsprechender Antrag eingereicht; 2014 haben wir dazu eine Expertenanhörung durchgeführt. Die Sachverhalte und Ausgangslagen sind klar: Alle Experten quer durch die Bank sprechen sich selbstverständlich für eine konsequente Durchimpfung aus.

Die Kollegin hatte das gerade schon mit dem Bild der „Schirmchen“ so nett dargestellt: Es geht eben nicht nur um den Schutz des Einzelnen, sondern um den sogenannten Herdenschutz. Dann, wenn eine konsequente Durchimpfung von über 95 % erfolgt, genießen auch die Wenigen einen Schutz, die selbst nicht geimpft sind.

Zu den Vorteilen ist ausreichend ausgeführt worden. Mein Eindruck ist, dass die Landesregierung eigentlich den grundsätzlichen Nutzen des Impfens sieht. Was allerdings nicht ausreichend passiert, ist, entsprechende Maßnahmen einzuleiten, um eine weitere Verbesserung der Impfsituation in unserem Land voranzutreiben.

Es gäbe dafür verschiedene Möglichkeiten, die auch zum Teil in der Expertenanhörung vor zwei Jahren bereits genannt worden sind. Dabei wurde über Möglichkeiten diskutiert, in Einrichtungen, in denen sich für gewöhnlich junge Menschen befinden, den Impfstatus abzufragen – zum Beispiel beim Eintritt in die Kita oder bei der Einschulung.

(Inge Howe [SPD]: Das wird doch gemacht! Bei den ganzen Kitas wird das gemacht!)

Es gibt Möglichkeiten, die Öffentlichkeitsarbeit wesentlich zu verstärken. Eben ist schon erwähnt worden, dass das Projekt „Impfmobil“ eingestellt worden ist. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat Ministerin Steffens das so kommentiert: Es wurde ja nicht genutzt.

Da ist doch das Problem, das wir analysieren müssen. Möglicherweise mag ja das Impfmobil das falsche Mittel sein, aber das gilt es zu analysieren, und es gilt, entsprechende Fortentwicklungen eines Öffentlichkeitsarbeitskonzeptes vorzunehmen und zu schauen: Ist dieses Impfmobil vielleicht gut, aber falsch eingesetzt worden? Ist es vielleicht auch nicht ausreichend beworben worden? All diese Fragen müssen gestellt und letzten Endes konsequent beantwortet werden.

Es gibt viele weitere Ideen und Kampagnen: in der Berufsschule, beim Freiwilligen Sozialen Jahr, beim Erste-Hilfe-Kurs etc. Wir können uns auch darüber Gedanken machen, ob wir andere Veranstaltungen oder Gelegenheiten in Nordrhein-Westfalen nutzen, um auf die Problematik des Impfens aufmerksam zu machen.

Wieso zum Beispiel nutzen wir nicht die in Nordrhein-Westfalen – gerade in Nordrhein-Westfalen! – flächendeckend verbreiteten Fußballereignisse? Es gilt zu überdenken, ob wir nicht mit unseren nordrhein-westfälischen Fußballvereinen über Kooperationen sprechen können, damit die Vereine aktiv in eine Öffentlichkeitsarbeit für das Impfen eingreifen können.

Der Fantasie, meine Damen und Herren, sind hier letzten Endes keine Grenzen gesetzt. Ich bin gespannt, über welche Dinge wir uns noch im Ausschuss unterhalten werden.

Die Frage ist auch: Was ist mittlerweile mit der Rahmenvereinbarung zwischen Krankenkassen und Gesundheitsdienst? Vielleicht kann Frau Ministerin Steffens dazu nachher auch noch etwas sagen.

Das ist ja quasi eine Never-ending Story. Hierzu kenne ich die Aussage der Landesregierung, man gehe eigentlich davon aus, dass jetzt alle Voraussetzungen erfüllt seien und dass es zu dieser Rahmenvereinbarung kommen könne. – Da würde mich dann ganz speziell, Frau Ministerin Steffens, interessieren, welche Anstrengungen die Landesregierung vornimmt, damit es eben zu dieser Rahmenvereinbarung kommt.

Ich fasse zusammen: Es gibt einen großen Handlungsbedarf. Wir sind hier nicht in einer katastrophalen Situation oder so etwas, dass die Impfsituation in Nordrhein-Westfalen schlecht ist. Davon sind wir glücklicherweise weit entfernt. Aber es gibt eben Möglichkeiten, die Durchimpfung zu verbessern.

Hier gibt es Handlungsbedarf. Die Landesregierung hat entsprechenden Handlungsspielraum. Im Haushalt 2016 ist für diesen Bereich mehr Geld eingestellt worden. Es wird dann auch zu untersuchen sein, wohin die Gelder geflossen sind oder wohin sie noch fließen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

– Ich komme zum Ende, Herr Präsident.

Hier muss man einfach noch einmal hinterfragen, ob es ausreicht, wenn hier die beteiligten Ministerien oder die Ministerinnen – ich nenne Frau Steffens, Frau Löhrmann, aber auch Frau Kampmann, wenn ich an den frühkindlichen Bildungsbereich denke – nur die NRW-Fahne der kommunalen Selbstverwaltung hochhalten. Sie sollten eben auch mit gutem Beispiel vorangehen, entsprechende Projektideen und Kampagnen fördern und nach vorne bringen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Steffens.

Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Schneider, manchmal wäre es wirklich gut – Sie sagen, Sie hörten von mir nicht, was wir in dem Bereich machen –, wenn man einfach miteinander redet. Sie haben immer die Möglichkeit, im Ausschuss Berichte dazu abzufragen. Dann würden die einen oder anderen Irrtümer, die sich bei Ihnen irgendwie festsetzen, frühzeitig beseitigt werden können.

Ich will damit einsteigen, weil ich glaube, dass das wichtig ist: Sie haben bei der Nationalen Lenkungsgruppe Impfen gefordert, das Land solle sich beteiligen, das wäre eine Initiative eines Bundeslandes.

Nein, das ist völlig falsch. Diese Nationale Lenkungsgruppe ist gemeinsam von Bund und Ländern auf den Weg gebracht worden. Das ist eine gemeinsame Initiative aller Länder und des Bundes. Die Teilnehmer dieser Nationalen Lenkungsgruppe Impfen sind auch in der AOLG per Beschluss festgelegt worden.

Der Irrtum mag sich deswegen bei Ihnen eingeschlichen haben, weil auch das Land der nächsten NIK, das Land der letzten NIK und das GMK-Vorsitzland beteiligt sind und nach einem festen Schlüssel festgelegt ist, welche Länder denn in dem Gremium. Dementsprechend ist es nicht so, dass sich die Länder melden, die sich beteiligen wollen, sondern es ist selbstverständlich festgelegt, wer darin ist. Und es sind alle Bundesländer darin eingebunden.

Es gibt eine weitere große Reihe von Punkten, die Sie letztendlich in Ihrem Antrag nicht angesprochen bzw. ausgeblendet haben. Kollege Herr Düngel hat eben „mehr Geld im Landeshaushalt“ erwähnt.

Das ist natürlich für die Geschäftsstelle Nationaler Impfplan auch vorgesehen gewesen – darüber haben wir auch im Ausschuss berichtet –, weil sich das Land natürlich in all den Bundesprozessen und in all den Bereichen gemeinsame Ziele auf die Fahne geschrieben hat. Und die Ziele sind in der 88. Gesundheitsministerkonferenz gemeinsam von allen Ländern, nämlich in dem Aktionsplan, ganz klar festgelegt worden. Da ist das Land Nordrhein-Westfalen wie alle anderen beteiligt.

Aber wir stehen nicht genauso wie alle anderen da. Wenn man sich den bundesweiten Durchimpfungsgrad anguckt, der bei der zweiten Masernimpfung bei 92,8 % liegt, dann ist Nordrhein-Westfalen mit dem Durchimpfungsgrad bei der zweiten Impfung ganz weit oben. Wir haben nämlich einen anderen Durchimpfungsgrad.

Wenn man dann noch einmal mehr ins Detail schaut und sich das bei den Schuleingangsuntersuchungen städtespezifisch anschaut, dann sieht man, dass man das Thema nicht nur als ein Landesthema sehen kann, weil es Aufgabe des ÖGD ist, das heißt der kommunalen Gesundheitsverantwortlichen und der Gesundheitsämter vor Ort.

Da ist es sehr unterschiedlich. Wir haben nämlich selbst bei der zweiten Durchimpfungsrate Kommunen, Kreise und kreisfreie Städte, in denen wir bei 97,3 % selbst bei der zweiten Impfung liegen.

Wenn wir genau ins Detail gucken, ist es falsch, immer die Gruppe derjenigen, die keinen Impfschutz haben, sozusagen in den Fokus zu nehmen und als Impfschmarotzer darzustellen. Nein, es gibt Menschen, die einfach ihre Kinder nicht impfen lassen können, weil sie aus gesundheitlichen Gründen diese Impfung auch nicht bekommen können, und die diese bewusste Entscheidung treffen.

Das WHO-Ziel – um in dem Bild der Schirme zu bleiben – besagt: 95 % brauchen einen Schirm. – Bei unseren Erstimpfungen in Nordrhein-Westfalen haben wir 97,8 %, das heißt 97,8 % haben einen Schirm.

Deswegen ist es notwendig zu sagen – wer A sagt, muss auch B sagen –: Wer die erste Impfung schon durchgeführt hat, der hat nicht einen grundlegenden Grund gegen bzw. grundlegende Probleme oder Bedenken gegenüber der Impfung, sondern der ist einfach nachlässig und hat es vergessen. Und deswegen kann und sollte sich die Gruppe, die sich bewusst für die erste Impfung entschieden hat, genauso bewusst für die zweite Impfung entscheiden. Diese Impflücke muss geschlossen werden.

Und welche Adresse ist die Adresse dafür? – Das ist der Arzt und die Ärztin; denn das sind diejenigen, die die erste Impfung durchgeführt haben und die auch immer wieder die Kinder und Jugendlichen in ihrer Arztpraxis haben. Wir müssen also genau an der Stelle gemeinsam mit den Ärzten überlegen, welches zusätzliche Material wir brauchen, um den Menschen, die heute immer noch in dem Irrglauben sind, die eine Impfung reiche, klarzumachen: Wer die erste Impfung hat, braucht auch die zweite.

Zum zweiten Irrtum, der immer wieder hier im Raum steht, und zwar querdurch, das Land würde an der Stelle nichts tun. Herr Düngel hat wieder das Impfmobil genannt. Herr Düngel, ja, das Impfmobil ist von den Kommunen vor Ort nicht mehr eingesetzt worden. Es nützt nichts, ein Auto zu haben, das auf Landesebene irgendwo herumsteht, um es dann immer schön mit in den Maßnahmenkatalog zu schreiben, sondern es ist nicht mehr zeitgemäß.

Deswegen machen wir andere Maßnahmen. Wir haben sowohl das Innenministerium unterstützt, damit der Impferlass für die Flüchtlinge umgesetzt werden kann, als auch finanzieren wir selbst Impfstoff in Kommunen für Projekte, womit wir EU-Bürger, die keine andere Kostenfinanzierung haben, unterstützen. Das heißt, der Maßnahmenkatalog der einzelnen Bausteine, die wir zielgerichtet zur Unterstützung der Kommunen machen, ist sehr groß.

Letzter Punkt – auch das steht als Vorwurf im Raum –: die Rahmenvereinbarung. Wir sind kein Vertragspartner. Deswegen können wir an der Stelle nur moderieren. Es gab lange Zeit großen Dissens bezüglich der Abrechnungsproblematik: Ist nur der Impfstoff abrechenbar? Sind auch die Personalkosten abrechenbar? Es müsste eigentlich zu einer Klärung kommen.

Deswegen haben wir gesagt: Wenn sich die Vertragspartner nicht allein verständigen, dann laden wir sie ein und moderieren. Aber letztendlich können wir nichts anderes als moderieren an der Stelle, weil es nicht unsere Aufgabe ist. Und hier sollte man auch den ÖGD nicht aus der Pflicht lassen; das klang an der einen oder anderen Stelle so durch.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss, vielleicht können wir dann viele der Informationslücken oder Missverständnisse ausräumen, damit Sie auch sehen, dass Nordrhein-Westfalen hier ganz weit oben steht bezüglich des Impfschutzes bundesweit. – Herzlichen Dank

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich möchte darauf hinweisen, dass die Landesregierung ihre Redezeit um eine Minute überschritten hat. Aber auch die Piratenfraktion und die Fraktion der FDP haben ihre Redezeit bereits überschritten.

(Zuruf von den PIRATEN: Auf gar keinen Fall!)

Möchte noch jemand das Wort haben? – Das sehe ich nicht. Damit sind wir am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/12111 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht folgen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor ich den Tagesordnungspunkt 3 aufrufe, muss ich im Nachgang zu der letzten, der 115. Plenarsitzung am 9. Juni 2016 eine nichtförmliche Rüge aussprechen. Sie betrifft Herrn Abgeordneten Michele Marsching von der Fraktion der Piraten. Herr Marsching hat sich in der Plenarsitzung mit einem Zwischenruf während der Rede des Herrn Abgeordneten Klaus Kaiser, CDU, zu Tagesordnungspunkt 1, der Aktuellen Stunde zum Thema „Grundschulen“, unparlamentarisch verhalten. Die in der Sitzung verwendete Formulierung werde ich nicht wiederholen. Herr Kollege, ich ermahne Sie und bitte Sie, derartige Ausdrücke zukünftig zu unterlassen. Andernfalls müssen Sie mit einer förmlichen Rüge rechnen.

(Zuruf von der FDP)

Herr Kollege Marsching ist im Moment nicht da. Aber er wird es sicherlich durch seine Fraktionsfreundinnen und ‑freunde erfahren und auch dem Protokoll entnehmen.

(Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN]: Wir petzen doch nicht!)

Ich rufe auf:

3   Rechte von Kindern und Jugendlichen in NRW stärken

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 16/12116

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Hack das Wort.

Ingrid Hack (SPD): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Eine Debatte über die Kinderrechte, ihre Achtung und Umsetzung bedarf aus unserer Sicht keines besonderen Anlasses wie etwa Weltkindertag. Dieses Thema steht immer im Fokus der Kinder- und Jugendpolitikerinnen und ‑politiker. Ich denke, dies ist auch in allen Fraktionen in diesem Hause der Fall.

In der Vergangenheit thematisierten wir hier im Parlament immer wieder unterschiedliche Anträge, die mit unterschiedlichen Instrumenten die zentralen Elemente der Kinderrechte zu verbessern suchten: Schutz, Förderung und Beteiligung.

Wir, die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, legen nun einen umfassenden Antrag vor, der sowohl die rechtlichen Grundlagen und damit die Ausgangslage als auch die bisherigen Maßnahmen zur Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland und NRW aufführt. Und wir benennen weitere notwendige Handlungsschritte für unser Bundesland und bundesweit.

An den Bund richten wir, um nur ein Beispiel zu nennen, zum wiederholten Male die Forderung, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Hier in NRW – das ist bekannt – haben die Kinderrechte seit 2002 Verfassungsrang. Ein entsprechendes Bekenntnis auf Bundesebene wäre wirklich ein starkes Signal, vor allem aber wäre es die Schaffung eines Grundrechts für die ganz eigene Lebenssituation von Kindern.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Was haben wir bisher erreicht? – Meine Damen und Herren, beginnend bei der frühen Bildung haben wir in § 13 Abs. 6 Kinderbildungsgesetz die Beteiligungs- und Beschwerderechte des Kindes ebenso wie die Verpflichtung der Träger und der Fachkräfte, diese nicht nur zu achten, sondern aktiv und altersangemessen zu fördern, ausdrücklich dargelegt.

Im schulischen Bereich stellten SPD und Grüne bereits 2010 die Drittelparität in den Schulkonferenzen der weiterführenden Schulen wieder her – eine deutliche Stärkung der Mitbestimmungsrechte von Schülerinnen und Schülern.

(Beifall von den GRÜNEN und Inge Howe [SPD])

Für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor Ort, also in den Kommunen unseres Landes, gilt, sie ist so vielfältig wie NRW und wird in ganz unterschiedlichen Formen durchgeführt und, wie wir wissen, nicht immer zur Zufriedenheit der Kinder und Jugendlichen. Hier leistet die Servicestelle Kinder- und Jugendbeteiligung NRW wichtige – und das ist zu betonen –, nicht nur ideelle, sondern mit Ressourcen verbundene Unterstützung.

Ein weiterer wichtiger Fortschritt für die Umsetzung der Kinderrechte – vor allem des Beschwerderechts – ist die Förderung der Ombudschaft Jugendhilfe NRW, die nun nach einer Projektprobezeit – so will ich es nennen – mit Landesmitteln arbeiten kann.

In mehrerlei Hinsicht ist der Kinder- und Jugendförderplan, den Rot-Grün mit deutlich mehr Mitteln ausgestattet hat, relevant für die Kinder- und Jugendrechte. In Verbänden, in Jugendzentren, in der offenen Arbeit und an vielen anderen Stellen leben und erleben Kinder und Jugendliche Beteiligung. Sie entwickeln eigene Interessen und erarbeiten ihre Umsetzung.

In den vergangenen Jahren ist zudem mit dem Kinder- und Jugendförderplan die Beachtung der queeren Jugendarbeit deutlich gewachsen und – auch das ist wichtig – mit finanzieller Förderung ausgestattet worden.

All diese Fortschritte, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich habe nur einige Beispiele genannt –, sind das Ergebnis eines tatsächlich größeren Bewusstseins für die Rechte von Kindern und Jugendlichen und für daraus folgende verbindliche und wirksame Maßnahmen.

Die spätestens seit 2015 große Herausforderung, eine Vielzahl von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten nicht nur aufzunehmen, sondern ihnen auch die notwendige und gesetzlich zu Recht vorgeschriebene Versorgung und Betreuung zuteilwerden zu lassen, führte zu einem sehr zügigen Gesetzgebungsprozess für das Fünfte Ausführungsgesetz zum KJHG.

Auch damit wurde den Rechten von Kindern und Jugendlichen schnellstmöglich Rechnung getragen, indem die wenigen zuvor sehr belasteten Jugendämter ihrer Aufgabe nun wieder angemessen nachkommen können.

Meine Damen und Herren, Förderung von Kindern und Jugendlichen ist nicht nur Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, nicht nur der Bildungseinrichtungen, sondern aller, die Einfluss auf die wirtschaftliche Lage von Familien nehmen.

(Beifall von Wolfgang Jörg [SPD])

Wir sprachen vor Kurzem hier mit sehr unterschiedlichen Auffassungen über die Bekämpfung der Kinderarmut. Unser Antrag legt dazu nochmals unsere Positionen und auch Maßnahmen dar.

Was bleibt zu tun? – Außer der Fortsetzung der erläuterten Maßnahmen betrachten wir zwei Dinge als besonders vordringlich:

Um Rechte wahrnehmen zu können, bedarf es der Information darüber. Das gilt für alle Lebensbereiche – auch für die Rechte von Kindern und Jugendlichen. Wir wollen diese Kenntnisse bei allen Beteiligten deutlich verbessern: bei den Kindern und Jugendlichen selbst, bei den Eltern, bei den Fachkräften und allen weiteren Beteiligten

Ein zweiter Punkt: Wir wollen die Ombudschaften auf kommunaler Ebene deutlich ausbauen und sichern.

Meine Damen und Herren, in den vergangenen Monaten ist durch die aktuelle Situation in unserem Land häufig von Werten die Rede, von unseren Werten, und von Regeln, an die sich alle zu halten haben.

Ich will ganz deutlich sagen: Die Kinderrechte sind ein großartiges Instrument, um diesen Werten Geltung zu verschaffen. Warum? – Mit der Achtung, der Wahrung und der Umsetzung dieser Rechte gelingt es doch von Anfang an, Demokratie zu lernen. Nichts Geringeres erreichen wir, wenn Kinder und Jugendliche ihre Rechte kennen, wenn sie erfahren, dass Beteiligung möglich ist und auch wirkt, und wenn sie Aushandlungsprozesse gestalten können und Positionen und Meinungen erarbeiten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Noch einmal: Kinderrechte sind nicht nettes Beiwerk, nicht, wie man Neudeutsch sagt, nice to have. Sie sind eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu engagierten und in der Demokratie beheimateten Erwachsenen. Das ist ein ganz wichtiger Anhaltspunkt.

Ich möchte damit schließen und denke, wir werden dieses wichtige Thema im Ausschuss noch weiter vertiefen können. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Hack. – Für die Fraktion Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. So steht es in Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Es war von historischer Bedeutung, als 1992 – spät genug – mit der UN-Kinderrechtskonvention deutlich gemacht wurde, dass auch Kinder Träger von Rechten sind. Es war längst überfällig, die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte für Kinder damit zu konkretisieren. Denn das Kind muss nicht erst Mensch werden, es ist schon einer. Das hat der große Kinderfreund Janusz Korczak gesagt, der gemeinsam mit vielen Kindern, mit seinen Schutzbefohlenen von den Nazis ermordet wurde.

Heute noch sind Kinder die ersten Opfer von Krieg, von Umwelt- und Hungerkatastrophen. In vielen Ländern, in viel zu vielen, ist es heute noch keine Selbstverständlichkeit, dass Mädchen zur Schule gehen. Heute werden immer noch Kinder als Arbeiter und Arbeiterinnen eingesetzt.

Deshalb ist es wichtig, festzustellen: Kinder haben überall ein Recht auf ein Leben in Freiheit und Sicherheit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Diese Kinderrechtskonvention, dieser Meilenstein, wird erst dann wirksam, wenn die Rechte von Kindern konkretisiert sind, wenn die Konvention mit Leben gefüllt ist und wenn sie in nationales Recht gegossen wird.

Deshalb – das möchte ich hier auch betonen – ist es längst überfällig, dass die Kinderrechte in das deutsche Grundgesetz aufgenommen werden. Es gibt überhaupt keine Rechtfertigung, dass CDU/CSU das noch immer im Deutschen Bundestag verhindern.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir machen mit diesem sehr umfassenden Antrag deutlich, dass für uns die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention eine ganz hohe Bedeutung hat und dass es unser politischer Wille ist, sie in allen gesellschaftlichen Bereichen umzusetzen.

Grundrechte müssen durch Implementierung, Monitoring und Evaluation nachgehalten und sichergestellt werden. Das muss passieren – auch das beschreiben wir in unserem Antrag – in sehr enger Abstimmung mit zivilgesellschaftlichen Kontrolleuren, die uns begleiten und darauf achten, dass das, was wir beschließen, auch umgesetzt wird.

