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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/5

17. Wahlperiode

13.07.2017

 

5. Sitzung

Düsseldorf, Donnerstag, 13. Juli 2017

Mitteilungen des Präsidenten. 5

Änderung der Tagesordnung. 5

Ergebnis. 5

1   Aufstehen gegen links – Demokratie verteidigen – Extremisten bekämpfen

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/122

In Verbindung mit:

Beispielloses Ausmaß linksextremer Gewalt beim G20-Gipfel in Hamburg erschüttert ganz Deutschland — Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Nordrhein-Westfalen?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/123. 5

Markus Wagner (AfD) 5

Gregor Golland (CDU) 6

Marc Lürbke (FDP) 8

Thomas Kutschaty (SPD) 10

Monika Düker (GRÜNE) 11

Minister Herbert Reul 13

Andreas Bialas (SPD) 14

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU) 16

Marcus Pretzell (AfD) 17

Marc Lürbke (FDP) 18

Verena Schäffer (GRÜNE) 19

Minister Herbert Reul 20

Gregor Golland (CDU) 22

2   Arbeitsplätze sichern durch Windkraftausbau

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/83. 22

Entschließungsantrag  
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/144  22

Frank Sundermann (SPD) 22

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU) 23

Dietmar Brockes (FDP) 24

Dr. Christian Blex (AfD) 26

Monika Düker (GRÜNE) 27

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 28

Ergebnis. 30

3   Unsere Polizei braucht politische Rückendeckung – Gesetzliche Legitimations- und Kennzeichnungspflicht für Angehörige des Polizeivollzugsdienstes umgehend abschaffen!

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/75. 30

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU) 30

Marc Lürbke (FDP) 31

Andreas Bialas (SPD) 32

Nic Peter Vogel (AfD) 33

Monika Düker (GRÜNE) 34

Minister Herbert Reul 35

Ergebnis. 36

4   Afghanistan ist nicht sicher – Abschiebungen aussetzen – Schutzbedarf der Geflüchteten anerkennen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/70. 36

Berivan Aymaz (GRÜNE) 36

Daniel Sieveke (CDU) 38

Ibrahim Yetim (SPD) 40

Stefan Lenzen (FDP) 40

Markus Wagner (AfD) 41

Minister Dr. Joachim Stamp. 42

Ergebnis. 43

(Namentliche Abstimmung
siehe Anlage)

5   Gesetz zur Stärkung der persönlichen Freiheit im Rahmen des Nichtraucherschutzes in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/73

erste Lesung. 43

Sven Werner Tritschler (AfD) 43

Peter Preuß (CDU) 44

Serdar Yüksel (SPD) 45

Susanne Schneider (FDP) 47

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 47

Minister Karl-Josef Laumann. 48

Ergebnis. 49

6   Vorsicht bei der Nutzung von Mautdaten für die Strafverfolgung – keine pauschale Kriminalisierung von Verkehrsteilnehmern!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/79. 49

Thomas Kutschaty (SPD) 49

Jens Kamieth (CDU) 50

Dr. Werner Pfeil (FDP) 51

Roger Beckamp (AfD) 52

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE) 53

Minister Peter Biesenbach. 54

Ergebnis. 55

7   Nur Kita-Rettungsprogramm wird Kita-Kollaps verhindern!

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/77. 55

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/141. 55

Jens Kamieth (CDU) 55

Marcel Hafke (FDP) 56

Dr. Dennis Maelzer (SPD) 57

Alexander Langguth (AfD) 59

Josefine Paul (GRÜNE) 59

Minister Dr. Joachim Stamp. 60

Marcel Hafke (FDP) 61

Ergebnis. 62

8   Wirksame Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen durch Automobilhersteller umsetzen und so anhaltend hohe Stickstoffdioxid-Emissionen reduzieren

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/68. 62

Johannes Remmel (GRÜNE) 62

Klaus Voussem (CDU) 63

Carsten Löcker (SPD) 65

Markus Diekhoff (FDP) 67

Dr. Christian Blex (AfD) 68

Minister Hendrik Wüst 69

Marcus Pretzell (AfD) 71

Johannes Remmel (GRÜNE) 72

Ergebnis. 73

9   Steuerentlastungen nicht mit der Gießkanne verteilen – Milliardenausfälle bei Kommunen und Ländern verhindern

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/84. 73

Ergebnis. 73

10 Wahl von Mitgliedern des Landtags in den Stiftungsrat der „Stiftung des Landes Nordrhein-Westfalen für Wohlfahrtspflege“

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU
Drucksache 17/89. 73

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/146. 73

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/148. 73

Ergebnis. 73

11 Wahl von Mitgliedern des Landtags in das Kuratorium der Stiftung „Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen“

Wahlvorschlag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/91. 73

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU
Drucksache 17/142. 73

Wahlvorschlag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/143. 73

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/145. 73

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/149. 73

Ergebnis. 73

Anlage  75

Namentliche Abstimmung zu TOP 4: Afghanistan ist nicht sicher – Abschiebungen aussetzen – Schutzbedarf der Geflüchteten anerkennen – Drucksache 17/70


Entschuldigt waren:

Andreas Becker (SPD)

Anja Butschkau (SPD)

Verena Schäffer (GRÜNE)

Barbara Steffens (GRÜNE)

 


Beginn: 10:02 Uhr

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu unserer heutigen, der 5. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich zwei Abgeordnete entschuldigt. Ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung weise ich darauf hin, dass, wie bereits gestern mitgeteilt, sich die Fraktionen darauf verständigt hatten, die Wahlvorschläge erstens für die Wahl von Mitgliedern des Landtags in den Stiftungsrat der Stiftung des Landes Nordrhein-Westfalen für Wohlfahrtspflege und zweitens für die Wahl von Mitgliedern des Landtags in das Kuratorium der Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen heute als Tagesordnungspunkte 10 und 11 aufzurufen. – Ich sehe hierzu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Wir treten nunmehr in die heutige Tagesordnung ein:

1   Aufstehen gegen links – Demokratie verteidigen – Extremisten bekämpfen

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/122

In Verbindung mit:

Beispielloses Ausmaß linksextremer Gewalt beim G20-Gipfel in Hamburg erschüttert ganz Deutschland — Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Nordrhein-Westfalen?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/123

Die Fraktion der AfD hat mit Schreiben vom 10. Juli 2017 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Auch die Fraktionen von CDU und FDP haben mit Schreiben vom 10. Juli 2017 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der AfD Herrn Markus Wagner das Wort. Bitte schön.

Markus Wagner (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesen menschenverachtenden Gewaltexzessen von links, wie sie sich anlässlich des G-20-Gipfels in Hamburg abgespielt haben, kann ich meine Rede nur mit einem ganz großen Dankeschön an die Polizisten – davon allein 2.200 aus NRW –, an die Feuerwehrleute sowie an die Ärzte und Sanitäter, die ihren Einsatz in Hamburg abgeleistet haben, beginnen.

(Beifall von der AfD)

Diese Männer und Frauen haben sich für die Werte unserer Verfassung aufgeopfert. Ja, sie haben sich aufopfern müssen; denn die politische Klasse aus alten Parteien und Medien hat den Extremismus von links stets verharmlost, entschuldigt oder geleugnet – und das, obschon die Zahlen, die der Verfassungsschutz liefert, seit Langem zeigen, dass sowohl die Anzahl der Personen wie auch der Gewalttaten von Rechts- und Linksextreminsten seit Jahren nahezu ähnlich sind.

Für Frau Schwesig als für die Fördergelder der Antieextremismusprävention zuständige SPD-Bundes­ministerin – zumindest war sie es – ist der Linksextremismus – ich zitiere – „ein aufgebauschtes Problem“. Verletzte Polizisten bis hin zum Mordversuch – ein aufgebauschtes Problem! Abgefackelte Autos und geplünderte Läden – ein aufgebauschtes Problem! Meine Damen und Herren, wer Leute wie Schwesig und Stegner in seinen Reihen hat, der ist, glaube ich, ein aufgebauschtes Problem, aber nicht der Linksextremismus.

(Beifall von der AfD)

Aber gut, die SPD hat ja auch kein Problem, mit der Linken zu koalieren oder sich von einer Partei, die laut Verfassungsschutz linksextreme Gruppen in sich beherbergt, tolerieren zu lassen. Das ist schon eine Schande für eine Partei in der Tradition Noskes, Eberts und Schumachers.

(Beifall von der AfD)

Selbst den Abgrenzungsbeschluss zur DKP-nahen VVN-BdA haben Sie, meine Damen und Herren, aufgehoben. Ich frage mich: Warum eigentlich? Wollen Sie sich von der extremen Linken etwa nicht mehr abgrenzen? Suchen Sie neue Bündnispartner?

Und die CDU hier im Hause? – Die letzte Peinlichkeit erlebten wir erst am 30. Juni. Zur Erinnerung: Wir hatten einen Antrag eingebracht, der gut begründet und rechtssicher verhindert hätte, dass Extremisten hart erarbeitete Steuergelder aus dem Haushalt erhalten. „Nicht nötig“, hieß es da von der CDU. Und Sie brachten es tatsächlich fertig, unsere Forderungen auch noch zu veralbern. Wie peinlich für die NRW-CDU, dass nur wenige Tage später CDU-Generalsekretär Peter Tauber genau unsere Forderung vor der Presse vertreten hat!

(Beifall von der AfD)

Wie links muss man als Landes-CDU eigentlich sein, wenn man selbst von Merkels glücklosem Paladin Tauber noch rechts überholt wird?

(Beifall von der AfD)

Herr Laschet hat einstmals sinngemäß gesagt, die NRW-CDU wolle nicht nach rechts rücken. Meine Damen und Herren, mir drängt sich der Eindruck auf, dass, wenn die NRW-CDU selbst einen großen Schritt nach rechts machen würde, sie immer noch nicht in der Mitte angekommen wäre.

(Beifall von der AfD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Das ist blamabel und ein Affront gegenüber allen Wählern in diesem Land, die sich einen echten Politikwechsel erhofft haben. Und glauben Sie ja nicht, die Wähler merken nicht, dass Ihre Aussagen zur Extremismusbekämpfung schon jetzt zur blanken Rhetorik zu verkommen drohen!

Das gilt übrigens auch für die FDP hier im Land.

(Zuruf von der FDP: Aha!)

Ihr Ex-Fraktionschef hat ja gleich ein ganzes Buch dazu vorgelegt. Dass die NRW-FDP die traditionell sozialliberale FDP in Hamburg noch einmal links überholen würde, das hätte ich mir nicht träumen lassen. Aber Ihre Kolleginnen und Kollegen aus der FDP-Fraktion in Hamburg haben unserem Antrag zur Demokratieklausel in Hamburg zugestimmt, und spätestens seit dem Wochenende wissen Sie auch, warum, meine Damen und Herren.

(Beifall von der AfD)

Das BKA hat in einer Studie 721 Präventionsprojekte gegen Extremismus untersucht. Ganze 4 % – ganze 4 %! – beschäftigten sich spezifisch mit dem Linksextremismus – bei, wie gesagt, praktisch gleichen Fallzahlen von links und von rechts. Wenn ein derartiges Missverhältnis bei der Bekämpfung der unterschiedlichen Extremismen in einem solchen Zeitraum besteht, dann ist dies politisch gewollt. Das, meine Damen und Herren, ist ein Skandal! Das ist ein Verrat am antitotalitären Grundkonsens unseres Landes. Das ist eine Verhöhnung der Opfer der linken Gewalt!

(Beifall von der AfD)

Hinzu kommt, in ganz Deutschland haben Sie – egal, ob CDU oder SPD – in den letzten Jahren Polizeistellen zulasten der Sicherheit der Bürger gestrichen.

Auch viele Medien machen bei der Vertuschung und Verharmlosung des Linksextremismus leider munter mit.

(Monika Düker [GRÜNE]: Quatsch!)

Sie schreiben von ominösen Aktivisten, von G-20-Gegnern und Demonstranten, anstatt zu sagen, um wen und was es sich da handelt: Linke, linke Extremisten, linke Gewalttäter. Weder CDU noch SPD haben die Rote Flora, die Rigaer Straße oder das Coney Island geschlossen. Letzteres bekommt sogar noch 200.000 € aus der Stadtkasse. Meine Damen und Herren, das ist wirklich verrückt. Das ist eine Förderung von Linksextremismus, die in unserem Lande tagtäglich stattfindet.

(Beifall von der AfD)

Und wo wir bei Verrücktheiten sind: In dem kurzen Zeitraum der etwas schärferen Grenzsicherung rund um G20 gingen mal eben 744 Festnahmen, 1.480 unerlaubte Aufenthalte und 4.300 unerlaubte Einreisen ins Netz. Aber weder CDU noch SPD und FDP –von den Grünen ganz zu schweigen – wollen die Grenzen sichern, wollen die Bevölkerung wirksam schützen.

Meine Damen und Herren, stellen wir uns einen Moment lang vor, die Gewalt, die Steine- und Gehwegplattenwerfer, ihre sogenannten Kulturzentren, ihre mit ihnen sympathisierenden NGOs und Parteien kämen nicht von links, sondern von Neonazis. Was da in unserem Land, und zwar völlig zu Recht, los wäre! Und bei linken Gewalttätern soll das anders sein?

Präsident André Kuper: Herr Kollege, die Redezeit bitte.

Markus Wagner (AfD): Ja, ich komme zum Ende. – Meine Damen und Herren, damit muss Schluss ein. Wir erwarten, dass die Landesregierung nicht nur mit wohlfeilen Worten auf der allgemeinen Stimmung gegen links surft, sondern jetzt endlich auch ganz konkret handelt, und sei es nur aus Angst vor der AfD. Legen wir diesen linken Sumpf endlich trocken! – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Golland das Wort.

Gregor Golland (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die linksextremistischen Gewaltexzesse, die sich am vergangenen Wochenende in Hamburg abgespielt haben, sind eine Schande für unser Land.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Den vielen Tausend Polizistinnen und Polizisten aus ganz Deutschland, viele davon auch aus Nordrhein-Westfalen, die rund um den G-20-Gipfel zum Einsatz gekommen sind, hat dieser Einsatz alles abverlangt. Sie sind an drei aufeinanderfolgenden Krawalltagen und -nächten nicht nur an ihre Leistungsgrenze gegangen, vielfach weit darüber hinaus. Ihnen allen möchte ich deshalb im Namen der CDU-Fraktion zunächst meinen tief empfundenen Dank aussprechen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zudem wünsche ich den fast 500 Beamtinnen und Beamten, die bei den Auseinandersetzungen mit marodierenden Gewalttätern aus dem linksautonomen Spektrum zum Teil schwere Verletzungen erlitten haben, von dieser Stelle aus eine möglichst schnelle und vollständige Genesung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das, was wir am vergangenen Wochenende in Hamburg gesehen haben, waren keine Proteste, das war eine Kriegserklärung an unseren Rechtsstaat und unsere freie und demokratische Gesellschaft.

