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Landtag

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Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/53

17. Wahlperiode

20.03.2019

 

53. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 20. März 2019

Mitteilungen des Präsidenten. 7

1   Halbe Belegschaft, doppelte Führung: Die Landesregierung verzettelt sich, statt die wirklich drängenden Fragen beim Landesbetrieb Straßen.NRW zu lösen

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/5451. 7

Carsten Löcker (SPD) 7

Arne Moritz (CDU) 8

Arndt Klocke (GRÜNE) 9

Bodo Middeldorf (FDP) 10

Nic Peter Vogel (AfD) 12

Minister Hendrik Wüst 13

Jochen Ott (SPD) 14

Olaf Lehne (CDU) 15

Arndt Klocke (GRÜNE) 17

Minister Hendrik Wüst 18

Jochen Ott (SPD) 18

2   Auf die Lehrkräfte kommt es an – Lehrkräfteversorgung sicherstellen und begonnene Maßnahmen fortsetzen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/5367

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5480. 18

Frank Rock (CDU) 18

Franziska Müller-Rech (FDP) 20

Jochen Ott (SPD) 20

Sigrid Beer (GRÜNE) 21

Helmut Seifen (AfD) 22

Ministerin Yvonne Gebauer 23

Sigrid Beer (GRÜNE) 24

Ergebnis. 24

3   Von der Umsetzung der Digitalsteuer über die Ablehnung von Uploadfiltern bis hin zur Digitalisierung der Kommune: Nordrhein-Westfalen muss sich mehr in die Debatte um die Digitalisierung der Europäischen Union einmischen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/5374

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/5477. 25

Rüdiger Weiß (SPD) 25

Florian Braun (CDU) 27

Marcel Hafke (FDP) 30

Johannes Remmel (GRÜNE) 33

Sven Werner Tritschler (AfD) 34

Marcus Pretzell (fraktionslos) 35

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 36

Christina Kampmann (SPD) 37

Moritz Körner (FDP) 39

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE) 39

Markus Wagner (AfD) 40

Thorsten Schick (CDU) 41

Ergebnis. 42

4   Artenvielfalt in NRW schützen – Landesnaturschutzgesetz erhalten!

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5380. 43

Ina Spanier-Oppermann (SPD) 43

Norwich Rüße (GRÜNE) 44

Jochen Ritter (CDU) 47

Markus Diekhoff (FDP) 48

Dr. Christian Blex (AfD) 49

Ministerin Ursula Heinen-Esser 51

Rainer Deppe (CDU) 53

André Stinka (SPD) 55

Norwich Rüße (GRÜNE) 56

Ergebnis. 56

5   Gender-Sprache in Nordrhein-Westfalen abschaffen – Wiederbelebung des generischen Maskulinums

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/5358. 57

Thomas Röckemann (AfD) 57

Simone Wendland (CDU) 58

Regina Kopp-Herr (SPD) 59

Susanne Schneider (FDP) 60

Josefine Paul (GRÜNE) 61

Marcus Pretzell (fraktionslos) 62

Ministerin Ina Scharrenbach. 63

Markus Wagner (AfD) 64

Ergebnis. 64

6   Fragestunde

Drucksache 17/5448. 64

Mündliche Anfrage 36

der Abgeordneten Verena Schäffer (GRÜNE)

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 65

Mündliche Anfrage 37

des Abgeordneten Stefan Zimkeit (GRÜNE)

(Vom Fragesteller zurückgezogen) 74

Mündliche Anfrage 38

der Abgeordneten Wibke Brems (GRÜNE)

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 74

7   Binnenschifffahrt in Nordrhein-Westfalen stärken – Wasserwege leistungsfähig halten

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/5366. 79

Ergebnis. 79

8   Verlängerung des Hochschulpakts – Landesregierung muss mehr Transparenz wagen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/5375. 79

Dietmar Bell (SPD) 79

Dr. Stefan Nacke (CDU) 80

Moritz Körner (FDP) 81

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE) 82

Helmut Seifen (AfD) 83

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 84

Ergebnis. 85

9   Bezahlbaren Wohnraum in Nordrhein-Westfalen schaffen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5381. 85

Arndt Klocke (GRÜNE) 85

Fabian Schrumpf (CDU) 86

Volkan Baran (SPD) 88

Stephen Paul (FDP) 89

Roger Beckamp (AfD) 91

Ministerin Ina Scharrenbach. 92

Ergebnis. 94

10 Der Rechtsstaat muss gewahrt bleiben – Die Rechtsprechung bindet auch die Landesregierung Nordrhein-Westfalens

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/5362. 94

Thomas Röckemann (AfD) 94

Claudia Schlottmann (CDU) 95

Eva Lux (SPD) 96

Christian Mangen (FDP) 97

Berivan Aymaz (GRÜNE) 97

Minister Karl-Josef Laumann. 99

Ergebnis. 100

11 Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfungen im Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/5002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und
Verbraucherschutz
Drucksache 17/5405 – Neudruck

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/5478

zweite Lesung

Ministerin Ursula Heinen-Esser
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Heinrich Frieling (CDU)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Frank Börner (SPD)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Norwich Rüße  (GRÜNE)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Dr. Christian Blex (AfD)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Ergebnis. 100

12 In ganz Europa: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/5373

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5479. 100

Anja Butschkau (SPD) 100

Heike Troles (CDU) 101

Susanne Schneider (FDP) 102

Josefine Paul (GRÜNE) 104

Thomas Röckemann (AfD) 105

Ministerin Ina Scharrenbach. 106

Ergebnis. 108

13 Die Kommunen bei der Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten wirksam stärken – FlüAG-Kostenpauschale endlich erhöhen und Perspektiven für Geduldete schaffen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5223. 108

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 108

Marc Blondin (CDU) 109

Stefan Kämmerling (SPD) 111

Stefan Lenzen (FDP) 112

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 115

Minister Dr. Joachim Stamp. 115

Stefan Kämmerling (SPD) 117

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 117

Ergebnis. 118

14 Regionale Vermarktung in Nordrhein-Westfalen fördern und Akzeptanz für die bäuerliche Landwirtschaft schaffen

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/5359. 118

Dr. Christian Blex (AfD) 118

Dr. Patricia Peill (CDU) 119

Annette Watermann-Krass (SPD) 120

Stephan Haupt (FDP) 121

Norwich Rüße (GRÜNE) 122

Ministerin Ursula Heinen-Esser 122

Ergebnis. 124

15 Sport in NRW auch europäisch denken – Erasmus+ und die Europäische Woche des Sports mit Leben füllen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/5377. 124

Andreas Kossiski (SPD) 124

Marco Voge (CDU) 125

Andreas Terhaag (FDP) 126

Josefine Paul (GRÜNE) 127

Andreas Keith (AfD) 128

Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner 129

Ergebnis. 130

16 Ökologische Chancen digitaler Startups nutzen – Förderung und Beratung weiterentwickeln

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/3584

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Digitalisierung und Innovation
Drucksache 17/5406. 130

Oliver Kehrl (CDU) 131

Christina Kampmann (SPD) 132

Jörn Freynick (FDP) 132

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE) 133

Sven Werner Tritschler (AfD) 134

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 134

Ergebnis. 135

17 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die NRW.BANK

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4800

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/5407

zweite Lesung. 135

Minister Lutz Lienenkämper
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Arne Moritz (CDU)
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Stefan Kämmerling (SPD)
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Ralf Witzel (FDP)
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Monika Düker (GRÜNE)
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Herbert Strotebeck
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Ergebnis. 135

18 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bergmannsversorgungsscheingesetzes und des Landesausführungsgesetzes zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe – für das Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/4579

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Drucksache 17/5408

zweite Lesung. 136

Minister Karl-Josef Laumann
zu Protokoll (s. Anlage 3)

Peter Preuß (CDU)
zu Protokoll (s. Anlage 3)

Christina Weng (SPD)
zu Protokoll (s. Anlage 3)

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE)
zu Protokoll (s. Anlage 3)

Ergebnis. 136

19 Gesetz zur Neuordnung des Statistikrechts für das Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/5197

erste Lesung. 136

Minister Herbert Reul
zu Protokoll (s. Anlage 4)

Ergebnis. 136

20 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Versorgung der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer und zur Änderung weiterer Gesetze

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/5198

erste Lesung. 136

Minister Lutz Lienenkämper
zu Protokoll (s. Anlage 5)

Ergebnis. 136

21 Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/5344

erste Lesung. 136

Minister Karl-Josef Laumann
zu Protokoll (s. Anlage 6)

Ergebnis. 136

22 Gesetz zur Anpassung der Abgabefreiheit bei Einleitung von verschmutztem Niederschlagswasser

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/5345

erste Lesung. 136

Ministerin Ursula Heinen-Esser
zu Protokoll (s. Anlage 7)

Ergebnis. 137

23 Forschungstätigkeiten an Hochschulen für angewandte Wissenschaften stärken – Weitere Professuren einrichten

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/5376. 137

Ergebnis. 137

24 25 Jahre Post-Apartheid: NRW-Südafrika-Partnerschaft für Frieden, Demokratie und nachhaltige Entwicklung stärken!

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5379 – Neudruck. 137

Ergebnis. 137

25 Dem Tierärztemangel im ländlichen Raum wirksam begegnen!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5383. 137

Ergebnis. 137

26 Jahresbericht 2018 des Kontrollgremiums gemäß § 23 VSG NRW (PKG)

Unterrichtung
durch das Parlamentarische
Kontrollgremium
gemäß § 23 VSG NRW
Drucksache 17/5224. 137

Ergebnis. 137

27 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 17
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/5447. 138

Ergebnis. 138

28 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/21. 138

Ergebnis. 138

Anlage 1. 139

Zu TOP 11 – „Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfungen im Land Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Reden

Ministerin Ursula Heinen-Esser 139

Heinrich Frieling (CDU) 139

Frank Börner (SPD) 140

Norwich Rüße (GRÜNE) 140

Dr. Christian Blex (AfD) 141

Anlage 2. 143

Zu TOP 17 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die NRW.Bank“ – zu Protokoll gegebene Reden

Minister Lutz Lienenkämper 143

Arne Moritz (CDU) 143

Stefan Kämmerling (SPD) 144

Ralf Witzel (FDP) 144

Monika Düker (GRÜNE) 144

Herbert Strotebeck (AfD) 144

Anlage 3. 147

Zu TOP 18 – „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bergmannsversorungsscheingesetzes un des Landesuaführungsgesetzes zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe – für das Land Nordrhein-Westfalen „ – zu Protokoll gegebene Reden

Minister Karl-Josef Laumann. 147

Peter Preuß (CDU) 147

Christina Weng (SPD) 147

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 147

Anlage 4. 149

Zu TOP 19 – „Gesetz zur Neuordnung des Statistikrechts für das Land Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Reden

Minister Herbert Reul 149

Anlage 5. 151

Zu TOP 20 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Versorgung der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer und zur Änderung weiterer Gesetze“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Lutz Lienenkämper 151

Anlage 6. 153

Zu TOP 21 – „Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Karl-Josef Laumann. 153

Anlage 7. 155

Zu TOP 22 – „Gesetz zur Anpassung der Abgabefreiheit bei Einleutung von verschmutztem Niederschlagswasser“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ministerin Ursula Heinen-Esser 155

Entschuldigt waren:

Minister Herbert Reul    
(ab 16 Uhr)

Minister Dr. Joachim Stamp     
(bis 11:30 Uhr)

Holger Müller (CDU)

Charlotte Quik (CDU)

Christian Dahm (SPD)

Guido van den Berg (SPD)

Serdar Yüksel (SPD)

Wibke Brems (GRÜNE)
(ab 17:15 Uhr)

Arndt Klocke (GRÜNE) 
(ab 19 Uhr)

 

 

Beginn: 10:01 Uhr

Präsident André Kuper: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 53. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Damit treten wir in die Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1   Halbe Belegschaft, doppelte Führung: Die Landesregierung verzettelt sich, statt die wirklich drängenden Fragen beim Landesbetrieb Straßen.NRW zu lösen

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/5451

Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 18. März 2019 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

(Unruhe – Glocke)

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Löcker das Wort.

Carsten Löcker (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schönen guten Morgen allerseits! Die Aufmerksamkeit wird mit Blick auf die von uns beantragte Aktuelle Stunde sicher zunehmen. Wir haben diese Aktuelle Stunde heute Morgen beantragt, weil wir Fragen an den Verkehrsminister und an seinen Staatssekretär vortragen wollen. Aber wir stehen heute Morgen auch stellvertretend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesbetriebs Straßen.NRW hier.

Ich will mit zwei Fragen, mit denen sich in der letzten Woche alle beschäftigt haben, beginnen:

Erstens. Wie kann die Landesregierung einen zweiten Geschäftsführer mit über 100.000 Euro Jahresgehalt beim Landesbetrieb Straßen.NRW installieren, obwohl bis 2021 die Belegschaft faktisch halbiert wird?

Zweitens. Wenn doch allseits bekannt ist, dass der Landesbetrieb Straßen.NRW seit 2015 unter Führung einer einzelnen Direktorin Rekordumsätze schreiben konnte, muss die Frage erlaubt sein: Wie wirkt diese Personalentscheidung, die Sie gerade vorbereiten, in die Belegschaft hinein?

Als Mitarbeiter wäre ich zumindest irritiert. Das ist wohl auch legitim. Manche sind sogar stinksauer. So formulierte ein Mitarbeiter vor ein paar Tagen in einem Gespräch: Oben wird großzügig serviert, und unten ist geplant, abzuservieren.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: So ist es!)

Ich will das gerne noch einmal konkretisieren. Bis heute weiß in diesem Betrieb niemand, wo zukünftig sein Arbeitsplatz im Unternehmen sein wird. Das ist alles unklar. Aber diese Personalentscheidung ist schon klar, wirkt bereits ins Unternehmen und irritiert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – wie wir finden, auf jeden Fall zu Recht. Deshalb muss das heute im Rahmen der Aktuellen Stunde zur Sprache kommen.

Gehen wir der Reihe nach vor. Seit 2015 ist mit Frau Sauerwein-Braksiek – unter großer Unterstützung des damaligen Ministers Groschek – der Umsatz massiv angestiegen. Damit hat der Landesbetrieb eine sehr lange Krise mit stagnierenden Bauumsätzen überwunden. Das muss man festhalten. Wenn das so ist, muss man sich doch die Frage stellen: Wieso gab es eigentlich bereits direkt nach dem Regierungswechsel bei Schwarz-Gelb eine Debatte darüber, ob man im Landesbetrieb nicht einen zweiten Direktor installieren könnte? Es hat doch alles gut funktioniert.

(Beifall von der SPD)

Das ist zumindest ein Widerspruch, Herr Minister Wüst, den Sie heute Morgen aufklären müssen. Wieso diskutiert man kurz nach der Regierungsübernahme, wenn man die Umstände nicht wirklich genau kennt und nicht weiß, wie erfolgreich der Betrieb eigentlich gewesen ist, bereits darüber, ob man nicht einen zweiten Direktor einstellt?

Das fragen wir uns auch mit Blick zurück auf die Jahre, in denen es in diesem Landesbetrieb mehrere Geschäftsführer gegeben hat und immer wieder die Kritik vorgetragen worden ist, dass die Letztentscheidungen lange dauern, weil man sich nicht einig darüber war, wie zu entscheiden sei.

(Unruhe – Glocke)

Das haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder beklagt. Trotzdem hat dieses Durcheinander angehalten, sodass wir eben nicht zu Rekordumsätzen kommen konnten.

Dann haben wir das getan, was sinnvoll und folgerichtig war, nämlich die entsprechenden Strukturen geändert. Und siehe da: Der Erfolg hat sich in den letzten Jahren eingestellt – mit einer Führungskraft.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Die Frage, wieso Sie eigentlich die Einstellung eines zweiten Direktors planen, können Sie gleich beantworten. Und wieso muss dafür eine B6-Stelle mit über 100.000 Euro Jahresgehalt vorgesehen sein? Diese Frage ist doch hier erlaubt. Wir müssen einmal prüfen, ob sich das wirklich rechnet. Man könnte die Frage auch anders stellen: Wieso wird das nicht im System geregelt, wenn man Personalakquise oder weitere Aufgaben voranbringen will? Dafür brauchen wir doch keine neue, zusätzliche, hochdotierte Stelle.

(Beifall von der SPD)

Wir halten fest: Der Umsatz im Landesbetrieb betrug im Jahre 2018 insgesamt 1,372 Milliarden Euro. Der Anteil für Bundes- und Landesstraßen betrug in diesem Jahr 547 Millionen Euro; das sind 40 % des Gesamtumsatzes.

Anzumerken ist, dass der Umsatz 2015 bis 2018 um 400 Millionen Euro zugenommen hat – und das mit den Veränderungen, die wir herbeigeführt haben.

Das ist ein Hinweis mehr darauf, dass bei den Mitarbeitern offensichtlich die Frage auf dem Tisch liegt, warum man in Zukunft solche Veränderungen vornehmen will – auch deshalb, weil wir kurz davor stehen, diesen Landesbetrieb umzuorganisieren und mit Blick auf die entsprechenden politischen Entscheidungen damit rechnen müssen, dass in Zukunft 60 % des Auftragsaufkommens, das in der Pipeline ist, wegfallen werden.

Da stellt sich die Frage doppelt: Wieso braucht man zusätzlich eine hochbezahlte zweite Führungskraft, um 60 % wegfallende Tätigkeiten abzubilden? Meine Damen und Herren, das versteht im Landesbetrieb niemand mehr – und hier im Plenum auch nicht.

(Beifall von der SPD)

Nein, diese Rechnung geht nicht auf.

Sie sagen, dass die zusätzliche Führungskraft größere Probleme lösen soll, insbesondere mit Blick auf den Fachkräftemangel, der in Zukunft auf dieses Unternehmen zukommt. Ja, wir gestehen zu, dass das eine wichtige Aufgabe ist. Allerdings kann ich mit Blick auf meine betriebliche Erfahrung nicht erkennen, wieso man dazu so viel Geld in die Hand nehmen muss. Im Gegenteil!

Diese Widersprüche, die ich hier gerade deutlich vorgetragen habe, Herr Minister, müssen Sie heute Morgen einmal auflösen. Bisher haben wir dazu nichts lesen und nichts hören können. Es wird Zeit, dass nicht nur wir, sondern auch die Mitarbeiter darüber informiert werden, wie das in Zukunft laufen soll.

(Beifall von der SPD)

Wir erkennen überhaupt keinen Bedarf für diesen Direktor. Wenn Sie einen Bedarf erkennen, lassen Sie uns das bitte heute Morgen wissen.

Ich möchte gerne noch eine letzte Bemerkung machen. Wenn eine Direktorin den Landesbetrieb inklusive Autobahnen bislang erfolgreich geführt hat, warum sollen dann ab 2021 zwei Direktoren einen Betrieb ohne Autobahnen führen, und zwar bei einer Halbierung der Belegschaft? Der Widerspruch ist ziemlich deutlich. In diesem Sinne empfehlen und raten wir Ihnen, auf die Doppelspitze zu verzichten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Herr Moritz.

Arne Moritz (CDU): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kutschaty, Frau Philipp und Herr Ott, vielleicht können Sie mir sagen, wo Sie am Nachmittag des 18. März 2018 waren. Ich bin mir sicher, dass Sie nicht im Verkehrsausschuss gewesen sind, der an diesem Tag getagt hat. Wenn Sie dort anwesend gewesen wären, hätten Sie den Antrag auf diese Aktuelle Stunde nämlich entweder gar nicht unterschrieben oder aber viel früher gestellt, und zwar bereits vor einem Jahr.

(Michael Hübner [SPD]: Hat der Präsident hier abgelehnt!)

Denn schon im damaligen Verkehrsausschuss hat der Verkehrsminister bei TOP 5, Auftragsverwaltung der Bundesstraßen, die Aufwertung der Stelle des Abteilungsdirektors von B3 auf B6 zu einer zweiten Direktorenstelle bekannt gegeben und sorgfältig begründet – vor einem Jahr.

Im Protokoll sehen wir: keine Nachfragen, keine Anmerkungen, keine Kritik, noch nicht einmal ein Zwischenruf der SPD. Lediglich Herr Klocke hat eine Frage gestellt, aber nicht zur zweiten Direktorenstelle.

Auch die Pressemitteilung des Verkehrsministeriums vom 13. März 2018 scheint der SPD durch die Lappen gegangen zu sein; denn sonst hätte Herr Dudas bei der Plenardebatte zum Thema „Straßen.NRW“ im letzten Februar nicht so vehement gemahnt, dass sich die Umstrukturierung negativ auf die Attraktivität von Straßen.NRW als Arbeitgeber auswirken könnte.

(Zuruf von Gordan Dudas [SPD])

Herr Dudas, da bin ich ja ganz bei Ihnen. Selbstverständlich muss das Verkehrsministerium dafür Sorge tragen, dass Straßen.NRW ein attraktiver Arbeitgeber und Magnet für kluge Köpfe bleibt. Aber – und das wüssten Sie, wenn Sie die Pressemitteilung des Verkehrsministeriums vom 13. März 2018 aufmerksam gelesen hätten – genau das ist der Schwerpunkt der zweiten geschaffenen Direktorenstelle. Ich zitiere aus der Pressemitteilung:

„Den zunehmenden Aufgaben bei Personalgewinnung und Kommunikation steht die Erwartung gegenüber, dass der Umsatz im Kerngeschäft nicht gefährdet ist. Damit dieser Spagat gelingt, wird die Stelle des aktuell vakanten Abteilungsdirektors aufgewertet und künftig den Rang eines 2. Direktors haben.“

Wenn Ihnen das als Erklärung nicht genug sein sollte: Kein Problem! Dann schauen Sie bitte noch einmal ins Ausschussprotokoll vom 14. März 2018. Darin steht es ausführlich.

Trotz der ausführlichen Erklärung im vergangenen Jahr wird auch zu Beginn des Antrags heute eine völlige Unklarheit über die Aufgaben des zweiten Geschäftsführers vorgeworfen. Jeder, der sich den Antrag durchliest, fragt: Warum kommt dieser Vorstoß jetzt? Was war an der Erklärung des Verkehrsministers missverständlich? Und man fragt sich insbesondere: Warum hat es ein ganzes Jahr gedauert, um eine Aktuelle Stunde zur Aufwertung der Stelle zu beantragen?

Zumindest bei der Frage, warum der Vorstoß jetzt kommt, liegt eine gewisse Vermutung nahe. Denn in den ver.di-Nachrichten aus diesem Monat wird die Angst formuliert, dass eine zweite Führungsperson zur Kontrolle und Entmachtung der Direktorin, die 2015 unter Ex-Minister Groschek eingesetzt wurde, benutzt werden soll. Diese Angst der Entmachtung aus SPD-Perspektive als Anlass für den Antrag gelten zu lassen, ist wahrscheinlich nicht weit hergeholt. Dass sich der Beitrag in den ver.di-Nachrichten und der Antrag zur Aktuellen Stunde sehr ähneln, zeigt, dass an dieser Vermutung etwas dran sein könnte.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie wollen hier einfach noch schnell auf den ver.di-Zug aufspringen und die Punkte einsammeln.

Aber – das sei an dieser Stelle klar gesagt – es geht nicht um Entmachtung und nicht darum, Frau Sauerwein-Braksiek zu kontrollieren. Keine Sorge! Sie macht einen hervorragenden Job und trägt maßgeblich zu dem Investitions- und Bauhochlauf sowie den Rekordumsätzen bei.

Liebe Sozialdemokraten, ich frage mich, ob der Titel Ihres Antrags „Halbe Belegschaft, doppelte Führung“ auf die Anwesenheit Ihrer Fraktion bei dieser Aktuellen Stunde bezogen ist.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Sie haben mit dem Antrag ein schönes und in Teilen auch korrektes Referat über die Bedeutung und Leistung von Straßen.NRW geliefert. Das rechtfertigt aber noch keine Aktuelle Stunde.

Genauso wenig tun es die angeblich drängenden Fragen, bei denen sich die Landesregierung Ihrem Titel zufolge verzettelt habe. Denn die Antworten auf die Fragen der Umstrukturierung von Straßen.NRW haben wir geliefert, lange bevor Sie sich überhaupt mit dem Thema auseinandergesetzt haben – nicht erst in dem Monat, in dem wir hier über das Thema gesprochen haben, sondern bereits vor gut einem Jahr im Ausschuss. Von Ihnen ist damals nichts gekommen. Sie haben gepennt und noch nicht einmal den Wecker gestellt. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen erteile ich nun dem Abgeordnetenkollegen Klocke das Wort.

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Arne Moritz, lieber Kollege Carsten Löcker, aus meiner Sicht hätte es keiner Aktuellen Stunde bedurft. Man hätte das durchaus im Ausschuss diskutieren können. Das möchte ich gleich zu Anfang sagen,

(Beifall von der CDU)

auch wenn ich jetzt von der – in Anführungszeichen – „falschen“ Seite Beifall bekomme.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

– Trotzdem vielen Dank dafür. Alles gut!

(Zurufe von der CDU)

Ich habe mich schon gefragt, ob man dieses Thema an so prominenter Stelle aufrufen muss, während viele andere Debatten im Land toben und wenn ich mir die Antragslage für die Aktuelle Stunde ansonsten anschaue; ich nenne nur das Stichwort „Fridays for Future“. Es ist natürlich eine legitime Entscheidung des Präsidenten. Er wird das auch wohl abgewogen haben. Trotzdem hätte man dieses Thema eigentlich im Ausschuss diskutieren können, finde ich – aber nicht nur vonseiten der SPD; natürlich hätte auch der Verkehrsminister berichten können.

Lieber Kollege Arne Moritz, ich habe mir das Protokoll der damaligen Ausschusssitzung auch angeschaut. Dieses Thema war nun nicht unbedingt an einer zentralen, prominenten Stelle im Ausschuss behandelt worden. Sicherlich hätte man auch damals schon reagieren können, wenn man hätte reagieren wollen.

Aber vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir mit Straßen.NRW in den letzten Jahren und Jahrzehnten gemacht haben, ist das natürlich eine zentrale Weichenstellung im Betrieb, die man vonseiten des Verkehrsministeriums durchaus prominenter hätte öffentlich machen können und auch im Ausschuss hätte debattieren können. Diesen Vorwurf muss sich der Verkehrsminister schon gefallen lassen.

Es sind auch einige Fragen zu beantworten. Ansonsten bin ich erst einmal gespannt auf das, was der Minister uns zu sagen hat.

Mich würde durchaus interessieren, ob es ein Einvernehmen mit der Leiterin des Betriebs, Frau Sauerwein-Braksiek, gibt, ob es also eine gemeinschaftliche Lösung war, diese Neustrukturierung so vorzunehmen, oder ob man das von anderer Seite ohne Kontakt mit ihr und ohne ihre Einwilligung vollzogen hat.

Außerdem habe ich an den Minister die Frage, warum Personalrat und Beschäftigte nicht mit in diese Entscheidung einbezogen wurden. Jedenfalls ist das mein Kenntnisstand aufgrund von Aussagen aus dem Unternehmen und auch aufgrund der Presseberichterstattung. Möglicherweise ist es anders. Aber der Minister kann das ja gleich darstellen.

Uns interessiert natürlich auch die Notwendigkeit einer zusätzlichen Leitungsstelle. Denn – darauf wird auch in der Begründung des Antrags Bezug genommen – der Landesbetrieb Straßen.NRW wird in den nächsten Jahren deutlich verschlankt. Es geht ein zentraler Arbeitsbereich nach Berlin, nämlich die Aufgabenverwaltung für die Autobahnen. Der Betrieb wird also deutlich kleiner. Deswegen stellt sich natürlich die Frage: Warum braucht es jetzt einen zweiten Geschäftsführer?

Lassen Sie mich kurz meine Erfahrung mit dem Landesbetrieb schildern. Ich bin im Jahr 2010 in den Landtag Nordrhein-Westfalen gekommen. Damals gab es drei Leitungspersonen an der Spitze des Landesbetriebs – nach Parteibuch gut ausgewählt; nur die Grünen waren nicht daran beteiligt. Der Landesbetrieb war zu jenem Zeitpunkt ziemlich marode. Er hatte massive Verluste eingefahren.

Die Neuaufstellung des Landesbetriebs und die Installation der jetzigen Spitze waren ein zentraler Erfolg der damaligen rot-grünen Landesregierung. Dass der Betrieb ins Arbeiten gekommen ist und dann auch Rekordumsätze vorweisen konnte, ist ein Erfolg der wirklich souveränen, hervorragenden Leitung durch Frau Sauerwein-Braksiek.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nunmehr ist die Frage an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, die Sie mir eben noch applaudiert haben, und an den Verkehrsminister zu richten, warum es jetzt einer Ergänzung an einer so herausgehobenen, zentralen Position bedarf. Wenn es dafür gute, stichhaltige Gründe gibt, wenn es diesen Betrieb nach vorne bringt, wenn man bestimmte Arbeitsbereiche bisher nicht durch die Vertretung in der Spitze entsprechend voranbringen konnte, dann lassen Sie es uns wissen. Es mag ja Gründe dafür geben.

Aber noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen: Natürlich kann man darüber diskutieren, ob es dieser Aktuellen Stunde bedurft hat. An die Landesregierung ist allerdings die Frage zu richten, warum wir nicht in den letzten Monaten an einer prominenten Stelle im Ausschuss darüber informiert worden sind und warum man jedenfalls über die erfolgte Besetzung – also nicht über die Tatsache, dass eine entsprechende Stelle geschaffen worden ist, sondern darüber, dass sie auch besetzt wird – erst durch die Presseberichterstattung informiert worden ist. Und welche Aufgaben hat der Inhaber dieser neuen Leitungsfunktion?

Das sind Fragen, die wir uns stellen. Der Minister wird gleich das Wort haben. Wir werden danach sehen, ob es weiteren Debattenbedarf gibt. Möglicherweise können Sie hier erhellende Ausführungen machen. Wir haben entsprechende Fragen.

Wir bekommen die Unruhe und die Aufgeregtheit im Betriebsrat mit. Sie ist vor allem bei den Kollegen von ver.di vorhanden. Ich habe auch mit einem Vertreter von komba gesprochen. Diese Gewerkschaft sieht das ein Stück differenzierter und hat eine andere Einschätzung. Es gibt aber durchaus Unruhe.

Herr Minister, Sie haben gleich das Wort. Unterstützen Sie uns bei der Findung der Antworten. Der Landesbetrieb ist selbstverständlich ein wichtiger Betrieb, wenn es um die Mobilität in Nordrhein-Westfalen geht. Sie haben nun die Chance, uns hier Erhellendes mitzuteilen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP erteile ich unserem Abgeordnetenkollegen Herrn Middeldorf das Wort.

Bodo Middeldorf (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 13. März 2018 hat das Verkehrsministerium von Nordrhein-Westfalen die Absicht veröffentlicht, an der Spitze des Landesbetriebs eine zweite Geschäftsführerstelle einzurichten. Ein Jahr später macht die SPD dies zum Thema einer Aktuellen Stunde. Das ist eine bemerkenswerte Reaktionsgeschwindigkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

In dieser Zeit, in der die SPD darüber nachgedacht hat, wie sie mit gewerkschaftlichen Befindlichkeiten umgeht, haben die NRW-Koalition und die Landesregierung gehandelt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

In dieser Zeit haben wir einen Planungs- und Bauhochlauf organisiert, der alles in den Schatten stellt, wozu Rot-Grün jemals in der Lage war, und zwar mit dem Landesbetrieb.

(Beifall von der FDP und der CDU)

In dieser Zeit haben wir den Landesbetrieb mit 85 neuen Stellen ausgestattet – mit Ingenieuren, mit Planern, mit Technikern, die das vorhandene Team gezielt unterstützen.

In dieser Zeit hat unsere Landesregierung, und zwar lange vor dem eigentlichen Stichtag, erklärt, dass wir die Bundesstraßen bei der Gründung der Bundesinfrastrukturgesellschaft in eigener Verantwortung behalten – selbstverständlich in enger Abstimmung mit dem Landesbetrieb, meine Damen und Herren.

In dieser Zeit hat das Verkehrsministerium damit begonnen, den Landesbetrieb intensiv auf einen geordneten Übergang in die Bundesinfrastrukturgesellschaft vorzubereiten.

Und in dieser Zeit hat die NRW-Koalition eindeutig erklärt, dass der Landesbetrieb Straßen.NRW in seiner öffentlichen Trägerstruktur unangetastet bleibt.

Wenn die SPD vor diesem Hintergrund jetzt ernsthaft davon spricht, die Landesregierung würde die drängenden Fragen nicht lösen, blamieren Sie sich damit bis auf die Knochen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir haben zum frühestmöglichen Zeitpunkt alle Handlungsspielräume ausgenutzt und Klarheit für die Beschäftigten geschaffen. Das, meine Damen und Herren von der SPD, ist verantwortungsvolle Politik.

Im Gegensatz dazu springen Sie auf eine Überschrift Ihres ver.di-Genossen und beginnen allen Ernstes eine parteipolitisch motivierte Neiddebatte über die Besetzung des zweiten Geschäftsführerpostens.

Wie es tatsächlich mit der angeblichen Unruhe der Belegschaft aussieht, können Sie bei der komba gewerkschaft nachlesen. Deren Vorsitzender Stefan Fedder hat zu der Debatte klare Worte gefunden – ich zitiere –:

„Weder wir noch die Beschäftigten von Straßen.NRW sind beunruhigt darüber, dass die Leitungsebene des Verwaltungsbereichs personell gestärkt werden soll.“

Dem ist nichts hinzuzufügen –

(Beifall von der FDP und der CDU)

außer, dass es die ganze Motivlage Ihres Antrags mit einem Schlag offenlegt: Hier soll ein Problem künstlich herbeigeredet werden. Ihnen geht es ausschließlich um den politischen Punkt. Dabei nehmen Sie die Verunsicherung der Belegschaft als Kollateralschaden bewusst in Kauf. Das ist alles andere als seriöse Oppositionsarbeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn es Ihnen wirklich um die Lösung von Problemen ginge, würden Sie sich in der Bundesregierung dafür einsetzen, dass endlich die Rahmenbedingungen der neuen Bundesinfrastrukturgesellschaft geklärt werden.

Was den Bund anbelangt, steht bisher nämlich nur fest, dass die Gesellschaft ab dem 01.01.2021 starten soll. Nahezu alle anderen Fragen sind bislang unbeantwortet: die Arbeitsstruktur, die Arbeitsbedingungen, der Tarifvertrag, die Übernahmebedingungen. Alle diese Punkte, die für einen geordneten Übergang und die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit entscheidend sind, sind bis heute offen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sorgen Sie in Ihrer bundespolitischen Verantwortung dafür, dass die Beschäftigten endlich Klarheit bekommen. Dann sind wir auch einen Schritt weiter.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die durch den Bund bestehende Unsicherheit ist übrigens ein Grund dafür, dass wir die Pläne unseres Verkehrsministers für eine Doppelspitze ausdrücklich unterstützen.

Die Fachkräftesicherung, aber auch die Personalgewinnung werden im bevorstehenden Prozess von enormer Bedeutung sein. Spezialisten in dieser Phase zu halten und sie neu zu rekrutieren, erfordert massiven Einsatz und eine hohe Kreativität.

Es geht dabei ausdrücklich um eine Stärkung des Landesbetriebes für die Fortsetzung einer guten Arbeit. Die amtierende Direktorin und ebenso die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genießen bei uns höchste Wertschätzung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie erhalten und stärken das Rückgrat unserer öffentlichen Infrastruktur und machen damit einen der wichtigsten Jobs in diesem Land. Dafür habe ich mich im Namen der FDP-Fraktion vor einem Monat schon einmal bedankt. Ich tue das hier erneut sehr herzlich.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist es, was die Belegschaft des Landesbetriebes braucht: die klare politische Rückendeckung statt des Herbeiredens von Problemen.

In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, schreiben Sie selbst, dass der Landesbetrieb nicht durch Personaldiskussionen an Effizienz einbüßen darf. Recht haben Sie. Aber dann führen Sie auch keine! – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die AfD spricht nun der Abgeordnete Herr Vogel.

Nic Peter Vogel (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss zugeben: Wir waren auch etwas verwirrt, als wir Titel und Thema der Aktuellen Stunde bekommen haben. Wir sind auch der Meinung, dass wir im Augenblick hier im Land andere Probleme haben und dass wir das Ganze auch im Ausschuss hätten klären können.

Straßen.NRW wird sich in nächster Zeit mit einer massiven Umstrukturierung konfrontiert sehen. Fast die Hälfte der Belegschaft wird wechseln. Es ist anzunehmen und zu befürchten, dass uns auch ein großer Teil der Fachkräfte, der Ingenieure, Techniker und Planer, leider verlassen wird. Dort besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf.

In diesem Hohen Haus werden ja gerne Analogien zum Fußball gezogen. Die kurze populistische Version lautet, dass der Vereinschef sagt: Wir treten demnächst nur noch mit 50 % oder fünfeinhalb Spielern an; aber dafür haben wir zwei Trainer, die gleichberechtigt sind. – Das würde natürlich für Kopfschütteln sorgen.

(Heiterkeit von Helmut Seifen [AfD])

Als die Personalie ein klein wenig mehr an die Öffentlichkeit gerückt war, gab es zuerst böse Stimmen, die gesagt haben: Ach, da wird nur ein Versorgungsposten für einen CDUler geschaffen. – Ein Blick auf die Vita des Neuen, des Herrn Kaiser, führt das natürlich ad absurdum.

Andere haben gesagt: Unsere jetzige Direktorin ist damals massiv von der SPD protegiert worden. Vielleicht möchte man ihren schönen Hut jetzt auf zwei Köpfe verteilen. – Das ist natürlich auch nicht richtig. Denn es wird nicht eine Konkurrenz oder ein Kompetenzgerangel geben, weil Herr Kaiser ein völlig anderes Aufgabengebiet hat. Das heißt: Der Hut wird weiterhin bei Frau Sauerwein-Braksiek bleiben.

Das Betätigungsfeld von Herrn Kaiser ist im Grunde genommen das eines Headhunters. Er wird dafür eingesetzt, die dringend benötigten Fachkräfte zu rekrutieren. Das ist für uns absolut wichtig; denn das ist die Achillesferse unseres Projektes, das wir die nächsten Jahre und Jahrzehnte angehen werden.

Wir erinnern uns: Nach dem Koalitionsvertrag sollen 200 Millionen Euro – Tendenz steigend – in die Ertüchtigung unserer Landesinfrastruktur fließen. Wenn wir nicht die Fachleute haben, geht da nichts. Das ist so, als wenn Sie ins Theater gehen wollen und man Ihnen an der Kasse sagt: Die Vorstellung ist absolut ausverkauft. – Dann nutzt es Ihnen gar nichts, mit einem Geldscheinbündel zu wedeln.

Da muss also auf jeden Fall gehandelt werden. Dementsprechend sehen wir diese Stelle auch als äußerst wichtig an.

Meine Damen und Herren, wir sind immer sehr kritisch, wenn der Personalhaushalt aufgebläht wird. Ich erinnere an die Haushaltsberatungen. Ich habe mich damals schon kritisch geäußert und beispielsweise erklärt, dass das Baustellenmanagement sehr aufgebläht wird.

Aber wenn die Damen und Herren eine gute Arbeit – nein, „gut“ reicht da nicht –, eine exzellente Arbeit machen, dann werde ich, habe ich gesagt, in ein paar Jahren hier stehen und meinen Hut ziehen. Das heißt, an unsere Personalien muss man wirklich mit Bedacht herangehen, aber man sollte auch nicht am falschen Ende sparen.

Gut, eben wurde schon die Frage angesprochen: Gibt es da jetzt eine Neiddebatte? Ist die Personalie, die Besoldung von Herrn Kaiser wirklich das Maß aller Dinge? – Wir reden hier von 0,5 Promille des Budgets von Straßen.NRW.

Bevor dieser Mann nicht angefangen hat zu arbeiten, werden wir auch nicht bewerten, ob er sein Geld wert ist. Das werden wir im Nachhinein sehen. Aber diese Stelle ist für uns absolut wichtig; denn wir brauchen dringend diese Fachkräfte. Die sind nämlich auf dem freien Markt überhaupt nicht mehr oder kaum noch zu bekommen – übrigens ein Erbe der alten Landesregierung.

Wir haben mit der Ertüchtigung, der Sanierung und dem Ausbau der Straßenverkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen ein Mammutprojekt, das wir stemmen müssen. In nächster Zeit wird der Lkw-Verkehr noch viel mehr zunehmen, weil gerade aus den osteuropäischen Ländern ein unglaublicher Preisdruck entstehen wird. Es stehen jetzt schon fast Ketten von Lkws auf der rechten Spur. Wir müssen auf jeden Fall tätig werden und brauchen keine Verzögerung. Da müssen wir wirklich ran. Nicht nur Geld ist entscheidend, sondern auch die Personalien sind es.

Eigentlich könnte ich jetzt meine Rede beenden und den Deckel draufmachen, aber ich brauche noch ein Minütchen; denn es gibt ein Detail, das vielleicht ein kleines bisschen ungeschickt ist, wenn auch kein Skandal. Da könnte man die ganze Sache vielleicht etwas verbessern.

Gerade wurde gesagt, die ganze Sache wurde nicht an zu prominenter Stelle platziert. Die Gewerkschaft ist natürlich verunsichert, es wurde eben angesprochen. Es gab bei Straßen.NRW schon mal eine Doppelspitze oder eine Dreifachspitze. Alle Insider haben damals ausgedrückt: Die Herrschaften arbeiten nicht miteinander, sondern gegeneinander. – Das ist natürlich verbrannte Erde. Die Mitarbeiter von Straßen.NRW sind ohnehin verunsichert. Das kann man gar nicht gebrauchen.

Ungefähr vor einem Jahr hatten wir hier die Diskussion, dass unsere ehemalige Umweltministerin Frau Schulze Föcking die Stabsstelle Umweltkriminalität aufgelöst hat. Das ist ihr gutes Recht gewesen, aber wir haben damals schon angemerkt, dass das nicht transparent genug gestaltet wurde. Deshalb mein Appell, wenn mir das gestattet sein sollte: Herr Minister Wüst, seien Sie demnächst noch prominenter. Gehen Sie proaktiver nach vorn.

Uns allen sollte doch klar sein: Dieses prominente Thema, unseren Verkehrsinfarkt aufzufangen, einen Airbag aufzubauen und da wirklich mit Augenmaß ranzugehen, eignet sich einfach nicht für parteipolitische Machtspielchen. Wenn wir da nicht alle zusammen in einem Boot sitzen und die Sache angehen, dann wird daraus nichts werden.

Dementsprechend hätte ich mir gewünscht, dass wir das Ganze im Fachausschuss besprochen hätten. Aktuelle Stunden sollten sich mit aktuelleren Themen beschäftigen. Ich halte es nicht für einen Skandal, sondern für eine winzige Ungeschicklichkeit. Aber lassen Sie uns nach vorn sehen, dann bekommen wir das Ganze auch gewuppt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Beifall von der AfD

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Minister Wüst das Wort.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich für und mit den Mitarbeitern über all das Lob, das hier der Arbeit gezollt worden ist. Das jedenfalls ist die Debatte und die prominente Platzierung am heutigen Morgen wert.

Gerne will ich beschreiben – wie schon vor einem Jahr im Ausschuss, wie vor einem Jahr in einer Pressekonferenz nach dem Kabinett, in Pressemitteilungen und auch in einer Mitarbeiterinformation –, vor welchen Herausforderungen der Landesbetrieb in den kommenden Jahren steht.

Da ist ein Bauhochlauf. Ja, der ist gut angelaufen, aber wir wollen mehr davon. Da sind der demografische Wandel, der Fachkräftemangel und die Übertragung der Autobahnen auf den Bund. Gehen wir auf diese großen Herausforderungen mal ein

Bauhochlauf: Wir investieren Rekordsummen hier in Nordrhein-Westfalen und auch in anderen Teilen der Bundesrepublik. Allein bei uns sind es 20 Milliarden Euro für den Bundesverkehrswegeplan 2030. Dafür haben wir einen Planungs-, einen Genehmigungshochlauf und inzwischen auch einen Bauhochlauf eingeleitet, der à la bonne heure ist. Aber er muss eben auch so weitergehen.

Politisch stehen alle Weichen auf Fortsetzung dieses Bauhochlaufs in Nordrhein-Westfalen. Wir wollen uns nicht in die fatalistische Rhetorik der Vergangenheit begeben: „Gegen Stau hilft nur bauen“ – und man steht dann eben in den Baustellen –, sondern wir wollen das möglichst reibungslos über die Bühne bekommen und alle vermeidbaren Beeinträchtigungen unterlassen. Auch das ist in den letzten Monaten sehr gut gelungen.

(Beifall von der CDU)

Rekordumsatz von 1,4 Milliarden Euro – 100 Millionen Euro mehr, als beim Bund vorgesehen war. Dieses Niveau zu halten, ist keine Kleinigkeit. Die Quick Wins sind eingesammelt. Das über die Jahre fortzusetzen und weiter zu erhöhen, ist schon eine Riesenherausforderung für das operative Geschäft bei Straßen.NRW.

Es wird alles nicht funktionieren, es wird alles nicht gelingen, wenn wir die zweite große Herausforderung nicht in den Griff bekommen, nämlich den demografischen Wandel mit seinem Fachkräftemangel. In den nächsten fünf Jahren gehen 77 % mehr Kolleginnen und Kollegen bei Straßen.NRW in Ruhestand als in den letzten fünf Jahren. Während früher der Staat – Straßen.NRW, viele Kolleginnen und Kollegen kommen auch von den Landschaftsverbänden – eine sichere Bank war, war die Bauwirtschaft, war das Baugewerbe unsicher und zyklisch. In Anbetracht der Rekordsummen, die alle Ebenen investieren, ist heute auch ein Job im Ingenieurbüro im Baugewerbe, in der Bauwirtschaft und Bauindustrie sicher und im Übrigen deutlich besser bezahlt. Selbst die Kommunen zahlen besser als wir.

Der neue Tarifabschluss ist schön, aber er wird die im Prinzip vorhandene Unwucht zu unseren Lasten nicht beseitigen können. Deswegen ist der Wettbewerb schon unter den bisherigen Rahmenbedingungen keine Kleinigkeit.

Jetzt kommt der Bund mit seiner Autobahngesellschaft noch obendrauf. Der Bund – ich habe das auch an anderer Stelle schon mal gesagt – ist ja zum Erfolg verdammt. Wenn er den Ländern sozusagen die Auftragsverwaltung kündigt, dann muss er zeigen, dass er es besser kann.

Ich wäre froh, wir hätten heute schon einen Tarifvertrag. Ja, es gibt insofern Fragezeichen bei den Mitarbeitern, weil der Bund noch keinen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Es wird sicherlich ein auskömmlicher Tarifvertrag sein. Damit wird ein neuer, noch stärkerer, aggressiverer Wettbewerber auf den Arbeitsmarkt treten. Die Herausforderung wird also nicht kleiner, sondern größer.

Die dritte Herausforderung ist die Übertragung der Autobahnen selbst. Gesetzesbeschlüsse sind schnell gemacht. Es war ja Ihre Regierung, die dem zugestimmt hat. Jetzt kommt die Umsetzung, und das bei Aufrechterhaltung des Anspruchs „Bauhochlauf“. Das ist in der Tat ein Thema, dem man sich in aller Ruhe mit einem weiteren Direktor widmen kann und widmen muss.

Es ist ein enormer Transformationsprozess. Wir haben hier in der letzten Debatte darüber gesprochen, dass wir bei der Standortauswahl ganz gut weggekommen sind und attraktive Standorte in der Nähe sind. Das ist auch gut für die Mitarbeiter. Dass sie keine „Kinderlandverschickung“ zu bewältigen haben, ist schon Teil der Beschlüsse.

Dieser ganze Wechsel muss administriert werden, das alles muss gelebt werden, gemeinsam mit den Personalräten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das alles muss on top zum Tagesgeschäft erfolgen, bei dem unsere Erwartungen auch höher geworden sind.

Jetzt sagen Sie, das soll doch bitte alles eine Person erledigen: die Organisation des weiteren Bauhochlaufs, die strukturelle Veränderung und den Kampf um die besten Köpfe. Das ist das, was Sie hier heute in den Raum stellen. Es soll bitte alles so bleiben und alles Weitere immer obendrauf, immer obendrauf. Ich vermute, Sie wären die Ersten, die das kritisieren würden, wenn es schiefginge.

Darum geben wir eine andere Antwort. Wir heben die B3-Stelle des bisherigen Abteilungsdirektors auf B6. In meinem früheren Leben wusste ich auch nicht, was das heißt, deswegen will ich es gerne erläutern: Die Hebung von B3 auf B6 bedeutet zwischen 1.400 und 1.500 Euro mehr im Monat. Darüber kann man eine Aktuelle Stunde machen. Es liegt nicht an mir, das zu kritisieren, aber das ist im Kern das, worüber wir heute sprechen.

Wir finden es klug, einen zweiten Direktor zu implementieren, der sich mit diesen großen Herausforderungen beschäftigt, damit sich die bisherige Direktorin Frau Sauerwein-Braksiek, die einen prima Job macht, auch in Zukunft auf das Kerngeschäft konzentrieren kann und er ihr den Rücken freihält. Sie wird im Übrigen, auch das ist vor einem Jahr kommuniziert worden, Sprecherin des Direktoriums und bekommt damit wieder eine herausgehobene Position.

Wir sind überzeugt, dass wir so die Schlagkraft von Straßen.NRW erhöhen. Sie werden das kritisch begleiten. Ich freue mich auf die Debatten. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD hat nun der Abgeordnete Herr Ott das Wort.

Jochen Ott (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ist die Kritik am Präsidenten wegen der Aktuellen Stunde nicht nachzuvollziehen. Der Präsident hat ja erklärt, dass das Thema in der letzten Woche noch einmal sehr stark in den Medien vertreten war. Dann kann man hier auch darüber diskutieren.

Vorab möchte ich zwei, drei Punkte benennen, die man grundsätzlich im Vorfeld erläutern sollte:

Erstens. Ich bin mir sehr sicher, dass Herr Seehofer, der in den letzten Jahren stark auf Gunther Adler gesetzt hat, nun bestätigen kann, dass mit ihm endlich jemand in den Kontext des Verkehrsministeriums kommt, der die Entwicklung der neuen Bundesgesellschaft nach vorne bringen und auch das Miteinander von DEGES und der neuen Gesellschaft organisieren kann. Insofern sind wir vielleicht einen Schritt weiter. Dabei muss die CDU auf Bundesebene allerdings ordentlich mithelfen.

Positiv zu betrachten ist das von allen geäußerte Lob an die Geschäftsführung. Das haben wir auch im Rahmen unserer Beantragung dieser Aktuellen Stunde sehr deutlich gemacht. Es ist ja klar geworden, dass es in der Vergangenheit nicht gut funktioniert hat und mehrere Geschäftsführer gleichzeitig nicht zu einem guten Ergebnis geführt haben. Wenn jetzt alle anerkennen, dass diese Frau an der Spitze des Betriebs einen guten Job gemacht hat, dann ist das auch eine wichtige Botschaft.

Schwierig sind allerdings die Themen, die Herr Middeldorf, aber auch der Minister genannt haben: Fachkräftesicherung, höchste Wertschätzung, Vertrauenskultur. Ist denn nun der Personalrat angehört worden, oder ist der Personalrat nicht angehört worden? Haben die Menschen im Betrieb das Vertrauen auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Ministerium, oder haben sie die nicht? Gibt es ein Organigramm, oder gibt es so etwas wie eine Aufgabenbeschreibung? Ist die eigentlich mitbestimmt und besprochen? Ja oder nein?

Ich will daran erinnern, dass es mindestens drei Gewerkschaften gibt, die im Betrieb unterwegs sind. Von zweien hören wir massive Kritik. Es gebe eben keine Vertrauenskultur, keine Zusammenarbeit und keine Beteiligung an der Geschäftspolitik. – Das darf so nicht sein, meine verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und Arndt Klocke [GRÜNE])

Ich will gar nicht die sonstige schamlose Personalpolitik im Verkehrsministerium beschreiben.

(Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU] – Matthias Kerkhoff [CDU]: Das müssen Sie gerade sagen!)

Da werden Fachleute sinnlos umgesetzt, und Fachexpertise spielt keine Rolle mehr. Aber gut, das ist heute nicht das Thema.

Sehr wohl ein Thema ist allerdings: Wenn wir uns darüber einig sind, dass der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur von besonderer Bedeutung ist, dann darf man einen solchen Betrieb nicht sauer fahren, indem man die Beschäftigten verunsichert. Wenn die bisherigen Rahmenbedingungen schon schwierig sind, dann ist es erst recht notwendig, mit dem Personal gut umzugehen, damit man es für die Zukunft hält.

Dazu möchte ich noch auf das Thema „Fachkräftesicherung“ eingehen. Welches Konzept haben Sie eigentlich, um den Übergang vernünftig zu organisieren? Wir verlieren, wenn man so will, die Hälfte der Beschäftigten an den Bund, wissen aber jetzt schon, dass zum Beispiel in Bayern ein Großteil der Beschäftigten der Straßenbauverwaltung eben nicht nach Berlin wechselt, sondern sich einen Job in der Kommune sucht. Das heißt, es wird extrem schwierig, dieses Know-how für die öffentliche Hand überhaupt zu halten.

Zweitens. Was passiert eigentlich im Zusammenspiel – ich hatte es zu Beginn bereits angesprochen – zwischen der DEGES und der neuen Bundesgesellschaft? Sind das dann zwei in einem? Laufen die nebeneinander? Welches Konzept gibt es da? Welche Position hat das Land gegenüber dem Bund?

Drittens. Innerhalb des Landes haben Sie – das ist durchaus nachvollziehbar, weil wir eine beschleunigte Planung gefordert haben – die eine oder andere Planung an Kommunen übertragen. Ein Beispiel ist Hamm. In der letzten Woche ist öffentlich die Planungsvereinbarung über die B 63n, die an Hamm übertragen wurde, vorgestellt worden. Jetzt passiert Folgendes: Die Stadt Hamm schreibt Stellen für Bauingenieure aus. In der Ausschreibung kann man unter anderem lesen – das ist besonders schön –:

Wir bieten Ihnen

Bei Jobantritt geschenkt: ein Ticket für die härteste Kreuzfahrt Europas – Full Metal Cruise powered bei Wacken Open Air. Weitere Informationen finden Sie …“

Das ist total innovativ. Um Menschen zu gewinnen, bietet man ihnen eine Kreuzfahrt an. So sorgt man dafür, dass sie alles tun, um dorthin zu wechseln. Das an sich kann man ja noch verstehen.

Aber welches Signal soll denn jetzt an die Beschäftigten von Straßen.NRW gehen? Ist es das Signal: „Die eine Hälfte soll sehen, dass sie nach Berlin geht, und die andere Hälfte soll dann diese Angebote in den Kommunen annehmen“? Das ist doch kein Konzept für Straßen.NRW und die Zukunft dieses Landesbetriebs, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Noch mal: Dass die Stadt Hamm das so macht, ist aus deren Sicht klug und auch schlau, weil sie diese Straße dann beschleunigt geplant bekommt. Aber daran wird deutlich, dass es für die Beschäftigten vollkommen unerklärlich ist, in welche Richtung sich dieser Betrieb entwickelt. An allen Seiten wird gefranst. Ein Konzept gibt es nicht. Anstatt ein Konzept zu erstellen, werden erst einmal neue Posten geschaffen. Das ist nicht die Lösung des Problems bei einer solchen Umstellung.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Deshalb kann ich nur sagen: Sie sprechen hier davon, dass alles reibungslos laufen und es keine Probleme geben soll. Wenn Sie es nicht schaffen, die Beschäftigten dieses hervorragend arbeitenden Betriebes am Ende auf den Weg, der vor uns liegt, mitzunehmen – eine Halbierung der Anzahl der Beschäftigten, eine Neuorganisation –, dann wird Ihnen das nicht gelingen.

Die Vorgehensweise sowohl bei der Jobbeschreibung als auch bei der Einführung des Jobs ist nicht zielführend. Sie schadet dem Land, sie schadet Straßen.NRW. Damit schadet sie den Bürgerinnen und Bürgern, weil die Beschleunigung des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur so nicht vernünftig gelingen kann.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Lehne das Wort.

Olaf Lehne (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der mäßige Applaus bei Herrn Ott hat gezeigt, wie qualitativ hochwertig die Rede war.

(Beifall von der CDU)

Herr Ott, es ist schön, dass Sie offensichtlich jetzt den Begriff „Konzept“ das erste Mal in diesem Landtag entdeckt haben.

(Heike Gebhard [SPD]: Tosender Beifall auf Ihrer Seite!)

– Ja, immerhin. Das ist Neid, aber egal. – Wir machen inhaltlich weiter. Es wird vielleicht helfen.

(Marc Herter [SPD]: Neid der Besitzlosen!)

– Das kann auch mal schön sein, aber egal.

Kommen wir zur Sache. Zunächst auf Herrn Ott geantwortet: Die Konzeptlosigkeit der vergangenen Jahrzehnte, in denen Sie regiert haben, hat dazu geführt, dass die Staus im Jahr 2016 im Vergleich zu 2012 auf 388.000 km gestiegen sind.

Von Juli 2005 bis 2010 wurden unter CDU- und FDP-Regierung 88 Planfeststellungsverfahren zu Bundesfernstraßen- und Landesstraßenprojekten zu Ende gebracht. Im deutlich längeren Zeitraum von 2010 bis 2016 erfolgten unter rot-grüner Regierungsverantwortung lediglich 49 Planfeststellungsbeschlüsse.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Insofern sei unter anderem an die Rheinbrücken erinnert, ich nenne beispielhaft die Leverkusener Rheinbrücke.

Allein im Jahre 2013 musste NRW 48 Millionen Euro Bundesmittel – das schreiben Sie selbst in der Begründung für die Aktuelle Stunde – aufgrund fehlender Planungsreserven für den Bundesfernstraßenausbau zurückgeben – eine rot-grüne Meisterleistung. Ein solches Eigentor, wie Sie es hier gerade mit der Aktuellen Stunde schießen, habe ich in meinem politischen Leben noch nicht erlebt. Sie weisen direkt auf Ihr Vollversagen hin.

Herr Ott weist in seiner Rede sogar darauf hin, dass die Führung bei Straßen.NRW eine gute sei, was von uns überhaupt nicht bezweifelt wird. Sie weisen darauf hin, dass drei Geschäftsführer schlecht geführt haben sollen. Genau das wollen wir ändern. Wir wollen nämlich keine Einheit im Sinne der Geschäftsleitung dort haben, sondern wir wollen zwei Personen haben, die Verantwortungsbereiche haben und dementsprechend strukturell vorgehen.

Herr Klocke, Sie haben eben ausgeführt – Herr Ott hat auch noch mal versucht, das deutlich zu machen –, was für ein Riesenproblem und welche Schweinerei es sei, dass wir jetzt anfangen würden, hier einen Posten besonders herauszustellen, der besonders teuer ist. Der Minister hat nicht ohne Grund nochmals darauf hingewiesen: Wir schaffen keine neue Stelle, sondern wir heben eine Stelle von B3 auf B6. Das sind 1.450 Euro im Monat mehr. Dafür machen Sie eine Aktuelle Stunde.

In Ihrem Antrag betont die SPD – ich zitiere –:

„Aufgrund der aktuellen Verkehrssituation in Nordrhein-Westfalen ist es dringend erforderlich, dass Straßen.NRW handlungsfähig ist und nicht durch Personaldiskussionen an Effizienz einbüßt.“

– Hört, hört, Herr Kutschaty! Sie beantragen eine Aktuelle Stunde bezüglich der Personaldiskussion, die Sie doch damit erst in den Mittelpunkt des Interesses rücken, und verunsichern die Beschäftigten damit massiv. Bei den Beschäftigten von Straßen.NRW ging Ihre Taktik bis dato nicht auf. Diese blicken der Einstellung eines zweiten Geschäftsführers gelassen entgegen und lassen sich von Ihren unnötigen Anträgen nicht verunsichern.

Im März vor einem Jahr wurde bereits angekündigt, dass es einen neuen zweiten Direktor geben soll. Wenn hier behauptet wird, die Hälfte der Mitarbeiter ginge zum Bund, dann wollen wir die Zahlen festhalten: 2.500 Mitarbeiter gehen zum Bund, 3.100 Mitarbeiter bleiben bei Straßen.NRW. Das ist dann auch die Herausforderung. Genau dafür brauchen wir einen neuen Direktor, der für strategische Personalplanung, Verbesserung der Kommunikation und weitere operative Aufgaben zuständig sein wird. Sie haben wieder einmal ein Jahr geschlafen, um sich jetzt mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

In der März-Ausgabe der Mitgliederinformation der komba gewerkschaft wird deutlich geschildert, dass seit mehr als einem Jahr bekannt ist, dass der Dienstposten des zweiten Geschäftsführers eingerichtet wird. Vielleicht hätten Sie das auch mal lesen können. Es heißt dort ausdrücklich:

„Weder wir noch die Beschäftigten von Straßen.NRW sind beunruhigt darüber, dass die Leitungsebene des Verwaltungsbereichs personell gestärkt werden soll. Gerade in Zeiten der Veränderungen und nicht zuletzt auch angesichts des immer dramatischer werdenden Fachkräftemangels ist es dringender denn je, kreative Ideen zu entwickeln, um die besten Köpfe für Straßen.NRW gewinnen zu können ... Dazu ist jede Hilfe willkommen.“

Die Gewerkschaft hat die Richtung der schwarz-gelben Landesregierung verstanden. Sie wollen es nicht verstehen.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Die Landesregierung setzt auch mit dieser Neueinstellung alles daran, schnellstmöglich die Infrastruktur in unserem Land zu verbessern. Sie haben das offensichtlich vergessen und verschlafen es nach wie vor.

Es werden zudem Planungsreserven angelegt, die Sie in Regierungszeiten schlichtweg verschlafen haben. Warum mussten denn die Bundesmittel für das Jahr 2013 zurückgegeben werden? – Weil es keine Anträge, keine Planungszusagen gab. Weil Sie gepennt haben – aber Sie schlafen immer noch –,

(Beifall von der CDU)

machen Sie jetzt eine Aktuelle Stunde.

Einen weiteren Schritt, die Infrastruktur in unserem Land anzukurbeln, ist die Verstärkung des Personals der Straßenbauverwaltung. Ohne Planung keine Bauten! Allein in diesem Jahr sind bei Straßen.NRW 52 neue Stellen vorgesehen, davon 25 für Ingenieure, 8 im Bereich Grunderwerb, 10 für das Rechnungswesen, 1 in der Verkehrszentrale und 8 für die Baustellenkoordination.

In den Jahren 2018 und 2019 hat der Landesbetrieb über 100 Stellen zusätzlich bekommen. Diese Stellen sollen selbstverständlich mit den besten Köpfen besetzt werden. Daher ist ein zweiter Geschäftsführer dringend erforderlich. Er muss sich zum Beispiel mehr um die Mitarbeitergewinnung kümmern.

Der Landesbetrieb hat – Sie haben es eben gehört – im vergangenen Jahr einen Rekordumsatz von fast 1,4 Milliarden Euro erzielt.

Auch in der Phase der Veränderung soll Straßen.NRW erfolgreich bleiben. Dafür ist eine starke Führungsebene dringend erforderlich. Deshalb wird die bisherige Stelle des Abteilungsleiters auf eine Direktorenstelle angehoben.

Mich erinnert das, was Sie hier machen, ein bisschen an Schalke 04.

(Henning Höne [FDP]: Hey! Keine Schärfe reinbringen!)

Sie spielen, und Sie spielen extrem schlecht. Das ist das Problem. Wir kennen das aus Düsseldorf – es mag auch wieder bessere Zeiten geben.

Ich muss sagen, dass ich es Ihnen in diesem Fall sogar wünsche; denn das, was Sie heute liefern, ist mehr als ein Armutszeugnis.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Grünen hat der Abgeordnete Herr Klocke das Wort.

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Minister Hendrik Wüst, die Debatte verläuft ja durchaus moderat und in sachlichem Austausch. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass, wenn von der Opposition Fragen gestellt werden, diese dann auch beantwortet würden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Hendrik Wüst, Minister für Verkehr, führt an seinem Platz sitzend ein Gespräch.)

– Jetzt hört er nicht mal zu.

Lieber Herr Minister, ich habe unter anderem die Frage gestellt, ob es eine Verständigung auf der Leitungsebene – auch mit der jetzigen Leitungsspitze – von Straßen.NRW gab, was die Neuausrichtung mit der Doppelstruktur angeht. Das ist für mich eine sehr zentrale Frage, und ich sage Ihnen auch warum.

Als wir 2010 – das habe ich eben schon ausgeführt – mit die Landesregierung übernommen haben, gab es eine Dreierspitze. Der Kollege Horst Becker, der damals Parlamentarischer Staatssekretär war, könnte noch viel mehr über den maroden Landesbetrieb erzählen, die Paralyse der Spitze und die Situation, dass eine Leitungsfigur die andere bei Aufträgen und Tätigkeiten blockiert hat.

Unsere Skepsis rührt daher, dass wir sagen: Der Betrieb läuft jetzt gut. Er hat zentrale Aufgaben bei der Organisation von Mobilität in diesem Land sowie bei der Sanierung von Straßen, der Neuausrichtung in der Mobilitätspolitik, der Planung von Radschnellwegen etc. Unsere Sorge kommt daher, dass man mit der Neuaufstellung der Spitze sozusagen in alte Gewohnheiten und alte Rituale an der Spitze zurückfällt.

Herr Minister Wüst, ich muss ehrlich sagen, dass Sie das mit Ihrer Rede eben nicht ausgeräumt haben. Dazu gibt es gleich – und gerne auch in der nächsten Ausschusssitzung – noch eine zweite Chance.

Man kann viel darüber diskutieren, ob es heute dieser Aktuellen Stunde bedurft hat. Die Frage ist, ob man eine erfolgreich arbeitende Struktur aufgibt, um sie durch eine Doppelspitze zu ersetzen. Wir Grünen haben ja durchaus gute Erfahrungen mit Doppelspitzen. Diese müssen aber funktionieren, die Leute müssen miteinander kooperieren und reden.

Herr Minister, Sie haben meine Frage, ob die jetzige Leitung vorher eingebunden und die Neuaufstellung der Leitung mit ihr abgestimmt war, nicht beantwortet.

Außerdem haben Sie nicht beantwortet, warum der Personalrat, wie es üblicherweise passieren müsste, vorab nicht einbezogen wurde. Auch das steht weiterhin im Raum, unabhängig davon, wie komba das beurteilt. Wir würden gerne wissen, warum ein routiniertes, gesetzgeberisch vorgeschriebenes Verfahren nicht eingehalten wurde und diese Spitze so installiert wurde.

In der zweiten Runde – oder demnächst im Ausschuss – haben Sie die Chance, uns zu diesen beiden Dingen etwas mitzuteilen. Meine Sorge den Landesbetrieb betreffend rührt jedenfalls daher, und ich vermute, dass das auch bei der SPD der Fall.

Bitte räumen Sie diese Sorgen aus; denn in unser aller Interesse muss der Landesbetrieb gut arbeiten. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Soweit ich das richtig sehe, würde für die Landesregierung noch mal Herr Minister Wüst das Wort ergreifen.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Vielen herzlichen Dank. – Herr Klocke, ich beantworte die Fragen gerne. Sie haben die Vergangenheit bemüht, in der es eine Dreifachspitze gab. Dort bestand Einigungszwang, und das hat nicht funktioniert. Genau deshalb machen wir es nicht so. Vielmehr gibt es klare Zuständigkeiten, die in einer abgestimmten Satzung längst kommuniziert wurden.

Auch die zweite Frage beantworte ich und möchte den eben von Ihnen wieder erhobenen Vorwurf, dass das sozusagen eine einsame Entscheidung sei, aus der Welt räumen.

Schon am 1. März 2018 wurde in einer Steuerungsgruppe gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Hauptpersonalrates und der Direktorin über die Einführung des zweiten Direktors gesprochen. Ich zitiere aus dem Protokoll. „Gegen die Neuaufstellung und die Einführung eines Direktoriums gab es von allen Beteiligten keine Einwände.“ – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Es liegt noch eine Wortmeldung der SPD-Fraktion vor. Herr Ott.

Jochen Ott (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stellen also fest, dass die Fragen von Herrn Klocke wieder nicht beantwortet wurden. Das wird im Ausschuss zu klären sein.

(Henning Rehbaum [CDU]: Sie wurden zu 100 % beantwortet!)

Es wurde gerade gesagt, dass die Aufgabenbeschreibungen längst kommuniziert seien. – Das ist eine sehr interessante Formulierung. Wir haben in diesem Land ein Mitbestimmungsgesetz und die Möglichkeit, dass die Beschäftigten in den Unternehmen mitgestalten. Die Frage ist, in welcher Art und Weise die Mitbestimmung in diesem Land und in dieser Gesellschaft funktioniert.

Zweitens hat Herr Klocke gefragt, wie die anderen Mitarbeiter im Betrieb diese Entwicklung sehen. Auch darauf gibt es keine klare Antwort außer einer Protokollnotiz von vor über einem Jahr. Das ist aber überhaupt nicht zielführend, wenn wir über die Frage reden, was in den letzten Wochen passiert ist.

Also lautet die Feststellung: Die Landesregierung ist nicht bereit, diese Fragen zu beantworten. – Das ist auch ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten von Straßen.NRW.

(Beifall von der SPD – Bodo Middeldorf [FDP]: Blödsinn!)

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren, da mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, schließe ich die Aktuelle Stunde.

Wir kommen zu:

2   Auf die Lehrkräfte kommt es an – Lehrkräfteversorgung sicherstellen und begonnene Maßnahmen fortsetzen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/5367

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5480

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Rock das Wort.

Frank Rock (CDU): Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Auf die Lehrkräfte kommt es an“ – so ist der Antrag der regierungstragenden Fraktionen überschrieben. Diesen kurzen Satz müssten eigentlich alle Kolleginnen und Kollegen mittragen können; denn er beschreibt in sechs Wörtern den entscheidenden Faktor für die Qualität der Bildung und somit auch für den schulischen Erfolg der über zwei Millionen Schülerinnen und Schüler in NRW.

Die Verantwortung für die Qualität der schulischen Bildung liegt in den Händen der vielen Lehrerinnen und Lehrer an unseren Schulen. Der überwiegende Teil von ihnen macht einen grandiosen Job.

(Beifall von der CDU und Henning Höne [FDP])

Ich möchte die Chance nutzen, für die geleistete Arbeit – oft über die Belastungsgrenze hinaus – danke zu sagen. Vielen lieben Dank!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Koalition aus CDU und FDP weiß dies zu schätzen und versucht seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte, die Voraussetzungen für ein besseres Lehren und Lernen in unseren Schulen schrittweise zu verbessern.

Mit unserem Antrag möchten wir alle Fraktionen einladen und ihnen auch die Chance geben, mit uns aktiver denn je die Lehrkraftversorgung sicherzustellen, schon vorhandene Maßnahmen fortzusetzen und nicht im politischen Klein-Klein das große Ziel aus den Augen zu verlieren, unsere Schulen mit mehr Lehrkräften zu versorgen und somit bessere Bildung zu ermöglichen.

Ich möchte in meiner Rede diesmal gar nicht so sehr in die Vergangenheit schauen; denn der Blick zurück löst bekanntlich nicht die Probleme der Zukunft, sondern entlarvt gegebenenfalls nur die Ursachen.

Zu den Fakten: Die Bildungsministerin hat nach Übernahme der Regierungsgeschäfte eine neue Lehrerbedarfsprognose in Auftrag gegeben, die die gravierenden Fehlentwicklungen der letzten Jahre aufzeigt. Die letzte Prognose lag sieben Jahre zurück. Die mangelnde Planung und das Fehlen valider Zahlen offenbarten folgende Punkte:

Es fehlten und fehlen 15.000 Lehrkräfte an den Grundschulen und im Bereich der Sekundarstufe I. Dagegen besteht ein großer Überschuss an Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Sekundarstufe II. Damit einher geht eine hohe Nachfrage nach Studienplätzen im Lehramt der Grundschule und der Sonderpädagogik. In NRW wollten und wollen mehr junge Menschen das Lehramt der Grundschule und der Sonderpädagogik studieren, während Studienplätze für andere Lehrämter teilweise nicht besetzt wurden.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auf den Entschließungsantrag der Grünen eingehen. Mal davon abgesehen, dass sehr viele Bereiche, Feststellungen und Beschlusspunkte wörtlich unserem Antrag entnommen worden sind – copy and paste –, werten wir ihn als Zustimmung.

Sie betonen, wie in vielen Kontexten, dass Sie in Ihrer Regierungszeit Stellen geschaffen haben. Sie wissen aber auch, dass Stellen nicht unterrichten und die meisten Stellen nicht besetzt werden konnten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die ausreichende Versorgung der Schulen mit Lehrkräften ist die zentrale Herausforderung dieser Legislaturperiode und bedarf großer Anstrengungen. Zu lösen ist diese Aufgabe in nur einer Legislaturperiode nicht.

Die Landesregierung und vor allem unsere Ministerin haben zeitnah Sofortmaßnahmen ergriffen und sogenannte kreative Lösungen gesucht, gefunden und in die Schulen getragen. Ministerin Yvonne Gebauer überschrieb das zweite Maßnahmenpaket im Sommer mit der Überschrift „Jede Lehrkraft zählt“ – auch dazu gibt es sicherlich Zustimmung.

Es wurden 590 neue Studienplätze geschaffen, die Möglichkeiten für den Seiteneinstieg sind verbessert und ausgebaut worden, und die Möglichkeiten der Einstellung von Lehrkräften mit Sekundarstufenlehreramt in der Primarstufe sowie von Lehrkräften der Sekundarstufe II in der Sekundarstufe I sind verbessert worden. Die Werbekampagne für den Lehrerberuf sollte Aufmerksamkeit wecken und hat dieses Ziel auch erreicht.

Die Auflistung zeigt, dass wir viel getan haben, aber leider bekämpfen all diese Maßnahmen nicht die Ursache, sondern sie sind eher als Pflaster für die Wunden des Patienten „ Lehrkräftemangel“ zu sehen. Wir möchten ausdrücklich unserer Ministerin Yvonne Gebauer danken, dass sie schon viele Akzente gesetzt und Maßnahmen umgesetzt hat. Aber es gibt eben nicht die eine Medizin und die eine Lösung.

Unser Antrag soll die schon gestarteten Maßnahmen unterstützen, Potenziale freisetzen und alle Ressourcen ausnutzen, um Antworten auf die Herausforderungen zu geben. Zentral wird die Lehrerbedarfsprognose sein, die ständig aktualisiert werden muss und aus der Maßnahmen folgen werden.

Eine zentrale Rolle wird den Schulleitungen zukommen; denn sie können vor Ort regionale Befindlichkeiten, Probleme und Herausforderungen identifizieren und die Erhöhung der Stundenkontingente bei jeder einzelnen Lehrkraft ermitteln. Hier sollen kluge Entscheidungen für Schulen im Einklang mit den Kolleginnen und Kollegen getroffen werden.

Auch die Vereinfachung von Anerkennungsverfahren und Beschleunigungsmöglichkeiten zu suchen und zu erkennen, wird zu einer Verbesserung beitragen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Frank Rock (CDU): Nicht zuletzt müssen wir die Aus- und Fortbildungsangebote gemeinsam weiterentwickeln und alle Betroffenen zusammenführen.

Wir möchten mit unserem Antrag einen gemeinsamen Aufschlag aus der Politik starten und hoffen auf breite Zustimmung. Wir sind der festen Überzeugung, dass durch das einfache Rufen nach besserer Bezahlung von Lehrämtern nicht die Ursache angepackt wird, sondern dass wir die Herausforderungen durch vielfältige Maßnahmen minimieren können.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Frank Rock (CDU): Nehmen Sie gemeinsam mit uns die Verantwortung für die Herausforderungen und Entwicklungen der nächsten Jahre an; denn jede Lehrkraft zählt. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Als nächste Rednerin hat für die antragstellende Fraktion der FDP Frau Kollegin Müller-Rech das Wort.

Franziska Müller-Rech (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Lehrermangel an unseren Schulen ist nach wie vor die größte Baustelle im Schul- und Bildungsbereich: Unterrichtsausfall, zu große Klassen, Überlastung der Lehrkräfte und vor allem jede Menge Frust bei den Schulleiterinnen und Schuleitern, Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und natürlich auch den Schülerinnen und Schülern.

Bei Regierungsantritt stand leider keine Lehrerbedarfsprognose zur Verfügung, weil die letzte Erhebung im Jahr 2011 mit Zahlen aus dem Jahr 2009 erstellt worden ist. Es ist nicht nur seriös, sondern vielmehr unabdingbar, regelmäßig Lehrerbedarfsprognosen zu erstellen, um Lehrerinnen und Lehrer bedarfsgerecht in die Schulen unseres Landes zu bringen.

Um steuern zu können, hat die Landesregierung direkt nach Amtsantritt eine Lehrerbedarfsprognose erstellt. Die Zahlen hierzu wurden im April 2018 veröffentlicht, und sie sind schockierend. In der Spitze werden uns 15.000 Lehrkräfte fehlen – vor allem an den Grundschulen, in der Sekundarstufe I und an den Berufskollegs.

Wir haben darauf reagiert und zwei Maßnahmenpakete auf den Weg gebracht. Aus gegebenem Anlass möchte ich einen Punkt exemplarisch hervorheben, und zwar die Gewinnung von Pensionären, die stundenweise in den Schuldienst zurückkehren. Meine Damen und Herren, 444 Ruheständler haben auf unseren Aufruf reagiert und sich freiwillig bereit erklärt, zurück an die Schule zu gehen, um den Schülerinnen und Schülern Wissen zu vermitteln und dem Unterrichtsausfall entgegenzuwirken.

Dieser Einsatz verdient große Anerkennung und großen Respekt, und er zeigt, dass wir in NRW im Kampf gegen den Lehrermangel gemeinsam an einem Strang ziehen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, unser Antrag ist ein Startschuss für weitere Maßnahmen, die wir ergreifen wollen, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken. Exemplarisch greife ich drei Punkte auf, die uns Freien Demokraten besonders wichtig sind.

Erstens. Wir wollen die Kapazitäten in den Universitäten an den Lehrerbedarf anpassen. So haben wir zum Wintersemester 2018/2019 bereits 339 Studienplätze im Bereich „Grundschullehramt“ neu geschaffen. Das ist ein Zuwachs von satten 18 %. Daran arbeiten wir natürlich weiter.

Zweitens. Wir wollen, dass die Lehrerinnen und Lehrer das tun, wofür sie ausgebildet wurden, und sie raus aus den Büros und wieder rein in die Klassenzimmer bringen. Daher setzen wir auf weniger unterrichtsfremde Aufgaben und deutliche Entlastung von Bürokratie.

Drittens. Jede Lehrkraft zählt, und auch viele Spätberufene werden tolle Lehrer. Quer- und Seiteneinsteiger sind eine Chance im Kampf gegen den Lehrermangel. Dafür müssen wir uns genau ansehen, was einen guten Lehrer ausmacht und den Quer- und Seiteneinstieg in enger Zusammenarbeit mit den Lehrerverbänden weiterentwickeln.

Wir wissen, dass wir in diesem Zuge auch die Frage der Lehrerbesoldung, nicht nur bezogen auf A13, diskutieren müssen. Das hat uns nicht nur die Stellungnahme des VBE zu diesem Antrag gezeigt.

Gleichwohl wissen wir alle, dass die Lehrerbesoldung weder Ursache noch Lösung aller Probleme ist. Es braucht weitaus mehr, als die Zahlen auf der Entgeltabrechnung, um junge Menschen für den Lehrerberuf zu begeistern, den Lehrermangel wirksam zu bekämpfen und unseren über 200.000 Lehrerinnen und Lehrern die Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdienen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir legen kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen vor, die den Lehrerberuf attraktiver machen werden, damit die Lehrerinnen und Lehrer sich mit ganzer Kraft den Bildungschancen unserer Schülerinnen und Schüler widmen können. Dafür soll dieser Antrag ein Signal sein, und er soll Aufschlag für weitere Initiativen sein.

Zum Schluss möchte auch ich die Gelegenheit nutzen, unseren Lehrkräften zu danken: Danke dafür, dass sie trotz teilweise äußerst schwieriger Bedingungen jeden Tag mit einem Lächeln im Gesicht vor ihre Klassen treten und ihr Bestes für unsere Schülerinnen und Schüler geben. Denn ja, auf sie kommt es an. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Rech. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Ott.

Jochen Ott (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich begrüßen wir das Vorhaben der Landesregierung sehr, die Lehrkräfteversorgung – Zitat – „spürbar zu verbessern“.

Aber wie so oft bleibt es auch hier wieder nur beim guten Vorsatz. Statt von wirklichen Verbesserungen lese ich hier sehr viel Lyrik, sehr viel leere Phrasen, die voller Eigenlob sind, und das natürlich – wir kennen das schon –, nicht ohne dabei immer über die Vorgängerregierung herzufallen.

Die wenigen konkreten Forderungen in diesem Antrag wurden von uns bereits gestellt. Da hätten Sie längst mit uns gemeinsam reagieren können. Deshalb können wir diese Forderungen nicht kritisieren. Aber sie bleiben weit hinter dem Möglichen zurück. Na gut, zu viel sollte man sich auch nicht vornehmen.

Insgesamt wirkt der Antrag wie eine Selbstbeweihräucherung, nichts wirklich Innovatives lesen wir darin. Stattdessen gibt es sensationelle Formulierungen wie – Zitat – „Auf die Lehrkräfte kommt es an“ oder „Es gibt nicht die eine Lösung“. Das ist wirklich großartige Formulierungskunst. Wir würden vorbehaltlos zustimmen, dass das wichtige, bedeutende Sätze sind, nur lösen sie das Problem der Kolleginnen und Kollegen an den Schulen nicht.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Interessant wäre es, wenn Sie konkret sagen würden, welche Instrumente Sie den Schulleitungen an die Hand geben wollen, damit diese am Lehrerberuf Interessierte, die bereits in irgendeiner Form an Schulen tätig sind, langfristig als Lehrkräfte gewinnen können. Was sind das für Instrumente? Und wie wollen Sie die Lehrkräfte von unterrichtsfremden Aufgaben entlasten? Womit? Durch wen? Was sind die konkreten Vorschläge?

Wie sorgen Sie konkret dafür, dass zum Beispiel Studienplätze weiter ausgebaut werden? Insbesondere vor dem Hintergrund des Hochschulfreiheitsgesetzes ist das ja nicht so ganz banal. Einen konkreten Vorschlag zu machen, wie man deutliche Steigerungen hinbekommt, wäre doch mal interessant. Wir werden Ihren Antrag ablehnen müssen, weil er einfach nur Lyrik und eine Sprechblase ist.

Es wäre, es wäre wahrlich notwendig, dass wir gemeinsam dafür sorgen, die Lehrerkräfteversorgung zu verbessern. Wir haben konkrete Vorschläge gemacht, wie das gelingen kann. Wir haben auch konkrete inhaltliche Vorschläge gemacht, wie wir in der Schulpolitik einen Schritt nach vorne kommen.

Ich sage nur: A13. Der Gesetzentwurf ist da, Sie können dem zustimmen. Dann hätten wir einen wesentlichen Bestandteil mit Sicherheit gelöst. Wir wissen auch, dass die Besoldung nicht alles ist, aber ohne Besoldung ist vieles andere nichts.

Wir haben zu den Themen „Ganztag“, „Digitalisierung“ und „Schulsozialarbeit“ umfangreiche Anträge eingebracht, fachlich in Anhörungen diskutiert und Vorschläge entwickelt, wie man konzeptionell weiterkommt.

Aber wo sind die konzeptionellen Vorschläge der Koalition? – CDU und FDP finden im Schulbereich nicht statt. Die Regierung, die Ministerin kommt mit Initiativen. Von CDU und FDP kommen innerhalb von zwei Jahren Anträge zu Integrationskursen und zur Bestätigung eines Projekts in der beruflichen Bildung. Außerdem ging es um Laienreanimation, Schülerlotsen und Cybergewalt, und es gab eine direkte Abstimmung zu Hauptschulklassen an Realschulen. Das ist das, was konzeptionell von FDP und CDU ins Parlament eingebracht wurde.

Und heute kommt ein Lyrikantrag, am Ende auch noch mit direkter Abstimmung. Es gibt also nicht mal die Möglichkeit, dieses doch so wunderbare Startschusssignal der Koalition wenigstens mit den Fachleuten im Ausschuss und bei Anhörungen zu diskutieren. Das ist im Grunde genommen eine Verweigerung der konzeptionellen Arbeit in diesem Parlament.