Die drei Säulen der Konvention sind Förderung, Beteiligung und Schutz. Sie bilden den Rahmen, innerhalb dessen wir denken und handeln. Das bedeutet vor allen Dingen – das ist ganz wichtig –, eine andere Haltung einzunehmen. Kinder sind keine Objekte, die wir erziehen, sondern sie sind Träger von Rechten. Diese Haltung muss in allen gesellschaftlichen Bereichen, nicht nur in der Kinder- und Jugendhilfe, sondern in allen Politikbereichen immer wieder deutlich werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Auch in Deutschland – das hat Frau Kollegin Hack angesprochen – werden die sozialen und wirtschaftlichen Rechte nicht ausreichend umgesetzt. Kinderarmut ist in Deutschland viel zu hoch. In keinem anderen OECD-Land ist der Bildungserfolg von Kindern so eng verknüpft mit dem Portmonee der Eltern. In keinem anderen OECD-Land haben es Kinder so schwer, aus der Armutsspirale auszubrechen.

(Zuruf von der CDU)

Genau deshalb – und das machen wir in Nordrhein-Westfalen, lieber Kollege – müssen Kinder von Beginn an gefördert werden.

Wir fangen bei der Elementarbildung, beim Fundament für Bildung an. Es ist klar: Benachteiligte Kinder brauchen mehr Förderung. Das machen wir in unseren „plusKITAs“, die wir – Rot-Grün – mit dem zweiten KiBiz-Änderungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Das ist hierfür ein wichtiges Instrument. Ebenfalls haben wir die Beteiligung der Kinder im KiBiz fest verankert. Mit dem Programm „Kein Kind zurücklassen“ wirken wir präventiv den Folgen von Armut entgegen.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist auch klar: Das können wir hier in Nordrhein-Westfalen nicht allein. Dafür brauchen wir endlich ein nationales Präventionskonzept. In Deutschland sind wir immer noch zu sehr darauf ausgerichtet, Feuerwehr zu spielen, statt von Anfang an allen Kindern gleiche Start- und Entwicklungschancen zu ermöglichen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir wollen in diesen Zeiten natürlich besonders die Kinder mit Fluchterfahrung und die Kinder mit Migrationshintergrund in den Blick nehmen. Wir müssen und wollen ihnen die gleichen Chancen geben, damit Integration gelingen kann. Deshalb fördern wir in Nordrhein-Westfalen die Brückenprojekte, um so schnell wie möglich diesen Kindern den Einstieg in unser Bildungssystem zu ermöglichen.

Wir wollen, dass es Teil des Kinder- und Jugendberichtes wird, dass die Rechtssituation der Kinder und die Umsetzung der Kinderrechte dort aufgenommen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wir haben einen sehr umfassenden Antrag vorgelegt. Ich würde mir wünschen, dass dieser Antrag die Grundlage für eine gemeinsame und konstruktive Debatte zwischen den Fraktionen wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Schulze Föcking.

Christina Schulze Föcking (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zeiten, in denen Kinder widerspruchslos ausschließlich das zu tun und zu lassen hatten, was Eltern, Lehrer und andere Autoritätspersonen vorgaben, sind Gott sei Dank vorbei. Auch wir hier im Landtag haben uns immer wieder mit dem Thema „Rechte von Kindern und Jugendlichen“ beschäftigt und mit unseren Mitteln vorangetrieben.

Einen neuen Impuls hat zweifellos die UN-Kinder-rechtskonvention gebracht, die in Deutschland seit dem Jahr 1992 gültig ist, und seither ist viel geschehen: Die Rechte der Kinder in Deutschland wurden in vielfältiger Weise gestärkt und ausgebaut. Das gilt sowohl für den rechtlichen als auch den sozialen Bereich.

Der Jugendschutz wurde mehrfach verbessert. Die Straftatbestände zum sexuellen Missbrauch von Kindern wurden mehrfach überarbeitet und verschärft. Im Jahr 2012 wurde mit dem Bundeskinderschutzgesetz gleich ein ganzes Gesetzesbündel novelliert. Das Ziel war es, das Kindeswohl zu stärken und die körperliche und geistige sowie die seelische Entwicklung von Kindern zu fördern. Gesetzgeberisch waren wir daher auf vielen Gebieten aktiv. Vieles wurde neu geregelt und aktuellen Entwicklungen angepasst.

Tatsache ist und bleibt aber: Es gehört auch und vor allem zu den Rechten der Kinder, ohne Armut aufzuwachsen,

(Beifall von der CDU)

denn eines ist klar: Arme Kinder aus armen Familien sind bei der gesellschaftlichen und sozialen Teilhabe massiv benachteiligt. Arme Kinder haben laut dem Armutsbericht des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes einen schlechteren Zugang zu Bildung, einen schlechteren Zugang zu außerschulischer Bildung wie Musikschule oder Sportverein, ein schlechteres Wohnumfeld, und sie sind häufiger krank. Jedes arme Kind sollte für uns also Ansporn sein, politisch aktiv zu werden.

(Beifall von der CDU)

Möglichst vielen Kindern gute Chancen zu eröffnen, sollte unser Ziel sein. Wie sieht es in Nordrhein-Westfalen aus? Passen der viel beschworene Anspruch „Kein Kind zurücklassen“ und die Realität überein? Wie haben sich die Zahlen entwickelt?

Die Zahlen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sprechen eine klare Sprache. Zwischen 2010 und 2014 ist die Armutsquote in Nordrhein-Westfalen um 2,1 Prozentpunkte von 15,4 auf 17,5 Prozentpunkte gestiegen.

(Zuruf von der FDP)

Kein anderes Bundesland zeigt in mehrjähriger Sicht eine schlechtere Entwicklung als Nordrhein-Westfalen. Während 2014 bundesweit jedes sechste Kind unter drei Jahren in Armut lebte, so galt dies in Nordrhein-Westfalen für jedes fünfte Kind. Besonders dramatisch ist die Lage im Ruhrgebiet. Im Jahr 2015 lag dort die Hartz-IV-Quote bei Kindern insgesamt bei 28 %, in Gelsenkirchen erreichte sie den traurigen Spitzenwert von 40 %.

Armut ist für mehr als die Hälfte der betroffenen Kinder ein anhaltender Zustand. Sie ist tagtägliche Normalität, oftmals über Jahre. Die Folgen dieses Mangels sind für die Kinder und Jugendlichen verheerend.

Was glauben Sie, was die Kinder empfinden, wenn sie in der Schule mit ihrer Kleidung auffallen? Was glauben Sie, wie sich die Kinder fühlen, wenn sie aufgrund ihrer Wohnsituation keine Freunde einladen können? Was mögen diese Kinder empfinden, wenn sie nach den Sommerferien die Urlaubsschilderungen der Klassenkameraden hören und selbst nicht einmal ins Schwimmbad gehen konnten?

(Andrea Asch [GRÜNE]: Und wer ist dafür verantwortlich?)

– Wie würden Ihre Kinder reagieren, Frau Asch? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie würden Sie sich als Eltern fühlen? – In ihrem Antrag fordern SPD und Grüne Handlungskonzepte …

(Zurufe)

– Die Wahrheit tut scheinbar weh. – … gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Sie führen zahlreiche Punkte an, sodass der Antrag schließlich 15 Seiten umfasst. Außer Acht lassen Sie dabei jedoch das wichtigste Instrument gegen Kinderarmut, Frau Hack: Kinderarmut ist untrennbar mit Elternarmut verbunden.

(Ingrid Hack [SPD]: Meine Worte, Frau Schulze Föcking!)

Wer Kinderarmut wirklich bekämpfen will, muss bei den Eltern ansetzen. Wir begrüßen daher jede gute Initiative, die uns dem Ziel näherbringt, die Kinderarmut in NRW zu verringern.

(Beifall von der CDU)

Bei dieser Landesregierung fehlt mir allerdings offen gestanden der Glaube daran. Seit sechs Jahren lese und höre ich Ankündigungen. In ihrer Regierungserklärung von 2010 verkündete die Ministerpräsidentin, den Mensch in den Mittelpunkt zu stellen. Sie wollte den sozialen Zusammenhalt stärken, NRW menschlicher machen und vor allem kein Kind zurücklassen.

2012 erklärte sie, über den Tag hinauszudenken, und bezeichnete die Armutsentwicklung, die der Armuts- und Reichtumsbericht der Landesregierung aufgezeigt hatte, als besorgniserregend. Sie wollte diese Entwicklung stoppen und die Schere zwischen arm und reich schließen.

Sehe ich mir diese Ankündigungen und die Zahlen des Paritätischen an, so muss ich feststellen:

Frau Kraft ist gescheitert. Diese Landesregierung ist auf diesem Gebiet komplett gescheitert. Für die Betroffenen bedeutet das sechs verlorene Jahre, und das ist bitter.

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

Der Paritätische trägt jedoch nicht nur Zahlen zusammen, er weist auch den Ausweg. Ich zitiere aus dem Armutsbericht, Seite 9:

„Damit stellt sich die Frage, was getan werden kann, um Armut zu vermeiden. Wie sowohl die Vergleiche zwischen den Regionen als auch zwischen verschiedenen Einwanderergruppen gezeigt haben, ist die Einbindung in den Arbeitsmarkt entscheidend. Der einfache Grund besteht darin, dass Lohnarbeit für die meisten Familien die einzige Einkommensquelle darstellt, die auf Dauer ein Leben oberhalb der Armutsgrenze ermöglicht.“

Sie müssen daher endlich die richtigen Rahmenbedingungen für mehr Arbeitsplätze schaffen; das ist nach allen Zahlen und Statistiken nachweislich der Fall. Wir brauchen mehr als PR-Modellprojekte. Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die diesen Namen wirklich verdient, und keine Erklärungsversuche für Ihr fortgesetztes Scheitern.

(Beifall von der CDU)

Wir brauchen eine solide und durchdachte Schulpolitik für mehr sozialen Aufstieg durch Bildung. Wir brauchen eine Inklusionspolitik, die Teilhabe ermöglicht und einen echten Fortschritt für alle darstellt, und keine Inklusionspolitik light, die niemandem gerecht wird.

(Beifall von der CDU)

Auch hier gilt es, den Rechtsanspruch mit wirklichem Leben zu füllen – nicht nur heiße Worte zu verbreiten.

Wir brauchen starke Eltern, denn nur das bedeutet auch starke und selbstbewusste Kinder,

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Kinder, die später ihr Leben eigenverantwortlich in die Hand nehmen können.

Uns als CDU liegen Kinder am Herzen. Ich bin deshalb gespannt auf die Debatte im Ausschuss.

(Beifall von der CDU und der FDP – Sigrid Beer [GRÜNE]: Kein Antrag dazu! Keine Haushaltsansätze!)

Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Vielen Dank, Frau Schulze Föcking. – Für die FDP spricht Herr Kollege Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im politischen Raum stellt sich immer wieder einmal die Frage: Wann wird eigentlich der Wahlkampf eingeläutet? Ich glaube, das ist heute der Fall.

Ihre 15 Seiten Fleißarbeit, die Sie heute großspurig als Meilensteine abfeiern, sind doch ganz klar Ihr Bekenntnis: Wir machen jetzt nichts mehr. Wir machen nur noch Marketing. – Das ist an sich schon bedenklich; denn Sie könnten das letzte Jahr Ihrer Regierungszeit ja auch sinnvoll nutzen. Wenn das Marketing dann aber auch noch in die Hose geht, ist das etwas peinlich.

Hier stehen seitenweise Zustandsbeschreibungen. Jedes Unterkapitel endet damit, was man einmal machen müsste. Warum machen Sie aber nichts? Warum haben Sie nichts gemacht?

(Zuruf von den GRÜNEN: Stimmt doch gar nicht!)

Sechs Jahre Regierung sollten doch ausreichen, um das eine oder andere auf den Weg zu bringen.

(Zuruf von den PIRATEN: Richtig!)

Nach sechs Jahren 15 Seiten vorzulegen, auf denen steht, was man einmal machen müsste, ist peinlich.

Die Forderungen am Ende des Antrags sind auch entsprechend. Man möge für ein besseres Verständnis von Kinderrechten werben und bitte schauen, dass die Kinderrechte auch irgendwie umgesetzt werden. Man möge berichten. Man solle Wertschätzung fördern. Und so weiter.

Etwas konkreter sind die Forderungen an den Bund. Das ist aber auch einfach, wenn jemand anderes zuständig ist und wenn sich die Ministerpräsidentin auch noch freiwillig aus der Führungsrolle im Bundesrat verabschiedet hat.

Bei dem nun wirklich wichtigen Thema Kinderrechte ein paar wohlgefällige Forderungen aufzulisten, die konkretes Handeln vernebeln, ist peinlich. Was das Marketing angeht, ist das wirklich schon grenzwertig. Das ist in allererster Linie aber Ihr Problem.

Inhaltlich wird es dann aber wirklich schwierig. Da ist dann eher Ärger als Mitleid angesagt. Sie füllen viele Seiten mit angeblichen Erfolgen, die sich bei näherer Betrachtung als wenig gehaltvoll herausstellen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Bitte?)

Es ärgert mich, wenn Sie groß Ihr Handlungskonzept gegen Armut und Ausgrenzung anpreisen und dies in Ihr „Kein Kind zurücklassen“-Programm schreiben, wir hier aber alle wissen, dass die Kinderarmut in Nordrhein-Westfalen nicht sinkt, sondern steigt. Die Zahlen sind absolut eindeutig.

Fast jedes fünfte Kind in Nordrhein-Westfalen lebt von Hartz IV, und es werden nicht weniger. Die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr um fast 4 % gestiegen. Was sagen Sie den 435.000 Kindern unter 15 Jahren, die auf diese Sozialleistungen angewiesen sind, Frau Asch?

(Zuruf von den GRÜNEN: Was sagen Sie denn diesen Kindern?)

Was bedeutet es, wenn Sie sagen: „Kein Kind zurücklassen“? Was sind Ihre Perspektiven?

(Zuruf von den GRÜNEN: Was sind Ihre?)

Wir wissen doch alle, der Ausstieg aus der Armut gelingt über Arbeit und vor allem über Bildung. Beste Schulen und Kitas sind die beste Armutsprävention.

(Zuruf von den GRÜNEN: Was machen Sie da?)

Aber auch hier ist die Bilanz von Rot-Grün verheerend.

(Beifall von der FDP)

Wir haben das in der Aktuellen Stunde am Mittwoch diskutiert. In der Praxis ist es doch im Zweifel weniger wichtig, ob Eltern und Lehrer die Paragrafen der Kinderrechtskonvention zitieren können. Viel wichtiger ist die Verinnerlichung dieser Norm, die Motivation, sich fürsorglich um die Kinder in diesem Land zu kümmern.

Dafür brauchen wir einen guten wirtschaftlichen Rahmen und das beste Bildungssystem. Dabei stelle ich den grundsätzlichen präventiven Ansatz von „Kein Kind zurücklassen“ gar nicht infrage. Aber ohne diese Grundvoraussetzung werden wir mit Prävention allein die Kinderarmut nicht bekämpfen können.

Wenn das fundamentale Recht auf Teilhabe aufgrund einer verfehlten Wirtschaftspolitik und einer wenig ambitionierten Bildungspolitik nicht umgesetzt wird, sind 15 Seiten über Kinderrechte viel Text und wenig Substanz.

(Beifall von der FDP)

Besonders geärgert habe ich mich über das Kapitel „Beteiligung“. Das ist wirklich geradezu unverschämt. Das Thema haben Sie nur defensiv aufgenommen. Hierbei stehen Sie seit sechs Jahren auf der Bremse. Ich weiß das deshalb so genau, weil ich mich gut erinnere, woher das Thema kommt und woher die Fortschritte dabei kommen, nämlich von uns.

(Zurufe von den GRÜNEN)

– Hören Sie gut zu! Die FDP-Fraktion hat dieses Thema in den Landtag eingebracht. Der initiative Antrag zur Jugendbeteiligung stammt von uns und ist aus dem Jahr 2010.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Das haben wir dann endlos hin und her diskutiert, und es ist furchtbar lange überhaupt nichts passiert. Dann erkennen Sie plötzlich, dass das, was in unserem Antrag steht, vielleicht doch gar nicht so schlecht ist. Was für eine Überraschung. Deshalb gibt es zum Beispiel die Servicestelle Jugendbeteiligung in diesem Land,

(Zuruf von den GRÜNEN: Aber nicht wegen des FDP-Antrags!)

weil wir sie gefordert haben, aber nicht deshalb, weil Sie irgendeine Idee hatten. Es ist schon dreist, sich das hier als Erfolg anzurechnen und abzufeiern.

Meine Damen und Herren, das einzig wirklich konkrete Projekt zum Thema Jugendbeteiligung ist daher auf eine FDP-Forderung zurückzuführen. Ich freue mich, dass wir Sie an dieser Stelle inspirieren konnten.

Es geht dreist weiter. Beim Teil zur Jugendbeteiligung auf Landesebene – ich erinnere daran, dass wir unseren Antrag vor mehr als sechs Jahren gestellt haben – haben Sie gesagt, dass Sie an dieser Stelle keine Jugendbeteiligung wollen. Und dann kommt endlich etwas Bewegung in die Sache.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage …

Marcel Hafke (FDP): Nein. Ich möchte das weiter ausführen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

– Frau Asch, bitte hören Sie zu. Wir diskutieren seit über einem Jahr interfraktionell über das Thema Jugendbeteiligung. Wir haben die Diskussion noch nicht abgeschlossen. Der Respekt vor der Sache hätte es erfordert, dass nicht hier aufzunehmen, sondern die Gespräche fortzusetzen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie schreiben sich das jetzt auf die Fahne und meinen, Sie wären hier der Treiber. Das hat nichts mit Anstand, mit Respekt vor Jugendbeteiligung und mit der Verfolgung eines Ziels zu tun, sondern das ist einfach nur Wahlkampfgetöse. So sieht das aus, Frau Kollegin Asch.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Haben Sie Zeit für eine Zwischenfrage von Herrn Jörg, Herr Kollege?

Marcel Hafke (FDP): Gerne. Jetzt kann ich das zulassen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett. – Bitte schön, Herr Jörg.

Wolfgang Jörg (SPD): Herzlichen Dank, lieber Marcel Hafke. – Können Sie mir einmal erklären, was Sie in der Zeit von 2005 bis 2010, in Ihrer Regierungszeit, für die Demokratie, für die Partizipation von Jugendlichen getan haben? Wie kommt es, dass die Anträge, die Sie gerade angeführt haben, erst in Ihrer Oppositionszeit auf den Tisch kamen? Warum haben Sie es nicht in der Zeit gemacht, in der Sie es konnten?

Marcel Hafke (FDP): Lieber Kollege Jörg, der Kinder- und Jugendrat feiert gerade sein zehnjähriges Bestehen. Jetzt rechnen Sie das einmal zurück.

Ich glaube, wenn wir über Jugendbeteiligung vor Ort und auf Landesebene sprechen, dann ist es absolut notwendig, damit anzufangen. Die Sozialdemokratie, lieber Herr Jörg,

(Wolfgang Jörg [SPD]: Sie haben nichts gemacht in Ihrer Regierungszeit und stellen sich jetzt hier breitbeinig hin!)

regiert seit Jahrzehnten in diesem Land.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Das ist so unglaubwürdig!)

– Herr Kollege Jörg, Sie sind jetzt seit über sechs Jahren in der Regierung.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Die FDP hat auch hier Jahrzehnte regiert! Alles vergessen?)

Sie hätten die Chance gehabt, Jugendbeteiligung ernst zu meinen. Sie stehen hier seit sechs Jahren auf der Bremse.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir haben es nun geschafft, in einem guten Prozess einen Schritt weiterzukommen. Und Sie haben nichts Besseres zu tun,

(Wolfgang Jörg [SPD]: Da haben Sie eine ganz einsame Meinung!)

als sich für etwas abzufeiern, was noch nicht einmal unter Dach und Fach ist. Ich finde das unredlich. Das gehört sich auch nicht. Mit dem Finger auf andere zu zeigen, ist nicht richtig.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie regieren hier. Sie tragen die Verantwortung. Jetzt machen Sie auch etwas! Weil Sie das Thema in diesen Antrag hineingeschrieben haben, erwarte ich, dass Sie, Rote und Grüne, auf das Thema Jugendbeteiligung bis zur Landtagswahl …

(Wolfgang Jörg [SPD]: Wir sind doch die Einzigen, die das vorangetrieben haben! Wir sind doch die Einzigen, die zuverlässige Partner unserer Jugendverbände sind!)

– Ich erwarte, Herr Kollege Jörg, dass das schottische Modell, das Sie mittlerweile favorisieren, bis zur Landtagswahl Realität wird. Warme Worte helfen doch überhaupt nicht. Sie können doch nicht etwas anprangern, sich hier zu Wort melden, immer wieder diese Themen aufgreifen, es an dieser Stelle aber nicht ernst meinen.

Sie haben die Möglichkeiten, Sie haben die Ressourcen. Setzen Sie es um! Dann kriegen Sie auch unsere Unterstützung. So einen Weg zu gehen, ist aber absolut respektlos, und das tragen wir an der Stelle auch nicht mit.

Meine Damen und Herren, ich möchte auf einige Punkte zurückkommen, die das Thema „Ansprüche“ betreffen. Ich glaube, an manchen Stellen sollten Sie, was Ihre eigenen Ansprüche angeht, etwas bescheidener sein. Ich möchte Ihnen mit auf den Weg geben: Sie sollten einmal einen Antrag stellen, in dem Sie vielleicht tatsächlich einmal aufschreiben, was Sie konkret wollen, anstatt immer nur aufzuschreiben, was andere tun müssten.

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch ein paar Forderungen mit auf den Weg geben, was Sie tun sollten. Mittel gegen Kinderarmut sind gute Bildung und gute Wirtschaftspolitik, weil man damit Arbeitslosigkeit vermindern kann. Ich bin der Meinung, das müssten Sie hier an der Stelle einmal umsetzen.

Für gute Bildung braucht man gute Schulen. Wir haben in NRW aber Unterrichtsausfall, überlastete Lehrer, mies ausgestattete Schulen. Da müsste diese Regierung Maßnahmen ergreifen.

Gute Bildung fängt bei den Kitas an. Sie sind aber unterfinanziert. Die Erzieherinnen sind überlastet.

(Zurufe von Sigrid Beer [GRÜNE] und Josefine Paul [GRÜNE])

– Weil Sie seit sechs Jahren in diesem Land regieren! Wissen Sie, was das größte Armutszeugnis ist, Frau Beer? Das größte Armutszeugnis ist, dass Sie in diesem Land sechs Jahre regieren und nichts anderes machen, als mit dem Finger auf eine Regierung zu zeigen, die seit sechs Jahren nicht mehr im Amt ist. Übernehmen Sie doch endlich einmal Verantwortung und zeigen Sie nicht immer mit dem Finger auf andere! Das ist wirklich absolut daneben!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Beer?