(Zuruf von der AfD)

Als aufrechte und anständige Demokraten müssen wir uns dagegen wehren. In diesem Land muss der Kampf gegen den Linksextremismus und seine Helfer endlich auf die Tagesordnung gehoben werden.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Nach Hamburg kann und darf es in unserem Land kein „Weiter so!“ geben. Wir müssen uns dringend über Folgendes unterhalten: die Größe und das Ausmaß des Problems linker gewalttätiger Strukturen und Netzwerke, die finanzielle Förderung dieser Strukturen, das Verständnis und die Relativierung dieser Gesinnung und Taten durch Teile der Medien und Politik sowie – das sage ich mit allem Respekt vor unserer Justiz – auch die Verwaltungsgerichte, die solche Aufmärsche und Protestcamps genehmigen, anstatt sie wirksam zu unterbinden.

Hier ist zu viel in Schieflage geraten. Der Rechtsstaat muss jetzt mit Recht und Gesetz entschieden antworten. Vieles muss dabei auf den Prüfstand.

Es kann beispielsweise nicht sein, dass deutschlandweit noch immer Häuser besetzt gehalten werden und der Rechtsstaat dagegen nichts tut. Diese Rückzugs- und Rekrutierungsorte für Extremisten müssen in Gänze und im gesamten Bundesgebiet geräumt werden. Es darf in Deutschland keine rechtsfreien Räume geben – zu keiner Zeit und an keinem Ort!

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Das Gewaltmonopol des Staates muss überall und uneingeschränkt gelten und konsequent durchgesetzt werden.

Für meine Fraktion bleibt es dabei: Wer vermummt und bewaffnet Straftaten plant und begeht, wer ganze Straßenzüge verwüstet, Geschäfte plündert und Autos in Brand setzt, verfassungsfeindliche Parolen skandiert, unsere Polizistinnen und Polizisten angreift, zum Teil schwer verletzt und fremdes Eigentum zerstört, ist kein Aktivist, sondern ein Radikaler, ein Extremist und ein Krimineller.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

– Es freut mich, dass es dazu vereinzelt Beifall von den Grünen gibt. Finde ich wirklich gut.

Wirklich leid bin ich in diesem Zusammenhang übrigens die ständigen Rufe nach einer Differenzierung zwischen dem Schwarzen Block und denen, die mit ihm Seit‘ an Seit‘ mitmarschieren.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wer den Aufruf zur Welcome-to-Hell-Demonstration liest – eigentlich reicht schon der Titel in seiner militanten Rhetorik –, der kann unschwer erkennen, dass exakt das, was passiert ist, geplant und gewollt war. Wer an einer solchen Veranstaltung teilnimmt, kann deshalb im Nachhinein nicht ernsthaft behaupten, dass er Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung nicht einkalkuliere. Im Übrigen würde – völlig zu Recht – auch niemand eine solche Differenzierung vornehmen, wenn entsprechende Aufzüge nicht von Links-, sondern von Rechtsradikalen durchgeführt werden würden.

Was in Hamburg geschehen ist, ist die Konsequenz daraus, dass weite Teile des politischen Spektrums bei links- und rechtsextremistischer Gewalt mit zweierlei Maß messen. Ein Paradebeispiel dafür ist die ehemalige SPD-Bundesministerin Manuela Schwesig, die Linksextremismus vor Kurzem bekanntlich noch als – ich zitiere – „aufgebauschtes Problem“ bezeichnete.

(Vereinzelt Beifall von der AfD – Zurufe von der AfD: Richtig! Habe ich schon mal gehört!)

Linke Gesinnung und Gewalt wird oft moralisch überhöht, romantisiert und als etwas Besseres dargestellt. Es geht ja um die vermeintlich richtige und gute Sache. Das ist grundfalsch.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP und der AfD)

Entsprechende Reaktionen konnte man nach den G-20-Krawallen wieder beobachten. Grüne und Linke gaben wie üblich der Polizei die Schuld an den Vorkommnissen. Ich zitiere:

„Leider hat das Vorgehen der Einsatzleitung der Hamburger Polizei zur Eskalation der ohnehin angespannten Lage erheblich beigetragen“,

so die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Deutschen Bundestag.

Vertreter der Grünen und der Linken sind stets in vorderster Front, die Polizei zu beschuldigen, sie habe überzogen oder unverhältnismäßig reagiert. Kommt es bei einer Demonstration oder bei einer Hausbesetzung zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, steht sofort die Polizei in der Kritik, weil sie nicht genügend deeskaliere, sondern ihre übermäßige Präsenz provoziere und sie damit die Gewalt erst heraufbeschworen habe – eine absurde Verdrehung von Ursache und Wirkung.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP und der AfD)

Die Polizei vertritt dabei uns alle. Sie ist Ausdruck des demokratischen Rechtsstaats und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sie ist unser Freund, Helfer und Beschützer.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, unter jeder Uniform steckt auch immer ein Mensch. Als stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion sage ich diesen Verharmlosern und Schönrednern linksextremistischer Gewalt ganz deutlich: In Deutschland bestimmt nicht der linksradikale Mob, wo Gipfeltreffen und politische Veranstaltungen abgehalten werden, zumal wir alle froh sein sollten, wenn sich die Vertreter der wichtigsten Nationen, die mächtigsten Männer und Frauen der Welt regelmäßig treffen und an einem Tisch sitzen. Schließlich können und müssen wir globale Probleme auch global und gemeinsam lösen. Wer miteinander redet, schießt nicht aufeinander, sondern kann zu einer Verbesserung für alle Menschen beitragen.

Was ist denn die Alternative? Dass jedes Land für sich nur seine Interessen durchsetzen will? Wie groß das Ausmaß der politischen Blindheit auf dem linken Auge sein kann, hat am Wochenende zudem der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Ralf Stegner einmal mehr verdeutlicht, der per Twitter verkündete, dass Gewalt per Definition nur rechts sein könne.

Präsident André Kuper: Herr Kollege, die Redezeit.

Gregor Golland (CDU): Ich komme jetzt zum Ende, Herr Präsident. – Wer so redet, dem sind offenbar nicht nur die Opfer gleichgültig, sondern der will auch gezielt den Eindruck erwecken, dass es einen schlechten Extremismus gebe, nämlich den Rechtsextremismus, was wahr ist, und einen guten und irgendwie gearteten besseren Extremismus, nämlich den Linksextremismus. Dem müssen alle demokratischen Kräfte und unsere Zivilgesellschaft entschieden entgegentreten.

Um es kurz und bündig zu sagen: Jeder Extremist ist Mist! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall von der CDU – Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Lürbke das Wort. Bitte sehr.

Marc Lürbke*) (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte es an den Anfang stellen, weil es ganz besonders wichtig ist: Unser Dank gilt den vielen Polizisten, den Feuerwehrleuten, den Mitarbeitern von Hilfsorganisationen und allen anderen Kräften, die sich in Hamburg bis zum Ende ihrer Kräfte eingesetzt und den Kopf zum Schutz unserer Demokratie hingehalten haben. Sie alle verdienen unseren Dank, unsere Anerkennung und unseren Respekt.

(Allgemeiner Beifall)

Dass bei den Gewaltexzessen fast 500 Polizeibeamtinnen und -beamte, davon zwei aus meiner Heimatstadt Paderborn, verletzt worden sind, ist im Grunde unfassbar. Das ist wirklich beschämend für unser Land.

Wir wünschen – ich spreche sicherlich im Namen aller hier Anwesenden – allen verletzten Beamtinnen und Beamten eine baldige und schnelle Genesung.

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Exzess in Hamburg war einer mit Ansage. „Willkommen in der Hölle“ war das Motto einer höchst problematischen Versammlung, und dieses Motto hat man dann auch brutal verwirklicht. Irre Gewaltfanatiker wollten Anarchie praktizieren und hatten offenbar Freude daran, Polizisten durch den Wurf von Gehwegplatten vom Hausdach, den Beschuss mit Stahlkugeln oder durch Brandsätze schwer zu verletzen. Ich finde das krank und abscheulich. Das zeigt eine erschreckende Verrohung und den Verlust von Hemmschwellen. Dem müssen wir uns hier entschieden entgegenstellen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Unser Respekt gilt all denjenigen, den vielen Tausenden Menschen, die in Hamburg friedlich und bunt ihre Meinung kundgetan haben. Unsere Verachtung gilt den Straftätern, die Hamburg als Bühne für ihre Gewaltexzesse und Zerstörungswut und für ihren Hass auf Staat und System missbraucht haben. Wer solche Taten wie die in Hamburg begeht, ist kein Aktivist, sondern ein gewalttätiger Linksextremist. Das sollten wir, meine Damen und Herren, tatsächlich auch genauso benennen. Dafür müssen wir endlich einmal klare Worte finden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deshalb kann man den Politikern von den Linken, aber auch von den Grünen und der SPD, die nun herumschwadronieren, dass es nicht Linke waren, Linke und Gewalt sich im Grunde ausschließen und die Polizei die Eskalation mit zu verantworten habe, nur deutlich sagen: Wer als Politiker daran mitwirkt, linken Protest unter Rechtsbruch zu verharmlosen oder ihn für bestimmte Ziele als akzeptabel ansieht, trägt eine Mitverantwortung dafür, wenn solche Kräfte immer radikaler und brutaler agieren und sich dabei legitimiert oder im Recht fühlen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wer Polizeibeamten, die ihr Leben riskiert haben, um bürgerkriegsähnliche Zustände zu beenden und Täter festzusetzen, nun vorwirft, zu hart vorgegangen zu sein, der ist – mit Verlaub – nicht mehr ganz frisch.

(Beifall von der FDP und der CDU)

In den Uniformen stecken doch Väter, Mütter, Töchter und Söhne. Wenn Polizisten um ihr Augenlicht fürchten müssen, weil Idioten sie mit Pyrotechnik bewerfen, oder andere bleibende Schäden drohen, dann muss der Staat gegen seine Feinde von links klare Kante zeigen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, wenn es um ein Zeichen gegen den Rechtsextremismus geht, sind Sie sofort dabei. Geht es gegen links, halten Sie sich vornehm zurück. Ich bin deshalb gespannt, wie Sie sich verhalten und ob Sie hier und heute ein klares Bekenntnis zum konsequenten Kampf gegen Linksextremismus abgeben.

(Beifall von der FDP)

Für eine solche Gewalt wie in Hamburg gibt es kein Recht. Für eine solche Gewalt gibt es kein legitimes Ziel. Für eine solche Gewalt gibt es auch keine Rechtfertigung. Für eine solche Gewalt und deren Akteure gibt es im Grunde nur eine Antwort, nämlich ein konsequentes Durchgreifen auch mit einer niedrigen Eingreifschwelle, eine unnachgiebige Verfolgung von Taten und harte und schnelle Sanktionen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Nach Hamburg – der Kollege Golland hat es gesagt – kann es kein „Weiter so!“ im sorglosen Umgang mit Linksextremismus geben. Entsetzen und Fassungslosigkeit über die „Waldexzesse“ dürfen nicht das einzige sein, sondern wir müssen sehr genau darauf achten, was wir nun tun. Es kann nicht sein, dass es noch Häuser gibt, die als Rückzugsorte, als Rekrutierungsorte für Linksextremisten dienen, und der Rechtsstaat zuschaut.

(Iris Dworeck-Danielowski [AfD]: Die gibt es doch in jeder Stadt!)

– Ja, genau, diese Punkte müssen in den Fokus. Das muss tatsächlich auf den Prüfstand. Deswegen müssen wir solche Täter und den Linksextremismus mit rechtsstaatlichen Mitteln überführen und bestrafen.

Fakt ist aber: Diese Ausschreitungen waren organisiert und keinesfalls spontan. Diese Gewalt waren geplante Aktionen gegen die Polizei, und sie war keine Reaktion auf den Polizeieinsatz.

Mich ärgert es maßlos, wenn jetzt aus verschiedenen Lagern der Versuch gestartet wird, die Scheinwerfer nicht auf diejenigen zu richten, die ursächlich dafür verantwortlich sind – die Linksextremisten, die Täter –, und dann auch noch Vorwürfe gegenüber den Einsatzkräften erhoben werden. Von den Grünen kennen wir das schon; ich erinnere mich an die Silvesternacht und Simone Peter. Man erlebt aber auch immer wieder, dass Politiker der Grünen und Linken bei Demonstrationen versuchen, die polizeiliche Festsetzung des linken Spektrums durch Einflussnahme auf die Polizei zu beenden.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Auf welchen Demonstrationen sind Sie unterwegs? Welche Grünen sind das denn?)

Es ist nur Gedanke, aber vielleicht sollten sich die Politiker, die jetzt hier schwadronieren, das nächste Mal bei einer Demonstration oder bei einem Großeinsatz einmal vor die Polizeikette stellen. Machen Sie das einmal bei der nächsten Demonstration!

(Beifall von der FDP, der CDU und der AfD)

Und wenn Ihnen dann Steine und Feuer entgegenschlagen, dann sollten Sie nicht hinter die Polizeibeamten fliehen, sondern stehenbleiben. Dann wüssten Sie auch, was wir in diesem Staat unseren Polizeibeamten zumuten.

(Beifall von der FDP, der CDU und der AfD)

Sie würden sich dann hinter sie stellen. Sie würden dann an der Seite stehen. Und dann würden Sie unseren Polizeibeamten auch einmal den Rücken stärken, anstatt ihnen immer nur in den Rücken zu fallen.

Meine Damen und Herren, wir als NRW-Koalition stehen glasklar an der Seite unter Beamtinnen und Beamten. Wir haben in unserem Koalitionsvertrag detailliert dargestellt, dass wir unsere Polizeibeamten, unsere Polizei in Nordrhein-Westfalen sachlich, personell und bestmöglich ausstatten wollen.

Präsident André Kuper: Herr Kollege, die Redezeit.

Marc Lürbke (FDP): Hamburg ist wieder einmal der beste Beweis dafür, wie dringend notwendig das ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP, der CDU und der AfD)

Präsident André Kuper: Für die SPD erteile ich dem Abgeordneten Kutschaty das Wort.