(Lachen von Bodo Löttgen [CDU])

Es reicht nicht aus, dass die Regierung ihre Arbeit macht, sondern das Parlament muss es auch tun. CDU und FDP wären gut beraten, wenn sie im Schulbereich nicht weiter Sprechblasen produzieren würden, sondern vielleicht auch mal selbst konzeptionelle Vorschläge ins Parlament und in den Ausschuss einbringen würden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Bodo Löttgen [CDU]: Alaaf!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ott. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal CDU- und FDP-Fraktion fragen, wer bei Ihnen eigentlich der Lyrik-Beauftragte ist. Er hat bei dem Antrag wirklich einen guten Job abgeliefert, das muss man sagen.

Anders als die SPD werden wir uns zu Ihrem Antrag enthalten.

In unserem Entschließungsantrag haben wir Ihre Vorschläge aufgenommen und konkretisiert. Ich frage Sie: Wie kann man einfach von einer Wertschätzung für die Lehrkräfte sprechen – das teilen wir unbedingt; das ist überhaupt keine Frage –, aber dann in einem solchen Antrag bei der Beschlussfassung für den Landtag das Thema „A13“ außer Acht lassen?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Auch wenn die geschätzte Kollegin Müller-Rech das Thema in ihre Rede eingebaut hat, ist in dem Antrag nichts Substanzielles enthalten.

Im Zusammenhang mit den Kapazitätsaufwüchsen an den Hochschulen müssen wir nicht nur über das Hochschulfreiheitsgesetz, sondern vielleicht auch mal über die Kapazitätsberechnungen für das Lehramt sprechen und darüber, dass die Hochschulen belohnt werden, die sich das zur Schwerpunktaufgabe machen. Darüber müssen wir reden. Wir müssen gemeinsam darüber sprechen, wie materielle Entlastung wirklich umgesetzt werden kann.

In diesem Lyrikteil steht, dass Sie abhängig von den vorhandenen Ressourcen etwas tun wollen. – Was bedeutet das denn eigentlich?

Nutzen Sie doch die bereits vorhandenen Ressourcen – schon jetzt können wir doch die Stellen nicht ausreichend besetzen – für Verbesserungen im System, zum Beispiel mithilfe der Kapitalisierung, die wir hier schon mehrfach besprochen haben. Warum stellen Sie nicht schon jetzt Mittel zur Einführung von Schulverwaltungsassistenzen zur Verfügung, damit die anderen Professionen arbeiten können?

All das haben wir in Ihrem Beschreibungskatalog einmal exemplarisch hinterlegt. Ich kann Ihnen versprechen: Auch wenn wir uns zu dem Antrag enthalten, werden wir im Hinblick auf diese Punkte nachfassen und deren substanzielle Umsetzung hinterfragen. Das genau ist Ihre Aufgabe, der Sie sich leider verweigern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für Fraktionen, die eigentlich gestaltend sein sollten, ist dieser Antrag ein ziemlich schwacher Ausweis. Sie scheinen nicht die Kraft zu haben, uns Lösungen für die Ressourcenfragen im Sinne einer substanziellen Unterfütterung darzulegen.

Aus diesen Gründen – das ist die Rückmeldung, die ich zu diesem Antrag bekommen habe – nenne ich diesen Antrag „Ayurveda-Antrag“: Das ist etwas zum Wohlfühlen,

(Jochen Ott [SPD]: Eigentlich ziemlich grün!)

die Wertschätzung ist echt und muss rübergebracht werden, aber es fehlt die Unterfütterung, nämlich die Maßnahmen und die Umsetzung. Nur schöne Worte wollen Lehrerinnen und Lehrer nicht. Sie wollen die Umsetzung, sie wollen Konsequenzen, und da bietet Ihr Antrag zu wenig.

Wir enthalten uns, aber wir werden Sie bei jeder einzelnen Maßnahme –lesen Sie noch mal unsere Konkretisierungsvorschläge! – stellen, und dazu haben wir auch schon Material. Das füllt das ganze Jahr aus. Mal schauen, was Sie davon tatsächlich umsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die AfD-Faktion spricht Herr Kollege Seifen.

Helmut Seifen (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag von CDU und FDP offenbart die ganze Hilflosigkeit der Regierungsparteien, aber auch die Hilflosigkeit des Ministeriums, das dem Antragsteller beim Verfassen des Textes wohl die Hand geführt hat. Das, was Sie unter III. an Maßnahmen vorschlagen, ist zum großen Teil unbrauchbar und offenbart den Mangel an Kenntnissen seitens des Antragschreibers.

Die Grünen sind da auch nicht besser; denn sie schließen sich ja dem Antrag mit einigen Modifizierungen an.

Einzig brauchbar sind die Vorschläge, die Lehrkräfte von unterrichtsfremden Aufgaben stärker zu entlasten – das hatte ich auch schon ins Parlament eingebracht – und für die Berufskollegs berufserfahrene Praktiker als Seiteneinsteiger zu gewinnen. Wobei erwähnt werden muss, dass diese Praktiker im Augenblick außerhalb der Schule gefragter sind als jemals zuvor. Denken Sie dabei zum Beispiel an Handwerker.

Gefährlich sind Ihre Vorstellungen, die Anerkennungsverfahren für Seiteneinsteiger zu vereinfachen. Das klingt doch sehr nach einer Niveauabsenkung. Davor kann ich nur warnen. Im Kampf gegen die Personalnot helfen keine Maßnahmen, die unseren Kindern schaden können. Unqualifizierter Unterricht kann im Zweifel genauso schadhaft sein wie gar kein Unterricht – das muss ich Ihnen ganz deutlich sagen –; denn überforderte Lehrkräfte legen den Grundstein für Lernunlust und Schulfrust.

(Beifall von der AfD)

Setzen Sie unsere Kinder nicht weiteren Experimenten aus!

Die anderen Vorschläge in Ihrem Antrag sind wohlfeil und nichtssagend. Sie verwenden viele Worte, aber sie sind Schall und Rauch. Hier muss ich Herrn Ott und Frau Beer verbessern: Es handelt sich eben nicht um Lyrik. Da sieht man mal wieder die Bildungsferne dieser beiden Redner. Frau Beer, ich kann Ihnen gerne einen Lyrikkurs vermitteln, damit Sie wissen, was Lyrik ist. Das hier ist es nicht.

Zu tatsächlich brauchbaren und zielführenden Lösungen werden Sie erst kommen, wenn Sie die hauptsächlichen Ursachen des Lehrermangels identifizieren. Aber dazu müssten Sie natürlich schonungslos mit Ihrer früheren Politik abrechnen, und davor scheuen Sie zurück.

Und, Herr Rock, so leid es mir tut, Sie sagen einfach: Wir wollen nicht nach hinten schauen. – Doch, wir müssen nach hinten schauen, weil dort die Ursache der Misere liegt.

(Beifall von der AfD)

Nicht die fehlende Lehrerbedarfsprognose der Vorgängerregierung ist verantwortlich für den heutigen Lehrermangel. Sie alle, die Sie hier sitzen, haben die heutige Bildungsmisere mitverursacht. Es muss Ihnen doch zu denken geben, dass ausgerechnet an den Schulformen, die in besonderer Weise von den Veränderungen der letzten zehn Jahre betroffen sind, Lehrkräfte fehlen. Seit den 90er-Jahren prasseln herabwürdigende Meldungen und Einschätzungen gerade auf die Hauptschule ein,

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Völliger Blödsinn!)

sodass Eltern für ihre Kinder diese Schulform nicht mehr wählen, aber auch junge Leute, die auf Lehramt studieren wollen, das Lehramt für diese Schulform meiden. Welches Unrecht den Hauptschulen, ihren Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften damit widerfahren ist, kann jeder beurteilen, der Hauptschulen aus eigener Anschauung kennt.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Pflegen Sie weiter Ihre Vorurteile!)

Wir bräuchten heute dringender als jemals zuvor Hauptschullehrkräfte und Hauptschulen, um auch den Kindern einen guten Schulabschluss zu ermöglichen, deren Begabungen im handwerklich-praktischen Bereich liegen.

(Beifall von Markus Wagner [AfD])

Mit der Herabwürdigung der Hauptschule ging eine öffentliche Verherrlichung des Gymnasiums als Königsweg der Bildung einher. Kein Wunder, dass nicht nur die Eltern ihre Kinder aufs Gymnasium schicken wollen, sondern auch die jungen Leute lieber das Lehramt am Gymnasium anstreben als ein Lehramt an anderen Schulformen

Und dann: Nach der öffentlichen Herabwürdigung der nicht gymnasialen Schulformen haben Sie den größten Missgriff getan. Um das Lehramt aufzuwerten, haben Sie die herkömmliche Lehrerausbildung aus den Fachhochschulen und den Pädagogischen Hochschulen herausgelöst und die Lehramtsausbildung zeitlich gestreckt, um im Rahmen des Bologna-Prozesses eine Einheitslehrerausbildung zu kreieren. Solch ein Unfug!

Was Sie damit angerichtet haben, sehen Sie jetzt: Warum soll ein junger Mann oder eine junge Frau das Studium des Lehramts an Grundschulen oder an der Sekundarstufe I aufnehmen, wenn er oder sie keine zeitlichen Vorteile im Studium und dazu später noch finanzielle Nachteile hat? Die gesamte Umstellung der Lehrerausbildung weg vom Staatsexamen hin zum Bologna-System hat ein einziges Fiasko im Lehrerbereich hinterlassen.

Zur Attraktivitätsminderung kommen die hohen Hürden für die Grundschullehrkräfte hinzu, die sie überwinden müssen, um einen Studienplatz zu erlangen oder das Studium zu bewältigen. Die Situation an den Schulen, die wegen Inklusion und Integration bald nicht mehr zu bewältigen ist, tut ein Übriges, um potenzielle Lehramtsstudenten von diesem Studium abzuschrecken.

Wir von der AfD können Ihnen nur raten: Ändern Sie das Lehrerausbildungsgesetz vom 12. Mai 2009! Stellen Sie wieder geordnete Verhältnisse an den Schulen her, und machen Sie Werbung für das Lehramt, nicht mit der zum Teil peinlichen Anmache junger, intelligenter Leute durch coole Dummsprüche, …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Helmut Seifen (AfD): … sondern mit dem Hinweis darauf, dass der Beruf des Lehrers bzw. der Lehrerin ein wunderbarer, verantwortungsvoller und sehr wichtiger Beruf für jeden Einzelnen und die Gesellschaft gleichermaßen ist! Ihr Dank an die Lehrer wird erst glaubhaft, wenn Sie die Situation an den Schulen verbessern. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Seifen. – Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Gebauer das Wort.

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich für den Antrag der CDU und der FDP dankbar bin, der uns in unserem Tun und Handeln in meinem Ministerium unterstützt und auch die Maßnahmen, die wir bereits auf den Weg gebracht haben, in entscheidender Form wertschätzt und unterstützt.

Lieber Herr Kollege Ott, Sie haben in Ihren Ausführungen zu dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP gesagt, allzu viel sollte man sich nicht vornehmen. Ich kann dazu nur sagen: Doch, ich als Ministerin für Schule und Bildung muss mir leider ganz besonders viel vornehmen, weil ich feststellen musste, dass die Lücken, die die Vorgängerregierung gerade bei der Lehrerversorgung hinterlassen hat, immens groß sind und schnellstmöglich geschlossen werden müssen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben in diesem Zusammenhang seit dem Sommer 2017 zwei große Maßnahmenpakete auf den Weg gebracht und versuchen, massiv gegenzusteuern, um die freien Stellen, die wir leider zuhauf haben, besser besetzen zu können.

Aber um es hier einmal ganz deutlich auf den Punkt zu bringen: Das Ganze hat eine Ursache. Es hat nämlich die Ursache, dass in der Vergangenheit bei uns in Nordrhein-Westfalen schlicht und ergreifend zu wenige Studienplätze für Lehramtsstudenten zur Verfügung gestellt worden sind. Deshalb hat die Landesregierung zum Wintersemester 2018/2019 zusätzliche Studienplätze für Anfänger von Bachelorstudiengängen bereitgestellt, natürlich in Absprache mit dem Wissenschaftsministerium: 339 für das Studium für das Lehramt an Grundschulen und für das Lehramt der Sonderpädagogik 250 weitere Studienplätze.

Das – das sage ich ganz deutlich – kann aber nur ein erster Schritt in diesem Zusammenhang sein.

Auf der Grundlage unserer aktuellen, bereits mehrfach angesprochenen lehramtsspezifischen Lehrerbedarfsprognose und einer Analyse der vorhandenen Ausbildungsplätze und des Lehramtsstudiums selbst werden wir weitere Schritte dahin gehend machen müssen, dass wir bei uns in Nordrhein-Westfalen zusätzliche Ausbildungsplätze in ausreichendem Umfang zur Verfügung stellen, dass wir diese – auch das ist wichtig – regional klug verteilen und dass wir sie treffsicher auf die konkreten Mangelfächer ausrichten. Auch dazu dient natürlich unsere Lehrerbedarfsprognose.

Der vorliegende Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP schafft dafür eine wichtige Grundlage. Um die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden, ist wichtig – so heißt es in dem Antrag; mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich daraus –:

„Die lehrerausbildenden Hochschulen müssen ebenso wie die Studienseminare in die Lage versetzt werden, Kapazitätsveränderungen für eine ausreichende Lehrerversorgung bei den Lehramtsstudiengängen vornehmen zu können.“

Genau darauf wollen wir weiter ein zentrales Augenmerk legen.

Die Lehrerbedarfsprognose, von der in der Vergangenheit schon so viel gesprochen worden ist, wird künftig alle zwei Jahre aktualisiert. Das ist zukünftig – auch das ist neu; das ist auch auf das Bestreben aus unserem Hause zurückzuführen – neuer KMK-Standard. Das gab es vorher nicht.

Zum Abschluss möchte ich noch einige Zahlen als Beispiele für unsere bisherigen Maßnahmenpakete nennen:

Wir konnten über 200 Oberstufenlehrkräfte für die Grundschulen gewinnen. Die Zahl steigt weiterhin an; das freut mich sehr. Über den Seiteneinstieg stehen den Grundschulen inzwischen sogar 552 zusätzliche Lehrkräfte zur Verfügung. Im vorgezogenen Listenverfahren konnten zum Einstellungsdatum 1. Mai bereits insgesamt 762 Anwärterinnen und Anwärter gewonnen werden. Die Website zu unserer Lehrerwerbekampagne – aber es ist nicht nur eine Werbekampagne, sondern auch eine Lehrerinformationskampagne – ist inzwischen über 650.000-mal aufgerufen worden.

Das alles sind sicherlich erfreuliche Zahlen, und es sind auch gute Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben. Wir wissen aber genau, dass weitere Maßnahmen folgen werden. Mithilfe all derer werden wir die Unterrichtssituation an unseren Schulen Schritt für Schritt verbessern. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es gibt eine weitere Wortmeldung aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Kollegin Beer wird jetzt noch einmal sprechen.

Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Frau Ministerin, vielen Dank für die Ausführungen. Wir unterstützen voll die Bemühungen, die jetzt weitergeführt werden. Wir haben es aber in unserem Antrag, glaube ich, sehr deutlich gemacht, dass wir mit der Legende aufräumen müssen, in den letzten sieben Jahren sei nichts passiert.

Bei der Frage, wie jetzt die Maßnahmen fortgeführt werden und wie man auch eine Ausweitung hinkriegen kann, haben Sie uns sehr an Ihrer Seite. Denn egal, in welcher Kombination welche Regierung diese Frage zu beantworten hat, stellen sich die gleichen Herausforderungen. Ihr Maßnahmenpaket führt ja auch das fort, was wir schon begonnen hatten. Also volle Unterstützung dafür.

Ich möchte noch auf einen Punkt hinweisen. Wir müssen uns die Studienabbrecherinnenzahlen noch einmal sehr genau anschauen und mit den Hochschulen auch darüber reden und, wie gesagt, frühzeitig anlegen, wie dieses Kunststück dann im Rahmen der Hochschulgesetzgebung in den Kapazitätsausweitungen hinzukriegen ist. Denn wir wissen gemeinsam, was das im Vorlauf bedeutet und zu welchem Semester dann etwas anfangen kann. Das braucht alle gemeinsamen Anstrengungen.

Ich will auch gerne noch einmal sagen, dass das, was wir angelegt haben mit den 2.300 Studienplätzen im Rahmen der Sonderpädagogik, langsam Früchte tragen wird. Die Absolventen kommen jetzt in das System. Wir profitieren und die Schulen profitieren gemeinsam davon, wenn wir in dieser Sache an einem Strang ziehen, und das will ich ausdrücklich anbieten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 2 schließen kann.

Wir kommen zur Abstimmung,  und zwar erstens über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/5367. Sie haben es mehrfach gehört. Die antragstellenden Fraktionen haben eine direkte Abstimmung beantragt, die wir jetzt auch durchführen, und zwar über den Inhalt des Antrages.

Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind die SPD-Fraktion und die AfD-Fraktion. Die Stimmenthaltungen sind demzufolge bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und den beiden fraktionslosen Abgeordneten Langguth und Neppe. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 17/5367 angenommen worden.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/5480. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion, die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten Langguth und Neppe. Stimmenthaltungen sind demzufolge bei der SPD-Fraktion. Mit diesem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/5480 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wir sind schon beim nächsten Tagesordnungspunkt:

3   Von der Umsetzung der Digitalsteuer über die Ablehnung von Uploadfiltern bis hin zur Digitalisierung der Kommune: Nordrhein-Westfalen muss sich mehr in die Debatte um die Digitalisierung der Europäischen Union einmischen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/5374

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/5477

Ich eröffne die Aussprache. Herr Kollege Weiß hat für die antragstellende Fraktion der SPD das Wort.

Rüdiger Weiß (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Digitalisierung muss für NRW eine Chance bedeuten, keine Bedrohung etwa für den eigenen Arbeitsplatz. Damit, ob und wie wir die Digitalisierung als Chance wahrnehmen, beschäftigen wir uns ja nicht erst seit gestern. Entsprechend gibt es hier im Haus eine Vielzahl guter und sicherlich auch eine Handvoll weniger guter Vorschläge zu diesem Thema.

Was aber bisher weder hier im Landtag noch in der Staatskanzlei im Zuge der Debatte um eine Digitalisierungsstrategie auftaucht, das ist die europäische Dimension, liebe Kolleginnen und Kollegen. Mit „Auftauchen“ meine ich nicht, dass auf einer Homepage oder während einer Debatte unter Fachleuten ein paar nette Worte zu EU-Förderprogrammen fallengelassen werden. Mit „Auftauchen“ meine ich, dass sich das Land nach innen und nach außen proaktiv seiner Chancen und Herausforderungen annimmt, dass es beispielsweise ein klares Bekenntnis des Landes zur Steuergerechtigkeit gibt. Wir können doch in diesem Zusammenhang nicht allen Ernstes von unseren Mittelständlern, den Handwerkern, erwarten, dass sie jahrzehntelang brav und treu Steuern bezahlen, während Konzerne, die hier Milliardengewinne abschöpfen, das eben nicht tun.

(Beifall von der SPD)

Dieses Bekenntnis zur Steuergerechtigkeit muss auch Teil der Digitalisierungsstrategie unseres Landes sein.

Zur Strategie gehört auch, dass sich Nordrhein-Westfalen als Medienland mit allem Nachdruck zu einem freien Internet bekennt.

(Beifall von der SPD)

Ich meine, dass mit „Auftauchen“ eine echte, eine einheitliche Strategie entwickelt werden muss, dass beispielsweise klar festgelegt wird, welche EU-Programme wann, wie und mit welchem Ziel in Anspruch genommen werden können, und dass das Ganze – auch das gehört zu einer Strategie – auch öffentlich und vernünftig kommuniziert wird und dass das nicht, wie schon so oft geschehen, immer erst auf Nachfrage passiert und dann gesagt wird: Ja, wir berücksichtigen das schon irgendwie.

Eines möchte ich an dieser Stelle auch ausdrücklich betonen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Gute Politik zu machen, bedeutet nicht, immer nur den Themen hinterherzurennen, die gerade in den Medien präsent sind. Der schwarz-gelbe Entschließungsantrag zeigt leider, dass Sie nach wie vor nicht gewillt sind, Ihre Politiksimulation zu beenden und endlich echte kohärente Lösungen anzubieten.

(Beifall von der SPD)

Ich weiß auch nicht, ob Sie sich überhaupt die Mühe gemacht haben, unseren Antrag ganz zu lesen. Das Vorkommen des Wortes „Uploadfilter“ hat Sie offenbar alles andere an unserem Antrag ausblenden lassen. Anders ist ja die Verengung Ihres Entschließungsantrages zum Thema „Upload-Filter“ nicht zu erklären.

Fakt ist: Sie beweisen einmal mehr, dass Sie mit ganzheitlichen Ansätzen nichts am Hut haben und nichts am Hut haben möchten. Sie beweisen auch einmal mehr, dass Sie – wie bei jedem anderen schwierigen Thema – alle Verantwortung gerne nach Berlin abschieben wollen.

Wir alle zusammen müssen endlich begreifen, dass enorme Herausforderungen, wie der digitale Wandel eben eine ist, nicht nur regional oder national gedacht werden können. Digitalisierung macht keinen Sinn, wenn sie an der Landesgrenze aufhört. Genau deshalb macht es auch keinen Sinn, wenn die Digitalisierungsstrategie an der Landesgrenze aufhört. Denken wir also bitte europäisch, meine Damen und Herren!

Gerade bei der Digitalisierung wird klar, welch enormen Vorteil wir durch Europa haben. Das geht weit über die berühmte und klassische Fördermittellogik hinaus. Sicher gibt es eine Menge Fördermöglichkeiten, die für NRW interessant sind und auch angepackt werden, wie zum Beispiel das WiFi4EU-Projekt, auf das ich gleich noch etwas genauer eingehen möchte.

Nachhaltiger und nicht minder interessant für NRW ist aber die Tatsache, dass wir von Regionen umgeben sind, die genau in diesem Moment die gleichen Probleme und Herausforderungen zu bewältigen haben wie wir selbst. Wir sind in manchen Bereichen weiter, und in manchen Bereichen hinken wir hinterher.

Dabei haben wir das große Glück, dass es uns die EU ermöglicht, schnell und unkompliziert voneinander zu lernen. Plattformen dafür stellt die EU in ausreichendem Maße bereit. Das Problem ist, wir nutzen diese Plattformen kaum.

Ein weiterer Bonus, den wir durch die EU haben, ist die Bereitstellung von Evaluierungs- und Analysedaten zu verschiedenen Projekten. Das hört sich zunächst banal an. Aber auch dieses Angebot nutzen wir viel zu wenig. Fragen Sie bitte mal bei den Menschen nach, die die Wirksamkeit konkreter Maßnahmen vor Ort überprüfen sollen! Jeder wird Ihnen bestätigen, dass Vergleichsdaten, konkrete Fallstudien und Problemfeldanalysen von unschätzbarem Wert sind. Die EU stellt diese bereit, aber die Kommunen müssen auch zugreifen. Wir sollten das auch tun.

All diese Möglichkeiten müssen wir ausreizen, wo es nur geht, damit wir hier in NRW die Vorreiterregion in Deutschland sind, wenn es um Digitalisierung geht. Eine konkrete Strategie – das hatte ich angesprochen –, die die europäische Dimension mit einschließt, ist bei Ihnen leider nicht zu erkennen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Ich habe die Vielzahl von Unterstützungsmöglichkeiten der EU gerade erwähnt. Unser Antrag listet nur einen Ausschnitt davon auf.

Eines dürfen wir dabei jedoch nicht vergessen: Die Kommunen müssen einen Großteil des digitalen Wandels bewältigen, nicht wir im Landtag in unseren Reden, in unserem Tun, sondern die Kommunen vor Ort.

Es ist doch paradox, dass wir auf der einen Seite eine Vielzahl von EU-Initiativen, ‑förderprogrammen und ‑koordinierungsangeboten für NRW haben und auf der anderen Seite Kommunen, die an allen Ecken und Enden auf Expertise, Fördermittel und Vernetzungsangebote angewiesen sind, aber diese Unterstützungsmaßnahmen nicht vollständig abgreifen.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Eine proaktive Europapolitik bedeutet für uns, dass wir das nicht als Problem der Kommunen abtun und sagen: Das werden die schon schaffen. – Wir müssen diese Kommunen unterstützen, indem wir viel mehr als bisher auf diese Unterstützungsangebote aufmerksam machen und die Kommunen motivieren, diese zu nutzen. Unser Anliegen ist, dass wir alle – Kommunen, Landesregierung und Landtag – an einem Strang ziehen, um den digitalen Wandel im Sinne der Menschen in NRW zu gestalten.

Mit unserem Antrag wollen wir einen Schritt in diese Richtung machen, um das Ungleichgewicht zwischen kaum ausgeschöpften Unterstützungsangeboten auf der einen und dem unübersehbaren Unterstützungsbedarf auf der anderen Seite zu gestalten.

Wie konkret die Landespolitik über europäische Unterstützung in den Digitalisierungsprozess eintreten kann, wird am Beispiel der von mir eben erwähnten WiFi4EU-Ausschreibung deutlich. Kommunen in ganz Europa konnten sich bei der Kommission bewerben, um einen Gutschein im Wert von immerhin 15.000 Euro für kostenloses öffentliches WLAN zu gewinnen. Den Zuschlag haben europaweit 2.800 Kommunen erhalten. 228 deutsche Kommunen waren dabei.

Wissen Sie, wie viele Kommunen davon aus NRW kamen? – 20. Zum Vergleich: Aus Niedersachsen kamen 35 und aus Hessen 32 Gewinnerkommunen. Ich weiß, dass die kommunalen Strukturen in Hessen und in Niedersachsen vielleicht nicht immer mit denen in NRW eins zu eins zu vergleichen sind. Ich weiß auch, dass es für eine Vielzahl gut ausgestatteter Kommunen vielleicht nicht gerade lohnenswert ist, sich für 15.000 Euro an einer Ausschreibung zu beteiligen.

Ich möchte auf die Tatsache hinaus, dass beispielsweise die niedersächsischen und die hessischen Europaministerinnen und Europaminister vorab sehr intensiv auf unterschiedlichsten Kanälen für das Projekt geworben haben und dass es in diesen Bundesländern sogar eine Nachbereitung gibt. Bei uns: Fehlanzeige. Außer einer Verlinkung auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums konnten wir keine Bemühungen der Landesregierung entdecken, das Programm beispielsweise bei unseren Kommunen bekannt zu machen. Wir glauben, dieses Beispiel steht exemplarisch für die Passivität dieses Bundeslandes.

Uns entgehen nicht nur Millionen von Fördermitteln, wenn wir als Land nicht aktiver werden, NRW verpasst ganz nebenbei auch die Chance, nicht nur für den viel beschworenen, viel beschriebenen und wichtigen Strukturwandel, sondern auch für die Digitalisierung eine Vorreiterregion zu werden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Braun.

Florian Braun (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das waren gut zehn Minuten voller Prosa und Worthülsen. Bei mir ist hängengeblieben, dass eine einheitliche Strategie eingefordert wurde. – Herr Kollege Weiß, vielleicht wollen Sie sich zurückerinnern, wann das Wort „Strategie“ im Zusammenhang mit der SPD aufgetaucht ist. Ich habe einmal kurz in meinem Gedächtnis gekramt: Frau Kraft hat Ihre damalige Digitalstrategie „MegaBits. MegaHerz. MegaStark“ vorgestellt. – Das war für mich vor allem eines: megapeinlich. Es war ähnlich inhaltsstark wie Ihre Rede und Ihr Antrag.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielleicht wollen Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass unser Digitalminister bereits eine Gesamtstrategie für ein digitales Nordrhein-Westfalen vorgelegt hat. Daran können Sie sich das nächste Mal abarbeiten.

Herr Weiß, vielleicht waren Sie von unserem Entschließungsantrag auch eingeschüchtert, sodass Sie sich jetzt gar nicht mehr zu Upload-Filtern äußern wollten – das ist auch interessant.

(Zuruf von der SPD)

Uns allen – jedenfalls uns als NRW-Koalition – ist bewusst, dass die EU-Urheberrechtsrichtlinie im Fokus einer aktuellen gesellschaftlichen und politischen Debatte steht.

(Michael Hübner [SPD]: Seit wann? Seit gestern?)

Es stehen Kritik wie Bedenken im Raum, mit denen wir uns hier im Hohen Hause beschäftigen müssen, um unserer Verantwortung als Volksvertreter gerecht zu werden. Denn NRW ist Produzentenland, ist Medienland, ist Start-up-Land. Das ist Anlass genug, um sich hier einzumischen.

(Michael Hübner [SPD]: Dann hätten Sie sich einbringen können!)

Das tun wir als NRW-Koalition auch mit dem Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag.

(Michael Hübner [SPD]: Mit einem Entschließungsantrag? Das ist doch nicht ihr Ernst?)

– Ich meine das mit vollem Ernst. Wenn Sie mir weiter zuhören, dann sehen Sie auch noch, wie ernst mir das alles ist.

Der SPD-Antrag garniert die Position zum Upload-Filter noch mit entsprechender Prosa und mit weiteren Forderungen zum digitalen Binnenmarkt. Morgen folgen weitere Anträge von Grünen und AfD. Diese Anträge hätte man also auch gut und gerne zusammenlegen können, denn seien wir ehrlich: Die aktuelle Debatte dreht sich gänzlich um die Urheberrechte.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Dementsprechend gilt das Folgende auch für die sonstigen vorliegenden Anträge.

(Michael Hübner [SPD]: Das hat bei Ihnen nur zum Entschließungsantrag gereicht!)

Für die NRW-Koalition ist es von großer Bedeutung, auch im digitalen Zeitalter eine gesunde Balance zwischen Meinungs- und Informationsfreiheit auf der einen und Schutz des geistigen Eigentums auf der anderen Seite zu finden. Ich stelle nicht infrage, dass es eine Reform des Urheberrechts auf europäischer Ebene braucht. Im Gegenteil, wir brauchen mehr Rechtssicherheit für alle Seiten, für die Nutzerinnen und Nutzer, für die Verwerter, für die Plattformen, für die Urheber.

Klar ist für uns als CDU-Landtags-fraktion und als NRW-Koalition, dass diese Rechtssicherheit ohne Upload-Filter gewährleistet werden soll.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Es ist gut und richtig, dass die europäischen Institutionen in den letzten Jahren um Verbesserungen gerungen haben. Tatsächlich beinhaltet der aktuell zur Debatte stehende Entwurf einige sinnvolle Verbesserungen. Die EU stärkt die Wissenschaft durch automatische Auswertung höherer Datenmengen ohne Notwendigkeiten für Lizenzen, was man auch unter „Text and Data Mining“ versteht.

Wir ermöglichen die Digitalisierung von Kulturwerken. Bibliotheken, Museen und sonstigen Einrichtungen des Kulturerbes ist es erlaubt, zum Erhalt dieses Kulturerbes Werke zu digitalisieren, vergriffene Werke wieder verfügbar zu machen. Wir sichern journalistische Angebote.

(Nadja Lüders [SPD]: Sie machen das gerade nicht!)

Verlegerbeteiligungen an gesetzlichen Vergütungsansprüchen werden wieder möglich werden, so wie das in Deutschland gute Tradition ist.

Niemandem ist verborgen geblieben, dass zwischenzeitlich erhebliche Kritik geäußert wurde und noch immer wird, die sich vor allem an Art. 13, in dem die Nutzung geschützter Inhalte durch Onlinendienste geregelt wird, festmacht. In Abrede steht, dass die Vorgaben per Upload-Filter eingehalten werden müssen und dadurch negative Auswirkungen vor allem durch Overblocking auf die Meinungs- und Informationsfreiheit, auf die digitale Kultur sowie auf Unternehmen und Start-ups drohen.

Diese Kritik nehmen wir ernst. Auch in unserer Landtagsfraktion haben wir intensiv darüber debattiert. In der CDU Deutschlands haben wir intensiv darüber diskutiert. Als Leitgedanken stehen dabei für uns unerschütterlich fest:

Erstens. Wir verteidigen Freiheit und Vielfalt von Meinungen, Informationen und Medienangeboten. Diese Freiheit und Vielfalt bedingen zweitens eine gerechte Vergütung der Urheber.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Braun, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Kollege Hübner würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Florian Braun (CDU): Ich würde meine Leitgedanken gerne zu Ende führen, und dann lasse ich die Zwischenfrage gerne zu.

Der dritte Gedanke lautet, dass Nutzerinnen und Nutzer sowie Plattformen Rechtssicherheit brauchen. Viertens sehen wir für die Durchsetzung von Urheberrechten Upload-Filter nicht als geeignetes Mittel an.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Hübner, ich schalte Ihnen das Mikro frei, weil Herr Kollege Braun die Zwischenfrage jetzt zulässt. Bitte schön.

Michael Hübner (SPD): Ich war ein bisschen überrascht, dass das so schnell gegangen ist. – Herr Kollege Braun, vielen Dank, dass Sie das Thema „Art. 13“ in einem Entschließungsantrag aufgegriffen haben.

Die Leitgedanken habe ich insofern verstanden, als Sie nun nach wochenlanger Kritik auch erkannt haben, dass es ein wichtiges Thema ist; es taucht ja mit Hashtags wie #NieMehrCDU jeden Tag bei Twitter auf. Als Konsequenz möchte ich fragen, wie ernst Sie Ihren Entschließungsantrag dabei nehmen wollen.

(Zurufe von der CDU)

Werden Sie Ihre Abgeordneten im Europäischen Parlament gleichsam auffordern, der Urheberrechtsreform ablehnend gegenüberzutreten, und in der nächsten Woche bei Ihren Europa-Abgeordneten dafür entsprechend werben, diese Urheberrechtsreform in der Form abzulehnen?

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Hübner, den Unterschied zwischen einer Kurzintervention und einer Zwischenfrage kennen Sie. Ich bitte, das künftig zu berücksichtigen. Herr Kollege Braun weiß genau wie Sie, dass die Zwischenfrage eine Frage beinhaltet. Er hat jetzt die Gelegenheit, auf die Fülle von Fragen zu antworten oder sich eine davon herauszusuchen. – Bitte schön.

Florian Braun (CDU): Es liegt jetzt bei mir, mir eine Frage auszusuchen? – Na gut.

Vielen Dank, Herr Hübner, für die Zwischenfrage.

(Bodo Löttgen [CDU]: Zwischenfragen! Plural! – Zuruf von der SPD)

– Für die Zwischenfragen.

(Zurufe von der SPD)

– Sind Sie das etwa nicht? Vielleicht können Sie das später noch mit Ihrem Fraktionsvorsitzenden klären.

(Weitere Zurufe von der SPD)

Wir als NRW-Koalition haben eine klare Auffassung, die wir heute hier mit dem Entschließungsantrag zum Ausdruck bringen. Sie sind herzlich dazu eingeladen, diesen Feststellungen zu folgen, um ein klares Zeichen an die europäischen Institutionen wie auch an unsere Bundespolitik zu senden, sich dafür stark zu machen,

(Beifall von der CDU und der FDP)

Urheberrechtsschutz durchzusetzen, ohne Upload-Filter dafür zu benötigen.

Es ist in diesem Zusammenhang sehr interessant, sich das Verhalten Ihrer Bundesministerin Katarina Barley, die für die Umsetzung zuständig ist, genauer anzuschauen: einmal hü und einmal hott, einmal etwas Positives, einmal etwas Negatives. Sie ist jedenfalls diejenige, die dem schon zugestimmt hat.

(Zuruf von der SPD: Und wer hat Sie angewiesen?)

Das Parlament hat das noch nicht getan.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Frau Barley hat dem Upload-Filter in dem Sinne zugestimmt und hat keinen Gegenvorschlag unterbreitet. Wir als CDU Deutschlands haben das jetzt getan.

(Weitere Zurufe von der SPD)

Wir haben Vorschläge vorgelegt; die können Sie kritisieren, an denen können Sie sich abarbeiten. Wir jedenfalls haben auf Initiative des CDU-General-sekretärs Paul Ziemiak, was ich sehr begrüße, vorgestellt, wie Urheberrechtsschutz umgesetzt und gleichzeitig auf Upload-Filter verzichtet werden kann: durch Rahmenverträge, durch pauschale Lizenzsysteme und durch digitale Fingerprints von Werken.

Das ist gute politische Arbeit. Das ist auch mein Verständnis von guter Politik: Vorschläge unterbreiten, zuhören, Kompromisse finden und gegebenenfalls verbessern. Diesen Pfad – das ist auch mein Appell an alle beteiligten Akteure – muss man nun auch zu Ende gehen.

(Inge Blask [SPD]: Dann fangen Sie mit dem Zuhören an!)

Das ist auch unser Anspruch aus NRW heraus an die handelnden Akteure.

Ich bin auch durchaus der Meinung, dass man diese Debatte schon früher öffentlich und damit auch sachlich breiter hätte führen sollen.

(Michael Hübner [SPD]: Deshalb haben Sie so viele Anträge gestellt! Wo waren denn die Anträge?)

An diesem Punkt möchte ich aber auch ganz klar festhalten …

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Ich möchte an diesem Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen …

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Halten Sie sich doch da raus! – Zurufe von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen, es mag zwar für alle interessant sein, sich quer über den Raum zu unterhalten. Aber im Moment hat Herr Kollege Braun hier vorne das Wort. Jeder, der sich in die Debatte einbringen möchte, hat entweder Redezeit oder andere Instrumente zur Verfügung. – Bitte schön, Herr Kollege Braun.

(Beifall von der CDU)

Florian Braun (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es ist mir an diesem Punkt sehr wichtig festzuhalten, dass eine Form von Kritik, die persönlich diffamierend vorgetragen wird und sogar in Bombendrohungen, also sogar Gefahr für Leib und Leben, und Einschüchterung mündet, in unserem fairen demokratischen Miteinander niemals zugelassen werden darf.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist erschreckend. Das ist keine Form der Meinungsäußerung, die zu tolerieren ist. Jede Kollegin und jeder Kollege, die oder der sich sachlich politisch einbringt, hat meine absolute Solidarität, abseits aller Meinungsunterschiede.

Tatsächlich ist – auch das kann die SPD-Fraktion gern wahrnehmen – der aktuelle Vorschlag, der von der CDU Deutschlands vorgetragen wurde, bislang der einzige Vorschlag, der von einer Partei so breit erarbeitet und vorgetragen wurde. Das ist eine konkrete Idee, an der man sich abarbeiten kann. Mit dieser Idee haben wir uns aus der Deckung gewagt. Auf einen Vorschlag von Ihnen warte ich bislang vergeblich.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Inge Blask [SPD])

Ihre Spitzenkandidatin für die Europawahl hat jedenfalls, wie vorhin vorgetragen, die bemerkenswerte Leistung erbracht, sich erst so zu positionieren und dann das andere zu tun. Das ist für mich eines, nämlich scheinheilig.

(Inge Blask [SPD]: Sie hat sich an Regierungsvorgaben gehalten! Von einer CDU-Bundes-kanzlerin!)

Auch an die Grünen und an die AfD mit ihrem Antrag: Sie machen sich einen schlanken Fuß. In leider oft gewohnter Manier sind Sie gegen etwas. Ablehnen ist aber immer schon die leichtere politische Übung gewesen.

Aber ich möchte nicht nur Kritik üben, sondern möchte Sie, liebe SPD, auch loben. Offenbar ist Frau Barley lernfähig. Sie will nun den CDU-Vorschlag europaweit durchsetzen, habe ich vernommen. Dazu sage ich ganz ohne Häme: Dabei wünsche ich ihr viel Erfolg.

Denn auch die europäischen Institutionen sind aufgefordert, öffentliche Kritik anzunehmen. Sie sind aufgefordert aufzuzeigen, wie effektiver EU-Urheberrechtsschutz ohne Upload-Filter gelingen kann. Im Dialog Europas mit den Bürgerinnen und Bürgern ist mehr Transparenz auch in der Abwägung verschiedener Modelle wünschenswert.

Das nun vorgestellte Deutschlandmodell kann eine geeignete Blaupause für ganz Europa werden, um die Richtlinie weiter zu schärfen. Ich würde das sehr begrüßen.

Unsere Bedenken, vor allem aber auch unsere Erwartungshaltung haben wir in dem Entschließungsantrag zusammengetragen. Wir aus NRW wollen ein Zeichen senden, dass wir effektiven Urheberrechtsschutz durch eine Vereinheitlichung des europäischen Regelwerks für wichtig erachten. Genauso wichtig ist es, maßvolle Instrumente dafür anzuwenden. Wir erwarten von den europäischen Institutionen eine kritische Analyse und gegebenenfalls vom Bundesgesetzgeber eine adäquate Umsetzung, die Upload-Filter ausschließt.

Der vorliegende SPD-Antrag macht es sich hierbei jedenfalls viel zu einfach. Ich bitte um Zustimmung zu dem Entschließungsantrag der NRW-Koalition. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Braun. Sie haben es vielleicht bemerkt. Es ist jetzt eine Kurzintervention angemeldet worden. Sie können gern von hier vorn aus oder von Ihrem Platz antworten, wie Sie es möchten. Die Kurzintervention hat Herr Kollege Hübner angemeldet, der einmal den Knopf drücken müsste, damit ich ihm das Mikrofon freigeben kann.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Die hat er doch schon gehabt, Frau Präsidentin! – Bodo Löttgen [CDU]: Er hat doch schon eine gemacht!)

Das Mikrofon ist frei. Bitte schön.

Michael Hübner (SPD): Frau Präsidentin, vielen Dank, dass die Kurzintervention so ermöglicht wird.

Die Erwartungshaltung, die Sie gerade zu dem Hintergrund geäußert haben, dass Sie sich vorstellen, dass es ein Deutschlandmodell beim Internet geben soll, ist, ehrlich gesagt, hinlänglich absurd. Sie erinnert mich an die Diskussion, die Sie sicherlich auch verfolgt haben, dass es ein russisches Internet geben soll. Die Überlegung, die Ihr Generalsekretär geäußert hat, nämlich zu sagen, wir machen in Deutschland keine Upload-Filter und im Rest der Europäischen Union sind sie dann entsprechend möglich, erinnert mich an die Debatte in Russland über ein eigenes Internet.

Ich gestehe Ihnen zu, dass es, wenn Sie quasi ein deutsches Internet konzipieren, technisch machbar ist, Upload-Filter einzusetzen, weil dieses Internet keiner nutzen wird. Das Internet ist international.

Wir erwarten, dass sich auch Ihre Abgeordneten genauso wie die sozialdemokratischen Abgeordneten im Europäischen Parlament entschieden gegen Art. 13, gegen Upload-Filter aussprechen. Wir setzen voraus, dass selbstverständlich eines gilt und dass auch Sie dafür einen bundespolitischen Einsatz zeigen, dass wir in der großen Koalition vereinbart haben, dass es keine Upload-Filter geben wird.

Ich kann Ihnen versprechen, dass das nicht so gemeint war, dass das nur auf Deutschland bezogen war. Die völlig unzureichenden Überlegungen, die von Ihnen am Wochenende angestellt worden sind, …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Michael Hübner (SPD): … will ich zumindest dahin gehend positiv einschätzen, dass Sie heute einen ersten Entschließungsantrag vorgelegt haben und mit diesem Antrag deutlich gemacht haben, dass Sie sich zumindest in die richtige Richtung bewegen. Aber Ihren Abgeordneten kann es nicht abgenommen werden, in der nächsten Woche im Europäischen Parlament richtig zu votieren.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Hübner. – Herr Kollege Braun hat jetzt Gelegenheit, auf die Kurzintervention zu antworten.

Florian Braun (CDU): Vielen Dank. – Herr Hübner, Sie nehmen sicherlich auch zur Kenntnis, dass weder die Welt noch das Internet an den Grenzen Europas aufhört.

(Beifall von der CDU)

Natürlich denken wir auch über Grenzen hinweg. Das hat weder mit dem einen Modell noch mit dem anderen Modell etwas zu tun. Wir sind als Gesetzgeber – wie im Land so im Bund und in Europa – aufgefordert, Regelwerke zu schaffen – das ist gerade unsere große Aufgabe – und bei diesen Regelwerken sicherzustellen, dass Upload-Filter verhindert werden.

Das ist unser Ziel. Dafür machen wir uns stark. Dazu liegt nun ein Vorschlag auf dem Tisch. Diesem können Sie sich gern anschließen. Dann bin ich gern mit Ihnen gemeinsam dabei, dieses Signal nach Europa zu senden. Wir haben dazu jedenfalls einen ersten Beitrag geleistet.

(Zuruf von Inge Blask [SPD])

Ich bin gespannt, welches Signal die SPD jetzt am Wochenende senden wird. Insoweit sind Sie noch in der Bringschuld. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Braun. – Jetzt geht es in der regulären Redereihenfolge weiter. Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Hafke das Wort.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben heute im Landtag eine bemerkenswerte Debatte als Spiegelbild zur GroKo in Berlin. Ich würde mich freuen, wenn wir über die Sachthemen sprächen und die GroKo-Streitigkeiten nicht hier im Landtag ausdiskutierten.

(Beifall von der FDP)

Lieber Kollege Hübner, wenn Sie sich hier schon in dieser Art und Weise einlassen, sollten Sie auch verstanden haben, wie das Internet funktioniert: Das hat nichts mit nationalen Grenzen und Grenzen von Kontinenten zu tun,

(Michael Hübner [SPD]: Eben!)

auch nicht in europäischen Dimensionen.

(Nadja Lüders [SPD]: Das hat er aber genau so gesagt!)

Wenn ich Ihren Antrag lese, muss ich sagen: Das haben Sie in der Dimension auch nicht verstanden.

(Beifall von der FDP)

Denn eine reine Steuerpolitik, die in Europa gemacht wird, und eine europäische Datenschutzpolitik werden nicht funktionieren.

(Nadja Lüders [SPD]: Und deswegen lassen wir es, oder was?)

Wir sprechen über ein weltweites Phänomen und die Meinungsfreiheit weltweit. Deswegen müssen wir darüber reden, wie vernünftige Rahmenbedingungen aussehen.

(Nadja Lüders [SPD]: Gar nicht regieren, ist gut regiert! Das ist Ihre Auffassung! – Weitere Zurufe)

– Ich fange ja gerade erst an. Ich werde Ihnen das auch genau aufzeigen.

Die Digitalisierung wird unsere gesamte Gesellschaft völlig umkrempeln – egal, in welchen Berufsfeldern und in welchen Lebenssituationen wir unterwegs sind. Sie wird uns radikal verändern.

(Nadja Lüders [SPD]: Das sind ja Erkenntnisse!)

– Ich glaube, bei der SPD sind diese Erkenntnisse in Gänze noch nicht angekommen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Monika Düker [GRÜNE]: Das ist schon arrogant! Meine Güte!)

– Es ist aber einfach faktisch so.

Die SPD-Bundestagsfraktion bzw. die SPD-Bundes-minister stimmen einer Upload-Regelung zu, und hier spielt sich die SPD-Landtagsfraktion so auf, als ob sie das Internet höchstpersönlich erfunden hätte. Das ist doch überhaupt nicht der Debattenpunkt, über den wir sprechen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielmehr sollten wir darüber sprechen, was Politik in Deutschland, in Nordrhein-Westfalen und in Europa tatsächlich verändern kann

(Nadja Lüders [SPD]: Das ist aber ein Widerspruch!)

und wie wir die Chancen der Digitalisierung nutzen können und auch müssen.

Kollege Braun hat schon angesprochen, dass wir hier natürlich vor enormen Herausforderungen stehen, einen guten Weg zu finden, auf der einen Seite mit dem Urheberrecht geistiges Eigentum zu schützen und auf der anderen Seite im Internet keine Zensur vorzunehmen.

Meine Damen und Herren, die Freien Demokraten haben das auch schon immer gesagt.

(Michael Hübner [SPD]: Klar! – Nadja Lüders [SPD]: Und konkret?)

Wir haben gesagt: Das Internet hat die größte Chance, für Meinungsfreiheit in der Welt zu sorgen. – Ich erinnere nur an den Arabischen Frühling und anderes.

Wir haben immer gesagt, dass ein Upload-Filter der falsche Weg ist

(Nadja Lüders [SPD]: Ach, das waren Sie?)

und man mit diesem Art. 13 einen falschen Weg geht.

(Michael Hübner [SPD]: Das haben Sie nicht immer gesagt!)

Deswegen will ich noch einmal in absoluter Deutlichkeit sagen, dass die Freien Demokraten im Deutschen Bundestag und auch hier in Nordrhein-Westfalen sich immer dafür eingesetzt haben und auch weiterhin dafür einsetzen werden, dass der Art. 13 in dieser Art und Weise nicht kommen darf, weil die Meinungsfreiheit hier gefährdet ist. Deswegen setzen wir uns mit allen unseren politischen Möglichkeiten entsprechend ein. Ich wäre froh, wenn die SPD das mit ihren Möglichkeiten genauso tun würde.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, es gibt ja auch gute und spannende Ansätze, wie man dieses Problem lösen kann. Statt pauschale Blockaden in Form von Upload-Filtern zu riskieren, müssen wir meines Erachtens dafür sorgen, dass Künstler und Medienschaffende entsprechend vergütet werden und diesen Anspruch auch durchsetzen können.

Das schaffen wir mit dem Ausbau digitaler Kennzeichnung und mit entsprechenden Lizenzsystemen. Es wird nicht nur mit digitalen Türstehern in Form von Upload-Filtern gelingen.

Daher ist es absolut richtig, dass auch Nordrhein-Westfalen sich hier und heute klar dazu positioniert und sich für ein Gleichgewicht zwischen Urheberrecht und Netzfreiheit einsetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der SPD, nun komme ich zu den weiteren Punkten Ihres Antrags, weil Sie danach gefragt haben.

Ja, wir brauchen eine starke Stimme in Europa, in der Europäischen Union. Allein: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat diese Stimme bereits. Mit Herrn Ministerpräsident Laschet und mit unserem liberalen Wirtschaftsminister Professor Pinkwart vorneweg sind wir hier bestens aufgestellt, um Nordrhein-Westfalen die Stimme in Europa zu verleihen, die es verdient hat.

(Zuruf von Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])

Minister Pinkwart hat bereits im vergangenen Jahr die Digitalstrategie.NRW vorgestellt.

(Zuruf von René Schneider [SPD])

– Sehen Sie, das ist genau Ihr Problem. Sie haben gar nicht verstanden, was für eine große Meisterleistung das ist. Eigentlich hätten Sie es schon in Ihrer Regierungszeit auf den Weg bringen müssen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Nur wenn man überhaupt weiß, wohin die Reise geht, und eine Strategie mit einem Controlling dahinter hat, ist man in der Lage, über alle Ressorts hinweg Maßnahmen vorzunehmen, um die Chancen der Digitalisierung auch zu ermöglichen.

Das ist auch genau das Problem, das Sie in Berlin haben, liebe Genossinnen und Genossen, um das einmal in dieser Deutlichkeit zu sagen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Wenn Sie sich einmal auf den Weg machen würden, nicht nur darüber zu reden, sondern auch eine Strategie zu entwickeln, wie die Digitalisierung in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa genutzt werden könnte, hätten wir viele der Probleme, die wir dort im Moment haben, nicht.

Deswegen sage ich: Machen Sie sich auf den Weg. Sorgen Sie dafür, dass wir in der Bundesrepublik einen Digitalminister und eine Digitalstrategie haben. Dann wären wir in Deutschland schon ein ganzes Stück weiter.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Meine Damen und Herren, was im Großen das Ziel ist, muss meines Erachtens auch im Kleinen funktionieren: in den Kommunen, in den Städten und in den Gemeinden. Dort sind dann gewisse Details entscheidend dafür, ob die digitale Transformation eine Erfolgsstory ist oder eben nicht.

Die Landesregierung hat das frühzeitig erkannt, sich mit den Digitalen Modellkommunen auf den Weg gemacht und hier für Innovation und praktische Umsetzung vor Ort gesorgt, sodass sich demnächst auch alle Kommunen auf den entsprechenden Weg machen können.

Ich möchte einen weiteren Aspekt aus Ihrem Antrag aufgreifen, nämlich die Digitalsteuer, also die faire Besteuerung der digitalen Wirtschaft. Ich glaube, dass wir hier in der Zielsetzung nicht weit auseinanderliegen.

Aber die Landesregierung will im Jahr 2019 einen neuen Anlauf auf europäischer Ebene unternehmen. Es ist richtig, hier am Ball zu bleiben; denn eine angemessene Besteuerung der Digitalwirtschaft gebieten alleine schon die Steuergerechtigkeit und die Fairness.

Allerdings geht der von Ihnen angeführte Vorschlag einer Werbesteuer in die falsche Richtung. Wir müssen auf eine vernünftige und praktikable Lösung im Rahmen der OECD hinarbeiten und darauf achten, dass deutschen Unternehmen kein Nachteil in Form einer Doppelbesteuerung entsteht; denn das wäre ein absolut vermeidbares Eigentor.

Mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen braucht es deshalb ein umsichtiges Vorgehen und keine voreiligen Schnellschüsse.

Auch Ihre Forderung der Verwirklichung eines digitalen Binnenmarktes ist dem Grunde nach richtig, aber, wie ich fürchte, gleichermaßen auch überholt. Die zuständigen Mitglieder der Landesregierung sind bereits seit Langem in konstruktiven Gesprächen mit den Entscheidungsträgern in der Europäischen Kommission und im Europäischen Parlament.

Deswegen ist doch völlig klar, dass ein digitaler Binnenmarkt integraler Bestandteil des EU-Binnen-marktes sein muss, um für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen der Mitgliedsstaaten einen echten Mehrwert zu erzielen. Daran arbeitet die NRW-Koalition in Düsseldorf, in Berlin und selbstverständlich auch in Brüssel und in Straßburg.

Meine Damen und Herren, zum Ende möchte ich Ihnen noch sagen: Ihr Antrag ist zwar ganz nett, aber irgendwie verspätet, weil überflüssig, da wir uns bei den meisten Themen bereits auf den Weg gemacht haben.

(Michael Hübner [SPD]: Weil Sie Ihren Entschließungsantrag heute erst vorlegen!)

Wir lehnen Ihren Antrag ab, wollen aber heute noch einmal die Chance nutzen, um ein klares politisches Signal für Meinungsfreiheit und gegen Upload-Filter zu setzen.

(Michael Hübner [SPD]: Noch einmal? Das haben Sie noch nie gemacht!)

Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. Sie haben heute die Chance, dabei mitzumachen und unserem Antrag zuzustimmen.

(Michael Hübner [SPD]: Was heißt denn „noch einmal“, wenn es das erste Mal war?)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Remmel das Wort. Bitte sehr.

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor wir uns jetzt noch weiter mit den Inhalten beschäftigen, macht es erst einmal Sinn, die Debatte, die hier und heute stattfindet, ein wenig einzuordnen. Ich habe den Eindruck, dass sich die Fraktionen von CDU und FDP mit der SPD vorher verständigt haben: Wir müssen hier ja mal so ein bisschen Regierung und Opposition spielen – und das bei einem Thema, bei dem Sie eigentlich alle im Rahmen der Großen Koalition gefesselt sind.

(Zuruf von der FDP)

Da wäre es – der Wahrheit entsprechend – richtig gewesen, heute zu sagen: Wir haben einen Koalitionsvertrag in Berlin. Gegen diesen Koalitionsvertrag haben mehrere Akteure von beiden Seiten schon mehrfach verstoßen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das Thema „Upload-Filter“ ist im Koalitionsvertrag eindeutig formuliert.

(Michael Hübner [SPD]: Sind Sie dagegen?)

Aber die handelnden Personen handeln genau andersherum.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Das kennen wir doch!)

Herr Hafke, es hilft an dieser Stelle auch nicht, auf die großen Initiativen der FDP-Bundestagsfraktion zu verweisen.

Ich hatte ja gedacht, dass der Entfesselungsminister vielleicht auch bei diesem Thema eine Möglichkeit der Entfesselung sieht. Aber er ist an der kurzen Leine. Sie sind an der kurzen Leine der Großen Koalition. An dieser Stelle werden Sie vorgeführt. Haben Sie denn bisher eine Initiative im Bundesrat gestartet? Hat der Minister auf die Bundesregierung eingewirkt, anders in Europa zu agieren? Kein bisschen!

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind an dieser Stelle also genauso in die Große Koalition eingebunden wie die beiden anderen Parteien. Es ist im Interesse der Wahrheit notwendig, das hier zu thematisieren.

Wenn man etwas verändern will, muss man erst einmal die Ausgangslage richtig analysieren. Der heutige Antrag der SPD, der über die ganze Miste der digitalen Europapolitik geht, hilft da in der Tat nicht. Ansonsten soll verschleiert werden, dass Sie … Wie soll man das bezeichnen? Es ist schon grotesk. Ich traue ja dem Europaminister Holthoff-Pförtner einiges zu. Aber dass der CDU-Landesminister jetzt die SPD-Bundesminister auf die richtige Linie bringen soll, ist schon ein Stück grotesk, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie trauen sich ja noch nicht einmal, Ihren eigenen Parteibeschluss zu Upload-Filtern hier zum Antrag zu erheben oder die Frage der Steuergerechtigkeit so zu formulieren, wie das Norbert Walter-Borjans tut, weil Sie nämlich mit Herrn Scholz auf der Bundesebene bei der Steuergerechtigkeit gebunden sind. Er hat nämlich klar erklärt, er will keine Digitalsteuer in Europa. Er will keine Steuergerechtigkeit, weil er Angst hat, dass die deutschen Steuereinnahmen gefährdet sind, da es dann zu Veränderungen bei der Körperschaftsteuer kommen würde.

Wir könnten ja genauso wie Frankreich eine Digitalsteuer einführen. Nichts dergleichen! Sie haben also ein Problem im eigenen Laden und machen das hier zum Problem des Parlaments.

Der heutige Antrag der Koalitionsfraktionen ist an der falschen Stelle. Aber Sie machen das ja bewusst. Sie stellen heute den Entschließungsantrag zu einem Thema, das morgen erst auf der Tagesordnung steht, um morgen zu sagen, wir hätten ja heute schon einen Entschließungsantrag beschlossen. Sie wollen also eigentlich der Debatte ausweichen.

Das, was Sie inhaltlich vorschlagen, wird am Ende in eine nationale Lösung münden, die nicht möglich ist. Wir können national nicht Upload-Filter verhindern – es sei denn, man riskiert ein Vertragsverletzungsverfahren.

Die einzige Möglichkeit, hier noch einzugreifen, besteht auf europäischer Ebene. Das Europäische Parlament muss sich bei den entsprechenden Paragrafen anders verhalten.

(Michael Hübner [SPD]: Die grünen Kollegen übrigens auch!)

Das ist die einzige Option.

(Michael Hübner [SPD]: Die grünen Kollegen wären auch gut beraten, sich offen zu positionieren!)

Da ist jedenfalls die grüne Fraktion eindeutig. Ich würde mir wünschen, dass zumindest Ihre Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen im Europäischen Parlament eine ähnliche Position einnähmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Remmel. – Für die Fraktion der AfD hat nun Herr Abgeordneter Tritschler das Wort.

Sven Werner Tritschler (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über das Urheberrecht. Sie haben Glück, dass es so etwas hier bei uns im Landtag nicht gibt; denn hätte die Landtagsverwaltung einen Upload-Filter, wären alle Ihre Anträge vermutlich nicht online gegangen.

Vor Beginn der letzten Plenarberatung hat meine Fraktion einen Antrag auf eine Aktuelle Stunde eingebracht, der sich genau mit diesem Thema befasst. Er wurde abgelehnt – wie immer ohne Begründung. Ich bin mir sicher, dass das Präsidium gute Gründe dafür hatte. Auch wenn wir ihm nicht angehören, gehe ich fest davon aus.

Aber in dieser Plenarwoche – oh Wunder! – haben plötzlich alle einen Antrag, der sich mit diesem Thema befasst. Die Koalitionsfraktionen beantragen sogar eine Aktuelle Stunde dazu. Sachen gibt’s!

Ich habe aber schlechte Nachrichten für Sie alle. Sie sind alle in dieser Angelegenheit völlig unglaubwürdig.

Die CDU hat den Art. 13 im Parlament durchgewunken. Auch von der Bundesregierung – auch wenn die Ministerin von der SPD war – gab es null Widerstand.

Der Vorsitzende der CDU Mittelrhein, Herr Voss, war der zuständige Berichterstatter im Europäischen Parlament. Wir erinnern uns: Vor ein paar Tagen wollte er noch YouTube ausknipsen.

Sie waren von Anfang an dabei und haben alles mitgetragen. Jetzt wollen Sie angeblich Upload-Filter verhindern. Wer soll Ihnen das glauben, meine Damen und Herren?

Die SPD – mit einem eigenen Antrag im Rennen – ist jetzt plötzlich auch dagegen, zumindest seit Kevin Kühnert dagegen ist. Justizministerin Barley hat im Europäischen Rat freilich noch dafür gestimmt. Immerhin – so heißt es im Antrag – hat sie ein paar Ausnahmen erwirkt. Warum hat sie denn nicht einfach dagegen gestimmt, wie es andere Vertreter von anderen Ländern gemacht haben? Ich sage Ihnen, warum: weil sie dann im Widerspruch zu den SPD-Abgeordneten im Parlament gestanden hätte, die ganz überwiegend dafür gestimmt haben.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist überhaupt nicht wahr!)

Beide Großkoalitionäre berufen sich jetzt auf ihren Koalitionsvertrag im Bund, in dem man Upload-Filter ja abgelehnt hat. Sie lehnen also die Filter ab, nicht aber die Regelung, die diese Filter notwendig machen wird.

Ich weiß nicht, wie Sie sich das vorstellen. Soll das quasi händisch geprüft werden? Nehmen wir einmal das Beispiel YouTube. Da werden pro Minute 400 Stunden, also 24.000 Minuten, Videomaterial hochgeladen. Also brauchen Sie – das ist keine Raketenwissenschaft – immer, zu jedem Zeitpunkt, Tag und Nacht, rund um die Uhr, 24.000 Menschen, die die Uploads begutachten. Oder Sie haben ein automatisiertes Verfahren; Sie haben Upload-Filter. So viel dazu! Aber wir werden ja morgen noch einmal über die technischen Details sprechen.

Die FDP trägt hier – wahrscheinlich aus Koalitionsloyalität – diesen interessanten Antrag mit. Im EU-Parlament waren Sie von der FDP vorsichtiger. Vielleicht ist es das Trauma von 2013. Sie stellen aktuell drei EU-Abgeordnete, die es geschafft haben, beim Thema „Upload-Filter“ folgendermaßen abzustimmen: einer dafür, einer dagegen, einer enthält sich. – Herzlichen Glückwunsch, liebe FDP! Sie sind endgültig in der Beliebigkeit angekommen.

(Heiterkeit von der AfD)

Nun noch ein Wort zu den Grünen: Herr Remmel und Herr Bolte-Richter, unsere Anträge werden ja morgen verhandelt. Das ist wohl das Schicksal der kleinen Fraktionen. Wir können nachlesen, dass Sie jetzt plötzlich auch gegen Art. 11 und 13 sind. Schön! Vielleicht schicken Sie den Antrag einmal Ihren Parteifreunden im EU-Parlament. Die waren nämlich noch mehrheitlich dafür.

Aber kommen wir zurück zum ursprünglichen Antrag der SPD. Darin wird dieses Kernthema unter einem gewaltigen Wortschwall begraben. Meine Lieblingsstelle lautet – Zitat –:

„Im Zentrum der Digitalisierung muss der Mensch stehen, das heißt die Bürgerinnen und Bürger Europas, Deutschlands und Nordrhein-Westfalens.“

Wunderschön!

Viel konkreter wird es größtenteils auch nicht, außer natürlich beim Lieblingsthema der Sozialdemokraten, bei neuen Steuern. Eine Digitalsteuer muss her, am besten gleich auf EU-Ebene. Meine Damen und Herren von der SPD, das ist also Ihre Antwort auf die digitale Übermacht aus den USA: Lasst uns neue Steuern einführen. Wir haben ja noch nicht genug davon. – Viel mehr ist zu dem Antrag eigentlich auch nicht zu sagen.

Kommen wir zurück zu den Upload-Filtern. Es ist klar, dass keine einzige Altpartei hier im Hause eine glaubwürdige Position vertritt. Sie alle tragen in dieser Angelegenheit eine Mitschuld. Und jetzt will es wieder keiner gewesen sein. Das erinnert mich an unsere Debatte zur DSGVO vom letzten Jahr.

Meine Damen und Herren, in meinen ersten anderthalb Jahren hier im Parlament habe ich mich immer gefragt: Warum sind eigentlich alle so heiß darauf, ihr letztes bisschen verbliebene Macht nach Brüssel abzugeben? Warum degradiert man sich hier zu einem besseren Studentenparlament, das bestenfalls noch Resolutionen und Appelle nach Brüssel schickt, die dort ohnehin keiner liest? Warum?

Inzwischen ist es mir klar: Sie schwimmen in diesem System der organisierten Verantwortungslosigkeit wie die Fische im Wasser.

(Beifall von der AfD)

Nichts anderes hat dieses beeindruckende Laienschauspiel, das wir gerade erleben durften, wieder einmal bewiesen. Sie sind feige – zu feige, Verantwortung zu übernehmen. Sie zeigen lieber mit dem Finger nach Berlin oder nach Brüssel und sagen den Menschen: Ich habe damit nichts zu tun.

Natürlich erzählen Sie den Menschen noch irgendetwas vom Friedensprojekt. Das glaubt man Ihnen vielleicht noch zu Hause im Ortsverband. Wenn aber die Bürger nicht mehr erkennen, wer verantwortlich ist, weil jeder irgendwo jede Position vertritt, dann ist dieses System am Ende; denn dann kann der Bürger auch niemanden mehr zur Rechenschaft ziehen.

Aber seien Sie gewiss: Wir werden dem ein Ende setzen. Wir vertreten eine klare Linie – in Brüssel, in Berlin und in Düsseldorf. Wir werden den Menschen sagen: Wenn ihr gegen Zensur und gegen Upload-Filter seid, dann habt ihr nur eine Alternative, und das ist die Alternative für Deutschland.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Das war Herr Abgeordneter Tritschler. – Für die …

(Zuruf: Landesregierung!)

– Nein, noch nicht für die Landesregierung. Zunächst hat der fraktionslose Abgeordnete Pretzell das Wort. Bitte sehr.

Marcus Pretzell (fraktionslos): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Für die Landesregierung kann ich nicht sprechen.

Wir reden über Digitalisierung. Das Thema „Digitalisierung“ ist in der Politik nach meiner festen Überzeugung relativ kurz. Denn im Wesentlichen hat Digitalisierung in der Tat in der Privatwirtschaft stattzufinden und nicht in der Politik. Die Politik hat lediglich die Möglichkeiten zu verbessern. Sie hat sich vor allem aus dem herauszuhalten, was Unternehmen zur Digitalisierung beitragen können.

Damit beschränkt sich die Aufgabe der Politik einmal auf die Infrastruktur – das ist Aufgabe der Bundesregierung – und auch noch ein bisschen auf das Thema „Forschung“. Da gibt es ganz aktuell zum Thema „Digitalisierung“ Nachrichten aus der Bundesregierung. Ursprünglich hatte man bei der Bundesregierung vorgesehen, bis zum Jahr 2025 3 Milliarden Euro in die Forschung zur künstlichen Intelligenz zu stecken. Das hat man inzwischen gecancelt. Jetzt wird man noch eine halbe Milliarde bis zum Jahr 2023 bereitstellen. – So viel zu dem, was dann auf Bundesebene passiert.

Wenn Sie, liebe SPD, über Besteuerung nachdenken, ist das eigentlich relativ simpel. Was wir sicherlich nicht brauchen, ist eine eigene Digitalsteuer. Wir brauchen vielmehr eine Besteuerung nach Wertschöpfung. Aber das ist Ihnen eigentlich auch klar.

Nun komme ich zu dem, weshalb wir dieses Thema heute überhaupt auf der Tagesordnung haben. Das ist der Upload-Filter.

(Michael Hübner [SPD]: Nein, das stimmt nicht!)

Die regierungstragenden Fraktionen haben in ihrem Antrag sehr schön die sehr berechtigten Bedenken zu allem, was dort in Brüssel bereits beschlossen ist bzw. noch beschlossen werden soll, zusammengetragen.

Klar ist: Die CDU-Fraktion hat im Europäischen Parlament für Art. 13 gestimmt. Die SPD-Fraktion hat ganz überwiegend dafür gestimmt. Die Grünen haben sogar mehrheitlich dafür gestimmt. Die FDP hat in der Tat einmal dafür gestimmt, einmal dagegen gestimmt und sich einmal enthalten. Ich kann Ihnen, weil es vorhin hieß, das stimme nicht, die Namen sagen: Herr Klinz hat dafür gestimmt; Frau Hirsch hat dagegen gestimmt; Frau Meißner hat sich enthalten.

(Moritz Körner [FDP]: Das ist falsch! Sie hat sich nicht enthalten!)

– Es ist so gewesen. Das ist eben nicht falsch.

(Henning Höne [FDP]: Man kann ja einmal den Überblick verlieren, wenn man in so vielen Parlamenten gleichzeitig ist! – Weitere Zurufe von der FDP)

– Sie können das leugnen. Sie können die Wähler belügen. Aber Fakt ist, dass genau so abgestimmt worden ist.

(Zurufe von der FDP)

– Entschuldigen Sie! Hier passiert wieder genau das, was man lieber lassen sollte. Sie stellen sich hier, wo Sie keine Entscheidungsmacht haben, hin, schimpfen auf Brüssel und wollen es am Ende nicht gewesen sein. Fakt ist: Sie haben es mitgemacht. Sie haben jedenfalls nichts getan, um es wirklich zu verhindern. – Herzlichen Dank.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Pretzell. – Jetzt hat die Landesregierung das Wort, und zwar Herr Minister Professor Dr. Pinkwart.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Rede von Herrn Weiß und den Antrag nehme, muss ich sagen: Sie von der SPD-Fraktion müssen ja noch erhebliche Phantomschmerzen haben, dass Sie hier beklagen müssen, was Sie früher nicht hinbekommen haben oder woanders anscheinend nicht in Ihrem Sinne organisiert bekommen.

(Beifall von der FDP)

Das wird jetzt in den Landtag zurückgespiegelt. Sie stellen doch den Bundesfinanzminister. Wenn er bei der Digitalsteuer nicht in Ihrem Sinne weiterkommt, sollten Sie ihm einen Brief schreiben.

(Nadja Lüders [SPD]: Wir reden!)

Das müssen Sie jetzt nicht bei uns abladen.

Wir sind natürlich auch für eine faire Besteuerung großer Konzerne.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aber das muss in einem internationalen Kontext gelingen.

Der letzte EcoFin-Rat – das können Sie auf der Homepage des Bundesfinanzministeriums nachlesen – hat dazu keine Lösung gebracht. Ihr Bundesfinanzminister – das teilen wir – muss sich jetzt der Mühe der Ebenen unterziehen,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Die CDU-Seite auch?)

um zusammen mit den anderen OECD-Ländern zu versuchen, einen nächsten Anlauf zu unternehmen. Dabei hat er unsere volle Unterstützung. Aber das ist seine vornehmste und vorrangige Aufgabe.

Hätten Sie den Landtag aufgefordert, einen Appell an ihn zu richten, dann hätte vielleicht – ich weiß es nicht – auch manche andere Fraktion dies unterstützen können. Wir jedenfalls hätten das gerne getan.

(Nadja Lüders [SPD]: Haben Sie ihm denn schon einmal geschrieben?)

Das Nächste ist die Digitalstrategie. Sie sagen, wir müssten uns in Europa anders positionieren. – Sie haben, Rot wie Grün, bis 2017 überhaupt keine Digitalstrategie für Nordrhein-Westfalen vorgelegt, geschweige denn Ihre Digitalgedanken in Europa geteilt.

Wir haben nicht nur seit dem vergangenen Jahr einen Entwurf in der Diskussion, den wir jetzt abschließen, sondern waren im September 2018 auch in Brüssel. Wir sind, glaube ich, bisher das einzige Bundesland, das mit seinem Entwurf der Digitalstrategie überhaupt in Brüssel war.

Wir haben mit den verantwortlichen Parlamentariern und auch mit Mitgliedern der Kommission über unsere Digitalstrategie gesprochen und gefragt: Wie bekommen wir die europäische Entwicklung der Digitalisierung mit unseren Belangen hier in Nordrhein-Westfalen in Einklang? – Das war eine ganz hervorragende Veranstaltung.

Wir sind aber nicht nur mit der Europäischen Kommission und dem EU-Parlament im Austausch zu unseren Digitalthemen, sondern auch, was ganz wichtig ist, mit unseren europäischen Nachbarn. Wir hatten gerade die Flämische Woche hier in Nordrhein-Westfalen.

(Marc Herter [SPD]: Zur Digitalstrategie?)

Wir haben Flandern besucht. Wir sind im Gespräch mit den Niederländern. Wir arbeiten bei der digitalen Verwaltung und bei der digitalen Mobilität zusammen. Alles das hat diese Landesregierung mit den Nachbarn zusammen herausgearbeitet, damit wir auch grenzübergreifend Digitalisierung leben können.

Eben ist ein wenig theorisiert worden, dass hier Politik nur versuche, die Bälle woanders hinzuspielen. Für die nordrhein-westfälische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen will ich in Anspruch nehmen: Wir beteiligen uns an diesem Pingpong nicht, sondern machen vor allen Dingen dafür Politik, wofür gewählt worden sind, nämlich für Nordrhein-Westfalen, damit wir die Dinge zusammen mit unseren Nachbarn auch wirklich voranbringen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir sind auch zum Thema „künstliche Intelligenz“ in Großbritannien gewesen, wo sich ein eigenes Netzwerk im Aufbau befindet, um unser nordrhein-westfälisches Kompetenznetzwerk direkt mit den Besten dort in Verbindung zu bringen.

Wir haben für die Digitalen Modellkommunen, für die Sie in der Vergangenheit überhaupt keine Mittel bereitgestellt haben, nicht nur sehr viele Mittel bereitgestellt.

Wir sind auch als Erstes mit den kommunalen Vertretern nach Estland gefahren. Dort wollten wir nicht, wie Sie es einmal getan haben, erzählen, wie toll Nordrhein-Westfalen bei der Digitalisierung ist. Vielmehr haben wir gesagt: Wir können von den Esten wirklich noch etwas lernen. – Und das können wir wahrhaftig. Jetzt haben wir eine Partnerschaft mit Estland – es haben sich sogar schon Start-ups von dort hier in Nordrhein-Westfalen niedergelassen –, um auch unseren Kommunen dabei zu helfen, sich schneller zu digitalisieren, also das nachzuholen, was vorher nicht stattgefunden hat.

Wir hatten gerade Vertreter er baltischen Staaten bei uns. Mit diesen drei Ländern haben wir unter Beteiligung von Unternehmensvertretern eine tolle Konferenz durchgeführt, um auch hier den Lernprozess weiter voranzutreiben.

So begreifen wir Europa: voneinander lernen, miteinander arbeiten, konkret werden – und nicht die Probleme, die Sie in Berlin nicht gelöst bekommen, dann in den Landtag zurückspielen. Nein, meine Damen und Herren! Lassen Sie uns an den Themen arbeiten, für die wir zuständig sind und bei denen wir hier auch sehr konkrete Eingaben machen können. Hier sind wir im Austausch.

Zu den Upload-Filtern haben wir eine klare Meinung. Es gibt einen Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP, der ganz deutlich macht: Wir wollen die Upload-Filter nicht. Wir wollen Eigentumsrechte schützen, aber nicht mit dem Instrumentarium, das bisher in Brüssel vorgelegt worden ist und auch von der Bundesregierung bislang jedenfalls nicht verhindert worden ist.

Deswegen lautet die Aufforderung an das Parlament und an die Bundesregierung, dafür zu sorgen, Eigentumsrechte auch von Kreativen und Künstlern zu schützen – das wollen wir; dazu stehen wir –, aber bitte ohne Freiheitsschranken, wie sie Upload-Filter darstellen würden.

Jetzt ist das Parlament am Zug. Die Bundesregierung kann das unterstützen. Machen Sie Ihre Hausaufgaben. Dann kommen wir dort weiter, meine sehr verehrten Damen und Herren. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Professor Dr. Pinkwart. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Kampmann das Wort. Bitte sehr, Frau Kollegin.

Christina Kampmann (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Pinkwart, ich weiß nicht, ob Sie es selber schon bemerkt haben; aber Sie haben einen Europaminister in Ihrem Kabinett. Wir fragen uns auch manchmal, was er eigentlich beruflich macht und warum er heute nicht da ist. Deshalb ist es unser gutes Recht, hier im Plenum auch europäische Themen anzusprechen und zu diskutieren. Dieses Recht lassen wir uns von Ihnen ganz bestimmt nicht nehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Sehr geehrter Florian Braun, das, was Sie hier an Unwissenheit und an Dreistigkeiten zum Besten geben, sprengt wirklich alles, was ich mir jemals für diese Debatte hätte vorstellen können. Den Vorschlag, den Sie hier als Deutschland-Modell der CDU vorgestellt haben, hat die SPD-Fraktion schon im vergangenen Sommer im Europäischen Parlament eingebracht. Er wurde von Ihrer Fraktion, der EVP, im Europäischen Parlament abgelehnt. Deshalb ist es eine Unverschämtheit, das jetzt als Ihr Modell auszugeben.

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Ahnungslosigkeit!)

Entweder haben Sie sich überhaupt nicht mit diesem Thema beschäftigt, oder Sie treten hier mit einer Verlogenheit auf, die mir, ehrlich gesagt, an Ihrer Stelle peinlich wäre.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

– Herr Kollege, seien Sie bitte kurz still. Denn es gibt noch etwas Weiteres, was wir als zutiefst unverschämt empfinden.

Dass Sie Katharina Barley dafür verantwortlich machen, dass sie sich, obwohl sie eine klar ablehnende Haltung zu Art. 13 hat, an die Weisung der Kanzlerin hält und so mit der Koalition stimmt – so, wie das in Berlin in Richtung Brüssel üblich ist –, dass Sie hier diese Haltung an den Tag legen, sie dafür zu kritisieren, das ist die größte Unverschämtheit, die ich mir vorstellen kann.

(Beifall von der SPD)

Sie haben Demokratie nicht verstanden, wenn Sie diesen Vorschlag tatsächlich gemacht haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Liebe Kollegin, sie hat sich vorher nicht anders eingelassen! – Michael Hübner [SPD]: Doch!)

Ihre Partei hat bis heute nicht verstanden, dass sich das Netz nicht zensieren lässt. Dass Sie stattdessen alle, die für die Freiheit des Internets eintreten, für andere Zwecke missbrauchen, ist aus unserer Sicht ein Armutszeugnis. Daran ändert auch Ihr plötzlicher Wunsch nach einer nationalen Lösung nichts.

Wenn Sie Ihren eigenen Upload-Filter – es ist Ihr eigener Upload-Filter – jetzt nicht mehr wollen und sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dann kann ich nur sagen: Der Hashtag „#NieWiederCDU“ ist inzwischen zum Lebensgefühl einer ganzen Generation geworden.

(Bodo Löttgen [CDU]: Ach du liebe Zeit!)

Wir finden, das ist absolut zu Recht so.

(Zurufe von Petra Vogt [CDU] und Henning Höne [FDP])

Sie haben nichts anderes verdient, wenn Sie die berechtigten Forderungen junger Menschen mit Füßen treten. Dabei handelt es sich nämlich um viel mehr als um die Interessen einzelner YouTuber.

(Zuruf von Florian Braun [CDU])

Wachen Sie endlich auf, und öffnen Sie die Augen. Dann verstehen Sie auch, dass wir im Jahr 2019 leben,

(Florian Braun [CDU]: Wir machen unsere Augen auf! Machen Sie Ihre auf?)

einem Jahr, in dem junge Menschen für ihre Zukunft auf die Straße gehen.

(Henning Rehbaum [CDU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Nehmen Sie, anstatt sie zu verunglimpfen und lächerlich zu machen – so wie wir das regelmäßig auf Ihrem Twitteraccount sehen können, lieber Herr Löttgen –,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Lesen Sie Ihre Rede nach, dann wissen Sie, wer sich lächerlich macht!)

die junge Generation doch einfach mal ernst, und reden Sie vielleicht auch mal mit jemandem, der unter 30 und nicht Mitglied der Jungen Union ist.

(Beifall von der SPD – Zurufe von Josef Hovenjürgen [CDU] und Daniel Sieveke [CDU])

Ihr zuständiger Berichterstatter im Europäischen Parlament, Axel Voss, glaubt tatsächlich, dass die Tausende von Menschen, die schon auf die Straße gegangen sind und dies am nächsten Samstag wieder tun werden, tatsächlich von den großen amerikanischen Tech-Unternehmen aus den USA gesteuert werden

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

und dass diejenigen, die online ihre Stimme erheben, weil sie sich von der CDU die Freiheit des Internets nicht nehmen lassen wollen, Bots sind.

Wir sind aber keine Bots, wir sind Menschen, die ihre Meinung äußern. Menschen gehören in einer Demokratie ernst genommen, und sie dürfen nicht von Ihnen lächerlich gemacht werden, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall von der SPD)

Sie machen sich zum Totengräber eines freien Internets, ohne überhaupt zu verstehen, wie weitreichend die Folgen sind.

Ihr Kandidat für den JU-Vorsitz, Stefan Gruhner, hat selber gesagt: „Upload-Filter sind der Sargnagel für ein digitales Europa.“ Er hat nicht gesagt: Upload-Filter sind der Sargnagel für ein digitales Deutschland.

Wir brauchen eine europäische Lösung. Wenn das sogar die Junge Union versteht, warum wollen Sie das dann nicht verstehen? Das fragen wir uns.

(Bodo Löttgen [CDU]: Warum will das denn Frau Barley nicht verstehen?)

– Da wundern Sie sich selber, oder?

Ja, Sie haben jetzt einen Entschließungsantrag eingereicht, mit dem Sie die Chance gehabt hätten, all diese Vorwürfe zu entkräften, Herr Löttgen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Ist das nicht mehr Ihre Spitzenkandidatin?)

Was machen Sie stattdessen? Sie bekennen sich nicht. Sie sagen, dass Sie Urheber schützen wollen, haben aber ganz plötzlich eine Abneigung gegen Ihre eigenen Upload-Filter entdeckt und glauben, dass wir das Problem lösen können, wenn wir es jetzt noch viele Monate diskutieren.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen allen hier im Raum geht, aber ich verstehe nicht mehr, was die CDU eigentlich will. Ich habe das Gefühl, dass Sie das inzwischen auch selber nicht mehr wissen.

In Brüssel hat Axel Voss, der zuständige Berichterstatter, noch gestern ein Interview gegeben und gesagt, dass er an der Reform in der bisherigen Form festhalten will.

In Berlin wollen Sie Upload-Filter, aber bitte nicht bei uns in Deutschland.

In Düsseldorf wollen Sie die nächsten Monate einfach weiterdiskutieren, während Ihr Spitzenkandidat Manfred Weber die Abstimmung noch vor wenigen Tagen vorziehen wollte.

(Bodo Löttgen [CDU]: Oh! Reden wir doch mal über Ihre Spitzenkandidatin! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Frau Barley, das blinde Huhn …)

Sagen Sie uns doch mal, statt hier herumzumeckern: Was möchte eigentlich die CDU?

Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, die Argumente liegen doch heute schon auf dem Tisch. Warum bekennen Sie sich in Ihrem Antrag nicht klar zu einer Streichung von Art. 13?

(Zuruf von der CDU)

Warum brechen Sie den Koalitionsvertrag,

(Beifall von der SPD)

in dem in aller Deutlichkeit steht, dass wir den Einsatz von Upload-Filtern als unverhältnismäßig ablehnen?

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das machen Sie in Berlin permanent!)

Das haben wir in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. Und warum dieses Hin und Her, bis wirklich kein Mensch – weder in Deutschland noch in ganz Europa – mehr weiß, wofür Sie eigentlich stehen?

(Beifall von Michael Hübner [SPD] – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das hat Frau Barley hinbekommen, stimmt!)

Wir fordern Sie heute in aller Deutlichkeit auf: Unterstützen Sie unsere Anstrengungen für die Digitalsteuer, und bekennen Sie sich in aller Deutlichkeit zur Streichung von Art. 13!