Marcel Hafke (FDP): Gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett von Ihnen, Herr Kollege. – Bitte schön, Frau Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident! Danke schön auch, Herr Kollege! – Nein, wir müssen nicht sechs Jahre zurückschauen. Ich blicke in den Dezember 2015, als der Kollege Witzel hier gestanden und gefordert hat, 700 Millionen € einzusparen, was in der Umsetzung 14.000 Stellen bedeutet hätte. Das hätte bedeutet, sie bei Schule, Polizei oder Justiz wegzunehmen. Das ist ganz aktuell. Bitte erklären Sie mir diesen Ansatz der FDP, wenn es doch darum geht, in Bildung zu investieren!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrte Frau Beer, ich danke Ihnen vielmals für diese Frage, weil sie mir die Gelegenheit gibt, noch einmal klarzumachen, für was die Freien Demokraten stehen.

Wir haben uns ganz klar zum Ziel gesetzt – deswegen wurde 2012 das Parlament auch mit unserer Mithilfe aufgelöst –, die Schuldenpolitik, die Sie hier betreiben, zu beenden. Das ist ein ganz klares Ziel, weil wir den Generationen, die nach uns kommen, nicht 140 Milliarden € an Schulden hinterlassen können. Denn das schränkt die Handlungsspielräume in diesem Land ein.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Sie schränken die Handlungsspielräume in diesem Land massiv ein. Das geht in die Richtung, dass die Schulen in diesem Land – Frau Beer, jetzt hören Sie mir auch zu! – so schlecht ausgestattet sind wie in kaum einem anderen Bundesland. Wir sprechen über digitale Bildung. In diesem Land funktioniert digitale Bildung nicht, weil Sie die Haushalte finanziell ruiniert haben. Das ist die Situation.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Josefine Paul [GRÜNE]: Entlarvend!)

Wir sprechen über das Thema „beste Bildung der Welt“. Dann müssen wir auch darüber sprechen, die Schulen und die Lehrer vernünftig auszustatten. Wir sprechen auch über die Kita-Situation in diesem Land. Sie haben – das haben wir auch nie kritisiert – mehr Geld investiert. Wir haben aber in unserer Regierungszeit damit angefangen. Sie haben das fortgesetzt. Das Problem ist nur: Das Geld folgt nicht den Aufgaben. Die Aufgaben sind im Bereich der Kitas enorm angewachsen. Sie haben das entsprechende Geld aber nicht in den Haushalt eingestellt.

Den Rechtsanspruch bei U3 gibt es erst seit einigen Jahren. Sie hätten hier einfach viel mehr machen müssen. Warum ansonsten trägt Nordrhein-Westfalen die rote Laterne beim U3-Ausbau in ganz Deutschland? Das liegt doch nicht daran, dass Sie so eine tolle Politik machen. Wenn Sie so eine tolle Politik machen würden, würde Nordrhein-Westfalen doch an der Spitze der Bundesrepublik – da, wo es hingehört – stehen und nicht am Ende. Sie können sich doch hier nicht für irgendetwas abfeiern, obwohl das Land am Ende einer jeden Skala steht.

Ich könnte das Ganze so fortführen, Frau Kollegin Beer, indem ich über das Thema Wirtschaftspolitik spreche. Es gibt null Wirtschaftswachstum in diesem Land.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ich finde das absolut unredlich, Frau Kollegin Beer: Der Kollege Witzel hat im Dezember letzten Jahres die Vorschläge der FDP-Fraktion zur Sanierung des Haushaltes auf den Weg gebracht und ganz explizit die Bereiche Bildung, Kitas und innere Sicherheit außen vor gelassen, weil die für die Freien Demokraten zentral sind.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

– Frau Kollegin Beer, Sie können immer dazwischen schreien. Sie werden aber nicht schlauer, wenn Sie nicht einmal zuhören. Das wird nicht funktionieren.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Witzel?

Marcel Hafke (FDP): Gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich habe eine Frage an den Redner, um der Legendenbildung von Sigrid Beer hier vorzubeugen. Ich gehe davon aus, dass der Redner auch die Beschlüsse der FDP-Landtagsfraktion kennt. Deshalb meine Frage: Ist es zutreffend, was Kollegin Beer hier behauptet hat, wir wollten über Nacht 14.000 Stellen streichen? Oder ist es zutreffend, dass ich gesagt habe, bevor das Land 8.500 neue Stellen einrichtet, sollte man bei 14.000 Stellen, die im Haushalt durch Aufgabenwegfall frei werden, erst einmal gucken, ob man nicht aus diesen vorhandenen Stellen neue Aufgaben wahrnehmen kann? Welche Interpretation ist richtig?

Marcel Hafke (FDP): Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich glaube, die Antwort ergibt sich von selbst: Ihre diesbezügliche Analyse ist vollkommen richtig. Die Frage ist doch, ob man nicht durch ein kluges Personalmanagement – das macht jedes Unternehmen in diesem Land – erreichen kann, dass Personal, das irgendwo frei wird, woanders eingesetzt werden kann. Ich glaube, das ist doch das Natürlichste der Welt. Alles andere wäre auch Ressourcenverschwendung und im Übrigen auch nicht im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist doch vollkommen klar.

Man muss doch gucken, dass man das Personal dort, wo die Aufgaben sind, einsetzt. Dort, wo es keine Aufgaben gibt, kann auch Personal wegfallen und in anderen Bereichen eingesetzt werden. Ich meine, das ist das Normalste der Welt. Alles andere sind Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Und die kann sich ein Land, das mit über 140 Milliarden € belastet ist, nicht erlauben. So sieht einfach die Realität aus.

Nicht ohne Grund war die Situation so, dass Rot-Grün hier eine Verfassungsklage nach der anderen an den Hals bekam und diese auch verloren hat. Denn die Lage der Finanzen in diesem Land ist absolut katastrophal.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Kommen Sie einmal zum Thema zurück, oder ist das hier Allgemeingeplänkel?)

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zum Schluss …

(Josefine Paul [GRÜNE]: Keine Ideen, nichts!)

– Kollegin, natürlich haben wir Ideen. Ich kann es gerne noch einmal von Anfang an aufführen. Ich sage Ihnen ganz klar: Investieren Sie in gute Bildung, in U3-Plätze und in gute Erzieherinnen! Dort müssen Sie anfangen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Gleichzeitig? Das ist doch Wahnsinn, was Sie hier machen!)

Sprechen Sie über 24-Stunden-Kitas! Das würde dabei helfen, dass Menschen in Arbeit kommen können. Denn nicht jeder hat einen Job wie Sie, der morgens um 9 Uhr anfängt und abends um 18 Uhr beendet ist. Viele in diesem Land arbeiten im Schichtbetrieb. Sie brauchen 24‑Stunden-Kitas. Ihre Fraktion weigert sich am allermeisten, diesen Weg zu gehen. Gerade für Krankenschwestern, für Polizistinnen ist es enorm wichtig, solche Einrichtungen zu schaffen.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, abschließend eine Bitte; die ist bei dem Thema sehr notwendig. Ich möchte nicht mehr über Anträge mit irgendwelchen schwammigen Formulierungen – wir müssten mal und könnten mal – diskutieren. Formulieren Sie doch einmal ganz klar, was Ihr Anspruch an Ihre Regierung ist, was in den nächsten Jahren gemacht werden soll!

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das sagt der Richtige!)

Wir haben in den letzten Jahren bei den Themen „Kinderarmut“, „U3‑Betreuung“ und „Bildungssystem“ sehr deutlich erklärt, wo wir Prioritäten setzen würden. Ich würde mich freuen, wenn Sie das im letzten Jahr Ihrer Regierungszeit noch umsetzen würden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Es gibt noch eine Kurzintervention, angemeldet von Frau Beer. Bitte schön, Frau Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Ganz herzlichen Dank. – Herr Kollege Hafke, Sie wollen uns also erzählen, dass der Abbau von sozialen und ökologischen Standards tatsächlich die Lösung für das Land ist – das steckt ja hinter den Äußerungen von Herrn Witzel –, obwohl im Augenblick viele Menschen mit den Auswirkungen des Klimawandels, mit Starkwetterereignissen, zu kämpfen haben? Dann wissen wir, welchen Schutz die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen von der FDP zu erwarten hat.

Das Zweite ist, damit das ganz klar ist: Die 700 Millionen € Einsparungen, die Herr Witzel im Dezember verlangt hat, sind nur über die großen Personalhaushalte zu erbringen. Das sind in der Tat der Lehrerhaushalt, der Polizeihaushalt oder auch der Justizhaushalt. Das können Sie nicht aufklären. Aber offensichtlich haben wir da eine wunde Stelle getroffen, wie man an den hektischen Reaktionen des Kollegen Witzel merkt.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass wir, wenn wir zurückschauen – ich habe es gestern schon gesagt –, allein den Kommunen über 11 Milliarden € mehr gegeben haben und auch geben mussten, damit der Raubzug, den Sie, Schwarz-Gelb,

(Ralf Witzel [FDP]: Oh!)

den Kommunen zwischen 2005 und 2010 zugemutet haben, beendet wurde,

(Beifall von der SPD – Wolfgang Jörg [SPD]: Ausgeblutet!)

damit die Kommunen überhaupt wieder in Bildung investieren und ihren Aufgaben als Schulträger sowie auch als Träger der Jugendhilfe nachkommen können. Genau das haben wir wieder instand gesetzt.

Wir mussten viel von dem reparieren, was Sie angerichtet hatten. Das haben wir mit Überzeugung getan – und haben in Bildung, in die Kommunen und auch in den Schutz der Menschen in NRW investiert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Beer. – Ihre Antwort oder Ihre Reaktion darauf. Bitte, Herr Kollege Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Frau Kollegin Beer, es ist schon abenteuerlich, welche falschen Behauptungen Sie hier in den Raum stellen.

(Beifall von der FDP – Lachen von Sigrid Beer [GRÜNE] – Dagmar Hanses [GRÜNE]: Das war Ihr Redebeitrag!)

Die Freien Demokraten setzen sich seit den Zeiten von Hans-Dietrich Genscher für die Themen „Umweltschutz“ und „Naturschutz“ und für eine gute Klimapolitik ein.

Der große Unterschied ist aber, dass wir das mit Augenmaß machen. Ihre Gesetzgebung – das Naturschutzgesetz, der Landesentwicklungsplan oder auch das Tariftreuegesetz – führt dazu, dass Nordrhein-Westfalen mittlerweile bei einem Wirtschaftswachstum von null Prozent angekommen ist.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Das wiederum führt dazu, dass dieser Standort nicht mehr attraktiv genug ist. Wenn man Umweltstandards ernst meint, dann kann man das auch an Maßstäben wie Bundesregelungen und europäischen Regelungen festmachen und muss nicht versuchen, in Nordrhein-Westfalen das Klima der gesamten Welt zu schützen. Das wird auch ein Herr Remmel nicht hinbekommen. Es geht insbesondere um den nicht akzeptablen Stellenaufwuchs in dem Ministerium von Herrn Remmel. Das Personal hätten wir auch in anderen Bereichen einsetzen können.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn wir dann über die Kommunalfinanzen sprechen, Frau Kollegin, will ich nur eine Anmerkung dazu machen: Wer hat denn seit 30 Jahren dafür gesorgt, dass es den Kommunen so schlecht geht? – Das war die Sozialdemokratie, weil sie die Verbundsätze geändert hat.

(Ingrid Hack [SPD]: Kommen Sie mal zum Thema zurück! – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Die Kommunen hängen seit Ende der 80er-Jahre am finanziellen Tropf. Sie sind finanziell ausgeblutet, weil Sie sie nicht ausreichend ausstatten.

(Ingrid Hack [SPD]: Wir können auch ins andere Jahrhundert zurückgehen, Herr Hafke!)

Schauen Sie einmal in andere Bundesländer! Da wird den Kommunen mehr Geld gegeben, als es bei uns der Fall ist. So sieht die Situation in Nordrhein-Westfalen auch aus, meine Damen und Herren.

Leider ist die Redezeit abgelaufen.

(Ingrid Hack [SPD]: Gott sei Dank!)

Ich würde mich freuen, wenn wir das an einer anderen Stelle noch mal …

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

– Wissen Sie, Sie können doch nicht immer nur …

Vizepräsident Oliver Keymis: Die Zeit ist rum, Herr Kollege. Wir sind ein bisschen über der Zeit, was die Intervention betrifft. – Vielen Dank für Ihre Einlassungen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Als nächster Redner spricht für die Fraktion der Piraten Herr Wegner.

Olaf Wegner (PIRATEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Menschen am Stream und auf der Tribüne! Zuerst möchte ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, für diesen Antrag danken. Sie haben darin – wenn auch übertrieben akribisch, so doch in fleißiger Arbeit – dargelegt, wie mangelhaft die Menschenrechte der Kinder in diesem Land umgesetzt und geachtet werden.

Sicher, Sie haben jedes Mal angemerkt, was das Land, also Sie bzw. die Landesregierung, schon getan hätten. Aber es lässt sich selbst in Ihrem Antrag nicht verbergen, dass vieles nicht wirklich umgesetzt worden ist. Das sagen Sie – das möchte ich ausdrücklich anerkennen – in Ihrem Text ganz deutlich. Ich zitiere:

„Nüchtern betrachtet muss festgestellt werden, dass die UN-KRK in zahlreichen Bereichen unzureichend umgesetzt und noch immer zu wenig bekannt ist.“

(Andrea Asch [GRÜNE]: Das Schöne ist ja, dass die FDP genau das Gegenteil gesagt hat!)

Denn das, was bisher von Ihnen umgesetzt wurde, sind in der Hauptsache Projekte, Modelle, runde Tische, Kampagnen und endlose Gesprächsschleifen.

(Ingrid Hack [SPD]: Nein, das stimmt nicht, Herr Wegner!)

Wir, die Piratenfraktion, haben schon mehrere und vor allem konkrete Gesetzentwürfe, Gesetzesänderungen und Anträge gestellt, die eine wirkliche und dauerhafte Umsetzung der Menschenrechte der Kinder in Nordrhein-Westfalen befördern würden.

Ich erinnere hier an die Anträge mit konkreten Vorschlägen zur Änderung des Kinderbildungsgesetzes, an die Anträge, in denen wir die wirkliche Umsetzung der Menschenrechte der Kinder gefordert haben, und an die, in denen wir die konkrete Informationsvermittlung über den Inhalt der UN-Menschenrechtskon-vention über die Rechte der Kinder gefordert haben. Nur haben Sie diese Anträge, wie häufig, mit leicht überheblichem Unterton abgewiesen und weiterhin auf Eigenlob gesetzt.

Eigenlob ist in Ihrem Antrag ja auch wieder versucht worden. Es klingt diesmal allerdings doch ein bisschen kleinlaut. Vielleicht möchte ich Ihnen auch deswegen für den 15-seitigen Antrag danken. Denn erst jetzt, wo Sie sich einmal umfassend mit den Menschenrechten der Kinder und deren Umsetzung und Achtung auseinandergesetzt haben, fällt auch Ihnen auf, dass Sie zu wenig getan haben. Ihr Eigenlob wirkt plötzlich bemüht und bleibt im Antrag selbst im Halse stecken.

(Beifall von den PIRATEN sowie Walter Kern [CDU] und Josef Hovenjürgen [CDU])

So liest man in Ihrem Antrag davon, dass dies noch vorgesehen ist, jenes geprüft wird, das eine Projekt hier, das andere dort unterstützt wird oder wieder ein Modell finanziert wird, Verbesserungen diskutiert werden müssen oder sogar schon diskutiert werden. Sogar ein Ausführungsgesetz zum SGB VIII von 2004 wird herangezogen.

Die Liste Ihrer Absichtserklärungen, garniert mit kleinen Projekten, Dialogen und Vorhaben, lässt sich durchaus weiterführen. Aber das kann ja jeder dank Ihrer Fleißarbeit im Antrag noch einmal nachlesen.

Ich will jedoch die Prosa in Ihrem Antrag auch nicht zu ernst nehmen. Was letztlich wichtig ist und seine Wirkung erzielen soll, ist der Teil Ihres Antrags, in dem Sie die Landesregierung auffordern.

Sie fordern beispielsweise dazu auf, kommunale Ombudschaften langfristig und nachhaltig zu unterstützen. Wir hatten damals schon gefordert, die Ombudschaft NRW zu unterstützen; Sie wollten das erst einmal einer Prüfung unterziehen.

(Dagmar Hanses [GRÜNE]: Das passiert doch schon!)

Weiter fordern Sie auf, Sorge dafür zu tragen, dass die UN-Kinderrechte in Nordrhein-Westfalen einen höheren Bekanntheitsgrad erlangen. Das hatten auch wir schon mehrfach gefordert; Sie hielten den Bekanntheitsgrad bisher für ausreichend.

Bis hierhin fordern Sie in Ihrem Antrag zumindest relativ Konkretes, aber es bleibt nicht verborgen, dass es trotz Eigenlobs bei Weitem nicht ausreicht. Doch im Weiteren ist wieder nur von Erörtern, Prüfen, Berichten, Fördern, wieder Prüfen, wieder Unterstützen und wieder von kurzlaufenden Projekten und einzelnen Modellen die Rede. Und dann kommt das, was häufig kommt. Sie fordern am Schluss Ihres Antrags die Bundesregierung auf, die Rechte der Kinder und Jugendlichen im Sinne der UN-Menschenrechtskon-vention durchzusetzen.

Mensch, machen Sie es doch selber! Machen Sie es hier in Nordrhein-Westfalen, und machen Sie es für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land!

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und Marcel Hafke [FDP])

Da Sie jetzt vieles, wie in Ihrem Antrag formuliert, in Zukunft, also im letzten Jahr sehr wahrscheinlich, noch auf den Weg bringen möchten, frage ich mich, warum Sie in den letzten vier Jahren so wenig Konkretes für die Menschenrechte der Kinder auf den Weg gebracht haben. Aber vielleicht können wir das ja noch alle gemeinsam tun.

Wir Piraten werden auf jeden Fall nicht lockerlassen, die wirkliche Umsetzung der Menschenrechte der Kinder zu fordern und konkrete Anträge einzureichen.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir Piraten fordern zum Beispiel ganz konkret die Einrichtung und Besetzung einer Stelle eines unabhängigen Landesbeauftragten für die Rechte und Belange von Kindern und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen. Dazu findet in diesem Monat eine Anhörung statt, in der wir, vielleicht auch gemeinsam mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen – und es wird ja sehr wahrscheinlich auch zu Ihrem Antrag eine Anhörung geben –, einen wirklichen Fortschritt für die Umsetzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in diesem Land erreichen können.

Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss, jetzt, wo Sie und wir von Ihnen fleißig und umfangreich über die schlechte und mangelhafte Umsetzung und Achtung der Menschrechte der Kinder ins Bild gesetzt worden sind. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Wegner. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Kampmann.

Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Hafke, herzlichen Glückwunsch! Sie haben es wieder einmal geschafft, eine, wie ich finde, wirklich gute Debatte zum Thema Kinderrechte zu einer Debatte darüber zu machen, wer jetzt eigentlich mit dem Finger auf wen zeigt. Ich finde, das ist diesem Thema unwürdig. Das zeigt sehr deutlich, worum es Ihnen wirklich geht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn ich Sie auch noch kurz daran erinnern darf: Ihre Regierung, die schwarz-gelbe Regierung, hat damals keinen einzigen Cent in den U3-Ausbau gesteckt. Das heißt, das, was Sie jetzt fordern, ist verlogen, weil Sie in Ihrer Regierungszeit

(Widerspruch von der CDU und der FDP)

keinen einzigen Finger dafür gerührt haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle wissen, Demokratie ist eine ständige Aufgabe, und wir alle müssen daran arbeiten. Wir haben hier erst vor zwei Tagen das Handlungskonzept gegen rechts vorgestellt. Ich denke, das war für uns alle ein wichtiges Signal, und es zeigt: Wir wollen bei Prävention früh ansetzen, und wir wollen unsere Demokratie verteidigen, wir wollen sie auf ein sicheres Fundament stellen.

Das gilt für uns Erwachsene, aber das gilt gerade auch für Kinder und Jugendliche; denn sie sind es, die unsere Demokratie in Zukunft gestalten wollen. Deshalb sind der Schutz und die Förderung von Kindern und Jugendlichen an dieser Stelle auch besonders wichtig. Und uns geht es dabei vor allem auch um benachteiligte junge Menschen samt ihrer Familien. Das ist unsere zentrale gesellschaftspolitische Pflicht. Und die Landesregierung stellt sich dieser Verantwortung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hafke?

Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Ja, natürlich.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Vielen Dank. Frau Ministerin. – Sie haben gerade eben gesagt, wir hätten keinen Cent in das Thema U3-Ausbau in unserer Regierungszeit investiert.

(Zuruf von den GRÜNEN: Eigenes Geld!)

– Das hat sie nicht gesagt. – Ich möchte Sie gerne fragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben und die Zahlen richtig sind, dass zur Zeit Ihrer damaligen Regierungsverabschiedung im Jahr 2005 die Zahl der U3-Plätze in Nordrhein-Westfalen bei knapp 10.000 lag, während sie im Jahr 2010, als wir die Regierung abgegeben haben, bei über 90.000 Plätzen lag, die natürlich entsprechend gebaut und finanziert wurden.

Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Ja, Sie haben es gerade schon gehört: Es war kein eigenes Geld, was Sie da in die Hand genommen haben. Und genau darüber habe ich gerade geredet, Herr Hafke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn Kinder und Jugendliche mitreden und mitentscheiden können, ist es für sie wichtig, schon früh zu lernen, was eigentlich eine gute Gemeinschaft ausmacht. Denn dass jede und jeder seinen eigenen Platz bekommt, dass jede einzelne Meinung wichtig ist und respektiert werden muss, ist unsere Pflicht. Deshalb sind uns Beteiligungs- und Mitbestimmungsangebote wichtig.

Diese Mitbestimmungsangebote müssen für Kinder und Jugendliche auch leicht zugänglich und niederschwellig sein. Denn hier können sie sich mit anderen Akteuren austauschen, hier können sie eigene Themen einbringen, und hier können sie diese Themen auch bearbeiten.

Ich denke zum Beispiel an die Bereiche von Schule oder Kommunalpolitik, denn da haben auch Kinder und Jugendliche wichtige Bedürfnisse. Kinder und Jugendliche möchten mitreden, wenn es darum geht, einen neuen Spielplatz zu bauen. Sie stellen sich Fragen wie: Warum hat unser Freibad eigentlich keine anderen Öffnungszeiten? Wie kann unsere Stadt insgesamt kinder- und jugendfreundlicher werden?

Damit das noch besser gelingt, brauchen wir einen Paradigmenwechsel, den diese Landesregierung längst eingeleitet hat. Wir sagen: Wir müssen vom Kind aus denken. Wir müssen Kinder in den Mittelpunkt unserer Politik stellen, denn sie haben ganz eigene Wünsche und Bedürfnisse. Dieser Grundsatz muss jetzt noch stärker in die allgemeine Gesetzgebung eingebracht werden.

