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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/67

17. Wahlperiode

20.09.2019

 

67. Sitzung

Düsseldorf, Freitag, 20. September 2019

Mitteilungen des Präsidenten. 3

1   Die Landesregierung verstrickt sich in immer größere Widersprüche und muss dem Parlament gegenüber Aufklärung leisten

Aktuelle Stunde
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7445. 3

Thomas Kutschaty (SPD) 3

Monika Düker (GRÜNE) 5

Fabian Schrumpf (CDU) 7

Roger Beckamp (AfD) 9

Marc Lürbke (FDP) 11

Minister Herbert Reul 13

Thomas Kutschaty (SPD) 15

Monika Düker (GRÜNE) 16

Christian Loose (AfD) 17

Ministerpräsident Armin Laschet 18

Thomas Kutschaty (SPD) 20

2   Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren wildlebender Arten (Gefahrtiergesetz – GefTierG NRW)

Gesetzentwurf
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7367

erste Lesung

In Verbindung mit:

Privathaltung von lebensgefährlichen Tieren regeln

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/7375. 21

Norwich Rüße (GRÜNE) 21

Dr. Ralf Nolten (CDU) 22

Markus Diekhoff (FDP) 23

Frank Börner (SPD) 24

Dr. Christian Blex (AfD) 25

Ministerin Ursula Heinen-Esser 26

Norwich Rüße (GRÜNE) 27

Ergebnis. 27

3   Zukunft des Flughafens Düsseldorf und Lärmschutz für die Anwohner in Einklang bringen – Mobilitätsbedürfnisse der Bürger dauerhaft sichern – Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze ermöglichen

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7363. 27

Nic Peter Vogel (AfD) 27

Olaf Lehne (CDU) 28

Carsten Löcker (SPD) 30

Bodo Middeldorf (FDP) 32

Stefan Engstfeld (GRÜNE) 33

Minister Hendrik Wüst 34

Herbert Strotebeck (AfD) 35

Ergebnis. 36

4   Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet brauchen eine bedeutende Immobilienmesse

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7362. 36

Roger Beckamp (AfD) 36

Wilhelm Hausmann (CDU) 36

Sarah Philipp (SPD) 38

Stephen Paul (FDP) 38

Johannes Remmel (GRÜNE) 39

Ministerin Ina Scharrenbach. 40

Ergebnis. 41

5   Volksinitiative gemäß Artikel 67 der Landesverfassung: Volksinitiative mit der Kurzbezeichnung „Aufbruch Fahrrad“

Unterrichtungen
des Präsidenten des Landtags
Drucksache 17/6925
Drucksache 17/7316. 41

6   Pläne für eine Campus-Maut für Nicht-EU-Studierende endgültig begraben

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7368 – Neudruck. 42

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE) 42

Dr. Stefan Nacke (CDU) 44

Dietmar Bell (SPD) 44

Daniela Beihl (FDP) 45

Helmut Seifen (AfD) 46

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 47

Ergebnis. 48

Entschuldigt waren:

Minister Peter Biesenbach

Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner

Minister Lutz Lienenkämper

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart

Minister Dr. Joachim Stamp

Britta Altenkamp (SPD)

Anja Butschkau (SPD)

Wolfgang Jörg (SPD)  
(ab 11 Uhr)

Jochen Ott (SPD)

André Stinka (SPD)     
(bis 12:30 Uhr)

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE)

Verena Schäffer (GRÜNE)        
(ab 12 Uhr)

Alexander Langguth (fraktionslos)

 


Beginn: 10:03 Uhr

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 67. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne und den anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich acht Abgeordnete entschuldigt; die Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Damit treten wir in die heutige Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1   Die Landesregierung verstrickt sich in immer größere Widersprüche und muss dem Parlament gegenüber Aufklärung leisten

Aktuelle Stunde
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7445

Die Fraktion der SPD und die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen haben am 18. September gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 der Geschäftsordnung zu der oben genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD Herrn Abgeordneten Kutschaty das Wort.

Thomas Kutschaty (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist heute leider notwendig geworden, weil es die Landesregierung versäumt hat, in der Fragestunde vorgestern für Klarheit zu sorgen –

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Marc Lürbke [FDP]: Zuhören! – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Klarheit über eine der zentralen Fragen, die die Öffentlichkeit im Augenblick beschäftigt: Was waren die Gründe für die Räumung des Hambacher Forstes? Diese Antwort erwarten wir heute von Ihnen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)

Noch am Mittwoch haben wir im Rahmen der Debatte um unseren Eilantrag und in der Fragestunde die Version der Bauministerin, Frau Scharrenbach, gehört.

Frau Scharrenbach hat in der Fragestunde noch einmal betont, der Brandschutz sei das wahre Motiv für die Räumung des Hambacher Forstes gewesen. Auch sie allein sei es gewesen, die das entschieden habe.

Auch sie allein sei es gewesen, die im Januar dieses Jahres entschieden habe, im Jahr 2019 keine Baumhäuser mehr zu räumen, da sich die Lage verändert habe: Die Baumhäuser seien höher, sie seien tiefer drin im Wald und hätten jetzt auch eine Doppelverglasung. Das mache die Sache anders.

(Beifall von der SPD)

Das war Ihre Einlassung, Frau Scharrenbach.

Herr Reul ist da schon einen Schritt weiter. Er räumte letzte Woche im Innenausschuss ja sogar schon ein, dass es vielleicht falsch gewesen sein könnte, das Baurecht und den Brandschutz zu strapazieren, um die Baumhäuser und den Hambacher Forst zu räumen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Das hat er nicht gesagt! – Herbert Reul, Minister des Innern: Sie waren doch gar nicht dabei!)

Dann saßen beide am Mittwoch in der Fragestunde vertraut nebeneinander und meinten, alles sei in Ordnung; man könne schon eine unterschiedliche Sichtweise auf die Dinge haben.

Nein, meine Damen und Herren, nichts ist in Ordnung. Sie haben die Öffentlichkeit über die wahren Motive getäuscht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe vor einer Woche das Angebot angenommen und Akteneinsicht genommen. Danach besteht für mich überhaupt kein Zweifel mehr, dass der Brandschutz allein Mittel zum Zweck war, nämlich für die Räumung zur Rodung. Das sagt auch schon die Zielbeschreibung des Gutachtens.

Vor dem Räumungsantrag von RWE hat die Landesregierung keinerlei Interesse am Brandschutz oder an Diskussionen über bauliche Anlagen gehabt. Erst nachdem der Antrag auf Räumung von RWE eingeht, entwickelt Frau Scharrenbach angeblich mütterliche Beschützergefühle für die sogenannten Baumbesetzer und will deren Leben vor dem drohenden Flammentod retten.

Das Innenministerium bietet Amtshilfe bei der Räumung an, obwohl die betroffenen Kommunen gar nicht bereit sind zu räumen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Gegenruf Christian Dahm [SPD]: Warte mal ab! Wird noch besser!)

Was ist die Folge? – Das Bauministerium weist die Kommunen an, jetzt auch räumen zu wollen. So ist der Vorgang gewesen, meine Damen und Herren.

Ich mache an dieser Stelle auch deutlich: Es geht in dieser Debatte und in dieser Situation nicht um Braunkohle, und es geht auch nicht darum, ob die Landesregierung das Recht hatte, die Baumbesetzer aus dem Wald zu holen oder gar illegal errichtete Baumhäuser zu beseitigen.

Es geht in dieser Debatte einzig darum, ob die Landesregierung den Menschen bei einer derartig wichtigen Frage die ganze Wahrheit gesagt hat. Es geht um Wahrhaftigkeit, es geht um Ihre Glaubwürdigkeit, Herr Ministerpräsident –

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

und das bei einer Frage, die die gesamte Gesellschaft bewegt. Ihre Entscheidung, aufgrund des vermeintlichen Brandschutzes zu räumen, hat die Lage im Hambacher Forst ja nicht gerade beruhigt. Die Entscheidung hat die Lage verschlechtert. Heute gibt es mehr Baumhäuser als vor der Räumung.

(Marc Lürbke [FDP]: Eher weniger!)

Heute sind die Fronten zwischen Gegnern und Befürwortern der Braunkohle härter als vor der Räumung.

(Zuruf von Herbert Reul, Minister des Innern)

Diese Entscheidung hat die Gesellschaft, sogar teilweise Familien, gespalten. Genau deswegen haben die Menschen einen Anspruch darauf, genau zu wissen, warum ihre Landesregierung etwas tut.

Man kann das jeweilige Regierungshandeln als gut oder schlecht empfinden; man muss sich aber darauf verlassen können, dass die Regierung ihre Bevölkerung nicht beschwindelt. Das ist entscheidend.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Diskussion um die Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Landesregierung hat in den letzten zwei Tagen in den sozialen Netzwerken einen neuen Höhepunkt erreicht. Ich will es bewusst sehr vorsichtig formulieren, weil auch ich Filmberichte sehr kritisch bewerten möchte.

Es gibt aber Medienberichte in den sozialen Netzwerken, die die Behauptung aufstellen, dass der Ministerpräsident in einem Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern eingeräumt habe, dass der Brandschutz – so angeblich wörtlich – ein Vorwand gewesen sein soll.

(Bodo Löttgen [CDU]: Völliger Quatsch!)

Herr Ministerpräsident, ich fordere Sie dringend auf, zu diesen Gerüchten, deren Wahrheitsgehalt ich nicht beurteilen kann,

(Zurufe von der CDU und der FDP: Ah!)

Stellung zu nehmen. Haben Sie das so gesagt, oder haben Sie das nicht so gesagt?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Henning Höne [FDP]: Irgendetwas wird schon hängen bleiben! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich stelle ausdrücklich klar: Ich vertraue noch dem Wort eines Ministerpräsidenten, aber ich erwarte, dass Sie das heute hier verbindlich erklären.

(Unruhe – Glocke)

Haben Sie so etwas gesagt, oder haben Sie so etwas nicht gesagt, Herr Laschet?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Weiter wurde durch Medienberichte in den sozialen Netzwerken verbreitet, der Ministerpräsident soll in diesem Gespräch auch gesagt haben: Ich wollte den Wald räumen. Ich wollte den Wald räumen. – Auch dazu kann ich leider nichts sagen, ob das so stimmt oder nicht.

(Bodo Löttgen [CDU]: Unverschämt! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Der war mal Justizminister! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP – Herbert Reul, Minister des Innern: Erst einmal mit Schmutz werfen! Sehr übel! – Gegenruf von Stefan Kämmerling [SPD]: Herr Reul, seit wann diskutiert die Landesregierung hier mit? – Herbert Reul, Minister des Innern: Das ist doch übel! – Glocke)

– Herr Reul, brüllen Sie mal nicht so von der Seite rein. Schauen Sie mal lieber in Ihren Kalender, bevor Sie hier noch mal etwas sagen.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der FDP)

Das sind eklatante Vorwürfe, die erhoben werden. Die können so nicht im Raum stehen bleiben.

(Christof Rasche [FDP]: Unfassbar!)

Sollte das tatsächlich der Fall sein, hätten nämlich Frau Scharrenbach und Herr Reul über ein Jahr lang das Falsche gesagt und uns fortlaufend falsch informiert. Es ist nämlich noch in der Fragestunde der Eindruck erweckt worden,

(Zurufe von der CDU und der FDP)

die Staatskanzlei hätte überhaupt nichts mit den gesamten Vorgängen zu tun. Ich verweise auf die Äußerungen der beiden Kabinettsmitglieder in der Fragestunde; deswegen soll das geklärt werden.

Herr Laschet, Sie haben jetzt gleich die Chance,

(Michael Hübner [SPD]: Richtig!)

hier an das Redepult zu treten und diesen Verdacht auszuräumen. Machen Sie davon Gebrauch. Es dient der Sache, es dient Ihrer Glaubwürdigkeit –

(Bodo Löttgen [CDU]: Ihre haben Sie gerade verspielt!)

es sei denn, diese Vorwürfe bestätigen sich. Dann, lieber Herr Laschet, hätten Sie ausgedient. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Kutschaty. – Für die Fraktion der Grünen erteile ich der Abgeordneten Frau Düker das Wort.

(Henning Höne [FDP]: Jetzt kommt die parlamentarische Vertretung der Besetzer! – Weitere Unruhe – Glocke – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Es geht aber nicht, dass die Minister von der Ministerbank aus reden! – Zurufe von der CDU und der FDP)

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte …

(Anhaltende Unruhe)

– Können wir anfangen, Herr Präsident?

Präsident André Kuper: Bitte, gern.

Monika Düker (GRÜNE): Ich glaube, ich habe hier überwiegend gerade das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Der Hambacher Wald ist zu einem Symbol geworden.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Forst!)

– Wir sind hier doch nicht im Kindergarten!

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von CDU und FDP – Unruhe – Glocke)

– Wissen Sie was, liebe Kolleginnen und Kollegen? Da unten werden gleich Tausende von Jugendlichen stehen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Wenn die und auch andere, die für mehr Klimaschutz demonstrieren, mitbekommen würden, was Sie hier für einen Kindergarten aufführen, wenn wir vom Hambacher Wald reden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

So schafft man Politikverdrossenheit, indem man dieses Thema einfach nicht ernst nimmt.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Sie haben die Zeichen der Zeit offenbar immer noch nicht erkannt.

(Zurufe von der CDU und der FDP – Unruhe – Glocke)

Präsident André Kuper: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf alle bitten. Es ist ein emotionales Thema; das ist verständlich. Aber ich darf alle noch einmal bitten, der Rednerin mehr Aufmerksamkeit zu zollen. Danke schön.

Monika Düker (GRÜNE): Es ist wahrscheinlich deswegen so ein emotionales Thema für die Herren hier in den ersten Reihen, weil es das Dokument des Scheiterns Ihrer Politik geworden ist, und deswegen regen Sie sich hier so auf.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben die Leitent-scheidung getroffen!)

Es ist ein Dokument des Scheiterns der Politik des Ministerpräsidenten, eine Politik, die letztlich an der Realität gescheitert ist, eine Politik, die sich geweigert hat, Verantwortung zu übernehmen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Es war eure Leit-entscheidung!)

Eine Politik, Herr Ministerpräsident, die in dieser Republik letztlich gespalten statt versöhnt hat, und eine Politik, die über die Hintergründe der Räumung die Öffentlichkeit nachweislich getäuscht hat. Das wissen wir seit gestern aus der Fragestunde,

(Zuruf: Seit vorgestern!)

und das belegen auch die Akten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ein Ministerpräsident, der nicht nur in Hambach, aber gerade da so viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit verspielt hat, sollte heute hier zu diesem Sachverhalt endlich einmal Stellung beziehen und es nicht wieder seinem Minister Reul und der Ministerin Scharrenbach überlassen.

Die Geschichte fing ja nicht erst gestern an.

(Zuruf von der FDP: 2016! – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

– Kommen Sie doch endlich mal alle wieder von diesem Pavianhügel runter, Josef Hovenjürgen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es war kein grüner Parteitag, sondern es war der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht Köln, der Ihnen 2017 bei einem Urteil ins Stammbuch geschrieben hat:

(Zurufe)

Lösen Sie diesen Konflikt politisch. Stellen Sie Rechtsfrieden her. Reden Sie mit den Leuten. Schlichten Sie.

Was haben Sie gemacht?

(Dietmar Brockes [FDP]: Wer hat denn die Leit-entscheidung getroffen?)

Sie haben alle Vergleichsvorschläge des Gerichts einfach abgelehnt. Sie haben auf Konfrontation gesetzt,

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zurufe)

und Sie haben RWE dieses Märchen geglaubt: Wenn wir da jetzt nicht roden, gehen in Deutschland die Lichter aus. Alle Hilferufe …

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Leitentscheidung! Ich sage nur: grüne Leitentscheidung!)

Es waren über 50 Organisationen von der Evangelischen Kirche bis zu Klimaschutzbündnissen. Es waren doch nicht nur wir Grünen. Die haben sich mit Hilferufen an Sie gewandt, Herr Ministerpräsident.

Während RWE in der Staatskanzlei und in den Ministerien ein‑ und ausging,

(Herbert Reul, Minister des Innern: Na, na, na, na!)

hat die Zivilgesellschaft noch nicht mal eine Antwort von Ihnen bekommen. So haben Sie sich einseitig zum Interessenvertreter des Konzerns gemacht und die Zivilgesellschaft nicht gehört.

(Beifall von den GRÜNEN)

Im Sommer 2018 sind die Lichter immer noch nicht ausgegangen; der Wald stand immer noch. Spätestens jetzt war politisch klar: Die Kohle unter dem Wald wird nicht mehr benötigt. Die Kohlekommission wurde eingesetzt. Allen war klar: Der Wald wird bleiben.

Dann – ich habe es in den Akten ja auch mit Erstaunen gelesen – läutete RWE das sogenannte Rodungsfinale ein. Was für ein Anachronismus, mit den Kettensägen Fakten schaffen zu wollen und ein Exempel zu statuieren, während die Kohlekommission tagt.

(Dietmar Brockes [FDP]: Die letzten 50 Bäume wurden von Besetzern gefällt!)

Allerspätestens jetzt, Herr Ministerpräsident, hätten Sie die Reißleine ziehen müssen, wenigstens mit RWE Klartext reden müssen, die Rodung wenigstens bis zum Ergebnis der Kohlekommission aussetzen und das Primat der Politik geltend machen müssen

(Zurufe von der CDU und der FDP)

oder handeln, wie die Gewerkschaft der Polizei es genannt hat: reden statt roden.

Auch hier haben Sie sich dagegen entschieden und weiter auf Konfrontation mit der Zivilgesellschaft gesetzt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber dann gab es Widerspruch aus den eigenen Reihen.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Herr Reul und Frau Scharrenbach, die zuständigen kommunalen Ordnungsbehörden, so können wir jetzt ja lesen, halten ein Einschreiten nicht für geboten.

Die Polizei vermerkt keine eigene Zuständigkeit und handelt nur auf Bitte um Vollzugshilfe anderer Behörden. Die finden sich aber nicht. Da hätte man ja sagen können: Dann machen wir diese Akte zu, Frau Scharrenbach.

Aber auch hier wieder eine Entscheidung gegen Schlichtung: Wenn man nicht gebeten wird, organisiert man sich die Vollzugshilfe einfach selbst durch Weisung.

Dafür braucht man ja irgendwie eine Legitimation. Das Gutachten? – Bislang wissen wir nur, dass das aufgrund eines Telefonats in Auftrag gegeben wurde. Hier bleiben viele Fragen offen, ob hier die Vergaberichtlinien eingehalten wurden. Ich habe große Zweifel daran. Diese Überprüfung muss und wird weiter stattfinden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter, Herr Reul, ist bestimmt keine Vorfeldorganisation der Grünen.

(Zuruf von der FDP)

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter bilanziert an dieser Stelle – ich zitiere aus der Presseerklärung –:

„Diese Amtshilfe hätte zum jetzigen Zeitpunkt versagt werden müssen, weil dem Land erhebliche Nachteile bei der Gewährleistung der Sicherheit für die Bevölkerung entstehen.“

Das ist an Deutlichkeit nicht zu übertreffen.

(Zurufe von der CDU)

Entgegen Ihrer Aussagen vorgestern hier im Plenum bei der Fragestunde wurde Bereitschaftspolizei von den Kriminalitätsbrennpunkten abgezogen. Ich weiß es doch selbst aus der Altstadt in Düsseldorf. Sie sagten gestern meines Wissens nicht: Die Bereitschaftspolizei ist da gewesen.

(Herbert Reul, Minister des Innern: Nee, nee, nee! Das habe ich nicht gesagt!)

– Nein, die Bereitschaftspolizei wurde abgezogen, die Sicherheit wurde gefährdet,

(Herbert Reul, Minister des Innern: Nee, nee! – Zuruf von der FDP: Falsch! Falsch!)

und Sie haben auf dem Rücken von Polizistinnen und Polizisten einen völlig unnötigen Einsatz gefahren.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Herr Minister, Sie sind ja bekannt dafür, für den Applaus an Stammtischen auch schon mal die Tatsachen zu verdrehen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ihre Aussage, dass für Windräder in Aachen mehr Bäume gerodet werden als im Hambacher Wald: falsch, mussten Sie zurücknehmen.

(Zurufe von der CDU)

Sie haben gesagt, dass sich die Zahl der Straftaten im Sommer 2018 erhöht hätte. Aber sie hat sich gar nicht erhöht. Gegenüber dem Jahr davor hat sie sich halbiert. Auch hier eine Aussage, die so nicht stimmte.

(Marc Lürbke [FDP]: 1.700 Straftaten in drei Jahren!)

Sie haben Ihre Polizeibeamten von Tunnelsystemen … Wir waren ja im Hambacher Wald im Vietnamkrieg.

(Zurufe von der CDU)

All das mussten Sie korrigieren.

(Marc Lürbke [FDP]: 1.700 Straftaten!)

Dann erinnern Sie sich im Plenum interessanterweise an Gespräche mit RWE. Ein paar Wochen später fragt Sie der WDR; da erinnern Sie sich wieder nicht. Einen Tag später erinnern Sie sich doch wieder.

Bei einem Minister, der sich so oft korrigieren muss, frage ich mich: Ist das wirklich nur ein schlechtes Gedächtnis oder Strategie?

Mein Fazit: Dem Konflikt, Herr Ministerpräsident, hätten Sie von Anfang an den Boden entziehen können und müssen, wenn Sie einfach nur Ihren Job mit einem Rodungsmoratorium gemacht hätten. Dann hätte dieser Konflikt niemals stattgefunden.

Bis jetzt sprechen Sie keinen Bestandsschutz für den Hambacher Wald aus.

(Zuruf von der CDU: Forst!)

Ich fordere Sie auf: Machen Sie es heute endlich. Senden Sie ein Zeichen an „Fridays for Future“ und sagen: Dieses Kapitel ist beendet, der Wald wird bleiben.

Präsident André Kuper: Liebe Kollegin, die Redezeit ist zu Ende.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Monika Düker (GRÜNE): Die Legitimation des größten und völlig unnötigen und unverhältnismäßigen Einsatzes der Polizei, Herr Reul, wurde politisch motiviert herbeibegutachtet. Der Zweck heiligt in einem Rechtsstaat nicht die Mittel. Deswegen werden wir diese Geschichte weiter aufarbeiten. Sie ist für uns noch nicht zu Ende erzählt. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Herr Schrumpf.

Fabian Schrumpf (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition! Ich bin mir noch nicht sicher, wie ich das, was Sie hier heute mit der Aktuellen Stunde und mit Ihren Wortbeiträgen veranstalten, Herr Kutschaty und Frau Düker, bezeichnen soll. Ist es ein Schauspiel, ein Theaterstück,

(Frank Müller [SPD]: Das ist ein Trauerspiel der Regierung! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Zurufe von der SPD)

eine Inszenierung? Oder ist es nicht vielmehr eine Schmierenkomödie?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der Duden definiert eine Schmierenkomödie jedenfalls als ein theatralisches Gebaren,

(Marc Herter [SPD]: Das Parlament ist nie ein Schauspiel, Herr Kollege!)

mit dem jemand auf billige, abgeschmackte Weise versucht, Effekte zu erzielen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Diese Definition trifft den Nagel doch auf den Kopf und beschreibt gut das, was Sie als Opposition versuchen, hier zu konstruieren, nämlich einen ach so großen Aufreger, der tatsächlich aber überhaupt keiner ist.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Schauen wir mal! – Weitere Zurufe)

Sie versuchen, unseren Innenminister zu diskreditieren. Zudem werfen Sie der Landesregierung in Ihrem Antrag vor, nicht durchweg die Rolle des Parlamentes ernst genommen zu haben.

Ein völlig abwegiger Vorwurf. Die Landesregierung hat ihre Kooperationsbereitschaft durch vollumfängliche Informationen und Transparenz zum Ausdruck gebracht:

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

jeweils gut drei Stunden umfangreiche Information – zunächst im Innenausschuss, dann im Bauausschuss –, die freiwillige Gewährung der Akteneinsicht, die Diskussion um Ihren Eilantrag und schließlich am Mittwoch – Vizepräsident Oliver Keymis hat es gesagt – eine Fragestunde mit historischer Dauer von mehr als zwei Stunden.

Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehen wir nicht nur zwei Tage, sondern wesentlich weiter zurück, nämlich in das Jahr 2016, das Jahr Ihrer rot-grünen Leitentscheidung, von der heute vor allem Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, rein gar nichts mehr wissen wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit dieser Entscheidung, die nämlich sämtliche Tagebaue zum Inhalt hatte, haben Sie doch erst die Bagger an die verbliebenen Teile des Hambacher Forstes herangeführt. Frau Düker, wenn Sie heute nichts mehr davon wissen wollen, schaffen Sie damit Politikverdrossenheit.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD – Zurufe von den GRÜNEN)

Bekanntlich wurden im Hambacher Forst im Laufe der Jahre eigenmächtig zahlreiche Baumhäuser und vergleichbare Konstruktionen errichtet. Diese verfügten teilweise über mehrere Stockwerke, einschließlich Feuerstellen und Heizungen.

Mit gesundem Menschenverstand betrachtet hätte doch jedem von uns klar sein müssen, dass solche ungenehmigten Baumhäuser auf fremdem Eigentum kein rechtmäßiger Zustand sein können. Wer will das denn von Ihnen heute ernsthaft bestreiten?

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Und heute? – Weitere Zurufe von der SPD)

Doch anstatt konsequent einzuschreiten, hat sich die rot-grüne Vorgängerregierung weggeduckt.

(Zurufe von der SPD)

So hat zwar zumindest das damals SPD-geführte Innenministerium, Herr Jäger, erkannt,

(Unruhe – Glocke)

dass es hier Handlungsbedarf gibt – Stichwort: Beseitigung von Schwarzbauten.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Es sei denn, sie haben Doppelverglasung!)

Doch was macht dann das ebenfalls SPD-geführte Bauministerium? – Das Groschek-Ministerium wischt die Auffassung der unteren Bauaufsichtsbehörde sowie ein mehr als 20-seitiges Rechtsgutachten mit einem knappen Dreizeiler einfach beiseite. Es hält ein Eingreifen der Bauordnungsbehörden für nicht geboten und legitimiert damit quasi die bauordnungsrechtlich unhaltbaren Zustände im Forst.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das heißt, Sie räumen wieder! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, daran wird doch deutlich, dass das Problem, das wir heute mit illegalen Baumhäusern und Straftätern im Hambacher Forst haben, durch Nichtstun und Wegsehen der Vorgängerregierung geradezu herbeigeführt worden ist.

(Beifall von der CDU und der FDP – Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben nichts getan! Rechtsfreie Räume haben Sie geschaffen! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Deswegen bleiben die illegalen Häuser jetzt stehen, oder?)