Thomas Kutschaty (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hamburg hat in den letzten Tagen sehr schreckliche und sehr schlimme Tage erlebt. Zunächst möchte auch ich im Namen meiner Fraktion und sicherlich auch im Namen des gesamten Hauses den vielen Einsatzkräften der Polizei, den Mitarbeitern der Justiz, der Feuerwehr, des technischen Hilfswerks, den Mitarbeitern der Entsorgungsbetriebe und vielen Hamburger Bürgerinnen und Bürgern ein herzliches Dankeschön für ihr großartiges Engagement beim Einsatz und beim Aufräumen dieser Stadt sagen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich möchte aber auch unser Mitgefühl, unsere Anteilnahme und unsere Solidarität in Richtung derjenigen zum Ausdruck bringen, die verletzt wurden, deren Eigentum beschädigt wurde und deren Existenzen vielleicht sogar zerstört wurden. Allen, die durch die Ereignisse verletzt wurden, wünschen wir schnelle und vollständige Genesung.

Ich hoffe, dass noch vor der intensiven politischen Aufarbeitung schnell unbürokratische Hilfe für die Betroffenen erfolgt, und sehe das auch als Konsens aller Demokraten. Fernab aller Unterschiede bitte ich darum – da bin ich auch guter Dinge –, dass wir in dieser Hinsicht ein gemeinsames Signal aus Nordrhein-Westfalen an die Bürgerinnen und Bürger in Hamburg senden, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Uns alle haben die Bilder aus Hamburg entsetzt. Dabei war es vielleicht noch nicht einmal die Masse an Gewalttätern, sondern das taktische Vorgehen, das Kalkül und der Organisationsgrad, welcher dahintersteckte. Täter müssen ermittelt und verfolgt werden. Ich bin mir sicher, dass die Justiz auch die entsprechenden Entscheidungen treffen wird. Da bedarf es keiner Richterschelte bei den Verwaltungsgerichten. Die Justiz wird ihre Arbeit in Hamburg sicherlich erledigen.

Es handelt sich – das muss man, glaube ich, auch sagen und kann man festhalten – bei den Täter jedoch nicht um politische Idealisten, sondern ganz klar und deutlich um Straftäter, die fremdes Eigentum zerstört und andere Menschen in Gefahr gebracht haben.

(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP)

Dieser Mob hat das hohe verfassungsrechtliche Gut der Demonstrationsfreiheit für seine Zwecke missbraucht. Dass die Zerstörungswut sich nicht gegen das vermeintlich bekämpfte Establishment, sondern gegen Menschen gerichtet hat, die ganz normale Hamburgerinnen und Hamburger sind, die teilweise selbst Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen, die sich vielleicht eine kleine, bescheidene Existenz aufgebaut haben, anstatt das vermeintliche Kapital zu bekämpfen, wie es die Linke eigentlich tun sollte, und dass die Randalierer anschließend ihre Taten mit Smartphones fotografiert haben und bei McDonald’s essen gewesen sind, zeigt doch, dass hier an der Motivlage ernsthaft zu zweifeln ist – und am Intellekt der Randalierer ebenso, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Denjenigen, die sich wirklich voller Überzeugung friedlich und engagiert für eine bessere Gesellschaft, für ein friedvolles Miteinander und für Armutsbekämpfung einsetzen, haben diese Chaoten in Hamburg einen Bärendienst erwiesen. Denn die Bilder des friedlichen Protests gingen in denen von brennenden Autos, eines Steine werfenden Mobs und geplünderter Geschäfte unter.

Auch über die Ergebnisse des Gipfels spricht heute so gut wie keiner in unserer Gesellschaft. Auch diese Ergebnisse gingen in den Bildern von blindem Hass, Wut und Zerstörung unter. Dabei sind es eigentlich wichtige Themen gewesen, die auf diesem Gipfel besprochen wurden: Klimaschutz, Handel, Afrika, Jugendarbeitslosigkeit, Migration, um nur einige Beispiele zu nennen.

Meine Damen und Herren, einer der vor uns liegenden Anträge wird mit „Aufstehen gegen links“ betitelt. Daher möchte ich an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen: Diejenigen, die sich friedlich politisch engagieren und sich zur friedlichen politischen Linken zählen – übrigens eine Bewegung, die sich der Tradition der Französischen Revolution mit ihren Idealen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verpflichtet sieht –,

(Zurufe von der AfD)

müssen sich für den Terror der Fanatiker in Hamburg nicht rechtfertigen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD: Doch! Gerade die!)

Verstehen Sie mich nicht falsch: Das ist keine Rechtfertigung der Taten in Hamburg.

(Zurufe von der CDU und der AfD: Doch! Genau das ist es!)

Gegen jeden Angriff auf unsere verfassungsmäßige Ordnung müssen wir vorgehen. Ich habe das übrigens in diesem Hause vor zwei Wochen schon einmal betont: Der Kampf gegen Extremismus jeglicher Art ist Konsens aller demokratischen Parteien in diesem Hause.

(Markus Wagner [AfD]: Dann tun Sie endlich was!)

Ich habe bei meinen Vorrednern der Regierungsfraktionen ein bisschen die Frage vermisst: Und nun? Wie soll es jetzt weitergehen, insbesondere im Hinblick auf das, was wir hier in Nordrhein-Westfalen zu tun haben?

Meine Damen und Herren, wir müssen den Menschen das Vertrauen in unseren Rechtsstaat geben, dass der Rechtstaat sie schützen kann und schützen wird. Deswegen dürfen sich solche Bilder nicht wiederholen. Wir müssen den Kampf gegen Extremismus aus jeder Richtung konsequent weiter fortführen. Wer Steine, Flaschen und Brandsätze auf andere Menschen wirft, der darf niemals im Recht sein.

Daher müssen wir auch überlegen und durchaus kritisch nachfragen: Wie laufen unsere Programme? Was macht Nordrhein-Westfalen? Ich habe von den Regierungsfraktionen noch nichts dazu gehört, was sie hier tun möchten. Wir müssen überlegen, Aussteigerprogramme und Präventionsprogramme vielleicht auch in diesem Bereich zu intensivieren.

(Bodo Löttgen [CDU]: Was haben Sie denn in den letzten sieben Jahren getan?)

Dabei, meine Damen und Herren, dürfen wir aber nicht der Versuchung verfallen, Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht zu stellen. Auch wenn die Täter maßlos agieren, muss der Staat verhältnismäßig reagieren und handeln.

(Bodo Löttgen [CDU]: Sie möchten doch lieber Polizisten kennzeichnen!)

Was ist neben der Aufklärungsarbeit, die sicherlich vordringlich auch eine Aufgabe der Hamburger Justiz sein wird, noch zu tun, um eine solche Wiederholung zu vermeiden? Wir werden über eine europäische Extremistendatei diskutieren. Das kann sicherlich eine hilfreiche Diskussion sein.

Ich danke den Regierungsfraktionen ausdrücklich für die Beantragung dieser Aktuellen Stunde, bin jedoch enttäuscht über Ihre bisherigen Redebeiträge.

(Zurufe von der CDU, der FDP und der AfD: Oh!)

Auch wenn Ihre Absicht dafür klar war und Sie Ihre Erwartungen sicherlich erfüllt haben, interessiert uns in dieser Debatte doch noch deutlich mehr. Uns interessiert zum Beispiel auch, welche Erkenntnisse hier in Nordrhein-Westfalen im Vorfeld vorgelegen haben. Deswegen frage ich den Innenminister: Sehr geehrter Herr Reul, welche Erkenntnisse haben Sie? Wie viele Gewalttäter stammen aus Nordrhein-Westfalen?

Wir haben gehört, dass viele Gewalttäter aus dem Ausland eingereist sind. Wie viele sind über Nordrhein-Westfalen nach Hamburg eingereist? Welche Erkenntnisse hatten nordrhein-westfälische Behörden über mögliche geplante Ausschreitungen in Hamburg?

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Standen die dortigen Gewalttäter in Hamburg, die aus Nordrhein-Westfalen stammen, unter besonderer nordrhein-westfälischer Beobachtung, sehr geehrter Herr Reul? Und wenn ja: Gab es Bemühungen, solche Personen an einer Teilnahme zu hindern?

Mir ist natürlich klar, dass meine Vorredner aus den Regierungsfraktionen diese Fragen nicht beantworten können. Insofern sehe ich Ihren Antworten mit Spannung entgegen, sehr geehrter Herr Reul. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Marcus Pretzell [AfD]: Sie haben wohl innerhalb weniger Wochen den Überblick verloren!)

Präsident André Kuper: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Kollegin Düker das Wort.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer Steine werfend, plündernd und brandschatzend durch Straßen marodiert, kann sich in einem demokratischen Rechtsstaat nicht und niemals auf politische Ziele berufen.

(Zurufe von der AfD: Joschka Fischer! Jutta Ditfurth!)

Bei den Randalierern von Hamburg wurde Gewalt zum Selbstzweck. Das ist schlicht kriminell. Das ist nicht mehr politisch. Und das hat in einem Rechtsstaat selbstverständlich strafrechtliche Konsequenzen. Das ist auch gut so.

Wer wie die Polizei in Hamburg Leib und Leben riskiert, um die Bevölkerung vor dieser Gewalt zu schützen, hat unseren Dank und unseren Respekt verdient. Beides spreche ich auch für meine Fraktion den Polizistinnen und Polizisten, die in Hamburg als Einsatzkräfte ihren Dienst versehen haben, von Herzen aus.

(Beifall von allen Fraktionen)

Aber richtig ist: Die Zahl der Straftaten im linksextremistischen Spektrum steigt, auch in NRW. Auch in NRW werden wir uns damit beschäftigen müssen.

(Zuruf von der AfD: Ist nicht wahr!)

Die Gewaltbereitschaft in linken autonomen Gruppen nimmt zu. Die Militanz ist dort ein Teil des Denkens, gekennzeichnet vom Hass auf staatliche Institutionen, zum Beispiel die Polizei.

Aus meiner Sicht reicht es aber nicht aus, hier in wohlfeilen Reden und per Twitter und Facebook das Gewaltmonopol des Staates zu postulieren und sich pflichtschuldigst zu empören.

Nein, linksextremistische Gewalt ist, genauso wie andere extremistische Gewalt, nicht nur ein Fall für Verfassungsschutz und Polizei. Auch diese Gewalt ist selbstverständlich ein Fall für die Zivilgesellschaft; denn Äußerungen wie die des aus der linken Szene stammenden Anwalts von der Roten Flora, man hätte sich für Zerstörungen und Randale nicht das Schanzenviertel, sondern besser die Villenviertel aussuchen sollen, zeugen von einem zynisch gestörten Verhältnis zur Gewalt. Damit wird Straftätern das Gefühl gesellschaftlicher Akzeptanz gegeben.

(Beifall von allen Fraktionen)

Das ist letztlich Zündstoff für radikale Gruppen. Mitverantwortlich sind eben auch die, die Gewalttäter in ihren Reihen dulden, Gewalt relativieren und so Extremismus und Gewalt gesellschaftsfähig machen.

Ein Rechtsstaat mit einer Demokratie, die Freiheit schützt und gewährt, verlangt die Verantwortung des Einzelnen. Sie kann eben nicht immer nur an den Staat delegiert werden. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Tausende von friedlichen Demonstranten in Hamburg im besten Sinne demonstriert. All denen haben diese Gewalttäter einen Bärendienst erwiesen. Auch das ist zu verurteilen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Natürlich dürfen wir uns – das ist die andere Seite der Medaille, die heute auch genannt werden muss – nicht von Gewalttätern unsere Veranstaltungsorte diktieren lassen. Die Veranstaltungen sollen auch nicht abgeschottet von legitimem Protest irgendwo weit draußen auf der grünen Wiese stattfinden. Aber dieses Totschlagargument darf doch nicht das rationale Abwägen der Beherrschbarkeit und Risiken verhindern.

Genau das hat aus meiner Sicht im Vorfeld auch gefehlt; denn wenn man sich schon dafür entscheidet, die Veranstaltung am Wallfahrtsort linker Gewalttäter in Deutschland durchzuführen, sollte man vorher gut prüfen, ob man den Schutz der Bevölkerung vollständig gewährleisten kann. Selbstverständlich ist das keine Kapitulation, sondern eine rationale Abwägung, ob das alles noch verhältnismäßig ist. Denn man wusste ja – ich nehme an, dass man das auch in NRW wusste –, wer sich hier überall aufmacht und wer was an Gewalttaten vorbereitet.

Dazu möchte ich einige Zitate vortragen, bevor Herr Lürbke wieder kommt und hier auf die Linken und die Grünen zeigt.

Jan Reinecke, Bund Deutscher Kriminalbeamter, Landesverband Hamburg:

„Die Polizei ist verheizt worden … die Politik hat uns mit offenem Visier ins Messer laufen lassen. … Wir hatten eine Herausforderung zu bewältigen, die nicht zu bewältigen war.“

Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter, auch in diesem Haus gut bekannt, erklärte im Deutschlandfunk:

„Wir haben im Vorfeld darauf hingewiesen, dass in Hamburg dieser Gipfel unter diesen Rahmenbedingungen so nicht zu schützen ist mit der besten Polizei.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen ist es nicht nur legitim, sondern sogar notwendig, bei der Aufarbeitung dieses Einsatzes Fragen zu stellen – vor allen Dingen folgende Fragen:

Waren die Einsatzziele, nämlich erstens den Gipfel durchführen zu können, zweitens den Schutz der Bevölkerung gewährleisten zu können und drittens die Versammlungsfreiheit zu schützen, unter diesen Rahmenbedingungen überhaupt erreichbar? Hat man nicht bei den Einsatzzielen durchaus priorisiert und gesagt, das seine sei wichtiger als das andere?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Diese Fragen müssen in einem Rechtsstaat erlaubt sein. Herr Lürbke, diese Fragen haben auch Sie sieben Jahre lang im Innenausschuss zu Recht immer mal wieder gestellt.

Es waren Versammlungsverbotszonen von über 38 km2 ausgewiesen. Wir alle, die wir seit Langem im Innenausschuss sind, wissen doch, wie schwer solche Zonen vor randalierenden Einzelgruppen geschützt werden können. Konnte man diese riesigen Bereiche überhaupt schützen, auch mit 20.000 Einsatzkräften? Jeder wusste doch, wie die Strategie der linken Randalierer ist, nämlich in Einzelgruppen dort einzudringen und dann Gewalttaten zu verüben.