Deshalb sage auch ich ganz klar – die Kolleginnen Asch und Hack haben es eben vorgetragen –: Kinderrechte, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehören ins Grundgesetz. Denn ohne Kinder ist in unserem Land kein Staat zu machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb freue ich mich auch sehr darüber, dass die Konferenz der Jugend- und Familienministerinnen und -minister beschlossen hat, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Kinderrechte einzusetzen, die sich unter anderem genau mit dieser Frage der Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz beschäftigt.

Wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche über ihre Rechte zu informieren und sie an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen, sage ich: Auch das ist uns als Landesregierung wichtig. Wir haben in den vergangenen Jahren viel getan, um genau dieses auch auf den Weg zu bringen, und zwar nicht nur punktuell, wie Sie eben gesagt haben, sondern tatsächlich strukturell.

Bei der KiBiz-Revision – das wurde eben schon angemerkt – wurden vor allem zwei Dinge hervorgehoben und gestärkt, nämlich zum einen die Bedeutung von Kinderrechten im Allgemeinen und zum anderen die Grundlagen zur Einübung von Partizipation, von Mitwirkung und von demokratischem Prozess; denn gerade an dem Ort der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen kommt es auf die Qualität an, mit der sie sich tatsächlich auch einbringen können.

Der kommunale Jugendhilfeausschuss ist dabei der Ort, an dem die Interessen von Kindern und Jugendlichen und ihre Beteiligung politisch gefördert werden müssen. Deshalb ist ein kommunaler Kinder- und Jugendförderplan, der tatsächlich auch auf Beteiligung ausgerichtet ist, an dieser Stelle unglaublich hilfreich.

Gemeinsam mit den beiden Landesjugendämtern wollen wir mit der einmischenden Jugendpolitik auf kommunaler Ebene dem Ganzen einen neuen Impuls geben. Dazu haben wir mit kommunalen Fachvertreterinnen und Fachvertretern einen Arbeitsprozess eröffnet, um Eckpunkte und Instrumente einer einmischenden kommunalen Jugendpolitik zu beschreiben und den Jugendämtern in Nordrhein-Westfalen auch entsprechend vorzustellen.

Es gibt viele weitere Beispiele für von uns geförderte Projekte und Initiativen, die strukturell wirken und die Partizipation und Förderung nachhaltig stärken – zum Beispiel die Förderung der Jugendverbandsarbeit, die Servicestelle für Kinder- und Jugendbeteiligung beim Landesjugendamt Westfalen-Lippe oder die Unterstützung kommunaler Ombudsschaften.

Wir sind in Nordrhein-Westfalen an vielen Stellen aktiv, wenn es darum geht, die UN-Kinderrechtskon-vention umzusetzen. Wir werden diesen Weg auch weiter gehen; denn wir alle wissen: Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Sie sind die Erwachsenen von morgen. In unserer Demokratie sollen und müssen ihre Wünsche auch gehört werden.

Frau Schulze Föcking, Sie haben eben wieder das Thema „Kinderarmut“ aufgemacht. Ich sage Ihnen ganz ausdrücklich: Auch ich bedaure sehr, dass die Kinderarmut bundesweit wieder angestiegen ist. Das ist beschämend genug. In Nordrhein-Westfalen ist sie aber schon einmal angestiegen, und zwar in Ihrer Regierungszeit, und zwar gegen den Bundestrend.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Das macht es viel besser?!)

– Das macht es nicht besser. Aber deshalb wäre ich an Ihrer Stelle vorsichtig, immer wieder darauf zu verweisen.

(Angela Freimuth [FDP]: Man kann doch nicht die Augen davor verschließen!)

Wir wissen, dass es Mut braucht, auf Prävention zu setzen, weil Prävention keinen Legislaturperioden folgt. Prävention ist immer ein langer Weg. Wir werden genau diesen Weg auch weiter gehen, weil wir davon überzeugt sind, dass es der richtige Weg für Kinder und Jugendliche ist. Deshalb begrüße ich diesen Antrag auch ganz ausdrücklich. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Kampmann. Sie haben noch eine Kurzintervention abzuarbeiten, und zwar angemeldet von Herrn Kollegen Tenhumberg. Er wird anderthalb Minuten zu Wort kommen. Danach haben Sie Gelegenheit, darauf noch einmal einzugehen. – Bitte schön, Herr Kollege Tenhumberg.

Bernhard Tenhumberg (CDU: Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Eingangs will ich bezogen auf die Ausführungen von Herrn Hafke doch einmal betonen, dass die parteiische Landesregierung sich nicht anmaßen sollte, zu beurteilen, was hier in den Äußerungen würdig ist und unwürdig ist. Das steht Ihnen nicht zu. So etwas steht nur dem Präsidium oder höchstens den Abgeordneten zu.

Frau Ministerin, in dem Antrag heißt es – ich zitiere –:

„Kinder haben bereits in den KiTas und in der Kindertagespflege ein Recht auf Beteiligung.“

Ist Ihnen bekannt, Frau Ministerin, dass in dem Zeitraum 2005 bis 2010 in Nordrhein-Westfalen ein Modellprojekt mit dem Namen „Die Kinderstube der Demokratie“ gestartet worden ist und dass Ihre Parteien 2011 die Anträge, das weiterzuentwickeln, abgelehnt haben? Ist Ihnen bekannt, dass es dazu von der Universität Hamburg unter Führung von Prof. Sturzenhecker einen Abschlussbericht mit Evaluationsempfehlungen gibt? Sind diese seit März 2010 bekannten Fakten bereits von Ihnen umgesetzt, oder beabsichtigen Sie, diese umzusetzen?

Zweite Anmerkung, Frau Ministerin: Herr Hafke hat darauf hingewiesen, dass unfairerweise fraktionsübergreifende Gespräche vorgezogen und einseitig für Parteizwecke missbraucht werden. In dem Antrag wird aber darauf hingewiesen, dass Jugendbeteiligung anders gestaltet werden muss. Sind Sie mit mir einer Meinung und schließen Sie sich den Äußerungen des Kinder- und Jugendrates NRW von September 2012 an? Er fordert:

„Eine institutionalisierte, dauerhafte und wirklich funktionsfähige Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an politischen Prozessen kann aus unserer Sicht nur im Rahmen eines allgemein demokratisch legitimierten Gremiums stattfinden.“

Finden Sie diese Äußerung auch richtig?

Abschließend möchte ich Sie fragen:

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Wollen Sie die Beteiligungsform vorgeben? Oder wollen Sie es den Jugendlichen und Kindern überlassen, selber über die Beteiligungsform zu entscheiden?

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Vizepräsident Oliver Keymis: Jetzt ist die Zeit zu Ende. – Bitte schön, Frau Ministerin.

Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Lieber Herr Tenhumberg – Herr Kern klatscht; ganz fantastisch –, wie jetzt schon häufiger angemerkt wurde, legen wir bzw. die regierungstragenden Fraktionen auf 15 Seiten in diesem Antrag sehr konkret dar, wie wir uns Kinder- und Jugendbeteiligung vorstellen. Deshalb müssen Sie mich jetzt nicht noch einmal fragen, was ich von irgendwelchen Vorschlägen aus Ihrer Regierungszeit halte. Wir haben hier ganz konkret gesagt, wie wir uns Kinder- und Jugendbeteiligung vorstellen und welchen Weg wir dafür in Zukunft gehen. 15 Seiten sind dafür genug, finden wir.

Darauf sollten auch Sie sich einlassen. Gehen Sie diesen Weg mit uns weiter. Ich freue mich darauf, das im Ausschuss weiter zu diskutieren, und freue mich vor allem auf Ihre weiterhin konstruktiven Vorschläge in diesem Kontext. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Dr. Maelzer.

Dr. Dennis Maelzer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich im Vorfeld gefragt, welchen Charakter die heutige Debatte haben würde. Würden wir sachlich, vielleicht sogar einmütig über das Thema „Kinderrechte“ diskutieren, weil dieses Thema allen Parteien am Herzen liegt? Oder würden wir rasch ins politische Klein-Klein abdriften und uns gegenseitig Vorhaltungen machen?

Nachdem meine Kollegin Ingrid Hack sehr angemessen und sachlich in die Debatte eingestiegen ist, stand der Parteienstreit sehr schnell dann doch wieder im Mittelpunkt. Das war leider bei Frau Schulze Föcking der Fall, und bei Herrn Hafke ist es dann völlig eskaliert.

(Heiterkeit und Zustimmung von der SPD)

Bevor mir das auch passiert, bleibe ich erst einmal beim Thema. Frau Schulze Föcking, ich hätte mir wirklich gewünscht, dass Sie in Ihrer Rede auf unsere Forderungen eingegangen wären, die Kinderrechte auch im Grundgesetz zu verankern. Dieses Ziel der SPD und dieser Regierung verfolgen wir seit Jahren. Leider scheitert die Umsetzung immer wieder an der Union. Das finde ich sehr bedauerlich.

In Art. 6 Grundgesetz werden Kinder zwar erwähnt, sie sind dort aber nur Regelungsgegenstand, wenn es um die Rechte der Eltern bei der Erziehung geht. Im Grundgesetz selbst werden der Vorrang des Kindeswohls und der grundlegende Gedanke, dass Kinder eigenständige Persönlichkeiten sind, noch nicht zum Ausdruck gebracht. Das sollten wir ändern. Kinderrechte gehören ins Grundgesetz.

(Beifall von der SPD und Dagmar Hanses [GRÜNE])

Aber, Frau Schulze Föcking, Sie haben gesagt, Sie freuten sich auf die Ausschussdebatte. Wenn Sie uns da mal mit Ihrer Anwesenheit beehren, können wir die Debatte dort vielleicht weiterführen.

(Beifall von den GRÜNEN – Dagmar Hanses [GRÜNE]: So ist es!)

Herr Hafke, hat davon gesprochen, Jugendbeteiligung sei für uns kein Thema.

(Zustimmung von Marcel Hafke [FDP])

In der Tat ist das ein starkes Stück. Und dann zu behaupten, die FDP hätte irgendetwas nach vorne gebracht? Wir waren diejenigen, die die Wiedereinführung der Drittelparität bei den Schulen erreicht haben.

(Beifall von der SPD)

Wir waren diejenigen, die Jugendverbände mit mehr Geld ausgestattet haben.

(Beifall von Wolfgang Jörg [SPD])

Wer setzt denn vor Ort die Jugendbeteiligung um, wenn es nicht die Jugendverbände sind? Wir sind diejenigen, die für das Wahlalter mit 16 kämpfen. Und wir sind diejenigen, die im Elementarbereich die Beteiligung von Kindern festgeschrieben haben.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Lieber Bernhard Tenhumberg, es ist ja schön, dass Ihr in eurer Regierungszeit ein Modellprojekt gemacht habt. Wir haben gesagt: Wir brauchen keine Modellprojekte mehr; wir schreiben das ins Gesetz. Denn das muss gelebter Alltag in unseren Kitas werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es war auch klar, dass sich die Opposition, zumindest die auf der rechten Seite, an dem Ziel „Kein Kind zurücklassen“ abarbeiten wird. In einem Punkt sind wir uns einig: In NRW sind noch immer zu viele Kinder von Armut betroffen. Das spart unser Antrag gar nicht aus.

Eines ist doch klar: Wenn es uns gelingt, Präventionsketten vor Ort aufzubauen, wenn Kinder aus benachteiligten Familien früher gefördert werden, wenn es uns gelingt, schulisches Scheitern zu verhindern, ist die Familie des Kindes dadurch natürlich nicht automatisch reicher. Auch mit einer vorsorgenden Politik ist Armut nicht in kürzester Zeit verschwunden. Das wissen Sie doch genauso gut wie ich.

Aber wir wissen doch auch, dass sich Armut in unserem Land noch immer stark vererbt. Wenn ein Kind in eine arme Familie hineingeboren wird, ist die Chance hoch, dass es arm bleiben wird. Das ist der eigentliche Skandal. Wir kümmern uns mit vorsorgenden Politik darum, dass das nicht so bleibt. Wir sorgen dafür, dass Armut nicht zum Schicksal wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von Walter Kern [CDU] und Marcel Hafke [FDP])

Dafür braucht es in der Tat Mut, auch Ungleiches ungleich zu behandeln. Darum haben wir in unserem Land plusKITAS eingeführt, damit in den Quartieren, in denen mehr Kinder aus benachteiligten Familien leben, mehr Geld in die Kitas fließt.

(Beifall von Wolfgang Jörg [SPD])

Darum haben wir die Sprachfördermittel auf die Kitas konzentriert, wo viele Kinder mit Bedarf an Sprachförderung sind, weil es immer noch ein Skandal ist, dass Vladimir oder Ayse, wenn sie sich auf dem Arbeitsmarkt bewerben, schlechtere Jobchancen haben. Man muss möglichst früh damit anfangen, ihnen gleiche Chancen einzuräumen. Wir haben das gemacht. Sie haben dagegen gestimmt. Sie haben gegen diesen Ansatz polemisiert.

(Zuruf von der FDP: Zu Recht!)

Kein anderes Bundesland hat im Elementarbereich in den letzten Jahren so viel mehr Geld aufgewandt wie Nordrhein-Westfalen. Wir haben die Mittel mehr als verdoppelt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von Walter Kern [CDU] und Marcel Hafke [FDP])

Im U3-Bereich haben wir eine beispiellose Aufholjagd gestartet. Frau Freimuth war eben total geschockt, als sie erfahren hat: Ja wirklich, unter FDP und CDU wurde kein Cent eigenen Geldes in den U3-Ausbau gesteckt. – Das mussten wir alles nachholen, und wir haben es geschafft. Es gibt keine Klagewelle in Nordrhein-Westfalen, weil zu wenige Plätze zur Verfügung stehen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Walter Kern [CDU])

Und in der Tat: Wir bauen noch weiter aus. Es gibt weitere Mittel für U3-Plätze. Es gibt auch zusätzliche Mittel für Ü3-Plätze, weil uns dieses Thema ganz besonders am Herzen liegt.

Meine herzliche Bitte: Wenn Sie mir nicht glauben, dass vorsorgende Sozialpolitik der richtige Weg ist, glauben Sie es doch bitte Ihren eigenen Mitgliedern. Wenn man gesehen hat, wie begeistert der Oberbürgermeister von Hamm, Herr Hunsteger-Petermann, der der CDU angehört, von „Kein Kind zurücklassen“ spricht

(Beifall von Norbert Römer [SPD])

und wie begeistert er davon berichtet, dass der Sprachförderbedarf gesunken ist, dass mehr Kinder eine bessere Schulempfehlung bekommen und dass mehr Kinder mit Benachteiligung einen Ausbildungsplatz bekommen, glauben Sie doch wenigstens Ihren CDU-Kollegen, die bei diesem Thema nicht nur auf Parteipolitik setzen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn wir über Kinderarmut sprechen, frage ich Sie: Was war denn der erste Punkt von Armin Laschet, den er angegangen ist, als er Familienminister wurde? – Er hat die landeseinheitliche Beitragstabelle im Kitabereich abgeschafft. Sie können mir doch nicht erzählen, dass, wenn wir beispielsweise nach Köln blicken, wo die Eltern der Kinder ab einem Jahreseinkommen von 12.271 € anfangen, Beiträge zu zahlen,

(Marcel Hafke [FDP]: Wer regiert Köln denn?)

die Schaffung des beitragsfreien Kitajahres nicht den armen Familien helfe. Sind für Sie 12.271 € ein mittleres Einkommen? Ist diese Familie reich? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein, liebe CDU.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Walter Kern [CDU]: Herr Maelzer, schauen Sie doch mal nach Lippe!)

– In Lippe ist Detmold die einzige Stadt, die einen Freibetrag mit 25.000 € …

(Walter Kern [CDU]: In deiner Heimatstadt gestiegen – die Kindergartenbeiträge!)

– In meiner Heimatstadt gibt es einen Freibetrag von 25.000 €.

(Walter Kern [CDU]: Gestiegen!)

Ich würde mir wünschen, dass es in deiner Heimatstadt einen ähnlich hohen Freibetrag geben würde.

(Beifall von der SPD)

Wenn Ihnen die Themen „Kinderarmut“ und „Kinderrechte“ wichtig sind, kämpfen Sie mit uns gemeinsam für eine gerechte Vermögensverteilung in diesem Land. Kämpfen Sie mit uns für eine Kindergrundsicherung. Kämpfen Sie mit uns für Kinderrechte im Grundgesetz und betreiben Sie in solcher Debatte nicht nur Parteipolitik.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr.  Maelzer. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Tenhumberg.

Bernhard Tenhumberg (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Allein mit der Überschrift des rot-grünen Antrags „Rechte von Kindern und Jugendlichen in NRW stärken“ haben wir unsere Probleme.

Wir wollen mehr. Wir wollen Kinder und Jugendliche stärken. Das ist ein elementarer Unterschied.

Wenn Sie formell die Rechte stärken, ist für die Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen noch nichts passiert und erreicht. Wenn ich aber die Kinder und Jugendlichen selber stärke, dann habe ich eine tatsächliche Stärkung der Partizipation

(Beifall von Walter Kern [CDU])

in allen Angelegenheiten der Kinder und Jugendlichen gewährleistet.

Bei Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen sind die Kinder und Jugendlichen nicht besonders gut aufgehoben.

Ich verweise auf die Plenarsitzung vom 11. März 2004 und zitiere eine SPD-Sprecherin: Ich betrachte es nicht als Zufall, dass der Ausschuss bei seiner Umbenennung das Wort „Kinder“ an die erste Stelle setzte. Vielmehr ist die Anordnung ein deutlicher Hinweis darauf, wie wichtig dem Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie gerade die Belange der Kinder sind. Ich denke, der Ausschuss stellt dies in seiner Arbeit immer wieder unter Beweis. – Zitatende.

Ich stelle fest: Diese Aussage und Wertschätzung aus 2004 gelten bei SPD und Grünen nicht mehr, denn die rot-grüne Mehrheit hat allein mit der Umbenennung des Ausschusses die Prioritäten von Kindern und Jugendlichen deutlich sichtbar nach hinten gestellt.

In der gleichen Sitzung erklärte dann die zuständige Ministerin: Ich jedenfalls sehe die Berücksichtigung der Belange von Kindern im parlamentarischen Beratungsverfahren des Landtages durch die Tätigkeit des zuständigen Ausschusses auch im Interessenausgleich mit anderen Politikbereichen als völlig ausreichend gewährleistet.

Das war verbunden mit dem Redebeitrag der SPD – Zitat –: Ich bin überdies der Meinung, dass die Kinder im Land Nordrhein-Westfalen einen Anspruch darauf haben, dass wir uns auch weiterhin sorgfältig um ihre Belange kümmern und nicht in blindem Aktionismus Schnellschüsse abfeuern, deren Sinn ich nicht erkennen kann. – Zitatende.

Ich stelle heute fest: Dieser vorliegende Antrag ist von allgemein formulierten Passagen und Selbstverständlichkeiten gekennzeichnet. Er hat anscheinend nur ein Ziel, nämlich durch Aktionismus abzulenken von den katastrophalen realen Verhältnissen in diesem Land Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU)

Tabellenletzter in Deutschland zu sein, das ist schon makaber und peinlich.

Meine Damen und Herren, der Antrag ist deshalb ein reines Ablenkungsmanöver von den beschämenden Problemlagen in unserem Lande.

Die rot-grüne Landesregierung hat in der vorgenannten Plenarsitzung erklärt: Auch die UN-Kinderrechts-konvention konnte in dieser Zeit sehr, sehr gut bekanntgemacht werden. Mit dem einstimmigen Beschluss des Landtages zur Aufnahme von Kinderrechten in Art. 6 der Landesverfassung im Januar 2002 sind verlässliche Grundlagen für eine offensive Politik für Kinder in Nordrhein-Westfalen entstanden.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Hack?

Bernhard Tenhumberg (CDU): Jetzt nicht, zum Schluss.

Vizepräsident Oliver Keymis: Jetzt nicht. Gut.

Bernhard Tenhumberg (CDU): Spätestens an dieser Stelle frage ich mich bezogen auf den aktuell vorliegenden Antrag, der ja die Erhöhung des Bekanntheitsgrades der UN-Konvention fordert, was die rot-grüne Landesregierung eigentlich die ganzen Jahre über gemacht hat.

(Walter Kern [CDU]: Nichts!)

2004 erklärte man, die UN-Kinderrechtskonvention sei sehr, sehr bekannt, und heute will man wieder – natürlich mit Projekten und noch einmal Projekten – den Bekanntheitsgrad einer Verordnung erhöhen.

Was soll das für unsere Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen eigentlich bringen? Meine Damen und Herren, was wird wohl ein heute sechsjähriges Kind zu dieser rot-grünen Symbolpolitik in zwölf Jahren sagen?

Es wird mit Aussicht auf Erfolg, im Jahre 2028 das Land verklagen wegen unterlassener Hilfeleistung und Förderleistung

(Beifall von Walter Kern [CDU])

verbunden mit gebrochenen Versprechen und wird die Begründung anführen, dass Rot-Grün die Kinderarmut zugelassen hat, keine Bildungsgerechtigkeit gewährleistet hat, keine nachhaltigen flächendeckenden Angebote für Kinder und Jugendliche eingerichtet hat, sondern nur zeitlich und regional begrenzte Leuchtturmprojekte gefördert hat, keine flächendeckenden Angebote für Kinder und Jugendliche gemacht hat, keine auskömmliche Finanzierung für die Kindertagespflege und die Kitas umgesetzt hat, keinen verlässlichen Übergang von der Kita in die Schule organisiert und keine fachlich und sachgerecht begründete Inklusion und Integration gewährleistet hat.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag bringt keinerlei neue Erkenntnisse, ist rückwärtsgewandt und enthält keine Vision für die Zukunft. Es ist ein Antrag, in dem Textbausteine mit Namen versehen wurden und Wünsche und Prüfaufträge angedeutet werden, die den seit Jahren bekannten Stand der wissenschaftlichen und politischen Erkenntnisse wiedergeben.

Dann fällt Ihnen ganz zum Schluss auch noch einmal ein: Ach, da gibt es ja auch noch die Familien. – Ein Fünfundvierzigstel widmen Sie in Ihrem 15-seitigen Antrag der Familie. Tolle Ansichten!

Dieser rot-grüne Antrag macht zum wiederholten Male deutlich, dass seit vielen Jahren in Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün nur verwaltet statt gestaltet wird,

(Beifall von der CDU und der FDP)

dass lediglich der Aktionismus Hochkonjunktur hat und nur noch Projekte, Projekte und Showprojekte veranstaltet werden.

(Dagmar Hanses [GRÜNE]: Das ist doch nicht wahr!)

Über Nachhaltigkeit in der Kinder- und Jugendpolitik macht sich Rot-Grün schon seit Jahren keine Gedanken mehr. Das Einzige, was bei Ihnen nachhaltig ist, ist das Verschieben von Problemen.