Hätten Sie und Ihr damaliger Bauminister Groschek von Anfang an konsequent Recht und Ordnung durchgesetzt, hätten wir die Probleme heute nicht in dieser massiven Form.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Gewaltmonopol liegt einzig und allein beim Staat. Dass dieser davon zur Durchsetzung von Recht und Gesetz auch tatsächlich Gebrauch macht, ist unabdingbar für die Funktion eines Rechtsstaates. Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger ebenso verlassen wie die Unternehmen in unserem Land.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Eben nicht! Nein, das können sie nicht mehr!)

Dies haben wir auch stets mit unserer Nulltoleranzstrategie unmissverständlich deutlich gemacht,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Es sei denn, es gibt Doppelverglasung!)

und Nulltoleranzpolitik bedeutet eben, dass geltendes Recht überall gilt und auch durchgesetzt wird.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Vor diesem Hintergrund hat Anfang 2018 das Innenministerium unter Führung unseres Innenministers Herbert Reul erkannt, dass es so im Hambacher Forst nicht weitergehen kann.

(Zurufe von der SPD)

In diesem Zuge wurde beispielsweise die unter Groschek vertretene Rechtsauffassung des Bauministeriums kritisch überprüft, unter anderem durch das bekannte Rechtsgutachten der Kanzlei Baumeister. Die Prüfung kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass ein Einschreiten der Bauaufsicht geboten ist.

Das Bauministerium nahm dann dieses Gutachten zum Anlass, diese falsche Rechtsauffassung zu hinterfragen und zu revidieren. Da damals Gefahr für Leib und Leben bestand,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Heute nicht mehr? – Stefan Zimkeit [SPD]: Heute haben wir ja Doppelverglasung!)

waren die sodann ergangenen Beseitigungsverfügungen sofort zu vollziehen, sodass es nach Abwägung aller bekannten Tatsachen durch die Bauministerin im September 2018 zur Räumung des Hambacher Forstes kam.

Die Gerichte haben die Rechtmäßigkeit dieser Räumung mehrfach bestätigt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Dann räumen wir morgen wieder!)

Nachdem im Oktober das Oberverwaltungsgericht Münster einen vorläufigen Rodungsstopp für den Hambacher Forst verhängte, legte die Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung ihren Abschlussbericht Ende Januar 2019 vor.

Und nun fragen Sie von der Opposition, warum die nun wieder errichteten Konstruktionen im Hambacher Forst nicht erneut geräumt werden, und versuchen so, angebliche Widersprüche zu konstruieren.

(Zurufe von der SPD)

Die Ministerin hat es Ihnen doch unmissverständlich deutlich gemacht, sowohl im Bauausschuss als auch in der Fragestunde:

Die Baumhäuser liegen nun wesentlich weiter im Forst und sind auch höher in den Bäumen angebracht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das haben wir doch gehört! Die haben jetzt Doppelverglasung!)

Eine Räumung wäre erheblich aufwendiger und gefährlicher für unsere Einsatzkräfte, Stichwort: Doppelverglasung.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Genau, Doppelverglasung! – Michael Hübner [SPD]: Das ist der Punkt!)

Außerdem würde eine weitere Räumung die Fällung zahlreicher

(Zurufe von der SPD – Unruhe – Glocke)

Bäume erfordern, für deren Erhalt wir uns doch alle gemeinsam einsetzen und starkmachen wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Im Ergebnis liegt heute also schlichtweg eine andere Situation vor,

(Zurufe von der SPD)

weswegen sich die Ministerin jüngst nach erfolgter Abwägung völlig zu Recht gegen eine weitere Räumung entschieden hat.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Das, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der Opposition, ist im Übrigen ein völlig üblicher juristischer Vorgang, den Sie jetzt hier vergeblich zu skandalisieren versuchen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich fasse also abschließend zusammen: Die Landesregierung hat maximale Transparenz versprochen und auch geschaffen – sei es durch die ausführlichen Berichte in den Ausschüssen, die Beantwortung der Fragen im Plenum sowie nicht zuletzt durch die freiwillige Einsichtnahmemöglichkeit in ihre Akten.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Teilweise Akteneinsicht!)

Ich bin selbst dort gewesen und habe Einsicht genommen. Zumindest den Juristen in Ihren Reihen, Herr Kutschaty, dürfte doch klar sein, dass es Dinge gibt wie beispielsweise Klarnamen, Adressen und andere sensible Daten, die eben nicht öffentlich genannt bzw. ungeschwärzt aufgeführt werden dürfen. Nichts anderes sieht auch das Informationsfreiheitsgesetz unseres Landes vor.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Vor diesem Hintergrund fordere ich Sie von Rot und von Grün auf: Hören Sie endlich mit Ihren unhaltbaren Vorwürfen auf. Beenden Sie Ihre Schmierenkomödie, sodass wir uns den wirklich wichtigen Themen unseres Landes widmen können. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP – Widerspruch von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der AfD spricht nun der Abgeordnete Herr Beckamp.

Roger Beckamp (AfD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worum geht es heute bei der Aktuellen Stunde? – Das kommt darauf an, wer sich damit befasst:

Zunächst zu den Antragstellern: Den Grünen ist die ganze Sache eine Herzensangelegenheit. Ich nehme Ihnen das ab. Für sie ist der Kampf gegen Bagger Teil ihrer Weltanschauung, ein Kampf gegen die Industrie und für die Natur. Einigen vor Ort wird das sicherlich auch so gehen.

Ihr wesentlicher Antrieb ist allerdings, ihre Klientel zu bedienen. Dabei geht es nicht um Verlust von Heimat, Strukturwandel oder Umweltschutz. Dabei geht es um linksextreme Gewalttouristen, Kämpfer gegen das System, gemischt mit Bildungsbürgern, die mal etwas erleben, sich endlich mal bei ihren Aktionen gut fühlen wollen. Herr Minister Reul nannte das ein Sammelbecken von Chaoten und Radikalen aus ganz Europa – auch schön formuliert. Die Grünen bedienen damit ihre Vorfeldorganisationen. Sie sind der parlamentarische Arm der Besetzer im Hambacher Forst.

(Beifall von der AfD)

Worum geht es der SPD? – Die Lage ist gemischt. Zum einen möchten Sie als SPD schon lange und immer mehr eigentlich grün sein. Das ist ihr grundsätzliches Problem. Deswegen stehen sie aktuell bei den Umfragen auch da, wo sie stehen.

Aber zum anderen, und dabei geht es nicht nur hier, sondern in letzter Zeit auch bei Kommissionen und Untersuchungsausschüssen – das ist ein ganz starker Antrieb für sie –, um neue Posten, um Planstellen für Mitarbeiter, Budgets, um viel Steuergeld. Sie wollen einfach Auffangstationen für Ihre Leute schaffen, und der neue Parlamentarische Untersuchungsausschuss „Hambacher Forst“ wird gerade vorbereitet. Endlich wieder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für verdiente oder auch unverdiente Genossen, nachdem die Wahlergebnisse nicht mehr ganz so rosig sind. Es geht nicht um Aufklären und Gestalten, es geht um: „Rette sich, wer kann!“,

(Zuruf von der SPD)

das heißt, um Posten und Pfründe.

Zur Landesregierung: Die Landesregierung muss sich das ganze Theater um den Hambacher Forst seit Monaten anhören – in Ausschüssen, Fragestunden, hier im Plenum.

Zum Sachstand: Die Baumhäuser und sonstigen Anlagen im Hambacher Forst wurden bereits beseitigt und dann alsbald wieder von den üblichen Verdächtigen neu errichtet – der aktuelle Stand.

All das steht im Widerspruch zur Bauordnung, kurz gesagt, alles rechtswidrig, muss beseitigt werden. Aber – und das ist interessant – genau das passiert ja nicht. Denn Frau Ministerin Scharrenbach sagt, die Lage sei heute anders als früher, es seien – Zitat – andere bauliche Qualitäten. Die Baumhäuser seien tiefer in den Wald und höher in die Bäume gebaut. Deshalb müsse die Räumung anders ausfallen oder warten, weil Bäume gefällt werden müssen.

Um Gottes Willen, dann fällen Sie doch ein paar Bäume! Es geht doch angeblich um Menschenleben, um Gefahr im Verzug. Das war damals doch auch schon so.

Zudem – ein weiteres Argument – hätten Doppelverglasungen stattgefunden, was ein hohes Verletzungsrisiko berge. – Der Einwand ist berechtigt, lässt sich hören. Nachdem die Polizisten beim letzten Mal mit gefährlichen Gegenständen beworfen wurden, und zwar massiv, ist genau davon auszugehen, dass es wieder passiert und die Polizisten diesmal mit noch mehr Risiken gefährdet werden. Das ist ein treffendes Argument.

Aber es bleibt dabei: Die Baumhäuser sind im wahrsten Sinne des Wortes rechtsfreie Räume. Aber aktuell machen Sie nichts anderes, außer sich vor den Wald zu stellen und hineinzurufen, dass das so ist. Sie bleiben aber vor dem Wald stehen. Warum ist das so? – Ich kann gut begründet vermuten, Sie möchten die Sache zunächst aussitzen. Sie haben Angst vor unschönen Bildern, Bilder von rechtmäßigen, aber robusten Einsätzen, von Gewalt und Gegengewalt. Haben Sie Angst, Herr Reul? – Vielleicht.

Frau Ministerin Scharrenbach, haben Sie Angst? – Sicher nicht, Sie nicht. Man könnte meinen, Sie sind der einzige Kerl im Kabinett und ziehen das durch –

(Vereinzelt Heiterkeit)

und das völlig zu Recht. Aber Sie tun es nicht, und da ist das Problem. Sie bewegen sich auf Samtpfötchen Richtung Grüne. Da ist die Krux des Ganzen. Warum?

Die Wahlergebnisse der letzten Zeit verraten uns warum. Für die schwarz-gelbe Landesregierung ist 2022 Schluss. Die eine Stimme Mehrheit werden sie nicht annähernd mehr erreichen. Und die grüne Politik von Herrn Minister Stamp und seinen Liberalen ist dann vorbei. Die FDP wird nicht mehr benötigt.

Dann heißt es: auf in die schöne neue Welt von Schwarz-Grün, in der Herr Laschet schon längst gerne wäre. Genau dafür macht die Braut CDU – Sie merken, wer die Braut ist – sich jetzt schon schön. Sie wollen es den Grünen nicht zumuten, weil Sie später genau mit diesen Grünen ins Bettchen steigen wollen.

(Beifall von der AfD)

Sie machen sich schön und wollen sich und den Grünen keine Steine in den Weg legen, jedenfalls nicht durch so ein paar rechtswidrige Baumhäuser, ein bisschen Gefahr im Verzug, ein bisschen Rechtsstaat. Sie tauschen den Rechtsstaat gegen die herbeigesehnte schwarz-grüne Regierungshochzeit. Und das ist die erste frühe Liebelei. Aber was macht man nicht alles für die Umwelt.

(Zuruf von der CDU)

Und die FDP steht daneben und schaut einfach zu. Darum geht es heute, darum geht es seit Wochen und Monaten und wahrscheinlich demnächst auch in irgendwelchen Untersuchungsausschüssen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Lürbke das Wort.

Marc Lürbke*) (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim besten Willen, es tut mir leid, ich finde die ganze Debatte so etwas von absurd, weil sie völlig am Thema vorbeigeht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Worum geht es denn bei der Räumung im Hambacher Forst eigentlich? Haben das alle vergessen? – Es war doch allerhöchste Zeit, dass im Hambacher Forst mal wieder irgendjemand ein Gesetz anwendet, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Und es war doch allerhöchste Zeit, dass der Rechtsstaat im Hambacher Forst konsequent auftritt – der Rechtsstaat, der zuvor jahrelang einfach einem Koalitionsfrieden zwischen SPD und Grünen geopfert wurde. Und es war allerhöchste Zeit, dass diese gewalttätigen Linksextremen, diese Anarchisten oben in den Baumhäusern, wohlgemerkt auf fremdem Eigentum, nach jahrelanger Untätigkeit der rot-grünen Landesregierung aus den Bäumen geholt werden, meine Damen und Herren. Das haben Sie anscheinend alle vergessen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Werte SPD und Grüne, Sie tun jetzt quasi so, als wäre diese erfolgte Durchsetzung von Recht und Gesetz eine Straftat. Wo leben wir denn, was ist das denn für eine Weltsicht?

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht! – Weitere Zurufe von der SPD)

Und die Krönung des Ganzen hat gerade der ehemalige Justizminister – das muss man sich auch mal verinnerlichen –, Herr Kutschaty,

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

hier vorgenommen. Herr Kutschaty, hier einfach mit Dreck zu schmeißen in der Hoffnung, dass irgendetwas hängen bleibt, das ist Ihrer und eines ehemaligen Justizministers absolut unwürdig.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, es würde sich mal lohnen, darüber zu diskutieren,

(Zurufe von der SPD)

wie sich über Jahre hinweg eine Szene von Linksextremisten und Kriminellen in einem nordrhein-westfälischen Wald überhaupt aufbauen konnte. Darüber hätten wir diskutieren können.

(Vereinzelt Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD – Unruhe)

Stattdessen beantragen Sie eine Aktuelle Stunde zu vermeintlichen Widersprüchen der Landesregierung,

(Zurufe von der SPD)

weil sie dagegen vorgegangen ist. Eigentlich gibt es genug zu tun. Anstatt dass sich SPD und Grüne aber wieder der Zukunft unseres Landes zuwenden, gibt es jetzt noch einmal eine Aktuelle Stunde von 90 Minuten zu längst beantworteten Detailfragen.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD)

Zwei Stunden Innenausschuss,

(Unruhe)

zwei Stunden Bauausschuss, zwei Stunden Fragestunde – meine Damen und Herren, es ist alles beantwortet. Was fehlt Ihnen denn?

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

– Frau Schäffer, ich verstehe es nicht.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Sie haben sich gestern an dieses Pult gestellt und erklärt, es sei nicht alles beantwortet worden, es sei noch alles offen.

Ich war immer dabei. Ich saß im Innenausschuss. Ich saß in der Fragestunde. Ich hatte die Akteneinsicht. Sie haben alles bekommen. Sie haben mündlich Auskunft bekommen. Sie haben schriftliche Unterlagen bekommen. Sie müssen einfach nur zuhören. Was soll der Innenminister denn machen?

(Zurufe von der SPD)

Soll er Ihnen die Antworten noch tanzen, dass Sie sie verstehen? Das macht er vielleicht. Wenn es der Wahrheitsfindung dient, macht er auch das. – Aber einfach mal zuhören!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Schäffer, dann bleibe ich bei Ihnen: Dass sich die Grünen bei diesem Thema von bürgerlich-rechtsstaatlichen Vorstellungen komplett verabschiedet haben, ist ein offenes Geheimnis.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Ich sage nur noch einmal: Parteitag an der Abbruchkante. Da war ja irgendwas.

Aber, dass auch Sie, meine Damen und Herren von der SPD, jeden gestalterischen Anspruch für das Land endgültig aufgeben

(Zuruf von der SPD: Es geht um die Glaubwürdigkeit des Ministerpräsidenten!)

und stattdessen nur noch eine inszenierte Skandalsuche betreiben,

(Unruhe – Glocke)

stimmt mich ein wenig besorgt.

Jetzt mal ehrlich: Liebe SPD, glauben Sie wirklich, dass Sie mit dieser Aktuellen Stunde irgendwas zur Zukunft des Landes Nordrhein-Westfalen beitragen? Glauben Sie, dass Sie irgendwas beitragen,

(Zuruf von der SPD)

zum Beispiel zur Zukunft der Sozialdemokratie?

(Christian Dahm [SPD]: Es geht um das Informationsrecht, Herr Kollege! – Weitere Zurufe)

Wegen Ihres Theaters habe ich seit Tagen das Gefühl, dass ich hier in einer Endlosschleife einer Baurechtsvorlesung feststecke – völlig vorbei am Thema, völlig vorbei an der Lebenswirklichkeit der Menschen. Glauben Sie, draußen versteht das einer?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das eigentliche Problem gerät völlig aus dem Blick.

(Christian Dahm [SPD]: Wie die ganze Rede!)

Wer im Hambacher Forst auf fremdem Eigentum mehrgeschossige Baumhäuser baut, mit Kot wirft, mit Zwillen schießt, Molotowcocktails wirft, Nagelfallen baut und Bäume fällt,

(Zurufe von der SPD)

dem geht es nicht um den Wald, liebe Leute, sondern dem geht es um die Systemfrage. Es geht denen um die Anarchie, und genau da müssen wir ran.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und der AfD)

Stattdessen werfen Sie der Landesregierung Widersprüchlichkeit vor.

Da sollten Sie sich lieber an die eigene Nase fassen, werte Kollegen der SPD. Es tut einem ja schon fast leid um den Zustand der ehemaligen Rechtsstaatspartei SPD.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Weiterer Zuruf von der SPD: Da muss er selber lachen!)

Ich gebe Ihnen ein Beispiel.

(Zurufe von der SPD)

– Hören Sie mal zu; dann werden Sie es merken.

Frau Kollegin Philipp, Ihr Beitrag gestern hier an diesem Pult – ich zitiere –: Das war … der überflüssigste Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Michael Hübner [SPD]: Völlig richtig!)

Ach, Herr Kutschaty, Sie applaudieren auch noch! Haben Sie es gesehen? Herr Kutschaty hat noch applaudiert. Ich wollte Sie gerade zitieren, denn

(Unruhe)

– Frau Philipp, da hätten Sie besser mal auf Ihren Fraktionsvorsitzenden hören sollen – er hat diesen Polizeieinsatz immer lautstark verteidigt. Ich zitiere Sie einmal. 14.09. „Westdeutsche Zeitung“, Zitat Thomas Kutschaty:

„RWE habe einen Rechtsanspruch, und wenn der Energiekonzern die Bäume roden wolle, müsse der Rechtsstaat diesen Anspruch durchsetzen.“

(Zurufe von der FDP und der CDU: Oh! – Gegenrufe von der SPD)

Genau! Schöner hätte man das nicht sagen können. Herr Kutschaty, ich stimme Ihnen völlig zu.

(Zuruf von der SPD)

Aber kaum wittern Sie irgendwo den Skandal, dann ist das alles vergessen, dann ist hier nur noch Schmierentheater, dann wird dem alles geopfert.

(Unruhe)

Noch etwas zu Ihrer Aussage „überflüssigster Polizeieinsatz aller Zeiten“, Frau Philipp: In Anbetracht dieses linksextremen Hintergrunds, den ich eben geschildert habe,

(Zuruf von der SPD: Brandschutz!)

kann ich eigentlich nur sagen, dass ich die Leistung unserer Polizei im Hambacher Forst alles andere als überflüssig finde.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich finde solche Aussage eher eine Frechheit und sage Ihnen ganz deutlich: Ich bin den Beamtinnen und Beamten überaus dankbar für ihren gefährlichen Einsatz, den sie dort geleistet haben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, auf den Punkt gebracht: Da nisten sich absolut gewaltbereite Chaoten über Jahre in den Bäumen ein. Die rot-grüne Landesregierung macht nichts. Der SPD-Bauminister weist noch Baubehörden an, die ein mehrstöckiges Baumhaus – wohlgemerkt mit Küche und Heizung – richtigerweise als bauliche Anlage bewerten, diese rechtliche Ansicht gefälligst mal zu korrigieren – wahrscheinlich deshalb, damit die rot-grüne Landesregierung nicht einschreiten muss. Und jetzt werfen Sie ausgerechnet diesem Innenminister Täuschung vor. Das ist doch ein Scherz.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Sie machen hier ein fürchterliches Theater wegen Einsichtsrechten und Widersprüchen, die es gar nicht gibt.

(Zurufe von der SPD: Ha, ha!)

Am Ende wissen wir doch alle, was wirklich dahintersteckt.

Meine Damen und Herren, Sie haben mit Ihrer rot-grünen Leitentscheidung die Axt an den Hambacher Forst gelegt.

(Zuruf von der SPD)

Sie haben danach jahrelang nichts unternommen, und jetzt wollen Sie der Öffentlichkeit das Gegenteil verkaufen. Sie wollen hier und heute über Widersprüchlichkeiten reden. Das ist an Widersprüchlichkeit nicht zu überbieten. Das merken Sie selbst. – Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Reul das Wort.

(Zuruf von der SPD: Unglaublich! – Weitere Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der CDU – Glocke)

Herbert Reul, Minister des Innern: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erstens: Sie greifen mich seit Wochen und Monaten an. Ich habe ein Recht, darauf zu antworten.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD)

– Das hätten Sie wohl gerne, dass ich sprachlos wäre.

Zweitens.

(Zuruf von der SPD: Ein Wunderheiler!)

Herr Kutschaty hat in seiner Rede sehr lautstark vorgetragen, wir hätten es versäumt, alles aufzuklären, um dann an anderer Stelle seiner Rede lange auszuführen, was er alles als Ergebnis hat, und mit dem Satz zu enden: Das ist genau der Vorgang.

Also, entweder ist nichts klar oder es ist alles klar. Da gibt es einen kleinen Widerspruch, den Sie aufklären müssen.

(Sarah Philipp [SPD]: Da sollten Sie ganz vorsichtig reden über Widersprüche!)

Wir haben versucht, unseren Beitrag zu leisten. Wir haben 24 Kleine Anfragen beantwortet. Wir hatten sechs Behandlungen und Fragerunden allein im Innenausschuss und noch mal fünf Behandlungen im Bauausschuss.

Fragen alle beantwortet.

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Dann haben wir Drucksachen seitenweise produziert.

(Zuruf von der SPD: Qualität, nicht Quantität!)

22 Aktenordner, freiwillig. Können Sie alles nachlesen.

(Zurufe von der SPD)

Fünf Befassungen im Plenum, allein vorgestern in der Fragestunde – historische Länge 2 Stunden. Es gab 36 Wortmeldungen. Alle Fragen wurden beantwortet.

(Volkan Baran [SPD]: Es geht um die Glaubwürdigkeit des Ministerpräsidenten! – Weitere Zurufe von der SPD)

Danach gab es die Frage des Präsidenten: Gibt es weitere Fragen? – Es gab keine weiteren Fragen.

(Zurufe von der SPD: Aha! – Christian Dahm [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)

Insgesamt 15 Stunden. Das finde ich in Ordnung.

Was ich schwer verstehe, ist, dass Sie einfach immer weitermachen und immer wieder Neues vorwerfen, obwohl es geklärt ist.

(Zurufe von der SPD)

Sie sagen, ich habe die Gespräche mit RWE verschwiegen. – Habe ich nie verschwiegen. Ich habe die Gespräche mit RWE in diesem speziellen Zeitfenster verschwiegen. – Stimmt auch nicht, denn ich habe unmittelbar danach sofort aus eigenem Antrieb – danach haben Sie gar nicht gefragt, Sie hätten es vielleicht auch gar nicht gemerkt – gesagt: Das war ein Fehler. Ich habe es also korrigiert.

(Zuruf von der SPD: Das ist ja das Schlimme!)

Dann haben Sie gesagt,

(Zuruf von der SPD: Das ist Ihr Termin gewesen, nicht unser!)

die Kanzlei sei eine CDU-Kanzlei. – Widerlegt! Dann war es eine RWE-Kanzlei. – Widerlegt! Alles anständige, hochprofessionelle Juristen. Das ist auch denen gegenüber extrem unfair, da immer weiterzumachen.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Und dann kommt dieses „Westpol“-Zitat vom 23.09., völlig aus dem Zusammenhang gerissen, auch das am Mittwoch von mir geklärt.

Noch einmal zum Mitschreiben: Rechtlich …

(Christian Dahm [SPD]: Kommt jetzt die Medienschelte? – Weitere Zurufe von der SPD)

– Wissen Sie, wenn Sie immer dazwischenrufen, kann man schlecht zuhören.

(Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der CDU – Unruhe – Glocke)

Präsident André Kuper: Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre gut, wenn wir dem Redner die entsprechende Aufmerksamkeit zollen könnten,

(Zurufe von der SPD – Unruhe)

und zwar generell auf allen Seiten. Ich greife bei allen Fraktionen ein. Bitte lassen Sie die Rednerinnen und Redner aussprechen.

(Weitere Zurufe von der SPD – Starke Unruhe)

Herbert Reul, Minister des Innern: Noch einmal …

(Anhaltende Unruhe)

– Meine Damen und Herren, wenn Sie brüllen, kann ich nicht reden. Das ist doch blöd. Dann hören Sie auch nichts.

(Zurufe von der SPD)

Noch einmal, zum Mitschreiben: Rechtlich gibt es keinen Zusammenhang zwischen Rodung und Räumung, polizeitaktisch aber schon. Das habe ich mindestens 20 Mal hier vorgetragen. Das ist ein Unterschied. Das ist der Widerspruch, von dem Sie immer reden. Den gibt es aber gar nicht. Und der ist oft genug erläutert worden.

Dann gab es die BAO-Rodung. Dann haben Sie gedacht, das wäre jetzt die Offenbarung. Das klingt so nach Auftragsräumung. RWE hatte das Recht zu roden. Die Rodung stand bevor; das wusste jeder. Es drohte eine Eskalation im Forst. Auch das wusste jeder. Es war klug und nötig, sich darauf vorzubereiten.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Die örtliche Polizeibehörde – das habe ich am Mittwoch auch gesagt– hat die Namen zu einem viel früheren Zeitpunkt benannt, zu einem Zeitpunkt, als die Brandschutzfrage noch gar nicht im Raum stand. Glauben Sie, ich würde mich um den Namen jeder gebildeten BAO kümmern? Das glauben Sie doch selber nicht.

(Zurufe von der SPD)

Im September 2018 – nur, damit es richtig rund wird; dann bricht das Argument auch weg –, als sich klärte, wie sich die Sache entwickelte, wurde diese BAO umbenannt. Das passt also auch wieder nicht.

Und dann gibt es dieses Zitat, ich hätte keinerlei Planungsdetails gekannt. Ich will auch gar nicht jedes Planungsdetail wissen, muss ich auch nicht. Das hat Herr Jäger auch nicht gewusst.

(Zuruf von der SPD)

Ich muss doch nicht wissen, wo jedes Klohäuschen aufgebaut wird. Das glauben Sie doch selber nicht.

Jetzt kommt der letzte Punkt. Heute fangen Sie an, nachdem das alles abgeräumt ist und Sie nicht weiterkommen, den Ministerpräsidenten anzugreifen, und zwar auf der Grundlage von Gerüchten und Sachen, die im Netz erzählt werden.

(Christian Dahm [SPD]: Erzählt? – Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Kutschaty ist ja ein Jurist.