Und – das ist heute noch gar nicht angesprochen worden; auch diese Frage ist legitim –: Wurde die Pressefreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt? Selbstverständlich dürfen wir in einem Rechtsstaat diese Frage stellen. Das tun Journalistenverbände eben auch.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Reporter ohne Grenzen, der Deutsche Journalisten-Verband und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union fragen, warum neun Journalisten nachträglich, also nach erfolgter Sicherheitsüberprüfung, ihre Akkreditierung entzogen wurde. Worauf beruhten diese Sicherheitsbedenken denn nun? Datenschützer kritisieren zu Recht, dass schwarze Listen mit persönlichen Daten von Journalisten offen kursierten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Fragen zu stellen, ist nicht nur legitim, sondern notwendig. Das haben wir alle miteinander in unserem Rechtsstaat so, wie es sich gehört, auch in diesem Innenausschuss immer wieder gemacht. Diese Aufarbeitung halte ich auch für nötig.

Die Bilanz des Gipfels zeigt, dass leider viele Verlierer produziert wurden. Auch deswegen müssen wir diese Fragen stellen. Es geht um fast 500 verletzte Polizisten, Anwohner, die in Angst und Schrecken in einem Ausnahmezustand gelebt haben und nicht geschützt werden konnten, Geschäfts- und Gewerbetreibende, friedliche Demonstranten, deren Protest nicht wahrgenommen wurde.

Und last, but not least – ein letzter Gedanke, der mir sehr wichtig ist – die Menschen in den Ländern, die die fehlende Handlungsfähigkeit dieser G20 in Sachen fairer Handel oder Klimaschutz sehr schlimm zu spüren bekommen und unter Umständen ihre Heimat auch deswegen werden verlassen müssen, weil sie in ihren Ländern keine Lebensgrundlagen mehr haben.

Ja, die globalisierte Welt verlangt Kommunikation. Sie verlangt auch das Ringen um ganz kleine Schritte. Das sind wir auch den Menschen in diesen Ländern schuldig. Selbstverständlich müssen diese Gespräche stattfinden.

Nicht zuletzt muss man sich aber auch die Frage nach alternativen Formaten stellen. Man muss überlegen, ob diese Gigantomanie, die sich da in Hamburg abgespielt hat, das Ergebnis rechtfertigt, das dabei herausgekommen ist, oder ob es nicht andere Formate geben muss. Diese Frage ist ebenfalls wichtig, um hier zu besseren Ergebnissen zu kommen.

Schlussendlich muss man auch darüber diskutieren, ob nicht die UNO in New York hierfür der bessere Ort wäre.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Auch diese Fragen werden wir im Rahmen der Aufarbeitung dieses G-20-Gipfels zu diskutieren haben. Und das ist sehr wohl sehr legitim, Herr Löttgen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Minister Reul das Wort.

Herbert Reul, Minister des Innern: Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete des Landtages! Am Wochenende habe ich, als es in Hamburg losging, den Einsatzführer der nordrhein-westfälischen Bereitschaftspolizei angerufen und mich erkundigt, wie es geht. Ich habe dann von ihm gehört: So etwas habe ich in meinem ganzen Berufsleben noch nicht erlebt. – Ab diesem Moment war ich zutiefst unsicher, nervös, aufgeregt, erschrocken.

Das, was da in Hamburg passiert ist – diese Gewalt gegen Menschen, gegen Polizisten, gegen Sachen –, hat mit Versammlungsfreiheit und freier Meinungsäußerung überhaupt nichts mehr zu tun. Gar nichts mehr!

(Beifall von der CDU, der FDP, der AfD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Genauso klar ist: Das sind beides hohe Rechtsgüter. Sie werden mich immer so erleben, dass ich sie verteidigen werde. Es geht wirklich darum, diese Rechtsgüter zu verteidigen.

Aber darum ging es in Hamburg nicht. Das war keine politische Botschaft, die da gesandt wurde, sondern ein von langer Hand geplantes und nicht etwa zufälliges Ereignis, sondern Chaos – mit dem Ziel: Die Stadt sollte brennen. Menschenleben waren egal.

Darum verlangt das auch eine andere Bewertung. Das ist kriminell. Das ist gewalttätig. Das wird auf das Schärfste verurteilt. Da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, fernab aller politischen Unterschiede: Natürlich haben Menschen ein Recht, zu demonstrieren. Ich habe es eben gesagt. Da gibt es überhaupt nichts. Es gibt aber neben dem Recht auf Demonstration auch die Pflicht, wenn man demonstriert, sich von denen abzusetzen, die da Chaos verbreiten wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Der Kollege hat ja eben das Motto der Demonstration vorgetragen: Welcome to Hell. – Wenn man diese Überschrift der Hamburger Demonstrationen hört, finde ich das auch schon ein Stück beunruhigend. Da kann man klügere Titel wählen, glaube ich.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Wer hat das denn genehmigt?)

Dann wird, wie eine Journalistin berichtet hat, durch das Mikrofon gerufen: „Kampf gegen das Schweinesystem“; „wir sollten ein unversöhnliches Zeichen des Widerstandes setzen“. – Das ist eine Sprache, die zu weit geht.

Eines will ich schon deutlich machen: Verantwortlich sind die Gewalttäter. Aber eine Mitverantwortung tragen auch diejenigen, die sich nicht abgrenzen, die sich nicht distanzieren. Diese Menschen haben auch eine Pflicht, sich darum zu kümmern. Ich bitte, auch das zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Es geht in dieser Aktuellen Stunde aber nicht nur darum, zu beschreiben, was war – das ist auch nicht mehr zu ändern –, sondern auch darum, zu überlegen, was man nun tun kann.

Ich will mit aller Vorsicht versuchen, diese Frage zu beantworten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es schon ein bisschen anmaßend, jetzt eine Lösung aus dem Ärmel zu schütteln und zu sagen: Das hätte man alles anders machen können. – Im Moment gibt es ja ein Menge Schlaumeier, die das alles wissen und gewusst haben. Da will ich mich nicht einreihen. Ich finde, dass wir eine gründliche Analyse brauchen. Sie wird auch gerade erstellt. Es wird untersucht, was im Detail war, wo es gut gelaufen ist und was hätte besser laufen können.

Auf Ihren Hinweis, Frau Kollegin, man hätte die Informationen besser austauschen müssen, möchte ich entgegnen, dass wir dann auch in Ruhe darüber nachdenken sollten, wie wir insgesamt mit dem Datenaustausch umgehen. Ich habe doch den Eindruck, dass wir aus der Vergangenheit noch einige Defizite haben, die aufgearbeitet werden müssen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Kurz nach dem Gipfel wissen wir noch lange nicht alles. Deswegen will ich nur den Versuch einer Antwort machen.

Wichtig ist erst einmal – das ist klar –, dass man Extremismus, egal aus welcher Richtung, nicht unterschiedlich beurteilen darf.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Rechts, links oder islamistisch – das ist mir vollkommen egal. Wenn jemand Gewalt anwendet, hat der Staat sich darum zu kümmern, und zwar mit geballter Kraft.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben in Nordrhein-Westfalen – Gott sei Dank, glücklicherweise – keine linksautonomen Hochburgen wie andere Teile Deutschlands. Wir haben annähernd – es ist eben nach Zahlen gefragt worden – 1.000 Linksextremisten, die als gewaltorientiert gelten. Das ist aber auch keine kleine Hausnummer – zumal uns Erkenntnisse vorlagen, dass bis zu 800 von ihnen nach Hamburg reisen würden. Die Szene war darauf vorbereitet, den Gipfel unter Einsatz von Gewalt zu stören.

Deshalb – klare Antwort – sind die Kenntnisse, die wir hatten, von unseren Sicherheitsbehörden im Vorfeld weitergegeben worden und intensiv ausgetauscht worden. Alle Maßnahmen sind ergriffen worden. Auch ich habe Unterschriften geleistet, damit die Polizei und die Sicherheitsbehörden in dieser Frage handlungsfähig waren und entsprechend vorgehen konnten.

40 Vorbereitungstreffen hat es in Nordrhein-Westfalen gegeben. Sie waren bekannt und wurden beobachtet. Die Informationen wurden alle weitergegeben.

Trotzdem bleibe ich dabei: Man sollte vorsichtig sein mit einer schnellen Beurteilung, solange man es nicht weiß.

Es war eine große Zahl von ausländischen Linksextremisten angereist; das stimmt. Das heißt: Es ist ein europäisches Phänomen und nicht nur ein nationales. Islamismus, Linksextremismus und Rechtsextremismus machen nicht an Grenzen halt.

Wir brauchen mehr europäische Zusammenarbeit und Datenaustausch – dafür bedarf es zunächst einer Datenerfassung –, um in Zukunft darauf reagieren zu können. Wenn das eine Konsequenz dieses Ereignisses ist und alle Parteien sich da ein Stückchen mehr bewegen, dann sind wir aus meiner Sicht auf einem guten Weg.

Es wird mit Sicherheit darüber zu diskutieren sein, wie wir auch den Linksextremismus stärker beobachten können, ihn erfassen können und Daten sichern können. Da ist Handlungsbedarf gegeben. Mit Sicherheit werden die Sicherheitsbehörden, die Verfassungsschutz- und Polizeibehörden, auch über gezielte Maßnahmen nachdenken, wie wir gegen solche außergewöhnlichen gewalttätigen und aggressiven Aktionsformen vorgehen werden.

Ich sage Ihnen: Wir werden mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, verhindern, dass Polizistinnen und Polizisten in Lebensgefahr geraten. Deshalb müssen wir alles tun, was wir tun können, um sie zu schützen, wenn sie in solche Einsätze gehen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich habe gerade bei einer Vereidigungsfeier erlebt, welchen Einsatz und welche Begeisterung Polizisten mitbringen. Danach habe ich mit Eltern geredet, die mir die Frage gestellt haben: Können Sie mir zusichern, dass meinem Sohn bzw. meiner Tochter nichts passiert, wenn er bzw. sie in einen solchen Einsatz geht? – Das kann man nicht 100%ig zusichern. Das ist die Wahrheit. Die Gefahren und die grenzenlose Brutalität sind einfach so unvorstellbar, dass man sich bestmöglich, aber mit Sicherheit niemals 100%ig vorbereiten kann.

Ich fand es schön, dass alle hier heute die Gewalt verurteilt haben. Vielleicht ist das ein Anfang für die weiteren Beratungen, wenn es dann um konkrete Maßnahmen geht. Ich hoffe, dass alle auch dann zur Verfügung stehen, wenn es darum geht, ganz konkrete Maßnahmen einzusetzen und ganz konkrete – auch schwierige – Entscheidungen zu treffen, um gegen solche Gewalttätigkeiten von Rechts- oder Links­­extremisten und Hooligans gleichermaßen vorzugehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Ich darf für die SPD-Fraktion dem Kollegen Bialas das Wort erteilen.

Andreas Bialas (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst einmal sehr deutlich – gerade auch als ehemaliger Polizist – Folgendes sagen: Wer brandschatzt, wer plündert, wer Stadtteile verwüstet und wer vor allem Polizistinnen und Polizisten an Leib und Leben gefährdet, gehört nirgends anders hin als hinter Gitter, und das nicht zu kurz.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und der AfD)

Wer Polizistinnen und Polizisten bei Demonstrationen angreift, beschießt und mit Molotowcocktails und Steinen bewirft, hat zeitlebens nichts mehr auf einer Demonstration verloren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und der AfD)

Es ist mit allen Mitteln und mit aller Kraft zu verhindern, dass diese Personen einen Demonstrationsort oder Orte im Umfeld von Demonstrationen erreichen. Diese Verbrecher haben dort nichts, aber auch rein gar nichts verloren.

Sehr geehrter Herr Minister Reul, seit mehreren Jahren war eines besonders stilprägend in Nordrhein-Westfalen, nämlich eine fast schon als zartfühlend zu bezeichnende Behandlung des Innenministers durch die Opposition. Innenminister werden hier in Nordrhein-Westfalen geradezu gehegt und gepflegt.

(Minister Hendrik Wüst: So wollen wir es halten!)

Ich hoffe, das hat man Ihnen im Vorfeld mitgeteilt.

Wir dürfen Ihnen daher einen Ratschlag mitgeben: Vorsicht vor dem Herrn „Man müsste mal“-Minister de Maizière! Wenn es richtig problematisch wird und schiefläuft, dann ist er nicht weit. Da hat er seine Finger drin und zieht sie ganz schnell und geschickt zurück. Das macht er sehr geschickt. Er stellt sich als Erstes hin und erzählt, jetzt müsste aber endlich einmal etwas gemacht werden. Dabei ist er seit Jahren in der Verantwortung.

Bis 2005 stellte die SPD den Bundesinnenminister. Das merkte man manchmal nicht; aber das war schon ein Sozialdemokrat. In der Zeit wurde die bundesweite Datei linker Gewalttäter eingeführt. Diese Datei gibt es.

Seit 2005 stellt die CDU ständig den Innenminister. Von 2009 bis 2011 und seit 2014 wieder, also mehr als fünf Jahre, ist das „Man müsste mal“-Minister Thomas de Maizière.

Jetzt kommt die Erkenntnis, man müsste aber mal eine europaweite Datei haben und nun die Details dafür untereinander in Europa abklären. Wir haben das Schengen-Abkommen seit 1990, also seit 27 Jahren. Seitdem gibt es offene Grenzen. Zum Glück! Die Zuständigkeit dafür, unter diesen Bedingungen die innere Sicherheit in Deutschland vor einer Gefahr von außen zu schützen, liegt beim Bundesinnenminister.

Jetzt kommt die Idee, man müsste nun mal eine europaweite Gefährderdatei einführen und daran arbeiten. Das ist der Nachweis von Arbeitsverweigerung.

(Beifall von der SPD)

Wir haben 2015 Blockupy in Frankfurt erleben müssen. Reichte das nicht aus? Damals waren es 60 Busse mit Chaoten aus 39 europäischen Staaten. Brennende Innenstadt, Rauchsäulen über der Stadt, brennende Polizeiwagen, entfesselte Gewalt, verletzte Kolleginnen und Kollegen! Reichte das nicht aus? Brauchte man jetzt auch noch Hamburg?

Genauso erfrischend ist übrigens die stete Forderung von ihm nach mehr Polizeikräften auf der Bundesebene. – Er hätte sie seit Jahren einstellen können. Er hätte sie seit Jahren einstellen müssen. Haushaltskonsolidierung auf dem Buckel der Kolleginnen und Kollegen zu machen und dann nach mehr Personal zu rufen, ist äußerst zynisch.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Dabei ist das ganz einfach: Einstellen, einstellen, einstellen. – Ich hoffe, dass Sie das hier in Nordrhein-Westfalen weiter so machen werden, wie Sie es angekündigt haben. Bayern macht das. Sachsen macht das. NRW macht das. Herr de Maizière macht es nicht.

(Zuruf von der CDU: Ist das eine Kündigungsrede für die Große Koalition, oder was?)