(Beifall von der CDU und den PIRATEN)

Meine Damen und Herren, ich komme zurück auf das theoretisch angedachte Gerichtsverfahren und vermute folgendes Urteil:

Erstens. Die Ministerin Kampmann wird auf Bewährung verurteilt wegen Naivität, auf Bewährung deshalb, weil sie unwissend und von der Ministerpräsidentin nicht aufgeklärt einen desolaten Verein von ihrer Vorgängerin übernommen und der Finanzminister sie ständig finanziell geknebelt hat.

Zweitens. Dem familien- und kinderpolitischen Sprecher der SPD wird wegen Verharmlosung, falscher Versprechungen, Täuschungen und weil er Parteiinteressen vor Kinder- und Jugendinteressen gestellt hat, ein politisches Tätigkeitsverbot zur Vermeidung weiterer Schäden auferlegt.

(Beifall von der CDU)

Drittens. Die im Verfahren von der SPD benannten Verantwortlichen der Grünen haben sich der Verantwortung entzogen, weil sie vorzeitig von der Basis von ihren Ämtern wegen Unfähigkeit enthoben wurden.

Meine Damen und Herren, es wird höchste Zeit, dass in der Kinder- und Jugendpolitik ein Politikwechsel stattfindet. Nur mit einem Politikwechsel haben unsere Kinder und Jugendlichen eine gute Zukunft. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Tenhumberg. – Als nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Hanses das Wort.

Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Antrag legen wir einen umfassenden Ansatz für die Betrachtung von Kinder- und Jugendrechten in Nordrhein-Westfalen vor. Es ist ein ehrlicher Antrag, der benennt, was erreicht wurde, und der beschreibt, was noch notwendig ist. Die UN-Kinderrechtskonvention meint auch Jugendliche, wenn sie von Kindern spricht.

Wir betrachten die drei grundlegenden Elemente Beteiligung, Förderung und Schutz. Und das, was uns hier von CDU und FDP vorgetragen wurde, war unwürdiges, substanzloses Wahlkampfgetöse. Das ist unerträglich.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Frau Schulze Föcking ist leider schon wieder weg. Im Ausschuss Kinder, Jugend und Familie habe ich sie in den letzten sechs Jahren wirklich noch nie gesehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Walter Kern [CDU]: Sie ist Vertreterin. Wir sind immer mit allen Leuten da. Das ist eine Unverschämtheit!)

Ich hätte der Kollegin sehr gerne gesagt, dass Kinderarmut und Jugendarmut sicherlich viele Gesichter haben.

(Zuruf von Walter Kern [CDU])

Lieber Walter Kern, aber Kinder- und Jugendarmut hat vor allem materielle Gestalt. Wenn wir endlich armutsfeste Regelsätze für Kinder- und Jugendliche hätten, wenn wir endlich im Bund eine Kindergrundsicherung hätten, dann wäre denen erheblich geholfen. Und das ist Aufgabe des Bundes, und das ist das, was die CDU permanent verweigert.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Genauso muss sich die CDU in den Ländern diesen Schuh noch einmal anziehen lassen. Die CDU hat über die Länder erwirkt, dass Hartz-IV-Familien das Kindergeld nicht zur Verfügung gestellt bekommen. Das würde helfen, um Kinderarmut wirklich entgegenzuwirken.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Tenhumberg, Sie wissen, ich schätze Sie sehr. Aber Sie haben da eben Ursache und Wirkung komplett auf den Kopf gestellt. Kinder- und Jugendrechte sind die Grundlage, um Kinder und Jugendliche zu stärken.

Und wenn Sie die Begrifflichkeit des Ausschusses hier ansprechen, möchte ich Sie noch einmal daran erinnern, dass im Ministerium Laschet der Begriff Jugend überhaupt nicht vorkam.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Laschet fühlte sich für Jugendliche nicht zuständig. Das war ein Schlag ins Gesicht der Jugendlichen. Und das bedauern wir sehr, und das haben wir umgehend geändert.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

– Herr Hafke, ich kann auch Sie gerne noch einmal daran erinnern, was Rot-Grün seit 2010 hier erreicht hat. Wir haben die Servicestelle Jugendbeteiligung beim LWL – garantiert nicht aufgrund des Antrags der FDP – eingerichtet,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

weil es uns ein Herzensanliegen ist, dass Kommunen, dass Träger eine professionelle Ansprechstelle haben, die viel erreicht, die professionell beraten, beteiligen, begleiten kann, um Partizipationsprozesse vor Ort anzustoßen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Hanses, Sie kommen zum Schluss!

Dagmar Hanses (GRÜNE): Oh, das wird jetzt knapp.

(Heiterkeit)

Vizepräsident Oliver Keymis: Die Zeit ist schon durch.

Dagmar Hanses (GRÜNE): Der Workshop unter Palmen war die Grundlage für den Kinder- und Jugendrat. Wir haben viel erreicht. CDU und FDP sollten sich einen Ruck geben, wenn es um das Wahlalter 16 geht. Das ist die originärste Form der Beteiligung. Das sollten Sie anerkennen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben mit der Ombudschaft NRW die Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche, die in Jugendhilfeeinrichtungen sind, gestärkt. Und das wollen wir kommunal auch stärken.

Uns liegen auch die Kinder und Jugendlichen am Herzen, die bisher noch nicht erfasst sind. Kinder und Jugendliche haben Rechte. Diese wollen wir stärken und konkretisieren. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Hanses. – Als Nächster redet nach meinen Plan für die Piratenfraktion der Kollege Düngel. – Wären Sie so nett und würden Sie ein Jackett anziehen, Herr Düngel? Das wäre wirklich nett. Das ist hier Ihr Arbeitsplatz und nicht Ihr Wohnzimmer mit Mikrofonverstärkung. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP – Daniel Düngel [PIRATEN] zieht ein Jackett an. – Beifall von der CDU und der FDP)

Daniel Düngel (PIRATEN): Ich wollte mir ja nur den Extraapplaus abholen. Ganz herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Scripted Reality hatten wir hier vorhin. Bernhard, das mit der Justiz- und Gerichtssendungsnummer war ziemlich schlecht, ist aber nicht weiter wild. Darauf will ich auch nicht weiter eingehen. Von der Analyse her hast Du in dem einen oder anderen Punkt nicht Unrecht, okay.

Lieber Marcel Hafke, es waren Du und Deine Fraktion, die den Antrag zur Jugendbeteiligung in diesen Landtag eingebracht haben. Ich bin ganz ehrlich: Wenn ich Mitglied der FDP-Fraktion wäre, würde ich mich mit diesem Blatt nicht zu sehr rühmen, wenn ich hier in Sachen Wahlalter 16 so eine Shownummer abziehe

(Beifall von den PIRATEN)

und meine Zustimmung verweigere, obwohl die ganze Partei, Ihre Partei eigentlich eine klare Meinung hat und für das Wahlalter ab 16 eintritt. Ihre Fraktion hier im Landtag Nordrhein-Westfalen stiehlt sich da aus der Verantwortung. Das ist völlig lächerlich.

(Beifall von den PIRATEN)

Frau Ministerin Kampmann, Sie hatten gerade auf den Kollegen Tenhumberg reagiert. Das sind keine CDU-Regierungsvorschläge, das ist der Stand der aktuellen Diskussion in unserem Ausschuss bzw. unter den Obleuten des Ausschusses – mit dem Landesjugendring, mit dem Kinder- und Jugendrat in einem etwas langwierigen, aber vertrauensvollen Prozess, den wir jetzt seit einiger Zeit eingehen.

Noch einmal zum Antrag von SPD und Grünen: „Bündnis für Freiräume“ hat einen relativ großen Umfang in Ihrem Antrag. Dann frage ich mich aber: Was ist denn mit den ganzen Forderungspunkten des Bündnisses? Was ist mit G9? Das steht ganz deutlich darin. Sie sind überhaupt nicht bereit, darüber zu diskutieren.

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Dagmar Hanses [GRÜNE])

Was ist mit mehr Platz, mit mehr Raum? Was ist mit dem freien Nachmittag? Was ist mit Semesterferien, der vorlesungsfreien Zeit, den Schulferien? All das gehen Sie als Landesregierung überhaupt nicht an. In Ihrem Antrag schreiben Sie aber: Wir finden das „Bündnis für Freiräume“ irgendwie toll. – Buh, das ist nicht ganz so viel.

(Zuruf von Dagmar Hanses [GRÜNE])

Die UN-Kinderrechtskonvention: Meine Fraktion, die Piratenfraktion – Olaf Wegner hat es vorhin noch gesagt – hat bereits mehrere Anträge gestellt, teilweise mit anderen Fraktionen aus der Opposition gemeinsam.

Die Quintessenz Ihres Antrags lautet, dass Sie einen höheren Bekanntheitsgrad für die UN-Kinderrechts-konvention erreichen wollen. – Das ist doch viel zu wenig.

Da sind wir doch auf einem ganz anderen Stand: Es müssen Dinge fest verankert werden. Das aber fehlt in Ihrem kompletten Antrag. Da ist nichts Konkretes drin – viel Problemanalyse, richtige Problemanalyse; bei den Forderungspunkten wird mir, ehrlich gesagt, eher schlecht, denn da steht wirklich gar nichts Konkretes –

(Beifall von den PIRATEN und Walter Kern [CDU])

und das als Regierungsfraktionen, die eigentlich in der Lage sind, diese ganzen Punkte sofort umzusetzen. Das ist der Punkt.

Zum letzten Punkt: Wir haben auch über Armut gesprochen, über Kinderarmut, über Elternarmut. Ich habe jetzt zweimal „Kindergrundsicherung“ gehört. Ich bin Ihnen ja dankbar, dass Sie dieses Thema angehen, aber die richtige Lösung ist ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen in diesem Land. Das hilft uns aus diesen Armutsproblemen. Ganz viele Folgeprobleme, die aus dem Armutsproblem resultieren, können damit gelöst werden.

Machen Sie sich offen, machen Sie sich frei! Versuchen Sie diesen Gedanken nachzuvollziehen und lassen Sie uns darüber diskutieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und Bernhard Tenhumberg [CDU])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung spricht noch einmal Frau Ministerin Kampmann.

Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich möchte noch einmal kurz etwas zu Herrn Tenhumberg sagen.

Sie, Herr Tenhumberg, kritisieren, dass ich es als unwürdig bezeichne, wenn Herr Hafke in einer Debatte über das Thema „Kinderrechte“ über Klima-, Umwelt- und Kommunalpolitik spricht.

(Marcel Hafke [FDP]: Das wurde ja gefragt von der Kollegin!)

Sie selbst spielen sich aber hier an diesem Pult als Richter auf und wollen mich in einem fiktiven Gerichtsverfahren für die Politik verurteilen, die Mitglieder Ihrer eigenen Partei – Herr Maelzer hat es eben gerade gesagt – erfolgreich umsetzen, weil Sie nämlich ganz genau wissen, dass „Kein Kind zurücklassen“ ein absolutes Erfolgsmodell in diesem Land ist.

(Zurufe von der CDU)

Ich finde es, wie gesagt, lieber Herr Tenhumberg, inzwischen mehr als ermüdend, wenn Sie in Ihren Reden immer wieder dieselben Versatzstücke aus Ausschussprotokollen von vor über zwölf Jahren verwenden.

(Marcel Hafke [FDP]: Wo ist das erfolgt?)

Lassen Sie sich endlich doch mal etwas Neues einfallen – am besten wäre es, wenn es die Kinder- und Jugendpolitik in Nordrhein-Westfalen auch endlich mal voranbringen würde. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal Frau Kollegin Hack zu Wort gemeldet.

Ingrid Hack (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. Die Zwischenfrage vorhin, lieber Kollege Bernhard Tenhumberg, klappte ja nicht so ganz. Deswegen nutze ich jetzt die Redezeit, die der SPD noch zur Verfügung steht, für eine kurze Entgegnung.

Es ist Symbolpolitik, Leuchtturmpolitik usw. erwähnt worden. Es gab einen längeren Ausflug in die Geschichte von vor ich weiß nicht wie vielen Jahren. Darauf ist die Ministerin gerade schon zurecht eingegangen. Wir haben hier schon einmal in NRW – und ich durfte das miterleben – das „Jahr des Kindes“ erlebt. Das war 2006 und wurde von Ministerpräsident Rüttgers ausgerufen.

Du hast vorhin, lieber Kollege Bernhard Tenhumberg, sehr schön eine zehn Jahre lange Geschichte dargestellt – du hast also zehn Jahre in die Zukunft geblickt. Dann blicken wir jetzt einmal zehn Jahre zurück. Das passt ganz wunderbar.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

2006 war nämlich das Jahr, in dem diese Kinder geboren worden sind, über die wir jetzt zurecht reden – und über die ganzen Probleme, die es jetzt gibt.

(Peter Preuß [CDU]: Die ihr aber verursacht habt!)

Wenn es so einfach wäre, könnten wir jetzt die ganze Schuld auf das „Jahr des Kindes“ von Herrn Rüttgers schieben. So einfach machen wir es uns aber nicht. Das nur noch einmal, um zu veranschaulichen, wie verrückt so ein Vergleich ist. Wir wissen immer ganz genau: Es hat viele Ursachen.

Was mich an dieser Debatte ganz besonders gestört hat, ist, dass wir über Kinderrechte und deren Umsetzung verdammt wenig gesprochen haben. Und ich habe es auch nicht erlebt, dass im Vorfeld gründlich zugehört worden ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Hack. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/12116 an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Ist irgendjemand dagegen? Enthält sich jemand? – Das ist jeweils nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

4   Finger weg vom Bargeld – Nordrhein-Westfalen muss ein starkes Signal senden, um die Freiheit des Bargeldverkehrs zu erhalten!

Antrag
der Fraktion der CDU
Drucksache 16/12122

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragsstellende CDU-Fraktion Herrn Kollegen Dr. Optendrenk das Wort. – Herr Kollege, bitte.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bargeld ist geprägte Freiheit. So habe ich es selbst hier in einer Rede im letzten September zu einem Antrag der FDP-Landtagsfraktion gesagt. Diese Überschrift – und das ist in der Tat der entscheidende Punkt – ist aktueller denn je, denn die Europäische Zentralbank hat inzwischen die Abschaffung des 500-€-Scheins verkündet.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, Sie haben kaum begonnen und schon hat Herr Kollege Zimkeit eine Frage.

(Marcel Hafke [FDP]: Der hat ein schlechtes Gewissen, der Zimkeit! – Stefan Zimkeit [SPD]: Weil der die letzte nicht beantworten konnte!)

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Jetzt noch nicht.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Jetzt noch nicht.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Er kann sich ja auf die Rednerliste setzen lassen.

Die Ausgabe der größten Eurobanknote soll demnach gegen Ende 2018 eingestellt werden. So will es die EZB. Die Reaktion in der Bevölkerung ist nicht überraschend. Wir haben ganz viele Hinweise darauf, dass viele Menschen große Sorgen haben, dass dies nur der erste Schritt auf dem Weg zu immer weniger Bargeld, zu immer kleineren Bargeldnoten ist und es die Gefahr mit sich bringt, dass am Schluss Bargeld abgeschafft wird. Dieser Schritt der Abschaffung des 500-€-Scheins darf nicht durch die Hintertür der Einstieg in den Ausstieg aus dem Bargeld sein.

Es gibt immer wieder Menschen, die sagen: Im Zeitalter der Digitalisierung zahlen doch immer weniger Menschen mit Bargeld, siehe Norwegen, Schweden, Estland, USA. – Ja, das stimmt. Aber es muss eben die Freiheit der Bürger sein, zu entscheiden, ob sie mit Karte, mit Kreditkarte, bar, per E-Banking oder Gutschein zahlen wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Ralf Witzel [FDP]: So ist es!)

Eurobanknoten sind übrigens – das wissen viele gar nicht – das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel; und das muss auch so bleiben.

Die nordrhein-westfälische SPD geht leider – Herr Minister, Sie auch – einen anderen Weg. Sie begrüßen offensichtlich die Tatsache, dass Bargeld …

(Zuruf)

– Hören Sie mal zu!

Sie begrüßen auch öffentlich – das ist einer der Gründe unserer Sorge – an vielen Stellen Bargeldobergrenzen. Sie erklären: Bargeld wird immer weniger wichtig. Die Leute sollen sich einfach keine Sorgen machen. – Dies, Herr Minister, ist eine Verharmlosung. Dies ist ein falscher Schritt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Denn beides hängt ja miteinander zusammen, obwohl Sie den Eindruck erwecken wollen, es hänge nicht miteinander zusammen, dass man erst einen großen Bargeldschein abschafft und dann eine Bargeldobergrenze fordert, was man damit begründet: Wer nichts zu verbergen hat, der hat ja auch gar kein Problem, anders zu zahlen. Das kehrt die Dinge um.

Tatsache ist: Jeder soll bitte auch in Zukunft in Deutschland und in Europa mit Bargeld zahlen können, wenn er das möchte. Alle Mechanismen, die wir brauchen, um im Übrigen – das ist die Begründung für Ihre Bargeldobergrenzeninitiative auch schon im letzten Herbst gewesen – Kriminalität zu bekämpfen, sollen geeignet sein.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Abel zulassen?

(Stefan Zimkeit [SPD]: Oh!Weitere Zurufe)

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Ja.

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade in Ihrer Rede die Abschaffung des 500-€-Scheins kritisiert. Können Sie mir beantworten, wie die Haltung des Bundesfinanzministers Dr. Schäuble, der ja der CDU angehört, dazu war?

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Kollege, Sie verlangen von mir, dass ich Ihnen Allgemeinplätze erkläre.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Nein! – Stefan Zimkeit [SPD]: Frage beantworten!)

Da ich davon ausgehe, dass Sie in der Lage sind, selbst Zeitungen und andere Medien zur Kenntnis zu nehmen, wissen Sie, dass die Parlamentarier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion genauso wie unsere Landtagsfraktion an der Stelle anderer Meinung sind als der Bundesfinanzminister.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Aber Herr Meister ist auch der Meinung!)

Das, was Sie jetzt als künstlichen Gegensatz in der Debatte unter uns zu konstruieren versuchen, hängt nur damit zusammen, dass Ihre Fraktion der gleichen Meinung ist wie der Antragsteller und dass es Ihnen ganz weh tut, anschließend einen Antrag abzulehnen, der durchaus im Kern das beinhaltet, das Sie als Grüne auf Ihrem Landesparteitag im März beschlossen haben, was wir in der Sache auch für so richtig halten,

(Beifall von der CDU und der FDP)

dass wir Ihnen die Gelegenheit geben wollten, Ihren Koalitionspartner zu überzeugen, auf unseren gemeinsamen Weg im Plenum des Landtags zu gehen.

(Beifall von der CDU)

Die Behauptung übrigens, Kriminelle benutzten Bargeld und deshalb müsste man Grenzen wie die Bargeldobergrenze einführen, und auch große Scheine seien – das war die Begründung von Herrn Draghi – eigentlich an der Stelle schädlich, hat eine Konsequenz, deren Logik man einmal durchdenken muss. Das hieße auch, dass man im Kern Kunstdünger abschaffen müsste;

(Zuruf von der CDU: Mineraldünger heißt das!)

denn mit Kunstdünger kann man bekanntlich nicht nur Felder düngen, sondern auch Sprengstoff herstellen. Das heißt in der Logik: Herr Minister, da erwarte ich von Ihnen auch bald in der Koalition eine Kunstdüngerobergrenze.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Dr. Optendrenk, würden Sie eine weitere Zwischenfrage zulassen, diesmal von Herrn Kollegen Kern von den Piraten?

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Ja natürlich.

Nicolaus Kern (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich bin geradezu beeindruckt von Ihrem Einsatz hier für die Unschuldsvermutung. Wären Sie geneigt, die gleichen Überlegungen auch beim Thema „Vorratsdatenspeicherung“ gelten zu lassen?

(Beifall von den PIRATEN)

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Wissen Sie, es gab hier einen Ministerpräsidenten Dr. Rüttgers, der hat uns immer beigebracht, es gibt das sogenannte Rüttgers‘sche Universaltheorem. Das bedeutet: Alles hängt mit allem zusammen.

(Heiterkeit)

Unter dem Gesichtspunkt können Sie natürlich diese Verknüpfung gerne herstellen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist genauso wie mit dem Kunstdünger!)

Aber in der Tat ist die Abwägung genau die gleiche. Bei der Vorratsdatenspeicherung geht es darum, dass ich einen Eingriff in ein Grundrecht darlegen, erläutern und beweisen muss als Einschränkung eines Freiheitsrechtes, weil es um ein übergeordnetes Rechtsgut geht, an dem ich ansetzen kann und bei dem ich sagen muss: Ja, da schränke ich ein, weil es der Sicherheit der Menschen dient. Da hat ein anderes Rechtsgut Vorrang.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das Grundrecht auf Bargeld habe ich nirgendwo gelesen!)

Hier gibt es aber kein anderes Rechtsgut, das Vorrang hat. Die Sicherheit der Menschen oder die Strafverfolgung etwa werden nicht dadurch verbessert, dass ich eine Bargeldobergrenze einführe. Ansonsten müsste in Italien – die haben seit Jahren eine Bargeldobergrenze von 1.000 €, die zwischenzeitlich mal etwas angehoben worden ist – die Maffia massiv zurückgedrängt worden sein. Herr Minister, da wäre ich für empirische Studien sehr dankbar. Wenn Sie welche haben, auch gerne.

(Beifall von der CDU)

Im Kern zeigt das: Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine große Chance: Wir können heute gemeinsam der Landesregierung mit auf den Weg geben, sich jeder zukünftigen Veränderung des Bundesbank-Gesetzes im Bundesrat zu widersetzen; denn dort ist verankert, dass Bargeld das einzige gesetzlich unbegrenzt anzunehmende Zahlungsmittel ist.

Herr Minister, es wäre schön, wenn Sie vor dieser Stelle hier erklären würden: Diese Landesregierung wird sich dafür einsetzen, egal, was im Bund sonst betrieben wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Weske das Wort.

Markus Herbert Weske (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich kurz auf den eigentlichen Verfahrensstand des Parlaments zum Thema „Bargeldverkehr“ eingehen und versuche dabei bei einer parlamentarischen Ausdrucksweise zu bleiben; denn dieser CDU-Antrag ist zu diesem Zeitpunkt eine Frechheit.

(Beifall von der SPD)

Am 2. September des vergangenen Jahres hat die FDP-Fraktion ihren Antrag „Keine rigide Höchstgrenze für Zahlungen mit Bargeld einführen“ ordentlich in diesen Landtag eingebracht. Diesen Antrag haben wir gemeinsam mit allen Fraktionen zur weiteren Beratung in den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen. Dort haben wir einstimmig beschlossen, eine Anhörung durchzuführen.

Dazu hat sich dann die Fraktion der Piraten mit dem eigenen Antrag „Bargeld – Freiheit – Privatsphäre – PUNKT!“ positioniert und diesen richtigerweise dem Beratungsverfahren hinzugefügt.