(Zurufe von der SPD)

Ganz behutsam sagte er: Ich weiß ja nicht, ob es stimmt, aber es könnte ja sein. Ein Verdacht ist im Raum.

(Weitere Zurufe von der SPD)

– Eine einzige Minute mal Ruhe. Wissen Sie, was Sie damit machen?

(Zurufe von der SPD)

– Ich bitte doch nur darum.

Ich empfehle mal, zu überlegen, ob es klug ist, Aktionen oder Sachen, die im Netz geschrieben werden, zur Grundlage einer politischen Debatte zu machen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich habe gestern gehört,

(Zuruf von der SPD)

dass gerade in Sachen Vorwürfe gegen Frau Künast ein Urteil gefällt worden ist. Ich finde, wir sollten uns eher zusammentun und schauen, wie wir da ein bisschen Ordnung schaffen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Ich kann es ganz einfach machen:

(Weitere Zurufe von der SPD)

Dann war ich Büttel von RWE. Dann war ich Handlanger von RWE. Dann nimmt der Kollege von der SPD das zurück. Dann werde ich Lügner genannt. Wird wieder zurückgenommen. Also immer dasselbe.

Einen Blick müssen Sie mir schon gestatten. Wenn Sie mir solche Vorwürfe machen, dann müssen Sie sich doch auch mit Fragen auseinandersetzen, die zu Ihrer Politik und Ihrer Regierungszeit gestellt wurden. Sie haben damals …

(Zurufe von der SPD)

Ich rede jetzt gar nicht über die Leitentscheidung; das kennen Sie ja schon.

(Frank Müller [SPD]: Das ist doch nicht Ihre Aufgabe!)

Am 02.10.2014 haben Sie regiert. Da gab es ein Rechtsgutachten zu dem Thema von der Rechtsanwaltskanzlei Redecker.

(Sarah Philipp [SPD]: Das wissen wir doch!)

Ich stelle jetzt nicht die Frage, welche Kanzlei eine Nähe zu RWE hat. Egal! Diese Kanzlei ist damals schon zu demselben Ergebnis gekommen, das wir jetzt bekommen haben.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Damals hat sich Ihr zuständiger Bauminister darüber hinweggesetzt und einfach verfügt, das sei ihm egal. Das ist der Unterschied zu uns.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht wahr!)

Wir haben das Gutachten als Grundlage genommen und so gehandelt. Sie haben gesagt, das ist uns egal. Da war zwar der Rhein-Erft-Kreis auch anderer Meinung.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Dann hat Herr Groschek angewiesen, sich eingemischt und gesagt: Ihr macht das bitte so, wie ich will,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

nicht, wie ihr wollt, und auch nicht, wie die Kanzlei will.

(Zurufe von der SPD)

Und das mit einem Dreizeiler, trotz Rechtsgutachten, trotz Straftaten. Meine Damen und Herren, ich will nur mal bitten: Meinen Sie nicht, dass man dann selber auch mal darüber nachdenken sollte, ob das mit Dreck werfen auf andere Leute noch eine moralische Legitimation hat?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Kutschaty noch einmal das Wort.

(Zurufe)

Thomas Kutschaty (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war ja gerade schon sehr laut und wortgewaltig von den Koalitionsfraktionen, wie Sie mit einem Thema hier umgegangen sind, das wir angemeldet haben. Aber Ihre lautstarke Kampagne, die Sie hier vorgebracht haben, war ein reines Ablenkungsmanöver.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Lürbke, wenn Sie sich beklagen, dass Sie hier in einer Baurechtsvorlesung sind, dann beschweren Sie sich mal bei der Bauministerin.

(Sarah Philipp [SPD]: Ja!)

Es geht hier nicht um Baurecht, es geht um Staatsrecht. Es geht um das Verhältnis von Parlament zur Regierung, um die Demokratie, um die Ehrlichkeit einer Regierung. Darum geht es hier in dieser Debatte.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der SPD)

Dann spielen Sie, CDU und FDP, sich als die großen Rechtsstaatsparteien auf, die überhaupt erstmal etwas tun, um Recht durchzusetzen im Hambacher Forst.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Und dann räumen Sie.

Von meiner Fraktion hat keiner bestritten, dass illegale Zustände auch mit rechtlichen Mitteln und Polizeieinsätzen beseitigt werden können.

(Zurufe und Lachen von der CDU und der FDP)

Das haben wir zu keinem Zeitpunkt bestritten, meine Damen und Herren. Aber Sie müssen doch die wahren Motive offenbaren, warum Sie was machen. Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Wenn Sie so eine konsequente Nulltoleranzstrategie verfolgen, wie der Innenminister das immer tut, was ist denn dann jetzt los im Hambacher Forst?

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Warum passiert denn jetzt nichts mehr? Das müssen Sie uns doch auch einmal erklären.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Wenn Sie sagen, Sie sind die ersten und einzigen, die etwas tun, warum machen Sie es jetzt nicht? – Weil Sie erkannt haben, dass es schwierig und kritisch ist in diesem Bereich.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Herr Reul, Sie haben gerade gesagt, Sie hätten nichts zu verschweigen und hätten auch nicht verschwiegen.

(Herbert Reul, Minister des Innern: Ja!)

Da muss ich aber doch noch einmal ernsthaft nachfragen: Sie werden gefragt, Herr Reul, ob Sie an Gesprächen mit RWE in Zusammenhang mit der Rodung teilgenommen haben. Da sagen Sie lautstark und eindeutig: Nein, habe ich nicht.

Dann fällt Ihnen im Nachhinein ein: Oh, da gab es ja doch zwei Gespräche, an denen ich teilgenommen habe.

Herr Reul, ich weiß, ein Minister hat viel zu tun, ein Innenminister vielleicht sogar besonders viel. Aber die anstehende Räumung des Hambacher Forstes und Gespräche mit den Spitzen von RWE sind doch kein alltäglicher Vorgang.

(Zurufe von der SPD und der CDU)

Entweder haben Sie das bewusst verschwiegen, oder ich muss zweifeln, ob Sie überhaupt noch in der Lage sind, Ihr Amt zu führen, wenn Sie eine solche Vergesslichkeit an den Tag legen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Nein, Sie wollten den starken Mann als Regierung spielen, hatten aber nicht den Mumm, Ihre wahren Motive zu offenbaren, weil diese nicht dem Zeitgeist entsprachen.

Angeblich wollten Sie eine Brandgefahr beseitigen; tatsächlich wirkt Ihr Handeln heute aber wie ein Brandbeschleuniger für das gesamtgesellschaftliche Klima, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie nicht den Mumm haben, Ihr Fehlverhalten hier einzugestehen,

(Lachen von Herbert Reul, Minister des Innern)

dann entschuldigen Sie sich bitte bei einer Personengruppe, die für Ihre politische Verantwortung ihren Kopf hinhalten musste: Sie haben Tausende von Polizeibeamten in einen der gefährlichsten Einsätze in der Geschichte unseres Landes geschickt – mit der Vorgabe von Brandschutzmotiven.

(Zuruf von der SPD: Hasardeur!)

Haben die es nicht verdient, wenigstens die ehrlichen Motive für ihren Einsatzplan mitgeteilt zu bekommen? – Entschuldigen Sie sich bei unseren Polizisten im Lande!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Ein Hasardeur ist das!)

Ein Wort zu Ihnen, Herr Ministerpräsident. Sie haben heute eine echte Chance vertan.

(Zuruf von der SPD: Schon wieder!)

Es sind Gerüchte im Raum von irgendwelchen Film- oder Tonmitschnitten. Dazu habe ich mich ganz bewusst sehr kritisch geäußert, dazu habe ich auch ein sehr differenziertes Verhältnis.

(Zuruf von der FDP: Na klar!)

Aber den Westdeutschen Rundfunk betrachte ich noch immer als seriösen Berichterstatter in diesem Lande.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

– Gut, ich höre, dass Teile des Parlaments das bezweifeln. Das mag man so hinnehmen.

Der WDR berichtet darüber, dass Sie, Herr Laschet, gesagt haben sollen: Das war ein Vorwand, ich wollte den Wald räumen.

(Zurufe)

Herr Laschet, ich fordere Sie noch einmal auf: Nutzen Sie die Chance und stellen Sie das hier heute klar. Das ist Ihre letzte Chance, hier im Parlament öffentlich und deutlich zu machen, was Sie da gesagt haben.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Herr Laschet, Sie kokettieren immer mit Johannes Rau. Sie wollen gerne so sein wie Johannes Rau.

(Armin Laschet, Ministerpräsident: Bloß nicht! – Weitere Zurufe)

Das merkt man ja. – Ich glaube, diese Fußstapfen sind Ihnen etwas zu groß.

(Beifall von der SPD)

Es gibt einen Satz von Johannes Rau, der passt sehr gut in diese Situation:

„Es gibt nur einen Weg zur Glaubwürdigkeit in der Politik: man muss sagen, was man tut, und tun, was man sagt.“

Daran kommen Sie nicht vorbei, Herr Laschet. Erklären Sie sich endlich heute hier in Ihrem Parlament. Was war Ihre Rolle in diesem ganzen Verfahren? Darauf warten die Öffentlichkeit und wir auch. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen spricht nun Frau Abgeordnete Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, zu wesentlichen Fragen heute haben Sie sich nicht geäußert.

Sie haben sich heute nicht geäußert, welche Rolle Sie in diesem Konflikt gespielt haben. Sie haben uns bis heute nicht erklärt, warum wir zum Beispiel in den Akten, die wir einsehen konnten, nichts aus der Staatskanzlei finden. Es gibt einen Aktenordner, in dem sich ein paar Kleine Anfragen befinden.

(Herbert Reul, Minister des Innern: Die ist nicht zuständig!)

Was heißt das denn, Herr Laschet? Das können Sie uns heute ja erklären.

Entweder bedeutet das, Sie haben sich aus allem herausgehalten. Den zweiten Rettungsweg für die armen Waldbesetzer macht Frau Scharrenbach, die Polizisten und die Proteste aus den eigenen Reihen – es gab Proteste aus den eigenen Reihen – macht Herr Reul, und Sie haben mit all dem nichts zu tun. Das wäre die eine Variante.

Die zweite Variante ist: Sie haben mit entschieden, Herr Laschet. Wir möchten von Ihnen heute hören, ob Sie mit entschieden haben. Haben Sie diesen Polizeieinsatz mit abgesegnet? Haben Sie von dieser Gutachtervergabe gewusst? Haben Sie mit entschieden, dass RWE mit ihrem Antrag durchkommt? Haben Sie mit entschieden, dass nicht geredet, sondern geräumt wird? – Nehmen Sie bitte heute Stellung.

Bei beiden Varianten haben Sie, Herr Ministerpräsident, Ihren Job nicht gemacht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ein Ministerpräsident hätte sich aus meiner Sicht einmischen müssen –

(Herbert Reul, Minister des Innern: Nein!)

in einen der größten gesellschaftlichen Konflikte, der weltweit Symbol geworden ist. Sogar die „New York Times“ weiß jetzt, wo der Hambacher Wald ist.

(Mehrere Zurufe: Forst!)

Sich aus diesem Konflikt rauszuhalten, wäre fahrlässig und verantwortungslos.

Eine Mitentscheidung wäre genauso fahrlässig gewesen, denn dann wären Sie mitverantwortlich gewesen für einen der – jawohl, ich sage es noch einmal – unsinnigsten und unverhältnismäßigen Ein-sätze der Polizei in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von der SPD)

Herr Laschet, die dritte Frage, die sich anschließt: Halten Sie noch an diesen Innenminister fest, der bis heute daran festhält,

(Zurufe und Lachen von der CDU und der FDP)

dass die Räumung auch ohne Rodungsantrag von RWE damals verhältnismäßig, richtig und in Ordnung war?

Herr Minister, Sie sollten heute auch einmal etwas kritisch reflektieren, ob es damals nicht vielleicht doch besser gewesen wäre, den Aufruf der Polizistinnen und Polizisten …

Ich habe mit ihnen geredet. Es waren der Bund Deutscher Kriminalbeamter und die GdP. Der Organisationsgrad beider Gewerkschaften ist sehr hoch. Beide Gewerkschaften haben Ihnen gesagt: Dieser Einsatz ist unverhältnismäßig. Er ist unverhältnismäßig, weil er die Sicherheit in unserem Land gefährdet.

Sie haben die Bereitschaftspolizei aus den Kriminalitätsbrennpunkten abgezogen, und Sie haben auf dem Rücken der Polizistinnen und Polizisten hier eine Machtdemonstration von RWE unterstützt. Das ist nicht Aufgabe der Polizei in NRW.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine Entschuldigung haben wir mehrfach gefordert. Sie haben heute die Chance vertan, sich für diesen unsinnigen Einsatz zu entschuldigen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben die Chance vertan, hier für Klarheit zu sorgen, welche Rolle Sie dabei gespielt haben. Tauchen Sie nicht ab! Erklären Sie sich!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die AfD-Fraktion hat Herr Kollege Loose das Wort.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider musste die Fragestunde am Mittwoch vorzeitig abgebrochen werden. Ich hatte auch noch einige Fragen. Aber Herr Reul war gesundheitlich angeschlagen. Ich habe meine Meldung und meine Fragen damals zurückgezogen, weil es schon sehr lange gedauert hatte und Herr Reul angeschlagen war.

Ich freue mich, dass es Ihnen wieder besser geht, Herr Reul; denn ich habe noch viele Fragen an Sie – und auch viele Fragen an Sie, Frau Scharrenbach. Deshalb ist es schön, dass wir diese Aktuelle Stunde haben. Darüber freue ich mich.

Fangen wir bei Ihnen an, Herr Reul: Hat RWE das Recht, den Hambacher Forst zu roden? Haben fremde Personen das Recht, das Gelände eines Dritten zu besetzen? Und gibt es hier eine andere Einschätzung, wenn der Dritte RWE ist? Haben fremde Personen das Recht, auf dem Gelände von Dritten Gebäude zu errichten? Und gibt es hier eine andere Einschätzung der Landesregierung, wenn der Dritte RWE ist?

Haben Menschen in Deutschland grundsätzlich das Recht, sich zu vermummen? Ist es verdächtig oder eher normal, wenn Menschen sich die Fingerkuppen abbrennen oder verätzen?

Ist es normal, wenn Menschen andere Menschen mit Fäkalien bewerfen? Ist es strafbar, andere Menschen mit Fäkalien zu bewerfen? Sind Polizisten Menschen oder Bastarde?

Wenn Polizisten in Ihren Augen Menschen sind – in meinen Augen sind sie sogar sehr wertvolle Menschen –, wie kann es dann sein, dass überall an den Autobahnen und Straßen Schmierereien geduldet werden, auf denen Polizisten als Bastarde beschimpft werden? Für diejenigen, die das nicht wissen: Die Großbuchstaben „A. C. A. B.“ stehen für „all cops are bastards“ oder, noch schlimmer, für „a cop, a bullet“. Letzteres kommt einem Mordaufruf gleich.

Sie, Herr Reul, haben vor zwei Wochen einer tollen Aktion in Dortmund beigewohnt, bei der rechtsextreme Schmierereien übermalt wurden. Sicherlich würden sich viele Polizisten freuen, wenn Sie auch die „A. C. A. B.“-Sprüche der Antifa …

(Herbert Reul, Minister des Innern: Da war ich schon!)

– Ja, in Dortmund. Das habe ich begrüßt. Dort haben Sie „A. C. A. B.“-Schmierereien wegmachen lassen? Das begrüße ich. Ich kann Ihnen bestimmt 100 Plätze in Bochum zeigen, wo noch „A. C. A. B.“ steht. Ich würde mich freuen, wenn auch das geschehen würde.

Weitere Fragen sind: Ist die Antifa eine friedliche Gruppierung? Was hat eigentlich eine Antifaflagge im Lager der Personen im Hambacher Forst zu suchen? Ist mit einer Gefährdung von Polizisten durch die Antifa zu rechnen? Ist es für Polizisten oder Politiker gefährlich, in ein Lager zu gehen, in dem die Antifaflagge hängt?

Ist es eigentlich üblich, dass man zu Weihnachten Molotowcocktails auf Personen wirft? Handelt es sich bei dem Werfen von Molotowcocktails auf eine Einrichtung, in der sich das Sicherheitspersonal von RWE aufhält, um einen Mordanschlag?

Sie, Herr Reul, sprachen davon, dass Sie kriminelle und normale Demonstranten schützen wollen; Sie sagten: bevor der erste Stein fliegt. Wenn ich ungenau zitiere, bitte ich, das zu entschuldigen oder zu verbessern. Es hört sich also so an, als ob diese Personengruppe im Hambacher Forst von dritter Seite etwas zu befürchten hätte.

Deshalb frage ich einmal nach: Wie oft haben RWEler oder Mitarbeiter der Sicherheitsfirmen andere Menschen im Hambacher Forst angegriffen? Wie oft erfolgte der Angriff durch Steinwürfe, wie oft durch Zwillenbeschuss, wie oft durch Holzknüppel? Oder woher, glauben Sie, kommt das Gefährdungsrisiko der Personen, die sich im Hambacher Forst aufhalten?

Wenn keine Gefahr durch RWEler oder durch Mitarbeiter der Sicherheitsfirmen droht: Gingen Sie davon aus, dass Polizisten Steine auf andere Personen im Hambacher Forst werfen würden, dass es einen Zwillenbeschuss durch Polizisten geben würde oder dass Polizisten mit Knüppeln andere Menschen angreifen würden? Ich gehe nicht davon aus. Aber Sie sagten ja, dass Sie die Personen im Hambacher Forst schützen müssen.

Wie oft haben eigentlich RWEler, Mitarbeiter der Sicherheitsfirmen oder Polizisten Fäkalien auf andere Personen im Hambacher Forst geworfen?

Weil die Zeit leider nicht reicht, kann ich nur ein paar Fragen an Frau Scharrenbach richten, zum Beispiel: Sind die aktuellen Baumhäuser im Sinne des Brandschutzes sicher? Inwieweit entsprechen die Baumhäuser neuesten energetischen Standards? Inwieweit gab es eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor dem Bau dieser Häuser? Wurde insbesondere beim Bau der Häuser darauf geachtet, dass keine Brutplätze von seltenen Vögeln oder Fledermäusen beschädigt wurden? Sind die Häuser an die öffentliche Kanalisation angeschlossen? Oder wie ist sichergestellt, dass beim Abtransport der Ausscheidungen keine bakteriellen Risiken für die Menschen in der Umgebung entstehen?

Sie sehen: Es gibt sehr viele wichtige Themen. Deswegen bin ich richtig dankbar dafür, dass die SPD und die Grünen diese Aktuelle Stunde heute beantragt haben und ich Gelegenheit hatte, diese Fragen zu stellen. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Loose. – Für die Landesregierung spricht Herr Ministerpräsident Laschet.

Armin Laschet, Ministerpräsident: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine Aktuelle Stunde. Deshalb will ich, weil das in der Erregung anscheinend ein wenig vergessen worden ist, noch einmal in Erinnerung rufen, vor welchen Entscheidungen die Landesregierung bei ihrer Amtsübernahme stand. Das waren zwei Dinge, die sich eigentlich widersprachen.

Wir haben im Juni 2017 die Amtsgeschäfte übernommen. Die Vorgängerregierung hatte knapp davor, 2016, Recht geschaffen mit der Zielsetzung, diesen Hambacher Forst zu roden. Dem folgten weitere Entscheidungen der Bergbehörde und anderer,

(Zurufe von der SPD)

wie das 20, 30 Jahre lang zuvor auch der Fall war. Die Vorgänger haben von 4.100 ha 3.900 ha gerodet. Es ging jetzt um die letzten 200 ha, die noch da waren.

(Zuruf von der CDU: Hört! Hört!)

Wir fanden diese Rechtsgrundlage vor. – Das war der eine Tatbestand, der auf dem Tisch lag.

Der andere war das, was die Kollegen heute hier beschrieben haben: eine geduldete Rechtswidrigkeit in diesem Wald seit fünf, sechs Jahren. Es gab Schüsse mit Zwillen, das Werfen mit Steinen, das Werfen von Molotowcocktails, Angriffe auf Polizeibeamte und RWE.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das hat mit dem Bau nichts zu tun!)

Hätten wir früher regiert, kann ich Ihnen sagen: Als das allererste Baumhaus gebaut wurde, wäre diese Errichtung gestoppt worden.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Mit Molotowcocktails werden Baumhäuser gebaut?)

Das ist Schnee von gestern.

(Markus Wagner [AfD]: Wie viele Baumhäuser sind denn jetzt da? – Norwich Rüße [GRÜNE]: Das ist Ihnen ja gut gelungen! – Gordan Dudas [SPD]: Herr Laschet, das ist doch nicht Ihr Ernst! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Man hat den Zustand sechs Jahre lang eskalieren lassen. Deshalb waren sehr viele Baumhäuser da. Gleichzeitig hat man die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass in absehbarer Zeit gerodet werden kann. – Das war der Konflikt, der da ist.

Deshalb haben wir von Anfang an klargemacht: Dieser rechtswidrige Zustand ist an sich so nicht zu akzeptieren – unabhängig von allem anderen.

Zweitens. Weil Sie Recht gesetzt hatten, hat RWE einen Antrag auf Rodung gestellt. Das ist dann auch vom Staat, wenn er Recht setzt, durchzusetzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Drittens. Natürlich hat – darüber reden Sie so banal – der Brandschutz auch eine Rolle gespielt. 2018 war der Hitzesommer schlechthin.

(Zuruf von Gordan Dudas [SPD])

Man verbietet überall, in ganz Nordrhein-Westfalen, Menschen, in Teile von Wäldern zu gehen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Was war denn in diesem Hitzesommer?)

Und an einer ganz bestimmten Stelle sitzen Menschen, die im Wald Häuser mit Heizungen und Strom haben und dort leben.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Es ist doch logisch, dass eine Ministerin diesen Vorgang auch aufgreift.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Und dieser Sommer war kalt?)

Diese drei Dinge gehören zusammen.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Das Erstaunliche ist – das verwundert mich wirklich –, dass man diesen Grundtatbestand des Rechtsstaates – einer setzt Recht, und einer setzt es durch – erklären muss.

(Gordan Dudas [SPD]: Wieso haben Sie das nicht von Anfang an gesagt?)

Der AfD muss ich nicht viel erklären, weil wir in vielen Dingen Dissens haben. Aber ich vermute doch einmal, dass eine Sozialdemokratische Partei und ein früherer Justizminister wissen, was es bedeutet, den Rechtsstaat durchzusetzen.

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP – Sarah Philipp [SPD]: Keine Ablenkungsmanöver!)

Das kann doch nicht wahr sein!

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD] – Volkan Baran [SPD]: Das sind Nebelkerzen! – Gordan Dudas [SPD]: Das heißt, am Wochenende werden die Häuser geräumt? – Monika Düker [GRÜNE]: Und was ist mit der Verhältnismäßigkeit?)

– Hier gibt es den dringenden Wunsch, dass wir am Wochenende die Häuser räumen. Mich wundern die Sozialdemokraten.

(Fortgesetzt Zurufe von der SPD – Ibrahim Yetim [SPD]: Warum räumen Sie jetzt nicht? – Gegenruf von Thorsten Schick [CDU])

Es gibt in dieser Frage politische Unterschiede zwischen der NRW-Koalition und der Opposition. Das ist ja in Ordnung. Den Streit können wir ja auch führen.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Darum geht es gar nicht!)

Ich würde nur empfehlen, dass wir über den heutigen Tag hinaus – wir werden noch lange zusammenarbeiten müssen – einfach versuchen, Probleme zu lösen.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Herr Kutschaty, hier haben Sie heute Folgendes gemacht – in unterschiedlicher Intensität –: Beim zweiten Mal haben Sie dem WDR den Schwarzen Peter zugeschoben.

(Christian Dahm [SPD]: Nein! – Nadja Lüders [SPD]: Das wollen Sie gerne!)

In Ihrem ersten Wortbeitrag haben Sie sich mit Fragen herangerobbt

(Sarah Philipp [SPD]: Jetzt antworten Sie doch mal!)

an irgendeine Aufnahme, in der ein Bürger ein Wort verwendet, dem ich dann mit diesem Wort antworte, ihm aber erkläre, dass wir den Wald retten wollen. Alles das ist weg.

(Sven Wolf [SPD]: Sie sollen doch etwas sagen!)

Auch in der von Ihnen so freundlich zitierten WDR-Berichterstattung ist natürlich unterlassen worden, zu erwähnen, dass das Wort von dem Bürger stammte und ich ihm mit seinem Wort erkläre, was der Tatbestand ist.

Ich führe diese Bürgergespräche weiter – selbst, wenn dort illegal aufgenommen wird. Ich habe sie am Montag mit „Fridays for Future“ geführt.

In diesem Falle habe ich Respekt vor den Grünen, weil sie wissen, was man in einer Debatte zitiert und was nicht.

(Wibke Brems [GRÜNE]: Wir haben gar nicht zitiert!)

Sie, Herr Kutschaty, haben sich mit der Art und Weise, in der Sie hier argumentiert haben, diskreditiert.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Das zerstört Vertrauen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Nehmen Sie diese Unterstellung zurück!)

– Die Grünen haben uns scharf kritisiert. Aber sie haben nicht zu diesem Mittel gegriffen.

(Andreas Kossiski [SPD]: Was für ein Mittel?)

Es zerstört das Vertrauensverhältnis zwischen uns allen und dem Bürger, wenn man auf diese Weise aus dem Netz heraus illegale Dinge zitiert.

(Nadja Lüders [SPD]: Und wer ist der Auslöser?)

Das schadet uns allen. Es fällt auf uns alle zurück, wenn Sie das tun.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Also haben Sie es gesagt!)

Und jetzt würde ich gerne …

(Sven Wolf [SPD]: Jetzt sagen Sie, wie es war, und dann ist es gut! – Sarah Philipp [SPD]: Sie können es ausräumen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute stehen in 160 Staaten der Erde Menschen auf den Straßen – Hunderttausende in Deutschland – und demonstrieren für das Ernstnehmen des Klimaschutzes.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ja, dann tun Sie das mal!)

Ich hoffe, dass die Wenigsten die Art der Debatte von heute Morgen gehört haben. Deshalb will ich einige Sätze zu dem sagen, um das es diesen jungen Leuten geht.

Wir werden mehr Tempo beim Klimaschutz machen. Ich habe in dieser Woche mit Greenpeace, mit dem Naturschutzring, mit der IG BCE, mit ver.di, mit dem BUND, mit den Verhandlungsführern der Bundesebene zusammen gesagt …

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Stimmt! Im Plenum waren Sie kaum!)

– Das mag Ihnen nicht passen. Ich sage nur: Dieser Dialog und das Zusammenführen sind gerade heute wichtig, wenn das Klimakabinett tagt.