Sie sind die Partei, die die Kanzlerin stellt. Sie sind die Partei, die die Mehrheit im Europäischen Parlament hat.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Damit haben Sie eine große Verantwortung für unsere Demokratie, in der es ein Recht auf ein freies Internet gibt. Treten Sie diese Verantwortung nicht mit Füßen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Nehmen Sie stattdessen all die Menschen ernst, die nichts weiter von Ihnen erwarten als ein klares Bekenntnis zu der in unserer Verfassung verankerten Meinungsfreiheit. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben den entscheidenden Vorteil, dass von Ihnen keiner mehr etwas erwartet!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kampmann. – Für die Fraktion der FDP hat nun Herr Abgeordneter Körner das Wort.

Moritz Körner (FDP): Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zu diesem Thema will ich noch kurz sprechen; denn Upload-Filter sind für junge Menschen tatsächlich ein wichtiges Thema.

Alle Parteien hier haben im Europäischen Parlament dem Thema irgendwie zugestimmt, als es um den Bericht von Axel Voss ging, mit dem man in den Trilog gegangen ist – auch die AfD übrigens; dazu wurde eben etwas gesagt.

Ihr einziger verbliebener Abgeordneter hat dagegen gestimmt. Aber drei Abgeordnete, die über die AfD ins Europaparlament gewählt worden sind, haben dem zugestimmt.

(Andreas Keith [AfD]: Deswegen sind sie auch weg!)

Ich frage mich also, wie viele der Abgeordneten, die beim nächsten Mal für Sie gewählt werden, dann noch in Ihrer Fraktion bleiben.

(Beifall von der FDP)

Von der SPD haben damals 15 und von den Grünen 6 zugestimmt. Die EU-Abgeordnete Helga Trüpel übrigens verteidigt die Reform immer noch am härtesten.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Ich glaube also, dass wir alle Themen hatten.

Wir hatten einen, der dafür gestimmt hat. Frau Meißners Abstimmungsverhalten wurde falsch aufgenommen, und sie hat es korrigiert.

Worum geht es denn jetzt?

(Michael Hübner [SPD]: Ja, worum geht es denn? – Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Man muss die Kollegen im Europaparlament zu einem gewissen Grad in Schutz nehmen, weil es zunächst um die Verhandlung mit dem Rat ging. Wenn wir eine Reform des Urheberrechtsschutzes anstreben, dann ist es möglich, …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Redezeit, Herr Kollege.

Moritz Körner (FDP): Ich bin gleich fertig. – … diese im Rat noch zu verändern. Übrigens konnte man eigentlich davon ausgehen, dass sich die deutsche Bundesregierung im Rat gegen Upload-Filter und gegen Art. 13 aussprechen würde.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Aber jetzt kommt es tatsächlich auf die letzte Abstimmung im Europäischen Parlament an. Deswegen fordern wir alle Abgeordneten auf, dagegen zu stimmen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Körner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Bolte-Richter das Wort.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Beschäftigen wir uns doch einfach mit dem bisherigen Abstimmungsverhalten im Rechtsausschuss zu dem Ergebnis des Trilogs. Im Ausschuss gab es ein eindeutiges Votum der Vertreterinnen und Vertreter der Grünen gegen das Ergebnis des Trilogs zur Urheberrechtsreform, nur damit das mal klargestellt ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ein Blick auf die ganze Entwicklungsgeschichte und auch die Debatte hier zeigt: Das ist wirklich GroKo-Politik zum Abgewöhnen hoch drei.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Nach dem Ergebnis des Trilogs hat Frau Barley via Twitter gesagt: Damit habe ich nichts zu tun; die CDU war schuld. Die Antwort von Helge Braun aus dem Kanzleramt lautete: Nein, wir haben nichts damit zu tun; das hat sich Frau Barley in ihrer Ressortverantwortung so überlegt. – Ja, was denn nun? Können Sie vielleicht irgendwann mal klären, wie die deutsche Bundesregierung zu dieser Urheberrechtsreform steht?

Zu den anderen Punkten: Ich finde, es ist wirklich ein gewagter Move der SPD, diesen Antrag heute einzubringen; denn da gibt es nicht nur die völlig ungeklärte Rolle von Frau Barley bei der Urheberrechtsreform, mit Olaf Scholz kommt einer der größten Blockierer der Digitalsteuer auch noch aus Ihren Reihen.

Werfen wir einen Blick in den Antrag: Darin ist Herr Holthoff-Pförtner Ihr schärfstes Schwert gegen Olaf Scholz.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Hört, hört!)

Ist Olaf Scholz denn unbewaffnet, oder was ist da los?

(Heiterkeit von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE], Josef Hovenjürgen [CDU] und Moritz Körner [FDP])

Herr Pinkwart hat vorhin so schön gesagt: Wir sind doch gar nicht zuständig, wir haben mit alldem nichts zu tun. – Sieht man sich die Anträge an, die hier zugrunde liegen, dann fragt man sich: Warum bringen die Koalitionsfraktionen denn einen Antrag zu dem Thema ein, wenn wir mit alldem nichts zu tun haben?

Wir sind uns, denke ich, an einer Stelle einig, nämlich darin, dass das Urheberrecht eine großartige Erfindung ist, die geschützt werden muss.

Wir müssen aber auch erkennen, dass dieses Urheberrecht den Bedingungen des digitalen Zeitalters nicht mehr gewachsen ist und dass das digitale Zeitalter ein anderes Urheberrecht braucht. Wir brauchen ein Urheberrecht, das die Freiheit des Internets und die Meinungsvielfalt schützt und das natürlich auch dafür sorgt, dass Künstlerinnen und Künstler entsprechend vergütet werden.

(Florian Braun [CDU]: Das war gut!)

Wenn wir uns das anschauen, sehen wir aber, dass Upload-Filter und die Regelungen, wie sie in Art. 13 stehen, ein klarer Angriff auf die Meinungs- und Medienvielfalt in Deutschland und Nordrhein-Westfalen sind.

Wir Grüne lehnen Upload-Filter deshalb klar ab.

Im Übrigen, Frau Kollegin Kampmann, ist in Ihrem Antrag ja nicht von einer klaren Abkehr von Art. 13 die Rede, sondern darin steht auch nur ein halbgares Bekenntnis gegen Upload-Filter.

Lieber Florian Braun, die CDU hat uns doch auf europäischer Ebene seit Jahren erzählt: Diese Upload-Filter stehen da gar nicht drin. Das ist überhaupt kein Problem; es ist kein Thema der Urheberrechtsreform. – Und nun klopfen Sie sich dafür auf die Schultern, dass Sie auf nationaler Ebene das verhindern wollen, was es angeblich auf europäischer Ebene nicht gibt. Das ist doch absurd. Das ist doch, als würden Sie den umliegenden Wald anzünden und sich dann dafür feiern, dass Sie ein altes Feuerwehrauto für Ihr Dorf gekauft haben.

(Beifall von Johannes Remmel [GRÜNE] – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Was ist also zu tun? Es ist nicht so, dass wir das alles nur ablehnen. Wir müssen grundlegend an das Urheberrecht heran. Wir müssen das Urhebervertragsrecht weiterentwickeln. Wir müssen die Lizenzierungsmodelle vereinfachen. Wir müssen vereinfachte Modelle, die für alle handhabbar sind, voranbringen. Und wir müssen von Notice and Take Down ausgehend einen Rechtsrahmen entwickeln, der auch funktioniert.

Denn Notice and Take Down funktioniert ja. Es ist nicht so, als wären wir im Wilden Westen, sondern wir haben einen Rechtsrahmen, der funktioniert. Er muss nur zu einem tragfähigen Rahmen weiterentwickelt werden, in dem wir die Freiheit des Netzes schützen, in dem wir dessen Demokratieversprechen einlösen und in dem wir Urheberinnen und Urheber gerecht an der Verbreitung ihrer Werke partizipieren lassen.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Das alles liefert die Urheberrechtsreform, wie die EU sie vorlegt, nicht. Deshalb gilt am kommenden Samstag: raus auf die Straße und alle im Europäischen Parlament

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

gegen die Urheberrechtsreform. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte-Richter. – Für die Fraktion der AfD hat nun Herr Abgeordneter Wagner das Wort.

Markus Wagner (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kollegin Kampmann stand vor einigen Minuten hier am Redepult und sprach den Satz: Die SPD ist gegen Zensur im Internet. – Das wäre begrüßenswert, wenn es denn stimmen würde. Das ist aber nicht der Fall.

Der Upload-Filter ist nichts anderes als die Begleitmusik zu der Ouvertüre, die Sie selbst gespielt haben – eine Ouvertüre in Gestalt von Heiko Maas, dem damaligen Justizminister, der das Netzwerkdurchsetzungsgesetz initiiert und durchgesetzt hat, welches mittlerweile schon dazu geführt hat, dass es die absurdesten Zensuren im Internet und auf Facebook gibt. Ihr Einsatz gegen Zensur im Internet ist allein deshalb schon nicht mehr glaubwürdig und daher auch nicht ernst zu nehmen. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wagner. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Schick das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Thorsten Schick (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Weiß, die Tränen darüber, dass Ihr Antrag im ersten Wortbeitrag nicht in der Breite gewürdigt werden konnte, kann ich schnell trocknen; denn ein Großteil hat sich schon erledigt, bevor der Antrag überhaupt gestellt worden war.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft und zur Steuergerechtigkeit: Ihr größtes Problem dabei ist Olaf Scholz. Das ist meiner Meinung nach in der heutigen Debatte deutlich geworden.

Zum Thema „Upload-Filter“ folgen gleich noch einige Bemerkungen.

Es bleiben also die Forderungspunkte 4 bis 7 Ihres Antrags: zum digitalen Transformationsprozess, zum digitalen Binnenmarkt sowie zu Unterstützungs- und Vernetzungsangeboten der Landesregierung. Da läuft Etliches in Form von Gesprächen und Veranstaltungen.

Auf die Digitalstrategie, die diese Landesregierung vorgelegt hat, möchte ich auch noch eingehen. Sie befindet sich übrigens mittendrin in der europäischen Digitalstrategie. Die Priorität ist also gesetzt – alles erledigt.

Um zu zeigen, wie putzig Ihr Antrag ist, muss man einfach mal Punkt 7 des Forderungsteils vorlesen:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

7. Die Vielzahl von Unterstützungs- und Vernetzungsangeboten von der Europäischen Ebene speziell für regionale und lokale Akteure noch intensiver als bisher zu bewerben und sie wahr- und wo sinnvoll anzunehmen.“

Boah, Herr Minister Pinkwart, der Punkt hat gesessen. Ich meine, wer eine solche Opposition hat, der muss sich keine weiteren Sorgen machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kommen zur europäischen Urheberrechtsreform und Art. 13. Herr Hübner und Frau Kampmann, Sie beschäftigen sich sehr intensiv mit Europaabgeordneten meiner Fraktion. Und tatsächlich gibt es da unterschiedliche Meinungen.

(Michael Hübner [SPD]: Ja, klar! Die stehen ja auch im Mittelpunkt der Debatte! – Weitere Zurufe von der SPD)

– Herr Hübner, zur Erinnerung: Unterschiedliche Meinungen sind ein Phänomen von Volksparteien. Fragen Sie mal ältere Kollegen. Vielleicht erinnern die sich noch daran, dass es auch in Ihrer Fraktion mal solche Zeiten gab, in denen es aufgrund der Größe unterschiedliche Flügel gab.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aber auch im 15-%-Turm ist es durchaus möglich, dass man unterschiedliche Meinungen vertritt. Man muss sich nur anschauen, wie die SPD-Europaab-geordneten abgestimmt haben. Bei der letzten Abstimmung zum Urheberrecht haben mehr Abgeordnete für die Richtlinie und Art. 13 gestimmt als dagegen. Also tun Sie bitte nicht so, als ob das nicht auch in Ihrer Fraktion ein Problem wäre.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Schick, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, aber es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Thorsten Schick (CDU): Die lasse ich zu – von Herrn Vogt wahrscheinlich.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Genau.

(Zuruf von der SPD: Die kennen sich ja ganz gut, die älteren Kollegen!)

Alexander Vogt (SPD): Herr Schick, schön, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie und Ihre Vorredner haben klargemacht, dass Upload-Filter abzulehnen sind und dass Sie sich klar gegen Upload-Filter aussprechen.

Meine Frage: In Ihrem Antrag fehlt ein Punkt, nämlich dass Sie Ihre Europaabgeordneten auffordern, gegen Art. 13 zu stimmen. Gegebenenfalls müssten Sie als nordrhein-westfälische CDU bzw. Antragsteller den zuständigen Berichterstatter Herrn Voss – sozusagen der Erfinder der Upload-Filter – und Ihre Abgeordneten auffordern, im Europäischen Parlament eine klare Haltung gegen Upload-Filter einzunehmen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Den Antrag haben Sie aber nicht gelesen!)

Warum kommen Sie nicht zu dieser klaren Forderung?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Vogt. Ich darf Ihnen auch noch mal die Lektüre der Geschäftsordnung und der einschlägigen Passagen empfehlen.

Alexander Vogt (SPD): Ja, danke.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schick.

Thorsten Schick (CDU): Ich meine, dass die von Herrn Vogt gestellte Frage ganz aktuell ist, und zwar in Ihrer eigenen Partei. Sie haben am Samstag einen Parteitag, auf dem die Jusos die Urheberrechtlinie und Art. 13 zum Thema machen wollen.

(Alexander Vogt [SPD]: Ja und? Wir haben eine klare Beschlusslage hier in Nordrhein-Westfalen!)

Die Spitzenkandidatin Frau Barley ist gefragt worden, wie sie sich denn einlässt, ob sie eine klare Position bezieht und ob sie den Europaabgeordneten der SPD eine entsprechende Empfehlung mit auf den Weg gibt.

(Alexander Vogt [SPD]: Es geht doch jetzt um Ihren Antrag!)

Ich zitiere aus einem Interview im „SPIEGEL“: „Wir sind dazu gerade in Gesprächen. Da halte ich mich zurück.“

(Beifall von der CDU)

Wieso verlangen Sie hier von mir, dass ich in Richtung der Europaabgeordneten ständig Hinweise gebe, wenn Ihre eigene Spitzenkandidatin noch nicht mal in der Lage ist, der SPD eine klare Linie vorzugeben.

(Beifall von der CDU)

Räumen Sie in Ihrer eigenen Partei auf, dann sind Sie glaubhaft. Und dass Sie nicht glaubhaft sind, wird auch beim Thema „Spitzenkandidatin“ deutlich. Ich hatte ursprünglich das Gefühl, dass Sie diesen Antrag gestellt haben, um sie ein wenig zu stützen. Aber ich meine, sie wird umso schwächer, je länger die Debatte dauert.

Der Kollege Florian Braun hat schon deutlich gemacht, dass die Justizministerin weniger einen Standpunkt, sondern eher einen Standort vertritt, an dem sie jeweils eine bestimmte Meinung hat. Im Kabinett und in Brüssel ist sie für die Richtlinie, in Interviews zwischendurch dagegen. Vor dem SPD-Parteikonvent heißt es dann, wie gesagt, dass sie noch überlegen müsse, sie sei in Gesprächen. Und im Handelsblatt heißt es, dass es keine technische Alternative gebe.

(Lachen von Bodo Löttgen [CDU])

Wer im argumentativen Treibsand steckt, der sollte sich ganz ruhig verhalten und sich nicht hektisch hin und her bewegen.

(Beifall von der CDU)

Frau Kampmann, da Sie darauf hinweisen, dass das alles schon auf dem Tisch lag: Bei dem Modell, das der SPD vorschwebte, waren die einzelnen Urheber gefordert. In dem Modell, das in der CDU diskutiert wird, sind die Plattformen gefordert, über Pauschallizenzen Gerechtigkeit zu schaffen.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Das ist auch das, was uns alle hier in Nordrhein-Westfalen bewegen sollte. Es gibt kein Bundesland, in dem die Menschen so an einer Lösung des Urheberrechts interessiert sind.

Wir haben bundesweit eine einmalige Kreativwirtschaft mit 300.000 Beschäftigten und 50.000 Unternehmen. Wir haben eine starke Film- und Fernsehwirtschaft. Die Werbewirtschaft und die Musikbranche sind ebenfalls stark. Deswegen bauen hier viele darauf, dass wir uns zusammenraufen, dass wir Lösungen finden.

Und das bietet der vor uns liegende Entschließungsantrag: Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit im Internet, Schutz des geistigen Eigentums. Die Basis ist gelegt, Sie müssen nur noch die Hand heben. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schick. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Das bleibt auch beim Blick in die Runde so.

Dann kommen wir am Schluss der Aussprache zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/5374. Die antragstelle Fraktion der SPD hat eine direkte Abstimmung beantragt, sodass ich nun über den Inhalt des Antrags abstimmen lasse.

Wer dem zustimmen möchte, den darf ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Pretzell. Gibt es Enthaltungen im Hohen Haus? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag Drucksache 17/5374 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich lasse zweitens abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/5477. Ich darf fragen, wer dem Inhalt dieses Entschließungsantrags zustimmen möchte? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Pretzell. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass der Entschließungsantrag Drucksache 17/5477 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis die Mehrheit des Hohen Hauses gefunden hat und somit angenommen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Ende von Tagesordnungspunkt 3 angelangt.

Ich rufe auf:

4   Artenvielfalt in NRW schützen – Landesnaturschutzgesetz erhalten!

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5380

Ich eröffne die Aussprache und darf für die antragstellende Fraktion der SPD Frau Kollegin Spanier-Oppermann das Wort erteilen.

Ina Spanier-Oppermann (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass gerade viele Kollegen den Saal verlassen, würde ich – bei allem Respekt vor den anderen Tagesordnungspunkten – behaupten, dass dieser TOP in einem Ranking der Themen des Plenartags der Wichtigste ist: „Artenvielfalt in NRW schützen – Landesnaturschutzgesetz erhalten!“

(Zuruf von der AfD: Oh, nee!)

– Hier höre ich schon: „Oh, nee!“ Was ist jedes Thema wert, wenn die Natur, in der wir leben, nicht mehr intakt ist?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben eine riesige Verantwortung für alle nachfolgenden Generationen. Man kann nicht oft genug – man müsste es eigentlich in jeder Plenarsitzung auf die Tagesordnung setzen – auf dieses Thema aufmerksam machen.

Das Thema „Biodiversität“ stand lange in der öffentlichen Wahrnehmung hinter anderen Themen zurück. Aber dass Biodiversität kein Nischenthema mehr ist, mit dem sich nur eingefleischte Naturfreunde beschäftigen, hat nicht zuletzt das Volksbegehren aus Bayern eindrucksvoll bewiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen besteht aus vielfältigen Kulturlandschaften, die im Laufe der Jahrtausende durch die Hand des Menschen geformt wurden. Mit der intensiven Land- und Forstwirtschaft, dem Abbau von Bodenschätzen und der fortschreitenden Urbanisierung gab der Mensch diesem Land ein neues Gesicht.

Der Wandel und der wirtschaftliche Erfolg haben aber auch ihre Schattenseiten. Dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln massiv schädlich für den Menschen ist, zeigt übrigens auch das aktuelle Urteil eines Gerichts in San Francisco, welches das glyphosathaltige Mittel „Roundup“ der Bayer-Tochter Monsanto als einen erheblichen Faktor bei der Entstehung der Krebserkrankung des Klägers einstuft.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Und mehr noch: Pflanzengifte und Schadstoffe in Böden und Wasser haben fast die Hälfte aller Insektenarten an den Rand des Aussterbens gebracht. Eine Studie des Entomologischen Vereins meiner Heimatstadt Krefeld hat gezeigt, dass in den vergangenen 27 Jahren bis zu 82 % der Fluginsektenbiomasse verschwunden sind.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Der Fluginsektenbiomasse! – Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

– Ich weiß nicht, warum Sie nach jedem Satz einen Kommentar abgeben. Das stört und ist respektlos. Melden Sie sich doch später selbst zu Wort.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte hierzu passend gerne aus einer Presseinformation des Umweltministeriums vom 8. Februar letzten Jahres zitieren. Dort heißt es: „Weniger Insekten, weniger Blütenpflanzen … weniger Vielfalt. Diese Negativkette müssen wir gemeinsam durchbrechen.“ Dem kann man –ich denke, fraktionsübergreifend – nur zustimmen.

Insekten mögen sehr kleine Lebewesen sein und in der Nahrungskette ganz unten stehen, aber letztendlich sind wir von ihnen abhängig, weil wir ein funktionierendes Biosystem brauchen. Wenn man über Artenvielfalt oder Biodiversität spricht, dann müssen wir über die Folgen für den Menschen sprechen, aber auch über Insekten. In Deutschland beispielsweise gibt es 33.000 Insektenarten, aber weniger als 500 Vogel- und Säugetierarten. Das zeigt, wie wichtig Insekten auch für unser Ökosystem sind.

Naturschutz ist ein Begriff, der bei vielen immer noch als wirtschaftlicher Hemmschuh gilt. Dabei ist das ökologisch Notwendige und ethisch Richtige inzwischen längst als das ökonomisch Vernünftige erkannt. Es geht eben um nicht mehr und nicht weniger als um den Erhalt der Vielfalt unserer Umwelt, und es geht um die Notwendigkeit, diese zu erhalten.

Es sind aber, um dieses Ziel zu erreichen, konsequente Maßnahmen notwendig, und wir müssen die Ursachen für das Artensterben bekämpfen.

2015 hat die damalige rot-grüne Landesregierung eine Biodiversitätsstrategie für NRW verabschiedet und damit einen wichtigen Baustein der Artenschutzpolitik auf den Weg gebracht. Umso wichtiger ist es, an den damals gesetzten Zielen festzuhalten und den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen.

Was wir – und das sagte ich eingangs bereits – heute für die Vielfalt unserer Umwelt tun können, tun wir für uns, aber eben auch für unsere Kinder und Kindeskinder. Nicht umsonst stehen jeden Freitag Tausende Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf der Straße und fordern uns auf, endlich etwas zu unternehmen und den Ankündigungen Taten folgen zu lassen.

Die Herausforderungen für unser Klima sind groß und bedrohen die Artenvielfalt. Die Frage der Erhaltung der biologischen Vielfalt hat dieselbe Dimension und Bedeutung wie die Frage des Klimaschutzes. Wir können heute sagen, dass der Mensch als Akteur bei der Beschädigung sowohl der klimatischen Grundlagen als auch der Biodiversität eine große Rolle spielt. Eine Welt ohne Artenvielfalt ist wie ein Steingarten: Sieht immer gleich aus, macht wenig Arbeit, führt aber am Ende nicht zu Vielfalt, sondern zur Einfalt der Umwelt.

Dabei kennen wir doch alle die Missstände und wissen, wo wir anpacken müssen. Ich erinnere an unsere Diskussion über den massenhaften Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, den Neonics. So lange ist das noch nicht her. Auch für dieses Thema besteht eine zunehmende öffentliche Sensibilität.

Auch die Widerstände gegen Mittel wie Glyphosat werden immer größer. Es gibt übrigens kommunale Vorreiter, die sich dieses Themas angenommen haben. So hat zum Beispiel die Stadt Meerbusch für ein Glyphosatverbot auf städtischen Flächen gestimmt und damit ein großes Zeichen gesetzt.

Herausragende Arbeit leistet in meiner Heimatstadt Krefeld auch die Biologische Station, die beinahe Sparmaßnahmen der Regierung Rüttgers zum Opfer fiel. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Station erklären den vielen Besuchern generationenübergreifend einen weiteren Grund für den Artenschwund: Das ist die Habitatzerstörung, also die Zerstörung des Lebensraums und damit einhergehende Fragmentierungen und Verinselungen.

Konkret nannte man mir bei meinem Besuch als Beispiele Naturschutzgebiete, die direkt an landwirtschaftlich genutzte Flächen grenzen oder von solchen sogar durchzogen werden. Tiere machen nicht vor den von Menschen gezogenen Grenzen halt, und umgekehrt halten sich Dünger- und Pflanzenschutzmittel nicht an Ackergrenzen. Hier müssen wir ansetzen und echte Schutzräume und Biotopverbünde schaffen.

Erfreulich ist es, festzustellen, dass auch die Landwirtschaft intensiv daran mitarbeitet, Verbesserungen durchzuführen und zu Kompromissen zu kommen. Es ist auch wichtig, dass wir sie mit an Bord haben, wenn wir über die Artenvielfalt sprechen.

Aber auch in anderen Bereichen entsteht eine breite Lobby für den Artenschutz. Hier in Düsseldorf wird zum Beispiel gerade über die nächtliche Illumination der Reitallee im Hofgarten diskutiert. Die dortige Umweltdezernentin hat deutlich gemacht, dass Lichtverschmutzung als eine Ursache für das Insektensterben gilt, und man versucht nun, einen für alle akzeptablen Kompromiss zu finden.

All dies sind gute Ansätze, aber wir kommen nicht voran, wenn wir die Strategie des Landes nicht umsetzen und weiterentwickeln. Wir dürfen nicht zusehen und einfach auf die nächsten Forschungsergebnisse warten, während weltweit jeden Tag 150 Tier- und Pflanzenarten aussterben.

Im Juni letzten Jahres haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen, unseren Antrag „NRW muss Forschungen zum Erhalt der Insektenvielfalt ausbauen und den Dialog mit Wissenschaft, Landnutzern und Naturschutz fördern“ im Ausschuss abgelehnt. Sie konnten sich nicht dazu durchringen, selbst Maßnahmen, die auf Freiwilligkeit setzen, umzusetzen, zum Beispiel die Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden in Naturschutzgebieten.

Auch scheint es an dem Willen zu mangeln, diejenigen konsequent zu verfolgen und zu bestrafen, die mutwillig die Zerstörung unserer Umwelt in Kauf nehmen. Das hat auch die Zerschlagung der Stabsstelle Umweltkriminalität gezeigt. Dies war das absolut falsche Signal, denn Straftaten gegen die Umwelt sind Straftaten gegen uns alle. Und diese Angriffe auf uns und unsere Lebensgrundlagen nehmen stetig zu.

Kurzum, ich möchte Sie eindringlich bitten: Lassen Sie die Hände weg vom Landesnaturschutzgesetz! Lassen Sie es uns lieber gemeinsam weiterentwickeln! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Spanier-Oppermann. – Für die weitere antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Abgeordneter Rüße das Wort.

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 14. Februar 2019 ist für den Artenschutz und den Naturschutz in Deutschland zu einem historischen Datum geworden. Ich glaube, dass 1,8 Millionen Unterschriften unter ein Volksbegehren für den Naturschutz ein deutliches Signal sind und eines klargemacht haben: Der Naturschutz – die Artenvielfalt – interessiert die gesamte Bevölkerung. Das ist kein Thema mehr nur für Experten aus dem Naturschutz, sondern es interessiert die Mitte der Gesellschaft, und die Menschen wollen von uns, von der Politik eine Antwort darauf haben, wie wir dieses erkennbare Problem zu lösen gedenken.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube, klar ist auch eines: Das Volksbegehren in Bayern ist auch das logische Ergebnis einer Politik, die sich jahrelang geweigert hat, dem Naturschutz den notwendigen Stellenwert einzuräumen. Eines ist nämlich klar – ich glaube, Bayern war da immer vorne mit dabei –: Wenn das nächste Gewerbegebiet und die nächste Umgehungsstraße anstehen und am Ende auch bei der Frage: „Wird ein Pestizid weiterhin genehmigt oder nicht?“ wird oftmals so entschieden, dass ökonomische Interessen weit vor der Ökologie rangieren.

Das Ergebnis ist so, wie es ist: Der Zustand der Natur ist genau aus dem Grund so schlecht, wie er ist.

Wir haben bei den Rebhuhnbeständen ein Minus von 90 % zu verzeichnen. Frau Ministerin, Sie kennen die Zahlen des LANUV. Wir haben ja eine Behörde, die die Zahlen erhebt. Für den Zustand bei den Kiebitzen ist die Kartierung des Kreises Warendorf ein Beispiel: Wenn man sieht, dass sich der Kreis Warendorf auf der Karte innerhalb von 30 Jahren von einer grün kartierten Fläche – überall sind Kiebitze – in ein fast komplett rot dargestelltes Gebiet verwandelt hat, was bedeutet, dass im Kreis Warendorf fast überhaupt keine mehr Kiebitze zu finden sind, erkennt man, wie dramatisch das ist.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Wir haben das Gleiche – auch das ist eben angesprochen worden – bei den Insekten. Die Forschungsergebnisse der Entomologen aus Krefeld, die konstatiert haben, dass mittlerweile bis zu 80 % der Insektenmasse einfach fehlen, zeigen das. Es ist auch dramatisch, dass es ehrenamtliche Forscher waren, die das gemacht haben, dass wir als Gesellschaft mit unseren universitären Instituten nicht in der Lage waren, diese Leistung zu erbringen. Vielmehr ist das von Ehrenamtlern gemacht worden, und das ist inakzeptabel.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hovenjürgen?

Norwich Rüße (GRÜNE): Ja, immer.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Hovenjürgen.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Kollege Rüße, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Herr Rüße, ist Ihnen bekannt, dass wir zum Beispiel auch da einen Druck auf Kiebitzpopulationen erleben, wo die Zahl der Weißstörche zunimmt? Denn diesen ist offensichtlich nicht bekannt, dass die Jungenaufzucht bei den Kiebitzen unter Schutz steht, und wir können es ihnen schwerlich erklären. Ich will damit nur deutlich machen: Es gibt nie nur einen Grund für den Druck auf Arten.

Norwich Rüße (GRÜNE): Herzlichen Dank, Herr Hovenjürgen, für Ihre Zwischenfrage, die ich folgendermaßen beantworten möchte: Die Diskussion führen wir ja seit Langem. Die haben wir auch im Rahmen des ökologischen Jagdgesetzes geführt. Der Zusammenhang zwischen Raubtieren und anderen Tieren ist natürlich da. Natürlich werden Gelege ausgeraubt, gar keine Frage.

Interessanterweise war das aber immer so in der Geschichte der Natur. Es sind immer Tiere da gewesen, die Gelege ausgeraubt haben. Es war früher so, dass beim Kiebitz zum Beispiel dann ausreichend Nachkommen da waren, weil die Natur das vorsieht, dass ein Teil der Nachkommen eben durch Krankheiten stirbt oder durch Raubtiere geraubt wird. Aber wenn ein Bestand so klein ist, dass er sich nicht mehr selbst erhalten kann, dass er sich nicht gegen Raubtiere wehren und den Bestand erhalten kann, dann zeigt das einfach an, dass die Lebensbedingungen …

Herr Hovenjürgen, das geht nicht, dass Sie jetzt mit Ihrem Kollegen ein Gespräch führen, sondern Sie müssen aufmerksam zuhören, wenn ich Ihre Frage beantworte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Von daher, glaube ich, müssen wir beide erkennen, dass das Lebensumfeld des Kiebitzes so schlecht ist, dass wir dringend etwas tun müssen.

Zum Kiebitz möchte ich dann auch noch ergänzen: Der Kiebitz ist ja schon aus seinem ursprünglichen Habitat geflüchtet. Er ist ja schon gar nicht mehr dort, wo er eigentlich hingehört, sondern er ist schon auf den Acker geflüchtet. Im Ursprung ist er ja woanders; das wissen Sie ja. Sie kommen aus dem Regierungsbezirk Münster. Sie wissen, was wir im Regierungsbezirk Münster gemacht haben. 70.000 ha Grünland innerhalb von 40 Jahren weg – das ist das Problem, das wir haben. Es ist nicht der Fuchs.

Wir müssen trotzdem natürlich an der Stelle gucken: Muss man da auch etwas tun? – Da bin ich ja bei Ihnen. Aber im Ursprung müssen wir das Habitat der Tiere so wiederherstellen, dass sich die Populationen halten können. Das gilt für den Kiebitz. Das gilt für das Rebhuhn. Das gilt zum Beispiel auch für die Feldlerche.

(Beifall von den GRÜNEN)

Lieber Herr Hovenjürgen, weil Sie das angesprochen haben: Das sind doch alles Auswegdiskussionen, die wir da führen. Das ist genau das, was die Menschen draußen ärgert. Die spüren nämlich ganz genau, dass diese Veränderungen da sind und dass die Lebensräume nicht mehr stimmen, dass wir an der Stelle etwas tun müssen, und sie verlangen Antworten von uns als Politik. Wenn die Antworten nicht gegeben werden – so wie in Bayern, wo die CSU die Antworten seit Jahren nicht gegeben hat –, dann nehmen es die Menschen eben selbst in die Hand. Dann gibt es ein Volksbegehren. Dann werden wir als Politik gezwungen, die Antworten zu geben, die notwendig sind.

Meine Damen und Herren, ich möchte eigentlich nicht, dass wir uns als Politik treiben lassen. Ich möchte, dass wir als Politik die Lösungen machen, dass wir dafür sorgen – das ist unser Job hier im Parlament, Ihr Job als Ministerin, Frau Heinen-Esser –, dass die Lebensräume in Nordrhein-Westfalen so sind, dass wir eine intakte und vielfältige Natur haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin seit 2010 im Landtag. Seitdem – natürlich braucht Politik ja immer einen zeitlichen Rahmen – diskutieren wir über den Verlust an Arten. Wir haben 2015 – das war Ergebnis des Prozesses – die Biodiversitätsstrategie gemacht. Wir haben bei Gesetzen Änderungen vorgenommen. Ich sage ausdrücklich: Die Änderungen im Landesnaturschutzgesetz sind der Minimalkompromiss gewesen. Es ist ja nicht so, dass ich mir nicht noch viel mehr vorstellen könnte.

Warum wenden wir in Naturschutzgebieten Pestizide an? Unsere Bundeskanzlerin Frau Merkel hat mal gesagt, dass sie das nicht versteht. Sie hat es für völlig unmöglich gehalten, dass in einem Naturschutzgebiet, wo die Natur Vorrang haben soll, Pestizide eingesetzt werden. Wenn Sie das im Landesnaturschutzgesetz ändern, dann haben Sie uns an Ihrer Seite. Dann sagen wir: Ja, das ist genau der richtige Weg.

Wenn Sie aber den Naturschutz schleifen, dann müssen Sie mit unserem Widerstand rechnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Verantwortung der Landwirtschaft ist da. Es ist aber nicht nur die Verantwortung der Landwirtschaft. Das finde ich immer wichtig.

Zum Flächenverbrauch und LEP: Seitdem Sie regieren, geht es um Entfesselung. Das kann aber nicht sein. Ökonomie vor Ökologie ist nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie müssen Ökonomie und Ökologie in Einklang bringen.

(Stephan Haupt [FDP]: Tun wir doch!)

Das ist der Job, den Sie erledigen müssen. Das tun Sie aber nicht. Sie heizen den Flächenverbrauch in NRW wieder an mit Ihrem LEP. So sieht es aus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube, die Menschen spüren ganz genau, ob man draußen zum Naturschutz Sonntagsreden hält und dann an den Werktagen wieder die Bagger und Planierraupen durchs Land schickt

(Lachen von der CDU und der FDP)

oder ob man wirklich bereit ist, etwas für die Natur zu tun,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wir haben mehr Wald!)

ob man wirklich bereit ist, der Natur den entsprechenden Raum zur Verfügung zu stellen. – Herr Hovenjürgen, Ihr Zwischenruf „Wir haben mehr Wald“ trifft ja nicht das Problem. Denn die Arten, die im Wald leben, sind stabil in ihrem Bestand. Unser Problem ist das Offenland, Herr Hovenjürgen. Bei der agrarisch definierten Landschaft haben wir die Probleme.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dort müssen wir zu Veränderungen kommen.

Dass Sie den Ernst der Lage bei der Artenvielfalt noch nicht ganz erkannt haben, hat sich auch im letzten Plenum gezeigt, als Sie hier den Antrag eingebracht haben zu Neonikotinoiden. Sie haben gesagt, Sie wollten diese Gifte wieder zur Verfügung stellen, obwohl es einen breiten Konsens in Deutschland gibt, genau das nicht zu tun, weil es so starke Insektengifte sind, und zu sagen: Diese Gifte sind mitverantwortlich für den Insektenschwund. Deshalb werden diese Gifte erst einmal nicht weiter zugelassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, unser Antrag gibt Ihnen jetzt aus unserer Sicht eine Chance, noch einmal innezuhalten, noch einmal genau zu überlegen: Sind wir auf dem richtigen Kurs oder müssen wir unseren Kurs etwas ändern?

Zu dem, was wir damals gemacht haben – Landesnaturschutzgesetz, Landeswassergesetz, LEP sind die entscheidenden Punkte –, meine ich: Angesichts dessen, was mittlerweile bei der Artenvielfalt weiter passiert ist, muss man eigentlich noch einen Schritt weitergehen. Ich fordere Sie auf, das zu tun, mehr zu tun für die Natur, vielleicht sogar noch viel, viel mehr zu tun, als wir es geschafft haben. Wenn Sie das täten, hätten Sie uns an Ihrer Seite. Wenn nicht, werden die Menschen in NRW Ihnen auch die Antwort darauf geben.

Wenn Sie nicht bereit sind, die Artenvielfalt in diesem Land zu stabilisieren, enttäuschen Sie die Menschen draußen, und dann wird es vermutlich ähnlich laufen wie in Bayern: Man wird Sie zum Handeln zwingen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rüße. – Nun hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Ritter das Wort.

Jochen Ritter (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im vorliegenden Antrag geht es um eine Angelegenheit, die in Bayern viele Menschen rational wie emotional bewegt. Das vorläufige Ergebnis ist beachtlich und findet diese Beachtung sowohl medial wie auch politisch, und das zu Recht.

Es geht um Biodiversität, die Vielfalt der Arten in Fauna und Flora, die zurückgeht. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Schöpfung im Allgemeinen und für die Krone der Schöpfung im Besonderen. Wir setzen uns also tunlichst damit auseinander – auch, aber sicher nicht nur im eigenen Interesse.

Einen wichtigen Ausschnitt dessen haben wir bereits vor einem Jahr näher beleuchtet, den Schwund von Insekten. Prominenter Vertreter war seinerzeit die Wildbiene – neuerdings, auch im Antrag, mit in der Betrachtung: Reptilien, Amphibien, Fische, Vögel und Wildkräuter, medial eher B-Promis, real zugegebenermaßen nicht weniger wichtig.

Zu den Insekten haben wir in der Anhörung gelernt: Die Ursachen des Schwunds sind in weiten Teilen unklar. Deshalb ist es richtig, weiter zu forschen. Das sollte uns nicht davon abhalten, mit den vorliegenden Erkenntnissen auf anderen Feldern der Biodiversität bereits zu arbeiten.

Ich will unserer Ministerin, Frau Heinen-Esser, nicht vorgreifen. Deshalb nenne ich in Sachen Erkenntnisgewinn beispielhaft die diesbezügliche Initiative, die die Bundesforschungsministerin Anja Karliczek vor drei Wochen auf den Weg gebracht hat.

Die CDU-Landtagsfraktion hat immerhin im Rahmen der Haushaltsberatungen 2018 einen fünfstelligen Betrag dafür erwirkt, dass Kinder insektenfreundliche Kleingärten schaffen können, und einen vierstelligen dafür, dass Bienenvölker regelmäßig gewogen und die so erhobenen Daten in das sogenannte Trachtnet, das Internet der Bienen, hochgeladen werden können. So gesehen hält die eben debattierte Digitalisierung nun auch in der Imkerei Einzug. Wenn das der Sache, vielleicht nicht der Meinungsvielfalt wie eben, aber der Artenvielfalt, dient, unterstützen wir das in Nordrhein-Westfalen.

Auch ehemalige Fraktionsmitglieder lässt das Thema nicht kalt. Der einstige Vorsitzende Helmut Stahl wirbt in seiner aktuellen Funktion als Präsident der Alexander-Koenig-Gesellschaft mit Sitz in Bonn dafür, ein Zentrum für Biodiversitätsmonitoring aufzubauen. Das ist kein Wunder, kommt er doch aus einem schönen Kreis, demselben wie ich, wo sich die Natur von ihrer besten Seite zeigt.

Spaß beiseite – der Beitrag von Helmut Stahl wurde unlängst veröffentlicht in „kreuz-und-quer“, einem Diskussionsforum zum politischen Handeln aus christlicher Verantwortung. Auch das ist für uns eine starke Triebfeder, will sagen: Wir sind der Natur, wir sind der Schöpfung verbunden. Wir wollen sie schützen – auch und gerade die für sie konstitutive Vielfalt der Arten.

Von den erwähnten Programmen und Projekten abgesehen, stellt sich die Frage, inwieweit in diesem Sinne gesetzliche Regelungen beizubehalten, zu ändern oder zu ergänzen sind, und zwar in Teilen auch über das hinausgehend, was der Bund bereits geregelt hat.

Dabei geht der Blick nach Bayern – ein akzeptabler Maßstab. Manches ist tatsächlich vergleichbar, manches jedoch unterschiedlich, was etwa die Struktur angeht. NRW hat ebenfalls einen großen ländlichen Raum, aber auch Metropolregionen, insgesamt also mehr Menschen auf weniger Fläche als in Bayern. Allein schon deshalb ist nicht alles eins zu eins übertragbar – wie auch der NABU in Gestalt seines Vorsitzenden Tumbrinck unlängst konzedierte, wenn es etwa um den Anteil von Ökolandbau geht –, aber in mancherlei Hinsicht ist es immerhin so viel, dass die beiden großen Bundesländer ihren Austausch zusehends intensivieren.

Insofern spricht viel dafür, sich die dortigen Entwicklungen anzuschauen und sich differenziert mit ihnen auseinanderzusetzen. Wir sind bekanntermaßen dabei, auch was Umwelt- und Naturschutz angeht.

Als Nächstes nehmen Sie in Ihrem Antrag die Regelwerke in den Blick, die in den nächsten Wochen und Monaten hier beraten werden. Sie sind genannt worden: der LEP, vom Kabinett bereits beschlossen, das Landeswassergesetz und besonders das Landesnaturschutzgesetz. Vor allem was Letzteres angeht, warnen Sie vor einer Rückabwicklung und empfehlen eine Weiterentwicklung, allerdings allein unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten.

Einen einfachen Schritt zurück haben wir nicht vor. Wir sind dann doch mit etwas mehr Anspruch und Gestaltungswillen unterwegs. Wir machen keine Politik von gestern, sondern beziehen selbstverständlich neuerliche Entwicklungen in die Betrachtung ein. Genauso selbstverständlich schauen wir darauf, was sich bewährt hat und was nicht, neudeutsch „Evaluation“ genannt. Ihrer Aufforderung, wie im Antrag geschehen, bedarf es dazu nicht.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Da müssten Sie das Gesetz erst mal wirken lassen!)

– Ja, das gilt für das 5-Hektar-Ziel, was sich als unpraktikabel erwiesen hat.

Wir schauen dem Flächenverbrauch allerdings auch nicht tatenlos zu, sondern haben auch die Bedarfe der Landwirte im Blick. Wir trachten nach flexiblen Lösungen anstatt nach starren Quoten und Verboten.

Das Landesnaturschutzgesetz kann allein schon aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten – Stichwort: Kirchhof-Gutachten – nicht so bleiben, wie es ist, will sagen: Wenn wir zu Änderungen kommen wollen, können wir nicht ein Volksbegehren im Freistaat Bayern berücksichtigen und das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland außer Betracht lassen.

Davon abgesehen sind Fragestellungen aufgetaucht, die nicht Gegenstand Ihres Antrags sind, vielleicht weil sie der Frontlinie, die Sie, Herr Rüße, eben aufgemacht haben, zwischen Wirtschaft und Ökologie nicht entsprechen.

Im Sauerland gelingt es immerhin manchen Mittelständlern wie der Firma Kemper glaubhaft, mit einer Biene für sich zu werben. Das Projekt eines anderen Investors im Sauerland, der regenerative Energien, Fotovoltaik, auf dem Standort einer ehemaligen Kaserne an den Start bringen will, scheitert an Landesnaturschutzgesichtspunkten. Insofern müssen wir auch zusehen, wie wir Energiewende und Naturschutz in Einklang bringen.

Last, but noch least – wie bei allen Gesetzesvorhaben lautet unsere Devise: etwas mehr Zutrauen in die Adressaten der Regelungen und etwas weniger Bürokratie für die Anwender. Auch dann kann es noch mit dem Naturschutz klappen.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Ritter. – Die FDP wird von Herrn Kollegen Diekhoff vertreten.

Markus Diekhoff*) (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde durchaus, dass dieser gemeinsame Antrag von SPD und Grünen ein wichtiges Thema aufgreift. Wir sprechen ja in den letzten Jahren – gerade seit 2017, seitdem die NRW-Koalition hier Verantwortung trägt – sehr intensiv über die das Thema „Artenschwund“, das Thema „Insektensterben“. Wir haben dazu im Ausschuss eine Anhörung gemacht und uns intensiv mit diesem Thema beschäftigt, weil der Rückgang nach allem, was wir wissen, anscheinend real ist.

Das ist erschreckend – keine Frage. Wir wollen gemeinsam Lösungen finden. Denn wir brauchen Lösungen, wir brauchen Zukunft. Aus diesem Grund wehre ich mich grundsätzlich gegen den Vorwurf, wir würden hier Naturschutzgesetze schleifen, uns wäre Natur nicht wichtig oder wir würden Nordrhein-Westfalen zubetonieren.

(Zurufe von den GRÜNEN)

All das ist nicht richtig. Es stimmt nicht, es hilft auch nicht bei der Problemlösung. Es ist eine stumpf plakative Idee, uns hier an die Wand zu stellen. Dagegen verwehre ich mich hier ausdrücklich.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von den GRÜNEN)

– Ach, völlig unwichtig.

(Lachen und Zuruf von den GRÜNEN)

Es geht nicht um das, was auf Papieren steht. Es geht um das, was real passiert, und da werden wir zeigen, dass wir besser sind.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn wir hier schon eine Debatte starten, müssen wir auch zu bestimmten Ehrlichkeiten zurückkommen. Dieser Antrag ist ja ein Konglomerat verschiedenster Forderungen, Teile aus Bayern, Teile hier, Teile da. Wenn man aber in einer Rede sagt, grundsätzlich seien Pflanzenschutzmittel Gift und schädlich für Menschen

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

– nein, das wurde von der SPD hier vorgetragen –, dann sage ich: Wirklich schädlich für Menschen ist Verhungern.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von den GRÜNEN)

Ganz ohne Pflanzenschutz wird es eng. Das gleicht der Debatte von vor ein paar Wochen: 120.000 Tote durch Feinstaub in der Landwirtschaft. – Ja, meine Damen und Herren, ohne Landwirtschaft haben wir 82 Millionen Tote. Irgendeinen Tod muss man sterben.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Also, man sollte nicht immer übertreiben, das hilft der Sache nämlich nicht. Wir wollen doch gemeinsam Lösungen finden. Die Überarbeitung des Landesnaturschutzgesetzes ist durchaus geboten, weil die bisherigen Antworten gar nicht zu besseren Ergebnissen geführt haben.

Es ist ja nicht so, dass wir erst jetzt mit Naturschutz anfangen. Gerade in Nordrhein-Westfalen – das möchte ich den Grünen doch lassen – hatten wir zwei starke Minister bzw. Ministerinnen, Herrn Remmel und Frau Höhn, die über viele Jahre hier gewirkt haben. Sie glaubten, Lösungen zu haben. Vieles von dem, was jetzt in Bayern gefordert wurde, ist in Nordrhein-Westfalen längst umgesetzt. Diese Jahre haben ja Spuren hinterlassen.

Allerdings ist das Ergebnis fragwürdig.

Da stellt sich die Frage, wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, ob wir nicht in bestimmten Teilen doch umsteuern müssen. Zahlen kann ich mir nicht so gut merken, deswegen muss ich sie ablesen: In Nordrhein-Westfalen sind knapp 10 % der Fläche unter Naturschutz. Wir haben 3.247 Naturschutzgebiete und stellen damit trotz der dichten Besiedelung und der in Bezug auf die Anzahl der Bewohner relativ kleinen Fläche ein Drittel der Naturschutzgebiete in ganz Deutschland. Wir haben 280.000 Hektar unter Schutz.

Bayern ist dünner besiedelt, hat wesentlich weniger Einwohner, ist aber flächenmäßig viel größer. Es hat herausragende Räume wie den Bayerischen Wald und das gesamte Alpenland als Naturraum, hat allerdings nur 500 und ein paar Naturschutzgebiete und 180.000 Hektar. Das heißt, Nordrhein Westfalen ist hier sehr weit nach vorne gegangen.

Allerdings sind die Ergebnisse nicht unterschiedlich. In Nordrhein-Westfalen ist die Natur genauso wie in Bayern bedroht. Das zeigt uns, dass die Grünen es mit den bisherigen Strategien nicht geschafft haben, die Weichen so zu stellen, dass der Artenschutz gestärkt wird.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Deswegen ist das Thema viel zu wichtig, um einfach stumpf zu sagen: Weiter so – weil es immer so war, weil es sich gut verkauft, weil man es schön erzählen kann, weil man es predigen kann, weiter, weiter, weiter.

Wenn Masse nicht hilft, muss man überlegen, ob man etwas besser machen kann. Ist es vielleicht nicht sinnvoller, Flächen aufzuwerten, Naturschutz anders zu denken, sich auf gewässernahe Flächen zu konzentrieren, die Verbesserung von Biotopen anzustreben, anstatt überall kleine Flächen zu verbrauchen und einem anderen Partner des Artenschutzes, nämlich den Landwirten, permanent Fläche zu nehmen?

Wir sollten uns – dafür ist mir das Thema zu wichtig – beim Überlegen nicht aus ideologischen Gründen beschränken. Wir sehen die Landwirtschaft nicht permanent in Verantwortung. Sie ist ein wichtiger Faktor da draußen, das steht völlig außer Frage. Ich glaube auch, dass viele Landwirte das einsehen. Viele sind auch Partner unserer Schutzmaßnahmen. Wir haben das Tool „Biodiversität Nordrhein-Westfalen“, wo wir mit Landwirten erfolgreich zusammenarbeiten. Sie werden ihren Beitrag sicherlich leisten.

Wir müssen aber auch andere Faktoren in den Fokus nehmen, die nicht immer so prominent in der Debatte stehen. Dazu gehören natürlich, auch wenn man es nicht gerne hört, auch die Ergebnisse des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, das sich den Insektenschwund in Zusammenhang mit Windrädern angesehen hat. Das soll Windräder nicht verteufeln, aber man geht von 1.000 Milliarden toten Insekten im Jahr aus. Das sind 1.200 Tonnen Biomasse. Das ist auch ein Faktor.

Es geht gar nicht darum, sich gegenseitig Verantwortung zuzuschieben. Das ist nicht unser Wunsch. Aber man muss das mit denken. Es ist nicht immer nur einer; das ist zu einfach, zu plakativ. Das hilft nicht.

(Vereinzelt Beifall von der FDP und der CDU)

Deswegen werden wir jetzt im Rahmen der anstehenden Evaluation gucken, dass wir die Weichen richtig stellen. Wir versuchen, die wirklichen Ursachen ausfindig zu machen, nicht einfache und plakative Antworten zu geben, sondern anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen alles in die richtige Richtung zu lenken.

Wir machen vielfältige Forschungsvorhaben. Das Ministerium hat zusammen mit dem LANUV gerade erst ein Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Universität Osnabrück gestartet, das sich mit Tagfaltern und Heuschrecken beschäftigt. Es gibt ein Projekt zusammen mit Krefelder Forschern, mit dem Forschungsmuseum Koenig in Köln. Wir haben Millionen in den Ausbau von Digital Farming gesteckt, das ist sicherlich ein ganz interessantes Tool im Bereich Landwirtschaft: mit Digitalisierung und mit Präzisionswerkzeugen draußen zu arbeiten und Pflanzenschutz oder Pestizide zumindest in Teilen zu ersetzen.

Es gibt viele unterschiedliche Ansatzpunkte, die wir nutzen und gemeinsam angehen. Ich freue mich, mit Ihnen weitere Bausteine in der Ausschussdiskussion zu finden. Das ist wichtig. Das Thema ist für eine parteipolitische Brille viel zu wichtig, es geht uns vielmehr alle an. Wir brauchen Lösungen und keine Parolen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Diekhoff. – Jetzt spricht Herr Dr. Blex für die AfD-Fraktion.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Anstatt über Themen zu sprechen, über die im Landtag noch nicht gesprochen wurde, befassen wir uns heute schon wieder mit dem vermeintlichen Insektenschwund. Und dabei heißt es immer, es werde nicht genügend getan.

Wirklich? Die EU hat doch bereits Neonikotinoide verboten, und zwar sehr zum Leidwesen der heimischen Zuckerrübenbauern.

Doch egal, was getan wird – Sie geben sich einfach nicht zufrieden. Die Deutschen werden so zu Getriebenen im eigenen Land. Die Zuchtmeisterinnen sind mal wieder die Rot-Grüninnen.

Die meisten wissen ja gar nicht, dass das Volksbegehren „Stoppt das Artensterben – rettet die Bienen“ gar nicht vom Volk gestartet wurde. Es war ein Begehren der bayerischen Grüninnen. Von Ihnen ging die Initiative aus. Klar, dass Sie das jetzt hier in Nordrhein-Westfalen übernehmen wollen.

Dabei steckt die Ökolüge schon im Titel des Volksbegehrens: Rettet die Biene! – Die Biene Maja muss nicht gerettet werden, werte Kollegen. Laut der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation war die Zahl der Bienenvölker in der Geschichte der Menschheit noch nie so groß wie heute. Geht man nach dem Trend, wird es in fünf Jahren mehr als 100 Millionen Bienenvölker weltweit geben. Die Artenliste ist heute viel größer als früher. Seit 1980 ist eine einzige Wildbienenart ausgestorben. Dafür sind vier neue hinzugekommen.

Kein Wunder also, dass im links-grünen Antrag überhaupt keine Zahlen oder Arten genannt werden, die ausgestorben seien. Wo sind sie denn, die Nachweise zu Ihrem ökopopulistischen Geschwätz?

Die größten Insektenkiller sind übrigens die Grüninnen selbst. Eine Modellanalyse des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt zeigt, wie viele Fluginsekten durch Windenergieanlagen in Deutschland getötet werden.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Oh Gott!)

Während der warmen Sommermonate sind es fünf bis sechs Milliarden Insekten pro Tag. Milliarden ist eine Größenordnung, die früher groß war. Es sind aber insgesamt eine Billion pro Jahr. Eine Billion ist seit der Euro-Rettung eine bekannte Größenordnung.

(Carsten Löcker [SPD]: Ist das eine Vorlesung?)

Pro Jahr töten Ihre Windmonster Fluginsekten mit einem Gewicht von 24.000 t. Und Sie gehen hin und sprechen hier vom Insektenschwund.

Die Verluste wirken sich auch auf die nachfolgenden Insektengenerationen aus. Denn Fluginsekten werden während der Migration zur Eiablage getötet.

Windenergieanlagen sind also nicht nur für unsere heimische Vogelwelt, sondern auch für die Fluginsekten eine ökologische Massenvernichtungswaffe.

Seit über 30 Jahren wird allerdings darauf verzichtet, die Verträglichkeit von Windenergieanlagen gegenüber Fluginsekten zu prüfen. Das steht in direktem Konflikt mit dem in Art. 20a des Grundgesetzes verankerten Vorsorgeprinzip.

Typischerweise fordern die Grünen immer eine Umweltverträglichkeitsprüfung für konventionelle Anlagen, nicht jedoch für Anlagen der sogenannten Ökoindustrie. So wird der Umweltschutz zu ihren Gunsten instrumentalisiert. Jedes Auto wird technisch überwacht und geprüft –

(Michael Hübner [SPD]: Jedes Pferd auch!)

– nicht jedoch Windenergieanlagen. Für die gibt es keinen TÜV. Das ist politisch nicht gewollt, um Windenergieanlagen marktfähig zu machen. Würde man das rechtlich Mögliche zum Schutz der Anwohner und der Tierwelt tun, bräche der ökologische Mehrwert der Windenergie wie ein Kartenhaus zusammen.

Die Insektenwelt, als deren Freunde Sie sich inszenieren, würde sich freuen. Doch darum geht es Ihnen überhaupt nicht. Das ganze Bündel an Maßnahmen im bayerischen Volksbegehren zur vermeintlichen Rettung der Insekten hat mit seinem politischen Anspruch gar nichts zu tun.

Sie wollen die Landwirte gängeln und entmündigen, um es einmal freundlich auszudrücken. Hier wird eine Masse dazu angestachelt, die Freiheiten einer beruflichen Minorität, die unsere Lebensgrundlage sichert, zu kastrieren.

Ganze sieben Schwerpunkte hat das Volksbegehren. Jeder einzelne bedient die Interessen der Pseudo-Ökoindustrie. So soll der Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen bis 2030 auf 30 % anwachsen. Diese Forderung hat nun wirklich nichts mit Artenschutz zu tun. Dennoch sieht das Endziel sogar vor, dass die gesamten staatlichen Agrar- und Forstflächen auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt werden. Das ist Ökopolitik mit der Brechstange und zerstört die heimische Landwirtschaft ohne Rücksicht auf Verluste.

Dazu passt, dass Sie quasi wollen, dass unsere Bauern wieder mit dem mechanischen Pflug auf dem Acker stehen. Denn als nichts anderes deute ich Ihre Forderung, vielfältige Ökoanbaumethoden anzuwenden.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Sie sind so ahnungslos!)

Gut meinen Sie es mit Anbietern von Biolebensmitteln. Der Trend geht allerdings klar in Richtung regional erzeugter Produkte und des sogenannten Gourmet-Foods. Wenn es nach Ihnen geht, soll aber nur noch ein einziger Ernährungstrend bedient werden, der wirtschaftlich nur der Pseudo-Ökoindustrie nützt. Das ist Ökolobbyismus der primitivsten Sorte inklusive Indoktrination unserer Bürger.

Zuletzt gehe ich noch auf das Hirngespinst der Biotopverbünde ein. Werte Kollegen, Naturparks als Inseln des Artenschutzes wirken nicht, wie uns die grünen Pseudoartenschützer versprechen.

Wissen die Grünen eigentlich, dass sich Deutschlands größte Brachvogelkolonie an der Startbahn des Münchner Flughafens befindet? In den Naturschützergebieten brüten sie dagegen nicht. Warum nicht? Ganz einfach: In eingezäunte Gebiete kommt kein Fuchs oder Wolf hinein.

Das bringt mich zum Schluss zu Maybrit Illner. In der Sendung vom 27. Februar mit dem Titel „Rettet die Biene, schützt den Wolf – was ist uns der Naturschutz wert?“ fehlte mal wieder die AfD. Stattdessen mangelte es nicht am grünen Gluckengegacker.

Ich sage es Ihnen hier und jetzt: Der Wolf zerstört die Artenvielfalt. Wenn der Fressfeind kommt, wird das ganze Maßnahmenpaket zum Erhalt der Fauna, insbesondere der bedrohten Bodenbrüter, ad absurdum geführt.

Das sage ich jetzt an alle Fraktionen: Passen Sie auf, die Grünen sind hier der Wolf im Schafspelz. – Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Blex. – Jetzt spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Heinen-Esser.

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte gleich zu Beginn einen Blick nach Bayern werfen. Denn dort haben immerhin 1,8 Millionen Menschen an einem Volksbegehren teilgenommen und sich mit dem Thema „Insektensterben“ auseinandergesetzt.

Ich finde es, Herr Dr. Blex, nicht in Ordnung, 1,8 Millionen Menschen einfach mal als leicht irre hinzustellen, weil sie so etwas mitmachen. Ich finde es gut, wenn wir uns, wenn sich die Menschen in unserem Land, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger mit Themen wie Artenschutz, Naturschutz und Insektensterben auseinandersetzen.

(Beifall von der CDU)

Das ist etwas absolut Positives, auf das wir nicht mit dem Finger zeigen sollten.

Ich freue mich, dass wir die Debatte zur besten Zeit im Landtag führen können; das ist ein gutes Zeichen. Natürlich könnte die Besetzung ein bisschen besser sein, Frau Spanier-Oppermann, aber das bringen wir den Kolleginnen und Kollegen im Zuge der Debatte vielleicht noch bei.

Wir merken in vielen Bereichen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger wieder mehr für Umweltthemen öffnen, dass sie merken, dass es hier tatsächlich zu Veränderungen kommen muss.

(Zuruf von Gabriele Walger-Demolsky [AfD])

Das müssen wir positiv bewerten. Schauen Sie sich die Umweltprobleme an, die wir haben, mit denen wir kämpfen und bei denen wir um Lösungen ringen, weil es Schwarz und Weiß eben einfach nicht gibt; das wissen Sie auch, Herr Rüße.

Das gilt für die Themen „Nitrat“, „Luftreinhaltung“, für die Wetterextreme im gesamten letzten Jahr, die wir künftig auch weiterhin als Vorboten des Klimawandels zu erwarten haben, und für den Artenrückgang, den wir heute diskutieren.

Für all diese Umweltthemen müssen wir Lösungen finden, und zwar im Nebeneinander des Menschen und seiner Möglichkeit, sich wirtschaftlich zu entwickeln, sowie der Bewahrung der Schöpfung.

Diese Aufgabe kann man eben nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie selbst den langen Weg bezeichnet haben, den Sie auch gegangen sind. Wir benötigen Zeit und müssen uns mit den Themen intensiv auseinandersetzen.

Wir müssen uns auch klarmachen, dass wir über das sogenannte Ordnungsrecht nicht so viel erreichen werden, sondern wir werden auch viele Anreize setzen müssen. Wir müssen Motivationen schaffen, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen und sich auch entsprechend zu verhalten.

Es reicht nicht, einfach irgendwo zu unterschreiben und zu sagen: Jawohl, ich bin auch dafür, dass die Insekten nicht sterben. Ich will gegen den Rückgang ankämpfen. – Hinterher kommt es darauf an, das tatsächlich im Leben umzusetzen.

Das gilt auch, wenn ich die Klimawandeldiskussion der Schülerinnen und Schüler sehe. Meine Tochter ist auch dafür, gegen den Klimawandel anzugehen. Gleichzeitig reißt sie die Kühlschranktür auf – das kennen Sie von zu Hause – und schaut sich erst einmal drei Minuten lang an, was es denn eigentlich zu essen gibt.

Hier müssen wir sagen: Wir können uns gerne einer Bewegung anschließen und das alles unterstützen, was ich sehr positiv finde, aber es muss dann auch im konkreten Handeln des Einzelnen münden. Darüber müssen wir uns ganz deutlich im Klaren sein.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Meine Damen und Herren, es ist, glaube ich, überhaupt keine Frage, dass wir uns in der Landesregierung und in fast allen Fraktion im Landtag dafür einsetzen, den Artenrückgang zu stoppen. Wir bekennen uns zum Schutz der Arten und verankern ihn in unserer Politik.

Ganz wesentlich aber ist die Ursachenforschung, mit der wir uns beschäftigen müssen. Natürlich haben wir die Daten aus Krefeld, Frau Spanier-Oppermann, die sehr bedrückend und beeindruckend sind. Wir werden auch weiter Ursachenforschung betreiben.

Wir sind das erste Bundesland, das beispielsweise ein Insekten-Monitoring durchgeführt hat. In diesem Frühjahr starten wir ein dreijähriges Forschungs‑ und Entwicklungsvorhaben zum Tagfalter‑ und Heuschrecken-Monitoring in Kooperation des LANUV mit der Universität Osnabrück.

Wir werden die Ergebnisse aus der Untersuchung von Krefeld zum Rückgang der Biomasse selbstverständlich in die Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes einbringen.

Wenn Sie das auch unter „Evaluation“ verstehen, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, kommen wir vielleicht doch noch zusammen. Wir müssen natürlich all das, was uns die Wissenschaft an Erkenntnissen liefert, bei der Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes berücksichtigen.

Wir dürfen aber nicht abwarten, was uns die Forschungen bringen und noch weiter ergeben, sondern müssen jetzt schon mit Maßnahmen beginnen. Es gibt eine ganze Menge an Maßnahmen, die bei uns im Land schon eingesetzt haben.

Es geht beispielsweise darum, dass wir eine umwelt‑ und naturschutzgerechte Landbewirtschaftung fördern im Rahmen des Programms „Ländlicher Raum“. In den Wäldern werden auch Naturschutzmaßnahmen gefördert, die der Artenvielfalt dienen. Es gibt das NRW-Programm „Lebendige Gewässer“, das Verbesserungen zur Artenvielfalt in den Gewässern vorsieht.

Ich will nicht eins zu eins übertragen, was in Bayern losgewesen ist, und Herr Diekhoff hat es auch schon erwähnt. Wir haben uns die Forderungen sehr genau angeschaut, die in Bayern gestellt worden sind. So können wir natürlich sagen, dass fast die Hälfte aller Forderungen dort – und darauf können wir stolz sein – bereits heute bei uns im Landesnaturschutzgesetz und im Landeswassergesetz verankert ist.

Deshalb freut es mich als Nordrhein-Westfälin natürlich ganz besonders, dass die Bayern mal zu uns schauen, was in unserem Land schon Vernünftiges zu diesen Themen erreicht wird, was in Bayern noch erreicht werden muss.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es geht aber nicht nur um das Naturschutzgesetz und die Landwirtschaft; dazu ist schon vieles gesagt worden. Aus meinen Gesprächen mit den Landwirten kann ich Ihnen sagen: Die Landwirte selbst wollen Veränderungen.

Sehen Sie sich an, wie sich die Themen „Blühstreifen“ und „Blühwiesen“ entwickelt haben: Das ist ein enormer Fortschritt. 5.000 km Blühstreifen haben wir mittlerweile schon in Nordrhein-Westfalen. Es ist klasse, was die Landwirte hier schon auf die Beine stellen, weil sie eben sehen, dass es so nicht weitergehen kann.

Das sehen gerade die Landwirte als Erste, weil sie im Gegensatz zu uns ständig draußen in der Natur sind und wissen, wie es tatsächlich um die Arten bestellt ist.

Es gibt aber eben auch noch andere Themen wie „Fläche“ und „Zersiedelung“; dabei handelt es sich um ein riesiges Thema. Unter Führung meines Hauses werden wir ein Maßnahmenpaket entwickeln. Wir haben uns gefragt: Wie können wir flächensparender handeln? Wie können wir die Zersiedelung beenden? Wie können wir besser mit Brachflächen usw. umgehen? – Das ist ein ganz wichtiges Thema.

Damit hört es aber auch noch nicht auf. So geht es auch um die Themen „Lichtemissionen“ und „Lichtverschmutzung“. Was ist nach Einführung der LED-Lampen passiert – darüber muss man auch einmal ganz offen sprechen –, als sie noch relativ hell und noch nicht so gedimmt waren? Welche Auswirkungen hatte das beispielsweise auf die Entwicklung der Insekten?

Ein weiteres Thema betrifft diejenigen, die in den Städten leben. Ich kritisiere das wahrscheinlich in jeder dritten Rede und bitte um Nachsicht, wenn ich mich wiederhole, aber fahren Sie mal durch manche Einfamilienhaussiedlungen und schauen Sie sich die Vorgärten an. Da haben Sie keine blühenden Gärten mehr, sondern Sie haben Kiesgärten, und dazwischen steht vielleicht ein schöner Solitärbaum. Das ist ja alles nett anzusehen, macht aber natürlich bei extremen Wetterereignissen Probleme und macht auch für die Insekten Probleme.

Es geht ja nicht nur darum, das Insektensterben beispielsweise auf dem Land zu stoppen, sondern auch darum, es in den Städten zu stoppen und es auch in den Städten möglich zu machen, dass Insekten ausreichende Lebensgrundlagen finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde es gut – ich sage das abschließend –, dass wir noch mal eine Chance haben – im letzten Jahr war ich, glaube ich, noch nicht dabei, als es hier diskutiert wurde –, das Thema „Artenschutz“ intensiv hier im Landtag zu diskutieren. Ich freue mich sehr auf spannende Diskussionen mit Ihnen, aber ich finde auch, wir müssen offen über alle Themen reden und uns nicht nur eine Gruppe herauspicken, sondern sagen, …

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin.

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: … wie es in Gänze aussieht.

Vizepräsident Oliver Keymis: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Jetzt bin ich fertig und lasse alle Fragen zu.

Vizepräsident Oliver Keymis: Nicht hinterher, sondern mittendrin, und alle sowieso nicht. Außerdem entscheiden wir das hier oben.

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Aber ich wollte gerade Schluss machen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Auf jeden Fall ist jetzt dran, wenn Sie sie zulassen wollen …

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich lasse sie zu.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das freut uns alle. – Herr Mostofizadeh stellt die Frage, auch wenn es hier anders steht. Bitte schön.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident, ich entschuldige mich ausdrücklich dafür, von Ihrem Platz aus zu reden.

Frau Ministerin, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben, wie ich finde, ein sehr spannendes Thema mit angesprochen, nämlich die Frage nach Vorgärten in den Städten. Da haben Sie sozusagen mitten ins Wespennest gestochen. Es ist ja eine heiße Debatte, inwieweit man vorschreiben kann,

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ja!)

wie damit umzugehen ist. Wie wollen Sie denn damit umgehen? Wollen Sie sich dessen naturschutzfachlich annehmen oder es den Kommunen überlassen?

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich weiß, dass es Kommunen gibt – Danke für Ihre Frage –, die jetzt schon überlegen, die Gestaltung von Vorgärten diesbezüglich in ihren Satzungen vorzuschreiben.

Ich bin mir noch nicht sicher – das sage ich auch ganz offen –, ob es der richtige Weg ist, wenn wir genau vorschreiben, wie es auszusehen hat, aber dass wir dafür werben, dass Vorgärten anders ausgestaltet sind, ist 100%ig sicher.

Wenn wir jetzt in die Diskussion über Ihren Antrag eintreten, könnten wir ein solches Thema – Stichwort Vorgärten und was die Kommunen insofern unternehmen sollen – durchaus in die Diskussion mitnehmen und überlegen, was die richtigen Ansätze und die richtigen Hinweise wären.

Ich persönlich bin keine direkte Freundin davon – ich wohne selbst in so einer Siedlung –, jetzt jedem genau vorzuschreiben, wie sein Vorgarten auszusehen hat. Ich glaube, das ist wenig zielführend. Aber hier – ich habe das eingangs gesagt – Anreize zu setzen und Ideen zu geben, wäre schon eine ganz gute Sache.

Der Garten- und Landschaftsbauverband hat eine Aktion zum Thema „Rettet den Vorgarten“ gemacht, obwohl seine Mitglieder selbst diejenigen waren, die Hauptprofiteure der Solitärbäume, Kiesanlagen etc. waren. Darüber diskutieren wir aber intensiver, wenn der Antrag in den Ausschuss kommt.

Das war es. Ich bin mit meiner Rede fertig und bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Ministerin, für Ihre Rede und auch für Ihre Bereitschaft, die Zwischenfrage zuzulassen. – Nun kommt als nächster Redner Herr Deppe für die CDU-Fraktion ans Pult. Bitte schön.

Rainer Deppe (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir von der CDU freuen uns, dass sich aktuell wieder mehr Menschen für Artenschutz und Artenvielfalt interessieren. Es sind ja nicht nur die 1,8 Millionen Menschen, die das Volksbegehren in Bayern unterschrieben haben.

Wir bedanken uns zum Beispiel auch bei den Nachbarschaftsinitiativen und Bürgervereinen, die in diesen Wochen überall im Land bei den Aktionen „Frühjahrsputz“ Müll aus der Landschaft sammeln, den – leider Gottes – andere dort hinterlassen haben. Es ist den Menschen nicht gleichgültig, was in unserer Landschaft passiert. Und das ist auch gut so.

Ein anderes Beispiel: Landwirte berichten von einem beginnenden Interesse an Bienenweidepatenschaften. Für nur 25 Euro pro Jahr bieten Landwirte in Nordrhein-Westfalen an, 100 m2 Bienenweide anzulegen und zu pflegen. Was noch fehlt, ist der Massenandrang. In die Hofläden kommen immer noch mehr Menschen, um Obst, Fleisch, Käse oder Eier zu kaufen, als um zu erklären, dass sie eine Bienenweide anlegen wollen.

Schon 69.612 Menschen haben die Petition von Bauer Willi „Gemeinsam für Bienen und Klima“ unterzeichnet. Er hat völlig recht. 300.000 Landwirte in Deutschland sind für etwa die Hälfte der Fläche zuständig.

Aber wir brauchen auch den Beitrag der anderen Hälfte. Schön wäre es, wenn daraus auch noch Handeln würde. Zum Beispiel leben auf mit Robotermäher kurzgeschorenem Rasen oder in den eben erwähnten Steingärten nun mal keine Insekten oder andere Tiere.

In Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, zeichnen Sie erneut das unzutreffende Bild vom dramatischen Artenrückgang. Sie wissen, dass das nicht korrekt ist. Wir haben uns in der letzten Wahlperiode damit beschäftigt. Ich zitiere noch einmal aus der Antwort des damaligen Ministers Johannes Remmel auf meine Kleine Anfrage vom 2. Juni 2016. Da steht es drin:

Mehrere Hundert wildlebende Arten haben sich in den letzten Jahrzehnten wieder so positiv verbreitet, dass sie in Nordrhein-Westfalen aus der Roten Liste gestrichen werden konnten. Darunter sind bekannte Arten wie beispielsweise der Feldhase, der Biber, der Fischotter, die Wildkatze, der Uhu,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Alles Insekten!)

der Rotmilan und der Schwarzstorch, um nur einige zu nennen.

Für uns heißt kompetenter Naturschutz natürlich genauso, über Misserfolge und über Artenrückgänge zu sprechen, vor allem die Ursachen zu erkennen und dann Lösungen zu finden. Ich will mal einiges nennen:

Wenn sich der Bestand von Bachforelle und Bachneunauge verbessert und sich im gleichen Zeitraum der Bestand von Aal und Äsche verschlechtert, dann muss das Gründe haben. Wenn die Anzahl der Störche zunimmt und die Anzahl der Uferschnepfen zurückgeht, dann gibt es Ursachen. Wenn der Bestand des Feldhasen zunimmt und der Bestand der Haselmaus abnimmt, dann gibt es dafür Gründe. Die müssen wir erkennen und daraus die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen.

Ich sage Ihnen: Das geht nicht dadurch, die Natur sich selbst zu überlassen. Das Recht des Stärkeren, das in der Natur herrscht, war bisher nicht das Erfolgsmodell. Prozessschutz, meine Damen und Herren, ist kein Allheilmittel. Die wertvollsten Landschaften, die größte Artenvielfalt haben wir gerade dort, wo die Natur eben nicht sich selbst überlassen wurde.

Beispielsweise bei mir vor der Haustür in der Wahner Heide: Ohne die Tätigkeit des Militärs und jetzt nach dessen Abzug ohne die Tätigkeit und Pflege durch Rinder, Schafe, Ziegen, durch regelmäßiges Mähen, durch Beseitigung von Bäumen und Kirschlorbeer könnten wir diese artenreiche Landschaft nicht erhalten.

So verrückt das klingen mag: Die „Westfälischen Nachrichten“ schrieben am 28. Februar:

„Wer ist der beste Naturschützer? – Der Panzer.“

Da ging es um den Truppenübungsplatz Dorbaum, und das Ministerium hat ja gerade dort einen wichtigen Vertrag unterschrieben.

Das Gleiche gilt im Übrigen für die Senne. Das wird in Ihrem Antrag ja auch kurz erwähnt. Sie ist eines der wertvollsten Gebiete in Nordrhein-Westfalen. 5.000 Arten finden wir dort. Und das Gebiet wollen wir so vielfältig erhalten, wie es jetzt ist. Wir wollen und müssen diesen Lebensraum erhalten. Aber das geht eben nicht mit einem Nationalpark. Auch darüber haben wir schon oft diskutiert.

Das Selbstüberlassen von Flächen und das anschließende Abwarten, was passiert, führt per se weder zu einer größeren Artenvielfalt, in diesem Fall sogar – das sagen uns alle Biologen, auch die Biologische Station – würde es zu einem deutlichen Rückgang der Vielfalt führen. Noch haben wir Zeit für Jahrzehnte andauernde Misserfolge.

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Intensivierung des Naturschutzes, der klar Ziele benennt, die für ein bestimmtes Gebiet erreicht werden sollen. Und die müssen dann konsequent umgesetzt werden. Das geht im Konsens. Das geht, das funktioniert.

Wir haben es im Bergischen Land gezeigt. Dort haben wir unter Federführung der Biologischen Station drei Landwirtschaftsorganisationen, drei Naturschutzverbände zusammengebracht. Im Jahr 2017 haben wir die Zielvereinbarung „Landwirtschaft und Naturschutz“ geschlossen. Das sind die Wege, die wir gehen müssen.

Meine Damen und Herren, ein weiteres Beispiel: Das Aussetzen von Arten darf nicht länger ein Tabu sein. Aber dann müssen auch Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit es gelingt. Wir setzen seit 1998 Lachse aus, und wir kommen leider nur in Trippelschritten voran. Wir verbessern seit dieser Zeit den Lebensraum für Lachse mit einem Aufwand in Millionenhöhe. Aber den größten Feind des Lachses, den Kormoran, lassen wir unbehelligt. Und dann wundern wir uns, dass wir keine Erfolge erzielen. So kann man Naturschutzarbeit nicht machen. Wir müssen an die Ursachen heran, die Lebensräume verbessern. Dann wird es auch gelingen.

Oder nehmen Sie den relativ unscheinbaren Ameisenbläuling, eine Schmetterlingsart auf der Roten Liste. Die lebt von einer Symbiose mit einer Pflanze, nämlich dem Großen Wiesenknopf, und der roten Gartenameise. Da müssen wir die Verhältnisse schaffen, damit wir diese Arten auf den Flächen haben, wo wir den Wiesenbläuling ansiedeln oder erhalten wollen. Da kann man als Mensch nachhelfen und muss nicht warten, bis sich alles von alleine entwickelt. Ich könnte das fortführen, zum Beispiel das Vorkommen des Roten Milans im Bergischen Land, einer ganz wichtigen Art, die sich sehr positiv entwickelt hat, gerade durch die Art der Bewirtschaftung.

Meine Damen und Herren, reden wir tabulos über die Erfolge und die Misserfolge des Naturschutzes. Die Natur braucht Handeln, und die Menschen erwarten klare Antworten. Was hilft der Biodiversität wirklich? Wie können wir Lebensraum für mehr Arten schaffen?

Vor allem: Lassen wir doch die Vermutungen und Anschuldigungen sein. Wir ernten damit ausschließlich Resignation, wie sie in einem, wie ich finde, furchtbaren Song der Rockband „Die Ärzte“, der seit wenigen Tagen auf dem Markt ist, zum Ausdruck kommt. Da heißt es:

„Los komm, wir sterben endlich aus, denn das ist besser für die Welt. Der letzte Drink, der geht aufs Haus.“

Mehr Pessimismus, meine Damen und Herren, kann man nicht verbreiten. Wir resignieren nicht. Meine Bitte an Sie: Kommen Sie heraus aus den ideologischen Gräben und lassen Sie uns gemeinsam überlegen, was in einem modernen Naturschutzgesetz stehen muss.

Ich freue mich auf die intensive Diskussion mit Ihnen in den nächsten Monaten.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Deppe. – Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Stinka.

André Stinka (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Deppe, Sie haben gerade von ideologischen Gräben gesprochen. Wenn ich mir die Reden der Vorredner der regierungstragenden Fraktionen anhöre, dann habe ich da etwas vom Papst gehört. Ich habe gehört: Das ist das Gesetz. Das 5-Hektar-Ziel ist ein bisschen unpraktikabel. – Mit Sonntagsreden und salbungsvollen Reden kommen wir hier in dieser Frage nicht weiter.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie selbst haben Handeln eingefordert, Herr Deppe, reden dann aber gleichzeitig davon, dass man freiwillig prüfen muss, ob es irgendwelche Kooperationen gibt. Wenn Sie Papst, Kirche und alles ernst nehmen, dann müssen Sie handeln, Herr Deppe.

(Zuruf von Rainer Deppe [CDU])

Herr Ritter hat vorhin vom Zutrauen in die Landesregierung gesprochen. Sie werden ja ganz klar wohl der Auffassung sein, dass die SPD das Zutrauen in diese Landesregierung überhaupt nicht hat, schon mal gar nicht in Sachen Umwelt- und Naturschutz, Herr Deppe. Darüber müssen Sie sich im Klaren sein.

(Beifall von der SPD)

Wir haben erlebt, dass bezüglich der Stabsstelle für Umweltkriminalität und der Düngeverordnung nur Mindeststandards im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden sind. Dann reden Sie hier vom Zutrauen in die Landesregierung. Das 5-Hektar-Ziel war schon im Wahlkampf, Herr Deppe, ein Thema. Ich erinnere mich sehr gut daran. Sie wollen das 5-Hektar-Ziel reduzieren. Sie wollen deutlich machen, dass das 5-Hektar-Ziel im LEP nicht mehr enthalten ist. Frau Heinen-Esser wird leider von dem Kollegen Pinkwart eingeholt, und das 5-Hektar-Ziel wird aufgegeben. Das sind dann Ihre Taten. Da hilft nicht der Papst, sondern da helfen gesetzliche Grundlagen hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen, Herr Deppe, und nichts anderes.

(Beifall von der SPD und Norwich Rüße [GRÜNE])

Wir als rot-grüne Landesregierung haben – die Ministerin hat das ja leise anklingen lassen – ein Landesnaturschutzgesetz vorgelegt. Auf dieser Grundlage könnte man Artenvielfalt und weitere Lebensräume hier in Nordrhein-Westfalen unterstützen. Das Problem an dieser Stelle ist halt – das habe ich gerade schon einmal gesagt –, dass wir aus der Vergangenheit gelernt haben, dass Sie und die Landwirtschaft viel über Dialog reden – der WLV hat Nachhaltigkeitsdebatten geführt –, Sie reden aber immer nur mit den gleichen Leuten. Sie müssen sich dann auch einmal mit Menschen an den Tisch setzen, die Ihnen nicht sofort zustimmen. Sie müssen Dialog auch ernst nehmen.

Beim Thema „Dialog“ denke ich nur an das Landesjagdgesetz. Wenn Sie nur mit denen reden, die Ihnen auf die Schulter klopfen, Herr Deppe, dann wird das nicht gelingen. Sie müssen sich auch mit dieser Gesellschaft auseinandersetzen, sonst werden Sie keine Akzeptanz erreichen, schon mal gar nicht mit einer Novelle des Landesschutzgesetzes.

(Beifall von der SPD und Norwich Rüße [GRÜNE])

Dass wir da deutlich Kritik üben und das noch einmal ganz klar machen, ist uns unbenommen.

Gerade der LEP ist ein Beispiel dafür. Wenn wir dort 5 ha hineinschreiben

(Bianca Winkelmann [CDU]: Die nie erreicht werden!)

und dort festhalten, dass die Artenvielfalt ein ganz entscheidender Punkt ist, dann ist der Flächenverbrauch – die Ministerin hat es angesprochen – ein Thema, das alle angeht: die Wohnungswirtschaft, die Stadtplanung, die Landesplanung.

Wenn wir das herausnehmen, ist doch klar, dass sich viele nicht mehr daran orientieren. Dann führt Ihre salbungsvolle Rede ins Nichts. Das kann man nicht freiwillig organisieren. Sie müssen doch mit Gewerbetreibenden und Industrievertretern sprechen.

(Markus Diekhoff [FDP]: Mit Gewerbetreibenden? Das ist doch Quatsch!)

– Herr Diekhoff, bei Ihnen ist es ja so: Wer Ihrer Rede gefolgt ist, hat festgestellt, dass Sie nach dem Motto argumentieren: Je mehr Naturschutzgebiete wir haben, desto schlechter ist das für den Naturschutz. – Das passt schon nicht zu den Ausführungen von Herrn Deppe. Was wollen Sie eigentlich? Ihre Freiwilligkeit und Ihre Entfesselungspolitik werden nicht dazu führen, dass in Nordrhein-Westfalen mehr Naturschutz stattfinden wird. Sie werfen den Leuten mit ihren Debatten Sand in den Augen.

Die Beispiele, die Herr Deppe vorgetragen hat, machen doch deutlich, dass gezielter Naturschutz wichtig ist. Warum geht es denn einigen Fischen – ich habe selbst mit Herrn Uhlenberg Fische im Rhein ausgesetzt – besser? Weil man sich konkret für Maßnahmen entschieden hat – und nicht etwa, weil man freiwillig auf den Papst oder auf irgendjemand anderen gewartet hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das funktioniert doch nicht. Man muss ganz klar sagen, was man will. Man musste bei den Fischen beispielsweise auch mit den Vertretern der Wasserkraft reden. Da bestehen doch Interessenkonflikte. Sie werden aber durch Freiwilligkeit nicht gelöst, sondern nur durch ganz klare Richtlinien.