Nun befindet sich unser parlamentarischer Diskurs genau zwischen der Anhörung, die am 3. Mai stattgefunden hat, und der Auswertung dieser Anhörung, die nun im Haushalts- und Finanzausschuss stattfinden soll. Es ist uns ein völliges Rätsel, warum Sie von der CDU-Fraktion nun mitten in diesem ordentlichen, geübten und bewährten Verfahren das Parlament mit einem Antrag zu einer direkten Abstimmung zwingen wollen, ohne diese Auswertung abzuwarten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist mindestens schofelig gegenüber den Fraktionen von FDP und Piraten, vor allem aber ist es auch ein unmögliches Verhalten gegenüber den Sachverständigen, die ja vor einer Beschlussfassung sicherlich gerne mitbekommen hätten, wie wir im Ausschuss darüber diskutieren, um zu einem Ergebnis zu kommen. Ich arbeite nun seit 1992 in diesem Hohen Hause und kann sagen: Das habe ich in den 24 Jahren hier noch nicht erlebt.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Auch wenn Ihre Vorgehensweise eigentlich schon Grund genug ist, den Antrag abzulehnen, möchte ich noch kurz auf ihn eingehen.

Auf Ihre Überschrift „Hände weg vom Bargeld“

(Zuruf von der CDU: Finger weg!)

– oder „Finger weg vom Bargeld“ –, was genau das Gegenteil bedeutet, will ich jetzt nicht eingehen, aber auf den Inhalt. Der CDU-Antrag beschäftigt sich an erster Stelle mit der Einstellung der Herstellung und Ausgabe des 500-€-Scheins, die die Europäische Zentralbank beschlossen hat. Das ist im Übrigen etwas anderes als die Abschaffung, bei der die Scheine alle zerrissen werden müssen.

(Heiterkeit von der SPD)

Damit hat der EZB-Rat den Bedenken Rechnung getragen, dass diese große Banknote illegalen Aktivitäten Vorschub leisten könnte. – Ich kann den Schritt nachvollziehen; Sie können das offensichtlich nicht.

Fast zeitgleich hat übrigens – das wiederum gefällt Ihnen wahrscheinlich – die Schweizerische Nationalbank beschlossen, den 1.000-Franken-Schein, die wertvollste Banknote, die weltweit von einer Nationalbank ausgegeben wird, kleiner und handlicher zu machen. Er soll in Zukunft nicht mehr 181 mm, sondern nur noch 158 mm lang sein.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. – Das muss Sie doch freuen, wer viel Bargeld transportiert, muss künftig weniger schwer tragen.

(Beifall und Heiterkeit von der SPD)

Aber all das – ich erwähnte es bereits bei der letzten Debatte hierzu im Plenum – hat mit der Wirklichkeit der Menschen in unserem Land, mit ihren Sorgen und Nöten nichts zu tun. Und wenn doch, klären Sie mit Ihrem Antrag nicht auf, sondern schüren Ängste: Viele Bürgerinnen und Bürger sind verunsichert; der erste Schritt hin zu einem bargeldlosen Zahlungsverkehr usw.

Warum haben Sie in Ihrem Antrag nicht geschrieben, was der EZB-Rat genau beschlossen hat? Ich zitiere:

„Angesichts der internationalen Bedeutung des Euro und des großen Vertrauens in die Banknoten des Währungsraums bleibt der 500-€-Schein gesetzliches Zahlungsmittel und kann somit weiter als Zahlungsmittel und Wertspeicher verwendet werden. …

Wie die anderen Stückelungen der Euro-Banknoten wird der 500-€-Schein seinen Wert auf Dauer behalten.“

Es ist also nicht so, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, der erste Schritt hin zu einem bargeldlosen Zahlungsverkehr. Es ist vielmehr wie bei den Lottozahlen. Auch wenn die Zusatzzahl nicht mehr gezogen wird, gibt es die anderen sechs Zahlen immer noch, und es wird sie auch weiterhin geben.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Weske ...

Markus Herbert Weske (SPD): Ich rede eben zu Ende.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Und dann die Zwischenfrage?

Markus Herbert Weske (SPD): Von mir aus. – Wenn ich irgendwann einmal sechs Richtige im Lotto haben sollte, werde ich mir den Gewinn bar auszahlen lassen. Denn auch bei einer möglicherweise eingeführten Obergrenze bei Barzahlung darf man so viel Bargeld zu Hause horten, wie man möchte, und kann auch Rechnungen in fünfstelliger oder noch größerer Höhe begleichen. Ich muss nur zu meiner Sparkasse gehen, den Betrag auf mein Konto einzahlen und die Summe an den Rechnungssteller überweisen.

Durch die Einführung einer Obergrenze wird das Bargeld selbst eben nicht abgeschafft. Das ist wie auf dem Kölner Ring. Auch Höchstgeschwindigkeiten und Blitzer sorgen nicht dafür, dass die Autobahn stillgelegt wird.

(Beifall und Heiterkeit von der SPD)

Ich komme zum Ende. – Aber zu diesen Details werden wir uns, wie es sich gehört, nach der Auswertung der Anhörung im Haushalts- und Finanzausschuss verhalten. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Weske. Jetzt wollten Sie noch die Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dr. Optendrenk mitnehmen. – Herr Kollege, bitte.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Danke, dass Sie die Zwischenfrage noch als Endfrage zulassen. – Wie stehen Sie denn zu der Tatsache, dass die Sorgen und Ängste, die wir artikuliert haben, von Ihrem Koalitionspartner auf einem Landesparteitagsbeschluss genauso formuliert worden sind? Der Beschluss hat deutlich gemacht, dass genau das, was wir als Gegenstand des Antrags hatten, die Sorgen und Ängste der Menschen in Nordrhein-Westfalen sind.

(Beifall von der CDU)

Markus Herbert Weske (SPD): Das können die Grünen gerne so handhaben. Vielleicht führt es ja dazu, dass viele Wähler von der CDU zu den Grünen wechseln werden. Vonseiten der Sozialdemokraten sehe ich keinen Handlungsbedarf. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Noch einmal vielen Dank. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Abel das Wort.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE] geht zum Rednerpult.)

Ist das Muhammad Ali auf Ihrem T-Shirt?

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Ja, Herr Präsident. Anlässlich der Beerdigung habe ich gedacht, das wäre eine schöne Geste.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Ich glaube, dass viele die Nachricht vom Ableben von Muhammad Ali mit großer Trauer aufgenommen haben. Deswegen habe ich dieses T-Shirt heute Morgen aus meinem Kleiderschrank herausgepickt.

(Zuruf von den PIRATEN: Zweierlei Maß!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Optendrenk, der CDU-Antrag ist ein ziemlich billiger Versuch. Kollege Weske hat auf den Zeitplan hingewiesen; es gibt bereits Anträge im Hause. Es ist besonders billig, wenn man sieht, dass Ihr Finanzminister Herr Dr. Schäuble einer der brennenden Befürworter einer Bargeldobergrenze ist.

Man muss sich an dieser Stelle wie auch an anderen Stellen fragen, ob Sie als größter Landesverband der CDU in Ihrer Partei überhaupt irgendetwas zu sagen haben. Denn wenn Sie geißeln, dass es hier vonseiten des Finanzministers – was er nicht gemacht hat – Vergleiche mit der Mafia gegeben hätte, kann man nur sagen: Wenn Sie mit dem Finger auf uns zeigen, zeigen drei Finger auf Sie selbst zurück.

Es war Staatssekretär Meister, der gesagt hat, er sei für eine Abschaffung des Bargeldes, weil damit sehr viele illegale Geschäfte gemacht würden.

(Zuruf von der SPD)

Das heißt, Staatssekretär Meister hat alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht gestellt, und damit zeigen drei Finger eindeutig auf Sie zurück. Das ist schon sehr billig, Herr Kollege.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Abel, der von Ihnen soeben angesprochene Abgeordnetenkollege möchte Ihnen gerne seinerseits eine Frage stellen. Ich nehme an, Sie lassen sie zu.

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Ja, sehr gerne.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Kollege, ich danke herzlich dafür und frage Sie, wie Sie die Einschätzung von Kollegen Weske bewerten, dass die Äußerungen, die Sie als Grüne auf Ihrem Landesparteitag getätigt haben, nicht die Meinung der SPD-Fraktion sind. Darf ich daraus schließen, dass es heute ein abweichendes Abstimmungsverhalten der Grünen zu unserem Antrag gibt, oder wie werden Sie sich gleich verhalten?

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk, für die Zwischenfrage. – In der Tat, 95 % Ihres Antrages entsprechen wortwörtlich einem sehr guten Parteitagsbeschluss, den die Grünen auf dem Landesparteitag zu dem Thema gefasst haben.

Ihnen ist sicherlich bekannt, dass sich auch die Fraktion sehr eindeutig gegen die Einführung einer Bargeldobergrenze positioniert hat, weil wir sagen: Das ist ein nicht verhältnismäßiger Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger.

(Ralf Witzel [FDP]: Richtig! Ganz genau!)

Es droht damit eine neue Form der Vorratsdatenspeicherung. Bargeld ist gelebter Datenschutz, weil ich anonym bezahlen kann.

(Ralf Witzel [FDP]: Richtig!)

Es ist eben nicht mehr retrograd nachverfolgbar und durchsuchbar und wird gespeichert, wann ich mich wo aufgehalten habe und wofür ich was bezahlt habe. Das ist ein großer Freiheitsraum, den wir erhalten sollten. Das ist die Position der Grünen.

Es gilt die alte Regel: Anträge der Opposition, die die Absicht haben, die Regierungsfraktionen zu spalten, werden abgelehnt.

(Zurufe von der FDP: Oh! – Widerspruch von der CDU)

So werden wir auch heute verfahren. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, weil Sie danach gefragt haben: So, wie ich die Anhörung wahrgenommen habe, gab es einen Sachverständigen, der nicht grundsätzlich gegen die Einführung einer Bargeldobergrenze war, der aber auf jeden Fall den Betrag von 3.000 € als Obergrenze, den Ihr Bundesfinanzminister in die Diskussion gebracht hat – ich sage das noch einmal; es gibt aber auch andere Vorschläge –, als viel zu niedrig angesehen hat. Er hat sich für eine Grenze von 10.000 € ausgesprochen.

Ich kann nur sagen: Mein parlamentarisches Verständnis ist es in der Tat, dass wir die Anhörung auswerten. Deswegen kommt der Antrag zur Unzeit. Da hat der Kollege Weske recht.

Ich würde aber für unsere Fraktion festhalten wollen, dass wir bei dieser Positionierung bleiben. Da sind wir eben an einem Punkt nicht der Meinung des Landesfinanzministers. Aber Sie brauchen jetzt nicht zu denken, dass Sie dadurch einen Keil zwischen uns treiben können. Denn der Unterschied zwischen Ihrem Bundesfinanzminister und diesem Landesfinanzminister ist vor allen Dingen beim Kampf gegen Steuerhinterziehung eklatant.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Welche Schritte hat die Bundesregierung, hat Herr Schäuble seit den Veröffentlichungen um die Panama-Papers eingeleitet, um dieses Geschäftsgebaren einzugrenzen?

(Ralf Witzel [FDP]: Das hat damit nichts zu tun!)

Die EZB hat den 500-€-Schein abgeschafft. Die BaFin will jetzt genauer in die Jahresabschlüsse von Banken gucken.

Donnerwetter! Dazu kann ich nur sagen, Herr Kollege Dr. Optendrenk: Wenn der Staatssekretär Meister ernsthaft der Meinung ist, es sei ein geeignetes Instrument, alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht zu stellen, möchte ich Sie eindrücklich davor warnen. Denn die Menschen draußen verstehen nicht, dass die Freiheit, mit Bargeld zu bezahlen – auch über eine gewisse Grenze hinaus –, eingeschränkt wird, während die ganze Finanzindustrie, wie Teile der Commerzbank und Privatbanken, die auch hier in Düsseldorf ansässig ist, Menschen beraten haben, wie sie an unserem Staat vorbei Anlagen kaufen, um keine Steuern zahlen zu müssen. Das verstehen die Bürgerinnen und Bürger dann wirklich nicht mehr.

Deswegen ist es ein fatales Signal, das der Staatssekretär und der Bundesfinanzminister aussenden. Es geht nicht um das Instrument einer Bezahlobergrenze, sondern es geht um die Angst vieler Bürgerinnen und Bürger, dass jeder Schritt durchforstet wird. Das ist ein fatales Signal, wenn an anderer Stelle nichts gegen Steuerhinterziehung unternommen wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Sagen Sie mal etwas zur WestLB!)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege Abel, Herr Kollege Dr. Optendrenk würde Ihnen gern noch eine Frage stellen.

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Wenn es der Wahrheitsfindung dient, sehr gern.

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Das ist die Voraussetzung dafür, dass eine Frage zulässig ist. Das war ein Scherz. – Bitte, Herr Kollege.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herzlichen Dank, dass ich noch einmal fragen darf. Wie wollen Sie den Menschen eigentlich erklären, dass Sie, obwohl Sie jetzt ein Hemd mit einem Boxermotiv tragen, nicht den Eindruck erzeugen, hier eine „politische Mattenflucht“ begangen zu haben?

(Zurufe von den GRÜNEN)

Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Kollege, Dr. Optendrenk, Sie müssen in der Debatte schon aufpassen, dass Sie sich am Ende nicht selber hauen und auf der Matte liegen. Einfach einen Parteitagsbeschluss zu nehmen, wo wir anderer Meinung als der Landesfinanzminister sind, um von der ganzen Untätigkeit der Bundesregierung bei Panama Papers, bei Lux-Leaks abzulenken – ich könnte noch weiter in die Vergangenheit zurückgehen, zum Beispiel zum Steuerabkommen mit der Schweiz, das Sie verhindert haben –, dazu sage ich: Ihre Leute in Berlin machen überhaupt nichts.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das ist den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln. Passen Sie auf, dass Sie sich nicht selber schlagen, wenn Sie einen Schlag auf die Deckung kriegen, und nachher mit zwei blauen Augen hier herausgehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, dass der Blick auf andere europäische Länder zeigt: Die Einführung einer Bezahlobergrenze hat weder zu signifikant niedrigeren Kriminalitätsraten noch zu höheren Aufklärungsquoten geführt.

Man muss den Bürgerinnen und Bürgern auch sagen, wenn hier von einer Bargeldobergrenze von 5.000 € oder sogar 3.000 € gesprochen wird und angeführt wird – ich bitte, das jetzt nicht misszuverstehen –, es sei auch eine Maßnahme, um Terrorfinanzierungen einzudämmen, dass es Länder gibt wie Frankreich und Belgien, die eine sehr viel niedrigere Bezahlobergrenze von 1.000 € haben. Da muss man schon fragen: Ist das wirklich wirksam?

Wir glauben – da hat der Kollege Kern mit seiner Zwischenfrage nicht ganz Unrecht gehabt –, dass es wenig Sinn ergibt, einen neuen Datenpool zu bilden, Daten zu speichern und zu sammeln, weil die Ermittlungsbehörden im Einzelnen aufgrund der Masse der Daten am Ende überfordert sind.

Der zweite Punkt, den man bezüglich der Vorratsdatenspeicherung anführen muss, ist Folgender: Es gibt aus Verbraucherschutzgründen mehrere Grün-de, gegen so ein Instrument zu sein. Wenn alles auf ein Konto eingezahlt wird, Herr Kollege Weske, wird jeder Schritt nachvollziehbar.

Und wir reden auch über das Risiko von Negativzinsen. Als der Antrag der Fraktion der Piraten kam, der das aufgenommen hat, und auch von der FDP, konnte man noch sagen: Das ist ein Szenario, von dem man nicht weiß, ob es eintritt. Aber es gibt inzwischen die ersten Sparkassen, die für ihre Geschäftskunden auch Negativzinsen einführen.

Es ist schon ein Risiko nicht nur für den privaten Zahlungsverkehr, sondern auch für den Geschäftszahlungsverkehr, wenn mittelständische Unternehmen beispielsweise Rücklagen für die Gehälter ihrer Mitarbeiter bilden, dass sie bestraft werden, wenn sie das auf einem Bankkonto machen.

Schauen Sie sich die Entwicklung an beim Goldpreis. Schauen Sie sich die Zuwachsraten von Tresorherstellern an. Es ist ein eklatantes Problem. Das betrifft alle Bürgerinnen und Bürger.

Deswegen ist für die grüne Fraktion ganz klar: Man kann das Kind hier nicht mit dem Bade ausschütten. Es ist nicht verhältnismäßig. Deswegen werden wir uns weiterhin gegen eine Bezahlobergrenze bei Bargeld positionieren, auch wenn wir diesen Antrag heute ablehnen müssen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Abel. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Witzel.

Ralf Witzel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Worte meines Vorredners von den Grünen mit Interesse aufgenommen und durfte zur Kenntnis nehmen, dass er vieles von der Argumentation bis hin zu einzelnen Textbausteinen, die ich schon vor einem Jahr hier vorgetragen habe, übernommen hat.

Die Grünen haben sich als Partei und Fraktion in diesem Punkt einmal nahezu identisch der Positionierung angeschlossen, die die FDP vor ihnen bereits im letzten Jahr vollzogen hat. Da es nicht so viele Bereiche gibt, bei denen man inhaltliche Übereinstimmungen feststellen kann, ist das an sich schon etwas, was auffällt.

Sehr viel interessanter ist aber die Frage, die unser Haus hier betrifft, und was die Aussage und die Folge dessen ist. Die Folge ist die Erkenntnis, dass der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen für die von ihm im letzten Jahr öffentlichkeitswirksam und offensiv vorgetragene Forderung in diesem Hause bei seiner Zusammensetzung keine parlamentarische Mehrheit hat. Das ist das, was man in dieser Debatte feststellen muss.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wahrscheinlich hat er sie gerade noch bei der SPD-Fraktion, wie Kollege Weske angedeutet hat, aber ansonsten findet er bei keiner anderen Fraktion für seinen Vorstoß Rückendeckung.

Dafür gibt es auch gute Gründe. Wir haben in dieser Plenarwoche viel über Bürokratie, Bürokratieabbau diskutiert. Wir haben über die Fragen diskutiert: Wo gibt es Möglichkeiten und Notwendigkeiten, dass der Staat Regelungen trifft? Wo maßt der Staat sich an, Sachen beeinflussen zu wollen mit einem riesigen Kontrollapparat dahinter, ohne über Einzelfälle hinaus dann tatsächlich Einfluss zu haben?

Genau das hier wäre ein klassisches Beispiel, bei dem das der Fall ist; ich habe es deshalb auch in der Bürokratiedebatte vorgestern schon genannt. Es wird – da teile ich auch völlig die Einschätzung meines Vorredners – kein Terrorist auf dieser Welt sagen: Ich bin bereit, jedes Gesetz zu brechen, mit brutalster Menschenverachtung Menschenleben auszulöschen, aber ich halte mich an die Vorschrift, die Apparate und Gerätschaften, um meine grausamen Taten vollbringen zu können, mit maximal 2.000 € und mit keinem Cent darüber in bar zu bezahlen.

Das wird so niemand für sich entscheiden, und es wird natürlich massive Umgehungstatbestände geben. Sie bauen dann wahrscheinlich, ähnlich wie bei dem Mindestlohn, eine verrückte Kontrollbürokratie auf, bei der Tausende von Leuten unterwegs sind, die irgendwas aufschreiben, dokumentieren und auswerten müssen, was man gar nicht vernünftig nachhalten kann.

Nein, es werden sich die anständigen, rechtschaffenen Menschen in diesem Land, die sehr schnell ein schlechtes Gewissen haben, dann an solche Vorgaben halten – mit sehr vielen praktischen Einschränkungen, weil bei Ihrem Vorschlag, ab 2.000 € ein Barzahlungsverbot einzuführen, der Finanzminister dafür sorgt.

Wenn Sie für 2.500 € einen Gebrauchtwagen verkaufen, sich per Handschlag einig sind, Sie die Ware bereitstellen, wollen Sie aber auch die Sicherheit haben, dass das Gegenüber bezahlt und dass nicht der eine für mehrere Tage in Vorleistung gehen muss. Bei wildfremden Geschäftspartnern weiß man nicht: Bekommt derjenige, der sein Auto dort lässt, nachher sein Geld? Oder überweist derjenige, der vorher Geld überweist, vielleicht an jemand sein Vermögen und bekommt die Ware nachher nicht?

Es ist der immense Vorteil von Bargeld, dass man eine Transaktion rechtssicher mit dem Zahlungsanspruch des Staates entsprechend direkt, ad hoc und als einzigem gesetzlichem Zahlungsmittel dafür realisieren kann.

Kriminalität werden Sie nicht bekämpfen. Zudem werden Sie riesige Datenkolonnen zusätzlich anhäufen, wenn es zu einem Bargeldverbot kommt, weil viele Transaktionen dann auf anderem Wege ablaufen müssen. Die Menschen werden transparent durchleuchtet – als gäbe es in Zeiten von Vorratsdatenspeicherung nicht schon viel zu viel Datenspeicherung in unserem Land.

Alles wird dokumentiert. Innerhalb der Verwandtschaft kann anlässlich einer großen Familienfeier, eines runden Geburtstages oder einer goldenen Hochzeit der eine Ehepartner eben nicht das gemeinsame Konto nutzen, wenn er ein Schmuckstück erwerben will, das im Einzelfall vielleicht auch über 2.000 € kostet. All das geht so weit nicht mehr, weil der Staat sich hier mit Regelungen einmischt, die nicht notwendig sind.

Das hat auch eine sehr, sehr bemerkenswerte Expertenanhörung gezeigt. Ich will deren Auswertung im Detail nicht vorgreifen, denn sie erfolgt in der Tat erst am Monatsende. Allerdings war schon bemerkenswert, welche hochkarätigen Referenten von welchen hochkarätigen Organisationen inklusive der Deutschen Bundesbank mit Ihren Vorschlägen, Herr Finanzminister, nichts anfangen konnten.

Wir werden das im Ausschuss gründlich besprechen und sicherlich die richtigen Entscheidungen in der Sache treffen. Bis dahin haben die Grünen dann auch noch ein wenig Zeit, sich zu überlegen, wie sie mit der Glaubwürdigkeit ihrer Haltung in dieser Frage umgehen.

Der Antrag der CDU bei dem Beratungsverfahren, das wir heute haben, ist früh, aber in der Sache richtig. Deshalb stimmen wir dem heute auch zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Schulz das Wort.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und daheim! Lieber Kollege Marcus Optendrenk, auf die Verfahrensfragen und die Behandlung möchte ich nicht eingehen.

Der Antrag gibt uns jedoch Gelegenheit – und diese Möglichkeit gibt es gar nicht oft genug –, über die Frage der Problematik „Bargeldobergrenze“, „Bargeldabschaffung“ zu sprechen. Allerdings greife ich da – ähnlich wie Kollege Witzel – dem Verfahren nicht gerne vor und sage: Ja, die Auswertung müssen wir noch vornehmen. Sie wird seriöserweise im Haushalts- und Finanzausschuss erfolgen.