Und wir haben für uns in Nordrhein-Westfalen gesagt: Wir wollen bis Ende Oktober dieses Jahres das Kohleausstiegsgesetz vom Bundeskabinett beschlossen haben, damit wir weiterkommen.

(Beifall von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Wir wollen eine klare Aussage haben, dass der Hambacher Forst, wie von der Kommission gesagt, erhalten bleibt. Wir wollen, dass das Anpassungsgeld für die Beschäftigten in der Steinkohle und in der Braunkohle jetzt verbindlich zugesagt wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Und wir wollen unseren Anteil daran leisten, dass die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden.

Ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich in dieser Debatte für ein paar Sekunden über das eigentliche Thema des heutigen Tages gesprochen habe.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das hätten Sie vorher mal machen müssen!)

Mein Anliegen ist dieses – und nicht das Klein-Klein, das wir davor gehört haben.

(Lang anhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Kutschaty noch einmal das Wort.

(Zurufe von der CDU: Eine Entschuldigung! – Weitere Zurufe von der CDU)

Thomas Kutschaty (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Laschet, bei dem, was Sie ablenkenderweise allgemein zum Klimakompromiss bzw. zum Kohleausstiegskonsens gesagt haben, können wir fast zusammenkommen. Bei diesem Thema liegen wir gar nicht so weit auseinander.

Bei zwei Punkten muss ich Ihnen aber deutlich widersprechen. Denn Sie haben gerade etwas Falsches behauptet, als Sie gesagt haben, die schwarz-gelbe Landesregierung sei die erste, in deren Amtszeit es zu Räumungs- und Ordnungsmaßnahmen im Hambacher Forst gekommen sei.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Das hat er doch gar nicht gesagt! – Armin Laschet, Ministerpräsident, schüttelt den Kopf.)

– Doch, Sie haben gesagt, vorher sei nie etwas gemacht worden.

(Sarah Philipp [SPD]: Er hat etwas Falsches gesagt! – Volkan Baran [SPD]: Zuhören!)

Es ist eben nicht geduldet worden. Schauen Sie einmal nach. Sie wissen es nicht auswendig. Aber Sie können in einer Chronologie des WDR über die Ereignisse vom 27. März 2014 – wir sind uns einig, dass das in der Regierungszeit von Rot-Grün lag – Folgendes nachlesen:

„Die Stadt Kerpen lässt mehrere Baumhäuser aus Sicherheitsgründen räumen. Sieben Besetzer werden mit Hebebühnen aus den Bäumen geholt. Mehrere Hundertschaften der Polizei sind im Einsatz. Grund: Gefahr für Besetzer und Spaziergänger.“

Da ist gehandelt worden. Unterstellen Sie uns keine Untätigkeit, Herr Ministerpräsident. Was Sie gesagt haben, ist falsch.

(Beifall von der SPD – Christian Dahm [SPD]: So ist das! – Weitere Zurufe von der SPD – Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Das war jetzt richtig, und das andere war falsch? Das verstehe ich nicht!)

Dass das rechtlich schwierig ist, dass es unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt und dass die Kommunen vor Ort eine andere Rechtsauffassung hatten und haben als Ihre Landesregierung, ist selbstverständlich und nachvollziehbar. Sie mussten ja sogar von Frau Scharrenbach angewiesen werden, eine andere Rechtsauffassung zu vertreten. Deswegen ist das alles nicht leicht.

Herr Laschet, die Menschen haben aber einen Anspruch darauf, die Wahrheit zu erfahren, warum tatsächlich geräumt worden ist, und nicht an der Nase herumgeführt zu werden. Darum geht es bei dieser Debatte.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Es ist ganz entscheidend, dass die Wahrheit auf den Tisch kommt. Deswegen erwarten wir auch, von der Landesregierung deutlich mehr Akten und Unterlagen zur weiteren Überprüfung des Sachverhalts zur Verfügung gestellt zu bekommen, als wir bisher erhalten haben.

Herr Laschet, ich möchte von Ihnen auch keine Ausflüchte mehr hören. Ich möchte von Ihnen wissen, welchen Einfluss Sie auf den Marschbefehl „Rodung, ja oder nein“ genommen haben. Bis heute sind Sie eine Antwort schuldig geblieben.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das war nur eine Nebelkerze vom Ministerpräsidenten! Weggeduckt! – Gegenruf von Volkan Baran [SPD]: Stimmt, dazu hat der Ministerpräsident nichts gesagt!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kutschaty. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor und wären im Rahmen der Aktuellen Stunde in der dritten Runde auch nur noch vonseiten einer Fraktion möglich. Daher schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 1, der Aktuellen Stunde.

Ich rufe auf:

2   Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren wildlebender Arten (Gefahrtiergesetz – GefTierG NRW)

Gesetzentwurf
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7367

erste Lesung

In Verbindung mit:

Privathaltung von lebensgefährlichen Tieren regeln

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/7375

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Rüße das Wort.

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle haben den Großeinsatz der Polizei in Herne verfolgt und mitbekommen, wie schwierig es ist, eine Giftschlange aufzuspüren und sie wieder in Gewahrsam zu nehmen. Das hat in Herne mehrere Tage lang gedauert, und es hat viele Spezialisten erfordert, die sich um den Fall gekümmert haben.

Es handelt sich bei Weitem um keinen Einzelfall. Vielmehr gibt es immer wieder solche Fälle von entwichenen gefährlichen Tieren, welche die Bevölkerung in Unruhe versetzen und tatsächlich auch eine Gefährdung darstellen können. Wir haben seit 2015 alleine in Nordrhein-Westfalen 50 solcher Vorkommnisse gezählt.

Allein das zeigt, dass es notwendig und sinnvoll ist, diese Sache jetzt gesetzlich zu regeln und dafür zu sorgen, dass die Zahl der Vorfälle drastisch gesenkt wird. Denn es kann nicht sein, dass die private Haltung von gefährlichen Tieren wie Giftschlangen und giftigen Spinnen immer wieder die Bevölkerung gefährdet und Polizisten und Feuerwehrleute zu riskanten Einsätzen herausfordert.

(Beifall von den GRÜNEN)

In Nordrhein-Westfalen besteht in dieser Hinsicht eindeutig Nachholbedarf. Acht Bundesländer haben bereits eine Regelung. Das geht vom Sachkundenachweis bis hin zum Verbot der Haltung solcher Tiere. In Bayern, Berlin, Hamburg und Thüringen gibt es Regelungen, in Nordrhein-Westfalen bislang aber nicht. Gerade Nordrhein-Westfalen ist allerdings ein Hotspot der Haltung dieser Tiere. Deshalb macht es auch Sinn, hier endlich zu handeln.

(Beifall von den GRÜNEN)

Weil die Haltung dieser Tiere schwierig ist und diese Tiere immer wieder entweichen, wollen wir ihre Haltung mit unserem Gesetzentwurf grundsätzlich untersagen.

Beim Blick in den § 2 sind wir alle erstaunt, welche Tiere überhaupt gehalten werden können. Wir sind auch verwundert, wenn wir sehen, welche Tiere Privatleute gerne halten möchten. In Essen gab es einen Schrotthändler, der sich Löwen gehalten hat. Angesichts dessen ist man eigentlich fassungslos.

In unserem Gesetzentwurf haben wir aber eine gewisse Verhältnismäßigkeit hergestellt, indem wir sagen, dass man diese Tiere unter ganz bestimmten Voraussetzungen halten kann, nämlich dann, wenn man einen Sachkundenachweis erbracht hat, wenn man eine zuverlässige Person ist, also nicht vorbestraft ist usw., und wenn man die Tiere anzeigt, damit die Behörden wissen, wo solche Tiere gehalten werden. Es ist doch sinnvoll, dass Polizisten und Feuerwehrleute bei einem Einsatz nachfragen können, ob in einem Haus solche Tiere vorhanden sind; denn es ist wichtig, dass Polizisten und Feuerwehrleute bei ihren Einsätzen nicht gefährdet werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Solche Einsätze wie in Herne verursachen immer wieder hohe Kosten für die betroffenen Kommunen. Sehr oft gelingt es nicht, die Kosten von den Verursachern zurückzuholen. Wir wollen, dass das Verursacherprinzip durchgesetzt wird, und wir wollen, dass die Halter solcher Tiere zukünftig eine Haftpflichtversicherung abschließen, damit Kosten und auch Folgekosten – das ist besonders wichtig, weil eine Kommune unter Umständen noch jahrelang für die Haltung solcher Tiere aufkommen muss – abgedeckt sind.

Ein solches Gesetz, dessen Entwurf wir hier vorlegen, ist im Interesse unserer Kommunen. Es ist im Interesse unserer Bevölkerung, weil sie vor giftigen Tieren geschützt wird, die dann nicht mehr entweichen. Es ist im Interesse unserer Polizisten und Feuerwehrleute, die sich sicherlich manchmal fragen: Warum regelt die Politik das nicht? Warum müssen wir immer wieder solche Einsätze fahren?

Wir brauchen eine gute Lösung dieser Problematik. Heute legen wir eine solche gute Lösung vor. Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Gesetzentwurf positiv begleiten und am Ende auch rasch zusammen mit uns verabschieden würden. Wir könnten zu einer schnellen Lösung kommen. Damit könnten wir uns als Politik als zügig handlungsfähig erweisen. Das ist unser Ziel. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Nolten.

Dr. Ralf Nolten (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zehn Jahren debattierten wir in meiner Heimatgemeinde über eine ordnungsbehördliche Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Was wollten wir? Bürgerinnen und Bürger sollten sich ohne Angst und ohne Gefahr für Leib und Leben im öffentlichen Raum bewegen können. Infolgedessen wurden Festsetzungen zur Nutzung von Spielplätzen und zum Führen von Hunden getroffen.

Und was ist mit der Haltung von Giftschlangen? Das Wegschnippen der Zigarettenkippe oder die Füße auf der Sitzbank mit einer Verwarnung ahnden, aber dem Bürger sagen: „Die ausgebüxte Kobra interessiert uns nicht“? Das wollten wir nicht. Daher findet sich in der besagten kommunalen Verordnung eine Anzeigepflicht gegenüber dem Ordnungsamt der Gemeinde – auch ohne landesrechtliche Grundlage, wie sie in anderen Bundesländern schon damals existierte.

Die Monokelkobra von Mülheim ein paar Monate später gab uns das gute Gefühl, richtig gehandelt zu haben.

Nahezu jedes Jahr streift ein Kaiman, eine entwichene Schlange oder die Nachricht, dass ein Halter gebissen worden ist, durch das Sommerloch, medial immer gut begleitet. Der Tenor in der Öffentlichkeit ist: Wie kann es sein, dass ich meinen Hund anmelden muss, aber keine Giftschlange? Und: Wir wollen keine Haltung gefährlicher Tiere in unseren Wohnzimmern und Kellern.

Eine entsprechende Haltung findet sich sowohl in unserem Antrag als auch in dem Gesetzentwurf der Grünen, der nun nach langer Zeit erneut das Licht der Welt erblickt hat – gut gemeint, aber damals eben auch nicht gut gemacht.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Doch! Sehr gut gemacht!)

Der Entwurf eines Gefahrtiergesetzes wurde inhaltlich überfrachtet, sodass der bürokratische Aufwand für Städte und Gemeinden untragbar gewesen wäre. Deswegen wurde er 2016 nach mehrjähriger Arbeit ohne Parlamentsberatung ad acta gelegt.

Immerhin ist den Grünen zu attestieren: Sie waren stets bemüht.

(Beifall von Bianca Winkelmann [CDU])

Zu unserem Antrag: Einigkeit wird vermutlich darüber bestehen, dass es erstens eine strafbewehrte Anzeigepflicht für lebensgefährliche Tiere geben soll und dass es zweitens eine ausreichende Haftpflichtversicherung geben muss, die für die Kosten der Evakuierung der Menschen, für Personenschäden und für das Aufspüren respektive Einfangen der Tiere aufkommt. Diese zum Teil in die Hunderttausende gehenden Kosten dürfen nicht bei der öffentlichen Hand hängen bleiben.

(Beifall von Serdar Yüksel [SPD])

Offene Fragen sind hingegen: Auf welche Tierarten bezieht sich die Regelung, nur auf giftige, lebensgefährliche Schlangen, Skorpione und Spinnen oder auch auf Panzerechsen, Riesenschlangen und Großkatzen? Gibt es ein grundsätzliches Haltungsverbot für Privatpersonen, oder gibt es das nicht? Schließlich befindet sich die weitaus überwiegende Zahl gefährlicher Tiere in der Obhut verantwortungsbewusster privater Terrarienfreunde. Wird es für Altbesitzer eine Ausnahme geben, also einen Bestandsschutz, und, wenn ja, mit oder ohne Vorgaben? Sollen Neubesitzer legal eine Haltungsoption erlangen können? Sind die erforderliche Zuverlässigkeit und die notwendigen Kenntnisse über Haltung und Pflege der Tiere nachzuweisen, und, wenn ja, über eine landeseinheitliche Schulung mit Sachkundeprüfung beim LANUV oder dezentral?

Das sind viele Fragen, die auf politische Güterabwägung, rechtliche Machbarkeit, finanzielle Konsequenzen und adäquate organisatorische Strukturen hin überprüft werden müssen.

Das LANUV müsste wohl auch die Umsetzung der Regelung übernehmen. Die Kommunen bleiben nach unseren Vorstellungen ohne direkte Verfahrensbeteiligung. Ihnen ist mitzuteilen, wer wo und wie in der Kommune ein Gefahrtier hält. Denn – das ist ja schon gesagt worden – im Unglücksfalle ist eine sofortige und bestmögliche Reaktion vorzunehmen.

Die klare Vorgabe für einen Regelungsvorschlag unsererseits: Für uns steht der Schutz der Bevölkerung an erster Stelle. Anders als Rot-Grün werden wir auch eine Regelung mit eindeutigen Bestimmungen und striktem Vollzug erlassen. Das wollen wir. So werbe ich auch für die Zustimmung zu unserem Antrag.

Zugleich stimmen wir der Überweisung des Gesetzentwurfs der Grünen zu. Dieser Gesetzentwurf ist ein bemerkenswerter, beachtenswerter und in einer Reihe von Punkten auch diskussionswürdiger Beitrag für unsere Ausschusssitzung und die dort zu führende Debatte. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Nolten. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Diekhoff.

Markus Diekhoff*) (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Niemand hat Lust, ständig Panik davor zu haben, dass eine nicht korrekt gehaltene Klapperschlange aus der Badezimmerlüftung kriecht und ihn beißt, wenn er auf dem Klo sitzt.

In jeder Sommerpause gibt es einen neuen Fall von entwichenen Giftschlangen, Kaimanen und anderen Gefahrtieren. Vor allem die oft sehr aufwendigen und teuren Sucheinsätze nach den ausgebüxten Tieren sorgen immer wieder für Ärger bei den unbeteiligten Bürgern – vor allem dann, wenn die Halter der Tiere offenbar mittellos sind und dementsprechend auch oft sehr gleichgültig gegenüber den Kosten des Einsatzes, die dann die Allgemeinheit tragen muss.

Besonders ärgerlich wird so etwas, wenn sogar Wände aufgestemmt werden müssen oder Häuser über Tage und Wochen geräumt werden müssen, weil man das Tier nicht findet.

Noch ärgerlicher ist es, wenn sich herausstellt, dass gewisse Halter offensichtlich keine geeignete Aufbewahrung der Tiere sicherstellen können, geschweige denn eine Ahnung von artgerechter und tierschutzgerechter Haltung dieser Tiere haben, und durch dieses Konglomerat dann auch noch Leib und Leben ihrer Nachbarn gefährden.

Schätzungen gehen davon aus, dass in Privatwohnungen mehrere Millionen – niemand weiß es genau, weil wir ja keinerlei Regelung haben – Wildtiere leben. Davon sollen ungefähr 10.000 besonders gefährlich sein.

Vergleicht man diese Zahl mit der Zahl der Einsätze, muss man allerdings feststellen, dass es sich nach wie vor um Einzelfälle handelt. Dennoch besteht bei diesen Einzelfällen immer eine konkrete Gefahr für Leib und Leben. Vor dem Hintergrund der potenziellen Gefahr ist die aktuelle Situation daher sicherlich nicht sachgerecht.

Ich sage Ihnen auch: Ich kenne die beste Lösung noch nicht. Mit dem Antrag wollen wir eine Lösung suchen. Eine solche muss verhältnismäßig sein. Möglich wären – wie wir es aus anderen Bereichen kennen – zum Beispiel ein Haltungsverbot für sehr gefährliche Tiere oder eine Erlaubnismöglichkeit für Halter, die ihre Sachkunde nachweisen und eine Haftpflichtversicherung abschließen.

Schnellschüsse werden der Situation definitiv nicht gerecht. Das sehen wir auch am Scheitern der Initiative von Rot-Grün in der vergangenen Legislatur.

Sie haben heute den zweifelhaften Mut, uns den Gesetzentwurf noch mal zur Abstimmung vorzulegen. Ich finde es ein bisschen peinlich, dass wir jetzt etwas beschließen sollen, zu dem Sie in der vergangenen Legislatur nicht in der Lage waren.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dass stumpf ein Entwurf aus dem Nachlass von Johannes Remmel per Copy-and-paste eingebracht wurde, kann man sogar daran sehen, dass die falschen Zeilenumbrüche und andere Sachen von damals nicht beseitigt wurden, zum Beispiel auf Seite 6. Das steht alles noch darin.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP und der CDU – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: So viel zur sachgerechten Auseinandersetzung, Herr Kollege!)

– Das ist wohl mehr als sachgerecht. Sie haben einen Entwurf, den Sie selbst nie beschließen konnten, falsch kopiert.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sagen Sie doch mal was zur Sache! – Widerspruch von Ralf Witzel [FDP])

Sie behalten sogar Ihre Einschätzung bei, dass das, was in Ihrem Gesetzentwurf steht, zwar Auswirkungen auf die kommunale Selbstverwaltung habe, aber nicht zu erwarten sei, dass es gemäß Konnexitätsausführungsgesetz die Bagatellgrenze überschreite.

Sie wissen, dass diese Einschätzung weder den aktuellen Stand noch den damaligen Stand der Beratung darstellt. Die Kommunen haben Ihnen vielmehr klipp und klar gesagt, dass sie die Aufgaben aus Ihrem Gesetz nicht erfüllen und nicht leisten können.

Das führt zu der Vermutung, dass dem Antragsteller, den Grünen, die Kostenfolgen für die Kommunen herzlich egal sind. Das wirft ein seltsames Licht auf Ihr Verständnis einer vernünftigen und angemessenen kommunalen Finanzausstattung. Es wirft außerdem die Frage auf, ob es Ihnen letztlich egal ist, ob der Vollzug des Gesetzes tatsächlich erfolgt, wenn den Kommunen die benötigten Personal- und Sachmittel nicht zur Verfügung gestellt werden. Das ist nicht seriös.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wir wollen deshalb eine umsetzbare und durchführbare Lösung: eine Lösung, die Rechtsicherheit schafft und Gefahrenabwehr ermöglicht; eine Lösung, die die Menschen in NRW vor Gifttieren in den falschen Händen schützt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das hat Rot-Grün in der Vergangenheit nämlich nicht geschafft. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Diekhoff. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Börner.

Frank Börner (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Diekhoff, schade, dass Sie mit Ihrem Redebeitrag eine sachliche Diskussion von Anfang an nahezu unmöglich gemacht haben.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ob ich mich in meiner Wohnung wohlfühle, hat viel mit der Größe und der baulichen Ausstattung zu tun, aber auch die Nachbarschaft kann viel zu einem angenehmen Wohngefühl beitragen – oder dieses nachhaltig zerstören.

Was ist, wenn der Nachbar Dinge tut oder Tiere hält, die meine Gesundheit, mein Leben oder das Leben meiner Familie gefährden? Das macht mich unsicher und nervös, und ich fühle mich bedroht. Davor will ich mich schützen, und davor muss ich geschützt werden. Das Grundgesetz schützt mein Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Was ist, wenn ich die berechtigte Sorge habe, dass mein Nachbar nicht sachgerecht mit gefährlichen Tieren wie Schlangen oder Spinnen umgeht? Welche Möglichkeiten habe ich, gegen diese Tierhaltung vorzugehen? – In Nordrhein-Westfalen keine.

Es gibt drei rechtliche Vorgaben mit Regelungen dazu. Leider sind sie nicht zielführend.

Erstens: Mietrecht. Ich kann den Vermieter bitten, etwas gegen diese Tierhaltung zu tun – wenn er es denn tut.

Zweitens: Bürgerliches Gesetzbuch, § 833. Darin ist die Tierhalterhaftung geregelt. Das Problem bei der Tierhalterhaftung ist, dass erst etwas passieren muss.

Drittens: § 121 Ordnungswidrigkeitengesetz des Bundes. Dieses behandelt das Freilassen von gefährlichen Tieren und dass der Halter dafür verantwortlich ist. Das Problem ist, dass er das Tier erst freilassen muss. Und dann ist es am Ende auch nur eine Ordnungswidrigkeit und kostet den Halter eine Geldbuße.

Das alles hilft mir nicht, wenn ich mich von den Tieren des Nachbarn bedroht fühle.

Neben der Gefahr für Leib und Leben der Nachbarn und auch des Tierhalters selbst entstehen – wie jetzt in Herne – schnell enorme Kosten, um die Tiere wieder einzufangen. Das aktuelle Beispiel zeigt: Allein die Rettungsdienste stellen ungefähr 150.000 Euro in Rechnung. Zusammen mit den infolgedessen anstehenden Renovierungskosten kommen wir schnell auf eine halbe Million Euro.

Wenn der Halter das nicht aufbringen kann, dann verbleibt der finanzielle Schaden bei der Kommune, dem Vermieter oder bei den Nachbarn. Dies kann so nicht bleiben.

Man kann dieses Thema in einem Satz zusammenfassen: Gefährliche Tiere gehören nicht in Nachbars Wohnung.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU])

Gefährliche Tiere gehören nicht in Nachbars Wohnung – und natürlich auch nicht in meine Wohnung. Wir müssen eine Regelung finden, die praktikabel und durchsetzbar ist. Gefahrtiere, die das Leben von Menschen bedrohen, gehören nicht in private Haushalte; sie gehören verboten.

Halter von gefährlichen Tieren müssen nachweisen, dass sie über die nötige Sachkunde verfügen, was Sicherheit und Tierschutz betrifft, und sie müssen eine entsprechende Haftpflichtversicherung abschließen, damit das Thema „Kosten“ geregelt ist.

Eine Meldepflicht für gefährliche Tiere muss überprüft werden.

Wir brauchen eine Lösung, die die Sicherheit des Nachbarn schützt und die Kosten nicht den Kommunen aufdrückt. Wir warten auf den Gesetzentwurf der Landesregierung; ein Entwurf liegt ja schon länger vor.

Ich schließe mit der Kernthese: Gefährliche Tiere gehören nicht in Nachbars Wohnung. – Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Börner. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Dr. Blex.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Heinen-Esser freut sich schon auf meine Rede, und das freut mich.

(Lachen von Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz)

Als im August eine Kobra in einem Mehrfamilienhaus in Herne gesichtet und gesucht wurde, mussten die Anwohner ihre Wohnungen aus Sicherheitsgründen verlassen. Nach einer tagelangen Suche durch die Einsatzkräfte wurde die Kobra schließlich gefunden. Diese Suchaktion war kostspielig und nervenaufreibend für alle Beteiligten.

Es ist schlichtweg unbegreiflich, warum die Haltung von Giftschlangen in Nordrhein-Westfalen immer noch genehmigungsfrei sein soll. So kann jeder in Nordrhein-Westfalen eine Kobra halten. Es genügt, wenn er die Volljährigkeit erreicht hat. Das genügt uns, der AfD-Fraktion, aber nicht.

Eine Situation wie in Herne darf sich nirgendwo in Nordrhein-Westfalen wiederholen. Wir wollen nicht, dass der Friede in unserer Nachbarschaft durch Exoten gestört wird. Sie gehören gemeldet und registriert. Es wäre sicherlich besser für uns alle, wenn sie einfach in ihrem gewohnten Habitat bleiben würden.

(Zuruf von Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz)

Der Auftrag an die Landesregierung, die möglichen Gefahrenszenarien durch den privaten Besitz von gefährlichen Tieren wild lebender Arten zu prüfen und einen Regelungsvorschlag bis zum Ende des Jahres vorzulegen, ist ein Schritt zur Versachlichung der Debatte.

Aber wozu der Antrag? Sie stehen in der Regierungsverantwortung. Sie brauchen den Antrag nicht als Startschuss, um mit dem Regierungsauftrag anzufangen. Es wäre Ihre politische Bankrotterklärung, wenn dem so ist.

Fakt ist: Trotz der medialen Berichterstattung stehen Sie heute mit leeren Händen da; Sie haben kalte Füße bekommen und wollen sich mit diesem Antrag noch etwas Zeit erkaufen.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Unsinn!)

Wir wollen Ihnen gern diese Frist bis zum Ende des Jahres geben, halten Ihren Antrag aber für eine Farce. Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen; denn wir wollen als Opposition nicht untätig bleiben, wenn sich die Ereignisse weiter überschlagen. Diese Beinfreiheit wollen wir uns lassen.

Gute Arbeit braucht Zeit. Deswegen ist der vorgelegte Gesetzentwurf der Grüninnen auch ein Witz. Es ist die Arbeit eines Ministerialbeamten im Umweltministerium, den die Grüninnen uns jetzt als Produkt ihrer geistigen Tätigkeit verkaufen wollen.

Ob die Bezüge zu anderen Gesetzen in dem Entwurf noch stimmen, wissen die Grüninnen selbst nicht einmal mehr. Die einzige Fleißaufgabe der Grüninnen bestand darin, die Begründung in wenigen Sätzen um aktuelle Ereignisse zu ergänzen sowie die Berichtspflicht zu aktualisieren. Sie legen uns also einen Gesetzentwurf vor, welcher seinerzeit, in Ihrer Regierungsverantwortung, geschrieben wurde, aber nicht – das muss betont werden – verabschiedet wurde. Sie hatten doch damals die Regierungsmehrheit.

Sie präsentieren uns also einen bereits gescheiterten Gesetzentwurf – kein Wort über die Gründe des Scheiterns und die ungelösten Probleme. Schließlich macht es einen Unterschied, ob die Haltung von exotischen Tieren nun niedergeschrieben steht oder ob sie auch kontrolliert wird. Bei Kontrollen nehmen es die Grüninnen bekanntlich nicht so genau.