Da sind wir beim Kern Ihres Problems in der Umweltpolitik dieser Landesregierung. Sie sagen zwar immer salbungsvoll, dass Sie alles entfesseln und auf freiwilliger Basis organisieren wollen. Aber es muss auch gesprungen werden. Wir vermissen bei der Ministerin klare Ansagen, wohin es in Nordrhein-Westfalen gehen soll. Das ist bei der Luftreinhaltung so; das ist bei der Wasserreinhaltung so.

Wir hoffen, dass es jetzt anders wird, indem wir im Ausschuss eine ordentliche Debatte führen. Ich freue mich darauf. Sie kommen aber nicht umhin, sich als Landesregierung zu entscheiden. Regieren heißt, die Richtung vorzugeben und nicht salbungsvoll zu reden. Daran werden wir Sie auch bei diesem Gesetz messen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. – Nun spricht noch einmal Herr Rüße für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich fand es sehr gut, dass Sie „Fridays For future“ erwähnt haben und dass Sie das Volksbegehren insgesamt und das dahinterstehende Engagement gelobt haben. Aber in beiden Fällen ist eines klar: Die Menschen erwarten, dass wir jetzt auch handeln.

Es geht nicht mehr, wieder das zu tun, was Herr Diekhoff sagte und was auch in der Rede von Herrn Deppe anklang, nämlich noch einmal zu forschen, zu forschen und zu forschen. Ich glaube, dass das nicht geht.

Wenn ich in den Einzelplan 10 Ihres Haushalts schaue, kann ich nicht sehen, dass da etwas passiert, dass da mehr Mittel hineinkommen. Sie haben im Landeshaushalt mehr Spielräume. Da müsste viel mehr passieren. Sie müssten viel mehr Mittel dafür vorsehen.

Ich will noch den Direktor des Senckenberg Deutsches Entomologisches Instituts zitieren. Er hat ganz aktuell gesagt: Wenn wir jetzt nicht das Ruder herumreißen, ist es irgendwann zu spät. Sofortiges Handeln ist angesagt.

Deshalb reicht es nicht aus, wenn wir weiterhin nur diskutieren. Wir müssen jetzt etwas tun und dann auch einmal sagen – denn es ist einfach so –, dass die Landwirtschaft als ein Hauptfaktor identifiziert ist. Dann muss man auch einmal ein Pestizid mehr aus Verdachtsgründen herausziehen, statt immer wieder zu sagen: Wenn wir es nicht genau wissen, lassen wir es doch lieber zugelassen. – Das ist genau der falsche Weg.

Wir müssen jetzt ambitioniert herangehen. Da muss deutlich mehr Druck hinein. Das spüren die Menschen. Deshalb gibt es dieses Volksbegehren. Die Menschen spüren, dass wir als Politiker nicht genug tun. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit sind wir am Schluss der Aussprache angelangt.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/5380 an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung. Die abschließende Aussprache und Abstimmung sollen im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD, die Grünen, die CDU, die FDP, die AfD und der fraktionslose Kollege Pretzell. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

5   Gender-Sprache in Nordrhein-Westfalen abschaffen – Wiederbelebung des generischen Maskulinums

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/5358

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die AfD Herrn Röckemann das Wort.

Thomas Röckemann (AfD):

„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“.

(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Damit ist alles gesagt!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieses weithin bekannte Wort stammt von dem Philosophen Ludwig Wittgenstein.

In unserem Land werden manche Grenzen abgeschafft; andere werden immer enger gezogen. Eine besonders perfide Strategie, das Denken zu begrenzen, ist der Gender-Wahn, der sich auch in unserer Sprache niederschlägt.

Unsere Sprache ist die Sprache von Goethe und Schiller, Hegel und Kant. Ginge es nach den Gender-Ideologen, würden aus Schillers „Räuber“ bald Schillers „Räuberinnen und Räuber“. Man dürfte gewiss auch von RäuberInnen sprechen, allerdings geschrieben mit Binnen‑I, Unterstrich oder Gendersternchen.

Der Vorschlag, dieses mit einem Schnalzlaut kenntlich zu machen, gehört zu den groteskeren Auswüchsen einer an Absurdität nicht gerade armen Ideologie.

Alternativ gestattet wäre wohl auch, von Schillers „Raubenden“ zu sprechen, so wie Studentinnen und Studenten längst zu unspezifischen Studierenden wurden.

Durch diese Verhunzungen sollte unsere Sprache rücksichtsvoll, gerecht und vor allem diskriminierungsfrei gemacht werden. So lauten jedenfalls die Verheißungen der Linken und der Feministen.

Falls sich die Feministinnen jetzt diskriminiert fühlen, weil ich sie nicht eigens genannt habe, kann ich damit leben.

Verehrte Kollegen, wer ernsthaft annimmt, irgendetwas werde gerechter, weil fortan statt von Bürgern von Bürgerinnen und Bürgern gesprochen wird, ist doch völlig nativ. Ich traue das manchem hier durchaus zu. Dennoch halte ich solche Debatten für Ablenkungsmanöver der Altparteien.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Kommen Sie in der Realität an!)

Indem Sie die Aufmerksamkeit der Bürger auf solche Nebenschauplätze lenken, werden wahre Probleme ignoriert – Probleme, die Ihre Politik verursacht hat. Den langzeitarbeitslosen Mann interessiert es keinen Deut, ob wir angeblich geschlechtersensibel kommunizieren – das versichere ich Ihnen, werte Genossinnen und Genossen von der SPD –, und die langzeitarbeitslose Frau übrigens auch nicht.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, Wittgenstein wusste: Sprache ist politisch, und sie ist ein Instrument sozialer Kontrolle.

Der Potsdamer Linguist Peter Eisenberg kritisiert zu Recht, dass jene, die gewählt wurden, um den Willen ihrer Wähler zu verwirklichen, stattdessen nichts Besseres vorhaben, als ihre Wähler zu erziehen. Er sagt:

„Jemand, der sich erdreistet, in einer der größten Sprachen Europas Formen einzuführen, die es nicht gibt, und sie dann zu verordnen, der hat doch irgendwie ein schräges Verhältnis zur Demokratie.“

(Beifall von der AfD – Josefine Paul [GRÜNE]: Wahnsinn, was Sie da erzählen!)

– Frau Kollegin, strenger geht die deutsche Publizistin Birgit Kelle mit den Genderisten ins Gericht.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Oh! Obacht!)

– Ja, auch eine Frau. – Für sie ist Ihre Sprache elementarer Baustein der linksgrünen Diffamierung unserer Gesellschaft. Ich zitiere:

„Multikulturell, multinational und jetzt auch noch geschlechtslos soll er sein, der neue Mensch. Nicht mehr verwurzelt, in Nation, Kultur, Sprachraum und Geschlecht, sondern aufgelöst in globalisierten, grenzenlosen, gesichtslosen und geschlechtslosen Zweckbündnissen auf Zeit. … Gender-Sprache ist der scheinheilige Wegweiser in diesen Abgrund.“

Zum Glück regt sich gegen diesen Albtraum zunehmend Gegenwehr.

In Frankreich ist es Beamten seit 2017 untersagt, angeblich genderneutrale Schreibweisen zu verwenden. Der Gralshüter der französischen Sprache, die Académie française, unterstützt dieses Vorgehen ausdrücklich.

Bei uns in Deutschland hat der gemeinnützige Verein Deutsche Sprache zum Kampf gegen den Gender-Murks aufgerufen. Dabei wird er von einer Vielzahl an Vertretern aus Wissenschaft, Medien und Kultur unterstützt.

Die AfD-Fraktion fordert den Landtag und auch den anwesenden Herrn Minister auf, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Rückkehr zur herkömmlichen, grammatikalisch richtigen und verständlichen Sprache zu schaffen. Entsorgen Sie das Binnen‑I, den Genderstern und weitere Perversionen unserer Sprache in den Mülleimer linker Ideologen. Keine Sprache kann sich gegen ihren Missbrauch wehren, die Sprechenden aber schon. – Schönen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Röckemann. – Für die CDU erteile ich der Abgeordneten Frau Wendland das Wort.

Simone Wendland (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die deutsche Sprache hat viele Vorzüge. Einer davon ist, dass sie über einen reichen Schatz an Redewendungen und bildhaften Vergleichen verfügt.

Die Redewendung, die mir zu diesem Antrag sofort eingefallen ist, ist jene vom Bock, der zum Gärtner gemacht wird.

Damit, dass ausgerechnet die AfD sich zur Hüterin der deutschen Sprache, ja quasi zur Sprachpolizei aufschwingt, tut dies die Partei, die dafür am wenigsten geeignet ist.

(Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Schließlich müssen Politikerinnen und Politiker keiner anderen Partei so oft erklären, dass sie wohl missverstanden worden sind oder sich hier und da etwas unglücklich ausgedrückt hätten. Offenbar hat die AfD elementare Probleme mit der Vielfalt der deutschen Sprache.

Vielfalt ist ein anderer großer Vorzug unserer Sprache. Vielfalt ist nämlich die Möglichkeit, etwas auf sehr unterschiedliche Art und Weise auszudrücken.

Leider reduzieren Sie diese Möglichkeit im Wesentlichen auf Diffamierungen. Denn wir kennen alle die geschmacklosen Beispiele von AfD-Politikern, wenn es um Vergleiche mit Ereignissen aus der deutschen Vergangenheit geht.

(Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Mit Ihrem Antrag versuchen Sie, heute den Eindruck zu erwecken, der durchaus renommierte Verein Deutsche Sprache hätte die Rückkehr zum generischen Maskulinum gefordert – was natürlich nicht der Fall ist. Das ist einzig und allein Ihr persönliches Anliegen.

Umso bemerkenswerter ist, dass Sie es nicht einmal dort umsetzen, wo Sie es könnten. Denn selbstverständlich firmieren Frau Weidel und Frau von Storch auf der Homepage des AfD-Bundesvorstands als Beisitzerinnen und nicht als Beisitzer, und selbstverständlich ist Frau Guth in Niedersachsen nach eigener Darstellung Fraktionsvorsitzende.

Da fällt mir wieder eine schöne deutsche Redewendung ein,

(Dr. Christian Blex [AfD]: Oha!)

nämlich die von dem, der im Glashaus sitzt und mit Steinen werfen will.

(Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP – Dr. Nadja Büteführ [SPD]: Wo sind denn eigentlich Ihre Damen?)

Meine Damen und Herren, Sprache ist dazu da, Menschen miteinander zu verbinden und sie in die Lage zu versetzen, miteinander zu kommunizieren, Gemeinsames zu verabreden und in Beziehung zu treten.

Leider hat Sprache auch das Potenzial, zu spalten, zu trennen und auszugrenzen – so, wie die AfD das sehr gerne tut. Die generelle Einführung des generischen Maskulinums, wie Sie sie fordern, wäre ganz sicher eine solche Ausgrenzung.

Sie fordern nicht mehr und nicht weniger, als Frauen aus dem öffentlichen Sprachgebrauch möglichst weitgehend zu verbannen. Das passt zu Ihrer sonstigen frauenpolitischen Programmatik,

(Zurufe von der AfD: Ah! – Oh!)

die Sie wohl nur deshalb nicht mit „Kinder, Küche, Kirche“ überschreiben, weil Sie mit christlichen Werten, jedenfalls nach meinem Eindruck, nicht viel am Hut haben.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Josefine Paul [GRÜNE]: Sie haben ja auch schon die Frauen aus Ihren Reihen verbannt! Sie verlassen fluchtartig den Raum!)

Sprache soll verbinden und vermitteln, und zwar gerade auch in der Politik und gerade auch in der Beziehung zwischen Behörden und Verwaltung einerseits und Bürgerinnen und Bürgern andererseits.

Das gelingt aber nur dann, wenn man sich gegenüber den Menschen, mit denen man kommunizieren will, trotz aller notwendigen Präzision und Eindeutigkeit so ausdrückt, dass man von den Menschen auch verstanden wird.

Am besten schafft man das dann, wenn man so spricht und schreibt, wie die Menschen selber sprechen, wenn man also ihre Sprache aufgreift. Ich weiß, dass das manchmal sehr schwierig ist. Es sollte aber unsere Leitlinie sein, so zu handeln.

Deshalb verändert sich auch die Sprache in der Politik und der öffentlichen Verwaltung. Briefe und Bescheide aus Verwaltungen, die vor Jahren noch ganz anders geklungen hätten, sind heute an die Lebenswirklichkeit angepasst. Das ist auch gut so.

Selbstverständlich heißt es heute „Bürgerinnen und Bürger“, „Bundeskanzlerin“, „Oberbürgermeisterin“ und „Studentinnen und Studenten“. Es hat auch wirklich niemandem geschadet, dass aus „Lehrlingen“ „Auszubildende“ geworden sind. Das alles ist heute selbstverständlicher Sprachgebrauch.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Da die deutsche Sprache so präzise ist, wie sie nun einmal ist, hat sie auch die entsprechenden Differenzierungs- und Ausdrucksmöglichkeiten. Das ist ganz sicher auch der Grund dafür, dass das Binnen‑I und das Gendersternchen sich nicht so richtig durchsetzen wollen. Ich persönlich habe damit kein Problem.

Sie wollen mit Ihrem Antrag zurück in das sprachliche Mittelalter.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Oh!)

Damit avancieren Sie zur Mittelalter-Partei.

(Beifall von der CDU, der SPD und der FDP – Dr. Christian Blex [AfD]: Ah!)

Frauen sollen auch im öffentlichen Sprachgebrauch auf den ihnen aus Ihrer Sicht zustehenden Platz verwiesen werden und möglichst nicht wahrnehmbar sein.

Wie sagen Sie immer? „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.“ – Für weibliche Berufs- und Amtsbezeichnungen soll das aber nicht gelten? Das machen wir nicht mit. Wir lehnen Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die SPD erteile ich der Abgeordneten Frau Kopp-Herr das Wort.

Regina Kopp-Herr (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir konnten im letzten Jahr feiern, und wir können auch in diesem Jahr feiern: 100 Jahre Frauenwahlrecht im vergangenen Jahr und im Mai dieses Jahres 70 Jahre Gleichberechtigung im Grundgesetz.

Seit mehr als 30 Jahren diskutieren wir über die Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache – und nun dieser AfD-Antrag, der gerade diesen Diskussionsprozess rigide beenden will.

Sprache – das ist bei der Kollegin Wendland schon angeklungen – ist das wichtigste Verständigungsmittel. Sie ist Spiegel unseres Denkens und Bewusstseins.

Schon 2016 habe ich in der Debatte zu einem Antrag der FDP zu geschlechtergerechter Sprache für meine Fraktion deutlich gemacht, dass es viele Institutionen wie Universitäten, Hochschulen, Kommunen und Regierungen gibt, die die Bedeutung und Wichtigkeit einer geschlechtergerechten Sprache erkannt haben. Ihnen ist klar, dass alle Menschen angesprochen werden wollen und sollen.

Deshalb ist eine geschlechtergerechte Sprache eine respektvolle Sprache. Es geht dabei auch um die Sichtbarkeit von Frauen und von Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen, im öffentlichen Raum.

(Beifall von der SPD und Josefine Paul [GRÜNE])

Zur Anwendung der geschlechtergerechten Sprache gibt es zahlreiche Handlungsempfehlungen und Leitfäden.

Gabriele Hooffacker von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig gibt ihren Student*innen in einer Art Checkliste mit auf den Weg, dass Gendergerechtigkeit bereits vor dem Verfassen von Texten aufgegriffen werden soll. Als praktische Beispiele sollen in der Berichterstattung in den Medien ausgewogen Frauen und Männer ausgewählt werden, und es soll auch mal eine weibliche Führungskraft zu Wort kommen. Des Weiteren führt sie aus, dass ein geschlechtergerechter und geschlechtersensibler Umgang mit Sprache ein kreativer Umgang mit Sprache ist. Sie verweist außerdem auf rechtliche Rahmenbedingungen auf EU-, Bundes- und Landesebene dazu, dass amtliche Veröffentlichungen gendergerecht verfasst werden müssen.

Und nun kommt der AfD-Antrag und fordert die Abschaffung des § 4 im Landesgleichstellungsgesetz und die Rückkehr zum generischen Maskulinum. Dazu sage ich wie Frau Wendland: Nicht mit uns!

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Wir engagieren uns für mehr geschlechtergerechte und respektvolle Sprache. Sie tut nämlich der Schönheit der Sprache keinen Abbruch. Geschlechtergerechte Sprache ist für uns untrennbar mit einer fortschrittlichen Politik verbunden.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Ja, ja!)

Wir stimmen zwar der Überweisung zu, lehnen die Inhalte des Antrags aber ab. Denn, wie eingangs gesagt, die Sprache spiegelt unser Denken und Bewusstsein. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP spricht nun die Abgeordnete Frau Schneider.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

„Die Sprache ist der Spiegel einer Nation. Wenn wir in diesem Spiegel schauen, so tritt uns ein großes, treffliches Bild von uns selbst daraus entgegen.“

So sagte einst der Dramatiker Friedrich Schiller.

Auch aus den Reihen der Antragsteller wird dieses Zitat dieser Tage immer wieder bemüht. Doch daran kann man wieder einmal erkennen, dass Fremd- und Eigenwahrnehmung bisweilen kolossal auseinanderdriften. Denn wenn die Antragsteller in den Spiegel schauen, blickt ihnen mindestens der Mief der 50er-Jahre entgegen, wenn nicht gar Kasernenton und Pickelhaube längst vergangener Tage.

(Beifall von der FDP, der CDU und der SPD)

Sie wollen eine sprachliche Rolle rückwärts – zurück in Zeiten, die glücklicherweise längst vorbei sind. Aber das ist ja nichts Neues.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Ihr Blick ist stets nach hinten gerichtet und nicht nach vorne. Die Zeit lässt sich aber nun einmal nicht anhalten und schon gar nicht zurückdrehen.

Ihr Antrag geht daher in der Sache völlig fehl. Denn er verkennt ein wesentliches Merkmal, das Sprache ausmacht. Sprache verändert sich, und Sprache entwickelt sich. Das ist ein Prozess, den man nicht künstlich aufhalten kann – schon gar nicht von oben.

Die Weiterentwicklung der Sprache findet letztendlich immer ihren Weg. Deshalb wird beispielsweise auch der deutsche Duden ständig überarbeitet und angepasst. Das Wort „Wählscheibe“ findet sich künftig nicht mehr darin, das Wort „Handy“ aber sehr wohl.

Haben die Antragsteller überhaupt einmal sich selbst oder den eigenen Parteifreunden bei ihrer Sprachkampagne zugehört? Da wird munter von Vergewaltigung der Muttersprache, Zertrümmerung, Missbrauch, Gender-Idioten und Orwell-Projekten fabuliert.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Genau!)

Merken Sie eigentlich, was Sie damit der Sprache antun?

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Und merken Sie eigentlich, was Sie den Menschen damit antun, die wirklich Opfer von Vergewaltigungen oder von Missbrauch wurden?

(Josefine Paul [GRÜNE]: So ist das nämlich! – Dr. Christian Blex [AfD]: Dafür sind Sie ja wohl verantwortlich!)

Als freie Demokraten befürworten und befördern wir eine liberale, freiheitlich orientierte und tolerante Gesellschaft, in der jeder sein Leben nach seinen Vorstellungen gestalten und leben darf. Wir verurteilen daher jegliche Art von Diskriminierung – sei es aufgrund der ethnischen und sozialen Herkunft, des Geschlechts, der Weltanschauung, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung – aufs Schärfste.

Aufgrund dieser Überzeugung sagen wir Ja zu sprachlichen Äußerungen, die Respekt gegenüber dem Kommunikationsteilnehmer oder den Kommunikationsteilnehmern zeigen. Geschlechtergerechte Sprache kann so auch ein Baustein für die Gleichstellung aller Geschlechter sein.

Es ist ja nicht so, als hätten die Landesregierung und die Landesverwaltung diese Anforderung nicht im Blick. Völlig zu Recht nutzt man eine geschlechtsneutrale Sprache, um damit auch die gelebte Gleichberechtigung der Geschlechter wertzuschätzen. Das ist nicht nur ein respektvoller Umgang miteinander, sondern auch ein Verfassungsauftrag. Für die Erfüllung dieses Auftrags brauchen wir aber sicherlich keine Nachhilfe vom Antragsteller.

(Beifall von der FDP, der CDU und Josefine Paul [GRÜNE])

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, Sprache entwickelt sich. Auf dem Weg der Fortentwicklung gibt es sicherlich auch mal Irrwege. Manche Sprachverrenkungen, die sehr dogmatisch motiviert sind, fördern nicht die Gleichberechtigung, sondern rufen – wenig überraschend – Abwehrreaktionen hervor. Darauf haben wir als FDP-Landtagsfraktion bereits 2016 in unserem wunderschönen Antrag „Rasenmäher statt RasenmäherIn – unsere Sprache nicht verrenken!“ hingewiesen.

Abstruse Sprachpirouetten wie „BürgerInnensteige“ oder „StaubsaugerInnen“ halten wir auch weiterhin nicht für tauglich.

(Regina Kopp-Herr [SPD]: Das will doch auch kein Mensch haben!)

Auch das gerne mal von Rot-Grün verwendete Substantiv „MitgliederInnen“ ist schlichtweg falsch,

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das sagt doch niemand! – Regina Kopp-Herr [SPD]: Genau!)

da es sich hier grammatikalisch um ein Neutrum handelt.

(Beifall von der FDP und der CDU – Monika Düker [GRÜNE]: Das ist Fake, was Sie erzählen!)

Mancher Akteur – zum Beispiel die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover – schießt mit seinen Sprachvorgaben auch über das Ziel hinaus. Nicht jede sprachliche Umformung ist wirklich hilfreich.

Bei manchem Vorschlag zur gegenderten Sprache drohen auch Umkehreffekte, wenn die Mehrgeschlechtlichkeit nicht mehr als selbstverständlich angesehen wird, weil die Unterschiedlichkeit der Geschlechter überbetont wird. Das tut weder dem einzelnen Gesellschaftsmitglied noch der Gesamtgesellschaft gut. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der Grünen erteile ich der Abgeordneten Frau Paul das Wort.

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sprache schafft Realität. Sie produziert Hör- und Sichtbarkeit. Sie nimmt Identitäten ernst. Bestenfalls soll sie die Vielfalt unserer Gesellschaft wortwörtlich zum Ausdruck bringen.

Wir sind noch lange nicht am Ziel. Aber wir sind auf einem Weg. Diesen konsequent zu beschreitenden Weg, zu dem es allerlei Leitfäden, Debatten und gute Beispiele gibt, wollen Sie zurückdrehen. Gott sei Dank lässt sich dieser Weg des Fortschritts auch von Ihnen nicht zurückdrehen.

Es zeigt sich aber – Sie befeuern das noch einmal –, dass ein regelrechter Kulturkampf um den Gender-Star entbrannt zu sein scheint. Heißt es dann eigentlich „das“ generische Maskulinum oder „der“ generische Maskulinum? Das müssen Sie mir vielleicht noch einmal erklären. Als wäre das die letzte Bastion hegemonialer Männlichkeit!

Und wenn ich in Ihre Reihen schaue …

(Helmut Seifen [AfD]: Das! Das Maskulinum! – Weitere Zurufe von der AfD)

– Ach so. „Das“ ist dann noch okay. Ich würde vorschlagen, dass Sie es in „der“ generische Maskulinum umbenennen.

(Heiterkeit von Susanne Schneider [FDP])

Wie dem auch sei! Die Frauen Ihrer Fraktion – die zwei, die es nur gibt – haben bei dieser Debatte offensichtlich auch schon die Flucht ergriffen, weil ihnen diese hinterwäldlerische, ewig gestrige Debatte ebenfalls peinlich zu sein scheint.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sprache ist im Wandel. Die Kolleginnen haben schon darauf hingewiesen. Sie lebt und wird von denen gelebt, die sie nutzen. Das sind heute nicht mehr Goethe und Schiller, sondern die vielen Menschen, die tagtäglich mit Sprache umgehen. Dementsprechend hat die Sprache sich über die Jahrhunderte und Jahrzehnte entwickelt.

(Helmut Seifen [AfD]: Aber nicht künstlich!)

Sie spiegelt einerseits den Zeitgeist und andererseits – das ist sehr gut so – gesellschaftliche Entwicklungen wider. Ich will ganz deutlich sagen, dass die Frage von Gleichberechtigung keine Mode ist. Das ist auch keine Entscheidung, die wir jeden Tag neu treffen. Vielmehr ist Gleichberechtigung ein Grund- und Menschenrecht mit Verfassungsrang.

Ein Blick ins Grundgesetz zeigt, dass der Staat in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 aufgefordert wird und ist, auf die Beseitigung bestehender Benachteiligungen hinzuwirken. Marginalisierung, und sei es sprachliche Marginalisierung, ist eine ebensolche Benachteiligung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dementsprechend gilt es, dem konsequent entgegenzutreten. Dem trägt auch § 4 Landesgleichstellungsgesetz Rechnung. Das ist gut und richtig so; denn damit setzt das Land den verfassungsmäßigen Auftrag durch das LGG um.

Kollegin Kopp-Herr hat schon darauf hingewiesen, dass wir in diesem Jahr 100 Jahre Frauenwahlrecht und 70 Jahre Grundgesetz feiern. Es ist doch absurd, dass wir nach wie vor die Diskussion führen, ob Frauen mitgemeint sind. 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts und 70 Jahre nach Inkrafttreten des Gleichstellungsartikels im Grundgesetz müsste eigentlich selbst bei Ihnen angekommen sein, dass Frauen selbstverständlich nicht mitgemeint sind, sondern dass sie Teilhabe an der Gesellschaft auch in der Sprache zu Recht einfordern

(Helmut Seifen [AfD]: Genau!)

und dass es gilt, dies endlich konsequent umzusetzen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass auch Inter*Menschen – ob Ihnen das nun passt oder nicht – nicht mitgemeint sind, sondern dass auch sie sprachlich positiv sichtbar gemacht werden müssen. Das ist ebenfalls gut und richtig; denn es trägt der gesellschaftlichen Vielfalt in unserem Land Rechnung.

Das Gleichstellungsreferat der Landeshauptstadt Hannover und die von ihm – übrigens mit Zustimmung des Oberbürgermeisters und der DezernentInnenkonferenz – herausgegebene „Empfehlung für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache“ sind schon angesprochen worden. Das ist doch das Vorbild für das 21. Jahrhundert.

Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass Nordrhein-Westfalen, wenn es das alles abschafft, Vorbildcharakter haben könnte. Nein! Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Vorbildcharakter haben diejenigen, die die gesellschaftliche Realität abbilden und sich gegen Diskriminierung wenden, und nicht diejenigen, die mit Volldampf ins vorherige Jahrhundert wollen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Ich will Ihnen einige Beispiele nennen. Aus „Teilnehmern des Projekts“ werden „Projektteam“ oder „Teilnehmende des Projekts“. Aus einem „Rat der Psychologen“ wird ein „psychologischer Rat“. Es wird nicht gesagt: „Es gab 20 Teilnehmer“, sondern: „Teilgenommen haben 20 Personen“.

Das ist auch kein Rednerpult. Wenn ich hier stehe, muss es auch nicht zwingend ein Rednerinnenpult sein. Es kann auch einfach ein Redepult sein, weil von hier geredet wird.

(Helmut Seifen [AfD]: Das ist doch Quatsch!)

Es tut doch eigentlich nicht weh. Das tut auch Ihnen nicht weh. Ich will es so deutlich sagen: Es nimmt Ihnen auch nicht Ihre Männlichkeit. Da können Sie ganz unbesorgt sein.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Helmut Seifen [AfD]: Da habe ich keine Sorge!)

Sehr geehrte Damen und Herren, im Antrag – daran kann man sehen, in welche beängstigende Richtung diese Diskussion geht – schreiben Sie vom „Missbrauch der Sprache“. In Debatten wird auch gerne davon gesprochen, dass die Sprache vergewaltigt werde.

(Zuruf von der AfD: Genau!)

Kollegin Schneider hat schon darauf hingewiesen, dass das zum einen Gewalt gegen Frauen verharmlost. Und das werden wir nicht zulassen. Zum anderen macht es noch einmal sehr deutlich, was für ein Abwehrkampf gegen die offene Gesellschaft das ist.

Aber glücklicherweise werden Sie diesen Abwehrkampf, dieses letzte Aufbäumen der hegemonialen Männlichkeit, nicht gewinnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Lachen von Helmut Seifen [AfD])

Weder sind die Diskriminierung bei Karnevalsreden und die Diffamierung von Minderheiten eine gute Tradition, noch ist eine exkludierende Sprache, zu der Sie mit Ihrem Antrag zurückkehren wollen, eine „schöne kulturelle Überlieferung“, wie Sie schreiben. Nein! Ihr Antrag ist nichts anderes als ein Zurück in die Vergangenheit. Er zeigt sehr eindeutig Ihre ewig gestrige Haltung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstem erteile ich dem fraktionslosen Abgeordneten Herrn Pretzell das Wort.

Marcus Pretzell (fraktionslos): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen!

(Zuruf einer SPD-Abgeordneten: Danke! Dann können wir ja gehen!)

– Sie können auch bleiben und zuhören; ganz, wie es Ihnen beliebt.

Vorhin ist das Beispiel der Universität Leipzig genannt worden. Interessanterweise hat die Universität Leipzig sich auch dafür entschieden, sich auf eine Version festzulegen. Das ist nämlich sprachlich einfacher, als ständig zwei bzw., wenn wir auch Inter*Menschen berücksichtigen, drei Geschlechter richtig anzusprechen. Man hat sich dort für das generische Femininum entschieden. – Das nur der Vollständigkeit halber.

Völlig zu Recht hat meine Vorrednerin gesagt, dass Sprache, gerade beim Thema „Gender“, derzeit dem Zeitgeist folgt. Das ist vielleicht auch Teil des Problems. Wenn wir mit der Sprache ständig den Zeitgeist folgen, müssen wir die Sprache nämlich immer wieder ändern. Das ist überaus hinderlich.

Der Verweis auf Art. 3 des Grundgesetzes ist aus folgendem Grund besonders lustig – vorhin war von der Bundeskanzlerin die Rede –: Dieselben Väter und Mütter des Grundgesetzes, die den Art. 3 dort hineingeschrieben haben, haben in Art. 63 den Bundeskanzler normiert. Die Bundeskanzlerin hat das nicht gestört, sie ist trotzdem Bundeskanzlerin geworden. Das hat am Ende eben nicht verhindert, dass eine Frau Bundeskanzlerin wird.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Was für ein Brüller! – Josefine Paul [GRÜNE]: Wenn man kein Beispiel hat, sollte man es lassen!)

Sprache findet in der Welt normaler Menschen, die nicht Politiker sind, nach wie vor ohne Gendersternchen und ohne Binnen-I statt.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Vielleicht in Ihrer Alltagswelt!)

Es ist gerade nicht so, dass die Politik dem Zeitgeist folgt, sondern die Politik versucht, einen Zeitgeist überhaupt erst zu initiieren. Ich kann Ihnen sagen: In meinem Privatleben

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das glaube ich Ihnen gerne!)

wird ohne Gendersternchen, ohne zwei, drei – ich weiß nicht, wie viele – Geschlechter gesprochen, und das funktioniert.

(Josefine Paul [GRÜNE]: In meinem …)

– In Ihrem auch? Wunderbar!

(Josefine Paul [GRÜNE]: Nein, in meinem wird gegendert! Das können die!)

Die Frage ist, warum Behörden unbedingt auf diese Art und Weise kommunizieren sollen, sodass Menschen sie nicht mehr verstehen. Ich halte das für absolut überflüssig.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

– Eben nicht nur Mann und Frau. Am Ende kommt das Thema „Inter*Menschen“ auch noch dazu. Die müssen Sie dann auch noch hinzufügen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Ja, richtig so! – Regina Kopp-Herr [SPD]: Ja, und das ist auch richtig!)

– Ja, und, und, und …

Deutsche Behördenschreiben sind ja für ihre Einfachheit, Schlichtheit und Verständlichkeit bekannt.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Hören Sie sich eigentlich selber zu?)

Damit leisten Sie einen weiteren Beitrag dazu, dass am Ende Menschen nicht mehr verstehen, was Behörden eigentlich von ihnen wollen. Damit machen Sie Behörden letztlich lächerlich. Deswegen ist das sehr wohl ein Problem. Es wäre schön, wenn wir uns an das hielten, was für 90 % der Menschen in diesem Lande nach wie vor die deutsche Sprache ist.

(Beifall von Frank Neppe [fraktionslos])

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nun spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Scharrenbach.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben uns vor noch gar nicht allzu langer Zeit über „100 Jahre Frauenwahlrecht“ unterhalten und das Jubiläum miteinander gefeiert. Wenn Sie sich erinnern: Die erste Rede einer Frau, die damals im Reichstag von der damaligen SPD-Abge-ordneten Marie Juchacz gehalten wurde, begann mit den Worten „Meine Herren und Damen“, und das Protokoll notierte Heiterkeit. Dem Grunde nach zog damals die Gleichberechtigung in die frei gewählten Parlamente ein.

Es ist schon bemerkenswert, dass es 100 Jahre später wieder darum geht, wie wir eigentlich miteinander umgehen sollten. Das ist umso bemerkenswerter, als dass Sie ja auch auf die Idee hätten kommen können, das generische Femininum zu beantragen. Aber offensichtlich fühlten Sie sich davon nicht angesprochen, wenn wir so sprechen würden. Das ist erstaunlich, nicht wahr?

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN)

Es gibt Anträge, zu denen ich mich wirklich sehr gerne und sehr lange äußere, aber gestatten Sie mir, dass sich die Landesregierung zu solchen Anträgen kurzfasst.

Thom Renzie hat einmal gesagt: „Sprache. Im Unterschied zum Verstand muss das Herz nicht erst lange lernen.“ Deshalb gestatten Sie mir den Hinweis: Lernen Sie noch ein bisschen.

Wir sind im Hinblick auf die Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter miteinander, glaube ich, auf einem sehr guten Weg. Alle diejenigen im Raum, die Töchter haben, wissen, wie wichtig es ist, dass man auch Töchter anspricht. Insofern denke ich, dass selbst in Ihren eigenen Familien so ein Antrag nicht auf großen Widerhall stößt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, die Landesregierung ist bei dem Thema „Gender“ sehr fokussiert. Wir wissen, dass wir es auch im Zusammenhang mit den Exzellenzinitiativen unserer Hochschulen sehr deutlich akzentuiert haben. Das bedeutet, dass wir mit der Sprache natürlich entsprechend differenziert umgehen und die Geschlechter gleichermaßen adressieren. Das gehört sich so im Jahre 2019, 100 Jahre nach der ersten Rede einer weiblichen Abgeordneten im damaligen Reichstag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es gibt eine Kurzintervention aus den Reihen der AfD. Herr Dr. Blex hat jetzt das Wort.

Dr. Christian Blex (AfD): Frau Ministerin, Sie haben unseren Antrag soeben schön gebasht.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Auch so ein Wort von Goethe!)

Sie wissen schon, dass zu den Mitunterzeichnern der Erklärung des Vereins Deutsche Sprache unter anderem Herr Markwort gehört, Mitglied und MdL der FDP in Bayern. Außerdem zählen dazu Herr Hans-Georg Maaßen, Mitglied der CDU, und Josef Kraus, auch Mitglied der CDU. Das ist Ihre Partei bzw. die Partei Ihrer Koalition. Das wissen Sie.

Der französische Premierminister Édouard Philippe ist Mitglied der Bewegung „La République en Marche!“ von Merkels Busenfreund.

Sie haben soeben das generische Femininum angesprochen. Ihnen ist doch sicherlich bewusst – auch weil Sie uns dafür kritisiert haben –, dass wir, um die jahrhundertelange Unterdrückung und Ausbeutung der Frauen zu „würdigen“, bei den Grünen konsequent das generische Femininum anwenden. – Danke schön.

Präsident André Kuper: Bitte, Frau Ministerin.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank für diese Kurzintervention.

(Michael Hübner [SPD]: Das kann man so stehen lassen, dazu muss man nichts sagen!)

– Herr Hübner, ich gebe Ihnen ungerne uneingeschränkt recht – das wissen Sie auch –, aber an dieser Stelle haben Sie einfach recht. Es bleibt so stehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Michael Hübner [SPD]: Danke, Frau Ministerin!)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich habe eine weitere Wortmeldung aus den Reihen der AfD. Herr Abgeordneter Wagner hat das Wort.

Markus Wagner (AfD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verein Deutsche Sprache hat eine Onlinepetition mit dem Titel „Schluss mit dem Gender-Unfug!“ initiiert, der sich bereits 53.000 Unterzeichner angeschlossen haben, unter anderem der Vorsitzende der WerteUnion, Alexander Mitsch. Er sagt: Ziel der Gender-Ideologen ist es – ich zitiere –,

„über Vorschriften zum Gebrauch von Worten das Denken der Menschen zu manipulieren und letztlich die Meinungsfreiheit einzuschränken.“

Recht hat er.

Die Zeit ist knapp. Ich stelle abschließend zweierlei fest:

Erstens. Selbst in der Union gibt es noch Menschen, die die Werte vertreten, für die die CDU einstmals gestanden hat.

Zweitens. Die AfD-Fraktion ist die einzige Fraktion in diesem Hause, die die Petition des Vereins Deutsche Sprache unterstützt,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Gott sei Dank!)

und das werden wir auch weiterhin tun. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Wir kommen damit zum Schluss der Aussprache und zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/5358 an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen – federführend –, an den Wissenschaftsausschuss, an den Rechtsausschuss sowie an den Hauptausschuss. Die abschließende Aussprache und Abstimmung sollen im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer diesem Beschlussvorschlag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD, die Grünen, die CDU, die FDP, die AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten Neppe und Pretzell. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Damit rufe ich auf:

6   Fragestunde

Drucksache 17/5448

Mit der Drucksache 17/5448 liegen Ihnen die Mündlichen Anfragen 36 und 37 aus der Fragestunde vom 20. Februar 2019 sowie die Mündliche Anfrage 38 vor.

Ich weise darauf hin, dass der Fragesteller der Mündlichen Anfrage 37, der Abgeordnete Stefan Zimkeit von der Fraktion der SPD, seine Anfrage schriftlich zurückgenommen hat. Daher wird in der heutigen Fragestunde nach der Mündlichen Anfrage 36 unmittelbar die Mündliche Anfrage 38 aufgerufen.

Ich rufe somit die

Mündliche Anfrage 36

der Abgeordneten Verena Schäffer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf.

Ich darf vorsorglich darauf hinweisen, dass die Landesregierung in eigener Zuständigkeit entscheidet, welches Mitglied der Landesregierung eine Mündliche Anfrage im Plenum beantwortet. Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Professor Dr. Pinkwart antworten wird. Ich erteile Ihnen nun das Wort.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat sich in den vergangenen Monaten in der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ sowie in Gesprächen mit der Bundesregierung für eine Begleitung des Strukturwandels auch an den Standorten von Steinkohlekraftwerken eingebracht. Wir hatten in den letzten Wochen und Monaten in Plenarsitzungen und auch in Sitzungen des Fachausschusses Gelegenheit, uns hierzu auszutauschen.

Anders als beim Strukturwandel in der Braunkohlewirtschaft kann aufgrund des Auktionierungsmodells für die heutigen Standorte der Steinkohlekraftwerke nicht zuverlässig eingeschätzt werden, welche Gebietskörperschaft zu welchem Zeitpunkt vom Kohleausstieg betroffen sein wird.

So empfiehlt die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, die Leistung der Kohlekraftwerke im deutschen Markt bis 2022 um 7,7 GW zu reduzieren.

Es ist von einer erheblichen bundesweiten Streuung der Betroffenheit auszugehen. Auch im Ruhrgebiet konzentrieren sich die Steinkohlekraftwerksstandorte nicht so stark wie die Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier.

Mit dem Auslaufen der Steinkohleförderung im Ruhrgebiet Ende des vergangenen Jahres ergibt sich ein weiterer Unterschied dahin gehend, dass die Befeuerung dieser Anlagen ausschließlich durch Importkohle erfolgt, während im Rheinischen Revier nicht nur Braunkohlekraftwerke unterhalten werden, sondern auch der dazugehörige Tagebau.

Im Ruhrgebiet kommt hinzu, dass insbesondere die dort am Netz befindlichen Steinkohlekraftwerke zu 80 % auch Fernwärme auskoppeln,

(Zuruf von der SPD: Nicht so schnell!)

sodass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass diese Kraftwerke nicht gleich zu Beginn und nicht alle gleichzeitig, sondern nach und nach aus dem Markt gehen bzw. durch Gaskraftwerke ersetzt werden.

Die Landesregierung hat sich bereits im Rahmen der Beratungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ dafür starkgemacht, dass besonders vom Kohleausstieg betroffene Steinkohlekraftwerksstandorte Zugang zu den von der Kommission herausgearbeiteten strukturpolitischen Maßnahmen und Instrumenten erhalten. Erfreulich ist, dass die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ auf die Vorschläge aus Nordrhein-Westfalen eingegangen ist.

Sie empfiehlt in ihrem Abschlussbericht, Strukturhilfen an den Steinkohlekraftwerksstandorten dann zur Verfügung zu stellen, wenn der Anteil der Steinkohlewirtschaft an der regionalen Wertschöpfung von erheblicher Relevanz ist.

Hier ist es wichtig, noch einmal hervorzuheben, dass auf einer Veranstaltung, die unlängst in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalens in Berlin stattgefunden hat und von der Organisation der nordrhein-westfälischen Industrie- und Handelskammern ausgerichtet wurde, Herr Priggen als Mitglied der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ darauf aufmerksam gemacht hat, die Kommission habe Wert darauf gelegt, dass die Ausgleichsmaßnahmen für die Steinkohlekraftwerksstandorte zusätzlich zu den Strukturhilfen für die Braunkohlestandorte vom Bund gewährt werden sollen. Diese Bemerkung kann ich hier nur noch einmal für die Landesregierung unterstreichen.

(Beifall von der CDU)

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen erwartet von der Bundesregierung, dass sie, wie von der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ empfohlen, einen konkreten Vorschlag macht, wie die besonders betroffenen Standorte durch ein Förderprogramm der Bundesregierung unterstützt werden können. So hat sich die Landesregierung auch im vergangenen Jahr in die Verhandlungen eingebracht und wird dies in den anstehenden Gesprächen mit der Bundesregierung weiterhin tun.

Die Landesregierung wird in jedem Einzelfall nach Lösungen suchen, um die Gebietskörperschaften bei diesen Fragestellungen angemessen zu unterstützen. So ist zum Beispiel das Ruhrgebiet Fördergebiet im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Aus diesem Programm hat die Landesregierung auch in der Vergangenheit die Wiedernutzbarmachung von Kraftwerkstandorten gefördert, und sie wird auch in Zukunft darauf zurückgreifen.

Neben anderen Initiativen im Rahmen der Ruhrkonferenz unterstützt die Landesregierung im Ruhrgebiet zum Beispiel den Aufbau eines neuen Spitzenclusters „Innovative Industrie“. Es wird darum gehen, hochinnovative industrielle Anlagen, Prozesse und Verfahren zu entwickeln, die auf die Herausforderungen von Klimaschutz, Digitalisierung und Entwicklung zukunftsweisender Schlüsseltechnologien und neuer Materialien einzahlen.

Die Landesregierung steht dazu in engen Gesprächen mit bedeutenden Unternehmen der Region wie etwa Siemens, Steag, thyssenkrupp, RWE, Mitsubishi, Hitachi und E.ON.

Die Wirtschaftsförderungen der Region sind eng eingebunden, und selbstverständlich soll vor allem auch die mittelständische Wirtschaft am Projekt beteiligt werden. Ebenso sind die Betriebsräte und die Gewerkschaften eingebunden.

Im Rahmen der Ruhrkonferenz entwickelt die Landesregierung unter Federführung meines Kollegen Holthoff-Pförtner mit der Region Ruhr auch urbane Energielösungen im Quartier, die erneuerbare Energien nutzen sowie Effizienzpotenziale und Flexibilisierungsoptionen ausschöpfen. Hierzu werden Herr Teyssen und ich am Freitag einen Workshop zusammen mit Partnern aus der Metropole Ruhr organisieren.

Mit urbanen Energielösungen wollen wir mit den Werkzeugen der Digitalisierung das integrierte Zusammenspiel der Sektoren Strom, Wärme, Kälte und Mobilität realisieren. Die ganzheitliche Optimierung des Energiesystems auf Ebene des Quartiers ermöglicht die emissionsarme, bezahlbare und lebenswerte Stadt der Zukunft. – Herzlichen Dank für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Ich habe dazu eine Nachfrage der Abgeordnetenkollegin Frau Schäffer. Bitte schön, Frau Schäffer, Sie haben das Wort.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Pinkwart, für die Ausführungen. Sie haben gerade noch einmal gesagt – das hatten wir auch schon, ich glaube, im November diskutiert –, dass Sie damals eigene Vorschläge einbringen wollten. Jetzt haben Sie erklärt, Sie hätten eigene Vorschläge eingebracht. Mich interessiert, welche konkreten Forderungen in Bezug auf die Strukturförderung für das Ruhrgebiet die Landesregierung in der Kohlekommission nicht durchsetzen konnte.

Präsident André Kuper: Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. – Sehr verehrte Frau Abgeordnete Schäffer! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte Ihnen ja dargelegt, Frau Schäffer, dass wir uns glücklich schätzen, dass die Kommission auf unsere Anregungen und auch die anderer Beteiligter eingegangen ist und einen eigenen Absatz, eine eigene Passage zu den Problemstellungen der Steinkohlekraftwerksstandorte in den Bericht aufgenommen hat. Genau das war unser Ziel. Das war auch unter anderem ein ganz klares Ziel der in der Kommission vertretenen Gewerkschaftsvertreter. Wir halten das für absolut gut gelungen und richtig.

Ich hatte Ihnen den Mechanismus erklärt. Bei der Braunkohle haben wir nur zwei Parteien, im Osten und im Westen je nur ein Unternehmen. Da können Sie nicht auktionieren. Da müssen wir jetzt Verhandlungslösungen finden. Dazu hat die Kommission die Bundesregierung auch ermuntert, wenn ich das mal so formulieren darf. Die Verhandlungen werden ja auch schon aufgenommen.

Anders als bei der Braunkohle kann man bei der Steinkohle in Anbetracht der Tatsache, dass wir mehrere Standorte in Deutschland haben, mehrere Betreiber haben, zu einem wettbewerblichen Verfahren der Auktionierung finden. Die Bundesregierung bestimmt in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur, in welchen Gebieten welche Kapazitäten unter Berücksichtigung der Netzstabilität innerhalb welches Zeitraums vom Netz genommen werden können. Dann wird eine Auktion durchgeführt. Dann müssen sich Unternehmen beteiligen. Dann wissen wir, welche Standorte wann von diesem Strukturwandel betroffen sind.

Dabei wird es davon abhängen, in welcher Qualität sich der Standort dann weiterentwickelt, wie ich dargelegt habe, mit einer Folgenutzung oder mit einer vollständigen Aufgabe des Kraftwerks. Im Falle einer vollständigen Aufgabe geht es ja um den Rückbau des Kraftwerkes und eine Revitalisierung der Flächen. Für diese Maßnahmen müssen dann entsprechende Mittel vom Bund bereitgestellt werden.

Wir sind mit dem Bund natürlich in allen den Bericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ betreffenden Punkten in Gesprächen, in die die vier Braunkohleländer insbesondere eingebunden sind. Wir besprechen mit dem Bund aber dann nicht nur das Braunkohlethema, sondern eben auch das Steinkohlethema. Wir sprechen mit dem Bundeswirtschaftsministerium, das die Federführung bei den Struktur- wie bei den Energiefragen hat, also bei den Kraftwerksstandorten und auch der Vorbereitung des entsprechenden gesetzlichen Regelwerkes.

In den Gesprächen – so weit kann ich heute berichten; ich hatte es im Ausschuss schon angedeutet – zeichnet sich ab, dass möglicherweise die im Kommissionsbericht genannte Betroffenheitsquote von 0,9 des regionalen BIP auch noch einmal abgesenkt werden könnte, also noch eine Verbesserung gegenüber dem erreicht werden könnte, was die Kommission empfohlen hat. Das könnte die positive Folge haben, dass mehrere Standorte in der Metropole Ruhr – möglicherweise auch alle, dann, wenn es zu Schließungen kommen sollte – einen Strukturausgleich erzielen könnten. Das ist auch unser Bestreben. Hierzu sind wir in den Gesprächen mit der Bundesregierung, mit dem zuständigen Ministerium.

Insoweit, würde ich im Moment sagen wollen, sind wir mit dem, was im Kommissionsbericht erreicht werden konnte, und den Gesprächen mit der Bundesregierung erst einmal sehr zufrieden. Wir sehen darin unsere Forderungen erfüllt.

Die Kommission hatte für sich geklärt, dass sie sich selbst ausschließlich in Bezug auf die Braunkohlestandorte mit strukturpolitischen Detailvorschlägen beschäftigen wollte. Sie hat für sich entschieden, dass sie deshalb auch „nur“ die vier Braunkohleregionen besucht bzw. im Prinzip drei Regionen: Mitteldeutschland, Lausitz und das Rheinische Revier.

Sie hat sich jetzt keine Steinkohlekraftwerksstandorte angesehen. Das wäre sehr wahrscheinlich auch schwierig geworden, weil es in Deutschland sehr viele gibt und auch welche in Regionen, die keinen Strukturnachteil erkennen lassen; ich nenne Mannheim oder Stuttgart. Das zweitgrößte Steinkohleverstromungsland ist ja Baden-Württemberg. Das weiß nicht jeder, aber es ist so.

Dort werden die Steinkohlekraftwerke mutmaßlich auch noch etwas länger gebraucht, wenn die Kernenergie vom Netz geht. Hier wäre es sehr schwierig geworden, sich jetzt mit den Strukturbedingungen an den unterschiedlichen Standorten zu beschäftigen.

Deshalb hat die Kommission davon abgesehen, hier ins Detail zu gehen.

Sie hat vielmehr einen Regelmechanismus empfohlen, der es der Bundesregierung erlaubt, auch die Standorte in den Blick zu nehmen, die in erheblichem Maße – nach dieser Definition oder einer günstigeren, über die wir jetzt verhandeln – als förderwürdig infrage kommen. Dann werden die Maßnahmen abgestimmt, die es zu treffen gilt.

Dabei wird man auch zu berücksichtigen haben: Gehen die Kraftwerke schon 2022 vom Netz? Gehen sie Mitte der 20er-, Ende der 20er-Jahre oder vielleicht erst in den 30er-Jahren vom Netz? Davon werden sicherlich auch die Entschädigungszahlung und die Strukturausgleichszahlung abhängig sein.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Eine erste Zusatzfrage des Abgeordneten Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident, vielen Dank. – Auch Ihnen, Herr Minister, vielen Dank für Ihren Vortrag. Ich will mich jetzt nicht bemühen, genauso langsam zu sprechen wie Sie, ich bin allerdings schon einigermaßen beeindruckt von dem, was Sie vorgetragen haben.

Wenn ich das für mich zusammenfasse – ich komme sofort zur Frage, Herr Präsident –, sind Sie von vornherein davon ausgegangen: Für das Ruhrgebiet ist nichts zu holen, weil es genauso strukturschwach ist wie viele andere Regionen in Deutschland, und deshalb gucken wir uns das gar nicht erst an.

Trotzdem gibt es im Abschlussbericht auf Seite 113 eine Passage – ich zitiere –:

„Es kommt daher entscheidend darauf an, dass die bestehenden Stärken und wirtschaftlichen Strukturen in den Braunkohlerevieren und den Steinkohlekraftwerksstandorten“

– das haben Sie gerade selbst gesagt –

„durch geeignete strukturpolitische Maßnahmen (Investitionen in Breitbandausbau, Verkehrsinfrastruktur, Forschung und Bildung) fortentwickelt werden, um umgehend neue wettbewerbsfähige Arbeitsplätze revierscharf zu schaffen, damit die Reduzierung der Kohleverstromung“

– und nicht ‑förderung, Herr Minister –

„fortschreiten kann.“

Deswegen stellt sich an Sie die Frage: Welche strukturpolitischen Maßnahmen hat die Landesregierung für die übrigen Standorte der NRW-Steinkohle-wirtschaft konkret, also nicht im Allgemeinen, mit Herrn Teyssen diskutiert, konkret in die Förderkulisse eingebracht, um auch hier für revierscharfe Beschäftigung sorgen zu können?

Präsident André Kuper: Bitte.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter, ich habe das eben sehr umfänglich behandelt. Wie Sie die Geschwindigkeit wahrgenommen haben, obliegt Ihnen selbst. Ich habe mich bei der Darstellung eines komplexen Sachverhalts um Präzision und Verständlichkeit bemüht, was Sie dennoch zu einer anderen Quintessenz geführt hat, als ich meinem Vortrag zugrunde gelegt hatte.

Ich habe dargelegt, dass wir bei Steinkohle- und bei Braunkohlekraftwerken eine unterschiedliche Herangehensweise haben.

Für Braunkohle – auch durch die Tagebaue – gibt es im Kommissionsbericht eine ausführliche Darlegung der Maßnahmen, die die Regionen sich vornehmen, um einen sehr tiefgreifenden Strukturwandel zu organisieren.

Solcherlei Beiträge wurden zu den Steinkohlestandorten aus den von mir ausführlich benannten Gründen nicht vorgenommen. Sie sind nicht Teil des Berichts. Vielmehr wird ein Mechanismus dargelegt, mit dem man Maßnahmen treffen kann.

Die Maßnahmen, die notwendig sind, werden wir mit großer Freude treffen, wenn klar ist, welche Kraftwerke wann in welcher Form vom Netz gehen oder fortentwickelt werden. Dann werden wir die Mittel, die der Bund bereitstellt, nach den Erfahrungen, die Nordrhein-Westfalen gerade auch in der Metropole Ruhr hat, einsetzen und ein geeignetes Instrumentarium finden, um sicherzustellen, dass sich eine solche Herausnahme von Kraftwerksblöcken, bezogen auf den Eingriff, strukturneutral verhält und dazu beiträgt, dass der Strukturwandel positiv begünstigt wird.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Eine erste Zusatzfrage von Herrn Remmel.

Johannes Remmel (GRÜNE): Schönen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister, Sie waren gerade so freundlich, Herrn Priggen und seine Aussagen auf der besagten Veranstaltung zu erwähnen. Nicht erwähnt haben Sie die Aussagen des Herrn Staatsministers a. D. und heutigen Parlamentarischen Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium Oliver Wittke, der auf der besagten Veranstaltung vorgetragen hat, dass 20 % der bisher vorgesehenen Mittel für das Rheinische Revier für das Ruhrgebiet vorzuhalten wären. Hier bedarf es wohl der Positionsklärung. Haben bisher solche klärenden Gespräche mit dem Bundeswirtschaftsministerium stattgefunden?

Präsident André Kuper: Bitte, Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordneter, es ist zutreffend, dass der Parlamentarische Staatssekretär Wittke in seiner Rede nicht von 20 %, sondern von 10 % sprach. Er meinte, 20 % dem Rheinischen Revier und 10 % den Steinkohlestandorten zuerkennen zu wollen. Dieser Bemerkung ist widersprochen worden, nicht nur von meiner Seite, sondern auch von Herrn Priggen und anderen Beteiligten. Woher die Grundlage für diese Aussage kommt, kann ich nicht nachvollziehen.

Wir haben in der WSB-Kommission und mit dem Bund folgende Vereinbarung getroffen – so laufen auch die Verhandlungen –:

Es gibt einen Ausgleich in Höhe von 40 Milliarden Euro, ein Betrag, den die Kommission für die Braunkohleregionen vorgeschlagen hat. Zusätzlich soll es für die Steinkohlekraftwerksstandorte Entschädigungsleistungen in angemessener Form und Strukturhilfen geben. Hier ist durch die Kommission kein Betrag festgelegt oder empfohlen worden.

Verständigt haben sich zwischenzeitlich die vier Braunkohleländer. Die Kommission hat empfohlen, dass die Braunkohleländer mit dem Bund klären, mit welchem Anteil die drei Reviere von den 20 mal 1,3 Milliarden Euro Bundesmitteln und 20 mal 0,7 Milliarden Euro den Ländern zuzuordnenden Ausgleichsmitteln für die Braunkohleregionen bei der Verteilung bedacht werden sollen. Die Braunkohleländer haben sich auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien dahin gehend verständigt, dass die Lausitz 43 %, das Rheinische Revier 37 % und das Mitteldeutsche Revier 20 % der Mittel erhalten sollen.

Das ist auch konzertiert und dem Bund zwischenzeitlich so mitgeteilt worden. Darüber hinaus gehen wir nach Lage des Berichtes und nach Lage der mit dem Bund geführten Gespräche davon aus, dass es zu angemessenen Strukturbeiträgen für die Steinkohlestandorte kommt.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Eine erste Zusatzfrage vom Abgeordneten Bolte-Richter.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich würde Ihnen gerne eine Frage zur zukünftigen Nutzung der Steinkohlekraftwerksstandorte stellen.

Sie hatten angesprochen, dass es laut Abschlussbericht einerseits die Möglichkeit gebe, die heutigen Steinkohlekraftwerke in die Reserve zu überführen, und es andererseits die Möglichkeit zum Brennstoffwechsel und damit zur Fortführung der Stromerzeugung im Markt gebe.

Ich möchte Sie fragen: Hat die Landesregierung unabhängig von den Auktionen, die Sie vorhin schon genannt haben, ein umfassendes und aufeinander abgestimmtes Gesamtkonzept für die Weiterentwicklung der Kraftwerksstandorte, oder überlässt sie die Entwicklung den individuellen Unternehmensentscheidungen und damit ein Stück weit dem Zufall?

Präsident André Kuper: Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Sehr geehrter Abgeordneter! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eine ganz klare Empfehlung durch die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Wir haben eine ganz klare Aufgabenverteilung in unserem Staatswesen zwischen Bund und Ländern. In der Energiepolitik haben wir eine klare Zuständigkeit des Bundes.

Wir haben es damit zu tun, dass sowohl bei der Braunkohle als auch bei der Steinkohle genehmigte Anlagen vorzeitig vom Netz genommen werden sollen. Hierfür gibt es klare Regelungen und Empfehlungen, auf deren Grundlage die Bundesregierung arbeitet. Unternehmen müssen sich am jeweiligen Standort auch mit Blick auf die Verantwortung für ihre Belegschaft entscheiden, an welchem Standort sie wann ihren Betrieb anpassen oder möglicherweise auch einstellen wollen.

Das sind unternehmenspolitische Entscheidungen, wie wir sie in einer sozialen Marktwirtschaft immer wieder antreffen. Das sind keine Zufallsentscheidungen, sondern unternehmenspolitische Entscheidungen, von denen wir erwarten, dass sie nach unserem Grundverständnis und unserem Grundgesetz verantwortlich stattfinden – in der Erfüllung sowohl der Verträge, die die Unternehmen energiewirtschaftlich abgeschlossen haben, als auch der sonstigen Verträge mit ihren Mitarbeitern und sonstigen Destinatären.

Wir haben überhaupt keinen Zweifel, dass die Betreiber das in großer Verantwortung tun werden, dass der Bund das in großer Verantwortung tun wird, dass der Bund sich jeweils mit der Bundesnetzagentur mit Blick auf die große Frage der Energieversorgungssicherheit abstimmen wird.

Dann werden wir wissen, zu welchen Auktionsterminen welche Kraftwerke anstehen. Dann werden wir einen Fahrplan haben. Sobald wir diesen kennen, werden wir mit dem Bund über die Strukturthemen reden. Wir werden mit den betroffenen Körperschaften ein Konzept auflegen, damit wird den Strukturwandel auch an dieser Stelle bestmöglich organisieren können.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Ich erteile das Wort zu ihrer ersten Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Brems.

Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich möchte gern kurz auf das Thema Kraft-Wärme-Kopplung zu sprechen kommen. Dazu haben wir in diesem Haus in den letzten Jahren viele gemeinsame Leitlinien und Ziele festgelegt. Nach meiner Information gibt es im Ruhrgebiet 28 unterschiedlich große Wärmenetze. Die sind von einem möglichen Ende der Steinkohleverstromung in der Region unterschiedlich betroffen – auch wenn es natürlich noch andere Wärmequellen gibt, aber es ist schon ein entscheidender Faktor, wie mit der Steinkohleverstromung umgegangen wird.

Meine Frage an Sie lautet, welche Konzepte oder Ideen sie haben oder vielleicht auch nur welche Gespräche Sie geführt haben, damit es in der jeweiligen Region dann nicht zu einem massiven Rückbau von KWK-Kapazitäten kommt.

Präsident André Kuper: Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Es ist völlig klar, deswegen habe ich auch darauf hingewiesen, dass das Thema der Wärmeversorgung gerade in der Metropole Ruhr eine große Bedeutung hat. Deshalb gehen wir davon aus, dass auch nicht so viele Steinkohlekraftwerke vollständig eingestellt werden.

Nach unseren Vorstellungen – das hatte ich eben ausgeführt – werden mutmaßlich 80 % der Kraftwerke eine Folgenutzung durch andere Befeuerung erfahren, auch um das Wärmenetz weiter zu versorgen. Ich hatte eben gesagt, dass wir in einer sozialen Marktwirtschaft sind. Die Unternehmen arbeiten vertragsgebunden. Sie haben Lieferverträge für die Wärmeversorgung. Diesen müssen sie auch in Zukunft nachkommen. Das wird mit den Beteiligten und uns abgestimmt.

Wir arbeiten gerade an einer Energieversorgungsstrategie für Nordrhein-Westfalen im Kontext des Berichts der Kommission „Wachstum, Struktur und Beschäftigung“. Wir haben Sie im Ausschuss ausführlich darüber informiert, in welcher Zeitachse wir das tun. Wir stehen mit allen wesentlichen Akteuren Nordrhein-Westfalens seit dem vergangenen Jahr in enger Abstimmung, um auch solche Fragen mit der Energiewirtschaft besprechen zu können. Wir werden diese Energiestrategie zeitnah, bis zur Sommerpause, abschließen und entsprechend kommunizieren. Da werden diese Themen ebenfalls von Bedeutung sein.

Was die KWK-Förderung betrifft, stehen im Bericht der Kommission „Wachstum, Struktur und Beschäftigung“ auch Empfehlungen an die Bundesregierung. Sie wissen, dass da manche Förderung ausgelaufen ist. Hier werden Förderungen auch fortgesetzt werden müssen.

All das ist in dem Bericht angelegt. Wir werden das in die Energieversorgungsstrategie Nordrhein-Westfalens aufnehmen und Ihnen dazu auch einen umfassenden Vorschlag vorlegen können.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Zu einer ersten Zusatzfrage erteile ich dem Abgeordneten Herrn Becker das Wort.

Horst Becker (GRÜNE): Schönen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben ja eben darüber berichtet, dass Sie sich darum bemühen, den Abweichungssatz von 0,9 % zu verändern.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Warum werden die für eine Förderung zugrunde gelegten volkswirtschaftliche Daten beim Ruhrgebiet auf die Städte und Kreise bezogen und nicht auf eine ganze Region bezogen erhoben? Wir haben keine Regionsbezogenheit wie im Osten, sondern tatsächlich nur eine auf Kreise bzw. Gebietskörperschaften bezogene Erhebung. Das ist eine etwas ungleiche Behandlung. Mich würde interessieren, warum das so gekommen ist und was sie möglicherweise vorhaben, um das zu ändern.

Präsident André Kuper: Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! 0,9 % – das war sozusagen die geringste Betroffenheit einer Braunkohleregion, in dem Falle sogar schon einer in Abwicklung befindlichen Braunkohleregion in Niedersachsen, die gar nicht mehr Gegenstand der nach vorne gerichteten Kohleanpassungsmaßnahmen ist.

Das war aus der Sicht der Kommission ein Entgegenkommen gegenüber den Steinkohlestandorten, dass man sagt, wir nehmen den geringsten Betroffenheitsfaktor. Der Betroffenheitsfaktor liegt im Rheinischen Revier bei 2,4 und in der Lausitz bei 4,2. Solche Werte sind nicht angenommen worden, sondern es ist der niedrigste Wert angenommen worden. Wir sind jetzt noch in Verhandlungen mit dem Bund, aber es zeichnet sich ab, dass dieser Satz im Interesse der betroffenen Standorte noch einmal abgesenkt werden könnte.

Dann müssen Sie sehen – ich habe es vorhin auszuführen versucht –, dass wir bei der Steinkohle keinen Bergbau mehr betreiben. Anders als bei der Braunkohle haben wir es nicht mehr mit einem Bergbaubetrieb zu tun. Der ist bei der Steinkohle stillgelegt, und zwar in allen Regionen, im Saarland wie in Nordrhein-Westfalen.

Vielmehr haben wir es mit Kraftwerksstandorten zu tun. Diese sind auf einen engeren wirtschaftlichen Raum bezogen als eine Braunkohleförderung und -verstromung, die natürlich in einem ganz anderen regionalen Maßstab stattfindet und die Region auch in ganz anderer Weise verändert.

Das wissen Sie besonders gut, weil Sie sich sowohl in den Beratungen hier wie auch in Ihrer früheren Verantwortung mit den Themen Umsiedlung, Umbau von Autobahnen, Eingriffe in die Landschaft, fehlende Infrastruktur usw. in ganz anderer Weise haben auseinandersetzen können.

Deswegen ist dabei eine regionale Betrachtung in ganz anderer Weise notwendig als bei einem reinen Kraftwerksstandort. Wichtig ist dabei, dass es wiederum Regionen gibt – dazu gehört die Metropolregion Ruhr –, in denen wir eine größere Anzahl von Steinkohlekraftwerken haben als in manch anderer Region in Deutschland, sodass kumulative Effekte eintreten, wenn dort mehrere Standorte – das setzt natürlich voraus, dass es auch in einer zeitlichen Nähe erfolgen müsste – betroffen sein könnten.

Ich hatte aber in meinen Eingangsbemerkungen dargelegt, dass die Standorte in der Metropolregion Ruhr räumlich weiter verteilt sind und dass es in einem hohen Maße zu Folgenutzungen dieser Standorte kommen wird, auch durch eine andere Befeuerung – danach hatte Frau Kollegin Brems gefragt – für die Wärmeversorgung.

Wir haben es also mit heterogenen Phänomenen der Betroffenheit zu tun. Das hält die Kommission in ihren Ausführungen, wie ich finde, sachgerecht fest. Wir können mit diesem Ergebnis, wenn es sich so ausfüllt, denke ich, sehr gut arbeiten und die Betroffenheiten einem Ausgleich zuführen.

Vielleicht noch einen Hinweis aus den Beratungen der Kommission; das muss man in diesem Kontext noch einmal sagen. Unter Umständen könnten das Saarland, Niedersachsen und andere Standorte in Deutschland, die das am Anfang zum Ausdruck gebracht haben – aber das wurde von der Kommission nicht weiterverfolgt –, sagen, sie hätten aus früherer Tätigkeit im Bereich der Kohleverstromung noch Strukturanpassungsnotwendigkeiten und müssten insoweit strukturpolitisch bedacht werden.

Dem ist von der Kommission eine Absage erteilt worden. Die Kommission hat gesagt, es sind die zu bedenken, die durch diesen politischen Eingriff nach vorne in besonderer Weise betroffen sind. Es geht nicht um den Ausgleich von möglichen Strukturnachteilen, die aus Entscheidungen der Vergangenheit herrühren. Das war die Aussage der Kommission. Vor diesem Hintergrund müssen Sie diese Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ aufnehmen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächste Fragestellerin hat Frau Abgeordnete Schäffer für ihre zweite Frage das Wort. Bitte sehr.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Pinkwart, mein Kollege Mostofizadeh hat gerade schon auf die Notwendigkeit anderer strukturpolitischer Maßnahmen hingewiesen, die auch im Abschlussbericht explizit genannt werden, also Investitionen in den Breitbandausbau, in die Verkehrsinfrastruktur sowie in Forschung und Bildung.

Sie haben gerade in den Antworten immer sehr stark auf die Verhandlungen mit dem Bund verwiesen.

Müssen wir davon ausgehen, dass die Landesregierung, wenn ihre Verhandlungen mit dem Bund nicht zu einem Erfolg führen, keine Strategie für das Ruhrgebiet entwickeln wird?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich schon einmal in einer Landesregierung in der Verantwortung war, die sich mit dem Auslaufen der Steinkohlesubventionen für die Metropolregion Ruhr beschäftigt hat, weiß ich in etwa, was an Strukturmaßnahmen seitens der Landesregierung und des Bundes für die Metropolregion Ruhr unternommen wurde.

Wir müssen festhalten, dass in den letzten zehn Jahren allein von Bund und Land 20 Milliarden € Subventionen für das sozialverträgliche Auslaufen des Steinkohlebergbaus geleistet wurden. Allerdings sind darüber hinaus vom Bund keinerlei Strukturanpassungsmittel für die Metropolregion Ruhr gezahlt worden – neben den Programmen natürlich, die der Bund insgesamt für die Verkehrsinfrastruktur und anderes auflegt; daran nimmt natürlich die Metropolregion Ruhr wie jede andere Region entsprechend ihrem Antragserfolg teil. Das ist nicht die Frage.

Aber spezifisch kann ich mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass es ein nennenswertes Programm des Bundes über die Subventionszahlungen hinaus gegeben hätte, um die Entwicklung der Metropolregion Ruhr positiv zu beeinflussen.

Für das Land Nordrhein-Westfalen – nicht nur weil ich daran selbst mitgewirkt habe, sondern weil es sich zahlenmäßig nach wie vor als, wie ich finde, herausragend erweist – hat die damalige Landesregierung von CDU und FDP die Entscheidung getroffen, dass vier neue Fachhochschulen in der betroffenen Region aufgebaut werden sollten.

Wenn Sie einmal das nehmen, was dort zwischenzeitlich aufgebaut worden ist, und den Aufwand über 20 Jahre berechnen, genau wie es jetzt die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ für das Rheinische Revier für die nächsten 20 Jahre vorsieht, dann ergibt sich eine Summe von 2 bis 2,5 Milliarden Euro, die das Land Nordrhein-Westfalen allein für die vier Fachhochschulen bereitstellt – nur damit Sie sehen, wie sich die damalige Landesregierung in der Verantwortung für die Metropolregion Ruhr sah.

Das hat sich in Bezug auf die neue Landesregierung nicht verändert. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, wo immer das notwendig ist. Soweit Sie in der Verantwortung waren, können wir gern noch einmal nachzeichnen, in welcher Weise das mit Blick auf die Metropolregion Ruhr unterlegt worden ist. Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass wir uns an den von uns beeinflussten Zahlen nicht messen lassen können sollten. Das bezieht sich auf die Vergangenheit, auf das Jetzt und das Morgen.

Ich habe Ihnen schon viele Maßnahmen genannt, die wir zusätzlich für die Metropolregion Ruhr ergriffen haben. Wir haben gerade mit großem Erfolg dank der Initiative meiner Kollegin Frau Pfeiffer-Poensgen und der Unterstützung des Ministerpräsidenten das Max-Planck-Institut für Cybersecurity mit sechs Abteilungen für die Metropole Ruhr entscheiden können. Das ist ein ganz großer nächster Schritt zur Profilierung des Forschungs‑ und Technologiestandortes Ruhr. Andere Projekte sind in Arbeit, wie ich es Ihnen benannt habe.

Sie können also davon ausgehen, dass wir alles im Interesse des Landes Stehende und Mögliche tun werden – neben den Mitteln, die wir vom Bund für die Kraftwerksstandorte erwarten –, damit sich die Entwicklung der Metropolregion Ruhr weiter sehr dynamisch und positiv entfalten wird.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Fragesteller hat Herr Kollege Mostofizadeh für seine zweite und letzte Frage das Wort. Bitte sehr.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin, vielen Dank. – Herr Minister Pinkwart, Sie haben auf die Frage meiner Kollegin Frau Schäffer welche Strategie denn bei konkreten Maßnahmen dahintersteht, auf Maßnahmen Ihrer letzten Regierungszeit verwiesen.

Man kann unterschiedlicher Auffassung sein, ob es gerecht ist, wie es in Deutschland aufgeteilt wird. Aber auf die konkrete Frage, was Sie im Rahmen der Kommission für Struktur und Beschäftigung auf Bundesebene durchgesetzt haben – das war ja nicht unsere Erfindung, sondern die Erfindung der Bundesregierung –, haben Sie geantwortet: Wir verweisen auf das, was zwischen 2005 und 2010 geschehen ist.

Deswegen möchte ich noch einmal die Frage stellen: Halten Sie es für notwendig, dass es über den Stand des bereits Geleisteten hinaus zu strukturellen Anpassungsmaßnahmen kommen muss, wie es auf Seite 113 des Berichtes formuliert ist? Wie sehen diese ganz konkret aus?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! ich habe Ihnen hier sehr umfassend – zum Teil aus Ihrer Sicht langsam, aber verständlich – vorgetragen,

(Heiterkeit von den GRÜNEN)

wie wir das Ergebnis von unserer Seite beeinflusst haben.

Wir stellen durchaus mit Zufriedenheit fest, dass es eine eigene Regelung, eine eigene Budgetierung für die Steinkohlekraftwerksstandorte gibt, die erlauben, dass Maßnahmen, wie sie im Bericht skizziert sind, ergriffen werden können.

Ich habe Ihnen gesagt, wie das weitere Prozedere ist. Ich habe Ihnen deutlich gemacht, dass wir das ganze Instrumentarium, in dem wir geübt sind, vollumfänglich zum Einsatz bringen werden bei Infrastruktur, bei digitalen Instrumenten, bei der Umwidmung der genutzten Industrieliegenschaften für Folgenutzungen etc. pp., sobald wir Klarheit über den Zeitplan und die Standortbetroffenheiten haben.

Ich habe mit Hinweis auf das, was wir seinerzeit geleistet haben, unterstreichen wollen, dass wir es ernst meinen mit dem, was wir ankündigen: Wir setzen es nämlich auch um. Was wir damals eingeleitet haben, ist ja nicht schon ausgelaufen, sondern wird jedes Jahr weiter aus dem Landeshaushalt gefördert, weil sich die Hochschulen hervorragend entwickeln. Jetzt haben wir schon die ersten Ausgründungen; das wollen wir weiter befeuern.

Das zeigt eben, dass wir Strukturwandel sehr ernst nehmen, dass wir das so organisieren, dass wir die Stärken der Region auch gezielt stärken und ausbauen, wenn ich zum Beispiel an unsere Gesundheitsfachhochschule Bochum denke. Dabei handelt es sich um die erste staatliche Gesundheitsfachhochschule in Deutschland, die wir begründet haben.

Wir haben damals nicht nur die Hochschule begründet, sondern auch das Gesundheitszentrum in Bochum neu gebaut. Dabei sind wir noch von manchen kritisiert worden, weil man meinte: Macht das überhaupt Sinn? Wird das funktionieren? Ich war unlängst da: Die Flächen sind alle bestens besetzt mit tollen Unternehmen und Forschungseinrichtungen der Hochschulen – schöner, ehrlich gesagt, als ich es damals erwartet hätte.

Das alles wollen wir fortsetzen. Wir werden Mittel des Bundes, die für die Standorte zur Verfügung gestellt werden, natürlich ergänzend nutzen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] spricht mit Abgeordneten seiner Fraktion.)

– Wenn Sie nicht weiter zuhören wollen, müssen Sie mir das mitteilen. Ich beantworte gerade Ihre Frage, Herr Abgeordneter. Aber es ist vielleicht Sache des Präsidenten. Es ist eine Frage des Stils und des Umgangs miteinander.

(Zuruf von der SPD: Mimimimimi!)

Vielleicht sind ja Fakten für Sie auch so erdrückend, dass Sie sie nur noch durch ausweichendes Handeln erträglich finden. – Vielen Dank.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wie kommt es denn, dass die Arbeitslosigkeit noch so hoch ist?)

Ich will an der Stelle nur sagen, dass ich es nicht als Verpflichtung eines sitzungsleitenden Präsidenten empfinde, dafür Sorge zu tragen, ob jemand zuhören will oder in welcher Art und Weise ein Abgeordneter das hier tun mag.

Jetzt hat für seine zweite und letzte Nachfrage Herr Abgeordneter Remmel das Wort. Bitte schön, Herr Remmel.

Johannes Remmel (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Minister, ich war und bin einigermaßen entsetzt aufgrund Ihrer Antwort, die Sie eben auf die Frage meines geschätzten Kollegen Bolte-Richter nach der Konversion der Kraftwerksstandorte gegeben haben, in der Sie erklärt haben, dass Sie das dem Markt und der Bundesregierung überlassen wollen und hier keine eigene Zuständigkeit sehen.

Ich gehe davon aus, dass Sie als Land über die Landesplanung – es gibt bezogen auf Energiefragen ja sogar ein eigenes Kapitel im LEP gerade mit Blick darauf, dass die Sektorenkopplung funktioniert, also Wärme abgenommen und Kraft erzeugt wird – daran ein Interesse haben müssten.

Insofern die ganz konkrete Nachfrage: Haben Sie schon Gespräche mit Kraftwerksbetreibern zur Konversion dieser Kraftwerke geführt? Der Presse war zu entnehmen, dass man bei Uniper in Bezug auf Datteln auf solche Gespräche wartet.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte, Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, lieber Herr Remmel! Meine Damen und Herren! Ich kann es nur wiederholen: Für die Frage der Herausnahme von Kraftwerksblöcken oder ihrer Umwandlung sind die Kraftwerksbetreiber zuständig. Sie haben die Genehmigung. Sie müssen sich fragen, ob sie ihre Standorte früher aufgeben wollen, als es bisher geplant war.

Sie müssen sich natürlich abstimmen; das ist völlig klar. Sie haben Versorgungsaufträge, die sie auch in Zukunft erfüllen müssen, ob Strom oder Wärme; das muss sichergestellt sein.

Aber in dem Rahmen haben sie natürlich Handlungsfreiheit, die ihnen ja sogar die Politik einräumt, nicht zuletzt auf Forderung Ihrer geschätzten Partei, die ja will, dass wir noch schneller aus der Kohleverstromung herausgehen. Das ist ja mit ein Hauptmotiv, weshalb wir darüber reden.

Das ist mit unserer Marktwirtschaft und mit unserem Rechtsstaat insofern vereinbar, als die Politik bereit ist, dann auch solche Verhandlungen zu führen. Die führt zunächst der Bund. Wenn klar ist, welcher Standort wann rausgeht, dann stellt sich die Frage der Konversion. Dann stellt sich die Frage der Kraft-Wärme-Kopplung, der Gaskraftwerke und der Folgenutzung, wenn dort keine Kraftwerksaktivität mehr entfaltet werden soll.

In aller Regel wandeln wir solche Standorte in Gewerbe- und Industrieflächen um. Da haben wir eine große Erfahrung, wie entsprechende Liegenschaften aufbereitet sind. Hier werden wir die Kraftwerksbetreiber in die Verpflichtung nehmen. Es wird auch Teil der Verträge für die Herausnahme von Kraftwerken sein, dass sie diese Standorte so übergeben, dass wir sie für Folgenutzungen nutzbar machen können.

Hier werden die Kommunen eine wichtige Rolle spielen. Hier ist der Ruhrverband gefordert. Hier haben wir andere Akteure, die sich dann nach bekannter Fähigkeit einbringen werden, damit diese Liegenschaften entsprechend folgegenutzt werden. Das ist auch, wie Sie wissen, kein neuer Sachverhalt.

Auch bezüglich Datteln finden möglicherweise Gespräche mit dem Bund statt. Der Bericht legt das ausdrücklich nahe. Es war gerade auch ein Wunsch von Vertretern Ihrer Partei, dass möglichst noch nicht ans Netz gegangene neue Anlagen auch nicht mehr ans Netz gehen sollten. Das war Ihrer Partei besonders aus symbolischen Gründen wichtig, um kein Signal zu geben, dass jetzt noch neue Kraftwerke sozusagen auf den letzten Metern ans Netz gehen. Das hat die Kommission auch aufgegriffen, damit aber natürlich keine Entscheidung getroffen.

Insofern, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, ist das, was Sie jetzt einwenden, für mich kein Punkt, der besondere Probleme auf unserer Seite bereiten sollte, sondern das sind die vorzüglichen Aufgaben derer, die jetzt auf beiden Seiten in der Verantwortung stehen. Das werden wir in den nächsten Wochen und Monaten begleiten und mit den Ergebnissen so umgehen, wie es im Interesse von Umwelt, Arbeit und Wachstum für den Standort Nordrhein-Westfalen sachdienlich ist.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Fragesteller hat Herr Abgeordneter Becker für seine zweite und letzte Frage das Wort. Bitte sehr, Herr Abgeordneter Becker.

Horst Becker (GRÜNE): Schönen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ich hatte die Landesregierung nach der Vergabe der Gutachten gefragt. Diese Antwort ist ja gestern eingegangen. Wenn ich das umfangreiche Werk der verschiedenen Gutachten auch die Ihres Hauses richtig durchgesehen habe, ist bis jetzt keine Stärken-Schwächen-Analyse der beteiligten Standorte im Ruhrgebiet vorgenommen worden.

Nun ist es aber so, dass die Kommission bzw. der Kommissionsbericht genau das ausdrücklich vorschlägt und einfordert. Kann ich von Ihnen eine Zusage haben, dass wir in Kürze eine Stärken-Schwächen-Analyse für die Gebietskörperschaften bzw. die Standorte der Steinkohlekraftwerke bekommen?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, lieber Herr Becker! Meine Damen und Herren! Ich habe den Kommissionsbericht nicht so verstanden. Vielleicht weisen Sie mich freundlicherweise darauf hin, wo Sie die Stärken-Schwächen-Analyse bei dieser Entscheidung als entscheidungserheblich zugrunde legen wollen. Ich habe den jedenfalls auch in den Beratungen nicht so verfolgt, dass das der entscheidende Punkt wäre.

Es sind andere Fragen, die hier von Bedeutung sind. Sonst würde auch das Auktionsverfahren, was ich Ihnen ausführlich dargestellt habe, hier gar nicht greifen können. Natürlich habe ich Ihnen auch dargelegt, dass die Unternehmen ihre Entscheidung in Wahrung der Interessen der Beteiligten – auch ihrer Beschäftigten – treffen müssen.

Da, wo es, was Struktur und Beschäftigung anbetrifft – das sind auch Fragen der Sozialverträglichkeit –, weniger geeignet wäre, ein Kraftwerk sehr früh aus dem Netz zu nehmen, gehen wir davon aus, dass ein Unternehmen eine solche Anmeldung zum Auktionsverfahren eher nicht wählen wird.

Aber beeinflussen können wir das nach dem Verfahren auch nicht direkt, sondern das werden wir dann mit den Unternehmen zu besprechen haben, wenn die Anmeldungen bei der Bundesregierung erfolgen und sie im Auktionsverfahren tatsächlich zum Zuge kommen sollten.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Zusatzfragen gibt es zu der Mündlichen Anfrage 36 nicht, sodass diese damit erledigt ist.

Die

Mündliche Anfrage 37

des Abgeordneten Stefan Zimkeit von der Fraktion der SPD ist von dem Fragesteller schriftlich zurückgezogen worden.

Ich rufe deshalb gleich die

Mündliche Anfrage 38

der Abgeordneten Wibke Brems von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf.

Ich darf vorsorglich darauf hinweisen – Sie kennen das –, dass die Landesregierung in eigener Zuständigkeit entscheidet, welches Mitglied der Landesregierung eine Mündliche Anfrage im Plenum beantwortet. Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Professor Dr. Pinkwart antworten wird. Dessen Mikrofon ist auch schon freigeschaltet, sodass er jetzt loslegen kann. Bitte sehr, Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Abgeordnete Brems! Vor dem Verwaltungsgericht in Köln fand in der vergangenen Woche die mündliche Verhandlung in drei vom BUND Nordrhein-Westfalen e. V. im Zusammenhang mit der Fortführung des Braunkohletagebaus Hambach geführten Klageverfahren statt.

Dabei ging es um die Zulassung der Bergbehörde für den Hauptbetriebsplan-Tagebau Hambach für die Zeit von 2018 bis 2020. Im Weiteren ging es um eine von der Bergbehörde verfügte Grundabtretung und Besitzeinweisung zugunsten des Unternehmens RWE über ein Grundstück des BUND NRW e. V. im Tagebauvorfeld Hambach.