Mit einem doch vielleicht wehmütigen Seitenhieb meinerseits muss ich feststellen: Ja, das ist das Positionspapier von Bündnis 90/Die Grünen und insbesondere auch von der Grünen-Landtagsfraktion. Leider Gottes, lieber Marcus Optendrenk, ist es aber auch ein wenig Feigheit vor dem Feind, dem politischen Gegner an der Stelle, weil Schäuble, der in diesem Positionspapier mehrfach vorkommt, einfach nur herausgestrichen wurde.

Das finde ich ein wenig inkonsequent, zumal hier vonseiten der CDU-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen offenbar eine ganz andere Meinung vertreten wird als auf Bundesebene, in der Bundes-CDU. Aber darauf komme noch.

(Zuruf von den GRÜNEN: Die haben nichts mehr zu sagen!)

Liebe Grüne, auf Seite 4 Ihres Positionspapiers heißt es:

„Wir GRÜNE im Landtag NRW sprechen uns klar für die Bewahrung der Freiheit und des Selbstbestimmungsrechtes sowie des Datenschutzes und des Rechtes auf freie Wahl der Zahlungsmittel aus und lehnen die Einführung einer Obergrenze für Bargeldzahlungen ab.“

Die „Rheinische Post“ schreibt am 09.03. sinngemäß: Damit die rot-grüne Koalition nicht gefährdet werde, wollen die Grünen über das Positionspapier hinaus keinen Beschlussantrag zum Bargeld in den Landtag einbringen. – Das müssen sie auch nicht. Sie brauchen einfach nur den Anträgen hier und heute, nämlich dem Antrag der FDP und dem Antrag der Piratenfraktion, zustimmen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Niemals!)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen von 2012 ist mit keinem Wort von Bargeld die Rede. Das heißt, Bargeld und damit auch eine Bargeldobergrenze sind aus dem Koalitionsvertrag völlig ausgenommen.

Es steht Ihnen also frei, an dieser Stelle einmal Farbe zu bekennen, und zwar ganz eindeutig Richtung Datenschutz, wie Sie es richtigerweise in Ihrem Positionspapier geschrieben haben, zur Frage der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit Zahlungsmitteln etc. Alle Punkte, die die CDU in den Antrag hineingeschrieben hat, die in Ihrem Positionspapier stehen, die in etwa den Ausführungen im Prosatext der FDP ähneln, und unsere Ausführungen decken sich. Das unterstützen wir selbstverständlich.

Ebenso unterstützen wir in der Sache den Antrag der CDU hier und heute. Dementsprechend werden wir diesem Antrag auch zustimmen.

Uneingeschränkter Bargeldverkehr ist gelebter Datenschutz. Eine Bargeldobergrenze ist unwirksam gegen Kriminalität und Terrorismus.

Wir werden also zustimmen. Aber, liebe CDU-NRW, da Sie sich jetzt und hier und heute gegen jegliche Einschränkung des Bargeldverkehrs ausgesprochen haben und dies wohl auch mit Ihrem Abstimmungsverhalten dokumentieren werden, gehen wir natürlich davon aus, dass Sie auch unseren Anträgen, nämlich dem Antrag der FDP- und der Piratenfraktion, zustimmen werden.

Allerdings bleibt die Kritik im Raum stehen: Sie sind der größte CDU-Landesverband der Bundesrepublik Deutschland mit einem stellvertretenden Bundesvorsitzendem Laschet, der sich anschickt, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen werden zu wollen.

(Beifall von der CDU)

Der Herr Laschet sollte bitte dann aber auch nach Berlin latschen und dem Bundesfinanzminister sagen: Lass den Blödsinn sein!

(Zuruf von der CDU: Tut er auch!)

– Tun Sie das! Und wenn Herr Dr. Schäuble sagt, er kenne niemanden in Kontinentaleuropa, der die Absicht habe, Bargeld abzuschaffen, dann mag das ja sein und beschränkt sein auf Kontinentaleuropa.

Die Macher der Bargeldabschaffung sitzen aber gar nicht in Europa, sondern in China und in den USA. Das sind unter anderem große Kreditkartenfirmen und große Banken, die eben nicht in Kontinentaleuropa beheimatet sind, und die kennt Herr Dr. Schäuble.

Insofern ist die Aussage wahrscheinlich gar nicht falsch, wenn er sagt, in Kontinentaleuropa kenne er niemanden, der die Absicht habe, Bargeld abzuschaffen. Das ist aber wahrscheinlich nur die halbe Wahrheit.

Im Ergebnis führt eine Bargeldobergrenze zu einem massiven Eingriff in die Freiheits- und Eigentumsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Wir Piraten lehnen daher jegliche Beschränkungen des Bargeldverkehrs kategorisch ab.

Zum Abschluss der heutigen Debatte bleibt nur noch zu sagen: Bargeld, Freiheit, Privatsphäre, Punkt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Die Debatte ist allerdings noch nicht ganz beendet, sondern wird jetzt fortgesetzt mit der Rede des Finanzministers, dem ich das Wort erteile. – Bitte, Herr Dr. Walter-Borjans.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, sich mit Betriebsprüfern, Steuerfahndern und Kriminalbeamten über deren Erfahrungen auszutauschen, dann werden Sie eine einhellige Antwort bekommen: Im Bereich des Verkaufs von Luxuskarossen, des Verkaufs von Luxusuhren, aber auch im Bereich des Dealens gibt es einen erheblichen Anteil von fragwürdigen Geschäften, die bar abgewickelt werden. Diese Geschäfte würden erschwert, wenn sie in diesen Größenordnungen nicht bar abgewickelt werden könnten.

Das hat dazu geführt, dass diejenigen, die unmittelbar als Verantwortliche davon betroffen sind, nämlich Finanzministerinnen und Finanzminister auf der europäischen Ebene, gesagt haben: Dieses Treiben werden wir nicht beseitigen, wenn es Begrenzungen gibt, aber man kann es erheblich erschweren und eingrenzen.

Dabei geht es nicht um etwas, das der Landtag beschlossen hat, sondern es geht um etwas, das der Bundesfinanzminister, den die CDU stellt, mit seinen europäischen Kollegen beschlossen hat. Das betrifft das Zahlungsverhalten der Menschen in Europa, in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen zu 95 % überhaupt nicht.

Es geht auch nicht darum, dass die Ehrlichen, die bisher – in einem verschwindend geringen Anteil – hohe Beträge in bar bezahlt haben, in irgendeiner Weise kriminalisiert werden. Da ziehen Sie fälschlicherweise einen Umkehrschluss. Tatsache ist, dass diejenigen, die in den Bereichen Drogen, Prostitution, Geldwäsche, Steuerhinterziehung usw. tätig sind, zu einem hohen Anteil ihre Geschäfte mit Bargeld abwickeln.

Die Erschwernis dieser Geschäfte würde die Menschen nicht aufbringen gegen das, was der Bundesfinanzminister mit seinen Kollegen vorhat. Deswegen gibt es ein probates Mittel. Man muss aus dem, was vorgesehen ist und ganz wenige betrifft, die es auch betreffen soll, durch Uminterpretation eine Geschichte machen, die den kleinen und Normalbürger besorgt.

Das erreicht man dadurch, dass man sagt: Vorsicht! Der 500-€-Schein interessiert dich ja gar nicht. Das weiß ich. Mit Überweisungen von mehr als 5.000 € hast du eigentlich auch gar nichts zu tun. Du musst aber dennoch vorsichtig sein. Die fangen an, und demnächst musst du deine 3,50 € im Tante-Emma-Laden überweisen!

Das ist eine Unterstellung. Der könnte ich entgegensetzen: Mit anderen Worten haben Sie also vor, demnächst jede Überweisung zu verbieten, damit nichts nachvollziehbar ist. – Das ist verrückt. Das weiß ich. Genauso verrückt ist aber auch Ihre völlig aus der Luft gegriffene umgekehrte Behauptung.

Aus dieser Ihrer eigenen Weltansicht machen Sie in Ihrem Antrag deshalb: „Manche Beobachter sehen darin den ersten Schritt …“

Ja. Es gibt eine Menge Leute, die aus gutem Grund kein Interesse an Barzahlungsgrenzen haben, weil sie Sorge haben aufzufliegen, und die die Freiheit missbrauchen.

Bei Ihnen steht hier: „Viele Bürgerinnen und Bürger sind verunsichert …“ – Sie hätten schreiben müssen: „… verunsichert worden“. Denn das ist das Ziel, das Sie anstreben.

Ich kann an dieser Stelle sagen: Ich habe Verständnis für diejenigen, die Datenschutz und all diese Dinge mit ins Spiel bringen. Ich sage ganz klar: Wir haben zwischen den Koalitionspartnern, was diesen Punkt angeht, keine einheitliche Meinung. Sie ist aber einheitlicher, als Sie sie mit dem Bundesfinanzminister haben.

Ich sage aber noch einmal: Es geht hier darum, dass das Bargeld überhaupt nicht angetastet wird. Ich zahle bar und habe auch künftig vor, bar zu zahlen. Das möchte ich nicht nur mir, sondern auch allen Bürgern erhalten.

Sie aber ziehen diesen Kettenschluss bei einer ganzen Reihe anderer Themen auch. Das betrifft unter anderem steuerliche Fragen, die Erbschaftsteuer beispielsweise. Das besorgt Menschen, die davon überhaupt nicht betroffen sind. Gegen diese Art wehre ich mich.

Deswegen sage ich: Das, was hier angestrebt wird, nämlich das Bargeld zu erhalten, hat mit dem, was die Europäische Zentralbank vorsieht und der Bundesfinanzminister unterstützt, überhaupt nichts zu tun.

(Beifall von der SPD)

Deswegen kann ich nur sagen: Der Antrag geht einfach ins Leere. Die Besorgnis, die dahinter steht, verstehe ich. Aber die Besorgnis, die lediglich gemacht ist, verstehe ich nicht nur nicht, ich finde sie auch gefährlich, weil sie denen in die Hände spielt, die am Ende damit ihr Geschäft machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. Bitte, bleiben Sie noch einen Moment vorne, weil Herr Kollege Witzel für die FDP-Fraktion eine Kurzintervention angemeldet hat und jetzt für bis zu 90 Sekunden das Wort erhält. Bitte, Herr Kollege.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans, Sie haben – wie Ihre Ausführungen zeigen – in der Tat andere Einschätzungen und andere Erfahrungswerte. Was Prozesse schleichender Freiheitseinschränkungen angeht, könnte ich Ihnen sehr viele Vorgänge nennen, wo es einmal niedrigschwellig anfing und wo all das, was man vorher an Schutznormen zugesichert hatte, im Laufe der Zeit geschliffen wurde, weil es sich angeblich als unpraktikabel dargestellt hat.

Ich will aber noch einmal eines deutlich machen, denn ich denke, dass Sie den Kern der Debatte in Bezug auf einen Punkt nicht getroffen haben. Für meine Fraktion kann ich sagen, dass wir nicht Gegner oder Befürworter von Bargeldzahlungen oder elektronischen Zahlungen sind. Es ist nicht so, dass wir das eine richtig und das andere falsch finden.

Unser Anliegen ist vielmehr, dass jeder Mensch in der Lage sein sollte, ganz persönlich und anlassspezifisch eine Entscheidung treffen zu können, wie er das machen möchte. Deshalb gibt es für uns nicht an sich Vor- und Nachteile bei diesen Zahlungen, sondern wir haben einfach nur den Wunsch, die volle Freiheit der Menschen zu erhalten, dies auch weiterhin für sich entscheiden zu können. Sie wollen das nicht, wenn Sie sagen, dass Sie für eine Barzahlungsgrenze von 2.000 € sind. Dann können eben verschiedenste Geschäfte, die diesen Schwellenwert überschreiten, nicht mehr rechtskonform stattfinden.

Ich frage mich: Wo nehmen Sie die Euphorie her, anzunehmen, dass sich gerade diejenigen, die Sie damit treffen wollen, entsprechend an diese Regelung halten? Mit welcher Bürokratie wollen Sie das kontrollieren? Und gehen Sie denn nicht davon aus, dass es Umgehungstatbestände gibt und dass diejenigen, welche die Geschäfte vornehmen, die wir beide verurteilen, dann nicht auf andere Währungen bzw. Wertmittel – Goldmünzen oder was auch immer – ausweichen?

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Minister, bitte.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Herr Witzel, das Erste: Sie bringen eine Grenze von 2.000 € ins Spiel.

(Zuruf von der FDP: Nein, Sie!)

– Nein. Sie wüssten das, wenn Sie zugehört hätten, was ich damals gesagt habe. Ich habe nämlich gesagt: Ich halte es – wie es der Bundesfinanzminister erst später getan hat – für bedenkenswert, dass man eine Barzahlungsobergrenze zieht, weil man weiß, dass in diesem Bereich der Anteil der ganz normalen Überweisungen sehr klein und der Anteil der – ich sage es einmal so – strafrechtlich relevanten Überweisungen oder Bezahlvorgänge groß ist.

Ich habe Journalisten gegenüber gesagt: Das wird man in Deutschland nicht auf dem Niveau wie in anderen Ländern machen können, weil hier die Barzahlungskultur eine ganz andere ist und dieser Betrag deshalb erheblich größer sein müsste. Weiter habe ich dann gesagt: Das können 2.000 € sein, es können 3.000 € sein, es kann auch mehr sein. Dann sind andere gekommen und haben von 5.000 € gesprochen. Ich habe mich bislang überhaupt nicht dazu festgelegt. Ich sage nur: Ich halte es für richtig, darüber nachzudenken.

Zweitens stimme ich Ihnen zu, dass man da aufpassen muss, wo schleichende Verschärfungen eine Rolle spielen könnten. Das betrifft aber viele Bereiche, die Sie auch kritisieren. Wenn es aber nur um die Überlegung geht, wo der GAU bei dem liegen kann, was wir tun, wäre die Folge, dass am Ende nichts mehr getan werden kann.

Ist das nicht auch ein Punkt, den Sie selbst kritisieren? Denn wenn ich hingehe und alles in die größte Panikecke drücke, dann weiß ich, dass ich am Ende handlungsunfähig bin. Ich stehe dafür, dass Menschen bei ganz normalen alltäglichen Vorgängen bar bezahlen können. Davon lasse ich mich auch nicht abbringen. Aber alles zu polemisieren und Panik zu machen, halte ich im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung für ziemlich schief.

Nur einen Satz noch zum Schluss: Die junge Generation wird das Problem von ganz allein erledigen. Sie wird sich – ob wir das wollen oder nicht – viel stärker der skandinavischen und der niederländischen Kultur annähern. Deshalb habe ich auch überhaupt nicht vor, jemandem das vorzuschreiben.

(Zuruf von der FDP: Das sollten Sie denen überlassen!)

– Ja, das will ich denen auch überlassen. Ich will niemandem das Barzahlen verbieten. Ich sage Ihnen aber: Nach der Regel, die Sie aufstellen, wird es in einer Generation so sein, dass normal nicht mehr bar bezahlt wird. Nur noch diejenigen Dubiosen, für die Sie sich hier indirekt einsetzen, werden auch weiterhin bar bezahlen können, weil das Recht von Ihnen erkämpft worden ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank. So weit die Kurzintervention von Herrn Kollegen Witzel und die Entgegnung des Finanzministers. Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende CDU-Fraktion hat direkte Abstimmung über ihren Antrag Drucksache 16/12122 beantragt. Wer für den CDU-Antrag ist, den darf ich um ein Handzeichen bitten. – Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und die Piratenfraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD sowie Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass der Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/12122 abgelehnt ist.

Ich rufe auf:

5   Die Zukunftsfähigkeit von Politik und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen stärken – Engagement für die Initiative Open Government Partnership aufnehmen

Antrag
der Fraktion der PIRATEN
Drucksache 16/12107

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende Piratenfraktion Herrn Kollegen Herrmann das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Das Beste kommt zum Schluss, und es trägt den Titel – ich sage es noch einmal – „Die Zukunftsfähigkeit von Politik und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen stärken – Engagement für die Initiative Open Government Partnership aufnehmen“. Mit unserem Antrag wollen wir anregen, dass sich die Landesregierung aktiv an der Initiative Open Government Partnership beteiligt und die Kommunen im Land ebenfalls dazu auffordert.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie erinnern sich: Der Beschluss dieses Landtags vom November 2013 und die von der Landesregierung gestartete Initiative im Bundesrat haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Bundesregierung nun eine Mitgliedschaft Deutschlands in der internationalen Initiative Open Government Partnership anstrebt. Offiziell hat die Bundesregierung beim Treffen des Deutsch-Französischen Ministerrats in Metz am 7. April dieses Jahres bekannt gegeben, die Kandidatur für die Mitgliedschaft Deutschlands einzureichen.

Aber was ist die Open Government Partnership überhaupt? – Diese Initiative befördert Transparenz, bestärkt bürgerschaftliches Engagement, bekämpft Korruption und nutzt neue Technologien, um die öffentliche Verwaltung zu stärken. Wie macht sie das? – Durch gegenseitigen Austausch von Best Practices, das Lernen von- und miteinander. Das sind dort die Kernelemente des Handelns.

Mehr als 60 Staaten haben sich im Rahmen der Initiative bereits organisiert, tauschen sich über Projekte aus, verpflichten sich öffentlich zu weiteren Maßnahmen hin zu einer offenen und modernen Regierungsführung. Mit dem Einzug von modernen Technologien in den öffentlichen Sektor haben einige Staaten schon gezeigt, wie man bisherige Verfahren, staatliche Aufgaben effizienter und besser als bisher gestaltet – und das ist nicht nur Estland.

Dass die Öffnung der Verwaltung und die Bereitstellung von offenen Daten und Dokumenten ein Wissensgewinn für die Bevölkerung und die Verwaltung ist, das ist auch hier in Nordrhein-Westfalen bekannt, wenn auch noch lange nicht durchgängig gelebt.

Die Open.NRW-Initiative der Landesregierung hat viele Elemente von den Open-Government-Prinzipien übernommen, aber wir sollten hier nicht im eigenen Saft schmoren. Bei den Initiativen geht es ja um das Miteinander, es geht um den Austausch. Wir könnten viele gute Ideen und Projekte aus den anderen Ländern aufgreifen. Der Blick über den Tellerrand ist wichtig, wenn man als Land im globalen Wettbewerb steht; denn die Standortfaktoren von morgen sind eine moderne, offene und bürokratiearme öffentliche Hand und ein gutes digitales Ökosystem.

(Beifall von den PIRATEN)

Das zu realisieren braucht allerdings Zeit, und es muss daher zeitnah in Angriff genommen werden.

Der Bund steht jetzt vor der Aufgabe, sich bei der Initiative Open Government Partnership zu bewerben, und benötigt dazu einen nationalen Aktionsplan mit einer Liste von Vorhaben, die er vorhat umzusetzen. Der Bund hat dazu öffentlich die Länder gebeten, sich aktiv zu beteiligen und ihn bei seiner Kandidatur zu unterstützen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat diese Bewerbung angestoßen. Dann sollten wir uns jetzt auch aktiv an der Bewerbung beteiligen.

Die Teilnahme an der Open Government Partnership und ihren Arbeitsgruppen kann sowohl für die Landesverwaltung als auch für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen einen Anschub und einen Zugriff auf notwendiges Know-how bedeuten, das wir im Rahmen der Digitalisierung des Landes und der Kommunen dringend benötigen.

Eine neu eingerichtete Arbeitsgruppe für Regionen bietet für die Kommunen eine gute Möglichkeit, sich in der Open Government Partnership einzubringen, sich auszutauschen und mutig Standortmarketing zu betreiben. Denn auch die Wirtschaft wird dahin schauen, wo öffentliche Verwaltung aktiv ist, und zeigen, dass sie die Entwicklung unserer Zeit nicht verschlafen hat.

Wir hoffen, dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, unser Anliegen unterstützen und wir mit einer positiven Abstimmung nach der Beratung im Ausschuss ein starkes Signal für Nordrhein-Westfalen senden. – Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die SPD-Fraktion – er kann es kaum erwarten – spricht Herr Kollege van den Berg. Bitte.

Guido van den Berg (SPD): Herr Präsident! Es ist eine lange Plenarwoche gewesen, deswegen sollten wir die Dinge auch nicht in die Länge ziehen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Meine Damen und Herren! Herr Herrmann, es ist ja vielleicht auch ein schöner Antrag zum Schluss des Plenums, der ein bisschen versöhnlich stimmen kann.

Wir haben seinerzeit, am 29. November 2013, auf Ihre Initiative hin einen gemeinsamen Landtagsbeschluss gefasst und sind dabei, genau dieses Thema der Partnerschaft im internationalen Bereich mit unserer NRW-Initiative für Open Government zu verbinden.

Sie haben richtig ausgeführt: Der Bundesratsbeschluss ist am 6. November 2015 erfolgt. Sie haben in Ihrem Antrag auch auf das Treffen des Deutsch-Französischen Ministerrats am 7. April dieses Jahres verwiesen. Daher macht es Sinn, sich mit den Dingen im Ausschuss eingehend zu befassen.

Zwei Dinge sollte man immer im Auge haben. Das Erste ist: Bei einer Partnerschaft muss man Augenhöhe herstellen, das heißt, nicht jetzt schon die Schlussfolgerung ziehen, was genau zu tun ist. Das würde ich erst nach der Beratung machen wollen. Man ist immer gerne Vorreiter, aber es gehört auch dazu, dass man weiß, wie die anderen ticken, gerade bei der Zusammenarbeit in einem interstaatlichen Projekt.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Deshalb wollen wir diesmal überweisen und nicht direkt abstimmen!)

Das Zweite ist: Auch bei den Kommunen sollten wir nicht direkt vorangehen, denn auch die wollen, wie Sie wissen, mitgenommen werden. Das müssen wir sorgfältig tun. Deswegen freue ich mich auf die intensive Beratung im Ausschuss.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Die sollen Sie ja bestärken!)

Herr Präsident, sehen Sie es mir nach: Ich werde meine Redezeit deswegen heute nicht ausschöpfen.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Das, lieber Herr Kollege, ist Ihr gutes Recht als Abgeordneter, die Redezeit einmal nicht auszuschöpfen. Vielen Dank. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Korte.

Kirstin Korte (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast ist ja inzwischen eine namentliche Anrede möglich. Auch ich werde mich meinem Vorredner anschließen und die Redezeit nicht ausschöpfen.

Meine Damen und Herren, wir haben eben einiges dazu gehört, dass das Thema überhaupt nicht neu ist. Das zeigt auch: Die Bundesregierung ist auf diesem Themengebiet bereits seit langer Zeit aktiv. Dass die Piratenfraktion in dem vorliegenden Antrag gleichwohl behauptet, diesen Prozess erst durch ihre Initiative im nordrhein-westfälischen Landtag angestoßen zu haben, das ist, mit Verlaub, Unsinn.