Der Entwurf regelt nicht nur den Umgang mit gefährlichen Reptilien, sondern grundsätzlich auch mit exotischen Tieren. Ich bezweifele einfach mal, Herr Rüße, dass die private Haltung von Elefanten, Flusspferden, Nashörnern in einem Mehrfamilienhaus überhaupt artgerecht sein kann. Auch gehe ich davon aus, dass nicht sehr lange nach diesen Dickhäutern gesucht werden muss, wenn sie mal ausgebüxt sind, wie das zum Beispiel bei einem kleinen Reptil der Fall ist.

Wir werden sachlich im Ausschuss über Ihren Antrag reden, was reguliert werden muss und wie es reguliert werden kann.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Blex. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Heinen-Esser jetzt das Wort.

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir das Thema regeln müssen, und wir müssen es zeitnah regeln.

Sicher ist niemand in diesem Raum – es hat mich beruhigt, als ich die Vorrednerinnen und Vorredner gehört habe – der Auffassung, dass sehr gefährliche Tiere – eine Monokelkobra ist ein sehr gefährliches Tier, weil ihr Gift tatsächlich direkt zum Tod führen kann – in die Hände von unsachkundigen Menschen gehören, dazu wahrscheinlich noch unter komplett falschen Haltungsbedingungen in Mehrfamilienhäusern in unserem teilweise dicht besiedelten Bundesland. Ich denke, das ist der Obersatz, unter dem wir uns alle gemeinsam versammeln können.

Jetzt ist es wie so oft: Der Teufel liegt im Detail. Die Frage ist: Wie regele ich das? Es gibt in der Tat einen Gesetzentwurf aus der vergangenen Legislaturperiode, der sehr ausführlich sehr gefährliche Tiere definiert, Ausnahmegenehmigungen vorgesehen hat usw.

Wir haben uns damit hausintern intensiv beschäftigt. Damals ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt worden, weil er den Kommunen zu viele Lasten aufgebürdet hätte. Die Kommunen können nicht für vermutete 10.000 Besitzer sehr gefährlicher Tiere ein eigenes Netz von Verwaltungsbeamten vorhalten, die das alles überprüfen. Das heißt, hier sind wir bzw. Sie damals an Grenzen gestoßen. Es funktioniert nicht, ein Gesetz zu machen, dass zwar versucht, allen Haltern gerecht zu werden, dann aber die gesamte Last auf die Kommunen abwälzt.

Deshalb ist das Gesetz damals gescheitert, und deshalb gehört Nordrhein-Westfalen zu den wenigen Ländern, die überhaupt keine Regelung zum Umgang mit sehr gefährlichen Tieren haben. Das werden wir jetzt ändern, und zwar sehr zeitnah.

Ich persönlich stelle mir ein sehr schlankes Gesetz vor, das sich in der Tat nur auf die sehr gefährlichen Tiere beschränkt, also auf die sehr giftigen Schlangen, Skorpione, Spinnen usw., und würde mich auch von Flusspferden, Nashörnern etc. verabschieden. Das halte ich nicht für einen relevanten Regelungstatbestand bei uns in Nordrhein-Westfalen. Ich würde mich wirklich auf die Tiere konzentrieren, um die es hier geht.

Es ist zu überlegen, ob wir ein sehr schlankes Verbotsgesetz machen,

(Unruhe – Glocke)

das sich auf diese Tiere konzentriert, das es gleichzeitig Wissenschaftlern und Zoos sowie Privathaltern mit sehr seriösen Auffangstationen immer noch ermöglicht, Tiere zu halten.

Natürlich werden wir uns Gedanken darüber machen, was mit all denjenigen geschieht, die heute so ein Tier halten. Da kommt das zum Tragen, was auch schon genannt wurde: der Sachkundenachweis. Das müssen wir noch im Einzelnen prüfen; denn die Kommunen können das faktisch nicht vollziehen.

Zumindest das Führungszeugnis muss stimmen, und es muss eine Haftpflichtversicherung vorliegen. Denn der Fall Herne zeigt uns auch, dass die Kosten tatsächlich an der Kommune hängen bleiben.

Wenn dort die wahnsinnig aufwendige Lösung zum Tragen gekommen wäre, bei der das Haus mit Plastik eingewickelt und bedampft worden wäre, hätte die Haushaltssicherungskommune Herne noch nachfragen müssen, ob sie diesen Einsatz finanzieren darf. Wir hätten noch mehr Trouble und noch mehr Kosten gehabt. Deshalb muss im Minimum, wenn jemand solch ein Tier hält, eine vernünftige, nicht gedeckelte Haftpflichtversicherung bestehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden zeitnah einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Ich persönlich plädiere für ein schmales, schlankes Verbotsgesetz, das nur die Haltung der sehr gefährlichen Tiere regelt.

Darüber hinaus wird zu diskutieren sein, wie wir mit dem Import solcher Tiere umgehen und ob wir eine Bundesratsinitiative anstoßen wollen. Denn es ist auch nicht schön, zu sehen, was alles per Post in unserem Land ankommt. Wenn ein schöner Skorpion oder eine Kobra per DHL-Paket geschickt werden, finde ich das nicht witzig.

(Regina Kopp-Herr [SPD]: Genau!)

Wenn ich das dann eventuell noch für meinen Nachbarn annehme – nein, danke.

Wir werden ein vernünftiges Gesetz vorlegen und im Ausschuss diskutieren. Darauf freue ich mich. – Danke für das Zuhören.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin Heinen-Esser. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat für die verbleibende Redezeit Herr Kollege Rüße jetzt das Wort.

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, wenn Sie dann die Nashörner und Elefanten herausstreichen und ansonsten alles so belassen wollen, sind wir ja ungefähr auf einer Linie.

Ich weiß nicht, wie Sie ein schlankes Gesetz machen wollen, wenn Sie gleichzeitig sagen: Wir wollen die Anzeigepflicht.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Nein, nein!)

Wir wollen, dass die Kommunen doch kontrollieren. Wir wollen den Nachweis über eine Haftpflichtversicherung. Wir wollen den Nachweis der Zuverlässigkeit. – In Wirklichkeit bleiben Sie bei genau den Punkten, die in unserem Gesetzentwurf stehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das macht auch Sinn; denn im Gegensatz zu dem, was Sie, Herr Diekhoff, gesagt haben, ist dieser Gesetzentwurf aus einem langen Prozess entstanden. Im Jahr 2011 gab es in Metelen eine Zusammenkunft von Experten. Daraus ist dieser Gesetzentwurf letztendlich entstanden. Er wurde von Fachleuten erarbeitet. Es wäre sehr sinnvoll, diesen Gesetzestext zu nutzen und umzusetzen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. – Gibt es den Wunsch nach weiteren Redebeiträgen? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, erstens über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/7367. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz – federführend – und an den Innenausschuss zur Mitberatung. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Sehe ich auch nicht. – Dann haben wir so überwiesen.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung, dieses Mal über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/7375. Die antragstellenden Fraktionen haben eine direkte Abstimmung beantragt. Wer also dem Inhalt des eben genannten Antrages zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP sowie die SPD-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es Gegenstimmen? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt dagegen. Enthaltungen? – Sind demzufolge bei der AfD-Fraktion. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 17/7375 von CDU und FDP angenommen.

Wir kommen zu:

3   Zukunft des Flughafens Düsseldorf und Lärmschutz für die Anwohner in Einklang bringen – Mobilitätsbedürfnisse der Bürger dauerhaft sichern – Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze ermöglichen

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7363

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Herr Kollege Vogel das Wort.

Nic Peter Vogel (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fliegen war schon immer der Menschheitstraum. Pioniere wie Leonardo da Vinci, Abbas ibn Firnas, Otto Lilienthal oder die Brüder Wright haben dazu beigetragen, dass dieser Menschheitstraum in Erfüllung gehen konnte. Wir fliegen – was für ein Luxus.

Meine Damen und Herren, Sie werden sich sicher fragen, warum wir gerade in Zeiten von „Fridays for Future“, Greta und Flugscham einen Antrag zur Ertüchtigung des Düsseldorfer Flughafens ins Parlament einbringen. Die Leute wollen fliegen, und die Leute fliegen, genauso wie Ihre Wähler, liebe Grünen, und auch die Grünen selber. Wie ist es noch? Die Bundestagsabgeordneten der Grünen fliegen am meisten, zwar mit einem unglaublich schlechten Gewissen – das wird ja auch komprimiert, und auf die Currywurst wird nachher verzichtet –, aber es wird geflogen.

Die Flugbuchungen sind auf einem Rekordhoch. Die Menschen wollen fliegen. Sie wollen entfernte Verwandte oder Freunde in anderen Ländern wiedersehen, sie wollen Geschäftsbeziehungen pflegen, sie wollen in den wohlverdienten Urlaub, aber vor allen Dingen wollen sie andere Länder und andere Kulturen kennenlernen. Diese Neugier ist doch in unserer DNA, das ist sozusagen die Condition Humaine.

Wie aber kann der Flughafen Düsseldorf dazu beitragen, die vielen Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen? Die alte Betriebsgenehmigung und der Angerlandvergleich sind dermaßen in die Jahre gekommen, dass der Flughafen selbst und auch die IHKs seit vielen Jahren darauf drängen, den Flughafen endlich zu ertüchtigen.

Wir haben die technischen Möglichkeiten, in unserem Fall namentlich Slotzuweisungen an acht Stunden tagsüber. Wir haben die Möglichkeit – das wollen die Anwohner am meisten –, die Nachtflüge, die Verspätungen in den Griff zu bekommen. Wenn wir größere Zeitfenster haben und Ersatzmaschinen zur Verfügung stehen, dann können wir Verspätungen, die sich teilweise von mittags in den Nachmittag und bis in die Abendstunden schieben, vermeiden.

Gleichzeitig haben wir die Möglichkeit, unglaublich viele neue Arbeitsplätze mit einer unglaublichen Wertschöpfung zu schaffen. Davon profitieren das Land selber und auch die Stad Düsseldorf.

Es macht ökologisch überhaupt keinen Sinn, hier beispielsweise Flüge nach Hongkong oder Shanghai nicht mehr anzubieten. Wenn ich geschäftlich nach China muss, dann macht es ökologisch gar keinen Sinn, über Amsterdam oder Frankfurt zu fliegen. Wir haben hier die Möglichkeit.

Zu den Bedürfnissen der Anwohner: Meine Familie kommt aus Ratingen-Lintorf, wohnt also direkt unter einer Einflugschneise. Wenn ich im Sommer zu Besuch bin und im Garten sitze, dann bekomme ich den ersten Flieger noch mit, da schaue ich eventuell nach oben. Den zweiten Flieger registriere ich, und den dritten oder vierten bekomme ich gar nicht mehr mit.

Ich habe mich mit sehr vielen Anwohnern unterhalten, die unter anderen Einflugschneisen leben, und der Konsens ist derselbe: Tagsüber können wir das ausblenden. Aber es wird kritisch, wenn die Flieger spätabends oder sogar in den Nachtstunden landen, vor allen Dingen wenn man Kinder hat. Da hört der Spaß auf. – Das ist ja auch wirklich nachvollziehbar.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Flughafen selbst möchte, wenn er weiter ertüchtigt wird, 20 Millionen Euro zusätzlich in den Lärmschutz stecken. Da ist auch noch Luft nach oben. Wenn gleich vielleicht das Argument kommen wird: „Die Verspätungszuschläge sind viel zu gering“, rechnen Sie die mal hoch. Da kommen Sie auf ein erkleckliches Sümmchen.

Vielleicht müssen wir ja nicht sofort den Hamburger Weg einschlagen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Doch!)

– Vielleicht. Herr Klocke, wir können das Ganze auch gerne im Ausschuss noch besprechen. Sie haben ja die Möglichkeit, Entschließungsanträge zu stellen. Wir würden uns sehr über eine konstruktive Auseinandersetzung freuen.

Die wirtschaftlichen Zusammenhänge darf Ihnen gleich mein Kollege Herr Strotebeck noch näher erläutern. – Für jetzt danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Vogel. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Lehne jetzt das Wort.

Olaf Lehne (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten, lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der AfD macht mich wieder fassungslos. Öffentlichkeitswirksame Themen und öffentlich zugängliche Informationen des Flughafens Düsseldorf ausschließlich für Ihren völkischen, autoritären Populismus zu benutzen, ist die eine Sache,

(Zuruf von Nic Peter Vogel [AfD])

die Homepage des Flughafens Düsseldorf beinahe komplett Wort für Wort abzuschreiben, die andere. Da hilft es auch nicht, wenn Sie unendlich viele Zitate aufführen.

Die Bürger und Abgeordneten dieses Landes wissen um die Bedeutung des Flughafens Düsseldorf für Nordrhein-Westfalen und die Landeshauptstadt. Der Flughafen Düsseldorf ist einer der größten Jobmotoren unseres Landes. Er ist die größte Arbeitsstätte Düsseldorfs. Am Flughafenstandort arbeiten rund 21.600 Personen.

24.284.745 Fluggäste sind im Jahr 2018 von Düsseldorf aus zu Zielen in alle Welt gestartet. Somit ist der Flughafen Düsseldorf Nordrhein-Westfalens Tor zur Welt und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor nicht nur für Düsseldorf und unser Land, sondern auch für die Bundesrepublik. Dies alles haben wir auch ohne Ihren Antrag bereits gewusst.

Ihr Antrag ist wieder einmal schlichtweg überflüssig. Bereits auf die Kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten Vogel vom 7. Juni 2018 hat die Landesregierung in ihrer Antwort vom 16. Juli 2018 deutlich gemacht, dass der Zeitpunkt für eine Entscheidung in dem Verfahren „Kapazitätserweiterung“ noch nicht absehbar ist.

(Nic Peter Vogel [AfD]: Ja, schade!)

Die Unterlagen werden derzeit vom Ministerium geprüft. Bei Planfeststellungsverfahren von vergleichbarem Umfang ist in der Regel mit einer Bearbeitungszeit von nicht unter fünf Jahren zu rechnen.

(Nic Peter Vogel [AfD]: Aha!)

Im April 2016 hat die Flughafen Düsseldorf GmbH einen vollständigen Antrag auf Planfeststellung gestellt. Dies ist Ihnen bekannt.

Im Erläuterungsband zum Haushaltsplan 2020 des Verkehrsministeriums wird erläutert, dass die Sachprüfung durch das Ministerium zurzeit erfolgt und gegebenenfalls die Einschaltung von Drittgutachtern erforderlich wird. Auch dies müsste Ihnen bekannt sein.

Im Geschäftsbericht 2018 des Flughafens Düsseldorf heißt es:

„Im Wirtschaftsplan ist die Erteilung einer erweiterten Betriebsgenehmigung mit ersten verkehrlichen Auswirkungen ab Sommerflugplan 2023 unterstellt. Es besteht die Chance, dass das Verkehrsministerium den Planfeststellungsbeschluss früher erteilt und erste positive Effekte daraus in 2021 erzielt werden.“

(Nic Peter Vogel [AfD]: Das wäre allerdings gut!)

Der Flughafen weiß um die Dauer eines solchen Verfahrens und benötigt als ein Ort der Weltoffenheit und Toleranz ganz sicher nicht die AfD als scheinbaren Verfechter seiner Interessen.

(Nic Peter Vogel [AfD]: Ach Gottchen!)

18 Millionen Menschen leben im Umkreis von 100 km um den Flughafen Düsseldorf. Da bedarf es schon sorgfältiger Planungen und eines genauen Abwägungsprozesses der Interessen der Anwohner, der Bürger in Nordrhein-Westfalen im Übrigen und des Flughafens.

Als direkt gewählter Abgeordneter vor Ort ist mir dies besonders wichtig. Es ist mir schon klar, dass Sie diese sorgfältige Prüfung mit Ihrer plakativen, nicht fundierten „Immer-treffsicher-unter-die-Gürtellinie-Schnellschusspolitik“

(Nic Peter Vogel [AfD]: Unter dem Gürtel, Herr Lehne? Haben Sie eine Fantasie!)

nicht verstehen wollen oder auch nicht können. Ihre Forderungen an die Landesregierung sind zu einem großen Teil völlig überflüssig, da selbstverständlich und teilweise sogar realitätsfern.

So kann das Land nicht alles regeln, es kann nur einige Vorgaben bei der Betriebsführung machen. Auch können Landeentgelte nicht willkürlich vom Land festgelegt werden, wie Sie es fordern. Dies ist nach § 19b des Luftfahrtgesetzes dem Flughafenbetreiber zu überlassen.

(Nic Peter Vogel [AfD]: Das kann man ändern!)

Das alles müssten Sie wissen. Bei genauerer Betrachtung zerplatzen Ihre Wortblasen und leeren Versprechungen einfach so.

(Zuruf von Nic Peter Vogel [AfD])

Ihre Forderungen gehen teilweise auch erheblich zulasten der Bürger vor Ort. Die Ausführungen, die Sie gerade getätigt haben, als Sie behaupteten, dass Sie in unmittelbarer Nähe wohnen, zeigen nur deutlich, dass Sie die Interessen der Bürger anscheinend mit Füßen treten. Ansonsten würden Sie den Angerlandvergleich nicht angreifen; denn dieser ist für uns unantastbar. Er schützt die Anwohner.

Es wird die Bevölkerung im Düsseldorfer Norden sehr interessieren, dass Sie sich von Zusicherungen verabschieden und den Angerlandvergleich kündigen oder sogar aufheben wollen. Londoner Verhältnisse in Düsseldorf wollen wir nicht. Die Erweiterung des Zweibahnbetriebes wird objektiv geprüft.

Geht es um fundierte Recherche und Vorschläge auf drängende Fragen, Meinungsfreiheit und Transparenz, sind Sie leider nicht weit vorn. Wenn Vertreter Ihrer Partei Interviews abbrechen, weil ihnen der Inhalt nicht passt, den sie selbst erklärt haben,

(Zurufe von der AfD)

weil sie das Falsche erklärt haben, und dann den Pressevertretern offen drohen, zeigt sich die Denke Ihrer Partei.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Zudem wird die Gruppierung „Der Flügel“ innerhalb Ihrer Partei als rechtsextremer Verdachtsfall

(Markus Wagner [AfD]: Machen Sie sich nicht lächerlich, mein Freund! – Weitere Zurufe von der AfD)

durch den Verfassungsschutz eingestuft. Dies zu verharmlosen, wie Sie es jetzt gerade wieder tun und wie es auch Herr Wagner in der „WeLT“ getan hat,

(Markus Wagner [AfD]: Selbst nichts auf der Pfanne und dann mit solchen Sachen kommen!)

der sich dann noch Franz Josef Strauß ins Zimmer hängt, liegt völlig neben der Sache, muss ich ehrlich sagen. Er müsste sich eigentlich im Grabe wälzen, was mir sehr leidtäte.

(Markus Wagner [AfD]: Sie haben nichts auf der Pfanne! Peinlich, was Sie da vorn abliefern!)

Die AfD hat nichts mit konservativer Demokratie zu tun, sondern sie steht und bleibt leider rechts außen. Dies zeigt Ihr Auftritt

(Markus Wagner [AfD]: Bingo!)

mit den angeblichen Bergleuten. Ähnliche Auftritte gab es auch am Ende der Weimarer Republik – leider.

Der Überweisung werden wir zustimmen; den Antrag werden wir im Ausschuss aber ablehnen.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lehne. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Löcker.

Carsten Löcker*) (SPD): Frau Präsidentin, herzlichen Dank für die Worterteilung. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede vorab in Richtung AfD sagen: Der Antrag ist von der Art und der Güte her zumindest ein Hinweis darauf, dass Ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter die Fakten, was die Sachverhalte angeht, ganz ordentlich recherchiert haben. Das kann man schon sagen.

(Zurufe von der AfD: Danke schön!)

Sie verweisen in Ihrem Antrag zu Recht auf die Bedeutung des Flugverkehrs in Düsseldorf und wie stark dieser frequentiert ist. Auch die Zahlen beschreiben Sie recht gut.

Aber nun zum Thema. Mit Ihrem Antrag fordern Sie, dem Flughafen Düsseldorf sollten in den Abend‑ und Nachtstunden mehr Start‑ und Landemöglichkeiten zugestanden werden. Auch die beiden Landebahnen sollten abwechselnd genutzt werden; das ist das sogenannte Runway-Alternation-Verfahren.

Schauen wir uns den Antrag einmal genauer an. Ich zitiere – Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung – von der Seite 6. Dort schreiben Sie:

„Das Bedürfnis nach Ruhe ist für alle Menschen ein hohes Gut. Die Sicherstellung der Nachtruhe hat hierbei höchste Priorität.“

(Nic Peter Vogel [AfD]: Richtig!)

Das heißt, Sie beschreiben gleich im ersten Satz die Konfliktlinien. Einerseits fordern Sie mehr Flugverkehr, auch in den Nachtstunden,

(Nic Peter Vogel [AfD]: Nein, nicht in den Nachtstunden!)

andererseits stellen Sie die Sorge der Bürgerinnen und Bürger dar. Das kann man machen, aber ich kann dem ehrlich gesagt nur schlecht folgen. Da fragt man sich wirklich: Welche Forderungen stellen Sie da zusammen? Schließlich ist der Konflikt seit Langem bekannt.

Sie fordern gleichzeitig – und das ist dann Ihr Angebot in der Sache – mehr Investitionen in den Lärmschutz, obwohl doch mehr Flugverkehr zu mehr Lärmimmissionen führt. Das ist so, und das kann man auch nicht irgendwie infrage stellen. Stärkere Belastungen für die Menschen vor Ort sind dann auf jeden Fall die Folge.

Sie werden – das muss man deutlich sagen – auch mit noch so vielen Investitionen die Menschen in den Flugschneisen – und das ist die wesentliche Lärmquelle – vor Lärmbelästigung kaum schützen können, denn Fluglärm ist diffus und trifft größtenteils von oben auf die Immissionsstandorte. Unabhängig davon, was am Flughafen passiert, liegt das größte Problem sozusagen in der Luft, also wo die Flugbewegungen stattfinden.

Passive Schallschutzmaßnahmen in allen Ehren; die brauchen wir auch auf dem Boden, das ist klar. Ich denke, Düsseldorf ist auch relativ fortschrittlich, was die entsprechenden Lärmschutzmaßnahmen auf dem Boden angeht.

Aber hier öffentlich den Eindruck zu erwecken, man könnte auch in der Luft zu Lärmminderungen kommen, wenn man weitere Nutzungen mit mehr Flugbewegungen auf dem Flughafen zulassen würde, ist ziemlich abenteuerlich. Das will ich ausdrücklich sagen.

(Nic Peter Vogel [AfD]: Am lautesten sind die Starts!)

Auch die Leute in Duisburg und Ratingen werden Ihnen bescheinigen, dass der größte Lärm aus der Luft kommt. Daran können Sie auch mit Maßnahmen am Boden nichts ändern.

Das ist ziemlich viel Kosmetik, um den Teil zu beschreiben – das möchte ich ausdrücklich sagen –, und das bereitet auch Probleme mit denjenigen, mit denen Sie kommunizieren wollen. Das kriegen Sie nämlich nicht zusammen, weil es widersprüchlich ist, und die Probleme sollten Sie zumindest in einem ordentlichen Antrag, den Sie hier mit guten Absichten einbringen, auch beschreiben. Das haben Sie in der Form, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, nicht gemacht.

Kommen wir zu dem nächsten Widerspruch in Ihrem Antrag. Auf der letzten Seite fordern Sie die Landesregierung auf, die Betriebsgenehmigung des Flughafens Düsseldorf zu prüfen, „die unter Beibehaltung der aktuellen Nachtflugregelung eine grundlegende Änderung des Angerlandvergleichs berücksichtigt“.

Das habe ich zwei‑ bis dreimal lesen müssen, aber nicht verstanden, was Sie damit eigentlich meinen. Das kann an mir liegen. Man muss wissen: Dieser Angerlandvergleich bezeichnet die gerichtlichen Vergleiche aus dem Jahr 1965, die 2002 erneuert wurden. Das wissen wir.

Ich frage mich, ob Sie tatsächlich nachgelesen haben, was in diesem Angerlandvergleich steht. Es gibt zwei wesentliche Kriterien: Das eine beschreibt das Nachtflugverbot, und das andere die Begrenzung der Nutzung der zweiten Start‑ und Landebahn, auch Nordbahn genannt, in Spitzenzeiten auf 50 % oder als Ersatz für die Hauptstartbahn, wenn diese nicht zur Verfügung steht.

(Nic Peter Vogel [AfD]: Das möchten wir beibehalten!)

Das sind zwei wesentliche Punkte. In diesem Vergleich ist, wie ich finde, auch eine großzügige Regelung enthalten, denn 50 % der Betriebszeit bei entsprechenden Abwicklungsanforderungen sozusagen alternativ zu stellen, ist meiner Meinung nach eine formidable Regelung.

Der Angerlandvergleich hat eine sehr große Bedeutung, denn klar ist: Man kann ihn auch in laufenden Genehmigungsverfahren nicht irgendwie zur Disposition stellen; das geht überhaupt nicht. Die Leute genießen Vertrauensschutz, sie müssen sich darauf verlassen können.

Da können Sie mit einem Antrag nicht so tun und hier den Eindruck erwecken, man könnte diesen Angerlandvergleich zur Disposition stellen und damit einen Lösungsweg aufzeigen. Das ist wirklich abenteuerlich; das muss ich Ihnen noch einmal sagen.

(Zuruf von Nic Peter Vogel [AfD])

Das haben Sie in Ihrem Antrag schlecht beschrieben. Das führt nur zu Irritationen vor Ort, weil es niemand versteht.

Deshalb halten wir als Zwischenfazit fest, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie proklamieren mehr Lärmschutz, Sie wollen mehr Flugverkehr und greifen auch noch den Angerlandvergleich an. Das ist purer Populismus; das sage ich Ihnen ausdrücklich. Das hat nichts mit Lösungen zu tun. Das ist die übliche Art und Weise, wie Sie hier politisch arbeiten. Das will ich Ihnen mal ganz deutlich sagen.

(Demonstrativer Beifall von Nic Peter Vogel [AfD])

Über einen kleinen Punkt kann man sicherlich reden, nämlich über die langen Genehmigungsverfahren. Ich glaube, da stellt sich die Regierung auch an. Fünf Jahre sind ein ziemlich langer Zeitraum für den Luftfahrtstandort Nordrhein-Westfalen; das ist sicherlich kein gutes Beispiel.

Mein letzter Punkt: In dem Zusammenhang führen Sie Heathrow an und sagen, dass in Düsseldorf eine wunderbare Runway-Alternation-Struktur möglich sei.

Dem Flughafen Düsseldorf fehlt erstens die räumliche Kapazität für dieses Verfahren – eine Debatte erübrigt sich insofern, selbst wenn Sie sie führen wollten –, und zweitens fehlt das Baurecht; das muss man auch einmal deutlich sagen. Also so zu tun, als könnte uns das weiterhelfen, was die Londoner in dem Zusammenhang machen, halte ich für völlig abwegig.

