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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/73

17. Wahlperiode

27.11.2019

 

73. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 27. November 2019

Mitteilungen des Präsidenten. 9

Vor Eintritt in die Tagesordnung. 9

Rügeähnlicher Hinweis   
auf Einhaltung der parlamentarischen Ordnung,
gerichtet an Ministerin Ina Scharrenbach
s. Protokoll zu TOP 3 der 72. Plenarsitzung. 9

Formlose Rüge  
des Abgeordneten Markus Wagner (AfD)
s. Protokoll zu TOP 3 der 72. Plenarsitzung. 9

Ordnungsruf  
gerichtet an den
Abgeordneten Sven Werner Tritschler (AfD)
s. Protokoll zu TOP 3 der 72. Plenarsitzung. 9

1   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2020 (Haushaltsgesetz 2020)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/7200
Drucksache 17/7800 (Ergänzung)

Beschlussempfehlungen und Berichte
des Haushalts‑ und Finanzausschusses
Drucksache 17/8000
Drucksache 17/8001
Drucksache 17/8002
Drucksache 17/8003
Drucksache 17/8004
Drucksache 17/8005
Drucksache 17/8006
Drucksache 17/8007
Drucksache 17/8008
Drucksache 17/8009
Drucksache 17/8010
Drucksache 17/8011
Drucksache 17/8012
Drucksache 17/8013
Drucksache 17/8014
Drucksache 17/8016
Drucksache 17/8020 – Neudruck

zweite Lesung

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7972

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7973

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7974

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7975

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7976

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7977

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7978

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7979

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7980

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7981

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7982

Und:

     Finanzplanung 2019 bis 2023 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 17/7201

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts‑ und Finanzausschusses
Drucksache 17/8019

In Verbindung mit:

     Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsbegleitgesetz 2020)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/7203

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts‑ und Finanzausschusses
Drucksache 17/8018

zweite Lesung

In Verbindung mit:

     Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2020 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2020 – GFG 2020) und zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/7202
Drucksache 17/7800 (Ergänzung)

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts‑ und Finanzausschusses
Drucksache 17/8017

zweite Lesung. 10

GRUNDSATZDEBATTE

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2020 (Haushaltsgesetz 2020)

In Verbindung mit:

Finanzplanung 2019 – 2023 des Landes Nordrhein-Westfalen

In Verbindung mit:

Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsbegleitgesetz 2020)

In Verbindung mit:

Einzelplan 12
Ministerium der Finanzen, Finanzverwaltung

In Verbindung mit:

Einzelplan 20
Allgemeine Finanzen. 10

Stefan Zimkeit (SPD) 11

Arne Moritz (CDU) 13

Monika Düker (GRÜNE) 15

Ralf Witzel (FDP) 17

Herbert Strotebeck (AfD) 20

Minister Lutz Lienenkämper 21

Stefan Zimkeit (SPD) 23

Ergebnis  
zu Einzelplan 12. 23

Ergebnis  
zur Finanzplanung 2019 bis 2023. 23

Ergebnis  
zu Einzelplan 20 plus Änderungsanträgen
siehe 74. Plenarsitzung
nach Abstimmung zu Einzelplan 06. 24

Ergebnis  
zum Haushaltsgesetz 2020
siehe 74. Plenarsitzung
nach Abstimmung zu Einzelplan 06. 24

Ergebnis  
zum GFG 2020
siehe 74. Plenarsitzung
nach Abstimmung zu Einzelplan 06. 24

     Einzelplan 03
Ministerium des Innern. 24

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8003

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7972. 24

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7973. 24

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7974. 24

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7975. 24

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7976. 24

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7977. 24

Hartmut Ganzke (SPD) 24

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU) 26

Verena Schäffer (GRÜNE) 28

Marc Lürbke (FDP) 31

Markus Wagner (AfD) 34

Minister Herbert Reul 36

Ergebnis. 39

     Einzelplan 05
Ministerium für Schule und Bildung. 40

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8005

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) 40

Frank Rock (CDU) 42

Sigrid Beer (GRÜNE) 44

Franziska Müller-Rech (FDP) 46

Helmut Seifen (AfD) 48

Ministerin Yvonne Gebauer 50

Martina Hannen (FDP) 51

Ergebnis  
s. nach Abstimmung über Einzelplan 02. 52

     Einzelplan 02
Ministerpräsident 52

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8002

a) Staatskanzlei 52

Elisabeth Müller-Witt (SPD) 52

Daniel Hagemeier (CDU) 53

Monika Düker (GRÜNE) 54

Angela Freimuth (FDP) 55

Markus Wagner (AfD) 56

Ministerpräsident Armin Laschet 57

b) Europa und Internationales. 58

Rüdiger Weiß (SPD) 59

Oliver Krauß (CDU) 60

Johannes Remmel (GRÜNE) 61

Thomas Nückel (FDP) 62

Sven Werner Tritschler (AfD) 63

Formlose Rüge  
des Abgeordneten Sven Werner Tritschler 64

Ministerpräsident Armin Laschet 64

c) Sport 66

Rainer Bischoff (SPD) 66

Jens-Peter Nettekoven (CDU) 67

Josefine Paul (GRÜNE) 68

Andreas Terhaag (FDP) 69

Andreas Keith (AfD) 70

Ministerpräsident Armin Laschet 71

d) Medien. 73

Alexander Vogt (SPD) 73

Andrea Stullich (CDU) 74

Oliver Keymis (GRÜNE) 76

Thomas Nückel (FDP) 77

Sven Werner Tritschler (AfD) 78

Ministerpräsident Armin Laschet 79

Ergebnis  
zu Einzelplan 02. 80

Ergebnis  
zu Einzelplan 05. 80

     Einzelplan 07
Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration  80

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8007

a) Familie, Kinder und Jugend. 80

Dr. Dennis Maelzer (SPD) 80

Jens Kamieth (CDU) 82

Josefine Paul (GRÜNE) 83

Alexander Brockmeier (FDP) 85

Iris Dworeck-Danielowski (AfD) 87

Minister Dr. Joachim Stamp. 89

Frank Müller (SPD) 91

Marcel Hafke (FDP) 92

b) Flüchtlinge und Integration. 93

Ibrahim Yetim (SPD) 93

Heike Wermer (CDU) 94

Berivan Aymaz (GRÜNE) 97

Stefan Lenzen (FDP) 98

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 100

Minister Dr. Joachim Stamp. 101

Ergebnis. 102

     Einzelplan 09
Ministerium für Verkehr 102

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8009

Carsten Löcker (SPD) 103

Klaus Voussem (CDU) 104

Johannes Remmel (GRÜNE) 105

Bodo Middeldorf (FDP) 106

Herbert Strotebeck (AfD) 107

Minister Hendrik Wüst 108

Ergebnis. 109

     Einzelplan 10
Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur‑ und Verbraucherschutz  109

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8009

a) Umwelt, Landwirtschaft und Naturschutz

André Stinka (SPD) 110

Bianca Winkelmann (CDU) 111

Norwich Rüße (GRÜNE) 112

Markus Diekhoff (FDP) 113

Dr. Christian Blex (AfD) 115

Ministerin Ursula Heinen-Esser 116

b) Verbraucherschutz. 117

Inge Blask (SPD) 117

Dr. Christian Untrieser (CDU) 118

Norwich Rüße (GRÜNE) 119

Stephan Haupt (FDP) 121

Dr. Christian Blex (AfD) 122

Ministerin Ursula Heinen-Esser 123

Ergebnis. 124

     Einzelplan 01
Landtag, Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit NRW   124

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8001

Ergebnis. 124

     Einzelplan 13
Landesrechnungshof 124

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8013

Ergebnis. 124

     Einzelplan 16
Verfassungsgerichtshof 125

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8016

Ergebnis. 125

2   Entwurf des zweiten Kulturförderplans (2019–2023) gemäß § 23 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung und Entwicklung der Kultur, der Kunst und der kulturellen Bildung in Nordrhein-Westfalen (Kulturfördergesetz NRW – KFG)

Entwurf der Landesregierung
Vorlage 17/2533 – 2. Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kultur und Medien
Drucksache 17/7930. 125

Bernd Petelkau (CDU) 125

Andreas Bialas (SPD) 126

Lorenz Deutsch (FDP) 127

Oliver Keymis (GRÜNE) 127

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 128

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 129

Ergebnis. 130

3   Schluss mit Mini-Mindestlohn – Arbeitsminister Laumann (CDU) hat gelernt – Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) fordert höheren Mindestlohn!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/7915. 130

Josef Neumann (SPD) 130

Marco Schmitz (CDU) 131

Stefan Lenzen (FDP) 132

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 133

Iris Dworeck-Danielowski (AfD) 134

Ministerin Ina Scharrenbach. 135

Ergebnis. 135

4   Pudelwohl im fremden Land! Endlich wirksame Bekämpfung von invasiven Neobiota ermöglichen und heimische Ökosysteme schützen!

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7906. 136

Dr. Christian Blex (AfD) 136

Rainer Deppe (CDU) 137

Ina Spanier-Oppermann (SPD) 138

Markus Diekhoff (FDP) 138

Norwich Rüße (GRÜNE) 138

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 139

Ergebnis. 139

5   Gesetz zur Änderung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst und weiterer Gesetze

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/7320

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 17/7931

zweite Lesung. 139

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Hartmut Ganzke (SPD)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Marc Lürbke (FDP)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Verena Schäffer (GRÜNE)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Helmut Seifen (AfD)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Minister Herbert Reul
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Ergebnis. 139

6   Gesetz zur Erhöhung der Transparenz von Veranstaltergemeinschaften des lokalen Hörfunks (Lokalhörfunk-Transparenzgesetz NRW)

Gesetzentwurf
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7907

erste Lesung. 140

Sven Werner Tritschler (AfD)
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Andrea Stullich (CDU)
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Ernst-Wilhelm Rahe (SPD)
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Thomas Nückel (FDP)
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Oliver Keymis (GRÜNE)
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Ministerpräsident Armin Laschet
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Ergebnis. 140

7   Umsetzungsgesetz zum Dritten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/6611 – Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 17/7932

zweite Lesung. 140

Daniel Hagemeier (CDU) 140

Elisabeth Müller-Witt (SPD) 141

Angela Freimuth (FDP) 142

Stefan Engstfeld (GRÜNE) 143

Andreas Keith (AfD) 143

Minister Herbert Reul 144

Ergebnis. 145

8   Gesetz zur Errichtung einer Stiftung
„Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7904

erste Lesung. 146

André Kuper (CDU) 146

Prof. Dr. Rainer Bovermann (SPD) 147

Lorenz Deutsch (FDP) 148

Josefine Paul (GRÜNE) 149

Helmut Seifen (AfD) 149

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 151

Ergebnis. 152

9   Wanderfischprogramm fortführen – zügige Durchgängigkeit der Gewässer erreichen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/7911. 152

Dr. Ralf Nolten (CDU) 152

Markus Diekhoff (FDP) 153

René Schneider (SPD) 153

Norwich Rüße (GRÜNE) 154

Dr. Christian Blex (AfD) 155

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 155

Ergebnis. 156

10 Klimawandel ernst nehmen – Maßnahmen zur Rettung der Wälder in NRW deutlich verstärken!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7901. 156

Ergebnis. 156

11 Absichtserklärungen allein reichen nicht aus! Die Landesregierung muss eine Landeskoordinierungsstelle gegen Rassismus und Diskriminierung einrichten!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/7913. 156

Ergebnis. 156

12 Fit für Demokratie: Schutz vor Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus verstärken

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/7914

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7991. 156

Ergebnis. 157

13 Wahl eines Mitglieds des Beirats der NRW.Bank

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/7916. 157

Ergebnis. 157

14 Zustimmung des Landtags Nordrhein-Westfalen gemäß § 64 Abs. 2 LHO zur Veräußerung von Liegenschaften des Sondervermögens Bau‑ und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen (BLB NRW) – Bebautes Grundstück in Minden, Weserglacis

Vorlage 17/2582

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts‑ und Finanzausschusses
Drucksache 17/7933. 157

Ergebnis. 157

15 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 25
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/7927. 157

Ergebnis. 157

Anlage 1. 159

TOP 5 – Gesetz zur Änderung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst und weiterer Gesetze – zu Protokoll gegebene Reden

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU) 159

Hartmut Ganzke (SPD) 159

Marc Lürbke (FDP) 160

Verena Schäffer (GRÜNE) 161

Helmut Seifen (AfD) 161

Minister Herbert Reul 161

Anlage 2. 163

TOP 6 – Gesetz zur Erhöhung der Transparenz von Veranstaltergemeinschaften des lokalen Hörfunks (Lokalhörfunk-Transparenzgesetz NRW) – zu Protokoll gegebene Reden

Sven Werner Tritschler (AfD) 163

Andrea Stullich (CDU) 163

Ernst-Wilhelm Rahe (SPD) 164

Thomas Nückel (FDP) 165

Oliver Keymis (GRÜNE) 165

Ministerpräsident Armin Laschet 165


Entschuldigt waren:

Ministerin Ursula Heinen-Esser 
(bis ca. 17:00 Uhr)

Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner

Minister Karl-Josef Laumann

Martin Börschel (SPD)

Hans-Willi Körfges (SPD)         
(bis 13:00 Uhr)

Hannelore Kraft (SPD)

Hubertus Kramer (SPD)
(bis 14:00 Uhr)

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE)   
(ab 19:00 Uhr)

Arndt Klocke (GRÜNE) 

Nic Peter Vogel (AfD)

 


Beginn: 10:02 Uhr

Präsident André Kuper: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle zu unserer 73. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich vier Abgeordnete entschuldigt; die Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich im Nachgang zu Tagesordnungspunkt 3 der Plenarsitzung vom 15. November 2019 Frau Ministerin Scharrenbach auf die Einhaltung der parlamentarischen Ordnung hinweisen sowie eine nichtförmliche Rüge und einen Ordnungsruf aussprechen; die nichtförmliche Rüge betrifft Herrn Abgeordneten Wagner, der Ordnungsruf Herrn Abgeordneten Tritschler von der AfD-Fraktion.

Frau Ministerin Scharrenbach hat sich zu Beginn ihres Redebeitrags zu Tagesordnungspunkt 3 unparlamentarisch gegenüber einem Abgeordneten geäußert. Aus formalen Gründen kann ich ein Mitglied der Landesregierung nicht wie einen Abgeordneten rügen. Hätten Sie Ihre Äußerung, die ich nicht wiederholen werde, als Abgeordnete getätigt, hätte ich Sie hierfür nichtförmlich gerügt. So kann ich nur darauf hinweisen, dass Ihre Äußerung der Würde des Parlaments nicht angemessen war.

Herr Abgeordneter Wagner hat sich in seinem Redebeitrag zum gleichen Tagesordnungspunkt unparlamentarisch verhalten, indem er die Abgeordneten der übrigen Fraktionen in diesem Parlament in gleicher Weise beleidigt hat; auch hier werde ich die Äußerung nicht wiederholen. Herr Kollege, ich ermahne Sie und bitte Sie, derartige Äußerungen zukünftig zu unterlassen.

Herr Abgeordneter Tritschler wurde für eine Formulierung in seinem Redebeitrag zu Tagesordnungspunkt 3 der letzten Sitzung in Bezug auf die Oberbürgermeisterin von Köln bereits nichtförmlich gerügt.

Am Ende seines letzten Redebeitrags zu diesem Tagesordnungspunkt hat er die gerügte Formulierung nochmals bekräftigt. Dies stellt zudem einen Verstoß gegen § 36 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung und damit gegen die parlamentarische Ordnung dar. Herr Kollege, ich rufe Sie zur Ordnung und fordere Sie auf, derartige Äußerungen zukünftig zu unterlassen.

Ich rufe auf:

1   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2020 (Haushaltsgesetz 2020)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/7200
Drucksache 17/7800 (Ergänzung)

Beschlussempfehlungen und Berichte
des Haushalts‑ und Finanzausschusses
Drucksache 17/8000
Drucksache 17/8001
Drucksache 17/8002
Drucksache 17/8003
Drucksache 17/8004
Drucksache 17/8005
Drucksache 17/8006
Drucksache 17/8007
Drucksache 17/8008
Drucksache 17/8009
Drucksache 17/8010
Drucksache 17/8011
Drucksache 17/8012
Drucksache 17/8013
Drucksache 17/8014
Drucksache 17/8016
Drucksache 17/8020 – Neudruck

zweite Lesung

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7972

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7973

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7974

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7975

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7976

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7977

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7978

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7979

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7980

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7981

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7982

Und:

     Finanzplanung 2019 bis 2023 des Landes Nordrhein-Westfalen

Drucksache 17/7201

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts‑ und Finanzausschusses
Drucksache 17/8019

In Verbindung mit:

     Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsbegleitgesetz 2020)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/7203

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts‑ und Finanzausschusses
Drucksache 17/8018

zweite Lesung

In Verbindung mit:

     Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2020 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2020 – GFG 2020) und zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/7202
Drucksache 17/7800 (Ergänzung)

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts‑ und Finanzausschusses
Drucksache 17/8017

zweite Lesung

Die Änderungsanträge werde ich bei den Einzelplänen nennen bzw. zur Abstimmung aufrufen.

Ich darf noch weitere Hinweise zum Ablauf der Beratungen geben: Das im Ältestenrat vereinbarte Beratungsverfahren mit der Reihenfolge der zu beratenden Einzelpläne und den vorgeschlagenen Redezeiten können Sie der Tagesordnung entnehmen.

Nach Beendigung der Aussprache über einen Einzelplan erfolgt die Abstimmung darüber. Liegt ein Änderungsantrag zu einem Einzelplan vor, wird zunächst über diesen abgestimmt. Über den Einzelplan 20 stimmen wir erst morgen ab.

Auch über eventuelle Änderungsanträge zum Haushaltsgesetz 2020, über das Haushaltsgesetz selbst sowie über das Gemeindefinanzierungsgesetz stimmen wir morgen zum Abschluss der zweiten von insgesamt drei Lesungen ab.

Das Haushaltsbegleitgesetz 2020 benötigt nur zwei Lesungen; die Abstimmung, auch über Änderungsanträge, wird daher bis zur dritten Lesung des Haushaltsgesetzes 2020 im Dezemberplenum zurückgestellt.

Ich gebe noch einen Hinweis: Sollte eine dritte Lesung zum Haushaltsbegleitgesetz nicht beantragt sein, darf die Beratung ausdrücklich nicht geschlossen werden, weil sonst gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung im Dezember 2019 keine Änderungsanträge mehr gestellt werden könnten.

Zwischen 12:30 Uhr und 14:00 Uhr finden heute keine Abstimmungen statt.

Ich rufe auf:

     GRUNDSATZDEBATTE

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2020 (Haushaltsgesetz 2020)

In Verbindung mit:

Finanzplanung 2019 – 2023 des Landes Nordrhein-Westfalen

In Verbindung mit:

Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsbegleitgesetz 2020)

In Verbindung mit:

Einzelplan 12
Ministerium der Finanzen, Finanzverwaltung

In Verbindung mit:

Einzelplan 20
Allgemeine Finanzen

Ich eröffne die Aussprache als Grundsatzdebatte und darf für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Zimkeit das Wort erteilen.

Stefan Zimkeit (SPD): Der Haushalt, Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, macht das Motto Ihrer Politik deutlich: nicht zuhören, nicht entscheiden, nicht handeln. Statt zuzuhören, hören Sie weg.

Ziel Ihrer Politik war es ja, Platz 1 zu erreichen. In einem Bereich haben Sie das einsam geschafft: Ich glaube, noch nie wurden in so kurzer Zeit gegen die Politik einer Regierung so viele Unterschriften gesammelt wie gegen Ihre. Da haben Sie Platz 1 erreicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Bei Ihrem Kitareförmchen will der Jubel überhaupt keinen Anfang nehmen. Stattdessen demonstrieren massenhaft Erzieherinnen und Erzieher dagegen. Sie nennen dieses Gesetz einen großen Wurf; gleichzeitig kündigen die Träger an, sich deswegen aus der Finanzierung zurückzuziehen. Ihr großer Wurf bei den Kitas ging weit weit ins Aus.

(Beifall von der SPD)

Hunderttausende Menschen fordern die Abschaffung der Straßenausbaugebühren. Was tun Sie? Sie schaffen ein Bürokratiemonster, ohne den Menschen die Existenzängste zu nehmen. Auch hier haben Sie nicht zugehört.

Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Mietervereinen fordert von Ihnen eine Umkehr in der Wohnungsbaupolitik. Ihre Antwort ist ein „Weiter so!“, das dazu führt, dass die Menschen weiter mit steigenden Mieten leben müssen, die sie sich kaum noch leisten können.

Tausende Menschen warnen Sie davor, die Demokratie zu beschädigen und die Stichwahl für Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte nicht abzuschaffen.

Doch Sie ziegeln durch: Um eigene politische Vorteile, insbesondere der CDU, zu sichern, gehen Sie die Gefahr ein, dass Extremisten zukünftig Bürgermeisterposten erhalten. Das ist ein Schaden für die Demokratie.

(Beifall von der SPD)

Ich wollte jetzt eigentlich Herrn Laschet ansprechen, der nicht da ist. Ich wollte ihn fragen – vielleicht hat das ja heute nicht geklappt –, warum er eigentlich so viel Hubschrauber fliegt.

Eigentlich ist das nicht nötig. Er und seine Landesregierung schweben doch schon so hoch über den Dingen, dass sie auch ohne Hubschrauber über die Staus hinwegfliegen können. Sie haben die Bodenhaftung verloren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Doch es ist nicht nur schlecht, dass Sie nicht zuhören. Sie entscheiden auch nicht. Viele, viele Schulen warten darauf, Unterstützung zu bekommen, insbesondere Schulen mit besonderen Herausforderungen.

Ihre Antwort darauf sind 60 Talentschulen. Jeder weiß aber: Über 1.000 Schulen brauchen diese Unterstützung. Diese Schulen lassen Sie alleine, weil Sie nicht entscheiden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Beim Altschuldenfonds sind Sie, seit der Bund angekündigt hat, sich an einer solchen Lösung zu beteiligen, in Schockstarre verfallen. Sie wollten eigentlich mit dem Finger auf den Bund zeigen und sich damit aus der Verantwortung stehlen.

Da der Bund sich jetzt beteiligt, sind Sie sprachlos. Statt Symposien in Berlin zu veranstalten, sollten Sie hier endlich Lösungen auf den Tisch legen, sonst verpassen wir eine historische Chance für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD)

Entscheiden tun Sie auch nicht bei strukturellen Altplanungen. Ein nicht ganz unwichtiges FDP-Mitglied, das einmal in diesem Haus war, hat 1 Milliarde Euro struktureller Einsparungen in dieser Legislaturperiode angekündigt. Von 1 Milliarde Euro Einsparungen sprach Herr Lindner.

Erreicht haben Sie bisher nichts. Ihre eigentliche schwarze Null, Herr Finanzminister, ist die schwarze Null bei Einsparungen, weil Sie keinen Cent eingespart haben.

(Beifall von der SPD)

Die weitere schwarze Null, die Sie anbieten, nämlich die beim Haushalt, haben Sie auch nur auf Kosten der Kommunen erreicht.

Es ist nicht so, dass Sie nicht nur nicht zuhören, nicht entscheiden, sondern Sie handeln auch nicht. Die Situation der Grundschulen wird überall diskutiert. Der Lehrermangel dort wird immer schlimmer. Manche Grundschulen sind kaum noch arbeitsfähig. Sie verweigern die einzige Lösung, die schnell greifen könnte A13 für alle –,

(Unruhe)

die alle Expertinnen und Experten fordern. Frau Gebauer läuft durch die Schulen und sagt, sie will das, und Herr Dr. Stamp pfeift sie dann zurück, und die Schulen müssen es ausbaden. Handeln Sie endlich und reden Sie nicht nur.

(Beifall von der SPD)

Seit über einem Jahr weiß Herr Dr. Stamp, dass er die Flüchtlingskostenpauschale erhöhen muss, weil ein Gutachten ihm das gesagt hat. Genau vor einem Jahr in der zweiten Lesung des letzten Haushaltes hat er angekündigt, doch mal die dritte Lesung abzuwarten.

Er hätte dazu sagen müssen, dass er die dritte Lesung 2022 meint. Sie haben 500 Millionen Euro Schulden bei den Kommunen wegen der Flüchtlingsfinanzierung, und nur so schaffen Sie es, Ihren Haushalt auszugleichen, Herr Finanzminister.

(Beifall von der SPD)

Völlig tatenlos stehen Sie dem Investitionsstau in diesem Land gegenüber. Hier in diesem Saal hat eine Anhörung stattgefunden durch alle Bereiche. Die Schulen, die Verwaltungsgebäude, die Polizei, die Krankenhäuser – alle haben Sie darauf hingewiesen, dass wir dringend mehr Investitionen brauchen.

Was ist Ihre Antwort? Sie senken die Investitionsquote. Wir müssen handeln, damit die Infrastruktur nicht weiter verfällt. Wir brauchen ein Investitionsprogramm für Nordrhein-Westfalen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Noch weniger, als zu handeln und zu entscheiden, halten Sie Ihre gemachten Versprechungen ein. An die meisten erinnern Sie sich gar nicht mehr, Herr Löttgen. Erinnerungslücken gehören ja zur Kernkompetenz dieser Landesregierung.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Herr Löttgen, Sie haben in der ersten Lesung behauptet, Sie hätten nie Schuldenabbau versprochen. Ich empfehle Ihnen einen Blick in Ihr Wahlprogramm. Darin wird sogar in einer Überschrift Schuldenabbau versprochen.

So gehen Sie mit Ihren Versprechungen um. Sie lesen nicht mal in Ihrem eigenen Programm nach, was Sie versprochen haben. Sie wollen Ihre Wahlversprechen gar nicht einhalten.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Das ist Ihnen beim Schuldenabbau hervorragend gelungen. Da haben Sie es auf den letzten Platz der Bundesländer geschafft.

Den ersten Platz nehmen Sie bei einem anderen Thema, zu dem Sie große Versprechungen gemacht haben, ein: den Staus in Nordrhein-Westfalen.

Schon direkt nach dem Regierungswechsel haben Sie versucht, Ihre Versprechung, die Staus zu reduzieren, zu kassieren. Es werden immer mehr Staus. Sie wollen und können Ihre Wahlversprechen nicht einhalten, Herr Löttgen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Die schönsten Stilblüten treibt das Ganze beim Bürokratieabbau. Der Bürokratieabbau funktioniert bei Ihnen folgendermaßen: Frau Scharrenbach – sie ist ebenfalls nicht anwesend; den größten Teil der Regierung scheinen die Haushaltsberatungen nicht zu interessieren –

(Zuruf von der SPD: Bezeichnend! – Zuruf von Henning Höne [FDP])

erhält neue Stellen für eine Stabsstelle zum Bürokratieabbau. Die legt dann das Bürokratiemonster zu den Straßenausbaugebühren vor, wofür erst mal neue Stellen geschaffen werden müssen. So funktioniert Ihr Bürokratieabbau.

(Beifall von der SPD)

Neue Stellen in der Ministerialbürokratie sind das Einzige, das Sie liefern.

Zur zweiten Lesung haben wir Ihnen zahlreiche Vorschläge gemacht. Wir wollen die Kommunen besser unterstützen, indem wir Ihr Versprechen, die Integrationspauschale weiterzugeben, einhalten.

Wir wollen die Menschen entlasten, indem wir die Straßenausbaugebühren komplett abschaffen.

Wir wollen mehr für sozialen Zusammenhalt, für Frauenhäuser und Pflege tun.

Wir wollen den Kampf gegen Rechtsextremismus, für Demokratie und gegen die Populisten – auch hier im Hause – verstärken, indem wir mehr Geld für Demokratieprojekte ausgeben.

Sie haben alles abgelehnt, ohne einen einzigen eigenen Vorschlag zu machen. Sie diskutieren nur noch rückwärtsgewandt. Auch heute werden wir das wieder hören. Es wird immer wieder heißen: sieben Jahre Rot-Grün. Sie gucken nur noch in die Vergangenheit.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Sie regieren seit zweieinhalb Jahren, und eines wird deutlich: Sie haben kein Konzept für die Zukunft von Nordrhein-Westfalen.

Sie sind so abgehoben, dass Sie die Probleme der Menschen nicht mehr sehen. Sie sind so auf Ihren Koalitionsfrieden bedacht, dass Sie keine Entscheidungen mehr treffen.

Außerdem beschäftigen Sie sich so sehr damit, sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, dass Sie handlungsunfähig sind. Ihr Haushalt spiegelt dies wider. Deswegen lehnen wir ihn ab.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Moritz.

Arne Moritz*) (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit über zwei Monaten diskutieren wir jetzt über den Haushalt für das kommende Jahr.

Der Grundsatz der CDU-FDP-Koalition bei den Verhandlungen – das wird sich bis zum Abschluss der Haushaltsberatungen in wenigen Wochen so fortsetzen – ist ganz klar folgender: Wir machen keine Haushaltspolitik auf Pump, und wir wirtschaften nicht auf Kosten von morgen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Die Diskussion, die in anderen Parteien und auch von Teilen der Wissenschaft und Wirtschaft geführt wird, haben wir in den vergangenen Monaten durchaus zur Kenntnis genommen.

Ich möchte zeitlich einen Sprung zurück machen:

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands ist sicher nicht mit dem von Nordrhein-Westfalen vergleichbar; trotzdem haben wir dort gesehen, wohin es führen kann, wenn man die Kontrolle über die Schulden verliert.

Es ist ja nicht so, als würde Nordrhein-Westfalen keinen Schuldenberg vor sich herschieben. Mit jedem Euro, der neu auf diesen Schuldenberg kommt, steigt das Risiko.

Für CDU und FDP ist die Position deshalb ganz klar: Wir sind zwar das Bundesland und die Heimat von 18 Millionen Menschen mit einer vielfältigen Kultur, einer einzigartigen Forschungslandschaft und einer starken modernen Wirtschaft, aber wir sind nicht die Regierung, die das Signal sendet: Wirtschaften auf Pump soll wieder zur gängigen Praxis werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Unsere und die Perspektive des Haushalts für 2020 ist die Perspektive eines Bundeslandes, das Familien mit der Reform des Kinderbildungsgesetzes den Rücken stärkt und eine moderne flexible Betreuungsinfrastruktur bietet.

Die 1,3 Milliarden Euro, die die schwarz-gelbe Landesregierung in die flächendeckende Qualität der gesamten Kindertagesbetreuung steckt – sowohl in die Kitas als auch in die Kindertagespflege –, sind das endgültige Aus der Sorge vieler Eltern um die Zukunft der Betreuung ihrer Kinder.

Damit müssen wir uns keine Gedanken mehr über die finanziellen Einsparungen zulasten der Qualität in der Betreuung machen. Die Zukunft unserer jüngsten Generation ist uns 1,3 Milliarden Euro wert.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wer hier den großen Sprung der Landesregierung nicht erkennt, kennt sich mit dem Thema in etwa so gut aus wie ein Sumoringer mit dem Weitsprung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Frank Müller [SPD]: Es ist wirklich lustig, das aus Ihrem Munde zu hören)

Mit anderen Worten: Wer sagt, das KiBiz sei keine große Leistung, ist fachfremd und hat vergessen, bei welchem Status quo die NRW-Koalition vor zweieinhalb Jahren begonnen hat.

(Beifall von der CDU und der FDP – Marc Herter [SPD]: Ich würde vorschlagen, dass Sie den Satz mal ein paar Trägern sagen!)

Darüber hinaus forcieren wir die Perspektive eines Bundeslandes, in dem nicht nur von Sicherheit geredet wird bzw. man sich nicht nur mit den Sicherheitsbehörden solidarisiert, sondern Sicherheit in allen Lebensbereichen eine absolute Selbstverständlichkeit ist.

In den ersten Haushaltsjahren standen sicherlich die physische Sicherheit und die klassische Idee von Sicherheit im Vordergrund. Dass nach der Wahl diesbezüglich etwas geschehen musste, war sicher allen klar. Dass das erfolgreich war, sieht man an den sinkenden Zahlen in der Einbruchsstatistik.

(Zuruf von Sarah Philipp [SPD])

Mit dem Haushalt 2020 rücken wir jetzt das Thema „digitale Kriminalität“ in ein ganz neues Licht. Illegale Downloads oder illegales Streaming haben seit Anfang der 2000er-Jahre Schäden angerichtet, die heute in keinem Verhältnis mehr stehen. Das wissen wir alle.

Der Handel mit Waffen, Drogen oder sogar Sprengstoff über das Darknet und ganz besonders das, was wir in den letzten Monaten beim Thema „Kinderpornografie“ erleben mussten, stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten.

Die Polizei steht vor ganz neuen Herausforderungen. Diese müssen wir als Politik angehen. Wenn wir im Haushalt nämlich nicht entsprechend Vollgas geben, überholen uns die Probleme und Gefahren, die ich gar nicht genauer ausführen möchte.

63 Millionen Euro für digitale Ermittlungsmöglichkeiten, 143 neue Stellen für Spezialisten sprechen in diesem Bereich eine ganz deutliche Sprache.

Wir intensivieren die Bemühungen, Inhaber und Verteiler von kinderpornografischem Material aufzuspüren und zu bestrafen.

Wir grenzen den Handlungsspielraum Krimineller im Darknet entschieden ein: sei es beim Drogenhandel, beim Waffenhandel oder sonstigen Geschäften.

Wir sagen denen den Kampf an, die die Anonymität des Internets für Terror‑ und Extremismuspropaganda missbrauchen wollen.

Ob Gesetzesbrüche auf der Straße oder im Netz begangen werden, bei den Konsequenzen geben wir keinen Zentimeter Platz und lassen keinerlei Toleranz zu.

143 Stellen für die Bekämpfung im Zusammenhang mit dem Thema „Cybercrime“, 63 Millionen Euro für digitale Ermittlungsmöglichkeiten, 500 zusätzliche Stellen im polizeilichen Verwaltungsdienst und die Einrichtung von 640 Planstellen zur Übernahme von Polizeianwärtern machen die klare Absicht der NRW-Koalition deutlich.

Ich habe diese beiden Schwerpunkte des Haushalts und die Ideen des Kabinetts an dieser Stelle ganz bewusst noch einmal aufgegriffen, denn sie sind für uns die grundlegenden Stellschrauben, an denen wir jetzt drehen.

Dies tun wir aus folgendem Grund. Herr Kutschaty, Sie haben in der ersten Lesung des Haushalts gesagt – ich zitiere –:

„Der Haushaltsentwurf 2020 macht sehr deutlich: Zu neuen Zielen wird kein Kabinettsmitglied mehr aufbrechen. Von nun an irren Sie alle nur noch durch die Asche Ihrer verbrannten Ideen“.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

– Ich finde es sehr schön, dass die SPD über jedes Stöckchen springt, das man ihr hinhält.

(Beifall von der CDU)

Wenn ein ehemaliges Kabinettsmitglied der abgewählten rot-grünen Landesregierung das, was wir mit dem KiBiz oder im Bereich Sicherheit erzielen, als Asche verbrannter Ideen bezeichnet, macht das sehr deutlich:

Das Erste ist, dass Sie bis heute nicht verstanden haben, warum Sie abgewählt wurden und auf der Oppositionsbank sitzen.

Das Zweite ist, dass Sie bis heute nicht verstanden haben, welche Probleme die Bürger in Nordrhein-Westfalen eigentlich bewegen. Denn was Sie als Asche wahrnehmen, sind die verbrannten Erwartungen der Bürger an die Regierung in NRW zwischen 2010 und 2017.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Das sind Erwartungen in eine zuverlässige Kitainfrastruktur. Das sind Erwartungen, sich als Bürger im öffentlichen und digitalen Raum sicher zu fühlen.

(Marc Herter [SPD]: Wer nur in den Rückspiegel schaut, fährt vor den Baum!)

Das sind Erwartungen der Wirtschaft, im digitalen Zeitalter Bürokratieprobleme ebenso digital zu lösen.  Das kann man noch fortsetzen.

Das sind Erwartungen, die wir mit dem Haushalt 2018, im Haushalt 2019 erfüllt haben und jetzt mit dem Haushalt 2020 erfüllen werden.

Jetzt kann man natürlich zum Haushalt 2020 sagen, die Investitionsquote sei zu gering, es werde zu wenig investiert. Oder man weist, wie Sie, Frau Düker, es in der ersten Lesung gemacht haben, auf die Investitionsquote in der Mittelfristigen Finanzplanung hin.

Da machen Sie es sich aus meiner Sicht etwas zu einfach. Die Perspektive ist da auch eindimensional.

Der erste Punkt ist, dass die Vereinbarungen mit den Hochschulen für das Nachfolgeprogramm des Hochschulpaktes „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“, in die Mittelfristige Finanzplanung noch gar nicht eingerechnet wurde. Das heißt, um mindestens 490 Millionen Euro für 2022 und 678 Millionen Euro für 2023 wird die Investitionsquote steigen.

Der zweite Punkt ist die Definition von Investitionen. Die nackten Zahlen sehen so aus: 662 Millionen Euro für die Kinderbetreuung und zusätzlich 115 Millionen Euro zur Schaffung weiterer Betreuungskapazitäten im Zuge der Platzausbaugarantie.

Natürlich sind diese Ausgaben Investitionen in die Bildung unserer Kinder und letztlich in die Zukunft unseres Landes: Nach der Haushaltssystematik handelt es sich dabei um konsumtive Ausgaben. Je mehr wir als Land einnehmen und je mehr wir in die Betreuung und schulische Bildung der Kinder – ich sage es bewusst – investieren, desto geringer ist die Investitionsquote. So viel zu den Stichworten „Eindimensionalität“ und „Investitionsquote“.

Liebe Frau Düker, Sie werden sich sicherlich noch an die Mittelfristige Finanzplanung 2016 bis 2020 und die Tatsache erinnern, dass darin die Investitionsquote bis 2020 auf 8,3 % sinken sollte. Deswegen bleibt es dabei: Wein zu trinken und Wasser zu predigen, passt nicht besonders gut zusammen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Mit dem Haushalt 2020 haben wir eine Balance geschaffen aus der Realisierung von wegweisenden Modernisierungen, maßgebenden Investitionen auf der einen Seite und einer haushalterischen Konsolidierung auf der anderen Seite.

Neben Ausgeben und Einnehmen sind für mich auch Verwalten und Verteilen des Geldes bedeutend. Wir haben schon vor zwei Jahren gesagt, dass wir die Finanzverwaltung mit den Finanzämtern als unerlässlich wichtigen Partner der Politik und besonders der Regierung bei allen Ideen und Initiativen verstehen.

Dass wir deshalb in die Finanzverwaltung investieren und die Finanzämter für immer komplexer werdende Aufgaben fit machen, ist daher logisch, egal ob es dabei um echte Bürgernähe, Steuerzahlerfreundlichkeit, steuergesetzliche Modernisierung einer zunehmend digitalisierten Finanzverwaltung oder, wie wir in der vergangenen Woche gesehen haben, effektive Bekämpfung von Schwarzgeld und Terrorismusfinanzierung geht.

Herr Lehmann von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft hat es in der Anhörung Ende Oktober gut beschrieben, indem er sagte, wir seien auf dem Weg vom Mittelalter in die Gegenwart.

Die Finanzverwaltung, wie wir sie uns vorstellen, ist eine Finanzverwaltung, die die Bürger nicht als graue Herren, die ihnen das Geld aus der Tasche ziehen, sondern als beratender und zuverlässiger Partner verstehen. Dabei sind wir mit den Mitteln, die wir in den Haushalt eingestellt haben, auf einem guten Weg vom Mittelalter nicht nur in die Gegenwart, sondern auch in die Zukunft.

Ich habe es schon gesagt: Der Haushalt 2020 ist das Gleichgewicht aus wichtigen Updates in der Betreuung, der Lehre, der Infrastruktur und sinnvollen Placements der Wirtschaft, die Leistungsanreize fördert.

Präsident André Kuper: Die Redezeit.

Arne Moritz*) (CDU): Gleichzeitig bleiben die Aspekte unserer Interpretation von finanzieller und ökologischer Nachhaltigkeit beim Wirtschaften mit dem Landeshaushalt bestehen. Mit diesem Haushalt legen wir den dritten Gang ein und machen uns startklar für das Jahr 2020.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen hat nun die Abgeordnete Frau Düker das Wort.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Arne Moritz, ja, unsere Kritik in der ersten Lesung, dass dieser Haushalt zu wenige Investitionen aufweist, die Investitionsquote zu gering ist, können wir nur aufrechterhalten, denn alle Sachverständigen in der Anhörung haben auf diesen Mangel sehr deutlich hingewiesen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Studierendenwohnheime, Krankenhäuser, Schulen, Kommunen: Nahezu alle öffentlichen Einrichtungen beklagen mangelnde Investitionen und mahnen an, die Investitionsquote zu steigern.

Schaut man sich die Steuereinnahmen an, wäre das ja auch möglich. 55 Milliarden Euro hatten wir noch 2017. Der Finanzminister verfügt im Jahr 2020, drei Jahre später, über 10 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen. – Herr Lienenkämper, das sind fast 20 % Steuereinnahmen mehr.

Sie schaffen es, die Investitionsquote in der Mittelfristigen Finanzplanung sinken zu lassen.

Gleichzeitig haben Sie weniger Ausgaben. Allein für flüchtlingsbedingte Kosten mussten wir 2016 noch 2 Milliarden Euro mehr ausgeben.

Das heißt, Sie haben Minderausgaben in einem wesentlichen Bereich der Politik. Sie haben Mehreinnahmen durch Steuern. Die Investitionsquote sinkt. Das ist für uns keine zukunftsfähige Finanzpolitik, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was wurde denn früher vollmundig versprochen? Der Ministerpräsident hat in seiner letzten Haushaltsrede in der letzten Legislaturperiode am 14.12.2016 zum Haushalt 2017 der rot-grünen Landesregierung gesagt: Unsere Perspektive ist eine sogenannte Eindrittellösung für die Steuermehreinnahmen – ein Drittel für Schuldenabbau, ein Drittel für Investitionen, und ein Drittel soll den Bürgerinnen und Bürgern zurückgegeben werden.

Von den 10 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen, Herr Lienenkämper, geben Sie nichts in den Schuldenabbau. Sie geben zu wenig in Investitionen, und entlastet werden die Bürgerinnen und Bürger auch nicht. Das könnten Sie zum Beispiel bei der Grunderwerbsteuer machen, die ja auch üppig sprudelt.

Auch hier gilt: Hätten Sie das gemacht, was der jetzige Ministerpräsident und damalige Oppositionsführer angekündigt hat, hätten Sie also diese wunderbare Drittelformel tatsächlich umgesetzt, Herr Laschet, hätten wir jetzt statt 8 Milliarden Euro für Investitionen 10 Milliarden Euro, und dann hätten wir statt einer Investitionsquote von 10 % eine Quote von 12,5 %.

Herr Ministerpräsident, es gibt Ministerpräsidenten, die tatsächlich tun, was sie sagen. Leider muss ich da das Beispiel Bayern anführen. Aber Sie vergleichen sich doch so gern mit Bayern und sind da oft in Gesprächen. Fragen Sie doch mal Herrn Söder, wie die das machen. Er twitterte gestern:

„Investitions-Turbo für Bayern: Mit 8,8 Mrd. Euro erreicht der bayerische Haushalt 2020 eine Investitionsquote von fast 15 Prozent. Der Bund kommt 2020 auf nur 11,9 Prozent. Wir machen Bayern fit für die Zukunft.“

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Herr Ministerpräsident, das gibt nicht nur Likes, viele Likes, sondern das ist auch gut fürs Land. Vielleicht fragen Sie den Kollegen mal …

(Zurufe von Armin Laschet, Ministerpräsident, und Matthias Kerkhoff [CDU])

– Ja, natürlich! Natürlich!

Der Finanzminister, Ihr Kollege Herr Füracker, Herr Lienenkämper, sagt zu Recht, bei drohender wirtschaftlicher Eintrübung müsse man Investitionen den Vorrang geben. Die kommen nur auf diese Investitionsquote, weil sie mit Nachtragshaushalten für 2019 und 2020 noch mal ordentlich nachlegen, 900 Millionen Euro für Investitionen draufpacken, und zwar genau da, wo sie hingehören: für Sanierungsprogramme, Hochschulen, Digitalisierung, Klimaschutz und anderes mehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, großer Verlierer dieser schwarz-gelben Haushaltspolitik sind vor allen Dingen die Kommunen. Sie scheinen keine gute Lobby hier in der Landesregierung zu haben. Dabei stehen sie vor großen Herausforderungen im Bereich Klimaschutz. Die Verkehrswende muss gemanagt werden. Energetische Sanierungen sind notwendig, Klimafolgeanpassungen sind notwendig. Der Städte- und Gemeindebund mahnte das dringend an. Es geht nicht nur um Frischluftschneisen und Entsiegelungen. Die Kanalnetze müssen für Starkregenereignisse angepasst werden usw. usf.

Wir haben ein Programm vorgestellt, wie wir die Kommunen mit einem Investitionsprogramm unterstützen können. An der Stelle kommt nichts von der Landesregierung.

Beispiel Altschuldenlast: Insbesondere unsere Stärkungspaktkommunen warten dringend auf den Altschuldenfonds. Frau Scharrenbach, wann liefern Sie endlich? Sie haben es mehrfach angekündigt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ja, man kann immer auf den Bund zeigen. Natürlich, Sie machen Kongresse. Wir haben auch eine nette Einladung zu Fachveranstaltungen bekommen. Man kann darüber noch Jahre weiterdiskutieren. Es muss jetzt gehandelt werden. Jetzt brauchen die Kommunen die Entlastung, damit sie wieder investieren können.

Beispiel Flüchtlingsfinanzierung: Auch hier wurde viel versprochen und nichts gehalten. Zur Anpassung der Pauschalen für die Unterbringung der Geflüchteten liegen die Zahlen auf dem Tisch. Die Pauschalen werden nicht angepasst.

Zur Erweiterung des Personenkreises der Geduldeten über drei Monate hinaus: Die Kommunen warten händeringend darauf, dass auch diese Ankündigung endlich umgesetzt wird.

Jetzt kommt das Allerinteressanteste: die Weiterleitung der Integrationspauschale, die die Landesregierung in diesem Jahr verweigert. Ich bin gespannt, ob die Koalitionsfraktionen in der dritten Lesung des Haushalts hier noch liefern.

Die Begründung ist, das sei jetzt gar keine Integrationspauschale des Bundes mehr. Sie heißt zwar so und wird überall so genannt – auch die Bundesregierung und die Große Koalition in Berlin kommentieren, dass das die Fortsetzung der Integrationspauschale in geringerem Umfang ist –, nur die Landesregierung sagt: Da steht zwar „Integrationspauschale“ drauf, das ist aber eigentlich etwas ganz anderes, und deswegen leiten wir sie nicht weiter. – Das ist nicht mehr nachvollziehbar. Das ist einfach ein Wortbruch.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir erwarten, dass in der dritten Lesung noch Änderungsanträge dazu kommen. Die Kommunen warten händeringend auf diese Mittel; denn sie haben ja schon weniger Einnahmen durch die Reduzierung. Sie brauchen dieses Geld für die Integration. Es wird ja immer angemahnt, dass wir Mittel dafür brauchen.

Letzter Punkt: Die Digitalisierungsstrategie war der ganz große Schwerpunkt beim Start dieser Landesregierung. Was lesen wir im Koalitionsvertrag nicht alles über Masterplan, Gigabit-Ziele, Taskforce „Breitband“, Digital First? Was ist von der großen Rhetorik geblieben, wenn man sich den Haushalt anschaut? Haushalt ist ja bekanntlich Politik in Zahlen. Für alle, wirklich für alle Vertreter öffentlicher Einrichtungen waren in der Anhörung neben dem Investitionsstau fehlende Mittel für den Digitalausbau der Hauptkritikpunkt.

Die Krankenhäuser sind erst gar nicht in der Digitalstrategie berücksichtigt.

Bei der Polizei fehlen mobile Endgeräte.

Hochschulen: Allein eine Fachhochschule bräuchte so viele Mittel, wie die Regierung insgesamt pro Jahr an die Hochschulen gibt.

Zu den Pflegeeinrichtungen und der Finanzverwaltung bringt es Manfred Lehmann von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, wie ich finde, gut auf den Punkt. Er sagte in der Anhörung – ich zitiere aus dem Ausschussprotokoll 17/784 –:

„Denn bei dem landesweiten Projekt der Digitalisierung können wir nicht einerseits die Kosten minimieren und andererseits die angestrebten Ziele erhöhen.“

So viel zu den ganzen Plänen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Beim eGovernment sind wir schon 2025 so weit. – Nein, hier fehlt es an allen Ecken und Enden.

Große Versprechen gab es beim Mobilfunkpakt. Was ist geblieben von der Zusage – Achtung, es gab eine Zusage von Minister Pinkwart –, dass es bis Ende 2019 wenigstens an den Verkehrswegen keine Funklöcher mehr in NRW gibt? Okay, wir haben November, es ist noch nicht ganz Ende 2019. Als ich in der letzten Woche im ICE von Köln nach Düsseldorf telefonieren wollte, war das immer noch nicht möglich. Von den Regionen in Ostwestfalen will ich gar nicht sprechen. In Nordrhein-Westfalen können wir also auf dem Weg von Köln nach Düsseldorf nicht telefonieren, im Ruhrgebiet ist es fast unmöglich. – So viel zu den vollmundigen Ankündigungen, die Funklöcher zu schließen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Warum kann Bayern eigene Mobilfunkmasken finanzieren, NRW schafft es aber offenbar nicht?

Zum Ausbauprogramm „Breitband“: Im Koalitionsvertrag wurde angekündigt, die Förderprogramme zu bündeln und zu vereinfachen. Achtung, Faktencheck beim Breitbandausbau: Aus dem Programm der Frequenzversteigerung 2015, also dem vorletzten Programm, sind für NRW 878 Millionen Euro seit 2016 bewilligt, bis jetzt aber nur 29 Millionen Euro tatsächlich abgerufen worden.

Ich frage diese Landesregierung: Was machen Sie denn, um die Kommunen konkret zu unterstützen, damit das Geld jenseits dieser Zahlen im Haushalt tatsächlich verausgabt wird, und um die Regionen, die es wirklich brauchen, endlich auch an Breitband anzubinden? Das Geld bleibt liegen. Nichts ist es mit der Vereinfachung von Förderprogrammen, der Bündelung und dem Bürokratieabbau. Das Geld wird schlicht nicht abgerufen und nicht ausgegeben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Fazit: Die Landesregierung scheitert mit diesem Haushalt an den Ansprüchen an eine nachhaltige Finanzpolitik. Sträflich vernachlässigt werden die Investitionen, die angesichts der Konjunkturflaute, die kommen wird, dringend notwendig werden. Die großen Verlierer sind die Kommunen. Ich mache mir große Sorgen um unsere kommunale Verfasstheit; denn die Kommunen haben in dieser Regierung offenbar wenig Lobby.

Bei der Zukunftsfrage „Digitalisierung“ bleibt es bei viel Rhetorik und Zielsetzungen. Mit dem Realitätscheck sieht es anders aus: Vor Ort kommt nichts an. Wir haben Änderungsanträge dazu vorgelegt, wie wir zukunftsfähige Investitionen tätigen können.

Die Regierung wird hoffentlich in der dritten Lesung zum Haushalt durch die Koalitionsfraktionen noch etwas liefern. Aber erst einmal bleibt es bei unserer Kritik, Herr Moritz: Dieser Haushalt hat keine Zukunftsstrategie. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Herr Witzel das Wort.

Ralf Witzel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen konnten wir alle die Halbzeitbilanz von Schwarz-Gelb feiern. Das ist auch ein guter Anlass für eine Zwischenbilanz in der Haushaltspolitik.

Die FDP-Landtagsfraktion ist 2017 für einen Politikwechsel angetreten, der unser Land chancenreicher, sicherer und moderner macht. Wenn wir den Menschen in unserem Land trotz aller Herausforderungen neue Perspektiven und neuen Optimismus vermitteln wollen,

(Dietmar Bell [SPD]: Und neue Werte!)

dann müssen wir hart für eine Kurskorrektur arbeiten und für neues Denken offen sein.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Dann fangt doch mal an damit!)

Genau das machen wir gerne weiterhin; denn Nichtstun ist Machtmissbrauch.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Direkt nach dem Politikwechsel 2017 haben wir deshalb mit Rettungsmaßnahmen zunächst die schlimmsten Hinterlassenschaften von Rot-Grün beseitigt. Seit dem Jahr 2018 gibt es nur noch vorsichtig kalkulierte und schuldenfreie Haushaltsaufstellungen, die beim Vollzug dann die Erwirtschaftung von Überschüssen ermöglichen. Das hat unser Land zuvor 45 Jahre lang nicht erlebt. Und das unterscheidet uns von Rot-Grün.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Denn Ihre zentrale Frage bei Rot-Grün lautete doch stets: Warum ist am Ende des Geldes eigentlich immer noch so viel Monat übrig? In viereinhalb Jahrzehnten Schuldenwirtschaft sind bis heute 144 Milliarden Euro sowohl an Zinszahlungen als auch an vorhandenem Schuldenstand angefallen. Das zeigt: Neuverschuldung schafft unter dem Strich keinerlei neue Handlungsspielräume. Sie hängt nur unseren Bürgern einen schweren Mühlstein um den Hals.

Aus Verantwortung und Respekt insbesondere vor der jungen Generation bleibt es deshalb bei uns dabei: Wir stehen zur Schuldenbremse. Nie wieder darf ein Landeshaushalt eine strukturelle Neuverschuldung beinhalten und den gigantischen Schuldenberg von 144 Milliarden Euro weiter erhöhen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die NRW-Koalition setzt auch ohne Schulden ihr Wahlversprechen um, die Politikschwerpunkte „weltbeste Bildung“ und „innere Sicherheit“ deutlich zu stärken.

(Marlies Stotz [SPD]: Weltbeste Bildung? War das jetzt ein Scherz?)

Das bedeutet beispielsweise im Bereich der frühkindlichen Bildung zusätzlich fast 1 Milliarde Euro für die Kitaqualität, eine bedarfsgerechte Platzausbaugarantie, mehr Sprachförderung für mehr Chancen sowie längere Öffnungszeiten und damit eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Im Bereich der Schule entstehen von 2018 bis 2020 über 4.000 neue Lehrerstellen. Sie ermöglichen mehr Qualität, weniger Stundenausfall und bessere Inklusion.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Seit dem Politikwechsel kommt die Justiz bis 2020 auf 1.850 neue Stellen und die Polizei auf über 2.700. Egal, ob illegale Geldwäsche durch Hawala-Banking, organisierte Clankriminalität im Ruhrgebiet, islamistische Attentäter oder anarchische Gewaltchaoten im Hambacher Forst: Wir treten ein für einen jederzeit handlungsfähigen Rechtsstaat, der Recht und Gesetz auch konsequent durchsetzt. Denn das erwarten die Bürger zu Recht von uns in diesem Land.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir schützen dabei öffentliche Bedienstete vor Gewalt und Hass. Ein Angriff auf die Einsatzkräfte im Dienst ist ein Angriff auf uns alle und hat daher auch eine massive Gegenreaktion von uns allen verdient.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Entwicklung der Kommunalfinanzen ist erfreulich. Mit 12,8 Milliarden Euro haben wir ein Rekordgemeindefinanzierungsgesetz. Das bedeutet im Vergleich zum Politikwechsel 2017 eine Verbesserung um 2,2 Milliarden Euro – ein Zuwachs von 21 %. Die kommunale Finanzausstattung durch das Land hat sich also seit dem Basisjahr 2017 um über 4,5 Milliarden Euro verbessert.

Zusammen mit, zugegebenermaßen, 3,5 Milliarden Euro Bundesgeldern erhalten nordrhein-westfälische Kommunen bis 2020 beachtliche 8 Milliarden Euro mehr. Das nennen wir eine eindeutig kommunalfreundliche Politik, die von uns politisch auch so gewollt ist.

(Beifall von der FDP)

SPD und Grüne aber leisten sich jetzt einen Überbietungswettbewerb um milliardenschwere Versprechungen für Mehrausgaben. In der Summe wollen SPD und Grüne jedes Jahr rund 8 Milliarden Euro mehr ausgeben, und zwar wie folgt: 2,4 Milliarden Euro für den Rechtsanspruch auf Ganztag, 1,1 Milliarden Euro für Krankenhausinvestitionen, 800 Millionen Euro für den fahrgeldlosen ÖPNV für Jugendliche, 700 Millionen Euro für die Anhebung der Lehrerbesoldung,

(Jochen Ott [SPD]: Was sind das denn für Fantasiezahlen? Sehr schön!)

600 Millionen Euro für Studentenwohnheime, 500 Millionen für die Kitabeitragsfreiheit für alle Jahrgänge usw. usf.

(Jochen Ott [SPD]: Das sind doch Phantasiezahlen! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Hinzu kommen Sonderprogramme milliardenschwer im Bereich Arbeit, Soziales, Strukturpolitik, Luftqualität, die

(Jochen Ott [SPD]: Lieschen Müller macht Politik!)

Milliarden kosten jedes Jahr! Deshalb sage ich Ihnen: So ist das mit Ihrer Glaubwürdigkeit. In Sonntagsreden fordern Sie immer den Kohleausstieg, und hier wollen Sie jedes Jahr noch mehr Kohle raushauen als jemals zuvor.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Heike Gebhard [SPD])

Präsident André Kuper: Herr Kollege Witzel, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten Mostofizadeh. Lassen Sie die Zwischenfrage zu?

Ralf Witzel (FDP): Das mache ich gerne zum Ende der Rede.

Präsident André Kuper: Prima.

(Jochen Ott [SPD]: Bloß nicht verwirren lassen!)

Ralf Witzel (FDP): Nach zwei Jahren Rot-Grün kennen wir Sie inzwischen gut genug. Ihr bester Freund ist der heilige Sankt Dispo, und „sparen“ ist für Sie eines der schlimmsten Worte, das in der Sprache existiert.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Frank Müller [SPD])

Ihre Parteitage, auf denen ein Redner nach dem nächsten die schwarze Null als Fetisch geißelt, belegen das immer eindrucksvoll. Sie leben lieber in einer Welt des Sterntaler-Märchens. Sie nehmen den Rock in die Hand und rufen: Schürze vorhanden, Taler gesucht!

(Beifall von der FDP und der CDU – Lachen von der SPD)

Aber direkt nach jedem Ihrer neuen Kamellewürfe kommt derselbe Vorwurf an Schwarz-Gelb, es würde in diesem Land zu wenig gespart, zu wenig entlastet und zu wenig Schuldenabbau betrieben. Sie haben es gerade wieder vorgetragen.

(Unruhe – Glocke)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ein klarer Fall von politischer Dyskalkulie.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Bislang kannten wir Dyskalkulie vor allem vom grünen Parteivorsitzenden Habeck und seinen Rechenproblemen bei der Pendlerpauschale. Jetzt greift sie überall um sich.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD: Oh! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Vorsicht!)

Das zeigt: Rot-Grün hätte sich in den letzten Jahren eben nicht immer nur um leichte Sprache, sondern mehr um leichtes Rechnen kümmern müssen; denn das klappt bei Ihnen leider noch nicht.

(Marc Herter [SPD]: Was sagen wohl diejenigen dazu, die wirklich diese Krankheit haben?)

Nahezu absurd ist Ihre Wahrnehmungsstörung, wenn Sie Schwarz-Gelb Ihre eigenen rot-grünen Ausbildungsversäumnisse vorwerfen. Sie beklagen 10.000 offene Stellen landesweit und vergießen Krokodilstränen, wenn in irgendeiner Wache ein Polizeibeamter oder in irgendeiner Schule ein Lehrer fehlt. Dabei gibt es doch zwei Gründe für unbesetzten Stellen:

Erstens. Wir haben die Stellen überhaupt geschaffen.

Zweitens. Sie haben jahrelang die zahlenmäßig notwendige Ausbildung für den Nachersatz unterlassen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Der Personalengpass hat Sie doch zwei Wahlperioden lang gar nicht interessiert. Sie haben noch nicht einmal Bedarfsrechnungen dafür vorgelegt.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das ist doch überhaupt nicht wahr!)

Deshalb haben wir jetzt die notwendige Ausbildungsoffensive eingeleitet. Die Beispiele zeigen es. Hätte Rot-Grün zwei Jahre nach Regierungsübernahme dafür gesorgt, dass so viele junge Leute eine Ausbildung beginnen, wie es jetzt unter Schwarz-Gelb der Fall ist, hätte die Polizei im kommenden Jahr nicht 3.000 unbesetzte Stellen, sondern es gäbe zusätzlich 4.500 ausgebildete Kommissare im öffentlichen Dienst.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von der SPD)

Für die Schulen gilt dasselbe. Es gibt für Mangelbereiche wie das Grundschullehramt genügend Studieninteressenten, aber seit Jahren zu wenige Studienplätze. In Ihrer Zeit wurden zwei von drei Bewerbern für ein Lehramtsstudium abgewiesen. Das werden wir jetzt ändern.

(Beifall von der FDP und der CDU – Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Wer hat denn dieses Hochschulgesetz gemacht?)

In der Zwischenzeit sind intelligente Lösungen gefragt:

Durch Maßnahmenpakete zur Lehrkräftegewinnung haben wir 1.700 Lehrstellen besetzt, die ansonsten vakant geblieben wären.

Bei der Polizei haben wir im neuen Haushalt 2020 insgesamt schon 1.500 Stellen für Tarifbeschäftigte geschaffen, die für geringere Abordnungszahlen vom Streifendienst in den Innendienst sorgen, sodass mehr Polizei auf der Straße ist.

Wir haben den Beamten einen Verfallsschutz für Überstunden und die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten versprochen.

All das sind konkrete Maßnahmen, die eine tatsächliche Hilfe darstellen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind mit unseren Vorhaben zur Halbzeit dieser Wahlperiode noch nicht überall am Ziel, aber auf dem richtigen Weg, um Nordrhein-Westfalen zu einem Land der neuen Chancen zu machen. In dieser Konstellation wollen wir noch viele Jahre die Regierungsverantwortung für unser Land übernehmen, damit die Erfolge unseres Modernisierungsprozesses immer mehr ihre Wirkung entfalten.

Die Herausforderungen der Finanzlage – auch bei schwächelnder Konjunktur – nehmen wir weiterhin gerne an. Rot-Grün verbreitet beim Haushalt Gelduntergangsstimmung. Wir hingegen lösen lieber die Probleme. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. Herr Kollege Witzel, wollen Sie die Zwischenfrage noch zulassen, oder hatte sich das erledigt?

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Jetzt ist zu Ende!)

Okay. – Herr Kollege Strotebeck hat das Wort für die AfD.

Herbert Strotebeck (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Geld, das man besitzt, ist das Mittel zur Freiheit, dasjenige, dem man nachjagt, das Mittel zur Knechtschaft. Was würde Rousseau dazu sagen, dass NRW eigentlich einer Schuldentilgung von 144 Milliarden Euro nachjagen müsste?

Unser Finanzminister sprach am 18.09. hier im Plenum wieder von Maß und Mitte und davon, dass aufgenommene Schulden unsere Kinder belasten. Minister Lienenkämper betrachtet die Mittelfristige Finanzplanung als eine Planung, die den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung trägt.

Nordrhein-Westfalen soll über die Haushaltswende ohne neue Schulden mit dem Dreiklang – wir kennen ihn – „konsolidieren, modernisieren und investieren“ zum Aufsteigerland gemacht werden, und zwar solide, nachhaltig und generationengerecht.

Generationengerecht muss das primäre Ziel sein. Dazu gehört aber auch unbedingt, verantwortungsvoll mit den Schulden umzugehen: keine neuen Schulden machen, alte Schulden abbauen.

Geplant hatte Minister Lienenkämper mit 4,5 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen. Jetzt sind es nur 3,7 Milliarden Euro. Insgesamt verfügt er aber über Steuereinnahmen von 65,4 Milliarden Euro. Das ist Klagen auf höchstem Niveau.

Generationengerecht ist es, sparsam mit den Geldern umzugehen und die Ersparnis für Investitionen in die Zukunft und für den Schuldenabbau zu verwenden.

Im Haushalt 2019 wurden lediglich 30 Millionen Euro für die Schuldentilgung genutzt, im neuen Haushalt leider gar nichts mehr – trotz 3,7 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen. Ebenso wurden die Möglichkeiten nicht genutzt bzw. wurde zu viel Geld ausgegeben.

Müssen es für den Umzug des Ministerpräsidenten und die Repräsentation wirklich 40 Millionen Euro sein? Das ist mehr als der gesamte Betrag für die Schuldentilgung.

Der Landesrechnungshof mahnte im vergangenen Jahr aufgrund der guten Rahmenbedingungen durch höhere Steuereinnahmen an, heute schon an morgen zu denken.

Wir, die AfD-Fraktion, haben insgesamt 102 Änderungsanträge zum Haushalt eingereicht, davon fünf allein zum Einzelplan 20. Damit haben wir sowohl Investitionserfordernisse als auch Einsparpotenziale, um Schulden abzubauen, aufgezeigt. Das ist generationengerecht.

(Beifall von der AfD)

Leider haben alle anderen Fraktionen unsere Anträge abgelehnt; dazu im Verlauf der Debatte mehr im Detail. Für Frau Ministerin Scharrenbach ist das trotzdem unauffällig und damit Untätigkeit.

Dieses Jahr stellt der Landesrechnungshof ernüchtert fest, dass der Regierung der Wille zum Sparen fehle, um den hohen Schuldenstand des Landes nennenswert zu reduzieren. 14 Fälle werden im Jahresbericht 2019 aufgeführt. Sie haben es sicherlich gelesen. Ich möchte hier nur zwei Beispiele anführen.

Das ist zum einen die Feststellung des Landesrechnungshofs zur Unterbringung von Flüchtlingen:

„Aufgrund der unzureichenden Aktenführung konnte der Landesrechnungshof nicht feststellten, dass das Ministerium bei seinen Entscheidungen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet hat.“

Das ist zum anderen unser „NRW-BER“, der bei uns allerdings „Sanierung der Universität Bielefeld“ heißt. Die ursprünglich geplante Bauzeit waren 13 Jahre, jetzt werden es voraussichtlich 27 Jahre. Die ursprünglichen Kosten lagen bei 658 Millionen Euro, aktuell sind bereits 1,17 Milliarden Euro aufgelaufen. Welch ein Sparpotenzial! Was ist an dieser Geldverschwendung generationengerecht?

Der Stellenaufbau geht auch im dritten Jahr ungebremst weiter. Für das Haushaltsjahr 2020 sind wieder weitere 101 Stellen in der Ministerialbürokratie geplant. Interessant ist immer wieder die Argumentation bezüglich der Mehrkosten. Diese würden über die insgesamt erreichten Einsparungen ausgeglichen, heißt es. Dieses Argument ist nicht richtig, da der Ausgleich nicht dauerhaft ist. Es werden dauerhaft Stellen geschaffen, aber bezüglich des Ausgleichs nur das Planungsjahr herangezogen. Wie erfolgt denn die Kompensation ab dem zweiten Jahr? – Gar nicht.

Außerdem ist die Einsparung Augenwischerei. Geplant werden zum Beispiel berechtigterweise zahlreiche Stellen für Polizisten und Lehrer. Die Stellen können aber nicht vollständig besetzt werden, und so wird das geplante Budget nicht voll ausgenutzt. Das ist nicht generationengerecht.

Hochinteressant ist auch der Umgang mit dem vorhandenen Schuldenberg. Nach aktuellem Stand kann von einer durchschnittlichen Verzinsung von weniger als 1,5 % für neue Anleihen in diesem Jahr ausgegangen werden. Auch wenn bereits 2019 für Anschlussfinanzierungen Anleihen mit einer Laufzeit von 30 und 100 Jahren mit Negativzinsen genutzt werden konnten, wird in der Mittelfristigen Finanzplanung für 2020 schon mit einer höheren Durchschnittsverzinsung von weniger als 2,25 % gerechnet, ansteigend auf einen Durchschnitt von 3,75 % für 2022.

Es ist doch bekannt, dass die EZB unser Vermögen noch auf viele Jahre mit Negativzinsen vernichten wird. Ein Anstieg der Zinsen ist selbst am Horizont nicht zu erkennen; nur in unserer Mittelfristigen Finanzplanung wird er völlig unbegründet einkalkuliert.

Mit den ersparten Zinsen könnten sehr gut Schulden getilgt werden, anstatt sie als Planungsreserve für Kompensationen, zum Beispiel von Personalausgaben für den Aufbau des Ministerialapparats, zu nutzen. Das wäre generationengerecht.

(Beifall von der AfD)

Bereits in den beiden letzten Haushaltsdebatten hatten wir den viel zu niedrigen Schuldenabbau moniert. Jetzt wurde der Schuldenabbau aufgegeben – was auch der Landesrechnungshof kritisiert. Um eine glaubwürdige und generationengerechte Finanzplanung zu etablieren, ist die Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung, so wie bereits in den meisten Bundesländern erfolgt, ein Muss. Wir, die AfD-Fraktion, haben Ihnen, sehr geehrter Herr Finanzminister Lienenkämper, unsere Unterstützung zugesagt.

Zum Klimawandel: Hier werden Milliarden Euro effektlos verschwendet bzw. die Bürger zukünftig ständig steigend belastet, was in Nordrhein-Westfalen zu Beeinträchtigungen der Finanzen führen wird.

0,04 % der Atmosphäre besteht aus CO2. Deutschland produziert 2,2 %, hat also insgesamt einen lächerlichen Anteil von 0,0009 %. Diesen wollen wir aber mit einem riesigen finanziellen Aufwand von bundesweit über 50 Milliarden Euro reduzieren.

Aber wie sagt Herr Bundesfinanzminister Scholz so beruhigend zum verabschiedeten Klimaprogramm? Ich zitiere: Alles zusammen also ein Paket, das dazu beitragen wird, dass der Klimawandel aufgehalten werden kann. – Das ist grotesk und nicht generationengerecht.

(Beifall von der AfD)

Da unser verkehrspolitischer Sprecher Nic Vogel leider erkrankt ist, erlauben Sie mir an dieser Stelle bereits einige Worte zu den fahrlässig unterlassenen Investitionen in die Infrastruktur von Nordrhein-Westfalen. Was hier geschieht, ist ebenfalls nicht generationengerecht. Marode Straßen, teilweise antiquierte Schleusen und die Blockierung der schonenden Erweiterung der Flughafennutzung in Düsseldorf passen nicht zu dem konsequenten Weg eines Aufsteigerlandes.

Der Etat des Finanzministers sieht für den entsprechenden Neu- und Ausbau 52 Millionen Euro vor, für den Ausbau der Radverkehrswege 47 Millionen Euro und für den Ausbau den ÖPNV 1,8 Milliarden Euro. Die Fahrradlobby verlangt 1.000 km neue Radschnellwege, Elektrostationen und die Mitnahme von Fahrrädern im Nahverkehr. Ziel ist es, den Anteil von 8 auf 25 % zu erhöhen und das in einem Radfahrgesetz zu regeln, was auch zwischenzeitlich schon von der Koalition beschlossen wurde. Wissen Sie was? Es fehlt nur noch die Subvention von Rikschas.

Deutlicher können Prioritäten nicht gesetzt werden. Es ist zwischenzeitlich ein Kulturkampf gegen das Auto entbrannt. Täglich pendeln 313.000 Menschen nach Düsseldorf ein, und 106.000 verlassen die Stadt. Laut unserem NRW-Verkehrsminister gab es 2018 117.000 Staukilometer. Der ADAC geht von 486.000 aus.

Wie dem auch sei: Düsseldorfs Oberbürgermeister, Herr Geisel, …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Herbert Strotebeck (AfD): Ja.

… ist natürlich mit seinen irrwitzigen Umweltspuren dabei und sorgt für ein tägliches Dauerchaos im Berufsverkehr.

Wo bleibt hier Maß und Mitte? Und wie soll uns das zu einem Aufsteigerland führen?

Den Einzelplänen 01, 13 und 16 werden wir aber zustimmen. Dem Haushalt insgesamt kann die AfD nicht zustimmen. Er ist leider nicht, wie angekündigt, generationengerecht. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Strotebeck. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Lienenkämper das Wort.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Frau Kollegin Düker, Ihre Ausführungen heute in der zweiten Lesung waren, muss ich gestehen, frei von Überraschungen. Die Forderungen kann ich ungefähr so zusammenfassen: mehr Ausgaben, mehr Investitionen, mehr Schuldentilgung. Alles zusammen ist dann nachhaltig finanziert durch mehr Steuereinnahmen, die vom Himmel fallen, durch mehr Ertragskraft, die wir einfach so generieren, oder durch etwas, was offenkundig dem gesamten Haus ein Geheimnis bleiben muss.

Frau Kollegin Düker, das ist klassische oppositionelle Haushaltspolitik, hilft dem Land Nordrhein-Westfalen aber leider nicht weiter.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das wäre noch gar nicht so schlimm; man könnte es als sportlichen Austausch bezeichnen. Das größere Problem ist, dass Sie ungefähr diese oppositionelle Haushaltspolitik in Ihrer Regierungszeit als Regierungspolitik verwirklicht haben. Das Ergebnis sind 144 Milliarden Euro Schulden für Nordrhein-Westfalen. Trotzdem haben wir die rote Laterne bei Bildung, bei innerer Sicherheit, bei Infrastruktur. Diesem Land ist es bei höchsten Schulden schlecht gegangen, als Sie wegen Ihrer Haushaltspolitik abgewählt worden sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen machen wir einen Haushalt von Maß und Mitte. Dass Sie das nicht gutheißen können, kann ich verstehen. Bei Ihnen fehlen sowohl Maß als auch Mitte.

Unser Haushaltsentwurf gleicht die vielen Anforderungen, die an ihn zu stellen sind, aus. Wir finden uns nicht länger damit ab, dass wir in Nordrhein-Westfalen wirtschaftliche Chancen ungenutzt lassen. Wir trauen den Menschen in Nordrhein-Westfalen wieder etwas zu und unterstützen sie dabei mit ganz gezielten Investitionen.

Ich will einige Zahlen in Erinnerung rufen. Seit unserer Regierungsübernahme haben wir bereits 1,3 Milliarden Euro zusätzlich für die dringend notwendige Digitalisierung, für Innovation und für Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt. Über die gesamte Legislaturperiode hinweg werden es fast 3 Milliarden Euro sein.

Weil der Ausbau der Digitalisierung sträflich vernachlässigt wurde, weil Sie aufgehört haben, Straßen zu bauen, weil das schwierig ist und es möglicherweise Debatten geben kann, weil Sie in unsere Infrastruktur nicht mehr investiert haben, weil Sie offenkundig einen fließenden Verkehr in Nordrhein-Westfalen nicht wollten, weil Sie Versäumnis an Versäumnis gereiht haben, müssen wir das reparieren.

(Beifall von der CDU und der FDP – Michael Hübner [SPD]: Wir haben Ihnen erst einmal das Geld dafür besorgt, das Sie jetzt ausgeben können!)

Auch, dass wir das Mantra der Vorgängerregierung „Nie, nie, nie Berlin“ aufgegeben haben, war offenkundig gar nicht falsch – Stichwort „Zukunft des Rheinischen Reviers“. Nur deswegen, weil Ministerpräsident Armin Laschet, Minister Andreas Pinkwart und wir alle wahnsinnig viel in Berlin verhandelt haben, weil wir die Stärke Nordrhein-Westfalens eingebracht haben und weil unsere Regionen dazu gute Vorschläge gemacht haben, die auch wirklich realitätsnah und umsetzbar sind, haben wir einen so großen Verhandlungserfolg erzielt.

Nordrhein-Westfalen wird bei der Zukunft des Rheinischen Reviers – beim ersten Strukturwandel, bei dem wir endlich die Strukturänderungen subventionieren und nicht mehr in alte Technologien investieren –,

(Michael Hübner [SPD]: Wann soll das so gewesen sein?)

dank des Verhandlungserfolgs und dank der klugen Ideen aus den Regionen profitieren. Wir stellen das sicher. Sie hätten Politik der Vergangenheit gemacht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zum Thema „Batteriezellenfabrik der Zukunft in Münster“: Batterietechnik ist eine der zukunftsweisenden Technologien bei der Energiewende und darüber hinaus. Wir haben eine Haushaltspolitik gemacht, mit der wir quasi in Wochen die Chance haben, dafür 50 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Hätten wir das nicht getan und Ihren Haushalt gehabt, wäre die Batteriezellenfabrik jetzt nicht in Münster. Sie ist in Münster – ein großer Verhandlungserfolg dieser Regierung – wegen der Stärken unseres Landes. Wir haben Professoren an der Universität in Münster, die das leisten. Wir haben im Gegensatz zu Ihnen dafür gesorgt, dass diese Forschungsinstitute bestehen bleiben können und Perspektive haben. Wir haben damit einen Erfolg erreicht. 50 Millionen Euro sind die Zahl dafür.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zum Thema „Gründerinnen und Gründer in Nordrhein-Westfalen“: Gemeinsam mit der NRW.BANK stellen wir fast eine Viertelmilliarde Euro zur Verfügung. Berlin ist nicht mehr Gründerland Nummer eins, sondern Nordrhein-Westfalen. Das ist gut so, und das muss auch so weitergehen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ganz falsch kann das auch nicht sein. Eine wichtige Zahl für Sie: Die Beschäftigtenzahlen in Nordrhein-Westfalen wachsen endlich wieder schneller als im Rest der Republik.

(Sarah Philipp [SPD]: Und was haben Sie damit zu tun?)

Das Leibniz-Institut des RWI hat das gerade gestern bestätigt: Für Nordrhein-Westfalen werden 120.000 neue Jobs erwartet.

Das ist auch deswegen so, weil es gute Rahmenbedingungen gibt, vor allen Dingen aber deshalb, weil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hier gut ausgebildet sind und gut arbeiten, weil Unternehmer Ideen haben und weil wir sie diese Ideen wieder umsetzen lassen. Wir ermöglichen, und wir trauen zu. Das hat sich auch im Ergebnis offenkundig ausgezahlt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir finden uns auch nicht länger damit ab, dass Familien von der Kita bis zur Hochschule immer öfter erfahren müssen, dass es mit der Bildung bergab geht. Wir investieren zusätzlich 6,8 Milliarden Euro in die Bildung – in die frühkindliche Bildung, in die Schulen, in die Hochschulen. Wir werden insgesamt über die Legislaturperiode 15,6 Milliarden Euro in die Bildung stecken. Davon sind 2,1 Milliarden Euro in diesem Haushaltsentwurf enthalten. Wenn Sie das jetzt auch noch kritisieren wollen, dann muss ich Ihnen einen Preis für Fantasie geben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Unter dem Strich ist das eine Bildungspolitik, die allen die Chance zum Aufstieg gibt, die Aufstieg in Nordrhein-Westfalen wieder ermöglicht.

Meine Damen und Herren, wir finden uns auch nicht länger damit ab, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen sich unsicher fühlen, wenn sie abends – oder sogar am helllichten Tage – vor die Tür gehen. Wir schaffen mehr Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger. Seit unserer Regierungsübernahme haben wir 1,4 Milliarden Euro zusätzlich in die innere Sicherheit Nordrhein-Westfalens investiert; dabei sind die Justizausgaben noch nicht eingerechnet. 3,1 Milliarden Euro werden es bis zum Ende der Legislaturperiode sein.

Wenn Nordrhein-Westfalen wieder aufsteigen soll, ist eine der Grundvoraussetzungen dafür, unsere Sicherheit endlich so zu organisieren, dass die Bürger wieder Vertrauen darin haben können. Mehr Polizisten auf der Straße, Verwaltungsassistenten, endlich wieder durchgreifen, Clankriminalität bekämpfen: Das ist die richtige Politik.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Alles das sind strukturelle Investitionen für das Aufsteigerland Nordrhein-Westfalen, aber – und das sage ich in aller Deutlichkeit – ohne Pump und neue Schulden. Wir stemmen alle diese Investitionen ohne neue Schulden. Wir belasten nicht unsere Kinder und Enkel mit neuen Schulden, die wir heute aufnehmen würden, um unsere Politik zu finanzieren. Wir machen das ohne Schulden und haben schon 560 Millionen Euro Schulden zurückgezahlt. Das ist unsere Politik: solide und verantwortlich.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen haben wir es auch schaffen können, die Steuermindereinnahmen aus der Steuerschätzung für den laufenden Haushalt 2019 und auch für den Haushalt 2020 zu kompensieren.

(Michael Hübner [SPD]: Zulasten der Kommunen!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie keine Vorsorge treffen und in den Zeiten, in denen gute Steuereinnahmen vorhanden sind, nicht die Freiheit und die Möglichkeiten für die Zukunft schaffen, machen Sie genau die Politik, die Sie in der Vergangenheit gemacht haben und die uns in der Bundesrepublik Deutschland an das Ende vieler Vergleichsstatistiken gebracht hat.

Aufstieg und Chancen für unser Land gehen anders, nämlich so, wie im Haushalt 2020 niedergelegt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Lienenkämper. – Für die SPD-Fraktion hat nun noch einmal Herr Kollege Zimkeit das Wort.

Stefan Zimkeit*) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lienenkämper, Sie haben doch das Land an das Ende der Liste des Schuldenabbaus geführt. Das steckt hinter der Vergleichsstatistik. Sie haben versprochen, Schulden abzubauen, und schaffen das jetzt nicht mehr. Das ist doch die Wahrheit.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ich habe davon gesprochen, dass diese Koalition abgehoben ist. Herr Moritz hat es bewiesen. Sich hier hinzustellen und zu sagen, 10.000 Erzieherinnen, die gegen das KiBiz demonstriert haben, hätten alle keine Ahnung, sondern nur die CDU habe Ahnung, ist eine Missachtung und ein Skandal. Das zeigt, wie abgehoben Sie sind.

(Beifall von der SPD)

Herr Witzel, Sie haben davon gesprochen, Nichthandeln sei Machtmissbrauch. Altschuldenfonds, Integrationspauschale, A14, Sozialindex, Investitionen: Sie handeln nicht.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Stefan Zimkeit*) (SPD): Ihrer Logik folgend sind Sie die Koalition des Machtmissbrauchs, weil Sie nicht handeln.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Henning Höne [FDP])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Zimkeit. – Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich an dieser Stelle die Aussprache im Rahmen der Grundsatzdebatte.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/8012, den Einzelplan 12 unverändert anzunehmen. Damit stimmen wir jetzt über den Einzelplan 12 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung ab. Wer also dem Einzelplan 12 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Die SPD-Fraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die AfD-Fraktion sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Ich frage korrekterweise auch, ob es Enthaltungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Einzelplan 12 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis in zweiter Lesung angenommen.

Wir haben auch über die Finanzplanung 2019 bis 2023 debattiert. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/8019, die Finanzplanung 2019 bis 2023 zur Kenntnis zu nehmen. Wenn dem niemand widerspricht – das ist der Fall –, stelle ich fest, dass die Kenntnisnahme erfolgt ist.

Ich weise darauf hin, dass wir die Abstimmungen über den Einzelplan 20, die dazu bereitliegenden Änderungsanträge, den Text des Haushaltsgesetzes 2020 und dessen Anlagen sowie das Gemeindefinanzierungsgesetz 2020 erst, wie angekündigt, morgen nach Abschluss aller Einzelpläne vornehmen werden. Wir werden dann auch über die Rücküberweisung der vorgenannten Gesetzentwürfe zur Vorbereitung der dritten Lesung entscheiden.

Der Präsident hat zu Beginn bereits mitgeteilt – ich wiederhole das aber gerne noch einmal –, dass das Haushaltsbegleitgesetz 2020 nur zwei Lesungen benötigt. Ich weise vorsorglich darauf hin, dass die Abstimmung in zweiter Lesung bis zur Abstimmung des Haushaltsgesetzentwurfes in dritter Lesung zurückgestellt wird.

Nach diesen Hinweisen zu den Abstimmungen rufe ich auf:

     Einzelplan 03
Ministerium des Innern

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8003

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7972

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7973

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7974

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7975

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7976

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7977

Die Änderungsanträge der Fraktion der AfD sind meines Wissens gerade alle im Plenarsaal verteilt worden.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Ganzke das Wort.

Hartmut Ganzke (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren jetzt um Viertel nach elf den Einzelplan 03. Wir diskutieren den Haushaltsplanentwurf, den die Landesregierung hier für den Bereich des Ministeriums des Innern vorgelegt hat, das Aufwendungen dafür erhält, dass wir alle – egal, ob Abgeordnete, Minister, Seniorinnen und Senioren, Kinder, Jugendliche oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, also alle Einwohnerinnen und Einwohner in Nordrhein-Westfalen – uns sicher fühlen können. Das ist dieser Einzelplan, den wir hier diskutieren.

Im Wesentlichen geht es in diesem Einzelplan 03 um Fragen der inneren Sicherheit, der Feuerwehr und des Katastrophenschutzes in unserem Bundesland Nordrhein-Westfalen. Hinter diesen meist nackten Zahlen, die in einem Haushaltsplan immer wieder aneinandergereiht werden, stehen auch Entscheidungen für die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen.

Selbst als Oppositionspolitiker halte ich fest, dass hier einiges für die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen getan wird. Ich erinnere daran, dass gerade auch der Finanzminister hier den Wunsch nach mehr Polizei auf der Straße geäußert hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Innenminister, wir werden Sie natürlich daran messen, dass mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte auf die Straßen in Nordrhein-Westfalen kommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von den regierungstragenden Fraktionen, ich sage Ihnen aber auch klar und deutlich: Auch in den vergangenen Jahren wurde vieles getan, um die Sicherheit in Nordrhein-Westfalen zu gewährleisten. Gleich wird der geschätzte Kollege Dr. Katzidis ans Redepult treten. Ich weiß nicht, was er sagen wird. Möglicherweise wird er hier behaupten, dass in Nordrhein-Westfalen erst seit dem Sommer 2017 wieder eine Sicherheitslage herrscht, die es den Menschen ermöglicht, hier sicher zu leben. Es kann allerdings auch sein, dass er dazugelernt hat und das nicht tun wird. Wenn er es aber tut, dann wird es genauso falsch sein wie immer. Sie haben das ja auch im Innenausschuss in den letzten zwei Jahren immer wiederholt, Herr Kollege Dr. Katzidis.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ich will Ihnen auch genau sagen, warum es falsch wäre, wenn Sie das behaupten würden.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Denn wenn Sie hier öffentlich so etwas behaupten – auch Sie, Herr Kollege Lürbke –, dann werfen Sie den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, den im Katastrophenschutz tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den vielen Kameradinnen und Kameraden, die hauptamtlich und ehrenamtlich in der Feuerwehr tätig sind, indirekt vor, dass sie bis 2017 nicht das getan haben, was sie ab 2017 genauso gut zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger tun,

(Sven Wolf [SPD]: Genau!)

nämlich dafür zu sorgen, dass wir alle hier in Nordrhein-Westfalen sicher leben können.

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und gerade auch die Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Katastrophenschutz – da sind wir uns einig; das weiß ich aus dem Innenausschuss, auch vom Vorsitzenden Daniel Sieveke – machen einen tollen Job. Das wissen wir alle, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie arbeiten nicht nur für uns alle. Sie begeben sich in Gefahr für uns alle. Sie riskieren ihre Gesundheit für uns alle. Manches Mal riskieren sie auch ihr Leben für uns alle.

Deshalb wäre es kleinkariert, wenn wir uns hier streiten und behaupten würden, dass diese Kolleginnen und Kollegen ab 2017 noch viel besser für unsere Sicherheit arbeiten, als sie es vorher gemacht haben.

(Marc Lürbke [FDP]: Dann müssen Sie es besser machen! – Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Denn dann würden wir den Kolleginnen und Kollegen, um die es geht, nicht den notwendigen Respekt erweisen. Und das ist das Wichtige, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

– Lieber Kollege Lürbke, wir kommen auch direkt zum Haushalt. Aber Sie sind doch immer derjenige, der fordert, denjenigen, um die es geht, die für uns den Rücken krumm machen und den Hintern hinhalten, auch den entsprechenden Respekt entgegenzubringen. Und das tun wir. Liebe Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen, den mehreren Zehntausenden Angehörigen müssen wir diesen Respekt zollen.

Seitens der SPD-Fraktion haben wir das auch im zuständigen Innenausschuss getan, indem wir bei einem Haushaltsplanentwurf, der sich insgesamt auf über 6,2 Milliarden Euro beläuft, den regierungstragenden Fraktionen gesagt haben: Wir stellen drei Änderungsanträge zu diesem Haushalt. Überlegt euch doch einmal, ob ihr da nicht mitgehen könnt.

Es waren folgende drei Haushaltsanträge:

Erstens. Wir wollten die Mittel für Aus- und Fortbildung gerade in dem Bereich der Weiterbildung für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die Jugendliche und auch Kinder vernehmen müssen, von 4,87 Millionen Euro auf 5,5 Millionen Euro erhöhen. Das sind 630.000 Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Zweitens. Wir wollten die Mittel zur Ausstattung unserer Polizeikräfte mit Schutzwesten von 22,18 Millionen Euro auf 22,98 Millionen Euro erhöhen, also um 800.000 Euro.

Drittens. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollten – auch das sage ich als Oppositionspolitiker – Sie unterstützen. Schließlich sagen Sie in jedes Mikrofon, dass auf dem Kampf gegen die Clankriminalität und gegen die Organisierte Kriminalität Ihr Hauptaugenmerk liegt.

(Zurufe von der CDU)

Wir wollten Sie unterstützen, indem wir dafür 100 Stellen beantragen.

Das waren die Anträge, die wir im Innenausschuss gestellt haben. Ich muss Ihnen leider sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie haben sich diese Anträge mit einem Gesamtvolumen von 3,93 Millionen Euro noch nicht einmal angehört. Sie haben sie weggestimmt.

Deshalb habe ich gerade auch vermutet, dass beim Kollegen Dr. Katzidis wahrscheinlich wieder die alte Leier kommen wird.

Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir kümmern uns um die Polizei vor Ort, und Sie hauen diese Anträge einfach weg. Das wären – bei einem Haushalt von insgesamt 6,2 Milliarden Euro – 3,93 Millionen Euro gewesen.

(Beifall von der SPD)

Das zeigt, dass wir den Auftrag, den wir insgesamt als Politik haben, ernst nehmen. Wir müssen mit den betreffenden Personengruppen reden. Diese Haushaltsanträge waren Ausgestaltungen aus den Gesprächen, die wir mit den Polizeigewerkschaften geführt haben. Wir haben sie gemeinsam mit den Betroffenen gestellt. Sie haben diese Haushaltsanträge im Innenausschuss abgelehnt, obwohl wir Ihnen angeboten hatten: Wenn es bei Ihnen eine Möglichkeit der Verständigung gibt, gibt es auch auf unserer Seite eine Möglichkeit der Verständigung.

Sie haben die Anträge abgelehnt. Wir werden den Haushalt ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ganzke. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Dr. Katzidis.

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Kollege Ganzke, ich finde es super, dass Sie den Bereich der Innenpolitik jetzt, im Jahre 2019, endlich ernst nehmen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie das früher auch schon getan hätten.

(Beifall von der CDU – Gegenruf von der SPD: Tosender Applaus! Der Saal tobt!)

Wir halten genau das, was wir auch in Wahlkampfzeiten versprochen haben. Das macht der Haushalt 2020 noch einmal deutlich. Sie haben es ja selber auch schon erwähnt: Das ist jetzt die dritte Steigerung in Folge im Bereich des Innenministeriums – auf 6,2 Milliarden Euro. Demzufolge führen wir auch die Schwerpunktsetzung in diesem Bereich ganz klar weiterhin fort.

(Beifall von der CDU)

Das, was hier in der Vergangenheit brachgelegen hat, können wir auch nicht in einer halben Legislaturperiode aufholen.

Sie haben Ihre Anträge gerade dargestellt und dazu vorgetragen. Sie haben mir im Innenausschuss auch vorgeworfen, ich würde sie ja noch nicht einmal lesen. Um Ihnen einmal zu zeigen, was ich alles lese – eigentlich sollten Sie mich nach zweieinhalb Jahren besser kennen –, ein kurzes Zitat von zwei Sätzen:

„Der demografische Wandel stellt die Polizei in NRW vor eine schwierige Situation. Um in den nächsten Jahren die Pensionierungen von jährlich bis zu 2.000 Polizistinnen und Polizisten abzufedern, werden wir an der heute die Ausbildungsmöglichkeiten erschöpfenden jährlichen Einstellung von 1.400 Anwärterinnen und Anwärtern festhalten.“

Das ist ein Zitat aus Ihrem Koalitionsvertrag aus dem Jahre 2012.

Ich habe kein Abitur und hatte nie Mathe-Leistungskurs.

(Zurufe von der SPD)

Aber bei 1.400 Einstellungen und 2.000 Pensionierungen wird doch deutlich, was Sie hier in den letzten sieben Jahren Ihrer Regierungsverantwortung gemacht haben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Christian Dahm [SPD]: Das stimmt doch auch gar nicht! – Zuruf von Heike Gebhard [SPD] – Weitere Zurufe – Glocke)

Ich gestehe Ihnen ja zu, dass Sie von Ihrem Koalitionsvertrag abgewichen sind und auf öffentlichen Druck hin die Einstellungszahlen erhöht haben – aber zu keinem einzigen Zeitpunkt über die Pensionszahlen hinaus. Sie haben sie auf bis zu 2.000 erhöht. Aber wenn Sie 2012 schon in Ihrem Koalitionsvertrag geschrieben haben, dass mit jährlich bis zu 2.000 Pensionierungen zu rechnen ist, dann haben Sie mit direktem Vorsatz den Personalkörper der Polizei in NRW vor die Wand gefahren.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Diese Behauptung ist seit Jahren falsch und wird nicht besser!)

Wir kratzen jetzt alles von der Wand, stellen unsere Polizei wieder aufrecht hin und stärken ihr den Rücken. Sie haben es auch dargestellt.

Was die Einstellungszahlen angeht, haben wir schon einiges getan: von 2.000 auf 2.300 erhöht, von 2.300 auf 2.500 erhöht. Jetzt kommt noch einmal etwas für den Kampf gegen den Rechtsextremismus dazu. Wir setzen auch in diesem Bereich personell einen ganz klaren Schwerpunkt und führen das auch konsequent in der Zukunft fort.

Aufgrund des dreijährigen Studiums wird es leider erst ab 2020 einen Nettozuwachs geben. Das kompensieren wir – das haben Arne Moritz und Herr Minister Lienenkämper eben dargestellt – mit den Polizeiverwaltungsassistenten. Da schaffen wir in jedem Jahr bis 2022 zusätzliche 500 Stellen,

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Die nur leider nicht besetzt sind!)

was in der Summe 2.500 Stellen sind, Frau Kollegin Schäffer, die noch einmal zusätzlich hinzukommen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Aber keine Köpfe! – Verena Schäffer [GRÜNE]: Allein die Stellen nutzen nichts! Darauf müssen auch Leute sitzen!)

– Da gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht. Die meisten Stellen sind aber zumindest nach den Ausschreibungen 2018 und 2019 besetzt. Sie wissen selber, wie schwierig das bei dem Fachkräftemangel ist.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Lächerlich!)

– Ich weiß ja, dass Sie ideologisch geprägt sind.

(Beifall von der CDU)

Sie wissen selber, wie schwer es ist, Fachkräfte zu finden. Aber viele Stellen davon sind schon besetzt.

Wir tun nicht nur im Bereich des Personals etwas, sondern auch in anderen Bereichen, die brachgelegen haben.