Das Gericht hat alle drei Klagen abgewiesen und dadurch die Rechtmäßigkeit der bis zum 31. Dezember 2020 befristeten Hauptbetriebsplan-Zulassung und auch der Grundabtretung und Besitzeinweisung vollumfänglich bestätigt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hatte der Vorsitzende Richter zwei Vorschläge zur gütlichen Einigung gemacht.

Der erste Vorschlag sah vor, den Abbau nur bis zu einer bestimmten Linie an der Oberfläche zu führen.

Der zweite Vorschlag beinhaltete einen kompletten Rodungsverzicht durch RWE bis zum zeitlichen Ablauf der streitigen Hauptbetriebsplanzulassung und die Zusicherung der Bergbehörde als Beklagte, den Grundabtretungsbeschluss aufzuheben, falls die Zulassung des dritten Rahmenbetriebsplans rechtskräftig aufgehoben würde.

Diese Vorschläge setzen jeweils voraus, dass der klagende BUND alle drei Klagen zurücknimmt. Dem ist der BUND nicht nachgekommen.

Der BUND sah sich zudem auch nur in der Lage, dem ersten Vorschlag näherzutreten, und verknüpfte dies mit dem Wunsch, das Gebiet des Hambacher Forstes als sogenanntes FFH-Gebiet nachzumelden.

RWE dagegen hat diesem Vorschlag nach intensiver Prüfung nicht zugestimmt, da er aus Sicht des Unternehmens aus bergbautechnischen Gründen nicht kurzfristig umsetzbar sei.

Dem zweiten Vorschlag des Gerichts sind sowohl BUND als auch RWE nicht nähergetreten.

Die Bergbehörde konnte zwar dem ersten Vorschlag nicht zustimmen. Zum zweiten Vorschlag, der unter anderem den Rodungsverzicht bis zum zeitlichen Ende der Hauptbetriebsplanzulassung vorsah, hat sie jedoch sehr wohl Einigungsbereitschaft erklärt. Eine vom BUND gewünschte FFH-Nachmeldung war den Verfahrensbeteiligten fachlich und rechtlich unmöglich.

Für die Meldung von europäischen Schutzgebieten an die EU-Kommission ist die Bundesregierung für Deutschland als Mitgliedsstaat zuständig. Vorschläge für solche Gebiete konnten im damaligen Meldeverfahren die Naturschutzministerien der Länder unterbreiten, nicht RWE und nicht die Bergbehörde.

Die Meldung von FFH-Gebieten ist für Nordrhein-Westfalen im Einvernehmen mit der Bundesregierung und mit der EU-Kommission abgeschlossen. Der Hambacher Forst ist danach kein FFH-Gebiet. Das FFH-Schutzgebietsnetz wird auch regelmäßig überwacht. Ein Meldedefizit liegt danach nicht vor. Eine Pflicht zur Nachmeldung von Gebieten besteht demzufolge auch nicht. Das hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich bestätigt, und das schafft – das möchte ich hier hervorheben – im Übrigen auch für ganz Nordrhein-Westfalen Planungssicherheit.

Ich will noch einmal ausdrücklich betonen, dass der Prozessvertreter der beklagten Bergbehörde im Hinblick auf eine gütliche Einigung durchaus Zustimmung signalisiert hat.

Die Ausführungen in der Anfrage von Ihnen, sehr verehrte Frau Brems, dass die Beklagte keine Bereitschaft für einen Vergleich signalisiert habe, treffen daher nicht zu.

Denn – ich will Ihnen das ausführlich darlegen – die Beklagte hat dem Gericht gegenüber deutlich gemacht, einer gütlichen Einigung nicht entgegenzustehen. Einer solchen vergleichsweisen Streitbeilegung müssen jedoch alle Verfahrensbeteiligte zustimmen. Ein Vertrag zulasten Dritter zwischen klagendem Umweltverband und Genehmigungsbehörde zulasten des Genehmigungsinhabers ist nicht möglich. Das gilt im Übrigen auch für alle anderen Verfahren über andere Genehmigungen und wäre mithin bei einem Wind- oder Solarpark genauso zu bewerten.

Ein zweiter Punkt kommt hinzu: Ein Vergleich bietet sich vor allem dann an, wenn gewisse Zweifel daran bestehen, dass die eigene Position absolut zutreffend ist. Dies ist zumindest hier für die beklagte Bergbehörde jedoch nicht der Fall. Sie geht von der Rechtsmäßigkeit ihres Zulassungsbescheids aus. Denn auch der bis Ende 2020 zugelassene Rahmenbetriebsplan ist bestandskräftig.

Einen dritten Punkt möchte ich ansprechen und damit auch Kritik in der von Ihnen gestellten Anfrage, Frau Brems, aufgreifen, nämlich dass letztlich RWE über das Zustandekommen des Vergleichs entschieden hätte. Es ist ja so, dass RWE den Tagebau Hambach betreibt, und zwar auf Basis milliardenschwerer Investitionen – ich füge mal ein: nicht zuletzt auch aufgrund Ihrer Leitentscheidung, die Sie als Partei und Teil der Vorgängerregierung mitgetroffen haben –

(Widerspruch von Johannes Remmel [GRÜNE] – Gegenruf von Ralph Bombis [FDP]: Hören Sie zu!)

und auch mit Tausenden von Beschäftigten.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Gegenrufe von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie haben mit Ihrer …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf darauf hinweisen, dass wir uns in der Fragestunde befinden. Nach den uns gestellten eigenen Regeln haben die Abgeordneten das Recht, Fragen an die Landesregierung zu adressieren, und die Landesregierung hat dann die Pflicht, diese Fragen zu beantworten. Die Fragestunde ist nicht das geeignete Instrument für Diskussionen über den Flur und über die Abgeordnetentische hinweg. Ich bitte Sie, sich an die von uns selbst aufgestellten Regeln zu halten.

Der Minister hat noch das Wort für die Beantwortung, wenn er diese fortzusetzen wünscht.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin.

RWE betreibt diesen Tagebau aufgrund der bisherigen Entscheidungen nordrhein-westfälischer Landesregierungen, auch der Vorgängerregierung. Dafür hat RWE bei der Bergbehörde die Zulassung des Hauptbetriebsplans beantragt.

Da ist es doch nicht nur rechtlich zwingend, sondern auch verständlich, hier die Position des Unternehmens zu erfragen und auch zu respektieren. Denn letztlich geht es um die unternehmerischen Perspektiven und um die Perspektiven Tausender von Beschäftigten im Tagebau.

Für mich ist es übrigens auch eine Frage von Investitionssicherheit an einem Standort. Die RWE Power AG verfügt nunmehr über vom Verwaltungsgericht Köln bestätigte Betriebsplanzulassungen. Bis zum Ende des Jahres 2020 steht natürlich zu vermuten, dass sich weitere Instanzen mit diesem Verwaltungsrechtsstreit befassen könnten.

Gegenüber der Landesregierung hat sich das Unternehmen aber verpflichtet, auch in der kommenden Rodungsperiode, also bis Herbst 2020, auf Rodungen und somit auf die vollständige Ausnutzung der Betriebsplanzulassung zu verzichten, wie es der Ministerpräsident unlängst hier in der Beratung des Landtags zu den Ergebnissen der Kommission  „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ zum Ausdruck gebracht hat. Dabei bleibt es auch nach der nun vorliegenden gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Hauptbetriebsplanzulassung für den Tagebaubetrieb bis Ende 2020.

Ein solches Entgegenkommen, welches auch zur Befriedung im Hambacher Forst beitragen soll, ist vonseiten der Aktivisten im Hambacher Forst bislang allerdings nicht zu erkennen. Dem Appell von Herrn Ministerpräsident Laschet, die Baumhäuser zu verlassen, wurde bislang nicht Folge geleistet. Ein gerichtlicher Vergleich hätte letztlich ebenso wenig den Konflikt im Hambacher Forst gelöst.

Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ hat den Erhalt des Hambacher Forstes als wünschenswert bezeichnet. Diesem Wunsch hat sich der Ministerpräsident für die Landesregierung Nordrhein-Westfalens angeschlossen. Und es bestehen gute Chancen, dass wir dies auch erreichen können.

Gleichwohl kann der Erhalt des Hambacher Forstes nicht singulär losgelöst vom Rest der umfassenden Vorschläge der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ betrachtet werden. Denn bei den Vorschlägen der Kommission geht es um ein Gesamtpaket des Umbaus unserer Energieversorgung und des Strukturwandels in den Energiezentren Deutschlands mit vielen Betroffenen, darunter auch den großen Unternehmen der Energieversorgung.

Wir hatten eben ausführlich Gelegenheit, alleine die Auswirkungen des vorzeitigen Austretens aus der kohlebasierten Stromversorgung am Beispiel der Steinkohlestandorte hier miteinander zu besprechen.

Sie werden deutliche Veränderungen in ihrer unternehmerischen Perspektive erfahren müssen bis hin zu staatlichen Eingriffen in grundrechtlich geschützte Eigentumspositionen und in die Gewerbefreiheit.

Bei den Tagebauen bedeutet dies einen Verzicht oder eine Einschränkung der weiteren Nutzung. Rekultivierungspläne und Rekultivierungsmaßnahmen müssen geändert und aufwendiger sowie früher umgesetzt werden als ursprünglich vorgesehen. Das verursacht den Unternehmen zusätzliche Kosten und ist damit auch Teil der vom Staat zu leistenden Entschädigungen. Dies alles ist Gegenstand der nun angelaufenen Verhandlungen des Unternehmens mit der Bundesregierung.

Als Landesregierung erwarten wir vom Unternehmen RWE, dass es nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Bund zu Kraftwerksstillegungen Entwürfe für eine neue Tagebauplanung im gesamten Braunkohlerevier vorlegt, die die Empfehlungen der Kommission bestmöglich umsetzen, auch was den Erhalt des Hambacher Forstes angeht.

Die Verhandlung mit dem Unternehmen führt nicht das Land, sondern die Bundesregierung. Ich fordere daher alle Beteiligten auf, konstruktiv und mit Nachdruck an der Umsetzung der Empfehlung der Kommission mitzuwirken. Sobald eine geänderte Planung des Unternehmens für die Zukunft der Tagebaue vorliegt, werden wir eine neue politische Leitendscheidung treffen und somit unseren Beitrag zur Umsetzung der Kommissionsempfehlungen leisten parallel zu den strukturpolitischen Maßnahmen, an deren Umsetzung wir bereits arbeiten. – Herzlichen Dank für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Es hat nun die Gelegenheit für eine Nachfrage Frau Abgeordnete Brems. Bitte sehr.

Wibke Brems (GRÜNE): Danke, Frau Präsidentin. – Herr Minister, jetzt haben Sie uns einige Dinge zu unterschiedlichen Aspekten genannt. Ich würde gerne zurückkommen auf den Ursprungs- und Anfangspunkt. Wir haben vor einigen Wochen hier in diesem Plenarsaal den Ministerpräsidenten gehört, dass er sich dem Wunsch anschließe, dass der Hambacher Wald erhalten bleiben möge. Das ist erst einmal die Grundvoraussetzung, unter der wir hier miteinander sprechen.

In Ihren Ausführungen haben Sie jetzt darauf hingewiesen, dass nicht nur die Bezirksregierung Arnsberg einerseits die Landesregierung vertreten hat, sondern dass es auch noch den Dritten – so haben Sie es genannt – im Verfahren gibt, und zwar RWE.

Deswegen noch einmal an Sie die Frage, in welcher Weise der Wunsch des Ministerpräsidenten zum Erhalt des Hambacher Waldes eine Rolle gespielt hat bei den Vorbereitungen auf die Verhandlungen, bei Vorgesprächen mit der Bezirksregierung und RWE.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Brems, die Sicht der Landesregierung, die Herr Ministerpräsident Laschet zum Ausdruck gebracht hat – ich habe sie ausführlich hier noch einmal dargelegt –, ist eine der mit Sicherheit mit Blick auf Nordrhein-Westfalen in den letzten Wochen am weitesten verbreiteten Nachrichten gewesen. Ich gehe davon aus, dass alle Parteien, die sich auf dieses Verfahren vorbereitet und dieses Verfahren auch geführt haben, in Kenntnis dieser Nachricht das auch haben tun können.

Im Übrigen gilt das erst recht für das Unternehmen, denn das Unternehmen hat diese Erklärung ja gegenüber dem Ministerpräsidenten abgegeben, dass es selbst dann, wenn eine Genehmigung unbestritten vorliegt, als eigenen Beitrag darauf verzichten will, das zu tun. Das heißt, hier liegt eine einseitige Erklärung des Unternehmens vor, eine Art Moratorium anwenden zu wollen, zu dem das Unternehmen rechtlich nicht veranlasst ist.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Eine Nachfrage hat nun Herr Kollege Bolte-Richter.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, welche Gründe sind der Landesregierung bekannt, die RWE dazu veranlassen, an einer Fortführung des Gerichtsverfahrens festzuhalten?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Bolte-Richter, wir haben einen Hauptbetriebsplan bis Ende 2020, und das Unternehmen hat sich einseitig bereit erklärt, bis Herbst 2020 – nicht über diesen Zeitraum hinaus – auf Rodungen zu verzichten.

Das heißt, dass in der Hauptsache ein Verfahren zu klären war. Zunächst gab es ja eine Eilentscheidung, die seinerzeit vom Verwaltungsgericht im Interesse des Unternehmens entschieden und lediglich vom OVG angehalten wurde.

In der Hauptsache ist jetzt entschieden worden, und zwar hat die Bergbehörde mit ihrer Zulassung recht bekommen. Das war in den Medien seinerzeit durchaus umstritten. Zum Teil gab es auch Kritik – ich meine sogar aus Ihrer Partei – an der möglichen Qualität der Arbeit der Bergbehörde. Durch das Gericht ist, wie ich meine, eindrucksvoll klargestellt worden, dass ordentlich gearbeitet wurde. Das ist festgestellt worden.

Wenn es keinen – ich habe das dargelegt – Ansatz gibt, der einen Vergleich notwendig und sinnvoll machen würde, dann muss man meiner Meinung nach dem Unternehmen zuerkennen, dass man dann bereit ist, eine solche sachgerechte Festlegung und auch Entscheidung des Gerichts wirksam werden zu lassen. Das halte ich für absolut nachvollziehbar.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Abgeordnete Schäffer hat sich für eine Nachfrage gemeldet.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Pinkwart, Sie haben jetzt mehrfach diese schriftliche Zusage von RWE bezüglich des Moratoriums angesprochen.

Wird diese schriftliche Zusage von RWE auch uns Mitgliedern des Landtags zugänglich gemacht werden? Werden also Sie als Landesregierung uns diese schriftliche Erklärung zur Verfügung stellen?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Wenn Sie darum bitten, werden wir das sicherlich tun.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Dann bitten wir darum! – Heiterkeit)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Als Nächstes hat sich Frau Kollegin Brems für ihre zweite Nachfrage gemeldet. Bitte sehr.

Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank. – Herr Minister Pinkwart, ich habe zu einem anderen Fragenkomplex eine Rückfrage.

Sie haben eben länger ausgeführt, dass es unterschiedliche Varianten des Vorschlags einer Einigung gegeben habe. Zum einen haben Sie eben klar gesagt, dass zu der ersten Variante die Bergbehörde nicht zustimmen konnte. Zum anderen haben Sie gesagt, dass alle Beteiligten zustimmen müssten und der BUND nicht zugestimmt habe.

Insbesondere bei der ersten Variante ist es so, dass der BUND NRW zugestimmt und den Wunsch nach Nachverhandlungen signalisiert hat.

Deswegen die konkrete Nachfrage – unabhängig von Ihren Ausführungen zum FFH; denn das ist eine Nebenvariante –, aus welchen Gründen Ihre Bergbehörde, also damit die Landesregierung als Beklagte, es abgelehnt hat, über diese erste Variante weiter zu verhandeln, und es stattdessen einfach rundweg abgelehnt wurde, obwohl der Wunsch des Ministerpräsidenten besteht, den Hambacher Wald zu erhalten.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Brems, ich habe Ihnen dargelegt, dass der BUND sich nicht in der Lage sah, dem erstgenannten Vorschlag näherzutreten, was er – so habe ich Ihnen das vorgetragen – mit dem Wunsch verknüpft hat, das Gebiet des Hambacher Forsts als sogenanntes FFH-Gebiet nachzumelden.

Ich habe ausführlich dargelegt, dass es nicht möglich ist, diesen Wunsch zu erfüllen – allein aus zeitlichen, aber auch aus rechtlichen Gründen. Insofern ergab sich keine Vergleichsmöglichkeit.

Außerdem müssen Sie sehen, dass das Unternehmen RWE auch unter Wahrung der Zusage, die es gegeben hat, nämlich keine Rodung am Hambacher Forst vorzunehmen, und dem Wunsch der Kommission, im Ergebnis auch eine Einlösungsmöglichkeit zu geben, nach wie vor die Arbeiten im Hambacher Tagebau insoweit fortsetzen möchte, als der wirtschaftliche Betrieb und damit auch die Arbeitsplätze nicht kurzfristig gefährdet werden.

Insofern muss man diese Entscheidung des Unternehmens respektieren.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Bolte-Richter hat sich für seine zweite Nachfrage gemeldet.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Pinkwart, welche Absprachen hat es zwischen der Landesregierung bzw. der Bezirksregierung Arnsberg und RWE im Vorfeld des Verfahrens vor dem VG Köln am 12. März 2019 gegeben?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Können Sie das bitte wiederholen? Ich habe es hier an meinem Platz akustisch nicht verstanden.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Ich wiederhole es gerne. – Welche Absprachen hat es zwischen der Landesregierung bzw. der Bezirksregierung Arnsberg auf der einen und RWE auf der anderen Seite im Vorfeld des Verfahrens vor dem VG Köln am 12. März 2019 gegeben?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, ich kann jetzt keine Auskünfte über Absprachen, die getroffen worden sind, geben.

Wir haben Kenntnis darüber erhalten, dass es möglicherweise ein Suchen nach Vergleichsoptionen gibt. Ich habe Ihnen dargelegt, wie die Parteien sich dazu verhalten haben.

Darüber hinausgehende Absprachen sind mir nicht bekannt; ich müsste sie Ihnen ansonsten nachreichen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt noch eine Nachfrage. Herr Kollege Mostofizadeh hat das Wort für seine Nachfrage. Bitte sehr.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, Sie haben gesagt, dass dem Wunsch des Ministerpräsidenten, dass der Hambacher Wald nicht gerodet wird, insofern entsprochen wird, als es bis 2020 einen Rodungsstopp gibt.

Ich würde von Ihnen – ich hatte nämlich den Ministerpräsidenten so verstanden, dass der Hambacher Wald überhaupt nicht abgeholzt werden soll – gerne wissen und bitte Sie, zu erläutern, was die Landesregierung tut, um dem Wunsch des Ministerpräsidenten zu entsprechen. Nimmt sie zum Beispiel eigene Untersuchungen vor und erstellt eigene Maßnahmen, um diesen Wunsch umsetzen zu können?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter, es ist so, dass der Ministerpräsident hier im Landtag zweierlei vorgetragen hat.

Er hat zum einen vorgetragen, dass die Landesregierung Nordrhein-Westfalens zu jedem Punkt des Berichts der Kommission „Wachstum, Strukturwandel  und Beschäftigung“ steht, und zum anderen sowohl der Bundesregierung als auch anderen Beteiligten empfohlen, es ähnlich und möglichst in gleicher Weise zu sehen wie wir. Denn wir sind der Meinung, dass die Kommission sich über viele Monate hinweg sehr gründlich mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt und den Bericht sehr sorgfältig und abgewogen vorgelegt hat.

Es ist ein komplexes Vorgehen, das wir für Deutschland und für die betroffenen Regionen bei der Energieversorgung des Landes angehen wollen. Deshalb sind wir alle gut beraten, den Bericht möglichst eins zu eins umzusetzen. Das ist unser Ziel.

Zu dem Bericht gehört der Wunsch der Kommission, dass der Hambacher Forst möglichst verschont bleiben soll. Das nehmen wir sehr ernst, und wir nehmen es genauso ernst wie alle anderen Teile des Berichts. So hat der Ministerpräsident es hier vorgetragen.

Wir wissen aber auch, dass wir uns in einem Prozess der Umsetzung dieses Berichts befinden und dass alles mit allem zusammenhängt und sich Schritt für Schritt entwickeln muss.

Deswegen hat der Ministerpräsident hier im Plenum zur Kenntnis gebracht, dass das Unternehmen – zu dem Zeitpunkt noch nicht wissend, dass das Gericht im Sinne des Unternehmens über die Rechtmäßigkeit der Genehmigung entscheiden würde – einseitig bereit ist, sich ein Moratorium bis zum Herbst 2020 aufzuerlegen – in der Erwartung, dass bis dahin der Bericht der Kommission von allen Beteiligten weitestgehend umgesetzt worden ist, und zwar so, wie der Bericht – komplex – in all seinen Punkten angelegt ist.

Zu beidem steht diese Landesregierung. Wir werden alles unternehmen, damit der Kommissionsbericht umgesetzt wird und damit auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, über das Moratorium hinaus den Hambacher Forst nicht in Anspruch nehmen zu müssen, sondern eine energiestrategische und strukturpolitische Dimension zu erreichen, die es erlaubt, auf die Rodung des Waldes in Zukunft zu verzichten.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Nun hat noch einmal Frau Abgeordnete Brems das Wort für ihre dritte und letzte Frage. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, wir haben in der Ausgabe der „WeLT“ vom 15. März gelesen, dass der RWE-Chef, Herr Schmitz, so zitiert wird, dass er sagt, man werde prüfen, was technisch mit Blick auf Standsicherheit, Rekultivierung und Wasserwirtschaft möglich sei.

Nun haben Sie vorhin gesagt, Sie werden alles unternehmen, um zum einen den Wunsch des Ministerpräsidenten, aber auch den Wunsch der Kommission umzusetzen.

Deswegen möchte ich noch mal ganz konkret nachfragen, ob Sie sich dann alleine auf diese Untersuchung von RWE verlassen werden oder ob Sie auch selbst Bewertungen vornehmen werden und vielleicht auch schon in Vorbereitung haben, um das, was von RWE kommen wird, selbst bewerten zu können.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Brems, es ist natürlich klar, dass wir uns selbst auch Gedanken machen, dass sich aber auch die Bundesregierung Gedanken macht, die zunächst einmal die Verhandlungen mit dem Unternehmen führt.

Die Bundesregierung führt die Verhandlungen mit dem Unternehmen in Kenntnis des Berichts der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, und sie ist genau wie wir darum bemüht, dass dieser Bericht vollumfänglich umgesetzt werden kann.

Dazu wird gehören, dass man mit RWE eine Vereinbarung erreicht, dass gewisse Kraftwerksblöcke und damit auch ein gewisser Tagebaubetrieb eher als bisher vorgesehen eingestellt werden können. Das ist dann wiederum die Voraussetzung für all die anderen Maßnahmen, die Sie angeführt haben, und letztlich auch Voraussetzung dafür, dass der Hambacher Forst und auch andere schützenswerte Teile in der Region erhalten bleiben können.

Insofern bewegen sich alle auf dem Pfad des Berichts, und genau das ist das, was wir erwarten. Wir werden von unserer Seite aus in den Gesprächen mit dem Bund und mit dem Unternehmen alles dazu beitragen, dass diese Ziele auch erreicht werden.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Nachfragen zur Mündlichen Anfrage 38 liegen mir nicht vor, sodass wir die Fragestunde nun mit 17:23 Minuten Verspätung beenden können.

Ich rufe auf:

7   Binnenschifffahrt in Nordrhein-Westfalen stärken – Wasserwege leistungsfähig halten

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/5366

Eine Aussprache ist zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrats, der uns nahelegt, den Antrag Drucksache 17/5366 an den Verkehrsausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung zu überweisen. Die abschließende Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Gibt es Gegenstimmen? Enthaltungen? – Damit ist mit Zustimmung der Fraktionen des Hohen Hauses so überwiesen.

Ich rufe auf:

8   Verlängerung des Hochschulpakts – Landesregierung muss mehr Transparenz wagen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/5375

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD dem Abgeordneten Bell das Wort.

(Der Abgeordnete befindet sich zunächst nicht im Plenarsaal, betritt ihn aber sodann. – Beifall von Nic Peter Vogel [AfD])

– Da ist er ja. Herr Kollege Bell, Sie haben das Wort.

(Henning Höne [FDP]: Wir freuen uns!)

Dietmar Bell (SPD): Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

(Jochen Ott [SPD]: Lange haben wir dich nicht so sehnlich erwartet wie heute!)

– Ich habe nicht mitbekommen, dass zuvor etwas zu Protokoll gegeben worden ist. Deshalb musste ich mich gerade beeilen und bin nun etwas außer Atem. Ich steige nun aber ein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag unternehmen wir den Versuch, eine der wichtigsten Fragen für die Zukunftsfähigkeit unserer Hochschulen endlich einer Debatte im Plenum zuzuführen.

Im Haushalt 2019 betrug der Anteil der Mittel des Hochschulpakts, die der Bund nach Nordrhein-Westfalen weitergeleitet hat, rund 486 Millionen Euro. Inklusive der Kofinanzierung des Landes beläuft sich die Gesamtsumme auf rund 982 Millionen Euro, also auf knapp 1 Milliarde Euro. Das entspricht ca. 18 % der Gesamteinnahmen unserer Hochschulen.

Durch den auf Bundesebene abgeschlossenen Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass diese Mittel verstetigt werden sollen. Nach welchen Kriterien die Mittel dabei allerdings zwischen den Ländern vergeben werden sollen, ist offen. Jedes diskutierte Modell hat aber erhebliche Rückwirkungen auf die Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen.

Unser Versuch, über eine Berichtsanfrage im Wissenschaftsausschuss im Dezember 2018 Auskunft über die Verhandlungsposition des Landes zu erhalten, muss als gescheitert betrachtet werden. Mit dem Verweis darauf, dass die eigene Verhandlungsposition nicht geschwächt werden soll, wird jede inhaltliche Debatte abgelehnt. Das ist aus unserer Sicht völlig unverantwortlich, weil eine entsprechende Vereinbarung dieses Hohe Haus auf Jahre haushalterisch bindet.

Am 13.03.2019 hatten wir unsere letzte Ausschusssitzung, die insgesamt etwas länger als eine halbe Stunde gedauert hat. Informationen des Hauses an die Fachpolitiker? Nichts! Und das, obwohl der neue Pakt im Rahmen einer Ministerpräsidentenkonferenz im Juni dieses Jahres unterzeichnet werden soll.

Wenn man etwas erfahren will, wird man mittlerweile deutlich besser durch Blogs von Wissenschaftsjournalisten informiert. Diesbezüglich kann ich Ihnen die Lektüre des Blogs von Jan-Martin Wiarda empfehlen. So habe ich zumindest erfahren, dass es eine gemeinsame Länderposition gibt, die dem Bundeswissenschaftsministerium im Rahmen einer gemeinsamen Wissenschaftskonferenz am 21.02.2019 präsentiert worden ist. An dieser Position war Staatssekretärin Storsberg maßgeblich beteiligt.

Jetzt habe ich nicht die Zeit, um auf die avisierten Inhalte einzugehen. Ich möchte Ihnen aber deutlich sagen, dass der Umgang mit den Parlamentariern in diesem Zusammenhang mittlerweile absolut skandalöse Züge trägt.

(Beifall von Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])

Betrachten Sie die Beteiligung und Information dieses Hohen Hauses in dieser wesentlichen Frage eigentlich als entbehrlich?

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, wenn Sie mit den bisher übermittelten Informationen zufrieden sind, sollten wir vielleicht gemeinsam über die Abschaffung des Wissenschaftsausschusses diskutieren.

(Moritz Körner [FDP]: Na ja!)

In diesem Blog kann man auch die Replik des BMBF nachlesen. Demnach will der Bund, Herr Körner, unter anderem das Kriterium „unbefristetes wissenschaftliches Personal“ einführen und besteht auf nachvollziehbaren Vereinbarungen, um die sachgerechte Mittelvergabe überprüfen zu können. Ich sage: Gut, dass er das tut; sowohl das Kriterium als auch das Controlling betreffend.

Hier in Nordrhein-Westfalen scheint diese Frage mittlerweile keine prominente Rolle mehr zu spielen. Man muss sich nur die Antworten auf die Große Anfrage 8 anschauen. Was die Frage angeht, ob die Hochschulen ihrer Verpflichtung aus der Hochschulvereinbarung 2016 gerecht geworden sind, zitiere ich mit Erlaubnis der Präsidentin nur einmal die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf:

Die Heinrich-Heine-Universität führt in ihrer Personalwirtschaft keine Form von Nachweis über die Finanzierung von Beschäftigungsverhältnissen, welcher es erlauben würde, eine trennscharfe Zuordnung des Personalaufwands oder von Stellen zu den Einnahmen aus verstetigten Hochschulpaktmitteln vorzunehmen.

Wir werben ausdrücklich für die Unterstützung unseres Antrags, der interessanterweise den Debattenstand hochaktuell widerspiegelt. Heute können Sie mitentscheiden, ob das Thema der Schaffung zusätzlicher unbefristeter Stellen aus Nordrhein-Westfalen in den Verhandlungen mitverfolgt werden soll.

Außerdem kündige ich an, dass wir zur nächsten Sitzung des Wissenschaftsausschusses einen ausführlichen Bericht einfordern. Auch an dieser Stelle werbe ich um Unterstützung der die Regierung Fraktionen. Letztlich ist es Aufgabe des Hauses, genau diese Punkte endlich klar darzustellen und miteinander zu diskutieren. Aus dieser Verantwortung dürfen Sie sich, werte Frau Ministerin und sehr geehrte Frau Staatssekretärin, nicht länger herausstehlen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD, Wibke Brems [GRÜNE] und Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bell. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Dr. Nacke das Wort.

Dr. Stefan Nacke (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie in Ihrem Antrag selbst erwähnen, lieber Herr Bell, hat der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Kaiser auf Ihre Frage in der Sitzung des Wissenschaftsausschusses vom 5. Dezember 2018 festgehalten, dass die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz die Verhandlungen für die Nachfolgefinanzierung des Hochschulpaktes aufgenommen habe. Einige Punkte seien nicht einvernehmlich, andere würden in den Fachministerkonferenzen ausgehandelt.

Angesichts der Ziele des laufenden Qualitätspaktes – die Verbesserung der Personalausstattung, die Unterstützung des Hochschulpersonals bei ihren Aufgaben der Lehre, Betreuung und Beratung sowie die Sicherung und Weiterentwicklung einer qualitativ hochwertigen Lehre – müsse die Gesamtstrategie auf mehr Verlässlichkeit und Stetigkeit zielen.

Staatssekretär Kaiser betonte, dass die Verhandlungen nichtöffentlich seien und dass es strategisch nicht sinnvoll wäre, alle Details offenzulegen.

Lieber Herr Bell, Ihr Antrag ist unklug. Er schwächt die Verhandlungsposition Nordrhein-Westfalens, das in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz aufgrund der Gewaltenteilung nicht durch den Landtag, sondern durch die Landesregierung vertreten wird. Warum wollen Sie die Verhandlungsposition Nordrhein-Westfalens schwächen? Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass auch die SPD das Ziel hat, möglichst viele Mittel möglichst nachhaltig für das Wissenschaftssystem unseres Landes zu sichern.

Sie sagen, die Landesregierung müsse mehr Transparenz wagen. Aber in Verhandlungssituationen liegt nie eine vollkommene Informations- und Interessentransparenz vor, Herr Bell. Natürlich müssen Sie sich eine Verhandlungsstrategie erarbeiten. Sie müssen recherchieren, sich mit den Verhandlungspartnern beschäftigen und ihre Motive und Ziele nachvollziehen. Sie müssen dabei ihre eigenen Ziele vor Augen haben, wichtige von weniger wichtigen unterscheiden und immer wieder neu einschätzen, wie realistisch es ist, Ziele durchzusetzen.

Es ist aber äußerst kontraproduktiv, diese Überlegungen hier im Landtag zu diskutieren, da die Verhandlungspartner diese Informationen ihrerseits strategisch berücksichtigen könnten.

Für die Gestaltung eines klugen Verhandlungssettings brauchen Sie Prozesssteuerungskompetenz. Um die Verhandlungspartner zu durchschauen, brauchen Sie Interessensteuerungskompetenz. Für den Umgang mit dem strategischen und deswegen mehr oder weniger fairen Interagieren der Verhandlungspartner brauchen Sie Kommunikationskompetenz. Zur Ziel- und Ergebnisabsicherung brauchen Sie Klärungskompetenz. Vielfältige Kompetenzen sind also gefordert – auch für die parlamentarische Befassung mit den komplexen Verhandlungen zum Hochschulpakt IV.

Ich breche die Nachhilfestunde in Sachen Verhandlungs-Einmaleins ab und verweise nur auf die vielen Ratgeber, die Sie sich im Internet anschauen können, oder auch auf das Forschungsprojekt der Siegener Professoren Krebs und Jung „Die Vertragsverhandlungen. Strategische und rechtliche Elemente.

 Meine Damen und Herren, es ist gut für Nordrhein-Westfalen, dass die Landesregierung nicht so naiv ist, sich in die Karten schauen zu lassen. Im Übrigen haben Sie das in Ihrer Regierungszeit selbst auch nicht getan.

(Dietmar Bell [SPD]: Doch, doch!)

Sie haben erst am Ende der Verhandlungen zum Hochschulpakt III über das Ergebnis informiert,

(Marc Herter [SPD]: Richtig, über das Ergebnis haben wir erst am Ende informiert!)

wie man dem Protokoll des Ausschusses für Innovation, Wissenschaft und Forschung vom 19. November 2014 entnehmen kann. Und Sie haben das erst gemacht, nachdem die Öffentlichkeit durch eine gemeinsame Pressekonferenz der GWK bereits informiert worden war – siehe Pressemitteilung vom 30. Oktober 2014.

Ihr Antrag, lieber Herr Bell, ist leider bloß oppositionelles Beiblatt. Das Ass im Ärmel nordrhein-westfälischer Wissenschaftspolitik wird durch die Landesregierung gespielt. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Dr. Nacke. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Körner das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Moritz Körner (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Bell, erst kamen Sie zu spät, und jetzt hatten Sie ein bisschen zu wenig Geduld mit diesem Antrag. Natürlich werden – der Kollege Nacke hat es gerade bereits ausgeführt – in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz zwischen den Ländern nichtöffentliche Verhandlungen geführt.

Sie werfen der Landesregierung vor, dass sie das Parlament – ich weiß den genauen Wortlaut nicht mehr; aber es war, glaube ich, „Skandal“ oder etwas in dieser Richtung – nicht anständig informiert habe. Ich möchte in diesem Kontext noch einmal auf die Parlamentsinformationsvereinbarung verweisen, in der eindeutig geregelt ist, dass die Information des Parlaments dort ihre Schranken findet, wo sie aus Rechtsgründen oder aufgrund der Vertraulichkeit von Verhandlungen nicht möglich ist. Und genau das ist an dieser Stelle der Fall. Insofern wäre etwas weniger Aufregung angebracht.

Der Kollege Nacke hat eben schon auf die Vorgehensweise der Vorgängerregierung hingewiesen. Auch sie hat in Hochschulpaktverhandlungen nicht detailliert ihre Strategien öffentlich gemacht.

Das wäre auch nicht klug; denn natürlich wollen wir für Nordrhein-Westfalen – auch mit dieser neuen Finanzierung im Rahmen des Hochschulpakts – zunächst einmal eine dauerhafte Finanzierung durch den Bund erreichen. Man muss der Bundesregierung und auch der SPD zugutehalten, dass im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, den Hochschulpakt weiterzuführen, und der Bund sich dauerhaft an der Finanzierung der Hochschulen beteiligt, was eine gute Leistung ist.

Natürlich werden wir auch versuchen – das ist völlig klar –, möglichst viele Ressourcen nach Nordrhein-Westfalen zu bringen. Das ist ja im ureigensten Interesse des Landes. Aber die genauen Strategien und Berechnungsmodelle der Landesregierung darzulegen, wäre nicht klug. Wenn Sie privat ein Auto kaufen, legen Sie ja auch nicht sofort Ihre Verhandlungsstrategie offen. – Da können Sie schmunzeln, Herr Bell. Aber so ist es doch. Es wäre auch unklug, gegenüber den anderen Ländern unsere Position derart deutlich zu machen, weil sie natürlich auch eigene Interessen haben und möglichst viele Mittel für ihre Länder bekommen wollen. Es ist klug, die Verhandlungen nichtöffentlich zu führen und so zu guten Ergebnissen zu kommen.

Im Anschluss werden wir natürlich entsprechend informieren. Ich bin mir auch sicher, dass die Ministerin jederzeit klug überprüfen wird, inwieweit sie das Parlament über konkrete Verhandlungsergebnisse und über die geeigneten Maßnahmen informieren kann. Da bin ich mir absolut sicher.

Anschließend werden wir natürlich auch schauen müssen, wie die landesinterne Verteilung dieser Hochschulpackmittel aussehen muss. Ich freue mich auf eine spannende Diskussion darüber; denn ich glaube, dass die Weiterentwicklung der Hochschullandschaft ein sehr zentraler Punkt ist.

Dieser Antrag kommt ein bisschen zu früh und entspringt der Oppositionsaufregung. In der Substanz trifft er es nicht. Deswegen werden wir ihn ablehnen. – Vielen lieben Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Körner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Kollege Bolte-Richter das Wort.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das waren zwei bemerkenswerte Auftritte der Redner aus den regierungstragenden Fraktionen. Für Herrn Körner kam dieser Antrag erst zu früh, dann zu spät und dann wieder zu früh.

(Zuruf von Moritz Körner [FDP])

Lieber Kollege Nacke, ich habe mich gefragt, wie klein man sich als Parlamentarier eigentlich selbst machen kann.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das haben wir uns bei Rot-Grün auch immer gefragt, lieber Kollege! – Gegenruf von Jochen Ott [SPD]: Das ist ein Unterschied!)

Sie sprechen von Gewaltenteilung und sagen dann: Gewaltenteilung heißt für uns von der CDU, dass die Regierung das schon macht. – Ich frage mich wirklich, was für ein Parlamentsverständnis Sie eigentlich haben. Es geht hier nicht um jedes Detail einer Verhandlungstaktik der Ministerin oder ihres Hauses in den Gremien, sondern schlicht und ergreifend darum, einmal zu hören, welche wissenschaftspolitische Linie diese Landesregierung eigentlich vertritt. Dass es keine solche Linie gibt, haben wir in den letzten Jahren ja immer wieder kritisiert.

(Beifall von den GRÜNEN und Dietmar Bell [SPD])

Meine Damen und Herren, es wird noch sehr lange großes Interesse an einem Studium geben. Die Studierneigung wird auf einem hohen Niveau verbleiben. Das bedeutet, dass wir eine nachhaltige Finanzierung der Hochschulen und der Studienplätze benötigen. Dazu ist es notwendig, dass der Bund die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen weiter unterstützt. Deshalb muss die Landesregierung sich dafür einsetzen, dass das Land die notwendigen Bundesmittel erhält, damit wir nicht Studienplätze abbauen müssen.

Der Plan ist – darauf hat der Kollege Bell bereits hingewiesen –, dass sich Bund und Länder bereits in wenigen Monaten auf einen neuen Hochschulpakt einigen. Das ist notwendig, damit die Hochschulen zumindest ein Mindestmaß an Planungssicherheit haben.

Ich erinnere daran, dass wir Grüne schon vor anderthalb Jahren Anträge zu dieser Thematik eingebracht haben. Wir haben immer wieder gesagt, dass der Hochschulpakt verstetigt, aber auch dynamisiert werden muss.

Zumindest der Verstetigung wird sich die Bundesregierung wohl nicht mehr entgegenstellen. Das ist schon einmal ein riesengroßer Fortschritt und für die Hochschulen enorm wichtig.

Aber auch die Dynamisierung ist ein notwendiger Baustein. Die Hochschulrektorenkonferenz und der Wissenschaftsrat haben sich schon der Forderung angeschlossen, die Hochschulpaktmittel entsprechend den jährlichen Steigerungen von 3 % bei den außerhochschulischen Forschungseinrichtungen zu dynamisieren. Aber da sperrt sich die CDU, da sperrt sich Frau Karliczek, und auch die FDP hat in der Vergangenheit entsprechende Vorstöße immer wieder abgewiesen.

Jetzt sprechen wir nicht allein über Verstetigung und Dynamisierung, sondern auch über Kriterien.

Nordrhein-Westfalen wird im laufenden Hochschulpakt III einen Teil der Mittel nach Abschlüssen vergeben. Dagegen haben CDU und FDP im Übrigen immer gewettert.

Aber eine Pauschalisierung nur nach der Zahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger würde Fehlanreize setzen; denn wenn jemand die Hochschule oder auch nur den Studiengang wechselt – das kennen wir aus der aktuellen Debatte insbesondere im Zusammenhang mit den Fachhochschulen –, geht das Geld eben nicht mit, sondern verbleibt am Ort des zuerst begonnenen Studiums. Das ist gerade für die Fachhochschulen – oder Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, wie sie in Zukunft heißen werden – immer ein Problem gewesen, weil sie oftmals Studierende aufgenommen haben, die an einer Universität begonnen haben. Über dieses Problem ist uns immer wieder berichtet worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb – um doch noch etwas versöhnlicher zu werden – muss am Ende eine Finanzierungsformel stehen, die den Hochschulen Verlässlichkeit bietet und ihre Professoren sowie ihre wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dauerhaft bzw. langfristig finanziert. Es geht um eine Formel, mit der die Mittel gerecht auf die Hochschulen verteilt werden.

Wenn wir uns weiterhin vornehmen, den Anteil der Studierenden an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften auf mindestens 40 % zu steigern, kann es nicht sein, dass das Kriterium „Studierende in Regelstudienzeit“ so hoch gewichtet wird. Damit würde der Status quo zementiert. Das muss die schwarz-gelbe Landesregierung in den Verhandlungen mit Bund und Ländern berücksichtigen.

Wir können an den Hochschulen viele Studierende aufnehmen. Das funktioniert aber nur, wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen haben. Daher erwarten wir von der Landesregierung nicht nur den von mir gerade skizzierten Einsatz auf der Bundesebene, sondern auch mehr Einsatz bei der Sanierung von Hochschulen, der Sanierung und dem Neubau von studentischem Wohnraum, der Erhöhung der Grundfinanzierung der Hochschulen und der Dynamisierung der Qualitätsverbesserungsmittel.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Damit müssen Sie jetzt Ernst machen. Sie müssen natürlich auch damit aufhören – gestatten Sie mir noch diese Anmerkung –, Demokratie und Studierfreiheit aus dem Hochschulgesetz zu streichen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bolte-Richter. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Helmut Seifen das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Helmut Seifen (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Einige der hier Anwesenden werden sich vielleicht noch an die Amtszeit von Herrn Pinkwart als Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie in der Regierung von Jürgen Rüttgers erinnern. Damals wurde gerade der erste Hochschulpakt ausgehandelt. Im Plenarprotokoll der Sitzung am 22. Oktober 2008 findet sich die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schultheis, damals wie heute Mitglied im Wissenschaftsausschuss, in der er vom zuständigen Minister dringlich wissen wollte:

„Warum beantwortet die Landesregierung die Frage nicht zum Umsetzungsstand des Hochschulpaktes 2020?“

Von Lessing ist überliefert, dass er einmal feststellte, jeder Mensch habe so seinen Stil, so wie seine eigene Nase. Anselm Feuerbach fügte hinzu: „Stil ist richtiges Weglassen des Unwesentlichen.“ Das sind zeitlose Wahrheiten. Insofern gehe ich davon aus, dass die gegenwärtige Landesregierung dem Parlament über die Ergebnisse der Verhandlungen zur Verlängerung des Hochschulpakts berichten wird, wenn konkret Berichtenswertes vorliegt.

Dass Svenja Schulze als SPD-Wissenschaftsminis-terin einen etwas transparenteren Stil pflegte und, wie man den Protokollen entnehmen kann, den Wissenschaftsausschuss häufiger von sich aus über die Verhandlungen zum letzten Hochschulpakt informierte, mag zutreffend sein. Das will ich Ihnen zugestehen. Dass sie dem Parlament ihre Verhandlungsstrategie darlegte, kann ich aber nicht sehen.

Die Abgeordneten der SPD-Fraktion haben im zuständigen Ausschuss bereits am 05.12.2018 einen Bericht der Landesregierung erhalten. In diesem Bericht hat das Ministerium den Verhandlungsstand zum Hochschulpakt dargelegt.

Ich bin nicht der Meinung, dass der Landtag hier die Verhandlungsmöglichkeiten und die Verhandlungsstrategie der Landesregierung diskutieren sollte. Das ist Sache der Exekutive und nicht die Aufgabe der Legislative.

Wenn es dann um die landesinterne Umsetzung dieses Hochschulpakts geht, sind das Parlament und der Wissenschaftsausschuss gefragt. Herr Bolte-Richter hat gerade in seiner Rede schon damit angefangen; er war bereits bei der landesinternen Umsetzung, bevor das Geld überhaupt verteilt ist.

Ich denke also, dass Ihr Antrag die Aufgabenverteilung zwischen Exekutive und Legislative ignoriert.

Herr Bell, deshalb brauchen wir den Wissenschaftsausschuss nicht abzuschaffen. Er hat noch genug zu tun, wenn der Hochschulpakt einmal verhandelt ist. – So weit zu Punkt 1 Ihres Antrags, in dem Sie etwas fordern, was eigentlich gar nicht eines Antrags bedarf.

Was Punkt 2 Ihres Antrags angeht, nämlich, dass an den Hochschulen mehr Dauerstellen geschaffen werden müssen, die eine sichere Lebensplanung zulassen, sind wir uns, glaube ich zumindest, mittlerweile fraktionsübergreifend einig. So verstehe ich jedenfalls den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf zur Novellierung des Hochschulgesetzes, in dem das Ziel, mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse an den Universitäten zu schaffen, formuliert wird.

Dies ist in der Tat dringend notwendig. Leider muss man sagen, dass diese Einsicht der Altparteien etwas spät kommt – aber sie kommt.

Wie in kaum einem anderen Bereich wird hier deutlich, dass die demografischen Probleme, die Sie nunmehr mit Migration als Allheilmittel lösen wollen, von der Politik in einem gehörigen Maß mitverschuldet sind. In einer Gesellschaft, in der die Kinderlosigkeit bei zunehmendem Bildungsgrad der Menschen immer weiter ansteigt, haben wir es letzten Endes mit einer dramatischen Fehlallokation von Ressourcen zu tun.

Nach den Ergebnissen des letzten Mikrozensus von 2016 gehört Deutschland neben der Schweiz, Italien und Finnland weiterhin zu den Ländern mit der höchsten Kinderlosigkeitsrate in Europa. Dies trifft insbesondere auf Akademikerinnen und in einem noch dramatischeren Maße auf Wissenschaftlerinnen zu. Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn 90 % der Stellen des wissenschaftlichen Mittelbaus befristet sind und 50 % der Männer und zwei Drittel der Frauen nur in Teilzeit Beschäftigung finden.

Hier ist es allerhöchste Zeit zur Trendwende. Alleine dafür allerdings bedarf es nicht dieses SPD-Antrages, der dann noch wieder auf der Klaviatur der Diversität spielt und somit an Unschärfe kaum noch zu überbieten ist.

Herr Bolte-Richter, sehen Sie es mir nach: Auch Sie waren am Ende Ihrer Rede bei Ihrem Lieblingsthema und kreisen immer um dasselbe Problem. Ich bin mir nicht sicher, dass damit den Hochschulen geholfen ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Seifen. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen das Wort. Bitte sehr, Frau Ministerin.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen befinden sich in einer Phase anhaltend starker Nachfrage nach Studienplätzen. Die Zahl der Anfängerinnen und Anfänger wird mittelfristig auf hohem Niveau von ca. 120.000 pro Jahr bleiben und nach Berechnungen der Kultusministerkonferenz auch nur allmählich sinken.

Vor dem Hintergrund der damals anstehenden doppelten Abiturjahrgänge – Sie erinnern sich alle – haben Bund und Länder im Jahr 2007 den Hochschulpakt 2020 aufgelegt. Aktuell läuft die dritte Programmphase. Derzeit verhandeln Bund und Länder in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz über eine Nachfolgefinanzierung.

Die Verhandlungen sind – auch das ist bekannt – vertraulich. Interne Details wie Verhandlungspositionen und Strategien können und sollten derzeit nicht öffentlich gemacht werden.

Diese Haltung steht im Einklang mit der Parlamentsinformationsvereinbarung, nach der die Unterrichtung des Landtages durch die Landesregierung dort ihre Schranken findet, wo dies aus Rechtsgründen und/oder zwingenden Gründen der Vertraulichkeit von Verhandlungen geboten ist.

Im Übrigen – das nur zur Klarstellung – gab es meines Wissens am 21. Februar 2019 keine Sitzung der GWK. Ich behaupte einmal, dass ich es wissen muss; denn ich bin Mitglied.

Die Bewertung des Blogs von Herrn Wiarda überlasse ich jedem von Ihnen selbst. Diesen Blog kann man lesen und daraus Schlüsse ziehen oder auch nicht.

Im Übrigen, lieber Herr Bell, hätte ich eine große Bitte: Wenn Sie Ihren heißen Draht zum Bundesfinanzminister einmal glühen lassen könnten, wäre das wirklich die größte Hilfe, die Sie allen Ländern zukommen lassen könnten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit der Hochschulvereinbarung NRW 2021 hat das Land Nordrhein-Westfalen Hochschulpaktmittel im Gesamtumfang von 250 Millionen Euro verstetigt. Die Hochschulen haben sich im Gegenzug verpflichtet, mit den verstetigten Mitteln verstärkt dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen.

Die Antwort auf die schon zitierte Große Anfrage 8 hat gezeigt, dass der Anteil der unbefristeten Stellen an den Hochschulen in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Während die Zahl der Beschäftigten an den Hochschulen von 2013 bis 2017 um 8,3 % angewachsen ist, hat sich die Zahl der unbefristet Beschäftigten im gleichen Zeitraum überproportional um 26,6 % erhöht. Die Hochschulen sind ihrer Verpflichtung, verstärkt dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse zu finanzieren, also nachgekommen. Das sollte man festhalten. Die Hochschulen wissen längst, dass das eine ganz wesentliche Voraussetzung ist, um gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch im wissenschaftlichen Bereich zu finden.

Seit Beginn dieser dritten Programmphase des Hochschulpakts zahlt das Land den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen aus Hochschulpaktmitteln eine Erfolgsprämie in Höhe von 4.000 Euro für jede Absolventin und jeden Absolventen eines grundständigen Erststudiums. Die entsprechenden Verträge mit den Hochschulen sind im Internetauftritt des Ministeriums übrigens auch öffentlich zugänglich. Dort kann man sich das genau anschauen.

Auch fördert das Land mit Hochschulpaktmitteln bereits zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Lehre. Die Maßnahmen unterstützen die Hochschulen in ihren Bemühungen, individuell auf die Vielfalt der Studierenden einzugehen und diese zu einem Abschluss zu führen. Sie umfassen unterschiedliche Schwerpunktthemen in den Bereichen Orientierungsphase, Studieneingangsphase und weiterer Studienverlauf.

Die eben erwähnte Erfolgsprämie soll die Hochschulen ebenfalls motivieren – das tut sie auch –, eigene Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Lehre umzusetzen und damit am Ende auch die Studierenden erfolgreich zum Abschluss zu führen.

Eine angemessene Beteiligung der Bundesländer wird durch die Verhandlungen in der GWK und die zielgerichtete Verwendung der Bundesmittel durch eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern sichergestellt.

Die Prüfrechte des Bundesrechnungshofs stehen dabei – das sollte auch noch einmal gesagt werden – natürlich überhaupt nicht zur Disposition. Selbstverständlich wird das auch bei der Nachfolgevereinbarung des Hochschulpakts nicht der Fall sein.

Die im vorliegenden Antrag erhobenen Forderungen werden entweder dem vertraulichen Charakter der laufenden Verhandlungen über eine Hochschulpaktnachfolgevereinbarung nicht gerecht oder beziehen sich auf Dinge, die bereits Realität sind. Daher lehnen wir diesen Antrag ab, weil er nicht sinnvoll ist. – Danke.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit können wir zur Abstimmung kommen. Die antragstellende Fraktion der SPD hat zum Antrag Drucksache 17/5375 direkte Abstimmung beantragt, sodass ich nun über den Inhalt dieses Antrags abstimmen lasse.

Wer dem Inhalt zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag Drucksache 17/5375 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit rufe ich auf:

9   Bezahlbaren Wohnraum in Nordrhein-Westfalen schaffen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5381

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Kollegen Klocke das Wort.

(Unruhe)

Bei dieser Gelegenheit darf ich alle anderen Kolleginnen und Kollegen bitten, etwas mehr Ruhe im Saal zu halten und die Gespräche in der Lautstärke deutlich zu reduzieren. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Arndt Klocke (GRÜNE): Danke. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben Ihnen diesen Antrag vorgelegt. Er geht aus einem großen baupolitischen Kongress hervor, den wir im Februar 2019 hier im Landtag durchgeführt haben, und zwar mit einer großen Vielfalt von Akteuren aus der ganzen Breite der Menschen, die sich mit der Frage von Planung und Neubau von Wohnungen in diesem Land beschäftigen.

Die Palette ging von großen Unternehmen wie Vonovia über den VdW, genossenschaftliche Baugruppen, Dezernentinnen und Dezernenten, die in diesem Bereich aktiv sind, bis hin zu vielen Menschen, die in der Mietercommunity unterwegs sind, dem Mieterbund etc.

Diese Veranstaltung haben wir ausgewertet und heute diesen Antrag vorgelegt, weil wir meinen, dass es in verschiedenen Bereichen zu einer Neujustierung dessen kommen sollte, was die Landesregierung hier an Schwerpunkten setzt oder in den letzten zwei Jahren gesetzt hat.

Wir wollen diesen Antrag heute zum Anlass nehmen, die Debatte auch im Ausschuss noch mal intensiv zu führen. Daher wollen wir ihn überweisen lassen. Wir werden dann sicherlich beantragen, ein entsprechendes Fachgespräch oder eine Anhörung durchzuführen.

Für uns ergeben sich in der Auswertung der aktuellen Situation einige Punkte, die wir in Angriff genommen haben wollen. Dazu gehört beispielsweise, dass wir die Landesregierung auffordern bzw. bitten, in Berlin entsprechend initiativ zu werden, das Baukindergeld abzuschaffen und dieses Geld anders einzusetzen.

Es gab verschiedene Anfragen im Bundestag, unter anderem eine der Linken, die sehr klar offengelegt haben: Hier werden Fehlanreize geschaffen. Es gibt insbesondere für Menschen mit mittleren und höheren Einkommen Mitnahmeeffekte.

Eigentlich war das Baukindergeld so angelegt, Menschen mit geringem Einkommen zu ermöglichen, durch Bauen Eigentum zu erwerben. Das wird durch das Baukindergeld nicht geschaffen. Deswegen meinen wir: Das Baukindergeld ist obsolet; das entsprechende Geld kann in andere Kanäle gesteckt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir meinen – das richtet sich an den Bund, aber auch an das Land –, dass man serielles und modulares Bauen unterstützen und verstärkt fördern sollte. Das hat sich aus Gesprächen unter anderem mit großen Wohnungsbauunternehmen wie Vonovia ergeben, die in den Startlöchern stehen, um entsprechende Projekte in Nordrhein-Westfalen umzusetzen.

Die baurechtlichen Hemmnisse in dem Bereich, um modulares Bauen – das kann ein sehr effizientes und schnelles Bauen sein – in größerem Stil zu ermöglichen und Projekte durchzusetzen, müssen beseitigt werden. Wir fordern die Landesregierung auf, in diesem Bereich sowohl auf Landesebene als auch mit Bundesratsinitiativen aktiv zu werden, um das umzusetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir meinen, dass die Landesregierung die Segmente, die gestärkt werden müssen, bisher zu wenig beachtet hat. Vor allem Menschen mit niedrigem und geringem Einkommen, Studierende sollen Wohnraum im Mietwohnungsbereich erhalten. Wir fragen uns, warum 923 Millionen Euro im Jahre 2018 bewilligt, davon aber 175 Millionen Euro nicht verausgabt worden sind.

Wir hatten heute Morgen eine Debatte zum Thema „Straßenbau und Straßen.NRW“, und von der CDU wurde uns noch mal die alte Schallplatte vorgehalten, dass im Jahre 2013 gut 40 Millionen Euro an den Bund zurückgegeben worden sind. Frau Ministerin, im letzten Jahr haben Sie über 175 Millionen Euro, die man für den Bau von bezahlbarem Wohnraum hätte einsetzen können, zurückgegeben. Dieses Geld konnte nicht eingesetzt werden, weil die Voraussetzungen dafür nicht geschaffen worden sind.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Das ist eine Summe, die exorbitant höher ist als die Summe, die bei Straßen.NRW vor fünf Jahren anlag. Man fragt sich auch: Wie sieht das im Jahr 2019 aus?

Also: Es müssen nicht nur alle Mittel eingesetzt, sondern auch alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um für bezahlbaren Mietwohnungsraum zu sorgen. Dazu müssen kommunale Wohnungsbauunternehmen und genossenschaftliches Bauen stärker unterstützt werden. Gerade bei Wohnungsbaugenossenschaften gibt es eine dauerhafte Preisbindung.

Landesweit fallen jedes Jahr 10.000 Wohnungen aus der Preisbindung heraus. Das kann durch Neubau nicht kompensiert werden. Deswegen wäre es gut, Wohnungsbaugenossenschaften stärker zu unterstützen und eben nicht auf Eigenheimerwerb zu setzen, was die Landesregierung leider verstärkt vorantreibt und unterstützt. Hier haben wir einen klaren Dissens zu der Politik der Landesregierung.

Wir haben auch die klare Frage – ich denke, das ist auch noch mal eine Debatte im Ausschuss mit einer Anhörung wert –, ob es Sinn macht, eine landesweite Wohnungsbaugesellschaft zu reaktivieren, wie es sie früher gab. Dieser Vorschlag kommt vonseiten der SPD. Ich glaube, das wäre eine kritische, konstruktive Debatte wert. Wir setzen mehr darauf, städtische Wohnungsbauunternehmen zu stärken und Wohnungsbaugenossenschaften voranzubringen.

All das wollen wir mit Ihnen im Ausschuss debattieren, und wir sind natürlich auch auf die Haltung der Landesregierung gespannt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Klocke. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Schrumpf das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Fabian Schrumpf (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Klocke, in Ihrem Antrag heißt es unter anderem:

„Zu wenig Flächen, zu lange Genehmigungsverfahren und zu hohe Baukosten sind die größten Hürden beim Neubau von Wohnungen. Hier muss angesetzt werden, um die Bedingungen für den Mietwohnungsneubau zu verbessern.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, was soll ich dazu sagen? Ja, Sie haben recht, Problem erkannt.

Wenn ich mir Ihren Antrag weiter ansehe, lassen sich noch einige weitere durchaus richtige Ansätze und Schnittmengen erkennen. Daher sind wir zumindest in Teilen der Analyse, der Problembeschreibung gar nicht so weit auseinander.

Wir können an dieser Stelle ganz klar festhalten: Inhaltlich ist Ihr Antrag damit auf einem deutlich höheren Niveau als das, was uns die SPD in der Vorweihnachtszeit an wohnungspolitischem Wünsch-dir-Was aufgezeigt hat.

Völlig richtig zum Beispiel ist Ihre Ablehnung einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft, was in Ihrem mündlichen Beitrag leider wieder etwas anders klang, aber in Ihrem Antrag, wie ich finde, richtig begründet ist.

Aber im Grunde – Sie ahnen es, jetzt kommt unser Einwand – bedarf es Ihres Antrags in seiner Gesamtheit nicht, weil wir bereits genau an den drei Hauptproblemen angesetzt haben, die Sie richtigerweise benennen: Bauland, Baugenehmigung und Baukosten.

So haben wir die neue Landesbauordnung mit dem Ziel auf den Weg gebracht, das Bauen in unserem Land schneller, einfacher und kostengünstiger zu gestalten.

Ich kann Sie beruhigen, lieber Herr Kollege Klocke: Die angeblichen baurechtlichen Hemmnisse für serielles und modulares Bauen, von denen in Ihrem Antrag und auch gerade in Ihrem Wortbeitrag die Rede war, existieren dank unserer neuen Landesbauordnung in Nordrhein-Westfalen nicht mehr. Da hilft ein ganz einfacher in Blick ins Gesetz: § 66 der neuen Landesbauordnung.

(Beifall von der CDU)

Wir haben damit die sogenannte referenzielle Baugenehmigung eingeführt und ganz neue Möglichkeiten für serielles Bauen und Bauen in Modulbauweise geschaffen. Insgesamt haben wir mit unserer Landesbauordnung ein modernes und faires Regelwerk für alle am Bau Beteiligten auf den Weg gebracht.

Wir haben auch immer deutlich gemacht, dass es ohne bezahlbares Bauland keinen bezahlbaren Wohnungsbau und erst recht keine für weite Teile der Bevölkerung bezahlbaren Mieten geben wird. Das gilt unverändert.

Um diese Hürden nehmen zu können, sind wir insbesondere auf die Mithilfe unserer Kommunen angewiesen; denn diese können im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung die Rahmenbedingungen für mehr Wohnraum und einen attraktiven Wohnungsmarkt verbessern.

Ich freue mich durchaus, wenn die Grünen erklären, dass sie an unserer Seite stehen, wenn es vor Ort in den Kommunen darum geht, Neubauvorhaben durchzusetzen. Ich werde ich Sie beim Wort nehmen, wenn sich beim nächsten Mal wieder Grüne an die Spitze einer Bürgerinitiative stellen, die gegen neuen Wohnungsbau Stimmung macht. Sie müssen also sehen, dass Sie das nicht nur ankündigen, sondern vor Ort auch mithelfen, es durchzusetzen.

(Beifall von Heinrich Frieling [CDU])

Mit dem neuen Landesentwicklungsplan, der heute schon an anderer Stelle Thema war, und den Initiativen zur Mobilisierung von Bauland hat unsere NRW-Koalition die Kommunen bei der Herausforderung, Grundstücke bereitzustellen, bereits tatkräftig unterstützt. Die Rahmenbedingungen für mehr Wohnungsbau haben wir aber auch durch Anpassung der Konditionen der öffentlichen Wohnraumförderung bereits erheblich verbessert.

Auch wenn es hier im Plenum und in diversen Ausschusssitzungen immer und immer wieder betont wurde, wiederhole ich es an dieser Stelle für Sie gerne noch einmal: Der Schwerpunkt unserer Wohnraumförderung liegt weiterhin auf der Mietwohnraumförderung, und das mit 730 Millionen Euro, was rund zwei Dritteln des aufgestellten Wohnraumförderprogramms entspricht.

Richtig ist, dass wir neben der Mietwohnraumförderung auch die Eigentumsförderung und die Modernisierungsförderung als wichtige und wesentliche Bestandteile der Wohnraumförderung in unserem Land sehen. Dass sich das Fördervolumen gerade im Bereich der Eigentumsförderung im ersten Jahr der Neuausrichtung nahezu verdoppelt hat, zeigt doch gerade die immense Bedeutung dieses Förderbausteins. Die dankbare Anerkennung gerade durch junge Familien, die sich so den Traum von den eigenen vier Wänden verwirklichen können, gibt uns an dieser Stelle doch völlig recht.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Klocke, daher finde ich es wirklich schade, dass Sie heute erneut versuchen, die Förderung von Mietwohnungsbau und Eigentum gegeneinander auszuspielen. An anderer Stelle waren wir doch gemeinsam schon erheblich weiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir ruhen uns nicht auf dem seit 2012 besten Förderergebnis der öffentlichen Wohnraumförderung aus. Dabei ist insbesondere unser neues Programm zur Modernisierungsförderung von Bestandswohnungen ein wichtiges Instrument, um Bestandswohnungen in der Sozialbindung, in der Mietpreisgebundenheit zu halten oder in diese neu aufzunehmen.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Auch wenn ich Ihnen heute keine Zustimmung der CDU-Fraktion zu Ihrem Antrag in Aussicht stellen werde, freue ich mich darauf, gemeinsam mit Ihnen im Ausschuss über die besten Lösungen für die wohnungspolitischen Herausforderungen unseres Landes zu diskutieren und zu streiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Schrumpf. – Für die Fraktion der SPD hat nun Herr Abgeordneter Baran das Wort. Bitte sehr.

Volkan Baran (SPD): Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der vorliegende Antrag der Grünen ist ein Weckruf – ein Weckruf an die Landesregierung, die Klientelpolitik aufzugeben, endlich die Interessen der 10,1 Millionen Mieterinnen und Mieter in Nordrhein-Westfalen ernst zu nehmen und ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen. Es ist höchste Zeit, das wissen wir nicht erst seit gestern.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Frau Ministerin, die Grünen führen aus, wie hoch der Druck auf dem Wohnungsmarkt geworden ist. Sie führen aus, wie dringend wir neuen bezahlbaren Wohnraum brauchen. Das alles dürfte Ihnen nicht neu sein. Untersuchungen zeigen dies, und auch wir wiederholen es seit Langem gebetsmühlenartig, um Sie aus dem Winterschlaf zu holen. Aber es ist Frühling, das gibt Grund, zu hoffen.

Leider sorgt das nicht dafür, dass Sie aktiv werden. Sie geben sich mit vollmundigen Versprechungen zufrieden. Insgeheim hoffen Sie, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht merken, was Sie wirklich tun, nämlich den Preis nach oben treiben.

(Beifall von der SPD)

Wohnen wird immer teurer. Hier in Düsseldorf hat mittlerweile jeder zweite Einwohner Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein. Nicht nur Geringverdienende haben Probleme, eine Wohnung zu finden. Unsere Innenstädte und urbanen Räume werden langsam zu Reichengettos. Kaum jemand kann diese Mieten zahlen.

Wie unsere Kolleginnen und Kollegen von den Grünen sagen auch wir, dass wir uns das als Gesellschaft nicht leisten wollen und können. Sie versäumen zum wiederholten Male, Ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen und dieser gerecht zu werden. Der soziale Frieden in unserer Gesellschaft ist ein sehr hohes Gut. Nur durch die Wahrung von sozialer Durchmischung in unseren Quartieren und Städten kann dieses hohe Gut, liebe Frau Ministerin, erhalten werden.

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

Doch statt neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, investieren Sie lieber in eine völlig übersteigerte Eigentumsförderung. Sie fördern lieber das Vermögen von ohnehin wohlhabenden Menschen, statt mehr in den geförderten Wohnraum zu investieren. Die Menschen, die die Unterstützung bitter nötig hätten, gucken leider oft in die Röhre.

Frau Ministerin, für Sie als Erinnerung: Die soziale Wohnraumförderung soll Wohnraum für Menschen schaffen, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Sie soll bestehenden Wohnraum an die Erfordernisse des demografischen Wandels anpassen und diesen energetisch nachrüsten. Die städtebauliche Funktion der Wohnquartiere soll erhalten und gestärkt werden.

Im Moment wird das Grundrecht auf bezahlbaren, angemessenen Wohnraum, was sogar in der Erklärung für Menschenrechte steht, in Teilen Nordrhein-Westfalens mit Füßen getreten, und zwar von dieser Landesregierung.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Die Bestände von mietpreisgebundenen Wohnungen sind obendrein in den letzten Jahren um jährlich 3 % gesunken; der Kollege Klocke hat es gerade gesagt. Für 2016 bedeutet das bei einem Bestand von 467.400 Wohnungen einen Rückgang von 14.000 Wohneinheiten.

Um endlich für alle Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen das Menschenrecht auf bezahlbares und angemessenes Wohnen zu gewährleisten, braucht es eine höhere, am Bedarf orientierte Förderung mit Konzentration auf den mietpreisgebundenen Wohnungsbau, mehr Bautätigkeit, die Ausweisung von mehr Baugrundstücken, die Unterstützung von Kommunen, auch der kommunalen Wohnungsbauunternehmen.

Ferner ist es nötig, Anreize für die Förderung einer sozialen Baulandpolitik der Kommunen zu schaffen. Es bedarf darüber hinaus einer veränderten Fördersystematik. Die alten Gebietskulissen sind veraltet, sie müssen überdacht werden. Die unzeitgemäße Begrenzung von Geschosszahlen muss aufgehoben werden. Dies gilt insbesondere für den Rhein-Sieg-Kreis und Mönchengladbach.

Es bedarf der Sicherung und des Ausbaus der Tilgungsnachlässe auch durch originäre Landesmittel und der kompletten Zweckbindung der im Koalitionsvertrag in Berlin angekündigten Wohnungsbauförderung des Bundes, der Förderung der Genossenschaften und von unserer Seite natürlich auch der Gründung eines landesweiten Wohnungsbauunternehmens.

Was allem vorangehen muss, ist die Modernisierung des landesrechtlichen Mieterschutzes. Gerade in einem Markt, der eher ein Vermietermarkt ist, kann es nicht sein, dass bei solch einem Druck die Mieterinnen und Mieter für vogelfrei erklärt werden.

Es ist gut und wird wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass Sie die Mieterschutzregelungen, die jetzt auslaufen sollten, noch einmal evaluieren und vielleicht auch anpassen wollen. Unsere Meinung ist: Die jetzt vorhandenen Regelungen müssen zusätzlich verschärft und dürfen nicht abgeschafft werden.

Unsererseits besteht absolute Übereinstimmung mit den Forderungen der Grünen. Wir stimmen dem Antrag zu und befürworten natürlich auch die Überweisung an den Ausschuss.

Interessant ist bei den ganzen Lobgesängen auf die Landesbauordnung, dass Sie es tatsächlich geschafft haben, 15 % weniger öffentlich geförderte Wohnungen im Jahr 2018 zu bauen als im Jahr 2017. Den Rückgang im Jahr 2016 haben Sie immer mit anderen Voraussetzungen begründet. Trotzdem haben Sie es nun geschafft, 15 % weniger Sozialwohnungen zu bauen.

Wir stimmen der Überweisung des Antrags an den Ausschuss zu. – Ich verabschiede mich mit einem herzlichen Glück auf!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Baran, es gab den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Schrumpf. Die Zwischenfrage ist ziemlich genau zum Ende Ihrer Rede angemeldet worden. – Der Kollege Schrumpf hat das Wort zu einer Zwischenfrage.

Fabian Schrumpf (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege Baran, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie sprachen gerade die neue Landesbauordnung an und dass damit die Zahl der Baugenehmigungen im Jahr 2018 zurückgegangen sei. Ist Ihnen bekannt, dass die neue Landesbauordnung zum 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist?

Volkan Baran (SPD): Vielen Dank für die Frage. – Mir ist auch bekannt, dass durch das Moratorium, das durch Ihre Landesregierung veranlasst worden ist, die Bautätigkeit in diesem Land massiv zurückgegangen ist. Ich glaube, es ist kein Geheimnis – die Zahlen sind öffentlich bekannt –, dass Sie es tatsächlich hinbekommen haben, den sozialen Wohnungsbau gegenüber dem Jahr 2017 um 15 % zurückzufahren. Ich glaube, das ist Fakt, und das steht auch überall drauf.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Paul das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Stephen Paul (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich wieder auf den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beziehen. Lieber Arndt Klocke, du hast dargestellt, dass ihr auf einer Veranstaltung deiner Fraktion mit allen Akteuren am Wohnungsmarkt zusammengesessen habt

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Mit vielen!)

– mit vielen – und daraus diese Positionen entwickelt habt.

Ich war kürzlich bei einer Veranstaltung des Verbandes der Immobilien- und Wohnungswirtschaft Nordrhein-Westfalens. Dort ist ganz klar geworden, dass die Wohnungsgenossenschaften – es ging um die Zukunftsperspektiven der Wohnungsgenossenschaften – nicht von den Grünen für gemeinnützig erklärt werden möchten. Denn die Gemeinnützigkeit bringt keine zusätzlichen Wohnungen, wie wir alle wissen.

Es war sogar der in der Friedrich-Ebert-Stiftung aktive Dr. Runkel, Mitglied im Arbeitskreis Stadtentwicklung, Bau und Wohnen der Friedrich-Ebert-Stiftung, der festgestellt hat, dass eine neue Gemeinnützigkeit für Wohnungsgenossenschaften unter dem jetzigen EU-Beihilferecht und auch unter dem geltenden Bundesrecht kaum umsetzbar wäre. Die Wohnungsgenossenschaften würden dadurch in richtige Probleme gestürzt werden.

Ein Problem ist auch, dass die flächendeckende Belegungsbindung zu neuen sozialen Brennpunkten und Nachbarschaftskonflikten führen würde. Es gibt steuerliche Nachteile für die Wohnungsgenossenschaften, die ihre unternehmerische Handlungsfreiheit stark einbüßen würden, wenn sie für gemeinnützig erklärt würden. Damit ist niemandem gedient. Denn die Wohnungsgenossenschaften bieten heute schon Wohnraum für eine Miete an, die unter den durchschnittlichen Mieten in Nordrhein-Westfalen liegt.

Diesen Wohnungsgenossenschaften jetzt das Leben schwer zu machen und sie mit einer neuen Gemeinnützigkeit zu fesseln, damit ist gerade den Mieterinnen und Mietern nicht gedient. Deswegen werden wir diesen Weg ganz bewusst nicht mitgehen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es gibt weitere Widersprüche in dem Antrag. Sie zeichnen das Bild, dass die Landkreise die Großstädte entlasten sollten, lassen dort aber wenig Entwicklung zu. Es ist eben nicht so, dass Ortskerne leer stehen und Baugebiete nur am Rand der Orte ausgewiesen werden.

Das ist weder in Vlotho an der Weser noch in Telgte beim grünen Bürgermeister Wolfgang Pieper so. Wer ihn fragt, wird hören, dass viele Kommunen längst erkannt haben, dass sie ihre örtliche Mitte attraktiver machen müssen. Sie haben längst erkannt, dass man sich nicht darauf konzentrieren darf, um die alten Ortskerne herum neue Baugebiete auszuweisen, sondern dass man die Stadt- oder Ortsmitte wieder attraktiv gestalten muss, weil sie den Bürgerinnen und Bürgern auch Identität vermittelt.

Um die Stadt- oder Ortsmitte wieder attraktiv zu machen, haben wir viele Neuregelungen in der Landesbauordnung eingeführt und fördern auch die Dorf- und Stadterneuerung bis hin zum Abriss alter Gebäude.

Es braucht aber auch neue Flächen für das Wohnen. Es wird nicht reichen, in den Stadtkernen, in der Mitte der Dörfer eine Entwicklung zuzulassen. Wir brauchen auch neue Flächen für das Wohnen, gerade im Zusammenhang mit ÖPNV-Verbindungen. Mit dem geänderten Landesentwicklungsplan wird von uns sichergestellt, dass sich die Kommunen in dieser Weise weiterentwickeln können.

Überhaupt würden wir anregen, dass Sie den Kommunen in der kommunalen Selbstverwaltung, in der kommunalen Selbstgestaltung einfach etwas mehr zutrauen. Denn eigentlich atmet auch dieser Antrag den Geist der alten Remmel’schen Bevormundungspolitik aus Düsseldorf.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dass man dann solch einen, wie ich finde, künstlichen Gegensatz, einen künstlichen Widerspruch zwischen unserer neuen Wohneigentumsförderung und der Förderung des Mietwohnungsbaus herstellen will, wird der Wirklichkeit in Nordrhein-Westfalen einfach nicht gerecht. Man sollte das nicht gegeneinander ausspielen.

Im vergangenen Jahr sind 932 Millionen Euro im Rahmen der öffentlichen Wohnraumförderung abgerufen worden. 8.662 Wohneinheiten sind damit gefördert worden. Davon entfielen nur 77,5 Millionen Euro auf die klassische Wohneigentumsförderung; das sind gerade gute 8 % der gesamten Wohnraumförderung des Landes. 611 Familien haben wir damit zu Wohneigentum bringen können.

Der Renner war übrigens „Jung kauft Alt“, eine richtig gute Idee aus Hiddenhausen im Kreis Herford: Alteigentümer veräußern ihre Häuser an Familien, die dort gerne Wohneigentum erwerben wollen, die abseits der Metropolen günstiges Wohneigentum in Mittelzentren, in ländlichen Regionen suchen. Da-durch ist Mietwohnraum frei geworden.

Wir möchten Sie bitten, das nicht zu diffamieren: Auch die Wohneigentumsförderung hilft dabei, die Situation für die Mieterinnen und Mieter, für die Mietwohnungssuchenden auf den Wohnungsmärkten zu verbessern. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Paul. Sie haben es gesehen: Es wurde eine Kurzintervention vom Abgeordneten Klocke der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angemeldet, der nun das Wort für 90 Sekunden hat.

Arndt Klocke (GRÜNE): Danke, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege Stephen Paul, du hast in deiner Rede die Frage der neuen Wohngemeinnützigkeit angesprochen, die wir in unserem Antrag bewusst nicht angeführt haben. Ich würde gerne die Kurzintervention dazu nutzen, um das zu erläutern.

(Zuruf)

– Nein, das ist ein Debattenstand und eine Forderung der grünen Bundestagsfraktion, die das intensiv auf Bundesebene diskutiert. Es gibt in zwei Wochen einen großen Fachkongress dazu in Berlin, auf dem ich mich auch einschalten werde.

Mir sind natürlich die Bedenken, die es insbesondere bei Wohnungsbaugenossenschaften gibt, klar und bekannt, was die bundesweite Etablierung einer neuen Gemeinnützigkeit im Anschluss an das, was in den 80er-Jahren abgeschafft worden ist, für Genossenschaften bedeuten würde, und zwar auch aus dem Austausch zum Beispiel mit Alexander Rychter vom VdW und anderen.

Deswegen stehe ich einer bundesweiten Regelung und der Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit skeptisch bis ablehnend, auf jeden Fall aber kritisch gegenüber. Das werden wir aus Nordrhein-Westfalen in die Debatte unserer Bundespartei einspeisen. Das ist ein laufender Diskussionsprozess, zu dem es verschiedene Vorschläge gibt, aber es ist nicht Teil unseres hier vorgelegten Antrags.

Wir können das natürlich auch hier in einer Anhörung diskutieren. Ich wollte die Gelegenheit nur nutzen, um klarzustellen, dass das jedenfalls keine Forderung ist, die die nordrhein-westfälischen Grünen und meine Fraktion in Richtung Bundespolitik erheben.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Klocke. – Herr Kollege Paul, Sie haben nun 90 Sekunden, um auf die Kurzintervention zu erwidern.

Stephen Paul (FDP): Darauf reagiere ich gerne. Dann haben wir eine Gemeinsamkeit mehr; das freut mich. – Danke für die Klarstellung.

Ich wollte auch noch positiv herausstreichen – das ließ nur die Redezeit vorhin nicht zu –, dass sich die grüne Fraktion klar gegen eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft positioniert. So denken wir auch. Man würde gerade damit den örtlich und regional erfahrenen Akteuren unnötig Konkurrenz machen, und zwar nicht nur finanziell, sondern auch am Markt selbst.

(Zuruf von Volkan Baran [SPD])

Deswegen begrüßen wir diese Positionierung sehr. Es gibt einige Gemeinsamkeiten; Fabian Schrumpf hat das schon angesprochen. Ich freue mich auf die weiteren Ausschussberatungen, in denen wir das noch im Einzelnen fachlich bewerten werden. – Danke.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Paul, für die Erwiderung auf die Kurzintervention. – Jetzt hat für die AfD-Fraktion Herr Abgeordneter Beckamp das Wort.

Roger Beckamp (AfD): Frau Präsidentin! Der Wunsch nach bezahlbarem Wohnraum in NRW ist nichts Neues hier im Plenum. Solche Anträge häufen sich, und es häufen sich auch die Worte dazu. Auch heute gab es wieder einen Rundumschlag mit wenig neuen Fakten, dafür aber mit vielen Widersprüchen. Ein paar Widersprüche wie folgt:

Sie wollen mehr Handlungsspielräume für Kommunen. Im gleichen Atemzug wollen Sie aber keine neuen Baugebiete durch ebendiese Kommunen ausweisen lassen. Das passt nicht zusammen.

Sie wollen Vorkaufsrechte für Wohnungsbaugesellschaften für Grundstücke. Das wäre etwas Neues. Nicht die Gemeinden, sondern Wohnungsbaugesellschaften können sie kaufen. Diese Grundstücke sind aber nicht in hinreichendem Maße vorhanden – gerade in Großstädten, wo sie dringend gebraucht werden. Mehrheitsentscheidungen im Landtag führen eben nicht dazu, dass neue Grundstücke geschaffen werden. Also bleibt auch das ein frommer Wunsch.

Sie wollen Regelungen zum – in Ihren Augen – Mieterschutz erhalten, verlängern oder noch verschärfen. Hierdurch wird keine einzige neue Wohnung gebaut. Das fällt Ihnen aber anscheinend selbst gar nicht auf.

Sie wollen mehr Mietwohnungsbau. Sie wollen Beträge von der Eigenheimförderung zum Mietwohnungsbau umschichten. Wenn ich es richtig verstanden habe, sollen knapp 20 Millionen Euro umgeschichtet werden. Damit könnte man vielleicht 100 sozial geförderte Wohnungen im Jahr bauen, gleichzeitig aber viel weniger Eigenheimförderung erreichen. Die Wünsche der Menschen, die Eigenheime haben wollen, sind Ihnen dabei egal – auch eine seltsame Bilanz.

Die Wohnungsbaugenossenschaften sprachen Sie eben ausführlich an. Die grundsätzliche Idee verfolgen wir auch und finden sie gut. Aber auch hier stellt sich die Frage: Woher sollen die Grundstücke kommen? Genau daran hapert es in erster Linie.

Einer von zwei Hauptpunkten, die ich jetzt bringe, sind die Baukosten, die bei Ihnen zwar vorkommen, aber völlig unzureichend. Die Preise fürs Bauen steigen seit Jahren. Wenn man Wohnungsbau mit Klimaschutz und Energiewende überlastet, wird Bauen teurer. Und Überraschung: Preiswerter Wohnraum wird noch schwieriger zu schaffen.

Und den Elefanten im Raum – Sie ahnen es – erwähnen Sie gar nicht: Es geht nämlich nicht nur um die Angebotsseite, es geht auch um die Nachfrageseite. Wir haben gerade beim günstigen Wohnraum plötzlich eine immense, massive Nachfragesteigerung durch Fernwanderungsgewinne, Frau Ministerin.

Fernwanderungsgewinne? Man könnte auch sagen: unkontrollierte Masseneinwanderung. Da haben wir es wieder: Genau diesen Punkt blenden Sie stets und ständig aus. Ich kann mir kaum vorstellen, wenn Sie einen großen Kongress veranstalten, zu dem ganz viele Leute aus der Branche kommen, dass es kein Thema ist – jedenfalls hinter vorgehaltener Hand –, dass das massiv auf den Markt einwirkt.

Sie wollen es nicht wahrhaben. Sie wollen es aber auch nicht hören, Herr Klocke.

(Jochen Ott [SPD]: Weil das auch nicht geht!)

Sie hören mir nicht zu.

(Zuruf von Volkan Baran [SPD])

– Herr Baran von der SPD hört zu; das freut mich. Sie hören zu, aber Sie benennen es nicht. Herr Ott, sagen Sie etwas dazu. Sie wollen es nicht wahrhaben, Sie wollen es nicht hören, Sie wollen es nicht benennen, Sie wollen es nicht erkennen. Genau das ist einer der wesentlichen Faktoren für die Wohnungsnot im eigenen Land, für die Verdrängungseffekte ganz vieler Leute gerade im günstigen Wohnraumbereich. Da sind die Probleme.

Der Antrag der Grünen meint viele Dinge. Viele Dinge blendet er aus – gerade die entscheidenden Punkte: Wohnen wird immer teurer, es gibt unzureichende Angebote, und Sie lassen die Nachfrager ins Land. – Darüber müssten Sie erst mal reden. Wir sind gern dazu bereit.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Beckamp. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Scharrenbach das Wort. Bitte sehr, Frau Ministerin.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Baran, ich bin offen gesagt ganz froh, dass Sie hier nicht gesungen haben, wie es Ihre Parteivorsitzende im Deutschen Bundestag schon einmal getan hat. Sie machen sich die Welt, wie sie Ihnen gefällt.

Ernsthaft gesagt war Ihre Rede faktenfrei und schlicht fehlerhaft. Deshalb darf ich das mit „ sachlich-politisch desaströs“ übersetzen, kurz: SPD.

(Beifall von der CDU – Volkan Baran [SPD]: Wie viele Sozialwohnungen haben Sie 2017 gebaut und wie viele 2018?)