Was bleibt? – Anwohner fühlen sich auf jeden Fall zumindest irritiert,

(Sarah Philipp [SPD]: Das ist das System!)

denn wenn sie in Ihren Antrag schauen, lesen sie, dass Sie ihnen mehr Fluglärm – auch in der Luft – zumuten wollen.

Auch der Klimaschutz scheint Sie überhaupt nicht zu interessieren. Wir finden in Ihrem Antrag nämlich kein einziges Wort zu den CO2-Problemen.

(Nic Peter Vogel [AfD]: Fliegen wird immer sauberer und immer leiser!)

Mit der vom Menschen verursachten Erderwärmung haben Sie sowieso Ihre Probleme, und wir wissen auch, dass Sie beim Thema „Klimawandel“ inhaltlich nicht wirklich weitergekommen sind.

Auch der Angerlandvergleich verkommt bei Ihnen zur disponiblen Masse; das will ich Ihnen mal so deutlich sagen. Das geht gar nicht.

In der Sache finden wir nichts wirklich Substanzielles, was uns auch im Ausschuss nach vorne bringen könnte, denn klar ist: Wir wollen für den Flughafen Düsseldorf eine Wachstumskurve, aber die kriegen wir nur hin, wenn wir solide arbeiten, die Fakten zur Kenntnis nehmen und dann nach Lösungen suchen.

In diesem Sinne lade ich Sie dazu ein, mit uns im Fachausschuss entsprechend zu diskutieren, dafür zu werben und zu sorgen, dass der Flughafenstandort Düsseldorf eine gute Zukunft hat. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Löcker. – Für die Fraktion der FDP hat nun Herr Abgeordneter Middeldorf das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Bodo Middeldorf (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in dieser Legislaturperiode schon häufiger mit den großen Flughäfen in unserem Lande – auch mit Düsseldorf – befasst, und schon oft habe ich gesagt – deswegen will ich es an dieser Stelle noch einmal wiederholen –: Die FDP-Fraktion steht ohne Wenn und Aber zum Düsseldorfer Flughafen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Seine herausragende wirtschaftliche und verkehrspolitische Bedeutung ist völlig unbestritten: Er ist nicht nur ein zentrales Luftdrehkreuz mit einer Anbindung vieler internationaler Destinationen, sondern er hat natürlich auch eine wichtige Funktion – das ist schon angeklungen – als Arbeitgeber und als Jobmotor in der Region.

Diese unmittelbaren, aber auch die mittelbaren ökonomischen Effekte machen den Düsseldorfer Flughafen zu einer der wichtigsten Infrastruktureinrichtungen in unserem Land. Deswegen werden wir alles tun, um die Leistungsfähigkeit des Düsseldorfer Flughafens heute und in Zukunft sicherzustellen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Der Flughafen liegt – auch das wissen wir – inmitten einer hochverdichteten Region. Das ist erst einmal gut, weil es bedeutet, dass es für viele Passagiere kurze Anreisewege gibt.

Es bedeutet aber zugleich – auch das muss man sagen – eine hohe Betroffenheit und viele negative Auswirkungen für die Anwohnerinnen und Anwohner im unmittelbaren Umfeld des Flughafens.

Viele Menschen wissen um die Bedeutung des Flughafens für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und der gesamten Region. Sie leben mit den unvermeidlichen Beeinträchtigungen, aber gleichzeitig in Kenntnis und in Abwägung dieser unterschiedlichen Interessen.

Unbestreitbar gibt es auch Anwohnerinnen und Anwohner, für die die Belastungen besonders groß sind; auch das gehört zur Wahrheit. Sie zu schützen, ist uns genauso wichtig wie die Stärkung des Flughafens selbst, meine Damen und Herren.

Aus Sicht der FDP-Fraktion wird dies am ehesten gelingen, wenn von allen Beteiligten, insbesondere aber auch vom Flughafen selbst und den Fluggesellschaften deutliche Anstrengungen unternommen werden, um die unzulässige oder auch nur die fahrlässige Ausnutzung von Sonderregelungen beim Nachtflugverbot weitgehend auszuschließen.

Wir wollen in diesem Sinne darauf hinwirken, dass der rechtliche Rahmen für die Spreizung lärmabhängiger Start‑ und Landeentgelte vollständig ausgeschöpft wird.

Ich sage genauso klar: Wir erwarten vom Flughafen Düsseldorf selbst einen aktiven Dialog im Umgang mit den berechtigten Interessen der betroffenen Bevölkerung.

An diesen Grundsätzen kommt auch der vonseiten des Flughafens gestellte Erweiterungsantrag nicht vorbei. Sein Ziel ist es, grundlegende Änderungen im Betrieb zu ermöglichen, und zwar vor allem eine Flexibilisierung der Nutzung der beiden Flugbahnen, die zu einer Steigerung der Kapazitäten in den Tageskernzeiten führen soll.

Der Flughafen hat dazu – das ist schon erwähnt worden – im Jahr 2015 die erforderlichen Schritte durch die Beantragung des Planfeststellungsverfahrens eingeleitet.

Ein solches Planfeststellungsverfahren – das muss man hier mal sehr deutlich sagen – ist in seinem Ablauf gesetzlich klar definiert. Es sieht ein mehrstufiges Verfahren vor, in dem die Anhörung der Bürgerinnen und Bürger, der Verbände, unterschiedlicher Interessengruppe ein zentraler, gar elementarer Bestandteil des gesamten Verfahrens ist.

Gerade bei so sensiblen und weitreichenden Vorhaben wie einer Erweiterung des Flughafens ist aus unserer Sicht ein solcher Verfahrensschritt nicht nur formalrechtlich einzuhalten; er ist mit Blick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten ein entscheidender Bestandteil eines sauberen und fairen Abwägungsprozesses zwischen unterschiedlichen Interessen, meine Damen und Herren.

Im Falle des vorliegenden Planfeststellungsverfahrens wurden über die Bezirksregierung Düsseldorf als Anhörungsbehörde über 40.000 Einwendungen erhoben. Dass eine intensive Auseinandersetzung mit jedem einzelnen dieser Einwände, dass eine systematische Auswertung und eine Berücksichtigung in diesem Abwägungsprozess nicht innerhalb weniger Wochen oder Monate zu leisten sein werden, sollte wohl jedem klar sein.

Von vergleichbaren Verfahren wissen wir, dass eine solide und rechtssichere Abarbeitung einer solch gewaltigen Anzahl etwa fünf Jahre in Anspruch nehmen wird. Aber ich sage genauso klar: Das ist der Preis der Rechtsstaatlichkeit, den wir gerne zu zahlen bereit sind.

Sollte jetzt der Eindruck erweckt werden, wie das heute angeklungen ist, als könne die Landesregierung durch politische Einflussnahme und nach Gutdünken eine Entscheidung herbeiführen, so will ich dieser Einschätzung in aller Form widersprechen.

Jeder Vorwurf der Zögerlichkeit verkennt den Umfang und die Qualität des hier vorzunehmenden förmlichen Verfahrens völlig. Was die Regelungen zum Lärmschutz angeht, gelten außerdem fachplanerische Regelungen. Etwaige Entschädigungsfragen erfolgen außerhalb des Planfeststellungsverfahrens.

Im Übrigen obliegt es dem Flughafen selbst, im Rahmen einer Entgeltordnung Lärmklassen einzurichten und entsprechende Gebühren festzulegen. Die Genehmigungsbehörden haben in dieser Frage kein eigenes Gestaltungsrecht.

Die Landesregierung unternimmt bereits vielfältige Anstrengungen – das habe ich an anderer Stelle schon mal deutlich gemacht und gewürdigt –, um die Zahl der Flüge außerhalb der Kernzeiten systematisch zu reduzieren.

Auf dem letzten Luftverkehrsgipfel, bei dem unser Ministerpräsident selber mit dabei war, wurden unter Mitwirkung unserer Landesregierung zahlreiche Maßnahmen beschlossen, die auf eine Optimierung der Pünktlichkeit gerichtet sind. Auch das ist bei der Reduzierung der Nachtflüge das Kernanliegen.

Unser Verkehrsminister hat sich des Themas ebenfalls im engen Dialog mit den Fluggesellschaften angenommen. Diese Bemühungen, meine Damen und Herren, sollen im Mittelpunkt stehen. Wir unterstützen sie ausdrücklich.

Gerne vertiefen wir das Thema in den vorgesehenen Fachausschüssen: Verkehrsausschuss sowie Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung. Selbstverständlich stimmen wir einer Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Middeldorf. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Engstfeld das Wort. Bitte sehr.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir von Bündnis 90/Die Grünen halten diesen Antrag, wie schon Kollege Olaf Lehne von der CDU-Fraktion ausgeführt hat, für überflüssig. Aber er gibt uns noch mal Gelegenheit, aus grüner Sicht ein paar grundsätzliche Bemerkungen zum Düsseldorfer Flughafen zu machen.

Wir sind uns der Bedeutung des Flughafens Düsseldorfs als Standortfaktor für die Region und das Land Nordrhein-Westfalen sowie seines Stellenwerts zur Sicherstellung von Mobilitätsbedürfnissen der in der Region und im Lande lebenden und arbeitenden Menschen und Unternehmen natürlich bewusst.

Die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens ist unbestritten. Deshalb wollen wir, dass er auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt.

Wir haben beim Düsseldorfer Flughafen aber das Problem, dass sein größter Vorteil, der Standortfaktor – er ist ein Stadtflughafen –, auch sein größter Nachteil ist. Es ist natürlich schön, wenn man in einer Viertelstunde oder in 20 Minuten vom Flughafen Düsseldorf in die Innenstadt fahren kann. Er liegt aber nicht auf der grünen Wiese und kann daher auch nicht wie auf einer grünen Wiese wachsen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Richtig!)

Er ist einfach beschränkt, und es gibt einfach Rahmenbedingungen, die diese Beschränkungen herbeiführen. Deswegen wird der Düsseldorfer Flughafen nie wie der Frankfurter Flughafen, wie Amsterdam-Schiphol oder wie London-Heathrow sein.

Er ist ein Stadtflughafen und liegt in einer dicht besiedelten Region, sodass der Betrieb mit erheblichen Belastungen für seine Umgebung verbunden ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen kann die wirtschaftliche Entwicklung des Flughafens nicht alleiniger Maßstab der Politik sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für uns ist völlig klar, dass das Problematische am Düsseldorfer Flughafen neben seiner Lage natürlich auch die Verspätungen in der Nacht sind. Hier muss eindeutig mehr getan werden, um die Verspätungen auf ein Minimum zu begrenzen.

In unserem Antrag, zu dem wir eine Anhörung hatten und der leider im Juni im Verkehrsausschuss abgelehnt wurde, haben wir Möglichkeiten aufgezeigt und Vorschläge zur Wiederherstellung der Nachtruhe, die derzeit nicht vorhanden ist, unterbreitet.

Beispielgebend dafür sind die Flughäfen Hamburg und Frankfurt, die Verletzungen der Nachtruhe durch empfindlich höhere Lärmzuschläge und eine Reihe von weiteren Maßnahmen – zum Beispiel Gewinnabschöpfung, Einforderung schriftlicher Berichte der Piloten oder des verantwortlichen Betriebsleiters, Einbestellung der betroffenen Luftfahrtgesellschaften etc. – deutlich strenger ahnden als der Flughafen Düsseldorf. Hier besteht eindeutig Handlungsbedarf.

Meine Damen und Herren, liebe AfD-Fraktion, für uns ist klar: Der Angerlandvergleich steht nicht zur Disposition. Ich würde auch jedem davon abraten, daran zu gehen oder an diesem Angerlandvergleich herumzudoktern.

Ich sage Ihnen: Sie werden keine bessere Lösung herbeiführen oder finden als diesen Angerlandvergleich. Das ist das Beste, das es gibt. Das ist das Beste für Düsseldorf, für den Flughafen und für alle in der Region – für Essen, für Duisburg, für Meerbusch, für Ratingen. Das ist das Beste, was wir haben. Lassen Sie deswegen bitte die Finger vom Angerlandvergleich.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir sind – das ist kein Geheimnis, das haben wir auch im Plenum schon mehrfach gesagt – gegen die geplante Kapazitätserweiterung des Düsseldorfer Flughafens. Mehr Flüge bedeuten mehr Lärm und Abgase. In unserem dicht besiedelten Gebiet, in unserer Region führt das zu einer weiteren für uns nicht hinnehmbaren Belastung der Anwohnerinnen und Anwohner.

Angesichts des bereits heute bestehenden Ausmaßes der Belastungen fühlen wir uns auf jeden Fall verpflichtet, dem Schutzbedürfnis der Menschen und ihrer Gesundheit sowie dem Schutz der Nachtruhe Geltung zu verschaffen. Das spricht natürlich eindeutig gegen eine geplante Kapazitätserweiterung.

Fliegen ist die klimaschädlichste Art der Fortbewegung – ich glaube, das ist unstrittig.

(Zuruf von der FDP)

Wir unterstützen natürlich jede Maßnahme, die das ändert.

Gerade in Bezug auf Slots bin ich sehr gespannt, Herr Vogel, wie wir in fünf bis sechs Jahren de facto mit Inlandsflügen in einem Radius vom 400 bis 600 km umgehen.

Es kann sein, dass wir zu neuen Wegen und Regelungen gelangen, sodass einige Slots wieder frei werden und dadurch eine gewisse regulatorische Wirkung eintritt. Wir würden uns sehr freuen, wenn Fortschritte erzielt würden und es eine klare Regelung für Inlandsflüge gäbe.

Ich habe es teilweise selber bei Ausschussreisen erlebt: Da fliegt man nach Schanghai, und die Kolleginnen und Kollegen nehmen Flüge von Düsseldorf nach Frankfurt; ich fahre ICE. Man fragt sich dann schon: Muss das in unserer heutigen Zeit wirklich sein? – Nein, das muss es nicht.

(Monika Düker [GRÜNE]: Genau!)

Ich würde mich sehr freuen, wenn das geändert würde und sich auch die Einstellung einiger Kolleginnen und Kollegen im Parlament ändern würde.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Natürlich stimmen wir der Überweisung in den Fachausschuss zu.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Wüst das Wort. Bitte sehr.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung ist sich der Bedeutung des Flughafens Düsseldorf bewusst. Ich bin froh, dass ich keinen Zweifel daran haben muss, dass das bei den Fraktionen hier im Parlament ebenfalls so ist. Ich erlaube mir aber auch die Anmerkung, dass ich nicht glaube, dass es dazu eines extra Antrages bedurft hätte.

Grundsätzlich ist zum Flugbetrieb in Düsseldorf festzustellen, dass er auf einer geltenden bestandskräftigen Betriebsgenehmigung basiert. Alle hierzu ergangenen Urteile sind rechtskräftig. Der Flugbetrieb ist also rechtlich in keiner Weise zu beanstanden.

Darunter fallen im Übrigen auch die Regeln für verspätete Landungen in den Abendstunden. Auch diese sind rechtlich – so, wie sie stattfinden – nicht zu beanstanden, wenngleich jeder hier und heute in der Debatte unterstrichen hat – das ist auch gut so –, dass man die Verärgerung und die Beeinträchtigungen der Anwohnerinnen und Anwohner sehr gut nachvollziehen kann.

Flugverspätungen will niemand – nicht die Landesregierung, nicht die Fluggesellschaften, nicht die Passagiere und natürlich auch nicht die betroffenen Anwohner in der Nachbarschaft, deren Recht auf erholsamen Schlaf und Nachtruhe ich ausdrücklich unterstreichen will. Aber auch das ist eigentlich Stehsatz in diesen Debatten; darüber hätten wir nicht noch einmal diskutieren müssen.

Die Landesregierung beobachtet die Zahl der Landungen nach 23 Uhr sehr genau. Ich will Sie daran erinnern, dass es zwei große hochrangig besetzte Luftverkehrsgipfel gegeben hat – einen im Oktober 2018 und einen im März dieses Jahres.

Die Teilnehmer waren Luftverkehrsgesellschaften, Vertreter der Flughäfen, Verbände und Vertreter der EU, des Bundes und der Länder. Auch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen war vertreten. Ich selbst habe bereits im vergangenen Jahr Gespräche mit Vertretern der am Flughafen Düsseldorf stark vertretenen Airlines geführt.

Das Ergebnis all dieser Gespräche, Treffen und Gipfel war ein ganzes Paket an Maßnahmen für mehr Zuverlässigkeit – manches kurz‑, manches mittel‑ und manches langfristig, zugestanden. Wenn wir uns die aktuellen Zahlen aber noch einmal zu Gemüte führen, kann keiner bestreiten, dass die ersten Maßnahmen wirken.

Im Zeitraum von Januar bis August dieses Jahres ist die Zahl der Landungen nach 23 Uhr von knapp 1.700 auf etwas über 1.000 Landungen deutlich zurückgegangen. Das sind gut 600 verspätete Flüge weniger. Einen solch starken Rückgang hat es in den vergangenen Jahren nicht gegeben.

Deshalb noch einmal: Die Landesregierung nimmt das Thema „verspätete Landung“ nicht hin; wir tun etwas dagegen.

Auch bei diesem Thema liegen die Lösungen allerdings nicht ausschließlich in der Regulatorik, sondern daneben eben auch in Innovationen. Deshalb will ich gerne noch einmal ausführen, dass wir unlängst mit der Zusage von 4 Millionen Euro Fördermittel in die Investitionen am Flugplatz Merzbrück zur Erforschung des geräuscharmen Startens und Landens die Voraussetzungen dafür geschaffen haben.

4 Millionen Euro finde ich gut angelegtes Geld, um den Widerspruch zwischen den berechtigten Lärmschutzinteressen der Anwohnerinnen und Anwohner und unser aller Interesse nach Mobilität aufzulösen. Auch darin liegt eine Lösung der beschriebenen Probleme.

Wir fördern das gerne, und wir hoffen, dass wir da sehr schnell Erfolge zeigen – nicht nur im Sinne der Anwohnerinnen und Anwohner der Flugplätze, sondern auch im Sinne von Innovation und Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, und wenn es dann gleich kommt: ein schönes Wochenende.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Wüst. – Für die Fraktion der AfD hat Herr Abgeordneter Strotebeck das Wort. Bitte sehr.

Herbert Strotebeck (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Ich wiederhole es gerne: Der Flughafen Düsseldorf ist unser Tor zur Welt.

Ab 2020 wird das Tor noch etwas größer, denn dann können Sie von Düsseldorf aus dreimal pro Woche direkt nach Tel Aviv fliegen. Tel Aviv ist die zweitgrößte Stadt Israels, das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes und daher für deutsche Unternehmen und Touristen von Bedeutung.

Weniger erfreulich ist der ifo-Geschäftsklimaindex. Dieser sackte im August bereits den fünften Monat in Folge ab. Die Anzeichen für eine Rezession verdichten sich. Wir als Politiker haben für eine verlässliche Wirtschafts‑ und damit auch Einkommensbasis für die Bürger in unserem schönen Lande zu sorgen. Daher ist unser Antrag auch ein Entfesselungspaket für den Düsseldorfer Flughafen.

(Beifall von der AfD)

Laut einer aufschlussreichen Studie der IHK zur Bedeutung des Düsseldorfer Flughafens für die regionale Wirtschaft reichen die positiven Einflüsse auf die Wirtschaft und die Vielzahl der Arbeitsplätze weit in das Land Nordrhein-Westfalen hinein.

Unser Flughafen als größter Arbeitgeber der Landeshauptstadt ist ein Garant für positive Auswirkungen, zum Beispiel durch die über 20.000 Arbeitsplätze direkt am Flughafen, die weit über 50.000 Arbeitsplätze in der Region und die Sicherheit, dass jeweils eine Million Fluggäste einen Zuwachs von 3.300 direkten und indirekten Arbeitsplätzen bedeuten. Laut einer Potenzialanalyse sind bis 2030 bei zusätzlich möglichen 16 Millionen Passagieren ungefähr weitere 53.000 Arbeitsplätze in der Region zu erwarten.

Die Flughafen Düsseldorf GmbH, also die FDG, zahlt von ihrem Jahresüberschuss von über 57 Millionen Euro insgesamt 44 Millionen Euro an die Gesellschafter, davon 22 Millionen Euro alleine an die Landeshauptstadt. Das Steueraufkommen der GmbH lag 2018 bei über 26 Millionen Euro. Das sind sichere und steigerungsfähige Einnahmen.

Erwähnt werden muss auch die Bedeutung des drittgrößten Flughafens in Deutschland als einziger NRW-Flughafen mit nennenswerten Langstreckenverbindungen: auf den amerikanischen Kontinent, in die Karibik und nach Asien.

Wenn Sie sich sachlich mit den von meinem Kollegen und mir vorgetragenen Argumenten befassen, ist es leicht für Sie nachzuvollziehen, welchen wirtschaftlichen Schaden das Land Nordrhein-Westfalen durch die lange Bearbeitungszeit der Planfeststellungsbehörde über den Antrag der FDG auf Änderung der Betriebsgenehmigung beim Verkehrsministerium von mindestens fünf Jahren hinnehmen muss.

Wir sollten nicht erst bis zur nächsten Landtagswahl warten. In der aktuellen Sommersaison konnten zum Beispiel lediglich 82 % der nachgefragten Slots genehmigt werden.

Die beantragte neue Betriebsgenehmigung erlaubt eine Anpassung der Nachfrage und eröffnet damit die Möglichkeit für die Flughafengesellschaft, sich in dem wachsenden Markt zukunftsfähig zu positionieren. So kann unser Tor zur Welt auch weiterhin ein Garant für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung sein.

Ich freue mich mit meinem Kollegen auf die Diskussion in den Ausschüssen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Strotebeck.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor, sodass wir am Schluss der Aussprache sind und zur Abstimmung kommen können über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates, der uns empfiehlt, den Antrag mit der Drucksache 17/7363 an den Verkehrsausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung zu überweisen. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.

Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann stelle ich die einstimmige Zustimmung des Hohen Hauses zu dieser Überweisungsempfehlung fest.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf:

4   Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet brauchen eine bedeutende Immobilienmesse

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/7362

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion dem Abgeordneten Beckamp das Wort. Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Roger Beckamp (AfD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist bald wieder soweit: 7. Oktober, die EXPO REAL in München öffnet ihre Tore. Drei Tage lang wird alles, was in der Immobilienbranche in Deutschland, aber auch darüber hinaus, Rang und Namen hat, vor Ort sein.

Ich selbst war vor über zehn Jahren das erste Mal da, seitdem fünf-, sechsmal, auch letztes Jahr. Dort habe ich den einen oder anderen von Ihnen gesehen. Da waren einige aus der Landespolitik, viele aus der Bundespolitik und insbesondere auch aus der Kommunalpolitik vor Ort.

Ebenso waren die Messestände aus unserem Land zahlreich. Oberbürgermeister, Städte, Regionen – alle waren vertreten. Es gab viele Gespräche an den Ständen, abends beim Bier, bei einem Bier, bei vielen Bieren zahlreiche gute Dinge getan.

Es gibt dort zahlreiche Fachgespräche und Diskussionsrunden. Diese Messe hat in jeder Hinsicht viel zu bieten. Genau das ist der Punkt.

Die Vielzahl der nordrhein-westfälischen Aussteller, die auch in diesem Jahr wieder in München sein werden, macht deutlich, welche Bedeutung dem Standort NRW selber als Immobilienstandort zukommt, trotz des immer noch zu bewältigenden Strukturwandels. Dieser stellt einerseits eine große Not dar, bietet andererseits aber auch ein großes Chancentableau und Investitionsmöglichkeiten in Hülle und Fülle.

Deshalb haben nicht wir, sondern die Industrie- und Handelskammern des Ruhrgebiets treffend festgestellt, dass eine international bedeutsame Immobilienmesse, eine Fachmesse, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte. Ich zitiere:

„Das Ruhrgebiet könnte sich mit seinen Messestandorten als preisgünstigere und zentralere Alternative anbieten und so vielen Kommunen mit angespannter Haushaltslage helfen.“

Ruhrgebiet, NRW – besser als München. Genauso ist es.

Ja, wir sind sicher preisgünstiger bei Hotelübernachtungen. Ja, wir liegen in der Mitte Deutschlands, wir haben Flughafenverbindungen, wir haben hervorragende IC-Anbindungen. Die Ruhrgebietsstädte würden den wirtschaftlichen Impuls einer solchen Messe sicherlich gut nützen können, und sie verfügen auch über entsprechende Erfahrungen, Beispiel Dortmund, Essen.

Auch thematisch hat NRW einiges zu bieten: mit Blick auf Baulandbereitstellung im Bereich Bahnhaltepunkte allein 3.000 ha. Das alleine wäre schon eine Investorenmesse wert.

Wir können solche Messen im Land gestalten. Die IHKs haben das Thema aufgegriffen; wir führen es fort. Insofern nehmen Sie den Vorschlag doch gerne auf. Sagen Sie „ja“ zur Wirtschaft im Land.

Ich vermute, Sie werden mir gleich erklären, dass das alles nicht geht, weil der Antrag von der AfD ist, weil er menschenfeindlich, handwerklich schlecht gemacht, sexistisch, islamophob ist.

(Zuruf von Nic Peter Vogel [AfD])

Ich bin gespannt, woran Sie das bei diesem Antrag festmachen – ich freue mich drauf – oder was Sie sonst nach Tageslaune dagegen zu sagen haben. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD – Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Beckamp. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Kollege Hausmann das Wort. Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Wilhelm Hausmann*) (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt auf der Liste der agenda.RUHR einige gute Ideen. Dazu gehört es auch, Schlüsselevents ins Ruhrgebiet zu bekommen. Das ist für uns als Ruhrgebietler natürlich sehr herzerwärmend.

Auf der agenda.RUHR-Liste findet sich zum Beispiel auch, dass international bedeutsame Messen angeworben werden sollen. Es gehört aber auch dazu, dass die Austragung der Olympischen Spiele 2032 angestrebt wird oder dass die Internationale Gartenausstellung 2027 ins Ruhrgebiet und damit ins Herz von Nordrhein-Westfalen kommen könnte.

Entsprechende Bewerbungen unterstützen die IHKs. Was wir bei der IHK nicht gefunden haben, ist die krude Idee, die EXPO REAL aus München ins Ruhrgebiet abzuwerben. Da könnte man auch auf die Idee kommen, die MIPIM aus Cannes ins Ruhrgebiet abzuwerben.

Ich glaube, das ist ein Maßstab, der etwas verkennt, dass etablierte Messen über Jahrzehnte gewachsen sind und das gewachsene Arbeitsstrukturen, die wir im Ruhrgebiet ja haben, nicht automatisch zu guten Messen führen. Darauf komme ich gleich noch einmal. Hier sind sicherlich andere Strukturen angemessener.