Unterschiedliche Stimmen kommen nun gut abgestimmt aus der CDU. Mit dabei ist übrigens wieder das gute alte CDU-Mitglied Rainer Wendt. Der gute alte Kumpel äußert sich auch mal wieder. Er ruft nach Rücktritt und hat seinen eigenen gerade wunderschön stilvollendet vollzogen.

(Beifall von der SPD)

Herr Bosbach ist derzeit auf der anderen Seite, also wohlwollend, Herr Spahn nicht ganz so. Das ist alles fein abgestimmt. Und der Bundesinnenminister stellt uns mit ernstem Gesicht und ernster Stimme vor, was nun endlich, endlich zu tun ist und er schon lange, lange hätte tun müssen.

Sie wollten nun laut Aktueller Stunde wissen, wie es denn jetzt in NRW wird. Das fragen wir schlicht und ergreifend Sie. Das fragen wir Sie! Sie sind nun die Regierung. Sie sind die Regierungspartei.

(Zurufe von der CDU)

Sie wollten die Verantwortung. Dann tragen Sie sie auch.

Viele Randalierer kamen wohl aus dem Ausland und sind wohl auch durch NRW gereist. Anscheinend kamen viele auch aus NRW selbst. Da stellen sich in der Tat viele Fragen.

Mich interessiert daher hier, was Sie, Herr Minister Reul, als Innenminister von NRW im Vorfeld veranlasst haben. Sie sprachen ja gerade davon, einige Unterschriften geleistet zu haben.

Aber: Gab es Informationen, dass Randalierer aus dem Ausland über die Grenzen kommen und durch unser Land reisen? Wie sahen die Kontrollen an den Grenzen von NRW durch die Bundespolizei aus? Gab es Reiseverbote, wenigstens dann, als die ersten Steine auf die Polizisten geflogen sind und die Autos brannten?

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Warum durften sich die Gefährder und die als Gefährder eingestuften Chaoten völlig frei zu den Demonstrationsorten bewegen, auch durch NRW? Wurden also auf den Wegstrecken Maßnahmen ergriffen?

Und die grundsätzliche Frage: Warum wurden sie überhaupt reingelassen? Wie wurde denn mit den Bussen und Sonderzügen aus NRW verfahren?

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Und: Hat man die Polizisten – auch unsere aus Nordrhein-Westfalen – in Hamburg schlicht und ergreifend alleingelassen und bei der Organisation für den Nachschub der Randalierer nur zugeschaut?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Warum wurden die nicht gestoppt? Welche Maßnahmen wurden im Vorfeld in Nordrhein-Westfalen ergriffen? Das sind einige wenige Fragen. Wir werden hier noch weitere stellen und diese im Innenausschuss vertiefen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Bialas. – Nun erhält für die CDU-Fraktion Herr Dr. Katzidis das Wort.

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Kollegin Düker, Sie haben eben Zitate von Polizeiexperten angesprochen – oder wie auch immer man sie bezeichnen sollte. Ich glaube, wir haben in Hamburg bei dem G-20-Gipfel eine linksextremistische Gewalt erlebt, die beispiellos war, die in qualitativer und quantitativer Hinsicht auch so nicht zu erwarten war. Das waren bürgerkriegsähnliche Zustände, die wir da erlebt haben.

Wenn Sie mitbekommen, was Kolleginnen und Kollegen schildern, wie sie in Hinterhalte geraten sind, wie mit Präzisionszwillen auf sie aus dem Hinterhalt geschossen worden ist, dann ist das sicherlich nicht in der Form und Qualität zu erwarten gewesen.

Immer so schnell Urteile und Wertungen nach einem Einsatz abzugeben, das ist schon eine Farce. Man sollte – und da bin ich bei Herrn Minister Reul – erst einmal die Analyse abwarten.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Der Kollege Golland hat eben Frau Mihalic angesprochen und dass Herr Ströbele von brutaler Polizeigewalt und davon gesprochen hat, dass die Polizei einiges dazu beigetragen habe, dass es in diese Richtung gegangen sei. Dazu sage ich: Das ist schlicht und ergreifend nicht zutreffend!

Die Polizei sorgt täglich mit ihrem Einsatz – jede einzelne Polizistin mit ihrer Gesundheit und jeder einzelne Polizist mit seiner Gesundheit – für die Freiheit, für die Sicherheit und für die Einhaltung unserer Verfassung hier im Land Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU)

Verehrter Kollege Kutschaty, wir haben Ihre Lippenbekenntnisse zur Kenntnis genommen. Ich glaube, Sie sind fest davon überzeugt, dass wirklich alles mit Präventionsprogrammen geregelt werden kann.

(Thomas Kutschaty [SPD]: Nein, bestimmt nicht!)

Das ist mitnichten so. Wenn Sie schon die linksextremistische Gewalt und die Tendenzen verurteilen, sollten Sie auch wirklich etwas dagegen tun.

Es ist eine Frage, welche Einstellung der Staat zu Gewalttätern und Straftätern hat. Der Kollege Bialas hat gerade dargestellt – zu Recht –, dass Straftäter hinter Gitter gehören. Es wäre schön, wenn sie auch mehrheitlich da landen würden.

Ich möchte jetzt zurückgehen in das Jahr 1991, als ich selber bei der Polizei in der Ausbildung gewesen bin. Eine Prämisse, die uns damals immer mit auf den Weg gegeben worden ist, war unter anderem: weiche Welle Nordrhein-Westfalen. – Was glauben Sie eigentlich, was die Polizei Nordrhein-Westfalens für ein Bild in den anderen Bundesländern hat?

(Andreas Bialas [SPD]: Ein sehr positives hat unsere Polizei!)

– Ja, da gebe ich Ihnen recht. Die Kolleginnen und Kollegen haben ein sehr positives Bild. Aber es ist auch eine Frage des Umgangs, ob man eine Misstrauenskultur oder eine Vertrauenskultur pflegt, wie man hinter den Kolleginnen und Kollegen steht oder wie man nicht hinter den Kolleginnen und Kollegen steht.

(Andreas Bialas [SPD]: Wir vertrauen denen; die machen gute Arbeit!)

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich 1998 – es war im Juli, ich kann Ihnen auch noch den Tag nennen – in Chemnitz im Einsatzanzug mit Helm und Schlagstock auf einer Kreuzung gestanden habe, zusammen mit 30 Kolleginnen und Kollegen aus Nordrhein-Westfalen und 30 Kolleginnen und Kollegen aus Bayern. Wir waren also 60 Beamtinnen und Beamte auf der Kreuzung.

Es kam ein Block von ca. 250 Personen auf uns zu, zunächst gehenderweise. Irgendwann fingen sie an zu laufen, als sie näher auf uns zukamen. Als sie noch näher dran waren, wurden wir mit Steinen und Flaschen beschmissen. Wir hatten keine Schilder dabei. Die waren auf den Fahrzeugen. Unser Zugführer hat sofort über Funk Verstärkung angefordert.

Man redet immer über Polizeigewalt und hört die Kommentare der Politiker, man müsste vielleicht auch deeskalierend tätig werden. Wir haben nicht eine Sekunde darüber nachgedacht – ich weiß nicht, ob Sie das anders sehen –, eine deeskalierende Einsatzkommunikation zu machen. Wir alle sind instinktiv – und da denkt man auch nicht großartig nach – losgelaufen

(Andreas Bialas [SPD]: Logisch!)

– genau –, und zwar nach vorn losgelaufen.

Es waren kriminelle Gewalttäter und nichts anderes. Diese Leute hatten kein Interesse daran, friedlich zu demonstrieren, so wie es ihnen Art. 8 Grundgesetz erlaubt, sondern sie wollten einfach nur Sachbeschädigungen begehen und andere Demonstrationen behindern.

Da ging es um eine NPD-Demonstration. Es war schon schlimm genug, dass wir die schützen mussten und uns auch noch mit den linken Gewalttätern auseinandersetzen mussten. Als sie dann gemerkt haben, dass wir nicht zurückgeschritten, sondern nach vorn gelaufen sind und konsequent den Rechtsstaat und die Rechte friedlicher Bürger verteidigt haben – das kann man gut oder schlecht finden, aber es war in dem Fall eine friedliche Demonstration, die wir geschützt haben –, da wurden sie langsamer. Dann stoppten sie irgendwann, sind umgedreht und weggelaufen.

Wir haben natürlich in der Situation mit ganzer Härte den Rechtsstaat durchgesetzt – und das auch zu Recht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und dafür treten wir als CDU-Fraktion ein.

(Beifall von der CDU)

Bei diesen kriminellen Gewalttätern, die auf Krawalle, Sachbeschädigung, Verhinderung von friedlichen Demonstrationen und auf eine Schädigung von unseren Polizistinnen und Polizisten aus sind, und zwar sehr gezielt und vorsätzlich, muss man an der ein oder anderen Stelle auch einmal über die Frage des versuchten Mordes reden – angesichts der Qualität ihres Handelns, mit der sie mittlerweile vorgehen. Sie müssen die ganze Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen. Unsere Polizistinnen und Polizisten sind kein Freiwild für linke kriminelle Gewalttäter, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Für den ganz überwiegenden Teil der Polizistinnen und Polizisten ist der Job zum Glück Berufung. Sonst hätten wir noch weitaus mehr Probleme hier in Nordrhein-Westfalen. Schon allein deshalb sind diese Aussagen von Ströbele, Mihalic und wer sich da sonst noch unqualifiziert geäußert hat, eine Farce, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir als CDU-Fraktion stehen jederzeit hinter unseren Polizistinnen und Polizisten. Das wird gleich noch einmal deutlich, wenn wir über die Kennzeichnungspflicht reden.

Insofern war es super und vorbildlich und genau richtig, dass unser neuer Innenminister sofort mit dem Sonderurlaub reagiert hat für die eingesetzten Polizistinnen und Polizisten und ein ganz klares Signal gegeben hat, dass ab jetzt in Nordrhein-Westfalen eine andere politische Kultur im Bereich der inneren Sicherheit herrscht. – Danke schön, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Katzidis. – Für die AfD-Fraktion erhält der Kollege Pretzell jetzt das Wort.

Marcus Pretzell (AfD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! CDU und FDP scheinen sich in ihrer – so hieß es ja gestern – neuen Mitte-rechts-Koalition-Rolle schon pudelwohl zu fühlen, zumindest rhetorisch.

Aber in der Tat: Herr de Maizière als Bundesinnenminister ist eigentlich derjenige, der zuallererst mit zu verantworten hat, was die innere Sicherheitslage in Deutschland und auch diese Krawalle betrifft. Denn hier wird zum Teil so getan, als hätten wir seit Hamburg eine völlig neue Entwicklung in dieser Republik und als sei das völlig überraschend. Meine Damen und Herren, das ist nicht überraschend, das war absehbar.

(Beifall von der AfD)

Als Frau Merkel den G8-Gipfel zu Gast hatte, hat sie diesen Gipfel klugerweise nach Heiligendamm gelegt. Es kam eben schon die Frage auf: Brauchte es erst Hamburg? – Meine Damen und Herren, ja, vielleicht brauchte jemand Hamburg.

Wie kommt man auf die Idee – bei aller Verantwortung, die letztlich die Gewalttäter tragen –, einen G-20-Gipfel wenige hundert Meter neben die Rote Flora in Hamburg zu legen? Auf solch eine Idee kann man nur kommen, wenn man zweieinhalb Monate später eine Bundestagswahl hat und sich als CDU, als Partei der inneren Sicherheit, nachdem man den Unsinn zu verantworten hat, der in den vergangenen Jahren passiert ist …

(Vereinzelt Lachen von der CDU)

– Ja, da brauchen Sie gar nicht zu lachen.

(Zuruf von der CDU: Das ist albern!)

– Nein, Sie haben vor, sich hier auf einmal als Partei der inneren Sicherheit aufzuführen, nachdem Sie das die vergangenen Jahre in der Regierung eben nicht waren.

Das war also sehr wohl kühl kalkuliert. Man konnte wissen, was passiert. Die Polizei – das ist auch klar geworden – konnte diesen Gipfel gar nicht in einer Weise schützen, die angemessen, die notwendig gewesen wäre. Und die politischen Verantwortlichen wussten, dass das nicht möglich ist.

(Beifall von der AfD)

Und dass die Kanzlerin dann sagt: „Jetzt haben die Gewalttäter völlig überraschend riesige Schäden angerichtet, aber deutsches Steuergeld wird das schon richten!“, ist zwar in der Situation verständlich, beseitigt aber nicht die politische Verantwortung, die da vorliegt.

(Beifall von der AfD)

Und vielleicht war es ihr ja auch ganz recht, dass über das eigentliche Thema, nämlich den G-20-Gipfel, in der Presse fast nichts mehr berichtet wurde.

(Zuruf von der CDU: Wir sind hier im Landtag!)

– Das stimmt; das hätten Sie Ihren Kollegen aber bei deren vergangenen Reden auch sagen sollen, Herr Kollege.

Herr Lürbke, Sie sprachen vorhin von friedlichen Demonstranten. „Die WeLT“ schrieb dazu einiges. Sie schrieb von Solidarität mit dem schwarzen Block, von Polizisten, die beschimpft wurden, als sie versuchten, Extremisten festzunehmen.

Herr Lürbke, friedliche Demonstranten gehen klar auf Distanz zu Gewalttätern, gehen klar auf Distanz zum schwarzen Block. Das haben diese sogenannten friedlichen bunten Demonstranten, wie Sie sie genannt haben, bis zum Schluss leider nicht getan.

(Beifall von der AfD)

Herr Kutschaty, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Sie sagten vorhin sinngemäß, zum Teil seien kleine Leute Opfer der Gewalt geworden und nicht das Kapital, das doch eigentlich Ziel des Kampfes der Linken sein solle. – Vielleicht sollten Sie sich in Zukunft etwas deutlicher ausdrücken, damit nicht der Eindruck entsteht, es habe in Hamburg nur die Falschen getroffen.

(Beifall von der AfD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Und wenn Sie an die Französische Revolution anknüpfen, wenn Sie sagen, die SPD, die Linke stünde in der Tradition der Französischen Revolution, dann frage ich Sie: Welchen Teil der Französischen Revolution meinen Sie? Meinen Sie Danton, der sagte: „Seien wir schrecklich, damit das Volk es nicht zu sein braucht“? Ist das die SPD?

(Zuruf von der AfD: So ist die SPD!)