Ich rate Ihnen, liebe Piraten: Schauen Sie sich bei Gelegenheit einmal das Plenarprotokoll 16/45Plenarprotokoll 16/45Plenarprotokoll 16/45 vom 29. November 2013 an, dann werden Sie feststellen, dass Ihnen bereits damals einige Redner erklärt haben, dass Ihre Forderungen schon Inhalt der Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU in Berlin waren.

Aber nichtsdestotrotz: Schauen wir nach vorne. Für die CDU-Landtagsfraktion genießt das Thema Open Government einen hohen Stellenwert. In unserem föderalen System sind dabei nicht nur der Bund, sondern alle Verwaltungsebenen gefordert.

Aus diesem Grund lohnt es sich sicherlich, wenn wir uns im Innenausschuss darüber auseinandersetzen, miteinander – und das intensivier – darüber sprechen, ob und, wenn ja, wie sich das Land Nordrhein-Westfalen aktiv in diese Initiative Open Government Partnership einbringen kann.

Daher stimmen wir selbstverständlich dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates zu. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Frau Kollegin Korte. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich auch einigermaßen kurz fassen. Ich denke, die Intention des Antrags besteht im Wesentlichen darin, dass wir hier unserer Freude Ausdruck verleihen können, dass der Bundesrat auf Antrag Nordrhein-Westfalens den Beitritt zur Open Government Partnership für die Bundesrepublik Deutschland initiiert hat.

Frau Korte, die Geschichte war dann doch ein bisschen anders. Dass die Bundesregierung da so unglaublich progressiv sei, stimmt nicht. Sie haben das vor über drei Jahren in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben, und es hat jetzt doch noch der Aufforderung durch das Land Nordrhein-Westfalen bedurft, dass das tatsächlich Realität wurde. Gut, dass das jetzt geklappt hat.

In seiner generellen Aussage ist der Antrag, so wie er jetzt vorliegt, zwar nicht falsch, aber dadurch enthält er auch noch nicht so viel konkret Richtiges. Wir können im Ausschuss gerne, lieber Kollege Herrmann, darüber in den Dialog treten, wie man diese generellen Aussagen, die in diesem Antrag stecken, mit konkreten Maßnahmen unterlegen kann.

Ich bin mir sicher, die Landesregierung wird …

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Da hoffen wir auf die Kreativität der Landesregierung!)

– Bitte? Hoffen auf die Piraten? – Nein, das haben wir nicht nötig.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Auf die Kreativität der Landesregierung!)

– Ach, so! Auf die Kreativität der Landesregierung. Ja, an der Kreativität der Landesregierung habe ich keine Zweifel, lieber Kollege Herrmann; denn wir haben ja als regierungstragende Fraktionen gemeinsam mit der Landesregierung bereits unsere Hausaufgaben gemacht und die Open NRW Strategie gemeinsam entwickelt. Ich bin mir sicher, dass die Landesregierung da auch den gemeinsamen Weg fortsetzen wird.

Nordrhein-Westfalen war über den ganzen Prozess treibende Kraft beim Beitritt der Bundesrepublik zur Open Government Partnership. Insofern ist auch da sehr deutlich zu erkennen, dass wir auf dem richtigen Kurs sind.

Nichtsdestotrotz ist für uns natürlich klar, dass der Prozess nicht mit dem Beitritt abgeschlossen ist, sondern dass die Arbeit jetzt erst beginnt. Wir werden im Rahmen von Open NRW mit unserer Open Government Strategie diesen Prozess begleiten. Dass wir dabei die verschiedenen Ebenen gleichberechtigt einbeziehen, ist richtig, ist vernünftig. Wie genau, darüber reden wir dann im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Hans-Willi Körfges [SPD])

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Wedel.

Dirk Wedel (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Oktober 2012 fand in Wien die erste Konferenz zur länderübergreifenden Zusammenarbeit von Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein im Bereich Open Government Data statt. Im Juni 2013 verabschiedete der G8-Gipfel eine Open Data Charta. Die Staaten verpflichteten sich darin, nationale Open Data Aktionspläne zu entwickeln und entsprechende Maßnahmen binnen zweieinhalb Jahren auf den Weg zu bringen.

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD kündigte an, dass die Bundesverwaltung nicht nur „Vorreiter für die Bereitstellung offener Daten werde“, sondern auch einen Beitritt zur Open Government Partnership, zur OGP, angestrebt wird. Das wurde in der Abschlusserklärung des deutsch-französischen Ministerrats im Frühjahr bekräftigt.

Parallel hat der Bundesrat im November des letzten Jahres auf Initiative Nordrhein-Westfalens und Hamburgs die Bundesregierung aufgefordert, der OGP beizutreten. Damit setzte die Landesregierung nach eineinhalb Jahren einen entsprechenden Beschluss des Hohen Hauses um.

Doch bislang ist kein Letter of Intend der Bundesrepublik beim Steering Committee der OGP eingegangen, also die konkrete Bekundung des Mitgliedschaftsinteresses. Vielleicht wird sich dies bis zum Herbst ändern, wenn Frankreich den Vorsitz übernimmt.

Solange ist jedoch die Forderung des heute zu beratenden Antrags, dem Subnational Government Pilot Program beizutreten, nicht mehr als ein Merkposten. Denn eine Mitarbeit, losgelöst von einer nationalen Mitgliedschaft, schließt das Programm aus.

Doch Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Piraten, ist die Möglichkeit, die bisherigen Anstrengungen der Landesregierung im Bereich von Open Data zu hinterfragen. Als im März 2015 der Startschuss für das Portal Open NRW fiel, war dies der Höhepunkt der vermeintlichen Umsetzung von Open Government in unserem Land. Damit sollte die proaktive Bereitstellung von Daten aus allen Bereichen der Landesverwaltung institutionalisiert

(Matthi Bolte [GRÜNE]: Das ist doch Quatsch!)

und auch den Kommunen eine Plattform zur Veröffentlichung geboten werden.

Es scheint so, dass manche Städte und Kreise hier deutlich engagierter sind als die Landesregierung. Von 1.729 Datensätzen stammen gerade einmal 799 aus der Landesverwaltung. Bereits damals haben wir kritisiert, dass die Ressorts frei sind, sich am Portal zu beteiligen und zu entscheiden, welche Daten publik gemacht werden.

Die Jahresbilanz gibt uns recht. Wenn wir uns zum Beispiel die Kategorie „Gesetze und Justiz“ anschauen, dann gibt es da weiterhin nur einen einzigen Eintrag, nämlich die Polizeistandorte in Bonn, und das in einer Zeit, in der die Menschen sehr sensibel für innen- und justizpolitische Themen sind.

Mir würden beispielsweise etliche Daten aus dem Justizressort einfallen, für die sich die Bürgerinnen und Bürger interessieren könnten. Aber vielleicht würden solche Daten ein schlechtes Licht auf die Arbeit der Landesregierung werfen. Open Data nur dort, wo politisch opportun, ist allerdings keine Transparenzinitiative.

(Beifall von Frank Herrmann [PIRATEN])

Meine Damen und Herren, was kann es also bringen, wenn sich Deutschland und NRW in der OPG engagieren? – Eine ganze Menge. Denn im Vergleich zu vielen anderen Staaten steht Deutschland noch ganz am Anfang. Von einer Transparenzrevolution, wie sie Großbritannien im Jahr 2010 ausgerufen und zu der das Land in kürzester Zeit sichtbare Anstrengungen unternommen hat, kann bei uns keine Rede sein. Internationale Vernetzung dürfte großen inhaltlichen Input und Best-Practice-Beispiele bieten, die man dann allerdings auch umsetzen muss.


(Matthi Bolte [GRÜNE]: Haben Sie vielleicht irgendwann einmal dazu die Initiative ergriffen, Herr Wedel?)

Auch für Kommunen können sich gute Ansätze ergeben.

Offene Daten, Bürgerbeteiligung, transparente Entscheidungen – das wird die Zukunft der Verwaltung sein. Hochwasserstände könnten direkt abgefragt werden, bei der Erstellung von Businessplänen können Wirtschaftszahlen Markteintrittsbarrieren für neue Unternehmen senken. In Bonn können bereits heute defekte Straßenlaternen gemeldet werden. Daneben würde auch der behördenübergreifende Zugriff auf Verwaltungsdaten vereinfacht.

Open Data bringt also großen Nutzen für die gesamte Gesellschaft. Doch dazu muss wirklich der Wille da sein, Open Government zu leben. Hierzu bedarf es in NRW mehr Anstrengungen als zahnloser Strategien und Bundesratsinitiativen. Vielleicht helfen die internationale Kooperation und der Druck innerhalb der OGP, als hoch entwickelte Industrienation bei Open Government nicht das Schlusslicht von fast 70 Staaten der Welt zu sein. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Ralf Jäger, Minister für Inneres und Kommunales: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will auch versuchen, mich kurzzufassen.

Erstens. Nordrhein-Westfalen ist Initiator des Beitritts der Bundesrepublik Deutschland gewesen. Wir sind also die Spitze der Bewegung.

Zweitens. Deshalb werden wir uns natürlich auch zukünftig einbringen, insbesondere bei der Frage der Einbindung der Kommunen. Das ist ohnehin Teil unserer Open-Government-Strategie.

Drittens. Da zwischen Bund, Ländern und Kommunen noch keine Rahmenbedingungen in Bezug auf den Beitritt vereinbart sind, sind momentan noch keine Entscheidungen über weiter gehende Finanzmittel des Landes erforderlich.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Daher schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung des Antrags Drucksache 16/12107 an den Innenausschuss. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung angenommen.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende unserer heutigen Sitzung angelangt.

Ich berufe das Plenum wieder ein für Mittwoch, den 6. Juli 2016.

Ihnen allen ein schönes Wochenende!

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 14:10 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 

Anlage

     Namentliche Abstimmung zu TOP 1 – Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften (Kommunalvertretungsstärkungsgesetz)


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Herr Abel

GRÜNE

X

 

 

2

 Herr Alda

FDP

 

 

X

3

 Frau Altenkamp

SPD

X

 

 

4

 Frau Andres

SPD

X

 

 

5

 Frau Asch

GRÜNE

X

 

 

6

 Herr Bas

GRÜNE

X

 

 

7

 Herr Bayer

PIRATEN

entschuldigt

8

 Herr Becker, Andreas

SPD

X

 

 

9

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

X

 

 

10

 Frau Beer

GRÜNE

X

 

 

11

 Frau Dr. Beisheim

GRÜNE

X

 

 

12

 Herr Bell

SPD

X

 

 

13

 Frau Benninghaus

SPD

X

 

 

14

 Herr van den Berg

SPD

X

 

 

15

 Herr Dr. Berger

CDU

X

 

 

16

 Herr Berghahn

SPD

X

 

 

17

 Herr Dr. Bergmann

CDU

X

 

 

18

 Herr Beu

GRÜNE

X

 

 

19

 Herr Bialas

SPD

X

 

 

20

 Herr Biesenbach

CDU

X

 

 

21

 Frau Birkhahn

CDU

X

 

 

22

 Herr Bischoff

SPD

entschuldigt

23

 Frau Blask

SPD

X

 

 

24

 Herr Börner

SPD

X

 

 

25

 Herr Börschel

SPD

X

 

 

26

 Freifrau von Boeselager

CDU

X

 

 

27

 Herr Bolte

GRÜNE

X

 

 

28

 Herr Bombis

FDP

 

 

X

29

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

X

 

 

30

 Frau Brand

PIRATEN

 

X

 

31

 Frau Brems

GRÜNE

X

 

 

32

 Herr Brockes

FDP

 

 

X

33

 Frau Dr. Bunse

CDU

X

 

 

34

 Herr Burkert

CDU

X

 

 

35

 Herr Busen

FDP

entschuldigt

36

 Herr Dahm

SPD

X

 

 

37

 Herr Deppe

CDU

X

 

 

38

 Frau van Dinther

CDU

X

 

 

39

 Frau Dmoch-Schweren

SPD

X

 

 

40

 Frau Doppmeier

CDU

X

 

 

41

 Herr Dr. Droste

CDU

X

 

 

42

 Herr Dudas

SPD

X

 

 

43

 Frau Düker

GRÜNE

X

 

 

44

 Herr Düngel

PIRATEN

 

X

 

45

 Herr Ellerbrock

FDP

entschuldigt

46

 Herr Engstfeld

GRÜNE

X

 

 

47

 Frau Fasse

CDU

X

 

 

48

 Herr Fehring

CDU

X

 

 

49

 Herr Feuß

SPD

X

 

 

50

 Herr Fortmeier

SPD

X

 

 

51

 Frau Freimuth

FDP

 

 

X

52

 Herr Fricke

PIRATEN

 

X

 

53

 Herr Ganzke

SPD

X

 

 

54

 Herr Garbrecht

SPD

X

 

 

55

 Herr Gatter

SPD

X

 

 

56

 Frau Gebauer

FDP

 

 

X

57

 Frau Gebhard

SPD

X

 

 

58

 Herr Geyer

SPD

X

 

 

59

 Frau Gödecke

SPD

X

 

 

60

 Herr Goldmann

GRÜNE

abwesend

61

 Herr Golland

CDU

X

 

 

62

 Frau Grochowiak-Schmieding

GRÜNE

X

 

 

63

 Herr Große Brömer

SPD

X

 

 

64

 Herr von Grünberg

SPD

X

 

 

65

 Herr Grunendahl

CDU

entschuldigt

66

 Frau Güler

CDU

X

 

 

67

 Herr Haardt

CDU

X

 

 

68

 Herr Dr. Hachen

CDU

X

 

 

69

 Frau Hack

SPD

X

 

 

70

 Herr Hafke

FDP

 

 

X

71

 Frau Hammelrath, Gabriele

SPD

entschuldigt

72

 Frau Hammelrath, Helene

SPD

X

 

 

73

 Frau Hanses

GRÜNE

X

 

 

74

 Herr Hausmann

CDU

X

 

 

75

 Herr Hegemann

CDU

entschuldigt

76

 Herr Heinrichs

SPD

X

 

 

77

 Frau Hendricks

SPD

X

 

 

78

 Herr Hendriks

CDU

X

 

 

79

 Herr Herrmann

PIRATEN

 

X

 

80

 Herr Herter

SPD

X

 

 

81

 Herr Hilser

SPD

X

 

 

82

 Herr Höne

FDP

 

 

X

83

 Herr Hovenjürgen

CDU

X

 

 

84

 Frau Howe

SPD

X

 

 

85

 Herr Hübner

SPD

X

 

 

86

 Herr Jäger

SPD

X

 

 

87

 Herr Jahl

SPD

X

 

 

88

 Frau Jansen

SPD

X

 

 

89

 Herr Jörg

SPD

X

 

 

90

 Herr Jostmeier

CDU

X

 

 

91

 Herr Kämmerling

SPD

abwesend

92

 Herr Kaiser

CDU

X

 

 

93

 Herr Kamieth

CDU

X

 

 

94

 Herr Dr. Kerbein

FDP

 

 

X

95

 Herr Kerkhoff

CDU

X

 

 

96

 Herr Kern, Nicolaus

PIRATEN

 

X

 

97

 Herr Kern, Walter

CDU

X

 

 

98

 Herr Keymis

GRÜNE

X

 

 

99

 Frau Kieninger

SPD

X

 

 

100

 Herr Klocke

GRÜNE

entschuldigt

101

 Frau Klöpper

CDU

X

 

 

102

 Herr Körfges

SPD

X

 

 

103

 Frau Kopp-Herr

SPD

X

 

 

104

 Frau Korte

CDU

X

 

 

105

 Frau Koschorreck

SPD

X

 

 

106

 Herr Kossiski

SPD

X

 

 

107

 Frau Kraft

SPD

X

 

 

108

 Herr Kramer

SPD

X

 

 

109

 Herr Krick

SPD

X

 

 

110

 Herr Krückel

CDU

X

 

 

111

 Herr Krüger

GRÜNE

X

 

 

112

 Herr Kruse

CDU

entschuldigt

113

 Herr Kuper

CDU

X

 

 

114

 Herr Kutschaty

SPD

X

 

 

115

 Herr Lamla

PIRATEN

entschuldigt

116

 Herr Laschet

CDU

X

 

 

117

 Herr Lienenkämper

CDU

X

 

 

118

 Herr Lindner

FDP

entschuldigt

119

 Herr Löcker

SPD

X

 

 

120

 Herr Lohn

CDU

X

 

 

121

 Frau Lück

SPD

X

 

 

122

 Frau Lüders

SPD

X

 

 

123

 Herr Lürbke

FDP

abwesend

124

 Frau Lux

SPD

entschuldigt

125

 Frau Maaßen

GRÜNE

entschuldigt

126

 Herr Dr. Maelzer

SPD

X

 

 

127

 Herr Markert

GRÜNE

X

 

 

128

 Herr Marquardt

SPD

X

 

 

129

 Herr Marsching

PIRATEN

 

X

 

130

 Herr Meesters

SPD

X

 

 

131

 Frau Middendorf

CDU

X

 

 

132

 Frau Milz

CDU

X

 

 

133

 Herr Möbius

CDU

X

 

 

134

 Herr Moritz

CDU

X

 

 

135

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

X

 

 

136

 Herr Müller, Hans-Peter

SPD

X

 

 

137

 Herr Müller, Holger

CDU

X

 

 

138

 Frau Müller-Witt

SPD

X

 

 

139

 Herr Münchow

SPD

X

 

 

140

 Herr Münstermann

SPD

X

 

 

141

 Herr Nettekoven

CDU

X

 

 

142

 Herr Nettelstroth

CDU

X

 

 

143

 Herr Neumann

SPD

X

 

 

144

 Herr Nückel

FDP

 

 

X

145

 Herr Olejak

PIRATEN

 

X

 

146

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

X

 

 

147

 Herr Ortgies

CDU

X

 

 

148

 Herr Ott

SPD

X

 

 

149

 Herr Dr. Papke

FDP

 

 

X

150

 Herr Dr. Paul, Joachim

PIRATEN

 

X

 

151

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

X

 

 

152

 Frau Philipp

SPD

X

 

 

153

 Frau Pieper

PIRATEN

 

X

 

154

 Herr Post

CDU

X

 

 

155

 Herr Preuß

CDU

X

 

 

156

 Frau Preuß-Buchholz

SPD

X

 

 

157

 Herr Priggen

GRÜNE

X

 

 

158

 Herr Rahe

SPD

X

 

 

159

 Herr Rasche

FDP

 

 

X

160

 Herr Rehbaum

CDU

X

 

 

161

 Herr Römer

SPD

X

 

 

162

 Herr Rohwedder

PIRATEN

 

X

 

163

 Herr Rüße

GRÜNE

X

 

 

164

 Frau Ruhkemper

SPD

X

 

 

165

 Frau Rydlewski

PIRATEN

 

X

 

166

 Frau Schäfer, Ute

SPD

X

 

 

167

 Frau Schäffer, Verena

GRÜNE

X

 

 

168

 Frau Scharrenbach

CDU

X

 

 

169

 Herr Schatz

PIRATEN

entschuldigt

170

 Herr Scheffler

SPD

X

 

 

171

 Herr Schemmer

CDU

X

 

 

172

 Herr Schick

CDU

X

 

 

173

 Herr Schittges

CDU

entschuldigt

174

 Herr Schlömer

SPD

X

 

 

175

 Herr Schmalenbach

PIRATEN

 

X

 

176

 Herr Schmeltzer

SPD

X

 

 

177

 Frau Schmitt-Promny

GRÜNE

X

 

 

178

 Herr Schmitz, Hendrik

CDU

X

 

 

179

 Frau Schmitz, Ingola Stefanie

FDP

 

 

X

180

 Herr Schneider, Guntram

SPD

abwesend

181

 Herr Schneider, René

SPD

X

 

 

182

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

 

X

183

 Herr Schultheis

SPD

X

 

 

184

 Herr Schulz

PIRATEN

 

X

 

185

 Frau Schulze

SPD

X

 

 

186

 Frau Schulze Föcking

CDU

X

 

 

187

 Herr Schwerd

fraktionslos

entschuldigt

188

 Herr Seel

CDU

X

 

 

189

 Frau Dr. Seidl

GRÜNE

X

 

 

190

 Herr Sieveke

CDU

X

 

 

191

 Herr Solf

CDU

entschuldigt

192

 Herr Sommer

PIRATEN

 

X

 

193

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

X

 

 

194

 Herr Spiecker

CDU

X

 

 

195

 Herr Dr. Stamp

FDP

entschuldigt

196

 Herr Stein

CDU

entschuldigt

197

 Frau Steininger-Bludau

SPD

X

 

 

198

 Frau Steinmann

SPD

X

 

 

199

 Herr Prof. Dr.Dr. Sternberg

CDU

entschuldigt

200

 Herr Stinka

SPD

X

 

 

201

 Herr Stotko

SPD

X

 

 

202

 Frau Stotz

SPD

X

 

 

203

 Herr Stüttgen

SPD

X

 

 

204

 Herr Sundermann

SPD

X

 

 

205

 Herr Tenhumberg

CDU

X

 

 

206

 Herr Terhaag

FDP

 

 

X

207

 Herr Thiel

SPD

abwesend

208

 Frau Thönnissen

CDU

X

 

 

209

 Frau Tillmann

SPD

X

 

 

210

 Herr Töns

SPD

X

 

 

211

 Herr Tüttenberg

SPD

X

 

 

212

 Herr Ünal

GRÜNE

X

 

 

213

 Herr Uhlenberg

CDU

X

 

 

214

 Frau Velte

GRÜNE

X

 

 

215

 Herr Vogt, Alexander

SPD

X

 

 

216

 Frau Vogt, Petra

CDU

X

 

 

217

 Frau Voigt-Küppers

SPD

X

 

 

218

 Frau Voßeler

CDU

X

 

 

219

 Herr Voussem

CDU

X

 

 

220

 Frau Wagener

SPD

X

 

 

221

 Frau Warden

SPD

X

 

 

222

 Frau Watermann-Krass

SPD

X

 

 

223

 Herr Weckmann

SPD

X

 

 

224

 Herr Wedel

FDP

 

 

X

225

 Herr Wegner

PIRATEN

 

X

 

226

 Herr Weiß

SPD

X

 

 

227

 Herr Weske

SPD

X

 

 

228

 Herr Wirtz, Axel

CDU

X

 

 

229

 Herr Wirtz, Josef

CDU

X

 

 

230

 Herr Witzel

FDP

 

 

X

231

 Herr Dr. Wolf, Ingo

FDP

entschuldigt

232

 Herr Wolf, Sven

SPD

X

 

 

233

 Herr Wüst

CDU

X

 

 

234

 Herr Yetim

SPD

X

 

 

235

 Herr Yüksel

SPD

X

 

 

236

 Frau Zentis

GRÜNE

X

 

 

237

 Herr Zimkeit

SPD

X

 

 

 

Ergebnis

 

180

15

16