(Christian Dahm [SPD]: Oh!)

Stichwort „Ausstattung“: Hier ist dargestellt worden, Sie hätten in der Vergangenheit auch das eine oder andere getan – was ich persönlich jetzt nicht wirklich erkennen kann.

Wenn Frau Düker von den fehlenden mobilen Endgeräten bei der Polizei spricht, dann stelle ich mir die Frage, was Sie in Ihrer Regierungszeit an mobilen Endgeräten angeschafft haben und was Sie überhaupt an Technik angeschafft haben.

Ich kann Ihnen sagen: Mit Herrn Minister Reul wird ab nächstem Jahr der rot-grüne Notizblock im Streifenwagen ein Ende haben, weil wir 20.000 Smartphones anschaffen werden.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Das ist die Realität in Nordrhein-Westfalen. Da werden wir auch konsequent weiter voranschreiten –

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

genauso wie im Bereich der Technik, wo der Ansatz um 62,8 Millionen Euro erhöht wird. Ein Großteil davon ist für die digitale Offensive bei der nordrhein-westfälischen Polizei. Alleine 27,5 Millionen Euro sind für die fortlaufende Erneuerung und Verbesserung der IT-Ausstattung, insbesondere auch von Hard- und Software für den ganzen Bereich der Bekämpfung der Kinderpornografie – ich glaube, da haben wir auch Konsens –,

(Beifall von der CDU und der FDP)

damit dort zukünftig auch künstliche Intelligenz genutzt werden kann, um die Polizistinnen und Polizisten bei dieser grauenvollen Arbeit zu entlasten. Auch da werden wir noch einmal nachlegen, was die Softwareausstattung angeht. Da tun wir also einiges.

Wir sorgen natürlich auch bei der Fachhochschule für eine entsprechende Aufstockung, um den ganzen Dingen, die wir in anderen Bereichen umsetzen, Rechnung zu tragen.

Wir hatten schon früher ballistische Helme angeschafft, die auch weiterhin angeschafft werden. Auch in diesen Bereichen tun wir also etwas.

Auch die Bodycams werden bis 2020 weiter vorangetrieben mit 9.000, die angeschafft werden sollen. Gerade in meiner Heimatbehörde werden sie das erste Mal im Dezember auf dem Weihnachtsmarkt eingesetzt werden, genauso wie in anderen Behörden auch, was früher schon sinnvoll gewesen wäre. Ich hoffe, dass das auch zukünftig so weitergeht, auch von der Umsetzung dessen, was wir immer und immer wieder gesagt haben und auch ganz konsequent verfolgen.

Wir tun aber nicht nur im Bereich der Polizei etwas, wir tun auch etwas im Bereich Feuerschutz und Hilfeleistungen. Es gibt eine Erhöhung um 3,2 Millionen Euro für die Stärkung der Imagekampagne „Freiwillige Kräfte im Katastrophenschutz“, für die Instandhaltung älterer Feuerlöschbote. Auch erhöhen wir die Zuschüsse an die Gemeinden um 900.000 Euro auf dann insgesamt 38 Millionen Euro. Also auch da tun wir einiges; den Bereich haben wir ganz sicher mit im Auge.

Ich verweise auf das Institut der Feuerwehr, in dem wir auch neue Stellen schaffen, sieben neue Stellen, vier alleine für neue Lehrprodukte und die Koordinierung der Fortbildung, für die Weiterentwicklung und das Medienzentrum, für die Stärkung der IT-Sicher­heit und für die Stärkung des Geschäftszimmers und der Teilnehmerverwaltung. Auch dort geschieht also einiges.

Herr Kollege Ganzke, ich gebe Ihnen ausdrücklich recht: Die Bediensteten in den Bereichen Rettungsdienste, Katastrophenschutz, Feuerwehr, Polizei haben auch in der Vergangenheit eine hervorragende Arbeit gemacht, weil nämlich für jeden von ihnen der Job Berufung ist. Aber umso wichtiger ist es auch, dass eine Regierung hinter jedem Einzelnen steht und ihm eine entsprechende Wertschätzung entgegenbringt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Genau das machen wir jetzt und werden wir auch weiter konsequent umsetzen.

Lassen Sie mich abschließend noch etwas sagen, um mir nicht von rechts den Vorwurf anhören zu müssen, ich würde die Änderungsanträge der anderen Opposition nicht lesen. Sie haben ja einen Wandel vollzogen, der ist beeindruckend – von der rechten Opposition auf die Seite ganz nach links, was die maßlosen Ausgaben angeht. Acht Änderungsanträge mit knapp 100 Millionen Euro haben Sie zum Haushalt hier vorgelegt, von denen aber wenig bis gar keine im Prinzip auf Ihre eigene Fraktion zurückgehen.

Sie stellen in den Änderungsanträgen dar, dass Sie im Wesentlichen nur Positionen und Forderungen der drei Polizeigewerkschaften übernehmen, indem Sie eins zu eins das reinschreiben, was die Gewerkschaften fordern, angefangen bei den Regierungsinspektorenanwärtern, der Erhöhung von 63 auf 100, die von der GdP auch schon gefordert worden ist, übr die flächendeckende Einführung von Schutzwesten,

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

die Zulagen in Höhe von 1.000 Euro für IT-Experten und die Zulagen in den Bereichen BePo, Kinderpornografie und Ermittlungskommission. Vor zwei Jahren haben Sie im Bereich der Bereitschaftspolizei noch 100 Euro gefordert, jetzt haben Sie noch mal aufgestockt, 50 % und mehr gefordert und eine Summe von knapp 100 Millionen Euro einfach mal so rausgehauen.

Das ist, finde ich zumindest, ein Stück weit Populismus, wie das bei Ihnen ja auch nicht unüblich ist. Sie wollen alle bedienen, Sie wollen allen ein Zückerchen geben, Sie wollen es allen recht machen, und Sie wollen die Leute für sich einkaufen.

(Helmut Seifen [AfD]: Wir haben eigene Vorschläge gemacht!)

Ich sage Ihnen: Die Leute sind nicht so doof, dass sie es nicht merken. Sie merken, was Sie für eine Politik machen. Die Kolleginnen und Kollegen in der Polizei merken sehr wohl, was Sie hier veranstalten. Ich glaube auch, dass registriert wird, wer wirklich eine ehrliche, wertschätzende Politik macht, wer wirklich ehrlich bemüht ist, Verbesserungen herbeizuführen, und wer Populismus betreibt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Abschließend ein herzlicher Dank an die Landesregierung, an unseren Ministerpräsidenten Armin Laschet, an das gesamte Kabinett für die Erhöhung des Haushaltsansatzes im Bereich des Innenministeriums, diesem so wichtigen Bereich. Ich hoffe, dass wir gemeinsam in der Zukunft genauso weitermachen können. Die Herausforderungen bleiben groß oder werden gegebenenfalls noch größer, wenn man sich etwa den Komplex „Bergisch Gladbach“ anschaut, bei dem wir nicht wissen, wie groß die Dimension ist. Ich glaube, da haben wir einiges zu tun, einiges nachzuholen. Wir für unseren Teil bleiben dran.

Verehrter Kollege Ganzke, wir werden ganz sicher Nordrhein-Westfalen auch in der Zukunft noch sicherer machen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Katzidis. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich den Blick nicht nach hinten werfen, weil ich immer finde, dass das wenig zielführend ist.

(Ralf Witzel [FDP]: Peinlich für Sie!)

Aber, Herr Katzidis, so kann man das dann doch nicht stehen lassen. Ich will einmal daran erinnern, wer für dieses Pensionsloch verantwortlich ist. Es war Schwarz-Gelb, die damals ab 2005 die Einstellungszahlen halbiert haben.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

– Herr Lürbke, es tut mir leid, ich verstehe auch, dass Ihnen das wehtut. Aber es ist leider die Realität.

(Beifall von den GRÜNEN)

Trotzdem will ich auch hier ganz klar und deutlich sagen: Ich bin froh, dass mehr eingestellt wird. Ich bin froh darüber, weil wir wissen, dass es mehr Herausforderungen und andere Themen für die Polizei gibt. Insofern sind höhere Einstellungen auch richtig. Dass eine Landesregierung, die so massiv von Steuermehreinnahmen profitiert, mehr Polizistinnen und Polizisten einstellt, halte ich persönlich ein Stück weit für eine Selbstverständlichkeit. Es ist wahrlich nichts, liebe Kollegen, für das man sich auf die Schultern klopfen muss. Jede andere Regierungskoalition hätte das hier genauso gemacht und mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingestellt.

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP)

Gucken Sie doch mal in die Wahlprogramme! Es waren die Grünen, ich glaube auch die SPD, die konkrete Zahlen in ihre Wahlprogramme geschrieben haben.

(Zurufe von der FDP)

Es waren ausweislich nicht CDU und FDP.

(Zurufe – Glocke)

Insofern: Seien Sie doch redlich! Wie gesagt, ich wollte das gar nicht ansprechen. Diese Schärfe hier reinzubringen, das machen Sie an dieser Stelle, und das ist nicht zielführend.

Aber eines will ich schon noch sagen: Wir haben jetzt eine Einstellungszahl von 2.500 Kommissaranwärterinnen und -anwärtern. Schön wäre nur, wenn diese 2.500 auch genauso ankommen würden. Aber die Abbrecherquote ist unter Schwarz-Gelb deutlich gestiegen. Vor einigen Jahren hatten wir noch eine Quote …

(Lachen von Herbert Reul, Minister des Innern)

– Herr Reul, das müssen Sie widerlegen. – Wenn man sich die Zahlen anschaut – ich habe das gemacht, ich habe mir noch einmal die Anfrage von Frau Korte von vor einigen Jahren angeschaut –, ergibt sich Folgendes: Seinerzeit betrug die Abbrecherquote 5 bis10 %. Wir liegen momentan bei einer Abbrecherquote von 16 %. Zu sagen, es werden mehr eingestellt, deshalb steigt automatisch die Abbrecherquote, finde ich als Erklärungsansatz ziemlich eindimensional.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde, man muss sich damit auseinandersetzen: Was sind denn die Ursachen für die Abbrecherquote? Solange Sie, Herr Reul, diesen Ursachen nicht auf den Grund gehen und nicht ernsthaft daran arbeiten, die Abbrecherquote zu senken, solange müssen wir davon reden, dass von den 2.500 nur 2.100 ankommen. Das ist doch die Realität. Das können wir doch nicht hinnehmen. Wir müssen darüber sprechen,

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

wie man die Abbrecherquote senken kann. Solange Sie nicht anfangen, die Ursachen zu erforschen und ernsthaft zu versuchen, die Abbrecherquote zu senken, ist das eine Luftbuchung, die Sie hier vornehmen. Und das wissen Sie auch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir alle wissen, dass die hohen Einstellungszahlen natürlich zur Folge haben, dass die Aus- und Fortbildungskapazitäten bei der nordrhein-westfälischen Polizei nahezu ausgereizt sind.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das LAFP hat den Ausbildungsbetrieb sehr erfolgreich umgestellt, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir insgesamt bei der Polizei einen hohen Fortbildungsbedarf haben. Der Fall Lügde – wir haben das hier ausführlich diskutiert – hat uns das für einen bestimmten Bereich noch einmal deutlich vor Augen geführt. Wie Sie diesem Fortbildungsbedarf insgesamt begegnen wollen, darauf haben Sie meines Erachtens keine schlüssigen Antworten, Herr Reul.

(Zuruf von Herbert Reul, Minister des Innern)

Ich will gerne beispielhaft zwei Bereiche herausgreifen, woraus hervorgeht, wie leichtfertig Sie mit Fortbildungsbedarfen umgehen.

Erstes Beispiel ist das Programm „Spezialisten zu Polizisten“. Sie wollen, dass in die Direktionen „Kriminalpolizei“ und „Verkehr“ frisch ausgebildete Polizeibeamtinnen und -beamte gesteckt werden, um diese Bereiche zu stärken. Das klingt gut – keine Frage –, aber auch hier steckt der Teufel im Detail.

Sie wollen neue Fortbildungsmodule für diese jungen Beamten konzipieren. Ich finde es, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehbar, warum Sie bei den angehenden Kripobeamten nicht auf die bewährte „Einführungsfortbildung K“ zurückgreifen. Sollte sich herausstellen, dass auf Kosten dieser neuen Fortbildung für die neuen Beamtinnen und Beamten, die direkt in die Direktionen „Kriminalpolizei“ und „Verkehr“ gehen sollen, andere Kripo-Fortbildungen ausfallen müssen,

(Herbert Reul, Minister des Innern: Nein!)

dann wäre Ihr angekündigtes Programm eine Luftbuchung. – Sie sagen hier „Nein“, aber im Ausschuss konnten Sie es leider nicht erklären. Ich bin jetzt gespannt, wie Sie damit umgehen. Aber es wäre eine Luftbuchung, wenn dafür andere Fortbildungen im Bereich „Kriminalität“ ausfallen würden.

Ein zweites Beispiel für das Thema Fortbildung: Stichwort Bodycams. Die Evaluation der Bodycams hat eindeutig ergeben, dass sie eine deeskalierende Wirkung haben können und damit in manchen Situationen auch einen Schutz für Polizeibeamtinnen und -beamte darstellen können. Allerdings kommt die Studie auch zu dem Schluss, dass sich das Verhalten der Polizeibeamtinnen und -beamte mit Einschalten der Kamera verändert und sie dann zum Teil sogar häufiger angegriffen werden. Das wäre völlig kontraproduktiv.

Wie durchbricht man diese Wirkung? – Man durchbricht sie durch Fortbildung. Nur wie diese Fortbildung gewährleistet werden soll, blieb im Innenausschuss völlig offen. Stattdessen werden die Bodycams jetzt für viel Geld in die Fläche getragen und ausgerollt – natürlich ohne eine ausreichende Fortbildung anzubieten.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Damit wird die wissenschaftliche Evaluation ignoriert. Das finde ich persönlich unverantwortlich gegenüber unseren Polizistinnen und Polizisten, weil Sie ihnen mit den Bodycams eine Sicherheit vorgaukeln. Im schlimmsten Fall werden sie sogar aufgrund der Bodycam angegriffen. Das ist ideologiebetriebene Politik,

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen und Widerspruch von der CDU)

die wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und im Zweifelsfall zu einer Gefährdung unserer Polizei führt.

Ich freue mich, Herr Hovenjürgen, dass Sie so viel Spaß bei der Diskussion haben. Vielen Dank für das aufmerksame Zuhören.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von CDU, der SPD und der FDP – Glocke)

Das Thema Ideologie, damit sich Herr Hovenjürgen weiter freuen kann, ist auch das richtige …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Dr. Katzidis würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Immer sehr gerne.

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU): Liebe Frau Kollegin Schäffer, ich würde gerne auf eine andere Sache ganz kurz zurückkommen, bevor es zu ideologisch wird. Ist es nicht zutreffend, dass sich 2003 zu der Zeit der Regierung Steinbrück die Einstellungszahlen auf ungefähr 1.100 beliefen und dann im Jahre 2004 unter der Regierung Steinbrück auf 500? Ist das zutreffend oder nicht zutreffend?

Verena Schäffer (GRÜNE): Ach, Herr Katzidis, das sind doch olle Kamellen. Das haben wir im letzten Jahr schon diskutiert.

(Heiterkeit von den GRÜNEN und der SPD – Lachen und Widerspruch von der CDU und der FDP)

– Warten Sie doch mal die Antwort ab.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich meinte mit „ollen Kamellen“ nicht, dass ich das wegdiskutieren will. – Herr Katzidis, jetzt hören Sie bitte aber auch zu, wenn ich Ihre Frage beantworte.

(Zurufe – Unruhe – Glocke)

Es bezog sich darauf, dass Sie mir genau die gleiche Frage schon im letzten Jahr gestellt haben. Ich habe mir noch einmal das Plenarprotokoll vom letzten Jahr durchgelesen, um mich vorzubereiten. Es gehört ja auch dazu, dass man sich vor so einer Debatte vorbereitet. Genau diese Frage haben Sie mir letztes Jahr schon einmal gestellt.

(Zurufe – Glocke)

Ich kann es Ihnen, wie im letzten Jahr, gerne noch einmal erklären: Damals wurden die Einstellungszahlen reduziert, und gleichzeitig wurden – das ist jetzt wichtig – die Arbeitszeiten erhöht. Dadurch gab es einen Ausgleich der Stellen durch die Erhöhung der Arbeitszeit.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP] – Mehrere Zurufe von der CDU)

Das kann man – auch aus Gewerkschaftssicht – kritisieren, aber die Stellenäquivalente, und das ist das Entscheidende, waren die gleichen. Das steht im Gegensatz zu der Reduzierung, die Sie vorgenommen haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU und der FDP)

Es lohnt sich manchmal, Herr Katzidis, sich so etwas auch einmal im Detail anzugucken.

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist doch Unsinn!)

– Das ist kein Unsinn; wir können die Tabellen gerne gemeinsam durchgehen.

(Zurufe von der CDU, der SPD und der FDP)

Es war übrigens Schwarz-Gelb, die damals eine Untersuchung über die demografische Frage durchgeführt hatten, wie viele Polizeibeamtinnen und -beamte abgehen würden.

(Ralf Witzel [FDP]: Wo haben wir denn reduziert? – Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Schwarz-Gelb hat keinen Ausgleich geschaffen. Dieser Bericht wurde mit Beginn der rot-grünen Koalition aus der Schublade gezogen,

(Zurufe von der CDU, der SPD und der FDP)

und wir waren es, die damals die Einstellungszahlen erhöht haben. – Aber wie gesagt, ich finde diese Diskussion überhaupt nicht zielführend.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Lassen Sie uns doch nach vorne blicken und diskutieren, was diese Polizei braucht. Nach hinten zu schauen bringt doch nichts. Vielen Dank.

Jetzt will ich mit meiner Rede fortfahren und das Stichwort „Ideologie“ aufgreifen, weil Sie das gerade so amüsiert hat, Herr Hovenjürgen. Ideologie ist doch auch ein gutes Stichwort für die Änderungen des Polizeigesetzes, die Sie im vergangenen Jahr vorgenommen haben.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Diese Änderungen spiegeln sich jetzt auch im Haushalt wieder. Aufgrund der Zeit, die ich noch habe, nenne ich nur ein paar Zahlen: 8,6 Millionen Euro für die Telekommunikationsüberwachung,

(Beifall von Daniel Sieveke [CDU])

2 Millionen Euro insgesamt für die Videobeobachtung. Das sind erhebliche Kosten für ein Gesetz, das nicht wirksam ist, das nicht effektiv ist, das zulasten der Freiheitsrechte geht.

(Daniel Sieveke [CDU]: Jawoll!)

Deshalb werden wir diesen Einzelplan auch ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Nichts anderes haben wir erwartet!)

Zweieinhalb Jahre nach Regierungsbeginn will ich aber gerne auch noch einen Ausblick nach vorne geben: Ich glaube, dass wir uns in den nächsten zweieinhalb Jahren noch einmal sehr intensiv mit der Frage der Organisationsstruktur unserer Polizei in Nordrhein-Westfalen auseinandersetzen müssen.

Der Missbrauchsfall von Lügde – der Innenminister hat selbst von einem Versagen der Polizei gesprochen – offenbart doch, dass diese Polizeistruktur mit 47 Kreispolizeibehörden – davon 18 Polizeipräsidien und 29 Landratsbehörden – sowie 3 Landesoberbehörden völlig überholt ist. Kein anderes Bundesland leistet sich eine so zersplitterte Struktur wie Nordrhein-Westfalen. Ich gehe auch davon aus, dass es in der Kriminalhauptstellenverordnung im Bereich Missbrauch noch einmal Änderungen geben wird. Das ist eine reine Flickschusterei, die wir da betreiben, was die Verantwortlichkeiten der Behörden angeht – eine Flickschusterei, die man niemandem Außenstehenden erläutern kann.

Für uns Grüne ist klar: Die Polizei muss in der Fläche präsent sein. Wir wollen keine Polizeiwachen schließen, wir wollen aber auch, dass diese Polizei auf Dauer arbeitsfähig ist und effektiv arbeitet. Wir wollen diese 47 Wasserköpfe, die wir haben, abschaffen. Wir wollen, dass die Beamtinnen und Beamten auf der Straße, in den Kriminalkommissariaten sind und nicht in 47 Pressestellen.

Und ich sage auch: Leider war die SPD damals nicht so mutig, mit uns diesen Schritt einer Strukturreform zu gehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich befürchte, ehrlich gesagt, dass auch die CDU nicht so mutig sein wird, diese Debatte wirklich zu führen und eine Strukturreform anzugehen. Obwohl im Innenausschuss und auch hier alle immer so breitschultrig tun und im Innenausschuss ja wirklich die geballte Männlichkeit unseres Parlaments sitzt,

(Lachen von der SPD – Beifall von den GRÜNEN)

glaube ich trotzdem, dass Sie so mutig dann doch nicht sein werden. Das finde ich schade. Denn ich glaube, es würde unser Land wesentlich sicherer machen,

(Zuruf von der CDU)

wenn wir uns diesem Thema nicht verschließen würden, sondern es endlich angehen würden. An dieser Debatte, liebe Kollegen, werden auch Sie nicht vorbeikommen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

Ich würde gerne zum Schluss noch ein Thema ansprechen, das mir wirklich wichtig ist, und zwar die Feuerwehren.

(Unruhe – Glocke)

Herr Sieveke, Herr Golland, es wäre schön, auch noch einmal Ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. – Ich würde gerne noch einmal die Feuerwehren ansprechen,

(Zurufe – Glocke)

weil mich die aktuellen Diskussionen, die es innerhalb des Deutschen Feuerwehrverbandes gibt, wirklich zutiefst erschüttern. Der Auftrag der Feuerwehren ist „Retten – Löschen – Bergen – Schützen“. Die Feuerwehren helfen jedem Menschen, unabhängig von Herkunft, Religionszugehörigkeit, Sexualität und anderen Merkmalen. Deshalb bin ich persönlich wirklich froh, dass die Feuerwehren hier in Nordrhein-Westfalen so klar hinter Hartmut Ziebs, dem Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes, stehen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ich komme gleich zum Ende.

Hartmut Ziebs hat sich mehrfach eindeutig gegen Rechtsextremismus, gegen Rechtspopulismus geäußert. Er hat vor dem Versuch einer Einflussnahme durch die AfD gewarnt. Dass nun ausgerechnet gegen ihn Drohungen ausgesprochen werden, dass es Einschüchterungsversuche gibt, finde ich unerträglich. Ich bin wirklich dankbar dafür – das vielleicht auch noch einmal persönlich hier an dieser Stelle –, …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Verena Schäffer (GRÜNE): … dass die demokratischen Fraktionen in diesem Hause sich so klar hinter Hartmut Ziebs und seiner eindeutigen Position versammelt haben. Dafür vielen Dank!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Lürbke das Wort.

Marc Lürbke (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Verehrte Kollegen! Es ist eine spannende Debatte – und eine schöne Gelegenheit, vielleicht einmal über Glaubwürdigkeit von Politik zu sprechen, Frau Kollegin Schäffer.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich kann verstehen, dass Ihnen das unangenehm ist, dass Ihnen die Erfolgsbilanz der rot-grünen Landesregierung in der inneren Sicherheit sehr, sehr peinlich ist. Aber jetzt so zu tun, als hätten Sie hier wahnsinnige Erfolge produziert, sich hier als grüne Vordenkerin für die innere Sicherheit zu verkaufen, was Sie für tolle Ideen bei den Strukturen hätten, und sich gleichzeitig nicht davon zu distanzieren, wenn unsere Polizeibeamten im Hambacher Forst von Linksextremen angegriffen werden,

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

das glaubt Ihnen doch kein Mensch.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von den GRÜNEN)

– Tut mir leid, das glaubt Ihnen kein Mensch.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

– Na ja. – Wir haben als schwarz-gelbe Koalition im Mai 2017 den Auftrag der Bürgerinnen und Bürger erhalten, dieses Land wieder sicherer zu machen, die Sicherheitsbehörden zu stärken und die Kriminalität zu schwächen.

(Weiterer Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Was soll ich Ihnen sagen? Ja, was wir versprochen haben, das halten wir.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen ist auch zweieinhalb Jahre nach Regierungsübernahme ein Kernanliegen der NRW-Koalition. Wir setzen Prioritäten, um die Sicherheit effektiv zu verbessern. Wir nehmen dafür Geld in die Hand, und wir stellen uns hinter unsere Polizei. Das kann man eigentlich auf einen Nenner bringen: Machen, was man vorher gesagt hat.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich glaube, es gibt – und davon bin ich fest überzeugt – keine bessere Prävention gegen Politikverdrossenheit, gegen Frustration. Wir haben gesagt, wir kümmern uns um die Sicherheit in diesem Land, und genau das tun wir. So gräbt man auch Populisten, Kriminellen, Verbrechern gleichzeitig das Wasser ab, und so zeigt man, dass Politik handlungsfähig ist und dass die Demokratie funktioniert, meine Damen und Herren. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt.

Es macht eben einen Unterschied – und das zeigt schon diese Debatte –, wer in Nordrhein-Westfalen regiert.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es macht eben einen Unterscheid, ob man in diesen Bereichen Prioritäten im Haushalt setzt. Das war unter Rot-Grün nicht der Fall. Da können Sie heute noch so viele Märchen erzählen, es war nicht der Fall. Es macht eben einen Unterschied, ob unsere Polizeibeamten dann auch spüren, dass der Dienstherr hinter ihnen steht und die Unterstützung für unsere Sicherheitsbehörden auch tatsächlich ankommt. Das merken auch die Menschen draußen im Land.

Man sieht es ja auch an den Zahlen: die niedrigste Zahl an Straftaten seit 30 Jahren in Nordrhein-Westfalen, höchste Aufklärungsquoten seit 60 Jahren.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Darauf ruht sich niemand aus, da gibt es noch viel zu tun. Daran werden wir konsequent weiterarbeiten.

Aber, Frau Düker, während 2016 unter Rot-Grün noch ca. 3 Milliarden Euro in die Polizei investiert wurden, haben wir diesen Betrag um rund 20 % bzw. 600 Millionen Euro für 2020 gesteigert. Ja, wir haben die Anwärterzahlen auf rekordverdächtige 2.500 erhöht, und wir bauen die Polizei sukzessive wieder schlagkräftiger auf. Wenn ich „rekordverdächtig“ sage, dann ist das nicht nur rekordverdächtig, sondern es ist tatsächlich ein Rekord. So viele Einstellungen – wir haben es gerade schon mehrfach gehört – gab es noch nie bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen.

Ich sage Ihnen auch: Ich wäre froh, wenn Rot-Grün das schon gemacht hätte. Aber das haben Sie nicht getan, das haben Sie auch trotz der sich abzeichnenden Pensionierungswelle nicht getan. Das ist eben die Wahrheit.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Herr Ganzke, noch einmal zum Stichwort „Glaubwürdigkeit“: Sie kommen jetzt mit einem Änderungsantrag

(Zuruf von Hartmut Ganzke [SPD])

– doch, ja, im Ausschuss! – und wollen die Zahl der Einstellungen bei der Polizei von 2.500 noch einmal auf 2.600 erhöhen.

Das ist – ich weiß nicht, wie ich es schonend sagen soll – peinlich.

(Sven Wolf [SPD]: Wieso das denn? – Zuruf von Hartmut Ganzke [SPD])

Ehrlich, das ist peinlich angesichts dessen, was Sie in den Jahren zuvor geliefert haben. Scheinheiliger geht es kaum.

(Vereinzelt Beifall von der FDP und der CDU – Sven Wolf [SPD]: Das ist jetzt aber kein Argument)

Den Antrag hätten Sie sich besser erspart. Das glaubt Ihnen wirklich niemand.

Fakt ist: Unter dieser Landesregierung erfährt die innere Sicherheit, die Polizei eine neue Priorität. Das zeigt sich in der personellen Ausstattung, das zeigt sich daran, dass zum Beispiel Clankriminalität nicht geleugnet, sondern konsequent bekämpft wird, daran, dass unbequeme Themen wie die Besetzung des Hambacher Forsts durch Linksextremisten angepackt werden,

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

sowie daran, dass wir Polizisten und Polizistinnen endlich sachlich und moderner ausstatten, anstatt sie nur – womöglich gegen ihren Willen – zu kennzeichnen.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Klar ist aber auch – das muss man deutlich sagen –: Die Herausforderungen angesichts von Terror und Kriminalitätsbekämpfung werden bleiben. Wenn wir bei den Sicherheitsbehörden neue Aufgabenschwerpunkte bei der Clankriminalität und im überaus wichtigen Kampf gegen Kindesmissbrauch setzen, dann müssen wir sie dafür auch effektiv aufstellen sowie vor allem personell unterfüttern und technisch ausstatten. Auch das machen wir. Wir verstärken mit zusätzlichen Stellen – auch im Tarifbereich – für Spezialisten wie Informatiker, Finanzermittler oder im Bereich „Wirtschaftskriminalität“.

Frau Schäffer, ich komme noch mal auf Ihre Aussagen zurück. Ich habe es so vernommen, als hätten Sie kritisiert, dass die Stellen für Regierungsbeschäftigte bei der Polizei, die wir schaffen – in Summe in dieser Legislatur 2.500 Stellen –, womöglich noch nicht besetzt seien. Ich frage Sie im Gegenzug: Wie viele Regierungsbeschäftigte wurden denn während Ihrer Regierungszeit und in Ihrer Verantwortung, also auch in Verantwortung der Grünen, eingestellt?

(Daniel Sieveke [CDU]: Niemand! – Dr. Christos Georg Katzidis [CDU]: Genau, niemand!)

Es waren ein paar Hundert Stellen, die nach der Silvesternacht kurzfristig mit der heißen Nadel gestrickt untergeschoben worden sind.

(Daniel Sieveke [CDU]: Genau!)

Die Stellen waren dann aber im Übrigen auch nicht besetzt. Wir machen es anders: Wir richten konsequent 2.500 Stellen in diesem Bereich ein und arbeiten ganz konsequent daran, dass diese auch mit Spezialisten besetzt werden; denn wir brauchen sie zur Unterstützung unserer Polizei. Genau das ist der richtige Weg, innere Sicherheit anzugehen.

(Beifall von der FDP und der CDU )

Dieser Haushalt sieht – man muss sagen: erneut – erhebliche Investitionen in die IT-Ausstattung und damit auch in die Zukunft unserer Polizei vor.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Herr Kollege Lürbke, dass ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage bei Frau Kollegin Schäffer.

Marc Lürbke (FDP): Natürlich, gerne.

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Lürbke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich will auf die Regierungsbeschäftigten zurückkommen, die ich an sich für sinnvoll halte, wenn die Stellen denn besetzt werden. Ich möchte Sie aber fragen

(Herbert Reul, Minister des Innern, spricht mit Marc Lürbke [FDP].)

– ich weiß nicht, was Herr Reul Herrn Lürbke zuflüstert –, ob auch Ihnen Berichte darüber bekannt sind, dass die Zahlen der Regierungsbeschäftigten mit denen der Polizeivollzugsbeamten verrechnet werden, sodass in den Behörden zum Teil weniger Polizeivollzugsbeamte ankommen, weil stattdessen Regierungsbeschäftigte eingesetzt werden. Stimmt das?

(Lachen von Marc Lürbke [FDP])

Marc Lürbke (FDP): Frau Kollegin Schäffer, im Gegensatz zu Ihnen statten wir unsere Polizeibehörden sowohl mit Polizeibeamten als auch mit Regierungsbeschäftigten aus. Genau diese Mischung macht es doch.

(Beifall von der FDP und der CDU)

So haben wir am Ende schlagkräftige Behörden in diesen Bereichen. Das ist doch genau die richtige Regelung.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Also stimmt das, was ich gesagt habe? – Monika Düker [GRÜNE]: Also stimmt das! Na super!)

Meine Damen und Herren, zurück zur IT-Ausstattung: Ich nenne ein Beispiel, das besonders gut geeignet ist, um einen Unterschied aufzuzeigen.

Das erste iPhone mit Multi-touch-Oberfläche kam schon 2007 auf den Markt. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen musste aber auch während der Hochphase des Absatzmarktes für Smartphones zwischen 2010 und 2017 erst mal eine siebenjährige Regierungszeit ohne jegliche Prioritätensetzung im Bereich „Digitalisierung“ erdulden und sozusagen zusehen, wie mittlerweile fast jeder Kellner im Land papierlos arbeiten konnte.

Meine Damen und Herren, es darf nicht länger sein, dass die Ausstattung unserer Polizeibeamten den technischen Entwicklungen in unserer Gesellschaft oft viele Jahre hinterherhinkt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich bin sehr froh, dass wir dies nun mit der Auslieferung der dienstlichen Smartphones geändert haben.

(Michael Hübner [SPD]: Aber zwischen 2007 und 2010 haben doch Sie regiert, wenn Sie das Beispiel schon anführen!)

Auch die Umsetzung der digitalisierten Polizeiarbeit ist meines Erachtens ein echtes Sicherheitspaket für Nordrhein-Westfalen; denn wir wollen eine Polizei auf der Höhe der Zeit statt technisch hinterm Berg. Auch dies bringen wir mit diesem Haushalt konsequent weiter auf den Weg.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ähnlich ist es bei der Ausstattung – Bodycams wurden schon genannt. Außerdem bringen wir endlich für den täglichen Dienst und die Einsatzlagen passende neue Fahrzeuge auf den Weg.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Diese Fahrzeuge passen. Ich habe darin gesessen. Wenn sie für mich mit meiner Beinlänge passen, dann passen sie auch für unsere Polizeibeamten, und sie passen auch für die Ausrüstung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist wirklich mal ein wichtiger Schritt nach vorne. Wir machen also das, was wir vorher gesagt haben.

Gleiches gilt – das will ich zum Schluss noch sagen – für die Verstärkung unserer Feuerwehren. Dies ist ebenfalls sehr wichtig. Auch in dem Bereich werden wir weiter für das ehrenamtliche Engagement werben und die Rahmenbedingungen insgesamt verbessern. Allein für Feuerschutz und Hilfeleistungen stehen in diesem Haushalt 3,2 Millionen Euro mehr zur Verfügung. 1,1 Millionen Euro sind für die Durchführung einer Imagestrategie zur Stärkung der freiwilligen Kräfte im Katastrophenschutz vorgesehen. Das ist wichtig. Wir wollen ehrenamtliches Engagement gemeinsam weiter fördern und für Akzeptanz und Respekt sorgen. Das ist ein wichtiges Signal.

Mit diesem Einzelplan 03 liegen uns nun 6,2 Milliarden Euro für die innere Sicherheit, für eine starke personelle Ausstattung und Investitionen in IT und moderne Ausstattung vor. Das ist auch eine Frage des Respekts gegenüber denjenigen, die tagtäglich für unsere Sicherheit sorgen. Diese Menschen haben unsere Unterstützung verdient, und zwar nicht nur in Reden, sondern auch in Taten – wie mit diesem Haushalt, wie mit diesem Einzelplan 03. Sie haben das wirklich mehr als verdient.

Wir machen das, was wir vorher gesagt haben, und das machen wir ganz genau so weiter. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Wagner.

Markus Wagner (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Düsseldorf, letzten Sonntag, 3:50 Uhr nachts: 15 orientalische Clanangehörige stürmten die Notaufnahme der Uniklinik. Sie hielten sich an keine Regeln, gingen in den verschlossenen Behandlungsbereich und nahmen auf niemanden Rücksicht. Bei den Krankenschwestern und Ärzten war deutlich Angst erkennbar, so ein Augenzeuge.

Laut Polizei ließen sich in der Uniklinik zwei Kontrahenten einer Shisha-Bar-Schlägerei behandeln. Sie seien teils blutüberströmt aufgetaucht und hätten lautstark eine sofortige Behandlung gefordert, sagte ein Sprecher der Polizei am Montagmorgen. Einer solle eine Flasche an den Kopf bekommen haben.

In der Notaufnahme stießen die Männer erneut aufeinander und beschimpften sich. Einer der Männer soll die Krankenschwester geschlagen und am Arm verletzt haben. Bei einem soll es sich um ein Mitglied des Al-Zein-Clans gehandelt haben, der Unterstützung wahrscheinlich seiner diversen Brüder und Cousins dabeihatte.

Mehrere Anzeigen wurden aufgenommen: sowohl bei dem Einsatz an der Uniklinik als auch ob der Schlägerei vor der Bar sowie eine wegen Hausfriedensbruch. UKD-Sprecher Tobias Pott sagt:

„Dass Leute aufgebracht sind und verbal ausfällig werden, ist leider trauriger Alltag für das Team.“

Das ist mittlerweile trauriger Alltag auch für viele von uns, wenn wir auf das Sicherheitsgefühl schauen. Es ist trauriger Alltag, den es in diesem Ausmaß nur ob Ihrer Innen‑ und Migrationspolitik der letzten Jahrzehnte, besonders aber seit 2015 gibt.

Jeden Tag in jeder unserer Städte ändert das unseren Alltag. Nehmen wir die alleinerziehende Krankenschwester, die sich fragt: Kann ich abends noch joggen gehen? Kann ich da langlaufen, wo ich immer langlief, wo es aber jetzt schon drei Vergewaltigungen in dem Park auf dem Weg gab?

Muss ich für meinen Dienst im Krankenhaus einen Deeskalationskurs mitmachen, und was bringt der in einer konkreten Gefahrensituation?

Bezahle ich diesen Typen, ob derer ich den Selbstverteidigungskurs mache, womöglich mit meinen Sozialbeiträgen auch noch ihr Hartz IV mit?

Was mache ich mit meinen Kindern? Wie ist die Migrantenquote in Kita und Grundschule? Was heißt das für das sprachliche Niveau, die Chancen meiner Tochter?

In einer Tour liefern Sie den hier angestammten ganz normalen Menschen Zumutungen, Unsicherheit und Mehrkosten. Für mich, für die AfD, ist klar: Damit muss Schluss sein.

(Beifall von der AfD)

Die Menschen verändern ihr Verhalten zudem so, dass paradoxerweise der Innenminister von besseren Zahlen in der Kriminalitätsstatistik spricht. Aber ist das wirklich so? Sind wir in den letzten Jahren sicherer geworden?

Schauen wir uns im Land um, sprechen wir mit den Menschen, ergibt sich ein anderes Bild. Das ist kein Gefühl, nein, es wird durch Zahlen und Statistiken belegt.

Es geht los mit dem veränderten Verhalten, wie ich es eben geschildert habe, wenn die junge Frau einen anderen Fußweg nimmt, weil vor bestimmten Plätzen und Parkbänken die sogenannten jungen Männer aggressiv herumlungern, wenn das Pärchen rechtzeitig die Straßenseite wechselt, um einer aggressiven Anmache samt unübersehbarem Konfliktpotenzial zu entgehen, wenn die Menschen lieber mit dem Auto oder Taxi als mit der U-Bahn fahren, weil sie sich unwohl und unsicher fühlen.

All das reduziert natürlich die Zahl der potenziellen Übergriffe, und zwar nicht weil die Politik so erfolgreich wäre, sondern weil es die Menschen natürlich vermeiden, Opfer von Straftaten zu werden.

Aber das hat noch einen ganz anderen Effekt, nämlich einen massiven Freiheitsverlust. Die Bürger, die ja auch Steuerzahler sind, können nicht mehr immer und zu jeder Zeit dahin oder auf ihre eigentliche Art und Weise dorthin, wie sie es eigentlich wollen, denn das Territorium ist ab bestimmten Uhrzeiten besetzt, und die Besetzer strahlen Bedrohung aus.

Uns kommt die Unbefangenheit abhanden. Wer sich solchen Situationen auf unseren Straßen und Plätzen, in Bussen und U-Bahnen ausgesetzt sieht, kann nicht mehr einfach abschalten, in Ruhe ein Buch lesen, den Einkauf vorbereiten oder die Arbeit nachbereiten, sondern muss sich mit der möglichen Gefahr auseinandersetzen, gedanklich wie emotional.

All das muten Sie, die alten Parteien, den Menschen zu. Aber wehe jemand sagt etwas, jemand beschreibt die Wahrheit; dann ist er ein Hetzer, ein Nazi, ein Rassist.

Aber die Realität ist zu real. Jeder, der sie erlebt, weiß das, und er weiß auch: Ich bin kein Nazi. – Also hören Sie endlich auf, diejenigen, die Probleme offen benennen, um sie zu lösen, härter anzugehen als die Probleme selbst.

(Beifall von der AfD)

Die Menschen reagieren statistisch erfassbar auf die von Ihnen geschaffene Lage oder, wie es der Sprecher der Uniklinik mit Blick auf die Sicherheitslage sagte, den traurigen Alltag. Da ist der massive Anstieg der Beantragung von Waffenscheinen. Über 300.000 Personen sind jetzt schon in Nordrhein-Westfalen mit einer waffenrechtlichen Erlaubnis gespeichert.

Wieder 9.000 mehr als im letzten Jahr haben den kleinen Waffenschein, wie Sie, Herr Minister, selbst in der letzten Woche auf unsere Anfrage hin bekannt geben mussten. Ich frage Sie: Warum, glauben Sie, ist das so? Warum haben immer mehr Menschen das Gefühl, sich bewaffnen zu müssen?

Weitere Reaktionen sind der Einbau von Sicherheitstüren und ‑technik im Haus, sodass dieses Gewerbe immer neue Rekordumsätze vermeldet, und die immer weiter steigenden Zahlen bei den privaten Sicherheitsdiensten.

Woher, glauben Sie, kommt das wohl? Etwa weil sich die Sicherheitslage so massiv verbessert hat? Sind Sie schon einmal auf die Idee gekommen, dass das mit der Politik von Schwarz, Gelb, Rot und Grün zu tun haben könnte, meine Damen und Herren?

(Helmut Seifen [AfD]: So ist es!)

Ich weiß es nicht, denn Sie kommen ja auch nicht auf die Idee, dass der immer größer werdende Erfolg der AfD mit der fehlerhaften Politik auch und gerade im Bereich der inneren Sicherheit der alten Parteien zu tun hat, denn auch die Wahlerfolge der AfD sind ein Indikator für das Sicherheitsgefühl der Menschen.

(Helmut Seifen [AfD]: So ist es!)

Sie wollen eine Partei für die Polizisten und Soldaten, wie es Friedrich Merz uns in etwa attestiert, weil sie es Ihnen immer weniger zutrauen, die Lage in den Griff zu bekommen.

Wenn mal etwas besser läuft wie zum Beispiel die Einbruchszahlen, verweist der Minister selbst darauf, dass das mit der Schließung der Balkanroute zu tun hat, die Sie alle im Haus hier im Gefolge der Kanzlerin nicht wollten, die Sie für unmenschlich und rechtspopulistisch gehalten haben und die genau deswegen richtig war. Mein Dank gilt daher Viktor Orbán für die Reduzierung der Einbrecherbanden vom Balkan.

(Beifall von der AfD)

Danken tun wir auch den Polizeigewerkschaften, deren Vorschläge wir als deren parlamentarischer Sachverwalter hier einbringen und die Sie regelmäßig ablehnen.

Herr Katzidis hat dankenswerterweise unsere Änderungsanträge kurz vorgestellt, sodass ich das nicht tun muss.

Aber eines kann ich Ihnen sagen: Sie brüsten sich damit, die Zahl der Polizeibeamten in Nordrhein-Westfalen erhöht zu haben. Das stimmt schlicht und ergreifend nicht. Die Zahl der Anwärter, die Sie vorgesehen haben, führt nur dazu, dass die Zahl der Beamten gleich bleibt und ab 2022 leicht um 1.000 auf 41.000 steigt.

Die Polizeigewerkschaften wissen und sagen, dass wir in NRW eigentlich 60.000 Beamte bräuchten, und zwar aufgrund der immer stärker steigenden Zahl von Kriminalitätsphänomenen.

Wenn wir es hier mit einer steigenden Zahl von Kriminalitätsphänomenen zu tun haben, mit der Ihre Einstellungspraxis nicht mehr hinterherkommt, ist das doch ein von Ihrer Politik verursachtes Problem auf Bundes‑ und auf Landesebene, meine Damen und Herren.

(Beifall von der AfD)

Sie lehnen also alles ab, so, wie Sie alles, was wir für die Polizei und die Bürger einbringen, pauschal ablehnen.

Ich möchte nur wenige Punkte aus einer langen Liste nennen: Unser allererster Antrag überhaupt war, dass Extremisten keine Steuergelder bekommen sollen. Das ist ein Gesetz, das von Ihrer ehemaligen Bundesministerin Schröder stammt, welches die CDU auf Bundesebene wiederhaben will. Sie lehnen ab.

Ein Burka-Verbot, das wir rechtssicher einbringen und das 81 % der Deutschen fordern: Sie lehnen ab.

Eine deutlich verbesserte Gefährder-Ingewahrsamnahme: Sie sind dagegen.

Die Kosten für die „Merkel-Poller“ bei Volksfesten an den Verursacher durchzureichen, wollen Sie auch nicht.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einer pflichtgemäßen Altersbestimmung zuzuführen, wollen Sie nicht. Die kosten ja nur 5.000 Euro pro Mann und Monat.

Gewalt gegen unsere Einsatz‑ und Rettungskräfte wissenschaftlich untersuchen: Sie sagen, das ist egal, das brauchen wir nicht.

Missstände zusammen mit dem Personalrat des BAMF abzustellen, kommt mit Ihnen nicht infrage.

Endlich die Abschiebezahlen zu verbessern, wie wir das als einzige Fraktion wollen, ist kein Thema für Sie.

Illegale Immigration an der ungeschützten NRW-Westgrenze zu stoppen, stieß ebenso auf Ihre Ablehnung.

Öffentlichkeitsfahndung zu beschleunigen, ist auch nicht Ihr Ding.

Links‑ und Rechtsextremismus gleichermaßen zu bekämpfen, ist ebenfalls nicht das Richtige für Sie.

Einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss für die Missbrauchsopfer von Lügde musste ich hier ganze vier Mal beantragen, bevor Sie überhaupt reagiert haben.

(Zuruf von der AfD: Unglaublich!)

Gegen Chaos-Hochzeiten wollen Sie auch nicht konsequent vorgehen.

Ein Lagebild zur Gewalt in Gefängnissen möchten Sie nicht.

Das Schlimme an dieser völlig unvollständigen Auflistung ist: Es ist schlecht für die Bürger, aber gleichzeitig liefern Sie uns ein Alleinstellungsmerkmal nach dem anderen, denn jeder, der diese eben referierten Forderungen richtig findet, hat nur eine Wahl, nämlich die AfD.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Redezeit.

Markus Wagner (AfD): Der Minister tut manches Richtige im rein polizeilichen Behandeln der gesamtpolitischen Fehler der alten Fraktionen. Der Druck der AfD wirkt bereits jetzt aus der Opposition heraus.

(Unruhe)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Beachten Sie bitte die Redezeit.

Markus Wagner (AfD): Ich bin gleich am Ende.

(Zuruf von der SPD: Redezeit!)

So nannte die Presse ja schon das neue Polizeiaufgabengesetz, das „erste Gesetz der AfD“. Allerdings müssen, um zu einer echten Trendwende zu gelangen, endlich auch die Ursachen der Probleme

(Zuruf von der SPD: Redezeit!)

und nicht nur die Symptome angegangen werden.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Wagner.

Markus Wagner (AfD): Wir sind dazu bereit. Nur wir als AfD sind dazu bereit. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Das war der Abgeordnete Wagner für die Fraktion der AfD. – Nun hat für die Landesregierung Herr Minister Reul das Wort. Bitte sehr.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Als wir vor zweieinhalb Jahren diese Landesregierung übernommen haben … Das ist der falsche Ausdruck. Als die Wähler entschieden haben, dass wir jetzt die Landesregierung stellen sollen, gab es im Bereich „innere Sicherheit“ eine Reihe von Baustellen.

Ich finde, insoweit müsste man doch fair miteinander umgehen und sagen: Es gab eine Menge Probleme, die nicht gelöst waren. Es hat doch keinen Sinn, heute zu sagen „Es gab gar keine Baustellen, gar keine Probleme“ oder jetzt den Eindruck zu erwecken, man könne – Simsalabim – alle Baustellen auf einmal lösen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Das sagt ja auch keiner!)

Investitionsstau bei Gebäuden, Ausstattung von Polizei, Personaldecke: Ich bin ganz sicher, am Ende wird sich nicht durchsetzen, wer hier am lautesten rumbrüllt oder die dicksten Sprüche ablässt oder am meisten Forderungen ins Schaufenster stellt, Herr Wagner, sondern wer liefert. Wir haben in den zweieinhalb Jahren geliefert – Stück für Stück.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben konsequent an den Baustellen gearbeitet  nicht mit dicken Sprüchen, sondern Tag für Tag mit harter Arbeit, ohne großes Tamtam, ruhig, an der Sache orientiert. Schritt für Schritt sind die Baustellen auch weniger geworden.

Es wird kein Mensch behaupten – ich zumindest nicht –, dass damit alle Probleme schon gelöst wären, denn das Thema „innere Sicherheit“ wird noch lange Zeit ein großes Problem bleiben.

Nur kann sich das Ergebnis von zweieinhalb Jahren – das gehört auch zur Fairness – sehen lassen. Wir haben Nordrhein-Westfalen sicherer gemacht.

(Beifall von der CDU)

Natürlich stimmt es, dass das Sicherheitsgefühl der Menschen ganz anders ist als die objektiven Daten. Das macht uns, das macht auch mir große Sorgen. Das ist wahr.

Nur, Herr Wagner, wenn man dazu beitragen will, dass sich Menschen sicherer fühlen, muss man über die Fakten reden und nicht die Unsicherheit weiter schüren.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von der AfD: Das hat er getan!)

Die Ängste zu schüren, Herr Wagner, ist eine böse Geschichte. Ich bitte wirklich …

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD]: Tatsachen sind das!)

– Nein, das waren keine Tatsachen.

(Helmut Seifen [AfD]: Tatsachen!)

Die Fakten und die Statistiken sind glasklar. Das andere ist Stimmungsmache. Damit tut man weder sich noch den Menschen einen Gefallen und der inneren Sicherheit erst recht nicht.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir haben für das nächste Jahr – wir reden heute ja nur über die Zahlen – 344 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor mehr, nicht weniger.

6,2 Milliarden Euro ermöglichen uns mehr Investitionen in Polizei, Verfassungsschutz, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Bezirksregierungen. Das Geld wird nicht planlos ausgegeben, sondern gezielt genau nach dem Plan, den wir hier von Anfang an verfolgt haben: mehr Personal, 2.500 Kommissaranwärterinnen und -anwärter.

Im Übrigen stehen nächstes Jahr, 2020, zum ersten Mal die „Mehreinstellungen“ im „Betrieb“. Die sind dann da. Das heißt, dann zahlt es sich ganz praktisch aus.

Wir haben dafür 640 Stellen zusätzlich eingerichtet. Wir werden im kommenden Jahr wieder 500 Regierungsbeschäftigte einstellen.

Frau Schäffer, übrigens sind alle immer eingestellt worden. Dieses Jahr sind von den 500 auch schon 400 eingestellt, und wir haben ja erst November. Warten Sie mal ab, wie wir das hinkriegen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist beides mehr als vorher. Wir können lange darüber streiten, ob es genug ist; ich kann mir da auch viel vorstellen. Aber erstens muss man Realist sein, zweitens muss man sehen, was man in der Ausbildung und in den Behörden auch bewältigen kann, und drittens muss man bei dem Ganzen auch finanziell glaubwürdig bleiben, sonst ist das Schaumschlägerei.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Sowohl bei den Regierungsangestellten als auch bei den Kommissaranwärtern ist es mehr. Das bestreitet draußen kein Mensch. Ich frage mich, wie man es hier überhaupt bestreiten kann. Es ist unbestritten eine riesengroße Leistung.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Frau Schäffer, was die Abbrecherquote angeht: Das ist ein großes Problem, da haben Sie recht. Ich finde es aber relativ billig, das als Gegenargument zu nutzen, denn ich muss Ihnen antworten: Da sind wir längst dran. Sie benennen es heute, wir arbeiten seit Monaten daran.

(Beifall von der CDU und der FDP – Verena Schäffer [GRÜNE]: Prima!)

Wir haben zum Beispiel schon längst an der Fachhochschule ein Repetitorium eingerichtet. Das heißt, dass wir diejenigen, die in bestimmten Fächern schwach sind, unterstützen und ihnen helfen. Es gibt weitere Programme, die in Planung sind. Manchmal gilt es also, früher aufzustehen – wir sind schon da gewesen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn wir nun endlich den Schwachpunkt, dass wir Spezialisten brauchen, mit einem Sonderprogramm anpacken – nicht mit dicken Sprüchen, sondern mit dem ganz praktischen Programm „Spezialisten zu Polizisten“ –, kann man natürlich auch darüber nachdenken, was schiefgehen könnte. Ich tue das nicht, sondern denke darüber nach, wie ich es hinbekomme. Ich denke nicht darüber nach, wie es schiefgehen könnte, um nur Unruhe zu schaffen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Wir haben im letzten Jahr etwas Neues gelernt: Die Kriminalität findet immer mehr im Internet statt. Das ist ein neues Phänomen, das wir beim Rechtsextremismus beobachtet haben, aber erst recht bei all den Missbrauchsfällen. Das heißt, die Kriminalitätsbekämpfung auf der Straße ist das eine; sie ist wichtig. Aber wir brauchen ganz besonders und zusätzlich und neu die Kriminalitätsbekämpfung im Internet. Damit fangen wir an.

Das kann man ja nicht ruckzuck machen. Wir fangen an, indem wir ganz andere Investitionen tätigen: sowohl beim Personal als auch bei der Ausstattung.

Wir brauchen mehr Spezialisten, für die das Internet kein Neuland ist. Wir haben jetzt 200 Experten für die Datenauswertung eingestellt, die übrigens nicht nur für Kindesmissbrauch und Rechtsextremismus, sondern auch für Terrorbekämpfung und politisch motivierte Kriminalität eingesetzt werden.

Wir werden auch die technische Ausstattung verbessern. Das kostet extrem viel Geld, und das machen wir Stück für Stück. 2019 waren es 1,5 Millionen Euro, jetzt werden weitere 63 Millionen Euro im Bereich von Hard‑ und Software eingesetzt.

Das ist nicht alles auf einmal zu schaffen. Das ist ja der Unterschied: Die einen klopfen Sprüche und versprechen den Leuten das Paradies auf Erden, das es aber nicht gibt, und wir machen die praktische Arbeit und verbessern die Lage. Das ist der Unterschied.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Alleine für das Vorgangsbearbeitungssystem – es wird das modernste der gesamten Republik – werden 8 Millionen Euro eingesetzt.

Wir werden mit 20.000 Smartphones ausrüsten. Wir haben jetzt schon 9.000 Smartphones im Dienst und demnächst 20.000 für alle Polizisten. Sie haben gar nicht darüber nachgedacht, geschweige denn Smartphones gekauft. Warum werfen Sie uns jetzt vor, dass wir noch nicht alle haben? Da bin ich fassungslos.

(Sven Wolf [SPD]: Gibt es denn in jeder Polizeiwache inzwischen WLAN, Herr Minister?)

Bei Ihnen war die Polizei in der digitalen Steinzeit. Wir führen sie jetzt in die digitale Wirklichkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich will Ihnen Beispiele dafür nennen: Dokumentenscan, Abfrage von Auskünften, künstliche Intelligenz bei dem riesengroßen Problem des Kindesmissbrauchs, die digitale Infrastruktur. Das ist das Fürchterliche daran: Diese Infrastruktur muss auch noch gepflegt werden. Wir werden dafür allein im nächsten Jahr 90 Millionen Euro ausgeben. Das sind pro Kopf und Monat rund 150 Euro gut investiertes Geld in die Pflege dieser Infrastruktur.

Das reicht übrigens auch über die Landesgrenzen hinaus: Wir setzen uns auch für das Programm „Polizei 2020“ mit elf Stellen ein. Wir sagen, dass die IT-Lösungen nicht nur Insellösungen bei uns sein dürfen, sondern wir müssen auch dabei helfen, dass es bundesweit vernetzt wird; sonst nützt es nichts.

Neben der Straße und dem Internet gibt es auch noch Hinterzimmer, in denen Organisierte Kriminalität passiert. Wir haben den Fokus auf kriminelle Clans gelegt – übrigens nicht mit dem Glauben oder der Hoffnung, in fünf Jahren ein Problem zu lösen, das über 30 Jahre hinweg entstanden ist und bei dem viele Jahre lang viele Regierungen zugeschaut und gepennt haben; das ist auch die Wahrheit. Wir haben angefangen.

(Beifall von der CDU)

Der erste Schritt ist immer der wichtigste, und wir kommen voran. Wir versuchen nicht nur auf der Straße und bei den Razzien, sondern auch in den Ermittlungen – Stichwort: Taskforce – voranzukommen. Ich werde am Freitag, wenn wir noch mehr darüber sprechen, noch etwas dazu sagen. Wir haben mit dem Single Point of Contact noch eine weitere Maßnahme.

Im Zusammenhang mit der Ergänzungsvorlage möchte ich auf ein Versäumnis hinweisen, das seit Jahren kritisiert wird: dass der Aufstieg in höhere Besoldungsgruppen nur über einen Stellenwechsel funktioniert.

(Beifall von Bodo Löttgen [CDU])

Ich habe fassungslos zur Kenntnis genommen, dass hoch spezialisierte junge Kriminalisten in den Wach‑ und Wechseldienst wechseln müssen, weil sie sonst nicht befördert würden.

(Bodo Löttgen [CDU]: So ist es!)

Dafür war ich aber nicht verantwortlich; da war ich überhaupt noch nicht hier. Das haben wir im Haushaltsplan geändert, und das ist ein Fortschritt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aber auch da sage ich: Wir entschärfen das Problem. Wir machen den ersten Schritt. Das Problem ist damit noch lange nicht gelöst. Solche großen Probleme kann man nur Schritt für Schritt lösen – oder man macht dicke Sprüche und enttäuscht die Leute am Ende. Deswegen wollen wir Stück für Stück besser werden und uns um die Dinge kümmern.

Zur Weiterqualifizierung: Wenn wir alle darüber sprechen, dass wir Menschen brauchen, die sich besser mit IT auskennen, nützt es ja auch nichts, darüber zu lamentieren, dass sie nicht zu uns kommen.

Auch da machen wir einen wichtigen Schritt: Wir haben jetzt einen eigenen Ausbildungsgang im IT-Bereich bei der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung geschaffen. Dafür gibt es 55 zusätzliche Stellen.

Das ist nicht viel, aber es ist ein Anfang. Bisher wurde gar nichts getan. Jetzt fangen wir an, eigene IT-Experten für die Verwaltung auszubilden. Das wird auch nicht morgen das Problem lösen, aber übermorgen.

So machen wir das eben: Wir fangen an, anstatt darüber zu schwadronieren, und wir machen es Schritt für Schritt, damit die Leute uns auch glauben und wissen, dass das, was wir versprechen, gehalten wird, anstatt es nur daherzubrabbeln.

Last but not least zur Feuerwehr: 100.000 Freiwillige in der Feuerwehr und in den Jugendfeuerwehren – das ist ein hohes Gut. Ich unterstütze alles, was mir dazu gesagt wurde, zu 100 %.

Was im Brand‑ und Katastrophenschutz getan wird, ist nicht selbstverständlich. Deshalb müssen wir auch im nächsten Jahr wieder viel dafür tun: insgesamt 3,2 Millionen Euro mehr für Feuerschutz und Hilfeleistungen, davon 1,1 Millionen Euro mehr für die Ehrenamtsfeuerwehr.

Langer Rede kurzer Sinn: Wer da sagt, in diesem Haushaltsjahr und in den letzten zweieinhalb Jahren sei kein Akzent gesetzt worden, muss auf irgendeiner Insel gewesen sein – auf jeden Fall nicht hier in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Der guten Ordnung halber weise ich darauf hin, dass die Landesregierung ihre Redezeit um eine Minute und neun Sekunden überzogen und damit die Redezeitüberschreitung der Fraktion der AfD sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sozusagen im Nachhinein legitimiert hat.

(Markus Wagner [AfD]: Danke schön!)

Gleichwohl frage ich die anderen Fraktionen, ob noch der Wunsch nach zusätzlicher Redezeit besteht. – Das ist erkennbar nicht der Fall.

Dann sind wir am Schluss der Aussprache und kommen nun zu einer Reihe von Abstimmungen.

Zunächst lasse ich abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/7972. Ich darf fragen, wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP sowie Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass mit dem festgestellten Abstimmungsverhalten der Fraktionen der Änderungsantrag Drucksache 17/7972 abgelehnt wurde.

Ich lasse zweitens über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/7973 abstimmen. Ich darf auch hier fragen, wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP sowie Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit stelle ich fest, dass der Änderungsantrag Drucksache 17/7973 abgelehnt wurde.

Ich lasse drittens über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/7974 abstimmen. Ich darf auch hier fragen, wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP sowie Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit stelle ich fest, dass der Änderungsantrag Drucksache 17/7974 der Fraktion der AfD abgelehnt wurde.

Ich lasse viertens über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/7975 abstimmen. Auch hier darf ich fragen, wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP sowie Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Keine Enthaltungen. Damit stelle ich fest, dass auch dieser Änderungsantrag Drucksache 17/7975 abgelehnt wurde.

Ich lasse fünftens über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/7976 abstimmen und darf auch hier fragen, wer dem zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP sowie Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es einen Abgeordneten oder eine Abgeordnete, die sich der Stimme enthalten möchten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch der Änderungsantrag Drucksache 17/7976 abgelehnt.

Ich lasse nunmehr über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/7977 abstimmen und darf fragen, wer dem zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP sowie Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch der Änderungsantrag Drucksache 17/7977 abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich lasse siebtens über den Einzelplan 03 abstimmen. Der Haushalts‑ und Finanzausschuss empfiehlt in der Drucksache 17/8003, den Einzelplan 03 unverändert anzunehmen. Damit kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 03 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Ich darf fragen, wer dem Einzelplan 03 zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Der guten Ordnung halber frage ich auch hier, ob es einen Abgeordneten oder eine Abgeordnete gibt, die sich der Stimme enthalten möchten. – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich in Übereinstimmung mit den Kollegen rechts und links von mir fest, dass der Einzelplan 03 in zweiter Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung unverändert angenommen wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun auf:

     Einzelplan 05
Ministerium für Schule und Bildung

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8005

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Voigt-Küppers das Wort. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD): Danke, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltsberatungen läuten traditionell das Ende des parlamentarischen Jahres ein. Ich möchte diesen Anlass nutzen, Ihnen für das Miteinander, aber auch für das Gegeneinander zu danken. Demokratie lebt von unterschiedlichen Meinungen. Sie auszutragen und den Kompromiss zu finden, ist unser aller Aufgabe.

Der Haushaltsentwurf ist im Grunde genommen die Erklärung der Regierung über das, was sie im nächsten Jahr tun möchte. Auch am heutigen Morgen habe ich mich sehr häufig gewundert, dass wir nicht über das diskutiert haben, was in der Zukunft geschehen soll, sondern über das, was in der Vergangenheit geschehen ist.

Nichtsdestotrotz möchte ich an dieser Stelle festhalten, dass ich den meisten hier im Raume zugestehe, dass sie ihre Aufgaben ernst nehmen und in unserem Bereich ein zukunftsfähiges Bildungssystem für Nordrhein-Westfalen erstreiten wollen.

Dabei gibt es unterschiedliche Wege und unterschiedliche Ziele, aber es ist wichtig, dass wir dabei gut miteinander umgehen. – Auch Ihr Engagement, Frau Ministerin, schätzen wir und halten Ihre Mühen für aufrichtig. Doch bemüht zu sein, reicht nicht.

Und damit bin ich beim Thema. Sie haben mehrfach erwähnt, dass der Schuletat wächst – um 6,5 %, um die genaue Zahl zu nennen. Ich bin mir sicher, gleich werden Sie wieder sagen, dass Sie die Zahl der Lehrerstellen erhöht haben, dass die OGS-Pauschalen angehoben worden sind. Ich könnte diese Liste fortsetzen.

Das alles ist gut, das alles ist richtig. Ich möchte auch klar sagen, dass wir nicht alles schlecht finden, was Sie machen. Vieles ist sinnvoll und braucht unsere Unterstützung. Aber was Sie tun, reicht nicht.

Im Wahlkampf, Frau Ministerin, hat Ihre Partei erklärt, dass sie dafür sorgen wolle, dass wir die weltbeste Bildung bekommen. Tatsache ist heute nach wie vor, dass wir meilenweit davon entfernt sind, den OECD-Durchschnitt zu erreichen, von der Spitzengruppe ganz zu schweigen. Eine Änderung ist nicht von heute auf morgen zu schaffen – das ist uns völlig klar –, aber ein Änderungswille müsste sichtbar sein.

Wir erkennen allerdings keine Ambitionen, an diesem Status etwas zu ändern, und das, obwohl Ihr Anspruch – wie gerade festgestellt – der der weltbesten Bildung ist. Um wirklich weltbeste Bildung zu gewährleisten, braucht unser Bildungssystem strukturelle Änderungen und kein Klein-Klein.

Wir brauchen zum Beispiel einen schulscharfen Sozialindex. Den Antrag haben wir im April 2019 eingebracht, und Sie haben ihn abgelehnt. Stattdessen feiern Sie sich für 60 Talentschulen. Das ist Politik für die wenigen, nicht für die vielen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ein großes Streitthema ist „A13 für alle“. Auch heute Morgen haben wir das schon häufiger gehört. Wir wissen – das ist durch Gutachten bestätigt –, dass alle Lehrerinnen, ob in Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien oder Gesamtschulen die gleiche Ausbildung haben.

Auch Sie bestätigen immer wieder, dass man bei gleicher Ausbildung das gleiche Einstiegsamt haben müsste. Allein, der Wille ist da, das scheint aber bei Ihrem Finanzminister nicht angekommen zu sein. Eigentlich finde ich es ausgesprochen schade, wenn man sagen muss: Die Bildungspolitik wird nicht von Bildungspolitikern, nicht von der Schulministerin gemacht, sondern vom Finanzminister gesteuert – der jetzt nicht da ist –, der letztendlich die Standards festlegt.

(Beifall von der SPD, Sigrid Beer [GRÜNE] und Josefine Paul [GRÜNE])

Wenn man sich die Zahl der Lehrer anguckt, die an den Grundschulen fehlen und an den Gymnasium überhängig sind, stellt man fest, dass die Grundschulen rund 15.000 Lehrer zu wenig und die Gymnasien 15.000 zu viel haben. Da liegt die Erklärung nahe, dass junge Menschen sagen: „Wenn ich am Gymnasium mehr verdiene, gehe ich lieber ans Gymnasium; die Ausbildung ist ohnehin die gleiche, das lohnt sich mehr“, wobei ich keinem der jungen Menschen unterstelle, dass sie ihre Berufswahl nicht auch nach Neigung träfen.

A13 wäre unser wirksamstes Instrument gegen den Lehrermangel.

Stattdessen haben Sie jetzt, um Lösungen bemüht, eine Zulage für Standorte mit besonderen Herausforderungen angekündigt: 350 Euro für zwei Jahre. – Entschuldigung, Frau Ministerin, ich erlaube mir, zu sagen: Das ist gut gemeint aber nicht gut gemacht. Ich glaube, das wird für mehr Unruhe an den Schulen sorgen, als dass es uns helfen wird. Viele Lehrer, die seit vielen Jahren engagiert an den Schulen arbeiten, werden das Gefühl haben: Meine Arbeit wird nicht wertgeschätzt. Jungen Hochschulabsolventen gibt man mehr als mir, obwohl ich mich jahrelang bemüht habe.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ein Argument, das immer wieder in unserer Debatte fällt, ist: Wir tun doch einiges. Wir haben in diesen Haushalt 1.200 Stellen mehr eingestellt, als es bis jetzt der Fall gewesen ist.

Ich habe Ihnen in der letzten Diskussion schon entgegnet: Es ist wunderbar, dass 1.200 Stellen mehr da sind. Diese aber nicht besetzen zu können, bedeutet letztendlich: Der Haushalt sieht zwar wunderbar aus, den Schulen ist damit allerdings nicht geholfen.

Wir haben den Antrag gestellt, das Geld, das Sie dafür im Haushalt veranschlagt haben, den Schulen zur Verfügung zu stellen. Diesen Antrag haben Sie auch abgelehnt.

Eines meiner Lieblingsthemen sind die OGS-Be-mühungen. Ich erlaube mir, zu sagen: Es sind wirklich nur Bemühungen. Sie werden erwidern: Wir haben die Platzzahl erhöht, wir haben die Pauschalen erhöht. – Dennoch wissen Sie genauso gut wie ich, dass das alles nichts nützt.

Wir müssten grundsätzlich über die OGS und ihre Strukturen reden. Sie wissen genau, dass das, was in der Finanzierung schwierig, bei Weitem nicht ausreicht – nicht wegen der Geldmenge, sondern weil die komplizierte Finanzstruktur der OGS Ursache des Problems ist.

Auch dazu haben wir einen Antrag gestellt. Sie teilen uns mit, dass Sie daran arbeiten. Lassen Sie uns doch an Ihren Erkenntnissen teilhaben. Wir sind gerne bereit, mit Ihnen gemeinsam nach weittragenden Lösungen zu suchen.

Das gilt ebenso für den Rechtsanspruch. Wir alle wissen, dass 2025 der Rechtsanspruch kommt. Wir alle wissen, dass die Bundesfamilienministerin gesagt hat, sie werde ihn mit 2 Milliarden Euro unterstützen.

Sie, Frau Ministerin, haben an dieser Stelle erklärt: Das ist bei Weitem nicht ausreichend, und sollte diese Zahl nicht erhöht werden, ist Nordrhein-Westfalen nicht dabei.

Diese Aussage habe ich sehr wohl zur Kenntnis genommen. Allein, mir ist nicht klar, was stattdessen in Nordrhein-Westfalen passiert. Ich habe auch keine Äußerungen von Ihnen dazu gehört. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Rechtsanspruch in allen Bundesländern gelten soll, nur in Nordrhein-Westfalen nicht, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, das komplizierte Strukturen und eine sehr vielfältige Schullandschaft hat.

Das kann ich so nicht goutieren. Ich kündige heute schon an, dass wir nicht nachlassen, Antworten von Ihnen zu fordern, wie der Rechtsanspruch in Nordrhein-Westfalen umgesetzt wird.

Übrigens wäre der Rechtsanspruch ein wunderbares Thema für den Nationalen Bildungsrat gewesen. Aber ich habe vernommen, dass unser Ministerpräsident, der beratend an den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene teilgenommen und sich sehr wohl für einen Nationalen Bildungsrat eingesetzt hat, heute froh darüber ist, dass er gescheitert zu sein scheint. – Der Zeitung ist zu entnehmen, dass Sie, Frau Ministerin, das erleichtert zur Kenntnis genommen haben.

Wir halten die Finanzstruktur im Bildungsbereich für nicht mehr zeitgemäß und sind der Meinung, dass man sie ändern muss. Der Nationale Bildungsrat wäre durchaus eine gute Chance gewesen. Übrigens: Die Bundesbildungsministerin stammt aus Nordrhein-Westfalen.

Ich könnte noch viele Fragen stellen. Wie gehen Sie weiter mit „Gute Schule 2020“ um? Es gibt keine Absichtserklärung, das Programm läuft aus.

Der Masterplan Grundschule war hier immer Gegenstand von Diskussionen. Dazu gibt es keine Aussage von Ihnen.

Wie gesagt, es gibt viele Punkte, bei denen Sie erklären, dass noch etwas gemacht werden muss. Was das ist, können wir aber nicht erkennen.

Ich stelle fest: Sie regieren seit zweieinhalb Jahren und geben immer noch für alles Rot-Grün die Schuld.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Redezeit.

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD): Absichtserklärungen, was Sie in Zukunft machen wollen, gibt es nicht. Deshalb sage ich Ihnen gerne noch einmal: Der Wahlkampf ist vorbei. Sie haben die Mehrheit. Die Menschen warten darauf, dass Sie regieren, dass Sie umsetzen, was Sie angekündigt haben.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Redezeit.

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD): Meine Damen und Herren, ich stelle abschließend fest: Der große Wurf bleibt aus. Sie liefern Stückwerk ab, wo es ein geschlossenes Konzept bräuchte. Wir brauchen Bildungspolitik für die vielen und nicht für die wenigen. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Voigt-Küppers. – Als nächster Redner spricht nun für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Rock.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Frank Rock*) (CDU): Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerne möchte ich hier aus der Sicht der CDU-Fraktion zum Bildungshaushalt Stellung nehmen. Der Bildungshaushalt 2020 ist transparent und klar. Er stellt die wichtigen und richtigen Weichen für eine bessere Bildung in unserem Land.

Die NRW-Koalition handelt wieder nach dem Dreiklang „zuhören – hier vielleicht mehr: analysieren –, entscheiden und handeln“, auch wenn der Kollege Zimkeit das bezweifelt. Wir handeln hier zielgerichtet für eine bessere Bildung in unseren Schulen. Wir entscheiden und analysieren auf der Grundlage von Fakten, Daten und tiefgreifenden Gesprächen, und das vor allem nicht ideologisch. Das unterscheidet uns ganz stark von vielen anderen hier.

Liebe Frau Voigt-Küppers, wir feiern nichts, auch nicht die Talentschulen, sondern wir arbeiten jeden Tag im Sinne unserer Schülerinnen und Schüler.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ein anwesender Kollege bezeichnete die politische Auseinandersetzung nach einer meiner ersten Sitzungen als Neuling vor gut zwei Jahren als „Theater“. Damals konnte ich ihm nicht folgen. Heute möchte ich dies als Mitglied einer regierungstragenden Fraktion entschieden von mir weisen. Im dritten Jahr der Haushaltseinbringung und -verabschiedung nun habe ich verstanden, was er meinte; denn unsere Opposition hier im Hohen Haus versteht die Haushaltsberatungen anscheinend mehr als Schauspiel bzw. Theater. Ich vermisse hier tatsächlich – das hat der vorherige Beitrag gezeigt – eine sachliche Auseinandersetzung mit den zukünftigen Herausforderungen, vor denen unsere Schulen stehen.

Auf der einen Seite würdigen Sie im Ausschuss die deutliche Erhöhung des Bildungsetats – auch eben noch –, sagen aber auf der anderen Seite, dass Visionen, die richtigen Weichenstellungen und vor allem Investitionen fehlen. Das ist mitnichten so. Rot-Grün spricht immer sehr staatstragend, vor allem der Kollege Ott, vom gemeinsamen Vorgehen, von gemeinsamen Anträgen.

(Jochen Ott [SPD]: Da sehen Sie mal, wie staatstragend ich bin!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen 2022 wiedergewählt werden. Das schaffen wir nicht mit Ihren Ideen der Schulpolitik. Eigentlich müsste Ihnen das Jahr 2017 noch sehr präsent sein.

In der Sache, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, sollten Sie sich doch endlich mal ehrlich machen. Wie bewerten Sie denn Ihre gemeinsame Regierungszeit?

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Frau Voigt-Küppers und Herr Ott betonen häufig, dass man Fehler gemacht habe, dass man heute vieles anders machen würde. Man hörte schon, dass es ein Fehler gewesen sei, den Grünen das Feld der Bildung zu überlassen.

Von Frau Beer hingegen hören wir bis zum heutigen Tag kein Wort in diese Richtung, ganz im Gegenteil. Jede noch so gescheiterte Maßnahme der Vergangenheit – nennen möchte ich zum Beispiel das Ausbleiben der Lehrkräfteprognose – wird in langen Ausführungen entschuldigt und schöngeredet,

(Josefine Paul [GRÜNE]: Wir reden über den Haushalt 2020!)

und das sogar, obwohl selbst die frühere Bildungsministerin, Frau Löhrmann, längst Fehler im Bereich der Inklusion eingestanden und sich dafür entschuldigt hat.

Das ist nicht unser Politikverständnis. Wir sprechen Dinge klar an, sagen, was aktuell möglich ist und wofür wir noch Zeit benötigen, auch wenn bereits deutliche Erfolge festzustellen sind, zum Beispiel bei der Gewinnung zusätzlicher Lehrkräfte.

Ich zeige Ihnen anhand von fünf Punkten die Grundausrichtung des Bildungshaushaltes auf.

Erstens: mehr Investitionen. In den Jahren 2012 bis 2014 stieg der Bildungsetat insgesamt um rund 1,3 Milliarden Euro, in den Folgejahren 2015 bis 2017 um 1,6 Milliarden Euro. In der Zeit von 2018 bis 2020, nach der Regierungsübernahme, stieg er um insgesamt 2 Milliarden Euro. Um im Bild der Schule zu bleiben: Hier kann jede Grundschülerin, jeder Grundschüler erkennen, wer mehr in die Bildung investiert. Die NRW-Koalition investiert 25 % des Gesamthaushaltes in die Bildung.

(Marc Herter [SPD]: Das war früher ganz anders!)

Wir erhöhen die Schul- und Bildungspauschale im Haushalt 2020 um weitere 17 Millionen Euro auf insgesamt 676 Millionen Euro. Diese steht den Schulträgern zur Verfügung, um an den Schulen Investitionen zu tätigen, übrigens auch im Bereich der Digitalisierung.

Zweitens: mehr Mittel für eine bessere Inklusion an allgemeinbildenden Schulen und für Qualitätserhalt an unseren Förderschulen. Ja, es stimmt, wir haben umgesteuert. Ja, wir haben den Schulen die Möglichkeit gegeben, sich klar zur Inklusion zu bekennen, und unseren hervorragenden Förderschulen neue Perspektiven eröffnet. Die zentrale Veranschlagung von insgesamt fast 6.800 Planstellen für die Neuausrichtung in den nächsten Jahren schlägt auch in diesem Jahr mit 840 Stellen zu Buche. Dazu kommen weitere 200 Tarifstellen für multiprofessionelle Teams in der Sekundarstufe I.

Ich möchte die Chance wahrnehmen, mit Erlaubnis der Präsidentin Hubert Hüppe, den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, zu zitieren: „Wer Inklusion will, sucht Wege, wer sie verhindern will, sucht Begründungen.“ Ich nehme für uns in Anspruch, dass wir jeden Tag Wege suchen, um die Inklusion in unseren Schulen zu verbessern. Deshalb auch der Appell an Sie: Hören Sie auf, uns zu unterstellen, wir wollten die Inklusion nicht. Das ist unredlich und falsch.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Drittens. Wir stärken den offenen Ganztag. Wir verbinden den Ausbau um weitere 6.570 Plätze mit einer weiteren Erhöhung der Landesmittel um 3 % auf nunmehr 954 Euro bei einfacher Förderung und 1.720 Euro bei erhöhter Förderung. Damit stieg der Fördersatz seit 2018 um ganze 23 %. – Liebe Frau Voigt-Küppers, dass das nicht nichts ist, können die Kommunen und die Träger vor Ort spüren. Das hat deutlich zu einer Verbesserung geführt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die haushalterischen Voraussetzungen für die Erhöhungen zugunsten der Träger sind unsererseits landesseitig geschaffen worden. Wir sehen aber die kommunale Familie in der Verantwortung, in der Pflicht, diese Mittel auch für die Erhöhung der Kindpauschalen in den Gemeinden und Städten zu nutzen. Insgesamt stehen in NRW damit zum Jahr 2020 330.000 Plätze zur Verfügung.

Viertens: mehr Stellen und Lehrkräfte für beste Bildung in unserem Land. – Ja, auch wir wissen, liebe Frau Voigt-Küppers, dass eine Stelle noch keine Lehrkraft ist. Die Ursachen heute nochmals aufzuführen und den Blick in die Vergangenheit zu richten, ist unpassend, aber das würde ohnehin nur – der eine oder andere hat es schon angesprochen – die Verfehlungen der Vorgängerregierung darlegen.

Eine Bitte habe ich an die Grünen-Fraktion und vor allem an Frau Beer: Liebe Frau Beer, versuchen Sie Ihre Verfehlungen nicht immer zu entschuldigen bzw. den Sachverhalt schönzufärben, sondern sagen Sie doch einfach mal, dass zu wenig getan worden ist. Es fehlen jetzt die Lehrerinnen und Lehrer, weil Sie zu Ihrer Zeit keine ausreichenden Studienkapazitäten geschaffen haben. Aber nein, das können Sie nicht.

(Beifall von der CDU und der FDP – Frank Müller [SPD]: Sigrid, sag doch mal was!)

Wir handeln mit dem groß angelegten Ausbau weiterer Studienplätze in den Lehrämtern Grundschule und Sonderpädagogik. Wir schaffen 700 Plätze für das Lehramt der Primarstufe und 750 für den Bereich der Sonderpädagogik. Hier handeln wir, wie in vielen anderen Bereichen auch. – Ich finde es sehr schade, Frau Voigt-Küppers, dass Sie das nicht wahrnehmen und ernst nehmen.

Insgesamt sind seit der Regierungsübernahme 2017 über 3.000 Stellen für das Lehren an unseren Schulen geschaffen und auch ausfinanziert worden. Weitere folgen noch.

Die Bemühungen der Ministerin und des Hauses, mit dem jetzt vorliegenden, schon dritten Maßnahmenpaket jede weitere Möglichkeit auszuschöpfen, dem Lehrermangel zu begegnen, sind in der Geschichte Nordrhein-Westfalens einmalig. – Liebe Yvonne Gebauer, hierfür möchte ich mich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen herzlich bedanken. – Da kann man auch mal applaudieren.

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Regierung aus Koma erwacht! – Gegenruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass im Gegensatz zu vorherigen Regierungszeiten die tariflichen Erhöhungen im öffentlichen Dienst eins zu eins umgesetzt worden sind.

Fünftens. Wir stärken dort, wo die Herausforderungen besonders groß sind. Das Ministerium arbeitet zurzeit an einem Konzept für die sozial indizierte Personalplanung. Dies hat die Ministerin mehrfach erwähnt. Mit der Erhöhung der Stellen für multiprofessionelle Teams, aber auch mit der Ausweitung der Zahl der sozialpädagogischen Fachkräfte um den Faktor drei in den Grundschulen haben wir diese besonders gestärkt.

Mit dem Talentschulversuch haben wir 60 Schulen, die vor besonderen Herausforderungen stehen, mit einem Stellenaufschlag von 20 % unterstützt und auch den Fortbildungsetat erhöht. Wir sichern an Realschulen die Hauptausbildungsgänge, verbessern den Stellenanteil an Gesamtschulen von 44 auf 47 % und besetzen 50 neue Stellen für die Schulpsychologie in den regionalen Schulberatungsstellen. Wir schaffen Anreize für Kolleginnen und Kollegen, die sich auf Stellen bewerben, welche wiederholt nicht besetzt worden sind. All das stärkt Schulen in ihrem Umgang mit besonderen Herausforderungen.

Ich möchte zum Ende kommen. – Schon Berthold Beitz, ein deutscher Nachkriegsindustrieller, wusste – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „Man kann nicht heute Apfelbäume pflanzen und schon im nächsten Jahr die Früchte ernten.“ In diesem Sinne werden wir weiterhin Apfelbäume pflanzen in dem Wissen, dass sie Früchte tragen werden. Und im Sinne der aktuellen Klimadebatte werden wir damit auch noch etwas für den Umweltschutz tun.

(Frank Müller [SPD]: Wenn man die Bäume am falschen Platz pflanzt, dann bringt es nichts!)

Um beim Bild des „Theaters“ zu Beginn der Rede zu bleiben:

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Ich frage mich immer mehr, ob der Kollege ein Drama, eine Tragödie oder Comedy meinte. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rock. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Beer das Wort.

(Jochen Ott [SPD]: Immerhin haben Sie den Einsatz nicht verpasst! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Rock, Sie sagen: Sag doch mal, Frau Beer. Ich möchte sagen: Hör doch mal zu, Herr Kollege Rock. – Das wäre auch ganz gut.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Immerhin scheint es ein bisschen funktioniert zu haben; denn bisher lautete Ihre Legende immer, wir hätten in sieben Jahren nichts getan. Dazu muss ich leider sagen, dass wir etwas getan haben. Ich habe immer betont – das scheint noch nicht durchgesickert zu sein –, an manchen Stellen sei nicht genug getan worden. Dennoch haben wir etwas getan.

Wir haben die Lehrerausbildungsplätze um 1.100 Stellen aufgestockt. Wir haben sonderpädagogische Studienplätze geschaffen. Wir haben noch zuletzt 2015/2016 – schauen Sie auf die Seite des Wissenschaftsministeriums – in einer Sondervereinbarung die Masterplätze für das Grundschullehramt aufgestockt. Zugestanden, das waren auch zu wenig.

Aber die letzte Sondervereinbarung mit den Hochschulen stammt aus der vorherigen Legislaturperiode. Die Ankündigung neuer Studienplätze ist leider noch gar nicht mit Vereinbarungen mit den Hochschulen unterlegt, Herr Kollege Rock. Warten wir darauf, was dann kommt. Es ist trefflich, das anzukündigen, aber es ist überhaupt noch nicht unterlegt.

Wir werden auch noch darauf eingehen, wie die bisherigen Aufwüchse von den Hochschulen finanziert worden sind, nämlich wahrscheinlich aus Eigenmitteln. Lassen Sie uns darüber reden.

Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen: Es ist gut, dass die Aufstockungen im Bildungsbereich von der neuen Landesregierung fortgeführt worden sind.

(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Ich bin über jeden Cent dankbar – das sage ich auch zum wiederholten Male; ich hoffe, jetzt kommt es endlich an –, der im Schuletat aufgestockt wird. Aber auf bestimmte Dinge warten wir noch heute, und da bleiben Sie in Ihrem Regierungshandeln leider hinter den Erwartungen zurück.

Ein Thema haben wir heute noch gar nicht gehört – dazu will ich die Ministerin fragen –: Es geht um das Haushaltsjahr 2020. Wir haben ein Programm, mit dem Sie gern in den Kommunen hausieren gehen, das Sie vorher abwenden wollten und als Eingriff in kommunale Selbstverwaltung verteufelt haben. Das Programm „Gute Schule 2020“, aufgelegt von Rot-Grün, läuft 2020 aus. Was ist mit einer Fortführung? Dazu wollen die Kommunen etwas hören, dazu wollen die Schulen etwas hören. Kein Wort, keine Frage, bisher ein Stochern im Nebel.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] und von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Ich würde gern wissen, wie es dabei vorangeht. Ja, Sie stocken bei den Studienplätzen auf. Das ist richtig und gut so. Sie stocken auf im Bereich von Lehrerplätzen. Das ist richtig und gut so. Aber es kann nicht sein, dass die Mittel zu einem großen Anteil gar nicht ausgegeben werden.

Ich bleibe bei meinem Satz – das ist immer noch so –: Das größte Sparschwein des Finanzministers steht im Büro der Schulministerin.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] – Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: So ist es!)

Ich finde, das ist noch eine freundliche Beschreibung der Situation. Ich könnte es auch mit den Worten des VBE-Chefs in NRW, Stefan Behlau, sagen, der im Editorial der Ausgabe 11/2019 von „Schule heute“ sagt – ich zitiere –:

„Auch die Tricksereien des Finanzministers, der den Etat des Schulministeriums stellenmäßig erhöht, damit eine überproportionale Steigerung des Bildungshaushalts suggeriert, wohlwissend, dass die meisten Stellen leerlaufen werden und somit seiner ‚schwarzen Null‘ und der sogenannten Haushaltskonsolidierung mehr dient als den Schulen in NRW, waren leider kein Thema.“

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Globale Minderausgaben!)

Das ist es einfach. Das ist eine zutreffende Zustandsbeschreibung.

Eines können wir immerhin feststellen: Die Ministerin gesteht mittlerweile öffentlich ein, dass es sehr wohl an der Bezahlung liegt, Stellen im Schulbereich zu besetzen. Das belegt ihr drittes Maßnahmenpaket. – Aber der Versuch, Frau Ministerin, temporär Gehälter zu erhöhen, wird sich in der Frage des Lehrermangels nicht als Durchbruch erweisen.

(Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Keine Erhöhung!)

Das hat auch in anderen Bundesländern nicht durchschlagend funktioniert, das bringt keine neuen Lehrkräfte. Außerdem – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – fällt die Laufzeit dieser temporären Maßnahme dann mit dem Ende Ihrer Regierungszeit zusammen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Verrückt!)

Ja, Sie führen die Maßnahmen fort, die schon in der letzten Legislaturperiode begonnen wurden, und bauen sie – das ist richtig – weiter aus: Pensionärinnen gewinnen, Einsatz von Sek.-II-Lehramtsab-solventinnen. Aber die notwendige Besoldungserhöhung auf A13 für die Grundschul- und Sek.-I-Lehrkräfte bleibt immer noch aus.

Was Sie mit Ihrer temporären Prämie bewirken werden, ist vor allen Dingen Frust und Ärger in den Schulen und bei den Grundschullehrkräften, die schon jahrelang in herausfordernden Lagen engagierte und herausragende Arbeit leisten.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])

Jetzt bekommen diejenigen, die sich an solche Standorte begeben, die Zulage, Sie tun aber nichts für die Bestandslehrkräfte. Deswegen ist das Problem nicht gelöst.

Ich sage: Gehen Sie doch endlich auf unseren Vorschlag ein, einen Stufenplan zu machen. Ich habe immer von einem realistischen Szenario gesprochen. Wir müssen zu einer Vereinbarung mit den Lehrerverbänden kommen, das muss endlich auf den Weg gebracht werden. Darauf warten die Lehrerverbände, die Grundschullehrkräfte und die Sek.-I-Lehrkräfte bis heute.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Genau vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle schon einen Vorschlag für einen Grundschulpakt gemacht. Mehr als 22.000 Lehrkräfte arbeiten in Teilzeit. Wir müssen uns darüber unterhalten, was wir tun können, um Teilzeitkräfte mehr in die Schule zu holen, sie zur Aufstockung von Stunden zu bewegen.

Schmieden Sie kommunale Bündnisse mit den Schulträgern, um Kitaplätze in der Nähe der Schulen bereitzustellen. Bieten Sie da die Besoldungserhöhung sofort an. Schaffen Sie Entlastungen für Lehrkräfte an herausfordernden Standorten mit Absenkung der Unterrichtsverpflichtung und Verwaltungsentlastung.

(Marc Herter [SPD]: Genau!)

Das schafft systematisch und systemisch die nötigen Anreize

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] – Vereinzelt Beifall von der SPD)

und nicht das, was Sie mit kleinen Maßnahmen wie bei einem Flickenteppich zusammenschustern. Es wäre ein Ansatz mit Breitenwirkung. Klotzen statt kleckern – das ist in diesem Fall wirklich notwendig. Aber ich glaube, auch dazu hat die Landesregierung keine Kraft.

Wann nehmen Sie Ihre Regierungsverantwortung endlich wahr? Ich nehme nicht wahr, dass die regierungstragenden Fraktionen gestalten.

(Jochen Ott [SPD]: Ein Antrag in drei Jahren!)

Sie lösen die Frage der Sek.-II-Lehrkräfte in den Grundschulen nicht, wenn Sie nicht die A13-Lösung herbeiführen. Dann verbleiben sie dort nicht. Da können Sie noch alle möglichen Dinge auf den Weg bringen, auch das, was das 15. Schulrechtsänderungsgesetz anbietet, das wird nicht gelingen.

Der Staatssekretär hat die Ausrollung von LOGINEO angekündigt. Ich hoffe, dass das jetzt nach den Wehen, die damit verbunden waren, gut läuft und für die Schulen tatsächlich etwas bringt. Aber das Ausrollen zu verkünden und sich gleichzeitig wieder einmal vor der Frage zu drücken, was das für die Standards der digitalen Ausstattung mit Endgeräten für die Lehrkräfte heißt, das funktioniert nicht.

Den Schwarzen Peter an die Schulträger zu schieben, die dann entscheiden, ob sie 20 % der Mittel in digitale Endgeräte für Lehrkräfte oder in die Ausstattung von Lerngruppen investieren, ist auch nicht der richtige Weg. Den Schwarzen Peter haben die Schulträger. Sie schieben wieder einmal Verantwortung von sich.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])

Im Gegensatz zu den Tönen des Kollegen Witzel heute früh hat sich die Situation in der Inklusion nicht verbessert.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Das hat die Tagung der Eltern der Gesamtschulen und Sekundarschulen in NRW am vergangenen Samstag sehr deutlich gemacht. Das war nur ein Spotlight. 20 % der Schulen haben geantwortet, und diese 20 % haben gesagt, sie kämen mit den Ressourcen nicht klar, die angekündigten Ressourcen seien nicht da.

Aber ich will mich noch sehr positiv äußern und mich dafür bedanken, dass zumindest eine Frage am letzten Samstag abgeräumt worden ist: Der „Holweide-Erlass“ ist nicht mehr strittig. Er soll bestehen bleiben, wie der Staatssekretär verkündet hat. Das ist gut.

Allerdings haben wir an einer anderen Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen die nächste Baustelle. An der vierten Aachener Gesamtschule soll nämlich auch die pädagogische Freiheit eingeschränkt werden – ausgerechnet bei einem Modell des außerschulischen Lernens, das an einer anderen Schule in Nordrhein-Westfalen, nämlich an der Matthias-Claudius-Schule in Bochum, mit dem Jakob Muth-Preis ausgezeichnet worden ist. Die Bochumer Schule hat sich dieses Modell der Herausforderung des Lernens außerhalb der Schule übrigens ausgerechnet von der vierten Aachener Gesamtschule abgeguckt.

Ich bitte darum, dass die pädagogische Freiheit auch der Aachener Gesamtschule und vieler anderer Schulen erhalten bleibt. Das ist richtig. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Wir werden dazu auch einen Ausschussbericht anfordern, damit wir in der nächsten Woche darüber sprechen können.

Ich will an dieser Stelle noch einmal betonen: Ja, es kann gerne Kooperationen geben. Ich bin sehr dafür, dass wir gemeinsam daran arbeiten, sodass die langen Linien über Legislaturen hinaus gemeinsam getragen werden. Das betrifft die Frage von Ausbildungsplätzen und die Frage von weiterem Aufwuchs im System, aber auch die Frage der verlässlichen Maßnahmen gegen den Lehrermangel und die Frage der Besoldungserhöhung, die jetzt endlich gelöst werden sollten und auf die Sie heute und im kommenden Haushalt wieder keine Antwort gegeben haben. Das ist die große Enttäuschung in den Schulen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Beer. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP Frau Kollegin Müller-Rech das Wort. Bitte sehr.

Franziska Müller-Rech (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Einzelplan 05, der den Bereich Schule und Bildung beinhaltet, ist auch für das kommende Jahr vom Volumen her mit knapp 20 Milliarden Euro der größte Einzelplan des Gesamthaushalts in Nordrhein-Westfalen.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das ist keine Besonderheit!)

– Ich komme noch zu der Besonderheit, Frau Kollegin; keine Sorge. Ein bisschen Geduld ist hier angemessen, glaube ich. – Während der Gesamthaushalt im Vergleich zu 2019 um 2,5 % steigt, steigt der Schulhaushalt nämlich um 6,5 %, also überproportional. Das ist eine besonders gute Nachricht für unsere Schülerinnen und Schüler sowie alle Lehrkräfte und anderen Menschen, die im Lebensraum Schule unterwegs sind.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Mit diesem Haushalt zeigt die Landesregierung wieder einmal deutlich, wie hartnäckig und entschieden wir weiter unser Ziel verfolgen, das Land NRW im Bildungsbereich wieder an die Tabellenspitze zu bringen.