Ein Jahr später war er übrigens tot – nachdem er versucht hatte, die eigene Terrorherrschaft endlich zu beenden.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir hier von allen Fraktionen ein klares Bekenntnis gegen den Linksextremismus gehört haben. Sie haben zu Recht angemerkt: Wir haben heute von Aufstehen gegen links gesprochen. Und Sie haben angemahnt, dass man dort klar differenzieren muss. Vielleicht erinnern Sie sich das nächste Mal, wenn Sie Rock gegen rechts etc., Kampf gegen rechts mit viel Steuergeld fördern, dass man auch an dieser Stelle klar differenzieren muss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Kollege Pretzell. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Lürbke jetzt noch einmal das Wort.

Marc Lürbke*) (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg: Ich glaube, es tut gut – und es tut auch Nordrhein-Westfalen gut –, einen Innenminister zu haben, der hier ruhig und sachlich und auch abgewogen Antworten auf schwierige Fragen vorträgt und nicht vorschnell Analysen in die Welt haut, wie wir das in der Vergangenheit hier immer erlebt haben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Lachen und Zuruf von den GRÜNEN: Das ist ja super!)

Herr Reul, Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen: Es gibt ein Recht auf Demonstration. – Aber es gibt auch eine Pflicht, sich von Gewalttätern zu distanzieren. Es gibt eine Pflicht, sich zu isolieren.

Herr Pretzell, natürlich gab es in Hamburg auch Tausende von Menschen, die ihre Meinung friedlich kundgetan haben. Aber natürlich muss man sich von der Gewalt distanzieren, denn diejenigen, die Linksextremisten applaudieren, wenn Polizeibeamte mit Gehwegplatten oder Brandsätzen beworfen werden, sind im Grunde nicht besser als diejenigen, die Rechtsextremisten bei Angriffen auf Asylbewerber Beifall zollen. Beides geht nicht, und das muss man dann auch so deutlich sagen.

(Beifall von der FDP und der AfD)

Herr Bialas, Ihren Beitrag fand ich sehr verwunderlich: Es geht also sehr schnell mit dem Vergessen,

(Andreas Bialas [SPD]: Nein, mit dem Vergessen nicht! Das dauert eine ganze Weile!)

was in Ihrer Regierungszeit hier in Nordrhein-Westfalen eigentlich Fakt und die Lage war, Herr Bialas.

Sie werfen dem neuen Innenminister jetzt also vor, keine ausreichenden Kontrollen bei Linksextremisten durchgeführt zu haben.

(Andreas Bialas [SPD]: Ja! Er ist zuständig!)

Ich erinnere Sie gerne daran, was hier in den letzten Jahren Lage war. Ich nehme nur einmal das Beispiel grenzüberschreitende Kriminalität. Was haben wir immer darauf hingewiesen, dass die Kontrollen einfach nicht stattfinden. Ich erinnere an die Geldautomatenbande, die Sie auch einfach nicht in den Griff bekommen haben, weil es keine Kontrollen gab,

(Beifall von der FDP)

weil Sie die Autobahnpolizei ausgedünnt haben, weil es selbst bei höchster Terrorwarnstufe in Brüssel keine abgestimmten Kontrollen mit der Bundespolizei gab und Ihr Innenminister Jäger mir damals geantwortet hat: Ich, mich abstimmen mit der Bundespolizei? Das habe ich gar nicht nötig; das machen wir nicht in Nordrhein-Westfalen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht!)

Da finde ich es schon sehr, sehr frech, wie Sie heute hier agieren und das dann vorwerfen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Andreas Bialas [SPD])

– Aber ich habe Sie gerade, Herr Bialas, so verstanden: Ihr Vertrauen ist an der Seite der Beamten. Sie schenken den Beamten Ihr volles Vertrauen.

(Unruhe – Glocke)

Wir können ja gleich unter TOP 3 der heutigen Tagesordnung noch einmal sehen, wie weit das mit dem Vertrauen denn wirklich reicht und wie ernsthaft Sie das meinen, wenn wir über die Kennzeichnungspflicht reden. Da geht es nämlich um die Frage des Vertrauens.

(Andreas Bialas [SPD]: Ich freue mich schon darauf!)

Da haben Sie alle Polizeibeamtinnen und -beamten in Nordrhein-Westfalen unter Generalverdacht gestellt. Und das hat mit Vertrauen an der Stelle herzlich wenig zu tun.

(Beifall von der FDP)

Sonst können Sie doch gleich unserem Antrag zustimmen.

Jetzt zu vergessen, welche Versäumnisse es in den letzten Jahren in Nordrhein-Westfalen gegeben hat, ist schon frech. – Ich will nur ein letztes Beispiel geben: der Hambacher Forst. Der Hambacher Forst ist im Prinzip Mahnmal dafür, wie eigentlich ein rechtsfreier Raum in Nordrhein-Westfalen mit brutalen Protesten von gewalttätigen An- und Übergriffen durch Aktivisten jahrelang in Nordrhein-Westfalen von SPD und Grünen geduldet wurde,

(Beifall von der FDP und der CDU)

wie dort Fallen gebaut wurden, wie dort Mitarbeiter schwer verletzt wurden. Das ist ein Mahnmal. Aber vermutlich war da letztes Wochenende nicht viel los, weil die dann wahrscheinlich alle in Hamburg waren, meine Damen und Herren.

(Jochen Ott [SPD]: Ich bin gespannt, was ihr alles räumt!)

Denken Sie da mal drüber nach! – Danke schön.

(Beifall von der FDP – Weiterer Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Lürbke, Sie haben hier gerade den Innenminister gelobt für seine Sachlichkeit, seine ruhige Art. Ich würde mir das, ehrlich gesagt, auch von den Abgeordneten wünschen, insbesondere auch von Ihnen. Das, was Sie hier erzählt haben, ist wirklich unglaublich, ein faktenfreier Unsinn.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Hier zu sagen, wir hätten nicht mit der Bundespolizei zusammengearbeitet, wir hätten Straftaten im Hambacher Forst geduldet – was für ein Unsinn!

Um noch einmal auf das Thema zurückzukommen: Ich möchte mich hier dem viel geäußerten Dank an die Einsatzkräfte anschließen, dem Dank an die Polizeikräfte, die Kräfte der Feuerwehr, des THW. Es war ein schwerer Job, den diese Kräfte hier machen mussten. Deshalb gilt es hier, danke zu sagen.

Ich will noch einmal der Landesregierung danke sagen dafür, dass sie Sonderurlaub für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte gewähren will. Das unterstützen wir Grüne ausdrücklich. Dass knapp 500 Polizeibeamtinnen und -beamte verletzt wurden, ist unerträglich. Jeder Einzelne von ihnen ist einer zu viel. Deshalb schließe ich mich auch den vielfach geäußerten Genesungswünschen hier an.

Die gewalttätigen Ausschreitungen – das ist mehrfach hier gesagt worden – sind inakzeptabel. Sie sind zu verurteilen, weil Gewalt niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf und sein kann. Ja, ich finde, hier muss es auch eine Abgrenzung geben zwischen dem sogenannten linksextremen Spektrum hin zu diesen Gewalttätern, zumal – auch das finde ich noch einmal wichtig – der legitime und völlig berechtigte politische Protest am G-20-Gipfel dadurch völlig in den Hintergrund getreten ist und kaum noch in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, ganz zu schweigen davon, welche Nicht-Ergebnisse dieser G-20-Gipfel letztendlich produziert hat.

Aber – und auch das möchte ich hier noch einmal sagen – dass man die Polizeiführung und die Polizeistrategie kritisieren und hinterfragen darf, das gehört zu einem Rechtsstaat dazu. Das ist legitim, und es ist notwendig. Es ist – das will ich auch noch einmal sagen, wir haben in der letzten Legislaturperiode immer nach größeren Einsätzen diese Debatten hier geführt – völlig normal, dass es nach solchen großen Polizeieinsätzen eine entsprechende Nachbereitung gibt. Insofern muss es sie auch hier geben.

Hier verwechseln aus meiner Sicht CDU und FDP zwei verschiedene Ebenen. Es ist die Ebene einmal der Danksagung an die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die hier einen schweren Job gemacht haben, auf deren Rücken dieser Einsatz in Teilen gefahren wurde. Aber es gibt auch eine zweite Ebene, und diese zweite Ebene heißt eben, dass man Polizeieinsätze kritisieren können darf und dass sie nachbereitet werden müssen. Insofern ist es richtig, hier diese Diskussion auch zu führen und die Nachbereitung einzufordern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde, es stellt sich schon die Frage, ob die Einsatzstrategie immer so klug gewählt worden ist. Der Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit, den es auch gibt, muss aufgeklärt werden. Das ist keine Rechtfertigung von Gewalt; denn solche Fragen müssen erlaubt sein; sie müssen diskutiert werden. Auch das gehört zu einem Rechtsstaat dazu.

Ich möchte hier gerne noch einmal die Rolle der CDU ansprechen, wobei ich es absurd finde, wie Sie sich hier aufführen. Denn es war doch die Kanzlerin, die den G-20-Gipfel nach Hamburg gebracht hat,

(Beifall von den GRÜNEN)

obwohl es vorher massive Sicherheitsbedenken in Bezug auf die Stadt Hamburg gegeben hat. Und es waren die Sicherheitsbehörden, im Übrigen auf Bundesebene, also die Sicherheitsbehörden, die Tho-mas de Maizière, dem Bundesinnenminister, unterstellt sind, die das Sicherheitskonzept abgestimmt haben, aber auch die Lageberichte mit verfasst haben.

Es stimmt eben nicht, dass es an einem mangelnden Datenaustausch gelegen hätte, weshalb Daten über gewaltbereite Autonome angeblich nicht vorgelegen hätten. Das stimmt einfach nicht. Diese Daten, diese Erkenntnisse haben gerade vorgelegen. Umso schlimmer, Herr Reul, ist es, dass es trotz dieser vielen Vorbereitungen, trotz dieser Erkenntnisse, die es vorher gab, zu diesen Szenen kommen musste.

Deshalb finde ich, dass es genau diese Aufarbeitung, diese Nachbereitung, die jetzt eingefordert wird, geben muss, dass sie durchgeführt werden muss. Wie gesagt, das gehört zu einem Rechtsstaat dazu. Deshalb fordern wir sie auch ein.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Reul jetzt das Wort.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich kenne politischen Schlagabtausch und habe ihn selber hier auch intensiv mit betrieben. Ich habe mir allerdings vorgenommen, bei dieser neuen Aufgabe, die ich jetzt übernommen habe, zumindest den Versuch zu unternehmen, eine große Gemeinsamkeit im politischen und gesellschaftlichen Raum zu organisieren, weil ich glaube, dass die Herausforderungen, die wir hier zu bewältigen haben, so gewaltig sind und sein werden, dass es klug ist, da eine möglichst große Gemeinsamkeit hinzubekommen.

Insofern, Herr Abgeordneter Bialas, bin ich über Ihre Wortmeldung ein Stück erschrocken; das will ich schon sagen. Aber es ist Ihre Entscheidung, wie Sie hier vorgehen wollen, welche Vorwürfe Sie hier erhoben haben. Aber dann müssen Sie auch damit rechnen, dass ich ein paar Gegenantworten gebe.

(Andreas Bialas [SPD]: Ich habe Fragen gestellt!)

– Nein, nein, nein, das war schon heftiger. Das kann ich ja ertragen. Machen Sie es! Es ist schade. Aber machen Sie es!

Zu dem Versuch, Daten auf europäischer Ebene auszutauschen: Ich kann Ihnen sehr präzise – sogar mit Namen – sagen, an wem das im Europäischen Parlament scheitert. Es sind Kollegen Ihrer Fraktion,

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

die uns seit Monaten Probleme bereitet haben. Es hat ja erst geklappt, in der Frage von Fluggastdatenabkommen ein Stück weiterzukommen, als in Paris dreimal die Bomben geflogen sind. So ist die Wahrheit. Da würde ich sagen: An Ihrer Stelle seien Sie vorsichtig!

Das Zweite, dass Herr de Maizière alles falsch macht: Ich erinnere mich, da gibt es noch einen Koalitionspartner in Berlin. Wenn ich es richtig beurteile, war es in den letzten Monaten immer extrem schwierig, in diesen Fragen von neuen Maßnahmen zu Entscheidungen zu kommen, die Sie auch mitgetragen haben. Bei vielen haben Sie es Gott sei Dank getan. Deshalb ich bin auch froh. Aber jetzt zu sagen, de Maizière ist der Verantwortliche, grenzt schon an Albernheit.

(Beifall von der CDU)

Das wird schon witzig. – Jetzt zu der Frage: Was haben Sie denn getan?

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

– Passen Sie mal auf! Im Moment ist kein Karneval.

(Beifall und Heiterkeit von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD – Jochen Ott [SPD]: Traurig, dass Ihnen nur das einfällt, Herr Reul! Sie sollten mal überlegen, wie Sie mit Abgeordneten umgehen! – Glocke)

– Mir ist gestern schon aufgefallen, dass Sie so laut sind.

(Jochen Ott [SPD]: Herr Reul, für wen halten Sie sich eigentlich?)

– Bereiten Sie sich auf irgendwelche Führungsaufgaben vor?

(Jochen Ott [SPD]: Herr Reul, für wen halten Sie sich eigentlich?)

Oder gibt es da einen Bewerbungsapparat bei Ihnen, wo man sich um neue Aufgaben kümmert?

Also zurück. Sie haben ja auch den Vorwurf …

(Jochen Ott [SPD]: Für wen halten Sie sich eigentlich? Sie sind Minister, kein Abgeordneter mehr! – Zuruf von der SPD: Beantworten Sie mal die Fragen! – Glocke)

– Herr Abgeordneter, als Minister habe ich das gleiche Recht, hier vorzutragen wie Sie. Ich habe auch das Recht,

(Lebhafte Zurufe von der SPD)

und ich habe auch die Pflicht, …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann die Zwischenrufe nicht verstehen. Ich bitte doch darum, dass wir dem Minister, der jetzt das Wort hat, zuhören.

Herbert Reul, Minister des Innern: Mit aller Demut ertrage ich auch alle Anwürfe und Vorwürfe. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Aber ich habe es lieber, wenn man es in einer ordentlichen Form macht, aber alles andere kann man auch.

Sie haben gefragt: Was haben Sie eigentlich gemacht, Herr Reul? – Sie haben mitbekommen, dass ich gerade im Amt bin. Das haben Sie mitbekommen? Das ist noch nicht so lange her. Ich habe Ihnen sehr vorsichtig angedeutet – ich habe das umschrieben, denn man kann noch nicht alles öffentlich erklären –, wir haben dafür gesorgt, dass verdeckte Maßnahmen durchgeführt wurden.