Mein klitzekleiner Eindruck ist, dass Sie hier auf eine positive Diskussion aufspringen wollen,

(Roger Beckamp [AfD]: Stimmt!)

um zu sagen: Das haben wir auch gefordert.

Ich muss Ihnen sagen: Die Landesregierung kann an sich nicht die Ausführung einer Messe verordnen.

Und wer soll diese Messe bekommen? – Oberhausen, Dortmund, Essen oder Bochum – um einmal in der bekannten Reihenfolge der bedeutendsten Städte nachzufragen?

(Michael Hübner [SPD]: Das ist ja niedlich!)

Für die Ansiedlung von Messen sind bekanntlich die Messeveranstalter zuständig. Die Zuständigkeit liegt also nicht beim Land und nicht bei der Landesregierung.

Darüber hinaus hätten wir auch ein Problem, wenn wir inhaltlich gleich orientierte Messen in diesem Raum anbieten würden. Wir haben seit 2015 die polis Convention in Düsseldorf, und wir haben die Baumesse NRW in Dortmund. Beide Formate sind mittlerweile etabliert, haben Zehntausende von Besuchern, wachsen stetig und ziehen auch immer mehr Fachpublikum an. Hierzu eine inhaltsgleiche Konkurrenzmesse etablieren zu wollen, wäre, glaube ich, für das Fachpublikum äußerst kontraproduktiv. Sie würden den Effekt auf drei Schlüsselevents verteilen wollen. Damit wäre die Idee – das, was Sie eigentlich postulieren wollen –, nämlich ein Schlüsselevent zu bekommen, dahin.

Die Forderung, solche namhaften Messen wie die EXPO REAL ins Ruhrgebiet zu verlegen, ist aus meiner Sicht reiner Populismus. Denn auch die EXPO REAL ist – Sie haben ja eben beschrieben, wer dahin fährt – sicherlich eine international sehr renommierte Messe, aber sie lebt auch davon, dass sie im Umfeld des Münchner Oktoberfests ein bisschen ein Schaulaufen ist.

Was wir im Ruhrgebiet brauchen, sind die beiden anderen Messen in Düsseldorf und Dortmund, die eben deutlich mehr den Charakter von Arbeitsmessen haben.

Zielführend ist es daher aus unserer Sicht, die vorhandenen Strukturen hier in Nordrhein-Westfalen zu stärken, die vorhandenen Messen und Formate auszubauen und damit eine Arbeitsebene zu schaffen, auf der sich die Kommunen präsentieren können, auf der die Bauwirtschaft ihre Kunden treffen kann – und das eben mit einem deutlich anderen Charakter als der, der von Ihnen angesprochen worden ist.

Meine Damen und Herren, Ihr Antrag kommt etwas zur Unzeit. Er geht inhaltlich am Thema vorbei. Es wird angestrebt, dass sich das Land in ein Szenario einmischen soll, das nach unserer Sicht dem freien Markt zu überlassen ist. Wenn der freie Markt entscheidet: „Wir wollen das machen, wir sehen dafür eine Zukunft“, dann wird es sicher auch die Unterstützung der Landesregierung dafür geben.

Wir lehnen daher Ihren Antrag in dieser Form heute ab.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hausmann. Sie haben sicherlich das Nachrichtensignal gesehen. Es wurde eine Kurzintervention der AfD-Fraktion und hier des Abgeordneten Wagner angemeldet. Es steht Ihnen frei, diese vom Rednerpult entgegenzunehmen und zu erwidern oder von Ihrem Sitzplatz aus.

Herr Abgeordneter Wagner, Sie haben das Wort für bis zu 90 Sekunden.

Markus Wagner (AfD): Es geht auch ganz schnell, Kollege Hausmann. Sie haben in Ihrer Antwort auf unseren Antrag vorhin durchscheinen lassen, dass es natürlich Sache der Messebetreiber sei, Messen an Land zu ziehen, und nicht Sache der Landesregierung. Das haben wir in unserem Antrag auch nie behauptet. Ich weise daher noch einmal auf Punkt II.1 hin, wo wir sagen – ich zitiere –:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, gemeinsam mit den Messebetreibern die Chancen für eine international bedeutende Immobilienmesse auszuloten und ggf. erforderliche Schritte für eine Umsetzung einzuleiten.“

Ich glaube, damit ist alles gesagt. Es geht hier nicht darum, dass die Landesregierung eine Messe an Land ziehen soll, sondern dass die Landesregierung gemeinsam mit den Messebetreibern die Chancen ausloten soll. Dagegen kann nichts sprechen.

(Beifall von der AfD)

Wilhelm Hausmann*) (CDU): Ich antworte von hier. Hier gibt's etwas zu trinken, auf meinem Platz nicht.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Hausmann, das steht Ihnen, wie schon gesagt, frei.

Wilhelm Hausmann*) (CDU): Ich habe am Anfang darauf hingewiesen, wer Initiator einer solchen Sache sein kann. Die Initiatoren, die sich auf der agenda.RUHR durch die IHKs deutlich artikuliert haben, sprechen nicht davon, dass das Land etwas tun soll, sondern sie sprechen davon, welche Highlights im Ruhrgebiet von ihnen angestoßen werden können. Dafür kann man dann die Unterstützung einwerben. Da steht aber nichts davon, dass man die EXPO REAL bekommen will.

Sie beziehen sich in Ihrem Antrag darauf und entfremden das ein bisschen in Richtung der publikumswirksamen Messe. Das macht Ihren Antrag wahrscheinlich etwas spektakulärer – das will ich Ihnen durchaus zugestehen –, aber es geht an dem vorbei, was ich eben formuliert habe: Wir brauchen Arbeitsmessen, die aus einem Marktbedürfnis heraus entstehen sollen. Wenn sie dann so weit sind und die Veranstalter sagen, jawohl, dafür brauchen wir die Landesunterstützung, dann sind wir da an der richtigen Stelle gefragt, aber nicht das Land als erster Initiator, der sozusagen eine Messe von oben verordnet. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hausmann. – Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Philipp das Wort. Bitte sehr, Frau Kollegin.

Sarah Philipp (SPD): Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es geht in dem Antrag – das haben wir jetzt schon gehört – um das Ruhrgebiet und die Forderung der AfD, dass eine bedeutende Immobilienmesse hier hingeholt werden soll.

Ich glaube, wir sind uns einig – Kollege Hausmann hat es schon ausgeführt –, die EXPO REAL – Sie kennen Sie alle von diversen Besuchen, zumindest diejenigen, die sich fachlich mit dem Thema beschäftigen – ist eine imposante Messe, eignet sich sehr gut zum Netzwerken für die, die investieren wollen, für die, die sich politisch mit dem Thema auseinandersetzen. Das steht alles außer Frage.

Ja, die ist in München. Da kann eine Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag diesen Plenarantrag auf den Weg bringen, sich das Thema zu eigen machen, die Frage ist aber: Was soll das eigentlich bringen, und wo wollen Sie eigentlich hin, und was soll eigentlich nach Ihrer Forderung daraus folgen? Denn im übertragenen Sinne sagt Ihr Antrag nichts anderes als: Das will ich auch, das möchte ich gerne hier haben. Da kann man an einigen Punkten zweifeln.

Das erste Argument, das Herr Beckamp angeführt hat, war, dass man das unbedingt als Veranstaltung braucht. Die Frage, die auch Herr Hausmann schon beantwortet hat, lautet: Gibt es hier in unserem Bundesland keine ähnlichen Veranstaltungen und Kontaktmöglichkeiten? Es gibt erstens diverse Fachmessen, es gibt auch – das wissen die, die sich mit dem Thema beschäftigen – diverse Themenforen und auch die Möglichkeit, sich zu vernetzten. Von daher ist das Argument auf jeden Fall da schon widerlegt.

Man kann weiterhin beim Argument der Kosten fragen, ob, wenn jetzt eine große Messe nach Nordrhein-Westfalen geholt wird, es nicht auch zu exorbitanten Preiserhöhungen im Hotelgewerbe kommen kann. Insofern ist fraglich, ob das Preisargument am Ende wirklich so zieht. Auch das können wir hier an der Stelle nicht beantworten. Das sollte man aber auch mit berücksichtigen.

Die eigentliche Frage, die mit dem Antrag leider nichts zu tun hat, ist: Warum soll man sich hier eigentlich mit der Messe beschäftigen, wenn die Handelsware, um die es geht, hier in Nordrhein-Westfalen überwiegend Mangelware ist.

Deswegen sagen wir: Es kann nicht um eine Verlagerung der Messe, um einen neuen Messestandort gehen. Wir brauchen keine neuen Messen und Veranstaltungen. Davon haben wir genug. Es gibt genügend Möglichkeiten. Wir brauchen am Ende mehr nutzbare Flächen für den Wohnungsbau, fürs Gewerbe, für Industrie, für Logistik. Das ist der eigentliche Kern des Themas. Damit werden Sie diesem Antrag hier nicht gerecht. Das wäre das eigentliche Thema gewesen, mit dem Sie sich hätten auseinandersetzen können.

Von daher ist der Antrag interessant, das Thema ist sicherlich diskussionswürdig. Wir können es leider nicht weiter diskutieren, weil Sie direkte Abstimmung beantragt haben. Das heißt, Sie nehmen sich da auch die Möglichkeit, das ganze Thema weiter zu spielen. Das ist ein weiterer Kritikpunkt, den wir haben. Am Ende bleibt der Antrag überflüssig. Die neuen Messen brauchen wir nicht. Wir brauchen neue Flächen. Sie setzen sich damit nicht auseinander. Deswegen machen wir das: Wir werden den Antrag ablehnen. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Philipp. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Paul das Wort.

Stephen Paul (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man fragt sich wirklich, was dieser Antrag soll. Sicherlich hat die AfD-Fraktion auf der verzweifelten Suche nach baupolitischen Themen jetzt auch das Thema „Messen“ für sich entdeckt. Wenn man sich damit einmal fachlich auseinandersetzt, auch mal mit den Vertreterinnen und Vertretern der Immobilien- und Wohnungswirtschaft in Nordrhein-Westfalen spricht, dann stellt man fest, dass die alle nur die Kopf schütteln, denn so eine Messe – darauf haben eben schon Kollege Hausmann und Kollegin Philipp hingewiesen – baut man nicht eben mal so auf.

Worüber reden wir denn bei der EXPO REAL? Da muss man vielleicht mal Zahlen sprechen lassen. Über 2.000 Aussteller auf über 64.000 m2. Die haben heute schon, nach mehr als 20 Jahren – zwei Jahrzehnte gibt es die Messe in München –, über 45.000 teilnehmende Besucherinnen und Besucher. Am Rande finden weitere Kongresse statt. Insgesamt gibt es mehr als 100 Veranstaltungen im Rahmen dieser Messe.

Da führen auch Menschen aus Nordrhein-Westfalen gute Gespräche, die NRW.BANK ist vor Ort, NRW.INVEST, NRW.URBAN und andere Gesellschaften des Landes, aber auch unsere Verbände der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft und die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Wir sind dort stark präsent, haben über Jahre als Land Nordrhein-Westfalen gute Kontakte geschaffen und wollen die weiterhin nutzen.

Es war vor 20 Jahren auch gar nicht ausgemacht, dass diese Messe, EXPO REAL, die als internationale Fachmesse als die Messe in Deutschland oder Europa gilt, nach München kommt. Es waren damals auch Städte wie Berlin oder Leipzig im Gespräch. Dann hat sich das vor über 20 Jahren in München etabliert. Heute empfängt man dort Gäste aus aller Welt.

Das kann man nicht einfach so verlagern. Es erinnert mich auch fatal an diesen AfD-Vorschlag, Hochschulen im Land einfach irgendwo in den ländlichen Raum zu verlagern. Solche Sandkastenspiele mag man anstellen, um von irgendwoher Beifall zu bekommen,

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

aber die Fachleute, die Immobilien- und die Wohnungswirtschaft sagen, dass das eine Illusion ist.

Man muss doch auch etwas über die Landesgrenzen hinausdenken – zumindest deutschland- und europaweit. Es gibt auch noch weitere Messen in Europa, die sich längst etabliert haben, wie zum Beispiel die MAPIC in Cannes, wo auch Nordrhein-Westfalen gut vertreten ist.

Nun heißt der Antrag ja „Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet brauchen eine bedeutende Immobilienmesse“. Das ist, wie ich finde, auch ein Schlag ins Gesicht der Macher der polis Convention hier in Düsseldorf, die sich seit über fünf Jahren und zuletzt im Areal Böhler etabliert hat. Das ist eine ganz bedeutende Messe, auf der Städte, die Immobilienwirtschaft des Landes, Investoren, Finanziers, Architekten und Planer zusammenkommen.

Jährlich begrüßt man dort über 5.000 Besucher, und es gibt 350 Aussteller. Ich nehme dort auch regelmäßig teil und muss sagen, dass es eine ganz tolle Messe ist, die vom Land Nordrhein-Westfalen von Beginn an unterstützt wurde und die wir auch weiterentwickeln können. Unser Vorschlag wäre also, dass wir die polis Convention weiterentwickeln und unterstützen.

Daneben gibt es – das muss man voneinander trennen – zahlreiche Verbrauchermessen überall im Lande, die sich ebenfalls gut etabliert haben. Da ist die Bau! Messe! NRW! in Dortmund – Wilhelm Hausmann hat darauf hingewiesen. Da ist die Düsseldorfer Immobilienmesse. Überall im Land haben wir regionale Verbrauchermessen – oft auch durch die Sparkassen ausgerichtet, zum Beispiel durch die Sparkasse Mülheim an der Ruhr, lieber Christian Mangen.

(Beifall von Christian Mangen [FDP])

Das läuft alles schon sehr gut, und das sollten wir weiter unterstützen.

Abschließend möchte ich sagen: Uns ist es wichtig, dass sich unsere Landesregierung weiter darauf konzentriert, die große NRW-Messe polis Convention in ihrer sehr hoffnungsvollen Entwicklung zu unterstützen. Vor allem sollte sie ihre Ressourcen darauf konzentrieren, das gesellschaftliche Klima für das Bauen und das Vermieten in Nordrhein-Westfalen zu verbessern.

Da sind wir auf einem guten Weg, und es lohnt sich für die Menschen in Nordrhein-Westfalen, sich weiterhin darauf zu konzentrieren. – Ihnen und euch allen später ein gutes Wochenende. Danke.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Paul. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Remmel das Wort. Bitte sehr.

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich eigentlich nicht näher inhaltlich mit dem Antrag beschäftigen, wobei ich gleich vielleicht trotzdem etwas dazu sage.

(Helmut Seifen [AfD]: Das machen Sie nie!)

Ich möchte mich damit beschäftigen, welche Strategie wir im Moment von der AfD-Fraktion an verschiedener Stelle erleben.

(Christian Loose [AfD]: Sagen Sie doch mal was zur Sache!)

– Nein, nein, das gehört zur Sache dazu.

(Christian Loose [AfD]: Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie nichts zur Sache sagen!)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, bei dem ich mich daran erinnert gefühlt habe, was Sie aktuell machen.

Wir haben in meiner Heimatstadt einen ehemaligen Bürgermeister, den ich wirklich sehr schätze, der die Angewohnheit hatte, jeden Samstag, wenn Markt war und viel Publikum da war, die Stadt rauf und runter zu laufen. Man konnte ihm gar nicht schnell genug ausweichen, bevor er einem die Hände geschüttelt hat.

Das hatte natürlich einen politischen Zweck: zum einen, Präsenz zu zeigen, und zum anderen, neue Freunde zu gewinnen, vielleicht auch, Kritik etwas milder zu gestalten. Also: sehr sympathisch.

Was Sie heute mit diesem Antrag machen, ist genau dasselbe Prinzip – nicht nur mit der Immobilienmesse, wo Sie sozusagen der IHK die Hand schütteln, sondern Sie haben dasselbe heute Morgen mit dem Flughafen gemacht, und Sie haben es neulich mit den Bergleuten gemacht und ihnen auf sehr perfide Wiese die Hand geschüttelt.

Das ist das politische Prinzip, welches Sie mit diesen Anträgen verfolgen. Das Thema „Flüchtlinge“ ist Ihnen ausgegangen, und jetzt meinen Sie, Sie müssten Ihren braunen Schmutz jedem in die Hand drücken.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])

Ich kann nur alle davor warnen, Ihnen die Hand zu schütteln. Da bleibt nämlich etwas kleben.

(Helmut Seifen [AfD]: Ich hätte Ihnen das gar nicht zugetraut, Herr Remmel! – Lachen von Christian Loose [AfD])

Ihnen geht es heute gar nicht um die Sache selbst. Sie wollen nach außen zeigen, dass Sie ein gesellschaftsfähiger politischer Ansprechpartner sind.

(Christian Loose [AfD]: Sie sprechen gar nicht zum Thema!)

Diesen Gefallen tun wir Ihnen nicht, weil der Antrag auch handwerklich und inhaltlich überhaupt nicht auf der richtigen Ebene platziert ist.

(Helmut Seifen [AfD]: Und völkisch!)

Messen werden in diesem Land von den Messen selbst organisiert, und da muss es das notwendige Interesse geben.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Wenn es da Unternehmerinnen und Unternehmer gibt, beteiligt sich die Landesregierung, indem sie hingeht oder einen Stand macht und so die Messe unterstützt.

(Helmut Seifen [AfD]: Sie führen hier ein Trauerspiel auf!)

Aber dass die Landesregierung selbst als handelnder Akteur eine Messe in irgendeiner Weise hierhinholt, ist völlig abwegig und entspricht auch nicht unseren Messewegen und der Marktwirtschaft.

(Markus Wagner [AfD]: Sie können sagen, dass Sie nichts zu sagen haben! Das geht schneller!)

Deshalb tue ich Ihnen nicht den Gefallen, Ihren Antrag ernsthaft zu behandeln. Er ist nämlich gar nicht ernst gemeint. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Remmel.

(Helmut Seifen [AfD]: Herr Remmel, das war ein elendes Trauerspiel! – Johannes Remmel [GRÜNE]: Ich habe aber getroffen!)

Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Scharrenbach das Wort. Bitte sehr, Frau Ministerin.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die EXPO hat mehr als eine Berechtigung. Das wissen wir alle.

Es ist völlig normal, dass die Regionen aus Nordrhein-Westfalen sich auf Messen in anderen Bundesländern präsentieren. Denn eines haben wir hier: Fläche. Das ist das Spannende, was unsere Regionen auf der EXPO in München jedes Jahr zeigen. Insofern bahnen sich dort auch Geschäftskontakte von Kommunen mit Unternehmen aus dem Ausland an.

Kürzlich erst ist es gelungen, dass eine ehemalige Brachfläche in Dortmund mit einem ausländischen Investor entwickelt werden kann. Das sind die Kontakte, die letztendlich über die EXPO in München miteinander realisiert werden, weil man sich dort eben trifft.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Insofern gibt es da überhaupt keinen Widerspruch. Die EXPO hat ihre Berechtigung, die sie sich über 20 Jahre mehr als erworben hat.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Richtig!)

Wir haben in Nordrhein-Westfalen – darauf ist der Abgeordnete Hausmann vorhin eingegangen – seit 2015 die polis Convention. Sie war in diesem Jahr auf dem Areal Böhler in Düsseldorf zum ersten Mal vollständig ausverkauft. Die gesamte Fläche konnte belegt werden.

Daran merken Sie erstens, wie lange es dauert, eine Fachmesse zu etablieren. Zweitens habe wir es gemeinsam geschafft, Aussteller aus anderen Bundesländern nach Nordrhein-Westfalen zu holen, die zu uns gekommen sind, um ihre – in Anführungszeichen – Waren, Dienstleistungen und Vorstellungen für die Stadtentwicklung zu präsentieren.

Diese Messe wächst also weiter, und das ist gut. Wir stehen mit dem Veranstalter in einem sehr intensiven Austausch darüber, wie wir die Messe für die Zukunft aufstellen.

Im Jahreskalender der Messen gibt es mit der MIPIM in Cannes – auch darauf ist hingewiesen worden – eine weitere Gelegenheit, wo sich natürlich auch nordrhein-westfälische Städte, Gemeinden und Regionen präsentieren können. Das gehört auch zum Auftritt eines einwohnerstärksten Bundeslandes: sichtbar zu machen, was wir zu bieten haben. Und das ist eine ganze Menge, etwa auch im Wohnungsbau und in der Flächenpolitik.

Auch bei der EXPO in München Anfang Oktober dieses Jahres wird ein Schwerpunkt auf Fläche, Entwicklung und Vorstellungskraft der Städte und Gemeinden liegen. Das ist richtig so, und das sollen sie weiter tun. Wir als Landesregierung – das wissen Sie – sind sehr intensiv an dem Thema „Digitalisierung von Baugenehmigungen“ dran, Building Information Modeling, also wie wir Planen, Bauen und Betreiben in die nächste Generation gehoben kriegen. Wir sind auch intensiv an den Themen „Bauen mit Holz“ und „nachhaltiges Bauen“ dran. Ich bin mir sicher, dass sich in dieser Hinsicht in Zukunft eine weitere Option ergeben wird.

Vor dem Hintergrund harren wir doch einfach mal der nächsten sechs Monate, und ich bin gespannt, wie wir das gemeinsam einwerben.

Dieser Antrag ist vom Inhalt her … Jetzt hätte ich fast „überflüssig“ gesagt, aber das darf ich ja nicht.

(Helmut Seifen [AfD]: Anregend!)

Aber er wird ja zur direkten Abstimmung gestellt, sagen wir es mal so.

(Heiterkeit von Josef Hovenjürgen [CDU])

Der Jahreskalender der Messen ist gut gefüllt, wenn es um die Themen „Wohnen“, „Bauen“, „Planen“ und „Stadtentwicklung“ geht, und ich bin mir sicher, dass im nächsten halben Jahr vielleicht noch ein weiterer Baustein dazukommen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit sind wir am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wie schon erwähnt, hat die antragstellende Fraktion direkte Abstimmung beantragt, sodass ich nun um das Votum des Hohen Hauses zu diesem Antrag bitten darf. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der antragstellenden Fraktion der AfD. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Es enthält sich der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist der Antrag Drucksache 17/7362 mit dem festgestellten Abstimmungsverhalten der Fraktionen abgelehnt.

Ich rufe auf:

5   Volksinitiative gemäß Artikel 67 der Landesverfassung: Volksinitiative mit der Kurzbezeichnung „Aufbruch Fahrrad“

Unterrichtungen
des Präsidenten des Landtags
Drucksache 17/6925
Drucksache 17/7316

Nach dem Gesetz über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid kommt eine Volksinitiative rechtswirksam zustande, wenn unter anderem 0,5 % der Wahlberechtigten zur letzten Landtagswahl die Volksinitiative durch ihre Unterschrift unterstützen. Für dieses Quorum sind in dieser Wahlperiode 65.825 Unterschriften erforderlich.

Mit Drucksache 17/7316 hat der Präsident des Landtags Ihnen mitgeteilt, dass die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ dieses Quorum erreicht hat.

Gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid hat der Landtag hierüber Beschluss zu fassen und festzustellen, dass die Volksinitiative rechtswirksam zustande gekommen ist.

Der Landtag hat nach § 4 Abs. 5 des Gesetzes über das Verfahren bei Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid die Volksinitiative innerhalb von drei Monaten nach ihrem Zustandekommen abschließend zu behandeln. Die Vertrauenspersonen sind von den zuständigen Ausschüssen anzuhören.

Eine Debatte zur Unterrichtung der Drucksache 17/7316 ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung über die in Drucksache 17/7316 enthaltene Beschlussempfehlung.

Erstens. Die Volksinitiative mit der Kurzbezeichnung „Aufbruch Fahrrad“ ist rechtswirksam zustande gekommen. Ich darf um das Abstimmungsverhalten bitten. Wer zustimmen möchte, den bitte ich, jetzt aufzuzeigen. – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/ Die Grünen und AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Der guten Ordnung halber: Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist die Ziffer 1 der Beschlussempfehlung Drucksache 17/7316 einstimmig angenommen.

Zweitens. Zur Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung der Vertrauenspersonen der Volksinitiative wird das Anliegen der Volksinitiative an den Verkehrsausschuss überwiesen. Auch hier darf ich fragen, wer dieser Empfehlung zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe.

Damit ist diese Beschlussempfehlung und Überweisung angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende von Tagesordnungspunkt 5 angekommen.

Ich rufe auf:

6   Pläne für eine Campus-Maut für Nicht-EU-Studierende endgültig begraben

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/7368 – Neudruck

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Abgeordneten Bolte-Richter das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Matthi Bolte-Richter*) (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Weltweit gehen heute Millionen Menschen auf die Straße, um für die Bekämpfung der Klimakrise zu demonstrieren. Wenn wir es mit dieser Menschheitsaufgabe ernst meinen, dann kommen wir um mehr Innovationen, mehr Offenheit und Begeisterung für Innovationen nicht herum. Wir brauchen alle Talente, die diese Innovationen hervorbringen. Um diese Talente geht es in dieser Debatte.

(Beifall von den GRÜNEN und Frank Sundermann [SPD])

Wenn in der Klimadebatte über Innovationen gesprochen wird, dann meinen viele andere Parteien Ausreden. Was wäre passiert, wenn die Vereinigten Staaten nach dem Sputnik-Schock gewartet hätten, bis das Beamen erfunden worden wäre? – Neil Armstrong hätte nie den Mond betreten, und seine Nachfolgerinnen würden heute noch in Houston herumsitzen und auf Einsätze warten, die niemals kommen.

Viele der Technologien haben wir heute schon erforscht, durch junge Talente, durch Talente, die auch aus unserem Land kommen, die in unserem Land ausgebildet wurden. Wir haben heute schon viele digitale Unternehmen, die uns helfen, Sharing-Modelle hervorzubringen, mit denen weniger, besser und anders konsumiert wird. Wir haben neue Produktionsverfahren, die den Ressourcenverbrauch senken.

All diese Innovationen und Fortschritte, die für unsere Menschheit eine Überlebensfrage darstellen, bekommen wir nur, wenn wir heute umsteuern, wenn wir nicht mehr nur darauf schauen, wie viel andere Länder wie die USA und China in Künstliche Intelligenz investieren, sondern wenn wir eine europäische Antwort geben, wenn wir die positiven Effekte der Digitalisierung und der Innovation für unsere Gesellschaft sehen und nutzen, wenn wir erkennen, dass Roboter uns Menschen sinnentleerte Arbeiten abnehmen können, wenn wir Algorithmen demokratisch kontrollieren lernen und wenn wir nicht länger zur Kenntnis nehmen, dass die deutschen Innenminister die größten Risiken für unseren Innovationsstandort darstellen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bekämpfung der Klimakrise ist die Mondlandung meiner Generation. Darum geht es heute beim globalen Klimaaktionstag. Nutzen wir diese Chance! Denn viel mehr Chancen haben wir nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei dieser Aufgabe – ich sagte es eingangs – brauchen wir alle Talente. Wir dürfen es nicht zulassen, dass junge Menschen davon abgehalten werden, ihren Beitrag zu leisten. Darum lehnen wir alle Hürden ab.