Dabei ist nicht nur, Frau Kollegin Voigt-Küppers, der Wille erkennbar, sondern es ist auch erkennbar, dass wir auf einem guten Weg sind. Wir alle sind viel im Land unterwegs. In den Schulen, bei denen ich zu Gast bin, wird mir signalisiert, dass die schwarz-gelbe Landesregierung bereits viel erreicht hat, sich eine deutliche Trendwende im Bildungsbereich erkennen lässt und der positive Richtungswechsel spürbar ist.

Natürlich – daraus mache ich auch keinen Hehl – bleibt noch viel zu tun, was allerdings auch an dem schwierigen Erbe liegt, das uns hinterlassen wurde. Aber wir kommen jeden Tag ein Stück weiter – und das, ohne neue Schulden zu machen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte heute vier Punkte hervorheben, die uns Freien Demokraten im Haushaltsplan für 2020 besonders wichtig sind.

Ich beginne – erstens – mit den Personalausgaben, dem größten Teil. Mit dem Haushalt 2020 stellen wir nahezu 950 zusätzliche Stellen bereit. Darüber hinaus werden 324 kw-Vermerke gestrichen und das Budget für die Fortführung dieser Stellen bereitgestellt, damit diese auch dauerhaft gesichert werden. Damit hat die schwarz-gelbe Landesregierung seit 2018 mehr als 6.300 kw-Vermerke gestrichen. Das ist ein weiterer wichtiger Schritt, um dem Personalmangel an unseren Schulen langfristig entgegenzuwirken.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich komme zu meinem zweiten Punkt, der Inklusion. Wir wissen alle, dass die schulische Inklusion so, wie sie von unseren Vorgängern umgesetzt wurde, mitunter unser größtes und schwierigstes Erbe ist. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass die Inklusion an den NRW-Schulen von allen Beteiligten nicht mehr als Belastung, sondern als gesellschaftlicher Erfolg empfunden wird. Auch hier sind wir auf einem guten, richtigen Weg, den wir konsequent Schritt für Schritt weitergehen werden.

Dabei sind drei wichtige Punkte die Bündelung der Ressourcen, verbindliche Qualitätsstandards und die bessere Ausstattung der Schulen des Gemeinsamen Lernens.

Im Haushalt 2020 stellen wir insgesamt 10.197 Stellen für die Schulen des Gemeinsamen Lernens der Sekundarstufe I bereit. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein weiteres Plus von 840 Stellen, von denen 640 Planstellen und 200 Tarifstellen für multiprofessionelle Teams sind.

Wie Sie sehen, lassen wir unseren Worten Taten folgen und führen die notwendigen Korrekturen zur besseren Organisation der Inklusion konsequent fort.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Mein dritter Punkt ist der Offene Ganztag. Ich möchte für die Freien Demokraten und für die NRW-Koalition an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit betonen, dass die OGS keine staatliche Verwahranstalt ist.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das hat auch keiner gesagt!)

Die OGS ist nicht nur ein wichtiger Faktor, wenn wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern wollen, sondern auch aus sozialer Sicht ein enorm wichtiges Bildungsangebot – und das nicht nur in den Stadtteilen mit den großen sozialen Herausforderungen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Wohl wahr!)

Klar formuliert: Der Offene Ganztag ist unabdingbarer Bestandteil unseres Bildungssystems.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das stellt keiner infrage!)

Ein erster und wichtiger Schritt war die Flexibilisierung der Teilnahmeregelung. Ministerin Gebauer hat mit einem Erlass zu Beginn ihrer Amtszeit diese Frage befriedet und zur Zufriedenheit von Eltern und Trägern geregelt.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das höre ich anders!)

Jetzt geht es Schritt für Schritt um die Sicherung und Steigerung der Qualität des Angebots und natürlich den weiteren Ausbau der OGS-Plätze.

Im Haushalt 2020 finden wir die Qualitätssteigerung wieder mit fast 564 Millionen Euro. Das ist ein Plus von rund 17 Millionen. So haben wir den Fördersatz von 926 auf 954 Euro angehoben und für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf von 1.670 auf 1.720 Euro erhöht.

Zudem ist es uns gelungen, zusammen mit den Kommunen die Anzahl der Plätze auszubauen, sodass wir ab dem kommenden Schuljahr 2020/2021 mit der Rekordzahl von 329.670 Plätzen im Land planen. Das sind 22.000 Plätze mehr als noch im Jahr 2017.

Liebe Kollegin Frau Voigt-Küppers, ich muss Ihnen widersprechen: Das ist eindeutig nicht nutzlos.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Abschließend komme ich zu dem vierten Punkt. Er ist vielleicht im Haushalt etwas kleiner, aber liegt mir persönlich sehr am Herzen. Das sind die Gedenkstättenfahrten. Die politische Bildung und das Bewusstsein für die deutsche Geschichte sind ein wichtiger Faktor der Allgemeinbildung. Schulfahrten zu Gedenkstätten insbesondere der nationalsozialistischen politischen Gewaltherrschaft im Inland und im europäischen Ausland möchten wir verstetigen. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass diese Fahrten verstärkt auch zu Gedenkorten des DDR-Unrechts stattfinden können.

Bereits im Haushalt 2019 haben die regierungstragenden Fraktionen den Mittelansatz von 250.000 Euro auf 500.000 Euro verdoppelt. Mit dem Haushalt 2020 verdoppeln wir die Mittel erneut, weil das Angebot von den Schulen erfreulicherweise so gut angenommen wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich freue mich sehr darüber, dass dieser Haushaltspunkt auch auf breite Unterstützung der Oppositionsfraktionen stößt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit komme ich auch schon zum Schluss. Mit Investitionen in Bildung erfüllen wir Politiker den Auftrag, für den wir gewählt wurden. Wir schaffen und sichern Chancen für das Beste, das unsere Gesellschaft zu bieten hat – und das ist unser Nachwuchs.

Die NRW-Koalition und die Landesregierung aus CDU und FDP haben sich genau aus diesem Grund hohe Ziele gesetzt, auf die wir auch in den kommenden Jahren zusammen hinarbeiten werden. Mit dem vorgelegten Haushaltsplan für das Jahr 2020 investieren wir in weltbeste Bildung. Dafür bedanke ich mich auch herzlich bei Ministerin Gebauer und dem ganzen Team im Ministerium für Schule und Bildung, das an diesem Haushaltsentwurf gearbeitet hat. Wir gehen zusammen den richtigen Weg. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Müller-Rech. – Jetzt spricht Herr Seifen für die AfD-Fraktion.

Helmut Seifen (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 05 – Schule und Bildung – umfasst mit fast 20 Milliarden Euro den größten Einzelposten im Haushalt des Landes NRW und liegt weit vor den anderen Einzelplänen. Wenn wir noch den Ansatz des Einzelplans 06 – Kultur und Wissenschaft – mit 9,5 Milliarden Euro dazunehmen, müssen wir feststellen, dass das Land NRW immerhin 29,5 Milliarden Euro für den Bereich Bildung, Wissenschaft und Kultur aufwendet, also knapp 37 % des Gesamthaushaltes.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Dann können Sie auch noch die Kitas dazunehmen!)

Das ist eine stolze Summe. Aber das Geld sollte uns nicht reuen, wenn wir bedenken, dass Investitionen in die Bildung der Kinder und Jugendlichen von entscheidender Bedeutung für die Wohlfahrt eines Gemeinwesens, seine Wirtschaftskraft, die materielle Absicherung seiner Bewohner sowie die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Leben sind.

Eine gebildete Bevölkerung ist die Voraussetzung für einen hochwertigen wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und geistigen Zustand des jeweiligen Gemeinwesens. Unterentwickelte Staaten haben durchweg ein dysfunktionales Bildungssystem. Der ungeheure Wohlstand in Mitteleuropa, speziell in Deutschland, konnte nur von einer Bevölkerung erwirtschaftet werden, in der bis in die Arbeiterschaft hinein bestimmte Bildungsstandards vorzufinden waren.

Wenn man die finanziellen Aufwendungen des Einzelplans 05 betrachtet, könnte man der schwarz-gelben Regierung also nur voller Hochachtung zugestehen, dass sie scheinbar begriffen hat, wie wichtig Bildung ist und dass ohne Bildung die Zukunft eines Landes nicht zu gestalten ist. Damit wäre diese neue schwarz-gelbe Regierung schon einmal ein ganzes Stückchen weiter als die Vorgängerregierung von Rot-Grün, die gewissenlos den Bildungsbereich vernachlässigt hat.

Ach, es wäre doch so schön, wenn das alles wahr wäre! Aber nur für den oberflächlichen Betrachter ergibt sich das Bild einer treusorgenden Ministerin und eines einsichtigen Landeskabinetts. Denn schaut man sich den Haushalt des Einzelplans 05 genauer an, stellt man fest, dass die schlimmsten Schäden, welche durch die katastrophale Politik der Vorgängerregierung verursacht worden sind, nur ansatzweise beseitigt werden.

Ihre Reparaturen, sehr geehrte Frau Gebauer, bedeuten letztlich nur Flickschusterei. Sie haben nicht verstanden oder wollen einfach nicht akzeptieren, dass die Schulmisere, die Sie angetroffen haben, nicht durch einzelne Fehlentscheidungen verursacht worden ist, sondern durch eine grundsätzlich falsche Zielsetzung der Schulpolitik, durch eine gewissenlose Zerstörung bewährter institutioneller, fachlicher und erzieherischer Strukturen, kurz gesagt, durch eine sozialistische Politik der Gleichmacherei und der Leistungsfeindlichkeit.

Aber Sie unternehmen hier nichts, um umzusteuern, sondern setzen den alten Weg der rot-grünen Schulphantasten fort. Sie müssten dringend auf die nachlassende Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler reagieren. Wenn NRW in den verschiedenen Leistungstests der Schülerschaft in fast allen Bereichen auf den unteren Plätzen landet, müsste es Ihre vornehmste Sorge sein, Frau Gebauer, dagegen Maßnahmen einzuleiten.

Immerhin gestehe ich Ihnen zu, dass Sie sorgenvoll schauen – im Gegensatz zum Kollegen Ott, der sich über diesen Leistungsabfall noch lustig macht. Aber anstatt die Übel der alten Regierung zu beseitigen, führen Sie die Tradition der sozialistischen Bildungspolitik fort, die überall, wo sie ihre zerstörerische Wirkung entfalten kann, das Schulwesen des jeweiligen Bundeslandes ruiniert.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Schauen Sie doch einfach einmal nach Bremen, Herr Müller. Bayern und Baden-Württemberg haben jetzt die Notbremse gezogen und den Nationalen Bildungsrat verlassen. Warum wohl? Sie haben bemerkt, dass eine Zusammenarbeit mit den Sozialisten von SPD und Grünen in der Bildungspolitik immer zulasten der Qualität und immer zulasten des Wohls von Lehrern und Schülern geht.

Sie aber, Frau Ministerin – so ist zumindest mein Eindruck –, hängen immer noch dem Schulkonsens von 2010 an, der es der SPD und den Grünen ermöglicht hat, das Bildungssystem in NRW an die Wand zu fahren.

(Michael Hübner [SPD]: Frau Gebauer war schon immer Sozialistin! – Weitere Zurufe von der SPD)

So sorgen Sie, Frau Ministerin, höchstpersönlich dafür, dass die bedeutendste Herzensangelegenheit von Frau Löhrmann, das Landesinstitut QUA-LiS NRW, die notwendige finanzielle Aufmerksamkeit erhält, die Frau Löhrmann und Frau Beer sich gewünscht hätten.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

– Herr Ott, ich hoffe, die Bevölkerung nimmt wirklich zur Kenntnis, dass Sie sich über all diese Schandtaten, die Ihre Partei zusammen mit den Grünen zu verantworten hat, lustig machen und dass Ihnen das Wohl der Kinder und der Lehrer wirklich – an wem, sage ich jetzt nicht – vorbeigeht.

(Beifall von der AfD)

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich finde es eine Chuzpe, hier so zu sitzen und sich über das zu amüsieren, was an den Schulen passiert. Gehen Sie doch einmal in die Schulen hinein! Dort haben die Lehrerinnen und Lehrer wirklich zu kämpfen. Und Sie sitzen hier und grinsen frech vor sich hin.

(Michael Hübner [SPD]: Gut, dass Sie da nicht mehr tätig sind! – Jochen Ott [SPD]: Das ist eine Unverschämtheit! Darüber muss man lachen!)

Im Haushaltsplan 2020 der schwarz-gelben Landesregierung erleben wir einen weiteren Zuwachs der Mittel für QUA-Lis NRW. Mittlerweile belastet das Landesinstitut den Haushalt mit rund 14,5 Millionen Euro. Das ist eine Erhöhung um fast 1 Million Euro gegenüber dem vergangenen Haushaltsjahr. Seit der neuen Amtsperiode der schwarz-gelben Landesregierung sind Mehrausgaben in Höhe von 4 Millionen Euro für das entsprechende Kapitel zu verzeichnen.

Dieses Landesinstitut betreibt zum Beispiel das rot-grüne Projekt des offenen Unterrichts in Form des Gemeinsamen Lernens, der kybernetischen Mess-operation von Unterricht und der Marginalisierung der Lehrerrolle weiter. Hier müsste dringend umgesteuert werden, anstatt das alte Handwerk sozialistischer Unterrichtsmethodik weiterführen zu lassen.

Eine personelle Entschlackung des Instituts käme auch der Personalversorgung zugute. Gerade in Zeiten der angespannten Situation auf dem Lehrermarkt ist jede mögliche Rückführung von Lehrkräften in den Schuldienst notwendig – insbesondere dann, wenn es sich um Schulleiter handelt.

Wir haben mittlerweile Dutzende Schulen ohne Chef. Über alle Schulformen hinweg sind 707 Chefsessel und 939 Vize-Posten vakant. Bei den allgemeinbildenden Schulformen haben Grund-, Haupt- und Realschulen besonders hohen Bedarf. Nun wollen Sie die Probleme nur mit Geld lösen. Das funktioniert so nicht.

Sie schaffen Talentschulen in NRW und sorgen dort für Unruhe. Hauptsache, der Name stimmt! Mittlerweile hat sich aber auch im Land herumgesprochen, dass „Talentschule“ ein Euphemismus für „Brennpunktschule“ ist. Das hilft in Wahrheit nicht den Kindern, sondern soll höchstens einen Anreiz für Lehrer darstellen, an diese Schule zu wechseln. Damit bringen Sie Unruhe in die Schulen, in denen sich Lehrerinnen und Lehrer seit Jahren bemühen und ihre Nerven aufreiben, um dort mit der Situation fertigzuwerden.

Ich sage Ihnen: Mit Geld alleine werden Sie die Zerstörung der rot-grünen Schulpolitik nicht beseitigen können. Sie müssen radikal umsteuern und das Schulwesen wieder auf bewährte institutionelle, organisatorische und unterrichtliche Instrumente stützen.

Dazu gehört in erster Linie die Stärkung des gegliederten Schulsystems mit der Schaffung von Lerngruppen, in denen zielgleich unterrichtet wird.

Sie haben einfach nicht den Mut gehabt, völlig umzusteuern und das völlig verrückte zieldifferente Unterrichten nicht mehr zu unterstützen. Sie müssen die Förderschulen stärken und das Experiment von zieldifferentem Unterricht beenden.

Sie aber setzen weiter Mittel für das unsinnige Inklusionsexperiment mit zieldifferenten Lerngruppen ein. Darüber hinaus sehen Sie im Haushalt auch Mittel für den Modellversuch „Längeres Gemeinsames Lernen“ vor.

(Michael Hübner [SPD]: Die Sozialisten haben dafür gesorgt, dass er Schulleiter wird!)

Merken Sie sich das, Frau Gebauer: Diese Form des Unterrichtens ist einfach gescheitert.

Fragen Sie einmal diejenigen, die bei der Beratung 2008/2009 – da war es auch eine schwarz-gelbe Regierung – im Hintergrund mit beraten haben. Alle Experten haben damals davon abgeraten, zieldifferent zu unterrichten.

(Zuruf: Das ist einfach falsch!)

Es ist trotzdem gegen den Rat dieser Experten rücksichtslos durchgesetzt worden.

(Widerspruch von der SPD)

Hören Sie damit auf. Ich weiß, wovon ich rede – Sie nicht.

(Lachen von Jochen Ott [SPD] – Zuruf: Falsche Selbstwahrnehmung! – Weitere Zurufe)

Das verdeutlichen nicht nur die Testergebnisse der Schüler. Das offenbaren nicht nur die Studienabbrecherquoten. Das sagen auch die Studien aus, welche die Effizienz unterschiedlich zusammengesetzter Lerngruppen untersucht haben.

(Jochen Ott [SPD]: Wer Herrn Witzel als Sozialisten beschimpft, hat keine Ahnung!)

Und vor allem: Das spiegelt auch das Verhalten von immer mehr Eltern, die ihre Kinder an Privatschulen anmelden, um der Unordnung zu entgehen, die es zumindest partiell an den öffentlichen Schulen gibt.

Im vergangenen Schuljahr haben über 1 Million Schülerinnen und Schüler eine Schule in freier Trägerschaft besucht. Damit wurde zum ersten Mal die Millionenschwelle überschritten – so der Verband Deutscher Privatschulen NRW.

Das ist eine Entwicklung, die wir nicht gutheißen. Wir wollen ein gut funktionierendes öffentliches Schulwesen haben.

Ihre neueste Idee zur Attraktivitätssteigerung des Lehrerberufs wird ebenfalls schnell verpuffen und birgt ein gewaltiges Spaltungspotenzial. Was die Lehrerinnen und Lehrer anderer Schulstufen stört, ist nicht das niedrige Gehalt; es sind die unsäglichen Arbeitsbedingungen, die durch die Politik der vergangenen 20 Jahre erst geschaffen worden sind und die von dieser schwarz-gelben Landesregierung aus Gründen der falsch verstandenen Toleranz nicht angepackt werden.

Ich sage Ihnen: Mit diesem Haushalt in diesem Einzelplan werden Sie keine grundlegende Änderung herbeiführen. Sie müssen weitere Operationen durchführen, damit das, was unter Rot-Grün schiefgelaufen ist, wieder einigermaßen gerade gerichtet werden kann. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Seifen. – Jetzt spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Gebauer.

(Michael Hübner [SPD]: Die Sozialistin von der FDP! – Gegenruf: Tun Sie den Sozialisten kein Unrecht! – Heiterkeit von der CDU, der SPD und der FDP – Weitere Zurufe – Helmut Seifen [AfD]: Lachen Sie ruhig alle!)

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben bereits einiges zum Einzelplan 05 gesagt. Ich könnte jetzt auf vieles eingehen. Aber lassen Sie mich nur einige Aspekte nennen.

Lieber Herr Seifen, Sie haben gesagt, dass Sie wissen, wovon Sie reden. Dem muss ich leider widersprechen – und nicht nur beim Thema „Inklusion“.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ganz kurz für Sie als Information in Sachen Bildungspolitik: Es war die FDP, die dem Schulkonsens nicht zugestimmt hat. Das sollten Sie vielleicht wissen.

(Helmut Seifen [AfD]: Danke schön! Das ehrt Sie! Es tut mir leid!)

Meine Damen und Herren, Fakt ist, dass wir heute über den größten Schuletat beraten, den es jemals in der Geschichte unseres Landes gegeben hat. Insgesamt beträgt die Summe des Einzelplan 05 knapp 20 Milliarden Euro. Das sind über 1,2 Milliarden Euro mehr als im vorangegangenen Jahr, was einer Steigerung um 6,56 % entspricht.

Die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen hat oberste Priorität. Diese beste Bildung braucht auch optimale Rahmenbedingungen. Daran arbeiten wir als Landesregierung, daran arbeite ich als zuständige Schul- und Bildungsministerin jeden Tag unter Hochdruck.

Wir schaffen zur Umsetzung unserer bildungspolitischen Ziele 889 neue Stellen im Schulbereich. Wir streichen, wie versprochen, die letzten 310 kw-Vermerke der Vorgängerregierung im Lehrerstellenhaushalt. Wir tun also genau das, was wir auch angekündigt haben.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dieser dritte Haushalt, den die NRW-Koalition vorlegt, ist Anlass genug für eine kurze Zwischenbilanz. Im Vergleich zum letzten Haushalt der Vorgängerregierung im Jahre 2017 investieren wir zusätzlich über 2,2 Milliarden Euro in die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen.

Wir haben seit 2017 über 6.000 kw-Vermerke gestrichen und über 3.100 neue Lehrerstellen geschaffen. Wenn Sie hier vom „Sparschwein MSB“ des Finanzministers reden, muss ich Ihnen sagen: Es ist das Sparschwein von Rot-Grün gewesen, diese Stellen kw zu setzen. Diese Stellen wären alle verloren gegangen, wenn wir die kw-Vermerke nicht gestrichen hätten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Für die Inklusion geben wir im Vergleich zu dem Jahr 2017 über 2.700 zusätzliche Stellen in unsere Schulen. Bis zum Schuljahr 2023/2024 werden es weit über 6.000 zusätzliche Stellen sein, die wir für das gemeinsame Lernen bei uns in Nordrhein-Westfalen schaffen. Sie sehen: Auch hier halten wir Wort.

Mit dem Haushaltsentwurf 2020 stellen wir 840 weitere Stellen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Inklusion bereit. So schaffen wir die notwendigen Bedingungen für eine qualitative Verbesserung der Inklusion.

Ein weiterer Bereich, den ich ansprechen möchte, ist die Offene Ganztagsschule. Wir investieren seit dem Jahr 2017 fast 110 Millionen Euro zusätzlich in die Offene Ganztagsschule. Über die Fördersätze hat Herr Kollege Rock bereits berichtet, über die Anzahl der Gesamtplätze Frau Kollegin Müller-Rech. Wir haben die Platzzahl um weit mehr als 22.000 erhöht. Alle beantragten Plätze sind seitens der Landesregierung auch genehmigt worden.

Alle diese großen Zahlen zeigen, wie wichtig dieser Landesregierung die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen ist.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der FDP – Christian Dahm [SPD]: Wahnsinn, ihr könnt ja klatschen!)

Meine Damen und Herren, es ist mir ein großes Anliegen, die Versorgung der Schulen mit Schulpsychologinnen und Schulpsychologen stetig zu verbessern. Denn das ist eine Maßnahme, mit der wir auf die stetig wachsenden Herausforderungen unserer Gesellschaft, die sich auch in unseren Schulen widerspiegeln, reagieren und reagieren müssen. Darum haben wir die Zahl der Stellen für die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen um weitere 50 erhöht.

Ein Thema, das auch schon angesprochen wurde, ist die Erinnerungskultur. Sie alle kennen den Satz: Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. – Wir brauchen gerade heute zeitgemäße Formen des Erinnerns, die die Schülerinnen und Schüler ansprechen und ihnen Berührungspunkte zur Gegenwart verdeutlichen.

Um dieses Erinnern anschaulich zu gestalten, unterstützen wir die Gedenkstättenfahrten finanziell. Ich darf Ihnen sagen, dass die Resonanz der Schulen überwältigend groß ist. Mit diesem Haushalt 2020 stellen wir unseren Schulen 1 Million Euro zur Verfügung. Das sind noch einmal 500.000 Euro mehr als im Jahr 2019. Unter Rot-Grün gab es dafür übrigens keinen einzigen Cent. Wir hingegen sehen 1 Million Euro für die Gedenkstättenfahrten vor.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, beste Bildung können wir nur ermöglichen, wenn wir die Personalversorgung unserer Schulen deutlich verbessern. Wir lassen nichts unversucht, um offene Stellen auch zu besetzen.

Dass unsere Schulen gegenwärtig, aber auch in den folgenden Jahren vor einer sehr schwierigen Situation stehen, ist hinreichend bekannt. Die Versäumnisse liegen aber in der Vergangenheit. In der Vergangenheit wurden die Lehrerbedarfe nicht kontinuierlich erfasst und die Studienkapazitäten nicht nach dem Bedarf ausgebaut. Die Grundschulen leiden unter dieser Nachlässigkeit, unter dieser Fahrlässigkeit enorm.

Wir stellen uns aber diesen Herausforderungen. Gemeinsam mit meiner Ministerkollegin, Frau Pfeiffer-Poensgen, und den Hochschulen haben wir die Studienkapazitäten dauerhaft erhöht – im Grundschullehramt um weitere 300 Bachelorstudienplätze und im Lehramt für Sonderpädagogik um noch einmal 500 Plätze.

Da die Gesamtschulen als Schulform hier schon einmal genannt worden sind, möchte ich gerne auch auf diese Schulform im Besonderen eingehen. Wir haben bereits mit dem Haushalt 2019 das Verhältnis von Sekundarstufe‑I-Stellen zu Sekundarstufe‑II-Stellen an den Gesamtschulen deutlich verbessert, nämlich von 44 auf 47 %. Ich bin froh und dankbar, dass wir diese Möglichkeit geschaffen haben, weil sie den Schulen enorm hilft. Das waren für das Haushaltsjahr 2019 über 600 Stellen. Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf 2020 können weitere 350 Einstellungsmöglichkeiten für Studienrätinnen und Studienräte an den Gesamtschulen hinzukommen. Das ist eine Maßnahme, mit der wir die Schulform Gesamtschule aktiv unterstützen.

Wenn es um Unterstützung geht, erinnere ich auch an das Dritte Maßnahmenpaket zur Gewinnung von Lehrkräften, das wir in der vergangenen Woche vorgelegt haben. Mit diesem Maßnahmenpaket nehmen wir nun ganz gezielt die Schulen in den Blick, die in Abhängigkeit von der Region, der Schulform oder auch der Fächerkombination ganz besonders große Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung haben.

Dafür nutzen wir konsequent die Spielräume, die uns das Besoldungsrecht bietet. Ab 2020 können diese Schulen bei Neueinstellungen von Lehrkräften mit entsprechender Lehramtsbefähigung – das ist wichtig – Zuschläge in Höhe von monatlich 350 Euro brutto befristet für zweieinhalb Jahre zahlen. Voraussetzung ist, dass es der Schule in den vergangenen zwölf Monaten nicht gelungen ist, im Listenverfahren, im Ausschreibungsverfahren oder im Versetzungsverfahren eine geeignete Bewerberin oder einen geeigneten Bewerber zu finden.

Meine Damen und Herren, das waren nur einige wenige Beispiele, die ich in der Kürze der Zeit aufzeigen konnte, wie wir den Haushaltsentwurf 2020 gestaltet haben. Die Gestaltung soll dazu dienen, dass wir die Schulen gezielt bei ihren zentralen Zukunftsaufgaben unterstützen werden. Das wird auch noch über den Haushalt 2020 hinaus erfolgen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Ministerin Gebauer. – Jetzt spricht Frau Hannen für die FDP-Fraktion.

Martina Hannen (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch im dritten Jahr in Folge setzen wir die Trendwende in der Bildungspolitik konsequent fort und verstetigen den dringend notwendigen Kurswechsel.

Davon profitieren natürlich nicht nur die allgemeinbildenden Schulen, sondern auch die berufliche Bildung und die Weiterbildung; denn eines sollte allen klar sein: Die berufliche Bildung mit all ihren Lehrkräften, Ausbilderinnen und Ausbildern und vor allem mit den Auszubildenden ist für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft von unschätzbarem Wert.

Viel zu lange hat man geglaubt, dieses deutsche Erfolgsmodell laufe von ganz alleine und bedürfe keiner besonderen Beachtung und Pflege – ein paar lobende Worte am Sonntag, ein paar Bestenehrungen, und schon läuft der Laden. Dies ist aber mitnichten so.

Wer auf die Praktiker in den Schulen und Betrieben hört, weiß schon länger, dass an vielen Stellschrauben nachjustiert werden muss und noch große Anstrengungen unternommen werden müssen, um das Erfolgsmodell der beruflichen Bildung und vor allem ihre Chancen und Potenziale langfristig zu sichern.

(Beifall von der FDP und Matthias Kerkhoff [CDU])

Die Jahre der Untätigkeit haben dazu geführt, dass die Herausforderungen nicht weniger und die Problemstellungen nicht einfacher geworden sind. Gut, dass diese Jahre vorbei sind und die NRW-Koalition sich dieses Thema gemeinsam mit unserer Landesregierung auf die Fahnen geschrieben hat und unter Hochdruck an umfassenden Verbesserungen und Weiterentwicklungen arbeitet.

Aktuell laufen die letzten Gespräche im Rahmen der „Agenda zur Stärkung der Beruflichen Bildung“. Nach der gemeinsamen Auswertung der Ergebnisse werden wir im kommenden Jahr die notwendigen Maßnahmen in einzelnen Handlungsfeldern umsetzen und die berufliche Bildung auf einen zukunftsfähigen Weg bringen.

Dazu gehört auch, dass wir die Berufsberatung an den Schulen stärken und die Übergangsbetreuung im Programm KAoA sicherstellen. Deshalb stellen wir mit dem Haushalt 2020 nahezu 750 Ausgleichsstellen für die Berufswegeplanung und zur Übergangsbetreuung von Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf bereit.

In diesem Bereich kümmern wir uns außerdem um Inklusion an den Berufskollegs und lassen die Kolleginnen und Kollegen mit den Herausforderungen der Inklusion am Berufskolleg nicht allein. Insgesamt stellen wir 427 Mehrbedarfsstellen zur Unterstützung des Inklusionsprozesses und für multiprofessionelle Teams zur Verfügung und stärken auch so das ganz wichtige Feld der beruflichen Bildung.

Auch beim Thema „Talentschulen“, das hier so häufig angesprochen wird, zeigt sich, dass die NRW-Koalition die Bedürfnisse der beruflichen Bildung ernst nimmt und die Leistungen, die tagtäglich in diesem Bereich an unseren Berufskollegs erbracht werden, zu schätzen weiß.

Für die 15 Berufskollegs stehen jeweils mindestens vier Stellen für die Talentschulprofile in den Bildungsgängen der Anlagen A und B zur Verfügung. Die NRW-Koalition hat aber nicht nur die Ausbildung zu Beginn der beruflichen Laufbahn im Blick, auch das Thema „Weiterbildung und lebenslanges Lernen“ finden im Haushalt 2020 ihren Ansatz.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Für diesen Bereich werden die Ansätze von 52,1 Millionen Euro um weitere 6 Millionen Euro erhöht, was ein wichtiges und gutes Signal für den Bereich der Weiterbildung ist.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Der Haushalt 2020 ist ein weiterer wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Im Sinne der beruflichen Bildung freue ich mich, freuen wir als NRW-Koalition uns darauf, die Beratungen im kommenden Jahr weiterzuführen sowie darauf, den Weg dann hoffentlich gemeinsam gehen zu können. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Hannen. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit schließe ich die Aussprache zu Einzelplan 05 – Ministerium für Schule und Bildung.

Vereinbarungsgemäß führen wir jetzt keine Abstimmung durch. Diese wird nach 14 Uhr nachgeholt.

Ich rufe auf:

     Einzelplan 02
Ministerpräsident

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8002

(Monika Düker [GRÜNE]: Der ist aber nicht da!)

– Er ist nicht da? Dennoch folgt, wie vorgesehen, der Einzelplan 02 – Ministerpräsident.

Wir beraten diesen Einzelplan in vier Unterpunkten von a bis d. Zunächst:

 

a) Staatskanzlei

(Der Ministerpräsident betritt den Saal.)

– Herr Ministerpräsident, das Haus hat magische Kräfte. Man rief, Sie seien nicht da, und schon sind Sie hier.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Weil Frau Düker ihn gerufen hat!)

Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Müller-Witt von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herrn! Es ist Aufgabe des Hauptausschusses, sich kritisch unter anderem mit dem Haushalt des Ministerpräsidenten zu befassen.

Neben dem Haushalt der Staatskanzlei im engeren Sinne gehören dazu auch der Bereich der Antisemitismusbeauftragten wie auch die im Einzelplan 02 budgetierten besonderen Bewilligungen für die Mittel für das bürgerschaftliche Engagement sowie die Mittel für die Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen. Ich möchte deshalb versuchen, nach Aufgabenschwerpunkten zu differenzieren.

Es ist auffällig, dass der Ministerpräsident und damit die Staatskanzlei anscheinend ein von Jahr zu Jahr proportional wachsendes Kommunikationsbedürfnis hat, und zwar je näher die nächste Landtagswahl rückt – oder vielleicht die Bundestagswahl? Dies drückt sich in den exponentiell wachsenden Ausgaben für Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit einerseits und dem diesbezüglichen personellen Aufwuchs andererseits aus – offensichtlich ganz nach dem Motto „be prepared“.

Ministerpräsident Laschet hat in seiner ersten Regierungserklärung „Maß und Mitte“ zum Motto seiner Amtszeit erhoben. Nehmen wir ihn beim Wort und bewerten den vorgelegten Haushaltsplanentwurf anhand seiner eigenen Messlatte: Zusätzlich 17 Stellen und ein Aufgabenaufwuchs im Einzelplan 02 in Höhe von 60,7 Millionen Euro sprechen für sich.

Gleichzeitig stellen wir fest, dass der Wunsch des Ministerpräsidenten nach repräsentativen Räumlichkeiten immer noch nicht zufriedengestellt wurde. Anders ist es nämlich nicht zu erklären, dass einerseits die Staatskanzlei mit einer beträchtlichen Summe hergerichtet werden soll und andererseits im Behrensbau, der für das neue Museum der Landesgeschichte genutzt werden soll, ebenfalls zusätzliche repräsentative Räumlichkeiten für den Ministerpräsidenten geplant sind. Diese weiteren Begehrlichkeiten tauchen allerdings nicht im Einzelplan 02 auf, da dort der BLB NRW nicht abgebildet wird. Aber: Ist das Maß und Mitte?

Zumindest eine Beschränkung im Bereich der ausufernden Ausgaben für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit könnte und sollte dazu führen, dass die Mittel an anderer Stelle für sinnvolle zusätzliche Aufgaben verwendet werden.

Seit dem vergangenen Jahr verfügt das Land Nordrhein-Westfalen über eine Antisemitismusbeauftragte, eine Funktion, die ehrenamtlich durch Frau Leutheusser-Schnarrenberger ausgeübt wird. Gleichwohl sind ein zahlenmäßig ausreichendes Team zur Bewältigung der stetig wachsenden Aufgaben wie auch genügend Sachmittel zwingend nötig.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Hier ist ein Vergleich mit anderen Beauftragten dieses Landes angebracht. So werden für den vom Kultusministerium bezahlten Vertriebenenbeauftragten und sein Team deutlich mehr Mittel bereitgestellt. Nicht zuletzt der antisemitistische Anschlag von Halle müsste auch den Letzten wachgerüttelt haben, um einzusehen, dass die Stelle der Antisemitismusbeauftragten leider eine bedeutende Stärkung erfahren muss.

Die SPD-Fraktion hat deshalb entsprechende Anträge vorgelegt. Wenn die Regierungsfraktionen nun inzwischen auch zu der Erkenntnis gelangt sein sollten, dass hier eine Ertüchtigung notwendig ist, dann begrüßen wir das außerordentlich.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Bedauerlicherweise zeichnet sich der vorgelegte Haushaltsentwurf wiederholt durch Intransparenz aus. Unter dem Titel „Ruhr-Konferenz“ wird eine Vielzahl von Projekten und Veranstaltungen subsumiert. In der Ergänzungsvorlage zum Haushalt werden 60,8 Millionen Euro für Projekte der Ruhr-Konferenz angemeldet. Erst auf Berichtsanfrage der SPD-Fraktion bekam auch die Opposition offiziell Gelegenheit, zu erfahren, für welche Projekte welche Summen in 2020 vorgesehen sind. Die Projektliste ist auch abschließend betrachtet kleinteilig und, wie mein geschätzter Fraktionsvorsitzender treffend festgestellt hat, lediglich ein Resultat ministerieller Ausflüge ins Ruhrgebiet. Schade!

(Beifall von der SPD)

Den Einzelplan 02, den Zuständigkeitsbereich des Hauptausschusses betreffend, lehnen wir wegen des einseitigen Aufwuchses, der intransparenten Ausgaben sowie der unzureichenden Finanzierung der Antisemitismusbeauftragten ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Müller-Witt. – Jetzt spricht Herr Hagemeier für die CDU-Fraktion.

Daniel Hagemeier (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ministerpräsident Armin Laschet hat die Selbstverzwergung des Landes Nordrhein-Westfalen erfolgreich beendet. Endlich werden Themen angepackt, die Rot-Grün jahrelang liegengelassen hat, und endlich spielen wir als bevölkerungsreiches Bundesland wieder eine angemessene Rolle.

Ich betone das direkt am Anfang meiner Ausführungen, weil es in der Natur der Sache liegt, dass ein Ministerpräsident nicht alleine diese Herkulesaufgabe stemmt. Hinter einem guten Regierungschef steht eine Staatskanzlei, die personell und materiell gut aufgestellt sein muss.

(Monika Düker [GRÜNE]: Wer es nötig hat!)

Insofern möchte ich der Opposition direkt den Wind aus den Segeln nehmen: An dem Stellenzuwachs in der Staatskanzlei, den Sie, Frau Müller-Witt, bemängelt haben, gibt es nichts, aber auch gar nichts zu kritisieren.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

– Sie schreien rein, ich kann meine Stimme etwas anheben, also alles ist denkbar. Aber für die Zuschauer ist es besser, dem Redner folgen zu können.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Für den Zuschauer ist es besser, wenn man widerspricht, wenn es unwahr ist! – Weitere Zurufe von der SPD)

Erlauben Sie mir die Anmerkung: Das Haushaltsvolumen des Einzelplans 02 verändert sich mit den entsprechenden Schwerpunktsetzungen eines Ministerpräsidenten. Einmal davon abgesehen, dass durch Neuzuschnitte der Ressorts nun die Bereiche Sport und Ehrenamt in der Staatskanzlei verortet sind, haben wir als NRW-Koalition dort zum Beispiel auch die Ruhr-Konferenz, auf die ich später noch näher eingehen werde, sowie das Büro der Antisemitismusbeauftragten angesiedelt. Dass auch unser Land eine solche Funktion braucht, haben wir mit einer sehr breiten Mehrheit hier im Plenum gemeinsam beschlossen. Wenn man sich die Presseberichte der vergangenen Wochen aufmerksam durchliest, dann stellt man fest, dass ihre Bedeutung leider immer wichtiger wird.

Neu angemeldet worden sind insgesamt 77 Planstellen und Stellen. Das klingt zunächst einmal viel, aber wenn man diese Zahl aufschlüsselt, ist leicht zu erkennen: Längst nicht alle neuen Stellen führen zu einem Personalaufwuchs. Beispielsweise sind in zehn Fällen die Verträge von Teamassistenzen, Vorzimmerkräften, Fahrern und einem Disponenten für den Fahrdienst mit sachgrundloser Befristung entfristet worden. Darüber gibt es sicherlich nichts zu diskutieren. Und nicht zuletzt muss man anerkennen, dass die Regierungsumbildung 2017 zu einigen Personalwechseln in engen Bereichen der Führungsebene geführt hat.

Die übrigen Planstellen werden gebraucht, weil es zum Teil massive Aufgabenzuwächse in den verschiedenen Bereichen gab und gibt. Hier sind zu nennen: das NRW-Büro in Israel, die Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Benelux-Ländern und schließlich eine vertiefte Bürger- und Medienarbeit. In Zeiten, in denen unsere Demokratie infrage gestellt und angegriffen wird, ist es wichtiger denn je, Politik zu erklären und den Kontakt zum Bürger zu suchen, nicht nur physisch, sondern auch über die digitale Kommunikation.

Es bleibt darüber hinaus festzustellen, dass es auch in Zeiten der Haushaltskonsolidierung wichtig ist, durch Öffentlichkeitsarbeit die Interessen des gesamten Landes wirksam zu vertreten, seine Vorteile zu stärken und Qualitäten zu vermitteln und so das Landesbewusstsein zu festigen.

Somit, Frau Müller-Witt, ist es falsch, an dieser Stelle von einem wachsenden Kommunikationsbedürfnis zu sprechen, sondern Aufgabenzuwachs und eine stärkere Präsenz NRWs stehen hier im Vordergrund. So, meine Damen und Herren, kommt NRW voran. NRW wird wieder mehr wahrgenommen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Nun zur Ruhr-Konferenz: Sie setzt an die Stärken der Metropolregion Ruhr an. Sie bringt Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Gewerkschaften, Wissenschaft und Kultur, Stiftungen und Kirchen, Verbände und Vereine und vor allem die 53 Städte und Gemeinden im Ruhrgebiet zusammen. Nach der Phase des Zuhörens hat die Landesregierung zum Übergang in die Entscheidungsphase am 26. September 2019 im Hauptausschuss berichtet:

Mit Kabinettsbeschluss vom 5. November 2019 wurde die dritte Phase der Ruhr-Konferenz zur Umsetzung der Projekte eingeleitet. Unter dem Leitmotiv „Chancenregion Ruhr“ soll das Programmpaket mit 74 Projekten dem Ruhrgebiet wichtige Impulse in fünf zentralen Handlungsfeldern geben: Mobilität, Wirtschaft, gelebte Vielfalt, Energie und Bildung.

(Nadja Lüders [SPD]: Weiß das Ruhrgebiet das?)

Im Einzelplan 02 haben wir nun die Aufgabe, auch die Grundlagen dafür zu schaffen, damit die Projekte angestoßen werden können, und diese entsprechend zu begleiten. Eine Stimme für den Haushalt 2020, für den Einzelplan 02 des Jahres 2020, ist damit auch eine Stimme für ein starkes Ruhrgebiet.

Die CDU-Landtagsfraktion bewertet den Einzelplan als schlüssig, ausgewogen und notwendig und wird diesem sowie dem vorgelegten Haushaltsentwurf für 2020 insgesamt zustimmen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hagemeier. – Jetzt spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Fraktionsvorsitzende Frau Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist so: Beim Ministerpräsidenten wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Wenn wir das bei den Investitionen auch so hätten, wären wir mit diesem Haushalt weiter.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das war in der letzten Legislaturperiode noch ganz anders. Damals hat die Opposition eben keinen zusätzlichen Bedarf formuliert, sondern Herr Witzel hatte 2017 für den letzten rot-grünen Haushalt insgesamt 27 Kürzungsanträge für die Staatskanzlei parat. Er sah hier in einem Gesamtvolumen von 8 Millionen Euro Kürzungsmöglichkeiten.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wo ist er denn jetzt?)

Dann kam die Regierung Laschet zum Zug. Und was passierte?

(Monika Düker [GRÜNE] zeigt ein Diagramm.)

Das Säulendiagramm sieht man ja auch in der letzten Reihe. Die Säulen hier unten betreffen Rot-Grün. Das kann man sehr schön sehen. Ab da ging es nur noch in eine Richtung: bergauf.

Das Gegenteil wurde also gemacht. Es wurde nicht gekürzt, sondern ein weiterer Aufwuchs formuliert. Ich nenne nur einmal die Stellen für jedes Jahr, damit klar wird, welchen Umfang das hat:

Im Nachtragshaushalt 2017 waren es 17 Stellen für den Ministerpräsidenten, im Haushalt 2018 waren es plus 25 Stellen, im Haushalt 2019 noch mal plus 20 Stellen, und im Haushaltsentwurf sind es plus 17 Stellen. Das macht summa summarum 79 Stellen mehr für den Ministerpräsidenten.

Er kann sich nicht nur über üppige Volumina bei der Öffentlichkeitsarbeit, bei der Präsentationsarbeit freuen, was er ja immer sehr gerne macht, sondern er bekommt auch noch schicke Grundsatzreferate mit hoch dotierten Stellen, um sich da zuarbeiten zu lassen.

(Sven Wolf [SPD]: Wenn man Kanzler werden will, braucht man das!)

Herr Ministerpräsident, vielleicht verwechseln Sie die Staatskanzlei mit einer Parteizentrale.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hier wurde maßlos und nicht mit Maß und Mitte zugelangt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erinnere an die Aussage von Ministerpräsident Laschet vom 03.06.2017 in der „Rheinischen Post“. Dort sagte er:

„… Rot-Grün hat die Ministerialbürokratie sehr stark aufgebläht. Wir werden das nicht machen. NRW wird am Ende der Legislaturperiode nicht mehr Beamte und Angestellte in der Verwaltung beschäftigen als heute.“

Ich bin mal gespannt, wie Sie in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode 79 Stellen in Ihrer Staatskanzlei wieder abbauen. Im Übrigen haben wir auch im Haushaltsverfahren gefragt, wie die Landesregierung gedenkt, mit dieser Zusage umzugehen. Was bekamen wir als Antwort? Die Stellen könne man ja nicht so im Einzelnen berechnen, sondern das würde gesamtbudgetmäßig gedeckt. Und auf was verwies der Finanzminister? Auf die globale Minderausgabe beim Personal.

Das heißt übersetzt: Das Grundsatzreferat beim Ministerpräsidenten wird durch die unbesetzten Stellen in den Schulen finanziert. – So haben wir uns das nicht vorgestellt, Herr Ministerpräsident!

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin auf Ihre Aussage gespannt, warum Sie in dieser Staatskanzlei ein derart üppiges Volumen brauchen. Ich sehe die Notwendigkeit nicht. Im Übrigen wäre das Geld in anderen Sachen besser angelegt. Ich verweise auf die Grundsatzdebatte. Wenn wir diese Aufwüchse bei den Investitionen hätten, aber nicht in der Staatskanzlei, wären wir weiter. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Düker. – Jetzt spricht Frau Kollegin Freimuth für die FDP-Fraktion.

Angela Freimuth (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 02 – Ministerpräsident – mit dem Abschnitt „Staatskanzlei“ ist sicherlich immer ein besonderer Einzelplan. Aber über die eine oder andere Wortmeldung oder den einen oder anderen Debattenbeitrag in der laufenden Aussprache konnte ich mich aber nur wundern.

Ich finde, wenn man mal an die Tatkraft-Tage zurückdenkt, bei denen eine Kampagne, ein Parteiformat im Grunde genommen eins zu eins in die Staatskanzlei überführt wurde, muss man mit Vorwürfen, hier würde die Arbeit einer Landesregierung und eine Repräsentanz dieser Arbeit mit ganz vielen Herausforderungen, auf die ich gleich noch zu sprechen komme, in eine Parteizentrale verwandelt, vorsichtig sein. Leute, lasst mal die Kirche im Dorf!

(Beifall von der FDP)

Hier sind ja gerade auch Grundsatzreferate angesprochen worden. Wir spüren alle und diskutieren doch im Übrigen aufgrund Ihrer Anträge, die Sie im Grunde genommen in jede Plenardebatte einbringen, dass wir im Augenblick mehr tun wollen und tun müssen, gerade was die Zukunft unserer parlamentarischen Demokratie angeht. Es geht um die Frage, wie wir Zivilgesellschaft und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zukünftig organisieren.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Deswegen, finde ich, brauchen solche Dinge wie Demokratie,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

religiöse Belange und das Ehrenamt durchaus mehr Aufmerksamkeit, die wir ihnen auch geben wollen.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Wir alle wissen, dass die Bedrohung des Miteinanders, insbesondere durch rechtsradikale, rechtsextreme und antisemitische Strömungen – das ist ja in den letzten Wochen deutlich geworden und diskutiert worden – ein Ausmaß erreicht hat, von dem ich jedenfalls gehofft hatte, dass wir das nie wieder in diesem Land würden feststellen müssen.

In der Staatskanzlei wird an vielen Stellen an der Prävention vor Rechtsextremismus gearbeitet.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Wo denn?)

Hier ist gerade schon angesprochen worden, wir haben fraktionsübergreifend die Institution der Antisemitismusbeauftragten eingerichtet. Die Landesregierung hat mit Frau Ministerin a. D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hier auch eine exzellente Entscheidung getroffen. Ihre Arbeit hat sich bewährt, und es gibt auch einen hohen Andrang und eine hohe Nachfrage von Betroffenen und Ratsuchenden. Deswegen werden wir sie auch in 2020 als Parlament unterstützen, und aktuell führen wir Gespräche – das ist Ihnen bekannt –, wie wir diese Arbeit noch besser ermöglichen können.

Ich sagte gerade, dass es auch um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft geht. Wir diskutieren häufig und leidenschaftlich darüber, dass das Ehrenamt dabei eine ganz zentrale Aufgabe erfüllt. Und wenn wir das Ehrenamt und das großartige bürgerschaftliche Engagement, dass wir in unserer Gesellschaft in vielen Vereinen, Verbänden, Kirchen, Gewerkschaften usw. haben, stärken wollen – und das wollen wir –, dann ist es auch richtig und wichtig, dafür die Mittel zu erhöhen.

In 2020 sehen wir 500.000 Euro zusätzlich für die Stärkung des Ehrenamts vor. Ich will das in Erinnerung rufen, weil gerade auch zu hören war, im Einzelplan sei ein einseitiger Aufwuchs feststellbar. Im Titel für das Ehrenamt werden künftig fast 2 Millionen Euro bereitgestellt.

(Beifall von der FDP und Daniel Hagemeier [CDU])

Das ist das 17-fache von dem, was noch zu Zeiten von Rot-Grün zur Verfügung stand. Deswegen kann ich nur sagen: Wir unterstützen die Ehrenamtsstrategie aus voller Überzeugung, um die Ehrenamtler zu stärken und weitere Freiwillige zu ermutigen,.

Der dritte Punkt, der gerade schon angesprochen worden ist und den ich an dieser Stelle herausgreifen will, ist das Thema „Ruhr-Konferenz“. Die erste Phase wurde erfolgreich abgeschlossen. Mit der Ergänzungsvorlage wird die Chance genutzt, drei weitere Projekte sofort anzustoßen.

Ich weiß, dass die Frage, ob man das Ganze nun Metropolregion nennen soll, leidenschaftlich diskutiert wird, aber Fakt ist doch, dass wir eine Region mit einem großen Potenzial und vielen Ideen haben und wir dieses Potenzial für das Wohl unseres gesamten Landes heben wollen. Insofern finde ich diese Haushaltsansätze angemessen, und deshalb werden wir dem Einzelplan 02 zustimmen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Freimuth. – Als Nächster redet für die AfD-Fraktion der Fraktionsvorsitzende, Herr Wagner.

Markus Wagner (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Laschet, wir müssen uns heute mit Ihrer Haushaltsvorlage für die Staatskanzlei auseinandersetzen. Ich weiß nicht, ob Sie trotz der von Ihnen vorgelegten Zahlen gut geschlafen haben, ich hoffe aber zumindest, dass Sie gut im Landtag angekommen sind.

Die Frage ist nur, wie oder, besser gesagt, womit Sie angekommen sind. Vielleicht haben Sie ja mal wieder den Hubschrauber genommen. Den nehmen Sie ja gerne, wie auf Nachfrage zugegeben werden musste, während das Volk im Stau zu stehen hat, weil Schwarz, Gelb, Rot und Grün in trauter Eintracht und trotz enormer Steuereinnahmen die Infrastruktur haben verrotten lassen.

Im Stau stehen sollen die Menschen Ihrer Meinung nach nun in Elektroautos. Es lohnt, sich daraufhin mal den Fuhrpark der Staatskanzlei anzusehen. Wir haben die Landesregierung im Hauptausschuss gefragt, und ich kann es vorwegnehmen: Sie erfüllen zwar das Klischee des abgehobenen Politikers, der anderen etwas vorschreiben will, aber Ihre Forderungen an die Bürger setzen Sie selbst nicht um.

Insgesamt 81 Autos stehen der Staatskanzlei zur Verfügung. Nur zwei davon haben einen Hybridantrieb. Vor einem Jahr waren es noch vier. Wie viele der 81 Fahrzeuge verfügen über einen Elektroantrieb? – Keines. Den Bürger bei allem Möglichen bevormunden, ihn durch eine unwissenschaftliche Dieselfeindschaft unnötig enteignen, aber selbst nicht liefern – das nennt man Doppelmoral. Und eine solche Doppelmoral lehnen wir ab.

(Beifall von der AfD)

Für sich selbst haben Sie sich privat ja ein kleines Elektroauto gekauft, um an Ihrem Image zu arbeiten. Aber schauen wir auf Ihre Flotte an Dienstwagen: Da fahren Sie selbst lieber in mit Diesel angetriebenen 7er BMWs oder S-Klassen durchs Land.

(Armin Laschet, Ministerpräsident: Ich bin doch für Diesel! Sie wissen doch, dass ich für Diesel bin!)

Es sei denn, der Straßenverkehr ist Ihnen zu profan. Dann wird der Helikopter geordert. – Bürgerlich ist anders, meine Damen und Herren.

(Beifall von der AfD)

Anstatt endlich 24 Stunden besetzte Baustellen samt Baustellenmanagement zu schaffen, wird lieber 24 Stunden lang für Image, Jubelbroschüren und Presseempfänge gearbeitet, obwohl mit Funke doch ein wesentlicher Teil der Presse auf ihren Minister hört. Der Rest der Presse gehört überwiegend der SPD, und den WDR teilen Sie sich untereinander auf.

Dann ist da noch der üppige Stellenzuwachs. Allein in der Staatskanzlei sind es 77 neue Stellen seit Ihrem Amtsantritt. Das sind neue Posten, die vornehmlich dafür da sind, sich um das Image der Landesregierung zu kümmern. Auch das ist wenig bürgerlich. Denn der Bürger muss Ihren Machtapparat ja mit seinen Steuern bezahlen. Dafür muss er jeden Morgen aufstehen, seine Kinder versorgen, seinen Job machen. Da sollten Sie schon demütiger sein, wenn Sie sein Geld für Ihre persönlichen Zwecke verprassen.

(Jens-Peter Nettekoven [CDU]: Das ist ein Malocher!)

Und in Zeiten, in denen die Zahl der Messerattacken im Zuge Ihrer Politik der ungeschützten Grenzen steigt und steigt, wollen Sie uns, die AfD, bis aufs Messer bekämpfen. – Was für eine unwürdige Sprache für einen Staatsmann!

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Das sagen genau die Richtigen! – Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU])

Selbst für die kleinere Ausgabe, den Parteipolitiker, ist das geschmacklos.

(Beifall von der AfD)

Es ist die Sprache der Hetze und der Spaltung. Politische Gegner werden zum Feind erklärt.

Sie haben dieses Land durch Ihre fatalen Fehlentscheidungen in der Migrationspolitik, in der Energiepolitik, in der Europapolitik massiv polarisiert und gespalten. Nun hetzen Sie gegen jeden, der auf die Folgen Ihrer Fehler hinweist oder die völlig statthafte Kritik aus dem Volk heraus artikuliert. Sie bekämpfen lieber denjenigen, der auf das Problem hinweist und aufzeigt, wie es zu lösen ist, als die von Ihnen verursachten Probleme selbst.

Sie sind ja auch immer dabei, wenn es darum geht, die Westgrenze NRWs nicht zu schützen, die konservativen Restbestände aus der CDU zu vertreiben und innerparteilich mal gegen die CSU oder – wenn es in die eigene Karriere passt – gegen AKK vorzugehen. Das mag als Parteipolitiker zum Erfolg beitragen, aber eines ist es eben nicht: staatsmännisch. Und das sollte man doch wohl schon sein, wenn man ernsthaft meint, kanzlertauglich zu sein.

(Zuruf von Jens-Peter Nettekoven [CDU])

Es ist weder bürgerlich noch staatsmännisch und eben auch nicht kanzlertauglich, wenn der Aufwuchs der Mehrausgaben für Ihre Staatskanzlei seit 2016 40 Millionen Euro beträgt. Dabei ist der Sport schon herausgerechnet, und die Ruhr-Konferenz und die Antisemitismusbeauftragte begründen diese Summe nicht.

Herr Laschet, die Staatskanzlei ist keine private Karrierestation, in der Sie auf Kosten der Steuerzahler Ihr Image päppeln sollen, um Kanzlerkandidat zu werden. Das, Herr Laschet, ist nicht kanzlertauglich.

Keine Tilgung der Schulden im Landeshaushalt? – Nicht kanzlertauglich.

Minister, die durch Pleiten, Pech und Pannen auffallen? – Nicht kanzlertauglich.

Keine Lust, unsere Grenzen zu schützen? – Nicht kanzlertauglich.

Wer so seinen eigenen Etat aufstellt, kann es auch im Bundeskanzleramt nicht.

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Da kommt der Malocher!)

Wir lehnen diese Haushaltsvorlage für den Etat der Staatskanzlei ab. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Wagner. – Jetzt hat der Ministerpräsident das Wort. Herr Laschet, bitte schön.

Armin Laschet, Ministerpräsident: Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 02 gilt im Ranking der Einzelpläne der Landesregierung als Querschnittshaushalt. Er umfasst die klassischen politischen Aufgaben, nämlich die politische Planung, die Ressortkoordination und die Vertretung des Landes.

Zum Geschäftsbereich gehören die Aufgabenbereiche des Ministers für Bundes‑ und Europaangelegenheiten sowie Internationales und des Bevollmächtigten des Landes beim Bund. Für den Bereich des Bundes gibt es in anderen Ländern zum Teil sogar eigene Ministerien. Hinzu kommen die Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt und die Medien‑ und Netzpolitik, die ebenfalls in der Staatskanzlei ressortiert.

Dort sind somit vier Diskussionsbereiche aufgeteilt, obwohl diejenigen, die sich hier zu Wort gemeldet haben, gern nur die Gesamtsumme nennen und nachher nicht mehr über diesen Einzelplan sprechen.

Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel. Hier werden Balkendiagramme und Ähnliches hochgehalten, und es wird gesagt, es seien 67 Millionen Euro mehr als früher. Allerdings macht allein der Sportbereich weit über 50 Millionen Euro aus.

(Monika Düker [GRÜNE]: Zahlen lügen nicht!)

Es ist unredlich, das mit der Staatskanzlei zu vermischen. Das ist Absicht bei uns, Frau Düker: Wir wollen den Sport und das Ehrenamt stärken. Wir haben dafür eine Staatssekretärin. Das mag Ihnen passen oder nicht. Dafür gibt es mehr Geld.

(Beifall von der CDU und der FDP Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Alles ist begründet. Es gibt mehr Geld für den Sport und das Ehrenamt. Es gibt ein Breitensportprogramm, und dafür gibt es mehr Geld. Es gibt eine Antisemitismusbeauftragte, und dafür gibt es mehr Geld.

(Beifall von der CDU und der FDP – Sven Wolf [SPD]: Das kommt aber erst in drei Tagesordnungspunkten, Herr Ministerpräsident!)

Es gibt eine Ruhr-Konferenz, und auch dafür gibt es mehr Geld. So ist das.

Ich sage Ihnen noch etwas: Wir haben neue Stellen geschaffen, weil wir sachgrundlose Befristungen in Stellen für dauerhaft angestellte Mitarbeiter umgewandelt haben. So hätten die Sozialdemokraten mit den Mitarbeitern umgehen müssen, anstatt sie sachgrundlos zu befristen. Das ist doch unglaublich.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sachgrundlose Befristung in einer Staatskanzlei – das war bis 2017 die Regel. Man schreibt den Unternehmen vor, wie sie sich zu verhalten haben, und die sozialdemokratisch geführte Staatskanzlei hatte sachgrundlos befristete Mitarbeiter. – Damit ist bei mir Schluss.

(Beifall von der CDU und der FDP – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das glaubt er doch selber nicht!)

Ich möchte Ihnen noch etwas zum Gebäude der Staatskanzlei sagen. Sozialdemokraten kommen zu mir und sagen hinter vorgehaltener Hand: Gut, dass Sie aus diesem Stadttor raus sind. Gut, dass Sie aus diesem abgehobenen Glaspalast raus sind. Endlich wieder eine Staatskanzlei, wie sie Nordrhein-Westfalen jahrelang geprägt hat.

Jetzt wird die Staatskanzlei umgebaut. Es werden viele Millionen Euro – Sie erfinden immer eine entsprechend große Summe – für einen inklusiven, behindertengerechten Zugang aufgewendet. Vorher waren ein Gesundheitsministerium, ein Sozialministerium und ein Integrationsministerium dort ansässig. Schon vor 20 Jahren hätte man das Gebäude behindertengerecht umbauen müssen und nicht erst in dem Moment, in dem die Staatskanzlei dort einzieht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

All diejenigen, die dort an Veranstaltungen teilnehmen, sehen, dass dort das Nötigste gemacht worden ist. Die Mitarbeitervertretung war überrascht vom Zustand der sanitären Anlagen. Mitarbeiter der Gewerkschaften sagen: In der alten Staatskanzlei waren wir besser aufgehoben. Bitte bringt das auf einen Stand, der im öffentlichen Dienst üblich ist.

Ich nehme das alles gern auf mich. Ich stelle mich vor die Mitarbeiter. Ich sage selbstbewusst: Für die Aufgaben, die wir definiert haben und die ich eben benannt habe, und für das Gebäude, in dem Menschen arbeiten und das das Haus des Landes ist, das die Bürgerinnen und Bürger besuchen sollen, wird auch mehr Geld ausgegeben. Punkt. Ende.

(Beifall von der CDU und der FDP – Sven Wolf [SPD]: Der Landesbauminister ist da aber nicht drin!)

Ich nenne einen letzten Bereich, auf den später in der Tagesordnung nicht mehr eingegangen werden wird: Das Ehrenamt wird gestärkt; das ist Absicht. Wir werden im Jahr 2020 zusammen mit dem Kommunen-Netzwerk „engagiert in NRW“ von rund 6 Millionen Ehrenamtlern stärker fördern. Wir haben eine Engagementstrategie entwickelt.

Im Jahr 2020 werden wir die Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen finanzieren, damit ihre Mitarbeiter auch durch Herausgabe von Arbeitshilfen bessere Möglichkeiten haben.

Man kann das Ehrenamt auch in irgendeinem Ministerium behandeln. Wir jedoch nehmen das ernst und holen es in die Staatskanzlei. Mir persönlich ist es wichtig. Dafür braucht es qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und das nötige Geld, damit in diesem Land wirklich etwas bewegt wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Mir liegen hierzu keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache zu Teil a) Staatskanzlei.

Ich rufe auf:

 

b) Europa und Internationales

Als erstem Redner erteile ich für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Weiß das Wort.

Rüdiger Weiß (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Verwalten geht Ihnen über Gestalten. Dies war die damalige Bewertung meiner Fraktion und meine zum Haushaltsentwurf für 2019 vor ziemlich genau einem Jahr. Ich muss Ihnen gestehen, dass der vorliegende Entwurf für den Etat diese Einschätzung leider auch erneut verdient.

Hinter den in Haushaltsdebatten besprochenen kalten Zahlen stehen – das muss ich Ihnen nicht erklären, meine Damen und Herren: egal in welches Ressort Sie hineinschauen lebendige Projekte und engagierte Menschen vor Ort. Eine verlässliche finanzielle Unterstützung ist eine unverzichtbare Säule, die die Europaaktiven und auch die in der Entwicklungspolitik Tätigen in NRW trägt.

Der Anspruch eines Haushaltsentwurfes muss damit synchron gehen. Es ist die Verpflichtung eines Ministeriums, den Verantwortlichen vor Ort Vertrauen und finanzielle Verbindlichkeit entgegenzubringen. Da ist es mit schierem Verwalten, mit geringem Gestaltungswillen beileibe nicht getan. Dabei würden die aktuell gut gefüllten Kassen des Landes für diesen Etat durchaus Ambitionen und Perspektive zulassen.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch den kleinen, aber wichtigen Zusatz, dass ein Grund dafür nicht nur die immensen Steuermehreinnahmen, sondern vor allem auch die schon von Vorrednerrinnen und Vorrednern erwähnten globalen Minderausgaben, beispielsweise im Bereich der Lehrkräfte, sind.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich begrüße beispielsweise, dass Sie knapp 200.000 Euro mehr für den Haushalt Europa veranschlagen. Das ist richtig und absolut begrüßenswert. Die Wichtigkeit wirtschaftlich gut aufgestellter grenzüberschreitender Regionen ist unbestritten. Die jährliche Aufstockung der Förderung in diesem Bereich kann jedoch nicht in jedem Entwurf den Kern einer ambitionierten Europapolitik bilden.

Konkret hätten wir uns etwa gewünscht, dass der Ausbau und die Stärkung kommunaler Städtepartnerschaften einen wichtigeren Platz in diesem Etat gefunden hätten. Ich erlebe immer wieder, dass insbesondere die seit Jahrzehnten bestehenden Partnerschaften einen wunderbaren und lebendigen Austausch herstellen. An dieser Stelle hätte es die Möglichkeit gegeben, mehr zu tun. Hier sind Sie jedoch den Änderungsanträgen der Opposition nicht gefolgt.

Entwicklungspolitisch wäre eine Erhöhung des zweckgebundenen Zuschusses für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit absolut sinnvoll gewesen, um mit diesen Mitteln neue Impulse für die Partnerschaft NRWs mit Südafrika einzubringen.

Leider konnten wir bei keinem unserer Vorschläge mit Ihrer Unterstützung rechnen. Konkrete Maßnahmen, diesen Haushalt für die Zukunft gezielt mitzugestalten, tragen Sie nicht mit und bleiben dabei eigene Ideen schuldig. Da frage ich mich schon ernsthaft, welches politische Kalkül sich hinter der Ablehnung unserer Vorschläge und Impulse wirklich verbirgt.

Ich bin erneut gezwungen, mich zu wiederholen: Seit 2018 veranschlagen Sie jedes Jahr 100.000 Euro für die Evaluierung entwicklungspolitischer Maßnahmen. Wir fragen, wofür genau dieses Geld eigentlich auf die hohe Kante gelegt wird und wofür – das ist die viel interessantere Frage – diese Mittel alternativ genutzt werden könnten.

Darüber hinaus sehen Sie 1,2 Millionen Euro für die Schaffung der nordrhein-westfälischen Akademie für Internationale Politik vor. Der Umfang und das inhaltliche Konzept sind jedoch nicht eingehend erläutert worden. Unsere Universitäten in NRW – die sich in diesem Bereich tummeln und forschen – hätten bei einer Förderung in dieser Höhe sicherlich Purzelbäume geschlagen.

Gestatten Sie mir zum Ende des Jahres den Hinweis, dass wir uns aktuell in einem Zeitfenster befinden, in dem wir Europa besonders genau im Blick haben müssen. Die Europawahl ist vorbei und das allgemein gesteigerte Interesse an der Medienberichterstattung über Europa ist mittlerweile gedämpft. Wir thematisieren unser europäisches Projekt in unserer Gesellschaft nicht mehr in der gleichen Häufigkeit und Intensität. Wir befinden uns gewissermaßen in einem Aufmerksamkeitsloch.

Unserem Projekt Europa muss immer wieder ein langer Atem eingehaucht werden. Das lässt sich ebenfalls auf die Zukunft der Entwicklungspolitik in NRW übertragen.

Ihr Entwurf, meine Damen und Herren, verbleibt in vielen Teilen ohne wirkliche Perspektive, ohne echten Fahrplan, ohne tieferen Ehrgeiz und beinhaltet viele offene Fragen.

Vergessen Sie bitte nicht die, die sich im Kleinen oder im Großen um Europa und die Entwicklungspolitik verdient machen und dort mit einem Gestaltungswillen anpacken, der Ihnen bei diesem Haushaltsplanentwurf komplett fehlt.

Wir werden diesem Einzelplan deshalb nicht zustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Krauß das Wort.

Oliver Krauß (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! 2020 liegt das Ende des Zweiten Weltkriegs 75 Jahre zurück; auch das berücksichtigt der vorliegende Entwurf für den Europahaushalt.

Als der erste nordrhein-westfälische Landtag am 2. Oktober 1946 in der Düsseldorfer Oper zusammenkam, stellte der damalige Ministerpräsident Amelunxen fest, dass sich Demokratie nicht über Nacht herstellen lasse.

Selbst heute ist der Bestand unserer Wertegemeinschaft noch keine Selbstverständlichkeit. 75 Jahre nach Kriegsende werden Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit vom Populismus attackiert. Der Ansatz für das Europakapitel setzt hingegen besonders darauf, den europäischen Gedanken lebendig zu entwickeln.

Herr Weiß, wenn Sie genau hingeschaut hätten: Wir gestalten. Nordrhein-Westfalen hat den Vorsitz der Europaministerkonferenz genutzt, um das Thema „Rechtsstaatlichkeit“ nach vorne zu tragen. Dieses Engagement für eine intakte unabhängige Rechtsprechung, Meinungs‑ und Pressefreiheit – der Wertekanon des Art. 2 des Lissabonner Vertrags – setzt der vorliegende Haushaltsentwurf um.

215 Europaschulen, die besondere Resonanz auf die Europawoche, die Aktivierung im regionalen Weimarer Dreieck, die Partnerschaften mit der Region Hauts-de-France und mit Schlesien, die Pionierleistungen in den Euregios, die Sie gar nicht erwähnt haben, Herr Weiß: Für dieses starke Fundament setzt der vorliegende Haushaltsentwurf ambitioniert entscheidende Akzente.

Das laufende Beneluxjahr demonstriert die Erfolgsgeschichte in Europas Kernregion: mitmenschlich, kulturell, wirtschaftlich. Es schafft Bewusstsein selbst in denjenigen gesellschaftlichen Schichten, die bisher distanzierter waren.

Diesen Schwung nimmt der vorliegende Etat auf. Dahin zu gehen, wo die Integration bisher weniger erfahrbar ist, ist die Voraussetzung für den Frieden in Wohlstand, für Freiheit und Einheit.

Auf dieser Welle liegt auch die Initiative „Europa – Erleben und Lernen“. Für den grenzüberschreitenden Austausch steht das Plus in diesem Haushalt.

Gerade in einer Zeit, in der Europa in der Welt am meisten gebraucht wird, stehen wir vor ganz großen Herausforderungen. Folgerichtig will Nordrhein-Westfalen mehr Europa. Das hat unser Ministerpräsident Armin Laschet am 2. April 2019, bei der Unterzeichnung der politischen Erklärung, besonders deutlich gemacht. Mit dieser Erklärung ist die Zusammenarbeit mit der Benelux-Union erneuert und vertieft worden.

Der vorliegende Entwurf des Europakapitels greift die Herausforderungen auf: proaktiv in einem komplizierten Kontext, mit akkurater Vorbereitung auf einen Brexit mit gradlinigen Positionen zum mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020.

NRW steht fest in dem Zusammenhalt von Ideen, Kultur und Religionsgeschichte in Europa in Überzeugung von Menschenwürde und in Verantwortung für unsere Schöpfung.

Der Klimawandel und das Wachstum der Erdbevölkerung sind immense Herausforderungen, und die Agenda 2030 verpflichtet sozial, ökologisch und wirtschaftlich.

Es gibt große Entschlossenheit, diese Energiewende auch voranzutreiben und bei der Klimaneutralität in sozialer Verantwortung mit wirtschaftlicher Vernunft schnell zu sein. Doch Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Armutsbekämpfung oder Friedensordnung verpflichten zur intensiven Zusammenarbeit weltweit.

Das Eine-Welt-Bewusstsein im Inland und die internationale Kooperation gehören essenziell zusammen. Das greift die Landesregierung auf.

Wir unterstützen, Herr Weiß, die Eine-Welt-Promotoren. Gerade die Partnerschaft mit Ghana stellt der Haushaltsentwurf auf eine feste Grundlage: nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, berufliche Bildung, Stärkung des Privatsektors, der Verwaltungsaustausch.

Für diese Partnerschaft finden wir viele Unterstützer in den Hochschulen und in den Schulen, in der Wirtschaft, in den IHKs, in den Kirchen. Aber auch breite Kreise der Zivilgesellschaft engagieren sich: Beispielsweise das Ghana-Forum oder das Engagement Global. Dafür sind wir dankbar.

Besonders zu würdigen ist das verstärkte Engagement unseres Bundeslandes in Israel für die Begegnungen, für die kulturelle und wirtschaftliche Kooperation, für die Jugend, für die Bildung, für die Erinnerungskultur. Das gilt auch für das NRW–Büro in Israel, das dafür ein besonderes Forum baut.

Sie sehen: NRW engagiert sich und wird sich auch weiter engagieren.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Herr Weiß, wir machen mehr, und wir machen vor allem mehr als die Vorgängerregierung; das können Sie an den Haushaltsansätzen erkennen.

Wichtig ist darauf sind Sie auch eingegangen; das betrifft schließlich die Erhöhung des Gesamtansatzes für die internationale Zusammenarbeit uns auch das Vorhaben der Gründung einer nordrhein-westfälischen Akademie für internationale Politik in Bonn, unserer Bundes‑ und UN-Stadt. Meine Damen und Herren, Sie mögen das kritisieren, aber auch das ist Standortpolitik für NRW.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die vorliegenden Ansätze für die Haushalte Europa und Internationales schaffen die Grundlage für Dialog und Beteiligung für den selbstverständlichen Bezug der Nachhaltigkeit, dies‑ und jenseits unserer Landesgrenzen im Denken und im Handeln. Daher stimmen wir zu, und zwar aus voller Überzeugung. – Vielen Dank.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen hat nun der Abgeordnete Herr Remmel das Wort.

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns nur über die Zahlen des Haushalts unterhalten müssten – so haben wir es auch im Ausschuss diskutiert –, gäbe es eine große Übereinstimmung über fast alle Fraktionen des Hauses hinweg, was den Europahaushalt angeht und was die Europapolitik betrifft.

Insofern kann man jetzt eigentlich die Rede beenden. Man könnte solche Zahlen linksherum drehen, rechtsherum drehen. Vieles hat sich gegenüber der Zeit vor 2017 an den Zahlen nicht geändert; im Wesentlichen besteht also Kontinuität. Wir könnten alle zufrieden sein.

Aber so eine Haushaltsdebatte ist auch Anlass, darüber zu reden, was Anspruch und was Herausforderung an dieser Stelle ist, gerade im Bereich der Europapolitik.

Hier ist eine Landesregierung angetreten zu sagen: Wir wollen als großes Land in Europa eine viel größere Schlagkraft entwickeln. Wir wollen präsenter sein.

Dann müssen Sie aber genau hinsehen, an welchen Stellen das Land Nordrhein-Westfalen in Sachen Europapolitik wirklich präsent ist und in welcher Weise sich das Land einbringt.

Fragen wir doch einmal, gehen wir doch einmal die Bereiche durch. Wie sieht es in der europäischen Klimapolitik aus? Ich habe von dieser Landesregierung nichts gehört, wenn es um die Weiterentwicklung der europäischen Klimapolitik geht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich habe nichts gehört, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn es darum geht, die originären Interessen dieses Landes in die zukünftige Finanzgestaltung der europäischen Haushaltsordnung einzubringen.

Wir, beispielsweise auch die Ruhr-Konferenz, sind von Fördergeldern in Teilen abhängig. Nur durch die Förderung der Europäischen Union lassen sich die ehrgeizigen Projekte, die jetzt gesammelt worden sind, finanzieren.

Aber wir haben ein Finanzierungsproblem, siehe Brexit. Was sagt denn diese Landesregierung dazu? Wie soll zukünftig eine Strukturförderung organisiert werden? Wohin soll das Geld gehen? Wo sollen die Schwerpunkte gesetzt werden? – Null. Anspruch, Wirklichkeit und Herausforderung sind nicht in Übereinstimmung zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wie sieht es denn in der europäischen Agrarpolitik, dem wichtigen Feld, aus? Warum demonstrieren denn die Bauern derzeit in Berlin?

(Henning Höne [FDP]: Gegen die Grünen! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Gegen eure permanente Verunglimpfung!)

Weil es große Unsicherheiten gibt. Wo ist da die Positionierung der Landesregierung, wie zukünftig Landwirtschaft organisiert werden soll? Das ist eine Zukunftsfrage für unser Land. Hier kommt null von dieser Landesregierung.

Wie sieht es in dem wichtigen Feld der Handelspolitik aus? Für Nordrhein-Westfalen als Industriestandort ist die Handelspolitik von großer Bedeutung. Auch hier sehen wir keine eigenen Initiativen.

Also: Anspruch und Herausforderung in der Europapolitik werden nicht geleistet, stattdessen Symbole, die auch teilweise keine Wirkung entfalten oder nur ins Schaufenster gestellt werden sollen.

Offensichtlich ist das die Absicht, beispielsweise durch die Ernennung von Herrn Merz zum Brexit-Beauftragten. Ich meine, dabei sind lediglich zwei Weiterbildungsgespräche mit dem Wirtschaftsminister herausgekommen. Jedenfalls ist dem Landtag und der Öffentlichkeit mehr nicht berichtet worden.

Wenn ich zu Recht an die großen Ankündigungen denke, die Herr Ministerpräsident in Sachen Unterstützung von Notre Dame gemacht hat, frage ich mich, was dabei herausgekommen ist. Es war wieder Symbolpolitik.

Im Münsterland werden Handwerkerinnen und Handwerker in mittelalterlicher Bauweise unterrichtet und gefördert. Alles gut und schön, aber den Ankündigungen und den Herausforderungen entspricht diese Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht. Wenn es konkret wird, verweigern Sie die Unterstützung.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

– Herr Höne, ein solcher Zwischenruf ist nun wirklich unter Ihrem Niveau. Beschäftigen Sie sich bitte mit der Europapolitik und sagen Sie da, was Sie dazu denken. Auch von Ihrer Fraktion kommt an dieser Stelle null Initiative. Insofern reihen Sie sich in diese Koalition ein.

Sorry, Herr Krauß, wir haben nicht mehr 215 Europaschulen. Letzte Woche gab es eine Presseerklärung der Landesregierung, dass zwölf hinzugekommen sind. Wir haben einen konkreten Antrag zur Unterstützung der europäischen Bildungsarbeit gestellt. Das lehnen Sie ab.

Auch wenn es darum geht, die Eine-Welt-Politik und die internationale Politik durch eine Vorlage einer Eine-Welt-Strategie nach vorne zu bringen oder endlich eine Neuaufstellung der Partnerschaft mit Südafrika anzugehen – meine Kollegin Aymaz hat es im Ausschuss bereits ausgeführt –, bleiben Sie Antworten schuldig.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, treten Sie als Ministerpräsident beim Internationalen und bei der Eine-Welt-Politik in die Fußstapfen des Ministers Laschet. Damals war in diesem Bereich sehr viel mehr los als heute. Daran könnten Sie wieder anknüpfen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Nückel das Wort.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Remmel gerade war ein untauglicher Versuch, das schlechte Gewissen über das europapolitische Versagen der rot-grünen Vorgängerregierung zu kaschieren.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Rainer Bischoff [SPD])

Mit hehren Fragen und Ansprüchen versuchen Sie, im Wolkenkuckucksheim Stöckchen zu legen, um Antworten auf Fragen zu erbitten, zu denen teilweise die Zahlen und Fakten noch nicht feststehen. Natürlich ist dieser Versuch der Opposition legitim

Dann kommen Sie wieder mit der alten Geschichte mit Merz. Man könnte auch nachdrücklich die Stelle anders beschreiben: Engagement zum Nulltarif, kein Personalstab, kein Honorar, keine Belastung für den Steuerzahler.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Falsch gesagt! Nur Rückschläge! – Johannes Remmel [GRÜNE]: Aber keine Leistung!)

Trotzdem war er intensiv nicht nur an zwei Fortbildungsveranstaltungen beteiligt, sondern bei mehreren Workshops mit Wissenschaft, Wirtschaft sowie bei den Veranstaltungen der IHK.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Für BlackRock!)

Er war sogar bei der Europakonferenz in London, und trotzdem versuchen Sie, ihn auf die Ebene zwischen Nosferatu und Jack the Ripper zu stellen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir sollten heute auch einmal positive Nachrichten verkünden, gar nicht nur zum Haushalt. Wir können heute rufen: Habemus EU-Kommission. – Sie ist da, und ab Montag nächster Woche wird sie ihre Aufgaben wahrnehmen können.

Eine gute Nachricht sind auch die Ergebnisse der Bertelsmann Studie, bei der große Sympathie und großes Interesse der Menschen in Europa, aber auch in Deutschland hinsichtlich der EU festgestellt werden konnten.

Natürlich gibt es auch eine andere Seite der Medaille. Für viele Menschen ist alles noch viel zu intransparent und vielleicht auch zu komplex. Für viele Menschen sind die Beamten der EU Roboter, die den täglichen Bürokaffee in viele Erlasse und Verordnungen verwandeln.

Deswegen ist auch der Ansatz, den die neue Kommissionspräsidentin wählt, einen neuen Schwung für die Demokratie in Europa anzustreben, richtig.

Ihr Vorschlag, eine Konferenz zur Zukunft Europas und seiner Institutionen voranzubringen, ist gar nicht schlecht. Die Europäerinnen und Europäer sollen die Zukunft der Union mitgestalten.

(Zuruf von Thomas Röckemann [AfD])

– Ich weiß, dass das für die AfD nicht zu verstehen ist, aber damit will ich mich jetzt auch gar nicht befassen.

Auch junge Menschen und viele Mitgestalter in der Zivilgesellschaft werden mit Interesse diesen Prozess begleiten, und auch wir in NRW sind – davon bin ich fest überzeugt – gut vorbereitet.

Die NRW-Koalition wird diesen Prozess unterstützen und ihren Beitrag dazu leisten. Das können wir deshalb so gut, weil wir mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf die erfolgreiche Arbeit der NRW-Koalition gezielt mit neuen Schwerpunkten fortsetzen können.

(Beifall von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

Es ist eben nicht nur alles Kontinuität, wie Herr Kollege Remmel uns glauben machen will – das ist eigentlich ein vergiftetes Lob –, sondern wir gestalten.

Das merken Sie auch daran, dass die Partner in den Niederlanden und Belgien, unsere direkten Nachbarn – sie müssen natürlich der wichtigste Schwerpunkt sein –, sagen, es sei seit 2017 endlich wieder etwas passiert, nachdem zwischen 2010 und 2017 fast Funkstille herrschte.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich rate der Opposition, kritisch zu hinterfragen, warum man das sieben Jahre lang vernachlässigt hat. Vielleicht ist es Ihnen auch heute noch nicht wichtig. Das war ein Ratschlag, den Sie vielleicht mehr als Schlag denn als Rat auffassen.

Die Kontakte und Beziehungen zu den Niederlanden und Belgien sind ein zentraler Punkt, und darum kümmern wir uns. Wir haben mehrere Initiativen und Anträge in das Parlament eingebracht. Sie sagen, wir hätten nichts getan, vielleicht spielt in dieser Hinsicht bei Ihnen aber auch die Vergesslichkeit eine große Rolle.

Wir haben – gerade auch in Zusammenarbeit mit den Beneluxländern – viele Projekte finanziert und werden die Dynamik des letzten Jahres weiter fortsetzen. Es ist, ich glaube heute, dazu auch ein Abschlussbericht – noch eine positive Nachricht – veröffentlicht worden.

Ein zentraler Punkt – er liegt auch mir sehr am Herzen – ist die Finanzierung und der Ausbau eines deutsch-niederländischen Jugendwerks. Ich nehme das deutsch-französische Jugendwerk als glorreiches Vorbild und meine, dass wir damit dazu beitragen können, die Kontakte zwischen den beiden Ländern, zwischen jungen Menschen noch nachhaltiger zu gestalten. Ich war sehr überrascht, dass es so wenig gab, als wir die Verantwortung übernommen haben. In diesem Zusammenhang werden wir ordentlich Gas geben.

Mit Blick auf den internationalen Bereich ist es sehr gut, dass wir uns auf die Partnerschaft mit Ghana konzentrieren, auch in Sachen „Wirtschaftsförderung“ und nicht nur im Bereich „Umweltpolitik“. Wir befinden uns insofern auf dem richtigen Weg. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die AfD hat nun der Abgeordnete Tritschler das Wort.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Irgendeiner muss ja die blauen Luftballons mit den gelben Sternchen bezahlen, die hier gefühlt alle zwei Tage unsere Lobby zieren. Dazu gehören auch all die Kugelschreiber, die Pappfähnchen, die Hochglanzbroschüren, die uns von den Segnungen des neuen Brüsseler Superreichs überzeugen sollen.

Sonst kommt am Ende noch einer auf die Idee, das alles zu hinterfragen. Sonst fragt am Ende noch einer, warum dieser Riesenapparat jetzt von einer Frau geführt wird, die schon als Ministerin zu Hause nichts, aber auch gar nichts auf die Reihe bekommen hat.

(Jens-Peter Nettekoven [CDU]: Mehr als Sie!)

Sonst fragt am Ende noch einer, warum wir eigentlich eine Währung haben, die uns im Interesse einiger weniger verarmen lässt und gleichzeitig im Süden der EU zu massiven Verwerfungen führt.

Vielleicht würde jemand die SPD fragen, warum sie die Beiträge deutscher Sozialversicherten mir nichts, dir nichts in die leeren Sozialkassen der Griechen und anderer überweisen möchte.

CDU und FDP könnten vielleicht gefragt werden, warum wir die Hauptquelle unseres Wohlstands, unsere Automobilindustrie, einem durchgeknallten EU-Re-gulierungsapparat mit absurden Grenzwerten ausliefern.

Das alles wollen Sie natürlich nicht hören. Denn drei Dinge machen für Sie einen guten Europäer aus: Schnauze halten, Steuern zahlen, Fähnchen schwenken.

Wer Ihre fade Inszenierung dieses glorifizierten Brüsseler Bürokratiemonstrums nicht mitmacht, der ist ein böser Nationalist. Der will natürlich wieder Krieg, weil uns davor ja allein Ursula von der Leyen schützen kann. Dabei sind längst Sie die tumben Nationalisten, die Fähnchenschwenker, die Hurra-Patrioten und die Imperialisten. Ihre nicht ganz trockenen Träume vom EU-Großreich unterscheiden Sie nur unwesentlich von den schlimmsten Imperialisten der Menschheitsgeschichte.

Weil das Volk da nicht so recht mitgehen will, muss es eben vollgedröhnt werden mit EU-Propaganda. Die ist meistens so stumpf, einseitig und plump, dass sie Ihnen keiner abkauft. Aber das hindert Sie nicht daran, ein paar Millionen Steuergeld dafür rauszuhauen.

Präsident André Kuper: Herr Abgeordneter, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten Remmel. Lassen Sie die zu?

Sven Werner Tritschler (AfD): Sehr gern, Herr Remmel.

Präsident André Kuper: Herr Remmel hat das Wort.

Johannes Remmel (GRÜNE): Schönen Dank für die Möglichkeit. – Ich wollte nur fragen, ob es zutreffend ist, dass Sie per Internet aus dem Landtag heraus die Bürgerinnen und Bürger auffordern, die beste Idee einzureichen, die EU-Flagge zu schmähen, und sich dabei im Bild eine Fußmatte unter die Füße legen, um die Füße darauf abzutreten. Ist das zutreffend?

Sven Werner Tritschler (AfD): Das ist nicht ganz zutreffend. Das ist die Fußmatte, die man gewinnen kann. Aber ich stehe nicht darauf, und ich trete mir darauf auch nicht die Füße ab.

Gemeinsam mit Berlin …

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Es geht weiter! Peinlich und unwürdig! – Johannes Remmel [GRÜNE]: Aus dem … heraus! Unglaublich! – Weitere Zurufe)

Herr Präsident. – Gemeinsam mit Berlin und der Zentrale in Brüssel lassen Sie sich in puncto Eigenwerbung nicht lumpen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Unglaublich!)

So ganz überzeugt sind Sie davon aber selbst nicht. Wenn das Volk weiter ungehorsam die EU ablehnt – darum ging es bei der Aktion, Herr Kollege Remmel –, dann soll es zukünftig nämlich in den Knast gehen, bis zu drei Jahre. Dafür hat die Landesregierung im Bundesrat gestimmt, in bester DDR-Manier.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Es wird Sie nicht wundern, dass wir dem nicht zustimmen, genauso wenig wie Ihrem Haushalt in diesem Punkt. Weniger weil wir Sorge haben, dass das irgendwie funktioniert, es geht schlicht und ergreifend nicht an, dass Sie für Ihre politische Werbung im eigenen Interesse – und um nichts anderes geht es – den Steuerzahler in Haftung nehmen.

Genauso wenig findet der Bereich Internationales unsere Zustimmung. Hier leistet sich das Land NRW eine eigene Nebenentwicklungshilfepolitik. Das ist ganz klar und eindeutig nicht die Angelegenheit des Landes. Schwarz-Gelb hat zu Regierungsantritt mal versprochen, man wolle diesen Bereich evaluieren, stellt sogar Geld dafür zurück. Wir haben das sehr begrüßt. Aber dieser Ankündigung ist bis heute nichts gefolgt, Herr Laschet – wie so oft.

Und so fressen all die kleinen Projekte, deren Erfolg im Regelfall nicht messbar ist, die aber immerhin irgendwie die Existenz einiger linksgrüner Parteigänger sichern, Jahr für Jahr Millionen von Steuergeld.

Meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, die vielen Altmarxisten, die sich beim Eine-Welt-Netz und wo auch immer rumtreiben, danken es Ihnen.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Sie haben weiterhin eine weich gepolsterte Nische und dort die Möglichkeit, uns mit Dingen wie einem fairen Modeführer für das Ruhrgebiet und ähnlichem Gutmenschenklimbim zu erfreuen oder gleich ganz unverhohlen die Marktwirtschaft infrage zu stellen.

Die AfD-Fraktion hat daher die komplette Streichung dieses Bereichs beantragt. Nicht nur inhaltlich und verfassungsrechtlich ist höchst fragwürdig, ob das ins Grundgesetz gehört, es ist auch schlichtweg Unsinn. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tritschler. Herr Abgeordneter Tritschler, ich rüge Sie wegen einer Wortwendung, die Sie gerade in Ihrer Rede verwendet haben. Ich werde diese Worte nicht wiederholen und spreche die Rüge dafür an dieser Stelle aus.

Ich darf nun der Landesregierung und damit Herrn Ministerpräsidenten Laschet das Wort erteilen.

Armin Laschet, Ministerpräsident: Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um nur das Letzte aufzugreifen: Bei dieser Wortmeldung sehen wir, was für Nordrhein-Westfalen auf dem Spiel steht. Das, was hier vorgetragen wurde, war die pure Rückkehr in alten Nationalismus, die pure Rückkehr.

(Beifall von CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Ihre Rede, Herr Tritschler, war gegen den Binnenmarkt, gegen die gemeinsame Währung, gegen die Europäische Union.

(Zurufe von der CDU)

Wenn Sie eine Europaflagge so behandeln, wie Sie es machen,

(Zuruf von der CDU)

dann reden Sie gegen die Europäische Union.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Sie stehen außerhalb der Tradition von 70 Jahren Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Wenn sich das bewahrheitet, wenn es keine Europäische Union gäbe,

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

wenn wir nicht die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg hätten,

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

würden Hundertausende Arbeitsplätze in diesem Land gefährdet. Sie spielen mit den Arbeitsplätzen der Menschen in Nordrhein-Westfalen. Das ist das Schlimme, was Sie machen.

(Beifall von CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Herr Ministerpräsident, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten Tritschler. Möchten Sie die zulassen?

Armin Laschet, Ministerpräsident: Nein. Er hat seinen Nationalismus hier lange genug ausbreiten können.

(Beifall von CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Sie können Kritik an Einzelmaßnahmen üben. Aber das Projekt Europa infrage zu stellen, macht diesen Widerspruch erforderlich.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Nun reden wir mit den anderen an Europa interessierten Fraktionen dieses Hauses. Ich denke, da gibt es viel Übereinstimmung in den Grundfragen.

Hier in der Debatte kam eher die Kritik: Es gibt wenige neue Impulse und neue Ideen, das haben wir alles schon gemacht.

Herr Remmel fragt: Warum demonstrieren die Bauern? – Also, Herr Remmel, das hätte ich jeden in Ihrer Fraktion fragen lassen, aber an Ihrer Stelle hätte ich hier nicht vorgetragen, warum die Bauern demonstrieren.

(Beifall von CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

In der Tat hat die Landesregierung in den letzten zweieinhalb Jahren kein neues Konzept für eine europäische Agrarpolitik, für die Regelung der finanziellen Vorausschau, für die Handelsabkommen der Europäischen Union in der Zukunft vorgetragen. So verstehen wir aber auch unsere Aufgabe nicht.

Wir verstehen unsere Aufgabe so, Herr Remmel, dass wir unseren Beitrag erst einmal im Konkreten leisten. Ich kann mit Ihnen gerne – das würde mir sogar Spaß machen – über die Zukunft der Europäischen Union, die finanzielle Vorausschau und die Schwerpunktsetzungen philosophieren.

Mir geht es aber mehr darum, mit Belgien, den Niederlanden und Luxemburg konkrete Dinge zu verabreden, dass wir uns mit den Regierungschefs regelmäßig treffen, dass wir bei der inneren Sicherheit da kooperieren, wo es geht, dass wir die Verkehrsverbindungen vom Duisburger Hafen in die Welt, in die Niederlande über die Bahn, über Straßen bauen. Das hilft den Menschen, und das ist die erste Aufgabe einer Landesregierung, Europa regional umzusetzen in den Euregios und in vielem anderen, was da stattfindet.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann kann man Kooperationen von Hochschulen fördern, von Kommunen, von der Zivilgesellschaft mit unseren Partnerprovinzen Hauts-de-France in Frankreich und denen in Schlesien, wo sich derzeit der Minister für Europa und Internationales aufhält. Wir hatten das Beneluxjahr mit vielen Impulsen und neuen Anfängen. Wir entwickeln Jugend- und Schulprojekte. Wir haben eine gemeinsame Chemiestrategie mit den Niederlanden angestoßen. Ich will gar nicht alles vortragen, weil da schon viel gemacht worden ist.

Dann sage ich Ihnen: Es ist auch wichtig, für Nordrhein-Westfalen zu werben. Deshalb wird in der Staatskanzlei vom Ministerpräsidenten jeder Botschafter eines Mitgliedslandes der Europäischen Union empfangen.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Darüber machen Sie sich lustig. Das nennen Sie „rote Teppiche“. Ich sage: Aus jedem dieser Gespräche mit jedem Land …

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

– Herr Zimkeit, Sie wissen doch gar nicht, worüber Sie reden.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Aus jedem dieser Gespräche entsteht ein neuer Gedanke der Kooperation für Wissenschaft, für Kultur. Sie glauben gar nicht, was Botschafter dazu beizutragen haben und wie wertschätzend sie es empfinden, dass nicht nur der Minister, der das ebenfalls macht, sondern auch der Ministerpräsident sich diese Zeit nimmt.

Ich habe darüber hinaus dafür geworben, dass wir die Beziehungen zu Russland wieder verändern. Wir haben den Petersburger Dialog nach Nordrhein-Westfalen eingeladen. Auch Russland ist ein Partner unserer Kooperation.

Auch China ist ein Partner als Außenhandelsland.

Auch die Vereinigten Staaten sind ein Partner.

In Israel werden wir im nächsten Jahr eine Vertretung des Landes für die Themen „Bildung“, „Wissenschaft“, „Start-ups“ und „Schulkooperationen“ einrichten, weil es am Ende auch den Menschen nutzt.

Deshalb gehört der Blick über die Landesgrenzen hinweg hinaus in die Welt zu Nordrhein-Westfalen. Das nutzt unserem Land. Das finden Sie auch im Haushalt wieder.