Das, was Sie hier abgeliefert haben, passt echt auf keine inhaltliche Kuhhaut. Ich weiß, dass Sie mir diese Wertung nicht zugestehen,

(Jochen Ott [SPD]: Da haben Sie ganz recht! Das steht Ihnen nicht zu!)

aber das haben Sie als Sozialdemokratie eigentlich nicht nötig.

(Jochen Ott [SPD]: Ihr Umgang mit Abgeordneten ist unterirdisch!)

Sie stellen sich ernsthaft hierhin, Herr Abgeordneter Baran, und fordern ein, dass die Bundesmittel für die öffentliche Wohnraumförderung komplett zweckgebunden werden.

Ganz ehrlich: Alle Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen haben die Bundesmittel komplett für die öffentliche Wohnraumförderung zweckgebunden. Das haben Sie gemacht, das haben wir durch all die Jahre gemacht. Das brauchen Sie hier nicht einzufordern, außer Sie wissen es nicht. Das kann ich natürlich nicht beurteilen. – Das soll es zu Ihrer Rede gewesen sein. Mehr kann man dazu schon gar nicht sagen.

Wenn Sie sich die Zahlen zu Baugenehmigungen, zum Bauhauptgewerbe und zur Entwicklung im Gewerbe ansehen, dann merken Sie sehr deutlich beispielsweise an der Veröffentlichung von IT.NRW vom 13. März 2019, dass die Anzahl der Baugenehmigungen 2018 im Vergleich zu 2017 um 5,8 % auf rund 56.000 Wohneinheiten gestiegen ist. Auch das Bauhauptgewerbe hat deutlich zugelegt.

Sehen wir uns die Inhalte dessen, was die Grünen in ihrem Antrag begehren, einmal an. Als ersten Punkt fordern sie, „den Schwerpunkt der Wohnraumförderung wieder dauerhaft auf den Mietwohnungsbau zu setzen“. Ja, das tun wir als Landesregierung – das haben wir von Beginn an dargelegt – in einem mehrjährigen Wohnraumförderungsprogramm 2018 bis 2022. Darauf ist der Abgeordnete Schrumpf schon eingegangen.

Das deutliche Übergewicht in der öffentlichen Wohnraumförderung liegt in der Schaffung von neuem Mietwohnungsraum. Das hat sich seit Sommer 2017, seit wir angetreten sind, nicht geändert und wird sich auch in Zukunft in den Schwerpunkten, die wir setzen, nicht verändern.

Sie fordern des Weiteren, dass wir die Förderbedingungen so anpassen, dass die Gründung von Wohnungsgenossenschaften oder Baugruppen gefördert wird. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, das ist heute schon in den Wohnraumförderrichtlinien entsprechend verankert, also insofern umgesetzt.

Sie wollen uns auffordern, auf den Bund einzuwirken, das Baukindergeld zu streichen. Ich kann Ihnen sehr deutlich sagen, dass wir als Landesregierung das nicht vortragen werden. Es ist in dem Fall eine bundespolitische Entscheidung von CDU, CSU und SPD, das zur Förderung von jungen Familien in Verbindung mit der Schaffung von Eigentum umzusetzen.

Sie wissen, dass sich auch die nordrhein-westfälische Landesregierung sehr deutlich dafür ausspricht, jungen Familien Möglichkeiten einzuräumen, entsprechendes Eigentum zu schaffen. Auch darauf ist öffentliche Wohnraumförderung ausgerichtet. Es ist aber eben nicht, wie das früher in diesem Land der Fall war, immer dieses Entweder-oder – entweder Mietwohnungsbau oder Eigentumsförderung –, sondern wir sagen: Wir brauchen mehr Wohnraum in allen Segmenten, und deswegen das Sowohl-als-auch.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Von einem Abgeordneten wird argumentiert: Mit der Eigentumsförderung fördern Sie von der Landesregierung aus CDU und FDP die reichen Familien, die, die den Wohlstandsbauch haben.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das ist ja belegt!)

– Sie waren das nicht.

(Thomas Kutschaty [SPD]: Das hat er nicht gesagt!)

Sehr geehrter Abgeordneter Baran – jetzt muss ich doch noch einmal darauf zurückkommen –, die öffentliche Wohnraumförderung richtet sich an Menschen, die über eine geringe Zahlungskräftigkeit am Markt verfügen. Auch daran richtet sich die Eigentumsförderung der Landesregierung für junge Familien aus. Daran sind Einkommensgrenzen gebunden. Insofern haben Sie hier eine Annahme, die völlig fehlläuft. – Das dazu.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist nur die halbe Wahrheit!)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete der Grünen, Sie fordern uns auf, die bestehende Mieterschutzverordnung zu erhalten und anzupassen. Das haben wir getan. Wir werden die Kappungsgrenzenverordnung entsprechend neu auflegen. Das habe ich in der letzten Woche öffentlich verkündet. Wir werden alle vier bestehenden landesspezifischen Verordnungen durch die Vergabe eines entsprechenden Mantelgutachtens auf den Prüfstand stellen.

Der letzte Punkt ist die Forderung, die baurechtlichen Hemmnisse für serielles und modulares Bauen abzubauen. Das gibt es in Nordrhein-Westfalen offen gesagt schon sehr lange. Es gibt wenige Länder innerhalb der Bundesrepublik, die im Bauordnungsrecht über eine sogenannte Typengenehmigung verfügen. Wir haben sogar aus Nordrhein-Westfalen heraus dafür Sorge getragen, dass das am 22. Februar im Rahmen der Sonderbauministerkonferenz auch wieder in die Musterbauordnung aufgenommen wurde – in dem Fall zusammen mit Hamburg. Das ist Beschlusslage. Wir haben es schon sehr lange. Und wir haben – auch darauf ist hingewiesen worden – in die neue Landesbauordnung die referenzielle Baugenehmigung eingeführt.

Dass es in Nordrhein-Westfalen funktioniert, sehen Sie daran, dass Vonovia hier sehr wohl seriell baut. Auch ich stehe permanent in Kontakt zu Herrn Buch. Wir haben sogar – das ist damals noch durch Ihre Landesregierung initiiert worden – ein Wettbewerbsverfahren zusammen mit der Bauindustrie durchgeführt. Dabei ist ein Baugebiet in Essen-Altenessen herausgekommen, in dem die Bauindustrie jetzt ein serielles Bauvorhaben durchführt und umsetzt.

Insofern, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegt die Wohnraumförderung bei der Landesregierung in guten Händen. Aber wir freuen uns auch auf die weitere Diskussion mit Ihnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Es gibt eine Kurzintervention. Angemeldet wurde sie von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Fraktionsvorsitzender Klocke hat sie angemeldet. Frau Ministerin, Sie können sie vom Pult oder vom Platz aus entgegennehmen, ganz wie Sie möchten.

(Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Ich mache das von hier aus!)

– Das Pult ist natürlich fast einer der schönsten Orte unseres Hohen Hauses.

(Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Ohne Frage!)

Wenn Sie das Mikrofon aktivieren, Herr Kollege, kann ich es freischalten. 1:30 Minuten für die Kurzintervention. Bitte schön.

Arndt Klocke (GRÜNE): Danke, Herr Präsident. – Frau Ministerin, wir haben keine Zweifel, dass das Baukindergeld abgerufen wird. Insbesondere über die Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken und die Zahlen, die die Bundesregierung herausgegeben hat, ist nachweisbar und belegt, dass es eben nicht insbesondere Menschen mit geringem Einkommen nutzen und diese fördert, sondern es einen Mitnahmeeffekt gibt, der gerade Menschen mit mittlerem und hohem Einkommen unterstützt.

Familien mit Kindern haben nicht per se ein Armutsrisiko. Es gibt in diesem Land durchaus auch Familien mit Kindern, die mit gutem Einkommen, mit doppeltem Einkommen ausgestattet sind.

Wir meinen, insbesondere vor der jetzt anstehenden Spardebatte, die wir in den nächsten Jahren haben werden, jedenfalls wenn man den Bundesfinanzminister ernst nimmt, dass es eine Prioritätensetzung braucht. Diese Prioritätensetzung heißt für uns, dass man in den Segmenten fördern muss, die entsprechend schwach sind und die gestärkt werden müssen.

Dazu, jedenfalls wenn man sich die Zahlen des Baukindergeldes ansieht, gehören die Familien, die dieses Baukindergeld in Anspruch nehmen, zum großen Teil nicht. Das ist der eine Punkt, den ich ansprechen wollte.

Zum zweiten Punkt wird uns die Anhörung bzw. das Sachverständigengespräch zu diesem Antrag interessieren, weil ich vor wenigen Wochen ein ausführliches Gespräch mit Herrn Buch von Vonovia hatte, gerade zu der Frage des seriellen und modularen Bauens. Er hat insbesondere für eine Debatte im Landtag adressiert, …

Vizepräsident Oliver Keymis: Die Redezeit ist abgelaufen.

Arndt Klocke (GRÜNE): … dass eben die Bedingungen nicht ausreichend sind und dass Vonovia für die Realisierung von zahlreichen Projekten Probleme sieht, die auf Landesebene zu lösen sind.

Die Zeit reicht jetzt nicht aus, um zu diskutieren. Wir können das gerne im Ausschuss machen. Ich nehme an, dass Herr Buch nicht mit gespaltener Zunge spricht und dass er da eine klare Absicht verfolgt. Wir sollten zumindest in der Ausschussberatung diskutieren, was damit gemeint ist.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin, Sie haben jetzt eine Redezeit von 1:50. Bitte schön.

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Abgeordneter Klocke, ich kann es mir von Herrn Buch nicht so ganz vorstellen, aber wir werden es in der Tat austauschen, weil Vonovia serielles Bauen umsetzt. Sie realisieren es im Ruhrgebiet und auch an anderen Stellen in Nordrhein-Westfalen.

Es gab und gibt immer eine Debatte beispielsweise über den GdW auf der Bundesebene, wodurch letztendlich auch die Aufnahme der Typengenehmigung in die Musterbauordnung der Länder veranlasst worden ist. Wie gesagt, wir haben es beschlossen, und Nordrhein-Westfalen hat massiv Druck ausgeübt. Das ist am 22. Februar 2019 im Rahmen der Sonderbauministerkonferenz auch tatsächlich in die Musterbauordnung aufgenommen worden. Davon waren nicht alle Länder sehr begeistert, obwohl sie das im Rahmen des Wohngipfels miteinander, auch mit der Bundeskanzlerin, vereinbart hatten.

Ihre Bewertung des Baukindergeldes zeigt eine unterschiedliche politische Auffassung in dieser Frage. Ich habe zu dieser Einschätzung der Eigentumsförderung, wir investieren in Reiche, eigentlich weniger Sie adressiert, sondern das war auf den Redebeitrag des Abgeordneten Baran angemerkt. Ich kann mir schlecht vorstellen – obwohl vorstellbar ja alles ist –, dass die SPD hier das Baukindergeld kritisiert, es aber gleichzeitig auf der Bundesebene mit CDU/CSU vereinbart.

(Jochen Ott [SPD]: Sie haben doch ein Sonderprogramm aufgelegt!)

Insofern, sehr geehrter Herr Abgeordneter Klocke, werden wir das im Ausschuss austauschen und dann sicherlich die eine oder andere neue Erkenntnis gegenseitig gewinnen. Daher freue ich mich auf diese Debatte. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Weitere Meldungen liegen hier zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor.

Daher kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/5381 an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen; die abschließende Aussprache und Abstimmung sollen dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt der Überweisung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Dann ist einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

10 Der Rechtsstaat muss gewahrt bleiben – Die Rechtsprechung bindet auch die Landesregierung Nordrhein-Westfalens

Antrag
der Fraktion der AfD

Drucksache 17/5362

Zu diesem Antrag spricht für die AfD-Fraktion Herr Röckemann.

Thomas Röckemann (AfD): Am 30. August 1798 vollendete Friedrich Schiller die Ballade „Die Bürgschaft“.

(Unruhe – Glocke)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Ballade liegt die Erzählung von Damon und Phintias zugrunde. Damon und Phintias sind die Helden einer antiken Erzählung aus dem 4. Jahrhundert vor Christus, in der die Freundschaft und die Treue der beiden verherrlicht werden.

Dieser Grundgedanke, das besondere Verhältnis des Füreinander-Einstehens, wurde durch den Gesetzgeber des BGB aufgegriffen und findet sich im § 765 wieder. So heißt es im Juristendeutsch:

„Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen.“

Eine Bürgschaft, das lernt man bereits in der Volksschule, ist daher etwas ganz Besonderes, etwas ganz Vertrauensvolles und brandgefährlich. Deshalb verlangt der Gesetzgeber regelmäßig die Schriftform.

Wer ein solches Papier unterschreibt, muss sich darüber im Klaren sein, was er gerade und vor allem für wen er unterschreibt. Deshalb ist der Hauptanwendungsfall von privaten Bürgschaften im privaten Bereich angesiedelt, zum Beispiel zur Absicherung von Darlehensverbindlichkeiten für Ehepartner, Eltern und Kinder. Völlig untypisch sind Bürgschaften für Menschen, die einem fremd sind und die man vorher gar nicht kannte.

Dies änderte sich im Rahmen der Einwanderungswelle 2015. Um die Einreise von Tausenden sogenannten Flüchtlingen zu gewährleisten, mussten sogenannte Flüchtlingsbürgen gefunden werden, denen erzählt wurde, dass sie als Bürgen gar nicht bürgen müssen. Leider vertrat der Bund eine ganz andere Rechtsauffassung als die meisten Länder.

Wie in Schillers Dramen folgt jetzt die dramatische Wendung: Der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen war zu diesem Zeitpunkt durchaus bewusst, dass der Bund die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts vertreten hat. Dieses stellte klar, dass die abgegebenen Verpflichtungserklärungen bei Erteilung einer nachfolgenden Aufenthaltserlaubnis eben nicht erlöschen. Deshalb wurde § 68 Aufenthaltsgesetz nachträglich mit einer zeitlichen Limitierung versehen.

Es blieb nur das Problem mit Verpflichtungserklärungen, die vor dem 06.08.2016 abgegeben worden sind, denn diese wurden nicht von der Änderung erfasst. Nun einigte man sich zwischen Bund und Ländern darauf, dass die Bundesagentur für Arbeit eine neue Weisung im Umgang mit den sogenannten Flüchtlingsbürgschaften ausgibt.

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Richtig!)

Man forderte die Verpflichtung einfach nicht mehr ein, um sein Wählerklientel zu schützen. Herr Minister, Sie stimmen mir zu. Das nenne ich einmal Populismus der primitiven Art, denn billig ist das ja gerade nicht.

(Beifall von der AfD)

Für jeden Geschäftsführer in der freien Wirtschaft wäre nämlich hier allerspätestens Schluss. Ihr Verhalten würde nämlich für ihn den persönlichen Haftungsfall bedeuten, und man könnte ernsthaft über Veruntreuung nachdenken.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Oh, Mann!)

Nun, meine Damen und Herren, es handelt sich bei § 68 Aufenthaltsgesetz zwar nicht um eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage, dennoch ist der Grundgedanke zur Bürgschaft hin identisch.

Wie gesagt, eine Bürgschaft ist eine der vertrauensvollsten Rechtsbeziehungen in unserem Rechtssystem. Mit der neuen Regelung soll nicht der Bürge für seine Entscheidung haften, sondern die Allgemeinheit. Die Kosten der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 werden jetzt also kraft Ihrer durchsichtigen Klientelpolitik endgültig dem Bürger, also dem Steuerzahler, auferlegt. Mit Ihrem Erlass untergraben Sie das Vertrauen des Bürgers in den Rechtsstaat.

Wie wollen wir den Menschen noch erklären, dass Flüchtlingsbürgen für völlig fremde Menschen nicht haften müssen, der normale Bürger für das Studium seiner Kinder oder für die Miete seiner Großmutter aber schon?

Alles für alle, bezahlt durch wenige – das hat noch nie funktioniert und, wie der momentane Niedergang unserer Heimat beweist, wird auch nicht funktionieren. Deshalb halten wir uns und halten Sie sich an die Rechtsprechung des obersten Verwaltungsgerichts! Nehmen Sie den Erlass zurück! – Schönen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Röckemann. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Frau Schlottmann.

Claudia Schlottmann (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen und an dieser Stelle besonders hervorheben, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern einen hohen Respekt zollen sollten, die sich dazu bereit erklärt haben, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen.

(Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Sie haben sich dazu entschieden, Menschen zu unterstützen – und dies auch finanziell –, Menschen, die aus einer humanitären und politischen Notsituation heraus ihre Heimat verlassen mussten und zu uns gekommen sind. Rechtlich unklar war dabei bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. Januar 2017, wann die von ihnen unterschriebenen Verpflichtungserklärungen im Rahmen der Landesaufnahmeprogramme zur Ermöglichung der Einreise für Bürgerkriegsflüchtlinge erlischt.

Nach dem damalig geltenden Recht sollte die Verpflichtung am Tage der Einreise beginnen und fortdauern – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten – „bis zur Beendigung des Aufenthaltes des Ausländers, der Ausländerin oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck.“

Entscheidend war hier die Frage, was man unter einem „anderen Aufenthaltszweck“ im Sinne des § 68 Aufenthaltsgesetz verstehen darf. Unter Berücksichtigung der objektiven Umstände und der entsprechenden Auslegung nach Trau und Glauben gemäß §§ 133 und 157 BGB vertrat auf der einen Seite das Bundesministerium des Inneren die Auffassung, dass die Verpflichtungserklärung auch über die Anerkennung im Asylverfahren hinaus bestehen bleibt.

Auf der anderen Seite vertrat das damalige nordrhein-westfälische Ministerium für Inneres und Kommunales die Auffassung, dass mit der Titelerteilung nach erfolgreichem Asylverfahren ein neuer Aufenthaltszweck begründet wird, sodass die Haftung aus der Verpflichtungserklärung endet.

Auf diese unterschiedlen Rechtsauffassungen wies das Ministerium für Inneres und Kommunales mit Runderlass vom 24. April 2015 hin, löste damit jedoch die Problematik nicht und stellte somit auch keine Klarheit für die Betroffenen her. Folglich hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Jahre 2017 die grundsätzliche Frage zur Geltungsdauer von Verpflichtungserklärungen beantwortet und entschieden – nämlich dahin gehend, dass die Haftung der Flüchtlingsbürgen nicht durch nachfolgende Anerkennung des Begünstigten als Flüchtling und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes endet.

Beide Aufenthaltserlaubnisse – so das Gericht – sind solche aus völkerrechtlichen, humanitären und politischen Gründen im Sinne des Kapitels 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes. Ihnen liegt derselbe Aufenthaltszweck zugrunde.

Trotz der Klärung dieser Grundsatzfrage schlossen sich weitere Fragen hinsichtlich der Umsetzung von Regressforderungen im konkreten Einzelfall an, die zwar den Grundsatz der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigten, jedoch auch teilweise den klagenden Verpflichtungsgebern recht gaben.

Aufgrund dieser zunächst unklaren und juristisch diskutablen Rechtslage waren sich die Flüchtlingsbürgen vielfach nicht bewusst über die tatsächliche Geltungsdauer der Verpflichtungserklärung, die sie unterschrieben haben.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir als NRW-Koalition die neue Weisung der Bundesagentur für Arbeit zum Umgang mit den Flüchtlingsbürgschaften, denn wir bieten den Menschen im Gegensatz zu unserer Vorgängerregierung endlich eine klare und deutliche Regelung für den Fall vor dem 6. August 2016, denn die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind nicht von den Flüchtlingsbürgen zu erstatten. Damit endet die Belastung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger nach dem Zeitraum, der ihnen durch den Erlass der damaligen Landesregierung angekündigt worden ist.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sehr ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Antrag der AfD-Fraktion der Komplexität dieses Sachverhalts überhaupt nicht gerecht wird und dass wir uns mit dieser Komplexität in den Ausschüssen, an die der Antrag jetzt überwiesen wird, noch einmal sehr intensiv beschäftigen möchten.

Meine Damen und Herren, wir können das Vertrauen in staatliches Handeln nur stärken, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger auch auf die Ansagen der handelnden Protagonisten verlassen können. Und dafür steht die NRW-Koalition. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schlottmann. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Lux.

Eva Lux (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Problem bei Bürgschaften für syrische Flüchtlinge im Rahmen des Landesaufnahmeprogramms im Jahr 2013 wurde in diesem Hause bereits mehrfach thematisiert. Nicht zuletzt die Expertenanhörung am 11.04.2018 und hier besonders die Einlassungen der Herren Dr. Thomas Heinrich und Rüdiger Höcker von der Evangelischen Kirche Westfalen haben uns die mitunter existenzbedrohenden Folgen unterschiedlicher Rechtsauffassungen bei den Übernahmen von Bürgschaften durch Privatpersonen, durch Kirchengemeinden und bürgerschaftliche Organisationen in der damaligen Notlage vor Augen geführt.

Wir zollen diesen Bürgerinnen und Bürgern Respekt.

Eine Klärung des Umgangs mit dieser Rechtsunsicherheit war deshalb dringend nötig. Es war sehr erfreulich, bereits im letzten Integrationsausschuss am 6. Februar diesen Jahres von Herrn Minister Stamp über den positiven Stand der Bund-Länder-Verhandlungen zu hören, auch dass die Vorschläge aus NRW hier maßgeblich aufgenommen wurden.

Daher begrüßen wir die jetzige Weisung der Bundesagentur für Arbeit zum Umgang mit diesen Bürgschaften. Ebenso begrüßen wir die Ankündigung von Herrn Minister Laumann zur zentralen Weisung auch an die kommunalen Jobcenter.

Es ist gut, dass die Jobcenter und die Bürgen endlich Klarheit bekommen und die Bürgen nicht mehr aufgrund einer unsicheren Rechtslage zur Kasse gebeten werden.

Ich verstehe nicht ganz, warum die AfD diese Regelung nun anscheinend ablehnt, da ihre Abgeordnete Frau Walger-Demolsky nach der Expertenanhörung am 9. Mai 2018 im Integrationsausschuss erklärte – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich aus dem Protokoll –:

„Zwar erwarte sie nicht, dass eine bundeseinheitliche Lösung erreicht werde, mit Sicherheit werde die Last aber unabhängig von der letztendlichen Lösung nicht an den Bürgen hängen bleiben. Das Jobcenter Dortmund verfolge bereits einen vorbildlichen Weg, und sie appelliere an das Ministerium, auch die anderen Jobcenter im Sinne der Bürgen auf diesen Weg der intensiven Einzelfallprüfung und Beratung hinzuweisen.“

(Anja Butschkau [SPD]: Och! – Zuruf von der AfD)

In diesem Sinne dürfte die AfD eigentlich gar nichts gegen diese Regelung einzuwenden haben. Im Sinne der Bürgen wird nämlich nun – zumindest für die Leistung der Jobcenter – die bis 2017 unklare Rechtslage zur Dauer der Haftung berücksichtigt.

Wir werden noch hinreichend Gelegenheit haben, die sprunghaften Stimmungen der AfD bei den folgenden Diskussionen in den Ausschüssen zu erleben. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und Berivan Aymaz [GRÜNE])

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Lux. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Mangen.

Christian Mangen (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Eine finanzpolitische Gewissenhaftigkeit muss Grundlage der Zusammenarbeit aller hier im Landtag vertretenen Fraktionen sein; denn wir verwalten das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, der Bürgerinnen und Bürger.

Aus diesem Grund ist die NRW-Koalition besonders stolz darauf, dass es mit den letzten beiden Haushalten gelungen ist, ohne neue Schulden auszukommen sowie Schulden zurückzuzahlen und damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu entlasten.

Es müsste auch bei Bürgschaften konsequent darauf geachtet werden, dass diese, wenn ein Bürgschaftsfall eintritt, zurückgeführt werden.

Mit der Überschrift „Der Rechtsstaat muss gewahrt bleiben – Die Rechtsprechung bindet auch die Landesregierung Nordrhein-Westfalens“, suggeriert der Antragsteller, dass sich NRW nicht an Rechtsprechung halte und Flüchtlingsbürgen zu Unrecht bevorzugt würden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, beides ist falsch.

Mit der neuen Weisung der Bundesagentur für Arbeit zum Umgang mit den Flüchtlingsbürgschaften liegt nun endlich Klarheit vor und es wurde eine eindeutige Regelung getroffen. Die Verpflichtungen aus Flüchtlingsbürgschaften, die vor dem 6. August 2016 abgegeben wurden, bleiben beschränkt.

Die AfD-Fraktion argumentiert in ihrem Antrag mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.01.2017; gemeint ist wahrscheinlich der 26.01.2017. Wenn mit Urteilen argumentiert wird, ist schon eine gewisse Gründlichkeit vonnöten. Darauf komme ich aber gleich noch zurück.

Nach diesem Urteil endet die Verpflichtung aus einer eingegangenen Flüchtlingsbürgschaft nicht mit der Anerkennung des Geflüchteten als Flüchtling. Jedoch widerspricht die Weisung der Bundesagentur für Arbeit dem Urteil gerade nicht – das kann man bei einer Lektüre des Urteils sofort lesen –; denn im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist der Vertrauensschutz aufgrund falscher rechtlicher Beratung und Information eben gerade nicht thematisiert worden, und er konnte auch nicht thematisiert werden.

Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus dem Urteil und weise darauf hin, dass in diesem Fall die Flüchtlingsbürgschaft im Jahr 2014 unterschrieben wurde. Im Abschnitt II 2 b), Unterabschnitt bb) steht:

Die abweichende Auffassung des MIK NRW in seinem Runderlass vom 24. April 2015“

– 2015; ich erinnere: die Unterschrift erfolgte 2014 –

„rechtfertigt kein anderes Ergebnis. […] Diese nachträgliche Meinungsäußerung hat jedoch in der vom Verpflichtungsgeber unterzeichneten formularmäßigen Verpflichtungserklärung keinen hinreichenden Ausdruck gefunden und kann daher zu einer einschränkenden Auslegung dieser Erklärung nicht herangezogen werden.“

Sie sehen also: Allein der zeitliche Ablauf spricht eine völlig andere Sprache.

Die frühere Landesregierung hat offensiv vertreten und dahin gehend informiert, dass Flüchtlingsbürgen nur so lange aus der Bürgschaft verpflichtet sind, bis der Begünstigte als Flüchtling anerkannt wird. Das war zwar ein Fehler – für den wir allerdings nichts können –, aber es ist dadurch ein Rechtsschein entstanden.

Als Volljurist wird Kollege Röckemann dieses Rechtsinstitut sicherlich kennen oder darauf hingewiesen worden sein; denn damit entsteht Vertrauensschutz. Wenn wir jetzt entsprechend dem Antrag der AfD verführen, dann würde sich das Land NRW schadenersatzpflichtig machen und damit der steuerzahlende Bürger am Ende wieder in die Pflicht genommen werden. Das wollen wir natürlich vermeiden.

Deswegen stimmt die FDP-Landtagsfraktion einer Überweisung an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen – federführend –, an den Rechtsausschuss sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu. Ich bin sehr gespannt, ob wir im Ausschuss irgendetwas hören werden, das diesen Antrag stützen kann. – Vielen Dank und Glück auf.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mangen. – Jetzt spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Aymaz.

Berivan Aymaz*) (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Ich freue mich, dass nun endlich eine Lösung der Frage der Rückzahlungsforderungen zwischen Bund und Ländern gefunden werden konnte und Menschen, die in schweren Zeiten anderen aus humanitärer Überzeugung geholfen haben, nun Klarheit darüber haben, dass sie nicht auf hohen Kosten sitzen gelassen werden. Das ist eine gute Nachricht.

(Beifall von Anja Butschkau [SPD])

Blicken wir doch noch einmal auf die Ausgangslage dieser Problematik zurück. Ich bin der Meinung, es ist wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen; denn wir wissen, dass die AfD dabei auf allen Ebenen – nicht nur hier im Landtag, sondern auch im Bundestag und anderswo – immer wieder versucht, manipulativ vorzugehen.

In den Jahren 2013 und 2014 stiegen aufgrund des Krieges in Syrien die Zahlen der Geflüchteten massiv an. 7,6 Millionen Syrer waren Binnenvertriebene,

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

und etwa 4 Millionen Syrer suchten Schutz in den Nachbarländern.

Zur Abmilderung der humanitären Krise in Syrien und in der Region entschied der Bundesminister des Innern im März 2013 gemeinsam mit seinen Länderkollegen, syrische Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen.

Vor diesem Hintergrund ist das Land NRW seiner humanitären Verpflichtung nachgekommen und hat in dieser Zeit ein Landesaufnahmeprogramm aufgelegt, das syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen eine sichere Einreise nach Deutschland ermöglicht hat. So konnte auch gewährleistet werden, dass Menschen nicht kriminellen Schlepperbanden oder der lebensgefährlichen Fluchtroute über das Mittelmeer überlassen wurden.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD] – Gegenruf von Anja Butschkau [SPD]: Zuhören!)

In dieser Not haben Menschen damals – es ging übrigens nicht um wildfremde Menschen, wie hier immer wieder betont wurde, sondern überwiegend um Angehörige – ihren Verwandten geholfen und sich bereit erklärt, im Rahmen einer Verpflichtungserklärung mit ihrem Einkommen und Vermögen zu bürgen, um ihre Verwandten vor Krieg und Vertreibung zu retten.

Die Bürgen haben in einer schwierigen Zeit Solidarität bewiesen, die immense gesellschaftliche Herausforderung angenommen und mit dafür gesorgt, dass die Folgen einer humanitären Katastrophe abgemildert werden konnten. Sie sind übrigens nicht nur finanziell eingesprungen, sondern sie haben oft auch dafür gesorgt, dass die Geflüchteten hier schnell Fuß fassen und sich in ihrer neuen Umgebung zurechtfinden konnten.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Na das ist ja gelungen! – Gegenruf von Karl Schultheis [SPD])

Diejenigen, die für ihre Angehörigen und für andere Menschen eine Verpflichtungserklärung abgegeben haben – das ist der entscheidende Punkt –, gingen dabei immer davon aus, dass durch eine Anerkennung der Flüchtlinge im Rahmen eines Asylverfahrens ihre Haftung als Verpflichtungsgeber enden würde. Davon ging übrigens auch das damalige Innenministerium aus.

Auf Grundlage dieser Annahme wurden die Bürgen von verschiedenen Behörden beraten bzw. nicht beraten, und teilweise wurde auch die Zahlungsfähigkeit der Verpflichtungsgeberinnen und -geber nur unzureichend geprüft.

(Monika Düker [GRÜNE]: Genau!)

Erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Januar 2017 wurde diese Annahme vollständig widerlegt und der Gesetzestext dahin gehend ausgelegt, dass die Bürginnen und Bürgen auch nach Anerkennung des Asylantrags weiterhin in der Verantwortung stehen.

Viele Bürginnen und Bürgen waren in der Folge mit hohen Rückzahlungsforderungen seitens der Jobcenter und Sozialämter konfrontiert und teilweise auch in ihrer Existenz bedroht. Das hat auch meine Vorrednerin betont.

Es folgten Klagen der Betroffenen gegen die Bescheide, und Gerichte und Behörden wurden mit zahlreichen Verfahren belastet, weil Bund und Länder über einen längeren Zeitraum hinweg nicht bereit waren – auch das muss erwähnt werden –, die politische Verantwortung zu übernehmen und eine allgemeingültige Lösung zu finden.

Damit Sie, meine Damen und Herren, mal einen Überblick darüber erhalten, welches Ausmaß die anhängigen Verfahren bei Gericht angenommen haben, möchte ich einige Beispiele anführen: Allein am Verwaltungsgericht Minden waren bis vor Kurzem rund 100 Verfahren anhängig, das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen musste über 77 Fälle verhandeln, und beim Kölner Verwaltungsgericht wurden allein gegen das Jobcenter Bonn und die Stadt Bonn 100 Klagen eingereicht – und so weiter und so fort.

Es gibt bereits zahlreiche Urteile, die den Klägern Recht gegeben haben. Von alldem ist im Antrag der AfD aber natürlich nicht die Rede. Die Belastung unserer Behörden und Gerichte und die daraus entstehenden Kosten interessieren die AfD überhaupt nicht. Denn ihr geht es nur darum, Menschen, die in der Not geholfen haben, zu schikanieren und zu belasten. Das ist die Motivation hinter dem Antrag.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dr. Christian Blex [AfD]: Sie haben doch gar nicht geholfen!)

Denn eine solidarische Gesellschaft, eine Gesellschaft, die menschenrechtsorientiert handelt, und eine Politik, die Verantwortung übernimmt, sind doch genau das, wovor die AfD so große Angst hat.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss.

Berivan Aymaz*) (GRÜNE): Deshalb werden wir dem Antrag inhaltlich nicht zustimmen. Die Überweisung tragen wir natürlich mit.

Ich bin sehr erfreut darüber, dass Bund und Länder endlich eine Lösung gefunden und damit auch Haltung gezeigt und ein klares Zeichen gesetzt haben, dass Menschen, die solidarisch sind, nicht im Stich gelassen werden. Das ist gut und richtig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Aymaz. – Nun hat Herr Minister Laumann das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass es Ihnen bei dem AfD-Antrag politisch um Folgendes geht: in der Öffentlichkeit zu sagen, dass der Rechtsstaat hier mit zweierlei Maß misst. Denn wenn eine Bürgschaft für einen Flüchtling übernommen wird, wird die Frage zurechtgerückt, wenn man eine andere Bürgschaft eingeht – vielleicht auch aus solidarischem Verhalten –, muss man diese Bürgschaft aber einhalten.

Hier geht es aber um einen anderen Sachverhalt.

(Helmut Seifen [AfD]: Jetzt bin ich mal gespannt!)

Aus meiner Sicht geht es darum, dass damals eine Landesregierung den Menschen gesagt hat, dass sie, wenn sie Bürgen für Flüchtlinge werden, bis zur Statusklärung zu bürgen haben. Das war die klare Rechtsauskunft der damaligen Landesregierung Nordrhein-Westfalens.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das haben auch alle anderen so gesagt!)

Und damals hatte auch schon der Bund ganz klar gesagt, dass er es anders sieht. Das ist auch die Wahrheit.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ja!)

Aber die Rechtsauskunft der Landesregierung war damals nun einmal so, wie sie war, und sie ist, wenn man es genau betrachtet, von den Gerichten nicht bestätigt worden.

(Helmut Seifen [AfD]: So! Da haben wir es!)

Die Regierung hat den Menschen eine falsche Rechtsauskunft gegeben.

(Helmut Seifen [AfD]: Aha!)

Aber jetzt gibt es eine Nachfolgeregierung, und da kommt das Thema irgendwann auf den Tisch, weil wir hier auch Jobcenter haben, über die wir als MAGS die Rechtsaufsicht haben.

Wie gehen wir nun damit um? – Herr Dr. Stamp und ich haben oft über diese Frage miteinander gesprochen, und für uns war klar, dass wir als Nachfolgelandesregierung die Leute, die sich auf unsere Vorgängerregierung verlassen haben, natürlich nicht im Regen stehen lassen können.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Wir wollten sie schlicht und ergreifend nicht im Regen stehen lassen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir halten nämlich eine Menge davon, dass die Menschen sich auf eine klare Auskunft des Staats und in diesem Fall des Landesinnenministeriums verlassen können. Und diese war damals nicht mit einem Wenn und Aber verbunden.

(Beifall von der CDU, der FDP und Berivan Aymaz [GRÜNE])

Im Übrigen gehört zur Ehrlichkeit auch dazu, dass Innenminister in Hessen und Niedersachsen das genauso gemacht haben. Es war also nicht nur Nordrhein-Westfalen. Man soll das jetzt auch nicht in eine gewisse parteipolitische Richtung drücken. Drei von 16 Ländern – NRW, Hessen und Niedersachsen – haben so argumentiert.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Die Altparteien!)

Wir haben uns sehr engagiert und viele gemeinsame Briefe an das Bundesarbeitsministerium geschrieben, um ein Umdenken in Berlin zu erreichen. Denn ich konnte unsere Jobcenter nicht anweisen, ohne dass auch das Bundesarbeitsministerium in Berlin mitmacht, weil wir ansonsten voll in den Regress gegenüber dem Bund gekommen wären.

Deswegen bin ich froh, dass wir zu diesem Erlass gekommen sind. Der stellt klar, dass die Flüchtlingsbürgen in Nordrhein-Westfalen für das bürgen müssen, was sie unterschrieben haben, nämlich bis zur Statusfeststellung. Für die Zeit nach der Statusfeststellung haben sie nicht unterschrieben. Insofern müssen Sie dann auch nicht mehr bürgen.

Deswegen meine ich, dass Herr Stamp und ich mit unseren beiden Fachabteilungen einen Beitrag dafür geleistet haben, dass in diesem Land schlicht und ergreifend – ich sage es jetzt mal einfach – Treu und Glauben gegenüber staatlichen Stellen noch gilt.

(Beifall von der CDU und Berivan Aymaz [GRÜNE])

Ich finde, dass das in einer Gesellschaft auch wichtig ist. Wenn der Innenminister sagt: „Das kannst du unterschreiben, das ist so“, dann gehe ich einfach davon aus, dass es auch so ist.

Rein formal sind wir als jetzige Regierung natürlich die Rechtsnachfolgerin der Vorgängerregierung. Deswegen empfanden wir es auch als eine Verpflichtung, dieses Problem zu lösen. Und ich bin froh, dass wir eine für alle Seiten vertretbare Lösung gefunden haben – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und Berivan Aymaz [GRÜNE] – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Laumann. Weitere Meldungen zu diesem Komplex liegen hier nicht vor.

Dann kommen wir zur Abstimmung.  Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/5362 an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen – federführend –, an den Rechtsausschuss und an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Abschließende Aussprache und Abstimmung finden im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung statt. Wer hat etwas dagegen? – Niemand. Gibt es Enthaltungen? – Auch nicht. Dann ist einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

11 Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfungen im Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/5002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und
Verbraucherschutz
Drucksache 17/5405 – Neudruck

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/5478

 zweite Lesung

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Reden  zu Protokoll zu geben. (siehe Anlage 1)

Also kommen wir direkt zur Abstimmung, erstens über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/5478. Wer stimmt dem Änderungsantrag zu? – CDU und FDP stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Niemand.

(Widerspruch von der AfD)

– Die AfD enthält sich. Entschuldigung! Die AfD-Fraktion enthält sich. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 17/5478 angenommen.

Zweitens stimmen wir ab über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 17/5002. Der Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz empfiehlt in Drucksache 17/5405 – Neudruck –, den Gesetzentwurf Drucksache 17/5002 anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 17/5002 in der soeben geänderten Fassung und nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer stimmt dem dann so zu? – CDU und FDP ohnehin, SPD und Grüne auch. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Gibt es Enthaltungen? – Bei Enthaltung der AfD-Fraktion ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/5002 in der soeben geänderten Fassung einstimmig vom Landtag Nordrhein-Westfalen angenommen und damit in zweiter Lesung verabschiedet. Danke schön.

(Zuruf: Bitte!)

– Gerne.

Ich rufe auf:

12 In ganz Europa: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/5373

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5479

Die Aussprache ist eröffnet. Für die SPD-Fraktion kommt nun Frau Kollegin Butschkau ans Pult.

Anja Butschkau (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen gingen Tausende Menschen europaweit auf die Straße, um für die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern zu demonstrieren. Auch in vielen Städten von Nordrhein-Westfalen waren viele Menschen unterwegs, um für gleiche Löhne für gleiche Arbeit zu demonstrieren. Für dieses Engagement möchte ich mich bei jeder und jedem Einzelnen ganz herzlich bedanken.

(Beifall von der SPD)

Im Durchschnitt erhalten Frauen in Deutschland 21 % weniger Lohn als Männer oder, um es mit einer anderen Zahl zu verdeutlichen: An 77 Tagen, also vom 1. Januar bis zum 18. März, arbeiteten Frauen quasi ohne Bezahlung. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Ungerechtigkeit, die endlich ein Ende haben muss.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Auch im Jahr 2019 müssen wir immer noch die Frage stellen, wieso wir weiterhin diese hohen Lohnunterschiede haben. Wir kommen zu der Erkenntnis, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer – auf dem Papier zumindest, denn in Wirklichkeit leisten sie meistens unbezahlte Arbeit. Sie liegen nicht faul auf dem Sofa, sondern sie sind es, die in der Regel die Kinder erziehen oder die älteren Angehörigen pflegen, ohne dass dies wirklich wertgeschätzt wird.

Auch unser Steuersystem fördert, dass verheiratete Frauen allenfalls in Teilzeit- oder in Minijobs arbeiten. Ich erinnere auch gerne an die sogenannte Teilzeitfalle, über die wir in diesem Hohen Haus bereits ausführlich debattiert haben.

Viele Frauen erhalten von ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gar nicht die Möglichkeit, wieder von einer Teilzeit- in eine Vollzeitbeschäftigung zu wechseln. Mit der Brückenteilzeit haben wir zwar einen ersten wichtigen Schritt getan, um dem entgegenzuwirken, das darf aber nicht das Ende sein.

(Beifall von der SPD)

Frauen arbeiten überdurchschnittlich oft in schlechter bezahlten Berufsfeldern, wie zum Beispiel im Einzelhandel oder im sozialen Bereich. Das sind wichtige Arbeitsfelder, in denen eine ganz hervorragende Arbeit geleistet wird. Aber die Frage, wieso dort immer noch mehr Frauen als Männer arbeiten, muss erlaubt sein.

Die zuvor genannten Rahmenbedingungen sind das eine, Diskriminierung von Frauen das andere. Selbst der bereinigte Gender Pay Gap, also die Lohnlücke bei vergleichbaren Tätigkeiten und Arbeitszeiten, beträgt in Deutschland etwa 6 %. Das sind für Frauen 18 unbezahlte Arbeitstage im Jahr.

Ein letzter Aspekt der Diskriminierung: der Zugang von Frauen zu Führungspositionen. Auch dieses Thema haben wir in diesem Hause ausführlich debattiert.

Lassen Sie mich kurz darauf eingehen, was diese geschlechterspezifischen Lohnunterschiede eigentlich bewirken.

Zunächst einmal sind sie ein Zeichen mangelnder Wertschätzung und Anerkennung. Sie sind, wie gerade klargestellt, diskriminierend.

Teilzeit und niedrige Löhne führen aber auch zu einem ganz anderen Risiko: Kleine Löhne heute bedeuten kleine Renten morgen, und das führt zu Altersarmut.

(Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das Land Nordrhein-Westfalen muss einen Beitrag leisten, um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern und Lohnungerechtigkeiten abzubauen. Daher muss das Land als Arbeitgeber mit gutem Beispiel vorangehen. Leider warten wir immer noch auf eine Reform des Dienstrechts.

Die Landesregierung hat in ihrer eigenen Evaluation bei einer exemplarischen Auswahl von Beurteilungsrichtlinien herausgestellt, dass diese keine strukturell diskriminierenden Elemente enthalten. Dieses Ergebnis passt jedoch nicht zur Arbeitsrealität, in der der Frauenanteil abnimmt, je höher die Besoldungsstufe ist. Wir warten auf Strategien und Maßnahmen seitens der Landesregierung, um Frauen einen gleichwertigen Zugang zu höheren Positionen zu ermöglichen.

Lassen Sie uns gemeinsam von den Erfahrungen anderer Länder profitieren. So habe ich gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen des Landtags das 2018 in Island eingeführte Gesetz zur Entgeltgleichheit kennenlernen dürfen. Mit dieser Neuregelung werden private wie staatliche Unternehmen verpflichtet, sich einer staatlichen Zertifizierungspflicht zu unterziehen. Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, ob wir ein vergleichbares Verfahren in Nordrhein-Westfalen umsetzen können.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns ein Zeichen setzen, dass Nordrhein-Westfalen zu Lohnungerechtigkeit zwischen Frauen und Männern Nein sagt. Lassen Sie uns den Frauen endlich geben, was sie für ihre Arbeit verdient haben. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass der Equal Pay Day in Zukunft auf den 1. Januar fällt. – Herzlichen Dank und Glück auf!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Butschkau. – Und nun spricht für die CDU-Fraktion Frau Troles.

Heike Troles (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Kollegen! Rund um den Globus wurde der Equal Pay Day diesmal am 18. März begangen. Er zeigt die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Bezahlung von gleicher Arbeit auf und wird mit der Vorstellung veranschaulicht, dass statistisch gesehen Frauen in Deutschland im Vergleich zu den männlichen Kollegen aus demselben Büro, demselben Betrieb oder Unternehmen bis zum 18. März 2019 ohne Bezahlung gearbeitet haben.

Die Ursachen für diese Ungleichheit zwischen Frauen und Männern sind uns allen bekannt. Frauen fehlen in bestimmten, gut bezahlten Berufen und Branchen und auf den höheren Stufen der Karriereleiter.

Man darf aber auch nicht unerwähnt lassen, dass Frauen oft auch freiwillig familienbedingt ihr Berufsleben unterbrechen und anschließend in Teilzeit arbeiten.

Einer der Faktoren für die Lohnlücke ist – wie bereits erwähnt – die Berufswahl von Frauen. Sie arbeiten häufig in schlechter bezahlten Berufen, in der Kinderbetreuung, im Einzelhandel oder in der Pflege. Männer hingegen dominieren in besser bezahlten technischen oder industrieorientierten Berufen und bei Vorstandsposten. Hier müssen wir umdenken und früher ansetzen.

Die NRW-Koalition hat dazu bereits ein kleines erstes Zeichen gesetzt, indem der Girls’Day und Boys’Day eine intensive Ausweitung erhält und seine Idee nicht nur an einem einzigen Tag im Jahr an den Schulen Einsatz finden soll. Dies kann selbstverständlich nur ein kleiner erster Schritt sein. Es bedarf weiterer Handlungsansätze, damit Männer und Frauen zukünftig am selben Tag den Equal Pay Day feiern können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die gemeinsame politische Anstrengung auf Bundes-, Landes- und Europaebene ist wichtig – hier sind wir uns einig. Über das Wie, wie wir dahin kommen, leider nicht.

Im kurzfristig eingebrachten Entschließungsantrag fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Land müsse bei der Herstellung der Entgeltgleichheit mit gutem Beispiel vorangehen.

Meine Damen und Herren, das Land geht mit gutem Beispiel voran. Ich möchte Sie nur an die Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung und Frauen im November 2018 erinnern, in der uns Ministerin Scharrenbach die Evaluation der Beurteilungsrichtlinien aller Ministerien in Nordrhein-Westfalen vorgestellt hat.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Davon stand darin leider nichts!)

Für alle Ministerien in Nordrhein-Westfalen wurde ein immer gleichlautendes Ergebnis festgestellt,

(Josefine Paul [GRÜNE]: Eben, alles gut!)

nämlich dass die Beurteilungsrichtlinien der Ministerien im Hinblick auf die Beurteilungen von Frauen und Teilzeitbeschäftigten diskriminierungsfrei sind.

Frauen wie Männern werden also die gleichen Chancen auf eine differenzierte und abgestufte Bewertung ihrer dienstlichen Tätigkeiten und Arbeitsergebnisse eingeräumt.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Absurd!)

Erinnern Sie sich weiter: Ihre Gesetzesänderung des § 19 Abs. 6 Landesbeamtengesetz war zur Förderung der Gleichberechtigung schädlich, weil erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes festgestellt wurden.

(Regina Kopp-Herr [SPD]: Aber darüber ist nie gerichtlich entschieden worden!)

Wir brauchen aber etwas, was den Frauen wirklich hilft. Es bedarf eines universellen Ansatzes für alle Frauen. Dies ist unsere gemeinsame Aufgabe.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Troles, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Paul?

Heike Troles (CDU): Ich möchte weiter sprechen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Sie möchten nicht. Bitte schön.

Heike Troles (CDU): Wie wir unsere unterschiedlichen Lösungsansätze zu einem einheitlichen konkreten Lösungsvorschlag im Sinne der Frauen vereinen und damit einer europaweiten Lohngerechtigkeit näher kommen können, müssen wir intensiv im Ausschuss erarbeiten. Ich bin aber ganz optimistisch, dass wir hier einen Konsens finden werden.

Eine Sache noch: Im Dienstrecht ist die von Ihnen geforderte Entgeltgleichheit bereits gegeben. Zum Beispiel verdient eine Beamtin in der Besoldungsgruppe A14 im Monat 4.388,51 Euro brutto. Ich habe nachgeschaut: Ein Mann mit den gleichen Parametern verdient tatsächlich auch heute schon keinen Cent mehr als die Frau. Gleiches gilt übrigens für den Tarifbereich.

Daher ist dieser Punkt aus rein faktischen Gründen nicht zustimmungsfähig. Der Überweisung an den Ausschuss werden wir selbstverständlich zustimmen, um gemeinsam die besten Lösungen für die Frauen zu erarbeiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Troles. – Jetzt spricht Frau Schneider für die FDP-Fraktion.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, ist denn schon wieder Wahlkampf? Diese Frage kommt mir unweigerlich in den Kopf, wenn ich mir den SPD-Antrag näher anschaue. Traditionell läuten die Genossinnen und Genossen immer dann ein soziales Quartal ein, wenn wieder ein Urnengang ansteht. Offenbar will man hier jetzt etwas Europawahlkampf betreiben. Dabei ist das Thema „Entgeltgleichheit von Frauen und Männern“ viel zu wichtig, um es einfach für den Wahlkampf zu instrumentalisieren.

Der allgemeine Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern liegt – wir haben es gehört – bei rund 21 %. Bereinigt liegt er aber nur noch bei 6 %. Die Gründe dafür sind komplex und vielschichtig.

Sicher sind sich alle demokratischen Fraktionen einig, dass sich dies ändern muss. Der große Unterschied liegt jedoch in der Herangehensweise, mit der wir die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern erreichen wollen.

Für uns Freie Demokraten bedeutet die berufliche Gleichstellung inklusive der gleichen Bezahlung jedenfalls nicht Gleichmacherei. Daher habe ich kein Verständnis dafür, dass auf Bundesebene Gesetze wie das Entgeltgleichheitsgesetz weiterentwickelt werden sollen, die an der Lebenswirklichkeit vorbeischießen und den Unternehmen quasi auch noch unterstellen, diskriminierend zu handeln. Das ist ein überflüssiger Eingriff in die Marktwirtschaft. Vor allem ist es auch wenig hilfreich für Männer und Frauen, die in Unternehmen mit weniger als 25 Mitarbeitern arbeiten.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wie ich hier im Hause bereits mehrfach ausgeführt habe, ist eine bedarfsgerechte Betreuungsinfrastruktur für unsere Kinder ein wesentlicher Faktor. Es ist nämlich bisher nicht gelungen, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Beruf und Familie für alle Geschlechter gleichermaßen unter einen Hut zu bringen sind.

In NRW sind Christdemokraten und FDP nun mit der Unterzeichnung des Pakts für Kinder und Familien einen großen Schritt weitergekommen.

(Beifall von der FDP)

Mit diesem Meilenstein fließen jedes Jahr 1,3 Milliarden Euro zusätzliche Mittel in den Ausbau unserer Kitas. Dieses Geld dient auch zur Flexibilisierung der Kitaöffnungszeiten. Berufstätigen werden ganz andere Chancen eröffnet, wenn die Kitaöffnungszeiten auch auf die Randzeiten des Tages oder auf Samstage ausgeweitet werden. Bei Bedarf muss – unter Berücksichtigung der pädagogischen Konzepte – auch eine Kinderbetreuung während der Nacht möglich sein.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer großer Erfolg der NRW-Koalition ist, dass ab diesem Jahr in jedem Regierungsbezirk mit Modellkommunen nicht nur der Girls‘ Day und Boys‘ Day durchgeführt wird, sondern auch zusätzliche, mehrtägige Akademien. Damit können wir bei Mädchen und bei Jungen einen Denkanstoß, vielleicht auch einen Mentalitätswandel unterstützen.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Paul?

Susanne Schneider (FDP): Nein, ich möchte gern fortfahren.

Vizepräsident Oliver Keymis: Sie möchten durchsprechen und die Frage nicht zulassen. Bitte.

Susanne Schneider (FDP): Nicht Rollenzugehörigkeit, sondern Talent, Neigung und Fähigkeiten sollten doch für die Berufswahl ausschlaggebend sein. Auch sonst müssen wir uns von verkrusteten und tradierten Normvorstellungen befreien, die längst nichts mehr mit dem gesellschaftlichen Alltag zu tun haben, und die Barrieren im Kopf überwinden.

Für eine tatsächlich gelebte Gleichstellung können und müssen wir auch die Digitalisierung nutzen und andere Arbeitskonzepte neu denken: flexiblere Arbeitszeitmodelle, mehr Home-Office-Plätze oder eine Teilzeitausbildung für Alleinerziehende. Ein Zertifizierungsverfahren nach isländischem Modell halte ich in unserem Land für nicht geeignet. Für mich klingt das nach einem unkalkulierbaren, gefräßigen Bürokratiemonster.

Ebenso bin ich davon überzeugt, dass faire Beurteilungsrichtlinien ein funktionierendes Mittel sind, um das Grundprinzip der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern im öffentlichen Dienst zu sichern. Der eine oder andere wird sich vielleicht daran erinnern, dass bei einer Untersuchung in meinem Heimatkreis in der Kreisverwaltung Unna festgestellt wurde, dass die Entgeltunterschiede zwischen Männern und Frauen eher im niedrigen Marginalbereich lagen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Dieser Antrag der SPD zeigt mal wieder sehr schön, welches Frauenbild bei Ihnen vorherrscht: Nach Ihrem Verständnis können Unterschiede nur an der Ungerechtigkeit des Systems und an der Bevormundung von Frauen liegen. Dass tatsächlich Sie diejenigen sind, die bevormunden, indem Sie den Lebensentwurf der Vollzeitberufstätigkeit als den einzig richtigen darstellen, vergessen Sie hierbei aber. Entscheidet sich eine Frau aus eigenen Stücken, Familienarbeit vor Erwerbsarbeit zu priorisieren, ist das genauso zu respektieren, wie wenn ein Mann diese Entscheidung trifft.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir alle müssen die unterschiedlichen Lebensentwürfe in ihrer Vielfalt respektieren und wertschätzen. Und wir alle müssen die Hindernisse bekämpfen, die der Entscheidungsfreiheit und Eigenverantwortung einer jeden Frau im Wege stehen, ohne dabei ihre Individualität aus den Augen zu verlieren. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schneider. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Paul.

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Troles, Frau Kollegin Schneider, wenn man die Augen vor strukturellen Problemen verschließt, verschwinden sie deswegen nicht automatisch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist leider das Problem, das sich durch Ihre beiden Reden durchgezogen hat. An der Stelle hoffe ich ganz ehrlich – das tun Sie sonst auch immer gerne: wenig Eigeninitiative aus den Fraktionen; Sie vertrauen da auf die Landesregierung –, dass wenigstens die Ministerin erkennt, dass das Sich-den-Problemen-Verschließen die Probleme noch lange nicht löst.

Denn statistisch haben Frauen – das ist nun einmal Fakt – in Deutschland bis zum letzten Montag, also bis zum 18. März, im Grunde genommen unentgeltlich gearbeitet.

Es ist leider eine traurige Nachricht, dass wir damit im EU-Vergleich auch keine Vorreiterrolle einnehmen. Denn der EU-Durchschnitt liegt bei 16 % Gender Pay Gap. Wir liegen seit Jahren darüber. In Deutschland ist der Fortschritt im Bereich der Entgeltgleichheit, freundlich formuliert, eine Schnecke, aber eigentlich noch nicht einmal das.

Das hat natürlich Gründe, die auch schon genannt worden sind. Das liegt auch daran, dass Frauen vermehrt in Teilzeit arbeiten. Über 80 % der Teilzeitbeschäftigten auch im öffentlichen Dienst sind Frauen. Das liegt daran, dass sie zu über 80 % diejenigen im prekären Beschäftigungssektor sind. Sie sind in Jobs mit geringerer Bezahlung und geringeren Aufstiegschancen unterwegs.

Das alles führt im Lebensverlauf nicht nur dazu, dass sie einen Gender Pay Gap von 21 % haben, sondern auch dazu, was noch dramatischer ist, dass sich ein Gender Pension Gap von 53 % öffnet. Das heißt: Es bleibt leider auch bei der traurigen Nachricht, dass Altersarmut in diesem Land weiblich ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Jahr war das Motto des Equal Pay Day „WERTsache Arbeit“. Das ist ein wichtiger Impuls. Denn genau über diese Frage müssen wir uns dringend unterhalten.

Gleichwertige Arbeit ist in diesem Land leider nicht gleich viel wert. Denn unterschiedliche Tätigkeitsfelder werden unterschiedlich bewertet und damit auch unterschiedlich bezahlt, was in erheblichem Maße zur geschlechtsspezifischen Lohnlücke beiträgt. So ist zum Beispiel das Lohnniveau im Care-Sektor weitaus geringer als das im MINT-Bereich. Nur arbeiten Frauen überdurchschnittlich häufig im Care-Bereich und Männer überdurchschnittlich häufig im MINT-Bereich. So erklärt sich also, dass sie zwar eigentlich gleichwertige Tätigkeiten ausführen, nur unglücklicherweise sehr ungleichwertig dafür bezahlt werden.

Hier braucht es dringend eine Neubewertung der sogenannten Frauenberufe, um diese aufzuwerten und den Frauen endlich auch den Lohn zuzugestehen, der ihnen tatsächlich schon seit Langem zusteht und den sie verdienen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Entgelttransparenzgesetz ist schon angesprochen worden. Es sollte eigentlich zu mehr Lohngerechtigkeit beitragen. Doch leider ist es ein relativ zahnloser Tiger.

Das liegt auch und gerade an einem Punkt, den ich sehr wichtig finde und den auch der Deutsche Juristinnenbund in seiner Pressemitteilung zum Equal Pay Day noch einmal sehr betont hat. Wir brauchen endlich ein Verbandsklagerecht in diesem Bereich. In den Reden zumindest von FDP und CDU ist ja durchgeklungen, dass noch ein gewisses Problem besteht, die gesellschaftliche Verantwortung für dieses Problem zu erkennen.

Denn was bedeutet es, dass Frauen bei Diskriminierung im Entgeltbereich selber klagen müssen? Das heißt, dass wir ein eigentlich gesellschaftliches Problem auf die individuell von Diskriminierung Betroffenen outsourcen. Das ist nicht richtig. Deswegen brauchen wir endlich ein wirksames Verbandsklagerecht in diesem Bereich.

Auch im öffentlichen Dienst – das ist ja schon angeklungen – ist noch viel Luft nach oben. Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht ganz, wie man hier sagen kann: Wir haben die Decke gelüftet und druntergeguckt; das ist alles kein Problem.

Da müssten Sie doch vielleicht auch einmal zum Beispiel mit dem Deutschen Beamtenbund sprechen und sich dessen Analyse anschauen. Ich bin mir eigentlich sicher, dass Sie das auch getan haben.

Der dbb kommt zu dem Schluss, dass die Bewertungskriterien eben nicht diskriminierungsfrei sind, sondern dass es darum geht, dort auch über Begrifflichkeiten zu sprechen, die vielleicht eher männlich oder weiblich konnotiert sind, und dass es auch darum geht, Stereotype aufzubrechen. Denn leider stellt diese Analyse auch fest, dass Männer weitaus häufiger Bestnoten bekommen als Frauen – und die sind nun einmal entscheidend für Beförderungen und damit de facto auch für mehr Geld.

Daher müssen wir auch bei diesen Punkten genau hinschauen. Da reicht es nicht, die Augen zu verschließen und zu sagen: Eigentlich ist da alles in bester Ordnung.

Der öffentliche Dienst ist ein attraktiver Arbeitgeber für Frauen. Das ist eine gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist aber: Während wir im Eingangsamt sogar knapp über 50 % Frauen haben, verlieren wir die Frauen auf dem Weg bis in die Endämter. Im Bereich der Polizei haben wir in der Besoldungsstufe E14 nur noch 10 % Frauen. Das kann meiner Meinung nach nicht daran liegen, dass Männer zu 90 % besser für Führungspositionen geeignet wären, als Frauen das sind. Es muss strukturelle Gründe haben. Sie sind in der Verantwortung, diese Gründe endlich aufzudecken und zu beheben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Doch bislang lässt die Landesregierung das rechte gleichstellungspolitische Engagement leider vermissen. Wie schon angesprochen wurde, ist das Einzige, was bei den regierungstragenden Fraktionen bislang wirklich gelaufen ist, die Rücknahme des § 19 Abs. 6 Landesbeamtengesetz. Damit haben Sie eines gemacht: Sie haben die Frauenförderung in diesem Land geschliffen. Sie haben ihr den Garaus gemacht. Von den Maßnahmen, die Sie groß angekündigt haben, ist genau gar nichts passiert. Alternative Maßnahmen dazu: Fehlanzeige!

Wir fordern Sie auf, jetzt tatsächlich verbindliche Strukturanalyseverfahren zur Entgeltgleichheit einzuführen und sich für eine Vereinheitlichung und Überarbeitung der Beurteilungskriterien auch im Sinne der Geschlechtersensibilität und ‑neutralität einzusetzen.

Legen Sie doch bitte einmal einen Fünften Bericht zur Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes vor. Dann wird sich nämlich deutlich zeigen, dass hier noch einiges zu tun ist.

Bislang bestand die größte gleichstellungspolitische Maßnahme der Landesregierung leider nur im Schleifen dessen. Sonst gab es nur Ankündigungspolitik. Den Frauen wäre mehr gedient, wenn Sie weniger ankündigen und mehr umsetzen würden. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die AfD spricht nun der Abgeordnete Herr Röckemann.

Thomas Röckemann (AfD): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein altbekanntes Leiden des Parlamentarismus, dass Parteien und Fraktionen, denen keine zugkräftigen Themen mehr einfallen, gerne in die Liste der Gedenktage eintauchen und somit dazu neigen, Themen zu recyceln, mit denen sie zwar bisher wenig messbare Erfolge verzeichnen, aber sich medialer Aufmerksamkeit sicher sein können.

Überlegungen solcher Art verdanken wir höchstwahrscheinlich auch diesem Antrag, der vermeintlich so Wichtiges behandelt, dass er zugleich fünf Ausschüsse beschäftigen soll.

Worum geht es eigentlich? Es geht um eine behauptete Ungleichheit der Entlohnung von Frauen im Vergleich zu Männern. Vor rund zwölf Jahren wurde die sogenannte Gerechtigkeitslücke mit sage und schreibe 21 % erkannt, beziffert und gebührend gebrandmarkt. Davon ist nun nicht ganz so viel geblieben. Man spricht heute nur noch von bescheidenen 6 %, in Nordrhein-Westfalen sogar nur noch von 5,8 %.

Diese Schrumpfung des Lohngefälles ist aber nicht politischen Maßnahmen oder gewerkschaftlichem Kampfgeist anzurechnen. Mitnichten! Sie ist vielmehr Konsequenz der Tatsache, dass nur vermeintlich sichere statistische Gewissheiten sich als nichts anderes entpuppt haben denn als Schall und Rauch – um das Wort „Agitationsente“ hier zu vermeiden. Denn notabene: Schon der unsägliche Winston Churchill hat uns lebensklug geraten, unbedingt nur den Statistiken zu glauben, die wir selbst gefälscht haben.

Selbst die 6‑%-Lohnlücke, von der heute ausgegangen wird, ergibt sich nur, weil man wichtige Variablen einfach ignoriert.

Da wären zum Beispiel – darüber wurde schon gesprochen – Erwerbsauszeiten von Frauen aufgrund von Kindererziehung sowie Anstellungen im öffentlichen Dienst und in der Landwirtschaft, wo es so gut wie keine Gehaltsunterschiede gibt.

Unberücksichtigt bleibt auch, dass Männer mehr Überstunden als Frauen leisten – und Überstunden werden besser bezahlt. Da haben Sie eine Erklärung für Ihre himmelschreiende Ungerechtigkeit.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das ist ja Quatsch!)

Meine Damen und Herren Kollegen, trauen wir also weniger den Kunststückchen der bezahlten Statistiker. Betrachten wir stattdessen das Leben und Arbeiten in Nordrhein-Westfalen und Deutschland. Dann sehen wir: Frauen bevorzugen Arbeit und Arbeitsstellen, die nicht den Unbilden des Wetters ausgesetzt sind oder in besonderer Weise körperlich belasten. Frauen findet man regelmäßig nicht vor Ort, wenn Häuser gebaut werden sollen, Dächer gedeckt werden sollen oder Müll abgeholt werden soll.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Hierzu nur eine Bemerkung am Rande: Wenn Frau Ministerin Giffey sich in Müllwerker-Arbeitsmontur zu einem Fototermin neben einen Müllcontainer stellt, ist das in aller Augen doch nur noch peinlich, weil extrem unglaubhaft.

Da war die SPD mit ihrem Kieler Bundestagsabgeordneten Norbert Gansel vor 30 Jahren schon viel weiter. Er ging in der parlamentarischen Sommerpause für drei Wochen wirklich Tag für Tag an die Stellen zum Arbeiten, wo es laut, schmutzig und körperlich anstrengend war, um in seinem Sozialdemokrat-Sein wieder einmal geerdet zu werden. Aber das war eine andere Sozialdemokratie als heute. Bei den heutigen Sozialdemokraten scheint der Schwerpunkt eher auf basisloser Geschwätzwissenschaft, substanzloser Agitation und Vernachlässigung der Leistung des normalen Arbeiters zu liegen.

(Karl Schultheis [SPD]: Sie sollten es einmal so wie Norbert Gansel machen!)

Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen, so weit, so schlecht. Aber was will der vorliegende Antrag konkret? Er will das, was Sozialisten immer wollen: Eingriffe von außen durch den Staat, um Ergebnisse zu erzielen, die sich im marktwirtschaftlichen Geschehen partout nicht einstellen wollen.

Dazu plädiert die SPD für die Übernahme zwangsstaatlicher Regelungen, die im vergangenen Jahr in Island – Island ist etwa 400.000 Einwohner stark – eingeführt wurden, von denen bisher noch keiner weiß, ob sie überhaupt sinnvoll sind, und die auf Nordrhein-Westfalen und auf Deutschland aufgrund der Größe überhaupt nicht übertragbar sind.

Nur am Rande bemerkt: Waren es nicht isländische Banken, die vor noch gar nicht so langer Zeit insbesondere mit dem Geld deutscher Steuerzahler gerettet wurden? – So viel zu isländischen Vorbildern.

Meine lieben Kollegen, wenn wir schon einmal so nett beisammen sind: Im Antrag steht wieder einmal fälschlich Europa da, wo eigentlich nur die EU gemeint sein kann. Oder wollen Sie wirklich gleiche oder gleichwertige Löhne wie zum Beispiel in Norwegen mit einem Bruttoinlandsprodukt von 75.000 Dollar oder in Weißrussland mit einem Bruttoinlandsprodukt von 5.100 Dollar?

Das vorläufige Resümee lautet deshalb: Die AfD-Fraktion sieht keinerlei Grund und Anlass, diesem substanzlosen Schaufensterantrag im Vorwahlkampf zum EU-Parlament zuzustimmen, und bezweifelt stark, dass sie in den Ausschussberatungen zu anderen Einschätzungen gelangen wird. – Schönen Dank.

(Beifall von der AfD – Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

Präsident André Kuper: Danke schön. – Für die Landesregierung erteile ich Ministerin Scharrenbach das Wort.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war am 13. April 2016, 13 Monate vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, als wir gemeinsam im damaligen Gleichstellungsausschuss ein Ergebnis miteinander beraten haben. Die damaligen regierungstragenden Fraktionen von SPD und Grünen hatten die damalige Landesregierung beauftragt, eine öffentliche Verwaltung zu finden und dort die beiden Analyseinstrumente Logib-D und eg-check einmal auszuprobieren, um zu sehen, was denn in Bezug auf das Thema „Lohndifferenz im öffentlichen Dienst“ dabei herauskommt.

Nach langen Mühen hatten sie endlich eine Verwaltung gefunden, und zwar die Kreisverwaltung in Unna. Sie hat es nicht ganz freiwillig getan. Denn man hat sogar noch Geld draufgelegt, damit eine Verwaltung diese aufwendigen Verfahren zur Anwendung bringt.

Sowohl in dem damaligen Austausch als auch in dem entsprechenden Bericht wird sehr deutlich, dass beide Verfahren ungeheuer aufwendig in der Anwendung sind. Das Projekt hat damals 67.000 Euro gekostet – für eine Kreisverwaltung, die mit hohem Personalaufwand gearbeitet hat.

Was ist herausgekommen? Das wird uns für den öffentlichen Dienst nicht überraschen, weil es uns gar nicht überraschen kann: 13,6 % unbereinigte Lohnlücke, 4 % bereinigte Lohnlücke. Wenn man Logib-D zur Anwendung bringt, kann die Differenz in Höhe von 9,6 % durch personen- und arbeitsmarktbezogene Merkmale erklärt werden. Das war das damalige Ergebnis.

Vielleicht einmal an alle adressiert: Wenn es im öffentlichen Dienst große Lohn- und Gehaltsunterschiede geben sollte, würde das bedeuten, dass letztendlich die Tarifvertragsparteien ihre Arbeit nicht sauber gemacht hätten.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Das können Sie weder Gewerkschaftsvertretern noch Landesregierungen noch entsprechenden Verhandlungspartnern für die Arbeitgeberseite im öffentlichen Dienst vorhalten. Bisher habe ich jedenfalls nicht den Eindruck – egal, welche Seite die Verhandlungen führt –, dass in diesen Tarifabschlüssen Ungleichheiten angelegt wären.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

An die Adresse von Bündnis 90/Die Grünen gerichtet: Sie haben damals – deshalb habe ich gerade auf das Datum 13. April 2016 abgestellt – 13 Monate Zeit gehabt, verbindliche Strukturanalyseverfahren zur Entgeltgleichheit in der öffentlichen Verwaltung des Landes einzuführen. So lautet ja Ihre erste Forderung an die heutige Landesregierung.

Sie haben das damals nicht umgesetzt. Aus den damaligen regierungsinternen Diskussionen oder aus den möglicherweise damals zwischen den regierungstragenden Fraktionen geführten Diskussionen werden Sie wissen, warum Sie das nicht getan haben. Es wird gute Gründe gegeben haben.

Lassen Sie mich insofern auf das eingehen, was wir aktuell tun.

Wir haben in einem ersten Schritt – das haben wir Ihnen sehr transparent dargelegt – vor dem Hintergrund der wiederholten Klageverfahren angesichts des von Ihnen geänderten § 19 Abs. 6 Landesbeamtengesetz das Gesetz zurückgedreht.

Es ist ein klarer Handlungsauftrag dieses Landtags an die Landesregierung erfolgt.

Wir haben uns als erste Landesregierung in Nordrhein-Westfalen alle Beurteilungsrichtlinien der Ministerien angeguckt und sie einer Wertung unterzogen. Auch damals habe ich Ihnen schon gesagt: Wenn bei dieser Analyse etwas herauskommen sollte, was auf eine strukturelle Ungleichheit verschriftlicht hinweist, haben Personalräte und Arbeitgeberseite ihre Arbeit nicht gemacht. – Deshalb kann das Ergebnis, das wir verschriftlichte strukturelle Ungleichheiten nicht gefunden haben, nicht ernsthaft überraschen.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Daraufhin habe ich Ihnen gesagt: Wir gehen den nächsten Schritt. – Wir haben die Gewerkschaftsseite eingeladen und ein sehr gutes Auftaktgespräch mit ihr geführt.

Ich habe Ihnen auch schon im Ausschuss gesagt, dass ich in dieser Sitzung alle Gewerkschaften offen gefragt habe: „Streben Sie eine Änderung des Landesbeamtengesetzes an?“, weil ich das als zuständige Ministerin wissen muss. Alle haben mir gesagt: Nein, wir streben das nicht. Uns kommt es darauf an, dass wir die Beurteilungsrichtlinien noch einmal angehen und miteinander diskutieren, wie adressatengerecht ausgeschrieben wird und welche Sprache wir benutzen und welche nicht. Das analysieren wir auch mit zuständigen Hochschulprofessoren, die einschlägig publiziert haben.

Auf diesen Weg haben wir uns gemacht und einen engen Schulterschluss mit den Fachgewerkschaften – dbb, komba, ver.di; alle, die sich im öffentlichen Dienst wiederfinden – gesucht.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum jetzigen Zeitpunkt eine Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes zu fordern, obwohl Sie genau wissen, dass es noch evaluiert wird – es ist ja auf Bundesebene gerade erst in Kraft getreten –, ist frühzeitiger Aktionismus, damit man den Forderungskatalog in einem Antrag gefüllt bekommt, weil er sonst ein bisschen dünn gewesen wäre. Das gilt für beide Fraktionen.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Wir freuen uns natürlich auf die Beratungen in dem jeweiligen Ausschuss, auch zu den Inhalten beider Anträge; ohne Frage. Das Ziel eint; die Wege sind unterschiedlich. Aber die Landesregierung ist voller Optimismus, dass es uns gelingt, die Frauen- und Familienförderung im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen modern und für die Zukunft aufzustellen. Davon werden dann übrigens auch Männer profitieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es gibt den Wunsch nach einer Kurzintervention aus den Reihen der Grünen, und zwar von unserer Abgeordnetenkollegin Frau Paul. Sie hat jetzt das Wort.

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie haben sich jetzt tatsächlich ganz gut um die tatsächlichen strukturellen Fragen, die zu klären sind, herumgedrückt.

Selbstverständlich ist allen klar, dass die strukturellen Bedingungen bezüglich der Fragen von Tarifen und Besoldung immer gleich sind. Niemand unterstellt den Tarifparteien, für Frauen anders zu verhandeln als für Männer. Das wäre einigermaßen absurd und eine sehr offenkundige Diskriminierung, die übrigens aufgrund des AGG auch justiziabel wäre.

Aber darum geht es auch nicht. Deswegen haben wir in unserem Antrag geschrieben, dass wir andere Strukturanalyseverfahren brauchen. Denn Sie wissen genauso gut wie ich, dass es um die Frage geht, warum Frauen an vielen Stellen in der Besoldung und bei der Beförderung nicht weiterkommen. Das hat diese vielschichtigen Gründe.

Ich erinnere einmal daran, dass damals, als wir den § 19 Abs. 6 Landesbeamtengesetz reformiert haben, Ihre Fraktion einen Gesetzentwurf eingebracht hat, wie man das alles besser machen könnte. Darin stand zum Beispiel der bemerkenswerte Aspekt, dass Teilzeitbeschäftigte nicht schlechter bewertet werden dürfen als Vollzeitbeschäftigte. Das war auch schon vorher geltendes Recht. Dafür brauchte es diesen komischen Gesetzentwurf nicht.

Fakt ist aber – das zeigt auch die dbb-Analyse –, dass das trotzdem der Fall ist.

Das heißt: Wir müssen genau analysieren, warum Frauen auch in der öffentlichen Verwaltung weiterhin aufgrund ihrer oftmals geschlechtlichen Merkmale benachteiligt sind. Sie sind öfter in Teilzeit; sie haben längere Auszeiten für Familiensorge, Pflege etc. Das sind die Hausaufgaben, die zu machen sind. Wenn Sie nur auf die Tarifparteien schielen und sagen, wenn es eine größere Lohnlücke gebe, sei das deren Versagen, machen Sie es sich eindeutig zu einfach.

Gleiches gilt für Ihren Hinweis zum Entgelttransparenzgesetz. Ihnen ist doch sicherlich auch bekannt, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auch im Deutschen Bundestag noch vor Verabschiedung des Gesetzes …

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, die Redezeit.

Josefine Paul (GRÜNE): … immer wieder gesagt hat: Wenn es um eine Gruppe von 200 Beschäftigten geht und wenn es kein Verbandsklagerecht gibt, dann ist das ein zahnloser Tiger. – Da brauche ich nicht auf die Evaluation zu warten; denn das war schon von Beginn an klar.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, warum man im öffentlichen Dienst, wo wir starke Gewerkschaften haben, ein Verbandsklagerecht braucht, habe ich nicht verstanden. Das werden Sie mir auch nicht plausibel machen können.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Denn dafür gibt es die Tarifpartnerschaft, Frau Abgeordnete. Insofern bin ich da sehr gespannt auf Ihre Begründung. Als einziges Argument kann ja übrig bleiben, dass man bestimmten Klientelen zusätzliche Klagemöglichkeiten eröffnen will. Das wird aber im öffentlichen Dienst, offen gesagt, weder den Frauen noch den Männern helfen.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Zu den Beurteilungsrichtlinien habe ich ausgeführt, Frau Abgeordnete Paul, dass wir sie uns sehr wohl anschauen und dass wir sehr wohl zusammen mit den Gewerkschaften auch die Frage der Beurteilung von Teilzeitbeschäftigten in den Blick nehmen. Denn es ist offenkundig – so will ich das formulieren –, dass es, was Teilzeitbeschäftigung betrifft, unverändert bei Beurteilerinnen und Beurteilern eine Schere im Kopf gibt. Das wissen wir alle, die wir hier sitzen und uns mit der Frage von Teilzeitbeschäftigung und Aufstieg von Frauen in Führungspositionen beschäftigen.

Aber trifft das wirklich nur Frauen in Teilzeit, oder trifft es nicht genauso auch Männer in Teilzeit? Das ist eine spannende Fragestellung, mit der wir uns auch auseinandersetzen.

Wir haben miteinander vereinbart, dass die Beurteilerinnen und Beurteiler entsprechende Schulungen erhalten, um, wenn turnusgemäß die nächsten Beurteilungsverfahren anstehen, die Subjektivitäten, die ohne Frage unverändert im Beurteilungsverfahren eine Rolle spielen, auszuschließen. Das tun wir gemeinsam mit den Gewerkschaften.

Ich glaube, dass dieser Dialogprozess unverändert zielführend ist – es sei denn, dass Sie jetzt dafür werben, was mir neu wäre, dass die Landesregierung solche Prozesse ohne Gewerkschaften machen solle. Das kann nicht im gemeinsamen Interesse sein. Insofern sind wir auch da auf einem guten Weg, im gemeinsamen Dialog mit den jeweils handelnden Akteurinnen und Akteuren zu einer modernen Frauen- und Familienförderung zu kommen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisung des Antrags der Fraktion der SPD Drucksache 17/5373 und des Entschließungsantrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/5479. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen – federführend –, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, an den Ausschuss für Europa und Internationales, an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Innenausschuss. Die abschließende Aussprache und Abstimmung sollen im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Der Entschließungsantrag wird mit überwiesen.

Wer diesem Beschlussvorschlag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP und AfD. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

13 Die Kommunen bei der Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten wirksam stärken – FlüAG-Kostenpauschale endlich erhöhen und Perspektiven für Geduldete schaffen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5223

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der Grünen dem Kollegen Abgeordneten Mostofizadeh das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selten hat man in der Politik von der Aktualität her so viel Glück wie die Fraktion der Grünen mit diesem Antrag. Just gestern verkündete Finanzminister Scholz auf Bundesebene, dass er den Ansatz für die Kosten der Unterbringung von Geflüchteten von 4,7 Milliarden Euro auf 1,3 Milliarden Euro bundesweit absenken will.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Nicht zu fassen!)

Ich glaube, wir sind uns in diesem Landtag einig: Das geht so nicht. Wir müssen das scharf ablehnen und sehr klar in Richtung Bund adressieren, dass wir das nicht mittragen können.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist respektlos! – Bodo Löttgen [CDU]: Das geht gar nicht!)

Da wir hier im Landtag zwei große Fraktionen haben, deren Parteifreundinnen und Parteifreunde in Berlin regieren, gehe ich davon aus, dass sowohl der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Löttgen, seine Möglichkeiten bei der Bundeskanzlerin als auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Kutschaty, seine Möglichkeiten bei Herrn Scholz geltend machen und für eine Veränderung streiten werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben damit einen wichtigen Auftrag, dafür zu sorgen, dass die Menschen, die in den Kommunen untergebracht werden, auch adäquat finanziert werden. Viel Erfolg dabei! Ich hoffe auf baldige Rückmeldung dazu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber mit Resolutionen wollen zumindest wir uns nicht zufriedengeben. Für die Finanzausstattung der Kommunen ist immer noch das Land zuständig. Wenn man heute in die Pressemitteilung des Geschäftsführers des Städte- und Gemeindebundes hineinsieht, kennt man auch sehr genau die Reihenfolge, Herr Minister Stamp.

Das Land Nordrhein-Westfalen muss dafür sorgen, dass das Flüchtlingsaufnahmegesetz schnellstmöglich überarbeitet wird und das Konzept, das von der Universität Leipzig erarbeitet worden ist, bzw. die Istkostenabrechnung in Nordrhein-Westfalen endlich in einen Gesetzentwurf mündet und umgesetzt wird, Herr Minister Stamp.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will Ihnen sagen, warum. Ich komme auch gleich zu dem Zitat einer Äußerung, die Sie gemacht haben. Bereits im November letzten Jahres haben Sie die Zahlen, die die Leipziger ermittelt haben, dem Landtag vorgelegt. In diesem Gutachten wurde herausgefunden, dass die Großstädte bis zu 16.000 Euro pro geflüchteter Person aufwenden – die Stadt Essen hat dies gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ noch einmal bestätigt – und auch die kreisangehörigen Gemeinden im Mittel zumindest mehr als 10.000 Euro aufwenden. Der Gutachter schlägt unterschiedliche Möglichkeiten vor, wie man damit umgehen kann.

Sie haben bis heute keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Sie sind nicht bereit, eine klare Ansage zu machen, was die Entlastung der Kommunen angeht – und das vor folgendem Hintergrund:

Erstens muss das Land Nordrhein-Westfalen bereits seit 2017 deutlich weniger selbst für die Unterbringung von geflüchteten Menschen aufbringen, nämlich weit über 1 Milliarde Euro weniger, als es noch im Jahr 2016 der Fall war.

Zweitens melden die Städte – das ist ja der normale Gang der Dinge – zurück, dass Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen rechtmäßig immer länger hier verbleiben dürfen, aber nicht mehr unter die Kautelen des Flüchtlingsaufnahmegesetzes fallen. Das führt dazu, dass eine Stadt wie Dortmund zurückmeldet, dass ein Aufwand von 30 Millionen Euro dadurch nicht mehr abgedeckt wird. Wenn man das hochrechnet, sind wir schnell bei einer Größenordnung von mehr als 1 Milliarde Euro.

Ich will Ihnen auch Folgendes sehr klar ins Stammbuch schreiben, Herr Minister Stamp: Die Punkte, die in unserem Antrag stehen, müssten eigentlich von allen Fraktionen des Landtags unterstützt werden – nämlich erstens, möglichst schnell dieses Gesetz umzusetzen, und zweitens, dafür zu sorgen, dass die Regelung rückwirkend gilt, also mindestens ab dem 01.01.2019, und dass sie auskömmlich ist.

Sie haben Finanzminister Scholz folgenden Vorwurf gemacht – zumindest ist das ein wörtliches Zitat aus der „WAZ“ vom heutigen Tag –:

„,Scholz spielt den Populisten mit seinem Vorhaben in die Hände‘, schimpfte Stamp.“

Darin kann ich Sie nur eins zu eins unterstützen. Aber ein Land Nordrhein-Westfalen, das ein gutes halbes Jahr braucht, um selbst eine Ansage zu machen, sollte sich fragen, welchen Beitrag es dazu leistet, erstens die Kommunen im Regen stehen zu lassen und zweitens für Verunsicherung zu sorgen, was die Entlastung der Kommunen angeht.

Ich erwarte heute eine klare Antwort. Meines Erachtens müssten alle anderen Fraktionen dabei mitgehen, diese Entlastung heute zu beschließen bzw. auf den Weg zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Blondin.

Marc Blondin (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal vielen Dank für den Hinweis auf die Kürzungspläne von Bundesfinanzminister Scholz. Unser Fraktionsvorsitzender Bodo Löttgen hat bereits kundgetan, was er davon hält, nämlich gar nichts.

Aber nun zu dem Antrag der Grünen: Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert, die Kommunen bei der Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten wirksam zu stärken. Das ist ein berechtigtes Anliegen.

Zunächst konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei die Tatsache verkennen, dass die NRW-Koalition sich dessen sehr wohl bewusst ist.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Das erkennt man deutlich!)

Wir wollen die Kommunen stärken.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Aber Sie tun es nicht!)

Tatsächlich verkennen Sie diese Tatsache nicht. Sie erwähnen sogar die Aussagen von Herrn Minister Dr. Stamp zu den FlüAG-Pauschalen, der in Aussicht gestellten finanziellen Entlastung der Kommunen und einer langfristigen Bleibeperspektive für integrierte Geduldete.