Übrigens – auch um da fair zu sein – waren die zum Teil schon angeordnet, bevor ich im Amt war, weil das auch richtig und nötig ist, und die Fachleute, die da arbeiten, haben einen ordentlichen Job gemacht.

(Beifall von der CDU)

Wir haben alle Daten lückenlos geliefert, dorthin, wohin sie geliefert werden müssen. Die Reisewegaufklärung hat auch dazu gehört. Da werden Sie, glaube ich, bei den Beamten in den unterschiedlichen Sicherheitsbehörden keinen Fehler finden. Es ist alles getan worden, was getan werden konnte.

Ob man dann noch weitergehen muss? Sie haben ja ein paar interessante Vorschläge gemacht – darüber können wir ja später mal reden –, zum Beispiel was man denn mit den Verdächtigen machen muss, wenn man weiß, dass es welche gibt. Das war mir nun neu, dass die SPD vorschlägt, man solle diese Verdächtigen möglicherweise festsetzen, damit sie nicht auf den Weg nach Hamburg gehen können.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der AfD)

Das ist ein interessanter Vorschlag.

Ein Vorschlag ist auch, dass man Züge durchsucht und Leute herausholt, die man für verdächtig hält. Ich weiß sehr wohl, dass diese Vorschläge naheliegend sind, aber ich weiß auch, dass das in einem Rechtsstaat alles viel komplizierter ist, Gott sei Dank auch komplizierter ist, dass man da Recht einhalten muss und nicht einfach mal so machen kann. Das ist eben extrem schwierig.

Sie können davon ausgehen: Alle die Maßnahmen, die möglich waren, sind eingeleitet worden. Die, die nicht eingeleitet worden sind, waren nicht möglich bzw. nicht erlaubt. Wenn Sie der Meinung sind, wir sollten da mehr Instrumente in die Hand kriegen, dann lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, wie wir die Instrumente der Polizei verbessern können. Ich bin dabei. – Danke sehr.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Innenminister. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Golland das Wort.

Gregor Golland (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser neuer Innenminister hat mir vieles vorweggenommen. Deshalb in aller Kürze:

Herr Ex-Minister Kutschaty, Herr Abgeordneter, ich bin schon ein bisschen erstaunt, dass Sie jetzt davon sprechen, wo die Präventions- und Aussteigerprogramme sind. Ja, was haben Sie denn sieben Jahre lang unter Rot-Grün gegen den Linksextremismus in Nordrhein-Westfalen getan?

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Gar nichts haben Sie getan. Was haben Jäger, Kraft und Kutschaty denn an Programmen aufgelegt? – Ich kann mich an kein einziges erinnern. Sie haben immer relativiert und verharmlost, wenn es um das Thema ging.

(Thomas Kutschaty [SPD]: Quatsch!)

Hätten Sie die Programme mal gemacht, dann wäre die Lage vielleicht heute etwas anders.

Frau Düker, eines sei noch einmal angemerkt, Gigantonomie in Hamburg, Auswahl des Gipfelortes usw.: Da ist Herr Gabriel ja dem Bürgermeister, Herrn Scholz, auch schon in den Rücken gefallen. Man könne ja so einen Gipfel doch besser in New York veranstalten als in Hamburg. – Der Rechtsstaat gilt überall, in jedem Dorf, auf jeder Ackerfläche, aber auch in jeder Großstadt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sollen wir als Alternative in Zukunft solche Gipfel nur noch auf Flugzeugträgern stattfinden lassen, damit sie geschützt werden können? Wo kommen wir denn da hin? Ich meine, wir müssen nicht vor Gewalttätern einknicken und zurückweichen, sondern wir müssen den Rechtsstaat durchsetzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen – und das ist der Kern der heutigen Debatte – geht es um eine glasklare Abgrenzung aller Demokraten gegenüber linker Gewalt, gegenüber Linksextremisten, so wie wir das bei Rechtsextremen auch tun. Das würde ich von Ihnen heute erwarten. Das muss die Botschaft sein neben dem Dank an die Polizeibeamten, neben den Genesungswünschen.

Dies ist unsere Botschaft, die politisch von diesem Plenartag ausgehen sollte: Wir stehen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und lehnen jede Form von Extremismus und Gewalt ab. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Golland. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kann ich die Debatte zu Tagesordnungspunkt 1 schließen.

Ich rufe auf:

2   Arbeitsplätze sichern durch Windkraftausbau

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/83

Entschließungsantrag 
der Fraktion der CDU und       
der Fraktion der FDP    
Drucksache 17/144

Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion hat Herr Kollege Sundermann das Wort.

Frank Sundermann (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb ist an vielen Stellen gerade im Bereich Wirtschaft und Energie von Aufbruch, von Entfesselung und von Mut die Rede. Sie sagen, Sie setzen auf den Mut der Bürger, Sie setzen auf den Mut der Institutionen, den Mut des ganzen Landes.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Wir stellen allerdings fest, dass Sie im Bereich Windkraft weniger auf den Mut, sondern vielmehr auf die Wutbürger setzen. Das ist aus unserer Sicht deutlich zu kurz gesprungen. Ein mutiger, kraftvoller Start in Ihre Regierungszeit sähe aus unserer Sicht deutlich anders aus.

Werfen wir doch einmal einen Blick in den Koalitionsvertrag, und schauen wir auf die Koalitionspartner.

Die FDP – das muss man an dieser Stelle deutlich sagen – ist konsequent geblieben. Das gilt für Ihre Politik, die Sie von 2005 bis 2010 gemacht haben, und das gilt auch für Ihre Anträge in der Zeit von 2010 bis 2017. Herr Kollege Brockes, im April dieses Jahres hat es noch einen entsprechenden Antrag gegeben.

Es hat uns allerdings ein wenig überrascht, dass die CDU dem Koalitionsvertrag so zugestimmt hat. In den letzten sieben Jahren hatten Sie doch Ihre Von-Saulus-zu-Paulus-Erlebnisse. Sie hatten sich doch von dem Wittke-Mantra des Kaputtmachens gelöst, so jüngst noch bei der gerade schon erwähnten Abstimmung im April dieses Jahres. Und jetzt geht es wieder zurück; Sie gehen zurück auf Ihre alten Positionen.

Das zeigt aus unserer Sicht ganz deutlich, wer im Energie- und Wirtschaftsbereich Koch und wer Kellner ist. An dieser Stelle richte ich schon einmal ein Kompliment an den Rückkehrer Herrn Pinkwart. Da haben Sie sich ja deutlich durchgesetzt.  

Nun möchte ich an dieser Stelle kurz unsere Position zur Windkraft vortragen. Wir halten die Windkraft in NRW für ein zentrales Element einer modernen und auch innovativen Energieproduktion. Wir halten ihren Ausbau zum Erreichen der Klimaschutzziele für notwendig.

Auch Sie sagen in Ihrem Antrag, dass Sie die Klimaschutzziele erreichen wollen. Wenn Sie das aber ohne Windkraft erreichen wollen, dann müssten Sie einmal deutlich erklären, wie und wo Sie das machen wollen. Sagen Sie uns das hier und heute, oder machen Sie das im Verlauf der weiteren Diskussion. Wir wollen uns das gerne gemeinsam anhören.

Wir wissen auch, dass es in diesem Land schwierig ist, Windkraftanlagen zu bauen. Gerade an einigen regionalen Stellen haben wir das deutlich festgestellt. Wir haben dort dialogische Prozesse aufgesetzt, um den Bau zu ermöglichen. Ganz viele Kommunen gehen dabei mit.

Sie jedoch gehen dort einen ganz anderen Weg. Sie sagen: Okay, 1.500 m Abstand, vier Fünftel der Fläche ist weg, Ruhe. – Wir halten diese Politik für eindeutig mutlos.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Lassen Sie sich mich einen kleinen Perspektivwechsel vornehmen. Wir haben uns bisher nur die Klimaschutzaspekte der Windkraft angeschaut. Lassen Sie uns nun auch einen Blick auf die wirtschaftlichen Aspekte werfen. Welche Bedeutung haben der Ausbau der Windkraft bzw. Ihre Vorschläge dazu auf die Wirtschafts- und Innovationskraft in Nordrhein-Westfalen?

Mit Ihren Vorschlägen verabschieden Sie sich nämlich von einer weltweiten Schlüsselindustrie, von einer modernen und CO2 -freien Energieerzeugung. Das muss man an dieser Stelle deutlich so festhalten.

Das wird dazu führen, dass die Windkraftindustrie und damit auch die dazugehörigen Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen mittelfristig verschwinden werden. Wir reden hier über mittlerweile 18.000 Arbeitsplätze, die dort gebunden sind. Folgendes wird geschehen: Gerade an den Stellen, wo die Windkraftanlagen gebaut werden, wird zukünftig die Produktion und auch die Entwicklung, die in Richtung Consumer gehen wird, stattfinden.

Ich komme zu einem weiteren Punkt, auf den ich aufmerksam machen möchte. Sie sagen in Ihrem Koalitionsvertrag – das ist auch konsequent und entspricht zudem unserer Richtung –, dass die Akzeptanz von Windkraft wichtig ist. Akzeptanz von Windkraft erreicht man durch Bürgerenergieprojekte.

Im Rahmen Ihrer Ausführungen sagten Sie, dass Sie Bürgerenergieprojekte erleichtern wollen. Das ist jetzt ein bisschen so, als wenn Sie sagen würden: „Okay, ihr spielt so schlecht, deswegen kriegt ihr jetzt größere Tore“, aber Sie geben den Spielern keinen Ball. Wenn Sie nämlich einerseits erklären: „Okay, ihr könnt die Bürgerenergieparks leichter errichten, weil ihr den Zugang zu Daten bekommt“, auf der anderen Seite aber sagen, dass es keine Flächen gibt, beinhaltet das eine logische Unwucht, die Sie uns zukünftig sicherlich noch häufiger erklären müssen.

Nordrhein-Westfalen ist – das sagen Sie auch in Ihrem Entschließungsantrag – ein führendes Energieland. Vielleicht ist es sogar das Energieland Nummer eins in Deutschland. Das soll es auch bleiben, um die Wertschöpfung hier im Land zu erhalten. Sie sagen aber nicht, wie wir das erreichen können. Wenn wir auf der einen Seite aus der konventionellen Energie aussteigen wollen, Sie aber auf der anderen Seite der Windkraft in diesem Land im Prinzip Adieu sagen, dann wird das nicht funktionieren.

Schwarz-Gelb postuliert: Wir brauchen eine entfesselnde und mutige Wirtschafts- und Energiepolitik. – Was Sie hier und heute jedoch vorgelegt haben, wird diesem Anspruch aus unserer Sicht auch nicht im Ansatz gerecht. Korrigieren Sie Ihren Kurs, und werden Sie in Ihrer Politik mutiger! – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Sundermann. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Hoppe-Biermeyer. Das ist seine erste Rede hier.

Bernhard Hoppe-Biermeyer*) (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Schritt hin zu erneuerbaren Energien ist richtig und alternativlos. Funktionieren wird die Energiewende aber nur mit den Menschen und nicht gegen die Menschen. Rot-Grün hat dies sträflich ignoriert und dafür im Mai bei der Landtagswahl die Quittung bekommen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie versuchen nun, mit diesem Antrag die Verfehlungen Ihrer Politik zu kaschieren. Mit Verlaub: Sie haben der Energiewende und dem Windkraftausbau in Nordrhein-Westfalen seit 2010 einen Bärendienst erwiesen. Am Beispiel meines Wahlkreises erkläre ich Ihnen auch gerne, warum.

In NRW sind aktuell 3.100 Windenergieanlagen am Netz, knapp 500 davon im Kreis Paderborn. Warum gibt es im Paderborner Land so viele? Bei uns bläst der Wind zwar viel schwächer als an der Küste, er ist aber immer noch stärker als an Rhein und Ruhr.

Die Konflikte, die der ideologisch geprägte Ausbau der Windenergie ausgelöst hat, werden in Ihrem Antrag komplett ausgeblendet. Rot-Grün hat in der Vergangenheit bewusst auf eine konkrete Abstandsregelung verzichtet und so die Kommunalverwaltungen und Gemeinderäte mit einer unsicheren Rechtslage im Regen stehen lassen. Regelmäßig streiten sich deshalb Genehmigungsbehörden und Investoren vor Gericht.

Die optische Bedrängung, der Lärm, der Schattenwurf, die Umzingelung, die Verspargelung der Landschaft und die Befeuerung stören in Hör- und Sichtweite fast jeden. Wer etwas empfindlicher ist, den macht das sogar krank. Immobilien verlieren durch die Nähe zu Windkraftanlagen erheblich an Wert.

Sie argumentieren in Ihrem Antrag mit der Sicherung von Arbeitsplätzen. Wir haben bei uns das Problem, dass sich wegen der Windräder dringend benötigte Fachkräfte lieber woanders niederlassen.

Familien, Freundschaften und ganze Dorfgemeinschaften zerbrechen am Streit um die Windkraft. Auf einer Beliebtheitsskala von eins bis zehn liegen die Windräder im Kreis Paderborn bei minus acht.

Ganz klar, ich kann es keinem Landwirt verdenken, wenn er für ein Windrad an Spitzenstandorten jährlich 30.000 € an Pacht erzielen kann. Bei solch einer Pacht sieht selbst ein 200 m hohes Windrad auf einmal viel schöner aus.

Was wir brauchen, sind Regeln. Der Windenergieausbau in Nordrhein-Westfalen muss in geordnete Bahnen gelenkt werden. Ein Schritt zu mehr Akzeptanz ist die Einführung einer rechtssicheren Abstandsregelung für Neuanlagen. Diese sollen künftig einen Mindestabstand von 1.500 m zu reinen und allgemeinen Wohngebieten haben.

Gleichzeitig wollen wir die kommunale Entscheidungskompetenz wieder stärken. Eine Kommune muss sagen können: Genug ist genug. Wir geben den Gemeinden die Kontrolle zurück und ermöglichen so einen konstruktiven Dialog mit den direkt betroffenen Bürgern. Kommunen und auch Investoren brauchen gleichermaßen Planungssicherheit.

Was bringt uns Ökostrom, wenn wir dadurch die Ökologie aus dem Gleichgewicht bringen? Aus diesem Grund stoppen wir die Privilegierung der Windenergieerzeugung in Waldgebieten. Ja, das alles wird die Zahl der genehmigungsfähigen Flächen für Neuanlagen erheblich reduzieren. Das bedeutet aber nicht – wie vom Antragsteller suggeriert wird – das Ende des Ausbaus der Windenergie in Nordrhein-Westfalen. Neue Anlagen können weiterhin gebaut werden, aber nur noch an Standorten mit größeren Abständigen zur Wohnbebauung.