Die Gründung der Nordrhein-Westfälischen Akademie für Internationale Politik in Bonn wird die klügsten Fellows aus der Welt zusammenrufen. Dort werden wir dann über die Zukunft, über internationale, globale Fragen nachdenken. Das wird eingeordnet in den Exzellenzcampus Bonn. Die Universität Bonn hat im Exzellenzwettbewerb sechs Exzellenzcluster errungen, gerade auf diesen Feldern. Sechs Exzellenzcluster allein in Bonn sind übrigens mehr als im gesamten Freistaat Bayern. Deshalb: Die Stärke einer solchen Exzellenz auch für internationale Fragen zu nutzen, das haben wir mit angestoßen. Das wollen wir auch in den nächsten Jahren fortsetzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Es gibt eine Kurzintervention aus den Reihen der AfD. Der Abgeordnete Wagner hat das Wort. Bitte.

Markus Wagner (AfD): Herr Ministerpräsident, Sie haben ja eben die Kritiker und Gegner des Euro quasi als Nationalisten und Europafeinde dargestellt.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der CDU: Richtig!)

Da sprechen wir von dem Euro, der nur lebensfähig ist aufgrund der Nullzinspolitik.

Wir sprechen von dem Euro, der mittlerweile dazu führt, dass erste Banken in Deutschland damit beginnen, Spareinlagen ab dem ersten Cent negativ zu besteuern.

Wir sprechen von dem Euro, von dem Experten sagen, dass er Negativzinsen von minus 4 bis minus 7 % wird aufweisen müssen, um überhaupt noch am Leben zu bleiben.

Wir sprechen von dem Euro, der Sparer, Lebens- und Rentenversicherte hart trifft, weil sie auf ihre Einlagen nichts mehr bekommen.

Wir sprechen von einem Euro, der Europa in Nord und Süd spaltet.

Der Gegner des Euros ist kein Europafeind, sondern ein Europafreund, meine Damen und Herren. Das will ich hier ganz klar feststellen.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Herr Ministerpräsident Laschet, eine Entgegnung? – Er macht nicht davon Gebrauch. Vielen Dank.

Dann darf ich damit die Aussprache, weil mir keine weitere Wortmeldung mehr vorliegt, zu dem Teil b) Europa und Internationales schließen.

Ich eröffne die Aussprache zum Bereich

 

c) Sport

Als erstem Redner für die Fraktion der SPD gebe ich dem Abgeordneten Bischoff das Wort.

Rainer Bischoff (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Debatten und Diskussionen im Sportausschuss hat im Wesentlichen und sehr intensiv die Frage der Machbarkeitsstudie zu den Olympischen Spielen 2032, die wir ja alle nach Nordrhein-Westfalen holen wollen, eine Rolle gespielt. Die SPD hatte beantragt, 400.000 Euro im Haushalt für eine Machbarkeitsstudie bereitzustellen. Wir sind uns dann nicht einig geworden. Die regierungstragenden Fraktionen haben diesen Antrag abgelehnt. Deswegen spielt er natürlich jetzt hier in der Diskussion eine entscheidende Rolle.

Ich will kurz die Gründe aufführen, mit denen die regierungstragenden Fraktionen den Antrag abgelehnt haben, und will dazu dann die Gegenargumente nennen.

Sie sagen: Es ist eine Privatinitiative. Damit haben wir nichts zu tun. Dafür geben wir kein Steuergeld aus. Es ist auch zu früh, um eine Machbarkeitsstudie zu machen, der DOSB muss erst einmal aktiv werden.

Zum Ersten: Eine Privatinitiative steht immer in dem Ruch, dass sie einen privaten Vorteil, einen Eigennutz bringt. Ich schätze Herrn Mronz sehr. Ich schätze die Initiative von Herrn Mronz sehr. Aber wir alle wissen, dass er Sporteventmanager ist, dass also moderne Sportanlagen in Nordrhein-Westfalen ein Vorteil für sein Geschäft sind.

Eine Landesinitiative hingegen, eine Machbarkeitsstudie des Landes, steht nicht im Verdacht, einen privaten Vorteil herbeizuführen, sondern das ist Allgemeinnutzen, das ist gesellschaftlicher Nutzen,

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

und das ist ein Vorteil für die Allgemeinheit.

Deswegen macht es Sinn, dass jetzt ein qualitativer Sprung entsteht und wir bekunden: Ja, wir fördern die Privatinitiative. – Das hören wir von Ihnen im Ausschuss regelmäßig, Frau Milz. Das ist immer Ihre Wortwahl.

Jetzt ist der Moment, in dem wir sagen müssen: Nein, jetzt ist es Allgemeingut. Jetzt wollen wir eine Machbarkeitsstudie. Jetzt wollen wir zeigen, dass diese Privatinitiative allgemeingültig für alle Bürgerinnen und Bürger von Vorteil ist. – Insofern findet das bereits praktisch statt. Das wollen wir deutlich sagen.

Herr Ministerpräsident Laschet, Sie führen regelmäßig Pressekonferenzen gemeinsam mit Herrn Mronz durch. Am 21.10. wurde das Projekt in Berlin vorgestellt. Das finden wir gut. Wer A sagt, muss aber auch B sagen. Dann muss man auch sagen: Okay, es ist Sache des Landes. Sie können sich auf Pressekonferenzen nicht nur neben Herrn Mronz stellen und nicken und sagen: Wir unterstützen die Privatinitiative. Dann müssen Sie sagen: Machbarkeitsstudie her!

Zum zweiten Argument, es sei alles zu früh: Wir wissen, dass im Dezember die Mitgliederversammlung des DOSB stattfindet. Wir haben hier vor 14 Tagen einen gemeinsamen Antrag der demokratischen Fraktionen verabschiedet, dass wir die Bewerbung unterstützen und begrüßen – vor 14 Tagen erst –, weil wir versuchen wollen – lassen Sie uns das so deutlich sagen –, Einfluss auf die Mitgliederversammlung des DOSB zu nehmen. Wir wollen eine Beschlussfassung, eine Richtungsentscheidung herbeiführen, die besagt: Der DOSB hält das auch für eine gute Idee.

Dann muss logischerweise der zweite Schritt folgen. Wenn man das machen will, dann muss der zweite Schritt sein: Wir wollen eine Machbarkeitsstudie. Wir wollen das unterstützen. Wir wollen untersuchen, ob das alles positiv für Nordrhein-Westfalen ist. – Dann ist es noch unverständlicher, wenn man das Ganze ablehnt. Sie sind inkonsequent, wenn Sie es ablehnen.

Zum Dritten: Dahinter steht die Erwartung – das wird auch aus Interviews von Ministerpräsident Laschet deutlich –, dass man sich, wenn der DOSB im Dezember immer noch nichts macht – wobei wir wünschen, dass er es täte –, dann in Tokio am Rande der Olympischen Spiele nahekommen möge, dass der dann sagt: Die Olympischen Spiele in Tokio waren toll; das wollen wir in Deutschland auch machen. Auf das Pferd setzen wir.

Wenn das der Fall ist, also im Dezember nichts kommt, dann reden wir aber hier über den Haushalt 2020. Tokio ist Mitte 2020. Spätestens nachdem eine solche Äußerung, die erwünscht ist, käme, müssten wir sofort aufspringen und sagen: Jetzt brauchen wir eine Machbarkeitsstudie. – Darüber reden wir die ganze Zeit. Dann muss sie jetzt in den Haushalt.

Wir bilden uns ein, wir können alle Ihre Argumente klar widerlegen. Wer willens ist, der kommt gar nicht drumherum, zu sagen: Wir brauchen die Machbarkeitsstudie.

Für die Menschen auf der Zuschauertribüne und die, die anschließend das Protokoll lesen, will ich Folgendes sagen: Wir beraten in diesen Tagen über einen Haushalt von 80 Milliarden Euro. Unser Vorschlag sind 400.000 Euro. Das ist viel Geld. Wer ein Häuschen baut und 400.000 Euro investieren muss, der überlegt sich das lange. 80 Milliarden Euro sind eine immense Summe.

Ich will das einmal in Relation setzen. 80 Milliarden Euro sind 80.000-mal 1 Million Euro. Darüber reden wir jetzt. Das ist der Landeshaushalt. Wir wollen 400.000 Euro. Das heißt übersetzt: Wenn ein Bürger 80.000 Euro besitzt, dann beantragen wir, für eine solche Studie 40 Cent davon einzusetzen – 40 Cent von 80.000 Euro! Darum geht es hier. Sie sagen Nein. Ich wiederhole: Wer das will, der macht das. Wir wollen. Wir halten das für das zentrale Thema in dieser Haushaltsberatung. Und da Sie das ablehnen, lehnen wir den Haushalt ab. – Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Nettekoven.

Jens-Peter Nettekoven (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unglaublich, dass man es schafft, in fünf Minuten wieder das zu tun, was man beim Olympia-Antrag auch gemacht hat: über eine Machbarkeitsstudie zu sprechen und kein Wort zum Sporthaushalt zu verlieren. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Ich erzähle Ihnen gleich, was Nordrhein-Westfalen Gutes tut. Dann tut es weh, zu sehen, dass in den letzten zweieinhalb Jahren zweimal eine Machbarkeitsstudie zu Olympischen und Paralympischen Spielen gefordert wurde. Ansonsten haben Sie im Sport bisher nichts gefordert – schade.

Ganz kurz zu dem gemeinsamen Antrag für die Paralympischen/Olympischen Spiele für Nordrhein-Westfalen: Am Samstag war ich als einziger sportpolitischer Sprecher bei der paralympischen Gala. Frau Rücker hat es sehr gegrüßt. Wären Sie da gewesen, hätten Sie das Lob von Frau Rücker für unseren gemeinsamen Antrag mitbekommen. Aber Sie haben leider gefehlt.

(Zuruf von der SPD)

– Herr Weske war da, genau.

Sie haben kein Wort zum Sporthaushalt gesagt, weil Nordrhein-Westfalen einen so tollen Haushalt hat. Den möchte ich Ihnen kurz erläutern. Es gibt fast 287 Millionen Euro für den Sport in NRW. Das entspricht einem Plus von rund 65,5 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr. Meine Damen und Herren, diese Zahlen belegen eindrucksvoll: Wir reden nicht nur, wir packen an. Wir investieren in den Sport.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Davon profitieren die Sportvereine und die Sportverbände, die Sporttreibenden und die Sportbegeisterten, die Leistungssportler und die Breitensportler. Mit uns bleibt NRW Sportland Nummer eins. Unter Armin Laschet ist die Sportpolitik zur Chefsache geworden.

Im organisierten Sport herrscht Aufbruchsstimmung. Nach einer langen Flaute – ich würde sagen, über die letzten sieben Jahre – spürt der Sport in NRW den frischen Rückenwind aus Düsseldorf. Das Förderprogramm „Moderne Sportstätte 2022“ hat einen beeindruckenden Stapellauf hingelegt. Wir haben das Steuer herumgerissen und einen neuen Kurs gesetzt.

Die Sportorganisationen nutzen jetzt den lange Zeit schmerzlich vermissten finanziellen Gestaltungsspielraum und arbeiten gemeinsam an lokalen Umsetzungskonzepten. Ja, so sieht eine moderne und bedarfsgerechte Sportstättenentwicklung aus, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

Persönliche Leistungsbereitschaft und Teamgeist sind zentrale Erfolgsfaktoren im Sport und auch in der Sportpolitik. Ich möchte mich an dieser Stelle persönlich bei Staatssekretärin Andrea Milz für das tolle Teamwork bedanken.

Im gepflegten Doppelpassspiel mit der Abteilung Sport der Staatskanzlei haben wir schon einiges im Sport nach vorne gebracht: 50 Millionen Euro mehr für „Moderne Sportstätte 2022“, damit insgesamt 80 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. 1,4 Millionen Euro mehr für die Sportpauschale im GFG, die damit seit 2017 um fast 8 Millionen Euro erhöht werden konnte. 2 Millionen Euro mehr für Sportstätten mit herausragender Bedeutung für NRW im Hinblick auf die Fußball-EM 2022.

Wir sind stolz auf unser Sportland. Das Sportland NRW als Standort nationaler und internationaler Sportveranstaltungen weiterzuentwickeln, ist das erklärte Ziel unserer Landesregierung. Durch den Rückzug Hamburgs wurde uns früher als geplant die Gelegenheit gegeben, die Finals bereits 2020 nach NRW zu holen.

Beherzt hat die Landesregierung die Chance ergriffen und die in den Haushalt eingestellte Förderung von Sportgroßveranstaltungen noch einmal um 5,24 Millionen Euro auf insgesamt 7,2 Millionen Euro erhöht.

Ich bin mir sicher, dass sich diese Investition langfristig auszahlen und dass dies das Standing NRWs als leistungsfähiger Austragungsort herausragender Sportevents noch einmal merklich steigern wird. 2022 wird ein gutes Jahr für den Sport in NRW.

Der vorliegende Haushaltsentwurf bildet eine solide Basis, um unsere sportpolitischen Ziele in enger Abstimmung mit den Sportorganisationen unseres Landes zu erreichen. NRW, Sportland Nordrhein-Westfalen, wir halten Kurs. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich darf das Wort für die Fraktion der Grünen an die Abgeordnete Frau Paul weitergeben.

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will auch mit dem offensichtlich aktuellsten und heißesten sportpolitischen Thema, das NRW gerade beschäftigt, einsteigen: der Frage, ob und, wenn ja, wie und in welchem Zustand sich Nordrhein-Westfalen für Olympische und Paralympische Spiele 2032 bewerben wird. In welchem Zustand, Herr Kollege Nettekoven, das ist doch eigentlich die entscheidende Frage.

Sie ziehen es ein bisschen ins Lächerliche, dass die SPD-Fraktion jetzt schon mehrfach eine Machbarkeitsstudie beantragt hat. Sie haben diese jedes Mal mit dem Verweis, man könne doch jetzt nicht sagen, was man 2032 brauchen würde, abgelehnt. Glauben Sie denn, die Planung für Olympische Spiele 2032 kann man im Dezember 2031 machen?

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir müssen doch jetzt endlich auf den Tisch gelegt bekommen, was uns Olympische und Paralympische Spiele kosten werden und welche Infrastrukturmaßnahmen wir dafür noch umsetzen müssen.

Ich finde es einigermaßen erstaunlich, wenn Herr Mronz einerseits sagt, die schwarze Null würde auf jeden Fall stehen, das könne er jetzt schon sagen, während er andererseits erklärt, es sei unredlich, zum jetzigen Zeitpunkt schon genauere Kostenplanungen zu machen. Das ist eine Wundertüte, die ich nicht nachvollziehen kann. Entweder ist das eine oder das andere nicht richtig, oder er hat einen bemerkenswerten Taschenspielertrick, den ich auch gerne kennen würde.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir sind uns doch darin einig, dass Paralympische und Olympische Spiele für Nordrhein-Westfalen eine Chance darstellen können. Deshalb haben wir den gemeinsamen Antrag hier eingebracht, und deswegen haben wir ihn auch mit großer Mehrheit beschlossen.

(Beifall von Andreas Terhaag [FDP])

Wir haben das in großer Einhelligkeit miteinander diskutiert. Wir haben auch die entscheidenden Fragen, die jetzt zu klären sind, in den Antrag geschrieben. Das ist – vielleicht nicht zentral – der Begriff einer Machbarkeitsstudie. Das, was dahintersteckt, steht schon in dem Antrag, und das ist das Zentrale. Wir müssen uns jetzt darauf verständigen, was die Leitplanken sind, welche Infrastrukturmaßnahmen noch gemacht werden müssen, was das kostet.

Wir müssen die Kostentransparenz herstellen, weil wir doch – darauf haben wir uns in dem gemeinsamen Antrag verständigt – von Beginn an eine breite Bürgerbeteiligung haben wollen. Das funktioniert aber nur, wenn man Transparenz herstellt.

Ich verstehe, ehrlich gesagt, nicht, warum Sie Angst vor einer Machbarkeitsstudie haben. Die Dinge, die darin erörtert werden, sind doch das, was wir hier miteinander besprochen und verabschiedet haben. Wir brauchen jetzt Fleisch am Knochen. Wir müssen jetzt ernsthaft darüber sprechen, denn sonst wird sich Nordrhein-Westfalen nicht für Olympische und Paralympische Spiele bewerben – nicht 2032 und auch nicht danach.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich will aber auch noch zu anderen Punkten des Haushalts Stellung nehmen, denn es geht hier ja nicht nur um Zukunftsmusik für Olympische und Paralympische Spiele.

Kern der finanzpolitischen Entscheidungen im Sporthaushalt ist auch in diesem Jahr einmal mehr das Programm „Moderne Sportstätte 2022.“ 80 Millionen Euro für das Jahr 2020 sind im Grundsatz eine gute Nachricht für die Sportstätteninfrastruktur in Nordrhein-Westfalen. Das will ich im Grundsatz gar nicht kritisieren.

Kritisieren möchte ich, dass Sie die Förderung an den Kommunen vorbei gemacht haben. Die Förderung geht allein über die Bünde und Vereine, also allein über den organisierten Sport. Ich kann mir nicht helfen, aber aus meiner Sicht erklärt die Landesregierung hier eine Grundskepsis gegenüber der Sportpolitik auf kommunaler Ebene. Das finde ich ein schlechtes Zeichen für die kommunale Familie.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Thorsten Schick [CDU])

Es sind nicht zuletzt die Kommunen, die zu 80 % die Sportförderung in diesem Land aufbringen. Sie sind damit der stärkste Träger des Sports. Warum die Landesregierung so misstrauisch gegenüber der kommunalen Sportpolitik ist, erschließt sich mir nicht.

Auch in einem anderen Bereich darf man die kommunale Verankerung der Sportpartei CDU und der Sportpartei FDP hinterfragen. Denn nach wie vor steht im Raum, dass die gegenseitige Deckungsfähigkeit der Pauschalen im GFG zu einer Kannibalisierung der Fachbereiche führt.

Sie haben das Windhundprinzip zu einem neuen Prinzip der Fachpolitik erhoben: Wer am lautesten schreit – das haben Sie damals auch im Interview gesagt –, kriegt mehr Geld. Das Windhundprinzip ist an die Stelle einer nachhaltigen Sportentwicklungsplanung vor Ort getreten. Da waren wir schon einmal wesentlich weiter.

(Beifall von den GRÜNEN)

Leider kann die Landesregierung die Wirksamkeit dieser Politik nicht nachweisen. Sie behaupten, von der gegenseitigen Deckungsfähigkeit würde der Sport profitieren. Wir haben mehrfach gefragt, ob Sie das mit konkreten Zahlen belegen könnten. Ihre Antwort war: Nein, leider nicht, diese Zahlen können wir von den Kommunen nicht erheben.

Das heißt, unterm Strich bleibt: Sie behaupten etwas und kennen die Wirksamkeit nicht. Ich glaube, dass der Sport davon nicht profitiert. Denn wenn es durch die Schuldecke hereinregnet, dann erneuert man doch nicht zuerst den Boden in der Turnhalle.

Zur Frage der Selbstverzwergung: Es wird ja immer gesagt, Sport sei jetzt Chefsache, und die Selbstverzwergung werde beendet. Dann frage ich mich doch, wann endlich die große Offensive des Ministerpräsidenten kommt, wann die Länder endlich mehr Geld vom Bund für ihre Sportstätteninfrastruktur bekommen.

Das Bäderprogramm ist 17-fach überzeichnet. 10 von 60 Anträgen in Nordrhein-Westfalen wurden genehmigt. Wenn wir wirklich Sportland Nummer eins sein wollen, wenn wir nicht ein Zwerg in Berlin sind und wenn Sport Chefsache ist, dann erwarte ich von dieser Landesregierung, dass ernsthaft etwas passiert, dass sich der Bund stärker finanziell engagiert.

Präsident André Kuper: Die Redezeit.

Josefine Paul (GRÜNE): Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Terhaag das Wort.

Andreas Terhaag (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, nicht ohne Stolz sagen zu dürfen: Die letzten zwei Jahre waren gute Jahre für den Sport in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wie auch in den zurückliegenden zwei Jahren werden wir mit unserem Haushaltsentwurf 2020 dafür sorgen, dass das nächste Jahr ein weiteres gutes Jahr für den Sport wird. Denn im nächsten Jahr steigern wir die Ausgaben für den Sport erneut um 60 Millionen Euro auf nun über 280 Millionen Euro. Im Länderranking nehmen wir damit dauerhaft einen vorderen Platz ein.

Deshalb bin ich auf unser Sportland und die fast 5 Millionen Sportlerinnen und Sportler in den rund 19.000 Vereinen mit ihren unzähligen ehrenamtlichen Kräften sowie die zahlreichen Verbände stolz. Denn nur aufgrund dieses festen und stabilen Fundamentes verfügt unser Land über so zahlreiche Leistungssportlerinnen und ‑sportler sowohl in olympischen als auch paralympischen Disziplinen sowie in den modernen Trendsportarten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, traditionell fördert und unterstützt Nordrhein-Westfalen den Breiten- wie auch den Leistungssport in einem ausgewogenen Verhältnis. Beide Bereiche sind aufeinander angewiesen. Denn nur mit einer guten Breitensportbasis können sich Athleten im Leistungssport entwickeln, und umgekehrt führt erfolgreicher Leistungssport auch zu höherer Nachfrage im Breitensport.

Es ist allerdings immer noch viel zu tun. Denn wir wollen insgesamt eine deutliche Situationsverbesserung erreichen. Dafür haben wir uns im Besonderen drei Großprojekte vorgenommen: erstens unser bereits erwähntes Sportstätten-Infrastrukturprogramm, zweitens den Aktionsplan „Schwimmen lernen in Nordrhein-Westfalen“ und drittens den Aktionsplan „Sport und Inklusion in Nordrhein-Westfalen“.

Alle diese Projekte bilden sich im kommenden Sporthaushalt ab. Der größte Aufwuchs des Sporthaushaltes für das nächste Jahr basiert mit 50 Millionen Euro auf der Mittelbereitstellung zur Durchführung des Landesprogramms „Moderne Sportstätte 2022“, unserem Großprojekt Nummer eins.

Das umfangreiche und – wir haben es schon mehrmals gehört – unbürokratische Infrastrukturprogramm für unsere Vereine ist zum Selbstläufer geworden. Unser Förderprogramm erfreut sich größter Nachfrage bei den Vereinen. Grund hierfür – auch das haben wir gehört – sind die vielen Sportstätten, die sich in einem schlechten baulichen Zustand befinden, da Erhaltungs- und Erneuerungsinvestitionen in der Vergangenheit nur unzureichend durchgeführt werden konnten.

Wiederum andere Sportstätten entsprechen heutzutage nicht mehr dem modernen Sportsgeist. Denn auch die Bedürfnisse der Sportlerinnen und Sportler haben sich verändert. Es gibt neue, moderne Trendsportarten, die neuartiger Sportstätten bedürfen. Dazu kommt noch ein verändertes Sportverhalten von Jung und Alt, Menschen mit und ohne Handicap oder Personen mit Migrationshintergrund.

Unterstützt wird dieses Programm für die Kommunen durch die fortlaufende Dynamisierung der Sportpauschale. So hat sich die Sportpauschale seit unserer Regierungsübernahme vor zwei Jahren um rund 8 Millionen Euro auf 58 Millionen Euro erhöht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das Programm „Moderne Sportstätte 2022“ und die Dynamisierung der Sportpauschale erzeugen vor Ort einen spürbaren Nutzen bei den Bürgerinnen und Bürgern.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Das ist der Grundstein für unser Langzeitvorhaben, nämlich eine Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2032 in der Metropolregion Rhein-Ruhr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Plenarwoche haben wir mit breiter Landtagsmehrheit die Bewerbungsbestrebungen für Olympische und Paralympische Spiele in NRW unterstützt. Nun gilt es, in einen Bürgerdialog einzutreten und die Bürger für das größte internationale Sportfest zu begeistern.

Eine breite Unterstützung bei den Bürgerinnen und Bürgern erreichen wir nur dadurch, dass auch sie einen persönlichen Mehrwert durch die Ausrichtung des weltweit größten Sportevents erkennen und erfahren werden. Das Programm „Moderne Sportstätte 2022“ – gepaart mit den beiden Aktionsplänen – ist sozusagen als Motivationsspritze für Olympia zu sehen.

Wir müssen für die Bürgerinnen und Bürger sicherstellen, dass unser Land der Herausforderung der Realisierung eines solchen Megasportevents gewachsen ist. Deshalb beweisen wir schon jetzt unser Können bei der Ausrichtung zahlreicher sportlicher Großveranstaltungen im nächsten Jahr.

Dazu zählen zum Beispiel die Finals 2020 an Rhein und Ruhr. Jetzt gilt es, in wenigen Monaten dieses Multisportevent zu planen und zu organisieren. In Anbetracht dieser kurzen Zeit ist das eine große Herausforderung, der sich die Landesregierung stellt.

Wir lassen sie dabei nicht im Stich und freuen uns, 4 Millionen Euro in die Sportwettkämpfe zu investieren. Denn der Mehrwert wird ein deutlich größerer sein. So wird NRW bereits im nächsten Jahr bei dieser nationalen Olympiade im medialen Rampenlicht stehen. Das ist eine wichtige Blaupause für mögliche Olympische und Paralympische Sommerspiele 2032.

Deshalb stimmen wir dem Einzelplan 02 zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Terhaag. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Keith.

Andreas Keith (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich heute zum Haushalt äußern, lieber Herr Nettekoven. Jetzt bin ich doch etwas überrascht, dass alle zu Olympia gesprochen haben.

(Jens-Peter Nettekoven [CDU]: Ich nicht!)

– Ich schon. – Nichtsdestotrotz: Sie alle wollen Olympia. Ja, Sie alle wollen Olympia. Sie haben einen Antrag dazu ausgearbeitet und dem Plenum vorgelegt. Sie haben mit breiter Mehrheit beschlossen, dass Sie die Bewerbung um die Olympischen Spiele vorantreiben möchten.

Dazu werden tolle Veranstaltungen in Berlin durchgeführt. Es werden die Oberbürgermeister und andere Repräsentanten aus Nordrhein-Westfalen in die Landesvertretung nach Berlin beordert, um entsprechende Interessenarbeit zu tätigen. So weit, so gut.

Aber woher kommt das Interesse an dieser Bewerbung? Sie sagen immer: aus der Mitte der Gesellschaft. Was ist denn die Mitte der Gesellschaft? Die Mitte der Gesellschaft sind 14 Oberbürgermeister, diverse Vertreter von Industrie und Wirtschaft und ein Sportevent-Manager, der davon lebt, große Sportevents auszurichten. Das ist zuerst einmal die Mitte der Gesellschaft.

Wenn Sie die Meinung der Gesellschaft, der Bürger dieses Landes, haben wollen, dann fragen Sie sie doch. Dann schaffen Sie so, wie wir das im Sportausschuss angeregt haben, die rechtlichen Möglichkeiten einer Volksbefragung. Fragen Sie die Menschen da draußen, ob sie die Olympischen Spiele 2032 möchten. Dann haben sie auch einen offiziellen Auftrag und können ganz offiziell mit dem entsprechenden Sportmanager arbeiten und Vorkehrungen für eine erfolgreiche Bewerbung um die Olympischen Spiele 2032 treffen.

(Beifall von der AfD)

Die Kinder hier in Nordrhein-Westfalen interessiert im Übrigen Ihre Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2032 nicht. Die Kinder und Jugendlichen, die Sportler dieses Landes, interessiert, warum ihre Sportstätten nicht so hergestellt werden, dass sie sie wieder einwandfrei benutzen können. Die Kinder, die Jugendlichen und die Menschen in diesem Land fragen sich, warum die entsprechenden Bewegungsräume – zum Beispiel Parks, Bolzplätze oder Kinderspielplätze – nicht in dem Zustand sind, in dem sie eigentlich sein sollten, warum sie immer weiter verwahrlosen und warum diese Begegnungsorte manchmal auch für Dinge benutzt werden, die nicht selten kriminellen Machenschaften ähneln.

Ob beim Verkehr, der Bildung oder in unserem Fall der Sportinfrastruktur – es mangelt und bröckelt an allen Ecken und Enden. Wir leben von der Substanz und fahren auf letzter Reserve. Es fehlt der politische Wille, endlich eine ernsthafte und schonungslose Inventur durchzuführen.

Sehr geehrter Herr Bischoff, Sie sprachen von einer Machbarkeitsstudie für die Olympischen Spiele. Ich und wir als AfD-Fraktion sagen: Gehen wir einen Schritt zurück und fragen doch erst einmal in Nordrhein-Westfalen nach, wie viele Sportstätten es gibt und in welchem Zustand selbige sind.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Und wessen Verantwortung das ist!)

Das ist doch die Frage, die wir uns stellen müssen, bevor wir überlegen, eine Machbarkeitsstudie zu initiieren.

In den letzten zweieinhalb Jahren haben wir die Landesregierung immer wieder gefragt, wie es mit unseren Sportstätten in Nordrhein-Westfalen aussieht. Es gab keine Antwort. Das war unter anderem bei den Schwimmbädern der Fall. Da lautete die Ausrede: Die Schwimmbäder sind in kommunaler Selbstverwaltung oder haben private Betreiber; dazu können wir nichts sagen.

Sie sind jetzt seit zweieinhalb Jahren an der Regierung. Sie hätten doch einmal nachfragen können. Dann hätte man erfahren können, in welchem Zustand sich unsere Schwimmbäder und die Sportinfrastruktur insgesamt befinden.

Dabei – das ist das Interessante – sind alle Akteure in diesem Handlungsfeld, beginnend beim Landessportbund bis hin zur Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, daran interessiert, diese Daten zu erfahren. Es ist schließlich nicht das persönliche Interesse der AfD, zu wissen, wie es da aussieht. Nein, alle beteiligten Akteure sagen in allen Studien immer wieder dasselbe: Ermittelt bitte, wo wir mit unseren Sportstätten in Nordrhein-Westfalen stehen. Wie sieht es hier mit der Sportinfrastruktur aus?

Warum wollen wir das wissen? Weil wir unfassbar viel Geld in die Hand nehmen müssen. Die Schätzungen gehen von 3 Milliarden Euro bis hin zu 6 Milliarden Euro.

Ja, das Programm „Moderne Sportstätte 2022“ ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Es ist aber viel zu wenig, um die Probleme, die wir hier in Nordrhein-Westfalen mit der Sportinfrastruktur haben, zu lösen.

Noch ein kurzer Satz zu den Ehrenamtlern, die hier permanent erwähnt werden: Ja, deren Leistung gilt es zu loben – ob das aus der Staatskanzlei passiert oder aus einem Ministerium.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Andreas Keith (AfD): Dieser Haushaltsentwurf ist definitiv nicht geeignet, dem gerecht zu werden, was unsere Ehrenamtler hier in Nordrhein-Westfalen in den Tausenden Sportvereinen leisten. Denn ohne diese Leistung wäre hier in Nordrhein-Westfalen Schicht im Schacht. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Keith. – Für die Landesregierung spricht jetzt der Ministerpräsident.

Armin Laschet, Ministerpräsident: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nordrhein-Westfalen ist Sportland Nummer eins und soll das auch bleiben. Deshalb haben wir mit „Moderne Sportstätte 2022“ ein nie da gewesenes Investitionsprogramm geschaffen. Dieses Programm erfährt viel Zulauf. Wir befinden uns bereits in der Umsetzung. Im kommenden Jahr sollen 80 Millionen Euro der insgesamt 300 Millionen Euro verausgabt werden.

Frau Paul, wenn man auf das Ehrenamt und auf Vereine setzt, ist das keine Misstrauenserklärung gegenüber Kommunen. Auch die Kommunen erhalten in der Gemeindefinanzierung für Sportstätten mehr Geld. Aber wir halten es für den richtigen Ansatz, einfach einmal Menschen im Ehrenamt und im Verein anzuerkennen, ohne wieder Räte oder andere Akteure daran zu beteiligen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Josefine Paul [GRÜNE]: Ja, genau! Dieser Gedanke ist bei öffentlichen Ausgaben natürlich absurd!)

Das ist die Idee dahinter.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! – Josefine Paul [GRÜNE]: Die Kommunen sind unwichtig? Das betrifft doch die Kommunen!)

– Frau Paul, noch einmal ganz langsam, bitte. Dann verstehe ich Sie auch. Ich habe Sie gerade nicht verstanden. – Wir setzen auf Vereine. Es ist an Vereine gerichtet. Punkt.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE] – Gegenruf von Dietmar Brockes [FDP])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Ministerpräsident, darf ich Sie kurz unterbrechen?

Armin Laschet, Ministerpräsident: Wir haben Tausende von Leuten nicht beteiligt. Wir haben auch die Bundesregierung, den UN-Sicherheitsrat und sonst wen nicht beteiligt. Wir wollten einfach direkt an die Vereine herangehen. Sie können die Anträge stellen. Das war die Idee.

(Beifall von der CDU und der FDP – Josefine Paul [GRÜNE]: Das steht dann ja so im Protokoll!)

Jetzt ein Zweites.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Herr Ministerpräsident. Bevor Sie zu Ihrem zweiten Punkt kommen: Herr Mostofizadeh von Bündnis 90/Die Grünen würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Armin Laschet, Ministerpräsident: Bitte.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Ministerpräsident, vielen Dank dafür, dass Sie die Frage zulassen. – Sie ziehen das Ganze mit „UN-Sicherheits-rat“ usw. ein bisschen ins Lächerliche.

(Armin Laschet, Ministerpräsident: Das tut mir leid!)

Vorweg möchte ich ausdrücklich loben, dass die 300 Millionen Euro bereitgestellt werden; da besteht kein Zweifel.

Ich komme aus einer Stadt, in der es mit großem Konsens mit Ihrer Partei zusammen funktioniert hat, einen Masterplan Sport aufzustellen, gemäß dem die Kommune über mehrere Jahre ausdrücklich Sportinfrastrukturmaßnahmen gefördert hat – im Konsens mit dem Essener Sportbund. Jetzt zu sagen, es sei nicht nötig, die Kommunen zu beteiligen, halte ich für eine für den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen etwas eigenwillige demokratische Sichtweise.

(Heiterkeit von Sven Wolf [SPD] – Widerspruch von der CDU)

Würden Sie mir da zustimmen, Herr Ministerpräsident?

Armin Laschet, Ministerpräsident: Lieber Herr Mostofizadeh, Sie haben gerade Essen gelobt. Ich sage Ihnen persönlich: Das liegt daran, dass Essen einen exzellenten Oberbürgermeister hat.

(Beifall von der CDU und Andreas Terhaag [FDP] – Heiterkeit von der SPD)

Insofern ist dieses Lob an die Stadt Essen …

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Jetzt zur Sache selbst.

(Zuruf von Frank Müller [SPD])

Ich habe doch nur gesagt: Wenn man sich an Vereine richtet – das ist doch das Einzige –, kommt das nicht direkt einer Misstrauenserklärung gegenüber all jenen, die sich in den Kommunen bemühen, gleich. Vielmehr ist es an jene gerichtet, die eine solche Leistung im Ehrenamt erbringen. Das war die Idee – nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Vereine aus Essen, die es beantragen, werden das sicher im Konsens mit dem Sportbereich und den anderen Stellen, mit denen man in Essen kooperiert, also mit der Stadt gemeinsam, besprechen. Das ist doch völlig klar.

Dazu muss ich noch sagen: Ich habe die Rolle, hier zu sprechen, weil wir nicht das Instrument der Parlamentarischen Staatssekretäre haben. Insofern muss und darf ich sprechen.

(Michael Hübner [SPD]: Einen haben wir!)

Eigentlich hätte aber über alles das, was ich hier vortrage, Andrea Milz zu sprechen, die einen super Job in diesem Ressort macht und hier gerne selber vortragen würde.

(Beifall von der CDU, der FDP und Andreas Keith [AfD] – Zuruf von Frank Müller [SPD])

Meine Redezeit verrinnt. – Wir haben bei der Modernisierung der Sportschulen mit zusätzlichen 2 Millionen Euro etwas geleistet, das es ermöglicht, dass Nordrhein-Westfalen Gastgeber der Europameisterschaft 2024 sein kann. Europäische Top-Teams haben dann optimale Trainings- und Aufenthaltsbedingungen.

Wir haben die Strukturen in der Leistungssportförderung geschärft und optimieren sie weiter. Wir haben drei Olympiastützpunkte zu einem zusammengefasst, die Förderung der Trainerinnen und Trainer verbessert und ein neues Talentsichtungs- und Talentförderkonzept entwickelt.

Darüber hinaus widmet sich Andrea Milz sehr stark dem Programm „Schwimmen lernen in Nordrhein-Westfalen“.

Der Aktionsplan „Sport und Inklusion in Nordrhein-Westfalen“ soll noch mehr Menschen mit einem Handicap in den Sport mit einbeziehen.

Die administrativ deutlich vereinfachte Abwicklung unseres Programms „1.000x1.000“ für insgesamt fast 2.400 Sportvereine – so viele wie nie zuvor – soll ebenfalls mit zur Entbürokratisierung im Sport beitragen.

Wir haben international hohes Ansehen. Wir haben mit dafür gesorgt, dass das Internationale Paralympische Komitee in Nordrhein-Westfalen, in Bonn, bleibt. Das war ein harter Wettbewerb, weil viele es abwerben wollten. Es sitzt jetzt in der alten Landesvertretung in Bonn. Wir haben die Nationale Anti-Doping Agentur Deutschland ebenfalls bei uns.

Darüber hinaus haben wir auch 2020 große Sportereignisse mit der Parakanu-WM in Duisburg, der Hockey Pro League in Mönchengladbach, dem Tischtennis World Cup in Düsseldorf und – das ist ganz besonders schön – den Finals 2020 an Rhein und Ruhr, einem attraktiven Multisportevent mit 15 Deutschen Meisterschaften.

Zu dem Thema „Olympische Spiele“ ist bereits vieles gesagt worden. Herr Bischoff, Sie reduzieren das ausschließlich auf die Machbarkeitsstudie. Irgendwann wird man auch die Machbarkeitsstudie machen. Wir diskutieren doch nur über die Frage: Ist das jetzt sinnvoll, oder ist das jetzt nicht sinnvoll? Wartet man noch weitere Entscheidungen ab?

Einen Satz von Ihnen teile ich nicht. Sie haben gesagt, eine Privatinitiative stehe immer im Verdacht, Eigeninteressen zu verfolgen. Nein, unser Verständnis ist: Privatinitiative ist eigentlich etwas Gutes. Wenn jemand mit einer Privatinitiative beginnt, 14 Städte zusammenbringt, die da mitmachen, und viele Menschen begeistert, ist das manchmal besser. Ich prophezeie Ihnen: Wenn die Landesregierung gesagt hätte, dass wir Olympische Spiele wollen, und ich dann auf 14 Oberbürgermeister zugegangen wäre, wäre die Zurückhaltung größer gewesen, weil es dann leicht unter dem Verdacht einer Parteipolitik gestanden hätte. Deshalb ist es für die Sache gut, dass das Ganze von unten gewachsen ist.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn der Zeitpunkt da ist – und er wird kommen –, wird es eine Machbarkeitsstudie geben. Ich glaube nicht, dass bis Ende 2019 eine Entscheidung fällt. Ich bin auch nicht sicher, ob sie rund um Tokio kommt. Wie Sie wissen, lässt das Internationale Olympische Komitee jetzt auch Verhandlungen zu, sodass es nicht ein konkretes Enddatum geben wird. Aber wenn es so nah ist, dass wir die Machbarkeit auch noch einmal objektiv nachweisen müssen, dann werden wir das machen. Für das Haushaltsjahr 2020 haben wir es nicht vorgesehen.

Insofern hoffe ich, dass der ansonsten große sportpolitische Konsens im Landtag auch im Jahre 2020 trägt. Denn in Sportvereinen sind Menschen aller Parteien tätig. Dass wir das im Landtag durch die Art, wie wir diskutieren, widerspiegeln, ist ein Dienst am Sport. – Vielen Dank.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Ministerpräsident, bevor Sie gehen – ich wollte Sie nicht unterbrechen oder konnte Sie nicht unterbrechen –: Herr Kollege Keith von der AfD würde Ihnen gerne eine Frage stellen.

Armin Laschet, Ministerpräsident: Das ist zu spät. Die Rede ist zu Ende.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Okay. Alles klar. Mein Fehler.

Gibt es den Wunsch nach weiteren Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich an dieser Stelle die Aussprache zum Teilbereich c), Sport, im Einzelplan 02, den wir gerade debattieren.

Ich rufe den letzten Teilbereich dieses Einzelplans auf:

 

d) Medien

Ich eröffne die Aussprache. Herr Kollege Vogt von der SPD-Fraktion hat das Wort.

Alexander Vogt (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Oma wäre heute 106 Jahre alt. Sie machte sich nicht viel aus Schnickschnack. Aber zu besonderen Anlässen trug sie immer eine Perlenkette mit dicken runden Perlen. Sie trug sie immer voller Stolz. Diese Kette wurde natürlich nicht alle Tage aus der Schublade geholt.

Auch Medienminister Laschet hatte mit Stolz eine Perlenkette an Medienveranstaltungen angekündigt – eine Perlenkette, die das Medienforum NRW ersetzen sollte, einen der bedeutendsten Medienkongresse in Deutschland, der seit Amtsantritt der schwarz-gelben Landesregierung aber nicht mehr stattfindet. In diesem Jahr hätte das Medienforum NRW 30-jähriges Jubiläum gefeiert. Aber CDU und FDP haben einfach den Vorschlaghammer genommen und die renommierteste medienpolitische Veranstaltung unseres Landes zerschlagen.

(Michael Hübner [SPD]: So ist es!)

Stattdessen verteilt Medienminister Laschet nun freigiebig sechsstellige Beträge an verschiedene, aber längst bestehende Medienveranstaltungen in NRW, die teilweise mit Landespolitik überhaupt nichts zu tun haben.

Das Global Media Forum in Bonn gehört beispielsweise hierzu, eine zweifellos gute Veranstaltung, aber mit internationaler Ausrichtung, die bereits vom Auswärtigen Amt und vom Entwicklungshilfeministerium gefördert wird.

Aber mehr geht immer, denkt sich anscheinend der Ministerpräsident und überschüttet das internationale Veranstaltungsformat gönnerhaft mit zusätzlichen 600.000 Euro. Mit welchem Nutzen für Nordrhein-Westfalen? Nur damit Armin Laschet eine 15-minütige Rede halten durfte! 15 Minuten für so viel Geld: Das ist Bares für Rares, Herr Laschet.

(Beifall von der SPD)

Beim Global Media Forum im nächsten Jahr sollte uns die Landesregierung deutlich bessere Argumente liefern, warum das Geld des Medienhaushaltes hier gut investiert sei – bessere Argumente als ein paar Minuten Scheinwerferlicht für den Ministerpräsidenten.

Was ist nun aus der angekündigten neuen Veranstaltungsreihe oder dem neuen Konzept für das ehemalige Medienforum geworden? Lediglich – das muss ich zugestehen – eine kleine Perle konnten Sie mit dem Mediengipfel vorstellen. Das ist durchaus eine gute Veranstaltung, aber eine sehr exklusive für einen kleinen Kreis, die bei Weitem nicht das Format des Medienforums mit über 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im wichtigsten Medienland der Republik hat.

Dabei sind große gesellschaftliche Debatten in diesem Land dringend notwendig. Die fortschreitende digitale Entwicklung mit täglich neuen Herausforderungen und der wegbrechende Zeitungsmarkt sind nur einige Themen, die dringend bearbeitet werden müssen.

Wir als SPD-Fraktion wollen die Medienpolitik in NRW tatsächlich gestalten und verbessern. Wir machen uns für die Medienvielfalt in unserem Land stark. Diese fängt vor Ort an. Die 44 lokalen Radiosender in Nordrhein-Westfalen von Antenne Münster über Radio Herne bis Welle Niederrhein leisten einen enorm wichtigen Beitrag dazu, dass wir Medienvielfalt in diesem Land haben. Damit wissen wir, was bei uns vor Ort passiert und dass die Politik vor Ort ausreichend kontrolliert wird. Wir wollen die Meinungsbildung eben nicht Google, YouTube oder Facebook überlassen.

Wie kann eine Landesregierung das aufs Spiel setzen und einfach die Hände in den Schoß legen? Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, schauen einfach weg, wenn Verlagshäuser die Redaktionen der Sender infrage stellen. Gleichzeitig sitzt doch mit Herrn Holthoff-Pförtner einer der größten Verleger dieses Landes mit Ihnen am Kabinettstisch.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Seit 2017 kündigen Sie, Herr Laschet, und auch Herr Liminski, eine „Radiostrategie 2022“ an. Jetzt haben wir bald 2020, und Sie haben immer noch nicht mehr als leere Worte geliefert. Soll „Radiostrategie 2022“ vielleicht heißen, dass sie erst 2022 – nach dem Regierungswechsel, nach der Landtagswahl – kommen soll?

Wir jedenfalls haben mit unserem Änderungsantrag für den Einstieg der lokalen Radiosender in DAB+ geworben. Wir haben ein Bekenntnis abgelegt. Wir wollen mit dieser Förderung, die wir beantragt haben, nicht nur bestehende lokale Radiosender, sondern auch neue Projekte in NRW und aus NRW heraus entstehende Projekte im Digitalradio fördern.

Meine Oma hätte gesagt: Nicht nur reden, sondern machen. – Das ist auch die Aufforderung an Sie: Tun Sie etwas mit dem Geld, das Sie zur Verfügung haben. Machen Sie nicht nur das Bestehende besser, sondern entwickeln Sie auch neue Ideen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Stullich.

Andrea Stullich (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf für den Medienhaushalt umfasst den vergleichsweise kleinen Ansatz von 33 Millionen Euro. Aber das ist eine Summe, die im Medien-Digital-Land NRW größtmögliche Wirkung entfaltet, eine Summe, die genau dieses Profil als Medien-Digital-Land weiter schärft, nunmehr schon im dritten Jahr.

Dieser Erfolg hat viele Aspekte. Die Games-Branche wird weiter intensiv gefördert, zum Beispiel durch den Aufbau des Games-Kompetenzzentrums als gemeinsamer Entwicklungsplattform für Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung und Politik. Die Rahmenbedingungen für die Film- und Fernsehwirtschaft werden weiter verbessert.

Die Film- und Medienstiftung als zentrale Förderagentur hat ihre Förderbereiche um Games-, Web- und crossmediale Inhalte erweitert. Deshalb ist es gut, dass die Film- und Medienstiftung zu einer der am besten aufgestellten Förderungseinrichtungen in Deutschland zählt.

Sehr positiv bewerten wir auch die Stärkung der internationalen filmschule köln; denn dort können jetzt drei zusätzliche Professuren eingerichtet werden, und zwar für die neuen Masterstudiengänge „Films“, „Entertainment“ und „3D Animation“.

Ein weiteres wichtiges Projekt – Herr Vogt, da muss ich Ihnen deutlich widersprechen – ist die Neuausrichtung der Medienveranstaltungen in Nordrhein-Westfalen. Moderne Formate verbessern Debattenkultur, Vernetzung und Innovationen. Sie bringen Medienschaffende und Wirtschaft zusammen,

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

und zwar genau mit den Formaten, die für die unterschiedlichen Zielgruppen wichtig sind. Die Formate sprechen ganzjährig passgenau diese Zielgruppen an.

Diese Strategie der Landesregierung unterstützen wir ausdrücklich. Auch die Branche nimmt das sehr positiv wahr. Es gilt, wie der Ministerpräsident letzte Woche beim Mediengipfel selbst gesagt hat: Medienforum ist jetzt das ganze Jahr, und das ist auch gut so.

(Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir freuen uns außerdem darüber, dass Bund, Länder und Filmwirtschaft die Digitalisierung des nationalen Filmerbes ans Laufen gebracht haben. Nordrhein-Westfalen leistet dazu einen erheblichen Beitrag von 700.000 Euro.

Weil Filme zur Kultur gehören – zu Medien natürlich auch –, werden CDU und FDP noch einen Änderungsantrag zum Haushalt einbringen. Es geht um den Beitrag unseres Landes zum bundesweiten Zukunftsprogramm Kino. Wir wollen Kinos darin unterstützen, zu modernisieren und zu digitalisieren, in Marketing und Infrastruktur zu investieren, gerade auch im Hinblick auf die wachsende Konkurrenz durch Streamingdienste. Denn Kinos sind nicht nur Orte, an denen man gemeinsam richtig gute Filme schaut – viele davon kommen ja aus Nordrhein-Westfalen –, sondern auch Kulturorte und Orte der Begegnung.

Das Bundesprogramm soll bereits im Januar 2020 starten. Wir wollen, dass sich Nordrhein-Westfalen daran mit 1 Million Euro beteiligt. Zielrichtung sind Kinos im ländlichen Raum und Filmkunstkinos in den Städten. Auch das ist ein guter Impuls für unser Land.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir noch einige Worte zur Finanzierung der Landesmedienanstalt. Seit 2016 hat die LfM weniger Geld aus Beitragsmitteln erhalten. Dabei hat sie aber immer mehr Aufgaben bekommen, unter anderem im Bereich der Förderung von Medienkompetenz. Und die LfM treibt wichtige Zukunftsthemen voran – maßgeblich hier in Nordrhein-Westfalen, aber auch bundesweit und in Europa.

Es ist daher richtig und notwendig, dass die Landesregierung den Finanzierungsanteil der LfM über den Rundfunkbeitrag wieder um 1,5 Millionen Euro erhöhen will. Durch die Veränderung im sogenannten Vorwegabzug, die der Haushalt vorsieht, bekommt die LfM jetzt wieder die Finanzmittel, die sie für ihre vielfältigen Aufgaben benötigt. Das ist auch in mehreren Sitzungen der Medienkommission, zuletzt am letzten Freitag, ausdrücklich von verschiedenen Seiten sehr begrüßt worden.

Mit diesen Mitteln soll die Landesmedienanstalt unter anderem innovative digitaljournalistische Projekte fördern, und zwar ganz konkret die technologische Entwicklung von innovativen lokalen Medienprodukten. Das ist sinnvoll; denn mancher Lokalsender tut sich noch schwer mit einer Digitalstrategie, die auch finanziell auskömmlich ist.

Solche Fördermaßnahmen, die Innovationen voranbringen, sind für unsere „Radiostrategie 2022“ wichtig; denn wir wollen, dass die Lokalradios nicht nur redaktionell, sondern auch wirtschaftlich unabhängig bleiben.

Meine Damen und Herren, mit dem Medienhaushalt 2020 entwickeln wir unsere Strategien und Konzepte weiter, die wir vor zweieinhalb Jahren vor allem für die Film- und Fernsehwirtschaft und für die Games-Branche gestartet haben.

Wir gestalten Modernisierung, wir schaffen Raum für Innovation und Vernetzung, wir investieren in Kinos und in das digitale Filmerbe. Schritt für Schritt wird der Medienstandort Nordrhein-Westfalen zum Mediendigitalland Nummer eins. Deshalb bitten wir sehr um Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Stullich. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Oliver Keymis.

Oliver Keymis (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, die Medienpolitik ist ja auch Ihre Baustelle. – Da haben Sie heute ja einen richtigen Großkampftag mit so vielen kleinen Baustellen. Aber es sind wichtige Baustellen.

Mir wurde gerade von meiner Fraktion gesagt: „Fang nicht wieder damit an, zu sagen, dass wir, Rot-Grün, schlecht waren und die anderen gut!“, wie ich es in meiner offenen Art als Oppositioneller manchmal tue. In diesem Fall sage ich mal: Hier ist es interessant, dass Sie auf dem aufbauen, was Rot und Grün in all den Jahren so wunderbar und vernünftig medienpolitisch aufgebaut haben. Und das finde ich auch gut.

Insofern kann man klar sagen: Wir haben eine Medienpolitik, die sich fortsetzt.

An bestimmten Stellen ist das nicht der Fall; das Beispiel des Medienforums ist vom Kollegen Vogt vorhin schon angesprochen worden. Da will ich mal wieder auf meine Kosten einen Witz wagen: Am Ende war das oft ein Forum, bei dem die meisten sich dort trafen, wo es Eis umsonst gab. Es war in so einer Kiste, und da sind Herr Nückel und ich immer mit den Köpfen aneinander gestoßen, wenn wir hineingegriffen haben. – Dieses Forum war am Ende nicht mehr das, was wir alle uns vorgestellt haben. Und deshalb ist es gut, wenn nach neuen Formen gesucht wird. Jede Landesregierung hätte die Aufgabe gehabt, dies zu tun, und Sie bemühen sich auch darum.

Ob deswegen in NRW das ganze Jahr über Medienforum ist, Frau Stullich, wage ich zu bezweifeln. Ganz so sehe ich es nicht.

(Thomas Nückel [FDP]: Es gibt auch nicht das ganze Jahr eine Eisbox!)

Wenn Treffen stattfinden, sind sie aber immer wichtig.

Ich darf offen sagen: Ich fand den ersten Mediengipfel ausgesprochen interessant, Herr Ministerpräsident. Er war aufschlussreich, und man konnte mit interessanten Gästen zu Diskussionen kommen, die wir zu diesen Themen sonst nicht so häufig führen können. Das gilt insbesondere für die Schnittstelle von Medienpolitik und Digitalisierung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Josef Hovenjürgen [CDU]: Einer muss ja klatschen!)

Ich will darauf hinweisen, dass es im Wesentlichen bei der Medienpolitik des Landes um eine insgesamt relativ geräuschlose und durchaus nicht ineffiziente Politik geht. Es ist eine Politik, die insbesondere mit Blick auf die Bundesratsinitiative zum gemeinnützigen Journalismus auch von uns Grünen klar unterstützt wird.

Wir sprechen uns, wie wir es schon immer getan haben, für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus.

Deshalb bin ich gespannt auf die weitere Debatte und darauf, wie seitens der Koalitionsfraktionen über die Auswertung des Gutachtens zu den Werbezeiten und die damit verbundenen Einnahmen und Ausgaben gesprochen wird und wie mit Blick auf den WDR die entsprechenden Änderungen vorangebracht werden. Denn zumindest bei uns wird über eine etwas andere Strategie diskutiert, als wir sie zuvor verfolgt haben. Das Gutachten hat uns natürlich auch Fakten beschert, auf die man meiner Meinung nach politisch reagieren muss.

Ein gewisses Problem hat der Ministerpräsident natürlich; denn er hat mit Herrn Nückel von der FDP einen Mann in den Koalitionsfraktionen, der sich bezüglich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemeinsam mit einem Kollegen aus Schleswig-Holstein ausgesprochen anders äußert, als es ansonsten in vielen Teilen der FDP und in allen anderen mir bekannten Parteien mit Ausnahme der AfD der Fall ist.

Die AfD spielt an der Stelle eine ganz andere Rolle – sicherlich keine wichtige und bedeutende, was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betrifft –, weil sie ja der Meinung ist, dass er eigentlich abgeschafft werden müsste. Der Meinung sind andere Gott sei Dank nicht, und ich hoffe, dass das in der breiten Mehrheit in der Bundesrepublik Deutschland so bleibt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich denke nicht, dass das auch Ihre Absicht ist, Herr Nückel. Deshalb hoffe ich, dass Sie noch einmal differenziert dazu Stellung nehmen und diesen Streit mit Ihren Kollegen aus den Koalitionsfraktionen ausarbeiten.

Ich bin froh, dass die Filmförderung weiterläuft. Das ist ein ganz wichtiges Instrument. Die Film- und Medienstiftung NRW GmbH ist das Instrument, um die Film- und Medienarbeit hier im Land zu fördern. Wir haben damit auch die Kinoförderung weiter vorangetrieben, und ich bin froh, dass trotz der Umstellung der Finanzierung auch so wichtige Einrichtungen wie das Grimme-Institut, unsere Filmfestivals usw. weiterhin Förderung erfahren. Das soll auch so bleiben.

Diese kulturelle und mediale Vielfalt in Nordrhein-Westfalen, für die andere Regierungen auch schon Zeichen gesetzt haben, wird von Ihnen, wie ich finde, richtigerweise unterstützt – bis hin zu Entwicklungen, wie wir sie mit dem Cologne Game Lab an der TH Köln eingeleitet haben; ein erfolgreiches Unternehmen, das Sie weiterhin so unterstützen, wie es zuvor schon der Fall war.

Etwas unklar ist mir noch die Haltung der Koalitionsfraktionen zum Thema „DAB+“. Dazu haben wir eine sehr klare Haltung. Man kann nicht einen einzigen Teil aus der Digitalisierung herausnehmen, nämlich die terrestrische Verbreitung von Hörfunk. Auch sie muss irgendwann digitalisiert werden; das halte ich für selbstverständlich. Alles andere kann man auch niemandem glaubhaft verkaufen.

Dass nur das Internet als sogenanntes Holmedium ausreicht, um Radioempfang zu gewährleisten, bestreite ich. Ich finde es wichtig, dass es nach wie vor ein Sendemedium gibt. Das gilt sowohl für terrestrisch ausgebreitetes Fernsehen als auch für terrestrisch ausgebreiteten Rundfunk. In Zukunft wird das natürlich digital sein.

Ich denke, ich habe das Wichtigste gesagt, und die Redezeit ist auch schon vorüber. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf weitere Debatten im zuständigen Ausschuss.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Nückel das Wort.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat, lieber Kollege Keymis: Es geht nicht um die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Bei unseren Gedanken geht es um einen Reformprozess, den wir anstoßen wollen.

Es geht um Gedankenmodelle, die übrigens aktuell in allen westeuropäischen Demokratien in der Diskussion sind. Ob das BBC-Modell das optimale ist? – Wir müssen diese Diskussion beginnen, weil sonst die Akzeptanz für öffentlich-rechtliche Angebote gerade aufgrund der vielen Konkurrenzsituationen verschwinden könnte.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich danke Ihnen, Kollege Keymis, für die sehr realistische Einschätzung der NRW-Medienpolitik und dafür, dass Sie sich nicht sozusagen an vergangenen Torheiten medienpolitischer Art festkrallen, wie es der Kollege Vogt vorhin in humoristischer Art und Weise getan hat.

Wie kann man nur auf das Medienforum in seiner Endphase stolz sein? Es war nur noch ein Schatten seiner selbst, und wir haben Sie damals aufgefordert, da etwas zu unternehmen: Reformieren Sie es, machen Sie es fit! – Aber Sie haben damals nichts getan, sondern zitternd und bleich daneben gestanden und dem Verfall zugeschaut, sodass es in anderen Bundesländern teilweise nur noch belächelt wurde.

(Alexander Vogt [SPD]: Und was haben Sie bisher auf die Kette gekriegt?)

Mit diesem Prozess haben wir Schluss gemacht. Der Name „Medienforum“ war durch Ihr Versagen – auch Ihr persönliches Versagen – verbrannt.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Deswegen haben wir neue Formen geschaffen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Michael Hübner [SPD]: Herr Nückel, also wirklich!)

Ihre Oma hat, glaube ich, mehr auf die Kette gebracht als Sie mit Ihrem heutigen medienpolitischen Beitrag.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Da Sie vorhin ein bisschen im vorvorletzten Jahrhundert schwelgten, wollten Sie vielleicht unabsichtlich an ein Jubiläum erinnern: Vor 175 Jahren wurde im November die Erstausgabe der humoristischen Schrift „Fliegende Blätter“ herausgegeben, um solche Torheiten aufs Korn zu nehmen. Das ist Ihnen gerade gut gelungen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Allerdings jährt sich in diesem Monat auch zum hundertsten Mal die Erstausstrahlung eines planmäßigen Hörfunksenders der Welt. Man mag es kaum glauben, aber die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war eine goldene Ära für den Rundfunk.

PCGG, benannt nach dem Rufzeichen, war der erste Hörfunksender in Westeuropa, in England und in den Niederlanden, und es gelang mit Spenden seiner Hörer, immerhin vier Radiosendungen pro Woche auszustrahlen. Innovation ohne Staatsknete – das gelang vier Jahre.

Natürlich haben die Nationalstaaten das nicht lange zugelassen. In Deutschland wurde besonders nach dem Staat gerufen, und es wurden rechte Programme ausgestrahlt. So schreibt es der Harenberg Verlag interessanterweise in seinem Chronikkalender.

Heute fordern Sie auch wieder Staatsknete, ohne nachzudenken, natürlich nur für die Ausstrahlung … schon klar. Ist die Staatsferne erst einmal leicht eingerissen, kann man weitersehen.

Die SPD bleibt sich damit aber auch einer gewissen Tradition in NWR treu; denn zwischen 2010 und 2017 hatten Sie auch schon versucht, mit Stiftungsplänen das Gängelband der Kontrolle auszurollen. Dabei sollten zunächst auch noch Inhalte gefördert werden, natürlich nur bestimmte. Aber als dann Medienpraktiker und -rechtler die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, gab es nur noch die Stiftung light, die dann gottlob wegen überbordender Bürokratie von uns in die Landesmedienanstalt integriert wurde.

Mit dem Haushalt, den wir im Dezember verabschieden werden, werden wir auch das Gängelband des Misstrauens beenden, das Sie der Landesmedienanstalt damals angelegt haben. Mit der Senkung des Vorabzugs haben wir nun die Möglichkeit, der LfM wieder mehr Handlungsfreiheit zu geben. Ich denke, sie wird sie für sinnvolle Projekte der Medienkompetenz nutzen.

Aber Sie üben sich heute auch in der Rolle rückwärts, zum Beispiel was die fundamentalistische Ablehnung von DAB 2 zu Ihrer Regierungszeit betrifft. Sie hätten bereits unter Ihrem Medienchefplaner Marc Jan Eumann die Weichen für die Digitalisierung stellen können, haben damals aber die Ablehnung folgsam mitgetragen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Jetzt wird daraus eine fundamentalistische Pro-DAB+-Position. Da wollen Sie jetzt 3 Millionen Euro pro Jahr hineinwerfen, obwohl die Betroffenen das gar nicht wollen. Obwohl: Einige wollen es vielleicht doch, zum Beispiel die SPD-Medienholding, die ddvg, die bislang die klamme Parteikasse stützen musste. Jetzt kann sie es nicht mehr, und ihr muss vielleicht geholfen werden. Das könnte auch der Grund für Ihren Antrag sein. Die ddvg hat sich jetzt mit einem Medienprojekt im Sand Chinas festgefahren. Der Holding werden Entkräftung und Niedergang à la SPD zugeschrieben.

(Michael Hübner [SPD]: Belangloses Zeug!)

Ich denke, wir müssen die Frage DAB+ völlig unideologisch und rein technologisch beantworten. Fundamentalistische Positionen haben hier keinen Platz. Man muss sich fragen: Wofür würden wir dann Steuergelder ausgeben? Hinterher wird man fragen: Hätte man nicht ahnen können, dass es das nicht mehr lange geben wird? – DAB+ ist keine schlechte Idee, aber das war das Videoformat Betamax auch nicht. Spätestens mit den Streaming-Diensten war das Thema dann aber auch beendet. Durch die Nutzung im Netz kann das im Falle von DAB+ natürlich auch schnell passieren.

Teure Schaufensteranträge, die nur Geld kosten, lösen kein Problem. Erfahrene Propheten warten die Ereignisse vielleicht besser ab. – Danke sehr.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Tritschler.

Sven Werner Tritschler (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist keine Neuheit: Unsere Medienwelt befindet sich seit Jahren im Umbruch. Zeitungen sterben, Fernsehzuschauer werden immer älter, und neue Medien setzen ihren Siegeszug ungebremst fort.

Neue Medien sind diejenigen, die keinem Rundfunkrat, keinem CDU-Minister und auch keiner parteieigenen Verlagsholding gehorchen. Neue Medien sind die Wegbereiter einer ungekannten, echten Meinungsfreiheit und Vielfalt. Davor haben Sie offenbar Angst, große Angst.

(Michael Hübner [SPD]: Von Pluralismus keine Ahnung, aber einfach mal irgendwas reinrufen! – Alexander Vogt [SPD]: Wer sitzt denn von Ihnen im Rundfunkrat? Sitzt jemand von Ihnen im Rundfunkrat?)

Das Problem ist nur: Immer, wenn Sie Angst haben, meine Damen und Herren, wird es für den Steuerzahler teuer und für den Rundfunkbeitragszahler sowieso.

Auf Bundesebene ist Arbeitsminister Heil, SPD, gerade dabei, 40 Millionen Euro Steuergeld an die Zeitungsverleger zu verschenken. Damit beschenkt er zu einem nicht unwesentlichen Teil seine eigene Partei, die eine große Medienholding besitzt. Die CDU in Bund und Land begrüßt diese inzestuöse Medienpolitik und trägt sie mit, genau wie die verbraucherfeindliche Beibehaltung von Zweijahresabos bei Zeitungen. Um die notleidenden Hofberichterstatter am Leben zu erhalten, ist nichts zu teuer.

Der Landeshaushalt bietet da glücklicherweise weniger Spielräume, aber trotzdem schimmert die Sorge um den Verlust der Meinungsfreiheit hier und da durch.

Die Landesanstalt für Medien beispielsweise hatte früher einmal eine Existenzberechtigung, als es um die Zulassung von Rundfunksendern und um die Vergabe von Frequenzen ging. Heute spielt das alles keine große Rolle mehr. Also sucht man sich neue Betätigungsfelder. Ironischerweise unter der Unterschrift „der Meinungsvielfalt verpflichtet“ ist man jetzt hauptsächlich mit der Jagd nach unerwünschten Meinungen beschäftigt, die man relativ pauschal als Hate Speech kategorisiert. Mit vielen Hunderttausend Euro finanziert man allerlei Projekte, die in diese Richtung gehen.

Das ist der Landesregierung offenbar nicht entgangen und wird prompt belohnt. Zukünftig bekommt man eine dicke Scheibe mehr von den Rundfunkgebühren.

Jetzt könnte man sich darüber freuen, weil man denkt, der WDR bekomme dafür weniger, aber das ist natürlich weit gefehlt. Tom Buhrow muss nicht um seine 400.000 Euro Jahresgehalt bangen, denn hier springt der Gebührenzahler in seiner Funktion als Steuerzahler ein und schließt die Lücke größtenteils aus dem Landeshaushalt. Außerdem ist die nächste Gebührenerhöhung beim Rundfunk natürlich längst in Planung.

So bleibt unter Schwarz-Gelb alles, wie es immer schon war. Die staatliche Medienmaschine bleibt gut geölt, auch wenn Herr Kollege Nückel öffentlich von der Verkleinerung des Öffentlich-Rechtlichen träumen darf. Im Landtag wird er dann wieder brav die nächste Gebührenrunde mittragen, aber so war das ja schon immer mit der FDP.

An dieser Stelle noch ein Wort zur Filmförderung. Von Albert Einstein ist folgendes Zitat überliefert:

„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“

Ich weiß nicht, ob er dabei an den deutschen Film dachte, aber es ist gut möglich. Seit Jahrzehnten kommt kaum mehr ein Film aus unserem Land, der in irgendeiner Weise bemerkenswert wäre, außer er ist bemerkenswert schlecht. Im besten Fall entsteht Mittelmaß: gefällige Beziehungskomödien und ab und zu etwas über den Krieg. Das geht immer. Die Branche hat sich darauf eingerichtet, dass nicht das Besondere erwartet wird, sondern der Durchschnitt, der keinem wehtut. Das genehmigt der Förderbürokrat gerne, vorzugsweise bei einem halben Dutzend Förderanstalten, und schon ist die eigene Existenz wieder für ein Weilchen gesichert.

Man kann es den Leuten beim Film, die so etwas produzieren, nicht verdenken, denn sie sind Opfer dieses Systems, das ein paar Landespolitiker erdacht haben, die ab und zu bei Filmpremieren gerne ihre Gesichter in die Kameras halten. Das alles muss den Filmfan stören, noch mehr aber den Steuerzahler. Auch deshalb können wir diesem Einzelplan nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Tritschler. – Für die Landesregierung spricht erneut der Ministerpräsident.

Armin Laschet, Ministerpräsident: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Haushaltsansätze im Einzelplan 02 für den Medienbereich steigen mit dem Haushaltsentwurf auf insgesamt 33,9 Millionen Euro. Das ist nach den deutlichen Steigerungen der Vorjahre ein erneutes Plus, und zwar in Höhe von 10,42 %.

Wir wollen das Profil des Medien-Digital-Landes Nordrhein-Westfalen weiterhin stärken.

In der Tat, Herr Kollege Keymis, erfindet das nicht jede Landesregierung neu. Man baut auf dem auf, was vorher war. Dass wir heute ein so starkes Medien- und Digitalland sind, liegt vor allem an den profilierten und engagierten Anstrengungen, die Wolfgang Clement zu Beginn der 2000er-Jahre mit Miriam Meckel als Staatssekretärin, die wichtige Institutionen nach Nordrhein-Westfalen holte, unternommen hat. Ich glaube, davon hängen auch heute noch viele Arbeitsplätze im Medienland ab.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Wir brauchen einen zukunftsfähigen Rechtsrahmen, sei es im Landesmediengesetz, in den Rundfunkstaatsverträgen oder mit Blick auf EU-relevante Gesetzgebung wie das EU-Leistungsschutzrecht. Wir brauchen eine starke Film- und Medienstiftung Nordrhein-Westfalen, die nicht nur unsere Film- und TV-Branche gezielt fördert, sondern auch die aufstrebende Gamesbranche. Wir brauchen ein starkes Mediennetzwerk und nicht zuletzt eine Landesanstalt für Medien mit zwei Standbeinen: einem starken Profil in der Medienaufsicht und in der Förderung von Medienkompetenz.

Deshalb wollen wir weiterhin die großen Potenziale für Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Innovation nutzen. Soweit wir das in einer global veränderten Medienlandschaft können, wollen wir alles dafür tun, dass wir auch in Zukunft Medienvielfalt und Meinungsfreiheit haben. Ein guter Journalismus ist unverzichtbar für unser demokratisches Gemeinwesen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Kommunikation und Meinungsbildung in sozialen Medien sind jedermanns Sache. Das ist als Basis demokratischer Teilhabe gut, aber es ersetzt keinen qualifizierten Journalismus. Deshalb versuchen wir auch im Jahr 2020 da die Schwerpunkte zu setzen.

Bezüglich der Film- und Medienstiftung stimme ich Ihnen überhaupt nicht zu, Herr Kollege Tritschler, dass seit Jahren kein guter Film mehr produziert worden sei. Wir haben exzellente Filme aus Nordrhein-Westfalen, die die Film- und Medienstiftung gefördert hat und die von vielen, vielen Menschen in ihrer Qualität anerkannt wurden.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Weil wir da den Schwerpunkt setzen – man muss im Medienhaushalt Schwerpunkte setzen –, haben wir die Förderung der Film- und Medienstiftung seit 2017 um 69 % erhöht. So wollen wir die guten Filmemacher aus Deutschland an Nordrhein-Westfalen binden. Wir haben mit dem Aufbau eines Games-Kompetenzzentrums einen Ort geschaffen, der gamesbezogene Dienstleistungen bündelt.

Man kann über dieses Medienforum – dem Sie so sehr anhängen, Herr Kollege Vogt – streiten wie man will. Wir haben aber mehrere Ereignisse wie den gamescom congress und das Global Media Forum, das sich über globale Fragen hinaus intensiver mit Medienpolitik in Deutschland beschäftigen muss, das europäische Perspektiven …

(Zuruf)

– Ja, das heißt aber nicht, dass man ein Forum beibehalten muss, nur weil das nächstes Jahr seinen 30. Geburtstag gefeiert hätte.

Ich war bei den allerersten Foren mit dabei. Ich war mit 27 oder 28 stellvertretendes Mitglied der LfR-Rundfunkkommission. Das war einmal das Forum in Deutschland, bei dem diskutiert wurde. Kein Sachverständiger hat zum Ende dieses Forums gesagt: So wie es ist, soll es bleiben. – Man braucht neue Wege, und die wollen wir gehen. Anregungen greifen wir gerne auf.

Im Rahmen der Ruhr-Konferenz haben wir ebenfalls noch mal fünf regionale Medienprojekte mit auf den Weg gebracht. Das Projekt RuhrReporter will jungen Menschen, die Journalistinnen und Journalisten werden, ein neues crossmediales Einstiegsangebot machen. Wir haben eine Jugendredaktion Ruhr, und wir haben ein Mentorenprogramm für mehr Diversität im Lokaljournalismus, wo sich junge Kolleginnen und Kollegen mit Zuwanderungsgeschichte im Bereich der lokalen Berichterstattung wiederfinden können. All das ist über die Ruhr-Konferenz angeregt worden. Insofern bitte ich um Zustimmung zum Medienhaushalt 2020.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Da keine weiteren Wortmeldungen angemeldet wurden und vorliegen, kann ich zum Teilbereich d) Medien die Aussprache an dieser Stelle schließen. Wir sind damit auch am Ende der Aussprache zum Einzelplan 02.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 02. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/8002, den Einzelplan 02 unverändert anzunehmen. Deshalb würde ich gerne die Abstimmung über den Einzelplan 02 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung durchführen. Wer also dem Einzelplan 02 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die AfD-Fraktion. Gibt es Enthaltungen im Haus? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Einzelplan 02 in zweiter Lesung angenommen.

Bevor ich den Einzelplan 07 aufrufe, müssen wir noch einmal zum Einzelplan 05 – Ministerium für Schule und Bildung – zurückkommen. Sie erinnern sich, dass wir in der Mittagszeit die Abstimmung dazu verabredungsgemäß ausgesetzt haben. Diese können wir jetzt aber durchführen.

Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/8005, den Einzelplan 05 unverändert anzunehmen. Auch hier stimmen wir über den Einzelplan selbst und nicht über die Beschlussempfehlung ab. Wer also diesem Einzelplan05 – Ministerium für Schule und Bildung – zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind CDU- und FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die AfD-Fraktion. Vorsichtshalber frage ich auch hier nach Enthaltungen. – Die gibt es nicht. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Einzelplan 05 in zweiter Lesung ebenfalls angenommen.

Ich rufe auf:

     Einzelplan 07
Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8007

Wir debattieren in zwei Teilbereichen. Ich rufe den ersten Teilbereich auf:

 

a) Familie, Kinder und Jugend

Ich eröffne die Aussprache. Herr Dr. Maelzer hat für die SPD-Fraktion das Wort.

Dr. Dennis Maelzer (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Dr. Stamp, das ist mittlerweile der vierte Haushalt, den Sie als Minister verantworten. Vier Haushalte, da müsste man eine eigene Handschrift erkennen können. Daher bin ich gespannt, ob die Redner der regierungstragenden Fraktionen gleich wieder in erster Linie Rückschau betreiben werden.

Mit diesem Haushalt stellen Sie die Weichen für ein Kinderbildungsgesetz, das Ihren Vorstellungen entspricht.

(Unruhe – Glocke)

Leider entspricht es nicht den Vorstellungen der Betroffenen. Wir werden morgen ja ausreichend Gelegenheit haben, uns über das KiBiz auseinanderzusetzen.

Die häufigste Kritik ist jedoch, dass damit zu viel Status quo verbunden ist. Das zeigt sich auch mit diesem Haushalt. Dem Ministerium war es nicht möglich, zu erklären, woraus sich die Finanzentwicklung im KiBiz-Deckungskreis ergibt. Sind es zusätzliche Plätze? Ist es die gesetzlich vorgeschriebene Dynamisierung? Sind es unterschiedliche Betreuungszeiten oder gar unterschiedliche Träger? Zitat:

„Diese Veränderungen bedingen und potenzieren sich gegenseitig. Dadurch entsteht eine Vielzahl von ‚Zinseszinseffekten‘.“

Also da, wo die Betroffenen mehr Qualität gesucht haben, liefern Sie ihnen Zinseffekte. Da geht es den Kitas genauso wie den kleinen Sparern: Diese Zinseffekte sind einfach nicht der Rede wert.

(Beifall von der SPD)

Worüber wir allerdings sprechen sollten: In Ihrem Haushalt muss noch so viel gekürzt werden wie noch nie in Ihrer Amtszeit. 2020 beträgt die globale Minderausgabe mehr als 80 Millionen Euro. Das ist die höchste globale Minderausgabe aller Ressorts, und sie ist fast viermal so hoch wie zuvor.

Wo wird dieses Geld dann abgezwackt? Bei den Kitas, bei der Jugendarbeit oder bei den Hilfen für Familien? – Niemand kann es zum heutigen Tag sagen.

Was wir sagen können: 80 Millionen Euro sind beileibe kein Pappenstiel. Kann dieser Haushalt daher ausreichende Antworten auf die großen Zukunftsherausforderungen, auf die weiter steigende Nachfrage nach Betreuungsplätzen und den immer größer werdenden Bedarf an Fachkräften, liefern? – Nein, das kann er nicht.

Es ist richtig, dass die Landesregierung Investitionsmittel für den Ausbau an Kitaplätzen zur Verfügung stellt. Denn bislang ist ausnahmslos jeder Platz, der in dieser Legislaturperiode hinzugekommen ist, mit den Mitteln aus der Regierungszeit von Hannelore Kraft gefördert worden. Keiner dieser Plätze beruhte auf Anstrengungen von Schwarz-Gelb, sondern auf Bundes- und Landesmitteln, für die sich die Vorgängerregierung ins Zeug gelegt hatte.

(Beifall von der SPD)

Dabei konnte es nicht bleiben. Aber es war doch wieder die SPD, die das an dieser Stelle vehement einfordern musste. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, haben noch versucht, dieses Thema kleinzureden.

Aber ist denn jetzt dieses Problem gelöst? – Nein, denn inzwischen werden viele neue Kitas über sogenannte Investorenmodelle errichtet. Ein Bauträger baut die Kita, die Refinanzierung erfolgt über Mietpauschalen. Es wird aber immer schwerer, überhaupt Bauträger zu finden, denn die Mietpauschalen sind viel zu niedrig. Aber werden Sie deswegen angepasst? – Nein, kein Millimeter Bewegung bei Ihnen an dieser Stelle.

Genau das verhindert den Ausbau vor Ort, und damit lassen Sie, Herr Minister, Träger und Kommunen im Stich. Vor allen Dingen lassen Sie aber Familien im Regen stehen, die für Ihre Kinder dringend einen Betreuungsplatz suchen.

Das gilt insbesondere für den kreisangehörigen Raum. Dort sind die Mietpauschalen noch einmal niedriger als in Großstädten. Aber war es nicht immer Anspruch der CDU, den ländlichen Raum im Blick zu behalten? – An Ihrer realen Politik sehen wir: Das ist nichts als Folklore. Mit der CDU guckt der ländliche Raum in die Röhre.

(Beifall von der SPD)

Wie sieht es beim Fachkräftemangel aus? – Auch hier sind die Fortschritte überschaubar. Jetzt sollen Ausbildungsplätze insbesondere im Bereich der praxisintegrierten Ausbildung unterstützt werden, finanziert aus Mitteln des Gute-KiTa-Gesetzes von Franziska Giffey. – Gut so!

Das hätten Sie aber schon im vergangenen Jahr haben können. Da hat die SPD Fördermittel für Ausbildungsplätze beantragt, und Sie haben das abgelehnt; denn dann hätten Sie ja Landesgeld in die Hand nehmen müssen. Hier auf Bundesgeld zu warten, ist natürlich viel bequemer. Aber es hat uns auch wertvolle Zeit gekostet. Wir hätten bereits einen kompletten PiA-Jahrgang fördern können, wenn Sie sich damals keinen schlanken Fuß gemacht hätten.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, in diesem Haushalt steckt viel Status quo, aber wenig Zukunft.

Als wäre das nicht schon deprimierend genug, empfiehlt uns die äußerst rechte Seite dieses Parlamentes sogar, die Uhren zurückzudrehen und auf Vergangenheit zu stellen.

Die AfD will demokratischen Jugendorganisationen die Mittel streichen. Warum? – Weil Sie es nicht ertragen können, dass ich Jugendverbände offen gegen Faschismus und Rechtsextremismus positionieren.

(Beifall von der SPD)

Diesen Einsatz wollen Sie als mangelnde politische Neutralität diskreditieren. Abgesehen haben Sie es auf die DGB-Jugend, auf die Falken, auf die Deutsche Jugend in Europa, auf den Arbeiter-Samariter-Bund, auf das Jugendwerk der AWO, aber auch auf die Jugend des Beamtenbundes, die Naturfreunde und den BUND und selbst auf die katholische Jugend.

(Marc Herter [SPD]: Bekannte Verfassungsfeinde!)

Ich habe mich gefragt, warum eigentlich die evangelische Jugendorganisation nicht auf Ihrer Streichliste steht. Ich kann Ihnen sagen: Die sind in ihren Positionen genauso klar wie die anderen.

(Beifall von der SPD)

Solche Anträge sind natürlich kein Wunder, wenn Ihr neuer Landesvorsitzender im WDR bekundet, dass er sich gegenüber der Identitären Bewegung locker machen möchte.

Außerhalb des Landtages mit Rechtsextremen kuscheln und im Landtag demokratische Jugendorganisationen angreifen – ich finde das schwer erträglich. Deshalb bin ich froh, dass es in diesem Haus einen großen Konsens der Demokraten gibt und dass solche Ansinnen keine Chance haben.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Maelzer. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Kamieth.

Jens Kamieth (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war mal wieder bemerkenswert von dem Kollegen Dr. Maelzer: Er rügt uns, wenn wir mal auf sieben Jahre vertane Zeit zwischen 2010 und 2017 hinweisen, spricht aber selbst nur von der glorreichen Vergangenheit der SPD. Das zeigt, aus welchem Holz die Politik der SPD geschnitzt ist.

Wir machen es anders. Wir betreiben eine offensive Familienförderung von Anfang an, denn Familien geben Halt und machen Mut. Das ist der Grund, warum wir eine offensive Förderung der Familien, unserer Kinder und unserer Jugend vorantreiben.

Das bildet sich natürlich auch in den finanziellen, politischen Schwerpunkten, die wir in Verbindung mit dem Haushalt diskutieren – hier konkret für das Jahr 2020 im Bereich „Familie, Kinder, Jugend“ –, ab.

Die folgenden Punkte möchte ich Ihnen gerne im Zusammenhang exemplarisch vorstellen.

Erstens. Wir machen das, worauf viele Paare in Nordrhein-Westfalen seit Jahren gewartet haben, und fördern Kinderwunschbehandlungen. Mit dem Haushalt 2020 erfolgt eine Aufstockung dieses Ansatzes um 1,8 Millionen Euro auf 5,5 Millionen Euro. Damit unterstützen wir noch mehr Paare mit unerfülltem Kinderwunsch.

Zweitens. Wir stellen Mittel für den Schutz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans‑ und intergeschlechtlichen Menschen im Arbeitsumfeld und für die Allianz für Vielfalt und Chancengleichheit zur Verfügung. Damit setzen wir unsere Politik der Wertschätzung und des Schutzes für LSBTI* fort.

Im Haushaltsjahr 2020 stehen für die Allianz für Vielfalt und Chancengleichheit 160.000 Euro bereit. Für uns gilt, dass in Nordrhein-Westfalen jeder so leben und lieben soll, wie er möchte. Dieser Geisteshaltung verleihen wir auch durch unser umfassendes Engagement im LSBTI*-Bereich Ausdruck.

Drittens: Wir setzen den Kampf gegen sexualisierte Gewalt auch im Lichte der jüngsten Ereignisse entschieden fort. Der neue Ansatz bei Titel 684 31 in Höhe von 4,8 Millionen Euro sowie die Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 250.000 Euro dienen der Umsetzung von Maßnahmen zur Prävention, zum Schutz vor und zur Hilfe bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche.

Mit diesem Geld wird im Jahr 2020 unter anderem mit dem Aufbau einer Landesfachstelle begonnen. Damit sorgen wir flächendeckend für eine fachliche Qualitätsentwicklung im Bereich der Prävention, der Intervention und der Nachsorge für von sexualisierter Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche. Das ist ein ganz wichtiger und richtiger Schritt im Kampf gegen sexualisierte Gewalt.

Viertens. Der Kinder‑ und Jugendförderplan, Titelgruppe 61, wird erneut mit mehr Geld ausgestattet. Aufgrund der Dynamisierung steigt der Ansatz für den Kinder‑ und Jugendförderplan um 2,8 Millionen auf nunmehr 125,3 Millionen Euro.

Bereits zu Beginn der Legislaturperiode hatten wir den Kinder‑ und Jugendförderplan um 11 Millionen Euro auf 120 Millionen Euro erhöht. Die nachhaltige Dynamisierung ist Ausdruck des Bekenntnisses von CDU und FDP zur Arbeit der offenen Kinder‑ und Jugendarbeit in Nordrhein-Westfalen.

Mein ganz herzlicher Dank gilt den engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich täglich im ganzen Land dieser wichtigen Arbeit für unsere Familien und mit unseren Kindern widmen.

Fünftens – last but not least –: Das neue Kinderbildungsgesetz kommt. Ab dem Kindergartenjahr 2020/2021 investieren wir – und damit meine ich Bund, Land und Kommunen – jährlich zusätzlich 1,3 Milliarden Euro in das System der Kindertagesbetreuung in Nordrhein-Westfalen.

Das bildet sich klar und deutlich in höheren Mitteln in den Haushaltspositionen mit KiBiz-Bezug ab, und zwar ganz konkret durch deutlich höhere Kindpauschalen, mehr Mittel für Familienzentren, mehr Mittel für die alltagsintegrierte Sprachförderung, angehobene Zuschüsse für die Kindertagespflege, mehr Geld für Fortbildungen und Qualifizierungen, Mittel für flexiblere Öffnungszeiten, für die Kitaplatzausbaugarantie und für ein weiteres, elternbeitragsfreies Kitajahr.

Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin an dieser Stelle gerne Bundesfamilienministerin Giffey, die, wie ich finde, unsere Reform mit den folgenden Worten sehr gut auf den Punkt gebracht hat:

„Nordrhein-Westfalen hat sich für ein starkes Maßnahmenpaket entschieden, das die Qualität der Betreuung verbessert und zugleich die Beitragsfreiheit ausweitet. Das bedeutet eine enorme Entlastung für Familien und garantiert mehr als einer halben Million Kindern beste Bildung von Anfang an.“

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Wie gut, dass es Franziska Giffey gibt!)

– Gut, dass sie hier in Nordrhein-Westfalen die wahren Verhältnisse und den guten Entwurf, den wir auf den Tisch gelegt haben, erkennt.

(Marc Herter [SPD]: Hä?)

Lassen Sie mich zusammenfassen: CDU und FDP stehen für eine offensive Förderung der Familien, der Kinder und der Jugendlichen in unserem Land.

Erstens. Wir stärken die Förderung von Kinderwunschbehandlungen.

Zweitens. Wir stellen Mittel für die Allianz für Vielfalt und Chancengleichheit bereit.

Drittens. Wir fördern massiv den Kampf gegen sexualisierte Gewalt.

Viertens. Wir sorgen für eine weitere finanzielle Stärkung des Kinder‑ und Jugendförderplans und damit der offenen Kinder‑ und Jugendarbeit in Nordrhein-Westfalen.

Fünftens. Wir geben mit dem neuen Kinderbildungsgesetz ab dem Kindergartenjahr 2021 jährlich 1,3 Milliarden Euro zusätzlich in das System der Kindertagesbetreuung in Nordrhein-Westfalen.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei unserem Koalitionspartner FDP, bei unserem Familienminister Herrn Dr. Joachim Stamp und bei Herrn Staatssekretär Andreas Bothe für die sehr gute, vertrauensvolle und offene Zusammenarbeit.

Der vorliegende Haushaltsentwurf für den Bereich „Familie, Kinder, Jugend“ trägt eine klar christlich-liberale Handschrift. Er steht für eine offensive Förderung der Familien sowie der Kinder und Jugendlichen in unserem Land. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kamieth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Paul das Wort.

Josefine Paul*) (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die UN-Kinderrechts-konvention feiert in diesem Jahr ihren dreißigsten Geburtstag. Die große Party sozusagen ist erst wenige Tage her. Was gäbe es für ein schöneres Geschenk für die Kinderrechte, als diese auch endlich im Grundgesetz zu verankern? Ich muss ganz ehrlich sagen, der jetzt vorgelegte Entwurf der Bundesjustizministerin enttäuscht mich.

Was wir brauchen, um Kinderrechte auch wirklich wirkungsvoll in diesem Land durchzusetzen, ist eine klare Stärkung der Beteiligungsrechte, und es ist eine klare Aussage dazu, dass das Kindeswohl im Zentrum politischen Handelns stehen muss.

Klar ist aus meiner Sicht – ich hoffe, diese Ansicht teilen wir –, dass Kinderrechte nicht relativierbar sind. Das muss sich auch endlich im Grundgesetz widerspiegeln.

(Beifall von den GRÜNEN)

In 54 Artikeln werden Rechte der Kinder normiert, und es wird noch einmal klargestellt, dass Kinder eben keine kleinen Erwachsenen sind.

Kinder genießen – das ist unsere politische Herausforderung, unsere politische Verantwortung – besondere Schutzrechte. Sie genießen besondere Förderungsrechte und Beteiligungsrechte.

Zum einen ist nach wie vor zu konstatieren, dass diese Rechte auch den Kindern im Übrigen zu wenig bekannt sind.

Zum anderen werden sie auch zu wenig umgesetzt und auch im politischen Raum nach wie vor zu wenig berücksichtigt. Zumal bei politischen Themen, die ganz klar ihre Anliegen sind, müssen wir Beteiligungsverfahren finden, Kinder tatsächlich mit an den Tisch zu holen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine der größten Herausforderungen in diesem Land ist die Kinderarmut. Wenn in Nordrhein-Westfalen jedes fünfte Kind arm oder von Armut bedroht ist, ist das eine Schande für unser Land.

(Beifall von den GRÜNEN)

Armut hat Konsequenzen, und diese Konsequenzen verfestigen sich unter Umständen für die gesamte Lebensverlaufsperspektive.

Sie hat Auswirkungen auf Bildung. Wir alle wissen, dass dieses Land nach wie vor ein Land der bildungspolitischen und damit auch der sozialen Spaltung ist. In kaum einem anderen Land hängt der Bildungserfolg eines Kindes nach wie vor so sehr vom Geldbeutel der Eltern ab.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Auch das ist eine bildungspolitische Schande.

(Beifall von den GRÜNEN)

Kinderarmut und Armut allgemein schließen von Teilhabe aus. Auch das ist eine große Herausforderung, für die wir mehr Anstrengungen machen müssen.

Kinder haben natürlich unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund ein Recht auf Teilhabe, und nicht zuletzt macht Kinderarmut krank. Das können und das dürfen wir uns nicht weiter leisten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dementsprechend müssen wir die Anstrengungen in diesem Bereich verstärken.

Um noch einmal einen weiteren Blick auf die Bundesebene zu werfen: Eine Kindergrundsicherung ist ein probates Mittel und längst überfällig, denn Kinder haben eigene Bedarfe. Sie haben nicht zuletzt nach der UN-Kinderrechtskonvention auch ein Recht auf eine eigene soziale Absicherung, denn sie sind eben keine kleinen Erwachsenen, und man kann ihre Bedarfe nicht einfach kleinrechnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Aber auch das Land ist gefordert. Bei der wirkungsvollen Verzahnung von Bildung und Gesundheit im Sozialbereich kommt es auf eine konkrete und zielgerichtete Förderung an.

Wir brauchen keine Förderung mit der Gießkanne, sondern wir müssen genauer hinschauen: Wo muss die Förderung eigentlich hin? Wir brauchen eine höhere Sozialraumorientierung.

Wir müssen auch noch mehr die Gruppen in den Blick nehmen, deren Armutsrisiko besonders hoch ist. Nicht zuletzt als Frauenpolitikerin kann ich an der Stelle noch sagen: Alleinerziehend in diesem Land zu sein, ist nach wie vor das größte Armutsrisiko. Es muss uns doch die größte politische Herausforderung sein, daran auch endlich etwas zu ändern.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, Minister Stamp bezeichnet den Einzelplan als „Chancenhaushalt“ der Landesregierung. Man muss in der Tat konstatieren: Nach der aktuellen Haushaltslage hätten auch eine Menge Chancen in diesem Haushalt gelegen.

Allein das wichtigste und zentralste Vorhaben der Landesregierung in diesem Bereich, nämlich die KiBiz-Reform, hat die entscheidende Chance vertan, nämlich endlich die Kitafinanzierung vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Wenn man wohlwollend sein will, kann man noch sagen, dass mit diesem Entwurf tatsächlich der Status quo gesichert wird. So weit ist das auch das Ergebnis der Anhörung.

Aber bei dem Rest, den Sie hier so vollmundig versprochen haben, bleibt es doch dabei: Das ist das Prinzip Hoffnung. Oben wird Geld hineingekippt in der vagen Hoffnung, dass unten möglicherweise auch Qualität herauskommt.

Was ist der Grund dafür? Diesem Gesetz fehlen die Leitplanken zu einer tatsächlichen Qualitätsentwicklung. Vor allem fehlte dem Minister und dieser Landesregierung auch der Mut zu einer grundlegenden Reform, denn alle Expertinnen und Experten sind sich einig: KiBiz ist gescheitert, KiBiz ist Mumpitz, und wir brauchen endlich eine nachhaltige Finanzierung. Dafür haben Sie in diesem „Chancenhaushalt“ leider die Chance vertan, Herr Minister.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Auch in anderen Bereichen kann man die Frage der Sachkosten, die durch die Freie Wohlfahrtspflege aufgerufen ist, nicht einfach ignorieren. Man kann doch nicht einfach sagen: Nö, die Berechnungsgrundlage passt uns an der Stelle nicht. Wir glauben, dass das alles nicht so ist.

Herr Minister, damit machen Sie sich einen sehr schlanken Fuß. Ich bin der Auffassung, dass Ihnen das unter Umständen auch noch auf selbigen fallen wird, denn es bleibt mit diesem Haushaltsentwurf und auch mit der KiBiz-Reform, die wir morgen noch intensiver diskutieren werden, leider zu befürchten, dass diese Überbrückungsfinanzierung, die wir jetzt jahrelang in der Kitafinanzierung erlebt haben, weiterhin ein fester Bestandteil der Kitafinanzierung in Nordrhein-Westfalen bleibt.

Um noch einmal auf die Frage der Berücksichtigung von Kindern und ihrer Interessen zurückzukommen: Leider spielten beim Erarbeitungsprozess des neuen KiBiz offensichtlich weder die Kinder noch das pädagogische Fachpersonal die erste Geige, denn es beschleicht einen doch der Eindruck, dass dieses Gesetz ein reines Finanzierungsgesetz ist.

Ob das jetzt auskömmlich ist, wird die Zukunft zeigen, aber es sind berechtigte Zweifel angebracht. Aber was dieses Gesetz nicht hat, ist doch ein wirklicher Gestaltungsanspruch, und leider bietet es auch nicht die dringend notwendige Planungssicherheit.

Sie haben es gerade angesprochen, Herr Kollege Kamieth: Eines der zentralen Vorhaben der Landesregierung ist es, Familienpolitik von Grund auf zu denken und auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärker in den Blick zu nehmen.

Da will ich Ihnen aber auch sehr deutlich sagen, dass die Vereinbarkeitsfrage keine Einbahnstraße ist. Mich beschleicht immer wieder der Eindruck, dass Ihre Antworten auf die Frage von Vereinbarkeit sind, die Strukturen für Familien so zu bauen, dass nach Möglichkeit die Familie die Vereinbarkeitsleistungen herstellen muss, aber die Wirtschaft bloß nicht damit behelligt wird. Das ist der falsche Weg. Nicht Familien müssen sich anpassen, sondern die Wirtschaft muss endlich familienfreundlicher werden.

(Beifall von den GRÜNEN und Regina Kopp-Herr [SPD])

Sehr geehrte Damen und Herren, Kinder und Jugendliche haben auch nach der UN-Kinderrechts-konvention ein Recht auf Beteiligung, und hier – ich habe es gerade schon angedeutet – ist noch erheblich Luft nach oben.