Sie bestätigen damit vor allem eines: Die NRW-Koalition macht ihre Hausaufgaben. Und nicht nur das! Sie arbeitet auch sukzessive die Versäumnisse von Rot-Grün aus den vergangenen Jahren auf.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Doch ganz offensichtlich geht es den Grünen damit nicht schnell genug. Gerade hat Minister Dr. Stamp noch erfolgreich mit den Kommunen über die Reform des KiBiz verhandelt, um die jahrelange strukturelle Unterfinanzierung der Kitas zu beenden. Jetzt sollen die Ergebnisse des Gutachtens der Universität Leipzig zu den FlüAG-Pauschalen möglichst schon gestern umgesetzt werden.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Na ja!)

– Ja, genau.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Fünf Monate sind nicht gestern!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wir wissen, welchen Kraftakt unsere Kommunen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016 geleistet und heute immer noch vor der Brust haben. Deshalb laufen derzeit Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden über eine angemessene Weiterentwicklung der Landesunterstützung auf Grundlage der Ergebnisse aus dem Gutachten.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was wollen Sie denn noch überlegen?)

Ich darf einmal mit Erlaubnis des Präsidenten aus diesem Gutachten von Professor Thomas Lenk zitieren. Darin heißt es:

„Aus gutachterlicher Sicht ist eine Fortführung der Erstattung der Leistungen nach § 4 FlüAG NRW auf dem Weg einer Pauschale zu befürworten.“

Präsident André Kuper: Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Möchten Sie die zulassen?

Marc Blondin (CDU): Ja.

Präsident André Kuper: Okay. – Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Kollege, Sie haben gerade auf die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden verwiesen. Wir wissen seit vielen Jahren, was die kommunalen Spitzenverbände wollen; darüber müssen Sie nicht mehr reden.

Sie möchten nämlich erstens, dass die tatsächlichen Kosten, die sie für Flüchtlinge aufbringen müssen, abgedeckt werden.

(Daniel Sieveke [CDU: Warum haben Sie das denn nicht gemacht?)

– Rot-Grün hatte seinerzeit ein Verhandlungsergebnis mit den kommunalen Spitzenverbänden, nämlich die 10.000-Euro-Pauschale mit der Maßgabe, dass die Kosten untersucht werden, um danach auch die tatsächlichen Kosten zu erstatten. Das Gutachten liegt vor, und wir wissen: Es kostet mehr. – Die kommunalen Spitzenverbände wollen eine Erstattung haben. Wir wissen also, was sie wollen.

Zweitens wollen sie eine Erstattung für die Geduldeten, die bislang nur über drei Monate finanziert werden. Wir wissen jetzt auch, dass es über 50.000 Geduldete in den Kommunen gibt.

Das heißt, wir wissen, was sie wollen. Sie müssen uns heute schon erklären, ob Sie vom Grundsatz her gewillt sind, diese Wünsche der kommunalen Spitzenverbände, die Sie im Übrigen in der letzten Legislaturperiode eins zu eins hier gefordert haben, umzusetzen.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, bitte die Frage.

Monika Düker (GRÜNE): Die Frage wäre: Wollen Sie diese Forderung der kommunalen Spitzenverbände erfüllen, ja oder nein?

Marc Blondin (CDU): Ich werde Ihnen das im Laufe dieser Rede noch mal verdeutlichen; vielleicht hätten Sie einen kleinen Moment warten sollen.

(Stefan Kämmerling [SPD: Ach, Mensch!)

Ich gehe jetzt im Allgemeinen durchaus auf diese Fragen ein. Wir werden das, was wir an der Stelle vorhaben, letztlich noch einmal zum Ausdruck bringen. Einen kleinen Moment Geduld bitte.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE: Aber nicht heute?)

– Doch, durchaus.

In diesem Sinne werden sich die Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden vor allem auf die künftige Höhe der Pauschalen konzentrieren.

Wie Sie der Vorlage 17/1357 vom November 2018 entnehmen können, wurde für etwaige Anpassungsnotwendigkeiten Vorsorge im Einzelplan 07 des laufenden Haushaltsjahres getroffen.

Vor dem Hintergrund aktueller rückläufiger Flüchtlingszahlen empfiehlt das Gutachten im Übrigen, sich an den jeweils niedrigeren Werten für die Pauschalen zu orientieren.

(Stefan Kämmerling [SPD: Ach, na dann!)

Grundsätzlich möchte ich an zwei weitere Dinge erinnern, wenn es um die finanzielle Entlastung der Kommunen bei der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen und Asylsuchenden geht.

Die NRW-Koalition leitet in diesem Jahr die Integrationspauschale des Bundes in Höhe von rund 433 Millionen Euro in vollem Umfang an die Kommunen weiter. Im Jahr 2018 waren es bereits 100 Millionen Euro.

Nun ist Integration das eine und die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen das andere.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE)

– Das ist mir durchaus bewusst, Herr Kollege.

Dennoch sollte nicht unerwähnt bleiben, dass CDU und FDP bereits einiges zur Entlastung der Kommunen im Bereich der Integration getan haben; denn die Aufnahme, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen ist eine Gesamtaufgabe. Insbesondere die Integration wird unsere Kommunen noch über Jahre beschäftigen. Umso wichtiger ist es, dass möglichst nur noch anerkannte Flüchtlinge oder Personen mit guter Bleibeperspektive in den Kommunen ankommen.

Dies bringt mich zu einem zweiten Punkt; denn mit der schrittweisen Umsetzung des Asylstufenplans entlastet die NRW-Koalition die Kommunen zwar nicht unmittelbar finanziell, aber organisatorisch und strukturell.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Heiterkeit von Stefan Kämmerling [SPD])

Damit sollen Asylverfahren beschleunigt und unseren Städten und Gemeinden möglichst nur noch Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive zugewiesen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die NRW-Koalition aus CDU und FDP steht zu ihrem Wort.

(Lachen von Monika Düker [GRÜNE] und Josefine Paul [GRÜNE])

Schritt für Schritt werden wir das, was wir uns vorgenommen haben, umsetzen. In Sachen Integration von Flüchtlingen haben wir bereits entscheidende Schritte gemacht,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

ebenso in der Neustrukturierung zur Aufnahme und Unterbringung asylsuchender Flüchtlinge.

Die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden zu den FlüAG-Pauschalen laufen derzeit.

Bezüglich einer langfristigen Bleibeperspektive für gut integrierte Geduldete haben wir in unserem Koalitionsvertrag eine Lösung in Aussicht gestellt, an deren Umsetzung das MKFFI ebenfalls arbeitet.

Dann stellt sich mir die Frage, warum die Grünen diesen Antrag überhaupt gestellt haben.

(Lachen von Stefan Kämmerling [SPD])

Denn er enthält inhaltlich nichts Neues, weist aber vor allem darauf hin, dass die NRW-Koalition ihre Arbeit gründlich und gewissenhaft macht. Vielen Dank dafür.

Ich freue mich auf die weitere Beratung im Ausschuss. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD erteile ich dem Abgeordneten Herrn Kämmerling das Wort.

Stefan Kämmerling (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mit dem Thema „Bleibeperspektive“ beginnen. Ihnen ist wie mir bekannt, dass in der Sache auf Bundesebene ein Gesetzentwurf vorliegt. Das Gesetz über die Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung fügt der Ausbildungsduldung eine Beschäftigungsduldung hinzu. Kurz gesagt heißt das: Wer eine Ausbildung macht oder in Beschäftigung steht und seinen eigenen Lebensunterhalt sichern kann, darf bleiben.

Das wäre so auch im Geiste dessen, was SPD und Grüne in der vergangenen Landtagswahlperiode mit Ausbildungsduldung und der Ausbildung plus, also der 3+2-Regelung, auf den Weg gebracht haben. Wer integriert ist und das durch eine Ausbildung unterstreicht, soll bleiben dürfen. Wer integriert ist und erfolgreich einer Beschäftigung nachgeht, soll ebenfalls bleiben dürfen. Alles andere wäre nicht sinnvoll, es wäre nicht fair, und es wäre auch volkswirtschaftlich unklug.

Vor 14 Tagen war der „Rheinischen Post“ zu entnehmen, dass Herr Minister Stamp auch in diese Richtung marschiert und einen Erlass vorbereitet, der noch einmal über das hinausgeht, was der Bund gerade vorbereitet. Dazu hätte er selbstverständlich schon länger Gelegenheit gehabt. Warum er das jetzt tut, wo der Bund eine Regelung ankündigt, ist mir persönlich nicht bekannt. Das ändert aber nichts daran, dass das, was der Erlass gemäß Ankündigung beinhaltet, offenkundig sinnvoll zu sein scheint.

Jetzt zur Entlastung der Kommunen: Die Kolleginnen und Kollegen der Grünen beschreiben das Problem in ihrem Antrag völlig zutreffend. Die Zuweisungen aus dem Flüchtlingsaufnahmegesetzt, dem FlüAG, sind unzureichend. Diese Position vertreten wir Sozialdemokraten auch und haben das hier in diesem Haus in den vergangenen Monaten immer wieder deutlich gemacht.

Gerade erst am 18. Februar dieses Jahres haben alle drei kommunalen Spitzenverbände die Landesregierung angeschrieben und in klaren deutschen Hauptsätzen noch einmal wiederholt, dass die Erstattung der Kosten der Kommunen für Flüchtlinge nicht ausreicht.

Die Auffassung von Sozialdemokraten, Grünen und den kommunalen Spitzenverbänden wird nun auch – das ist hier schon ein paarmal angesprochen worden – gutachterlich gestützt.

Hierzu sagt der vorliegende Antrag der Kollegen aus meiner Sicht aber auch alles Notwendige aus. Unter dem Strich überweist das Land zu wenig Geld an die Kommunen.

Dabei ist mit den Kommunen im Dezember 2015 ein Weg vereinbart worden. Man wollte der Kostenpauschale eine gemeinsame Erhebung der tatsächlichen Kosten gegenüberstellen. Das Ergebnis liegt vor, wird aber von der Landesregierung schlicht ignoriert. Seit Monaten herrscht Stillstand zu dem Thema. Ich darf hier die sehr lesenswerte und zur passenden Sachverständigenanhörung eingegangene Stellungnahme der Stadt Düsseldorf zur Lektüre empfehlen.

Auch zum kommunalen Dilemma der Finanzierung von Geduldeten führt der Antrag der Grünen aus meiner Sicht zutreffend und im Sinne früherer Anträge von uns Sozialdemokraten aus. Den Kommunen werden Geduldete, also ausreisepflichtige Menschen, zugewiesen. Die aufzubringenden Kosten für diese können die Kommunen nicht per FlüAG geltend machen. Viele dieser Ausreisepflichtigen können aber gar nicht zurückgeführt werden. Die Gründe dafür sind alle bekannt und hier hundertmal diskutiert worden.

Das alles hilft nichts. Bei den Zuweisungen an die Kommunen tut das Land nämlich so, als gäbe es dieses Problem nicht, und lässt Städte und Gemeinden mit der Finanzierung im Regen stehen.

Beachtlich finde ich hier die sehr detaillierte Stellungnahme der Stadt Dormagen vom 14.11.2018, die den Finanzierungsirrweg anhand von mehreren konkreten Fällen sehr gut und nachvollziehbar vorrechnet.

Das Problem der Finanzierung ist da. Das Problem ist auch unbestritten. Weder den Kommunen selbst noch den Spitzenverbänden wird nach meiner Kenntnis in der Sache noch von irgendjemandem widersprochen. Allein die Landesregierung tut nichts bzw. nicht genug.

Der Antrag der Grünen beschreibt all das richtig. Ich will die Landesregierung heute noch einmal auffordern: Hören Sie auf, das Problem zu bewundern. Erstatten Sie den Kommunen endlich und auch rückwirkend ihren Aufwand. Tun Sie das, was Sie vorher immer versprochen haben. – Herzlichen Dank.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP spricht nun Herr Abgeordneter Lenzen.

Stefan Lenzen (FDP): Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der NRW-Koalition von CDU und FDP ist sehr wohl bewusst, vor welch großen Herausforderungen die Kommunen standen, aber auch noch bis heute stehen. Da brauchen wir keine Nachhilfe durch den einen oder anderen Antrag.

Hier sind Behauptungen aufgestellt worden, was man alles hätte tun können und nicht getan hat. Ich glaube, manchmal lohnt sich doch ein kurzer Blick zurück.

Die Regierungsübernahme war im Sommer 2017. Was hat denn die NRW-Koalition mit unserem Minister Dr. Joachim Stamp direkt auf den Weg gebracht? Wir haben doch zuallererst 100 Millionen Euro aus der Integrationspauschale für 2018 zur Unterstützung der Kommunen bei der Integrationsarbeit rausgegeben. Wir haben für dieses Jahr die vollumfängliche Weiterleitung der Mittel aus der Integrationspauschale des Bundes in Höhe von 433 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Das Geld kommt bei den Kommunen an.

Wenn man allein das zusammenfasst, sind das 533 Millionen Euro mehr für die Integrationsarbeit der Kommunen vor Ort, als die Vorgängerregierung bereitgestellt hat.

(Vereinzelt Beifall von der FDP und der CDU)

Dann davon zu reden, wir hätten nichts getan, ist schon stark.

Präsident André Kuper: Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Stefan Lenzen (FDP): Ich würde gern weiter ausführen. – Das sieht man doch. Es geht nicht nur darum, hier irgendwelche Worthülsen zu verwenden, sondern auch darum, diesen Worten Taten folgen zu lassen. Die NRW-Koalition mit unserem Minister Stamp lässt die Kommunen beim Thema „Integration“ nicht im Regen stehen.

Wir hätten uns natürlich auch vom Bund gewünscht – besser: erwartet –, dass er sich in Zukunft gerade an den Kosten für die Integration der Geflüchteten weiter verlässlich und dauerhaft beteiligt. Da hätte ich doch einen klarstellenden Satz des Kollegen Kämmerling zu den Kürzungsplänen Ihres Bundesfinanzministers Olaf Scholz erwartet,

(Stefan Kämmerling [SPD]: Sie hätten ja eine Frage stellen können!)

der ja jetzt drastisch kürzen möchte. Aber dazu war von Ihnen nichts zu hören.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Diese ganzen vollmundigen Versprechungen, man wolle ja die Länder und Kommunen mit den Folgen der Migration nicht alleinlassen, haben Sie mit dieser Ankündigung auf Bundesebene schlicht und einfach gebrochen. Der Bund ist doch für den Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts zuständig. Sie sind finanziell mitverantwortlich, wenn nicht der hauptverantwortliche Akteur im Bund. Dann muss man auch für die Aufwendungen geradestehen. Jetzt will sich Ihr Bundesfinanzminister aus der Verantwortung stehlen. So geht es nicht.

(Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Herr Kollege, es gibt den weiteren Wunsch einer Zwischenfrage.

Stefan Lenzen (FDP): Ich würde trotzdem gern weitersprechen. – Ich kann mich noch an die Debatte beim letzten Plenum erinnern. Da kamen Sie mit den SPD-Projekten. Da wird mit der Gießkanne geschaut: Wie können wir das Geld bei der Grundrente verteilen?

Aber jetzt, wo wir die Kommunen und die Länder im Bereich der Integration von Flüchtlingen gerade nicht alleinlassen dürfen, wollen Sie die Kosten auf die Länder, auf die Kommunen abwälzen. Ich muss sagen: Das ist ein gefährliches Spiel. Bei diesem mehr als sensiblen Thema zündelt Ihr Finanzminister. Da hätte ich etwas mehr Sensibilität erwartet.

Bei all den Forderungen hier im Hause gerade vonseiten der SPD-Fraktion: „Wir müssen die Kommunen unterstützen“, verlieren Sie spätestens an dieser Stelle jegliche Glaubwürdigkeit.

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben schon einiges zu der Evaluation des Ganzen gehört; das war ja auch richtig. Es war die zehnte Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes. Das Ganze wurde von der Uni Leipzig begleitet. Das Gutachten liegt vor. Daraus ergibt sich eine erhebliche Spreizung gerade zwischen dem ländlichen Raum und den kreisfreien Städten. Das können die kommunalen Akteure natürlich zu Recht unterschiedlich bewerten.

Der NRW-Koalition aus CDU und FDP ist eines besonders wichtig: Wir wollen hier natürlich – da gilt Sorgfalt vor Eile – eine Lösung auf den Weg bringen, die auf einen breiten Konsens stößt. Ich glaube, Sie würden uns nachher genauso vorwerfen, wenn wir jetzt einen Schnellschuss gemacht hätten, wie Sie es vielleicht gerne hätten.

Wir haben im Endeffekt mit der vollumfänglichen Weiterleitung der Mittel aus der Integrationspauschale ein entsprechendes Zeitfenster für die Diskussionen geschaffen. Wir werden mit unserem Minister Stamp an einer sachgerechten Lösung arbeiten.

In diesem Zusammenhang kam eben schon öfter die Frage der Kostenübernahme nicht nur für die Geduldeten auf, für die wir als Land schon drei Monate über den Abschluss des Verfahrens hinaus zahlen und damit weitergehen als der Bund, der da bei nur einem Monat ist.

Daneben haben wir auch das Thema: Wie gehen wir mit den Geduldeten in Gänze um? Wir haben das eben schon gehört und werden morgen eine separate Debatte dazu haben.

Aber – und das halte ich schon für äußerst schwierig – wir haben nicht nur die Integrationspauschale zuerst mit 100 Millionen Euro weitergegeben und geben sie jetzt vollumfänglich, sondern wir wollen unsere Städte und Gemeinden mit dem Asylstufenplan auch Schritt für Schritt entlasten. Sie sollen sich beim Thema „Integration“ auf die Menschen konzentrieren, die eine Bleibeperspektive haben. Gerade Sie von SPD und Grünen verwehren sich dem.

Wir haben es eben schon gehört. Wir brauchen auch eine Regelung für die Menschen, die hier schon lange mit einer Duldung leben. Das wurde auch in dem Antrag angesprochen.

Der Erlass – dazu werden wir sicherlich noch einiges hören – befindet sich in der finalen Abstimmung. Es geht auch darum, wie man den Ausländerbehörden eine Anleitung geben kann, in dem jetzigen bundesrechtlichen Rahmen Spielräume besser zu nutzen. Wie kann man dann eine Aufenthaltserlaubnis gewähren? Das betrifft gerade das Thema der nachhaltigen Integration – wir haben es schon ausgeführt – für die Menschen, die am Arbeitsmarkt Fuß gefasst haben, die Sprache gelernt haben und straffrei geblieben sind, die eine Perspektive in Deutschland bekommen können.

Dies zeigt zu guter Letzt – letzter Satz, Herr Präsident –: Wir nehmen die Sorgen und Nöte unserer Kommunen ernst. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Jetzt steht ja die Kurzintervention an. – Danke.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Zur Kurzintervention geht das Wort an den Kollegen Kämmerling.

Stefan Kämmerling (SPD): Danke schön, Herr Präsident, dass Sie das ermöglichen. – Vielen Dank, Herr Kollege … Jetzt wollte ich mich bedanken, dass Sie das zulassen. Nein, Sie haben es ja nicht zugelassen. Ich bin schon in der Intervention, keine Vorrede.

Sie hätten eben, wenn Sie mir die Möglichkeit gegeben hätten, auf Ihre Frage zu antworten, eine Antwort darauf bekommen, was ich von den Vorschlägen von Herrn Scholz halte. Ich will klipp und klar sagen, dass ich das kritisiere. Ich halte von der Art und Weise, insbesondere wie es in der Kürze vorgetragen worden ist, überhaupt nichts.

Ich will aber darauf verweisen, dass hier eine Menge durcheinandergeworfen wird. 8 Milliarden Euro stehen bis zum Jahr 2021 als zusätzliche Hilfen für Kommunen und Länder gemäß Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD zur Verfügung. An den 8 Milliarden Euro ändert sich überhaupt nichts.

Wenn ich richtig informiert bin, hat der CDU-Ministerpräsident Laschet diesen Koalitionsvertrag mit ausgehandelt, und er hat ihn mit unterzeichnet. Man muss ein bisschen auseinanderhalten, über welches Geld man hier spricht.

Zum Zweiten – ich denke, ich bin noch innerhalb der Zeit – darf ich Ihnen entgegnen, dass nach meiner Kenntnis – und ich hoffe, dass das stimmt – am 31. Januar 2019 der CdS, der Chef der Staatskanzlei, des Landes Nordrhein-Westfalen in Gesprächen mit dem Kanzleramt und allen anderen CdS in Berlin über dieses Paket verhandelt hat.

Nach meiner Kenntnis ist die Kanzlerin anschließend mit allen Ministerpräsidenten zu einem Termin zusammengekommen, und sie haben ebenfalls über dieses Paket, über das wir hier gerade sprechen, verhandelt. Ich habe danach nichts davon gehört und bin sehr verwundert darüber, dass über das Ergebnis dessen – wenn diese beiden Personen daran teilgenommen haben sollten, was ich nicht weiß, was ich aber mitgeteilt bekommen habe – nichts bekannt geworden ist und jetzt sozusagen die große Überraschung gespielt wird. Das verwirrt zumindest auch mich.

Präsident André Kuper: Herr Kollege Lenzen.

Stefan Lenzen (FDP): Vielen Dank, Herr Kämmerling. Ich bin ja schon mal froh, dass Sie jetzt klargestellt haben, dass wir beide nichts von den Kürzungsplänen Ihres Bundesfinanzministers halten. Es ist gut, dass Sie das mal klargestellt haben. Eine solche Kürzung von 4,7 auf 1,3 Milliarden Euro ist schon eine Hausnummer.

Sie haben eben kurz in Ihrem Redebeitrag eingebracht, dass

(Stefan Kämmerling [SPD]: Weil Sie es nicht verstanden haben! Ich versuche, es zu erklären!)

Sie gar nicht verstehen, warum unser Minister jetzt einen Erlass vorbereitet. Sie hätten ja auf Bundesebene einen Gesetzentwurf in Vorbereitung, und da käme endlich etwas. Mir ist das bis jetzt nicht bekannt.

Die Forderungen hat unser Integrationsminister Dr. Joachim Stamp oft genug erneuert. Wir bräuchten einen Migrationsgipfel. Wir bräuchten ein in sich konsistentes Einwanderungsgesetzbuch. All das habe ich bis jetzt von der Bundesregierung, auch von den mitverantwortlichen SPD-Ministern nicht vernehmen können. Wenn da noch etwas kommt, wäre das schön.

Bis dahin ist es schon einmal wichtig, dass wir auf Landesseite unsere Hausaufgaben gemacht haben und machen werden. Nehmen Sie einfach mal zur Kenntnis.

Die 533 Millionen Euro mehr als unter der rot-grünen Vorgängerregierung sind kein Pappenstiel, genauso wie die Erlasse zur Ausbildungsduldung – das ist der nächste Erlass –, um Perspektiven zu schaffen. Wir sind da auf einem guten Weg, und wir werden auch weiterhin ganz seriös und sachlich daran arbeiten.

Wir lassen die Kommunen bei dem Thema „Integration von Flüchtlingen“ nicht im Stich. Das ist die Debatte, die wir hier führen sollten. In diesem Sinne können wir uns gerne weiter sachlich darüber austauschen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Für die AfD erteile ich nun der Abgeordneten Frau Walger-Demolsky das Wort.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, man könnte meinen, die Ankündigung eines Erlasses und zwei ganz verschiedene Reaktionen. Die AfD mahnt in Ihrem Antrag morgen die Landesregierung erneut, keinen Sonderweg zu gehen, um Bundesgesetze mittels Erlasses auszuhebeln, während es den Grünen nicht schnell genug geht und, man könnte es ahnen, was der Minister schon verlautbaren ließ, vermutlich auch nicht weit genug.

Im Grunde hat man den Antrag vom Mai 2018 noch einmal aus der Kiste geholt und mit den Erkenntnissen aus dem Gutachten der Universität Leipzig und einigen Versprechen des Ministers angereichert. Vergessen wurde, dass inzwischen von der NRW-Landesregierung 432,8 Millionen Euro Integrationspauschale weitergereicht werden. Vor allem wurde offensichtlich vergessen, dass von der rot-grünen Regierung nichts davon weitergereicht wurde; denn die Pauschale gibt es schon länger.

(Zuruf von der AfD: Hört! Hört!)

Das Gutachten der Universität Leipzig wundert mich auch nicht. Auf ähnliche Ergebnisse kommt man allein durch einen Blick auf den Mietspiegel in NRW. Da wird man ganz schnell feststellen, dass die tatsächlichen Kosten für die Unterbringung eigentlich gar nicht einheitlich sein können und somit eine einheitliche Pro-Kopf-Pauschale nicht zwangsweise auch gerecht ist.

Ein Blick auf Düsseldorf: Wenn man hier die Pauschale aufgrund der hohen Mietkosten um satte 54 % erhöhen würde – und das ist quasi Ihre Forderung auf Basis des Gutachtens –, würde man aber die Leistungsfähigkeit der Stadt Düsseldorf im Vergleich zur Leistungsfähigkeit einer Stadt wie Gelsenkirchen gar nicht berücksichtigen. Ich würde das jedenfalls für falsch halten.

Was keinesfalls verändert werden darf, ist die zeitliche Begrenzung der Finanzierung von Geduldeten, insbesondere in Fällen, in denen eine Duldung gar nicht zwingend ist. Welches Interesse an der Durchsetzung der Ausreisepflicht sollte denn eine Kommune noch haben, wenn jegliche finanzielle Verantwortung entfällt?

Wer Gemeinden entlasten will, sollte sich aktiv daran beteiligen, Abschiebehindernisse zu beseitigen. Sie alle haben hier den eigentlichen Zweck des Aufenthaltsgesetzes längst aus den Augen verloren. Dabei finden Sie den schon in § 1; denn da ist von Steuerung, von Begrenzung und von den Interessen Deutschlands die Rede, selbstverständlich auch von den Interessen NRWs.

Das alles haben Sie, meine Damen und Herren aller Parteien, offensichtlich aus den Augen verloren. Lesen Sie es einfach noch mal nach!

Über 70.000 Ausreisepflichtige, davon 55.000 mit Duldung, in beiden Fällen ein Zuwachs von fast 25 % seit 2016. Und was fällt Ihnen ein? – Spurwechsel. Mit Vernunft hat das nichts zu tun.

Allein aus den Balkanländern Serbien, Albanien, Kosovo, Mazedonien und Bosnien, alles qua Definition sichere Herkunftsländer, halten sich fast 20.000 ausreisepflichtige Bürger bei uns in NRW auf. Die genannten Staaten werden bis heute um die Unterstützung ihrer Landsleute beim Wiederaufbau der Länder beraubt. Genauso haben diese Länder das zum Teil auch artikuliert.

Statt immer mehr Integration und immer mehr Spurwechseln gehen unsere Nachbarn in Österreich, aber auch in Dänemark längst einen anderen Weg. Ausreisezentren – das kann man da hören. Mehr Rückführung muss das Ziel sein, nicht mehr Aufenthaltsbiografien von illegaler Einreise über den Daueraufenthalt bis hin zum deutschen Pass. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Das Wort hat nun für die Landesregierung Herr Minister Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war jetzt zum Teil erstaunt über die eine oder andere fachliche Desinformation, wobei ich mich frage: Hat das einfach damit zu tun, dass man sich nicht tief genug mit der Sache auseinandergesetzt hat, oder geht es hier um eine bewusste Desinformation der Kolleginnen und Kollegen?

Ich fange mal an bei Frau Walger-Demolsky. Wenn Sie allen Ernstes erzählen, wir würden mit einem Erlass ein Bundesrecht aushebeln, dann wissen Sie schlicht nicht, was ein Erlass ist. Wir werden mit dem Erlass den Spielraum, den der Bund 2015 mit § 25b Aufenthaltsgesetz gegeben hat, so nutzen, dass er von den Ausländerbehörden vernünftig umgesetzt werden kann, dass diejenigen, die sich gut integriert haben, hier eine entsprechende Bleibeperspektive bekommen. Das werden wir in der kommenden Woche vorstellen.

Herr Kämmerling, die Regelung des § 25b gibt es, wie gesagt, seit 2015. Während Ihrer Regierungsbeteiligung hätten Sie längst einen solchen Erlass auf den Weg bringen können.

(Beifall von der FDP)

Wir mussten feststellen, dass von den Ausländerbehörden vor Ort so gut wie überhaupt nicht Gebrauch von § 25b gemacht worden ist. Daraufhin haben wir – ich werde das morgen noch einmal erläutern – in Workshops und Dienstbesprechungen mit den Ausländerbehörden, mit den kommunalen Spitzenverbänden das Gespräch gesucht und die Sache besprochen, damit wir einen passgenauen Erlass bekommen, damit sich die Praxis jetzt entsprechend ändern kann. Wir haben morgen noch einmal Gelegenheit, darüber zu sprechen.

Herr Kämmerling, wenn Sie mit einer solchen Attitüde hier auftreten, dann sollten Sie sich vorher erst einmal fachlich informieren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zu dem Antrag der Grünen, der die Frage des FlüAG aufwirft: Frau Kollegin Düker, Sie haben gesagt, es sei seit Jahren hinlänglich bekannt, was die kommunalen Spitzenverbände wollen.

Das ist so nicht richtig, weil es nämlich zwischen den kommunalen Spitzenverbänden, zum Teil auch innerhalb der kommunalen Spitzenverbände, zurzeit noch einen erheblichen Diskussionsbedarf gibt, wie die Pauschalen gestaltet werden sollen, und eine große Diskrepanz, zum Teil zwischen den verschiedenen Städten, und zwar nicht nur zwischen den kleineren und den größeren Städten, sondern auch zwischen größeren Städten. Das sind Dinge, die wir in intensiven Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden besprechen. Da sind wir auf dem Weg.

Weil wir wissen, dass die Neuregelung des FlüAG nicht einfach so im Vorbeigehen geschehen kann, Herr Mostofizadeh, wie Sie sich das vielleicht vorstellen, sondern weil wir das FlüAG so reformieren wollen, dass es dann auf Jahre dauerhaft trägt, wozu Sie in Ihrer Regierungszeit nicht imstande gewesen sind, nehmen wir uns die Zeit, mit den kommunalen Spitzenverbänden zu verhandeln und alles genau auszuarbeiten, damit es passgenau wird.

Dabei nehmen wir natürlich die Frage der Kosten für die Geduldeten mit in den Blick. Aber gerade weil es so schwierig ist, haben wir gesagt: Dann sind wir großzügig und machen etwas, was keiner erwartet; wir geben die 432,8 Millionen Euro, die der Bund explizit für Kommunen und Länder vorgesehen hat, komplett für die Arbeit der Kommunen vor Ort. – Das ist unsere Antwort gewesen, und das ist von den kommunalen Spitzenverbänden auch anerkannt worden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Herr Minister, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Ja, von mir aus.

Präsident André Kuper: Kollegin Düker, bitte.

Monika Düker (GRÜNE): Danke, Herr Minister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Da ich selber mehrfach an Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden über Flüchtlingsfinanzierung teilgenommen habe, weiß ich genau, was Sie meinen. Aber darum ging es ja nicht.

Es ging nicht darum, zu sagen, wie viel der kreisangehörige Raum bekommt, wie viel die kreisfreien Städte bekommen, sondern es geht schlicht und ergreifend darum, dass die Summen klar sind: 250 Millionen Euro in der Gesamtsumme, wenn Sie nach dem Gutachten erhöhte Pauschalen zahlen, und für die Geduldeten kämen noch einmal 700 Millionen Euro obendrauf. Das ist roundabout 1 Milliarde Euro Mehrkosten, die hier auf dem Tisch liegt.

Das heißt, im Detail ist es richtig. Deswegen meine Frage: Jenseits dieser Verhandlung, die Sie zu einem erfolgreichen Ergebnis führen wollen, müssen Sie Vorsorge im Haushalt treffen, dass das auch bezahlt werden kann.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, die Frage bitte.

Monika Düker (GRÜNE): Die Frage ist: Wann werden Sie einen Nachtragshaushalt einreichen, um diese 1 Milliarde Euro anteilig für dieses Jahr auch haushälterisch zur Verfügung zu stellen? Denn davon steht bislang nichts im Haushalt.

Präsident André Kuper: Herr Minister.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Düker, es gab von den kommunalen Spitzenverbänden keinerlei Erwartungen, dass wir ihnen eine zusätzliche Milliarde finanzieren. Das ist ja Wolkenkuckucksheim.

Im Gegenteil, wir haben reagiert und haben deswegen, weil wir wissen – ich habe es gerade ausgeführt –, dass die Gespräche über das FlüAG kompliziert sind, die Großzügigkeit besessen – ich glaube, das war richtig und notwendig, weil wir die Kommunen an dieser Stelle nicht im Stich lassen wollten, damit die Kämmerer bereits planen können – und die Zusage für die 432,8 Millionen Euro gemacht. Und dazu stehen wir auch.

(Beifall von der CDU und der FDP)

An der Stelle noch der Hinweis: Wie war das eigentlich bei Ihnen?

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Null!)

Null!

(Monika Düker [GRÜNE] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das stimmt nicht!)

Wir haben 2018 100 Millionen Euro gegeben, und 2019 geben wir 432 Millionen Euro.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Allein bei der Unterbringung 2 Millionen Euro mehr! – Monika Düker [GRÜNE]: Insgesamt waren es 4 Milliarden Euro!)

Und dann kommen Sie und machen hier die Welle – das ist schlichtweg unseriös, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP – Monika Düker [GRÜNE]: 4 Milliarden Euro – das ist doch nicht nichts!)

Wir schaffen im Übrigen darüber hinaus – da sind wir im laufenden Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden – auch strukturell etwas. Das ist von verschiedenen Rednern gesagt worden; einige haben sich mit der Sache ein bisschen intensiver beschäftigt.

Wir haben einen Asylstufenplan, den wir sukzessive umsetzen und mit dem wir die Kommunen entlasten – unter anderem hinsichtlich der Rückführungen. Insofern ist das, was Frau Walger-Demolsky erzählt hat, auch Blödsinn, weil das von uns längst – effizient – umgesetzt wird.

Was man auf der anderen Seite nicht machen kann – an die Adresse der Grünen –, ist, dass, wenn wir einen entsprechenden Stufenplan haben und Zentrale Ausländerbehörden etablieren, die dafür sorgen, dass das Management effizienter wird, die Grünen dann dafür sorgen, dass wir die ZAB in Münster nicht errichten können, und anschließend behaupten, wir würden die Kommunen im Stich lassen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist wirklich verlogen. Ich finde das nicht in Ordnung und weise es mit aller Konsequenz zurück. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Kämmerling jetzt noch einmal das Wort.

Stefan Kämmerling (SPD): Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Minister Stamp, wenn Sie fünf Minuten lang Haltungsnoten an Abgeordnete verteilen, dann bekommen Sie von mir auch eine: Das war ein Auftritt, der an Arroganz nun wirklich nicht zu überbieten war.

(Beifall von der SPD und der AfD – Zuruf von Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration – Josef Hovenjürgen [CDU]: Hat denn Herr Kämmerling einen Spiegel zu Hause?)

Ich möchte der CDU und der FDP entgegnen: In Berlin sind die Eckpunkte des Bundeshaushalts vorgestellt worden – wohlgemerkt die Eckpunkte, nicht der Entwurf.

Diese Eckpunkte hat das Kabinett genehmigt. Und wenn das, was in den Eckpunkten steht, Ihnen nicht zugesagt hat, dann frage ich mich, warum die Kanzlerin, die CDU-Minister und natürlich die SPD-Minister im Kabinett zugestimmt haben. Wenn Sie die Antwort wissen, dann ist es ja wunderbar. Ich weiß sie nicht. Wenn es die CDU-Minister im Bund nicht aufgehalten haben, dann nehme ich an, dass die Bundestagsabgeordneten der CDU-Fraktion das tun werden.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Stefan Kämmerling (SPD): Diesen Bundeshaushalt gestaltet ja nicht der Bundesminister der Finanzen Herr Scholz, sondern immer noch der Haushaltsgesetzgeber, der Deutsche Bundestag.

Von daher schaue ich gespannt auf Ihre Änderungsanträge im Deutschen Bundestag, wenn der Haushalt dort beraten wird. – Vielen Dank.

(Daniel Sieveke [CDU]: Und wir auf Ihre!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kämmerling. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Mostofizadeh noch einmal das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Stamp, es ist eine relativ einfache Rechnung. Ich habe schriftlich von Ihrem Ministerium vorliegen, dass die Landesregierung weit über eineinhalb Milliarden Euro weniger für die Unterbringung von Geflüchteten im Landeshaushalt ausgeben muss als 2016.

Deswegen sind es nicht 500 Millionen Euro mehr als unter Rot-Grün, sondern eine Milliarde Euro weniger, die diese Landesregierung für Geflüchtete an die Kommunen weiterleitet.

(Daniel Sieveke [CDU]: Das hängt damit nicht zusammen!)

Und Sie haben im Haushalt null Euro für die Umsetzung des FlüAG stehen. Diese Landesregierung hält ihre Versprechen nicht ein, sie macht keine Ansage und der Gesetzentwurf steht aus.

(Stefan Kämmerling [SPD]: So ist das! Recht hat er! – Gegenruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Insofern: Schlechte Zeiten für die Kommunen!

Kollege Hovenjürgen, wenn Ihre Bundesregierung mit der Kanzlerin Merkel sich auch noch durchsetzt, …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): … dann wird nicht nur das Land, sondern Bund und Land mit CDU an der Spitze werden die Kommunen im Regen stehen lassen. Das ist es, was wir heute gelernt haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Daniel Sieveke [CDU]: Unglaublich!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, was mit Blick auf die Redezeiten eigentlich auch nicht möglich ist. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/5223 an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen – federführend – sowie an den Integrationsausschuss; die abschließende Aussprache und Abstimmung sollen im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Stimmt jemand gegen die Überweisung? – Möchte sich jemand enthalten? – Beides war nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf:

14 Regionale Vermarktung in Nordrhein-Westfalen fördern und Akzeptanz für die bäuerliche Landwirtschaft schaffen

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/5359

Ich eröffne die Aussprache. – Als erster Redner hat Herr Dr. Blex für die antragstellende Fraktion der AfD das Wort.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Antrag der AfD-Fraktion wollen wir erstmals in dieser Legislaturperiode über die Bedeutung von regional erzeugten Lebensmitteln sprechen.

Aktuelle Umfragen zeigen deutlich, dass ein Umdenken in der bisherigen Förderpolitik notwendig ist. Regioprodukte haben Bioprodukten in den Ernährungstrends nämlich längst den Rang abgelaufen. Immer mehr Deutsche entscheiden sich im Supermarkt bewusst für deutsche Karotten aus der Region statt für Biokarotten aus der Levante.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Haben die auch einen Pass?)

Geht man nach den Umfragen, sind regional angebaute Lebensmittel nämlich frischer, nährstoffreicher und geschmacklich reichhaltiger als herkömmliche Biolebensmittel. Für ein hochwertiges Produkt, mit dem auch noch die heimische Landwirtschaft unterstützt wird, sind die Deutschen auch gerne bereit, etwas mehr zu bezahlen.

Dass Sie von den Grünen so ganz flegelhaft reinrufen, ist ganz klar; denn es geht um die deutsche Landwirtschaft. Ich kann das aus Ihrer Sicht verstehen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Heul doch!)

Die giftgrünen Deutschlandhasser verbreiten nämlich weiterhin das Märchen, nur Ökoprodukte seien hochwertige Lebensmittel. Das ist, wie so oft bei Ihnen, zwar wissenschaftlich nicht haltbar, reichte bislang aber vielen beschwatzten Kunden als Kaufgrund. Die Deutschen haben im letzten Jahr über 10 Milliarden Euro für Biolebensmittel ausgegeben – ein neuer Rekord.

Doch wenn nicht regional produziert wird, dann müssen die Biolebensmittel irgendwo anders herkommen. Ich sage Ihnen, woher die sogenannten Biotomaten, Biogurken und Biopaprika in unseren Regalen stammen:

90 % des gesamten Bioanbaus für Europa kommen aus Andalusien. Auf einer wahnsinnigen Fläche von 36.000 ha befindet sich dort ein Meer aus Plastik. In diesem Mar de Plastico zerstört die Bioindustrie mithilfe von EU-Subventionen die biologische Vielfalt und die Natur. Früher war dort nämlich mal ein Naturpark. Heute steht die Fläche für erschöpfte Grundwasservorräte, belastetes Grundwasser und Plastikeinträge ins Mittelmeer.

Das ist grüne Politik, meine Damen und Herren: In Deutschland mit Ökomoralismus die Wirtschaft schwächen und dabei im fernen Ausland die Umwelt zerstören – wie bei der Produktion von Elektroautos. Umfragen zeigen zum Glück, dass viele Deutsche langsam aufwachen. Sie erkennen, dass es Zeit für eine konservative, rationale Wende ist.

Zur DNA der EU gehört eine überbordende Bürokratie – auch beim Bioanbau. Wenn ich mit Landwirten vor Ort spreche, dann klagen viele von ihnen, dass sie überhaupt keine Zeit dafür haben, sich neben der Arbeit noch mit den umfangreichen Auflagen für einen Hofladen zu beschäftigen. Wenn sie nicht höllisch aufpassen, stehen sie beim Verkauf von Rohmilch nämlich mit einem Bein im Gefängnis. Es wird daher auch Zeit für einen „Biokratie“-Abbau.

Aber damit stoßen die Betroffenen wohl erneut auf taube Ohren. Die Laschet-Koalition hat bisher jedenfalls nichts für die normalen Landwirte getan. Stattdessen spielt sie Bittsteller bei der EU. Das ELER-Landesprogramm, das 2020 ausläuft, wollen Sie fortsetzen, um weiterhin Geld von der EU abzugreifen. Sie hängen am Tropf der EU und finden das auch noch klasse. Das ist das komplette Gegenteil dessen, was eine souveräne Nation tun sollte.

Werte Kollegen, die Europäische Gemeinschaft war ursprünglich als eine Art Obstschale gedacht. Jede Nation konnte ihren Apfel, ihre Banane oder ihre Birne dazulegen; ihre Eigenständigkeit blieb jedoch erhalten. Sie machen aus der EU einen linksgrünen, unappetitlichen Einheitsbrei.

Ich sage es erneut: Es ist nicht ersichtlich, weshalb die EU die Region besser verstehen können sollte als der Nationalstaat. Wir werden uns daher weiterhin für unsere Landwirte einsetzen. Tun Sie das auch mal: Stimmen Sie unserem Antrag zu! – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Blex. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Dr. Peill.

Dr. Patricia Peill (CDU): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich wirklich, dass wir heute einmal ausführlich über das Thema „regionale Vermarktung“ sprechen können. Herr Blex, ich war sehr verwundert, dass Sie so wenig darüber sprachen, wo doch Ihr Antrag davon handelt.

(Beifall von der CDU und Norwich Rüße [GRÜNE] – Zuruf von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Es ist ein wichtiges Thema, und wie alle aus dem Ausschuss wissen, werden wir eine ganze Reise diesem Thema widmen.

Für die Landwirte in NRW hat die Direktvermarktung eine stetig steigende Bedeutung und für die Kunden ebenfalls. Das ist gut so.

Zu Ihrem Antrag kann ich daher sagen: Der Trend zur regionalen Vermarktung wurde gut recherchiert. Das gilt aber nicht für die Fakten zu dem, was das Land NRW an Förderungen für die regionale Vermarktung bereits leistet.

In der Praxis begegnet uns überall regionale Direktvermarktung, und zwar in ganz vielen Formen, die wir alle kennen. Das hat zwei Gründe. Der erste Grund ist der Landwirt selbst, der mit seiner unternehmerischen Initiative, mit transparenten Produktionsabläufen und mit viel Herzblut in seinen Betrieb investiert, um für uns alle gute Produkte herzustellen. Es ist wichtig, dass das mal gesagt wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zweitens gibt es eine bereits seit Jahren bestehende Unterstützung und Förderung durch die Landwirtschaftskammer, den LANUV und die EU. Im Einzelnen sind dies folgende Förderungen.

Die Landwirtschaftskammer unterstützt mit dem Portal „Landservice“ nicht nur, wie Sie im Antrag schreiben, Bürger, sondern ganz speziell Höfe und Hofläden bzw. Direktformate mit ganz detaillierten Fachinformationen. Sie bietet genau den praktikablen Einsteigerleitfaden, den Sie in Ihrem Antrag fordern.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: So ist es! Alles schon gehabt!)

Es wäre gut gewesen, wenn Sie diesen Leitfaden des Portals „Landservice“ gelesen hätten.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Zudem umfasst die regionale Vermarktung nicht nur Hofläden. Es werden auch regionale Anbieter beraten, die ihre Produkte in großen Supermärkten vertreiben, oder Landwirte, die bei großen Schulessensprogrammen mitwirken – und zwar sowohl regional als auch saisonal. Auch hier haben wir die regionale Vermarktung also total im Blick, und sie wird als extrem wichtig angesehen.

Unsere Landwirte – Sie schreiben „bäuerliche Landwirtschaft“ – sind nämlich meist höchst aktive, sehr unternehmerische Familienbetriebe. Sie tragen eine hohe Verantwortung für den Erhalt der Kulturlandschaften und für die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln. Sie schaffen Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten im ländlichen Raum. Deshalb sind sie uns sehr wichtig.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Aus diesen Gründen sind sie auch in einem Landwirtschaftsministerium verortet und nicht, wie Sie fordern, in Programmen des Heimatministeriums.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Au!)

Zurück zum Antrag. Während die Landwirtschaftskammer in direkter Verbindung zu den Landwirten steht, fördert das LANUV mit einem breiten Bündel an Maßnahmen und mit Marketing für die Regionalvermarktung landwirtschaftliche Produkte.

Herr Keith, Sie erinnern sich sicherlich daran, dass wir bei der Grünen Woche mit Herrn Sons durch die NRW-Halle gegangen sind, der uns alles begeistert gezeigt hat. Und wir haben erfahren: „So schmeckt Heimat“; „Das is(s)t NRW“. Die Vermarkter waren begeistert, die Kunden waren begeistert, wir waren begeistert. Ich weiß nicht, worüber Sie reden, wenn Sie sagen, dass es seitens des LANUV kein Marketing gibt. Da gab es eine ganz tolle Marketingleistung des LANUV.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und der FDP)

Sie fordern dann noch Möglichkeiten für einen Automaten-Direktvertrieb. Auch hier muss ich sagen: Da hat Sie die Zeit leider überholt. Es gibt bereits die sogenannten Regiomaten, die auch von der Landwirtschaftskammer gefördert werden.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Mein letzter Punkt – das ist ja immer ein wichtiger – ist: Viele Maßnahmen werden aus dem NRW-Programm „Ländlicher Raum“ finanziert. Es sind ELER-Mittel der EU, die die regionale Vermarktung und Wertschöpfung unterstützen. Dabei handelt es sich nicht um Mittel, die – wie Sie schreiben – das Vertrauen in die EU erkaufen, sondern um Mittel, die alle ländlichen Räume verbinden, stärken und zu einem ganz großen, bunten, europäischen Mosaik zusammenfügen. Das ist Europa.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Sie schaffen es, selbst mit einem Antrag zur Förderung der regionalen Vermarktung einen Antrag gegen Europa zu verbinden. Ich finde das einfach traurig, und das kann man so nicht stehen lassen.

(Beifall von der CDU, Angela Freimuth [FDP] und Regina Kopp-Herr [SPD])

Die gemeinsame Agrarpolitik in der EU gehört seit jeher zu den wichtigsten Aufgabenfeldern der europäischen Politik und unterliegt einer permanenten Anpassung – wie man an der neuen GAP-Reform sieht. Auch da wird der Einfluss der Länder größer.

Zum Ende Ihres Antrags fordern Sie noch die Renationalisierung der EU-Politik.

Wir stehen zu den europäischen Direktzahlungen an unsere Landwirte; denn wir profitieren davon alle durch erstens einheitliche Qualitätsstandards, zweitens geschützte Herkunftsangaben und drittens – ein ganz wichtiger Punkt – einheitliche Markt- und Wettbewerbsbedingungen.

Vor vier Wochen haben wir hier die Diskussion über den Zucker geführt, bei der wir gemerkt haben, dass es bei unseren Landwirten Wettbewerbsverzerrungen gibt, weil jedes Land sein eigenes Süppchen kochen kann. Sie fordern das jetzt für die regionale Vermarktung. Dazu kann man nur sagen: Das funktioniert nicht.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dr. Patricia Peill (CDU): Sie schwächen damit nicht nur unsere Landwirte, sondern die regionale Vermarktung und den ländlichen Raum. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. – Danke.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Dr. Peill. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Watermann-Krass.

Annette Watermann-Krass (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie alle wissen, ist die regionale Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte genau mein Thema; das finde ich im Prinzip gut und auch förderwürdig. Insofern: Wenn ich nur Ihre Überschrift lese, Herr Blex, könnte das natürlich meine Zustimmung bekommen.

In dieser Hinsicht greift die AfD-Fraktion ein brandaktuelles Thema auf. Ich war gestern noch auf einer Tagung der Regionalbewegung NRW. Aber Sie, Herr Blex – das muss ich sagen –, schaffen es wieder einmal, einer wichtigen Angelegenheit einen negativen Stempel aufzudrücken.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Ah!)

Ich sage mal kurz, welche Punkte mir wirklich aufstoßen.

Erstens. Ihre Sicht ist total beschränkt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Marlies Stotz [SPD]: Nicht nur an dieser Stelle! – Dr. Christian Blex [AfD]: Ah!)

Regionale Vermarktung bedeutet bei Weitem nicht nur Direktvertrieb über Hofläden. Ihre eingeschränkte Denkweise grenzt an romantische Verklärung. Wir kennen noch eine Vielzahl weiterer Vermarktungswege und Initiativen, die regionale Produkte effektiv auf den regionalen Markt bringen können; zum Beispiel Erzeugergemeinschaften. Oder beschäftigen Sie sich mal mit Ernährungsräten, die sich dem Thema widmen, wie wir das mit der regionalen Ernährung hinkriegen.

Zweitens. Sie stellen regional gegen bio. Der Konsum von Bioprodukten hat noch immer einen Zuwachs im zweistelligen Bereich, aber in der Regionalbewegung wird regional und bio nicht gegeneinander ausgespielt.

Drittens. Ihre Forderungen sind abstrus. Sie fordern Bürokratieabbau und nennen als Beispiele die Regeln im Gewerberecht, Steuerrecht, Handwerksrecht, bei den Öffnungszeiten, im Baurecht, im Lebensmittelrecht, bei der Produkthaftung, der Verpackungsverordnung, den Vorschriften zur Lebensmittelhygiene und im Tierrecht. Dazu kann man nur den Kopf schütteln, Herr Blex.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Solch ein Unsinn hilft den Erzeugern nicht, sondern führt uns geradewegs zurück ins Mittelalter und in eine chaotische Marktsituation.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Viertens. Ihre Ansichten zur EU: Das ist absolut EU-feindlich. Sie fordern wieder einmal die Rückkehr zu mehr Nationalstaatlichkeit und weniger EU-Agrar-politik.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Das stimmt! Genau, ja!)

Dabei vergessen Sie, dass es gerade die EU ist, die Richtlinien und Vorschriften in Bezug auf die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit, der Lebensmittelqualität und der Umweltbedingungen eingeführt hat.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Es ist doch die EU, die mit der Verordnung zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel eine effektive Stärkung und Sicherung regionaler Produkte herbeigeführt hat. Nur deswegen gibt es diese Regionalbezeichnungen, die auch auf EU-Ebene gültig sind.

Insgesamt halte ich Ihren Antrag für wenig hilfreich, ziemlich versponnen und realitätsfern. Sie wollen zurück zur eigenen Scholle, weg vom globalen Markt, finden die EU überflüssig,

(Dr. Christian Blex [AfD]: Ja!)

mögen keine Regeln und wünschen sich insgesamt eine schöne neue Welt mit blühenden Landschaften auf heimatlichem Boden.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Wenn wir die regionalen Wertschöpfungsketten stärken und ausbauen wollen, müssen wir andere, realistischere Wege gehen. Zukunftsorientierte Agrarpolitik sieht anders aus. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Watermann-Krass. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Haupt.

Stephan Haupt (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Freien Demokraten begrüßen ausdrücklich, dass sich der Trend hin zu regionalen Lebensmitteln und der direkten Vermarktung weiter fortsetzt.

Für Kunden und Endverbraucher ermöglicht der Einkauf beim Direktvermarkter eine umfassende Information über die Produkte, und zwar direkt vom Hersteller. Die kurzen Wege leisten nicht nur einen großen Beitrag zum Klimaschutz und dem bewussten Konsum von Lebensmitteln, sondern auch einen Beitrag zur Einkommensverbesserung der Landwirte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der hier vorliegende Antrag erweckt aber den Eindruck, als bräuchten die Landwirte Nachhilfeunterricht von Landesseite in Sachen Direktvermarktung. Das Gegenteil aber ist der Fall. Die Landwirte brauchen keine staatliche Marketingagentur, sondern haben sich längst in einem Verband, der alle Fragen zur Direktvermarktung zielgenau klärt, zusammengeschlossen. Diese Informationen gibt es sogar stets aktuell als App.

Auch die Landwirtschaftskammern verfügen über ein umfangreiches Informationsangebot, und die von der AfD geforderten Leitfäden existieren dort bereits seit Langem.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Gleiches gilt im Übrigen auch für die regionalen Erzeuger. Hier haben sich Landwirte und Lebensmittelhersteller aus Nordrhein-Westfalen zu landesweiten Initiativen zusammengeschlossen, um Produkte aus der Region zu vermarkten. Zu nennen wären die Marken „Gutes vom Niederrhein“, „Regionale Landwirtschaft Münsterland“, „Lippequalität“ und andere. Das Land NRW fördert diese Maßnahmen auch entsprechend.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag erweckt den Anschein, als ob es unsere Landwirte und Unternehmen ohne Hilfe der Politik nicht hinbekämen, ihre Produkte selbst zu vermarkten. Dass sie diese Hilfe nicht brauchen, haben die Landwirte durch ihr Handeln längst bewiesen. Auch die anderen im Antrag genannten Punkte, wie der praktikable Leitfaden oder die Marketinggesellschaft, sind längst vorhanden.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Genau!)

Dazu brauchen unsere Landwirte keine Politiker, keine Ministerialbeamten und schon gar keinen Antrag der AfD.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Liebe Kollegen der AfD, wirklich nichts, was in diesem Antrag steht, hilft in der Sache weiter. Aber das wissen Sie auch ganz genau, und darum wollen Sie diesen Antrag überhaupt nicht im Fachausschuss beraten und diskutieren, sondern heute direkt über ihn abstimmen lassen.

(Zuruf: Mal wieder!)

Die wahre Intention hinter Ihrem Antrag zielt nämlich gar nicht auf eine Unterstützung der heimischen Landwirte ab, sie richtet sich vielmehr gegen die EU. Sie möchten einfach erneut Ihre Ablehnung der EU deutlich machen und billigen Wahlkampf betreiben. Dazu missbrauchen Sie die Probleme unserer Landwirtschaft. An Problemlösungsansätzen sind Sie jedenfalls nicht ernsthaft interessiert, wie dieser Antrag zeigt. Darum lehnen wir ihn ab.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Haupt. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Rüße.

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner von CDU, SPD und FDP haben eigentlich alles zur Qualität des Antrags gesagt, was man dazu sagen muss. Er ist in der Tat unterirdisch. Herr Blex, eigentlich haben Sie mit Ihrem Antrag nur nachgewiesen, dass Sie von den Themen „Landwirtschaft“ und „Vermarktung“ keine Ahnung haben.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Sie haben schlichtweg versäumt, was alles in den letzten Jahren passiert ist und nicht zur Kenntnis genommen, was das Land alles bereits macht. Da hätte ein bisschen Recherche geholfen. Man setzt sich an den Computer und googelt, und so bekommt man alles mit. Dann hätten Sie festgestellt, dass dieser Antrag so peinlich ist, dass man ihn besser nicht stellt.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Ein Satz zur Abwägung zwischen Regionalität und Bio. In Wirklichkeit geht es Ihnen um die Abwertung von Ökolandbau. Das ist bei Ihnen ein zentrales Thema. Sie haben es sogar selbst gesagt: Der Ökomarkt hat einen Umsatz in Höhe von 11 Milliarden Euro. Um die Jahrtausendwende waren wir bei 1 Milliarde Euro. Es gibt kein anderes Segment im Lebensmittelbereich, das so stark wächst. Unsere Landwirtschaft wäre wirklich mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie diese Chance nicht ergreifen würde.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Blex, ich sage Ihnen Folgendes, damit Sie die Relationen vielleicht verstehen: Es geht längst nicht mehr um eine Nische. Fahren Sie mal zur BIOFACH nach Nürnberg und schauen Sie sich diese Messe an!

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir in Deutschland ungefähr 30.000 Ökobetriebe haben. Das sind Bäuerinnen und Bauern, die davon leben. Ich finde es nicht in Ordnung, wie Sie das immer abwerten.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Störfeuer!)

Um die Relationen herzustellen: Wir haben in Deutschland noch etwa 22.000 Schweinemäster. Gar keine Frage: Um die müssen wir uns auch kümmern. Ökolandbau ist aber ein wachsendes Segment, und wir tun gut daran, es nicht so zu diffamieren, wie Sie es mit Ihrem Antrag versucht haben.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Natürlich besteht im Ökobereich das Problem der Importe. Das ist doch gar keine Frage. Wir müssen die Kriterien für Regionalität und ökologischen Landbau teilweise zusammenbringen. Regionalität nur als Begriff ist zu wenig. Dahinter muss auch Qualität stecken. Das muss gefüllt werden.

Ich frage mich schon – wir haben es in NRW immer wieder diskutiert –, was ein „Westfälischer Knochenschinken“ als regionales Produkt tatsächlich wert ist, wenn das Ferkel aus Dänemark kommt, Soja aus Argentinien, Gerste aus der Ukraine, und die Scheiße wird am Ende nach Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt gefahren. Bei so einem Produkt ist die Definition schon schwierig. Da fehlt uns etwas bei der regionalen Vermarktung. Das müssen wir noch mal ausdifferenzieren, das müssen wir angehen.

Ihr Antrag aber bringt uns kein Stück weiter. Er ist so rückwärtsgewandt, dass wir ihn gerne und von Herzen ablehnen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Annette Watermann-Krass [SPD])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Heinen-Esser.

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dem Antrag ist eigentlich schon alles gesagt worden, was gesagt werden muss. Ich möchte gleich noch ein paar weitere Hinweise dazu geben. Nutzen wir aber die Chance, und sprechen wir noch einmal über Themen aus der Landwirtschaft, über regionale Produkte und Bioprodukte etc.

Frische, Qualität und Geschmack spielen bei der Kaufentscheidung für regionale Produkte eine ganz wichtige Rolle. Aber welche Faktoren stehen dahinter? Dabei spielen der Wunsch nach Tradition und Vertrautheit, der direkte Bezug zum Lebensmittel, das Wissen, woher es kommt, und auch ethische Gründe wie Fairness, Tierwohl und der Wunsch nach Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle.

Wir müssen zu einem gemeinsamen Selbstverständnis von Wirtschaft, Handel und Verbrauchern kommen, dass Lebensmittel ihren Preis wert sind.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

– Danke. – Meine Damen und Herren, nur so kann sichergestellt werden, dass die Landwirtinnen und Landwirte mit ihrem Einkommen auskommen und all die zusätzlichen Leistungen – Umwelt- und Tierschutzleistungen –, die wir ihnen abverlangen und aufgrund derer wir regionale Produkte kaufen, honoriert werden.

Der Preis ist für viele Verbraucher nicht mehr das wichtigste Kaufargument. Mittlerweile sind die Verbraucherinnen und Verbraucher bereit, für hochwertige Erzeugnisse aus der Region mehr und angemessen zu bezahlen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Nicht alle!)

Das haben viele aktuelle Erhebungen gezeigt. Wir hoffen natürlich, dass dieser Trend neue Chancen für neue Absatzwege der Landwirtschaft aufzeigt und die Land- und Ernährungswirtschaft stärkt; denn der Kauf regionaler Produkte stärkt auch die Region, erhält eine intakte Infrastruktur mit Lebensmitteln und sichert Arbeitsplätze auch fernab der industriellen Ballungsräume.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung tut viel für die Regionalvermarktung. Seit über 20 Jahren unterstützt sie Verbraucherinformationen und gemeinschaftliche Werbeaktionen für regionale Produkte. Grundidee der Regionalvermarktung – darauf habe ich soeben schon hingewiesen; Patrica Peill hat es gesagt; fast alle meine Vorredner haben es gesagt – ist die Steigerung der Wertschöpfung in der Region, der Erhalt von Arbeitsplätzen, eine Aufrechterhaltung der Nahversorgung mit Lebensmitteldienstleistungen und Kultur und damit auch der Erhalt eines wertvollen, weitverbreiteten Kulturraums.

Wir unterstützen die Agrar- und Ernährungswirtschaft ideell und finanziell. Sie hat bei uns in Nordrhein-Westfalen eine ganz herausragende Bedeutung. Sie ist geprägt durch viele leistungsfähige Unternehmen, und sie kann auf eine leistungsstarke und hochproduktive Landwirtschaft zurückgreifen.

Mittlerweile sind viele Projekte entstanden. Es gibt Regionalvermarktungsinitiativen wie die „Spargelstrasse NRW“, die „KäseRoute NRW“, das „Schinkenland Westfalen“ – tatsächlich, Kollegen aus Westfalen –, „mein-ei.nrw“ und viele Projekte mehr. Wir haben bei uns im Haus ein ganzes Referat, das sich mit diesen Fragen beschäftigt. Ich begrüße hier auch ganz herzlich die Referatsleiterin.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Ministerin, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Frau Walger-Demolsky hat den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Nein, ich lasse jetzt keine Zwischenfrage mehr zu. Ich bitte um Entschuldigung und um Nachsicht.

(Zurufe von der AfD)

Wir haben also ein ganzes Referat, das sich mit diesen Fragen beschäftigt, und das schon seit einer sehr, sehr langen Zeit. Nordrhein-Westfalen hat inzwischen 15 bei der EU registrierte Produkte. Spezialitäten stehen für Genuss und Heimatgefühl, sie repräsentieren die Vielfältigkeit und Leistungsstärke der Regionen.

Die Landwirtschaftskammer ist aktiv. Ich habe die Broschüre dort liegen gelassen. Vielleicht könnte mein Kollege Holthoff-Pförtner die kleine Broschüre kurz hochhalten, wenn die Frau Präsidentin einverstanden ist.

(Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales, geht ans Pult und überreicht der Rednerin die Broschüre.)

– Genau die.

(Allgemeiner Beifall – Zurufe: Oi! – Weitere Zurufe)

Die Landwirtschaftskammer ist sehr aktiv in diesem Bereich. Ich empfehle Ihnen, sich solche Broschüren einmal anzuschauen,

(Die Rednerin hält die Broschüre hoch.)

damit Sie wissen, was tatsächlich alles von nordrhein-westfälischen Äckern stammt. – In diesem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. Wahrscheinlich haben Sie es gerade nicht bemerkt, aber es gab die Anmeldung einer Kurzintervention. Sie dürfen sie gern von Ihrem Platz aus beantworten – wie Sie mögen. Ich wollte Sie dadurch nicht ans Rednerpult zurückholen, sondern Sie nur darauf aufmerksam machen.

Frau Walger-Demolsky hat sich gemeldet. Ihr Mikro ist frei, Frau Kollegin.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Es ist auch nichts Böses. – Ich habe einige Jahre im Elsass gearbeitet. Das Elsass vermarktet regionale Produkte mit einem Storch. Diesen Storch bekommen Produkte, die im Elsass hergestellt werden. Das müssen nicht nur landwirtschaftliche Produkte sein; das können auch kleinindustrielle Produkte oder sonst was sein.

Das Elsass hat damit eine Vermarktung forciert, die kurze Wege fährt; denn das ist es, was ökologisch sinnvoll ist: dass man Produkte kauft, die keine lange Anreise haben. Natürlich ist das auch ein bisschen Eigenwerbung.

Wäre so etwas nicht auch für Nordrhein-Westfalen denkbar? Ich bin ein Stadtkind, mitten aus Bochum. Ich komme nicht in eine landwirtschaftliche Gegend, in der ich alle naselang bei einem Direktvermarkter kaufen kann. Und ich freue mich immer, wenn ich zu REWE gehe und die Milch mit dem kleinen Etikett sehe, das signalisiert – aber das macht der Verkäufer selbst –, dass das Produkt regional ist. Das kaufe ich auch. Es steht noch drauf, dass das 5 Cent mehr kostet. Wäre ein solches Etikett für nordrhein-westfälische Produkte denkbar?

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herzlichen Dank für die Frage und auch für den Hinweis auf das Elsass. Die Franzosen haben in der Tat eine ganze Menge regionaler Direktvermarktungsinitiativen.

Wir gehen faktisch einen ähnlichen Weg, indem wir beispielsweise „mein-ei.nrw“ entwickelt haben. Das wird auch mit Logos begleitet. Wir haben die Produkte entsprechend gekennzeichnet. Aber so etwas können wir gern noch einmal mit in die Diskussion nehmen. – Danke schön.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende der Aussprache zu Tagesordnungspunkt 14.

Wir kommen zur Abstimmung.  Die antragstellende Fraktion der AfD hat direkte Abstimmung beantragt. Die führen wir jetzt durch, und zwar über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/5359. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es jemanden, der sich im Moment enthalten möchte? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 17/5359 der AfD abgelehnt.

Ich rufe auf:

15 Sport in NRW auch europäisch denken – Erasmus+ und die Europäische Woche des Sports mit Leben füllen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/5377

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Herr Kollege Kossiski das Wort.

Andreas Kossiski (SPD): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hat Herr Minister Holthoff eben einen Teil meiner Rede vorweggenommen. Durch das Hierherkommen und das Zurückgehen haben Sie sich in Bewegung gebracht und etwas für den Sport getan. Das ist also ein guter Ansatz. Wir wollen mal sehen, ob wir das auch gemeinsam weiterführen.

(Zuruf von Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales)

Gestatten Sie mir zu Beginn einen kurzen Rückblick in das Jahr 1970. 1970 wurde im deutschen Sport die Trimm-dich-Bewegung aus der Taufe gehoben. Mehr als zwei Jahrzehnte war der Slogan „Trimm dich durch Sport“ Anspruch und Ansporn, sich mehr zu bewegen. Über 8 Millionen Menschen folgten begeistert dieser Aufforderung. Sportvereine verdanken dieser Trimm-dich-Bewegung einen enormen Mitgliederzuwachs. Mehr und mehr Menschen fanden Freude daran, in ihrer Freizeit sportlich aktiv zu sein. Der damalige Deutsche Sportbund entwickelte innovative Trimm-dich-Programme, die die Sportvereine und -verbände an der Basis umsetzten. Städte und Kommunen, Politik und Medien, viele Unternehmen und Prominente waren von der Faszination „Trimm dich“ infiziert.

Viele der Trimm-dich-Pfade sind mittlerweile marode oder in Vergessenheit geraten. Aber die Idee „Bewegung für alle“ hat überlebt und spielt in unserem sonst so bewegungsarmen Alltag eine wichtige Rolle. Fahrradfahren, Joggen und Walken bilden mit vielen weiteren Sportarten den Bereich des selbstorganisierten Sports. Aktuelle Studienergebnisse besagen, dass der selbstorganisierte Sport die häufigste Form der Sportausübung der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland darstellt.

Gründungsvater der Trimm-dich-Bewegung war der Solinger Jürgen Palm, Referent für Breitensport beim DSB und Mitbegründer sowie erster Präsident des Breitensportweltverbandes TAFISA. Diese TAFISA vergibt den Jürgen-Palm-Award für besonderes Engagement im Breitensport. Aktuell wurde der EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Sport mit diesem Preis ausgezeichnet, insbesondere weil er die Europäische Woche des Sports ins Leben rief und für eine Erhöhung des Budgets für Sportaktivitäten innerhalb des Programms „Erasmus+“ sorgte.

Schauen wir uns die sportpolitischen Bemühungen der EU-Kommission genauer an. Vom 23. September bis zum 30. September dieses Jahres findet unter dem Motto „It’s time to #BeActive!“ die Europäische Woche des Sports statt. Sie wurde 2015 von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen und soll genau wie die Trimm-dich-Bewegung dem Bewegungsmangel der Europäerinnen und Europäer entgegenwirken. Die Europäische Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, die Bevölkerung über das öffentliche Bewusstsein zu sensibilisieren und damit zu einem Umdenken in ihrem Verhalten zu bringen.

Seit 2016 koordiniert der Deutsche Turner-Bund die Europäische Woche des Sports in Deutschland und sucht Partner und Partnerinnen zur Umsetzung von sportlichen Aktivitäten.

Ich erwarte von der Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen, gemeinsam mit uns den Deutschen Turner-Bund bei der diesjährigen Europäischen Woche des Sports zu unterstützen, um Nordrhein-Westfalen zusammen mit ganz Europa in Bewegung zu bringen.

Zudem gibt es das Erasmus+-Förderprogramm, welches in Form von studentischen Austauschprogrammen seit Jahren für grenzübergreifende Begegnungen sorgt.

Seit der Förderperiode 2014 bis 2020 ist Erasmus+ schwerpunktmäßig auch auf den Breitensport ausgerichtet. Erasmus+ Sport soll dabei helfen, die europäische Dimension des Sports zu entfalten und die Zusammenarbeit zwischen Sportverbänden, Behörden und anderen Interessenträgern zu stärken. Programmschwerpunkte sind hier gesundheitsförderliche körperliche Betätigung, Bekämpfung von Doping, soziale Eingliederung, Integration und Gleichberechtigung, Bekämpfung von Rassismus, Gewalt bei Sportveranstaltungen und duale Karriere von Sportlern – alles Themen, die auch für Nordrhein-Westfalen relevant sind.

Die europäischen Institutionen diskutieren derzeit eine drastische Erhöhung der Mittel für Erasmus+. Der Exekutivvorschlag der Kommission sieht eine Verdoppelung der Mittel und eine Verdreifachung der Geförderten vor. Im Parlament wird sogar dafür plädiert, auch die Mittel zu verdreifachen. Fördermittel stehen also zur Verfügung. Nordrhein-Westfalen muss aber dazu beitragen, dass seine Athletinnen und Athleten, Funktionäre und Verbände von diesen Mitteln profitieren.

In Brüssel hat man erkannt, dass der Sport eine europäische Dimension und Europa eine sportliche Dimension braucht, dass Sport ein wichtiges Werkzeug für den europäischen Zusammenhalt darstellt. Das Land NRW sollte diese Dimension wahrnehmen und aktiv unterstützen. Sport verbindet über Grenzen hinweg. Sport schafft Zusammenhalt. Sport vermittelt Werte wie Fairness, Respekt und Hilfsbereitschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind uns hoffentlich einig, dass die Werte des Sports in Zeiten von Brexit und wiederkehrendem Nationalismus Grundlage unseres europäischen Zusammenlebens sind und der Sport ein wichtiges Element darstellt, um ein vereintes Europa zu stärken.

Ich freue mich aus diesem Grunde auf eine gemeinsame Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kossiski. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Voge.

Marco Voge (CDU): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zugeben, dass ich über den Antrag ein wenig verwundert war. Es scheint zurzeit – wenn ich mir die Anträge von der SPD-Fraktion in dieser Woche anschaue – europäische Woche in der SPD zu sein.

Der Deutsche Turner-Bund fällt in die bundespolitische Zuständigkeit. Ich erkenne da nicht die Zuständigkeit hier bei uns auf Landesebene. Das ist mir auch durch die vorherige Rede nicht wirklich klar geworden.

Kommen wir zum Erasmus+-Programm. Das möchten Sie unbedingt – so habe ich es gelesen – auf die NRW-Ebene herunterbrechen. Ein Blick zurück sollte vielleicht ein wenig helfen – das sollte Ihnen auch bekannt sein –, um die Situation ein wenig klarer zu gestalten.

Erasmus+ bedeutet hohe Fördersummen und einen hohen Anteil. Daher gibt es geringe Aktivitäten – das werden Sie sicher gesehen haben –, was bisher in Nordrhein-Westfalen ankommt. Die Ehrenamtsstrukturen können das wahrscheinlich schwierig stemmen. Gleichzeitig wird es an den Unis ja gemacht. Das dürfte Ihnen bekannt sein.

Darüber hinaus bergen die bürokratischen Hürden große Risiken auch bei der Abrechnung. Die Erfolgsquoten – ich habe mir die Zahlen angeschaut – sind dadurch sehr gering, was auch, glaube ich, ein bisschen mit der Vernetzung zu tun hat.

Meine Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nicht alle Wohltaten abfeiern, die wir in den letzten Wochen und Monaten dieser Legislaturperiode schon umgesetzt haben, aber doch einige nennen:

Erstens. Zielvereinbarung Sportland NRW mit 42,2 Millionen Euro für die Sportförderziele. Das ist ein Plus von 7,8 Millionen Euro.

Zweitens. Wir haben eine Taskforce eingesetzt, die sich um die Entbürokratisierung im Sport kümmert. Vereinfachungen wurden bereits im Landesprogramm „1.000 mal 1.000“ für die Förderung von Trainern im Leistungssport realisiert.

Drittens. Bis 2022 werden wir mit dem Programm „Moderne Sportstätte“ 300 Millionen Euro zugunsten des Breitensports und der Vereine bereitstellen.

Blicken wir noch ein bisschen über den Tellerrand hinaus: Wir haben dazu eine Bundesratsinitiative für die Erleichterung ehrenamtlicher Tätigkeit auf den Weg gebracht. Dieser Werbeblock sei mir an dieser Stelle gestattet.

Damit schaffen wir die Voraussetzungen dafür, zukünftig Spitzenleistungen hier in Nordrhein-Westfalen überhaupt erst zu ermöglichen, beispielsweise für Europameisterschaften, für die Ruhr Games, für die Länderkämpfe und Weiteres. Zu nennen sind auch die ganzen Trainingsgruppen und Gemeinschaften, die über die Grenzen hinaus bereits bestehen. Das dürfte auch bekannt sein – auch wenn Sie gerade nicht zuhören; so interessant scheint Ihr Antrag dann doch nicht zu sein –: Es finden bereits Hochschulmeisterschaften auf europäischer Ebene statt.

Das will ich alles nicht besonders propagieren, weil es nicht unbedingt immer nur politische Initiativen sind, sondern es sind die Leute, die in unserem Land sportbegeistert sind, die sich sportlich messen wollen. Dafür müssen wir einfach auch mal Danke sagen.

Abschließend möchte ich noch einen Punkt aus dem Antrag zitieren:

„Der Landtag stellt fest: Die europäische Dimension des Sports ist in Nordrhein-Westfalen noch nicht hinreichend verankert.“

Das ist, wie eben schon ausgeführt, schlichtweg falsch.

An dieser Stelle darf man getrost fragen: Gab es denn in der jüngeren Vergangenheit keine Initiativen zu diesem Thema? – Um das Ergebnis vorwegzunehmen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen – ich habe nachgeguckt; die Datenbank ist ja immer sehr ergiebig –: Ich habe dazu in den letzten sieben Jahren keinen einzigen Antrag von Rot und Grün gefunden.

(Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Landesregierung ist nun seit gut anderthalb Jahren im Amt. Es mag vielleicht abgedroschen klingen, aber in dieser recht kurzen Zeit ist uns, meine ich, im Gegensatz zu der rot-grünen Regierungszeit schon wirklich sehr, sehr viel gelungen. Das mag Sie ärgern. Ja, das verstehe ich. Aber wir haben die richtigen Weichenstellungen vorgenommen. Die vielen Rückmeldungen, die wir in der Fraktion aus dem Sport erhalten, sind ein großer Erfolg dieser Landesregierung. Darauf können wir gerade auch mit Blick auf den Sport sehr, sehr stolz sein.

(Beifall von der CDU)

Es freut mich – das darf ich zum Abschluss dann doch versöhnlich sagen –, dass zumindest in der SPD in diesem Bereich schon ein kleiner Erkenntnisgewinn, was man in der Regierungszeit unterlassen hat, eingetreten ist.

(Lachen von der SPD)

– Da brauchen Sie gar nicht zu lachen. Das war ernst gemeint.

Für Europa werben und den Sport unterstützen – ja, sehr gerne.

Mäßig erfolgreiche bürokratische Förderprogramme kurz vor der Wahl – das darf man nicht vergessen – politisch benutzen – nein, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, meine lieben Damen und Herren.

Der Überweisung an den Ausschuss stimmen wir natürlich zu und freuen uns auf die Beratungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Voge. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Terhaag.

Andreas Terhaag (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Sportkollegen der SPD-Fraktion, in der letzten Plenarwoche haben Sie nach Blick in Ihren Terminkalender die „Fridays For Future“-Bewegung entdeckt und daraufhin gleich einen Antrag zu Sport und Umwelt gestellt.

Jetzt haben Sie wieder einen Blick in den Terminkalender geworfen und festgestellt, dass im Mai eine Europawahl stattfindet

(Zuruf von der SPD: Und im September eine Europäische Woche!)

und folgerichtig einen Antrag zu Sport und Europa gestellt.

Ich bin gespannt, welche Anträge es beim nächsten Blick in Ihren Terminkalender gibt: Sport und Fastenzeit, Sport und Sommerferienaktivitäten

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Keine schlechte Idee!)

oder vielleicht auch Sport und Winterspeck.

Zurück zu Ihrem Antrag: Wir diskutieren gerne mit Ihnen

(Vereinzelt Beifall)

und genauso gerne befassen wir uns heute mit der sportpolitischen Dimension der Europäischen Union. Aber leider gelingt Ihnen bei Ihrem Antrag nicht der Spagat zwischen der EU-Ebene und der Zuständigkeit des Landes. Eine Handlungsnotwendigkeit von Landesseite kann ich in Ihrem Antrag nicht erkennen.

Sie arbeiten in Ihren Antrag heraus, dass der Sport in der EU zu einer wichtigen Branche geworden ist, aber in den politischen Leitlinien der EU kaum oder gar nicht auf den Sport Bezug genommen wird. Als einzige Aushängeschilder für den Sport in der EU – so führen Sie weiter aus – dienen die beiden EU-Programme Erasmus+ und die Europäische Woche des Sports, die schon erwähnt wurde.

Im Folgenden beschreiben Sie in Ihrem Antrag fleißig diese beiden Programme, um daraus den misslungenen und nicht nachvollziehbaren Schluss zu ziehen, dass die europäische Dimension des Sports in Nordrhein-Westfalen noch nicht hinreichend verankert ist und nun das Land gefordert sei.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Dieser von Ihnen gezogene Schluss allein ist schon schwer nachvollziehbar. Aber darüber hinaus landen Sie damit auch schon einen echten Treffer – jedoch als Eigentor.

(Zuruf von der SPD)

Denn bereits während Ihrer Regierungszeit sind zum Beispiel die Ruhr Games, das größte Sportfestival für Jugendliche in unserem Land, ins Leben gerufen worden. Dieses Sportevent für den sportlichen Nachwuchs in Europa geht in diesem Jahr bereits in die dritte Runde. Es hat sich somit zu einer festen Säule als europäisches Sportwettkampfereignis entwickelt, das wir vonseiten der NRW-Koalition auch weiterhin befürworten und unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Nordrhein-Westfalen ist mit den benachbarten Beneluxländern zu einem einzigartigen europäischen Lebensraum zusammengewachsen. Die NRW-Koalition hat sich vertraglich darauf festgelegt, diesen Lebensraum noch stärker zu verschmelzen, indem die grenzüberschreitende Zusammenarbeit intensiviert und ausgebaut wird. Davon profitieren mehr als 45 Millionen Menschen.

Sie beklagen in Ihrem Antrag die fehlende europäische Dimension im Breitensport, die aber aus meiner Erfahrung heraus bei den Menschen im grenzüberschreitenden Raum längst stattfindet.

Ich will mal ein Beispiel aus dem Breitensport nennen. Der diesjährige 28. Niederrheinische Radwandertag am 7. Juli für rund 30.000 erwartete Radfahrer findet zwischen Rhein und Maas statt. 80 verschiedene Radtouren zu 64 niederrheinischen und niederländischen Orten werden dabei von den Radfahrern angefahren. Das ist gelebter europäischer Alltag für die Menschen aus meiner Heimat.

Aber nicht nur im Breitensport, auch im Leistungssport praktizieren wir erfolgreich grenzüberschreitende Kooperationen. Ich bleibe bei dem Beispiel Radsport und verweise auf die Tour de France im Jahr 2017. Der Start war in der Landeshauptstadt Düsseldorf und der weitere Streckenverlauf führte über Belgien und Frankreich. Allein das zeigt, dass die europäische Idee viel mehr in den Köpfen und Herzen verankert ist, als uns der SPD-Antrag suggerieren möchte.

Wenn man, um beim Radsport zu bleiben, einmal wie Sie zu sehr mit dem Lenker wackelt, droht Manövrierunfähigkeit, und das Ziel bleibt in weiter Ferne. Das ist bei den Forderungspunkten Ihres Antrags ähnlich. Sie zappeln über unzählige aufwendige Berichtsanforderungen hin zu einer Unterstützung des Deutschen Turnerbundes bei der diesjährigen Europäischen Woche des Sports.

Die NRW-Koalition ist nach wie vor kein Freund einer Förderung von Aktionen und Maßnahmen, die zu einer Durchmischung verschiedener Verantwortlichkeiten führt. Denn hierdurch verliert man den Überblick und wird manövrierunfähig. Deshalb lehnen wir eine landesseitige Förderung eines Sportbundes, der ohnehin bereits vom Bundesinnenministerium bei der Durchführung der Europäischen Woche des Sports gefördert wird, ab.

Wir werben weiterhin eindringlich für das Gegenteil Ihrer Forderung, nämlich für eine Vermeidung von Doppelzuständigkeiten zugunsten von schnellem, effizientem Handeln mit transparenten Bedingungen. So haben wir es beispielsweise bei den Trainerfinanzierungen in NRW gemacht.

Aber wir sind natürlich gerne bereit, im Ausschuss über Ihren Antrag zu diskutieren, und stimmen der Überweisung des Antrags in die Ausschüsse zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Terhaag. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Paul.

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Redebeiträge von CDU und FDP haben gezeigt, dass es durchaus eine gewisse Notwendigkeit gibt, die europäische Dimension des Sports zu diskutieren.

(Beifall von der SPD)

Denn Sie haben ja schon konkretisiert, dass Sie auf Ihrer Seite keinerlei Handlungsnotwendigkeit sehen. Das finde ich einigermaßen schade. Denn begreifen Sie es nicht vielleicht auch als Ihre Verantwortung, den europäischen Austausch gerade auch im Bereich des Jugend- und Breitensports noch weiter zu fördern?

Und wenn Sie sagen, Herr Kollege Voge, dass auch und gerade Erasmus+ vielleicht durch seine Anlage nicht für alle zugänglich ist, dann würde ich mir doch wünschen, dass die Landesregierung in Form der Staatssekretärin in Kooperation mit dem Landessportbund die Initiativen vor Ort dabei unterstützt, diese Mittel vielleicht auch abzurufen. Das könnten Sie doch konkret beitragen.

Ja, zumindest haben Sie darauf hingewiesen, dass es eine verbindende Dimension des Sports gibt und dass er damit auch zur Verständigung beiträgt. Ich will auch nicht verhehlen, dass es bereits einen breiten Austausch gibt – keine Frage. Der europäische und internationale Austausch wird in Nordrhein-Westfalen und vor allem in den grenznahen Regionen aktiv jeden Tag gelebt. Das ist überhaupt keine Frage.

Nichtsdestotrotz bin ich der Auffassung, wenn wir europäische Sportpolitik durchdeklinieren möchten, müssten wir auch mal darüber sprechen, was sozusagen die europäischen, bewegten Regionen sind. Ein Europa der Regionen ist auch ein sportlich bewegtes Europa der Regionen. Da kann man sich nicht einfach aus der Verantwortung stehlen, indem man sagt: Wir auf Landesebene haben damit eigentlich nichts zu tun.

Das finde ich schade. Da würde ich mir wünschen, darüber noch ein bisschen in sachlicherer Tiefe zu diskutieren. Vielleicht können wir das im Ausschuss in einer Art und Weise machen, dass wir uns dazu noch ein paar Sachverständige einladen und schauen, welche Handlungsmöglichkeiten das Land im Übrigen hat. Denn es hat auch auf europäischer Ebene eine Weile gedauert, bis man überhaupt die politische Dimension des Sports erkannt hat. Erst mit dem Vertrag von Lissabon ist die Zuständigkeit der Europäischen Union für den Sport anerkannt worden. Das bildet sich beispielsweise im Rat für Bildung, Jugend, Kultur und Sport ab.