Deshalb lehnen wir auch die Studiengebühren, wie Sie sie einführen wollen, ab – Studiengebühren vor dem Studium, nach dem Studium und während des Studiums. Für uns war in der Vorgängerregierung die einzige Option, diesen Irrsinn zu beenden.

(Beifall von den GRÜNEN und Dietmar Bell [SPD])

Die CDU hat ausweislich des Koalitionsvertrags ihr Versprechen gebrochen, keine neuen Studiengebühren einzuführen. Sie sind eingeknickt vor dem Druck der FDP, diesen neoliberalen Irrsinn wieder aus der Mottenkiste zu holen.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Hier haben Sie sich eine besondere Schnapsidee ausgedacht: Diejenigen, die sich am wenigsten wehren können, sollen zahlen, und zwar, bitte schön, nicht zu knapp. – Das ist Bildungsnationalismus pur, ein Bürokratiemonster, eine reine Schnapsidee.

Nachdem Sie zwei Jahre herumgeprüft und herumdilettiert haben, gibt es jetzt Andeutungen aus Koalitionskreisen, dass man sich vielleicht überlegen könnte, sich doch von den Ausländerstudiengebühren zu verabschieden. Da kann ich Ihnen nur sagen: Endlich einmal eine gute Idee von Schwarz-Gelb! Das hat diesmal sogar ohne Gefälligkeitsgutachten geklappt. Respekt!

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Bolte-Richter, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Es gibt vom Abgeordneten Höne den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Matthi Bolte-Richter*) (GRÜNE): Gerne. Aber dann möchte ich, dass meine Zeit angehalten wird.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Das wird gemacht. – Bitte sehr, Herr Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Bolte, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Ich würde gerne etwa 30 Sekunden in Ihrer Rede zurückspringen. Da haben Sie nämlich die Behauptung aufgestellt, dass wir uns das Modell, um das es hier geht, ausgedacht hätten. Ist Ihnen auch nach längerer Debatte immer noch nicht bewusst, dass wir uns das nicht ausgedacht haben, sondern dass wir es kopiert haben, und zwar von Ihren grünen Kolleginnen und Kollegen aus Baden-Württemberg?

(Beifall von der FDP)

Matthi Bolte-Richter*) (GRÜNE): Lieber Kollege Höne, das bekommen wir natürlich immer wieder zu hören. Dazu sage ich Ihnen als ersten Punkt das, was wir Ihnen immer gesagt haben. Wir haben nämlich schon zu dem Zeitpunkt, als es diese Diskussion in Baden-Württemberg gab, ganz klar gesagt: Das ist kein Modell oder kein Fall, das oder den wir hier in Nordrhein-Westfalen in dieser Form anfassen würden.

Der zweite Punkt ist ein ganz entscheidender. In Baden-Württemberg werden nämlich die Studiengebühren, wie sie dort eingeführt wurden, erstens auch weiterhin kritisch überprüft. Zweitens wurden sie nicht, so wie Sie das hier in Nordrhein-Westfalen vorhaben, als reines Sparmodell gefahren, sondern gingen mit erheblichen Investitionen in die Betreuungsrelation einher. Das sind alles Dinge, die Sie hier im Land nicht so machen wollen.

Das heißt: Wenn Sie schon nach Baden-Württemberg gucken,

(Bodo Löttgen [CDU]: Wie funktioniert es denn in Baden-Württemberg?)

dann machen Sie es, bitte schön, richtig. Dann hätten Sie es wenigstens so machen müssen, dass Sie nicht alleine auf Kosten von ausländischen Studierenden sparen, sondern es auch mit einem Investitionsprogramm versehen, lieber Kollege Höne.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es schadet also nicht, sich auch ein bisschen tiefer in die Fachdebatte hineinzubegeben, als Sie das an dieser Stelle gemacht haben.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Was hat Ihre Prüfung nach zweieinhalb Jahren denn ergeben? Sie haben sich hier in NRW mit dem auseinandergesetzt, was in Baden-Württemberg passiert ist. Und dort ist genau das passiert, was wir immer befürchtet haben.

(Henning Höne [FDP] führt ein Gespräch mit Bodo Löttgen [CDU].)

– Hören Sie mir doch wenigstens zu, Herr Höne.

(Henning Höne [FDP]: Sie erzählen ja die ganze Zeit Quatsch!)

Die Beteiligung dieser Menschen, die wir in unserem Land für die Internationalisierung unseres Wissenschaftsstandorts brauchen, an der Hochschulbildung in Baden-Württemberg ist zurückgegangen. So hatten wir das auch gesagt. Genau deswegen ist das, was Sie da vorhaben, kein Modell für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben dann auch noch festgestellt, dass es immer noch keine Stipendienprogramme für Menschen aus dem globalen Süden gibt. Das ist ein weiteres Detail, das ebenfalls zu dieser Debatte dazugehört.

Offensichtlich denken Sie ja in Koalitionskreisen jetzt doch noch einmal darüber nach. Inzwischen sind die Kolleginnen und Kollegen, die das bisher federführend verantwortet haben, auch aus diesem Parlament ausgeschieden. Herr Dr. Berger ist nicht mehr bei uns; Herr Körner ist nicht mehr bei uns. Frau Ministerin, Sie sind ja auch erst später dazugekommen und haben diesen Unsinn aus dem Koalitionsvertrag nicht mitzuverantworten.

Jetzt reden Sie also darüber. Wir rufen Ihnen aber von dieser Stelle aus heute in der Debatte zu: Je schneller Sie Schluss machen mit Studiengebühren, desto besser. Bekennen Sie sich, und zwar hier an diesem Ort, in diesem Parlament. Hier gehört die Debatte hin, meine Damen und Herren. Sagen Sie: Nein; Schluss; keine Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bolte-Richter. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Dr. Nacke das Wort. Bitte sehr.

Dr. Stefan Nacke*) (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Bolte-Richter, man braucht nicht besonders musikalisch zu sein, um zu wissen: Das Entscheidende an vielen Stellen des Lebens ist das Timing.

Das gilt auch für Ihren Antrag mit dem etwas despektierlichen, geframeten Titel „Campus-Maut“. Lieber Herr Bolte-Richter, Sie kommen mit Ihrem Antrag einfach zu früh und spekulieren über nicht gelegte Eier.

(Lachen von den GRÜNEN – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Es steht ja nur im Koalitionsvertrag!)

Ich kann Sie beruhigen: Die Legislaturperiode dauert noch einmal so lange, wie sie bisher schon gedauert hat, obwohl sie es jetzt schon nicht mehr aushalten können. Unser Koalitionsvertrag ist auf ganze fünf Jahre ausgelegt. Mit etwas mehr Coolness sollten Sie die Gelegenheit abwarten, unseren abschließenden Vorschlag dann entweder in der Sache zu kritisieren oder ihm vielleicht sogar zustimmen zu können.

Jedenfalls lassen wir uns von Ihnen nicht treiben. Wir geben als NRW-Koalition den Takt weiterhin vor. Sie handeln bloß taktisch und, indem Sie die Studierendenschaft bewusst verunsichern, auch wenig taktvoll.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Auch in diesem Sinne bräuchte der Antragsteller selbst Qualitätsverbesserungsmittel.

Natürlich lehnen wir Ihren Antrag, den Sie selbst wahrscheinlich auch gar nicht ernst meinen, ab. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Nacke. – Jetzt spricht Herr Bell für die SPD-Fraktion.

Dietmar Bell (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Nacke, ich finde, dass das für den neuen wissenschaftspolitischen Sprecher der CDU-Landtags-fraktion ausgesprochen dünn war.

Eines will ich hier einmal sagen: Wer verunsichert eigentlich seit mehr als drei Jahren die Studierenden in diesem Land in der Frage der Studiengebühren?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es war Ihr damaliger fachpolitischer Sprecher, Stefan Berger, der sich in diesem Hohen Haus im Oktober/November 2016 für Studiengebühren ausgesprochen hat.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Es war Ihr Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, Armin Laschet, der diese Ansage kassiert hat – mit dem Versprechen, keine Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen einzuführen.

Es waren Sie, die einen Koalitionsvertrag geschlossen haben, in dem ein Modell von Studiengebühren verabredet worden ist, das niemand in Nordrhein-Westfalen will. Niemand in der Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen will das von Ihnen argumentativ eingebrachte Modell haben.

Wir haben dieses Thema in diesem Hohen Haus bereits umfassend diskutiert. Als SPD haben wir bereits im Juni 2017 ein Gebührenfreiheitsgesetz eingebracht, wozu wir eine umfangreiche Anhörung im Wissenschaftsausschuss hatten.

Das Ergebnis dieser Anhörung war nicht, dass alle Experten gegen Studiengebühren waren; das würde ich nicht behaupten. Aber alle Experten – Präsidenten, Kanzler und selbst Herr Müller vom Centrum für Hochschulentwicklung, das sich sonst bertelsmannnah für Studiengebühren ausspricht – haben gesagt, dass Ihr Modell zur Einführung von Studiengebühren völlig ungeeignet ist.

Bereits damals war klar und wurde von uns sehr deutlich adressiert, dass die avisierten 120 Millionen Euro, die aus diesem Modell entstehen könnten und angeblich den nordrhein-westfälischen Hochschulen zur Verfügung gestellt würden, nicht erzielt werden können.

Sie werden nämlich erstens auf diesem Weg ausländische Studierende verlieren.

Zweitens werden Sie, wenn Sie das baden-württembergische Modell nehmen, große Ausnahmetatbestände haben, sodass laut dem entsprechenden Bericht des Ministeriums nur bei ca. 50 % der Studierenden eine Beitragspflicht entsteht.

Drittens kommt es zu einem bürokratischen Aufwuchs. Das Ministerium schreibt: ein entsprechender Verwaltungsaufwand. Ich würde sagen: schlichtweg Bürokratie zur Etablierung eines ungeeigneten Modells.

Wir haben Ihnen schon damals gesagt, dass Sie wohlwollend höchstens 40 Millionen Euro erreichen werden. Das ist auch ungefähr das Ergebnis der Kalkulation, die ich nach dem Bericht des Ministeriums überschlägig vorgenommen habe, und zwar wohlwollend.

Das Ministerium schreibt im Bericht – Sie sagen das auch –, das übergeordnete Ziel der Landesregierung sei die Verbesserung der Qualität der Lehre und der Studienbedingungen an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen.

Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass Ihr Modell ein substanzieller Beitrag sein könnte, um dieses Ziel zu erreichen? Wollen Sie uns veralbern? Tun Sie doch endlich etwas dafür, statt hier weiter ein Gespenst durch die Landschaft zu treiben.

Warum ist dieses Thema überhaupt wieder auf die Agenda gekommen? Doch nicht, weil wir Spaß an der Thematik haben, sondern weil es Sommerinterviews Ihrer Fraktionskolleginnen und ‑kollegen gegeben hat – ich erinnere mich an Herrn Löttgen und Herrn Rasche, die sich dazu geäußert haben –, die schlichtweg einen Dissens in der Koalition erkennbar gemacht haben. Dieser Dissens ist selbst nach zweieinhalb Jahren nicht beigelegt. Er beschädigt mittlerweile auch die Wissenschaftsministerin, die ja sehr früh ihre Skepsis an diesem Modell zum Ausdruck gebracht und im Grunde klargemacht hat, dass das kein Modell ist, das sie favorisiert.

Was Sie tun, ist nichts anderes, als Unruhe in die Landschaft zu tragen. Drehen Sie den Vorwurf nicht einfach um. Setzen Sie sich mit den Fakten auseinander.

Herr Höne, eines kann ich Ihnen auch nicht ersparen: Wenn Sie schon mit Baden-Württemberg argumentieren, dann empfehle ich Ihnen wirklich, sich den Redebeitrag Ihres FDP-Sprechers im Landtag Baden-Württemberg in der Debatte über die Einführung dieser Beiträge anzuhören. Er hat nämlich die Einführung massiv abgelehnt und kritisiert. Man sollte nicht mit Bällen auf andere werfen, wenn die Bälle möglicherweise zurückkommen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bell. – Nun spricht Frau Beihl für die FDP-Fraktion.

Daniela Beihl (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich zu Beginn herausstellen, dass die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen für die NRW-Koalition Katalysatoren für Innovation und gesellschaftlichen Fortschritt sind. Wir sind daher angetreten, die Hochschulen zu stärken.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dazu gehört für uns auch, die Studienbedingungen zu verbessern und vor allem die Studienqualität auszubauen. Im Koalitionsvertrag haben wir festgehalten, wie die NRW-Koalition das erreichen möchte.

Der Studienerfolg eines jeden Studierenden hängt vom Austausch mit den Lehrenden ab und einer guten Betreuung. Diese Voraussetzungen sind im Moment aufgrund schlechter Betreuungsrelationen und überlasteter Lehrender nicht ideal. Das wollen wir ändern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen die Betreuungsrelation verbessern, um jedem einzelnen Studierenden gerecht zu werden und den Lehrenden wieder Luft zum Atmen zu geben.

Dazu – auch das steht im Koalitionsvertrag, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen – sind ausreichende finanzielle Mittel notwendig. Daher analysieren wir ganz genau, wie und mit welchem Finanzierungsinstrument wir diese Ziele sinnvoll und sachgerecht erreichen können. Und ja, exzellente Bildung kostet Geld.

Um ein gutes Instrument zu finden, darf man auch einmal über den Tellerrand hinaus in andere Bundesländer schauen. Dabei sind wir dann auf das grün-schwarze Modell der Studienbeiträge für Nicht-EU-Ausländer in Baden-Württemberg gestoßen.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Die Entwicklungen dort werden von uns genau verfolgt und auch durch die Landesregierung ausgewertet.

Nun liegt uns noch der Antrag der Fraktion der Grünen vor. Sie fordern, Studienbeiträge für Nicht-EU-Ausländer nicht umzusetzen und den Hochschulen mehr Landesmittel zur Verfügung zu stellen.

Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist eigentlich auch schon alles gesagt. Denn woher das Geld eigentlich kommen soll, lassen Sie wie immer offen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von CDU)

Was mich am meisten verwundert: Sie fordern, die Qualitätsverbesserungsmittel, die Sie 2011 eingeführt haben, entsprechend den Studierendenzahlen zu dynamisieren. Dabei steigen die Studierendenzahlen doch nicht erst seit zwei Jahren. Wir konnten es am Sonntag noch in der „WamS“ lesen: 19,4 % mehr Studienanfänger in zehn Jahren.

Wer rechnen kann, bemerkt sehr schnell, dass die Zahlen auch schon unter Ihrer Verantwortung in den sieben Jahren Rot-Grün gestiegen sind. Und was haben Sie gemacht? Nichts!

Wenn Sie der Ministerin im Juni-Plenum zugehört hätten, wüssten Sie auch, dass sich durch den „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ die Planungssicherheit der Hochschulen weiter verbessert. Es wird ihnen ermöglicht werden, den Anteil unbefristeter Beschäftigung zu erhöhen.

Abschließend bleibt festzuhalten: Wir werden weiterhin sachorientierte Politik betreiben. Wir schauen uns an, welche Instrumente zu einer spürbaren Verbesserung der Bedingungen existieren. Zudem hat die Landesregierung angekündigt, dass es im Herbst eine Entscheidung geben wird. Daran wird sie sich auch halten. Man kann noch so laut schreien: Wir warten das ab. Da wird in den nächsten Wochen sicherlich eine Entscheidung getroffen werden.

Ihren Antrag brauchen wir dafür nicht. Wir werden ihn ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Beihl. – Nun spricht für die AfD-Fraktion Herr Seifen.

Helmut Seifen*) (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das kennen wir von den Altparteien ja schon: Sie wärmen immer mal wieder alte Anträge auf – entweder eigene Anträge gemäß dem Motto „Alle Jahre wieder“, oder die ehemals abgelehnten Anträge anderer Parteien werden als eigene Anträge eingebracht.

Diese Erfahrung kennen wir als AfD-Fraktion besonders gut. Da wird der Antrag zur Einstellung von Kakaoförderung in den Schulen von Ihnen abgelehnt, und – schwupps! – drei Monate später setzt die Landesregierung genau dieses Ansinnen um. Da weisen alle Parteien hier im Parlament unseren Antrag zur Rückführung des Sicherheitspersonals am Düsseldorfer Flughafen in den Staatsdienst zurück, und – schwupps! – ein Jahr später bringt die SPD einen wort- und zielgleichen Antrag in dieses Parlament ein.

Die Grünen schaffen nun mit diesem Antrag zweierlei: Sie bringen ihren Antrag von Juli 2018 wiederum ein – immer die alte Leier – und ergänzen ihn gleichzeitig noch um Forderungen, welche die AfD schon häufiger in diesem Haus erhoben hat – nämlich, die Grundfinanzierung der Universitäten zu erhöhen. Das ist doch wohl Punkt 2.

Die Regierungsparteien benehmen sich wie ein schwer getroffener Boxer und taumeln im Ring, nicht nach Luft, aber nach Entscheidung ringend. Der grüne Mainstream ist halt immer noch sehr mächtig. Da ducken sich CDU und FDP schon mal gerne weg, um von den Linkspopulisten die moralische Absolution zu erhalten. Meine Güte! Dass Sie sich nicht ob Ihres Duckmäusertums schämen!

Die Argumente für die Einführung von Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer, die seinerzeit stimmig waren, sind doch überhaupt nicht entkräftet worden.

Der Rückgang der Zahl der Studenten aus Nicht-EU-Staaten in Baden-Württemberg – ein Phänomen, auf das die Grünen gerne verweisen – ist doch vor dem Hintergrund zu betrachten, dass die Zahl der internationalen Studierenden in Baden-Württemberg in den vergangenen 20 Jahren um 300 % gestiegen ist. Die Kultusministerin dort erwartete zum Zeitpunkt der Novellierung des Hochschulgesetzes eine weitere Zunahme. Dass es dort zu Verringerungen kommt, ist doch ganz selbstverständlich, wenn man von einem so hohen Niveau ausgeht.

Nicht zu vergessen ist Folgendes: Die Abbrecherquote ist bei international Studierenden immer signifikant höher als bei den sogenannten Bildungsinländern. Das wollte man eben verändern.

Übrigens orientiert sich das Vorhaben, Studiengebühren für Nicht-EU-Bewerber zu erheben, an der langjährigen und bewährten Praxis anderer Länder wie zum Beispiel Schweden, Niederlande, Dänemark, Großbritannien, China, Schweiz; man könnte noch viele andere Länder aufzählen. Sind alle diese Länder von Wissenschaft und Forschung sowie von internationaler Betätigung abgehängt?

Auch die größte Gruppe ausländischer Studenten bei uns – damit sind die Studenten aus der Türkei gemeint – muss in ihrem Heimatland an staatlichen Universitäten Studiengebühren im Rahmen von 200 bis 1.000 Euro zahlen, wobei der Betrag je nach Universität und Studiengang durchaus höher ausfallen kann.

Die größten Gruppen der ausländischen Studenten kommen aus China und Indien. Sie machen zusammen 30 % aus. Wen überrascht es? In China belaufen sich die Studiengebühren auf ca. 8.000 Euro jährlich; in Indien können es sogar schnell bis zu 10.000 Euro werden.

Wenn Sie sich einmal in Europa umsehen, werden Sie feststellen, dass in vielen europäischen Ländern Studiengebühren erhoben werden: in Medizin zum Beispiel in Bulgarien 4.000 Euro, in England 3.500 bis 5.000 Euro,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

in Frankreich 6.000 Euro, in Polen 5.600 bis 6.300 Euro, in Rumänien 2.500 bis 3.000 Euro – und das, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, pro Semester und nicht pro Jahr.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Haben Sie denn Studiengebühren bezahlt?)

Falls Sie einen jungen Mann oder eine junge Frau zu Hause haben, der oder die den Numerus clausus in Medizin nicht schafft: Sie werden sicherlich das Geld aufbringen, um ihm oder ihr ein Studium in Ungarn zu finanzieren.

Deshalb ist auch Ihr Argument nicht stichhaltig, wenn Sie behaupten, mit einer Campus-Maut für Nicht-EU-Studierende würde Nordrhein-Westfalen sich international abschotten und so Deutschlands größten Standort für Wissenschaft und Wirtschaft sowie Kunst und Musik schwächen.

Wenn etwas hier in NRW Wirtschaft und Wissenschaft schwächt, dann sind das Ihre selbstmörderische Energiepolitik und Ihre Deindustrialisierungsmanie. Vernünftige Menschen schütteln nur den Kopf darüber, dass Sie zum Beispiel das Weltklima durch einsame nationale Entscheidungen retten wollen, welche Deutschland bald zu einem Entwicklungsland werden lassen. Aber die Einführung von Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer als eine in allen anderen Ländern übliche Maßnahme lehnen Sie ab. Das ist doch absurd. Sie geben gerne ca. 50 Milliarden Euro jährlich für zumeist illegal Zugewanderte aus, sträuben sich aber, maßvolle Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer zu verlangen, welche hier die Infrastruktur des Bildungswesens nutzen wollen.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Sie müssen schon einen tief sitzenden Widerwillen gegen dieses Land und seine Bürger haben, um in jeder Ihrer politischen Initiativen die Zerstörung oder Schwächung wichtiger Grundlagen unseres Wohlstands zu fordern. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Seifen. – Jetzt hat für die Landesregierung Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen das Wort.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Nach mancher Aufregung, die wir erleben durften – nach Emotionalität, Vergangenheitsbewältigung und Notenverteilung nun auch noch das Klima –, möchte ich mich jetzt einmal zu den Fakten äußern,

(Beifall von der CDU und der FDP – Wibke Brems [GRÜNE]: Sind das keine Fakten, oder was?)

die Herr Bell freundlicherweise in Teilen auch schon vorgetragen hat, indem er unseren Bericht rezitiert hat.

Wir haben Gründlichkeit als zentrales Gebot bei den Überlegungen zur Einführung der Studienbeiträge gesetzt. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Es handelt sich um Beiträge, nicht um Gebühren.

(Beifall von der FDP)

Man kann ja immer auch noch etwas hinzulernen.

Wir wollen das sehr gründlich prüfen. Ein Schnellschuss wäre kontraproduktiv und nicht im Sinne der Studierenden und der Hochschulen, die Sie hier ja immer erwähnt haben. Es gilt stattdessen, eine qualitativ abgesicherte Entscheidung zu treffen; denn das übergeordnete Ziel der Landesregierung – auch das wurde hier schon zitiert – ist die Verbesserung der Qualität der Lehre und der Studienbedingungen an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen. Das ist auch im Koalitionsvertrag so festgelegt worden.

Eine Teilfinanzierung über eine Einführung von Studienbeiträgen für Nicht-EU-Ausländerinnen und ‑Ausländer wird derzeit innerhalb der Landesregierung geprüft und beraten. Ich gehe davon aus, dass wir – das wurde hier auch schon mehrfach angedeutet – im Herbst dieses Jahres eine Entscheidung treffen werden.

Zwischenzeitlich haben wir natürlich die Möglichkeit genutzt – so war das auch immer geplant, und so haben wir es hier schon mehrfach besprochen –, die Einführung der Studienbeiträge für internationale Studierende in Baden-Württemberg auf der Grundlage der ersten Ergebnisse – ich wiederhole: der ersten Ergebnisse – auszuwerten. Danach kann man derzeit Folgendes feststellen:

Zum Wintersemester 2017/2018 wurden an den Hochschulen in Baden-Württemberg Studienbeiträge von Studierenden aus Nicht-EU-Ländern in Höhe von 1.500 Euro pro Semester eingeführt.

Jetzt muss ich leider Herrn Bolte-Richter, der sonst wirklich gut informiert ist, doch einmal korrigieren. Es war ja gerade Baden-Württemberg, das diese Studienbeiträge eingeführt hat, um damit einer vor dem Hintergrund der Schuldenbremse drohenden großen Sparaktion zu begegnen. Das heißt, dass in Baden-Württemberg damit ein größerer Einschnitt in den Wissenschaftshaushalt abgebogen werden konnte, um das einmal etwas locker zu beschreiben. Das heißt aber auch, dass die baden-württembergischen Hochschulen nur 20 % der Einnahmen aus diesen Studienbeiträgen überhaupt vereinnahmen können.

Hier ist der Plan, dann, wenn es dazu kommen sollte, das Geld auch zu 100 % an die Hochschulen weiterzuleiten. Ich finde, dass das ein ziemlicher Unterschied ist. Das dürften Sie bitte auch einmal richtig darstellen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nach Abzug aller Ausnahme- und Befreiungsregelungen – das wurde hier auch schon gesagt – unterliegen noch knapp 50 % der Studierenden aus Drittstaaten in Baden-Württemberg der Beitragspflicht.

Die in Baden-Württemberg geltenden Ausnahme- und Befreiungsregelungen zur Beitragspflicht sind sehr differenziert und ausgewogen, sodass deren


Umsetzung in der Tat einen relativ umfangreichen Verwaltungsaufwand erzeugt. Auch das muss man mit in die Abwägung einfließen lassen.

Nachdem die Hochschulen bei der Einführung der Studienbeiträge für internationale Studierende im Wintersemester 2017/2018 in dieser Gruppe einen Rückgang von mehr als 19 % zu verzeichnen hatten, sind nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Baden-Württemberg die Zahlen im Wintersemester 2018/2019, also ein Jahr später, wieder um 8,7 % gestiegen. Sie liegen aber immer noch unter dem Wert vor der Einführung.

Es gibt dort also eine Entwicklung. Das ist alles aber auch nicht sehr schnell ablesbar. Deswegen nehmen wir uns auch die Zeit, um es sehr genau zu betrachten. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Pfeiffer-Poensgen. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Also stimmen wir direkt ab. Wer stimmt dem Inhalt des Antrags Drucksache 17/7368 – Neudruck – zu? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Abgeordnete Neppe stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/7368Neudruck – mit breiter Mehrheit im Hohen Hause abgelehnt worden.

Wir sind am Ende unserer heutigen Sitzung angelangt.

Das Plenum berufe ich wieder ein für Mittwoch, 9. Oktober 2019, 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen und ereignisreichen Arbeitstag und anschließend ein schönes Wochenende.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 13:28 Uhr

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*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

(Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.)