Kinder und Jugendliche sind Expertinnen und Experten in eigener Sache, aber allzu oft sind sie auch einsame Ruferinnen im Wald, weil ihnen die politische Ebene nämlich irgendwie nicht so richtig zuhören möchte. Kinderrechte ernst zu nehmen, würde auch bedeuten, Kinder und Jugendliche ernst zu nehmen. Dafür brauchen wir neue Formate der Beteiligung auf allen Ebenen.

Auf der kommunalen Ebene beispielsweise wäre darüber nachzudenken, ob man die Beteiligungsrechte nicht auch noch einmal stärkt, indem man sie in der Gemeindeordnung festschreibt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch auf der Landesebene wäre es endlich Zeit für eine Absenkung des Wahlalters. Da wundert man sich doch ganz gewaltig, warum diese Landesregierung mit diesem Landesminister, der bekanntermaßen von der FDP ist, überhaupt gar keinen Schwung in die ganze Sache bringt, denn auf Antrag der Jungen Liberalen ist es ja längst Beschlusslage der Partei, dass das Wahlalter abgesenkt werden sollte.

Wenn ich so daran denke, dass der Landesminister auch der Anwalt der Kinder‑ und Jugendrechte innerhalb der Landesregierung sein sollte, würde ich persönlich mir etwas mehr Engagement für tatsächliche Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen wünschen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir sind uns einig – das haben wir auch schon beim letzten Haushalt durchaus lobend hervorgehoben –, dass mit dem Haushaltsansatz für den Kinder‑ und Jugendförderplan ein Schritt in die richtige Richtung gemacht worden ist. Im Landtagswahlkampf haben alle Parteien gesagt: Wir werden Geld obendrauf packen. – Das haben Sie auch so eingelöst. Damit ist auch die Szene durchaus zufrieden.

Dann wäre es doch jetzt an der Zeit – wenn wir uns nicht mehr über die Finanzen streiten müssen, was wir jahrelang getan haben –, wirklich über die Inhalte ernsthafter und darüber zu diskutieren, wie wir Jugendarbeit in diesem Land und die Verbände, die Kinder und Jugendlichen noch weiter stärken können.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein weiterer Bereich, bei dem wir einen großen Konsens haben – Kollege Kamieth hat auch schon darauf hingewiesen –, ist der Bereich LSBTI. Ich bin sehr froh, dass es eine große politische und auch haushalterische Kontinuität in diesem Bereich gibt. Ich bin auch sehr froh, dass wir in der letzten Woche endlich den gemeinsamen Antrag zu Inter beschließen konnten.

Eine Sache beim lobenswerten Landesprogramm zur Unterstützung von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch hätte ich allerdings noch auf der Wunschliste für diese Landesregierung. Rheinland-Pfalz macht es vor: Dort ist das Landesprogramm auch auf lesbische Paare ausgeweitet worden.

Ich meine, es würde dieser Landesregierung gut zu Gesicht stehen, auch hier mit gutem Beispiel voranzugehen, auch diese Gruppe mit in die Landesförderung aufzunehmen und damit noch einmal ein ganz klares Signal zu setzen: Wir unterstützen alle Familienformen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum Schluss möchte ich noch kurz ein paar Worte darüber verlieren, was es mit den Schutzrechten innerhalb der Kinderrechte auf sich hat. Wir alle sind von den schrecklichen Missbrauchsfällen erschüttert und stehen in diesem Bereich auch klar zusammen. Das hat nichts mit parteipolitischer Couleur zu tun.

Wir haben im letzten Plenum auch gemeinsam eine Kinderschutzkommission eingesetzt, was aus meiner Sicht ein sehr wichtiges Signal für einen starken Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen ist. Auch die Haushaltsmittel in Höhe von 4,8 Millionen Euro sind nur zu begrüßen.

Wir brauchen mehr Anstrengungen. Wir brauchen aber auch verbindliche Anstrengungen. Wir müssen die Schnittstellen überwinden, an denen es oftmals zu Problemen kommt. Wir müssen die Netzwerke stärken. Möglicherweise müssen wir auch ein eigenes Landespräventionsgesetz auf den Weg bringen, um den Kinderschutz wirklich auf verbindliche Füße zu stellen. Darauf hoffe ich, dass wir auch das gemeinsam hier im Plenum besprechen können. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Kollege Brockmeier das Wort. Bitte sehr.

Alexander Brockmeier*) (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit der Regierungsübernahme legen wir unseren Schwerpunkt auf die Bildungschancen für jedes einzelne Kind in Nordrhein-Westfalen.

Wir wollen Kindern in unserem Land die besten Chancen bieten, um sich zu entfalten und ein selbstbestimmtes Leben zu führen unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem sozialen Status.

Wir legen dabei unseren Fokus nicht nur auf die Grundschule und die weiterführenden Schulen, sondern wir denken das ganzheitlich, also fangen schon bei den Kitas an und gehen auch weiter über die offene Jugendarbeit, also betrachten alle Lebenslagen der jungen Menschen – anders als Herr Maelzer beispielsweise, der sich vorhin nur mit den Kitas beschäftigt hat.

Dieser Haushalt bietet so viel mehr Lebensvielfalt; das haben Sie einfach gar nicht berücksichtigt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Auch der Debatte folgen und nicht nur das Redemanuskript ablesen!)

Dass wir das Ganze ganzheitlich betrachten, macht sich auch in diesem Haushalt bemerkbar.

Beim Posten für den Kinder‑ und Jugendförderplan sieht man, dass es uns nicht um Einmaleffekte oder schöne Schlagzeilen, sondern um nachhaltige und verlässliche Politik geht sei es, indem wir entbürokratisieren und so pragmatisch dafür sorgen, dass sich die Fachkräfte mit den Jugendlichen auseinandersetzen können, anstatt ihre Zeit am Schreibtisch vor Formularen zu verbringen, sei es, indem wir für die langersehnte Planungssicherheit sorgen, indem wir die Mittel zunächst mit einem Schlag – Jens Kamieth hat es gerade schon erwähnt – um 11 Millionen Euro erhöht haben und dann – was so wichtig ist – dynamisiert, also dafür gesorgt haben, dass die Mittel jetzt jährlich entsprechend der Kostenentwicklung ansteigen.

Bleiben wir bei dieser Dynamisierung der Fördermittel: Wenn man sich konkret die Zahlen anschaut, stellt man den Unterschied zur rot-grünen Politik fest; im Vergleich: Sie haben bis 2017, also bis zum Ende Ihrer Regierungszeit, lediglich ein Volumen von 109 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Wir haben das Volumen durch den neuen Kinder‑ und Jugendförderplan stetig erhöht und eben dynamisiert, sodass wir jetzt mit diesem Haushalt bei 125 Millionen Euro angekommen sind.

Dieses Beispiel macht sehr schön deutlich, dass es einen Unterschied macht, ob man verlässliche und auch eine planbare Politik macht, auf die sich die Kräfte vor Ort einstellen können, denn dann wird ihnen ganz konkret geholfen.

Sie hingegen – das hat man in den letzten Debatten in den Ausschüssen auch mitbekommen – machen entweder gar nichts – das haben wir auch in Ihrer Regierungszeit mitbekommen –, oder Sie machen Vorschläge, die wirklich lächerlich sind wie beispielsweise Ihre Änderungsanträge zur KiBiz-Novelle, denn da ist Finanzierbarkeit Fehlanzeige. Diese Art der Politik ist aber inzwischen leider typisch für die Sozialdemokratie geworden.

An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal auf den Wortbeitrag von Herrn Dr. Maelzer zu sprechen kommen. Ich möchte Ihnen als Familienpolitiker aus Sicht eines jungen Menschen entgegnen, weil mich Ihre Forderungen in den letzten Monaten wirklich auch sauer machen.

Es ist wirklich nicht im Sinne der jungen Menschen und der zukünftigen Generationen, dass der Staat Geld ausschüttet, das ihm nicht zur Verfügung steht, mit dem Füllhorn auskippt und hier einfach Wünsche in den Raum gestellt werden, die man sich vielleicht im Paradies erfüllen könnte, aber als Staat nicht finanzieren kann.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Frank Müller [SPD])

– Lieber Herr Müller, dazu gehören nämlich zwei Sachen. Auf der einen Seite gehört dazu, dass wir beste Bildungsvoraussetzungen, beste Rahmenbedingungen schaffen.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das geht doch bei Ihnen nur im Paradies!)

Das machen wir auch mit der KiBiz-Reform. Andererseits dürfen wir die zukünftigen Generationen aber nicht mit unverhältnismäßigen Schulden belasten.

(Beifall von der FDP)

Wenn die Sozialdemokratie die schwarze Null hier jetzt infrage stellt, mag das vielleicht an der neuen Klientel der SPD liegen, ist aber nicht im Sinne der jungen Menschen, denn es hat nichts mit Generationengerechtigkeit zu tun im Gegenteil.

Es ist sogar verfassungswidrig. Das hat Ihnen in der Vergangenheit der Gerichtshof ins Stammbuch geschrieben.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Brockmeier, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Der Abgeordnete Jörg möchten Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie die zulassen.

Alexander Brockmeier*) (FDP): Gerne.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr.

Wolfgang Jörg (SPD): Vielen Dank, Herr Brockmeier. Um die Nachhaltigkeitsdebatte und die Perspektive junger Menschen noch mal zu beleuchten: Wie erklären Sie sich, dass die FDP Motor für eine Steuersenkung von Hoteliers war, die kreditfinanziert war? Wie erklären Sie das? Die FDP auf Bundesebene hat sich dafür sehr starkgemacht, dass die Hoteliers nur noch die Hälfte an Steuern bezahlen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Das Ganze wurde kreditfinanziert. Nordrhein-Westfalen zahlt dafür 400 Millionen Euro jährlich. Wie stehen Sie dazu?

Alexander Brockmeier*) (FDP): Es ist schon ganz spannend, dass die SPD gerade das hier vorbringt, denn als gefordert wurde, dass die Steuer abgesenkt wird, haben aus jeder Partei und Fraktion bestimmte Teile genau das gefordert. Da gab es auch Sozialdemokraten, die genau das gefordert haben. Deswegen ist es schon ein schiefes Beispiel, das Sie hier vorbringen. Ich glaube, dass wir uns gerade von Ihnen auf Bundesebene nichts in Sachen Finanzpolitik erklären lassen müssen.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Gucken wir uns doch einmal das an, was die Bundesfamilienministerin sagt. Das passt auch gut zu dem Haushalt, den wir gerade hier betrachten. Ob es das Gute-KiTa-Gesetz ist, das nicht ausfinanziert ist, bei dem bis 2022 die Mittel zur Verfügung gestellt werden und dann gilt: Mal schauen, wie das finanziert wird. Das wird schon irgendjemand bezahlen.

(Zuruf von Regina Kopp-Herr [SPD])

Oder schauen wir uns den OGS-Rechtsanspruch an. Da werden 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, investiv einmal bis 2021. Ab 2025 soll es einen Rechtsanspruch geben.

Die KMK hat sich mit dem Bundesministerium darauf verständigt, dass das ca. 12 Milliarden Euro kosten wird. Der Bund stellt 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Es ist überhaupt nicht geklärt, wie es ab 2025 mit den Betriebskosten weitergehen soll. Das hat nichts mit solider Haushaltspolitik zu tun.

(Beifall von der FDP)

Da versucht die SPD, Schlagzeilen und schöne Titel zu gewinnen auf Kosten anderer, nämlich auf Kosten der Länder, aber vor allem auf Kosten der Kommunen. Das ist wirklich nicht solide. Deswegen glaube ich, dass die Frage von Ihrer Seite aus nicht berechtigt ist.

Kommen wir noch einmal zu dem Lob. Wir haben vorhin auch von Herrn Maelzer gehört, dass Frau Giffey jetzt vorangeht, dass das jetzt alles so toll wäre, was vom Bund kommt. – Ja, es ist unbestritten, dass wir die KiBiz-Reform hier anstrengen, auch mit den Bundesmitteln. Frau Giffey sagt auch, dass wir die Mittel sehr gut einsetzen.

Ich wiederhole es noch einmal: Wenn es die SPD und auch Herr Scholz nicht schaffen, dass das Ganze auf Bundesebene ausfinanziert und entfristet wird, ist es eher ein kontraproduktives Gesetz. Es sorgt nämlich nicht dafür, dass wir beste Chancen bekommen, sondern es sorgt für immer mehr Probleme. Sie müssen solide Haushaltspolitik auf Bundesebene betreiben.

(Regina Kopp-Herr [SPD]: Starker Tobak für eine Partei, die im Bund nicht mitregieren wollte!)

Das gilt übrigens auch für den OGS-Rechts-anspruch, der über das SGB VIII geregelt werden soll.

Deswegen kann man am Ende sagen, dass man gut sieht, dass wir hier auf Qualität setzen, auf nachhaltige und verlässliche Politik und keine Wolkenkuckucksheime aufbauen, sondern ganz konkret Schrift für Schritt die Dinge angehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich diesem Weg anschließen würden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brockmeier. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der AfD Frau Dworeck-Danielowski das Wort. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Iris Dworeck-Danielowski*) (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidenten! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Dr. Stamp! Der Haushaltsentwurf für den Bereich Familie, Kinder und Jugend bildet Ihre familienpolitische Agenda sehr deutlich ab.

Während der familienpolitische Sprecher der CDU-Fraktion sich die Verteilung der Mittel mit den Worten „christlich-liberal“ schönredet, freuen sich FDP und Grüne zu Recht über die Kontinuität im Haushalt zur Vorgängerregierung.

Familienpolitik à la Stamp erstreckt sich über die Finanzierung von Abtreibungen, Zuschüsse für künstliche Befruchtung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Unterhaltsvorschusszahlungen und ein Herz für die queere Community. Das ist der traurige Zeitgeist, dem Sie anscheinend gerecht werden müssen oder auch gerecht werden wollen.

Was wir kläglich vermissen, ist ein Zusammenspiel von Ideen und Leistungen, die Eltern und Familien tatsächlich entlasten und stärken. Wir vermissen den Willen, die Familie als Keimzelle der Gesellschaft, als das zuverlässigste soziale Netz, wie Sie es selbst in Ihrem Koalitionsvertrag beschreiben, besonders zu fördern.

Die Familie steht unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung; so steht es in Artikel 6 des Grundgesetzes. Sie genießt diesen besonderen Status aus gutem Grund. Das Leben im Familienverbund ist auch heute noch die beste Daseinsvorsorge.

Familie ist da, wo Kinder sind. Wir wünschen uns eine ermutigende Familienpolitik, eine Politik, die die jungen Menschen da draußen in Nordrhein-Westfalen spüren lässt: Kinder sind etwas Wunderbares. Wenn ihr euch für Kinder entscheidet, genießt ihr diesen besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.

Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, bei denen sich Schwangere tatsächlich in guter Hoffnung sehen. Die Realität sieht anders aus: Jedes Jahr sehen über 20.000 werdende Mütter keine Perspektive für sich und ihr Kind.

Das Erschreckendste ist: Das Land Nordrhein-Westfalen übernimmt nicht nur die hohen Kosten der unzähligen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, nein, es bezahlt jeden einzelnen Schwangerschaftsabbruch, der in Nordrhein-Westfalen vorgenommen wird, zumindest rein statistisch.

Und warum? Weil die werdenden Mütter in prekären finanziellen Verhältnissen leben. Vermutlich trägt die finanzielle Not auch zur gesamten Konfliktsituation bei. Die bisherigen Leistungen und Angebote greifen nicht. Die Anzahl der Frauen, die sich in ihrer Lebenssituation nicht zutrauen, sich für das Kind zu entscheiden, ist gleichbleibend hoch.

Während die einen ungewollt schwanger sind, bleiben zahlreiche Paare ungewollt kinderlos. Die neue Bezuschussung der Kinderwunschbehandlung ist so etwas wie Ihr persönliches Leuchtturmprojekt. In der Tat wurde es Zeit, dass diese Regelung eingeführt wurde.

Aber auch hier bildet sich Ihre Konzeptlosigkeit ab: Der Zuschuss zu einer Kinderwunschbehandlung kann beantragt werden, wenn die Diagnose „Unfruchtbarkeit“ gestellt wurde. „Unfruchtbar“ gilt man nach dieser Definition, wenn Versuche, schwanger zu werden, mindestens zwei Jahre lang erfolglos blieben.

Die Paare haben bei Antragstellung schon ihren ganz persönlichen Leidensweg hinter sich. Deshalb ist es gut, dass an dieser Schwelle zur möglichen Erfüllung des sehnlichsten Wunsches, nämlich endlich ein Kind zu bekommen, finanzielle Entlastung möglich ist – mehr allerdings auch nicht.

Die Kinderwunschbehandlung ist kein Garant für das lang ersehnte Kind. Die Bezuschussung der Kinderwunschbehandlung kann also nur eine Seite der Medaille sein.

Wir vermissen Aufklärung über das Risiko ungewollter Kinderlosigkeit, wenn man die Familienplanung auf später vertagt.

Wir vermissen auch ein Maßnahmenpaket, das es insbesondere jüngeren Paaren leichter macht, sich für die Elternschaft zu entscheiden, also bevor man seine sprichwörtlichen Schäfchen im Trockenen hat.

Was macht das Elternsein leichter? Je nach Lebenssituation spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf heute die größte Rolle. Für viele ist das zwingend, weil ein Einkommen nicht ausreicht, um die Familie über Wasser zu halten.

Ja, es gibt zahlreiche gut qualifizierte Frauen und Männer, die ihren Job gerne machen und nicht zurückstecken möchten. Aber es gibt noch viel mehr Menschen, die in durchschnittlichen Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind und die sich liebend gerne Zeit für ihre kleinen Kinder nehmen würden.

Sie haben mit Ihrer sogenannten KiBiz-Reform die Möglichkeit verschenkt, an dieser Stelle nachzubessern. Wer heute in Sachen Kinderbetreuung Unterstützung vom Staat erhofft, geht leer aus – es sei denn, er wählt Kita oder Tagesmutter.

Mit der herkömmlichen Familie haben Sie es anscheinend ohnehin nicht so. Selbst die familienpolitische Sprecherin der Grünen zeigte sich in der Haushaltsberatung im Ausschuss regelrecht überrascht, wie sehr Ihnen die Interessen der LSBTIQ-Com-munity am Herzen liegen.

Erwähnt sei hier auch die sogenannte „Allianz für Vielfalt“, ein Projekt, das in Zeiten des Fachkräftemangels kleinen und mittleren Unternehmen Diversitätsmanagement näherbringen soll. Egal mit welchem Unternehmer wir ins Gespräch kommen, ob Freiberufler, ob Einzelhändler, ob Gastronomiebetrieb, überall sucht man händeringend nach gutem Personal. Die Frage nach der sexuellen Orientierung der Bewerber war selten so irrelevant wie heute. Dass Ihnen als ehemalige Liberale bzw. als sogenannte Freie Demokraten in dieser Gemengelage nichts Besseres einfällt, als Mittelständler mit Diversitätsmanagement zu beglücken, erstaunt uns in der Tat.

Natürlich gibt es immer noch Diskriminierung, Beleidigung, Spott und Ausgrenzung. Selbst in Köln – ohne Zweifel eine der offensten Städte für die Szene – hat sich die Stimmung auf der Straße deutlich verändert.

Von den letzten sieben Aufnahmegesprächen, die ich in Köln für meine Partei geführt habe, waren fünf mit homosexuellen Männern. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis zunehmend unangenehmer Erfahrungen in der Straßenbahn und in der Innenstadt mit Migranten, die für eine offene schwul-lesbische Lebensweise nichts außer Verachtung übrig haben.

Während unsere Gesellschaft immer offener und toleranter wird, strömen zahlreiche junge Männer aus Kulturkreisen zu uns, die zutiefst homophob sind. Der Verein Rosa Strippe hat diese Problematik in einem Fachgespräch im letzten Jahr selber eingebracht: Was tun, wenn Flüchtlinge aufgrund ihrer Homosexualität Schutz suchen und in der Unterkunft auf ihre Landsleute treffen, vor denen sie vorher quasi geflüchtet sind?

Dass die Mitbewohner in ihrer Unterkunft natürlich nicht nur für ihn, sondern für jeden Homosexuellen im Land ein Problem darstellen können, ist immer noch ein Tabu. Vor allem vor dieser Problematik halten wir die Prävention von Gewalt für absolut notwendig. Darüber hinaus ist die Entfaltungsmöglichkeit der eigenen sexuellen Orientierung in unserer Gesellschaft mittlerweile erfreulicherweise vorbildlich.

Weniger vorbildlich sieht es beim Kinderschutz aus. Die erschütternden Ereignisse des letzten Jahres haben die Schwächsten unserer Gesellschaft in den Fokus gerückt. Auch hier im Landtag haben wir darauf reagiert. Erst vor zwei Wochen haben wir hier im Parlament eine Kinderschutzkommission beschlossen.

Kinder brauchen unseren Schutz. Wir müssen alles dafür tun, dass Gewalt gegen Kinder, sexueller Missbrauch und Ausbeutung von Kindern, aber auch ihre Vernachlässigung und Missachtung deutlich weniger werden. Wenn die Situation so miserabel ist, dass die öffentliche Hand schützend intervenieren muss, dann muss sichergestellt sein, dass das Personal gut qualifiziert und vor allen Dingen nicht überlastet ist.

Die Zahl der Inobhutnahmen steigt kontinuierlich an. Die Qualität der Jugendämter in Nordrhein-Westfalen gerät immer häufiger ins Visier.

Die Landesregierung will NRW zum Land der Chancen machen, so wie Sie es kürzlich auch im Ausschuss gesagt haben. Indiz dafür soll wohl der Twitter-Kanal unter selbigem Namen sein. Ihr Haushalt ist aus unserer Sicht kein ausreichender Beitrag dazu. Deshalb lehnen wir ihn ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dworeck-Danielowski. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Stamp das Wort.

Dr. Joachim Stamp*), Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung will Nordrhein-Westfalen zum Land der Chancen machen. Dabei stellen wir die Familien, Kinder und Jugendlichen in unserem Land in den Mittelpunkt unserer Politik. Wir investieren in meinem Ressort im Bildungsbereich so viel wie noch nie zuvor in der Geschichte unseres Landes. Für mich ist daher der Haushaltsentwurf 2020 für den Einzelplan 07 der Chancenhaushalt der Landesregierung; Kollegin Paul hat es eben schon vorweggenommen.

Bei uns in Nordrhein-Westfalen sollen Kinder von klein auf bestmögliche Chancen und individuelle Förderung erhalten, und zwar unabhängig von der Herkunft ihrer Eltern. Wir setzen deshalb im Haushalt 2020 einen klaren Schwerpunkt auf die frühe Bildung. Mit der Reform des Kinderbildungsgesetzes, mit der wir morgen in die zweite Lesung gehen, wollen wir die Qualität der Kindertagesbetreuung in unserem Land deutlich verbessern.

Ich bin davon überzeugt, dass diese KiBiz-Reform eine Erfolgsgeschichte für unser Land wird – mit fast 1 Milliarde Euro mehr für die Betreuungsqualität und für ein weiteres Jahr Elternbeitragsfreiheit. Ich möchte an dieser Stelle allen ganz herzlich danken, die mitgeholfen haben, dass wir eine solche große Reform zusammenbinden und auf den Weg bringen konnten.

Wir wollen damit die Bedingungen der Kindertagesbetreuung zum Wohle der Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen und natürlich auch die Arbeitsplatzsituation der Erzieherinnen und Erzieher, die in diesem Land eine hervorragende und herausragende Arbeit leisten, deutlich verbessern.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich kurz die wichtigsten Punkte dieses Reformpakets nennen:

Wir wollen, dass die Kindertagesbetreuung auskömmlich finanziert ist. Das ist ein ganz zentraler Schritt. Dafür stellen Kommunen und Land ab dem Kindergartenjahr 2020/2021 je zur Hälfte jährlich insgesamt rund 750 Millionen Euro zusätzlich bereit.

Eine enorm wichtige Weichenstellung für die Zukunft ist dabei auch, dass die Kindpauschalen erstmals nach einem Index – gemäß der realen Kostenentwicklung – dynamisiert werden. Die jährliche Anpassung erfolgt entsprechend den tatsächlichen Tariferhöhungen und Kostenentwicklungen.

Außerdem sorgen wir dafür, dass für die gesamte Qualität in den Einrichtungen wichtige Leitungszeit erstmals gesetzlich verankert und finanziell abgesichert wird.

Wichtig ist uns auch, mit zusätzlichen Mitteln mehr Flexibilität in der Kindertagesbetreuung zu ermöglichen. Dafür werden im Haushalt 2020 rund 20 Millionen Euro veranschlagt. Die Kommunen erhöhen diesen Beitrag um 25 %. Sie entscheiden, wie die Flexibilität vor Ort ausgestaltet wird. So können gezielt dort Angebote unterbreitet werden, wo die Betreuungsbedarfe über die vorhandenen Regelangebote hinausgehen.

Rund 30 % der U3-Plätze in Nordrhein-Westfalen sind Plätze in der Kindertagespflege. Unter anderem durch die erstmalige finanzielle Absicherung von Vor- und Nachbereitungszeiten und durch Fortbildungsstunden für alle Kindertagespflegepersonen wird die Kindertagespflege flächendeckend professionalisiert und weiterentwickelt.

Familien mit Kleinkindern in Nordrhein-Westfalen werden ab dem Kindergartenjahr 2020/2021 durch ein weiteres elternbeitragsfreies Jahr zielgenau und spürbar entlastet. Der Einnahmeausfall der Kommunen in Höhe von gut 200 Millionen Euro pro Jahr wird ihnen vollumfänglich erstattet.

Insgesamt stehen in Nordrhein-Westfalen im Haushaltsjahr 2020 mehr als 3,8 Milliarden Euro Landesmittel für die Kindertagesbetreuung zur Verfügung. Im Haushaltsjahr 2020 fließen dabei rund 250 Millionen Euro über das sogenannte Gute-KiTa-Gesetz des Bundes nach Nordrhein-Westfalen.

Auch der Ausbau der Plätze muss weitergehen. Dafür werden wir sorgen. Wir geben eine Platzausbaugarantie. Jeder notwendige zusätzliche Betreuungsplatz für einen bedarfsgerechten Ausbau vor Ort wird bewilligt und investiv gefördert. Dafür stehen jährlich mindestens 115 Millionen Euro zur Verfügung. Und weil ich gestern noch einmal gefragt worden bin, ob das tatsächlich eine Zusage ohne Deckel ist, sage ich: Ja, es ist eine Zusage ohne Deckel. Es ist eine Platzausbaugarantie. Wenn mehr Gelder benötigt werden, dann werden auch noch mehr Gelder dafür zur Verfügung gestellt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre wird der steigende Fachkräftebedarf sein. Wir wollen die beteiligten Partner noch in diesem Jahr dazu einladen, über die bisher bereits umgesetzten Schritte hinaus Maßnahmen zu erörtern und anzustoßen, die den Personalbedarf in den Kindertageseinrichtungen kurz-, mittel- und langfristig sichern. Zu den Gesprächen wurde schon eingeladen, sie sind auf Fachebene angelaufen. Ich bin guter Dinge, dass wir hier ein erfolgreiches Konzept vorlegen werden.

Meine Damen und Herren, der Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt ist eine elementare gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die abscheulichen Verbrechen von Lügde und Bergisch Gladbach führen uns brutal vor Augen, welche Herausforderungen vor uns liegen.

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit in diesem Bereich bedanken. Das ist kein Thema für Parteipolitik. Ich freue mich, dass das in unserem Ausschuss bisher von allen so gehandhabt wurde. – Vielen Dank dafür.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir werden dieses Thema in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit aller Kraft angehen. Dafür brauchen wir umgehend insbesondere Präventionsmaßnahmen. Wie Sie wissen, habe ich dazu ein Impulspapier vorgelegt. Als erste konkrete Maßnahme meines Hauses bereiten wir die Einrichtung einer Landesfachstelle vor, die in diesem Haushalt bereits etatisiert ist.

Meine Damen und Herren, in der ersten Hälfte der Legislaturperiode haben wir im Bereich Familie, Kinder und Jugend schon viel erreicht. So haben wir etwa, wie wir es versprochen hatten, den Kinder- und Jugendförderplan finanziell abgesichert, die Mittel dynamisiert und dauerhaft Planungssicherheit geschaffen.

Wir haben aber auch noch viel vor. Es ist noch vieles in der Planung und Umsetzung.

So wollen wir in der Familienpolitik die Selbstbestimmung beim individuellen Kinderwunsch weiter stärken. Wir haben den Zugang zur Reproduktionsmedizin für Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch erleichtert und ab dem 30. August die Förderung ermöglicht. Es sind noch keine drei Monate vergangen, und es wurden bereits über 1.000 Anträge gestellt. Das bestätigt eine hohe Nachfrage in diesem Bereich. Mit dem Haushalt 2020 können wir die Mittel erfreulicherweise auf 5,55 Millionen Euro erhöhen.

Der Unterhaltsvorschuss leistet einen wichtigen Beitrag zur finanziellen Unterstützung Alleinerziehender, der Gruppe von Familien, die am häufigsten, wie wir wissen, von Armut bedroht ist. Mit der Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes zum 1. Juli 2017 ist der Kreis der Berechtigten erheblich erweitert worden. Die Landesregierung bringt hierfür ganz erhebliche Mittel auf.

Seit Juli 2019 ist außerdem der Rückgriff bei den Unterhaltsschuldnern für Neufälle beim Landesamt für Finanzen zentralisiert. Ich gehe davon aus, dass mit diesem Schritt künftig alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Unterhaltsansprüche von Kindern tatsächlich durchzusetzen.

Das Thema „LSBTIQ“, das wissen Sie, liegt mir sehr am Herzen. Deshalb freue ich mich sehr darüber, dass wir es geschafft haben, neuen Schwung in dieses Politikfeld zu bringen, nicht einfach nur fortzuschreiben, wie vorhin gesagt wurde. Um nur einige Punkte zu nennen:

Wir haben die Landesmittel für die geforderten Dachverbände, die Koordinierungs- sowie Beratungsstellen auf Rekordniveau angehoben.

Wir haben uns für die Aufarbeitung der Geschichte antihomosexueller Gesetzgebung eingesetzt und die Wanderausstellung „Im Namen des Volkes!? § 175 StGB im Wandel der Zeit“ gefordert. Ich glaube, dass das ein wichtiger gesellschaftlicher Beitrag ist.

Wir haben verschiedene Möglichkeiten, verschiedene Maßnahmen zum Schutz und zur Stärkung von Menschen aus der LSBTIQ-Community vorgenommen und vor allem die Unterstützung Geflüchteter, die dieser Gruppe angehören, initiiert, die häufig vor ganz besonderen Herausforderungen stehen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Außerdem wird derzeit der neue Aktionsplan „Impulse 2020 für queeres Leben in Nordrhein-Westfalen“ erstellt.

Wir haben ein sehr vielfältiges Ministerium mit sehr unterschiedlichen Facetten. Aber unsere Politik ist von dem Geist geprägt, dass wir individuelle Chancen schaffen wollen, um die Wege in unserer Gesellschaft selbstbestimmt gehen zu können. Das ist ein wichtiger Auftrag. Wir versuchen, ihn zu erfüllen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Müller das Wort. Bitte sehr.

Frank Müller (SPD): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Brockmeier, kurz zu Ihren Ausführungen: Heute ausbleibende Investitionen sind nichts anderes als Schulden der Zukunft. Das wäre doch mal ein spannender Diskurs zum Thema „Generationengerechtigkeit“, den wir vielleicht im Ausschuss weiterführen können.

(Beifall von der SPD)

Meine restliche Redezeit möchte ich auf das Thema „LSBTIQ“ verwenden. Noch immer werden Lesben, Schwule, Trans*-, Inter*- und queere Menschen Opfer von physischer und psychischer Gewalt, sie werden ausgegrenzt und diskriminiert. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, sich dem entgegenzustellen und für Schutz, Sichtbarkeit, Akzeptanz und vollständige Gleichstellung zu sorgen.

Ich bin sehr froh, dass es unter den Demokratinnen und Demokraten hier in diesem Haus einen Konsens über genau diese Frage gibt. Herr Minister Stamp, dafür will ich Ihnen ausdrücklich danken und Ihnen unsere Unterstützung anbieten.

(Beifall von der SPD)

Diese Kontinuität ist wichtig, aber sie allein reicht nicht aus. Es braucht auch neue Impulse über das Erreichte hinaus. Diesbezüglich bin ich mir nicht ganz sicher, ob alle in diesem Kabinett mit dem gleichen Engagement unterwegs sind, mit dem Sie unterwegs sind. Es reicht eben nicht, die Verantwortung an einen liberalen Minister zu delegieren; denn Queerpolitik ist immer auch Querschnittspolitik.

Ich will Ihnen einige Beispiele nennen.

Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb steht etwas vom Diversity Management der Landesverwaltung, das auch Trans*- und Inter*Menschen in den Blick nehmen soll. – Wie soll das aussehen? Davon hat Ministerin Scharrenbach auch heute noch keine konkrete Vorstellung. Die bisherigen Antworten lassen einen fast glauben, dass die Ministerin ganz überrascht war, dass sie überhaupt dafür zuständig ist.

Wie sieht es mit der Unterstützung der CSD in unserem Land aus? Sind sie nicht im besten Sinne Heimat? Ganz offensichtlich setzt die Landesregierung da aber andere Prioritäten. Oder welche besonderen Akzente setzt Ministerin Pfeiffer-Poensgen in der queeren Kultur? Ich kenne keine.

(Vereinzelt von Beifall von der SPD)

Schauen wir auf die Aktivitäten von Minister Lau-mann in den Themenfeldern „Gesundheit“ und „Pflege“. Die offene Seniorenarbeit ist nicht ausreichend auf die mindestens 230.000 Lesben und Schwulen vorbereitet, die 65 Jahre und älter sind. Und es werden noch mehr. Das sind eine Menge Herausforderungen.

Ich möchte noch einen weiteren Aspekt ansprechen. Es geht um den geschmacklosen Karnevalswitz der CDU-Bundesvorsitzenden. Dass sich Staatssekretärin Güler aus dem Ministerium, das den Schutz vor gesellschaftlicher Diskriminierung und Ausgrenzung zur Aufgabe hat, zu ihrer Verteidigerin aufschwang, offenbarte nicht nur Wissenslücken, sondern war schlicht unangemessen, unsensibel und respektlos.  – Es ist sehr bedauerlich, dass sich weder der Ministerpräsident noch Sie, Herr Minister Stamp, davon klar distanziert haben.

(Beifall von der SPD und Norwich Rüße [GRÜNE])

Herr Minister Stamp, Sie haben es eben erwähnt: Seit 2012 gibt es den NRW-Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Dieser nimmt alle Ressorts gleichermaßen in die Pflicht. Dieser Geist ist derzeit aber nicht in allen Ressorts zu spüren.

Hört man sich in der Community ein wenig um, ist der anfänglichen Erleichterung in gewissem Maße Ernüchterung gewichen. Ja, diese Regierung setzt auf Kontinuität und dreht das Rad nicht zurück. Ja, es gibt mehr Geld. Dafür gibt es aber kaum neue Impulse. Es wird viel verwaltet und wenig gestaltet.

Derzeit arbeiten Sie, wie Sie gesagt haben, an der Fortschreibung dieses Aktionsplans. Nutzen Sie die Chance für einen mutigen und konkreten Aufschlag. Da geht mehr, und wir erwarten mehr. Dann haben Sie uns auch an Ihrer Seite. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Müller. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Hafke das Wort.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war ein bemerkenswerter Auftritt der Opposition. Ich habe selten so wenige Ideen vorgefunden, wie heute von Ihnen vorgetragen wurden. Sie hatten keine eigenen Aspekte – keine eigenen Ambitionen in der Familien-, Kinder- und Jugendpolitik von SPD und Grünen. Das können wir heute so festhalten. Das ist auch eine Botschaft an die Menschen in diesem Land.

(Beifall von der FDP und Matthias Kerkhoff [CDU])

Gleichzeitig will ich aber sagen, dass wir neben dem KiBiz – die Debatte werden wir morgen noch führen – weitere Schwerpunkte setzen.

Besonders hervorheben möchte ich das Thema „Kinderwunschbehandlung“, das Sie während Ihrer Regierungszeit so abgetan haben, als ob es gar keine Relevanz hätte und man ordnungspolitisch auf die Kassen warten müsste. Der Minister hat es gesagt: Mittlerweile geben wir hierfür 5,5 Millionen Euro aus und beteiligen uns endlich an dem Bundesprogramm.

Die ehemalige Familienministerin sitzt hier. Damals hätte ich es gut gefunden, wenn die SPD und die Grünen den Mut gehabt hätten, voranzugehen und zu sagen: Die Menschen, die nicht in der Lage sind, die finanziellen Mittel für eine Kinderwunschbehandlung aufzubringen, wollen wir unterstützen, diesen Schritt zu gehen. – Ich bin froh, dass die Koalition aus CDU und FDP diese Kraft hatte.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Hafke, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage der Abgeordnetenkollegin Paul.

Marcel Hafke (FDP): Gerne.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Josefine Paul*) (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Da Sie eben erwähnten, unsererseits seien keine Ideen formuliert worden: Ich habe eine sehr konkrete Idee formuliert, und zwar die Frage nach der gemeinsamen Initiative, das Wahlalter abzusenken. Gibt es dazu jetzt – schließlich entspricht das der Beschlusslage der FDP – eine gemeinsame Initiative? Denn wir haben die Ambition, das gemeinsam machen zu wollen, noch einmal formuliert.

Marcel Hafke (FDP): Frau Kollegin, Sie sitzen schon seit einigen Tagen in diesem Haus und wissen, dass wir SPD und Grünen zum Ende der letzten Legislaturperiode ein Angebot unterbreitet haben, das Wahlalter in einem einfachgesetzlichen Verfahren auf 16 Jahre abzusenken. Das haben Sie damals abgelehnt.

Wir hätten heute die Chance, im Parlament zu bestimmen, das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken, wenn SPD und Grüne ein Stück weit aus ihrem kleinen Kokon herausgekrabbelt wären und ernsthaft probiert hätten, etwas für die Jugendpolitik in diesem Land zu machen. Diesen Mut hatten Sie damals nicht.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD] – Josefine Paul [GRÜNE]: Jetzt, wo Sie regieren, machen Sie nichts! Das halten wir fest!)

Das ist auch einer der Gründe, warum Sie da sitzen, wo Sie sitzen. Das ist so. Damals hätten wir die Chance gehabt, es aus der Verfassung zu streichen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

– Doch, Frau Beer. Diesen Mut hatten Sie damals nicht.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das ist doch ein Witz!)

Diesen Vorschlag hat Ihnen damals Christian Lindner unterbreitet.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wir wollten das gemeinsam auf den Weg bringen. Aber das war die typische Mutlosigkeit, mit der Sie das Land regiert haben.

(Beifall von der FDP – Zurufe von Sigrid Beer [GRÜNE] und Josefine Paul [GRÜNE])

– Das ist bemerkenswert. Jahrelang haben Sie nichts hinbekommen, dann bietet man Ihnen an, etwas zu machen, und jetzt regen Sie sich darüber auf. Das ist schon bemerkenswert.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Wir sind der Auffassung, dass die Frage beantwortet ist. Deswegen lassen wir jetzt die Redezeit wieder laufen.

Marcel Hafke (FDP): Sehr gerne. – Ich möchte nun darauf eingehen – ich erachte es als zentral, was wir in Nordrhein-Westfalen machen; es ist gut, wenn die Menschen draußen das erfahren –, dass wir zusätzlich 1,3 Millionen Euro in das Thema „Schwangerschaftsberatung“ investieren, insgesamt 46 Millionen Euro, so viel wie noch nie zuvor.

Abschließend möchte ich auf ein Thema eingehen, das mir sehr am Herzen liegt und das uns alle hier im Haus umtreibt. Ich möchte die Chance zu einem Appell nutzen. Es geht um das Thema „Kinderschutz“.

Die Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen investieren erstmals 4,8 Millionen Euro in eine Landesfachstelle „Kinderschutz“. Das ist wichtig und richtig. Im Jahr 2020 haben wir alle als Demokraten eine gemeinsame Verantwortung, ernsthafte Anstrengungen zu unternehmen, den Kinderschutz voranzubringen.

Hier müssen wir über das Thema „Prävention“ sprechen. Welche Rahmenbedingungen können und müssen wir vor Ort verändern, damit verschiedene Menschen wahrnehmen, dass Kindern Gewalt zugefügt wurde? Was können wir dort machen? Können wir im Bereich Ausbildung stärker hierfür sensibilisieren, in der Erzieherinnenausbildung, im Studium, in der Sozialarbeit? Können wir entsprechende Fortbildungen anbieten? Was müssen wir dort machen?

Wir werden aber auch nicht darum herumkommen, über die Strukturen und die Verantwortlichkeiten der Jugendämter zu diskutieren. Jeder, der zurzeit im entsprechenden Parlamentarischen Untersuchungsausschuss unterwegs ist, hat die entsprechenden Informationen bekommen. Dort sind große Hürden zu nehmen.

Wir sprechen hier nicht nur über sexuellen Missbrauch, sondern grundsätzlich über Gewalt an Kindern. Ich glaube, dass wir als Parlamentarier gut beraten sind, uns im nächsten Jahr die Zeit zu nehmen, um zu ernsthaften Veränderungen zu kommen.

Ich selber als Familienvater kann nur schwer ertragen, was den Kindern passiert ist, und meine, dass es zwingend nötig ist, eine ernsthafte Debatte darüber zu führen, ob die Gesetze und die Regelungen, die wir haben, ausreichen oder ob wir andere Maßnahmen auf den Weg bringen müssen.

Daher appelliere ich an alle, dass wir hier – das hat auch der Minister gesagt – gemeinschaftlich vorangehen, dass wir nicht nur darüber reden, sondern gemeinsam den Mut haben, über Grenzen hinwegzugehen, damit sich tatsächlich etwas ändert.

Es war mir wichtig, Ihnen das für das neue Jahr, in dem wir hoffentlich gute Maßnahmen für das Kinderbildungsgesetz auf den Weg bringen und ganz große Aufgaben vor uns haben, mitzugeben. – Danke sehr.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hafke. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir zur Aussprache über den Teilbereich a) des Einzelplans 07 nicht vor.

Wir kommen zum Teilbereich

 

b) Flüchtlinge und Integration

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Yetim das Wort.

Ibrahim Yetim (SPD): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Im August hat die Landesregierung die Teilhabe- und Integrationsstrategie 2030 vorgestellt. All diejenigen, die zwei Jahre auf das Papier des Ministers gewartet haben, wurden mit allgemeinen Grundsätzen abgespeist. Es gibt ein paar Ziele, um die sich Minister Stamp kümmern will. Einige davon will ich kurz nennen:

Die Landesregierung will die interkulturelle Öffnung der Verwaltung fördern. Das sagt der Minister, der die anonymisierte Bewerbung abgeschafft und noch immer kein neues Konzept dafür vorgelegt hat.

Die Landesregierung will mehr Einbürgerungen und investiert 2020 70.000 Euro in eine Kampagne. Wer sich mit Kampagnen auskennt, der weiß, dass das für Nordrhein-Westfalen deutlich zu wenig ist. Das führt dazu, dass diese Kampagne mehr Knäppchen ist, dass sie nicht präsent ist.

Die Landesregierung will sich um die Belange von älteren Menschen mit Migrationsgeschichte kümmern. Das nennt der Minister als Ziel in seiner Integrationsstrategie 2030. Es war eine Initiative der SPD-Landtagsfraktion. Das haben wir – Sie werden sich erinnern – im September gemeinsam verabschiedet. Wir freuen uns, dass die Landesregierung diesem wichtigen Thema Bedeutung zumisst, denn es ist ein sehr wichtiges Thema.

Die Landesregierung will darüber hinaus für die Integration von Neuzugewanderten das Case-Management einführen. Das hört sich gut an, ist aber die Fortsetzung des Projekts „Einwanderung gestalten“, das durch die damalige rot-grüne Landesregierung auf den Weg gebracht wurde.

Diese Beispiele zeigen sehr deutlich, dass der Minister, der noch im Sommer kritisierte, dass die rot-grüne Landesregierung in der Integrationspolitik nichts getan habe, keine eigenen, keine neuen Ideen hat, sondern gute Ansätze aufgreift und fortführt oder auch umbenennt. Das ist völlig in Ordnung. Damit habe ich kein Problem. Gute Sachen sollte man fortführen. Man muss das Rad nicht neu erfinden.

Zweieinhalb Jahre nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags ist aber klar, dass das Ziel, die Schulpflicht auf 25 Jahre auszuweiten und Geflüchteten die Chance zu geben, einen Bildungsabschluss zu machen, erledigt ist. Minister Stamp war ein großer Verfechter dieser Idee. Die wurde aufgegeben. Ob es an der mangelnden Stärke des Integrationsministers liegt oder ob sich die Landesregierung jetzt an die Initiative „Gemeinsam klappt‘s“ klammert, sei dahingestellt.

Kolleginnen und Kollegen, diese enttäuschende Halbzeitbilanz wird noch verschlimmert, wenn wir einen Blick darauf werfen, was die Landesregierung tut. Die Kommunen bleiben weiterhin auf den Kosten für die Geduldeten sitzen. Lediglich für drei Monate werden die Kosten übernommen. Das ist aus unserer Sicht – aber nicht nur aus unserer Sicht, wir sind mit dieser Meinung nicht alleine – deutlich zu wenig. Ich zitiere aus einer Pressemitteilung des Städte- und Gemeindebundes von heute:

„Das Land Nordrhein-Westfalen muss den Städten und Gemeinden die Kosten der Versorgung von Geflüchteten endlich in vollem Umfang erstatten. … kritisierte … Hauptgeschäftsführer Dr. Bernd Jürgen Schneider heute in Anwesenheit von Minister Dr. Joachim Stamp … Zahlreiche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister brachten gegenüber dem Minister ihren Unmut zum Ausdruck. … Das Land finanziert nur die ersten drei Monate, danach lässt es die Kommunen im Regen stehen …“

Dazu muss man sicherlich nichts mehr sagen. Das haben wir schon sehr häufig im Ausschuss, aber auch hier angesprochen.

Die Kommunen, die besonders von den Herausforderungen aufgrund der Zuwanderung aus Südosteuropa betroffen sind, warten ebenfalls auf mehr Unterstützung durch das Land. Die Kommunen in unserem Land fordern, dass die Integrationspauschale, die der Bund zur Verfügung gestellt hat, an die Städte und Gemeinden, die im Kern die Integrationsarbeit leisten, weitergegeben wird.

Verantwortlich dafür ist ein Minister, der mit der KiBiz-Reform – wir haben es gerade gehört – überfordert ist und die Integrationspolitik vernachlässigt. Eigene Ideen sind nicht da. Statt diese zu entwickeln, werden die Kommunen alleingelassen.

Ich erinnere daran: Letztens im Integrationsausschuss wurde von der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion sehr deutlich hervorgehoben, dass sie starke Partner der Kommunen seien.

Ich glaube, die Zitate von vorhin machen sehr deutlich, dass es nicht so ist. Ich will auch noch einmal aus dieser Pressemitteilung des Städte- und Gemeindebundes zitieren:

Bisher haben wir es in NRW nur mit folgenlosen Gutachten und einem Dreistufenplan zu tun, der nicht zündet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, unsere Änderungsanträge für den Haushalt zur Weiterleitung der Integrationspauschale und zur Kostenerstattung für die Geduldeten liegen vor. Wenn Sie mit Ihren Ratsmitgliedern und Bürgermeistern sprechen, wissen Sie hoffentlich, dass die Kommunen die finanzielle Unterstützung dringend benötigen. Lassen Sie die Kommunen nicht länger im Stich, sondern werden Sie zu wirklichen Partnern.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass wir einen weiteren Haushaltsantrag gestellt haben. Wir wollen, dass die Antidiskriminierungsarbeit in Nordrhein-Westfalen gestärkt und ausgebaut wird. Wir sind davon überzeugt, dass es strukturelle Veränderungen mit einer landesweiten Koordinierungsstelle gegen Rassismus und Diskriminierung braucht.

(Beifall von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

Den guten Absichten der Landesregierung müssen jetzt konkrete Maßnahmen folgen. Der Beitrag der Koalition gegen Diskriminierung ist zwar ein erster Schritt. Er ist aber nur symbolisch. Da muss mehr passieren.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Zum Schluss noch ein Satz zu den Anträgen der AfD-Fraktion: Ihre Anträge zeugen durchweg von der Absicht, die gelebte Vielfalt in unserem Land zu zerstören. Sie wollen Feindbilder aufbauen und den Migrantinnen und Migranten ihre Chancen nehmen, die sie brauchen. Wir als SPD-Landtagsfraktion haben dazu eine sehr klare Haltung: Das lassen wir nicht zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herzlichen Dank, Herr Kollege Yetim. – Jetzt spricht Frau Wermer für die CDU-Fraktion.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Heike Wermer (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! „Verbindlichkeit“ und „Verlässlichkeit“ sind die Schlüsselbegriffe, für die die NRW-Koalition seit dem Regierungswechsel in der Integrationspolitik steht. Wir wissen, dass es mehr denn je auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt ankommt. Wir halten die Waage zwischen Weltoffenheit, Humanität, Unterstützung bei Integration sowie Asyl und konsequentem Handeln bei Rückführungen sowie Abschiebungen in sichere Herkunftsstaaten. Das ist die Verlässlichkeit, die seit zweieinhalb Jahren eine klare Linie unserer Politik ist.

Seit 2017 haben CDU und FDP die Mittel für den Integrationsbereich kontinuierlich ausgeweitet. Es ist ein klarer Erfolg, dass wir den Integrationshaushalt für 2020 nun fast verdoppelt haben. Um weitere 50 Millionen Euro wurde der Einzelplan 07 für die Bereiche Integration und Flüchtlinge gestärkt. Unser Landeshaushalt zeigt, dass er auch in den Politikfeldern Asyl, Flüchtlinge und Integration in sich konsistent und solide aufgestellt ist.

Schon 2018 konnten wir 100 Millionen Euro weiterleiten. In diesem Jahr konnten wir die vollständige Weiterleitung der Bundesmittel der Integrationspauschale an die NRW-Kommunen gewährleisten. Über 432 Millionen Euro sind direkt in die Städte, Gemeinden und Kreise geflossen.

(Beifall von der CDU – Berivan Aymaz [GRÜNE]: Was ist denn in diesem Jahr mit den 151 Millionen Euro?)

Das war ein zentrales Versprechen. Dafür werden wir von unseren Partnern vor Ort auch wertgeschätzt. Allerdings zahlt der Bund diese Bundesmittel ab 2020 nicht mehr aus.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)

– Genau. An dieser Stelle möchte ich nämlich auch mit den Falschaussagen vor allen Dingen der SPD aufräumen, wir würden Wortbruch begehen und die Integrationspauschale des Bundes nicht an die Kommunen weiterleiten.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Genau so ist es!)

Diese Behauptung ist komplett falsch.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wo steht das denn im Haushalt?)

Denn Fakt ist nun einmal: Diese Mittel des Bundes gibt es ab 2020 nicht mehr.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht! 151 Millionen Euro!)

Mittel für die Kommunen, die es vom Bund nicht gibt, können vom Land auch nicht an die Kommunen weitergeleitet werden. Vielleicht sollten Sie an dieser Stelle auch einmal ein bisschen Ehrlichkeit zeigen und sich das eingestehen.

(Beifall von der CDU – Berivan Aymaz [GRÜNE]: 151 Millionen Euro! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das gibt es doch gar nicht! Wie können Sie so einen Schwachsinn erzählen?)

Wir von der CDU und von der FDP sind kommunalpolitisch verortet. Wir sind eine Kommunalpartei. Wir sind Partner der Kommunen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sie führen doch die Leute an der Nase herum! Das kann doch nicht wahr sein! – Glocke)

Wie wir zu einer auskömmlichen Lösung für die Kommunen gelangen,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

hat der Minister schon mehrmals im Integrationsausschuss angesprochen. Er bzw. die Landesregierung ist derzeit bezüglich des FlüAG im Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden. Wir von der NRW-Koalition werden diese Arbeit weiter begleiten.

Aber nicht nur finanziell wollen wir verlässliche Arbeit leisten. Wir wollen auch durch unser Handeln die Kommunen entlasten, damit sie sich verstärkt auf Integrationsleistungen konzentrieren können. Der Asyl-Stufenplan, die 3+2-Regelung bezüglich der Arbeitsmarktintegration Geduldeter und der Bleiberechtserlass können für sich stehen. Durch diese Hebel konnte und kann die kommunale Familie spürbar entlastet werden. Und: Wir haben die Menschen im Blick.

Daneben gehen wir neue Wege bei der Unterstützung der Kommunen.

Denn erstmalig stellen wir 25 Millionen Euro für die Stärkung des kommunalen Integrationsmanagements bereit. Diese Mittel werden in den nächsten Jahren sogar noch ausgeweitet. Das ist entscheidend für die Weiterentwicklung von Strukturen in einer Kommune und die Zusammenarbeit der beteiligten Ämter und Behörden. So schaffen wir effizientere Wege.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zuletzt möchte ich hervorheben, dass wir die integrationspolitische Infrastruktur, nämlich die Integrationsagenturen, die Kommunalen Integrationszentren und vieles mehr, weiter in den Mittelpunkt des Einzelplans gerückt haben.

Weitere 21 Millionen Euro und damit insgesamt 74 Millionen Euro stehen im kommenden Jahr zur Verfügung, um die wichtigen Initiativen zu stärken. Das ist ein klares Bekenntnis zur integrationspolitischen Infrastruktur

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

und ein Zeichen unserer Wertschätzung der Arbeit der vielen Engagierten in unserem Land.

Meine Damen und Herren, der Haushaltsentwurf zeichnet sich im Integrationsbereich durch eine große finanzielle Kontinuität und Stabilität aus.

(Rainer Schmeltzer [SPD] spricht mit anderen Abgeordneten.)

– Sie können nachher noch genug am Redepult reden.

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Er gewährleistet darüber hinaus finanzielle Auskömmlichkeit und Unterstützung unserer kommunalen Partner für die wichtigen Projekte und Maßnahmen des Landes. Das ist wichtig und entscheidend für die Menschen, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Wermer. – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eine Kurzintervention angemeldet. Frau Düker wird diese Kurzintervention vortragen. Bitte schön, Frau Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Danke schön. – Frau Wermer, Sie haben eben gesagt, dass die alte Integrationspauschale mit der neuen gar nichts zu tun hat. Legen wir doch einmal die beiden Gesetzentwürfe des Bundes nebeneinander.

In dem Gesetzentwurf zur alten Integrationspauschale heißt es in der Gesetzesbegründung von 2016 – ich zitiere –:

„Im Zuge der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Beteiligung des Bundes an den Kosten der Integration vom 7. Juli 2016 hat der Bund zugesagt, den Ländern für die Jahre 2016 bis 2018 zu ihrer Entlastung eine jährliche Integrationspauschale in Höhe von 2 Milliarden Euro durch eine Änderung der vertikalen Umsatzsteuerverteilung zur Verfügung zu stellen.“

Das war der alte Gesetzentwurf. – Achtung! Jetzt kommt der Gesetzentwurf zur neuen Integrationspauschale. Ich zitiere aus dem neuen Gesetzentwurf:

„Die Regierungen des Bundes und der Länder haben sich am 6. Juni 2019 auf die Weiterführung der Bundesbeteiligung an flüchtlingsbedingten Kosten von Ländern und Gemeinden verständigt. Nach dieser Vereinbarung sollen die Länder vom Bund durch entsprechende Anpassung des FAG über einen erhöhten Umsatzsteueranteil im Jahr 2020 eine Pauschale für flüchtlingsbezogene Zwecke in Höhe von 700 Millionen Euro und im Jahr 2021 in Höhe von 500 Millionen Euro erhalten.“

(Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Und als Übersetzung zur Erläuterung der Einigung heißt es von der SPD-Bundestagsfraktion, die ja immerhin den Bundesfinanzminister stellt …

Vizepräsident Oliver Keymis: Jetzt ist die Zeit um, Frau Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Letzter Satz!

(Heike Wermer [CDU]: Die Zeit ist aber jetzt um, Frau Düker! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

… – ich zitiere aus einer Veröffentlichung der SPD-Bundestagsfraktion –:

„Die bisherige Integrationspauschale wird, unter anderem auf Grund sinkender Flüchtlingszahlen, auf pauschal 700 Millionen Euro …“

– usw. –

„… festgesetzt.“

Das heißt, …

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke, Frau Düker. Die Zeit ist um. – Frau Wermer wird darauf antworten.

(Zurufe von der CDU und der FDP – Gegenruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Gegenruf von Marcel Hafke [FDP]: Parlamentarische Regeln gelten für alle!)

Monika Düker (GRÜNE): Wo sehen Sie hier den Unterschied?

(Fortgesetzt Zurufe von der CDU und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Das Schöne an einer Kurzintervention ist: Man muss gar keine Frage stellen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ach so! Das stimmt!)

– Nur zum Trost.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ich dachte, ich müsste noch eine Frage stellen! Also, ich sehe da keinen Unterschied!)

Frau Wermer, Sie können jetzt antworten.

Heike Wermer (CDU): Vielen Dank. – Liebe Frau Düker, die Kurzintervention heißt „Kurzintervention“, weil sie vielleicht auch kurz sein sollte. Das haben Sie in Ihrem Beitrag leider nicht ganz geschafft.

(Beifall von der CDU und der FDP – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Zur Sache! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Aber lassen Sie mich eines ausführen: Es ist schön, dass Sie die SPD-Bundestagsfraktion zitieren. Vielleicht sollten Sie aber auch die Ausführungen zum Gesetz weiter studieren. Denn darin steht ganz klar geschrieben, dass der Bund die Mittel zum Zwecke der Länder ausgibt

(Monika Düker [GRÜNE]: Und Kommunen!)

und eben nicht für die Kommunen. Das ist der große Unterschied.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was hat sie denn vorgelesen? – Gegenruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Weitere Zurufe von der CDU und den GRÜNEN)

Wir werden als NRW-Koalition natürlich daran arbeiten, die Kommunen auskömmlich auszustatten.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Das sagt die Landesregierung aber anders! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das gibt es doch gar nicht! – Unruhe – Glocke)

Aber bei der sogenannten Integrationspauschale spielen Sie ein falsches Spiel. Und das finde ich sehr unredlich für dieses Plenum. – Danke.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Gucken Sie einmal in den Spiegel, ob das noch funktioniert! Das war billiger Populismus! – Gegenrufe von der CDU – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Meinen Sie, wir sind bescheuert, oder wie? – Unruhe – Glocke)

Vizepräsident Oliver Keymis: Kollegen, können Sie sich etwas zusammenreißen, wenn ich das einmal so offen sagen darf? Ich höre das hier oben ja nur so, wie es hier ankommt. Aber man kann sich im Parlament nicht derart anschreien – vor allem, wenn man anderen den Vorwurf macht, dass sie ihre Dinge nicht immer so platzieren, wie man es sich wünscht. Ich bitte darum, dass wir hier gemeinsam den richtigen Ton gewährleisten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Und ich will deutlich sagen: Wenn hier jemand eine Kurzintervention gehalten hat und darauf geantwortet wird, hört man erst einmal zu, was geantwortet wird, und tätigt nicht schon wieder so laute Zwischenrufe, dass die Kollegin sich faktisch trotz Mikrofon nicht durchsetzen kann. Ich muss das in dieser Deutlichkeit sagen. Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das hat wohl etwas mit dem Wahrheitsgehalt der Antwort zu tun!)

Es mag einem nicht passen, was geantwortet wird. Aber es gehört zu den Spielregeln des Hohen Hauses, dass hier jeder frei sprechen kann. So, wie die Kurzintervention abgegeben werden konnte, wird auch die Antwort entgegengenommen. Ich bitte darum, dass wir uns alle gemeinsam daran halten.

Jetzt spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Aymaz. Bitte schön.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wer es mit der Integration ernst meint, muss genau dort ansetzen, wo die Integrationsarbeit stattfindet, und zwar – damit sind wir bei unserem Thema von vorhin – vor Ort in den Kommunen.

Genau diese Arbeit vor Ort in den Kommunen findet in diesem Haushalt nicht die entsprechende Würdigung. Das sieht man zum einen ganz klar an der noch immer ausstehenden Erhöhung der FlüAG-Pauschale.

Bereits vor inzwischen über einem Jahr ist gutachterlich festgestellt worden, dass die Kostenerstattung des Landes an die Kommunen für die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten völlig unzureichend ist. Fast wöchentlich – auch ganz aktuell heute – schlagen die Kommunen Alarm und machen darauf aufmerksam, dass sie sich bei ihrer Aufgabe der Unterbringung und Integration von Neuzugewanderten vom Land im Stich gelassen fühlen.

In Köln werden nur knapp 30 % der Gesamtkosten durch das Land abgedeckt. Für Solingen, eine Stadt mit 160.000 Einwohnerinnen, bedeutet dies Kosten in Höhe von 6 Millionen Euro und für Essen sogar Kosten in Höhe von 27 Millionen Euro, die die Städte gänzlich aus ihren eigenen Haushalten aufbringen müssen.

Das ist nicht haltbar, Herr Minister Stamp. Wir haben Sie im Laufe dieses Jahres immer wieder mit Anträgen, Anfragen und nicht zuletzt einem Haushaltsänderungsantrag aufgefordert, die Kommunen, die bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten so wertvolle und wichtige Arbeit leisten, endlich auskömmlich zu finanzieren. Das heißt: Die Anhebung der FlüAG-Pauschale und die Übernahme der Kosten für Geduldete auch über drei Monate hinaus sind schon längst überfällig.

Während Sie sich immer noch dafür feiern lassen, dass Sie sich im letzten Jahr nach langem Hin und Her dazu durchgerungen haben, die Pauschale des Bundes an die Kommunen weiterzuleiten – auch die Kollegin Wermer hat das in ihrer Rede groß ausgeführt –, lassen Sie die Pauschale in diesem Jahr einfach mal so unter den Tisch fallen. Ihre Verweigerungshaltung begründen Sie damit, dass es keine Integrationspauschale mehr sei; sie heiße nicht mehr so, also müsse man sie auch nicht an die Kommunen weiterleiten.

Was für ein Unfug! Meine Kollegin Frau Düker hat sehr deutlich gemacht, dass diese Begründung nicht haltbar ist. Sie stimmt einfach nicht. Sie erzählen hier irgendetwas, was absolut nicht der Wahrheit entspricht. Und das wissen wir alle.

Die Bundesregierung spricht übrigens auf ihrer Website weiterhin von einer Integrationspauschale, die den Ländern für die Unterstützung der Arbeit in den Kommunen zukommt.

Das ist also reiner Unfug. Damit kommen Sie nicht durch. Lediglich die Summe ist leider gekürzt worden. Für NRW bedeutet das 151 Millionen Euro, die weitergeleitet werden müssten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin gespannt und hoffe natürlich, dass das in der dritten Lesung noch korrigiert wird. Denn gerade in einer Zeit, in der Rechtpopulisten und Nationalisten ihre Hetze betreiben, muss mit aller Sorgfalt darauf geachtet werden, dass finanzielle Schieflagen in den Kommunen nicht zu einer sozialen Spaltung führen und nicht dazu beitragen, dass Rechte dies für Hass und Hetze vor Ort instrumentalisieren.

Abschließend möchte ich noch auf einen letzten Punkt eingehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Erst vergangene Woche haben wir das 30-jährige Bestehen der UN-Kinderrechtskonvention gefeiert. Diese garantiert jedem Kind – das bedeutet: unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus – unter anderem das Recht auf Bildung und Zugang zur Schule.

Herr Minister Stamp, wir haben Sie immer wieder auf die Beschulungssituation von geflüchteten Kindern bzw. von Kindern geflüchteter Familien angesprochen. Daraufhin haben wir immer wieder die Antwort bekommen, Sie seien an der Sache dran.

Jetzt sehen wir plötzlich, dass Sie im Haushalt 5 Millionen Euro für sogenannte schulnahe Bildungsangebote in den zentralen Unterbringungseinrichtungen veranschlagt haben. Die Antworten auf die Fragen, wofür diese 5 Millionen Euro konkret verwendet werden sollen und wie diese sogenannten schulnahen Bildungsangebote tatsächlich aussehen sollen, bleiben Sie uns aber weiterhin schuldig.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um auf Folgendes hinzuweisen: Aus einem aktuellen Rechtsgutachten im Auftrag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes geht hervor, dass in jedem Fall, also auch im Fall von Kindern geflüchteter Familien, die Beschulung an Regelschulen, also eine diskriminierungsfreie Beschulung, sicherzustellen ist.

Das ist Ihre Aufgabe, Herr Minister Stamp.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Hier haben Sie als Flüchtlings- und Integrationsminister und als Minister für Kinder wertvolle Zeit verstreichen lassen.

Vor dem Hintergrund, dass für irgendwelche nicht ausgereiften Angebote einfach so 5 Millionen Euro bereitgestellt werden sollen, sehe ich auch für das kommende Jahr schwarz.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Ich möchte darauf hinweisen, dass es unten im Landtag heute einen Stand von Amnesty International gibt. Vielleicht suchen Sie dort einmal das Gespräch. Denn auch Amnesty International fordert ganz klar eine diskriminierungsfreie Beschulung für Flüchtlingskinder. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Aymaz. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Lenzen.

Stefan Lenzen (FDP): Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Haushalt setzt die NRW-Koalition aus FDP und CDU neue Akzente in der Integrationspolitik. Wie Sie gehört haben, erhöhen wir die Mittel allein in diesem Bereich um 50 Millionen Euro. Das entspricht einer Verdoppelung des Etats in diesem Bereich.

Welche neuen Schwerpunkte setzen wir? Wir werden kommendes Jahr zum Beispiel flächendeckend ein kommunales Integrationsmanagement einführen. Allein dafür stellen wir zunächst 25 Millionen Euro zur Verfügung.

Wer gestern bei dem Werkstattgespräch von CDU und FDP dabei war, hat gesehen, dass wir genau dies mit Akteuren aus den kommunalen Integrationsstrukturen diskutiert haben. Dabei hätte man mitbekommen können, dass wir die Kommunen hier nicht im Stich lassen. Wir haben mit ihnen diskutiert, wie wir das Thema zusammen mit den Kommunen voranbringen und wie wir sie unterstützen können, zum Beispiel dabei, Perspektiven zu schaffen. Die 3+2-Regelung und der Bleiberechtserlass wurden bereits erwähnt. Wie können wir auf der einen Seite die Zahl der Geduldeten reduzieren und auf der anderen Seite Chancen und Perspektiven schaffen? Wie können wir die Kommunen bei Ausreise und Abschiebung unterstützen?

Hier habe ich fast die Vermutung, dass bei Ihnen eine etwas gestörte Wahrnehmung vorliegt. So wollte die Kollegin Aymaz gerade in ihrem Redebeitrag den Eindruck erwecken, wir würden die Kommunen im Stich lassen und nicht mitnehmen. Vielleicht hatte man dabei die eigene Regierungszeit im Hinterkopf und hat aus dieser Zeit berichtet. Das mag damals so gewesen sein. Ich kann das nicht beurteilen, weil ich damals noch nicht in diesem Hause war.

Aber ich kann beurteilen, wie wir seit 2017 vorgehen. Insbesondere beim kommunalen Integrationsmanagement nehmen wir die Kreise und kreisfreien Städte mit. Wir wollen sie unterstützen, effizientere Strukturen zu schaffen. Wir wollen sie in der Zusammenarbeit mit allen Ämtern und Behörden unterstützen. Schließlich ist das das Entscheidende. Integration geschieht vor Ort. Und genau da unterstützen wir sie.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Wie wichtig ein rechtskreisübergreifendes Fallmanagement ist, sollte klar sein. Daher sollten wir das auch fördern und unterstützen. Zudem sollten wir uns überlegen, wie wir die individuelle Betreuung von Geflüchteten und anderen Eingewanderten verbessern können und sie auch erreichen können. Auch das sollte doch klar sein.

Im Gegensatz zu anderen haben wir nicht nur herumlamentiert, sondern auch gehandelt. Unser Minister Stamp hat den Behörden aufgezeigt, wie sie den Erlass im Bereich Ausbildungsduldung und Bleiberecht auch im bundesrechtlichen Rahmen nutzen können. Wir bieten den Menschen dort Chancen, wo Sie vorher nichts getan haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich möchte noch einen klaren Unterschied zur rot-grünen Vorgängerregierung benennen. Wir wollen das kommunale Integrationsmanagement auf den Weg bringen.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

– Regen Sie sich nicht auf, Frau Düker, sondern hören einfach einmal zwei Minuten zu.

Was haben Sie denn getan? Das, was wir als NRW-Koalition machen, ist der klare Gegensatz zu dem, was Rot-Grün getan hat. Das muss man einfach einmal akzeptieren.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Wir werden mit den Mitteln für das kommunale Integrationsmanagement diese klaren Strukturen zukunftsfest machen. Wir werden die Mittel aufwachsen lassen. Wir werden die Kommunen bei der Integration vor Ort nicht im Stich lassen.

Was haben Sie denn getan? Sie haben irgendein Projekt angefangen und es ein, zwei Jahre betrieben. Dann haben Sie es wieder einstellen lassen – in der Hoffnung, wir würden es weiterfinanzieren, wie das bei den Kommunalen Integrationszentren der Fall war. Wir haben es doch landauf, landab gehört. Sie haben alles nur ein, zwei Jahre anfinanziert – nach dem Motto: Mal gucken, wie es läuft.

Ich habe eben von dem Modellprojekt „Einwanderung gestalten NRW“ gehört. Natürlich gab es gute Modellprojekte. Aber wir setzen das jetzt flächendeckend um. Das ist der Unterschied.

Ebenso fördern wir die Integrationsagenturen. Dafür werden 3 Millionen Euro mehr veranschlagt. Das ist auch ein Zeichen im Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.

Der Dialog mit den Muslimen ist uns ebenfalls wichtig. Deswegen wird auch die Arbeit der Koordinierungsstelle Muslimisches Engagement verstärkt unterstützt. Dafür stehen 2 Millionen Euro zur Verfügung.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege …

Stefan Lenzen (FDP): Jetzt nicht.

Vizepräsident Oliver Keymis: Jetzt gerade wünschen Sie keine Zwischenfrage. Habe ich Sie da richtig verstanden? – Gut.

Stefan Lenzen (FDP): Gemeinsam mit der SPD haben wir die interkulturelle Öffnung der Altenpflege auf den Weg gebracht. Auch dort haben wir unseren Worten Taten Folgen lassen. Dafür stehen jetzt 3 Millionen Euro im Haushalt. Wir gehen also auf die Bedürfnisse ein. Wir wollen die Lebensleistung würdigen.

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben schon viel zur Integrationspauschale gehört. Die Kollegin Wermer hat versucht, Ihnen das zu erklären. Ich versuche es nicht mehr, weil das nicht mehr in meine Redezeit passt. Aber diese Kritik ist wirklich fernab jeder Realität.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Gestern wurde noch festgehalten, dass wir 2018/2019 Bundesmittel weiterleiten. Wir geben den Kommunen 533 Millionen Euro mehr, als sie jemals zuvor gesehen haben. Uns wurde gestern noch bestätigt, dass wir die erste Regierung sind, die Bundesmittel weiterleitet. Von Ihnen kam da doch nichts.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Ibrahim Yetim [SPD])

Jetzt fangen Sie an, drastisch zu kürzen. Gerade die SPD müsste sich schämen. Sie stellen den Finanzminister, kürzen die Mittel drastisch und sagen dann, wir sollten das hier mal eben lösen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das ist eine Verklärung der Realitäten. Ich kann nur sagen: Wir gehen mit dem Haushalt den Weg der Chancen weiter. Wir werden die Kommunen weiter unterstützen. Das haben wir bei den Themen „Rückführung“ und „Asyl-Stufenplan“ schon gehört.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir werden auch das Thema „Flüchtlingsaufnahmegesetz“ regeln und mit allen Beteiligten eine auf Dauer tragfähige Lösung finden.

Wenn Sie in den Haushalt geschaut hätten, hätten Sie gesehen, dass die Haushaltsansätze trotz sinkender Flüchtlingszahlen beibehalten worden sind. Das schafft Spielraum für Anpassungen. Die Integrationspauschale kann auch in diesem Bereich – wir haben das extra so geöffnet – teils noch bis November 2020 genutzt werden.

Wir werden handeln, wo Sie von Rot-Grün die Kommunen im Stich gelassen haben. – Danke schön.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Lenzen. – Jetzt spricht Frau Walger-Demolsky für die AfD-Fraktion.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Integration darf nicht Addition sein. Das ist der ganz große Dissens, den wir bezüglich Ihrer Politik haben.

Integriert werden müssen Menschen, die dauerhaft bei uns bleiben – und natürlich nicht diejenigen, die absehbar wieder in ihre Heimat zurückkehren wollen oder sogar müssen, weil die Basis ihres Status die Ausreisepflicht ist.

Integration wird auch nicht gelingen, wenn nur Integration in die Sprache und in den Arbeitsmarkt oder gar in die Sozialsysteme gemeint ist. Integration muss die Anerkennung und die Näherung an die deutsche, respektive die europäische, Leitkultur sein. Nur dann kann das Zusammenleben in Zukunft harmonisch und sicher sein. Eine solche Integration wird dann gegebenenfalls mit dem Bekenntnis zur deutschen Staatsbürgerschaft gekrönt.

Aber was planen Sie in Ihrem Haushalt? Die Förderung der Integration Zugewanderter und des Zusammenlebens in Vielfalt: 74 Millionen Euro, über 20 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr. Das ist eine Absage an die Integration und stattdessen ein klares Bekenntnis zur Addition.

Einen Teil des Geldes benötigen Sie, um die Vielfalt auch denen näherzubringen, die schon länger hier leben. Ein anderer Teil fließt in Projekte wie zum Beispiel die Koordinierungsstelle Muslimisches Engagement in NRW – ein Projekt, das schon heute erkennbar zum Scheitern verurteilt ist, da selbst staatsfeindliche Gruppierungen und diejenigen, die besonders laut Forderungen artikulieren und alles andere wollen, aber um Gottes willen keine Integration in unsere Mehrheitsgesellschaft, mitmachen dürfen.

Fast 4 Millionen Euro sollen zur Qualifizierung und zur Ausbildung junger Flüchtlinge genutzt werden, die eigentlich nur geduldet bzw. gestattet sind. Machen Sie diese jungen Menschen fit für eine Rückkehr in ihre Heimat: Fit4Return. Orientieren Sie sich dabei beispielsweise an bestehenden Programmen wie Perspektive Heimat oder Rückkehr in Würde.

Statt das Ziel gelungener Integration zu verfolgen, ist Einbürgerung für Sie ein Mittel zum Zweck. 25 Millionen Euro und weitere 40 Millionen Euro sind in Aussicht gestellt. Für 2021 und 2022 planen Sie das Case-Management in den Kommunen. Darin enthalten ist mindestens eine halbe Stelle pro Kommune für das Einbürgerungswesen – frei nach dem Motto: Wenn die Zuwanderer erst einmal Deutsche sind, wird alles besser.

Die Summe der FlüAG-Pauschale bleibt gleich, obwohl sie reduziert werden könnte. Kommunen fehlt somit weiterhin der Anreiz, die Zahl der Ausreisepflichtigen zu reduzieren. Das erleichtert auch zweifelhafte Duldungsentscheidungen. 25 % der Ausreisepflichtigen kommen aus den Balkanstaaten. Wo ist da das Rückkehrproblem?

Kommunen, die in den letzten Jahren einen perfekten Aufnahmeapparat aufgebaut haben, erklären sich jetzt zu sicheren Häfen und rufen nach weiteren Flüchtlingen. Anschließend rufen sie nach weiterem Geld.

Wir benötigen in NRW dringend einen erkennbaren Wechsel weg von der Willkommens- und Spurwechselstruktur für Asylbewerber hin zu einer Politik gesicherter Grenzen, kontrollierter Zuwanderung qualifizierter Kräfte – zum Beispiel nach kanadischem Vorbild – und einer Verabschiedungskultur für Ausreisepflichtige. Das gilt natürlich insbesondere für solche, die straffällig geworden sind.

(Beifall von der AfD)

Das aktuelle Problem wachsender Clankriminalität ist doch erkennbar die Folge ungeregelter Zuwanderung Integrationsunwilliger mit Kettenduldung, die ganze Stadtbezirke, zum Beispiel im Norden des Ruhrgebiets, gefühlt zum Ausland gemacht haben. Schauen Sie sich einmal die Peripherien der Großstädte in Frankreich an. Der Weg dahin ist auch bei uns nicht mehr weit – in den ehemaligen Industriegebieten, die bei uns ebenfalls wachsen.

Neben deutlichen Einsparungen bei der freiwilligen Leistung schlagen wir daher eine Erhöhung der Mittel für die Zentralen Ausländerbehörden vor. Diese müssen die Kommunen bei der Rückführung von Ausreisepflichtigen noch mehr und proaktiv unterstützen.

Wir schlagen außerdem vor, mehr Geld für die freiwillige Rückkehr zur Verfügung zu stellen und dies über die ZAB aktiv in die Kommunen zu tragen.

12 von 17 Änderungsanträgen zum Integrationshaushalt kamen von der AfD.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Die sind alle schlecht!)

– Klar.

Sie können sich vorstellen: Wir werden dem Haushalt nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Walger-Demolsky. – Jetzt tritt der zuständige Minister, Herr Dr. Stamp, ans Pult. Bitte schön.

Dr. Joachim Stamp*), Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst ganz kurz an Frau Walger-Demolsky wenden, weil ich sagen muss, dass Sie hier eben Vokabular benutzt haben, was ich indiskutabel finde, und dass diese Art und Weise der Fremdenfeindlichkeit, des Erklärens, man sei hier nicht mehr im eigenen Land,

(Gabriele Walger-Demolsky [AfD]: Gefühlt!)

und ähnliche Assoziationen im krassen Widerspruch zu der Kreide,

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

die Sie offenbar im Ausschuss zu sich genommen haben, steht. Ich frage mich manchmal, was charakterlich schwieriger ist: diejenigen, die die Scharfmacher sind, oder diejenigen, die, wenn sie in der Herde sind,

(Helmut Seifen [AfD]: Sie sind der Scharfmacher!)

nicht den Mumm haben, ihre Linie entsprechend durchzuhalten. Ich finde beides nicht in Ordnung.

(Beifall von der CDU, der FDP, der SPD, und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben das wichtige Zukunftsthema „Integration“ wieder zu einem zentralen Thema der Landesregierung gemacht. Herr Kollege Yetim, sprechen Sie mal mit den verschiedenen Genossinnen und Genossen in Ihrer Partei; die werden Ihnen das auch bestätigen. Das gilt auch für Frau Kollegin Aymaz. Wenn Sie mal mit der Basis sprechen,

(Ibrahim Yetim [SPD]: Ich spreche immer mit denen!)

dann werden die Menschen Ihnen bestätigen, dass es in Nordrhein-Westfalen wieder eine offensive Integrationspolitik gibt.

Genau das spiegelt auch der Haushalt wider. Wir haben die Mittel für Integration nahezu verdoppelt. Wir stärken dabei vor allem die Kommunen und die Zivilgesellschaft als die wichtigsten Akteure bei der Integration von Menschen mit Einwanderungsgeschichte.

Wir haben schon viel umgesetzt, aber wir haben auch noch viel vor. Das zeigt der aktuelle Haushalt ganz deutlich. Wir werden ein flächendeckendes kommunales Integrationsmanagement einführen und mit der Initiative „Gemeinsam klappt`s“ mehr Menschen in Ausbildung und Arbeit bringen.

Wir werden bei der kultursensiblen Altenpflege die Lebensleistung der ersten Generation der Migrantinnen und Migranten stärker würdigen. Gerade diese Generation, die einen wichtigen Teil für unseren Wohlstand geleistet hat, hat dies wirklich verdient.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir werden die Antidiskriminierungsarbeit der Integrationsagenturen stärker unterstützen, die Zusammenarbeit mit dem Muslimen auf eine breitere Basis stellen, die Unterstützung der Ausländer- und Einbürgerungsbehörden verbessern. Ich freue mich, dass wir auch im nächsten Jahr den Wertedialog in unserer Gesellschaft unter der Dachmarke #IchDuWirNRW weiterführen werden. Zudem verdoppeln wir die Unterstützung der Kommunen, die von Zuwanderung aus Südosteuropa betroffen sind.

All dies sind Bausteine unserer Teilhabe- und Integrationsstrategie 2030, die eben nicht nur, Herr Kollege Yetim, einfach ein „blutleeres Konstrukt“ ist, wie Sie es gerade dargestellt haben, sondern die von unserem Beirat für Teilhabe und Integration erarbeitet worden ist, in dem unterschiedliche politische, gesellschaftliche Kräfte aus ganz unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen sitzen, wo die Vielfalt der Gesellschaft abgebildet ist. Im Übrigen ist es vom gesamten Kabinett beschlossen worden und wird jetzt sukzessive mit Maßnahmen unterfüttert.

Das ist der Unterschied zwischen einer Strategie, einem strategischen Ansatz und konkreten Maßnahmen. Ich empfehle einen Blick auf die Frage zu werfen, was Strategie ist und was Maßnahmenkataloge sind.

Zudem, meine Damen und Herren, werden wir das Schritt für Schritt in allen Ressorts umsetzen. Ich freue mich, dass wir hier so einen breiten Konsens in der Landesregierung für diese Strategie haben.

Meine Damen und Herren, die Ausgaben für Asyl werden um ca. 167 Millionen Euro abgesenkt. Damit wird der allgemeinen rückläufigen Ausgabenentwicklung Rechnung getragen, die ihrerseits Folge der weiter rückläufigen Flüchtlingszahlen ist. Ich sage aber ausdrücklich dazu, Herr Mostofizadeh, damit da nicht wieder an anderen Stellen falsche Dinge in Umlauf gebracht werden: Die Mittel für die soziale Beratung von Flüchtlingen bleiben trotzdem auf gleicher Höhe erhalten.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Auch in der Flüchtlingspolitik entlasten wir die Kommunen. So wird das Land noch mehr Aufgaben bei den Rückführungen übernehmen und die Kommunen von der Unterbringung von Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive entlasten. Dies setzen wir mit dem Asylstufenplan in Nordrhein-Westfalen Schritt für Schritt um. Es ist ein Stufenplan, weil nicht alles auf einmal passiert, sondern eben in Stufen, daher der Name Stufenplan.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mostofizadeh?

Dr. Joachim Stamp*), Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Die Landesregierung hat die Finanzierung der Kommunen …

Vizepräsident Oliver Keymis: Keine Zwischenfrage.

Dr. Joachim Stamp*), Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: ... seit Regierungsantritt Jahr für Jahr erheblich verbessert. Das zieht sich wie ein roter Faden durch jeden Haushalt der NRW-Koalition.

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich mal ehrlich machen und sich das Verhältnis Landesfinanzen/kommunale Finanzen ansehen und netto die Jahre 2019 mit 2017 vergleichen, dann müssten Sie dieses perpetuierte Ritual, was Sie an dieser Stelle hier immer wieder aufführen, irgendwann auch einmal einstellen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir geben die Integrationspauschale vollständig an die Kommunen weiter. Dies kann in Zukunft natürlich nicht mehr der Fall sein, wenn es diese Pauschale nicht mehr gibt.

(Zurufe von den GRÜNEN: Ah!)

Aber mir ist es wichtig, dass wir gemeinsam mit den Kommunen einen Pakt für Migration und Integration schließen, der das Thema insgesamt anpackt. Wir wissen alle um die Situation in unseren Städten und Gemeinden und dass der Schuh bei den Kosten der Geduldeten drückt.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen werde ich gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden eine Novelle des FlüAG erarbeiten. Die Gespräche finden ja statt und haben auch heute wieder stattgefunden.

Die Pressemitteilung, Herr Mostofizadeh, die Sie vorhin zitiert haben, ist im Übrigen an der Stelle nicht ganz richtig, weil derjenige, der sich dort geäußert hat, in meiner Anwesenheit gar nicht zu dem Thema gesprochen hat,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sie lassen ja keine Zwischenfrage zu!)

sondern über ein ganz anderes Thema, nämlich über den Rechtsanspruch an der OGS gesprochen hat. Das nur der Vollständigkeit halber. Deswegen bitte immer sehr vorsichtig mit Zitaten von anderen Leuten sein, wenn man nicht dabei gewesen ist, Herr Mostofizadeh.

(Beifall von der CDU und der FDP – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ich habe nicht zitiert!)

– Sie haben zitiert oder es sich zu eigen gemacht. Deswegen sage ich: Vorsichtig mit den Zitaten von anderer Seite.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das stimmt aber! Das war Herr Yetim! – Frank Müller [SPD], auf den Abgeordneten Ibrahim Yetim [SPD] deutend: Er war‘s!)

Meine Damen und Herren, wir haben insgesamt im Haushalt und auch bei der Integrations- und Flüchtlingspolitik immer wieder deutlich gemacht, dass wir an der Seite der Kommunen stehen. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit. Deswegen wird es auch gelingen, gemeinsam ein wetterfestes, zukunftsfähiges und dann dauerhaft für alle tragfähiges Flüchtlingsaufnahmegesetz gemeinsam zu erarbeiten und hier zu beschließen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Die Regierung hat die Redezeit um 2 Minuten und 15 Sekunden überzogen. Aber fast alle Fraktionen haben ebenfalls überzogen. Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Die sehe ich nicht.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 07. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/8007, den Einzelplan 07 unverändert anzunehmen. Wer stimmt dem Einzelplan zu? – CDU und FDP stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und AfD stimmen dagegen. Wer enthält sich? – Herr Pretzell und Herr Langguth. Damit haben wir ein klares Ergebnis: Mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen ist der Einzelplan 07 in zweiter Lesung angenommen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich rufe auf:

     Einzelplan 09
Ministerium für Verkehr

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8009

Die Aussprache ist eröffnet. Herr Löcker ist schon am Pult und spricht für die SPD-Fraktion zum Haushaltsplan 09, Verkehr. – Sie wollen vor 10 Uhr noch nach Hause? Ich weiß nicht, ob wir das hinkriegen. Wir arbeiten daran.

(Beifall von Britta Altenkamp [SPD])

Ich bitte darum, dass im Saal ein bisschen Ruhe einkehrt, damit der Redner das Wort ergreifen kann. Diejenigen, die etwas besprechen müssen, besprechen das bitte außerhalb des Saales. Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Herr Löcker, Sie haben das Wort.

Carsten Löcker*) (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ein Haushaltsentwurf ein Spiegelbild der Politik einer Landesregierung ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann ist dieser Einzelplan 09 sehr aussagekräftig. Verkehrspolitik spielt für die Landesregierung eine untergeordnete Rolle. Warum, meine Damen und Herren?

Der Anstieg des Haushaltsvolumens im Verkehr bleibt gegenüber 2019 mit 2,27 % unter dem Anstieg des Gesamthaushalts für 2020.

Lassen wir mal die kosmetischen Tricks und betrachten die Haushaltsmittel ohne die 53 Millionen Euro Regionalisierungsmittel, dann liegt der Anstieg, Herr Voussem, sage und schreibe bei 0,4 % – kaum zu glauben!

Vor dem Hintergrund der Steuereinnahmen ist das verdammt wenig ambitioniert. Auch vor dem Hintergrund der Probleme, die dieses Land hat, ist das wenig ambitioniert. Schauen wir auf die in dem Haushalt ausgewiesenen globalen Minderausgaben, so kann man sagen, dass noch obendrauf gespart wird. Blickt man auf die Anforderungen, so muss man ebenfalls sagen: ziemlich unambitioniert.

Bleiben wir detailliert. Die Investitionen des Verkehrsministeriums steigen lediglich um 2,24 % gegenüber 2019, aber dafür steigen die Verwaltungsausgaben um sage und schreibe 20,43 %, die Personalkosten obendrauf um 8,75 %. Blickt man auf die Steigerungsraten, müsste man der FDP zurufen: Entfesselung mal ganz anders. – Wer die vier Grundrechenarten beherrscht, der hat ziemlich schnell raus, wie es bei Ihnen läuft.

Wechselt man die Perspektive von der strukturellen Betrachtung zu der inhaltlichen Betrachtung, dann wird es nicht besser. Dieser Haushaltsentwurf ist kein großer Wurf, weil er eigene verkehrspolitische Schwerpunkte der Landesregierung nicht wirklich erkennen lässt. Das fällt schon auf. Und dies, obwohl ausreichend Geld – viel mehr Geld als in den Jahren zuvor – zur Verfügung steht, und zwar dank Michael Groschek und der SPD, die sich in Berlin dafür verwendet hat. Dieses Geld können Sie heute ausgeben, Sie tun es in weiten Bereichen allerdings nicht.

Stattdessen nehmen die Staus auf Land- und Bundesstraßen zu. Die Zähne der Pendler sind schon ganz stumpf vom Lenkradbeißen. Sie regieren, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, versprochen haben Sie aber etwas anderes.

Eine beherzte Initiative zur Förderung des Radverkehrs steht – bisher zumindest – noch aus. Angekündigt haben Sie sie, allerdings müssen den Worten auch Taten folgen.

Der Start der neuen S-Bahn und des Verkehrs im Ruhrgebiet ist missglückt. Wir alle sehen, wie die Pendlerinnen und Pendler, die erwartet haben, dass das Projekt jetzt umgesetzt wird, weiterhin im Regen stehen.

Preissteigerungen im öffentlichen Verkehr nehmen nicht mehr hinnehmbare Höhen an. Kritik daran gibt es überall im Land.

Was tun Sie, Herr Minister, in diesem Zusammenhang? Welche Antworten haben Sie zu diesen Missständen? Wann reden wir endlich über Organisation und über Strukturen für einen besseren Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen? Ihren Vorschlag zu dieser Sache haben wir bisher noch nicht gehört.

Zu einer umfassenden Verkehrswende gehört auch, dass man kräftig in den ÖPNV investiert. Man kann aber feststellen, dass das mit diesem Haushalt nicht ansatzweise erreicht wird. Wir brauchen in diesem Land mehr Anstrengungen für Wahlfreiheit und Alternativen, damit die Menschen auch umsteigen können. Und das kann man eben nicht, wenn man ein Zugticket kaufen muss, das 82 Euro kostet. Das können sich viele Azubis überhaupt nicht erlauben.

(Beifall von der SPD)

Auch die 40 Millionen Euro für das Sozialticket sind viel zu wenig. Der Preis steigt seit Jahren, und insofern ist es für viele keine Alternative mehr; am Ende wird es überhaupt keine mehr sein, weil der Preis steigt und das niemand mehr bezahlen kann.

Beim Einstieg in einen kostenfreien ÖPNV mauern Sie ebenfalls. Da loben wir doch die Weitsicht der CDU in Hamm auf Initiative der SPD. Dort haben sie verstanden und führen demnächst mit uns ein kostenfreies Ticket für – man höre und staune – Jugendliche bis zu 18 Jahren ein. Davon können Sie etwas lernen. Es wäre gut, wenn wir hier auch so verfahren könnten. Das ist so nichts Halbes und nichts Ganzes, meine Damen und Herren.

Man könnte die Liste weiter fortführen. Darauf will ich mit Blick auf die Zeit verzichten. Klar ist aber, dass das ziemlich unambitioniert ist, was Sie vorlegen.

(Zuruf von Arne Moritz [CDU])

Von einer Stärkung der Systeme kann kaum die Rede sein. Deshalb halten wir fest: Ihre angekündigte Verkehrswende steckt im Stau. So ist es und nicht anders.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

Die Bilanz ist ziemlich ernüchternd, und deshalb werden wir Ihrem Vorschlag heute natürlich nicht zustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Löcker. – Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Herr Voussem.

(Arne Moritz [CDU]: Jetzt kommt’s! Sag mal was! – Lachen von der SPD – Frank Müller [SPD]: Das war der kabarettistische Teil des Abends!)

Klaus Voussem (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Löcker, Sie sind ein tapferer Sozialdemokrat, und ich schätze Sie persönlich sehr. Allerdings schaut bei Ihrer Rede, lieber Herr Kollege, das schlechte Gewissen doch aus jedem einzelnen Buchstaben heraus –

(Beifall von der CDU und der FDP)

das schlechte Gewissen deswegen, weil Sie während Ihrer segensreichen Schaffenszeit in der Regierungsverantwortung keinen einzigen von den Punkten, die Sie soeben zu kritisieren versucht haben, auch nur ansatzweise umgesetzt haben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Carsten Löcker [SPD]: Sie regieren, wir nicht!)

Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist die Vergangenheit. Lassen Sie uns über die Zukunft reden.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Schön!)

Heute beraten wir den Entwurf des Haushaltsgesetzes 2020 für das Land Nordrhein-Westfalen im Einzelplan 09, und wenn dieser so umgesetzt wird, dann haben wir die richtigen Weichen gestellt für Investitionen in eine mobile Zukunft. Die NRW-Koalition ist mit den Haushalten 2018 und 2019 und dem Planungs-, Genehmigungs- und Bauhochlauf mit einer Erhöhung der Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur in die richtige Richtung gegangen.

Wenn der eingeschlagene Weg richtig ist, muss jetzt noch einmal das Tempo verschärft werden. Eben dies geschieht mit dem vorliegenden Etatentwurf zum Einzelplan 09. Es werden noch mehr Stellen und noch mehr investive Mittel geschaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Unsere Schwerpunkte sind Vernetzung und Digitalisierung, Reaktivierung von Schienenstrecken, Ausgaben in den ÖPNV sowie der Ausbau des Radwegenetzes.

Unser Entwurf sieht eine Steigerung des Etats auf insgesamt 2,93 Milliarden Euro vor.

Allein für Investitionen in das Radwegenetz sind 47 Millionen Euro eingeplant. Davon fließen 12,4 Millionen Euro in Radwege an Landesstraßen. Weitere 17,1 Millionen Euro sollen in den kommunalen Radwegebau investiert werden. Unsere Radschnellwege werden mit 9,25 Millionen Euro gefördert, und mit 8,5 Millionen Euro werden Radwege an Bundesstraßen ausgebaut. Das entspricht dem Niveau von 2019.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch nie zuvor wurde so viel Geld in das Radwegenetz in Nordrhein-Westfalen investiert wie heute.

(Beifall von der CDU)

Hinzu kommen die Mittel aus dem 900-Millionen-Euro-Paket des Bundes, und wir machen ein Fahrradgesetz. In der Summe machen wir das, was Rot-Grün nie geschafft hat: Wir werden Fahrradland, meine Damen und Herren.

Für den ÖPNV sind über 1,8 Milliarden Euro eingeplant. Der größte Teil davon stammt aus Bundesmitteln. Das macht im Vergleich zum vergangen Jahr ein Plus von rund 57 Millionen Euro.

Die Sanierung der maroden kommunalen Stadt- und Straßenbahnen wird perspektivisch mit einer Milliarde Euro unterstützt. Flankiert wird dies in den nächsten zwölf Jahren mit einer ÖPNV-Offensive. 100 Millionen Euro Investitionen in Busse, Bahnen und innovative Mobilitätsangebote sind hierfür vorgesehen.