Der aktuelle Schwerpunkt der rumänischen Präsidentschaft im Bereich Sport ist der Zugang von Menschen mit Behinderung zum organisierten Sport. Da fällt mir ganz klar eine Bezugsebene zu Nordrhein-Westfalen ein. Denn ich finde – das haben wir auch in der letzten Legislaturperiode ausführlich miteinander diskutiert –, dass wir noch sehr viel Luft nach oben haben, was die Integration von Menschen mit Behinderung in den organisierten Sport angeht. Da kann man vielleicht europäisch voneinander lernen und möglicherweise aus Kooperationen noch Gewinne für Nordrhein-Westfalen ziehen. Schade, dass Sie hier samt und sonders sagen, dass Sie eigentlich keine Notwendigkeit dafür sehen.

Auch das Weißbuch Sport der Europäischen Kommission hat doch 2007 diverse Dinge aufgezeigt, die noch immer genauso aktuell sind wie vor zwölf Jahren. Auch bei der Verbesserung der öffentlichen Gesundheit durch Bewegung sind die Potenziale noch nicht ausgeschöpft. Auch hier kann man doch miteinander und voneinander lernen. Hier kann gegebenenfalls auch Nordrhein-Westfalen Nachbesserungen auf europapolitischer Sportebene einfordern. Sie werden doch sonst auch nicht müde zu betonen, welchen Einfluss wir als Region in Brüssel haben. Auch dort gibt es Potenziale, die es weiter auszuschöpfen gilt.

Auch bei der Frage des Anti-Doping-Kampfes würde ich mir eine engere europäische Zusammenarbeit wünschen. Wenn wir sagen, dass wir das Nummer-eins-Sportland sind, dann haben wir doch auch ein großes Interesse daran, die Vorstellung einer gemeinsamen europäischen Anti-Doping-Politik nach Brüssel zu tragen. Dementsprechend ist es sehr sinnvoll, über diese Fragen zu diskutieren.

Natürlich – das würde ich auch unterstreichen – wurde in dem SPD-Antrag viel über europäische Sportpolitik gesprochen, und dann war relativ wenig Fleisch am Knochen, was die Forderungen im Antrag angeht.

Aber nichtsdestotrotz würde ich sagen, dann, wenn wir uns als gemeinsame Sportfraktion verstehen: Lassen Sie uns doch gemeinsam im Sportausschuss beraten, welche Punkte es konkret sein könnten, die wir aus europäischer Sportpolitik ziehen können, oder welche Anforderungen wir an eine europäische Sportpolitik im Sinne bewegter Regionen formulieren wollen. Deshalb freue ich mich auf den Austausch im Sportausschuss und dass wir dieses Thema breit diskutieren werden.

Europäische Sportpolitik ist eine wichtige Dimension für NRW-Sportpolitik. Vielleicht kommt die NRW-Koalition ja auch noch zu diesem Schluss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Keith.

Andreas Keith (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorneweg ein Zitat von Werner Finck, einem der größten deutschen politischen Kabarettisten der Vor- und Nachkriegszeit:

„Die schwierigste Turnübung ist immer noch, sich selbst auf den Arm zu nehmen.“

Sehr geehrte Kollegen der SPD, mit diesem Antrag haben Sie dies geschafft – meisterlich.

Eigentlich können wir uns die ersten Seiten des Antrages schenken, da Sie dort ausschließlich den Vertrag von Amsterdam zitieren und allgemeine Redewendungen aus der begleitenden Konferenz übernommen haben.

Aber auf eine Aussage muss ich eingehen, da sie exemplarisch aufzeigt, wohin die Reise geht. Der Kollege Beckamp hatte das heute bei seinem Tagesordnungspunkt auch schon ausgeführt: Der rosa Elefant steht eigentlich hier im Raum.

Der Sport dient der Identitätsfindung von Menschen. – Ja, der Sport kann zur Identitätsfindung von Menschen beitragen. Aber warum überlassen Sie die Identitätsfindung, diese höchstpersönliche Frage allen Menschseins, nicht dem mündigen Bürger? Identität hat sich noch immer selbst gefunden.

Gesellschaftliche Institutionen und Akteure, die bei der Identitätsfindung, Identitätsbildung und -festigung von jeher geholfen haben, sind die Familie, die Eltern, die Schule und ja, auch der ortsansässige Sportverein. Definitiv nicht zuständig für die Identitätsfindung von Menschen sollte das unfriedenstiftende Monstrum namens EU sein, das sich den Begriff „Europa“ vereinnahmt hat.

Etwas interessanter wird es auf Seite 2, wenn Sie das Erasmus+-Programm erwähnen. Grundsätzlich geben wir Ihnen recht: Es ist immer richtig und gut, Gelder für den Sport zu beantragen, die sowieso zur Verfügung stehen – zumal das meiste Geld vom deutschen Steuerzahler eingezahlt wurde. Das gesamte Budget des Erasmus+-Programms beläuft sich laut Homepage auf 14,8 Milliarden Euro. Wie viel Geld allerdings in welchen Bereich fließt und welche Maßnahmen in welchem Staat zur Förderung des Sportes oder der Bewegung eingesetzt werden, lässt sich nur schwer bzw. fast gar nicht ermitteln.

Leicht feststellen lässt sich hingegen die unendlich komplizierte und ausufernde Bürokratie. Nur eines von vielen Beispielen hierzu finden wir auf der Homepage des Erasmus+-Programms. Ich zitiere Bedingungen zur Beantragung der Fördermittel:

„Die antragstellenden Organisationen müssen zu einem Konsortium gehören, an dem mindestens drei Einrichtungen aus drei verschiedenen Programmländern beteiligt sind. Zwar können sich Organisationen aus Partnerländern beteiligen, doch die antragstellende Organisation muss in einem Programmland ansässig sein. … Die Projekte müssen 12, 18, 24, 30 oder 36 Monate dauern. Ihre Dauer muss bereits bei der Antragstellung anhand der Ziele des Projekts und der Art der geplanten Aktivitäten festgelegt werden.“

Ich frage Sie: Wer in Gottes Namen außer einer Sporthochschule Köln mit ihrem Verwaltungsapparat und ihrer Kompetenz kann solche Förderprogramme, wie sie das Erasmus+-Programm anbietet, abrufen?

Aufgrund der erheblichen bürokratischen Hindernisse ist davon auszugehen, dass ein Großteil der für NRW zur Verfügung gestellten Mittel aus dem Erasmus+-Programm überhaupt nicht abgerufen werden kann.

Verschonen Sie uns bitte in Zukunft mit solchen inhaltsleeren Schaufensteranträgen, die komplett an jeder Realität vorbeigehen. Lassen Sie uns besser gemeinsam die Zeit im Sportausschuss sinnvoll nutzen, um die infrastrukturellen Probleme im Bereich Sport zu lösen. Geben wir den Vereinen, den Verbänden und den Kommunen die Mittel und Möglichkeiten an die Hand, damit sie die maroden Sportplätze und Schwimmbäder für die Bürger in unserem Land wieder nutzbar machen können. Überlassen wir die europäische Vision den engagierten Sportlern und Sportvereinen, die das in den letzten Jahren hervorragend – auch ohne Ihre Hilfe – hinbekommen haben.

Ich denke, wir alle haben hier spätestens mit Einbringung des Antrages verstanden, dass die SPD auch im Bereich des Sportes den Europawahlkampf eingeläutet hat. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Keith. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Holthoff-Pförtner das Wort.

Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Die Landesregierung stimmt in dem gemeinsamen Anliegen mit Ihrem Antrag überein: Die nordrhein-westfälischen Sportorganisationen sollen einen Beitrag dazu leisten können, dass die von der EU-Kommission angestrebten Ziele der europäischen Sportförderung erreicht werden und sie so an den Möglichkeiten partizipieren, die durch die europäische Sportförderung angeboten werden. Dieses Anliegen deckt sich mit dem Interesse der Landesregierung, die bereits Sportorganisationen unterstützt, die bei Projektplanungen für die Förderung aus Erasmus+ um Beratung nachgesucht haben.

Allerdings geht die Planungs-, Antrags- und Umsetzungspraxis der Programmausschreibung auf europäischer Ebene bedauerlicherweise zumeist daran vorbei, dass es sich in unserem Sportsystem auf Landes- und Vereinsebene vorrangig um ehrenamtlich geführte Sportorganisationen handelt.

Wir müssen leider feststellen, dass die Risiken, die Sportorganisationen für eine Projektplanung und -umsetzung eingehen müssen, von ihnen häufig als untragbar eingeschätzt werden. Grund dafür sind komplexe Planungsvorläufe, Eigenmittelbereitstellungen und eine anspruchsvolle administrative Prozesssteuerung mit den europäischen Partnern.

Dazu kommen oft sprachliche Hürden. Sportorganisationen auf Landesebene und Vereinsebene kommen schnell an das Ende ihrer Möglichkeiten, überhaupt Anträge stellen, geschweige denn Bewilligungen erhalten und Projekte angemessen abwickeln zu können.

Da Nordrhein-Westfalen mit diesem Problem und mit dieser Einschätzung nicht alleine steht, haben sich die Länder im Rahmen der Sportministerkonferenz in der Arbeitsgruppe „Sport und Europa“ darauf verständigt, die Förderaktivitäten der EU-Kommission zu analysieren und Vorschläge zur Verbesserung der Fördertätigkeit auf europäischer Ebene zu erarbeiten.

Danach ist erkennbar, dass die Sportförderung durch Erasmus+ dort stark beansprucht wird, wo professionelle Strukturen die Planung und Umsetzung von europäischen Vorhaben beantragen.

Es kommen aber weitere Faktoren hinzu. So besteht ein systemischer Vorteil für Organisationen, die über eine starke internationale Vernetzung verfügen und bereits Erfahrungen mit komplexen Antragsvorhaben haben. Insbesondere Hochschulen und professionelle Nichtregierungsorganisationen, die mitunter kaum einen Bezug zum Sport haben, gleichwohl dessen Wirkung für Gesundheit oder soziale Prozesse nutzen wollen, finden besonders häufig bei der Förderung Berücksichtigung.

Die Vorschläge der Sportministerkonferenz aus dem Jahr 2014 zur Verminderung bürokratischer Hürden wurden von der EU-Kommission wohl gehört, haben aber bis heute nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Subventionspraxis geführt.

Wir müssen feststellen, dass gemeinnützige Sportorganisationen auf Landes- und Vereinsebene – das gilt ganz besonders für Deutschland, aber nicht alleine für Deutschland – mit den hohen administrativen Anforderungen und dem nötigen Nachweis der internationalen Vernetzung häufig überfordert sind. Damit fehlt aber eine wesentliche Voraussetzung dafür, im Antragswesen der EU-Kommission zum Zuge kommen zu können. Selbst der Landessportbund verhält sich aufgrund seiner Erfahrungen mit den administrativen Anforderungen und dem nötigen Nachweis der internationalen Vernetzung bewusst defensiv dem Programm Erasmus+ gegenüber.

Die Sportförderung in Nordrhein-Westfalen stimmt in hohem Maße mit den Zielen der EU-Kommission überein. Die Landesregierung unterstützt daher den Landessportbund und seine Mitgliedsorganisationen, Formen von Intoleranz und Diskriminierung im Sport zu bekämpfen. Gemeinsam forcieren wir die Implementierung von Good Governance im Sport und fördern Vorhaben zur Freiwilligentätigkeit, zur Gesundheit durch Bewegung und Sport, zur sozialen Inklusion und zur Chancengleichheit. Insofern muss sich in Nordrhein-Westfalen keine Sportorganisation selbst einem hoch bürokratischen Verfahren mit unklaren Erfolgsaussichten aussetzen.

Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass dem Wunsch, sich stärker auf europäischer Ebene zur programmatischen Zusammenarbeit und zur Vernetzung engagieren zu wollen, zu hohe Hürden entgegenstehen. Diese Hürden im Interesse der gemeinnützigen Sportorganisationen zu überwinden, wäre aber Voraussetzung dafür, dass die im Antrag der SPD formulierten Forderungen realisiert werden könnten.

Der Antrag geht damit an einem Kernproblem vorbei. Das Mehr an Möglichkeiten und geplante Budgeterhöhungen helfen niemandem, für den die Zugangshürden zu dem Programm zu hoch sind. Diese Hürden müssen abgebaut werden. Das ist das erste Ziel der Landesregierung. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Holthoff-Pförtner. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor.

Daher können wir zur Abstimmung kommen. Der Ältestenrat empfiehlt uns, den Antrag Drucksache 17/5377 zur federführenden Beratung an den Sportausschuss sowie an den Ausschuss für Europa und Internationales zu überweisen. Die abschließende Aussprache und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag mit Zustimmung des Hohen Hauses so überwiesen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zu:

16 Ökologische Chancen digitaler Startups nutzen – Förderung und Beratung weiterentwickeln

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/3584

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Digitalisierung und Innovation
Drucksache 17/5406

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Kehrl das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Oliver Kehrl (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht überraschen: Den vorliegenden Antrag lehnen wir aus sehr guten Gründen ab.

Bereits im November 2018 haben wir die Strategie „Weiterentwicklung der Digital Hubs als regionale Digitalagenturen für StartUps und Mittelstand – Stärken ausbauen und eigene Profile weiterentwickeln“ ins Plenum eingebracht und im Januar 2019 im Ausschuss beschlossen. Die sieben NRW-Hubs haben sich in Nordrhein-Westfalen gut etabliert. Sie geben Start-ups die Möglichkeit, sich erfolgreich auf dem Markt zu positionieren, und beschäftigen sich mit einer großen Bandbreite an unterschiedlichen Themen.

Wir haben auch beschlossen, dass die Vernetzung von neuen und bestehenden Unternehmen bei Digitalisierungsfragen in Nordrhein-Westfalen ausgebaut werden soll. Die erfolgreichen Netzwerke sollen sich nicht nur auf einzelne Regionen sowie spezielle Technologien und Entwicklungsfelder beschränken. Vielmehr sollen die Hubs regional angepasste Angebote unterbreiten und so ein eigenes Profil entwickeln. Dabei sollen die bestehenden Initiativen und Formate ergänzt und unterstützt werden.

Die NRW-Koalition wird dabei jedoch keine Parallelstrukturen aufbauen. Das ist für uns einer der zentralen Punkte. Wir wollen keine Förderung nach dem Gießkannenprinzip, und wir wollen keine Parallelstrukturen und Kleinstandorte, die nur in Sparten denken. Dies wäre ineffektiv und ginge an der Idee der Hubs vorbei.

Die Hubs leben ja gerade davon, dass hier viel Know-how und Wissen aus den unterschiedlichen Gebieten aufeinandertreffen. Das geht allerdings nur mit einer hervorragenden Infrastruktur und vielfältigen Gründerprofilen. Die bestehenden Hubs sind hierbei die erste Anlaufstelle für interessierte Gründer.

Wir haben im November-Plenum auch beschlossen, dass sich die Hubs stärker vernetzen sollen, damit die bestehenden Netzwerke von Gründern, etablierten Unternehmen, Hochschulen und Investoren nicht nur regional nutzbar sind, um die Marke „Hub“ so auch zu stärken.

Die Hubs sollen Drehscheibe des vielfältigen Angebots für Start-ups sein. Sie sollen bündeln und bedarfsgerecht beraten. Dies kommt den Gründern zugute.

Wir möchten einen lebendigen Austausch von Start-ups mit Mittelständlern über Regionengrenzen hinweg.

Finanziell und strukturell ist es deutlich vorteilhafter, neue Ideen in bestehende Hubs zu integrieren. Nur so können Synergien und nachhaltiges Wachstum geschaffen werden. Dazu brauchen wir keine neu geschaffenen Orchideen-Hubs, wie Sie sie in Ihrem Antrag fordern.

Auch die Expertenanhörung im Ausschuss am 22. November 2018 ergab diesbezüglich ein klares Bild, keine eigenen Sustainability-Hubs aufzubauen, sondern vorhandene Strukturen auszubauen.

Ebenso ergaben unsere zahlreichen Besuche und Gespräche direkt vor Ort in den Hubs und in Start-up-Centern, dass es sicher noch viel zu tun gibt, aber keine ideologisch überladenen Ökoetiketten braucht.

Dass ein eigenständiges Sustainability-Hub kein nachhaltiges Erfolgsmodell zu sein scheint, wird sogar in Ihrem Antrag deutlich. Das von Ihnen als Vorbild beschriebene Social Impact Lab in Duisburg hat nach nur drei Jahren Ende 2018 in Duisburg geschlossen und wurde am Standort Bonn neu gebündelt.

Ich muss zugeben, dass mich Ihr Antrag in einem weiteren Punkt ein bisschen verwundert; das haben wir schon in den Ausschüssen zu diskutieren gehabt. In dem Antrag, den wir im Januar dieses Jahres beschlossen haben und der auch unter Beteiligung Ihrer Fraktion im Ausschuss mit Experten beraten wurde, haben wir ja Folgendes festgeschrieben:

„Auch soziale und nachhaltige Aspekte bei Gründungsideen oder Geschäftsmodellen sollen Beratungsgegenstand sein.“

Sie sehen, meine Damen und Herren: Auch wir denken den Aspekt der sozialen und nachhaltigen Gründung durchaus mit. Allerdings sehen wir auch diese Start-ups in den bereits gut integrierten und erfolgreich arbeitenden Hubs sehr gut aufgehoben.

Themen wie „Ökologie“ und „Nachhaltigkeit“ werden dort nicht ausgeklammert – vor allem, weil diese Parameter ja bei immer mehr Start-ups mitgedacht werden. Nachhaltigkeit und ökologische Aspekte sind auch für uns ein wichtiges und förderungsfähiges Feld, welches in die bereits bestehenden Strukturen und Abläufe der NRW-Hubs eingebracht werden kann.

Die NRW-Koalition entwickelt die Hubs zu starken Digitalzentren weiter und stärkt die vorhandenen Angebote und damit auch den einzelnen Gründer.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die in Ihrem Antrag geforderten Parallelstrukturen schaden der derzeitigen Start-up-Szene mehr, als sie dem Anliegen nutzen können. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kehrl. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Kampmann das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Christina Kampmann (SPD): Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen diesem Antrag aus guten Gründen zu – möglicherweise, weil es um Orchideen-Hubs oder ‑Start-ups geht. Vielleicht können Sie gleich noch einmal erläutern, was das eigentlich sein soll.

Wir freuen uns auf jeden Fall darüber, dass wir heute wieder einmal über die digitalen Hubs diskutieren, die wir ja in unserer Regierungszeit ins Leben gerufen haben. Es ist sehr erfreulich, dass jetzt auch Minister Pinkwart das Ganze nach anfänglicher Skepsis sehr positiv begleitet.

Dennoch müssen wir sagen: Dass etwas anfangs gut war, heißt nicht, dass es nicht noch besser werden kann. Deshalb ist es gut, dass wir uns gemeinsam über das Thema „Nachhaltigkeit im Start-up-Bereich“ Gedanken machen.

Ich möchte dabei betonen, dass Nachhaltigkeit immer auf drei Aspekten beruht, nämlich auf Ökologie, auf Sozialem und auf Ökonomie. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Innovationspotenziale, die wir in diesem Bereich haben, sind ganz sicher noch nicht ausgeschöpft.

Das hat vor allem die junge Generation begriffen. Es gibt da schon unglaublich spannende Start-ups. Ich finde, wir sollten uns auch Gedanken darüber machen, wie wir diese Start-ups gemeinsam politisch unterstützen können. Das sollte Anspruch einer klugen und nach vorne gerichteten Politik sein – und damit auch unser Anspruch hier im Landtag Nordrhein-Westfalen.

Nachhaltige, aber auch im sozialen Dienstleistungsbereich beheimatete Start-ups haben es häufig schwerer, Investitionen, aber auch Fördermöglichkeiten für sich zu gewinnen, weil der kurzfristig erwartete Kapitalertrag oft viel geringer ist, als es bei anderen Start-ups der Fall ist. Der gesellschaftliche Mehrwert ist dagegen häufig enorm; das zeigt sich aber oft erst nach längerer Zeit. Deshalb sollten wir schauen, wie wir ganz spezielle Fördermöglichkeiten für Start-ups aus diesem Bereich schaffen können.

Die Bekämpfung von Plastikmüll, aber auch die Reduktion von Lebensmittelverschwendung oder die Möglichkeit eines CO2-ärmeren Lebensstils sind alles schon Ideen, die in diesem Bereich entwickelt wurden. Das Ganze gilt auch für Bereiche wie Pflege, Gesundheit und Bildung.

Man sieht daran, dass Nachhaltigkeit und soziales Unternehmertum gut miteinander vereinbar sind. Wir sollten sie auch entsprechend unterstützen.

(Beifall von der SPD)

– Vielen Dank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der technologische Wandel ist in vollem Gange. Deshalb ist es notwendig, dass wir ihn sozial und ökologisch begleiten.

Ich freue mich über die Diskussion hier und würde mich noch mehr freuen – das trifft auch für meine Fraktion zu –, wenn wir hier entsprechende Fördermöglichkeiten, aber auch eine breitere Unterstützung auf den Weg bringen könnten. Deshalb hoffen wir, dass sich diesem Antrag noch mehr Fraktionen anschließen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kampmann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Freynick das Wort. Bitte schön.

Jörn Freynick (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Man muss erst einmal festhalten, dass viele Punkte, die im Antrag genannt sind, schon durch uns aufgegriffen worden sind

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

in unserer Initiative, die Digital Hubs weiterzuentwickeln. Das haben wir schon im vergangenen November hier besprochen. Diese Punkte sind im Moment in der Beratung. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie Ihre Punkte dort mit einbringen würden. Das haben Sie leider bisher nicht getan.

Vielmehr haben Sie sich entschlossen, einen eigenen Antrag zu stellen, in dem es hauptsächlich darum geht, soziale und ökologische Aspekte zu berücksichtigen.

Außerdem haben Sie geäußert, dass Sie möchten, dass die Digital Hubs auf eine neue und dauerhafte finanzielle Grundlage gestellt werden. Das haben wir aber bereits im vergangenen November beschlossen und deutlich gemacht, dass wir die Hubs weiter finanzieren möchten.

Natürlich werden die Hubs außerdem auch evaluiert. Das passiert in diesem Jahr. Wir warten auf die Ergebnisse.

Selbstverständlich haben wir andere Hubs in NRW, beispielsweise – das haben Sie auch in Ihrem Antrag genannt – Social Impact Labs in Bonn und in Duisburg, die hervorragende Arbeit leisten.

Sie möchten außerdem eine eigene Förderung von ökologischen Start-ups. Das erscheint aus unserer Sicht aber nicht zwingend notwendig. Sowohl die Förderprogramme wie „START-UP-Hochschul-Ausgründungen NRW“ als auch das Gründerstipendium richten sich an alle Gründerinnen und Gründer unabhängig von ihrer Ausrichtung.

„EXIST“, welches Sie in Ihrem Antrag ebenfalls erwähnen, ist wiederum ein Bundesprogramm. Da können Sie den Ball gerne an Ihre Parteifreundinnen und Parteifreunde in der Berliner Bundestagsfraktion weitergeben. Gerne rufe ich hierbei allen in Erinnerung, dass die Evaluierung im Moment hier vor Ort stattfindet.

Im Antrag der NRW-Koalition zur Weiterentwicklung der Digital Hubs werden auch explizit soziale und nachhaltige Aspekte bei Gründungsideen als Beratungsgegenstand und gegebenenfalls auch als Profilschwerpunkt der Hubs genannt. So heißt es dort beispielsweise:

„Neben der Orientierung auf technische Gründungen könnte auch ein Einbezug sozialer und nachhaltiger Gründungsideen, wie sie u. a. in Duisburg und Bonn durch die Social Impact Labs unterstützt werden, bzw. deren Beratung und Verknüpfung sinnvoll erscheinen.“

Es ist also ersichtlich, dass eine zusätzliche eigene Förderung von ökologischen Start-ups nicht zwingend angebracht ist.

Zusätzlich hat das NRW-Umweltministerium gerade den Gründungswettbewerb KUER.NRW ins Leben gerufen, der Gründungen in der Umweltwirtschaft fördert.

Aufgrund der gerade genannten Punkte empfehle ich und empfiehlt die FDP-Fraktion, den Antrag abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Freynick. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Bolte-Richter das Wort. Bitte schön.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben als Grüne schon seit langer Zeit den Spruch geprägt: Mit grünen Ideen lassen sich schwarze Zahlen schreiben.

Das gilt natürlich auch im Zeitalter der Digitalisierung. Da gilt es sogar in besonderer Weise; denn die Digitalisierung ermöglicht uns an vielen Stellen auch neue Chancen für alternative Wirtschaftsformen wie Solidarische Ökonomie und Social Entrepreneur-ship, aber auch Sharing Economy gerade unter dem Aspekt der positiven ökologischen Effekte.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen das Glück, seit einigen Jahren, nämlich seit der rot-grünen Regierungszeit, die DWNRW-Hubs zu haben. Sie sind über die letzten Jahre gut angelaufen. Sie erfüllen ihre Funktion als Drehscheibe zwischen Start-ups und bestehenden Unternehmen. Sie bieten eine ganze Reihe von Angeboten für Unternehmensgründerinnen und ‑gründer und sind aus unserer Sicht eine echte Erfolgsgeschichte. Über die DWNRW-Networks sind auch noch weitere Akteurinnen und Akteure mit in diesem System, sodass wir landesweit eine sehr gute Unterstützungsstruktur haben.

Wir schlagen in unserem Antrag vor, dass wir auch auf neue Entwicklungen reagieren. Ich bin sehr froh darüber, dass wir inzwischen fraktionsübergreifend feststellen können, dass Social Entrepreneurship mehr Beachtung findet und auch die Beachtung findet, die diese Form des Wirtschaftens verdient.

Da müssen wir einfach schauen: Genügen die Beratungsstrukturen und Unterstützungsstrukturen, die wir haben, nachdem wir sie über die letzten Jahre aufgebaut haben, den Ansprüchen für diesen Bereich, was sowohl das soziale Unternehmertum als auch ökologische Geschäftsmodelle und ökologische Produkte angeht?

Wir sind für uns zu dem Ergebnis gekommen – dem haben die Sachverständigen in der Anhörung auch sehr positiv gegenübergestanden –, dass diese Unterstützungsstrukturen weiterentwickelt und ergänzt werden sollten, weil wir bei den vorhandenen Strukturen doch eine sehr starke Konzentration auf die Technologieorientierung, aber auch auf die Skalierbarkeit von Geschäftsmodellen haben.

Wir wissen natürlich, dass man auch mit sozialen Ideen und sozialen Geschäftsmodellen Umsätze generieren kann. Dazu gab es ja in dieser Woche eine sehr umfangreiche Berichterstattung im „Handelsblatt“. Auch wenn wir das wissen, müssen wir einfach feststellen, dass da spezielle Unterstützungsstrukturen notwendig sind.

Wir sehen für den Bereich des Sozialunternehmertums gute Beispiele in den Social Impact Labs. Das wollen wir jetzt auch für den Bereich der ökologischen Start-ups fortführen und dementsprechend einen Sustainability Hub aufbauen.

Dabei geht es uns – das ist ein Missverständnis in der Ausschussdebatte gewesen – nicht alleine um digitale oder soziale und ökologische Geschäftsmodelle, sondern um genau die Schnittstelle, die es da gibt. Wir sagen: Da fahren wir am besten, wenn wir eigene Strukturen aufbauen.

Wir werden für unseren Antrag in diesem Haus wahrscheinlich keine Mehrheit finden. Wir haben aber – das würde ich für uns schon als Erfolg verbuchen – das Thema hier auf die Agenda gebracht. Der Antrag der Koalition ist gerade schon angesprochen worden. Wenige Wochen, nachdem wir unsere Initiative eingebracht hatten, stand dieses Thema dann plötzlich mit auf der Agenda. Dass wir das geschafft haben, freut mich. Das motiviert mich, weiter daran zu arbeiten.

Sie sind da sicherlich nicht auf einem ganz falschen Weg. Den Weg, wie es noch etwas besser gehen kann, legen wir Ihnen heute mit unserem Antrag vor. Ich hoffe natürlich bis zur Abstimmung noch auf Ihre Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bolte-Richter. – Für die Fraktion der AfD hat nun Herrn Abgeordneter Tritschler das Wort.

Sven Werner Tritschler (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist, wie die Anhörung und die Ausschussberatung ergeben haben, weitestgehend überflüssig.

Die Schaffung einer weiteren Förderbürokratie wird NRW nicht voranbringen, auch und sogar dann nicht, wenn man sie mit tollen modernen Buzzwords wie „Sustainability“ etikettiert.

Wenn Sie mit den Menschen sprechen, die hierzulande gründen, gegründet haben oder noch gründen wollen – und nicht nur mit Förderbürokraten –, und sie fragen, was ihnen der Staat Gutes tun kann, dann lautet die Antwort fast immer: Lasst mich in Ruhe, und schafft mir eure Bürokraten vom Hals.

Die besten Geschäftsideen der Welt sind in Garagen ausgetüftelt worden, nicht in Hubs, und in der Regel ohne oder manchmal sogar gegen Verwaltungsbeamte. Wenn Sie den Standort wirklich stärken wollen – ich will es Ihnen ja glauben –, dann machen Sie nicht noch eine Förderbehörde auf. Das hören Sie auch in jeder Anhörung zu diesen und ähnlichen Themen.

Wenn wir den Antrag gleich ins Archiv überweisen, kann man ihn vielleicht als Anschauungsmaterial verwenden – exemplarisch dafür, wie man sich bei den Grünen und offensichtlich auch bei der SPD die Welt vorstellt und was man da unter Wirtschaft versteht. Die ganze Welt ist quasi ein großer Behördenflur oder ein großes Lehrerzimmer. Alles muss vom Staat ausgehen. Da fängt alles an, und da hört alles auf, sogar der Privatsektor. Natürlich muss es nachhaltig, gendergerecht, vegan und sonst etwas sein.

Erst nach Erfüllung dieser Plandirektiven schaut man einmal, ob überhaupt jemand dieses Produkt haben will. Meine Damen und Herren, das ist Planwirtschaft und in der Menschheitsgeschichte schon dermaßen oft gescheitert, dass ich mich doch hin und wieder wundere, warum wir so etwas laufend diskutieren müssen.

In diesem Sinne mache ich es kurz: Die AfD lehnt den Antrag ab.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tritschler. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Professor Dr. Pinkwart das Wort.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten im Ausschuss ja schon wiederholt Gelegenheit, uns über dieses Thema auszutauschen. Wir haben dort auch noch einmal darlegen können, dass es bei allen wesentlichen Förderlinien des Landes Nordrhein-Westfalen, seien es die von uns fortgeführten, zwischenevaluierten und nun auch zur Verlängerung vorgeschlagenen Digital Hubs, sei es das von uns neu eingeführte Gründerstipendium NRW oder sei es das Programm zur Förderung von Start-ups aus Hochschulen – anders, als es etwa für das Programm „EXIST“ des Bundes gilt, das Sie in Ihrem Antrag ansprechen –, keinerlei Einschränkungen in der Förderlinie gibt.

Alle laufenden Programme für Gründungen in Nordrhein-Westfalen sind auch für soziale und nachhaltige Gründungsvorhaben offen.

Das ist auch gut und richtig, weil sowohl beim Social Entrepreneurship als auch im Bereich der ökologischen Gründung natürlich auch digitale Geschäftsmodelle zum Einsatz gebracht werden, die sich in ihrer prozessartigen Gestaltung und auch in dem Geschäftsmodell von anderen, vielleicht eher als kommerziell betrachteten Gründungsvorhaben in aller Regel gar nicht unterscheiden, sodass Gründer aus diesen Segmenten in aller Regel und nach bewährter Erfahrung auch im Austausch mit anderen Gründungsformen eine sehr gute Befruchtung ihrer Projekte finden.

Wir wissen, dass in den Digital Hubs, soweit sie Acceleratoren-Funktionen wahrnehmen, auch die verschiedenen Varianten zum Tragen kommen. Wir wissen, dass sich unter den Gründerstipendiatinnen und ‑stipendiaten sowohl ökologische als auch soziale Gründungen befinden. Das werden wir sicherlich noch separat auswerten können. Ich habe jedenfalls schon einige der Stipendiatinnen und Stipendiaten in der Gründungsphase persönlich kennenlernen dürfen und kann das aufgrund meiner persönlichen Aufnahme sagen.

Insofern meine ich, dass Nordrhein-Westfalen jetzt mit dem erweiterten Instrumentarium so gut wie kein anderes Bundesland in der Lage ist, auch diese Themen anzusprechen.

Darüber hinaus haben wir die Situation, dass es in Bonn und in Duisburg Social Impact Labs gibt. In Duisburg wird das Lab von denjenigen, die es auch bislang unterstützt haben, gerade weiterentwickelt. Hierzu gehören zum Beispiel die Haniel Group, aber auch andere Stiftungen. Damit haben wir hier auch Spezialisten-Angebote, die wir in unserem Ökosystem sehr gerne mit begleiten.

Wir sehen im Moment aus unserer Betrachtung heraus keine weitere Notwendigkeit, noch etwas Ergänzendes zu tun.

Aber eines ist ganz klar: Wir halten diese Gründungen für wichtig. Wir haben die Instrumente, um die Gründung von Unternehmen und Start-ups entsprechend unterstützen zu können. Insofern bedarf es aus unserer Sicht keiner Ergänzung, sondern einer Bestärkung unseres Gründungsgeschehens in Nordrhein-Westfalen. Dafür freuen wir uns natürlich auch über jede Unterstützung und jede Anregung vonseiten der Opposition in der konstruktiven Weise, wie wir sie im Ausschuss beraten. – Herzlichen Dank für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Professor Dr. Pinkwart. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor.

Daher können wir zur Abstimmung kommen. Der Ausschuss für Digitalisierung und Innovation empfiehlt in der Drucksache 17/5406, den Antrag Drucksache 17/3584 abzulehnen.

Allerdings hat sich in der Drucksache 17/5406 bei der Wiedergabe des Abstimmungsverhaltens eine Verwechslung eingeschlichen. Deswegen weise ich darauf hin, dass in der abschließenden Beratung der Antrag der Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/3584 mit den Stimmen der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD abgelehnt wurde. In der Beschlussempfehlung ist das versehentlich umgekehrt wiedergegeben worden.

Nach diesem Hinweis kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Ich darf fragen, wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es den Wunsch, sich der Stimme zu enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag Drucksache 17/3584 mit dem gerade festgestellten Abstimmungsverhalten abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen damit zum nächsten Tagesordnungspunkt:

17 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die NRW.BANK

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4800

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/5407

zweite Lesung

Der Ältestenrat hat sich darauf verständigt, dass die Reden  zu Protokoll gegeben werden. (siehe Anlage 2)

Somit kommen wir direkt zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/5407, den Gesetzentwurf Drucksache 17/4800 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Somit kommen wir zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung 17/5407 selbst und nicht über den Gesetzentwurf.

Ich darf fragen, wer der Beschlussempfehlung zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Kleine Kontrollfrage: Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Das ist auch nicht der Fall. Dann ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/4800 mit dem gerade festgestellten Abstimmungsverhalten angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt

18 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bergmannsversorgungsscheingesetzes und des Landesausführungsgesetzes zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe – für das Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/4579

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Drucksache 17/5408

zweite Lesung

Auch hier hat sich der Ältestenrat darauf verständigt, dass die Reden  zu Protokoll gegeben werden. (siehe Anlage 3)

Wir kommen deshalb direkt zur Abstimmung. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in Drucksache 17/5408, den Gesetzentwurf Drucksache 17/4579 unverändert anzunehmen, sodass ich nun über den Gesetzentwurf selbst und nicht über die Beschlussempfehlung abstimmen lasse.

Ich darf fragen, wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Kleine Kontrollfrage auch hier: Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/4579 mit dem gerade festgestellten Abstimmungsverhalten angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt

19 Gesetz zur Neuordnung des Statistikrechts für das Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/5197

erste Lesung

Herr Minister Reul hat für die Landesregierung seine Einbringungsrede zu Protokoll gegeben. (siehe Anlage 4) Eine Aussprache hier heute nicht vorgesehen.

Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen, sodass ich nun abstimmen lasse über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates, den Gesetzentwurf Drucksache 17/5197 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen zu überweisen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist das mit der Zustimmung des Hohen Hauses einstimmig so angenommen und überwiesen.

Auf der Agenda steht nun Tagesordnungspunkt

20 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Versorgung der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer und zur Änderung weiterer Gesetze

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/5198

erste Lesung

Herr Minister Lienenkämper hat seine Einbringungsrede zu Protokoll gegeben. (siehe Anlage 5)

Eine weitere Aussprache ist nicht vorgesehen, sodass wir dann zur Abstimmung über die Empfehlung des Ältestenrates kommen, den Gesetzentwurf Drucksache 17/5198 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss zu überweisen. Ich darf fragen, wer dieser Überweisungsempfehlung zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

21 Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/5344

erste Lesung

Herr Minister Laumann hat seine Einbringungsrede zu Protokoll gegeben. (siehe Anlage 6)

Auch hier ist eine Aussprache heute nicht vorgesehen, sodass ich nun gleich über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates abstimmen lasse, den Gesetzentwurf Drucksache 17/5344 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu überweisen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig so angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

22 Gesetz zur Anpassung der Abgabefreiheit bei Einleitung von verschmutztem Niederschlagswasser

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/5345

erste Lesung

Frau Ministerin Heinen-Esser hat ihre Einbringungsrede zu Protokoll gegeben. (siehe Anlage 7)

Auch hier ist eine weitere Aussprache heute nicht vorgesehen, sodass ich jetzt abstimmen lasse über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates, den Gesetzentwurf Drucksache 17/5345 an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz zu überweisen. Ich darf fragen, wer der Überweisungsempfehlung zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der FDP, der Fraktion der AfD und der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Damit ist die Überweisungsempfehlung, wenn es keine Gegenstimmen und Enthaltungen gibt – das ist auch nicht der Fall –, einstimmig angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt

23 Forschungstätigkeiten an Hochschulen für angewandte Wissenschaften stärken – Weitere Professuren einrichten

Antrag
der Fraktion der SPD

Drucksache 17/5376

Eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates, den Antrag Drucksache 17/5376 an den Wissenschaftsausschuss zu überweisen. Die abschließende Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses erfolgen.

Ich darf fragen, wer dieser Überweisungsempfehlung und dem Verfahrensvorschlag zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der CDU, der SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisungsempfehlung einstimmig so angenommen.

Wir kommen zu:

24 25 Jahre Post-Apartheid: NRW-Südafrika-Partnerschaft für Frieden, Demokratie und nachhaltige Entwicklung stärken!

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5379 – Neudruck

Auch zu diesem Tagesordnungspunkt ist heute keine Aussprache vorgesehen.

Ich lasse über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrats abstimmen, den Antrag Drucksache 17/5379Neudruck – an den Ausschuss für Europa und Internationales zu überweisen. Die Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses hier im Plenum erfolgen. Ich darf fragen, ob es zu diesem Verfahrensvorschlag und zu dieser Überweisung Zustimmung gibt. – Das ist der Fall bei CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, AfD und dem fraktionslosen Abgeordneten Neppe. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir sind bei:

25 Dem Tierärztemangel im ländlichen Raum wirksam begegnen!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/5383

Auch zu diesem Tagesordnungspunkt ist eine Aussprache nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/5383 an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz. Die abschließende Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses hier im Plenum erfolgen. Gibt es dazu Zustimmung? – Das ist der Fall bei CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, AfD und dem fraktionslosen Abgeordneten Neppe. Enthaltungen? – Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisungsempfehlung einstimmig so angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind bei Tagesordnungspunkt

26 Jahresbericht 2018 des Kontrollgremiums gemäß § 23 VSG NRW (PKG)

Unterrichtung
durch das Parlamentarische
Kontrollgremium
gemäß § 23 VSG NRW
Drucksache 17/5224

Eine Debatte ist nicht vorgesehen.

Das Gremium kommt der jährlichen Berichtspflicht an das Plenum durch die Unterrichtung mit der Drucksache 17/5224 nach. Das stelle ich hiermit fest. – Protest dagegen erhebt sich nicht. Dann ist das so festgestellt und die Unterrichtung erfolgt.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, wir sind bei Tagesordnungspunkt

 

27 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 17
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/5447

Die Übersicht enthält vier Anträge sowie einen Änderungsantrag, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 GO an die Ausschüsse zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden. Die Beratungsverläufe und die Abstimmungsergebnisse sind aus der Übersicht ersichtlich.

Ich frage, wer die Abstimmungsergebnisse, die in der Übersicht 17 festgehalten sind, bestätigen möchte. – Das sind die Abgeordneten der CDU, der SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/D Grünen, der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Damit sind die in Drucksache 17/5447 enthaltenen Abstimmungsergebnisse der Ausschüsse einstimmig bestätigt.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

28 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/21

gem. § 97 Abs. 8 GO

Gemäß § 97 Abs. 8 GO sind die Beschlüsse des Petitionsausschusses mindestens vierteljährlich dem Landtag zur Bestätigung vorzulegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihnen wurden mit der Übersicht 17/21 die Beschlüsse zu Petitionen vorgelegt, über deren Bestätigung wir nun abstimmen. Eine Aussprache ist auch hier nicht vorgesehen, und das Wort wird nicht gewünscht.

Wir kommen damit zur Abstimmung. Ich darf fragen, wer die Beschlüsse zu Petitionen so bestätigen will. – Das sind die Abgeordneten der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der AfD und der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann sind die Beschlüsse des Petitionsausschusses – in der Übersicht 17/21 vorgelegt – vom Plenum einstimmig so bestätigt.

Damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung.

Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen früh, Donnerstag, den 21. März 2019, 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen, nicht allzu arbeitsreichen Abend. Tschüss!

Schluss: 20:42 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

     Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 

Anlage 1

Zu TOP 11 – „Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfungen im Land Nordrhein-Westfalen – zu Protokoll gegebene Reden

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz:

Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz Nordrhein-Westfalen regelt – in Ergänzung zum Bundes-UVPG – die UVP-Pflicht für Vorhaben, für deren Errichtung die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt.

Als Beispiele für solche Vorhaben sind Landesstraßen, Skilifte und Abgrabungen zu nennen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die notwendigen landesrechtlichen Anpassungen an die EU- und bundesrechtlichen UVP-Vorgaben vorgenommen. Aufgabe der Länder bei der gesetzgeberischen Umsetzung ist insbesondere die Ausgestaltung der Verfahrensvorschriften.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf aktualisieren wir die im Landes-UVPG enthaltenen Verweise auf die Regelungen des Bundes-UVPG.

Ebenso aktualisieren wir die im Landes-UVPG enthaltenen Verweise auf Regelungen anderer Landesgesetze. Dies betrifft vor allem Regelungen des Landesnaturschutzgesetzes zu geschützten Landschaftsbestandteilen und gesetzlich geschützten Biotopen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Präzisierung der Verfahrensregelungen zur Federführung bei Beteiligung mehrerer Behörden.

Darüber hinaus wird die Anlage 1 des Landes-UVPG bereinigt. Diese Anlage enthält alle Vorhaben, die nach Landesrecht UVP-pflichtig sind. Die Bereinigung beendet die lückenhafte Nummerierung aufgrund vorangegangener Anpassungen.

In weiteren Landesgesetzen werden redaktionelle Folgeänderungen vorgenommen. Dies betrifft unter anderem das Landesnaturschutzgesetz, das Forstgesetz, das Seilbahngesetz sowie das Straßen- und Wegegesetz.

Die Gesetzesänderungen sind weitere notwendige Schritte zur Harmonisierung von Bundes- und Landesrecht und zur Gewährleistung rechtssicherer Genehmigungsverfahren.

Heinrich Frieling (CDU):

Wir beraten heute in zweiter und abschließender Lesung das „Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfungen im Land Nordrhein-Westfalen“. Wie der Name bereits sagt, geht es um Anpassungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfungen im Lande Nordrhein-Westfalen, dem UVPG NW, an geänderte europäische und bundesrechtliche Vorgaben.

Regelungsgegenstand des zugrunde liegenden Gesetzes ist die Prüfung der Umweltverträglichkeit bei Vorhaben, die aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, soweit sich dieses Erfordernis nicht bereits aus bundesrechtlichen Vorgaben ergibt.

Mit Hilfe von Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) sollen die Auswirkungen von Vorhaben auf die Umwelt frühzeitig erkannt und ihre Ergebnisse bei der Entscheidung über die Zulassung von Vorhaben berücksichtigt werden. Umweltverträglichkeitsprüfungen dienen insoweit einer wirksamen Umweltvorsorge.

Der weit überwiegende Teil der nach dem europäischen Recht UVP-relevanten Vorhaben wird durch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung des Bundes (UVPG) umgesetzt, das regelt, für welche Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist und wie das Verfahren der UVP abzulaufen hat.

Das UVPG NW enthält lediglich ergänzende Regelungen für die UVP-Pflicht von Vorhaben, bei denen der Bundesgesetzgeber aus Kompetenzgründen keine Regelung treffen konnte oder bei denen von den Bundesregelungen abgewichen werden soll. Die betreffenden Verfahren werden in Anlage 1 zum UVPG NW aufgelistet. Darunter fallen unter anderem Landesstraßen, Skilifte und Abgrabungen.

Das Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung richtet sich auch für die nach Landesrecht UVP-pflichtigen Vorhaben nach dem UVPG des Bundes.

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfungen im Lande Nordrhein-Westfalen dient der Anpassung des Landesrechts an die Vorgaben der sog. UVP-Änderungsrichtlinie vom 16. April 2014.

Die europäische Novelle hat zahlreiche Vorgaben der bislang geltenden UVP-Richtlinie, die bisher relativ pauschal und unbestimmt formuliert waren, präziser gefasst und stellt eine ganze Reihe neuer Anforderungen. Die EU verfolgt mit ihr insbesondere zwei Ziele: Die Effektivität der Prüfung soll verbessert und die erheblichen Unterschiede im Recht und in der Praxis der Mitgliedsstaaten sollen abgebaut werden.

Der Bund hat mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPModG) vom 20. Juli 2017 die Vorgaben der UVP-Änderungsrichtlinie entsprechend umgesetzt.

Dabei hat der Bundesgesetzgeber die europarechtlich bedingte Novelle zum Anlass genommen, die Regelungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung insgesamt zu vereinfachen, zu harmonisieren und anwenderfreundlicher auszugestalten, ohne dabei qualitative Abstriche von den Anforderungen vorzunehmen.

Mit dem vorliegenden Gesetz werden nun die notwendigen landesrechtlichen Anpassungen an die EU- und bundesrechtlichen UVP-Vorgaben vorgenommen. Das beinhaltet neben der Aktualisierung der im Landes-UVPG enthaltenen Verweise auf die Regelungen des Bundes-UVPG auch eine Anpassung der im Landes-UVPG enthaltenen Verweise auf Regelungen anderer Landesgesetze, sowie deren Verweise auf das Landes-UVPG. Zu nennen sind das Landesnaturschutzgesetz, das Landesforstgesetz, das Seilbahngesetz, die Landesbauordnung sowie das Straßen- und Wegegesetz. Hinsichtlich des Letzteren werden die redaktionellen Änderungen noch durch den vorliegenden Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP ergänzt.

Im Ausschuss wurde der Gesetzesentwurf am 13.03.2019 mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen – lediglich die AfD-Fraktion enthielt sich der Stimme.

Ich gehe daher davon aus, dass das Gesetz nun auch hier im Plenum mit einer breiten Mehrheit verabschiedet werden kann.

Frank Börner (SPD):

Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist ein umweltpolitisches Instrument der Umweltvorsorge mit dem Ziel, umweltrelevante Vorhaben vor ihrer Zulassung auf mögliche Umweltauswirkungen hin zu überprüfen. In der Regel ist sie beschränkt auf die Überprüfung der Auswirkungen auf die umweltbezogenen Schutzgüter.

Mittlerweile haben viele Staaten die Umweltverträglichkeitsprüfung in ihr nationales Rechtssystem implementiert; zunehmend spielt sie auch in den sogenannten Entwicklungsländern im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung eine bedeutende Rolle. Die UVP ist je nach Land, Institution oder Anwendungsbereich unterschiedlich strukturiert und organisiert.

 

Der Gesetzesentwurf dient der Anpassung des Landesrechts an die Vorgaben der Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zu Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (AB L 124 vom 25.04.2014, S. 1). Mit dieser Änderungsrichtlinie wurden die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu den Voraussetzungen und zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung bei Projekten umfassend novelliert.

Norwich Rüße (GRÜNE):

Das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz ist nach wie vor eine der wesentlichen Errungenschaften für die Entwicklung einer nachhaltigen Industriegesellschaft. Die europäischen Vorgaben schreiben vor, dass potenzielle Auswirkungen baulicher Vorhaben auf die Umwelt vor Genehmigung der Vorhaben frühzeitig und umfassend ermittelt und berücksichtigt werden müssen.

Aus Grüner Sicht ist eine solche Prüfung unerlässlich, um die ökologischen Interessen von Umwelt- und Naturschutz einerseits und die ökonomischen Interessen des Unternehmertums andererseits miteinander in Einklang zu bringen.

Selbstverständlich muss ein wirtschaftlich starkes Land wie NRW seinen Unternehmer*innen Raum für die Entwicklung zukunftsträchtiger Bauprojekte geben.

Die alarmierenden Berichte zur Bedrohung der Artenvielfalt in unserem Land zeigen jedoch, wie fragil unser Ökosystem ist. Tausende Insekten sowie Vögel und Säugetiere, die ihren Lebensraum in Feld und Flur suchen – aber immer weniger finden – sind vom Aussterben bedroht. Gleichzeitig schwinden Freiräume in unserem Land. Immer mehr Flächen werden versiegelt. Das zerstört wertvollen Lebensraum, schadet der ökologischen Vielfalt und wirkt sich auch negativ auf die Wasserspeicherkapazitäten im Falle von Starkregenereignissen aus.

Deshalb ist es wichtig, dass Umweltbelangen bei der Abwägung im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung ausreichend Rechnung getragen wird.

Unser landeseigenes UVP-Gesetz ermöglicht es, über die bundesrechtlichen Vorschriften hinaus landeseigene umweltschützende Vorgaben gesetzlich zu verankern. So dienen diese Anpassungen unter anderem dem Zweck, das UVP-Gesetz mit den Vorgaben des Landesnaturschutzgesetzes zu harmonisieren. Deshalb befürworten wir auch eine Fortentwicklung des Gesetzes, die den sich ändernden Anforderungen an eine moderne Naturschutzpolitik Rechnung trägt.

Der vorliegende Gesetzentwurf dient einer solchen Anpassung und einer zentrierten Umsetzung der EU-Vorgaben. Als pro-europäische Kraft in NRW unterstützen wir Grüne natürlich eine europarechtskonforme Umsetzung der UVP-Ände-rungsrichtlinie.

Inhaltlich geht es um Aktualisierungen von Verfahrens- und Verweisregelungen im UVPG NRW und redaktionelle Folgeänderungen in weiteren Landesgesetzen. Für die Gemeinden und Gemeindeverbände und auch für die Unternehmen entsteht kein Mehraufwand. Insofern ist der Gesetzesentwurf aus Grüner Sicht als unkritisch zu beurteilen, und wir stimmen ihm daher zu.

Dr. Christian Blex (AfD):

Durch den vorliegenden Gesetzentwurf der Laschet-Regierung soll das Landesgesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung an die Vorgaben einer EU-Richtlinie angepasst werden.

Was soll ich sagen? Bei dem masochistischen Gehorsam, den die CDU gegenüber Brüssel normalerweise an den Tag legt, ist es fast schon zu begrüßen, dass die Laschet-Regierung dessen Bestimmungen in diesem Fall nur deckungsgleich umsetzen will.

Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass unsere Zustimmung zu dem Gesetz garantiert ist. In unseren Augen ist der Landtag mehr als nur ein untergeordnetes EU-Abnickparlament.

Kommen wir zur Umweltverträglichkeitsprüfung – ein wesentliches Instrument der Umweltvorsorge. Bedauerlicherweise wird dieses Instrument für politische Zwecke instrumentalisiert.

So wurden neue Schutzgüter festgelegt. Erstmals ist nun als Untergruppe des Bodens auch die Fläche ein Schutzgut. Es wird dabei nicht klar, ab wann die Fläche genau schützenswert wird und bis wann sie es nicht ist. Wie das neue UVP-Gesetz die landwirtschaftliche Fläche schützen will, bleibt ein ungelöstes Rätsel. Den Landwirten hilft es ganz sicher nicht.

Ganz perfide am neuen Bundesgesetz aus Brüssel ist, dass jetzt auch das Klima ein schützenswertes Gut sein soll. Immer wenn man glaubt, es geht nicht schlimmer…

Das Klima, also die statistische Durchschnittstemperatur an einem Ort innerhalb von 30 Jahrenm, die ist jetzt ein Schutzgut in der Umweltverträglichkeitsprüfung!

Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?

Man kann das Klima nicht schützen! Man kann es nicht, wie die Raumtemperatur im Büro, mit einem Thermostat auf konstante 15°C regeln. Das ist einfach nur Blödsinn.

Traurig, dass wir die einzige Partei sind, die den Klimawandel nicht leugnet. Denn das Klima hat sich ständig gewandelt, und es wird sich auch weiterhin ständig wandeln.

Dem Klima nützt die Prüfung eines Vorhabens herzlich wenig. Sie kann jedoch zu einem gefährlichen Werkzeug werden, um missliebigen Industrien fortan die behördliche Betriebsgenehmigung zu verweigern.

Mal sehen, wie lange es dauert, bis Unternehmen, die sich nicht der Church of global warming unterwerfen, mit dem Stempel „Nicht umweltverträglich“ in den Ruin getrieben werden.

Fein raus sind hingegen Windparkbetreiber. Windparks unterliegen erst ab 20 Windrädern der UVP-Pflicht. Vorhabenträger mit weniger als drei Windkraftanlagen müssen überhaupt keine Prüfung durchführen; weder die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls noch eine standortbezogene Vorprüfung – nichts.

Doch gerade bei Windkraftanlagen gibt es ein erhebliches Interesse der Bevölkerung daran, ob die Anlagen umweltverträglich sind oder nicht.

Stichwort: Infraschall. Geht man nach unabhängigen Studien, gilt Infraschall erst nach 15 km als ungefährlich. Schon eine Windkraftanlage reiche aus, um schädliche Umweltauswirkungen auf Tierwelt und Menschen auszuüben.

Lassen Sie mich raten: Für Sie sind diese Studien entweder rechte Hetze oder Ketzerei.

Werte Kollegen, die AfD steht für vereinfachte, harmonisierte und anwenderfreundliche Ausgestaltungen der Umweltverträglichkeitsprüfung. Sie dürfen weder ideologisiert aufgeladen sein noch einer Ökolobby dienen.

Der Landtag ist aber nicht der Ort, um diese Weichen zu ändern. Dafür muss das EU-Parlament mit Mandatsträgern besetzt werden, die sich wirklich für den Schutz des Menschen und der Tiere einsetzen.

Glücklicherweise sind ja bald wieder EU-Wahlen.

 

Anlage 2

Zu TOP 17 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die NRW.BANK – zu Protokoll gegebene Reden

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen:

Die erste Lesung des Gesetzentwurfes und die Beratungen im Haushalts- und Finanzausschuss waren von großer Übereinstimmung unter den Fraktionen geprägt. Ich wiederhole hier gerne noch einmal, dass auch die Landesregierung die ausdrückliche Normierung der Insolvenzunfähigkeit begrüßt.

Aus unserer deutschen Rechtssicht wäre dies nicht erforderlich. Denn wir wissen die Rechtsinstitute Anstaltslast, Gewährträgerhaftung und Refinanzierungsgarantie richtig einzuordnen und daraus neben der faktischen auch die rechtliche Insolvenzunfähigkeit herzuleiten.

Mit Blick auf die internationalen Kapitalmärkte, an denen die NRW.BANK übrigens ein gern gesehener und ebenso gern gekaufter Emittent ist, besteht Veranlassung, dies auch durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für internationale Kapitalanleger noch deutlicher erkennbar zu machen. Damit verschaffen wir der NRW.BANK dann auch Wettbewerbsgleichheit mit anderen Förderbanken.

Die NRW.BANK hat dies in ihrer Stellungnahme (17/1217) noch einmal bestätigt. Sie verweist explizit auf derzeit noch bestehende Zweifel ausländischer Investitionspartner an der Insolvenzunfähigkeit. Bislang beim Investorenauftritt bestehende nicht unerhebliche Nachteile würden mit der Gesetzesänderung beseitigt.

Als stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrates der NRW.BANK und insbesondere als Vorsitzender des Risikoausschusses darf ich bei dieser Gelegenheit noch einmal betonen, dass die vorgesehene Gesetzesänderung nicht zu einer Änderung der Risikopolitik führen wird. Die NRW.BANK wird ihr erfolgreiches risikoaverses Geschäftsmodell in dieser Form weiter betreiben. Die Gesetzesänderung dient nur einer rechtlichen Klarstellung.

Arne Moritz (CDU):

„Wie geht gute Politik?“ – Diese Frage hat der deutsche Theologe und Philosoph Jürgen Manemann vor einigen Jahren versucht zu erörtern.

Manemann formulierte dazu 10 Thesen, die dabei helfen sollen, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie denn gute Politik funktioniere.

Als zehnte These erklärte Manemann, gute und erfolgreiche Politik schaffe Raum für den Möglichkeitssinn.

Vor dem Hintergrund des Gesetzesentwurfs, den wir nun in zweiter Lesung besprechen, denke ich, dass Jürgen Manemann unterschreiben würde, dass wir durch die Änderungen des NRW.BANK-Gesetzes genau diesem Möglichkeitssinn – den Jürgen Manemann anspricht – mehr Raum geben. Schon in der Vergangenheit, hat die NRW.BANK ihre Funktion als „Möglichmacher“ in NRW unterstrichen.

Beispiel Nr. 1: Enerthing:

Die NRW.BANK unterstützt das Kölner Start-up mit einer Finanzierung dabei, seine innovativen Photovoltaiktechnologien mit flexiblen Solarzellen zur Marktreife zu bringen.

Experten bescheinigen diesen Solarzellen „beste Zukunftschancen“.

Das vorhandene wirtschaftliche Potenzial unseres Landes kann hier durch die Hilfe der NRW.BANK zum kollektiven Nutzen abgegriffen werden.

Beispiel Nr. 2: Matthes & Henze Siebdruck

Mit einer Finanzierungsbeteiligung des Familienunternehmens wird eine Neuausrichtung des Unternehmens ermöglicht, ohne die unternehmerische Stabilität in Gefahr zu bringen.

Diese Beispiele zeigen: Die NRW.BANK macht möglich, hilft dabei, Potenziale abzugreifen und die Wirtschaft anzutreiben.

Dass wir und wie wir als Land NRW von den Unterstützungen der NRW.BANK profitieren, muss ich Ihnen allen nicht erklären.

Schauen Sie einfach in Ihre Wahlkreise und sich die Projekte an, die die NRW.BANK angreift.

Doch, meine Damen und Herren, CDU und FDP sind überzeugt: Hier ist noch mehr drin.

Wir sind ein Bundesland mit kreativen Köpfen, erfolgversprechenden Ideen und hervorragender Infrastruktur.

All das können wir noch besser und einfacher nutzen, wenn wir die NRW.BANK auf dem internationalen Markt bestmöglich positionieren.

Für die NRW-Koalition zählt dazu, die faktisch bereits bestehende Insolvenzunfähigkeit der NRW.BANK auch entsprechend deutlich zu benennen.

Ohne Kosten, ohne Risiken und ohne in den Status Quo eingreifen zu müssen schafft der Gesetzesentwurf genau das und bereitet den Weg für Erfolgsstories made in NRW.

Wir werden attraktiver fürs Ausland, wir werden attraktiver fürs Inland im Vergleich zu anderen Bundesländern und werden dem Anspruch als Land der Innovation und starken Wirtschaft gerecht.

Um jetzt wieder den Bogen zur Ausgangsthese zu spannen: Ich freue mich, dass wir mit der Unterstützung aller Fraktionen und dem Instrument der NRW.BANK eine Möglichkeit gefunden haben, den Raum des Möglichkeitssinns in NRW zu erweitern.

Stefan Kämmerling (SPD):

Wir sind uns wohl alle einig darin, dass unsere NRW.BANK eine der besten, wenn nicht die beste Förderbank Deutschlands ist.

Zum Miteinander, Herr Kollege Witzel: Die NRW.BANK haben wir in der Vergangenheit – auch im Parlamentarischen Beirat – immer in gutem Miteinander gemeinsam getragen, weil wir wissen, wie wichtig sie mit ihrer guten Arbeit für unser Bundesland ist.

Sie haben mit einer Tradition gebrochen. In der Vergangenheit sind wir Dinge die NRW.BANK betreffend fraktionsübergreifend angegangen. Wir haben uns vorher darüber unterhalten. Das haben Sie in diesem Fall bei einer relativ unspektakulären Änderung nicht getan. Ich will mein Bedauern darüber erneut ausdrücklich betonen. Da hätte ich mir von Ihnen mehr gewünscht.

Zu den beiden Hauptpunkten, mit denen sich Ihr Gesetzentwurf befasst, möchte ich Folgendes sagen:

Zum Ersten wollen Sie die Anzahl der Mitglieder des Parlamentarischen Beirats verändern. Sie argumentieren, man sollte sich an der kleinsten Ausschussgröße hier im Landtag orientieren. Damals haben wir zwölf Mitglieder festgeschrieben. Das hatte einen gewissen Hintergrund, das hat sich bewährt. Ihr Argument, das an einem demokratischen Wahlergebnis festzumachen und demzufolge an der Größe des kleinsten Ausschusses, ist sinnvoll. Wir tragen das mit.

Ein zweiter Punkt ist die Insolvenzfähigkeit. Ich halte das, was Sie vorhaben, nicht unbedingt für notwendig, es schadet aber auch nicht. Wir sind in den Beratungen im Fachausschuss gemeinsam zu der Auffassung gekommen, dass das eine gute Lösung für die NRW.BANK ist. – Deshalb darf ich Ihnen zur Kenntnis geben, dass wir auch das mittragen werden.

In meiner letzten Rede zu dem Thema NRW.BANK hatte ich Sie, verehrte Damen und Herren der CDU- und FDP-Fraktion, bereits auf Ihren Fehler hingewiesen, dass es sich bei § 17 um eine Übergangsvorschrift aus der Zeit der Gründung der NRW.BANK handelt. Nach Ihrem Gesetzentwurf sollte der bisherige §17 zu § 18 werden. Ich hatte Sie darauf hingewiesen und gefragt, warum Sie, wenn Sie das Gesetz jetzt einmal anpacken und im Entwurf selber erwähnen, dass Sie § 17 verschieben, eine Übergangsvorschrift nicht ganz herausnehmen. Offenbar hatten Sie sich da nicht so intensiv mit dem bisherigen Gesetz befasst, wie man es bei einer Gesetzesänderung erwarten würde. Aber: Sie haben meinen Hinweis aufgenommen und § 17 gestrichen.

Ich darf deshalb ankündigen, dass wir Ihrem Antrag zustimmen werden.

Ralf Witzel (FDP):

Auch nach den Beratungen in den Fachbereichen verweisen wir auf die im Plenum des 23. Januar 2019 vorgebrachten Argumente und stimmen dem Gesetzentwurf zu

Monika Düker (GRÜNE):

Der vorliegende Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen thematisiert die Insolvenzunfähigkeit der NRW.BANK. Bereits jetzt ist die Förderbank des Landes faktisch insolvenzunfähig. Die vorgesehene Änderung des Gesetzes verändert den Status quo nicht, konkretisiert ihn aber und sendet somit deutliche und wichtige Signale an internationale Finanzpartner. Der vorliegende Änderungsantrag von CDU und FDP nimmt notwendige Korrekturen in diesem Sinne vor. Als Grüne Fraktion begrüßen und unterstützen wir diese Initiative.

Die NRW.BANK ist als Förderbank ein wichtiger Partner, der mit maximaler Transparenz den Kontakt zum Parlament sucht. Im Sinne der NRW.BANK wäre es, ihr interfraktionell zu begegnen. Alleinige Initiativen der Koalitionsfraktionen sind hingegen geeignet, der Bank einen Bärendienst zu erweisen. Hier wünschen wir uns in Zukunft eine kollegialere Zusammenarbeit, denn zum politischen Schlagabtausch ist dieses Thema nicht geeignet.

Die Grüne Fraktion stimmt sowohl dem Gesetz-entwurf als auch dem vorliegenden Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zu.

Herbert Strotebeck (AfD):

Wie ich bereits in der ersten Lesung im Januar im Plenum deutlich gemacht habe, halte ich die NRW-BANK für wert- und sinnvoll für die Menschen in unserem Bundesland.

Genauso sinnvoll sind die zwei Änderungen, die der Gesetzentwurf vorsieht. Die Anpassung bzw. Anlehnung der Größe des Parlamentarischen Beirats der NRW-BANK an den kleinsten Ausschuss im Landtag ist insbesondere aus demokratietheoretischer Sichtweise folgerichtig und wird daher von der AfD-Fraktion unterstützt. Die zukünftig im Gesetz festgehaltene Insolvenzunfähigkeit ist ebenfalls wichtig und richtig.

Die NRW-BANK ist ein stattlicher Stützpfeiler für unser Land. Das Land trägt sprichwörtlich die Bank und die Bank trägt das Land. Diese schützenswerte Symbiose wird durch die beiden Änderungen im Gesetzentwurf gestärkt.

Beispielhaft für den Wert der NRW-BANK sei die Förderung bei der Sanierung der Infrastruktur und der Schulen genannt. Anders als bei einigen anderen Banken sind auch die externen Bewertungen der NRW-BANK durchweg positiv. Die NRW-BANK schafft es sogar, ihr Fördervolumen kontinuierlich zu steigern. Der Vorstandsvorsitzende Eckhard Forst und seine Mitarbeiter leisten also nachweislich hervorragende Arbeit.

Durch die Stellungnahme der NRW-BAnk vom 22. Februar wird deutlich, dass auch die NRW-BANK den Gesetzentwurf begrüßt und sich für die gute Zusammenarbeit bedankt. Auch ich möchte mich an dieser Stelle für die gute Zusammenarbeit bedanken und freue mich auf die weitere Arbeit im Parlamentarischen Beirat.

Die AfD-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf und dem Änderungsantrag zu.

 

Anlage 3

Zu TOP 18 – „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bergmannsversorungsscheingesetzes und des Landesausführungsgesetzes zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe – für das Land Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Reden

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales:

Das Bergmannsversorgungsscheingesetz eröffnet die Möglichkeit, die Bergleute beim Auslaufprozess des Steinkohlebergbaus in Nordrhein-Westfalen über das übliche sozialstaatliche Maß hinaus zu unterstützen.

Diese Regelungen sollen weiterhin so Bestand haben. Im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Überprüfung des Gesetzes wurde jedoch redaktioneller Anpassungsbedarf festgestellt.

Dieser soll mit Artikel 1 des Gesetzentwurfs umgesetzt werden.

Darüber hinaus wird im Artikel 2 zur Vermeidung von Missverständnissen und zur Umsetzung des mit dem Ausführungsgesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes Gewollten im Landesausführungsgesetz zum SGB XII klargestellt, dass die Landschaftsverbände für gemeinschaftliche Wohnformen zuständig sind.

Die Details hatte ich Ihnen bei der Einbringung des Gesetzentwurfs am 23. Januar 2019 erläutert.

Für die zügige Beratung im federführenden Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales möchte ich mich bedanken und bitte um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

Peter Preuß (CDU):

Wie Minister Karl-Josef Laumann in seiner Einbringungsrede im Januar dieses Jahres zum Ausdruck brachte, soll das bereits bestehende Gesetz bestehen bleiben. Es gibt die Möglichkeit, dass diejenigen Bergleute, die sich im Auslaufprozess des Steinkohlebergbaus in Nordrhein-Westfalen befinden, weiterhin die Versorgungssicherheit nach dem Bergmannsversorgungsscheingesetz erhalten.

Wir teilen diese Auffassung der Landesregierung.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält lediglich redaktionelle und begriffliche Änderungen mit einem Rechtsverweis auf eine nun umbenannte Rechtsnorm. Substantiell verändert sich nichts.

Daher stimmen wir dem Gesetzentwurf der Landesregierung natürlich zu.

Christina Weng (SPD):

Das Bergmannsversorgungsscheingesetz NRWs ermöglicht besondere fürsorgliche Maßnahmen für Bergleute, die nach längerer beruflicher Tätigkeit nicht mehr – oder nur eingeschränkt – arbeiten können. Um diese Unterstützung zu gewährleisten bedarf es jedoch redaktioneller und begrifflicher Anpassungen:

Im § 9 Abs. 1 Satz 1 des Bergmannsversorgungsscheingesetzes wird der Begriff „Beschäftigungslosigkeit“ durch einen Verweis auf § 119 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch definiert. Dieser Verweis ist mit der Reform des SGB III jedoch veraltet, die Angabe „§ 119“ muss durch die Angabe „§ 138“ ersetzt werden. Dieser Artikel soll am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.

Weiterhin wurde mit dem Ausführungsgesetz des Landes NRW zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes vom 21. Juli 2018 auch das Landesausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – an die ab dem 01. Januar 2020 geltenden neuen Regelungen des Eingliederungsrechts angepasst.

Dabei wurde die Neuausrichtung der Eingliederungshilfe von einer überwiegend einrichtungsbezogenen zu einer personenzentrierten Leistung berücksichtigt. Dies führt zu einer Entkoppelung der Bedarfsdeckung mit dem Wegfall der Unterscheidung von ambulanten und stationären Leistungen.

Aus diesem Grund müssen in § 2a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) des Landesausführungsgesetzes zum SGB XII nach dem Wort „Einrichtung“ die Wörter „oder in einer gemeinschaftlichen Wohnform nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“ eingefügt werden.

Dieser Artikel soll am 01. Januar 2020 in Kraft treten. Nur so werden sich Zuständigkeitsstreitigkeiten vermeiden lassen. Dem Antrag ist somit zuzustimmen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE):

Wie schon im Gesetzentwurf ausgeführt, ist mit dem Bundesteilhabegesetz des Bundes eine Neuausrichtung der Eingliederungshilfe vollzogen worden. Diese beinhaltet einen Wandel von einer überwiegend einrichtungsbezogenen zu einer personenzentrierten Leistung. Dies führt auch zu einer Entkoppelung der Bedarfsdeckung mit dem Wegfall der Unterscheidung von ambulanten und stationären Leistungen.

In § 2a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) des AG-SGB XII NRW, der die Zuständigkeiten der Landschaftsverbände als überörtliche Träger der Sozialhilfe regelt, besteht noch Anpassungsbedarf zum 1. Januar 2020, um Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden.

So sind die Landschaftsverbände als überörtliche Träger der Sozialhilfe bislang zuständig für die voll- und teilstationären Leistungen der Eingliederungshilfe sowie die ambulanten Leistungen an volljährige Menschen mit Behinderungen zum selbstständigen Wohnen und alle zu erbringenden Sozialhilfeleistungen in der Einrichtung.

Mit Ausnahme der existenzsichernden Leistungen soll diese Zuständigkeit der Landschaftsverbände auch ab dem 1. Januar 2020 weiterhin Gültigkeit haben.

Bei dem vorgelegten Änderungsgesetz handelt es sich um eine klarstellende Anpassung zur Umsetzung der oben genannten Vorgaben des BTHG. Durch den Verweis auf § 42a Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch wird nunmehr bei der Eingliederungshilfe auf das „gemeinschaftliche Wohnen“ anstatt auf stationäre Einrichtungen abgestellt.

Zugleich werden in Artikel 1 redaktionelle Änderungen vorgenommen, die aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt notwendig sind.

So wird bislang in § 9 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes BVSG NW der Begriff „Beschäftigungslosigkeit“ durch einen Verweis auf § 119 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 des SGB III definiert. Dieser Verweis ist mit der Reform des SGB III jedoch veraltet und musste angepasst werden.

Wir werden die Änderungen, die mit diesem Gesetz am Ausführungsgesetz zum SGB XII vorgenommen werden, unterstützen und daher dem Gesetzentwurf zustimmen.

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass gerade nach der Trennung von Fachleistung und existenzsichernder Leistung zum Wohnen die Landschaftsverbände und die Kommunen gemeinsam in der Verantwortung stehen; sowohl bei der Sicherung der Teilhabe als auch beim Ausbau von bedarfsgerechten Wohn- und Unterstützungsangeboten. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie und rollstuhlgerechte Wohnungen. Das Land ist seiner Verantwortung, dies zu unterstützen und die Rahmenbedingungen zu verbessern, leider bisher nicht ausreichend nachgekommen.

 

Anlage 4

Zu TOP 19 – „Gesetz zur Neuordnung des Statistikrechts für das Land Nordrhein-Westfalen“ – zu Protokoll gegebene Reden

Herbert Reul, Minister des Innern:

Heute habe ich einmal etwas ganz Neues für Sie: den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Statistikrechts für das Land Nordrhein-Westfalen. Neu ist der Gesetzentwurf insofern, als Nordrhein-Westfalen – als einziges Bundesland – bisher noch kein Landesstatistikgesetz hat.

Die anderen 15 Länder haben nach dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1983 seit Beginn der 1990er-Jahre nach und nach Landesstatistikgesetze verabschiedet.

In Nordrhein-Westfalen wurde darauf verzichtet, weil der Bedarf für eine gesetzliche Regelung von Landesstatistiken lange Zeit nicht gesehen wurde.

Neu ist der Gesetzentwurf auch, weil er als erster ausdrücklich auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. September 2018 zum Zensus 2011 Bezug nimmt und diese berücksichtigt.

Aber, worum geht es?

Die bisherige Rechtslage im Bereich der Statistik in Nordrhein-Westfalen ist im Fachrecht zersplittert und nicht mehr zeit- und praxisgerecht. Sie ist deshalb grundlegend und zukunftsweisend zu verbessern.

Mit dem Statistikgesetz NRW kann und soll ein wichtiger und zeitgemäßer Beitrag zur Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sowie zum Bürokratieabbau im Bereich der Landes- und Kommunalstatistik geschaffen werden.

Das Statistikgesetz NRW ermöglicht es außerdem, Statistikregelungen im Fachrecht künftig deutlich kürzer zu fassen.

Der von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf enthält

–   die notwendigen allgemeinen Regelungen zur Durchführung von Statistiken sowie

–   organisatorische Vorgaben zur Geheimhaltung und zur Abschottung der öffentlichen Stellen, die Statistiken durchführen.

Vorgesehen sind aber auch die notwendigen Regelungen und Vorgaben

–   zum Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts sowie

–   zur Auskunftspflicht und zur Begrenzung der Belastungen der zu befragenden Bürgerinnen und Bürger.

Eine Begrenzung der Belastungen für Bürgerinnen und Bürger soll dabei, soweit möglich, durch

–   die Nutzung der aktuellen technischen Entwicklungen, insbesondere der Digitalisierung, unter Einbeziehung wirtschaftlicher Gesichtspunkte und

–   die Nutzung vorhandener Verwaltungsdaten

erreicht werden.

Mehrkosten für das Land und für die Gemeinden und Gemeindeverbände entstehen durch das Statistikgesetz NRW selbst nicht. Zu Mehrkosten kann es allenfalls dann kommen, wenn durch besonderes Fachrecht neue Statistiken angeordnet werden oder wenn die Kommunen aus eigener Veranlassung im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts kommunale Statistikstellen einrichten oder neue Statistiken für eigene Zwecke durchführen.

Im Rahmen einer Verbändeanhörung hatten die kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen, der Landesbetrieb IT.NRW in seiner Funktion als Statistisches Landesamt und unabhängige wissenschaftliche Stelle sowie die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen Gelegenheit zur Stellungnahme.

Alle Stellen begrüßen das Statistikgesetz NRW und halten die damit verbundene Neuordnung des Statistikrechts in Nordrhein-Westfalen für sinnvoll. Ihren Vorschlägen zu einzelnen Regelungen wurde weitgehend entsprochen.

 

Anlage 5

Zu TOP 20 – „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Versorgung der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer und zur Änderung weiterer Gesetze – zu Protokoll gegebene Rede

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen:

Die berufsständische Versorgung gehört im System der Alterssicherung in Deutschland zur Regelsicherung der „1. Säule“. Sie steht hierbei gleichberechtigt neben der gesetzlichen Rentenversicherung. In Nordrhein-Westfalen sind 14 Versorgungswerke der Freien Berufe ansässig. Sie gewähren Mitgliedern und Rentnern eine sichere Altersversorgung. Auch vor den finanziellen Auswirkungen einer Berufsunfähigkeit werden ihre Mitglieder auf hohem Niveau geschützt.

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf sollen die Errichtungsgesetze von insgesamt vier Versorgungswerken der Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen geändert werden. Betroffen sind das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer im Lande Nordrhein-Westfalen, das Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen, das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen und das Notarversorgungswerk Köln.

Im Wesentlichen sind die folgenden Änderungen vorgesehen:

–   Die interne Organisation des Versorgungswerks der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer im Lande Nordrhein-Westfalen wird auf Bitten dieses Versorgungswerks umgestaltet: Die Aufgabenverteilung zwischen Vorstand und Geschäftsführung wird präzisiert, die Überwachung der Geschäftsführung vom Präsidenten auf den Vorstand als Kollegialorgan übertragen und Vertretungsregelungen werden angepasst.

–   Im Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen erfolgt eine geringfügige Anpassung der Organstruktur. Dies erfolgt ebenfalls auf Wunsch des Versorgungswerks.

–   Im Notarversorgungswerk Köln werden die Mitwirkungsrechte einiger Mitgliedergruppen des Notarversorgungswerks Köln – insbesondere der Notarassessoren – gestärkt. Ihnen wird nun die Mitgliedschaft im geschäftsführenden Verwaltungsrat ermöglicht.

–   Die Organisation des Versorgungswerks der Rechtsanwälte bleibt unverändert.

–   Alle vier Gesetze werden an die Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung angepasst.

Die Änderungen berühren im Übrigen nicht die Beitragspflichten und Leistungsrechte der Mitglieder oder der sonstigen Leistungsberechtigten der betroffenen Versorgungswerke.

 

Anlage 6

Zu TOP 21 – „Sechstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen – zu Protokoll gegebene Rede

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales:

Der Zuzug von Flüchtlingen stellt Bund, Länder und Kommunen vor enorme Herausforderungen. Alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen, um diese Aufgabe zu bewältigen. Bund, Länder und Kommunen sind daher aufgefordert, gemeinsam zu handeln und ihren jeweiligen Beitrag zu leisten.

Wenn Flüchtlinge anerkannt werden, erhalten sie zumeist Leistungen nach dem SGB II. Damit verbunden ist auch die Zahlung der Unterkunftskosten. Diese Ausgaben sind grundsätzlich von den Kommunen zu finanzieren. Die Kommunen dürfen diese Belastungen aber nicht allein tragen.

Vor diesem Hintergrund haben sich Bund und Länder 2016 darauf verständigt, dass der Bund bis 2018 die Kosten der Unterkunft für anerkannte Asyl- und Schutzberechtigte im SGB II vollständig übernimmt und so eine finanzielle Entlastung der Kommunen ermöglicht.

Um dafür zu sorgen, dass diese Entlastung auch bei den Kommunen ankommt, hat die Landesregierung mit dem letzten Änderungsgesetz zum Landesausführungsgesetz (AG-SGB II NRW) für den Zeitraum bis 2018 eine Regelung vorgesehen, die die unterschiedlichen finanziellen Belastungen der Kommunen berücksichtigt und eine bedarfsgerechte Verteilung der Bundesmittel ermöglicht

Im Herbst letzten Jahres konnten sich die Länder erfolgreich mit dem Bund verständigen, dass der Bund die Unterkunftskosten für anerkannte Asyl- und Schutzberechtigte im SGB II für ein weiteres Jahr – also für 2019 – übernimmt.

Vor diesem Hintergrund bedarf es im AG-SGB II NRW einer Fortschreibung der Regelungen zur Weiterleitung dieser Bundesmittel für das Jahr 2019.

Das Verfahren und der Verteilmaßstab bleiben dabei unverändert.

So soll dem Anliegen der Kreise und kreisfreien Städte sowie der kommunalen Spitzenverbände nach einer möglichst vollständigen finanziellen Entlastung weiterhin Rechnung getragen werden.

Die Hauptlast bei der Integration von Flüchtlingen tragen die Kommunen. Es ist daher wichtig und richtig, die Kommunen bei den flüchtlingsbedingten Unterkunftskosten zu entlasten. Dieser Gesetzentwurf sorgt auch weiterhin für eine gerechte Verteilung der vom Bund bereitgestellten Finanzmittel.

 

Anlage 7

Zu TOP 22 – „Gesetz zur Anpassung der Abgabefreiheit bei Einleitung von verschmutztem Niederschlagswasser – zu Protokoll gegebene Rede

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz:

Die Gewässerverträglichkeit von Niederschlagswassereinleitungen ist lange nur unter stofflichen Gesichtspunkten betrachtet worden. Seit Jahren aber wissen wir, dass auch erhöhte Abflüsse im Gewässer durch Niederschlagswassereinleitungen häufig für eine schlechte Gewässerbiologie verantwortlich sind.

Starke Regenfälle führen zu erhöhtem Anfall von Niederschlagswasser auf versiegelten Flächen, damit zu stoßweisen Einleitungen großer Mengen aus der überlasteten Kanalisation, was zu plötzlich erhöhten Abflüssen im Gewässer führt. Dadurch wird die Gewässerbiologie einfach weggespült und muss sich wieder ansiedeln.

Solche stoßweisen Belastungen verträgt die Gewässerbiologie nur in einem Ausmaß, das in NRW häufig überschritten wird. Ursache ist die hohe Besiedlungsdichte und ein entsprechender Versiegelungsgrad.

Gegenmaßnahmen sind die gesteuerte Rückhaltung bei Einleitungen aus kommunalen Kanalnetzen, die riesige Flächen entwässern. Es besteht also bei kommunalen Kanalnetzen Handlungsbedarf, den der wasserwirtschaftliche Vollzug schon lange erkannt hat und umsetzt.

Anforderungen an eine gewässerverträgliche Einleitung von Niederschlagswasser angesichts der konkreten Gewässersituation spielen hier mittlerweile eine erhebliche Rolle.

Die Abwasserabgabe soll den ordnungsrechtlichen Vollzug durch finanzielle Anreize flankieren, und dementsprechend setzt die Befreiung von der Niederschlagswasserabgabe voraus, dass die Einleitungen gewässerverträglich sind.

Der Fokus im Abgabevollzug lag bisher auf der stofflichen Belastung. Jetzt muss aber aus den genannten Gründen die hydraulische Belastung in den Blick genommen werden.

Um diese Vollzugsanpassung verhältnismäßig zu gestalten wird die bisherige Regelung zur Befreiung von der Niederschlagswasserabgabe modifiziert und an das kommunale Abwasserbeseitigungskonzept angeknüpft. Der Entwurf ermöglicht eine Abgabereduzierung um 75 %, wenn gewässerseitige Anforderungen zwar noch nicht erfüllt werden, jedoch Maßnahmen zur Erfüllung bereits in einem unbeanstandeten Abwasserbeseitigungskonzept festgelegt sind.

Weiterhin wird ein Übergangszeitraum bis Ende 2021 zur entsprechenden Aktualisierung der Abwasserbeseitigungskonzepte eingeräumt. In dieser Übergangszeit ist eine Reduzierung der Abgabe auch ohne entsprechende Maßnahmen im Abwasserbeseitigungskonzept möglich.

Der Gesetzesentwurf enthält ein nach Verhältnismäßigkeitsaspekten abgestuftes Vorgehen, das den Abgabepflichtigen in angemessener Weise ermöglicht, auf den geänderten Abgabevollzug zu reagieren.

Insgesamt wird erreicht, dass die Niederschlagswasserabgabe für die kommunalen Abwasserbeseitigungspflichtigen nicht abrupt erhöht wird.

Ich möchte anmerken, dass die Abwasserabgabe durchschnittlich nur 2  % der kommunalen Abwassergebühren ausmacht und die Niederschlagswasserabgabe nur ein Teil der Abwasserabgabe ist. Der höhere Anteil wird für Schmutzwasser gezahlt, das die Kläranlagen einleiten. Wir reden also nicht über eine spürbare Belastung für unsere Bürgerinnen und Bürger, aber dennoch sollte die Verhältnismäßigkeit im Auge behalten werden.