Auch die vernetzte Mobilität verzeichnet wiederum ein Plus von 11,5 Millionen Euro, und die Ausbildungsverkehre werden ebenfalls mit 139 Millionen Euro unterstützt. Auch das bereits in kurzer Zeit zum Kassenschlager avancierte AzubiTicket mit 6.900 landesweit verkauften Tickets ist eine Hausnummer, verehrter Herr Kollege Löcker – wer hätte das gedacht? –, und wird auch im Jahr 2020

(Zuruf von Carsten Löcker [SPD)

– ja, Sie nicht; das weiß ich – mit 9 Millionen Euro unterstützt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nachdem das Verkehrsministerium im März dieses Jahres die Fördersätze für den kommunalen Straßenbau auf 70 % erhöht hat, sollen nun auch mit einem Plus von 5 Millionen Euro für den Ausbau und einem Plus von 10 Millionen Euro für den Erhalt die Investitionen in die Landesstraßen steigen und über dem Niveau von 2019 weitergeführt werden. Der weiteren Verschlechterung der Straßennetzqualität wird damit deutlich entgegengewirkt. Umso wichtiger ist es also, diese deutlich gestiegenen Planungen auch möglichst schnell zu genehmigen.

Dafür werden die zuständigen Bezirksregierungen personell gestärkt. Mit acht Stellen für Planfeststellungen soll diese Umsetzung auch gewährleistet werden. In personeller Hinsicht werden zusätzlich 48 neue Arbeitnehmerstellen geschaffen, davon allein 38 Stellen zur Umsetzung der zusätzlichen Investitionsmittel des Bauhochlaufs sowie zehn Stellen für das Kommunikationsmanagement im Rahmen der frühen Bürgerbeteiligung. Herauszuheben sind auch die 20 nachträglich bereitgestellten Stellen für Bauingenieure zur Unterstützung des Bauhochlaufs mit besonderem Fokus auf Brückenertüchtigung und Radwege.

Auch die Förderung der NE-Bahnen wird weiter fortgeschrieben. Seit dem Haushalt 2018 tun wir das wieder, unterstützen die Erneuerung und Unterhaltungsinvestitionen in die Infrastruktur der NE-Bahnen und leisten neben dem Aspekt der Wirtschaftsförderung einen Beitrag für mehr klimafreundlichen Güterverkehr.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, jetzt habe ich die Eckpfeiler des Einzelplans 09 skizziert.

Enden möchte ich mit der Frage: Wo steht Nordrhein-Westfalen in der Zukunft? Mobilität bedeutet persönliche Freiheit, sie unterliegt aber auch einem stetigen Wandel. Nicht zuletzt auch die Klimafolgenanpassung fordert die Mobilität der Zukunft heraus mit neuen Mobilitätskonzepten, mit neuen Antrieben auf der Straße, Schiene, Wasserstraße und in der Luft, mit mehr Vernetzung durch die Nutzung der Chancen der Digitalisierung im ÖNPV, bei On-Demand-Verkehren oder auch im Bereich der City-Logistik.

Eines dabei ist für uns sicher: Unterschiedliche Lebenssituationen der Menschen in unserem Land erfordern auch unterschiedliche Angebote. Wir müssen auch in Zukunft die individuelle Mobilität mit starken Ideen umweltgerecht weiter fördern. Genau dafür stellen wir heute mit dem Einzelplan 09 die richtigen Weichen. – Ich danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Voussem. – Jetzt spricht Herr Remmel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Voussem, dass Sie am Ende Ihrer Rede nicht auch noch „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“ angestimmt haben, wo es um den Ausblick auf die Zukunft der Mobilität geht, das hat noch gefehlt.

(Zuruf von Arne Moritz [CDU])

Ansonsten waren es schöne wohlfeile Worte.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Ich bin schon dankbar, dass Sie auf das übliche Glaubensbekenntnis verzichtet haben: ideologiefrei und technologieoffen. Das kommt vielleicht gleich vielleicht wieder von Herrn Middeldorf. Insofern passt das dann zusammen.

(Zurufe von Henning Rehbaum [CDU] und Klaus Voussem [CDU])

Die schönen Worte, die uns sozusagen die Segnungen der neuen Koalition verkünden, wie Sie das gerade getan haben,

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

sollen doch nur eines, nämlich vernebeln, dass Sie in der Verkehrs- und Mobilitätspolitik falsche Prioritäten setzen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, will ich nicht in der Breite darstellen.

(Christof Rasche [FDP]: Wollen wir E-Mobilität machen?)

Das könnte ich Ihnen natürlich auch heute, aber die kurze Redezeit erlaubt es nicht, in der ganzen Breite diese falsche Prioritätensetzung vor Augen führen.

Ich will es an einem konkreten Punkt tun, der in der vorletzten Woche eine gewisse Bedeutung gehabt hat. Ich freue mich, dass wir einen Erfolg der Volksinitiative zu verzeichnen haben. Es geht um die Radverkehrspolitik.

(Christof Rasche [FDP]: Da passiert mehr denn je!)

Ich will an diesem Beispiel deutlich machen, wo und wie Sie sich politisch entscheiden, in Sonntagsreden auf der einen Seite und im Alltag ganz konkret.

Alltag ist für uns der Haushalt. Hier wird die Politik in Zahlen gegossen und dann auch zur Umsetzung gebracht.

Ich will es Ihnen erläutern. Der Radverkehrsanteil in Nordrhein-Westfalen liegt derzeit bei 11 %. Das, was die Initiative fordert und was der Landtag im Dezember beschließen wird, ist die Zielsetzung, den Radverkehr bis 2025 auf 25 % zu steigern. Ich finde, das ist ein richtiges, aber auch ehrgeiziges Ziel.

Ich will dem gegenüberstellen: Was ist der Anteil des Radverkehrs im aktuellen Haushalt? Im Hinterkopf haben wir den Radverkehrsanteil von 11 %. Der Haushaltsanteil liegt monetär bei unter 1 % des Verkehrsetats. Man wird also schon heute in keiner Weise dem Anspruch, den Radverkehr zu fördern, gerecht, geschweige denn dem Ziel, in der Zukunft 25 % zu erreichen. Das werden Sie mit diesem Anteil im Haushalt nicht können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will Ihnen das auch noch einmal im Vergleich zu den Niederlanden erläutern. In den Niederlanden werden pro Jahr 25 Euro pro Kopf für Radverkehr ausgegeben, beispielsweise in Amsterdam 11 Euro, und in Utrecht sind es 132 Euro. In Nordrhein-Westfalen liegt die Pro-Kopf-Ausgabe bei 1,10 Euro bzw. in Köln bei 2,80 Euro.

(Zurufe von der CDU)

Das wird nicht reichen, wenn man das Ziel von 25 % erreichen will. Deshalb ist es bedauerlich – Sie haben ja noch die Chance gegebenenfalls in der dritten Lesung –, dass Sie alle unsere Anträge, die eine stärkere Priorisierung gerade für den Radverkehr vorgesehen haben, sowohl was Planungsstellen als auch was finanzielle Mittel angeht, abgelehnt haben.

Das eine ist, sich in Sonntagsreden in der Sonne einer Volksinitiative richtig in die Spur zu bringen, das andere ist aber dann, im Alltag im Schweiße des Angesichts hier im Parlament beim Haushalt für jeden Kilometer Radverkehrsinfrastruktur Tag für Tag zu streiten. Das macht den Unterschied aus.

In der Tat mag ich ein altes Zitat bemühen: Entscheidend ist auf dem Platz. – Für uns ist der Haushalt der Platz, zu entscheiden, und da fehlt Ihre klare Unterstützung für den Radverkehr in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Remmel. – Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Herr Middeldorf.

Bodo Middeldorf (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sanierung unserer Straßen, Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur, Stärkung des ÖPNV, Weichenstellung bei neuen Technologien – Verkehrspolitik wird in diesem Land wieder ernst und wichtig genommen,

(Beifall von der FDP)

und zwar über alle Ebenen und über alle Verkehrsträger hinweg, meine Damen und Herren. Der Haushaltsentwurf für das Verkehrsministerium ist ein Dokument für das grundlegende Umsteuern im Bereich der Verkehrspolitik.

Wir steuern um beim Thema „Straßeninfrastruktur“. Wir bringen unsere Straßen endlich in Ordnung. In den letzten Jahren sind dringend benötigte Reparaturen und Entlastungsmaßnahmen systematisch unterblieben. Allein für die Sanierung der Landesstraßen, also der Straßen in unserer ureigensten Verantwortung, fehlten in den Haushalten unter Rot-Grün regelmäßig mindestens 70 Millionen Euro. Wir haben das Budget jetzt um 50 % erhöht, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Der Landesbetrieb Straßen bewältigt ein Umsatzvolumen, das höher liegt als je zuvor. Zusätzliche Stellen für Planer, für Techniker, für Kaufleute führen zu einer deutlichen Steigerung der Effektivität. Erstmals überhaupt sorgen wir dafür, dass die Beeinträchtigung der Verkehrsteilnehmer durch Baustellen so gering wie möglich ist. Schnellere Abwicklungen, Wochenend- und Nachtarbeiten, die Offenhaltung von Fahrspuren – das sind die äußeren Zeichen einer grundlegenden Veränderung in unserer Verkehrspolitik in diesem Land.

(Beifall von der FDP)

Herr Remmel, wir steuern auch um im Bereich Fahrrad. Nie zuvor wurde in Nordrhein-Westfalen so viel Geld für Radinfrastruktur, für Radschnellwege und Fahrradwege ausgegeben wie heute. Wir machen, und Sie reden seit Jahren darüber. Sie hätten es längst machen können. Wir tun es jetzt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Alleine zehn Mitarbeiter werden sich beim Landesbetrieb ausschließlich um die Planung und den Bau von Radwegen kümmern.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wir danken ausdrücklich der Volksinitiative, dass sie diesen Kurs noch einmal unterstrichen hat. Wir werden unsere Anstrengungen auf der Basis der Volksinitiative noch einmal ausweiten, und wir wollen ein Nahmobilitätsgesetz für Nordrhein-Westfalen. Wir meinen es ernst mit der Gleichbehandlung der Verkehrsträger. Ich sage noch einmal: Wir machen das, worüber Rot-Grün über Jahre nur geredet hat, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir steuern um in Sachen Zukunftsfähigkeit des Verkehrs. Wir stellen die Weichen für die Erforschung, für die Entwicklung und für den Einsatz neuer Technologien und neuer Mobilitätsformen in Nordrhein-Westfalen. Wir setzen massiv Fördermittel ein für innovative Projekte. Alleine in OWL gehen mit dem Kompetenzzentrum Autonomes Fahren und auch mit einem automatisierten Kabinensystem auf der Schiene ganz aktuell zwei wegweisende Vorhaben an den Start.

(Beifall von der FDP)

Sie unterstreichen deutlich unsere Zukunftsorientierung.

Wir steuern auch um beim ÖPNV, meine Damen und Herren. Ein gut ausgestatteter, ein komfortabler und vor allem ein gut vernetzter ÖPNV ist der Schlüssel einer zukunftsweisenden Verkehrspolitik.

Die Sanierung der Stadtbahnsysteme werden wir in den nächsten zehn Jahren mit einer Milliarde Euro unterstützen. Wir führen das AzubiTicket ein. Wir verbessern die Erschließung des ländlichen Raums. Wir reaktivieren Schienenverkehre. Wir investieren in die Förderung von Schnellbussystemen und On-Demand-Verkehren. Wir wollen flexible, nachfrageorientierte Bussysteme, die den Menschen auch auf dem Land eine echte Alternative zum Auto bieten, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir fördern auch den Umstieg auf umweltfreundliche Antriebsysteme. Die öffentliche Hand in Nordrhein-Westfalen geht endlich mit gutem Beispiel voran und sorgt für saubere Luft in unseren Innenstädten.

Die Ansiedlung der Batteriezellenforschungsfabrik in Münster ist ein Meilenstein. Wir wollen den Transformationsprozess im Bereich der Antriebssysteme eben nicht nur bewältigen; wir wollen daraus eine technologische und eine ökonomische Erfolgsgeschichte für unser Bundesland machen.

(Beifall von der FDP)

Der Verkehrspolitik in unserem Land kommt endlich wieder die Bedeutung zu, die die Menschen ihr auch beimessen. Das ist gut, und das ist wichtig; da sind wir auf dem richtigen Kurs. Der Haushaltsentwurf für das Verkehrsministerium ist ein eindeutiger, ein deutlicher Beleg hierfür. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Middeldorf. – Jetzt hat das Wort für die AfD-Fraktion Herr Strotebeck.

Herbert Strotebeck (AfD): Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der vorgelegte Einzelplan des Ministeriums für Verkehr zeigt die Misere in der Infrastruktur auf und bietet keine ausreichende Lösung, die uns auf den Weg zum Aufsteigerland führt.

(Helmut Seifen [AfD]: Hört! Hört!)

Der aktuelle Landesstraßenzustandsbericht sollte allen eine Warnung sein, denn der Verfall unserer Infrastruktur schreitet schneller voran, als wir mit der Sanierung hinterherkommen. Für die kommenden Jahre darf es hier keine Sparpolitik geben. Es sind mutige und umfassende Investitionen gefragt.

Mit den aktuell angesetzten 52 Millionen Euro für den Aus‑ und Neubau von Landstraßen wurde hier kein überzeugendes Zeichen gesetzt. Wir haben ganz aktuell erlebt, dass die Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf, fertiggestellt 1957, für den Schwerverkehr gesperrt werden musste, weil sie einsturzgefährdet ist.

573 Brücken im ganzen Land müssen in den nächsten Jahren abgerissen und komplett erneuert werden. Brücken sind Nadelöhre unserer Verkehrsadern. Fallen sie aus, oder sind sie nur eingeschränkt befahrbar, drohen Staus oder sogar Verkehrsinfarkte.

Alleine die Erneuerung der 573 Brücken wird circa 20 Jahre in Anspruch nehmen und circa 7 Milliarden Euro kosten. Diese Zahlen nennt das Verkehrsministerium auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion.

Dabei ist ein Großteil unserer Brücken in Nordrhein-Westfalen noch gar nicht geprüft worden. Die Dunkelziffer an maroden Brücken ist also vermutlich noch deutlich höher, denn etwa 6.500 Brücken in Nordrhein-Westfalen sind vor 1985 errichtet worden.

Wir erwarten gewaltige Anstrengungen und Investitionen in unsere Infrastruktur in unserem Land Nordrhein-Westfalen. Nicht minder gewaltige Investitionen sind in unseren ÖPNV nötig.

Sie alle hier im Haus sprechen immer gerne von einer Verkehrswende und verwenden diesen Begriff schon, als wäre es eine Kleinigkeit. Wir sind diesem Begriff gegenüber sehr skeptisch eingestellt, denn wir sehen, dass diese Wende bei jeder Analyse von Zahlen und Fakten scheitert.

Besonders deutlich wird das beim ÖPNV, denn der operiert in Nordrhein-Westfalen in allen Ballungsräumen und Städten am Limit, soll aber noch weitere Pendler aufnehmen und für eine Entlastung der Straßen sorgen.

Wir haben mehr als einmal in Anhörungen von Fachleuten gehört, dass dies kapazitiv so gut wie unmöglich ist. Durch eine Digitalisierung, die ebenfalls Milliarden Euro kosten wird, können Abläufe zwar effektiver und um ein paar Prozent verbessert werden, aber den großen Wurf erreichen Sie damit leider nicht.

Wenn der ÖPNV der Zukunft wirklich die zentrale Bedeutung vor allem in den urbanen Räumen haben soll, muss auch hier massiv investiert werden. Die heute zur Verfügung gestellten Summen reichen dann bei Weitem nicht aus.

Aber kommen wir abschließend auch zu ein paar positiven Aspekten. Trotz der Umstrukturierung bei Straßen.NRW und der Gründung einer neuen bundeseigenen Gesellschaft ist es erfreulich, dass mit dem Nachtragshaushalt 20 neue Stellen für Ingenieure und Planer bei Straßen.NRW und im Ministerium geschaffen wurden.

(Unruhe)

Ebenso erfreulich wenn auch auf Bundesebene angesiedelt ist die Schaffung von 20 neuen Stellen bei der Wasserwege‑ und Schifffahrtsverwaltung.

Auch wir haben in unseren Anträgen auf die Investitionsversäumnisse an unseren Wasserstraßen aufmerksam gemacht und sind erfreut, dass dies offensichtlich nun auch ein Thema im Verkehrsministerium ist. In den Jahren zuvor ist speziell an den Wasserstraßen viel zu wenig passiert.

Bei aller berechtigten Kritik wollen wir aber fair bleiben: Der Wegfall der Entflechtungsmittel des Bundes und die Kompensation durch das Land NRW, die strukturellen Veränderungen bei Straßen.NRW, massiver Investitionsstau in unserer Infrastruktur aus den letzten Jahrzehnten und nicht zuletzt

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

die dynamische Veränderung des Mobilitätsverhaltens, vor allem der urbanen Bevölkerung, sind allesamt Herausforderungen, die zugleich Verpflichtungen und Ansporn sein müssen. Der Weg zum Aufsteigerland hat zurzeit noch viele offene Baustellen. Aus dem Grunde können wir dem Einzelplan 09 leider nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Als Nächster redet für die Landesregierung Herr Minister Wüst.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Verkehrs-etat setzt im Jahr 2020 folgende Schwerpunkte:

Erstens. Investitionen für ein besseres ÖPNV-An-gebot.

Zweitens. Rekordinvestitionen in nordrhein-westfälische Infrastrukturen.

Viele nennen das, was gerade und in den nächsten Jahren in Nordrhein-Westfalen passiert, passieren muss, schon „Wiederaufbau West“.

Die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs ist ein ganz zentrales Ziel unserer Verkehrspolitik in Nordrhein-Westfalen. Wir wollen, dass Mobilität sauberer und besser wird.

In der Vergangenheit wurden die für den ÖPNV zur Verfügung stehenden Regionalisierungsmittel nicht ausreichend verplant. Als ich ins Amt kam, gab es Ausgabenreste in Höhe von 668 Millionen Euro.

Es ist etwas verwunderlich, dass Sie nicht wussten, wie man mit 686 Millionen Euro umgeht, und hier heute sagen: Es muss mehr, es muss schneller, dies und das. Sie wussten selber nicht, was Sie machen sollten.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD)

Das setzt uns heute unter Druck, Pläne vorzulegen. Aber es gibt uns eben auch die Möglichkeit zur Gestaltung. Die nutzen wir gerne für eine ÖPNV-Offensive, wie sie dieses Land noch nie gesehen hat:

Ich nenne die 1 Milliarde Euro für die Stadt‑ und Straßenbahnsysteme, mit denen wir die Kommunen unterstützen.

Ich nenne die 180 Millionen Euro, die wir gemeinsam mit der DB und den Aufgabenträgern in ein robustes Netz investieren, um Zugausfälle in den Zeiten der Rekordinvestitionen zu vermeiden.

Ich nenne Millioneninvestitionen in die Reaktivierung von Bahnstrecken überall im Land.

Ich nenne 100 Millionen Euro für Schnellbuslinien, 120 Millionen Euro für On-Demand-Verkehre – etwas, das in Ihrer Mobilitätspolitik nie stattgefunden hat. Wir machen das jetzt.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

Auch im ÖPNV-Bereich gilt, dass wir kein Geld mehr liegen lassen. Es ist dringend nötig, dass es investiert wird; und wir investieren dieses Geld.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Das AzubiTicket gehört dazu. Geplant waren 3.500 Ticketverkäufe; wir sind schon nach wenigen Wochen im Verkauf inzwischen bei über 6.900 AzubiTickets, für 20 Euro Zuschlag für die landesweite Nutzung. So schlecht scheint dieses Produkt nicht zu sein, wenn wir fast bei den doppelten Verkaufszahlen sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Ausbildung junger Menschen scheitert nicht mehr an Verbundgrenzen. Ich finde, das ist ein gutes Projekt.

(Unruhe)

Noch in diesem Jahr kommt die mobil.NRW-App, mit der es erstmals möglich ist, alle Ticketangebote im Nahverkehr in einer App zu kaufen. Auch das ist ein Projekt, das ganz neu ist. Für weitere Digitalisierungsprojekte haben wir fast 13 Millionen Euro im nächsten Haushalt.

Großes Thema für alle Verkehrsträger: die Infrastrukturen. Wir investieren Rekordsummen in eigener Verantwortung. In diesem Jahr, 2019, gehen 1,55 Milliarden Euro

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

in den Erhalt und Bau von Autobahnen, Bundes‑ und Landesstraßen.

Es ist uns in diesem Jahr gelungen, 50 Millionen Euro Bundesmittel abzurufen, die eigentlich in anderen Ländern hätten verbaut werden sollen.

(Beifall von der CDU, der FDP und Herbert Strotebeck [AfD])

Wir erinnern uns alle noch an rot-grüne Zeiten. Da war es genau andersrum. Wir holen jetzt das Geld zurück, das Sie liegen lassen haben, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Diese 50 Millionen Euro sind noch nicht das Ende der Fahnenstange. Wir finanzieren 100 Millionen Euro Investitionen vor, weil wir mehr und schneller geschafft haben, als uns der Bund aus Bundesmitteln überhaupt in 2019 geben konnte. Das hat es in der Dimension noch nie gegeben.

Unser Planungshochlauf, unser Genehmigungshochlauf, unser Bauhochlauf kommt langsam da an, wo er hin muss: auf der Straße.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Für den Erhalt von Landesstraßen geben wir 185 Millionen Euro und für den Neubau 52 Millionen Euro im nächsten Jahr.

Das Thema „Schiene“ in gleicher Dimension – keine Einseitigkeit: 1,4 Milliarden Euro die DB Netz in Nordrhein-Westfalen. Wir machen die NE-Bahn-Förderung für die letzte Meile bei der Schiene – etwas, das Sie von Rot-Grün nie getan haben.

Radwege – es ist schon gesagt worden: Es stehen 47 Millionen Euro zur Verfügung. Die 900 Millionen Euro des Bundes kommen hinzu. Wir werden das Radgesetz machen, um Fahrradfahren in Nordrhein-Westfalen noch attraktiver zu machen.

E-Bikes und Pedelecs machen Radverkehr zum Pendlerverkehr. Wir schaffen mit zehn zusätzlichen Planern – exklusiv für Radwege – die Voraussetzung dafür, dass möglichst viel des zusätzlichen Geldes auch dafür in Nordrhein-Westfalen landet.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Bei Wasserstraßen ist schon über den in der zweiten Bereinigungssitzung vor zehn Tagen im Bundestag beschlossen Personalzuwachs im kommenden Jahr gesprochen worden: 25 neue Stellen in NRW im letzten Jahr, in diesem Jahr  zusätzliche Stellen, sodass es auch bei den Kanälen endlich wieder vorangeht.

Der Verkehrsetat des Jahres 2020 wird ein Zukunftshaushalt. Wir investieren kräftig in bessere Mobilität, in saubere Mobilität, in bessere Infrastruktur.

Ich danke den regierungstragenden Fraktionen für ihre Bereitschaft, dies mitzugehen. Allen anderen sage ich ein herzliches Willkommen in der Realität. Vergleichen Sie, das was wir tun, nicht mit dem, was man sich wünscht, sondern mit dem, was Sie getan haben. Dann sehen Sie einen himmelweiten Unterschied.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Daher schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Haushalts‑ und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/8009, den Einzelplan 09 unverändert anzunehmen. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Einzelplan 09 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer möchte zustimmen? – Das sind CDU, FDP und der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Wer ist dagegen? – Das sind SPD, Grüne und AfD. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Einzelplan 09 in zweiter Lesung angenommen worden.

Ich rufe auf:

     Einzelplan 10
Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur‑ und Verbraucherschutz

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8009

Wir debattieren in zwei Teilbereichen. Ich rufe den ersten Teilbereich auf:

 

a) Umwelt, Landwirtschaft und Naturschutz

Ich eröffne die Aussprache zu Teil a) „Umwelt, Landwirtschaft und Naturschutz“ und erteile für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Stinka das Wort.

André Stinka (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wahrscheinlich an niemandem in den letzten Tagen vorbeigegangen: Es gab vermehrt Traktoren auf den Straßen in Deutschland.

Für den einen oder anderen hier im Raum ist es sicherlich ein seltenes Bild. Für mich trifft das nicht zu; ich komme aus dem Münsterland und habe häufiger Trecker vor dem Auto.

Aber 5.000 Traktoren in Berlin sind auch für unsere Fraktion ein beeindruckendes Bild – beeindruckend auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite auch verwunderlich.

Die Landwirte wollen mit ins Boot geholt werden. Das verwundert mich ganz besonders. Seit Jahrzehnten machen doch CDU und CSU Politik für Landwirte dachten wir bisher. Was ist eigentlich aus dieser Allianz aus CDU und Bauernverband geworden? Jetzt melden sich die Landwirte zu Wort, man hätte lange Zeit nicht mit ihnen gesprochen.

Auch Sie, Frau Ministerin Heinen-Esser, haben uns in vielen Ausschusssitzungen deutlich gemacht, wie viele runde Tische es gibt, in wie viele Absprachen die Landwirte eingebunden werden, und dass Sie oft mit Verbänden und Landwirten zusammengesessen hätten.

Was ist dabei eigentlich herausgekommen? Was ist die Quintessenz? Seit zweieinhalb Jahren doktert die schwarz-gelbe Landesregierung an diesen Fragen herum, ist im Amt, und was ist seit dieser Zeit passiert? Nicht mehr als Worthülsen.

Runde Tische, Kolleginnen und Kollegen, helfen alleine nicht weiter. Man muss in den Dialog gehen, man muss auch seine Kritiker einladen, und man muss sich am Ende – und darauf kommt es an – festlegen und regieren; das habe ich bei meiner letzten Rede schon gesagt. Aber davon sind Sie weit entfernt.

(Beifall von der SPD)

Die Proteste der Landwirte machen ganz deutlich, was passiert, wenn keine klaren Entscheidungen getroffen werden und man viele Beteiligte nicht ins Boot holt. Was ist denn getan worden beim Gewässerschutz, beim Insektenschutz? Wo gibt es klare Entscheidungen? Leider Fehlanzeige.

Genauso verhält es sich bei der Landesregierung in unzähligen anderen Bereichen: viel heiße Luft. Die schwarz-gelbe Hinhaltetaktik kommt aber nun an ihr Ende. Sie regieren zweieinhalb Jahre, und es wird nicht mehr funktionieren, sich mit runden Tischen rauszureden.

Das Thema Luftreinhaltung macht noch einmal deutlich, mit welch gespaltener Zunge hier die Landesregierung spricht. Die Diskussion um die Umweltspur in Düsseldorf macht das einmal mehr deutlich.

Verkehrsminister Wüst hat wundersame Äußerungen zur Einführung dieser Umweltspur in die Medien hinausgeblasen. Er kritisiert damit indirekt und direkt die Umweltministerin, die sich nämlich im Ausschuss auf diese Umweltspur bezieht, weil sie Luftreinhaltepläne genehmigen muss.

Wo wollen Sie also hin? Auf der einen Seite Gesundheitsschutz, auf der anderen Seite Verkehr. Keine klare Linie, stattdessen beispielsweise FDP-Politikerinnen, die dann auch noch als drittes Rad am Wagen über diese Umweltspur lästern.

Sie müssen entscheiden, wo Sie hinwollen. Der Verkehrsminister hat das Sagen oder Sie, Frau Heinen-Esser. Einer muss sich in dem Bereich durchsetzen.

Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist wichtig, dass es saubere Luft für alle Menschen in unserem Land gibt, und es geht um Lebensqualität.

Das geht verständlicherweise nicht von heute auf Morgen, aber es bedarf Verhaltensänderungen und Konzepte. Wenn ich jedem alles verspreche, bin ich so wie die Landesregierung: nicht zu greifen, nicht zu fassen. Das ist wieder das Bild, das wir hier erleben.

Ich habe in der letzten Rede zum Haushalt 2018 eine Task-Force „Luftreinhaltung“ eingefordert.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur‑ und Verbraucherschutz: Haben wir doch!)

Seitdem ist nicht viel in dem Bereich passiert.

Schauen wir uns die Stabsstelle des Ministeriums an. Wir haben kritisiert, dass die Stabsstelle Umweltkriminalität abgeschafft wurde, dann wurde wieder ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie man die Aufgaben – in welcher Form auch immer – im Bereich eines Tierschutzbeauftragten organisieren soll.

Was denn nun? Wo wollen Sie hin? Was ist der klare Plan? Der ist auch im Haushaltsplan, der ja den Inhalt der Landesregierung deutlich machen soll, nicht zu erkennen.

Von der Luft nun zum Thema „Biodiversität“. Wir reden in den letzten Plenarrunden alle lange über Biodiversität, über Insektensterben. In Titelgruppe 82 ist relativ wenig zu erkennen zum Bienen‑ und Insektenschutz.

Die Landesregierung sagt zwar auf großen Veranstaltungen, das sei ein wichtiges Thema – ich erinnere an die Veranstaltung am 3. Juni, wo auch der Ministerpräsident einige Sätze dazu gesagt hat –, aber es folgt daraus nichts.

Es folgt daraus, dass wenige Tage später der LEP beschlossen wird, wo das 5-Hektar-Ziel aufgegeben wird. Das ist die Politik der Landesregierung. Sonntags wird alles versprochen, und wenn es um klare Kante geht, um klare Dinge, die man in die Gesellschaft gibt, wird gekniffen. Sie müssen sich entscheiden.

Vor dem Hintergrund einen Haushalt anzunehmen, verbietet sich Sozialdemokraten, weil wir keine Linie erkennen im Bereich Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Deshalb werden wir natürlich auch den Haushalt ablehnen. Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der CDU hat nun die Abgeordnete Frau Winkelmann das Wort.

Bianca Winkelmann (CDU):Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Stinka fragt: Was ist denn schon getan worden, und wo sind die Ansätze? Ich werde die nächsten fünf Minuten nutzen, um Ihnen das mal zu erklären.

(Zurufe von der SPD und von der AfD)

Wir befinden uns im Einzelplan 10 im Haushalt des Umweltministeriums. Mit dem kleinsten Etat aller Haushalte, mit nämlich nur 1,043 Milliarden Euro, muss ein Wahnsinnspaket an Aufgaben erfüllt werden. Das sind halt die Kernaufgaben. Wir stehen dazu, und wir wissen, wie wichtig es ist, die Natur zu schützen und unsere Artenvielfalt zu erhalten – Kernaufgabe des Ministeriums.

(Zuruf von der SPD)

Die Optimierung und Sicherung der Tierhaltung unter der Wahrung des Tierwohls auszugestalten, ist eine weitere Kernaufgabe, ebenso die Anpassung an den Klimawandel voranzutreiben und die Herausforderung im Waldbau und in der Forstwirtschaft anzugehen ein wahnsinniges Maßnahmenpaket.

Das mit einem solchen Haushaltsvolumen zu schaffen, ist die große Herausforderung. Das gelingt unserem Ministerium seit zweieinhalb Jahren in ganz hervorragender Weise.

(Beifall von der CDU)

Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf den Bereich Landwirtschaft werfen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Um auch nachfolgenden Generationen eine lebenswerte und gesicherte Zukunft mit bezahlbaren und sicheren Lebensmitteln zu ermöglichen, wollen wir uns gemeinsam mit unseren Landwirten und niemals gegen unsere Landwirte in Nordrhein-Westfalen auf den Weg machen.

Ich nenne hier das Beispiel der Nutztierhaltung. Wie und unter welchen Rahmenbedingungen können zukünftig Stallneu‑ und ‑umbauten möglich sein?

(Zuruf von der AfD)

Im vorliegenden Haushaltsentwurf finden Sie 2 Millionen Euro für die Errichtung eines Versuchsstalls auf Haus Düsse. Hier soll ein Musterstall entstehen, der die Antworten auf die erforderlichen bau‑ und emissionsschutzrechtlichen Voraussetzungen erfüllen wird.

Wer also die Landwirte in Nordrhein-Westfalen bei den Herausforderungen der Zukunft unterstützen will, sollte diesem Entwurf zustimmen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Oh Gott!)

Schauen wir auf den Bereich Umwelt. Um die Treibhausgasminderungs‑ und Klimaanpassungsziele zu erreichen, ist eine Förderung und Finanzierung von Klimamaßnahmen vorgesehen.

(Zurufe von der SPD und der AfD)

Ein besonderer Fokus wird dabei auf Synergieeffekte zwischen Klimaschutz, Klimaanpassung, Umwelt‑ und Naturschutz sowie grüner Infrastruktur gelegt,

(Zuruf von der AfD)

denn auch städtische grüne Infrastruktur verringert den Effekt des Klimawandels. Hierfür finden wir im Haushaltsansatz fast 650.000 Euro.

(Zuruf von der AfD)

Zur Umsetzung der Maßnahmen der Wasserrahmenrichtlinie steht ein Ansatz in Höhe von fast 75 Millionen Euro zur Verfügung.

Für Maßnahmen des Hochwasserschutzes sind außerhalb der GAK weitere Haushaltsmittel in Höhe von rund 56 Millionen Euro vorgesehen.

Wer Klima‑ und Umweltschutz in Nordrhein-Westfalen voranbringen will, sollte diesem Haushalt zustimmen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Sagen Sie das noch mal!)

– Herr Rüße, das kommt noch; warten Sie es ab.

Widmen wir uns dem Thema „Naturschutz“. Forschung und Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität bilden einen weiteren Schwerpunkt dieses Haushaltsplans. Zur Sicherung der Förderung liegt hier ein Ansatz von fast 37 Millionen Euro vor.

Besonders erwähnt werden muss an dieser Stelle, dass die globale Minderausgabe, von der wir heute schon häufig gehört haben, für den Naturschutzhaushalt nicht greifen soll.

Wir als CDU und als NRW-Koalition unterstützen mehr Planungssicherheit für die 40 Biologischen Stationen im Land und stellen dafür rund 11 Millionen Euro zur Verfügung, denn wir wissen das in Deutschland einzigartige Netz an Biologischen Stationen zu schätzen.

(Beifall von der CDU und Dietmar Brockes [FDP])

Darüber hinaus wird der Bedarf der 23 Umweltbildungseinrichtungen nochmals um weitere rund 550.000 Euro erhöht.

Weitere Kernpunkte des Naturschutzhaushaltes sind – um nur einige Beispiele zu nennen – die Umsetzung der Natura-2000-Richtlinie, der Aufbau und die Sicherung eines landesweiten Biotopverbundes, die Weiterentwicklung des Nationalparks Eifel sowie die Erarbeitung und Umsetzung von Artenschutzprogrammen.

Für das hohe Engagement der Landesregierung, Maßnahmen im Vertragsnaturschutz und auch in der Ausweitung von Blühflächen weiter zu verbessern, werden viele finanzielle Mittel bereitgehalten.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

So konnten wir in NRW die im Rahmen des Vertragsnaturschutzes betreuten Flächen von 28.000 ha im Jahr 2017 auf 32.500 ha im Jahr 2019 deutlich erhöhen.

Ziel all dieser Maßnahmen ist es, die Biodiversität in Nordrhein-Westfalen zu erhalten bzw. zu entwickeln und weiterzuentwickeln sowie den Rückgang der Arten zu stoppen.

Geld ist nicht alles, aber es bildet immer noch die Grundlage zur Umsetzung der vielfältigen Maßnahmen zur Verbesserung des Artenschutzes. Wer also in Nordrhein-Westfalen für Artenvielfalt und ein Mehr an Biodiversität steht, sollte diesem Haushalt zustimmen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zum Schluss ein Wort zum Thema „Wald“: Für die Umsetzung der Schmallenberger Erklärung vom September dieses Jahres sind Mehrausgaben in Höhe von rund 10 Millionen Euro sowie eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 90 Millionen Euro im Einzelplan des Ministeriums veranschlagt. Diese Mittel sollen für die Wiederaufforstung der schwer beschädigten Wälder im Land eingesetzt werden.

Beginnend mit dem Haushaltsjahr 2020 stehen in einem Zeitraum von zehn Jahren insgesamt 100 Millionen Euro für Zuschüsse zur Verfügung. Dieser Zehnjahreszeitraum ist nötig, denn Waldumbau ist immer eine Generationenaufgabe.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, die Redezeit ist um.

Bianca Winkelmann (CDU): Ich komme zum Ende. – Dem tragen wir mit diesem Programm Rechnung.

Wer für gesunde Wälder, mehr Biodiversität, Naturschutz und eine Zukunft für unsere Bauern einstehen will sowie mit gesundem Menschenverstand das komplexe Gesamtbild betrachtet,

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Der sollte diesem Haushalt zustimmen!)

sollte diesem Haushalt zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Fraktion der Grünen hat nun der Abgeordnete Herr Rüße das Wort.

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Winkelmann, all das, was Sie vorgetragen haben, hat mich nicht wirklich überzeugt.

(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD] – Zurufe von der CDU: Oh! – Henning Höne [FDP]: Sie wollten sich gar nicht überzeugen lassen!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn ich mir den Haushalt so ansehe, wäre es gut, wenn gerade die CDU und die FDP den Mut hätten, den Haushalt dieses Ministeriums wenigstens auf den Stand zurückzubringen, den er mal hatte, bevor 2005 Schwarz-Gelb an die Regierung gekommen ist und diesen Haushalt kleingehäckselt hat. Das wäre mal was. Das tun Sie aber nicht.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Genau!)

Stattdessen feiern Sie sich noch für mehr Blühflächen, mehr Agrarumweltmaßnahmen, obwohl all das in Wahrheit durch die Verhandlungen, die damals Johannes Remmel und Horst Becker als Staatssekretär geführt haben, ermöglicht wird, weil dadurch in der zweiten Säule mehr Gelder nach Nordrhein-Westfalen gekommen sind, wovon Sie nun profitieren.

Die Herausforderungen für das Umweltministerium sind größer geworden; das sollten wir wohl alle klar erkannt haben. Der Klimawandel hat – das hat fast jeder hier im Haus begriffen – massive Einflüsse auf die Landwirtschaft, auf unseren Wald und auch auf die Umwelt insgesamt.

Wenn also die Herausforderungen so viel größer sind, sind wir der Meinung, dass man dieses Ministerium stark machen muss.

Zu den Herausforderungen insbesondere für die Landwirtschaft. Frau Winkelmann, es hat mich gewundert, dass Sie dazu nichts gesagt haben: 8.600 Traktoren in Berlin und Landwirte, die absolut nicht wissen, wie es auf ihren Höfen weitergehen soll.

Die Landwirte haben ihre Höfe nach vorne entwickelt. Alle, die dort waren, sind Anlagemillionäre, verfügen aber nicht über ein ausreichendes Einkommen. Was da passiert, bedeutet eine Diskrepanz. Das ist absolut nicht hinnehmbar.

(Beifall von den GRÜNEN und Annette Watermann-Krass [SPD])

Was passiert da? Die Landwirtschaft zeigt Ihnen von der CDU die Rote Karte. So ist das.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Das ist die Rote Karte für die CDU, für Ihre verfehlte Agrarpolitik, die Sie in den letzten 20 Jahren betrieben haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Bianca Winkelmann [CDU] – Gegenruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Sie haben den Bäuerinnen und Bauern gemeinsam mit dem Bauernverband erklärt: Verzichtet auf die Milchquote und geht mit uns den Weg auf den Weltagrarmarkt. Da holen wir den Profit der Zukunft. Das läuft, das klappt.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Heute, 20 Jahre später, ist die Hälfte der Höfe weg – die Hälfte.

(Zuruf von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Das ist Ihre agrarpolitische Bilanz, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir können zusammen einen Blick nach Österreich werfen, der gleiche Zeitraum; Österreich hat es anders gemacht. Österreich ist damals unter Franz Fischler den anderen Weg gegangen. Dort wurde gesagt: Unsere Landwirtschaft kann nicht am Weltagrarmarkt mitspielen. Wir stärken sie massiv über Agrarumweltmaßnahmen.

So wurde es dort gemacht, und das hätten auch wir besser so machen sollen. Das war eine katastrophale Fehlentscheidung der CDU.

Wir möchten angesichts der Herausforderungen eine Stärkung des Umweltministeriums erreichen. Dieses Umweltministerium hatte, als der Euro eingeführt wurde, mal einen Anteil am Landeshaushalt von 2 %. Damals war Bärbel Höhn noch Ministerin, und der Haushalt des Ministeriums betrug rund 950 Millionen Euro, der Landeshaushalt 48 Milliarden Euro.

Frau Winkelmann hat eben gesagt, wie begrenzt der Haushalt ist: Heute haben Sie 1,043 Milliarden Euro bei einem Gesamthaushalt von knapp 80 Milliarden Euro. Das ist ein Anteil von 1,3 %.

Würden wir diesen Anteil wieder auf 2 % hochfahren, hätten Sie rund 550 Millionen Euro mehr, die man für gute Programme des Landes im Bereich „FöNa“ einsetzen könnte, damit die Biologischen Stationen zusammen mit der Landwirtschaft Naturschutzmaßnahmen umsetzen können.

Wir könnten viel mehr machen im Bereich Tierwohl, im Bereich Tierschutz. Da wäre so viel mehr möglich. Frau Heinen-Esser, Sie müssen sich im Kabinett auch einmal durchsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie müssen mehr erreichen. Sie müssen erreichen, dass der Umwelthaushalt nicht die globale Minderausgabe erbringt. Das ist doch viel zu wenig.

Dieser Posten, Frau Winkelmann, hatte früher mal ein Volumen von 45 Millionen Euro. Den haben Sie auf 16 Millionen Euro abgesenkt. Das war schon eine Schande an sich. Jetzt freuen wir uns doch nicht darüber, dass er in einem Zeitraum von zwei Jahrzehnten wieder auf 38 Millionen Euro angestiegen ist. Es muss deutlich mehr passieren.

Ich fordere Sie auf: Setzen Sie sich im Kabinett durch. Sorgen Sie dafür, dass wir in Nordrhein-Westfalen wieder vernünftige Umweltpolitik machen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen – darüber sind wir uns sicherlich einig, Frau Heinen-Esser – einen Pakt für Landwirtschaft, Naturschutz und Tierschutz, der ausfinanziert ist. Dann können wir gemeinsam auf die Bundesebene Druck machen, aber Sie müssen auch hier im Land Ihre Hausaufgaben machen.

Ich sage Ihnen: Ein Stall auf Haus Düsse macht noch keinen Sommer. Ich bin gespannt, wann der wirklich steht. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Diekhoff.

Markus Diekhoff*) (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin überrascht, dass sich die SPD, vor allem Herr Stinka, traut, sich hier als Jeanne d’Arc der Bauern und Landwirte darzustellen. Das ist schon ein starkes Stück. Die Landwirte sind nach Berlin gefahren, weil aus dem dortigen Umweltministerium ein großer Teil des Ärgers kommt, der die Landwirte dazu treibt.

(Beifall von der FDP)

Frau Schulze hat einen erheblichen Anteil daran. Das kann man nicht einfach negieren. Da können Sie hier nicht sagen, es sei alles anders.

Wir brauchen auch keine Taskforce Luftreinhaltung, sondern wir haben geliefert und haben saubere Luft; denn sonst hätten wir Fahrverbote. Diese gibt es nicht. Daher brauchen wir keine runden Tische und keine Taskforce.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

Das Schöne ist, Herr Rüße, dass wir nicht Sie von unserem Haushalt überzeugen müssen, sondern die Bürgerinnen und Bürger. Und die waren überzeugt, sonst hätten sie uns nicht gewählt.

(Beifall von der FDP – Norwich Rüße [GRÜNE]: Aber nur einmal!)

Am Ende ist auch der Weltmarkt nicht das Problem, sondern die Diskrepanz, die hier in Deutschland zwischen den grünen Auflagen und dem grünen Denken einerseits und dem Kaufverhalten der Bürger andererseits für die Landwirte entstanden ist. Da passt vieles nicht zusammen. Darunter leiden die Landwirte.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Frau Heinen-Esser ist Ihre Ministerin! – Gegenruf von der CDU: Unsere!)

Die NRW-Koalition legt hier einen Haushalt vor, der eine sehr gute und sehr ausgewogene neue und zielgerichtete Umweltpolitik möglich macht. Es gibt keine Kürzungen im Naturhaushalt trotz einiger Einsparmaßnahmen, die wir hier durchführen müssen. Wir haben uns im Zeitalter von Artensterben und anderem bewusst dafür entschieden, darauf einen Fokus zu legen.

Das zeigt sich auch an den Änderungsanträgen von SPD und Grünen. Wirklich relevante Änderungsvorschläge haben Sie nicht unterbreitet. Also scheint Sie dieser Haushalt überzeugt zu haben. Ein bisschen Kleingartenwesen, ein bisschen Digitalisierung der Verbraucherzentrale, ein bisschen Erhaltung des städtischen Grüns – mehr Ideen hat die SPD in Zeiten von Klimawandel, Artensterben und den Problemen der Landwirtschaft, die jetzt wieder als Sündenbock herhalten soll, nicht anzubieten.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist schwach. Das ist keine Zukunftspolitik. Das ist die Kapitulation vor den wirklichen Herausforderungen, die FDP und CDU mit diesem Haushalt entschlossen angehen.

Auch die Grünen arbeiten sich immer wieder an ihrem Lieblingsfeind ab. Wie ist es sonst zu erklären, dass Sie ausgerechnet in der aktuellen Situation das Budget der Landwirtschaftskammer um 1 Million Euro kürzen wollen? Das ist doch Wahnsinn! Die Landwirte fahren in ihrer Not mit dem Trecker bis nach Berlin, und die Antwort der Grünen ist …

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Was hat denn das mit der Landwirtschaftskammer zu tun? Das ist grenzenlose Ahnungslosigkeit!)

– Sie wissen aber, was es auf dem Papier ist. Es ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Aufgabenschwerpunkt darin besteht, die Landwirtschaft und die darin Berufstätigen zu fördern und zu stärken.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wissen Sie, welche Aufgaben die Landwirtschaftskammer hat? Ich kann Ihnen gerne weiterhelfen. Ganz oben stehen Umweltverträglichkeit, Verbraucherschutz, artgerechte Tierhaltung, Förderung des ökologischen Landbaus, regionale Vermarktung

(Dietmar Brockes [FDP]: Wollen Sie alles nicht!)

und – hört, hört! – die Gleichstellung von Mann und Frau in der Landwirtschaft. Welcher dieser Bereiche ist den Grünen denn so unwichtig, dass Sie ihn zwingend einkürzen müssen?

(Dietmar Brockes [FDP]: Das wüssten wir gerne!)

Das funktioniert so nicht. Sie können doch nicht genau an der Stelle sparen wollen und hier sagen, Sie wüssten alles besser. So funktioniert es nicht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Genauso illusorisch ist der einzige andere Antrag der Grünen, wonach man 80 Millionen Euro braucht, um Wald aufzukaufen – völlig unabhängig davon, dass Ihnen klar ist, wie illusorisch 80 Millionen Euro sind. Wenn wir sie hätten, bräuchten wir sie ja wohl nicht, um Wald aufzukaufen. Der Wald ist schon da. Das ist der gleiche Denkfehler wie bei den Wohnungen in Berlin. Das funktioniert auch nicht. Ein Eigentümerwechsel heilt weder den geschädigten Wald noch wird dadurch auch nur ein einziger neuer Baum gepflanzt im Kampf gegen den Klimawandel.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Hätte man diese 80 Millionen Euro, sollte man damit den privaten Waldbesitz stärken und keinen Staatswald erschaffen. Private Waldeigentümer mit Auflagen und Bürokratie mürbezumachen, um das Eigentum billig zu verstaatlichen, das ist weder fair noch zielführend. Die FDP steht an dieser Stelle klar und deutlich zum privaten Waldeigentum und zur Stärkung der privaten Waldbesitzer.

Die FDP und die Landesregierung stehen für einen Haushalt im Bereich Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der für gesundes Essen, gesunde Betriebe und eine gesunde Umwelt sorgt. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die AfD spricht Herr Dr. Blex.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man Ihre Reden hört, dann beschleicht einen unweigerlich das Gefühl, Sie lebten alle in einer Parallelwelt. Sie haben es wohl nicht verstanden.

Die Bauern haben gegen Ihre Politik demonstriert, gegen die Politik von Ihnen allen, gegen die giftgrüne Politik, die Sie alle hier betreiben. Sie haben vollkommen zu Recht gegen Frau Klöckner, gegen Frau Schulze und auch gegen Frau Heinen-Esser protestiert, und Sie tun hier so, als hätten Sie alles richtig gemacht. Genau deshalb protestieren die Bauern ja auch, weil Sie alles richtig gemacht haben.

Frau Heinen-Esser ist schlichtweg eine grüne Ministerin für Umwelt, Natur- und Verbraucherschutz, aber ganz sicher keine Ministerin für Landwirtschaft. In ihrer bisherigen Regierungszeit hat sie nichts für die Landwirte unternommen.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Och!)

Keine einzige Rechtsvorschrift wurde aufgehoben oder abgeschafft, aber Dutzende neue sind für die Landwirte dazugekommen. Sie sind eine derartige Fehlbesetzung als Agrarministerin, dass sich jeder anständige Konservative Frau Schulze Föcking zurückwünscht.

(Zuruf von der CDU)

Frau Heinen-Esser, entschuldigen Sie, aber für die Landwirte sind Sie ein wandelndes Risiko mit Schal.

(Vereinzelt Beifall von der AfD – Zurufe)

Im Gegensatz dazu ist die Liste unserer eingebrachten Anträge für das Umweltressort in diesem Jahr sehr lang:

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

„Ausbruch der Blauzungenkrankheit in Nordrhein-Westfalen verhindern“ vom 12. Februar 2019, „Regionale Vermarktung in Nordrhein-Westfalen fördern und Akzeptanz für die bäuerliche Landwirtschaft schaffen“ vom 12. März 2019, „Höfesterben bekämpfen – Landesregierung muss eine attraktive Start-up-Kultur in der Landwirtschaft schaffen und Hofübergaben erleichtern“ vom 2. Juli 2019 und, nicht zu vergessen, „Notstand der Bauern – Bundesweite Bauernproteste gegen die Agrarpläne der Bundesregierung“ vom 5. November 2019. All unsere Anträge wurden von Ihnen allen in der letzten Lesung abgelehnt. Alle!

(Zuruf von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Selbst haben Sie keine Lösungswege für die Probleme in der Landwirtschaft aufgezeigt. – Sie auch nicht, Herr Nolten. Tun Sie nicht so scheinheilig. Wir von der AfD springen nicht auf einen fahrenden Zug auf. Wir standen als Einzige von Anfang an der Seite der Bauern.

(Beifall von der AfD – Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Was machen Sie, Frau Heinen-Esser? Sie spielen auf der Ökoklaviatur und möchten die Insekten retten.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ja!)

Dafür setzen Sie bereitwillig die Zukunft der Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen aufs Spiel. Wir werden nicht schweigen und tatenlos zusehen, wie Sie den Bauernstand in Deutschland durch die verfehlte Agrarpolitik kaputt machen.

Wer in Zukunft noch schwarz wählt, der bekommt eine grüne Agrarministerin serviert. Um Haaresbreite hätte es auf Bundesebene eine Jamaika-Koalition gegeben, und Anton Hofreiter wäre Bundesagrarministerin geworden.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf: Hört, hört!)

Unsere Anträge zum Haushalt liegen allen vor. Sie haben die Chance zu mehr Regionalität in der Landwirtschaft. – Es freut mich, dass auch die CDU über meinen Scherz lacht. Das freut mich. Der war auch witzig, oder?

(Zuruf)

Zu unseren Anträgen: Der Haushaltsposten für Zuschüsse zur nachhaltigen Absatzförderung für nordrhein-westfälische Agrarprodukte soll um eine moderate halbe Million Euro erhöht werden.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Man, man, man!)

Als Vorschlag zur Gegenfinanzierung kürzen wir die staatliche Bezuschussung von Ökobetrieben. Wie Anfang des Jahres bekannt geworden ist, steigerte sich der Verkaufserlös der Bioprodukte auf über 2,2 Milliarden Euro. Bei diesen Zahlen muss über die Sinnhaftigkeit der staatlichen Finanzierung der Ökoanbauverbände nachgedacht werden. Ein Ökolandwirt selbst profitiert davon ja nicht.

Kommen wir noch einmal kurz zu den Bauernprotesten am Montag. Die Landwirte sind sauer,

(Zuruf von der CDU: Waren Sie da?)

sauer auf Ihre Politik.

(Zuruf von der CDU: Waren Sie da?)

Wir hatten dazu eine Aktuelle Stunde vorbereitet, aber unser Antrag wurde vom Landtagspräsidium, in dem wir als einzige Fraktion nicht vertreten sind, abgelehnt. Was das bedeuten kann, sieht man an den Ergebnissen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Ungeheuerlich!)

Die Landwirte sind nicht dabei. Schade! Es wäre eine passende Gelegenheit gewesen, auch einmal über die Klagen der angeblichen Umweltschützer vom BUND gegen die Landesregierung zu sprechen. Sie klagen bekanntlich über zu hohe Nitratwerte in Nordrhein-Westfalen. Darüber sollten wir nicht den Mantel des Schweigens decken. Sie wollten das, und leider haben wir im Zuge der Haushaltsberatungen kaum Zeit, um über diesen Unfug zu sprechen.

Frau Heinen-Esser, Ihre Leistungen für Landwirte sind nicht nur mangelhaft, sie sind ungenügend. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Nach dieser Rede des Abgeordneten Dr. Blex hat für die Landesregierung Ministerin Frau Heinen-Esser das Wort.

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das waren ja gerade echt bemerkenswerte Worte meines Vorredners. Gestatten Sie mir nur einen Satz dazu, der mich nämlich beeindruckt hat, Herr Dr. Blex: Ich war am Montag, wie andere Kollegen auch – Hendrik Schmitz zum Beispiel –, bei der Demonstration der Landwirte hier in Düsseldorf. Wissen Sie, was die Landwirte dort bei allen Protesten, bei allen Sorgen, die sie haben, gesagt haben? Sie möchten sich nicht von der AfD

(Zuruf von der AfD)

und ihren lockeren, lauen Sprüchen instrumentalisieren lassen.

(Beifall von der CDU, der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

Das möchten sie nicht. Sie haben ernsthafte Anliegen, sie haben ernsthafte Probleme,

(Zurufe von der AfD)

die wir in der letzten Sitzungswoche in diesem Parlament ernsthaft diskutiert haben.

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Aber sie möchten sich nicht von Ihnen vor den Karren spannen lassen.

(Zurufe von der AfD)

Sie möchten ernsthafte Lösungen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir alle wissen, dass die Situation für die Landwirte sehr, sehr schwierig ist,

(Zuruf von der AfD)

dass innerhalb der letzten zwölf Monate zahlreiche neue Anforderungen auf sie eingeprasselt sind: die Düngeverordnung, die EU-Nitratrichtlinie etc.

Hier ist von Verschiedenen gefragt worden: Was macht denn die Landesregierung eigentlich? Das kann ich Ihnen sagen, und das wiederhole ich immer wieder gerne: Wir sind die einzige Landesregierung, die bereit war, ihre Grundwassermessstellen zu überprüfen. In anderen Ländern hat das nicht stattgefunden.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Wir haben festgestellt, dass 10 % der Messstellen nicht in Ordnung sind. Wir tauschen sie aus. Wir sind das erste und einzige Bundesland, das bisher eine Binnendifferenzierung vornimmt, das heißt sich die „roten Gebiete“ tatsächlich noch mal genau anguckt und schaut, ob es nicht doch noch andere Möglichkeiten gibt.

(Beifall von der CDU)

So werden wir es schaffen, die „roten Gebiete“ um 30 % zu reduzieren.

Herr Stinka hat zu mir gesagt, wir reden zu viel. Ich rede gerne viel. Ich rede vor allen Dingen gerne mit den Betroffenen.

Sie sagten im zweiten Satz etwas, was mich echt ein bisschen verwundert hat. Die Logik kriege ich heute Abend auch nicht mehr hin. Sie kritisieren einerseits den Dialog, andererseits sagen Sie, ich solle die Kritiker ernst nehmen und mitnehmen. Ich muss das zusammenbringen. Wie bringe ich das zusammen, Herr Stinka? Indem ich in der Tat Dialogrunden bilde.

Wir sind wieder das einzige Bundesland, das mit einer abgestimmten Position zwischen Landwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz in die Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik gegangen ist. Das sind Erfolge. Das sind echte Erfolge, durch die wir den Landwirten tatsächlich helfen können.

(Beifall von der CDU)

Jetzt komme ich zu einem anderen Thema: Natürlich wird immer gesagt, die Landwirte seien in die falsche Richtung gegangen. Herr Rüße hat es eben erklärt. Wissen Sie, was wir hier übernommen haben? Ich muss das jetzt auch mal ehrlich sagen:

Im Ökolandbau hat NRW einen Anteil von unter 10 %. Genauer gesagt liegen wir sogar unter 8 %, und das ist viel zu wenig.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD] – Jens-Peter Nettekoven [CDU]: Unglaublich!)

Andere Bundesländer arbeiten daran, diesen Anteil auf über 20 % zu bringen. Dort gibt es ein Ziel-Benchmarking von 30 %. Und wir arbeiten daran, überhaupt erst zweistellig zu werden. Das müssen wir stärker im Haushalt verankern und uns in den nächsten Monaten und Jahren stärker darum kümmern.

Lassen Sie mich – denn das schließt sich direkt daran an – zu dem kommen, was wir im Bereich der Luftreinhaltung vorgefunden haben. Das ist mein absolutes Lieblingsthema. Seit 2010 gibt es die Luftqualitätsrichtlinie. Seit spätestens 2012/2013 ist klar, dass die Werte erfüllt werden müssen und es keine Ausnahmeregelungen mehr gibt.

Faktisch gab es in ganz Nordrhein-Westfalen keinen funktionierenden und darauf abgestimmten Luftreinhalteplan. Die Folge ist, dass das Land in 14 Städten verklagt worden ist. Erst wir waren und sind es, die die Luftreinhaltepläne in den Städten – das Beispiel Düsseldorfs ist von Herrn Stinka zu Recht angeführt worden – unter großen Anstrengungen erarbeiten und umsetzen, um sich ernsthaft um das Thema „saubere Luft“ zu kümmern. Das hat die rot-grüne Regierung vor uns massiv versäumt.

(Beifall von der CDU und Ulrich Reuter [FDP])

Lassen Sie mich noch etwas zum Thema „Forstwirtschaft“ sagen. Der Haushalt ist in der Tat eng gestrickt, aber wir haben in diesem Jahr mit großer Kraftanstrengung fast 10 Millionen Euro für Soforthilfen zur Verfügung gestellt. Dasselbe gilt für das nächste Jahr – wir werden jedenfalls versuchen, das hinzubekommen.

Wir stellen 100 Millionen Euro für die Wiederaufforstung zur Verfügung. Wir werden diese Mittel nur gewähren, wenn man sich am Waldbaukonzept von NRW orientiert. Wir werden uns auch noch intensiv mit dem Thema „Naturverjüngung“ und damit, wie der optimale Wald aussieht, auseinandersetzen. Aber hier stehen wir zu unserem Wort. Wir helfen und stellen sehr viel Geld zur Verfügung. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Deshalb schließe ich die Aussprache zu a) Umwelt, Landwirtschaft und Naturschutz.

Ich eröffne die Aussprache zu:

 

b) Verbraucherschutz

Ich erteile für die SPD-Fraktion der Kollegin Blask das Wort.

Inge Blask (SPD): Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin in Nordrhein-Westfalen häufig in Verbraucherberatungsstellen vor Ort und bekomme dort von den Beraterinnen und Beratern ein positives Feedback zur Finanzierung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind froh über die Kontinuität und dass die Finanzierung ihrer Arbeit gewährleistet ist. Dafür ist Ihnen unsere Unterstützung gewiss.

(Beifall von der CDU und Stephan Haupt [FDP])

Ansonsten haben wir Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Landesregierung, leider schon im letzten Jahr ein schlechtes Zeugnis ausstellen müssen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Oh!)

Jetzt ist Halbzeit: zweieinhalb Jahre Schwarz-Gelb. Ganz ehrlich: Seitdem ist nicht viel passiert.

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben so gut angefangen!)

Wir haben im letzten Jahr die Idee der Fluggastrechte-App diskutiert und gelobt und Ihrem Antrag dazu auch zugestimmt, obwohl die Finanzierung eher knapp bemessen war. Na ja, die App ist jetzt da. Das ist ohne Frage eine gute Sache.

(Beifall von der CDU und Stephan Haupt [FDP])

Aber das kann es doch nicht gewesen sein. Nordrhein-Westfalen ist das Verbraucherland. Hier kommen traditionell die Impulse und die großen Ideen der Verbraucherpolitik zustande. Da kommt von Ihnen aber nichts. Dabei gibt es Themen ohne Ende.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher verlangen dringend nach Transparenz in der Lebensmittel- und Tierwohlkennzeichnung. Mittlerweile sind sogar die Discounter so weit, sich eigene Label zu verpassen. Es ist aber Aufgabe der Politik, hier für Klarheit zu sorgen. Im Rahmen Ihrer Nutztierhaltungsstrategie hätten Sie doch längst tätig werden können.

Ich komme zum Hygieneführerschein für die Gastronomie. Auch hier gibt es riesigen Nachholbedarf. In Nordrhein-Westfalen kann doch jeder oder jede ein Restaurant eröffnen, der oder die mal eine Woche lang mit halbem Ohr im Veterinäramt einem Hygienekurs gefolgt ist. Das reicht nicht aus, und das zeigen auch die eklatanten Zahlen der Hygieneverstöße in der Gastronomie und das öffentliche Interesse daran.

Zur Überschuldungssituation: Genau wie im letzten Jahr hat die Creditreform kurz vor den Haushaltberatungen ihren aktuellen SchuldnerAtlas herausgegeben. Genau wie im letzten Jahr ist das Ergebnis so erschreckend wie alarmierend. Und genau wie im letzten Jahr findet sich dazu im Haushalt nichts.

Der SchuldnerAtlas besagt, dass die Anzahl der überschuldeten Verbraucher in Nordrhein-Westfalen entgegen dem Bundestrend in diesem Jahr sogar noch einmal um rund 6.000 auf 1,75 Millionen zugelegt hat. Von den zehn Städten mit den höchsten Schuldenquoten kommen gleich vier aus Nordrhein-Westfalen. In einzelnen Stadtteilen sind sogar 30 von 100 Einwohnern in Schwierigkeiten, und auch die vergleichsweise gute Lage auf dem Arbeitsmarkt ändert daran nur wenig.

Auch wenn Sie es nicht hören wollen, werde ich nicht müde, mich zu wiederholen: Sie müssen private Verschuldung ernst nehmen.

(Beifall von der SPD)

Das ist ein riesiges Armutsrisiko.

Nun hat sich im SchuldnerAtlas 2019 auch noch herausgestellt, dass die Verschuldung von Seniorinnen und Senioren in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zum Vorjahr um 45 % gestiegen ist. Entsprechend hat der VdK eine Pressemitteilung verschickt, in der er eindringlich vor zunehmender Altersarmut in Nordrhein-Westfalen warnt.

Wenn Sie Altersarmut wirklich bekämpfen wollen, müssten wir sie jetzt anpacken. Ich möchte Ihnen empfehlen, unserem Antrag zur Reform der Schuldenberatung in der nächsten Ausschusssitzung zuzustimmen.

(Jens-Peter Nettekoven [CDU]: Schulden- oder Schuldnerberatung?)

Ein weiterer Vorschlag zur Güte, da es Ihnen in Sachen Verbraucherpolitik offensichtlich etwas an Inspiration fehlt: Wir haben zu diesem Haushalt einen Änderungsantrag bezüglich der Verbraucherarbeit im ländlichen Raum gestellt.

Meine Gespräche mit den Beratern in den Verbraucherzentralen vor Ort haben vor allem ergeben, dass wir neue Mittel und Wege brauchen, um die Menschen im ländlichen Raum zu erreichen. Viele Leute im ländlichen Raum haben nicht die Möglichkeit, ortsnah eine Beratungsstelle der Verbraucherzentrale aufzusuchen. Fehlende Mobilitätsangebote, aber vor allem mangelnde Kapazitäten spielen dabei eine Rolle.

Deswegen haben wir in unserem Änderungsantrag ein vom Land NRW initiiertes Modellprojekt zur Verbraucherberatung im ländlichen Raum vorgeschlagen, durch das neue Beratungsformen und -modelle entwickelt, erprobt und evaluiert werden können. Einige von Ihnen werden sich erinnern: Die Verbraucherberatung im Quartier hat wunderbar geklappt. Dieses Projekt hat Ihre Regierung nun nach einigem Hin und Her verlängert.

In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchten wir Sie herzlich bitten, unserem Änderungsantrag zum Thema „Verbraucherschutz im ländlichen Raum“ zuzustimmen und Ihrem Haushalt somit auch einmal ein mittel- bis längerfristiges politisches Projekt zuzugestehen. Das haben die Verbraucherinnen und Verbraucher in Nordrhein-Westfalen verdient. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Herr Dr. Untrieser.

Dr. Christian Untrieser (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer immer komplizierter werdenden Welt liegt uns der Verbraucherschutz sehr am Herzen. Warum ist das so? Weil uns der einzelne Mensch, der frei und selbstbestimmt handeln soll, sehr am Herzen liegt und gerade im Mittelpunkt unseres politischen Handelns steht.

(Beifall von der CDU)

Deswegen freue ich mich, dass wir die Mittel für den Verbraucherschutz in diesem Haushaltsplan noch einmal erhöht haben, und zwar auf 33,8 Millionen Euro. Schaut man sich die konkreten Zahlen von vor ein paar Jahren dazu an, stellt man fest, dass sich die Mittel im Vergleich zum Jahr 2016 in 2020 verdoppelt haben.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Das ist ein wirksamer Schutz für die Verbraucher in diesem Land.

Von den vielen Maßnahmen, die es gibt, möchte ich nur drei Dinge herausgreifen, da für mehr die Zeit nicht ausreicht.

Das Erste ist der wirtschaftliche Verbraucherschutz im digitalen Zeitalter. Wir haben neue Möglichkeiten, wie das bargeldlose Zahlen, Smart Contracts, Smart Toys, künstliche Intelligenz, Smart Home, Algorithmen oder Blockchain. Mit all dem müssen wir Verbraucher heute umgehen.

Ich, der im Digitalisierungsausschuss und im Verbraucherschutzausschuss tätig sein darf, möchte an dieser Stelle betonen, dass in der Digitalisierung unglaublich viele Chancen liegen. Die Digitalisierung wird das Leben für uns alle einfacher, besser, gesünder, angenehmer und umweltfreundlicher machen. Im Medizinbereich gibt es viele ganz tolle neue Möglichkeiten. Das gilt auch für den Verkehrsbereich. Hier seien digitale Verträge und Abrechnungssysteme genannt. Damit kann uns viel Bürokratie erspart bleiben.

Gleichzeitig muss der Verbraucher aber auch wissen, welche Daten er aus der Hand gibt und was damit passiert. Weiß jeder von uns, mit welchen Klicks er welche Spuren im Internet hinterlässt? Weiß jeder, welche Rechte ihm bei einem Onlinekauf zustehen oder dass man unterschiedliche Preise angeboten bekommt, je nachdem, welches Endgerät man nutzt?

An dieser Stelle muss der Staat eingreifen und gestalten. Er muss die rechtlichen Rahmenbedingungen setzen. Zum anderen – das ist im Haushalt sehr gut abgebildet – müssen wir die Verbraucherinnen und Verbraucher fit für die Digitalisierung machen, damit sie mit den neuen Chancen und Möglichkeiten umgehen können und nicht Opfer der Risiken werden.

Einen zweiten Punkt, den ich erwähnen möchte, haben wir hier bereits vor einem Jahr besprochen. Frau Blask hat dazu auch schon ausgeführt. Wir haben etwas für die Fluggäste getan. Vor einem Jahr wollten wir die Fluggastrechte-App einführen und haben die Gelder dafür zur Verfügung gestellt. Diese Fluggastrechte-App ist inzwischen in Betrieb. Die Zahlen belegen, dass sie ein absoluter Erfolg ist.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es gab 36.000 Downloads in nur sieben Wochen, und es wurden knapp 8.000 Anspruchsschreiben generiert. Das ist bürokratiearm, unkompliziert, schnell, unabhängig und kostenlos. Das ist wirksamer Verbraucherschutz, wie wir ihn uns vorstellen.

(Beifall von der CDU)

Ich möchte erwähnen, woran wir im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher noch arbeiten müssen. In anwaltlicher Tätigkeit habe ich selber einige Fälle betreut, zum Teil haben mich auch Kollegen aus diesem Hause angesprochen und auf ein Problem aufmerksam gemacht.

Es gibt Fluggesellschaften, gegen die ein eindeutiger Anspruch besteht, die aber ihre Adresse, sprich: ihre ladungsfähige Anschrift, einfach nicht zur Verfügung stellen. Oft kommt man gar nicht an die entsprechende Adresse heran. Das ist ein Problem, an dem wir arbeiten müssen.

Wenn international operierende Fluggesellschaften, die von Deutschland aus starten oder landen, nicht in der Lage sind, uns eine Anschrift zu geben, unter der man sie erreichen kann, und man sie deswegen gar nicht verklagen kann, muss der Staat eingreifen. Dann müssen wir uns vor die Fluggäste stellen und die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher durchsetzen. Ich hoffe, dass wir das auf der europäischen Ebene, auf der Bundesebene und auch hier gemeinsam anpacken können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ein dritter Punkt: Zu diesem Haushaltsbereich gehören auch gesunde Ernährung und die Wertschätzung von Lebensmitteln. Mit Blick auf die Demonstrationen der Landwirte sage ich ganz bewusst: Wir müssen wieder mehr Respekt haben und zeigen – Respekt für das tägliche Brot, für das Gemüse, für die Fleischerzeugnisse, kurzum: für das, was jeden Tag auf unserem Teller liegt. Wir müssen aber auch Respekt und Dankbarkeit für diejenigen entwickeln, die sehr hart dafür arbeiten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

In dem Zusammenhang kann ich den Verlauf der Diskussion nicht ganz verstehen. Die CDU stand immer hinter den Landwirten und hatte für die Landwirte gekämpft. Das werden wir auch weiterhin tun. Im Moment – das gebe ich zu – ist die Diskussion schwierig. Wir werden die Gespräche trotzdem weiterführen.

Wenn ich dann aber von SPD und Grünen höre, wir würden nicht genug für die Landwirte tun, …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dr. Christian Untrieser (CDU) … obwohl ich nach zweieinhalb Jahren in diesem Haus auf Podiumsdiskussionen erlebt habe, wie Vertreter Ihrer Fraktion auf die Landwirte schimpfen, muss ich sagen: Das können wir uns nicht bieten lassen.

(André Stinka [SPD]: Wie viele Minister haben Sie denn gestellt in Berlin?)

Die CDU steht zu den Landwirten. Gerade Ihre Politik hat dafür gesorgt, dass die Landwirte sauer auf die Politik sind.

(Beifall von der CDU und der FDP – Christian Dahm [SPD]: Seit Generationen!)

Ich komme zum Schluss. – Mit diesem Haushalt stellen wir viel Geld für sehr gute Maßnahmen im Bereich des Verbraucherschutzes zur Verfügung.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wir möchten einen mündigen und freien Verbraucher, denn für uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Dafür ist dieses Geld gut angelegt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Das fällt Ihnen noch vor die Füße!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Untrieser. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Rüße.

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Untrieser, das stimmt. Sie stehen an der Seite der Landwirtschaft, aber das war in den letzten zwei Jahrzehnten nicht immer gut. Sie haben die Landwirtschaft einfach in die falsche Richtung geführt. Es wäre notwendig, dass Sie das einmal zugeben und sagen: Die Weltmarktorientierung in der Form war falsch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube, ein zartes Pflänzchen habe ich eben wahrgenommen.

(Zurufe von Daniel Sieveke [CDU] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Hier in Nordrhein-Westfalen ist es nicht so einfach, Ökolandbau hinzubekommen. Das ist eine Herausforderung. Aber ich finde es gut, dass Sie das sagen. Dann wollen wir den Anteil einmal hochpushen und schauen, was da geht.

Es ärgert mich aber, Herr Untrieser, wenn Sie von mehr Respekt und mehr Wertschätzung sprechen. Genau das ist die Landwirtschaft am Ende ein Stück weit leid. Denn mit Respekt und Wertschätzung können keine Futtermittelrechnungen bezahlt werden. Das ist das Problem der Landwirte. Sie brauchen faire Preise. Diese zaubert man nicht mit mehr Wertschätzung herbei. Man kann das nur hinbekommen, indem man die Nachfrage stärkt.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Das ist im Bereich von Ökolandbau und regionaler Vermarktung unser Problem. Wir müssen einmal auf unsere landeseigenen Kantinen schauen. Wir haben jede Menge Finanzämter. Können sie mit ihren Kantinen die Nachfrage nicht ein Stück weit ankurbeln? Könnten wir damit über das Essen in unseren landeseigenen Kantinen etwas für Naturschutz, Insektenschutz und Artenvielfalt tun? Das wären Anreize, die man geben könnte.

Machen Sie sich auf den Weg. Aber reden Sie nicht immer nur über Respekt und Wertschätzung. Das geht nicht. Denn dann werden Sie bald wieder die nächsten Bauerndemonstrationen haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Wald wurde ja angesprochen. Wir sind ganz klar der Meinung, dass man in dieser Krise mehr tun muss. Die 10 Millionen Euro sind zwar nicht schlecht, aber reichen bei Weitem nicht aus. Das wissen Sie auch, Frau Heinen-Esser. Das Ganze über zehn mal zehn Jahre zu ziehen, geht gar nicht.

(Henning Rehbaum [CDU]: Verbraucherschutz, Herr Rüße!)

– Dazu komme ich gleich noch, Herr Rehbaum. – Deshalb haben wir gesagt, dass wir einen Fonds wollen, mit dem wir als Land in der Lage sind, den Waldbauern Angebote zu machen, die Flächen an uns zu verkaufen, wenn sie kein Interesse mehr haben, sie selber weiter zu bewirtschaften. Diese Fälle gibt es ja. Darauf muss man doch reagieren. Ansonsten werden wir – ähnlich wie nach „Kyrill“ – jede Menge Wald haben, in dem gar nichts passiert. Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Ich lasse die Hygieneampel jetzt einmal weg. Darüber, dass Sie sie abgeschafft haben, habe ich schon oft genug geschimpft. Man muss auch einmal einen Schritt weitergehen.

Beim Thema „Verbraucherschutz“ waren sich immer alle Parteien hier in Nordrhein-Westfalen einig, dass das wichtig ist und dass wir es gemeinsam betreiben und beispielsweise zusammen dafür sorgen wollen, dass die Verbraucherzentralen anständig ausgestattet sind und es ein gutes Angebot für die Menschen in diesem Land gibt.

An der Stelle gibt es von unserer Fraktion nichts zu kritisieren. Deshalb, Herr Rehbaum, kann ich diesen Teil relativ kurz fassen.

(Henning Rehbaum [CDU]: Wie angenehm!)

Das ist an dieser Stelle der Punkt. Da gibt es mal ein Lob für das Ministerium –

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

nicht für die Ministerin, sondern für das Ministerium als Verwaltung.

(Zuruf)

Ich finde, dass die Abarbeitung des Skandals um Wilke-Wurst hier in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen gut erfolgt ist. Das kann man an dieser Stelle auch einmal sagen. Ich glaube, dass die Verwaltung aus den Lebensmittelskandalen, die wir in der Vergangenheit hatten, gelernt hat. Das darf man auch einmal positiv benennen. Dass das vernünftig funktioniert, ist aus unserer Sicht ganz hervorragend.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nicht so gut ist das, was im Bereich Tierschutz passiert ist. Die Abschaffung der Stabsstelle Umweltkriminalität, Frau Heinen-Esser, halten wir nach wie vor für einen großen Fehler.

Wir finden es gut, dass Sie den Antrag, den wir zum Tierschutzbeauftragten bzw. zur Tierschutzbeauftragten gestellt haben, umsetzen. Das finden wir hervorragend. Wir sind immer noch überrascht darüber, dass CDU-Fraktion und FDP-Fraktion dem Antrag nicht zustimmen konnten. Aber dass Sie das gemacht haben, finden wir gut.

Die Ausstattung, auch im Haushalt, begeistert uns allerdings nicht. Sowohl die Eingruppierung der Stelle als auch die Ausstattung finden wir zu niedrig. Welche Ressourcen stecken denn dahinter? Oder ist es am Ende ein König oder eine Königin ohne Land, der oder die nichts machen kann, weil gar keine Mittel da sind?

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Nein!)

Da sind wir einmal gespannt. Da werden wir natürlich noch einmal nachhaken. Wir brauchen nämlich keinen Tierschutzbeauftragten hier in Nordrhein-Westfalen, der ein zahnloser Tiger ist und gar nichts geregelt bekommt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn die Herausforderungen sind groß. Gerade in unserem Bundesland gibt es da einiges zu tun.

Frau Heinen-Esser, ich habe es in der ersten Runde gesagt: Setzen Sie sich im Kabinett durch. Holen Sie mehr Mittel für dieses Ministerium herein. Angesichts der Aufgaben, die es vor der Brust hat, hat das Ministerium es nämlich verdient, besser ausgestattet zu werden.

Weil das nicht so ist, lehnen wir den Einzelplan 10 ab.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rüße.

Bevor ich Herrn Kollegen Haupt von der FDP-Fraktion das Wort erteile und für ihn das Redepult freigebe, möchte ich herzlich eine Delegation aus der Stadt Afyon in der Türkei begrüßen, die derzeit die Partnerstadt Hamm besucht und auf unserer Tribüne Platz genommen hat. Herzlich willkommen, Herr Bürgermeister Zeybek! Das Parlament freut sich.

(Allgemeiner Beifall)

Jetzt hat Herr Kollege Haupt das Wort.

Stephan Haupt (FDP): Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt noch etwas sagen soll angesichts der Feststellung von Herrn Kollegen Rüße, beim Thema „Verbraucherschutz“ sei alles in Ordnung, und Kollegin Blask hat uns dankenswerterweise in ihrer Rede die Hälfte der Zeit gelobt.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Und das, was Sie kritisiert haben, Frau Blask, betrifft uns eigentlich gar nicht. Sie haben zum Beispiel im Bereich Hygiene bemängelt, dass keine Initiativen kämen. Ich kann nur sagen: Bei der Verbraucherschutzministerkonferenz wurde einstimmig begrüßt, dass auf Initiative Nordrhein-Westfalens ein Sachkundenachweis eingeführt werden soll. Diesen Sachkundenachweis können wir nur deshalb nicht umsetzen, weil der Bund dafür zuständig ist und die Rechtsgrundlagen schaffen muss. Da Sie dort koalieren, sind Sie dann in der Pflicht. Insofern bräuchte ich dazu gar nicht viel zu sagen.

(Beifall von der FDP)

Es kam gerade schon auf: Wir haben die bekannten Verbraucherskandale der Vergangenheit und der Gegenwart, und wir haben Herausforderungen wegen der Veränderungen durch die Digitalisierung, aber auch durch den Klimawandel.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Das zeigt, welche Bedeutung der Verbraucherschutz hat und vor welchen Herausforderungen dieser steht. In diesem Sinne begreifen wir den Verbraucherschutz als übergeordnete Aufgabe unseres Handelns und nicht als Einzelaspekt.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Insofern findet sich Verbraucherschutz in vielen Titeln dieses Haushaltsplans wieder.

Ein wichtiger Baustein des Verbraucherschutzes in Nordrhein-Westfalen ist mit Sicherheit die Arbeit unserer Verbraucherzentralen. Diese ist und bleibt für uns auch unverzichtbar. Die Mittel für die Förderung der Verbraucherzentralen haben wir daher nochmals um 360.000 Euro erhöht.

Ein weiterer wichtiger Baustein des Verbraucherschutzes ist die Beratung zu einer gesunden Ernährung. Die etablierten Beratungsangebote wie die der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung NRW der Verbraucherzentrale leisten hier bereits seit Jahren einen wichtigen Beitrag.

Neben den bestehenden und erfolgreich bewährten Programmen zur gesunden Ernährung in Kitas und Schulen werden wir das Beratungsangebot nun auch noch um die neue Vernetzungsstelle Seniorenverpflegung erweitern. Hiermit stärken wir die Ernährungskompetenz von selbstständig lebenden Senioren, von Pflegeeinrichtungen und auch von mobilen Versorgern wie „Essen auf Rädern“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Digitalisierung und die künstliche Intelligenz verändern den Verbraucheralltag massiv, und zwar in einer enormen Geschwindigkeit. Angebote für den Verbraucher, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren, sind heute längst Alltag: das Ausleihen eines Fahrrads mittels einer App, das Bezahlen mittels Smartphone, die Buchung des Jahresurlaubs mittels Handy, während man abends auf dem Sofa liegt, die Echtzeitverfolgung eines Paketes, um nur einiges zu nennen.

Die Digitalisierung bietet aber auch ganz viele neue Möglichkeiten für den Verbraucherschutz. Die Flugärger-App ist gerade schon erwähnt worden – mit über 36.000 Downloads; das sind 36.000 Beratungen. Da sieht man, wie Verbraucherschutz gehen kann: einfach, effektiv, schnell und sieben Tage die Woche rund um die Uhr verfügbar. Das ist Verbraucherschutz, wie wir ihn uns als FDP vorstellen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Neben den Flugreisen kann ich mir noch ganz viele weitere Bereiche vorstellen, in denen wir künftig den Verbraucher mit weiteren digitalen Angeboten stärken und unterstützen werden. Wir werden daher den Weg zum Verbraucherschutz 4.0 weitergehen und ausbauen.

Aber gerade weil wir uns intensiv mit der Digitalisierung auseinandersetzen, ist uns bewusst, dass hier natürlich Risiken bestehen. Diesen Risiken werden wir mit Aufklärung begegnen. Denn nur derjenige, der Risiken und Gefahren kennt, kann auch frei und kompetent handeln und entscheiden.

Die Zunahme neuer, digitaler Geschäftsmodelle erfordert auch neue und ausgeweitete Beratungsangebote in der Verbraucherinformation, damit die Akzeptanz und das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher gestärkt werden und nicht verloren gehen.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Verstehen Sie, was Sie da sagen?)

Deshalb werden wir im Dialog mit den Verbraucherschutzverbänden und Experten zu aktuellen Themen wie „künstliche Intelligenz“, „Algorithmen“, „neue bargeldlose Bezahlsysteme“ und „Telematiksysteme von Versicherungen“ auch entsprechende Informations- und Aufklärungsaktivitäten durchführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird zukünftig darauf ankommen, bewährte Angebote – wie die der Energieberatung und der Ernährungs- und Gesundheitsberatung – zu bewahren, diese auszubauen und mit Neuem zu kombinieren sowie transparente, verbraucherfreundliche Regelungen und Rahmenbedingungen für digitale Anwendungen zu schaffen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Stephan Haupt (FDP): Mit erhöhten finanziellen Mitteln für den Ausbau des persönlichen Beratungsangebotes und die Ausweitung des digitalen Angebotes stellen wir als NRW-Koalition uns diesen Herausforderungen für den Verbraucherschutz. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Haupt. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Dr. Blex.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit einigen Worten zur Forstpolitik der grünen Ministerin Heinen-Esser. Frau Heinen-Esser, wer ins Winterbrauchtum eingreifen möchte und seine Bedenken gegenüber zu hohen Weihnachtsbäumen in der Kommune äußert, der ist grün. Wer diese so umsetzen will wie die Grünen, der ist ökosozialistisch.

Die Grünen haben einen Antrag zum Haushalt eingebracht. Darin fordern sie die Einrichtung eines Waldfonds zum Ankauf von Kalamitätsflächen. Die Grünen wollen also ihre Forderung nach dem staatlichen Eingriff in den freien Wohnungsmarkt und damit der Enteignung auch auf forstwirtschaftlichen Besitz übertragen. Wer soll entscheiden, welche Flächen aufgekauft werden und welche nicht? Von wem sollen die Flächen aufgekauft werden? Das sind sehr viele sehr bedenkliche Fragen.

Obwohl die Laschet-Parteien den Antrag der Grünen noch im Fachausschuss vehement abgelehnt haben, überschlagen sich doch die Meldungen in den Medien um die Pläne der Ministerin für einen entsprechenden Waldfonds.

Die Regierungsfraktionen möchten vermeintlich nicht das, was die Grünen fordern. Aber irgendwie wollen Sie, Frau Heinen-Esser, es dann doch. Sie argumentieren wie die Grünen und sprechen bei den Wäldern von – Zitat – „Kathedralen des Klimaschutzes“.

Die Waldbesitzer sollen also eine Baumprämie bekommen, aber nicht direkt, sondern über die Einnahmen aus dem CO2-Zertifikatehandel, also über einen Umweg über das NRW-Umweltministerium. Wie das alles bürokratiearm funktionieren soll, wissen wohl nicht einmal Sie selbst. Wieso auch?

Die Umstellung auf die Direktförderung ist für die Waldbesitzer bis heute eine Katastrophe: zu aufwendig, zu gering.

(Zuruf von der CDU: Zum Thema!)

Bis heute liegen die Kalamitäten noch im Wald. Was jetzt liegt, das liegt. Eine Borkenkäferbrut wird jetzt nicht schlüpfen, aber in diesem Umfeld überwintern. So sollte der forstpolitische Schwerpunkt ganz klar auf dem Abschöpfen der ersten Generation von Borkenkäfer während der Migrationsphase im nächsten Jahr liegen, um das Schlimmste für den Fichtenwald zu verhindern. Doch damit tut sich die Landesregierung sehr schwer. Zu sehr ist sie damit beschäftigt, schon jetzt mit der Aufforstung zu beginnen.

In unserem Antrag für eine unbürokratische Waldhilfe haben wir aufgezeigt, welche Maßnahmen ergriffen werden können. Jeder Forstwirt kann Ihnen sagen: Wenn sich die hohen Temperaturen und die Trockenperioden im nächsten Jahr wiederholen sollten, gehen sofort alle Jungpflanzen ein.

Ihr Problem, Frau Heinen-Esser: Sie sind Anhängerin der Church of Global Warming. Deshalb sehen Sie überall nur den angeblich menschengemachten Klimawandel. Es dauert nicht lange; dann nehmen Sie auch den Borkenkäfer als schützenswertes Insekt in ihr Insektenschutzprogramm auf.

(Daniel Sieveke [CDU]: Wir sind beim Thema „Verbraucherschutz“!)

Wir haben Änderungen zum Haushalt eingebracht, um das Umweltministerium von der Klimaideologie zu befreien. Letztlich residiert Klimaschutz nicht mehr im Umweltministerium,

(Bianca Winkelmann [CDU]: Zum Thema!)

sondern im Wirtschaftsministerium. Es gehört zur Haushaltswahrheit einfach dazu. Doch das wollen Sie nicht.

Mit diesem Haushaltsposten können Sie weiterhin grüne NGOs finanzieren. Ich erinnere nur an die Veranstaltung des Bundesumweltministeriums zum Klimaschutz auf der Rheinterrasse. Bei dieser Veranstaltung wurden die Klimagewinnler gefragt, was die …

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Waren Sie auch da?)

– Herr Rüße, ich war da und habe geredet. Passen Sie einmal auf.

(Henning Höne [FDP]: Haben Sie auch zum Thema geredet?)

Auf dieser Veranstaltung wurden die Klimagewinnler, die Lobbyisten, gefragt, was die Landesregierung für mehr Klimaschutz tun müsse.

(Zuruf von der CDU: Die armen Leute!)

Die mit Abstand meisten Stimmen gab es für mehr – raten Sie mal! – Fördermittel. Was für ein Wunder! Dieser Heißhunger auf mehr Fördermittel ist Wasser auf die Mühlen der Klimaprofiteure.

(Henning Höne [FDP]: Und jetzt zum Verbraucherschutz!)

Das sind die Leute, mit denen Sie sich abgeben.

Frau Heinen-Esser, beim Thema „Forstpolitik“ sind Sie auf dem Holzweg. Ich habe meine Zweifel, dass Sie bis zum Ende der Legislaturperiode irgendeine Einsicht zeigen werden. Wir lehnen Ihren Haushaltsentwurf ab.

(Beifall von der AfD – Daniel Sieveke [CDU]: Verbraucherschutz war das Thema! – Zuruf: Thema verfehlt! – Weitere Zurufe – Gegenruf von Dr. Christian Blex [AfD]: Schön, dass es Ihnen gefallen hat!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Blex. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Heinen-Esser.

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank, dass ich mich zum Verbraucherschutzhaushalt des Ministeriums äußern darf.

(Beifall von der CDU)

Ich darf mich erst einmal bei allen bedanken, die über viele Jahre dafür gesorgt haben, dass bei uns in Nordrhein-Westfalen die Verbraucherarbeit auf wirklich soliden Füßen steht. Das ist hier von allen gesagt worden. Ich erinnere daran, dass Eckhard Uhlenberg einen Fünfjahresvertrag mit der Verbraucherzentrale NRW eingeführt hat, um der Verbraucherzentrale Planungssicherheit zu ermöglichen. Das haben alle Landesregierungen weiter durchgehalten.

Wir setzen das fort und können den Haushalt auch weiter aufstocken. Denn wir stehen in der Tat vor vielen neuen Herausforderungen im Bereich der Verbraucherpolitik.

Ich bin Herrn Untrieser und Herrn Haupt ganz besonders dankbar dafür, dass sie ein Thema angesprochen haben, das gar nicht so sehr im Fokus steht, aber ein immer bedeutenderes Thema in der Verbraucherpolitik darstellen wird, nämlich die digitale Verbraucherpolitik bzw. die Verbraucherpolitik in der digitalen Welt. Da geht es nicht mehr nur, wie noch vor vielen Jahren, um Handyverträge und Ähnliches – das ist natürlich nach wie vor ein Thema –, sondern auch um komplizierte Themen wie „Datenschutz“, „Datensicherheit“, „Algorithmen“ und „künstliche Intelligenz“. Das sind ganz komplizierte Themen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir kümmern uns darum, dass sie in der Verbraucherarbeit auch wirklich vorkommen, weil wir der Meinung sind, dass wir ein Instrument schaffen müssen, das den Verbrauchern tatsächlich hilft. Wir haben Konferenzen zur Digitalstrategie – federführend ist das Wirtschaftsministerium – durchgeführt. Deren Existenz zeigt, dass wir in Nordrhein-Westfalen viele gute Dinge im Bereich Digitales machen – aber auch vernetzt mit dem Thema „Verbraucherschutz“. Das funktioniert bei uns im Land gut. Ich bin dem Kollegen Pinkwart dankbar für eine gute, intensive Zusammenarbeit.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die Fluggastrechte-App ist schon genannt worden. Sie stellt wirklich ein Erfolgsmodell dar. Ein herzliches Dankeschön dafür, dass der Landtag uns die Mittel zur Verfügung gestellt hat! Wir haben die App entwickelt. Andere Bundesländer finden sie sehr positiv. Wir würden uns natürlich freuen, wenn das eine oder andere Bundesland auch noch in die Finanzierung einsteigen würde, sodass wir die App noch weiter ausbauen können, zum Beispiel im Hinblick auf Gepäckermittlung oder mehrere Anschlussflüge hintereinander. Tatsache ist aber – einer der Vorredner hat es gesagt –: Das ist echte, wahre Verbraucherarbeit, die wir hier leisten.

Ich möchte noch das Thema „Tierschutz“ ansprechen, weil es hier genannt worden ist. Wir haben vor einigen Wochen unser Tierschutzpaket präsentiert. Wenn der Haushalt verabschiedet ist, werden wir die Ausschreibung starten und einen Tierschutzbeauftragten einstellen, der mit seiner Stabsstelle direkt mir zugeordnet ist. Ich glaube, dass das ein guter Weg ist, um Mittler zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern zu sein und somit bestimmte Themen stärker berücksichtigen zu können. Ich würde mich freuen, hierzu Ihre Unterstützung zu bekommen.

Weiterhin initiieren wir die Tiergesundheitsdatenbank. Hier laufen alle Daten zum Thema „Nutztiere“ zusammen. Damit erhoffen wir uns das, was wir schon lange fordern und was sich alle von uns wünschen, nämlich ein wesentlich besseres Kontrollinstrument.

Last, but not least planen wir die Nutztierhaltungsstrategie, die zurzeit mit allen Akteuren und Stakeholdern besprochen wird, die auf einem guten Weg ist und die wir Ihnen Anfang des nächsten Jahres im Landtag Nordrhein-Westfalen präsentieren können.

Sie sehen also, dass wir in Sachen Tierschutz sehr viel machen. Im Laufe des nächsten Jahres werden wir ein rundes Paket verabschiedet und installiert haben, mit dem der Tierschutz bei uns in Nordrhein-Westfalen ein großes Stück vorankommt.

Ich darf natürlich nicht vergessen, dass gestern im Kabinett das für die Verbändeanhörung vorbereitete Gifttiergesetz besprochen wurde, mit dem wir unsere Ankündigung umsetzen, dass Gifttiere nichts in privaten Wohnungen zu suchen haben. Auch hier zeigen wir, dass wir reale Interessen vertreten.

Zu den Themen „Ernährung“ und „Verpflegung“ ist bereits einiges gesagt worden. Herr Haupt, die Vernetzungsstelle Seniorenverpflegung ist ein neues, großes Projekt, das natürlich auch gemeistert wird. Wir haben eine alternde Gesellschaft und müssen uns mit dem Thema „vernünftige Ernährung“ beschäftigen. Gleichzeitig spielt natürlich das, was Frau Blask gesagt hat, eine Rolle: Wie geht man damit um, wenn jemand wenig Geld hat?

Wir bringen die Themen also tatsächlich zusammen. Vielen Dank für die Unterstützung des Hauses dabei. – In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende der Aussprache zu Teil b), Verbraucherschutz, angelangt. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/8010, den Einzelplan 10 unverändert anzunehmen. Damit stimmen wir über den Einzelplan selbst und nicht über die Beschlussempfehlung ab. Wer dem Einzelplan 10 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Die SPD-Fraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die AfD-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Einzelplan 10 in zweiter Lesung mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen worden.

Ich rufe auf:

     Einzelplan 01
Landtag, Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit NRW

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8001

Eine Aussprache ist, wie Sie wissen, nicht vorgesehen.

Daher kommen wir unmittelbar zur Abstimmung über den Einzelplan 01. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/8001, den Einzelplan 01 unverändert anzunehmen. Wir stimmen deshalb auch über den Einzelplan und nicht über die Beschlussempfehlung ab. Wer dem Einzelplan 01 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und AfD. Ich frage vorsorglich, ob es Gegenstimmen gibt. – Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der Einzelplan 01 in zweiter Lesung einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zu:

     Einzelplan 13
Landesrechnungshof

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8013

Auch hierzu ist keine Aussprache vorgesehen.

Daher kommen wir unmittelbar zur Abstimmung über den Einzelplan 13. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt, den Einzelplan 13 unverändert anzunehmen. Wer dem Einzelplan 13 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und AfD. Ich frage auch hier der guten Ordnung halber, ob es Gegenstimmen gibt. – Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? – Auch nicht. Damit ist der Einzelplan 13 in zweiter Lesung ebenfalls einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zu:

     Einzelplan 16
Verfassungsgerichtshof

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/8016

Auch hierzu ist keine Aussprache vorgesehen.

Daher kommen wir unmittelbar zur Abstimmung über den Einzelplan 16. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt, den Einzelplan 16 unverändert anzunehmen. Wer dem Einzelplan 16 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und AfD. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist der Einzelplan 16 in zweiter Lesung angenommen.

Wie Sie alle wissen, unterbrechen wir an dieser Stelle die Haushaltsplanberatungen und setzen sie morgen unter Tagesordnungspunkt 7 mit den Einzelplänen 04, 14, 08 – in Verbindung mit dem Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2020 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2020 – GFG 2020) und zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes –, 11 und 06 fort.

Morgen kommen wir dann auch zur Abstimmung über die heute bereits beratenen Gesetze selbst und über den Einzelplan 20 sowie die dazugehörigen Änderungsanträge. Bisher liegen die Änderungsanträge Drucksachen 17/7978 bis 17/7982 vor. Ebenfalls für morgen ist die Kenntnisnahme der Finanzplanung 2019 bis 2023 vorgesehen.

Mit diesen Bemerkungen, die sich auf den morgigen Tag beziehen, unterbrechen wir, wie gesagt, die Beratungen an dieser Stelle im Tagesordnungspunkt 1.

Wir kommen zu:

2   Entwurf des zweiten Kulturförderplans (2019–2023) gemäß § 23 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung und Entwicklung der Kultur, der Kunst und der kulturellen Bildung in Nordrhein-Westfalen (Kulturfördergesetz NRW – KFG)

Entwurf der Landesregierung
Vorlage 17/2533 – 2. Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kultur und Medien
Drucksache 17/7930

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Petelkau das Wort.

Bernd Petelkau*) (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entwurf des zweiten Kulturförderplans ist ein wunderbarer Beleg für die hervorragende Kulturpolitik der CDU-geführten NRW-Koalition. Denn in dieser Legislaturperiode wächst der Kulturetat – ich möchte an dieser Stelle noch einmal daran erinnern – jedes Jahr um 20 Millionen Euro. Das sind insgesamt 100 Millionen Euro für die Stärkungsinitiative Kultur.

Wichtig bei der Verteilung dieser zusätzlichen Finanzmittel ist, dass einerseits bedarfsorientiert gefördert wird und andererseits die Förderkriterien transparent und nachvollziehbar gestaltet werden. Dies benötigt Zeit, da die wichtigsten Protagonisten der einzelnen Förderbereiche natürlich in die Konzeptionierung einbezogen werden müssen. Im Bereich der Theater- und Orchesterförderung ist dies bereits wunderbar gelungen.

Bis zum Ende der Planungsperiode wächst dieser Bereich um 30 Millionen Euro an. Dies geschieht sowohl als institutionelle Förderung und als Basisförderung als auch als Förderung der Profilbildung. Gerade Letztere zeigt, dass es längst nicht mehr nur um den Erhalt kultureller Infrastruktur geht, sondern auch darum, den Kulturstandort Nordrhein-Westfalen qualitativ zu stärken.

Vorgenanntes gilt auch für die ausgeweitete Förderung der kommunalen Museen mit dem neu etablierten Förderkonzept „Dritte Orte“, das bis 2022 rund 10 Millionen Euro verausgaben wird.

Für die Bereiche, bei denen bisher noch keine Förderkonzepte entwickelt wurden, sind Globalmittel hinterlegt. Zu den noch offenen Themenfeldern gehören insbesondere Fragen der Digitalisierung, aber auch Themen wie das Musicboard NRW, das einen wichtigen Schub für den Themenbereich „zeitgenössische Musik“ bringen soll. Hier wird das Ministerium in bewährter Weise die Dinge vorantreiben.

Das gilt auch für andere Bereiche, die bisher in den Förderkonzepten noch nicht berücksichtigt wurden, auf die gleiche partizipative Art. An dieser Stelle möchte ich dem Ministerium ausdrücklich dafür danken, dass es hier keine Entscheidung vom grünen Tisch gegeben hat, sondern der Dialog mit den Playern in den jeweiligen Sparten intensiv geführt worden ist und viele Anregungen und viele Dinge, die aus der Basis der Kultur selbst herauskommen, berücksichtigt wurden.

Genau auf der Basis spartengerechter Förderkonzepte, die den Kulturstandort voranbringen, wird eine gute, nachhaltige Kulturpolitik gemacht. Daher empfehlen wir, das Einvernehmen mit dem vorgelegten Kulturförderplan herzustellen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Petelkau. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bialas.

Andreas Bialas (SPD): Frau Präsidentin! Der vorgelegte Kulturförderplan konkretisiert die Förderperiode und die Ziele der Kulturförderung, zeigt finanzielle Entwicklungsperspektiven auf und macht nähere Angabe zu den geplanten Ausgaben vorbehaltlich der Bereitstellung entsprechender Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber. Das tut dieser Plan – ich muss es sagen – in einem guten Umfang.

Dabei fokussiert er sehr stark auf die zusätzlichen Mittel, gibt aber im Grunde auch eine Aussage über die verlässliche Weiterfinanzierung bereits bestehender Förderkorridore. Das ist ebenfalls in keiner Weise zu bekritteln. Das ist gut so.

Natürlich ist es auch eine Leistungsshow, aber auch das ist selbstverständlich in Ordnung. Wenn man etwas gut macht, kann man das auch positiv verkaufen. Selbstverständlich kann ich ja selbst auch nicht mehr als nur klatschen, wenn zum Beispiel im Themenbereich „Jubiläen“ zweimal Wuppertal und nur einmal Köln genannt wird. Hier hat der Plan seine ganz besondere Stärke.

(Heiterkeit von Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft)

Der Kulturförderplan soll aber ebenfalls die wesentlichen Entwicklungen in der Gesellschaft berücksichtigen und daraus Aufgabenschwerpunkte und besonders auch Querschnittsaufgaben benennen. Denn der Plan ist eine konzeptbasierte Förderung nach Möglichkeiten und Mitteln und kulturpolitischen Haltungen. Eine starke Haltung dabei ist zum Beispiel die Konsolidierung der Kulturinfrastruktur besonders auch in den Kommunen. Hier findet die Fördermittelvergabe zum Beispiel bei den Musikschulen einen besonders positiven Niederschlag. Das ist gut so.

Aber eine grundsätzlich solide Finanzierung der Kommune ist das wesentliche Element. Dabei geht es um die dauerhafte Sicherung der Auskömmlichkeit in den Haushalten der Kommunen selbst. Das ist im gemeinsamen Schulterschluss mit dem Ministerpräsidenten, der Ministerin für Kommunalfinanzen und dem Finanzminister zu erreichen. Insbesondere die Themen „Altschuldenfonds“ und „Verlässlichkeit nach Ende des Stärkungspaktes“ sind für die Sicherung der kulturellen Infrastruktur entscheidend.

Dies ist die wesentliche Unterstützung der kommunalen kulturellen Infrastruktur. Davon lese ich leider nichts. Denn diese Forderung ist natürlich auch wesentlich schwieriger, trägt sie doch notwendig eine erforderliche Haltung und politische Verankerung aus dem eigenen Ministerium hinaus. Gerade bei den kulturpolitischen Haltungen und den ressortübergreifenden Handlungsfeldern ist der Plan insgesamt schwammig. Hier ist er auch häufig Insel.

Weiteres Beispiel: Das Thema „Digitalisierung“ ist wesentlich auch im Zusammenhang mit dem Breitbandausbau zu sehen. Ein schnelles Netz für alle kulturellen Bildungseinrichtungen wie Musikschulen, Bibliotheken, Volkshochschulen, Museen etc. ist zwingend in den digitalen Gesamtausbauplan aufzunehmen. Das ist die wesentliche Frage: Bis wohin legt denn der Kabinettskollege das Kabel, und was fordert man denn von ihm ein?

Aber auch wesentliche Querschnittsaufgaben werden nicht benannt oder nur nebulös angedeutet. Doch es ist ja auch immer zu fragen, inwieweit gesellschaftliche Herausforderungen kulturpolitischer Aktionsfelder bedürfen. Diversität und Interkultur sind eines dieser Beispiele.

Ebenfalls ein wesentliches Thema unserer Zeit ist der Klimaschutz oder – besser gesagt – der Menschenschutz bei sich ändernden klimatischen Bedingungen. Das findet hier keinerlei Berücksichtigung. Hier wäre eine umfangreiche Debatte wünschenswert gewesen, und ich dachte, wir könnten diese im Rahmen des Planes führen.

Deshalb war meine Frage – Zitat –: Welche Strategie zum schonenden Umgang mit Ressourcen strebt die Landesregierung im Kulturbereich an, und welche Umweltschutzstrategie entwickelt sie? – Im Ausschuss habe ich darauf gar keine Antwort bekommen, und im Antwortschreiben des Ministeriums heißt es – Zitat –: Diese Themen sind derzeit noch nicht explizit in Bearbeitung, es besteht aber Offenheit, sich damit zu beschäftigen. – Offenheit begrüßen wir selbstverständlich immer.

Notwendig für den Klimaschutz sind auch konkrete strukturelle Maßnahmen in der Kulturpolitik und in den Kulturbetrieben selbst. Das hat natürlich Auswirkungen zum Beispiel auf Förderkriterien. So sollten sich unter anderem Investitionen und Programme im Kulturbereich an Kriterien auch der ökologischen Nachhaltigkeit orientieren und die Kultureinrichtungen und Aktivitäten auch mit Blick auf ihre Ressourceneffizienz und Klimaschädlichkeit betrachtet werden.

Insoweit darf ich schließen – ich könnte noch stundenlang reden, werde es aber nicht und darf es auch gar nicht, weil meine Redezeit gleich zu Ende ist –: Sie nennen den Plan in einem Überschriftsbereich „Kulturpolitischer Aufbruch“. Bei 100 Millionen Euro mehr, die Sie hineingeben und auch gut verteilen, ist das mit Sicherheit ein förderpolitischer Aufbruch, aber ein kulturpolitischer ist es nicht.

Daher werden wir uns bei der Abstimmung enthalten, bleiben aber an den gesellschaftspolitisch relevanten Themen dran und werden dann eben Anträge diesbezüglich einzeln vorlegen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bialas. – Für die FDP spricht Herr Kollege Deutsch.

Lorenz Deutsch (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über den Kulturförderplan – ein Instrument, das die Vorgängerregierung im Zuge des Kulturfördergesetzes auf den Weg gebracht hat. Es gab vorher einen ganz kleinen Webfehler. Es war nämlich im Wesentlichen ein Versprechen auf die Zukunft. Das Problem war: Es gab keine Mittel. Dafür gab es dann aber das Instrument eines Plans.

Das ist 2017 dann anders geworden. Die Zeiten der Konzeptprosa sind beendet. Wir gehen ganz konkret in die Kulturförderung und in den Anstieg von Kulturförderung. Deswegen fokussieren wir uns – wie Sie es gesagt haben, Herr Bialas – in diesem Kulturförderplan auch tatsächlich auf das, was an Kulturförderung konkret auf den Weg gebracht wird, und nicht so sehr auf allgemeine Fragen politischer Natur wie Infrastrukturausbau in den Kommunen oder Umweltschutz oder ähnliche Dinge.

Ich gebe Ihnen recht: Man kann über Umweltschutz auch in kulturellen Institutionen nachdenken. Das sollte dann im Rahmen dieser Institutionen und ihrer Förderungen erfolgen. Aber das sozusagen zum primären Gegenstand eines Kulturförderplans auf Landesebene zu machen, geht nach meiner Ansicht am Eigentlichen, nämlich der Förderung von Kultur, eher vorbei.

(Beifall von der FDP)

Wir haben Beispiele gebracht, was wir seit 2017 machen. Herr Petelkau hat das schon ausgeführt. Dazu gehören die Theaterförderung und die Orchesterförderung. Wir haben die Freie Szene mit zusätzlichen Mitteln und auch neuen Instrumenten ausgestattet, mit der dreijährigen Förderung und der Exzellenzförderung. Die dreijährige Förderung sorgt dafür, dass wir aus der Jährlichkeit in der Förderung herauskommen. Wir geben Planungssicherheit. Wir sind auf den ländlichen Raum zugegangen mit dem Projekt „Dritte Orte“. 17 sehr spannende Projekte befinden sich jetzt in der Konzeptphase. Wir gehen auf die kulturelle Bildung zu mit der Förderung der Musikschulen mit zusätzlichen 7 Millionen Euro. Wir setzen da ein Fundament, das sich dann zum Beispiel auf JeKits auswirken wird. Wie werden wir mit kultureller Bildung umgehen können? Dafür braucht man solche Kompetenzzentren wie die Musikschulen.

Insgesamt kann man dann sagen: Mit dem Kulturförderplan wird jetzt der Rahmen, den wir mit der Kulturstärkungsinitiative politisch gesetzt haben, Stück für Stück, Puzzleteil für Puzzleteil mit einem Bild gefüllt.

Davon ist vieles schon realisiert, was ich gerade erwähnt habe. Anderes ist markiert. Da weiß man, was passiert. Das kann man jetzt auch im Kulturförderplan nachlesen, allerdings in der bewährten Form. Die konkreten Konzepte werden im Gespräch mit den jeweiligen Szenen, mit den Akteuren ausgearbeitet, und dann werden sie auch verkündet.

Im Plan ist gut erkennbar, was schon ist. Im Plan ist gut erkennbar, wo es sich noch bewegen wird. Die Bereiche der Literatur sind noch nicht besprochen, die Bereiche der Archive, Bereiche der Pop-Förderung – Stichwort „Musicboard“ als ein Modell, das in Berlin sehr erfolgreich war –, all das wird kommen. Insofern sind wir auf einem guten Weg. Kulturförderung in NRW ist wieder das, was sein soll, nämlich echte Förderung.

Wir können uns freuen. Wir machen das jetzt auch mit der Neuauflage des Kulturförderplans, aber vor allen Dingen machen wir es mit Sinn und Verstand und mit mehr Geld. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Deutsch. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Keymis.

Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will den Kulturförderplan 2019–2023 ausdrücklich loben, weil es ein Instrument ist, das unter rot-grüner Regierung schon erfunden und mit dem Kulturfördergesetz eingeführt wurde, ebenso wie der Kulturbericht und, und, und. Es zeigt sich, dass diese Art, sich über einen bestimmten Zeitraum selber etwas vorzunehmen, erst einmal ein sehr vernünftiger Gedanke ist.

Richtig ist aber auch, was Lorenz Deutsch gerade gesagt hat, dass man dafür natürlich auch Geld braucht. Man muss das, was man sich vornimmt, dann auch umsetzen können.

Da lernen wir ja im Kultur- und Medienausschuss von Zeit zu Zeit immer wieder, auch mit diesem Haushalt, dass wir durch die Stärkungsmittel, die jedes Jahr bei der Kultur auffließen, im Prinzip eine Situation haben, die wir bisher im Land so noch nicht hatten, nämlich dass wir mit einer Mittelsteigerung planbar Kulturkonzepte umsetzen können und Fördermechanismen in Gang setzen und weiterbringen können, was wir in früheren Zeit immer etwas stockender organisieren mussten oder konnten.

Das hat sich aus meiner Sicht für die Kultur im Land erheblich verbessert. Das dankt die Szene auch durch sehr viele Rückmeldungen, die deutlich zeigen, dass man sich mit dem, was jetzt getan wird, auseinandersetzt.

Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass wir, auf den Kulturförderplan bezogen, dieses partizipative Element, das wir von vornherein in die Konzeption eingebaut haben, beibehalten und dass man mit der Szene, die von diesen Förderplänen, von diesen Überlegungen betroffen ist, immer im Gespräch ist, natürlich vorbehaltlich der Jährlichkeit des Haushaltes. Das ist klar; wir müssen hier jedes Jahr beschließen, was wir gemeinsam für dieses Land wollen, was den Haushalt betrifft.

Aber ich finde es wichtig, dass wir da im Gespräch bleiben mit der Szenerie. Das war auch ein Kritikpunkt im Rahmen der Diskussion jetzt zum Kulturförderplan 2019–2023, dass man das Gefühl hat: Jetzt wird das so schnell gemacht. Kollege Bialas hat gesagt: Wir haben nicht genügend darüber diskutiert. In gewisser Weise stimmt das. Andererseits sagt die Szene auch wieder: Es wäre schön, wenn ihr es bald beschließt, damit wir Planungssicherheit bekommen.

Insofern müssen wir uns gerade angesichts dieser Widersprüche miteinander unterhalten und auch mit den Akteurinnen und Akteuren intensiv im Gespräch bleiben – und das auch begleitend zum Kulturförderplan. Das wäre mein Anliegen, das ich hier gerne mit auf den Weg geben möchte. Es ist wichtig, dass man das, was man gemeinsam aufgeschrieben hat, sich vorzunehmen, um die Szenerie zu entwickeln und zu gestalten und ihr die Möglichkeiten an die Hand zu geben, den Rahmen zu bilden, immer auch im Gespräch mit der jeweiligen Szene der Akteurinnen und Akteuren tut.

Das ist ein Punkt, den wir auch im Ausschuss schon so gemeinsam besprochen und aufgenommen haben. Eigentlich haben auch alle versprochen, dass wir das machen wollen. Herr Deutsch hat es eben auch noch mal betont. Vielen Dank dafür.

In dem Sinne freuen wir uns über einen Kulturförderplan, der dann jetzt durch den Beschluss von heute in Gang gesetzt wird. Wir Grüne werden wie im Ausschuss diesem Plan zustimmen, weil wir der festen Überzeugung sind, dass es gut ist, wenn die Künstlerinnen und Künstler, die Kulturschaffenden in unserem Land auch über eine gewisse Zeit von Jahren eine Sicherheit dahin gehend haben, dass sie sagen können: Anhand dieses Plans wissen wir, dass wir gemeint sind und dass wir uns bis 2023 auf das, was wir uns kulturell und in der Kunst vorgenommen haben, hier im Land auch einstellen können.

Danke für die gemeinsame Arbeit im Ausschuss an dem Projekt, auch für die Beratungen und die zusätzliche Sitzung, die wir noch hatten, an einem Freitagmorgen, früh, aber intensiv. Ich freue mich auf weitere gute Beratungen in Sachen Kultur. Ich hoffe, dass wir an der Stelle weiterhin so kooperativ sind, wie wir das in diesem Ausschuss, jedenfalls was das Thema betrifft, bisher miteinander sein können und auch meistens sind. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und Bernd Petelkau [CDU])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Für die AfD-Fraktion spricht Frau Kollegin Walger-Demolsky.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kulturförderplan macht einen runden Bogen über die Zukunft über das, was sich die Landesregierung in dem nächsten Jahr vorgenommen hat.

Da gibt es ganz konkrete Punkte, zum Beispiel bei der kulturellen Infrastruktur. Sie soll gestärkt werden. Die Kommunen werden davon profitieren. Das ist auch gut so. Es wird das kulturelle Erbe klar gefördert. Auch da werden eindeutig die Projekte benannt. Dann gibt es das Gestaltungsfeld „Künste“. Das scheint noch mehr im Projektstadium zu sein. Da ist nicht ganz klar, was alles passieren wird. Da sind erst einzelne vage Ideen genannt.

Dann gibt es die Regionen im Wandel, die Breitenkultur. Da sind eindeutig die Dritten Orte erwähnt, insbesondere die Ausstattung der Dritte-Orte-Finanzierung im ländlichen Raum, die ich auch nicht für falsch halte. Da sind immerhin enorme Summen für die nächsten Jahre veranschlagt. Das fing mal an mit 280.000 Euro, 550.000 Euro und soll aufwachsen auf 3 Millionen Euro pro Jahr. Das finde ich auch gut so.

Aber was soll konkret passieren? Manche Position finde ich doppelt, zum Beispiel die Musikschulen. Die finde ich an verschiedenen Stellen. Wenn ich die eine Stelle der Musikschulen sehe, dann steht da: Sie bekommen jedes Jahr das gleiche. Darunter steht: Es soll einen Aufwuchs geben. – Da sind also ein paar Unklarheiten drin; es ist nicht ganz zu verstehen. Die Musikschulen werden sicherlich aufgrund der erhöhten Nachfrage, weil einfach mehr Kinder und Jugendliche auf die Musikschulen zugehen, in den nächsten Jahren auch einen größeren Bedarf haben. Und das wird insbesondere in den Städten kaum zu finanzieren sein.

Was ich aber besonders bemerkenswert finde – das höre ich bei mir zu Hause auch –, ist, dass man glaubt, aus einer ehemaligen Industrieregion, dem Ruhrgebiet, eine Kulturregion machen zu können. Das ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir brauchen die Industriearbeitsplätze, und die können nicht durch Kulturarbeitsplätze ersetzt werden.

Es ist schön, wenn Kultur im Angebot ist. Ich frage mich nur, wer sie nutzen soll. Ich sehe das bei uns am Schauspielhaus. Wer kommt da? – Die Studenten kommen, die zahlen nämlich kaum Eintritt, und es kommen die mit fremden Kennzeichen. Der Bochumer, der keinen Arbeitsplatz mehr bei thyssenkrupp hat, kommt nicht, der von Opel kommt nicht, und die Mitarbeiterin von ehemals Nokia kommt auch nicht.

Kultur ist wichtig; Kultur ist unsere Identität. Ich finde es gut, dass Sie das fördern. Aber den Eindruck zu erwecken, man könnte einer ehemaligen Industrieregion mit Kultur auf die Beine helfen – das glauben auch unsere Städte zum Teil; ich glaube es nicht. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Walger-Demolsky. – Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen das Wort.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass heute der Entwurf des zweiten Kulturförderplans zur Herstellung des Einvernehmens mit dem Landtag zur Abstimmung steht.

Der vorgelegte Plan stellt die Schwerpunkte der Kulturförderung von 2019 bis 2023 vor und spiegelt die wichtigsten kulturpolitischen Vorhaben wider. Besonders hervorheben möchte ich zwei wesentliche Aspekte dieses Förderplans: das partizipative Verfahren und die inhaltliche Schwerpunktsetzung.

Bei der Erstellung des Kulturförderplans haben wir großen Wert auf ein partizipatives Verfahren gelegt – das wurde hier auch gerade angemahnt. Es wurden Dialogveranstaltungen mit Künstlerinnen und Künstlern durchgeführt. Zu einer Konferenz waren die kommunalen Spitzenverbände sowie Organisationen und Verbände aus Kultur, Kunst und kultureller Bildung eingeladen. Außerdem erhielten die zentralen Organisationen und Verbände zusätzlich die Möglichkeit zu einer schriftlichen Stellungnahme zum Entwurf dieses Kulturförderplans.

Alle Beteiligungsergebnisse – das waren eine ganze Menge – haben wir fachlich ausgewertet und bei der Weiterentwicklung des Entwurfs des Kulturförderplans berücksichtigt.

Darüber hinaus planen wir für die zweite Hälfte der Legislaturperiode eine weitere Konferenz. Wir möchten das Partizipationsverfahren fortsetzen und mit den Verbänden und Akteuren neue Entwicklungen ebenso besprechen wie Punkte, die aus unterschiedlichen Gründen bisher nicht in den Kulturförderplan einfließen konnten.

Aber wie hier schon mehrfach erwähnt wurde, gehen wir wirklich von Sparte zu Sparte. Denn die gesamte Struktur der jeweiligen Sparten war – sagen wir es vorsichtig – aufgrund der nicht so guten Finanzierung unterstützungsbedürftig. Es musste genau untersucht werden, wie wir Programme zielgenau entwickeln.

Diese Gespräche haben wir beispielsweise vor wenigen Wochen mit den Bibliotheken und den Musikschulen geführt. Jetzt im Januar wird es ein solches Treffen von uns mit den soziokulturellen Zentren geben, um mit den einzelnen Gruppen auch wirklich zu debattieren, was wirksame Unterstützungsmaßnahmen sind.

Dieses Verfahren wurde ebenso wie der Kulturförderplan selbst in Stellungnahmen der Verbände und Akteure begrüßt. Das freut uns natürlich sehr, denn es haben sich dadurch auch sehr gute Gespräche ergeben.

Der Kulturförderplan konzentriert sich auf die Darstellung der vielfältigen Projekte und Programme, die durch die Stärkungsinitiative ausgebaut und neu aufgelegt werden – also auf die maßgeblichen Veränderungen in der Förderung.

In Teil a des Ausgabenplans wird festgestellt, wie sich die Mittel der Stärkungsinitiative bis 2022 auf die einzelnen Vorhaben verteilen. Ich möchte nur zwei Beispiele nennen:

Gleich zu Beginn haben wir die Theater- und Orchesterförderung neu aufgestellt. Die Basisförderung wurde für alle erhöht, und es wurde das Programm „Neue Wege“ ins Leben gerufen, mit dem eine Profilierung der kommunalen Theater und Orchester ermöglicht werden soll. Insgesamt erhöht sich der Etat in diesem Bereich um 30 Millionen Euro.

Als zweites Beispiel – das wurde auch gerade schon angesprochen – möchte ich die Stärkung des eher ländlich geprägten Raums nennen. Hier haben wir das neue Förderprogramm „Dritte Orte“ entwickelt. In einem zweistufigen Förderverfahren stehen für die Entwicklung von Dritten Orten insgesamt 10 Millionen Euro bis zum Ende der Legislaturperiode zur Verfügung. Die enorm hohe Zahl der Bewerbungen – von 150 Gemeinden – für die erste Förderphase hat gezeigt, dass wir mit diesem Programm an der richtigen Stelle ansetzen.

Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Kulturförderplan einen guten Überblick über die Kulturförderung der nächsten Jahre geben und dass uns gleichzeitig genug Spielraum und Flexibilität für Neues bleibt. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Deshalb kommen wir zur Abstimmung. Der Ausschuss für Kultur und Medien empfiehlt in Drucksache 17/7930, das Einvernehmen zu dem Entwurf des zweiten Kulturförderplans gemäß § 23 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung und Entwicklung der Kultur, der Kunst und der kulturellen Bildung in Nordrhein-Westfalen, Vorlage 17/2533, in der Fassung des zweiten Neudrucks herzustellen.

Wer sich der Empfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien anschließen und das Einvernehmen herstellen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen. Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Wer enthält sich? – Das sind SPD- und die AfD-Fraktion. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 17/7930 mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen und das Einvernehmen zu dem Entwurf des zweiten Kulturförderplans gemäß § 23 Abs. 1 des Gesetzes hergestellt.

Ich rufe auf:

3   Schluss mit Mini-Mindestlohn – Arbeitsminister Laumann (CDU) hat gelernt – Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) fordert höheren Mindestlohn!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/7915

Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner für die antragstellende Fraktion Herr Kollege Neumann das Wort.

Josef Neumann (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Schluss mit dem Mini-Mindestlohn!“ – Der Vorsitzende der CDA fordert höheren Mindestlohn.

(Beifall von der SPD)

Diese Forderung, über die wir uns natürlich freuen, erfolgte wenige Tage vor dem CDU-Parteitag natürlich standesgemäß in der „Bild“-Zeitung.

Wir freuen uns, dass die Debatte um den Mindestlohn auch in die Breite der CDU gelangt ist. Wir freuen uns, dass Herr Minister Laumann diesen Schritt gegangen ist, und wir hoffen, dass daraus weitere Folgen für Nordrhein-Westfalen entstehen werden.

Aber was meint eigentlich Herr Laumann, wenn er vom höheren Mindestlohn spricht? Meint er 9,90 Euro, 9,95 Euro, 10,25 Euro, 11 Euro, 12 Euro? Da lässt er seine Zuhörer lieber im Ungewissen. Kein Wort zu dem, was groß angekündigt wurde. Nebenbei gesagt: auch kein Wort zu dem CDA-Antrag, der auf dem Bundesparteitag der CDU gestellt wurde. Da finden Sie zu der Aussage, wie hoch der Mindestlohn sein muss, nicht eine einzige Zeile.

Herr Laumann wirft stattdessen eine neue Nebelkerze und sagt: Ja, das muss jetzt natürlich die Mindestlohnkommission regeln. Damit die das regeln kann, muss letztendlich sichergestellt werden, dass sie ihre Geschäftsordnung ändert. – Von dem großen Wurf der Ankündigung in der „Bild“-Zeitung kommt es jetzt also zu einer Veränderung der Geschäftsordnung.

Der Mindestlohn muss nach den Berechnungen der Wissenschaftler mindestens 12,63 Euro betragen, damit die Menschen im Alter nicht auf die Grundsicherung angewiesen sind. Der Sozialbericht der Landesregierung zeigt sehr deutlich eins auf: Menschen im Alter sind in Nordrhein-Westfalen zunehmend auf die Grundsicherung angewiesen, da das Einkommen, das sie im Laufe des Lebens erzielt haben, nicht für eine angemessene Rente ausreicht. Wer einen sicheren Schutz gegen Armut im Alter will, muss einen Mindestlohn von mindestens 12 Euro durchsetzen, ansonsten ist er ein Nebelkerzenwerfer.

(Beifall von der SPD)

Die CDA will – so der Antrag – nach der Evaluierung des Mindestlohngesetzes im Jahre 2020 die Arbeit der Mindestlohnkommission neu aufstellen. Auch das ist ein spannendes Vorgehen: Änderungen der Geschäftsordnung der Mindestlohnkommission, die nach dem Tariflohnindex des Statistischen Bundesamtes bis jetzt tatsächlich nur sehr knappe und mickrige Erhöhungen beim Mindestlohn durchgesetzt hat.

Ja, auch in Nordrhein-Westfalen hat die CDU – und selbstverständlich auch die FDP – die Chance, unverzüglich den Mindestlohn zu erhöhen. Nach dem Tariftreue- und Vergabegesetz steht es dem Lande Nordrhein-Westfalen, der Landesregierung und dem Arbeitsminister, ohne Probleme zu, zu sagen: Wir erhöhen unverzüglich und sofort den Tariflohn, nach dem in Nordrhein-Westfalen vergeben wird, auf 12 Euro, damit wir von diesen Mini-Mindestlöhnen wegkommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich bin davon überzeugt, dass Herr Laumann – heute ist er nicht da, er ist auf der Arbeitsministerkonferenz, da sei er entschuldigt –, sobald er zurück ist, alles unternehmen wird, um in den Regierungsfraktionen den nächsten Schritt einzuleiten, den Tariflohn im Vergaberecht Nordrhein-Westfalens anzuheben, damit das, was er in der „Bild“-Zeitung gestartet hat, vielleicht für die Menschen in Nordrhein-Westfalen, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor, endlich Realität wird, nämlich so etwas wie ein gerechter Lohn. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Neumann. – Für die CDU-Faktion spricht Herr Kollege Schmitz.

Marco Schmitz (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme selten in die Situation, mich bei der SPD bedanken zu dürfen. Aber nach einem harmonischen Bundesparteitag, den ich letzte Woche in Leipzig mitmachen durfte, jetzt unsere Anträge, die wir da beschlossen haben, noch einmal hier darstellen zu dürfen – das als CDU-Fraktion hier einzubringen, hätte ich vermessen gefunden. Aber das ist ja schon erledigt. Dafür danke an Josef Neumann und die SPD-Fraktion.

(Beifall von der SPD)

Aber Ihre Hilfe wäre wirklich nicht notwendig gewesen.

(Zuruf von der SPD)

Denn die CDU setzt sich – und die CDA, ich bin ja auch bekennendes CDA-Mitglied – schon seit Jahren ein. Ich möchte einmal kurz die Genese des Mindestlohnes darstellen. 2011, auch wieder Leipzig, ein Bundesparteitag der CDU, haben wir bereits einen Beschluss gefasst, und zwar ging es damals darum, eine – es hieß noch nicht Mindestlohn – allgemein verbindliche Lohnuntergrenze in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert. Jetzt das Wichtige an diesem Beschluss: Wir wollen eine durch Tarifpartner bestimmte und damit marktwirtschaftlich organisierte Lohnuntergrenze und keinen politischen Mindestlohn – denn das ist das, was Sie machen.

Jetzt möchte ich mit der Erlaubnis der Präsidentin aus der Rede des damaligen auch schon CDA-Vorsitzenden Karl-Josef Laumann zitieren:

Die Höhe dieses Lohnes wird nicht von der Politik festgelegt, sondern von den Tarifvertragsparteien. Es hat nie etwas anderes in der Antragslage der CDA gegeben, weil ich nämlich nicht will, dass wir Landtags- und Bundestagswahlkämpfe führen und uns mit den Kommunisten über die Frage auseinandersetzen müssen, wie hoch sind die Mindestlöhne. Kommunisten verstehen von Löhnen und von Wirtschaft nichts.

(Beifall von der CDU und der FDP)

So aus der Rede von Karl-Josef Laumann 2011.

Dann kamen wir zur Umsetzung des Mindestlohnes zum 01.01.2015. Das Mindestlohngesetz ist verabschiedet worden Mitte des Jahres 2014.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Schmitz, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Neumann würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Marco Schmitz (CDU): Ja, bitte, Kollege Neumann, gerne.

Josef Neumann (SPD): Vielen Dank, Herr Kollege Schmitz. – Können Sie mir erklären, wie Sie in den Bereichen, in denen wir keine tariflichen Regelungen und Strukturen haben, einen Mindestlohn nach tariflichen Strukturen durchsetzen wollen, ohne dass der politisch durchgesetzt wird? Mit welchen Regularien wollen Sie das dann machen?

(Beifall von der SPD)

Marco Schmitz (CDU): Danke, Herr Kollege Neumann, für die Frage. Ich war ja gerade noch in der Genese. Das Mindestlohngesetz wurde 2014 beschlossen.

Genau da haben wir – ich darf es einmal hochhalten –

(Der Redner hält einige DIN-A4-Blätter hoch.)

die Mindestlohnkommission, eine paritätisch besetzte Kommission mit sechs Mitgliedern und einem Vorsitzenden, wobei der Vorsitz, wenn man sich nicht einigt, turnusgemäß zwischen den Arbeitgeber‑ oder den Arbeitnehmervertretern wechselt. Diese Kommission hat die Aufgabe, den Mindestlohn festzusetzen.

Jetzt möchte ich auf die Frage, was dieses Jahr in Leipzig passiert ist, zurückkommen. Wir haben dort beschlossen – das haben Sie eben nicht richtig wiedergegeben –, dass der Mindestlohn von der Mindestlohnkommission eben nicht mehr nach Tarifindex festgelegt wird, weil sie die Möglichkeit hat, mit einer Zweidrittelmehrheit davon abzuweichen – normalerweise ist die Anpassung an die Tarifentwicklung gekoppelt.

Das haben wir beantragt. Die CDA hat gesagt: Wir wollen, dass der Spielraum gestaltet werden kann und auch genutzt wird, sodass, wenn es notwendig ist, ein höherer Mindestlohn eingeführt wird.

Natürlich hat die CDU ein großes Interesse daran, dass die Menschen, die acht Stunden am Tag in Vollzeit arbeiten, von ihrem Lohn leben können. Sie müssen von dem Geld leben können und keine aufstockenden Leistungen bekommen. Außerdem müssen sie auch im Alter davon leben können und nicht die Grundsicherung erhalten, sondern eine Rente, von der sie leben können.

Nun komme ich zurück zu meiner Rede. Karl-Josef Laumann hat es mit Energie, wie wir ihn alle kennen, vorgetragen, und der Bundesparteitag hat das Ganze beschlossen.

Ihr Kritikpunkt eben war, dass dies erst nach der Evaluierung 2020 gilt. Dabei handelt es sich um einen Zeitpunkt, der von der Mindestlohnkommission sowie damals gesetzlich festgelegt wurde.

Die Evaluierung soll 2020 erfolgen. Wenn dies geschehen ist, dann möchten wir schauen, ob es so weitergeht oder ob wir eventuell gesetzlich dafür sorgen müssen, dass der Mindestlohnkommission eine andere Geschäftsordnung gegeben und sie anders aufgestellt wird.

(Zurufe von Heike Gebhard [SPD] und Josef Neumann [SPD])

Zum jetzigen Zeitpunkt warten wir ab.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie warten aber schon seit 2008 ab!)

Wir werden Ihren Antrag heute also ablehnen, weil wir auf Bundesebene schon viel weiter sind und die Beschlüsse weiter gefasst haben, als Sie es heute wollen. – Danke sehr.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schmitz. – Für die FDP hat Herr Kollege Lenzen das Wort.

(Zuruf von der SPD)

Stefan Lenzen (FDP): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Walter Riester, Wolfgang Clement, Franz Müntefering, Olaf Scholz, Andrea Nahles und Hubertus Heil – meine lieben Genossinnen und Genossen, vielleicht haben Sie den einen oder anderen Namen schon mal gehört.

An den einen oder anderen wollen Sie sich nicht erinnern; den haben Sie vielleicht vom Hof gejagt. Aber sie alle einte doch eins: Sie waren bzw. sind Bundesarbeitsminister bzw. ‑ministerinnen und Mitglied der SPD.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Vielleicht erklärt Ihnen mal irgendjemand das System einer Koalition!)

In den letzten 21 Jahren haben Sie, glaube ich, in 17 Jahren den Arbeitsminister gestellt und tun dies auch in der aktuellen Bundesregierung.

Beim Lesen Ihres Antrags muss ich feststellen, dass Sie unserer schwarz-gelben Landesregierung mehr zutrauen als Ihrem eigenen Minister und Ihrer eigenen Bundespartei.

(Beifall von der FDP und Anke Fuchs-Dreisbach [CDU])

Das ehrt uns – und die Halbzeitbilanz kann sich ja auch sehen lassen: die niedrigste Arbeitslosenquote seit mehr als 25 Jahren und die niedrigste Langzeitarbeitslosigkeit seit über zehn Jahren.

Wir haben die Berufseinstiegsbegleitung gesichert. Mit der Initiative „Durchstarten in Ausbildung und Arbeit“ integrieren wir mehr Geflüchtete in den Arbeits‑ und Ausbildungsmarkt.

Mit dem neuen Ausbildungsprogramm haben wir auch für junge Menschen mit mehreren Vermittlungshemmnissen 1.000 zusätzliche Arbeitsplätze und so Chancen für sie geschaffen. Diese Liste ließe sich weiter fortsetzen.

Meine Damen und Herren, die gute konjunkturelle Lage Deutschlands hat sich positiv auf den privaten Konsum ausgewirkt und große Zahlen von Entlassungen aufgrund des Mindestlohns verhindert.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Glück muss man haben!)

Fakt ist aber auch – das verschweigen Sie in Ihrem Antrag –, dass durch den Mindestlohn rund 60.000 Jobs nicht geschaffen wurden. Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt‑ und Berufsforschung vom September 2016. Das können Sie gerne für die Folgejahre hochrechnen.

Sie sehen da aber schon einen klaren Unterschied zwischen den Sozialdemokraten und den Freien Demokraten: Wir wollen nicht nur Verbesserungen für diejenigen, die es geschafft haben; wir wollen auch den Menschen einen Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen, die es bisher nicht geschafft haben oder aus welchen Gründen auch immer in die Arbeitslosigkeit geraten sind.

(Beifall von der FDP)

Wir müssen Hürden ab‑ und nicht aufbauen. Als NRW-Koalition gehen wir genau diesen Weg.

(Marc Herter [SPD]: Das ist interessant! Weiß Herr Laumann davon?)

Uns sollte eigentlich auch einen, dass nicht der Staat die Löhne festzulegen hat, sondern die Tarifpartner. Aber jetzt fordern Sie 12 Euro Mindestlohn. Die nächste Partei fordert 15 Euro und die übernächste 20 Euro.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das werden nicht Sie sein!)

Genau das sollte bei der Einführung des Mindestlohns aber nicht passieren. Es sollte doch verhindert werden, in einen solchen politischen Überbietungswettbewerb zu geraten.

Menschen, die arbeiten, sollen am Ende des Tages mehr haben als jene, die das nicht tun.

(Marc Herter [SPD]: Es ist doch wohl so, dass die Menschen, die Mindestlohn beziehen, auch arbeiten, oder, Herr Kollege?)

Wir Freien Demokraten wollen keinen flächendeckenden Eingriff in die Tarifautonomie. Wir wollen auch keine politische Festsetzung von Löhnen, die ökonomische Grundsätze wie die Orientierung an der Produktivität außer Acht lässt.

Unser Modell des Liberalen Bürgergeldes – Sie sind da ja manchmal ganz kreativ mit den Begriffen – haben Sie – wie soll man es sagen – adaptiert. Sie haben gemerkt, dass es doch keine neue Idee ist, aber es sei Ihnen gegönnt. Ich glaube, dass die Dame, die mit der Idee kam, genug mit Ihnen mitgemacht hat.

Wenn wir letzten Endes zurück zum Konzept des liberalen Bürgergeldes sowie zur Verbesserung von Hinzuverdienstmöglichkeiten gehen, sehen wir auch Chancen, ein ausreichendes Einkommen sicherzustellen, ohne in die Tariffreiheit einzugreifen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU – Marc Herter [SPD]: Wenn das Herr Laumann hört, Herr Kollege!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lenzen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Mostofizadeh das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt hatte auch ich Schwierigkeiten mit dem Antrag der SPD, weil ich es schwierig finde, dass die Auseinandersetzung, die auf Bundesebene stattfindet und bei der man sich in der Koalition auf Bundesebene möglicherweise nicht durchsetzt, hier zur Abstimmung gestellt wird.

Aber eines will ich vorweg sagen: Lieber Kollege Lenzen, manchmal frage ich mich, ob Sie sich selbst zuhören.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Angesichts der Überschriften und der Antworten, die Sie dann selbst geben, muss ich klar sagen: Die 12 Euro Mindestlohn sind nicht, wie Sie eben suggeriert haben, gewürfelt, sondern das Ergebnis dessen, was Herr Kollege Neumann gesagt hat, nämlich die Mindestgröße, um im Alter nicht Grundsicherung beziehen zu müssen.

12 Euro Mindestlohn sind das, was wir in Deutschland brauchen, um sicherzustellen, dass Menschen im Alter nicht in Armut sind. Das ist eine Untergrenze. Deswegen halten wir die als Grüne für richtig und haben das auch auf dem Bundesparteitag beschlossen.

Ich möchte noch zwei Takte zu Ihnen sagen, Herr Kollege Lenzen. Den Hinweis, dass die SPD lange den Arbeitsminister und die Arbeitsministerin gestellt hat, können Sie machen. Aber damit suggerieren Sie, dass Sie hinter der Forderung nach 12 Euro Mindestlohn stehen.

Sie haben sehr deutlich gemacht: Sie lehnen die 12 Euro Mindestlohn nicht nur ab, sondern Sie halten sie für arbeitsmarktschädlich und deswegen für unproduktiv. Deswegen machen Sie ein Scharmützel, was diesem Parlament nicht angemessen ist.

Sie sind gegen 12 Euro Mindestlohn. Sie sind gegen eine Grundabsicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie sind auch dagegen, dass den Tarifparteien diese 12 Euro ins Stammbuch geschrieben werden. Dann sagen Sie es auch und verstecken Sie sich nicht hinter vermeintlichen Arbeitsministern der SPD.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Kollege Schmitz, wir haben in Deutschland nur noch 46 % tarifgebundene Löhne. Wenn wir einen Mindestlohn haben und es bei den 54 % nicht durchsetzen können, können Sie mir doch nicht mit der Geschäftsordnung der Kommission kommen.

(Beifall von der SPD)

Da müssen Sie doch sagen, dass das politisch durchgesetzt werden muss, wenn Sie tatsächlich das wollen, was Sie in Leipzig beschlossen haben.

Das ist alles dokumentiert. Ich könnte Ihnen die Drucksachen vorlesen, die im Bundestag von Frau Müller-Gemmecke eingefordert sind. Das ist gerade ein paar Tage her.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihr Abgeordneter Bernd Rützel hat argumentiert, dass die Tariflöhne festgelegt werden sollen. Mindestens hätte er sagen sollen …

(Zuruf von der SPD: Wer?)

– So heißt er. Vielleicht müsst ihr euch noch kennenlernen.

Das Mindeste ist doch, dass die SPD auch im Bundestag sehr deutlich sagt: Wir sind dafür, dass 12 Euro Mindestlohn die Untergrenze ist, dass das ansonsten die Mindestlohnkommission festlegen kann und dass es bundesweit dort, wo es nicht durchgreifend ist, durch Anordnung festgelegt wird.

Alles in allem: Ich hätte mir eine bessere Auseinandersetzung in diesem Punkt gewünscht. Ich hätte mir auch den Minister hier gewünscht. Gut, er ist entschuldigt.

Wir Grünen sind für 12 Euro Mindestlohn. Wir sind aber für deutlich mehr: Wir sind dafür, dass es bundesweit durchgesetzt wird. Deswegen stimmen wir am Ende des Tages dem Antrag der SPD zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mostofizadeh. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der AfD Frau Dworeck-Danielowski das Wort.

Iris Dworeck-Danielowski*) (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht auf Weihnachten zu, und die SPD möchte ein gutes Werk vollbringen. Sie nehmen die Schlagzeile der „Bild“-Zeitung zum Anlass, das ganze Elend der Wirtschaftspolitik von SPD und CDU gleichermaßen auf offener Bühne zu zelebrieren.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das ist das Niveau!)

„Wohlstand für Alle“, lautete der Titel des wohl populärsten Buches über die soziale Marktwirtschaft. Verfasser war Ludwig Erhard, der mit der sozialen Marktwirtschaft in den Köpfen der Bürger verknüpft ist wie kein anderer.

Die Idee, dass nur eine freie Wirtschaft Wohlstand für alle schaffen kann, ist allerdings seiner Zeit geschuldet. Die Auswüchse des Turbokapitalismus und die Folgen der Globalisierung konnte sich ein Mann dieser Zeit wohl kaum vorstellen.

Das ungezügelte Streben nach Gewinnmaximierung und die offenen Grenzen, die Arbeitsmigration mit entsprechendem Lohndumping zur Folge haben, haben eine verheerende Auswirkung auf viele Teile des Arbeitsmarktes.

In dieser Gemengelage findet der Mindestlohn trotz anfänglicher Skepsis mittlerweile in der Bevölkerung, bei den Arbeitgebern und in der Politik parteiübergreifend große Zustimmung.

Der Mindestlohn als Untergrenze ist eine rote Linie. Ja, auch er sollte unserer Meinung nach einer gewissen Dynamisierung unterliegen, da schließlich auch die Lebenshaltungskosten nicht statisch sind.

(Unruhe)

– Mittlerweile ist es in diesem Raum fast so laut, dass ich kaum mehr sprechen kann. Ich rede trotzdem weiter.

Der Mindestlohn ist und bleibt lediglich ein Korrektiv, eine Untergrenze. Er ist nicht der Ersatz für einen Tarifvertrag, der anstatt von den Tarifparteien in regelmäßigen Runden vom Gesetzgeber erhöht wird.

Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Lohnhöhen auszuhandeln. Die Gestaltung des Wirtschaftsraumes ist das eine, die Gestaltung des Sozialstaates ist das andere.

Der Gesetzgeber hat allerdings andere ureigene Befugnisse. Es steht ihm beispielsweise frei, den Grundfreibetrag für die Einkommensteuer deutlich zu erhöhen.

Die Beitragspflicht der Sozialversicherungen ist für Geringverdiener überproportional hoch.

Die Beitragsbemessungsgrenze deckelt die Beitragshöhe nach oben für die Gutverdiener, kleinere Einkommen genießen keine Schonung.

Aber hier für weniger Abgaben zu werben, auf diese Idee kommen Sie, liebe Kollegen von der SPD, natürlich nicht.

Die Arbeitsmigration aus den osteuropäischen Ländern hat eine katastrophale Auswirkung auf die Konkurrenzsituation im Niedriglohnsektor.

Fakt ist und bleibt: Der Mindestlohn ist ein systemfremder Einbruch der Sozialpolitik in dem Bereich der sich selbst steuernden Wirtschaft.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Quatsch!)

Also: Mindestlohn anstelle von sinnvoller Steuerpolitik und geringerer Besteuerung kleiner Einkommen, Mindestlohn anstelle der Reduzierung der Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer oder der Verbilligung der Stromkosten – das wären auch Möglichkeiten, um Menschen mit geringen Einkommen deutlich zu entlasten und alle anderen gleich mit dazu.

Der Einfluss der Gewerkschaften in Deutschland schwindet von Tag zu Tag. Ich erinnere noch einmal daran, dass es nicht die Aufgabe des Staates ist, die Wirtschaft zu gestalten.

Völlig unabhängig von dieser inhaltlichen Kritik hat man beim Lesen des Antrags nicht den Eindruck, dass es Ihnen ernsthaft um die Anhebung des Mindestlohns geht; sonst hätten Sie doch wohl mehr sachliche Argumente für die Erhöhung des Mindestlohns zur Überzeugung aufgefahren, anstatt sich vor allen Dingen an der Aussage vom Minister aufzuhängen und Minister Laumann, einem Mann mit jahrzehntelanger Erfahrung,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Jahrhundertelanger Erfahrung!)

sogenannte Lernfortschritte zu attestieren.

Der Antrag ist dieses Themas nicht würdig. Er ist schlecht gemacht und hat uns nicht überzeugt. Deshalb werden wir ihn ablehnen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie haben ihn bis heute nicht verstanden!)

– Doch, wir haben ihn verstanden. Danke.

(Beifall von der AfD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das steht auch in Ihrem Wahlprogramm, wie Sie zu Arbeitnehmerrechten stehen!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Dworeck-Danielowski. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung in Vertretung für Herrn Minister Laumann Frau Ministerin Scharrenbach das Wort. Bitte sehr.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über Jahre hat die Partei der antragstellenden Fraktion für einen Mindestlohn von 8,50 Euro geworben und sich durchsetzen können. Seit 2015 gilt der Mindestlohn, der seitdem zweimal erhöht wurde und nun bei 9,19 Euro liegt.

Mein Kollege, Karl-Josef Laumann und das ist der Grund für den vorliegenden Antrag , hat Kritik an der Entwicklung des Mindestlohns geäußert.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Anstatt diese Kritik aufzugreifen, sieht sich die Landes-SPD inmitten des Rennens um den SPD-Vorsitz nun bemüht, eine neue Zahl in den Raum zu werfen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Die Idee mit 12 Euro stammt übrigens von der Links-Partei, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Marc Herter [SPD]: Von Olaf Scholz, um es genau zu sagen!)

Einig sind wir uns in Folgendem: Der Mindestlohn und da sind wir uns einig ist eine Erfolgsgeschichte.

(Zuruf)

Der gesetzliche Mindestlohn hat dazu beigetragen, die gröbsten Auswüchse im Niedriglohnsektor zu bekämpfen.

(Zuruf)

Die Beschäftigung hat auch offenkundig nicht abgenommen. Viele Menschen profitieren vom Mindestlohn.

Den übelsten Auswüchsen des Lohndumpings kann mit dem Mindestlohn Einhalt geboten werden, wenn er eingehalten wird. Deshalb müssen wir die Kontrollen effektiver gestalten.

Hierfür brauchen wir mehr Kontrolleure und korrekte Arbeitszeitaufzeichnungen. Dafür setzt sich die Landesregierung auch aktiv ein. Ich darf an dieser Stelle auf die Bundesratsinitiative für mehr Aufzeichnungspflichten in der Paketbranche verweisen.

Ich finde es richtig, darüber zu diskutieren, ob der Mindestlohn aktuell zu niedrig ist. In der Begründung zum Mindestlohn steht, dass mit dem ursprünglichen Betrag von 8,50 Euro pro Stunde ein Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze erzielt werden kann.

Aber ist gerade so viel, dass kein Anspruch auf staatliche Unterstützung besteht, wirklich für eine Vollzeitbeschäftigung angemessen? Es ist schon die Frage, ob wir etwa eine angemessene Altersabsicherung nicht stärker berücksichtigen müssen.

Die Mindestlohnkommission sollte bei ihren Empfehlungen nicht lediglich die Tarifentwicklung ausrechnen und dann auf den Mindestlohn aufschlagen; dafür könnten wir die Zahlen letztlich auch in einen Computer eingeben.

Die Mindestlohnkommission muss die im Gesetz und in ihrer Geschäftsordnung vorgesehene Gesamtabwägung mit den anderen Kriterien verantwortungsvoll wahrnehmen.

Man kann schon bezweifeln, dass mit den letzten Erhöhungen der in Anführungszeichen angemessene Mindestschutz der Arbeitnehmer genügend Beachtung gefunden hat.

Wenn diese Kriterien aber nicht dazu geeignet sind, eine angemessene Bezahlung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sichern, muss in der Evaluation des Gesetzes im Jahr 2020 zweierlei überprüft werden:

Ist erstens die Arbeit bzw. das Verfahren der Mindestlohnkommission unzulänglich, oder war zweitens der Ausgangswert für den Mindestlohn mit 8,50 Euro, den die SPD jahrelang vor sich hergetragen hat, zu niedrig?

Ich finde, diese Fragen sollten in der Evaluation im kommenden Jahr diskutiert werden. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor, sodass wir am Schluss der Aussprache sind und nun zur Abstimmung kommen können.

Die antragstellende Fraktion der SPD hat direkte Abstimmung beantragt, sodass ich nunmehr über den Inhalt des Antrags mit der Drucksachennummer 17/7915 abstimmen lasse. Ich darf fragen, wer dem Inhalt zustimmen möchte. – Das sind die antragstellende Fraktion der SPD sowie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der CDU, der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 17/7915 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf:

4   Pudelwohl im fremden Land! Endlich wirksame Bekämpfung von invasiven Neobiota ermöglichen und heimische Ökosysteme schützen!

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7906

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der AfD Herrn Abgeordneten Dr. Blex das Wort. Bitte sehr.

(Einige Abgeordnete verlassen den Saal. – Unruhe)

– Vielleicht können diejenigen, die den Sitzungssaal verlassen wollen, das etwas leiser tun. Es entspricht eben auch unserer parlamentarischen Tradition und Gepflogenheit, dass wir hier einander zuhören. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Blex, Sie haben das Wort.

Dr. Christian Blex (AfD): Danke schön. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Globalisierung ist ein allumfassender Prozess, der nicht nur wirtschaftliche und soziale, sondern auch ökologische Folgen hat.

Diese werden nur allzu gerne von Ihnen ausgeblendet, denn wenn es um die vermeintlich gute Sache geht, interessiert Sie die heimische Natur gar nicht. Das beste Beispiel ist die rein ideologisch motivierte sogenannte Energiewende.

Wenn durch Windkraftanlagen bedrohte heimische Vögel, Fledermäuse und Insekten auf den grünen Guillotinen geschreddert werden, verbuchen Sie dies unter Kollateralschaden.

Auch die CDU rennt beim Thema „Naturschutz“ den Grünen hinterher.

(Zuruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])

In der Wortwahl mögen Sie sich noch unterscheiden, doch gibt es längst keinen Unterschied in den Taten zwischen dem ehemaligen Umweltminister Remmel und der grünen Umweltministerin Heinen-Esser mehr. Sie haben lediglich noch ein unterschiedliches Parteibuch.

Deshalb ergreifen Sie auch keine geeigneten Maßnahmen, um die heimischen Ökosysteme vor invasiven Neobiota zu schützen, die auch eine Folge der Globalisierung sind.

Anstatt entschlossen die Wiederherstellung des Gleichgewichts in unserem Ökosystem zu forcieren, sagt die Landesregierung lediglich, dass die bereits etablierten, zum Teil bereits weitverbreiteten Arten so weit wie möglich eingedämmt werden sollen.

Tatsächlich ist es der grünen Landesregierung nicht gelungen, auch nur eine einzige invasive Art dauerhaft wieder aus den heimischen Ökosystemen zu entfernen.

Hinzu kommt, dass nahezu der gesamte Kampf gegen invasive Arten auf den Schultern der Ehrenamtler ruht. Das sind die ehrenamtlichen Naturschützer, die die mühevolle Arbeit verrichten, indem sie beispielsweise großflächig und gezielt invasive Pflanzenarten identifizieren, die aber bei der Bekämpfung in einer rechtlichen Grauzone gehalten werden.

Die Jäger, die im Rahmen der Hege ihrer Reviere gegen invasive Tierarten mit hoher Vermehrungsrate kämpfen, erhalten von Ihnen keinerlei finanzielle Unterstützung, um diese meist jagdlich uninteressanten Tiere zu bejagen.

Die Jagdbeauftragten für den Waschbären – eine besonders invasive Art ohne natürliche Feinde, die übrigens zur Bereicherung der heimischen Fauna hier ausgesetzt wurde – sind meist private Jäger in den Kreisjägerschaften.

Auf staatlicher Seite hat man in Nordrhein-Westfalen anscheinend den Kampf gegen invasive Neobiota bereits aufgegeben. Auf der Internetseite des LANUV heißt es, dass – Zitat – „eine Bekämpfung mit dem Ziel der völligen Tilgung nicht mehr erfolgversprechend“ sei.

Das ist ein achselzuckendes „Jetzt sind sie eben da“, anstatt eines konsequenten Schutzes heimischer Ökosysteme. Das können wir auch bei der Bewahrung unserer heimischen Ökosysteme nicht akzeptieren.

Der Schutz der heimischen Ökosysteme stellt einen öffentlichen Auftrag dar, dem nachgekommen werden muss. Dementsprechend sollte ein öffentlicher Auftrag auch mit öffentlichen Mitteln gefördert werden.

Auch präventive Maßnahmen vor der Einschleppung möglicher invasiver Arten sollten verschärft werden und sich nicht nur im engen Rahmen der EU-Förderung bewegen.

Insbesondere vor dem Hintergrund der Einschleppungshistorie des Ochsenfrosches sollten die in diesem Jahr gehäuft auftretenden Fälle entflohener Kriechtiere in Nordrhein-Westfalen ein Alarmsignal sein. Eine Ausweitung des Einfuhr‑, Besitz‑ und Vermarktungsverbots ist dringend geboten.

Wenn Sie schon diese mühevolle, aber wichtige Arbeit den Ehrenamtlern überlassen, sollten Sie diese Arbeit auch rechtssicher ermöglichen. Es kann nicht sein, dass ein Naturschützer, der in seinem Köcher in einem Weiher eine invasive Flussart findet, diese nicht töten darf, weil er sonst gegen das Tierschutzgesetz verstößt.

Befähigen Sie die engagierten Ehrenamtler sowohl rechtlich als auch finanziell dazu, unsere heimische Natur zu bewahren, damit auch unsere Kinder sich noch an ihr erfreuen können. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Blex. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Deppe das Wort.

Rainer Deppe (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die AfD schafft es doch jedes Mal, ein ernsthaftes Thema für ihre Fremdenfeindlichkeit zu missbrauchen.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Dr. Christian Blex [AfD]: Haben Sie die Rede nicht gehört?)

„Einwanderung“, „einschleppen“, „exponentielle Vermehrung“,

(Lachen von Christian Loose [AfD])

„Eliminierung“ – das sind die Begriffe in Ihrem Antrag.

(Helmut Seifen [AfD]: Jetzt machen Sie sich aber lächerlich, oder?)

Sie nutzen Ihren Antrag für eine weitere, zusätzliche Ausweitung der Sprache und verwenden dafür ein Entsorgungsvokabular.

(Helmut Seifen [AfD]: Sind Sie sich nicht zu schade dafür?)

Lesen Sie doch noch einmal, was Sie geschrieben haben. So, wie Sie hier schreiben und reden, wird man weder den heimischen noch den fremden Pflanzen und Tieren gerecht.

Aber noch viel weniger haben die Menschen, die sich vor Ort ehrenamtlich für den Gesundheitsschutz und den Naturschutz einsetzen – wie zum Beispiel in meiner Heimatstadt Overath –, und diejenigen, die sich hauptamtlich in unseren Artenschutzbehörden engagieren, solche Anträge und eine solche Wortwahl verdient.

(Beifall von der CDU, der SPD und Verena Schäffer [GRÜNE])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Deppe, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Rainer Deppe (CDU): Nein, ich habe ja noch gar nicht richtig begonnen. Der soll erst mal bis zum Ende zuhören.

Ihr Antrag strotzt nur so vor Ungenauigkeit und Suggestion, um wieder einmal eine Ihrer braunen Geschichten spinnen zu können.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Die Europäische Union – mit der beginnen Sie ja Ihr Verwirrspiel im Antrag – führt eine Liste von aktuell 49 invasiven Pflanzen‑ und Tierarten mit europaweiter Bedeutung.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Die Liste nennen Sie, aber die Zahl erwähnen Sie gar nicht. Vielmehr verfälschen Sie den Eindruck, indem Sie auf einmal die Angabe „1.100 gebietsfremde Tierarten“ einführen.

Abgesehen davon, dass das Bundesamt für Naturschutz 773 Arten nennt, haben diese beiden Begriffe wenig bzw. fast gar nichts miteinander zu tun. Sie sollten vielleicht weniger bei Wikipedia abschreiben.

Gebietsfremde Arten sind nach der gängigsten Definition Arten, die erst nach der Entdeckung Amerikas erstmals in Europa angetroffen wurden. Beispielsweise die Kartoffel, der Mais oder das Meerschweinchen gehören zu den gebietsfremden Arten.

Eine Reihe von Baumarten, die wir seit Jahrzehnten in unseren Parks und Wäldern anpflanzen, hilft uns jetzt sogar dabei, unsere Wälder angesichts des Klimawandels zu stabilisieren. Dazu gehört übrigens auch der Baum des Jahres 2020, die Robinie. Diese Arten sind weder invasiv noch gefährlich, sondern sie helfen uns beim Erhalt unserer Ökosysteme.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Invasive Arten sind im Gegensatz dazu die Tier‑, Pflanzen‑ und Pilzarten, die gebietsfremd sind und gleichzeitig heimische Arten, Biotope und Ökosysteme gefährden. In Deutschland ist das laut Bundesamt für Naturschutz bei etwa 80 Arten der Fall. Zusätzlich gelten weitere 90 Arten in Deutschland als potenziell invasiv.

In Nordrhein-Westfalen nennt unsere Fachbehörde, das LANUV, 45 invasive Tierarten und 34 invasive Pflanzenarten. Davon sind drei Pflanzen als gefährlich für den Menschen anzusehen: die Beifuß-Ambrosie, die Gewöhnliche Seidenpflanze und die Herkulesstaude.

Bei den Tierarten sind Nutria und Bisam als für den Menschen gefährlich anzusehen. Andere Arten beeinträchtigen das Ökosystem wie zum Beispiel der Signalkrebs, der fast zum Aussterben der Edelkrebspopulation geführt hat.

Aber sind diese Arten nun gefährlicher als einheimische Ratten, die dieselben Krankheiten übertragen, als der Knollenblätterpilz, als der Eichenprozessionsspinner oder als der Borkenkäfer? Diese Arten sind nicht gebietsfremd. Ist Ihr Weltbild etwa so, dass einheimische Schädlinge gut und fremde Schädlinge schlecht sind? – Das ist doch die Botschaft, die Sie verbreiten möchten.

(Beifall von der CDU und der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Übrigens findet eine Reihe von Arten erst durch den Klimawandel zu uns. Aber dass es wärmer wird, finden Sie von der AfD ja positiv.

In einem einzigen Jahr – 2007 – verendeten in Nordrhein-Westfalen 30.000 Schafe und 8.000 Rinder an der Blauzungenkrankheit. Warum das so war? – Übertragen wurde die Krankheit von Gnitzen. Das sind winzige Mücken, die aus Nordafrika hierher geweht wurden und die hier aufgrund der Erwärmung geeignete Überlebensbedingungen vorfanden.

Mit Sicherheit ist der Klimawandel das viel größere Risiko für unsere Ökosysteme als eine Reihe fremder Arten, die Ihnen jetzt als Variante für Ihre erneute fremdenfeindliche Propaganda herhalten soll.

(Beifall von der CDU und der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP und den GRÜNEN)

Wir stehen für biologische Vielfalt, und die erhalten wir vor allem durch Nutzung und dadurch, dass der Mensch eingreift, wenn wir Natur gestalten – sowohl fördernd als auch begrenzend. Das ist unsere Aufgabe und nicht Ihr fremdenfeindliches Gequatsche.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Dr. Christian Blex [AfD]: Gemeinsam kann man immer Müll erzählen! – Zuruf: Da geben Sie das beste Beispiel ab! – Dr. Günther Bergmann [CDU]: Das sagt gerade der Richtige!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Deppe. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Spanier-Oppermann das Wort.

Ina Spanier-Oppermann (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Deppe, ich habe Ihrer Rede aufmerksam zugehört, und ich bin Ihnen dankbar für diese klaren Worte. Daraufhin habe ich meine Rede noch einmal durchgeschaut und gedacht, dass ich mich Ihren Worten sehr gern anschließen würde.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Schließlich geht es heute um eine Überweisung. Ich bedanke mich noch einmal, dass Sie das so gesagt haben. Das trifft haargenau unsere Auffassung.

Wir sind ein buntes Land, ein tierisches und pflanzliches Einwanderungsland. Manche Einwanderer, auch im tierischen und pflanzlichen Bereich, sind längst zu Vorzeigebürgern geworden. Vielen Dank noch einmal an die Kollegen der CDU. Wir stimmen der Überweisung zu.

(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Spanier-Oppermann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Diekhoff das Wort.

Markus Diekhoff*) (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was mich an diesem Antrag neben allem, was schon genannt wurde, tatsächlich entsetzt, ist die Tatsache, dass er in weiten Teilen wortwörtlich von der Homepage des NABU abgeschrieben wurde. Das wundert mich ein bisschen, denn die „Ökoterroristen“ sind sonst keine Freunde der AfD. Daher ist das zumindest bemerkenswert.

Alles Weitere, was in dem Antrag steht, ist zum Großteil unnötig. Die AfD wirft der Landesregierung ein achselzuckendes Jetzt-sind-sie-halt-da vor, was die invasiven Arten betrifft. Das ist nicht der Fall. Schon unter Schwarz-Gelb ist alles geregelt worden. Im Jahr 2008 haben das IM und das MUNLV die Einzelheiten zur Bejagung invasiver Arten abgesprochen. Daher brauchen wir das Tierschutzgesetz nicht anzupassen. All das ist erfolgt.

Insgesamt sind, wie schon gesagt, 12.000 gebietsfremde Arten in Europa unterwegs – das entspricht auf Deutschland heruntergebrochen etwa 1 % –, und davon sind nur wenige Arten so invasiv, dass sie bejagt werden müssen. Das ist heute schon möglich. Es werden keine neuen Vorschriften und Gesetze benötigt. EU-, Bundes- und Landesrecht bieten bereits eine ausreichende Grundlage zum Schutz des Ökosystems. Daher ist der Antrag überflüssig. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Diekhoff. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Rüße das Wort.

Norwich Rüße*) (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag hat eine Vorgeschichte. Wir haben das Thema schon im Jahr 2018 hinreichend diskutiert. Dass Sie einen ähnlichen Antrag noch einmal einbringen, zeigt aus meiner Sicht – damals haben Ihnen alle Fraktionen erklärt, dass es an der Stelle gar keinen Handlungsbedarf gibt, da bereits entsprechende Regularien vorhanden sind; das, was passiert, ist somit hinreichend –, dass es Ihnen im Kern – und das hat der Kollege Deppe bereits ausgeführt – um etwas ganz anderes geht.

Das zeigt sich auch daran, dass das Thema der invasiven Arten von vielen AfD-Fraktionen aufgegriffen wird. Das scheint ein Lieblingsthema von Ihnen zu sein. In Wirklichkeit geht es Ihnen nur darum, fremdenfeindlich agieren zu können.

Folgendes gibt mir in dem Zusammenhang zu denken: Ich habe mir Ihren ersten Antrag aus dem Jahr 2018 noch einmal angeguckt. Daran kann man die Entwicklung Ihrer Partei im Vergleich gut ablesen. Der erste Antrag war in der Wortwahl noch deutlich, deutlich, deutlich gemäßigter. Dieser Antrag zeigt, dass Sie sich radikalisiert haben, wie sich Ihre Partei insgesamt radikalisiert hat. Es ist schade, dass Sie hier in den Landtag invadiert sind. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, der CDU und von Dr. Werner Pfeil [FDP])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rüße. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung in Vertretung für Frau Ministerin Heinen-Esser Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen das Wort. Bitte sehr, Frau Ministerin.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Weltbiodiversitätsrat hat am 6. Mai in Paris in seiner globalen Gesamtübersicht zum Zustand der biologischen Vielfalt bestätigt, dass die gezielte Einführung oder die unbeabsichtigte Einschleppung von gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten weltweit eine erhebliche Gefährdungsursache für die einheimische Fauna und Flora darstellt.

Aus diesem Grund gibt es seit 2015 die in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar geltende europäische Verordnung zum Schutz gegen invasive gebietsfremde Arten. Diese Verordnung ist neben der Vogelschutzrichtlinie und der Richtlinie zum Schutz von Flora, Fauna und Habitat ein weiteres zentrales Rechtsinstrument für die Erhaltung der Biodiversität.

Die Umsetzung dieser Verordnung wird auf allen Ebenen unseres Staates wahrgenommen. Wir benötigen hier also wirklich keinen Aktionismus, sondern ein Vorgehen mit Augenmaß.

Für die weitverbreiteten Arten sind von den Behörden sogenannte Managementmaßnahmen nach Art. 19 der Verordnung erarbeitet worden, die auch eine Kosten-Nutzen-Analyse und die Auswirkungen auf Nichtzielarten in den Blick nehmen, um aus naturschutzfachlicher Sicht eine Prioritätensetzung zu erreichen.

Des Weiteren bedarf es keines Anreizsystems für Jägerinnen und Jäger zur verstärkten Bejagung invasiver Neozoen. Einige der auf der Unionsliste stehenden Arten wie Waschbär, Marder, Hund und Nilgans sind bereits heute jagdbare Arten in Nordrhein-Westfalen. Das gilt auch für Bisam und Nutria.

Bei anderen Wirbeltierarten muss für eine Entscheidung zugunsten tödlicher Maßnahmen gemäß § 17 Nr. 1 Tierschutzgesetz ein vernünftiger Grund vorliegen. Ob ein solcher Grund vorliegt, ist anhand einer Güter- und Interessensabwägung im Einzelfall zu prüfen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor, sodass wir am Schluss der Aussprache sind und zur Abstimmung kommen können.

Wir stimmen über die Empfehlung des Ältestenrates ab, den Antrag Drucksache 17/7906 an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz – federführend – sowie an den Verkehrsausschuss zu überweisen. Die abschließende Beratung und Abstimmung sollen dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Ist jemand gegen diese Überweisungsempfehlung? – Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Dann stelle ich die einstimmige Überweisung dieses Antrags fest.

Ich rufe auf:

5   Gesetz zur Änderung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst und weiterer Gesetze

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/7320

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 17/7931

zweite Lesung

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich darauf verständigt, die Reden  zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. (siehe Anlage 1).

Wir können nunmehr unmittelbar zur Abstimmung kommen. Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache 17/7931, den Gesetzentwurf Drucksache 17/7320 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Somit lasse ich nun abstimmen über die Beschlussempfehlung Drucksache 17/7931 und nicht über den Gesetzentwurf. Ich darf fragen, wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP, der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Langguth. – Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist damit der Gesetzentwurf Drucksache 17/7320 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Ich rufe auf:

6   Gesetz zur Erhöhung der Transparenz von Veranstaltergemeinschaften des lokalen Hörfunks (Lokalhörfunk-Transparenzgesetz NRW)

Gesetzentwurf
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7907

erste Lesung

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich darauf verständigt, die Reden  auch zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. (siehe Anlage 2).

Damit sind wir unmittelbar bei der Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 17/7907 an den Ausschuss für Kultur und Medien. Ich darf fragen, ob es Gegenstimmen zu dieser Überweisungsempfehlung gibt. – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Dann ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

7   Umsetzungsgesetz zum Dritten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/6611 – Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 17/7932

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Hagemeier das Wort.

Daniel Hagemeier (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute steht das Umsetzungsgesetz zum Dritten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages in Nordrhein-Westfalen zur Abstimmung.

Die Regulierung des Glücksspiels ist ein Thema, das politisch über Jahre begleitet wurde und auch noch weiter begleitet werden muss. Über den vorliegenden Gesetzentwurf haben wir in mehreren Ausschusssitzungen diskutiert – meistens konstruktiv, wie ich an dieser Stelle positiv erwähnen möchte – und am 26. September im Rahmen einer Expertenanhörung externen Sachverstand zurate gezogen.

Hinweise aus der Anhörung haben wir im Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP aufgegriffen und einige Klarstellungen vorgenommen. Insbesondere die Kompetenz für die Bekämpfung von Geldwäsche verbleibt weiterhin bei den Bezirksregierungen.

Die Landesregierung geht das Problem der Geldwäsche mit Entschlossenheit an und möchte dafür die optimalen Voraussetzungen schaffen. Erfreulicherweise ist der Änderungsantrag einstimmig angenommen worden und in den Gesetzentwurf eingeflossen.

Ein weiteres uns – und auch mir persönlich – wichtiges Thema ist der Spielerschutz. Ein effektiver und kohärenter Spielerschutz ist der Ausgangspunkt unserer Arbeit im Bereich der Glücksspielregulierung. Deswegen ist mit den vorliegenden Regelungen der Schutz Minderjähriger und Suchtgefährdeter auch weiterhin gewährleistet.

Wir sind insbesondere Frau Ilona Füchtenschnieder, der Leiterin der Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht, für ihre Hinweise in der Anhörung dankbar, die sicherlich in unsere weitere Arbeit einfließen werden.

Zurück zu den Grundlagen: Basis der Regulierung des Glücksspielwesens ist derzeit ein Staatsvertragsentwurf zum Glücksspielwesen in Deutschland. Dieser Staatsvertrag ist bis zum 30. Juni 2021 befristet. Nach § 10a Glücksspielstaatsvertrag können derzeit im Rahmen einer befristeten Experimentierklausel länderübergreifend gültige Konzessionen für das Anbieten von Sportwetten erteilt werden. Der Staatsvertrag kann jedoch an dieser Stelle nicht umgesetzt werden.

Daher sieht der Änderungsantrag im Wesentlichen vor, dass die Kontingentierung der Sportwettenkonzessionen auf 20 für die Dauer der Experimentierphase aufgehoben wird. Art. 2 des Ausführungsgesetzes enthält die erforderlichen Änderungen. Neben Änderungen, die sich aus Vergaben der Rechtsprechung ergeben, müssen insbesondere die Erlaubnisvoraussetzungen für die Wettvermittlungsstellen an die geänderte Rechtslage angepasst werden. Sie ähnelt nunmehr derjenigen für Spielhallen.

Die Begründung für den Änderungsantrag war also, die Übergangsfrist für bestehende Sportwettenannahmestellen um ein Jahr auf den 30.06.2022 zu verlängern. Somit besteht Rechtssicherheit für alle Beteiligten.

Wir sehen, dass über viele Entwicklungen im Bereich des Glücksspiels breit diskutiert wird. Wir wollen dem mit dem aktuellen Übergangsgesetz nicht vorgreifen, sondern eher den jetzigen Zustand einfrieren. Wir sprechen heute also insgesamt über die Verlängerung einer Übergangsregelung, die Zeit gibt, eine bessere Lösung mit den Ländern auszuhandeln und zu ratifizieren.

An dieser Stelle möchte ich abschließend dankend betonen, wie sehr sich der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, dieses Themas annimmt. Das betrifft nicht nur den uns vorliegenden Glücksspielstaatsvertrag, sondern auch die Verhandlungen für den kommenden.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die regelmäßigen und ausführlichen Berichte im Ausschuss zeigen, wie komplex das Thema „Glücksspielregulierung“ ist und wie anspruchsvoll es ist, 16 Länderinteressen in einen Ausgleich zu bringen. Es wird noch viel weitere Arbeit auf ihn zukommen, für die ich an dieser Stelle noch einmal viel Erfolg wünschen möchte.

(Beifall von der CDU und Ralph Bombis [FDP])

Das ist sicherlich nicht das letzte Mal, dass wir uns mit der Materie „Glücksspiel“ befassen. Wir werden dem Gesetz selbstverständlich zustimmen. Ich darf noch einmal um Ihre Zustimmung werben. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und Angela Freimuth [FDP])

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Hagemeier. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Müller-Witt.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das jetzt vorgelegte Umsetzungsgesetz zum Dritten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages in Nordrhein-Westfalen möchte ich heute in der abschließenden Beratung getrennt nach seinen drei Artikeln einordnen und bewerten.

Zunächst zu Art. 1: Dieser enthält die Bekanntmachung des Dritten Glücksspielstaatsvertrages, welcher die aktuelle Rechtsprechung nachvollzieht. Damit ist Art. 1 aus Sicht der SPD-Fraktion zustimmungsfähig.

Dagegen ist Art. 2 – und damit das Ausführungsgesetz zum vorgenannten Staatsvertrag an sich – wesentlich detaillierter und damit differenzierter zu betrachten.

Die Ablösung der bisherigen Experimentierklausel führt durch eine zeitlich befristete Neuregelung des Sportwettenmarktes und eine damit verbundene Aufhebung der bisherigen Beschränkung der Anzahl der Konzessionen zu neuen Herausforderungen, insbesondere für den Vollzug.

Regelungsrelevant sind beispielsweise Abstandsregelungen von Wettannahmestellen in den Kommunen. Es ist gut, dass nun zwischen Wettvermittlungsstellen ein Abstand von 350 m Luftlinie nicht unterschritten und diese nicht in räumlicher Nähe zu Schulen und Jugendhäusern betrieben werden sollen, ähnlich der Regelung für Spielhallen.

Allerdings wird kein Mindestabstand zwischen Spielhallen und Annahmestellen vorgegeben. Das halten wir für falsch. Die Abstandsregelungen sind also nicht vollständig kohärent, und die Umsetzung bleibt letztendlich an den Kommunen hängen.

Auch die Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht sieht an dieser Stelle eindeutigen Nachbesserungsbedarf. Außerdem ist durch die Möglichkeit begründeter Ausnahmen bereits wieder eine Hintertür geöffnet. Auch hier liegt der Schwarze Peter beim Vollzug, ein Problem, das generell beim terrestrischen Glücksspiel auftritt.

So ist es Aufgabe der lokalen Ordnungsbehörden, zu prüfen, ob fachlich geschultes Personal in den Spielhallen zum Einsatz kommt und ob, wenn es vorhanden ist, diese Fachkenntnis tatsächlich zur Sicherung des Jugend- und des Spielerschutzes beiträgt. Die Aufgaben der Ordnungsbehörden wachsen also weiter, auch weil künftig Sportwetten in einer nicht limitierten Anzahl von Anbietern möglich sind inklusive sogenannter eigeschränkter Livewetten auf Spielergebnisse.

Nun wollen die Regierungsfraktionen mit ihrem in allerletzter Minute vorgelegten Änderungsantrag die Übertragung der Überwachung nach dem Geldwäschegesetz auf die Kommunen, die ursprünglich von der Landesregierung vorgesehen war, wieder zurücknehmen. Damit wird leider nur einem Teil der Einwendungen gegen den Gesetzentwurf entsprochen.

Schon heute – das zeigte die Anhörung – können sich die kommunalen Ordnungsbehörden über zu wenig Arbeit bei der Umsetzung von Vorschriften rund um das Thema „Glücksspiel“ nicht beklagen. Natürlich muss die Frage erlaubt sein, ob der angestrebte Kanalisierungsanspruch durch die Öffnung im Bereich Sportwetten tatsächlich realisiert werden kann.

Auch die jüngsten Ermittlungen gegen den Anbieter Tipico lassen an der Sinnhaftigkeit der vorgesehenen Regelungen für Sportwetten zweifeln. Gleiches gilt für den konsequenten Schutz gefährdeter Personen durch die Möglichkeit der Spielersperre, die derzeit noch viel Luft nach oben lässt.

Es bleiben also zahlreiche Fragen offen. Aus diesem Grunde können wir Art. 2 des vorgelegten Umsetzungsgesetzes nicht zustimmen. Wir hoffen, dass im Laufe der weiteren Verhandlungen zum Glücksspielstaatsvertrag der Spielerschutz eine stärkere Rolle spielen wird, als es sich bislang andeutet.

Den Art. 3 des Gesetzes, der das Inkrafttreten regelt, lehnen wir folgerichtig auch ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Müller-Witt. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Frau Freimuth.

Angela Freimuth (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die derzeitige Glücksspielregulierung ist eher ein Konjunkturprogramm für illegale Angebote. Deswegen stehen wir in der Verantwortung, das Spielbedürfnis auf der einen Seite zu akzeptieren und im Zusammenwirken von Politik, Wissenschaft, Anbietern, Prävention und Verwaltung eine Regulierung vorzusehen.

Ich mache kein Geheimnis daraus: Mir wäre es lieber, wir würden hier nicht über einen Glücksspielstaatsvertrag diskutieren, der lediglich eine Zwischenlösung für den Bereich der Sportwetten regelt, sondern wir könnten zu einer ergebniskohärenten Rahmensetzung für den Markt des Glücksspiels, sei es terrestrisch oder online, kommen, in dem sich die Marktteilnehmer in klar definierten Grenzen bewegen – mit Jugendschutz –, die natürlich Glücksspielprävention berücksichtigt, in denen aber ansonsten ohne den erhobenen Zeigefinger mündigen Erwachsenen legale Angebote des Spiels gemacht und den Glücksspielanbietern transparente Kriterien für die eigenverantwortliche Entwicklung eines Spielangebotes aufgegeben werden.

Leider haben wir diese Neuausrichtung der Glücksspielregulierung noch nicht erreichen können. Ich wünsche Herrn Staatssekretär Liminski für die weiteren Verhandlungen im Länderkreis – den klugen Verstand hat er ja schon – die notwendige glückliche Hand und viel Erfolg.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Heute diskutieren wir eine Zwischenlösung für den Bereich der Sportwetten, bei der die Bedürfnisse der verschiedenen Akteure in Einklang zu bringen sind. Die Anbieter von Sportwetten müssen Klarheit haben, welche Dienstleistungen sie in welcher Form anbieten können.

Denn auch wenn der eine oder andere das menschliche Bedürfnis nach Glücksspiel, das wahrscheinlich genauso alt ist wie unsere Kultur insgesamt, lieber negieren würde: Glücksspielangebote werden nachgefragt.

Wir haben als Gesetzgeber nur, aber eben auch die Verantwortung, bedenkliche Formen des Spiels unter Aspekten des Verbraucherschutzes und der Suchtprävention einzuschränken. Und unsere Kommunen brauchen natürlich ein durchsetzbares Gesetz, um den Vollzug sicherzustellen. Der vorliegende Gesetzentwurf und die eingebrachten Änderungsanträge dienen dazu, den verschiedenen Akteuren in der Übergangsphase gerecht zu werden.

In der durchgeführten Sachverständigenanhörung wurden seitens der kommunalen Spitzenverbände mit Blick auf die Zuständigkeiten bei der Bekämpfung der Geldwäsche wertvolle Hinweise geliefert. CDU und FDP haben diese Anregungen in einem Änderungsantrag aufgegriffen.

Da es sich um eine Übergangsregelung handelt, möchte ich Vorfestlegungen für den Vierten Glückspielstaatsvertrag mit einer mittel- bis längerfristigen Regulierung zum heutigen Zeitpunkt vermeiden.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Deshalb möchten wir den Übergangszeitraum – das haben wir in dem Änderungsantrag ebenfalls herausgestellt – um ein Jahr erweitern, um nicht die Anbieter oder die vollziehenden Behörden in Rechtsstreitigkeiten hineinzutreiben.

Die Freien Demokraten, auch hier im Landtag, stehen für einen Markt, auf dem die Anbieter in klar definierten Rahmenbedingungen frei agieren können und Konzessionen nach qualitativen Kriterien vergeben werden und in dem eine regulatorische Gleichbehandlung der Onlineangebote erfolgt. Wir stehen für einen Markt, in dem Bürger als mündige Verbraucher faire und zuverlässige Glücksspielangebote nachfragen können.

Wir brauchen eine effiziente Aufsicht zur Durchsetzung der Spielregeln. Und wir brauchen Unterstützungsangebote zur Prävention sowie für Wege aus der Glücksspielsucht für diejenigen Menschen, die aufgrund ihrer Sucht ihre Mündigkeit im Glücksspielmarkt verloren haben oder sie zu verlieren drohen.

Der heute zur Abstimmung stehenden Übergangsregelung stimmen wir zu, und zwar mit allen drei Artikeln, denn sie bedeutet einen notwendigen Zwischenschritt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Freimuth. – Nun spricht für Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Engstfeld.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das vorgelegte Gesetz stellt einen qualifizierten Zwischenschritt auf dem Weg zu einem neuen Glückspielstaatsvertrag dar. Der Zwischenstaatsvertrag verschafft uns Zeit für die Verhandlungen mit den anderen Bundesländern über den neuen Staatsvertrag, den wir dringend brauchen, gerade im Hinblick auf das Onlinespiel.

Auch ich wünsche dem Chef der Staatskanzlei für die Verhandlungen mit den anderen Bundesländern eine glückliche Hand, insbesondere im Interesse des Spielerschutzes. Insofern stimmen wir heute den Art. 1 und 3 des Gesetzes zu.

Kritik äußern wir aber zu Art. 2 und zu dem Verfahren hier im Haus.

Zu Art. 2 haben wir im Hauptausschuss eine sehr aufschlussreiche Anhörung durchgeführt. Im Gesetz war vorgesehen, dass die örtlichen Ordnungsbehörden die Aufsicht nach dem Geldwäschegesetz für unerlaubte Glücksspiele übernehmen sollten. Diese Aufgabenübertragung ohne Not und auch ohne Kostenausgleich wurde durch die Kommunen entschieden abgelehnt.

Die Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht Nordrhein-Westfalen machte deutlich, dass sie eine Reihe der Regelungen begrüßt, sich aber noch deutlich mehr im Sinne des Spielerschutzes gewünscht hätte, zum Beispiel beim Mindestabstand, bei den Öffnungszeiten oder bei der Zutrittskontrolle.

Die Anhörung fand am 26. September statt, die abschließende Beratung und Abstimmung im Hauptausschuss letzte Woche Donnerstag, also am 21. November. Keine 24 Stunden vor der Abstimmung erreichte uns ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen. Sie hatten seit dem 26. September viel Zeit, Änderungen vorzuschlagen, und dann kommt ein Änderungsantrag in einer so kurzen Frist. Das ist aus unserer Sicht bei solch einem komplexen Thema nicht akzeptabel.

(Beifall von der SPD und Josefine Paul [GRÜNE])

Eine Beratung in den Gremien wurde den anderen Fraktionen somit fast unmöglich gemacht. Liebe Fraktionen von CDU und FDP, das ist kein guter Stil. Sie hätten den Änderungsantrag auch eine Woche früher einbringen können. Oder hat etwa die Regierung so lange gebraucht, Ihnen die Formulierungshilfe zu liefern?

Einen Teil der Änderungen begrüßen wir aber durchaus, beispielsweise die Herausnahme der von den Kommunen so heftig kritisierten Aufgabenübertragung bei der Geldwäsche oder die Konkretisierung des Sichtschutzverbotes.

Nicht geändert werden die Regelungen zu den Öffnungszeiten. Kein Mensch kann mir derzeit erklären, warum eine Spielhalle bereits um 6 Uhr morgens öffnen muss und dann bis 23 Uhr oder länger durchgehend geöffnet hat. Da springen die Koalitionsfraktionen in ihrem Änderungsantrag deutlich zu kurz.

Im Hauptausschuss habe ich das differenzierte Abstimmungsverhalten meiner Fraktion zu den einzelnen Artikeln bereits erläutert. In aller Kürze noch einmal zusammengefasst: Da wir den Übergangsvertrag richtig finden, aber die Umsetzung in Art. 2 auch in der geänderten Fassung für nicht gelungen halten, werden wir den Art. 1 und 3 unsere Zustimmung geben, uns allerdings aus den oben genannten Gründen zu Art. 2 enthalten. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Engstfeld. – Jetzt spricht für die AfD-Fraktion Herr Keith.

Andreas Keith (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Nachgang bin ich froh, dass ich der Anfrage, die Rede zu Protokoll zu geben, widersprochen habe. Mir ist es wichtig, dass wir noch einmal darüber sprechen, was in den letzten Wochen und Monaten in der Beratung im Hauptausschuss passiert ist und wie es überhaupt zu diesem Zwischenschritt gekommen ist.

Dieser Zwischenschritt ist nur deshalb entstanden, weil alle Parteien in den letzten 10 bis 15 Jahren das Thema komplett verschlafen haben. 1996 eröffnete die Firma Intertops aus Salzburg das erste Onlineangebot hier in Deutschland. Noch 2013 sprach eine führende CDU-Politikerin davon, das Internet sei Neuland. Das erklärt vielleicht ein Stück weit, warum man diese Entwicklung so verschlafen hat.

Der Niedergang des klassischen Glücksspiels, nicht nur hier in Nordrhein-Westfalen, der ca. 2005 einsetzte, war ein Hinweis darauf, dass das klassische Spiel durch genau diese Angebote, die momentan zu Dutzenden gemacht werden, abgelöst wird.

Nun ist das, was Sie gerade im zweiten Abschnitt Ihres Gesetzentwurfs vorschlagen, nicht geeignet, um den entsprechenden Gesetzgebungen Geltung zu verschaffen. Sie reglementieren den Sportwettenmarkt, insbesondere den stationären Bereich mit den Wettbüros, verkennen aber die Situation, dass der Spieler seinen Spieltrieb weiter ausleben wird. Wir haben in Deutschland 500.000 Spieler, die bereit sind, regelmäßig Einsätze zu tätigen, und 200.000 pathologische Spieler.

Jetzt reglementieren Sie den stationären Bereich und lassen den Onlinebereich völlig unreglementiert. Jeder Experte – egal, ob Sie bei den Bochumer Gesprächen zum Glücksspielrecht oder auf dem Berliner Kongress zum Glücksspielwesen sind; es ist völlig egal, wen Sie fragen; alle haben dieselbe Meinung zu dem Thema – sagt Ihnen: Wenn Sie die stationären Sportwetten reglementieren, müssen Sie gleichzeitig das Onlineglücksspiel auch reglementieren. Ansonsten wandern Ihnen die Spieler ab, und der Kanalisierungseffekt ist dahin.

Eine zweite Entwicklung, die sich daraus ergibt, macht mir auch große Sorgen. Deswegen wollte ich im Plenum noch einmal darüber sprechen. Die Onlineanbieter schlafen nämlich nicht. Sie positionieren sich gerade in dieser Zeit, in der es noch keine Reglementierung gibt und keine Verfolgung der illegalen Angebote stattfindet, und bereiten sich darauf vor, dass viele Spieler aus dem stationären Bereich jetzt auf sie zukommen.

Wie machen sie das? Indem sie Personen des öffentlichen Interesses – Persönlichkeiten wie Oliver Kahn und Bastian Schweinsteiger – als Repräsentanten für ihr Geschäftsmodell gewinnen und Vereine mit Werbedeals und entsprechenden Einnahmen ausstatten. Was wollen sie damit erreichen? Sie wollen eine hohe Akzeptanz der Wetten und Onlineglücksspiele herstellen. Das passiert momentan im großen Bereich.

In diesem Bereich reglementieren Sie gar nichts. Die Probleme, die Sie jetzt im stationären Bereich zu regeln versuchen, entsprechen aber noch nicht einmal ansatzweise dem, was in den nächsten fünf bis zehn Jahren auf uns zukommt. Denn zu den Themen „In-Game-Käufe“, „Coin Master“, „Lootboxes“ usw. haben Sie auf eine Nachfrage von mir nicht reagiert.

Mir war es wichtig, dass wir heute Abend in dieser Debatte noch einmal darüber sprechen und die Verhandlungsführer, in diesem Fall Herrn Liminski, auch ein Stück weit sensibilisieren, damit sie das im Auge haben und dort mit in die Verhandlungen einfließen lassen.

Mit diesem Gesetzentwurf haben Sie sich ein wenig Zeit erkauft. Ich persönlich wünsche Ihnen viel Glück bei den Verhandlungen, bezweifle aber, dass Sie diese innerhalb eines Jahres zum erfolgreichen Ende bringen werden.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch einen Satz mitgeben, den ich bei den Bochumer Gesprächen zum Glücksspielrecht von der Ruhr-Universität Bochum mitgenommen habe: Würde man heute darüber nachdenken, wie man Glücksspiel organisiert, käme sicherlich kein Mensch mehr auf die Idee, diese Kompetenz in die Hände der Länder zu legen. – Denn das, was Sie heute mit 16 Ländern mühsam zu regeln versuchen und nicht zustande bringen, könnten Sie vielleicht maximal noch auf nationaler Ebene regeln. Aber selbst da habe ich meine großen Zweifel. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Keith. – Jetzt spricht der Innenminister, Herr Reul.

Herbert Reul, Minister des Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Umsetzungsgesetz zum Dritten Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages in Nordrhein-Westfalen setzen wir den von den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten unterzeichneten Änderungsstaatsvertrag um.

Es geht hierbei vor allen Dingen um die Schaffung von Rechtssicherheit für alle Beteiligten in Bezug auf Sportwetten. Dort ist nämlich ein Graubereich entstanden. Das ist und war kein tragbarer Zustand.

Worum geht es konkret? Es geht darum, dass der Glücksspielstaatsvertrag seit dem 1. Juli 2012 die Zulassung privater Anbieter von Sportwetten vorsieht. Während einer Experimentierphase von sieben Jahren ist das staatliche Wettmonopol suspendiert. Jedoch kann der Glücksspielstaatsvertrag wegen laufender gerichtlicher Verfahren nicht umgesetzt werden, weshalb die Konzessionen für Sportwettenanbieter nicht vergeben werden konnten.

Als Konsequenz daraus hat die Ministerpräsidentenkonferenz mit Beschluss vom 18. April 2019 gemäß § 35 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag die Befristung dieser Experimentierklausel in § 10a und die zahlenmäßige Begrenzung auf 20 Konzessionen aufgehoben. Damit ist die Erteilung von Konzessionen an Veranstalter von Sportwetten insoweit rechtlich für die gesamte restliche Geltungsdauer des Vertrages bis zum 30. Juni 2021 möglich. Den Glücksspielaufsichtsbehörden wird zudem der Weg zu flächendeckenden Untersagungen nicht erlaubter Angebote eröffnet. Damit kann die fortschreitende Erosion des Ordnungsrechts beendet werden.

Das bedeutet natürlich für uns, dass wir das Ausführungsgesetz den Änderungen im Glücksspielstaatsvertrag anpassen müssen. Insbesondere die Erlaubnisvoraussetzungen für die Wettvermittlungsstellen müssen an die geänderte Rechtslage angepasst werden. Warum? Weil es keine zahlenmäßige Beschränkung der Sportwettenkonzessionen mehr gibt. Denn sie ähneln nunmehr denjenigen für Spielhallen. Die Erlaubniszuständigkeit verbleibt weiterhin bei den Bezirksregierungen.

Um den jetzigen Betreibern von Wettvermittlungsstellen, die zum Zeitpunkt der Verbändeanhörung über eine bestandskräftige Baugenehmigung verfügt haben, die Möglichkeit zu geben, sich auf die veränderte Rechtslage einzustellen, wurde eine Übergangsfrist in das Gesetz aufgenommen.

Zur Stärkung des Spielerschutzes ist eine Reihe von Ergänzungen vorgesehen, die im Rahmen des Expertengesprächs im Hauptausschuss von den Teilnehmern insgesamt positiv bewertet wurden.

Der Vollzug wird durch ergänzende Definitionen für den Bereich der Spielhallen und Wettvermittlungsstellen gestärkt.

Wir gehen davon aus, dass wir mit dem vorliegenden Gesetz in einem Bereich, der sehr sensibel ist, Rechtsicherheit schaffen. Darum möchte ich an Sie appellieren, im Interesse aller einer vernünftigen Regelung zuzustimmen und deshalb diesen Entwurf zu beschließen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat gemäß § 42 unserer Geschäftsordnung Einzelabstimmung über die drei Artikel des Gesetzentwurfs Drucksache 17/6611 – Neudruck – beantragt. Da diese Fraktion nicht Urheberin des Gesetzentwurfs ist, muss ich feststellen, ob dagegen Bedenken erhoben werden. Ist das der Fall?

(Zurufe von der CDU und der FDP: Nein!)

Bedenken sind von hier oben nicht erkennbar. Da das nicht der Fall ist, kommen wir zur Abstimmung im Sinne einer Einzelabstimmung.

Zunächst stimmen wir über den Art. 1 ab. Der Art. 1 regelt die Zustimmung des Landtags zum Dritten Staatsvertrag zur Änderung des Glückspielstaatsvertrages.

Der Hauptausschuss empfiehlt einstimmig, den Art. 1 des Gesetzentwurfs unverändert anzunehmen. Also stimmen wir nun über den Art. 1 des Gesetzentwurfs Drucksache 17/6611 – Neudruck – ab. Wer stimmt dem Art. 1 zu? – CDU, SPD, FDP, Grüne und Herr Langguth, fraktionslos. Wer stimmt gegen den Art. 1? – Niemand. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der AfD-Fraktion ist damit der Art. 1 einstimmig im Landtag Nordrhein-Westfalen angenommen worden.

Ich rufe die zweite Abstimmung über den Art. 2 auf. Der Art. 2 enthält das Erste Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes NRW Glückspielstaatsvertrag.

Der Hauptausschuss empfiehlt, diesen Artikel in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen daher zur Abstimmung über den Art. 2 in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/7932 und nicht über den Art. 2 in der Fassung des Gesetzentwurfs. Wer stimmt dem Art. 2 in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/7932 zu? – CDU und FDP sowie Herr Langguth, fraktionslos, stimmen zu. Wer stimmt gegen diesen Art. 2? – Die SPD-Fraktion und die AfD-Fraktion. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der Grünenfraktion ist die Mehrheit dennoch eindeutig: Dieser Art. 2 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD und der AfD bei Enthaltung der Grünen in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/7932 angenommen worden.

Der Art. 3 regelt das Inkrafttreten. Hierzu empfiehlt der Hauptausschuss keine Veränderungen. Wir kommen an dieser Stelle also zur Abstimmung über den Art. 3 des Gesetzentwurfs Drucksache 17/6611 – Neudruck. Wer stimmt dem Art. 3 zu? – CDU, FDP und Grüne sowie Herr Langguth, fraktionslos, stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – Die SPD stimmt gegen den Art. 3; die AfD tut das auch. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen sehen wir von hier oben nicht. Damit kann ich feststellen, dass der Art. 3 mit der Mehrheit des Hohen Hauses angenommen worden ist.

Nun kommen wir zur abschließenden Gesamtabstimmung in zweiter Lesung. Wer dem Gesetzentwurf Drucksache 17/6611 – Neudruck – unter Berücksichtigung der Veränderungen in Art. 2 entsprechend der Beschlussempfehlung Drucksache 17/7932 zustimmen möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen. – CDU und FDP sowie Herr Langguth, fraktionslos, stimmen zu. Wer stimmt gegen das Gesamtergebnis? – SPD und AfD. Wer enthält sich? – Wie angekündigt, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gleichwohl ist damit der Gesetzentwurf Drucksache 17/6611Neudruckentsprechend der Beschlussempfehlung Drucksache 17/7932 in zweiter Lesung angenommen und mit Mehrheit im Hohen Haus verabschiedet worden. – Danke schön.

Wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt. Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit. Wir sprechen jetzt nämlich über ein historisches Thema. Es geht um das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“.

Ich weise darauf hin, dass die Debatte von einer separaten Kamera aufgezeichnet wird, weil diese Debatte auch ein Teil der Geschichte des „Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ wird. Für alle, die möglicherweise durch Anwesenheit glänzen wollen, ist das eine Gelegenheit, einmal richtig berühmt zu werden. Dort steht die Kamera. Alle haben eine Chance.

Ich rufe auf:

8   Gesetz zur Errichtung einer Stiftung
„Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7904

erste Lesung

Die Aussprache ist eröffnet. Ans Pult tritt der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen, Herr Kuper. Abgeordneter ist Herr Kuper auch. Jetzt spricht der Abgeordnete und nicht der Präsident. Wir wollen da ganz korrekt sein, Herr Präsident. Bitte schön. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

(Heiterkeit)

André Kuper (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was soll ich nach einer solchen Anmoderation sagen? – Wir bringen heute das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ ein, womit wir gemeinsam ein starkes Zeichen für ein Projekt setzen können, das gerade von diesem Haus in besonderem Maße gefördert wurde.

Lassen Sie mich kurz zurückblicken. Seit den 1980er-Jahren hat es immer wieder Anläufe gegeben, ein historisches Landesmuseum in Nordrhein-Westfalen ins Leben zu rufen. Sie wurden unterschiedlich diskutiert, sind aber kaum über erste Gedankenansätze hinausgekommen. Das „Haus der Parlamentsgeschichte“ in der Villa Horion war ein erster praktischer Schritt in diese Richtung.

Neue Dynamik bekam diese Idee 2017 mit der Verankerung als Ziel im Koalitionsvertrag der amtierenden Landesregierung.

Zur Realisierung dieses Projektes wurde das überparteiliche Dach dieses Landtages gesucht. Wir waren uns am 18. Januar 2018 in diesem Hohen Hause weitgehend einig und verabschiedeten einen Grundsatzbeschluss.

Direkt danach wurden im Landtag eine Planungsgruppe mit Historikern sowie ein Kuratorium mit Präsidiumsmitgliedern und Abgeordneten ins Leben gerufen. Die Aufgabe des unter meinem Vorsitz stehenden Kuratoriums und der Planungsgruppe der Historiker bestand darin, das Projekt (strategisch) im Kuratorium und (operativ) in der Planungsgruppe vorzubereiten.

Nun, genau 23 Monate später, sind wir so weit, dieses Stiftungsgesetz hier und heute vorlegen zu können. Das ist ein wichtiger Meilenstein. Dies konnte nur deshalb gelingen, weil es eine sehr professionelle und sehr strukturierte Zusammenarbeit zwischen dem Kuratorium und der Planungsgruppe gegeben hat. An dieser Stelle spreche ich allen Beteiligten meinen herzlichen Dank aus.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Seit April 2018 hat das Kuratorium 15 Mal getagt und wichtige Grundsatzentscheidungen getroffen, beispielsweise auch zu den konzeptionellen und organisatorischen Eckpfeilern für eine Jubiläumsausstellung „75 Jahre“ im Jahr 2021.

Mit diesem Stiftungsgesetz stellen wir jetzt die Weichen für ein Haus, in dem die Menschen in unserem Land die Geschichte Nordrhein-Westfalens unter den Aspekten Demokratie, Vielfalt und Wandel erleben können. Denn dieses Land hat in seiner nunmehr 73-jährigen Geschichte vieles zu erzählen, aus dem wir heute und morgen noch lernen können und auch lernen müssen.

Was beinhaltet nun dieser Gesetzentwurf? Zunächst einmal eine Besonderheit: Mit diesem Stiftungsgesetz wird das Land – in diesem Fall Landtag und Landesregierung gemeinsam – eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts errichten.

Organe sind das Kuratorium, das Präsidium oder die Präsidentin/der Präsident, der Wissenschaftliche Beirat und der Arbeitskreis gesellschaftlicher Gruppen.

Im 16-köpfigen Kuratorium sind für das Land die Gründungsstifter, also Landesregierung und Landtag, gemeinsam vertreten. Der Landtag stellt hierbei mit seinem Präsidium und den Abgeordneten je Fraktion insgesamt neun Mitglieder in dieser Legislatur. Die Landesregierung wird mit fünf Mitgliedern vertreten sein. Darüber hinaus wird im Kuratorium je ein Mitglied der Landschaftsverbände vertreten sein. Diese sind ja auch für regionale Landesgeschichte zuständig.

Gerade in der Zusammenarbeit mit den eben schon genannten Gremien sehen wir fraktionsübergreifend die notwendige Verankerung des zukünftigen Hauses in der Breite unserer Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem geplanten Standort für das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ im Behrensbau werden wir einen guten Verbund zum Landtag und zum Regierungsviertel haben. Die Nähe zum Herz der Demokratie und die Kombination werden das Verständnis für unsere Demokratie stärken. Es wird den Menschen das Land näherbringen und dadurch auch unser Zusammenleben stärken.

Gerade in der heutigen Zeit sind solche Institutionen wichtiger denn je. Sie sollen keine Meistererzählung bieten und keine Leistungsschau sein, sondern Menschen partizipativ zum selbstständigen Reflektieren ermuntern, um aktive und mündige Nordrhein-Westfalen zu sein.

Wir waren hier im Landtag – wenn Sie mir dieses Bild zum Abschluss erlauben – die „Geburtshelfer“ dieses Projektes. Ich freue mich auf eine Fortsetzung der Arbeit in der neuen Stiftung und danke Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kuper. – Nun hat für die SPD-Fraktion Herr Professor Dr. Bovermann das Wort.

Prof. Dr. Rainer Bovermann (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir am 18. Januar 2018 hier den Antrag „Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen für die Menschen greifbar und erlebbar machen“ diskutierten, habe ich auf drei Punkte im Zusammenhang mit der Schaffung eines „Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ hingewiesen:

erstens, dass man dafür viel Zeit braucht; zweitens, dass nicht die Haupt- und Staatsaktionen, sondern die Menschen im Mittelpunkt stehen müssen, und drittens, dass es sich nicht um ein Vorhaben der Regierung oder einer einzelnen Partei handeln dürfe.

(Beifall von der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, alle drei Bedingungen sind bisher erfüllt worden. Sie bleiben aber aktuell.

Fast zwei Jahre später stehen die Fundamente für das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“. Planungsgruppe und Kuratorium – wir haben es gerade gehört – haben in vielen Sitzungen Ausstellungs-, Sammlungs-, Veröffentlichungs- und Veranstaltungsplanungen diskutiert und auf den Weg gebracht.

Auch ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich bei den Mitgliedern des Kuratoriums für die kollegiale und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu bedanken. Ebenso danke ich der Planungsgruppe unter Leitung von Dr. Hitze und Professor Goch für die konzeptionelle Arbeit.

Mit der Einbringung des Entwurfs für ein Stiftungsgesetz wird nun eine neue Bauphase eingeleitet. Uns war von vornherein klar, dass eine Verankerung der Planungsgruppe in der Landtagsverwaltung keine Dauerlösung sein könnte. Daher hat sich das Kuratorium frühzeitig um eine geeignete Organisationsform für das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ bemüht.

Auf Vorschlag eines Gutachtens von Professor Andrick sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nur eine Stiftung öffentlichen Rechts sein kann. Sie bietet die Vorteile der Eigenständigkeit, der Dauerhaftigkeit und der Rechtssicherheit.

Das Stiftungsgesetz geht jedoch über die Festlegung der Organisationsform hinaus und regelt die Organe der Stiftung und ihr Verhältnis zueinander.

Das bisher mit vier Mitgliedern des Landtagspräsidiums und sechs weiteren Landtagsabgeordneten besetzte Kuratorium wird nun größer. Auch die Gewichte der beteiligten Akteure verschieben sich. Neu hinzu kommen die fünf Mitglieder der Landesregierung und die Vorsitzenden der Landschaftsversammlungen. Neben dem Landtagspräsidium gehören dem Kuratorium zukünftig je eine Abgeordnete bzw. ein Abgeordneter der im Landtag vertretenen Fraktion an.

Angesichts des Geschichtsverständnisses der AfD wird es umso wichtiger sein, den bisherigen Konsens der demokratischen Fraktionen im Kuratorium fortzusetzen.

(Beifall von der SPD und der FDP)

Ich sage das hier sehr bewusst – auch vor dem Hintergrund der geschichtspolitischen Debatte, die wir kürzlich erst zum 9. November 1938 geführt haben.

(Beifall von der SPD)

Ohne nun auf die anderen Organe im Einzelnen einzugehen, möchte ich noch einmal einen Punkt hervorheben. In § 2 des Gesetzentwurfes heißt es – ich zitiere –:

„Der Stiftungszweck wird insbesondere durch die Leitgedanken ,Demokratie, Vielfalt, Wandel‘ verwirklicht.“

Meine Damen und Herren, das Alleinstellungsmerkmal des „Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ soll nach unserem Willen die Demokratiegeschichte sein – nicht als Meistererzählung einer Staatsform, die von oben verordnet wurde, sondern als von unten gewachsene bestmögliche Staats- und Lebensform.

(Beifall von der SPD)

Demokratie, Vielfalt, Wandel – das ist die DNA unseres Landes. Wenn es uns gemeinsam gelänge, diese Leitgedanken eines Geschichts- und Landesbewusstseins zu vermitteln und zu fördern, wäre viel erreicht.

In diesem Sinne unterstützt die SPD-Fraktion auch weiterhin den Weg zu einem „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Professor Dr. Bovermann. – Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Deutsch.

Lorenz Deutsch (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich über das wunderbare Bild, bei genau diesem Tagesordnungspunkt ein volles Plenum zu fortgeschrittener Zeit zu sehen. Das ist schon ein äußeres Zeichen dafür, dass dies kein normaler Tagesordnungspunkt ist, sondern ein besonderer Moment für dieses Parlament.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Es ist ein besonderer Moment, gerade auch für das Parlament, weil das, was wir heute beschließen, nämlich dieses Gesetz zur Gründung einer Stiftung, auf einer zweijährigen Vorbereitung beruht, die aus der Mitte dieses Parlaments heraus geleistet wurde – in einer sehr kollegialen Zusammenarbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg. Die Kollegen haben sich dafür schon beim Kuratorium bedankt. Ich möchte mich dem ausdrücklich anschließen.

Das war eine sehr konstruktive Phase, die, obwohl sie zwei Jahre in Anspruch genommen hat, trotzdem als eine sehr kurze Zeit bewertet werden muss, in der sehr viel auf den Weg gebracht wurde. Aber es ist jetzt auch Zeit, den nächsten Schritt zu machen: den Schritt in die Selbstständigkeit dieser Initiative.

Die Initiative kam – auch das muss hier einmal erwähnt werden – nicht nur aus der Mitte des Parlaments, sondern wird bis jetzt auch von der Landtagsverwaltung getragen. Auch dahin möchte ich einen Dank adressieren. Es war keine Selbstverständlichkeit, dass es auch von dieser Seite so professionell und konstruktiv begleitet worden ist – vom Präsidenten, aber auch von den Mitarbeitern der Landtagsverwaltung. Die Planungsgruppe wurde größer. Das ist gut so. Denn auch die Aufgaben wurden größer. Es gab Wettbewerbe zur Gestaltung. Alles das ist prima begleitet worden. Das hat uns an den Punkt gebracht, an dem wir jetzt sind.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Dass diese gemeinsamen Anstrengungen so konstruktiv verlaufen sind, ist einem gemeinsamen Fluchtpunkt zu verdanken, glaube ich. Es geht im „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ nämlich nicht einfach – das könnte man vordergründig sagen; es ist auch nicht falsch – um eine Identitätsstiftung für unser sogenanntes Bindestrich-Land. Ich glaube, darüber sind wir als Land schon hinweg. Da müssen wir uns gar nicht so klein machen. Es gibt diese nordrhein-westfälische Identität bereits. Aber sie braucht auch noch einmal einen Ort.

Der Fluchtpunkt hat eine bestimmte Zuspitzung – da sind wir uns in diesem Kuratorium sehr schnell einig gewesen –, nämlich die Fokussierung unserer Demokratie als Lebensform in diesem Land.

Das ist nicht nur eine politische Organisationsform, bei der beispielsweise Wahlen organisiert werden, sondern hat eine Werteorientierung. Es geht um eine plurale, liberale, offene Gesellschaft, die wir gemeinsam leben und stärken wollen. Für sie soll es genau diesen Fluchtpunkt geben. Das ist dann mehr als ein Museum oder eine Forschungseinrichtung. Das kann, wenn es gelingt, wirklich ein Orientierungspunkt für die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens sein. Dahin sollte die Anstrengung gehen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Es ist deswegen auch ein Glücksfall, dass wir in Sachen Bau ein so attraktives Angebot machen können. Mit dem Behrensbau direkt am Rheinufer ist, glaube ich, ein Ort gefunden, der diesen Orientierungspunkt auch äußerlich geben kann.

Allerdings darf uns dann nicht der Fehler unterlaufen, dass man es in diesem Bau irgendwie einkastelt. Vielmehr muss das Ganze offen bleiben. Wir denken auch über dezentrale Dinge nach. Der Anfangspunkt soll eine Wanderausstellung sein, die das ganze Land bereist, das Thema zu den Bürgerinnen und Bürgern trägt und vielleicht Objekte einsammelt, die man dann wieder ausstellt, damit sie von dort ausstrahlen können. Diese Dynamik muss das Projekt unbedingt annehmen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Wenn all dies gelingt und wir einmal zu einer Dauerausstellung kommen, muss sie State of the Art sein. Dann muss alles, was museologische Forschung und Praxis zeigen, dort realisiert werden. Es muss ein lebendiger Ort werden, der nicht erstarrt, sondern sich immer weiter wandelt, sich anpasst und die Fragestellungen in unserer Gesellschaft aufgreift – wie schon gesagt, nicht als Meistererzählung oder als Erfolgsgeschichten. Vielmehr sollen die Kontroversen, die wir in dieser Demokratie austragen, und die vielen Bewegungen, die auch jenseits des politischen Betriebes eine Rolle spielen – deswegen ist auch der Beirat der gesellschaftlichen Gruppen so wichtig –, eingebracht werden.

Es soll nicht etwas Politisches sein. Das war vielleicht noch unsere Villa Horion. Dieses Haus muss ganz anders aufgestellt werden, Themen viel breiter aufnehmen und in das ganze Land ausstrahlen.

Wenn wir auf diesem Weg so vorankommen, wie wir das in den letzten zwei Jahren getan haben, ist mir nicht bange um dieses Projekt. Das ist ein toller Tag. Dafür vielen Dank!

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Deutsch. – Jetzt spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Paul.

Josefine Paul*) (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Anfang 2018 haben wir gemeinsam den Gedanken zu einem „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ aufgegriffen. Wir haben dieses „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ dann gemeinsam auf den Weg gebracht.

Jetzt, 23 Monate später, wollen wir dieses Haus auf neue organisatorische und rechtliche Füße stellen, indem wir es nun mit einer Stiftung in eine Organisations- und Rechtsform gießen und damit einen weiteren, ganz wichtigen Schritt – auch wieder in großer Geschlossenheit und Gemeinsamkeit – gehen.

Das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ soll von dem Leitgedanken „Demokratie, Vielfalt, Wandel“ getragen sein. Das sind drei Begriffe, die unser Land Nordrhein-Westfalen in ganz besonderer Art und Weise prägen, die die Menschen in Nordrhein-Westfalen in ganz besonderer Art und Weise prägen und die die Menschen in Nordrhein-Westfalen auch ausmachen.

Vielfalt beispielsweise ist etwas, was unser Land und die Menschen in diesem Land in ganz besonderer Weise ausmacht und was dieses Land in ganz besonderer Art und Weise prägt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Es geht in einem „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ natürlich um die museale Darstellung von Landesgeschichte.

Aber natürlich soll es nicht dabei bleiben, denn es soll ja ein lebendiger Ort sein, der ausstrahlt, auch über den hoffentlich zukünftigen Behrensbau hinaus.

Es geht also auch um Information und Forschung, und es geht um Sammlung, um Kooperation, um eben tatsächlich ins ganze Land hinaus wirken zu können. Wie schon mehrfach angesprochen wurde, ist immer klar gewesen, auch im Kuratorium: Es geht hier eben nicht um eine Meistererzählung, sondern es soll um eine lebendige und um partizipative Geschichtsvermittlung gehen, und die funktioniert nur dann, wenn man die Impulse eben auch aus dem ganzen Land, die Impulse der Menschen in diesem Land mit aufnimmt in eine gemeinsame, in eine plurale Erzählung über die unterschiedlichsten Wege der Geschichte in Nordrhein-Westfalen.

Mein ganz besonderer Dank gilt der Planungsgruppe für alle bisherige Arbeit, und natürlich gilt mein Dank auch dem Kuratorium, denn wir haben tatsächlich in sehr intensiver Zusammenarbeit schon ein gutes Gerüst aufstellen können, und zwar in sehr, sehr guter Zusammenarbeit auch mit der Planungsgruppe, die natürlich inhaltlich die Hauptverantwortung getragen hat.

Dieses Haus der Geschichte soll ja ein Haus für die Menschen und ein Haus mit den Menschen in Nordrhein-Westfalen werden. Dementsprechend freuen wir uns ganz besonders darüber, dass neben dem wissenschaftlichen Beirat nun auch ein Arbeitskreis der gesellschaftlichen Gruppen ein Stiftungsorgan werden soll, denn das Haus der Geschichte soll Impulse aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammenbringen, und es soll eben ein lebendiger Ort des Dialogs sein. Dazu ist das eine sehr gute organisatorische Aufstellung.

Wir legen jetzt mit diesem Stiftungsgesetz den strukturellen Grundstein dafür, dass wir die Arbeit, die jetzt in großer Geschlossenheit begonnen worden ist, auch wirklich konsequent weiterführen. Ich glaube, das ist auch die richtige organisatorische Form, mit vielleicht ein klein bisschen Abstand zu diesem Parlament und zu diesem Haus eine Geschichte auf den Weg zu bringen, die die unterschiedlichsten Facetten der Geschichte Nordrhein-Westfalens zusammenbringt, die die unterschiedlichsten Ideen dieses Landes zusammenbringt. Ich freue mich darüber, dass wir dafür jetzt die strukturellen Grundlagen legen und weitere Weichen stellen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Paul. – Jetzt spricht für die AfD-Fraktion Herr Seifen.

Helmut Seifen*) (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zu historisch gewachsenen Ländern wie Bayern oder Sachsen ist Nordrhein-Westfalen als historisches Gebilde erst vergleichbar jungen Ursprungs.

Es ist gleichsam synthetisch unter Laborbedingungen 1947 aus drei bis dahin verschiedenen Landesteilen zusammengefügt worden. Zwei dieser Landesteile waren zwar spätestens ab 1815 unter dem Dach des preußischen Staates vereinigt, aber die frühere Prägung durch eine jahrhundertelange historisch getrennte Entwicklung ließ zwar eine administrative Zusammenführung von drei Landesteilen zu, verhinderte jedoch für lange Zeit – eigentlich noch bis heute – das Gefühl einer gemeinsamen Identität.

Denn gerade die rheinischen Gebiete waren kleinteilig in verschiedenen Herrschaften und Fürstentümern geteilt, und ebenso waren die westfälischen Gebiete im Besitz geistlicher und weltlicher Herrscher. Insofern hat Nordrhein-Westfalen keine gemeinsame Vergangenheit, sodass Ihre Formulierung in § 2, dass der Zweck der Stiftung sein soll, die Vergangenheit von NRW darzustellen, so nicht verwirklicht werden kann. Wir können lediglich die Vergangenheit der Landesteile darstellen, aus denen NRW heute zusammengesetzt ist. Ob das dann die Geschichte Nordrhein-Westfalens ist?

Auch heute fühlt man sich noch als Rheinländer, als Westfale oder als Lipper. Ob man tatsächlich eine NRW-Identität wird schaffen können, ist doch sehr zu bezweifeln. Dieser Prozess der Identitätsbildung wird auf nationalstaatlicher Ebene hier auch Nation Building genannt. Der Erfolg solcher oftmals von oben oder mitunter auch von außen initiierter Versuche ist umstritten. Dennoch gilt Staatenbildung ohne Nationenbildung heute als problematisch, da in diesem Fall die notwendigen identitätsstiftenden Stabilisierungs- und Ausgleichsmechanismen fehlen.

Auf derartige Ausgleichsmechanismen ist auch NRW angewiesen. Die Konkurrenzsituation zwischen Westfalen und dem Rheinland ist sprichwörtlich. Das Ruhrgebiet nimmt noch eine Sonderrolle ein, unter anderem auch, weil dessen Bevölkerung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in besonderer Weise durch zugezogene Bevölkerung geprägt worden ist. Und so ergibt sich heute gefühlt eine Dreiteilung. Die Menschen fühlen sich als Rheinländer, Westfalen und Ruhrgebietler.

Durch den vergleichsweise besonders hohen Anteil von Migranten der jüngeren und jüngsten Zeit ist heute mehr denn je die Frage nach einem gemeinsamen verbindenden Band zwischen den in Nordrhein-Westfalen lebenden Menschen vordringlich.

Dies verwundert nicht in einem Bundesland mit bald 30 % Migrationshintergrund, wie wir es in Nordrhein-Westfalen erleben.

(Zuruf von der FDP: Wie krass!)

Und so rekurrieren Sie auch gar nicht auf Identitätsbildung, sondern definieren den Stiftungszweck ganz anders, nämlich ihn durch den Leitgedanken Demokratie, Vielfalt, Wandel zu verwirklichen.

(Zuruf von der FDP)

Aber wenn man das Zustandekommen dieses Gesetzes betrachtet, können starke Zweifel aufkommen, ob Sie wirklich nach einem gemeinsamen verbindenden Band streben und Demokratie, Vielfalt und Wandel in diesem Haus der Geschichte repräsentiert wissen wollen. Sie haben bei der Stellung des Antrags und der Vorbereitung des Gesetzentwurfs eine Fraktion hier in diesem Hause, die AfD, wieder einmal ausgegrenzt, wie Sie es ja aus Prinzip tun.

(Zuruf von der SPD: Und das war auch gut so!)

Auch das ist historisch einmalig.

(Zurufe von der SPD und der AfD)

Es ist beschämend für die parlamentarische Kultur in diesem Land.

(Beifall von der AfD)

Alles das, sehr geehrter Kollege Kuper, was Sie gerade vorgetragen haben, haben Sie alle miteinander ad absurdum geführt. Mich erschüttert, dass Sie das nicht merken. Es erschüttert mich, dass Sie Vokabeln der Gemeinsamkeit gebrauchen, der fraktionsübergreifenden Initiative, und Sie handeln in beschämender Weise so ausgrenzend, wie ich es vorher und nachher noch nicht erlebt habe.

(Zurufe von der SPD und der FDP)

Wenn es Ihnen um Demokratie ginge, würden Sie die 600.000 Wähler berücksichtigen, die uns gewählt haben.

(Zurufe von der SPD)

Und wenn es Ihnen um Vielfalt ginge, würden sie auch kritische Stimmen akzeptieren, welche die AfD zu den entscheidenden Themen hier in den Landtag einbringt. Zur Vielfalt gehören alle Parteien.

(Zuruf von der SPD: Sie nicht! – Zurufe von der CDU)

Aber Sie ziehen es vor, jede Kritik an Ihrer Politik als Hetze zu diffamieren. Herr Kollege Deppe, es tut mir leid, sie haben das gerade in exzellenter Weise vorgeführt.

(Rainer Deppe [CDU]: Sie haben doch gesagt, dass Sie gegen Nordrhein-Westfalen sind!)

Damit entziehen Sie sich der sachlichen Auseinandersetzung mit unserer Kritik und können Ihre in vielen Bundesländern vom Wähler abgestrafte Politik ungerührt weiterführen. Insofern beschleicht uns schon eine gewisse Skepsis, welche Geschichte in diesem Haus dargestellt werden soll.

Ich weiß ja, dass Geschichtsschreibung immer im Dienst der jeweils herrschenden Meinung steht

(Ibrahim Yetim [SPD]: Ist ja klar!)

und nicht eine objektive Darstellung historischer Abläufe und Entscheidungen vorlegt.

(Nadja Lüders [SPD]: Sie liefern den Grund dafür gerade selber!)

Nun wird vielleicht auch der AfD ein Kuratoriumssitz zugestanden. Bei der SPD hat sich das anders angehört. Allein die Tatsache, dass Sie der AfD keinen Sitz im Landtagspräsidium zugestanden haben, offenbart Ihre Gegnerschaft und Ihre antidemokratische Einstellung.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Da zeigt sich wieder, wie richtig das war! – Dietmar Brockes [FDP]: Sie sind gegen NRW!)

Auch im Kuratorium haben Sie dann einen Platz mehr.

(Zuruf von der SPD: Das ist Demokratie! Es geht nach der Mehrheit, und die haben Sie nicht!)

Allein der Umgang mit der AfD hier im Parlament lässt den Verdacht aufkommen, dass Sie den Problemen des Landes in diesem Haus der Geschichte NRW keinen oder nur einen geringen Platz einräumen werden.

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Sie sollten nicht so weinerlich sein!)

Das Haus der Geschichte hat es aber nicht verdient, zum Herrscherlob missbraucht zu werden.

(Widerspruch von Frank Müller [SPD] und Henning Höne [FDP])

Die AfD-Fraktion hat hier ihre Skepsis vorgetragen.

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Seien Sie mal nicht so weinerlich! – Ibrahim Yetim [SPD]: Hör doch auf zu weinen!)

Wir werden die Skepsis aber nicht so weit treiben, sie in eine Ablehnung des Gesetzentwurfs münden zu lassen. Wir werden uns enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD – Wolfgang Jörg [SPD]: Und nie vergessen: Sie sind keine Opfer, Sie sind Täter! – Unruhe)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Seifen. – Jetzt hat für die Landesregierung Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen das Wort.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Identität des sogenannten …

(Unruhe – Glocke)

– Alles gut, ich fange einfach noch mal an.

Die Identität des sogenannten Bindestrichlandes Nordrhein-Westfalen – ich empfinde das überhaupt nicht als negative Bezeichnung – war nach seiner Gründung 1946 und nach der Eingliederung des Landes Lippe ein Jahr später ein Thema, das Landtag und Landesregierung wiederholt beschäftigt hat. Der Ausdruck „Bindestrichland“ ist meiner Meinung nach etwas sehr Positives, weil er genau eins der drei Mottos für dieses ganze Projekt beinhaltet, nämlich das Thema „Vielfalt“.

(Beifall von Franziska Müller-Rech [FDP])

Überlegungen, durch ein Haus der Landesgeschichte die Entstehung und Entwicklung des Landes aufzugreifen und für die Menschen erlebbar zu machen, hat es bereits vor Jahren gegeben. Wir haben es schon gehört. Seit dem Jahr 2010 hat sich der damalige Landtagspräsident Herr Eckhard Uhlenberg in besonderer Weise für diese Idee engagiert. Die zügige Errichtung eines landesgeschichtlichen Museums scheiterte damals an verschiedenen Faktoren, unter anderem auch an haushaltswirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Im Juni 2017 haben CDU und FDP das Thema erneut fokussiert und im Koalitionsvertrag folgendes Ziel verankert – mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich zitieren –:

„Landesgeschichte und Landesidentität gehören untrennbar zusammen. Aus diesem Grund soll die Idee eines ,Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalens‘ in unmittelbarer Nähe zum Landtag aufgegriffen werden. Experten aus Universitäten, Instituten, Museen und Publizistik, Landtag und Landesregierung sollen dazu ein unabhängiges und überparteiliches Konzept entwickeln.“

Wir haben die Umsetzung dieses Projekts von Anfang an parteiübergreifend und partnerschaftlich zwischen Landtag und Landesregierung angelegt.

In der Sitzung vom 18. Januar 2018 hat der Landtag den Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalens für die Menschen greifbar und erlebbar machen“ mit großer Mehrheit angenommen. Für die Landesregierung habe ich diesen Antrag im Plenum dieses Hohen Hauses damals ausdrücklich begrüßt.

Die Landesregierung wurde im Landtagsbeschluss vom 18. Januar 2018 beauftragt, den Landtag bei diesem Vorhaben zu unterstützen. Daraufhin sind unter anderem eine Planungsgruppe und ein begleitendes Kuratorium eingesetzt worden, die ein Konzept für ein Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalens als Verbindung von Forschungsinstitut und Museum entwickeln sollten. Im Januar dieses Jahres hat Ministerpräsident Armin Laschet zudem in einem Brief an Landtagspräsident Kuper mitgeteilt, dass das geplante Haus der Geschichte in den landeseigenen Behrensbau, der ehemaligen Vodafone-Zentrale, einziehen kann und dort gemeinsam mit einem Veranstaltungsforum der Landesregierung untergebracht wird.

Das Forum soll als Tagungsort im Herzen unserer Landeshauptstadt allen gesellschaftlichen Gruppen, Verbänden und Initiativen für größere Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sollen diese Räumlichkeiten dem Bedarf der Landesregierung für Veranstaltungszwecke dienen.

Ich bin sicher, dass die gemeinsame Unterbringung des Hauses der Geschichte und dieses Veranstaltungsforums Synergien schaffen wird. Mitten im Regierungsviertel, gegenüber von Landtag und Staatskanzlei entsteht so ein Ort, der interessierte Bürger, gesellschaftliche Akteure und auch politische Verantwortungsträger zusammenbringt. Zudem entsteht zwischen Landtag und Behrensbau eine Meile der Demokratie, die nicht nur Schülerinnen und Schülern einen Besuch wert sein dürfte.

Der vorliegende Gesetzentwurf folgt in seiner Grundstruktur dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ vom 28. Februar 1990. Die Landesregierung begrüßt diesen Gesetzentwurf ausdrücklich. Das Haus der Geschichte in Bonn zeigt, wie es gelingen kann, Geschichte für Museumsbesucherinnen und -besucher lebendig werden zu lassen und damit auch identitätsstiftend in die Gesellschaft hineinzuwirken.

Ich freue mich sehr, dass mit dem heutigen Beschluss des Stiftungsgesetzes das von Landtag und Landesregierung gemeinsam getragene Projekt „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalens“, eine entscheidende Etappe nimmt. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Regierungsbank)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit kommen wir direkt zur Abstimmung, weil eine Überweisung des Gesetzentwurfs nicht vorgesehen ist. Wir stimmen über den Gesetzesentwurf Drucksache 17/7904 in erster Lesung ab. Wer stimmt dem Gesetzentwurf zu? – CDU, SPD, FDP, Grüne und Herr Langguth, fraktionslos. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Die AfD-Fraktion, wie angekündigt. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/7904 einstimmig in erster Lesung angenommen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich rufe auf:

9   Wanderfischprogramm fortführen – zügige Durchgängigkeit der Gewässer erreichen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/7911

Ich eröffne die Aussprache. Herr Dr. Nolten von der CDU-Fraktion hat das Wort.

Dr. Ralf Nolten (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sind wir lernfähig angesichts der Erfahrungen mit der Nitrat-, der FFH- oder der Luftqualitätsrichtlinie, oder laufen wir sehenden Auges bei der Wasserrahmenrichtlinie auf ein erneutes Scheitern bei den Umsetzungszeitplänen zu?

Wir waren gut gestartet. Es gab runde Tische mit Vertretern von Fischerei, Industrie, Naturschutzverbänden, Wasserkraftanlagenbetreibern, Wasserverbänden, Landwirtschaft, Wasserversorgern und Kommunen, kurz: mit allen Stakeholdern vor Ort. Da wurden Gutachten beauftragt, Maßnahmenprogramme entwickelt, und es wurde durchaus zügig mit der Umsetzung begonnen.

Zum Ziel eines guten Gewässerzustandes gehören dabei auch das Vorkommen der flussgebietstypischen Fischfauna und die Möglichkeit der Durchwanderbarkeit für Aal, Neunauge und den Lachs. Für ihn hat NRW in den Bewirtschaftungsplänen als Laichgewässer die Gewässersysteme von Sieg, Wupper und Rur ausgewiesen.

An der Rur wurde als erste und bislang einzige letzte große Maßnahme in 2007 die Fischtreppe am Stau-becken Obermaubach eingeweiht. Das war es.

Der Elan der Anfangsjahre scheint hier wie dort verpufft. Bis heute verwehren an der Rur – wie auch an vielen anderen Flüssen – noch über 40 Anlagen den ungehinderten Auf- und Abstieg. Nicht nur Fischereiverbände und Genossenschaften beklagen den schleppenden Fortgang.

Während verwaltungsseitig noch an einem umstrittenen Salmonidenerlass festgehalten wird, während auch 20 Jahre nach Inkrafttreten der EU-Richtlinie elementare Gutachten etwa zur Mindestwasserführung fehlen, während die Bugwelle der erforderlichen Investitionen in Retentionsbodenfilter, Wehrumbauten, Strahlursprünge und Trittsteine von Jahr zu Jahr steigt, spitzen sich vor Ort die Konflikte unnötigerweise zu.

Am Gewässer seit Generationen ansässige Unternehmen klagen erfolgreich vor Gericht ihre Wasserrechte ein. Vorschläge zu Wehrumbauten und zu Niedrigwassergerinnen werden bei der Bezirksregierung auf die lange Bank geschoben. Rechtsfragen zur finanziellen Unterstützung von Privaten beim Wehrumbau, zur Finanzierung von allein lachsbedingten Maßnahmen oder zu den Konsequenzen einer Gewässerrenaturierung auf eine mögliche Veränderung der FFH-Gebiete stehen seit Jahren unbeantwortet im Raum.

Land, Bund und EU halten gegen jegliche Erkenntnis das Zeitziel 2027 hoch. Industrie, Gewerkschaften und Kommunen wollen aber am Ende nicht Verlierer von aktionistischem Handeln sein.

Es bedarf daher des gemeinsamen Vorgehens von Land und Bund bei der EU, um realistischere Umsetzungsfristen zu erreichen. Die Gewässer sind in Jahrhunderten verändert worden. Da ist es keine Aufgabe von 15 Jahren, dies rückgängig zu machen.

Durch eine Verlängerung des Umsetzungszeitraums werden auch die finanziellen Bedarfe und Möglichkeiten im ganzen Land übereinandergebracht. Aus Abwasserabgabe und Wasserentnahmeentgelt jährlich aufgebrachte Mittel reichen bis 2027 erkennbar nicht, um dem Gesamtinvestitionsbedarf von der Niers bis zur Weser gerecht zu werden.

Allein das Maßnahmenprogramm des Wasserverbands Eifel-Rur bindet die im Landeshaushalt für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zur Verfügung stehenden Mittel von 74 Millionen Euro für über vier Jahre. Eine weitere Erhöhung des Wasserentnahmeentgelts oder zusätzliche Belastung der Kommunen lehnen wir ab.

Mit dem Zeitgewinn wird auch die Umsetzung von Second-best-Maßnahmen sinnvoll, denn wenn ein Wehr nicht zurückgebaut werden kann, weil die Flächen für die notwendige Laufverlängerung fehlen, ist eine Rausche eine Option. Ist die Aufgabe von Wasserkraftanlagen reine Hoffnung, kann ein Niedrigwassergerinne manches Problem beseitigen.

Aber auch bei einer Fristverlängerung durch die EU heißt es, keine Zeit zu verlieren. Die Flächenmobilisierung am Gewässerlauf bedarf weniger eines Vorkaufsrechts als vielmehr bodenordnerischer Maßnahmen. Trotz vielfacher Hinweise sind diese Verfahren, die acht bis zehn Jahre dauern, oft genug noch nicht einmal eingeleitet worden. Statt eines am Symbol Lachs orientierten „Weiter so“ ist ein realistisches, am mittelfristig Machbaren orientiertes pragmatisches Handeln erforderlich.

Richten wir den Fokus auf die zügige Durchwanderbarkeit aller unserer Flüsse für alle Fische. Eine selbst nach einem erwarteten Zieländerungsverfahren nicht in jedem Jahr mögliche Lachswanderung ist allemal besser als der jetzige Zustand, wo in keinem Jahr ein zur selbsterhaltenden Reproduktion erforderlicher Aufstieg erfolgt.

So werbe ich für die Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Dr. Nolten. – Jetzt spricht Herr Diekhoff für die FDP-Fraktion.

Markus Diekhoff*) (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Renaturierung unserer Flüsse und vor allem auch die Durchlässigkeit der Flüsse ist auch den Freien Demokraten ein wichtiges Anliegen. Der Naturschutz darf unter der Wasseroberfläche nicht aufhören. Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass wir daran zügig weiterarbeiten müssen.

Auch die Renaturierung des Flussumfeldes bei einer Neugestaltung eines Flussbetts ist wichtig. Dort können spannende Habitate entstehen. Aber – das ist die Krux, und das möchte ich auch betonen – man darf nicht durch die Setzung von FFH-Gebieten an diesen Stellen einen Zugang zum Wasser oder die Nutzung von Wasser für anliegende Industrie oder andere Nutzer unmöglich machen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielmehr muss man es miteinander vereinbaren können. Sonst werden wir an dieser Stelle scheitern. Nur wenn Nutzung und Schutz im Einklang stehen, kommen wir weiter.

Das Gleiche gilt für die Wasserkraft. Wasserkraft ist ein wichtiger Teil zum Umbau unseres Energiesystems, also für die Energiewende. Aber sie muss vernünftig, sie muss richtig gemacht werden. Man kann sie in einem großen Stil machen, man muss dann aber auch in Fischtreppen, in Umleitungen, in Systeme, die Fische schützen, investieren. Ein Dorn im Auge sind uns viele kleine Wasserkraftanlagen, die sehr wenig Energie erzeugen, aber jeden Tag sehr viele Fische töten. Auch darauf müssen wir dauerhaft einen Blick haben.

Wenn wir das alles in Einklang bringen, werden wir auch in Nordrhein-Westfalen wieder eine vitale Flusslandschaft erhalten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Diekhoff. – Für die SPD spricht Herr Kollege Schneider.

René Schneider*) (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt bin ich aus der letzten Rede nicht ganz schlau geworden. Die müssen wir wahrscheinlich noch mal nachlesen.

(Zuruf von der CDU: Man kann ja auch zuhören! – Zuruf von der FDP: Das kann helfen!)

– Gut, ich glaube, da hilft auch Zuhören wenig.

Aber viele Wanderfische wie der Lachs, der Maifisch oder auch der Stör sind in den vergangenen Jahrzehnten in NRW nahezu ausgestorben. Das hatten SPD und Grüne bereits vor einiger Zeit erkannt. Zu den Maßnahmen, die wir damals ergriffen haben, gehörten zum Beispiel die Ansiedlung von Fischen in geeigneten Gebieten und die Verbesserung der Durchgängigkeit der Gewässer, meine Damen und Herren, um den Fischen eine störungsfreie Wanderung zu ermöglichen.

Die Regierungsfraktionen fordern jetzt mit vielen Worten … – Ja, was fordern sie eigentlich? Sie fordern die Beauftragung der Umsetzung von Maßnahmen, den Dialog zu stärken, die Kosten zu ermitteln, sich auf Bundesebene für Diskussionen mit der EU-Kommission einzusetzen. Na ja. Von konkreten Maßnahmen oder mehr finanziellen Mitteln ist nirgendwo die Rede. Im Gegenteil. Wie drücken Sie es so schön aus? Es ist – Zitat – „darauf zu achten, dass die Umsetzung innerhalb der bisherigen Finanzierungsstruktur stattfindet“.

Aber Umweltschutz kostet nun einmal Geld, meine Damen und Herren der CDU und der FDP. Waren Sie damals schon vehement gegen unser Schutzprogramm, so sollten Sie heute mindestens in der Lage sein, mehr als einen Antrag voller leerer Phrasen à la „Eine gute Grundlage ist die beste Voraussetzung für eine solide Basis“ zu stellen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Mit Ihrem Antrag wollen Sie den Anschein erwecken, zu handeln. Wir erkennen jedoch keine einzige konkrete Maßnahme. Bei der entscheidenden Frage, ob Querbauwerke nun abgebaut werden sollen oder nicht, kneifen Sie im Antrag gleich komplett, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP. Nicht Fleisch, nicht Fisch, so wird das nischt, möchte ich sagen.

Ganz in diesem Sinne werden wir diesen Antrag ablehnen. – Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend, Glückauf und Gottes Segen.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Schneider. – Jetzt spricht Herr Rüße für die Grünen. Bitte schön.

Norwich Rüße*) (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Nolten, eigentlich ist das ein Antrag, der uns von der Zielsetzung her eint. Selbstverständlich wollen wir alle – die SPD sicher auch, die diesen Antrag genauso wie wir ablehnen wird – die Durchgängigkeit der Gewässer. Aber Ihr Antrag ist für mich stellenweise nicht ganz verständlich. Er ging auch nicht ganz mit der Rede des Kollegen Diekhoff zusammen.

Gerade zur Frage der Wasserkraft haben wir die Problematik, dass Sie in Ihrem Antrag nicht zwischen großer und kleiner Wasserkraft differenzieren. Das hat er gesagt. Es steht nur nicht im Antrag. Im Antrag steht, Sie wollen die Wasserkraft reaktivieren, optimieren. Das ist anders formuliert. Ich kenne es vom Emswehr in Rheine. Seit Jahren ist die Frage, ob an der Stelle nicht endlich was getan werden kann. Es passiert nichts, weil der Eigentümer es verhindert. Weil wir die Problemfälle haben, hätte ich mir gewünscht, dass Sie das in Ihrem Antrag auch so deutlich benennen.

In Ihrem Antrag steht einiges Richtige und auch Wichtige.

Sie sagen aber auch, und das haben Sie eben noch mal deutlich betont, Sie sind auf gar keinen Fall bereit, noch mal Geld nachzulegen. Das kann ich auch nicht nachvollziehen. Wenn man feststellt, dass es nicht reicht, wenn wir uns einig sind, dass wir am Ende die Durchgängigkeit aller Gewässer erreichen wollen, dann müssen wir auch alle zusammen bereit sein, die notwendigen finanziellen Mittel dafür einzusetzen

(Beifall von den GRÜNEN)

und können nicht sagen, dann machen wir nur Stückwerk. Ich habe das eben schon zum Haushalt gesagt.

Ich glaube, wir hinken an der Stelle auch in NRW wirklich ein Stück hinterher. Umweltschutz, Naturschutz und eben auch Gewässerschutz kosten uns Geld, wenn wir es gut machen wollen.

Ich hätte mich gefreut, wenn Sie mit dem Antrag mal auf uns zugekommen wären. Da sind Schnitzer drin, die wir absolut nicht mittragen können. Das betrifft wirklich insbesondere die kleine Wasserkraft. Sie erwähnen überhaupt nicht die Option, dass wir uns an der Stelle anders entwickeln müssen.

Auch die Frage der Mindestwasserführung erwähnen Sie. Auch an der Stelle erwecken Sie Hoffnungen. Es gibt dazu entsprechende Urteile, an die wir gebunden sind. Die kriegen Sie ja nicht weg. Von daher verstehe ich das auch nicht so ganz. Aber ich will noch mal sagen: Wir teilen die Zielsetzung. Es sind einige gute Punkte darin, aber es reicht nicht ganz. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

Wir sind aber auf die aktuelle Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie gespannt. Wie viele Mittel werden nächstes Jahr tatsächlich durch das Land eingesetzt? Darauf bin ich gespannt. Wir haben dazu ja auch eine Kleine Anfrage gestellt. Auf die Antwort bin ich gespannt; denn da wird konkret, was die Landesregierung wirklich konkret tut, um endlich richtige Schritte voranzukommen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Rüße. – Jetzt spricht für die AfD-Fraktion Herr Dr. Blex.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das NRW-Wanderfischprogramm wurde vor 20 Jahren aufgesetzt. Das Ziel war, die Durchgängigkeit von Wanderfischen zu ihren Laichgewässern zu ermöglichen.

Jedes Jahr sterben Millionen Fische durch die Wasserkraftwerke in Deutschland. Der Antrag der Laschet-Parteien geht zunächst einmal in die richtige Richtung, sagt aber viel zu wenig über die Hintergründe aus und lässt damit offen, ob auch die EU-Problematik verstanden wurde.

Deshalb etwas Grundlegendes zu den Wanderfischen am Beispiel des Lachses: Der Atlantische Lachs lebt größtenteils im Ozean. Er wandert zum Laichen die europäischen Flüsse hinauf. Er folgt seinem Instinkt zurück an seinen Geburtsort. Das heißt, dorthin, wo Lachse im Zuge des Wanderfischprogramms ausgesetzt worden sind, wollen sie wieder zurückkehren.

Deshalb ist eines ganz wichtig: Zuerst muss die Durchgängigkeit hergestellt werden, und dann können die Tiere am oberen Arm des Flusses ausgesetzt werden – und nicht umgekehrt!

Der Lachs nimmt praktisch keine Nahrung auf seinem Weg zum Laichgrund auf. Er stirbt häufig an Erschöpfung, bevor er den Ozean wieder erreicht. Wird der Lachs ausgerechnet von Menschen in den entlegensten Nebenflüssen am Oberrhein ausgesetzt, so verlängert der Mensch diesen Leidensweg. Je länger die Laichwanderung, umso mehr Passagen müssen für den Lachs geschaffen werden. Die ökonomischen Kosten steigen mit größerer Ausweisung der Habitate entsprechend an.

Vorsichtige Schätzungen gehen von Investitionen von mehr als 350 Millionen Euro aus. Und wofür? – Damit Kormorane und andere Vögel seelenruhig ihre Beute an den sehr engen Schiffspassagen aufpicken können; Bären haben wir nicht in Deutschland. Das ist ein Eingriff des Menschen in die natürliche Verhaltensbiologie der Tiere.

Besser wäre es, Laichgebiete am Niederrhein zu prüfen als am Oberrhein. Die Überlebenswahrscheinlichkeit wird erhöht, und die ökonomischen Kosten werden massiv gesenkt.

Aber kommen wir zu der EU-Kritik, die ich vorhin angesprochen habe. Die EU fordert die Ausweisung von Zielartengewässern meist in Verbindung mit der Ausweisung von FFH‑ und Wasserschutzgebieten.

Warum ist das eigentlich so? Was passiert, wenn Nordrhein-Westfalen seine Anstrengungen bei den Wanderfischen zurückfährt? Werden wir wieder von einer EU-Klagewelle überrollt wie beim Thema „Nitrat im Grundwasser“? Hat sich die Landesregierung unter der grünen Umweltministerin Heinen-Esser eigentlich auch Gedanken darüber gemacht?

Wegen des Nitrats im Grundwasser droht Deutschland bekanntlich eine Klage in Höhe von 850.000 Euro pro Tag für willkürlich festgelegte Grenzwerte. Vor diesem Hintergrund hätten wir uns in diesem Antrag mehr EU-Kritik gewünscht.

Wir werden uns enthalten, weil die Stoßrichtung zwar richtig ist, die Gefahren aber nicht erkannt wurden und viel zu viel Eigenlob in dem Antrag steckt.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Nach der Rede von Dr. Blex spricht nun für die Landesregierung Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung unterstützt im Grundsatz die Forderung des Antrags. Auf die wesentlichen Forderungen wird im Folgenden eingegangen.

Die Landesregierung verfolgt grundsätzlich eine zügige Herstellung der Durchgängigkeit der Gewässer in Nordrhein-Westfalen und eine Priorisierung von Maßnahmen im Bereich der Zielartengewässer für den Lachs.

Ziel ist es, die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie gemeinsam weiter voranzubringen und die Bemühungen für die Ansiedlung einer sich selbst reproduzierenden Population von Lachsen weiter zu intensivieren. Die gemeinsame Priorisierung von Maßnahmen ist die sinnvollste Möglichkeit zur Erreichung der Ziele.

Gerade die Herstellung der Durchgängigkeit in Gewässersystemen fördert die Erreichbarkeit der im Gewässerlauf oben liegenden Laichhabitate für die Wanderfische. Diese Erreichbarkeit ist zwingende Voraussetzung für die Ansiedlung einer stabilen, sich selbst reproduzierenden Population.

Die Landesregierung wird gemeinsame Lösungen mit den zuständigen Wasserverbänden erarbeiten und dabei die Verhältnismäßigkeit der Kosten betrachten. Diese Vorgehensweise ist angesichts der wasserwirtschaftlichen Verantwortung der sondergesetzlichen Wasserverbände für die Gewässer im Verbandsgebiet zwingend. Sie wurde daher bereits in der Vergangenheit praktiziert.

Dabei werden auch die Nutzungserfordernisse zum Beispiel von Siedlungs‑ und industriell genutzten Bereichen betrachtet. Sollte es zu einem Konflikt zwischen Nutzungsanforderungen und Wiederansiedlung des Lachses kommen, ist dieser Konflikt unter den Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes und der Bewirtschaftungsziele für das konkrete Gewässer zu lösen.

Die Wiederansiedlung des Lachses bedarf des Weiteren einer finanziellen Ausstattung zur Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen. Dabei soll es auch nach 2027 bei den bestehenden Finanzierungsstrukturen bleiben.

Für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie steht die Einnahme aus dem Wasserentnahmeentgelt zur Verfügung. Daneben kann für bestimmte Maßnahmen im Bereich der Niederschlagswasserbeseitigung die Abwasserabgabe herangezogen werden.

Diese bestehende Finanzierungsstruktur umfasst einen Eigenanteil der Fördergeldnehmer bei den Maßnahmen, wodurch sich auch eine Belastung für die Akteure ergibt. Die Förderung für Abwasserbeseitigungsmaßnahmen wird in der Lachskulisse auf 80 % angehoben.

Der Stand und die Erfolge der Wiederansiedlung des Lachses in den Zielartengewässern werden zukünftig öffentlichkeitswirksam dargestellt. Erste Erfolge gibt es zum Beispiel an der Wupper und an der Sieg. Sobald zukünftig weitere Querbauwerke durchgängig gemacht wurden, wird dies der Öffentlichkeit ebenfalls präsentiert werden.

Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich die wesentlichen Aussagen des Antrags der Fraktionen von CDU und FDP, da er die bisherigen Bemühungen der Landesregierung zur Wiederansiedlung des Lachses und zur Herstellung der Durchgängigkeit in den Gewässern von Nordrhein-Westfalen aufgreift und darüber hinaus konsequent fortführt. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU, der FDP und Alexander Langguth [fraktionslos])

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung.

Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags in Drucksache 17/7911. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind CDU, FDP und der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Wer ist dagegen? – Das sind die SPD und die Grünen. Wer enthält sich? – Das ist die AfD.

(Michael Hübner [SPD]: Es sind auch ausländische Fische dabei!)

Damit ist der Antrag Drucksache 17/7911 angenommen.

Ich rufe auf:

10 Klimawandel ernst nehmen – Maßnahmen zur Rettung der Wälder in NRW deutlich verstärken!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7901

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen daher unmittelbar zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/7901 an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur‑ und Verbraucherschutz. Die abschließende Beratung und Abstimmung sollen nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses erfolgen. Ist jemand hier im Raum, der nicht für diese Überweisung stimmen oder sich enthalten möchte? – Dann haben wir die Überweisung einstimmig beschlossen.

Ich rufe auf:

11 Absichtserklärungen allein reichen nicht aus! Die Landesregierung muss eine Landeskoordinierungsstelle gegen Rassismus und Diskriminierung einrichten!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/7913

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen; wir kommen unmittelbar zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/7913 an den Integrationsausschuss. Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, den Antrag ebenfalls zur Mitberatung an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen, an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen, an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend, an den Hauptausschuss sowie an den Ausschuss für Schule und Bildung zu überweisen.

Die abschließende Beratung und Abstimmung sollen nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Ist jemand dagegen? Enthält sich jemand? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

12 Fit für Demokratie: Schutz vor Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus verstärken

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/7914

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7991

Eine Aussprache hierzu ist nicht vorgesehen. Wir kommen daher direkt zur Abstimmung.

Erstens stimmen wir über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/7914 ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/7914  an den Hauptausschuss – federführend –, an den Innenausschuss, den Wissenschaftsausschuss, den Ausschuss für Schule und Bildung sowie an den Integrationsausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung sollen nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Ist jemand gegen diese Überweisungsempfehlung? – Enthält sich jemand? – Dann haben wir diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Zweitens müssen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/7991 abstimmen. Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Der wird mit überwiesen!)

– Bitte? Er soll mit überwiesen werden. Gut. Gibt es dagegen Widerspruch? – Gibt es Enthaltungen? – Dann wurde der Überweisung zugestimmt. Ein entsprechender Hinweis stand nicht in den Unterlagen; das haben wir jetzt spontan gemacht.

Ich rufe auf:

13 Wahl eines Mitglieds des Beirats der NRW.Bank

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/7916

Eine Aussprache hierzu ist nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Wahlvorschlag in Drucksache 17/7916. Wer ist für den Wahlvorschlag? – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist dieser Wahlvorschlag in Drucksache 17/7916 einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

14 Zustimmung des Landtags Nordrhein-Westfalen gemäß § 64 Abs. 2 LHO zur Veräußerung von Liegenschaften des Sondervermögens Bau‑ und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen (BLB NRW)
Bebautes Grundstück in Minden, Weserglacis

Vorlage 17/2582

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts‑ und Finanzausschusses
Drucksache 17/7933

Eine Debatte hierzu ist nicht vorgesehen.

(Unruhe)

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Haushalts‑ und Finanzausschuss empfiehlt dem Landtag in Drucksache 17/7933, in die Veräußerung des in Vorlage 17/2582 näher beschriebenen Grundstücks gemäß § 64 Abs. 2 LHO einzuwilligen. Wir stimmen über diese Empfehlung ab. Wer möchte dem zustimmen? – Das sind CDU, FDP und der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Wer ist dagegen? – Das sind SPD, Grüne und AfD. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit willigt der Landtag in die in der Vorlage 17/2582 genannte Grundstücksveräußerung ein.

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Ich rufe auf:

15 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 25
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/7927

Die Übersicht 25 enthält sieben Anträge, einen Änderungsantrag sowie einen Entschließungsantrag, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung an die Ausschüsse zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden. Die Beratungsverläufe und Abstimmungsergebnisse sind aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse nun über die Bestätigung der Übersicht 25 abstimmen. Wer möchte dem zustimmen? – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Abgeordnete. Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit sind die in Drucksache 17/7927 enthaltenen Abstimmungsergebnisse der Ausschüsse einstimmig bestätigt.

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Ende der Tagesordnung.

Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Donnerstag, den 28. November, 10 Uhr.

Ich wünsche allen einen angenehmen und langen Abend und eine gute Nacht.

Schluss: 22:10 Uhr

_______________________________________


*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.


Anlage 1

TOP 5 – Gesetz zur Änderung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst und weiterer Gesetze – zu Protokoll gegebene Reden

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU):

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf werden notwendige Änderungen an drei Stellen vorgenommen.

1.  Stelle Fachhochschulgesetz öffentlicher Dienst

Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24.04.2018 (2 BvL 10/16) sowie der Befristung des Gesetzes bis zum 31.12.2019 ist eine frühzeitige Novellierung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst nötig.

In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wird die Regelung des Status des Hochschulkanzlers nach brandenburgischem Hochschulrecht in einem Beamtenverhältnis auf Zeit wegen Verstoßes gegen das Lebenszeitprinzip als hergebrachtem Grundsatz des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz für verfassungswidrig erklärt.

Da auch die Führungsämter an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung seit 2005 in einem Beamtenverhältnis auf Zeit angestellt sind, muss das Fachhochschulgesetz öffentlicher Dienst dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entsprechend verändert werden.

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf werden die Ämter der Vizepräsidentin, der Kanzlerin und die Abteilungsleitungen von „Beamtenverhältnissen auf Zeit“ in „Beamtenverhältnisse auf Lebenszeit“ umgewandelt.

Lediglich das Amt des Präsidenten kann als herausgehobenes Führungsamt weiterhin als Beamtenverhältnis auf Zeit bestehen bleiben.

Darüber hinaus fehlt im Fachhochschulgesetz öffentlicher Dienst bislang eine Höchstaltersgrenze für die Einstellung der Professorinnen und Professoren.

Dieses wird in dem Gesetzesentwurf durch den Verweis auf § 39a Hochschulgesetz NRW auf Vollendung des 50. Lebensjahres festgelegt.

Die allgemeine Hochschulentwicklung tendiert heutzutage zu dem Begriff „Hochschule“.

Dieser Tendenz trägt dieser Gesetzentwurf ebenfalls Rechnung.

Zudem soll das Wort „Polizei“ integraler Bestandteil des Namens der Hochschule werden, um die maßgebliche Bedeutung der Hochschule für die polizeiliche Ausbildung deutlich zu machen.

Anders als die SPD in ihrem Änderungsantrag fordert, verzichten wir hier explizit auf die Erwähnung des Sitzes der Hochschule für Polizei und öffentliches Verwaltung Nordrhein-Westfalen, da die Fachhochschule dezentrale Strukturen und viele Standorte hat.

Da es momentan so scheint, als würde das Fachhochschulgesetz öffentlicher Dienst eine dauerhafte Regelung der rechtlichen Verhältnisse der drei Fachhochschulen werden, wird mit dieser technischen Novelle zugleich die Entfristung des FHGöD vorgenommen.

2.  Stelle Landesbesoldungsgesetz

In den vergangenen neun Jahren sind die Anforderungen an die Wahrnehmung der Leitungsaufgaben an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung erheblich gestiegen.

Um den höheren Aufwand der Leitungsaufgaben an der Fachhochschule entsprechend anzuerkennen und zu honorieren, wird die Besoldung der Stelle der Kanzlerin an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung von A16 auf B2 sowie die Besoldung der Stelle der Vizepräsidentin von B2 auf B3 angehoben.

Damit wollen wir unseren Dank und unseren Respekt für diese Aufgabe zum Ausdruck bringen.

3.  Stelle Beamtenversorgungsrecht

Hier wird den Dienstherren in NRW die Möglichkeit geschaffen, ihre europarechtliche Verpflichtung zur Meldung von Dienstunfalldaten in einem einheitlichen Meldeverfahren über die Unfallkasse NRW erfüllen zu können.

Außerdem würde zum Ende des Jahres die versorgungsrechtliche Sonderregelung zur Anrechnungsfreiheit von Erwerbseinkommen für Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamte auslaufen.

Um dem erheblichen Personalbedarf im öffentlichen Dienst gerecht zu werden, wird dieses um weitere 5 Jahre verlängert.

Da die im Gesetzesentwurf vorgenommenen Änderungen technisch sinnvoll und notwendig sind, wird die CDU-Fraktion dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst und weiterer Gesetze in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses sowie der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zustimmen.

Hartmut Ganzke (SPD):

Die SPD Fraktion wird sich bei diesem vorgelegten Gesetzentwurf enthalten.

Richtig ist, dass Inhalt der Änderungen im Gesetz zu einem großen Teil sprachlicher oder redaktioneller Art sind, die eine Überarbeitung als notwendig erachten.

Jedoch ist bei einer Gesetzesänderung immer dann genau hinzusehen, wenn vorher  vorhandene Normen oder auch Teile dieser Normen aus dem Gesetz gestrichen werden.

So verhält es sich auch hier mit dem vorliegenden Gesetzentwurf.

War im geltenden Gesetz noch klar normiert, dass es sich bei der Fachhochschule für die öffentliche Verwaltung – eine der größten Hochschulen im europäischen Vergleich – um die Fachhochschule „in Gelsenkirchen“ handelt, so ist diese Bezugnahme im vorliegenden Gesetzentwurf, ohne nachvollziehbare Begründung, gestrichen worden.

Im Innenausschuss wurde der seitens unserer Fraktion gestellte Änderungsantrag, der die Wiederherstellung des Ursprungstextes zum Inhalt hatte, abgelehnt – ebenfalls mit nicht überzeugenden Gründen.

Daher wird sich die SPD Fraktion bei der Gesamtabstimmung über den Gesetzentwurf enthalten.

Marc Lürbke (FDP):

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (2BvL 10/16) ist völlig klar, dass eine Änderung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst vonnöten ist. Dieser Urteilslage kommen wir als Landesregierung nach.

Wie durch das BVerfG festgestellt, ist eine Anpassung in Hinblick auf die Beamtenverhältnisse des Kanzlers, Vizepräsidenten sowie der Abteilungsleitung notwendig. Eine Verbeamtung auf Zeit ist in diesem Kontext schlicht und ergreifend nicht zielführend und dient nicht der Sache, da die Unabhängigkeit und Neutralität des Kanzlers im Beamtenverhältnis auf Zeit nicht gewährleistet werden können. Somit ist die Anpassung des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit erforderlich.

Darüber hinaus werden die Namen der Fachhochschulen in den Geschäftsbereichen des Ministeriums für Finanzen und des Ministeriums des Innern künftig an die Begrifflichkeit „Hochschule“ angeglichen. Dies geschieht aus der Notwendigkeit heraus, den beiden Hochschulen die Bedeutung zukommen zu lassen, die sie verdienen. Eine Aufwertung unterstreicht die wichtige Rolle, die beide FHöVs für die Gesellschaft tragen, da angehende Polizisten, Verwaltungs- sowie Finanzbeamte oder Rechtspfleger hier die Kenntnisse und Fähigkeiten erlernen, die sie für die Bewältigung ihrer späteren Aufgaben benötigen. Und diese Fähigkeiten dienen nach ihrer Ausbildung der gesamten Gesellschaft.

In Anpassung an die allgemeine Entwicklung im Rahmen des Bologna-Prozesses sollten auch die Fachhochschulen der Finanzen und für öffentliche Verwaltung mit der Zeit gehen und unter „Hochschule“ firmieren können. Dies ist der für junge Menschen gängige Begriff, während die Verwendung des Begriffs „Fachhochschule“ immer seltener wird und nicht dem Umstand Rechnung trägt, dass auch das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2010 festgestellt hat, dass sich im Rahmen des Bologna-Prozesses Annäherungen zwischen Universitäten und Fachhochschule ergeben haben. Die Bezeichnung als „Hochschule“ bringt dies zum Ausdruck und bringt die Wertigkeit einer solchen Hochschulausbildung stärker zum Ausdruck. Der öffentliche Dienst und insbesondere die Polizei NRW sind ein attraktiver Arbeitgeber, der im Wettbewerb um junge Nachwuchskräfte mithalten kann und muss.

Wie bereits in den vergangenen Wochen im Innenausschuss sowie Wissenschaftsausschuss dargelegt, ist eine Anpassung des Namens der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in „Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen“ richtig. Auf dieser Hochschule werden nun mal auch Polizisten ausgebildet, und damit ist das Ganze nicht nur eine Frage des Respekts gegenüber der Polizeiausbildung, sondern auch eine Frage der Transparenz. Die Umbenennung trägt die maßgebliche Bedeutung für die polizeiliche Ausbildung nach außen und unterstreicht den Respekt, der der Ausbildung von Polizisten und anderer Verwaltungsbeamter zukommen muss. Zurecht wird ausgeführt, dass auch die Polizei Teil der Verwaltung Nordrhein-Westfalens ist – dies wird mit der Umbenennung nicht in Abrede gestellt. Die Umbenennung trägt jedoch dem Umstand Rechnung, dass für Bürger und potentielle Nachwuchskräfte verständlicher wird, dass an einer „Hochschule der öffentlichen Verwaltung“ eben auch Polizistinnen und Polizisten ausgebildet werden. Die Kritik der Fraktion der Grünen im Innenausschuss war insofern erschreckend theoretischer Natur – eine Verhaltensweise, die man aus dieser Richtung im Umgang mit polizeilichen Fragestellungen jedoch mittlerweile gewöhnt ist.

Der Änderungsantrag der SPD wurde mit Stimmen von Grünen, CDU, FDP und AfD abgelehnt. Zu Recht! Denn die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung verfügt über eine dezentrale Struktur, bildet im und für das ganze Land NRW aus und eben nicht nur in und für Gelsenkirchen.

Die vorgeschlagenen Änderungen kommen demnach nicht nur dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach, sondern steigern gleichzeitig die Attraktivität des öffentlichen Arbeitgebers, die aus Gründen der demografischen Veränderung gesteigert werden muss, und sorgen für Verständlichkeit und Transparenz.

Verena Schäffer (GRÜNE):

Der Gegenstand des vorliegenden Gesetzentwurfs der Landesregierung für die Änderung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst betrifft ein Thema, das uns allen sehr am Herzen liegen sollte, weil es so wichtig ist: die Ausbildung für den öffentlichen Dienst an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung. Seit mehr als 40 Jahren wird der gehobene Dienst der Kommunalverwaltung, der staatlichen Verwaltung und der Polizei des Landes NRW an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung ausgebildet. Sie ist damit wesentlich für die Gewährleistung einer hohen Qualität an Verwaltungsarbeit vor Ort in den Kommunen als auch in Teilen der Verwaltung des Landes.

In der vergangenen Sitzung des Innenausschusses habe ich es schon angekündigt, wir werden dem geänderten Änderungsgesetz nicht zustimmen können und uns der Stimme enthalten.

Der Gesetzentwurf sieht teilweise notwendige Änderungen vor, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr ergeben.

Sie macht es erforderlich, dass die Ämter der Kanzlerin bzw. des Kanzlers und die Ämter der Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter der Fachhochschule von Beamtenverhältnissen auf Zeit in Beamtenverhältnisse auf Lebenszeit umgewandelt werden.

Der Gesetzentwurf sieht ferner eine Entfristung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst vor, was wir entschieden ablehnen. Zuletzt wurde des Gesetz Ende 2010 inhaltlich geändert. Seitdem sind neun Jahre vergangen. Die Befristung des Gesetzes bis zum Ende dieses Jahres wurde zuletzt 2014 um fünf Jahre verlängert. Ziel der Befristung ist es, dass das Gesetz inhaltlich überprüft und erforderlichenfalls novelliert wird. Dass sich eine Novelle geradezu aufdrängt, zeigen unter anderem die Verweise auf das seit Ende 2006 außer Kraft getretene Hochschulgesetz 2004. Indem die Koalitionsfraktionen nun die Befristung streichen, entfällt der Druck, sich ernsthaft mit dem Gesetz auch inhaltlich zu befassen. Und wir haben die Sorge, dass eine Novellierung auf die lange Bank geschoben wird.

Wir halten es für falsch, dass das Wort „Polizei“ in den Namen der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung aufgenommen wird. Die Polizei ist wie alle anderen Bereiche gleich zu behandelnder Teil der öffentlichen Verwaltung. Dass ihr durch die Aufnahme in den Namen der Fachhochschule eine Sonderrolle zugeschrieben werden soll, konnte bisher noch kein Vertreter der Landesregierung oder der Koalitionsfraktionen plausibel erklären. Es gibt dafür auch einfach keinen Grund.

Ebenso ist die Namensänderung von Fachhochschule in Hochschule unbegründet. Große Fachhochschulen wie diejenige in Bielefeld und in Münster treten bewusst als Fachhochschulen auf, weil diese Hochschulform in Deutschland etabliert und ein „Markenzeichen“ ist. Dies sieht offensichtlich auch die „Fachhochschule für Rechtspflege Nordrhein-Westfalen“ in Bad Münstereifel so. Von „allgemeiner Hochschulentwicklung“ zu sprechen wie in der Begründung des Gesetzeswurfs, ist denkbar vage und unpräzise.

Mit den Namensänderungen werden vermutlich auch nicht unerhebliche Kosten für neue Hinweisschilder, Werbemittel, Dokumente, Briefbögen, Urkunden, Prüfungsunterlagen, Siegel, Stempel usw. einhergehen, und nicht zu vergessen die zwangsläufige zusätzliche Verwaltungsarbeit. Das ist angesichts der hohen Auslastung der Verwaltung wegen eines Höchststands an Studierendenzahlen unseres Erachtens nicht zu vertreten.

Helmut Seifen (AfD):

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst und weiterer Dienste (FHGöD – Drucksache 17/7320) wurde im Wissenschaftsausschuss am 6. November 2019 behandelt. Der Entwurf zielt auf eine vom höchsten deutschen Gericht, dem Bundesverfassungsgericht, eingeforderte Gesetzesänderung, bei der unter anderem die Stellung des Hochschulkanzlers gestärkt wird, indem er von einem Beamtenverhältnis auf Zeit in ein unbegrenztes Beamtenverhältnis auf Lebenszeit aufsteigt.

Aufgrund des „technisch“-administrativen Charakters des Gesetzesentwurfs entzog sich der Entwurf im Ausschuss einer kontroversen Diskussion. Wir gehen davon aus, dass seine Verfassungsmäßigkeit gesichert ist, und danken den Mitarbeitern des Ministeriums für ihre Vorbereitungen dazu.

Seitens meiner Fraktion bestehen keine Bedenken oder Vorbehalte gegenüber dem vorliegenden Entwurf. Wir stimmen ihm deswegen zu und hoffen, dass er in Karlsruhe positive Resonanz finden wird.

Herbert Reul, Minister des Innern:

Mit dem Gesetzentwurf des Gesetzes zur Änderung des Fachhochschulgesetzes öffentlicher Dienst und weiterer Gesetze habe ich Ihnen einen Vorschlag zur Anpassung des Fachhochschulgesetzes, des Besoldungs- und des Versorgungsgesetzes vorgelegt. Insbesondere die Novellierung des Fachhochschulgesetzes ist mir ein wichtiges Anliegen.

Es ist meine Überzeugung, dass die Ausbildung unserer Studierenden in den dualen Studiengängen der verwaltungsinternen Fachhochschulen von existenzieller Bedeutung für eine zukunftsfähige Landesverwaltung NRW ist.

Denn dort lernen die Studierenden – seien es zukünftige Polizisten, Verwaltungs- und Finanzbeamtinnen oder Rechtspfleger – das Werkzeug, welches sie in den Behörden brauchen, um ihren für die Gesellschaft wichtigen und tragenden Aufgaben nachzukommen. Daher ist es aus meiner Sicht unverzichtbar, die Fachhochschulen stetig zu verbessern und zu entwickeln.

Nur kurz möchte ich noch einmal auf die Kernelemente dieser „technischen“ Novelle eingehen:

Erstens: Die Fachhochschulen in den Geschäftsbereichen des Ministeriums der Finanzen und des Ministeriums des Innern sollen künftig „Hochschule“ heißen. So kann sprachlich die allgemeine Hochschulentwicklung berücksichtigt werden. Wichtig ist mir auch, dass das Wort „Polizei“ integraler Bestandteil des Namens der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung wird, um auch nach außen die maßgebliche Bedeutung der Hochschule für die polizeiliche Ausbildung aufzuzeigen.

Zweitens: Einige Ämter in den Leitungspositionen der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung sollen in Beamtenverhältnisse auf Lebenszeit umgewandelt werden.

Die Notwendigkeit dieser Statusänderung beruht auf einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtslage in Brandenburg, auf die wir reagieren mussten. Daher schlage ich vor, die Ämter der Kanzlerin oder des Kanzlers, der Vizepräsidentin oder des Vizepräsidenten und der Abteilungsleitungen von Beamtenverhältnissen auf Zeit zu Beamtenverhältnissen auf Lebenszeit umzugestalten.

Drittens soll die Befristung des FHGöD aufgehoben werden. Wir brauchen dieses Gesetz auf Dauer und gewinnen Luft für die im Anschluss beabsichtigte umfassendere Novellierung.

Außerdem haben wir vorgeschlagen im Präsidium der FHöV die Stellen der Kanzlerin oder des Kanzlers und der Vizepräsidentin oder des Vizepräsidenten anzuheben.

Meines Erachtens müssen diese Funktionen entsprechend der gewachsenen Verantwortung besoldet werden. Dies macht schon ein kurzer Einblick in die Statistik sichtbar: Innerhalb der letzten neun Jahre sind die Studierendenzahlen von 5.400 auf über 12.000 Studierende, die Mitarbeiterzahlen in der Verwaltung von 130 auf ca. 220 und in der Lehre von rund 160 auf 290 gestiegen. Die Stellen anzuheben stellt daher nur die systemgerechte Konsequenz dar.

Schließlich soll im Beamtenversorgungsgesetz die Ende 2019 auslaufende Sonderregelung zur Anrechnungsfreiheit von Erwerbseinkommen für Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamte um weitere fünf Jahre verlängert werden. Viele Nachfragen nach dieser Regelung von nachgeordneten Behörden zeigen mir, wie wichtig es ist, den Personaleinsatz von Ruhestandsbeamten z. B. in Schulen und Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen attraktiv zu gestalten.

Darum bitte ich Sie abschließend um Ihre Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung.

 


Anlage 2

TOP 6 – Gesetz zur Erhöhung der Transparenz von Veranstaltergemeinschaften des lokalen Hörfunks (Lokalhörfunk-Transparenzgesetz NRW) – zu Protokoll gegebene Reden

Sven Werner Tritschler (AfD):

Der NRW-Lokalhörfunk ist, wie es immer heißt, ein „Unikat“, eine „Besonderheit“. Und in der Tat: Kein anderes Bundesland hat sich für das sogenannte „Zwei-Säulen-Modell“ im privaten Hörfunk entschieden.

Wie so oft haben wir es hier wiedermal mit einer Altlast aus der Ära Rau zu tun. Der hatte es sich hier in den Achtzigern bereits ganz gemütlich in NRW eingerichtet: Satte Regierungsmehrheiten, eine Opposition, die den Namen nicht so recht verdiente und den Hausender WDR (im Volksmund: Rotfunk), der die passende Hofberichterstattung lieferte. – Naja, es hat sich eben nicht alles geändert.

Und da kam der private Rundfunk. In den meisten Bundesländern entstanden private Radiosender, die den behäbigen Staatsfunkern nicht selten vormachten, wie man gutes Programm zum kleinen Preis und ganz ohne Zwangsgebühr organisieren kann.

Soweit wollte man es in der Staatskanzlei nicht kommen lassen und ersann das „Zwei-Säulen-Modell“: Die Betriebsgesellschaft auf der einen Seite war nur wirtschaftlich für einen Sender verantwortlich, zu ihr gesellte sich die Veranstaltergemeinschaft, die das Programm bestimmte.

Letztere ist laut Mediengesetz ein eingetragener Verein, der größtenteils von den sogenannten „gesellschaftlichen Gruppen“ besetzt wird. Also den Gruppen, die den Altparteien genehm sind, versteht sich. Dazu noch ein paar Kommunalpolitiker, und fertig ist der Rundfunkrat in klein.

Eigentlich hätte man sich an der Stelle schon keine Sorgen mehr machen müssen, dass irgendwo noch eine ernstzunehmende Konkurrenz zum WDR entstehen könnte. Aber um ganz auf Nummer Sicher zu gehen, wurde die Radiolandschaft auch gleich noch balkanisiert: Über vierzig Lokalradios haben wir in NRW, zumindest dem Anschein nach.

Tatsächlich senden die ja größtenteils Programm des landesweiten Monopolisten „Radio NRW“, an dem wiederum die SPD und CDU-Minister Holthoff-Pförtner beteiligt sind. Anders geht’s auch nicht, denn die Minisender sind wirtschaftlich kaum überlebensfähig und haben bis heute keine Strategie, wie sie mit der Digitalisierung im Radiobereich umgehen wollen.

Die SPD hat da so ihre Ideen, denn immerhin würde das auch die von Wahlniederlagen gebeutelte Parteikasse schonen: Landessubventionen fürs Lokalradio und damit Steuergeld für die eigenen Medienbeteiligungen.

Das Lokalradio in NRW ist wirklich ein Musterbeispiel für die inzestuösen Strukturen, die sich die Damen und Herren von den Altparteien in der deutschen Medienlandschaft geschaffen haben, um möglichst nur Diskussionen im von ihnen abgesteckten Meinungskorridor zuzulassen. Und das ist auch der Grund, warum sie auf schwer kontrollierbare Innovationen wie die Sozialen Medien zusehends panisch reagieren: Sie haben nicht mehr die Diskurshoheit in Deutschland und das ist auch gut so!

Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf einen Teilaspekt des Lokalradios transparenter machen, der offenbar besonders sorgsam vor der Öffentlichkeit verborgen wird. Die Zusammensetzung der Veranstaltergemeinschaft lässt nach unseren Recherchen bei keinem einzigen Lokalradiosender in NRW im Internet nachvollziehen. Bestenfalls der Name des Vorsitzenden ist öffentlich, und was wir da ermittelt haben, lässt eindeutig auf Verfilzungen mit der Politik schließen:

Mindestens zwölf Vorsitzende sind von der CDU, mindestens neun von der SPD. Und weil das ja gleich kommt: Nein, das ist natürlich nicht verboten. Aber die Bürger haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, wer ihnen ihre Nachrichten serviert. Mehr wollen wir nicht, und wenn Sie, meine Damen und Herren von den Altparteien, nichts zu verbergen haben, dann können Sie diesem Gesetzentwurf im Ausschuss und in der zweiten Lesung sicher zustimmen.

Andrea Stullich (CDU):

Die AfD will unter anderem, dass gegenwärtige und frühere Parteimitgliedschaften von Mitgliedern in Veranstaltergemeinschaften der Lokalradios in NRW in Zukunft veröffentlicht werden. Dafür gibt es weder einen Anlass noch irgendeine Notwendigkeit. Das Landesmediengesetz regelt die Mitgliedschaften eindeutig. In den §§ 62 bis 64 ist geradezu kleinteilig festgelegt, welche Institution wen in eine VG entsendet – für jeden, den das interessiert, jederzeit und überall nachvollziehbar.

Dieser Gesetzentwurf ist rechtlich nicht geboten. Er ist bürokratisch, weil er bestehende Regelungen verkompliziert. Er ist nicht notwendig, weil Öffentlichkeit ausreichend hergestellt ist. Er ist einfach überflüssig.

Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir zu.

Ernst-Wilhelm Rahe (SPD):

„Wer als Werkzeug nur den Hammer kennt, sieht die Welt voller Nägel“ (N.N.) – So jedenfalls kann man den Grundtenor des AfD-Gesetzentwurfes verstehen, der heute an den zuständigen Ausschuss überwiesen wird.

Da sind Männer und Frauen, die sich in Vereinen und Verbänden engagieren und die dann, als Vertreterinnen und Vertreter der Allgemeinheit, in die Veranstaltergemeinschaften des Lokalen Rundfunks entsandt werden. Dort bringen sie ihren Sachverstand und den Hintergrund ihrer entsendenden Organisationen ein, und sie legen damit die Grundlagen für gute Rahmenbedingungen, damit die Redaktionen ein vielfältiges Lokalprogramm gestalten können.

Doch halt! – Und jetzt kommt die schräge Sichtweise der AfD:

Wenn sie dann auch noch Mitglied in einer der – die AfD würde sagen – „Altparteien“ sind, dann gilt das Ganze nicht, denn dann schalten die Ehrenamtlichen in den Veranstaltergemeinschaften ihren eigenen Verstand ab und werden direkt von den Parteizentralen wie Marionetten gesteuert. Sie nehmen dann direkt ideologischen Einfluss auf die Redaktionen und auf deren Programme.

Damit wird die Bevölkerung dann direkt aus den Parteizentralen mit Hilfe der – die AfD würde sagen – „Lügenpresse“ manipuliert und damit die „staatliche Medienmaschine“ (so Ihr Abgeordneter Tritschler heute Nachmittag in der Haushaltsdebatte) zementiert.

Es ist ja bekannt: Die Verbreitung von solchen Verschwörungstheorien gehört ja zum gängigen Handwerkszeug der sogenannten „Alternative für Deutschland“.

Und das ist nicht nur die Botschaft dieses AfD-Gesetzentwurfes. Schon im Juni letzten Jahres lag unter dem Vorwand einer „verbesserten Transparenz“ ein Gesetzentwurf der AfD auf dem Tisch, der die Parteimitgliedschaften von Mitgliedern aus dem WDR-Rundfunkrat und der Medienkommission bei der Landesmedienanstalt anprangerten.

Seitdem wissen wir, dass diese Partei offensichtlich Listen führt und damit auch ein gesellschaftliches Klima schaffen will, von dem wir nur erahnen, wo das enden könnte.

Auf die sogenannten AfD-“Meldeportale“ zur Denunziation unbeliebter Lehrerinnen und Lehrer wie sie z. B. in Hamburg, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg von Ihnen geführt werden, möchte ich in diesem Zusammenhang nur am Rande hinweisen.

Doch nun zurück, zu Ihrem Gesetzentwurf:

Sie leiden offensichtlich darunter, dass Sie keine Informationen hinsichtlich der „politischen und weltanschaulichen Verortung“ der Mitglieder der Veranstaltergemeinschaften im Lokalfunk haben.

Sie halten es auch für denkbar, generell von der von Ihnen so genannten „korporatistischen Grundidee“ des Zwei-Säulen-Modells abzurücken, weil die „Programmmacht“ über den lokalen Rundfunk in den angeblich willkürlich ausgewählten gesellschaftlichen Gruppen liegt.

Mir scheint: Sie haben dieses in Deutschland einzigartige Modell des Lokalfunks in Nordrhein-Westfalen immer noch nicht verstanden:

Das Landesmediengesetz und seine Regelungen zum Lokalfunk kennt eben nicht nur Hammer und Nägel, sondern eher das Lot und die Wasserwaage.

Das „Zwei-Säulen-Modell“ ist durchweg auf Konsens im lokalen Rundfunk angelegt: Die wirtschaftliche Verantwortung liegt in der Hand der Betriebsgesellschaften, die vertraglich mit den Veranstaltergemeinschaften verbunden sind. Nur gemeinsam können sie die Chefredakteurinnen und Chefredakteure einstellen. Die redaktionelle und journalistische Unabhängigkeit wird nicht zuletzt durch ein Redaktionsstatut sichergestellt.

Alle relevanten Entscheidungen werden auf den Erfolg des Senders ausgerichtet, und niemand kann einseitige Entscheidungen treffen.

Die Mitglieder und Vorstände der Veranstaltergemeinschaften wägen ab und entscheiden dann verantwortlich im Rahmen der personellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten.

Ferner sei noch einmal darauf hingewiesen, dass sich die Hörerinnen und Hörer jederzeit mit möglichen Programmbeschwerden an die unabhängige Landesanstalt für Medien wenden können.

Die Veranstaltergemeinschaften setzen sich aus den Mitgliedern von Vereinen und Verbänden in den Verbreitungsgebieten zusammen, die allesamt dem Gemeinwohl verpflichtet und hierbei an Aufträge und Weisungen nicht gebunden sind.

In jedem der 44 lokalen Radiosender setzen sich bis zu 23 Menschen ehrenamtlich für die Arbeit und das unabhängige Programm in ihrem Verbreitungsgebiet ein.

Diesen rund 1.000 engagierten Menschen in Nordrhein-Westfalen gilt unser ausdrücklicher Dank für ihren Einsatz.

Die rund 130 Vorstandsmitglieder der Veranstaltergemeinschaften opfern darüber hinaus viel Zeit (und manchmal auch Nerven), um den betrieblichen Alltag in den Redaktionen zu managen.

Diesen engagierten Menschen zu unterstellen, sie würden ihre „Programmmacht“ aus parteipolitischen Interessen missbrauchen, zeugt von einer eklatanten Missachtung der ehrenamtlichen Leistung in den Veranstaltergemeinschaften – das ist unredlich!

Und nun zum Thema „Transparenz“:

Sie beklagen einen unverhältnismäßigen Aufwand für den „normalen Bürger“, sich über das Vereinsregister über die Veranstaltergemeinschaften zu informieren. Gleichzeitig konnten Sie selbst im Netz wohl eher unkompliziert die Internetseiten des Lokalfunks auswerten.

Ich stelle fest:

1.  Alle Veranstaltergemeinschaften sind über die Seiten der jeweiligen Sender aufgeführt.

2.  Die Namen des/der Vorsitzenden aller Veranstaltergemeinschaften und in vielen Fällen auch der Vorstandsmitglieder sind dort zu finden.

3.  Ebenfalls sind alle 44 Veranstaltergemeinschaften mit einer Kontaktadresse erreichbar.

4.  Etliche Veranstaltergemeinschaften haben in eigener Verantwortung entschieden, auch ihre Mitgliederlisten zu veröffentlichen.

Die von Ihnen unterstellte „Unerreichbarkeit“ der Veranstaltergemeinschaften bleibt eine Falschbehauptung, mit der Sie die Öffentlichkeit täuschen wollen.

Es bleibt dabei: Ich bin davon überzeugt, dass Sie unter dem Deckmantel der Transparenz Ihre Verschwörungstheorien und Ihre Hetze gegen unabhängige Medien untermauern wollen.

Das ist ein Angriff auf das gut funktionierende und ausgewogene System des lokalen Hörfunks in Nordrhein-Westfalen und eine Respektlosigkeit gegenüber den engagierten Menschen in den Veranstaltergemeinschaften.

Thomas Nückel (FDP):

Und wieder ein untauglicher und von wenig Sachkenntnis gekennzeichneter Antrag bzw. Gesetzentwurf der AfD aus der Reihe „Die bösen Parteien beeinflussen die Medienwelt, ohne es kenntlich zu machen“ oder „die bösen Parteien mögen uns nicht“. Wiederum kann man es auch als „stummen Schrei nach Liebe“ seitens der AfD empfinden.

Der Vorwurf, dass ein Großteil der Veranstaltergemeinschaften parteilich geprägt sei, ist nicht richtig. Die Mitglieder in den VGs arbeiten ehrenamtlich. Ein Generalverdacht, dass die Mitglieder eine parteiliche Agenda verfolgen, ist daher auch im Hinblick auf die Wertschätzung des ehrenamtlichen Engagements nicht richtig.

Zwischen den Zeilen wird wieder mit der Unterstellung von Intransparenz und angeblich mangelnder Staatsferne gespielt. Im Machtbereich der rechtspopulistischen Freunde der AfD in Ungarn oder Polen mag dies sicherlich stimmen. In NRW funktioniert es mit der Staatsferne.

Die Anträge bzw. Gesetzentwürfe der AfD zeugen nach meinem Dafürhalten vom Unmut der Rechtspopulisten gegenüber freien und vielfältigen Medien.

Oliver Keymis (GRÜNE):

Einmal mehr legt die AfD-Fraktion einen Gesetzentwurf zum Thema „Transparenz“ vor – diesmal geht es Ihnen angeblich um die Veranstaltergemeinschaften des lokalen Hörfunks.

Der Tenor allerdings ist immer der gleiche. Es wird einmal mehr vermutet, dass hier im Hintergrund parteipolitische Machenschaften eine Rolle spielen, es wird damit auch wieder suggeriert, dass eine Parteimitgliedschaft eines Mitglieds in einer solchen Veranstaltergemeinschaft automatisch negativ konnotiert ist.

Dass die Parteien eine mitgestaltende Rolle in unserer Gesellschaft sogar nach dem Grundgesetz spielen und dass es demnach eben keine Schande ist – um in dem von Ihnen häufig genutzten sprachlichen Duktus zu bleiben – , Mitglied einer Partei zu sein, die auf dem Boden unserer Verfassung steht, das alles blenden Sie einmal mehr ideologisch aus.

Sie fordern Transparenz ein, weil Sie parteipolitisches Gemauschel vermuten, Sie wollen glauben machen, dass die demokratisch organisierten Strukturen nicht transparent sind, nur weil nicht jede Parteimitgliedschaft jedes Menschen öffentlich nachlesbar ist. Selbst Partei, reden sie andere Parteien schlecht, von denen Sie wiederholt behaupten, sie machten sich in Gremien alles zu eigen.

Dass Ihnen die Freiheiten des demokratischen Rechtsstaates zu schaffen machen, mag Ihr Problem sein, objektiv ist es das sicher nicht, und deshalb sehen wir keinen Bedarf für den von Ihnen vorgeschlagenen Gesetzentwurf.

Der Überweisung stimmt meine Fraktion zu.

Armin Laschet, Ministerpräsident:

Erneut legt die AfD einen Gesetzentwurf vor, mit dem sie Transparenzvorschriften im Medienbereich verschärfen will. Dieses Mal geht es um die Veranstaltergemeinschaften des lokalen Hörfunks.

Dabei verkennt die AfD erneut, wie schon im Falle des Gesetzentwurfs zur Staatsferne der Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW und des WDR-Rundfunkrats, dass es bereits hinreichende Transparenzvorgaben gibt.

Kurzum, wieder ist die Analyse der AfD falsch. Und aus einer falschen Analyse können keine sinnvollen Gesetzesänderungen erwachsen.

Mit der Forderung, die Veröffentlichungspflichten über die Mitglieder der Veranstaltergemeinschaften deutlich zu verschärfen, verkennt die AfD bereits den wichtigen Grundsatz, dass an den privatrechtlich organisierten lokalen Rundfunk nicht die gleichen Vielfaltsanforderungen gestellt werden können wie an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Außerdem blendet die AfD aus, dass der private lokale Hörfunk schon heute sehr strengen medienrechtlichen Vorgaben unterliegt.

Gerne rufe ich dies an dieser Stelle noch einmal en detail in Erinnerung. Konkret sieht das geltende Landesmediengesetz detaillierte

–     persönliche Anforderungen,

–     Inkompatibilitätsregelungen sowie

–   Maßgaben zur Zusammensetzung von Veranstaltergemeinschaften

vor.

Hierzu gehört, dass einer Veranstaltergemeinschaft grundsätzlich nicht angehören dürfen:

–   Mitglieder des Europäischen Parlamentes, des Bundestags, eines Landtags oder einer ausländischen Regierung,

     Beamtinnen und Beamte, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, Wahlbeamtinnen und Wahlbeamte sowie Personen, die in Parteien Vorstandsämter auf Landes- oder Bundesebene bekleiden,

     Vertreter von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie Personen, die für diese in leitender Stellung arbeiten,

–   Mitglieder eines Organs eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters sowie Personen, die bei diesen arbeiten.

Zu den im Landesmediengesetz bestehenden Regelungen gehört ferner, dass eine Veranstaltergemeinschaft sich aus mindestens 13 und höchstens 23 natürlichen Personen zusammensetzt. Diese werden nach einem detailliert vom Gesetzgeber beschriebenen Verfahren aus gesellschaftlich relevanten Gruppen entsandt bzw. gewählt. Hierdurch wird eine plurale Besetzung sichergestellt.

Abweichend vom Grundsatz dürfen maximal drei der bis zu 23 Mitglieder zugleich Mitglieder des Europäischen Parlaments, des Bundestages oder eines Landtages sein.

Im Ergebnis kann man im Gesetz nachlesen — wenn man dies denn will —, dass für den Gesetzgeber nicht nur eine plurale Ausgestaltung der Veranstaltergemeinschaften außerordentlich wichtig gewesen ist, sondern auch deren staatsferne Besetzung.

Die Einhaltung dieser Vorgaben wird übrigens durch die Landesanstalt für Medien NRW überwacht.

Weitergehende Veröffentlichungspflichten sind vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht geboten. Solche zusätzlichen Pflichten wären auch in Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen unangemessen.

Ich glaube auch, dass wir den Mitgliedern der Veranstaltergemeinschaften unrecht tun, wenn wir ihnen mit diesem Gesetz „Befangenheit“ und „parteipolitische Einflussnahme“ unterstellen. Denn sie sind ehrenamtlich für ihren Verein tätig; sie sind an Aufträge oder Weisungen nicht gebunden.

Die Schlussfolgerung lautet:

Der Gesetzentwurf der AfD ist schlicht überflüssig, wenn es darum geht, die Einflussnahme von Staat und Politik wirksam auszuschließen. Das ist bereits hinreichend durch das Landesmediengesetz NRW geregelt.

Und der Gesetzentwurf ist auch überflüssig, was sein Ansinnen angeht, den Bürgerinnen und Bürgern eine direkte Kontaktaufnahme mit den Rundfunkveranstaltern zu ermöglichen.

Auch dafür gibt es bereits klare Regelungen.

Lesen Sie bitte im Rundfunkstaatsvertrag nach. Dort steht in § 9b Ab. 2, dass Rundfunkveranstalter in ihrem Gesamtangebot zugänglich zu halten haben:

1.    ihren Namen und ihre geografische Anschrift,

2.    Angaben, die eine schnelle und unmittelbare   Kontaktaufnahme und eine effiziente Kom-  munikation ermöglichen und

3.    die zuständige Aufsichtsbehörde.

Ich fasse abschließend zusammen: Der von der AfD eingebrachte Gesetzentwurf ist schlicht überflüssig und daher aus Sicht der Landesregierung vollständig abzulehnen.