Wir setzen auch auf eine Modernisierung des bisherigen Anlagenparks durch Repowering. Repowering bietet ein erhebliches Potenzial zur Sicherung von Arbeitsplätzen und von regionaler Wertschöpfung. Jede dritte Windanlage in unserem Land ist älter als 15 Jahre und entspricht damit nicht mehr dem Stand der Technik. Durch Repowering lässt sich an alten Windkraftstandorten die Zahl der Anlagen verringern und gleichzeitig die Leistung erhöhen.

Lassen Sie mich auch noch auf ein weiteres Akzeptanzproblem eingehen, nämlich steigende Energiekosten. Das EEG hat den Einstieg in erneuerbare Energien gefördert; keine Frage. Allerdings sind die Kosten durch das EEG für Verbraucher und Wirtschaft in den letzten Jahren aus dem Ruder gelaufen. Steigende Strompreise sind unsozial, weil sie Arbeitsplätze vernichten und Einkommensschwache besonders belasten.

(Beifall von der CDU – Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

CDU und FDP wollen, dass Nordrhein-Westfalen das Energieerzeugerland Nummer eins bleibt. Dazu brauchen wir einen Ausbau der erneuerbaren Energien, auch und gerade der Windenergie. CDU und FDP wollen aber auch, dass der Anwohner, die Natur und der Landschaftsschutz wieder einen höheren Stellenwert bekommen. Es macht keinen Sinn, vor den Konflikten, die der Ausbau der Windenergie ausgelöst hat, die Augen zu verschließen oder mit der Argumentation über Arbeitsplätze von diesen Problemen abzulenken.

Wir lehnen den von der SPD-Fraktion vorgelegten Antrag daher ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Hoppe-Biermeyer für Ihre erste Rede hier im Plenum.

(Beifall von der CDU – Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Der nächste Redner ist für die FDP-Fraktion Herr Kollege Brockes.

Dietmar Brockes (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir bereits in der ersten richtigen Plenarwoche das Thema „Windenergie“ auf der Tagesordnung haben. Allerdings, Herr Kollege Sundermann, wundert mich der Antrag der SPD schon sehr. Sie kritisieren unsere Neuausrichtung in der Energiepolitik und insbesondere bei der Windenergie.

(Beifall von Michael Hübner [SPD] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Dabei vergessen Sie,

(Michael Hübner [SPD]: Nein! Wir vergessen nichts!)

dass Sie zusammen mit den Grünen in den vergangenen sieben Jahren nichts, aber auch gar nichts unterlassen haben, um in diesem Land völlig einseitig über die Köpfe der Menschen hinweg den Windenergieausbau zu forcieren,

(Beifall von der FDP und von Bodo Löttgen [CDU])

ohne Rücksicht auf Anwohner, ohne Rücksicht auf den Natur- und Landschaftsschutz.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Deshalb werden wir wieder für einen fairen Interessenausgleich zwischen Windindustrie und den Betroffenen sorgen; denn das ist wichtig für dieses Land, auch für den Zusammenhalt in diesem Land.

Sie haben das sensible Ökosystem Wald mit einem Federstrich den Windindustrieanlagen preisgegeben.

(Michael Hübner [SPD]: Sensibel! Und das aus Ihrem Mund!)

Wenn es nach Ihnen geht, ist die zweifache bis dreifache Anlagenhöhe ein ausreichender Abstand. Lieber Kollege Sundermann, haben Sie sich einmal angeschaut, was das für einen Anwohner bedeutet? Waren Sie mal vor Ort?

(Frank Sundermann [SPD]: Heute!)

Ich kann Ihnen nur empfehlen: Gehen Sie mal wieder zu den Bürgerinnen und Bürgern!

(Beifall von der FDP)

Jetzt wollen Sie mit Ihrem Antrag, dass wir Ihren falschen Kurs fortsetzen. Dabei haben sich Ihre eigenen Leute im Wahlkampf ganz klar gegen diesen Kurs gestellt.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Ihr langjähriger und von mir geschätzter Kollege Rainer Thiel hat noch im Wahlkampf weniger Windkraft für seinen Wahlkreis, für Rommerskirchen, gefordert. Er selbst beklagt dort die Auswirkungen Ihrer Politik, meine Damen und Herren. Ihre eigenen Parteileute stehen nicht hinter dem, was Sie heute in Ihrem Antrag schreiben!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Deshalb ist es höchste Zeit, endlich eine ideologiefreie und unabhängige Diskussion über den Ausbau von Windkraft in Nordrhein-Westfalen zu führen. Genau das wird diese Landesregierung auch machen.

CDU und FDP werden den Windenergieausbau wieder in geordnete Bahnen lenken, um die Akzeptanz der Menschen für die Energiewende insgesamt und gerade auch für die Windenergie wiederherzustellen. Der Ausbau darf eben nicht um jeden Preis und gegen jede ökonomische Vernunft weitergeführt werden.

Deshalb brauchen wir für Neuanlagen eine Abstandsregelung zur Wohnbebauung von 1.500 m. Wir brauchen die Beendigung der Privilegierung der Windkraft im Wald, und wir brauchen die Befreiung der Kommunen von ideologischen Vorgaben bei den Planungsverfahren.

Lassen Sie mich auch auf den zweiten Teil Ihres Antrags eingehen. Sie verweisen auf die IHK-Studie und behaupten allen Ernstes, wir würden die kostensenkenden Effekte durch die Windkraft zulasten der Wirtschaft verspielen. Wie Sie angesichts der gigantischen Belastung von 25 Milliarden € jährlich für die EEG-Umlage auf Wettbewerbsvorteile für die heimische Wirtschaft schließen wollen, das ist, ehrlich gesagt, für mich nicht nachvollziehbar.

(Beifall von der FDP)

Ich sage Ihnen auch: In der Perspektive sind die Aussagen der IHK-Studie zum kostenlosen Überschussstrom sicher berechtigt. Das haben wir auch erkannt. Deswegen werden wir uns auch, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, auf Bundesebene dafür einsetzten, dass die Netzentgeltsystematik umfassend novelliert wird.

Meine Damen und Herren, es ist wichtig – das wird der Kurs der neuen Landesregierung sein –, dass sich Nordrhein-Westfalen im Bund wieder in dem Maße in die Energiepolitik einmischt, wie es für unser Land notwendig und richtig ist, und dort wieder mit einer Stimme sprechen wird und nicht mit zwei Stimmen, die jeweils das Gegenteil behaupten.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen Anreize für systemdienliches Anbieter- und Nachfrageverhalten schaffen. So wird der sogenannte Überschussstrom von unnötigen Kostenbelastungen befreit, und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft wird gestärkt. Unsere Energiepolitik orientiert sich nicht an der Ideologie, sondern an der Einhaltung des energiepolitischen Dreiecks aus Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dietmar Brockes*) (FDP): Denn nur dann gelingt die Energiewende, und nur dann entstehen aus ihr die wirtschaftlichen Perspektiven, die für unser Land, für unsere Industrie und für unser Gewerbe notwendig sind.

Deshalb lehnen wir den Antrag der SPD-Fraktion natürlich ab und freuen uns, wenn sie unserem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung geben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Dr. Blex.

Dr. Christian Blex (AfD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Als ich den Antrag der SPD-Fraktion zum ersten Mal las, musste ich mir doch verwundert die Augen reiben. Da stehen doch tatsächlich Dinge wie „Arbeitsplätze sichern durch Windkraftausbau“ und

(Zuruf von der SPD: Ja!)

„Aussicht auf günstigeren Strom“.

(Zustimmung von Monika Düker [GRÜNE])

Wissen Sie eigentlich nicht, wie sich die Strompreise in den letzten Jahren entwickelt haben?

(Zuruf von Frank Sundermann [SPD])

Aber dazu später mehr.

Windkraft ist von allen zwangssubventionierten Zufallsstromerzeugungsarten sicher die schädlichste für Mensch und Natur. Windkraftanlagen zerstören maßgeblich unsere Kulturlandschaften; dabei sind die meisten der heutigen Windmühlen deutlich kleiner als die jetzt errichteten 200-m-plus-Monster.

Neben der optischen Umweltverschmutzung gefährden Windkraftanlagen die Gesundheit unserer Bürger durch Lärm und Infraschall, Schattenwurf und Blinksignale sowie durch die Freisetzung krebserregender Partikel beim Abbrand einer solchen Anlage – das ist rein optisch übrigens ein schöner Anblick.

Windkraftanlagen in Wäldern zerstören mit riesigen Schneisen den Lebensraum der Waldbewohner. Nun gut – das geht jetzt an die Grünen –, dann haben es die Vögel nicht mehr so weit bis in den Tod.

(Heiterkeit von der AfD)

Jährlich werden Hunderttausende Vögel durch Windkraftanlagen zerhackt, und einer riesigen Anzahl von Fledermäusen wird durch die Druckschwankungen die Lungen zerrissen. Aber das stört die Windkraftideologen nicht. Diese Tiere sind für eine scheinbar gute Sache verendet. – Das sind Ihre Opfer auf dem Altar der „Church of global Warming“.

(Beifall von der AfD)

Die Hälfte der Masse einer Windkraftanlage steckt in gigantischen Stahlbetonfundamenten. Das sind bei 200-m-Monstern etwa 3.500 t Stahlbeton. Allein die Fundamente vierer solcher Monster wiegen so viel wie die gesamten Panzer unserer Bundeswehr.

Meine Damen und Herren, ich wage die Prognose, dass die meisten dieser Fundamente nie zurückgebaut werden – es sei denn, Sie und Ihre grünen Freundinnen möchten sich umweltfreundlich mit Hammer und Meißel betätigen.

(Heiterkeit von der AfD)

Noch viel eher werden sich in 10.000 Jahren die Archäologen über eine seltsame Kultur in Mitteleuropa wundern, die wohl riesige Stahlbetonrundgräber angelegt hat.

Neben diesen Gefahren weisen Windkraftanlagen wie alle Zufallsstromerzeuger eklatante technische Unzulänglichkeiten auf; denn der Wind weht, wann er will. Nebenbei bemerkt – für die Grünen –: Die Sonne scheint nachts per Definition nicht. Um den Strombedarf Deutschlands für lediglich zwölf Tage zu speichern, benötigen Sie 20.000 Gigawattstunden Speicherkapazität. Dafür müssten Sie lediglich die gesamte Speicherkapazität Deutschlands verfünfhundertfachen.

Das können Sie machen. Das kostet Sie läppische 4.000 Milliarden € bis 5.000 Milliarden €. Aber das Geld anderer Leute war ja für Linke und Grüne noch nie ein Problem.

(Beifall von der FDP – Lachen von Horst Becker [GRÜNE])

Ach ja, größere Zwangsumsiedlungen wären dann auch vonnöten. Auch die technisch Unbedarften – ich schaue bewusst Sie an – unter Ihnen

(Lachen von Horst Becker [GRÜNE])

sollten verstanden haben, dass Windmühlen unser Land nicht verlässlich mit Strom versorgen können. Nur dank der Zwangssubventionen des EEG werden sie überhaupt gebaut. In der Windkraft gibt es keine sicheren Arbeitsplätze. Das sind nämlich faktisch hochsubventionierte Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahmen.

(Beifall von der AfD)

Dank Herrn Tritt-ihn, aber auch dank Frau Merkel werden wir dieses Jahr bereits über 25,5 Milliarden € an Zwangssubventionen auf unseren Strompreis bezahlen. Der Strompreis hat sich in den letzten 16 Jahren verdreifacht. Wir zahlen mittlerweile mehr als doppelt so viel für unseren Strom, wie die Franzosen für ihren Strom zahlen müssen. Und Sie trauen sich, etwas vom „günstigen Strom“ zu schreiben?

Der Zweck von Windkraftanlagen ist deshalb auch nicht primär die Produktion von technisch minderwertigem Zufallsstrom, der die Netzstabilität gefährdet, die Netzkosten explodieren lässt und das Blackout-Risiko erhöht. Der eigentliche Zweck von Windkraft ist es, auf Kosten der Bürger die Taschen der grünen Ökoprofiteure zu füllen.

Jeder weitere Ausbau der Windkraft wird den Strompreis weiter explodieren lassen und dazu beitragen, dass die Industrie aus Deutschland abwandert. Mit jedem verschwundenen Industriearbeitsplatz verschwinden die Zukunftschancen unserer Kinder und der Wohlstand unseres Vaterlandes.

An Sie gerichtet sage ich: Wir können nicht alle Sozialarbeiter, Musikpädagogen oder ein Leben lang Berufspolitiker werden. Wir werden Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Dr. Blex. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum letzten Beitrag des Kollegen von der AfD erspare ich mir jeden Kommentar. Ich denke, ein solcher wäre hier überflüssig. Das hatte ja ein Niveau! Ich muss ganz ehrlich sagen: Mich haben Ihre Ausführungen erschreckt, Herr Kollege. Ich gehe darauf gar nicht ein – sie sind es auch wirklich nicht wert.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Zum Antrag der SPD und warum wir es richtig finden, ihn heute zu stellen: Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb findet man wohlfeile Bekenntnisse zum Pariser Klimaschutzabkommen, die aber – das gibt es jetzt auch schwarz auf weiß, belegt durch eine Studie – diametral im Gegensatz zu Ihrem Maßnahmenkatalog gegen die erneuerbaren Energien stehen, der schon fast Feldzugcharakter hat.

Die vom WWF in Auftrag gegebene Studie kommt zu einem schlichten Ergebnis: Wenn das, was Sie im Hinblick auf die Windkraft und im Zusammenhang mit der Braunkohleförderung und Braunkohleverstromung in den Koalitionsvertrag geschrieben haben, so umgesetzt wird,

(Zuruf von der FDP: Die wir gar nicht haben!)

wenn das so weitergeführt und nicht gestoppt wird, dann können die deutschen Klimaschutzziele, die sowieso schon nach unten korrigiert werden müssen, nicht eingehalten werden.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Warum ist das so? In NRW werden nun einmal über 30 % der bundesdeutschen Emissionen produziert. Dieser Verantwortung müssen Sie sich stellen. Wir tragen die Verantwortung, diesen Wert runterzufahren, wenn wir die deutschen Klimaschutzziele erreichen wollen. Genau das wird mit Ihrem Feldzug gegen die Windenergie verfehlt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man keine Argumente mehr hat, muss man wohl zum Mittel der Falschaussagen greifen. Herr Lindner, auf mehreren Foren bei „Westpol“, vom Rücksitz Ihrer Limousine aus und auf Veranstaltungen sagten Sie: Windenergieanlagen können gar nicht ans Netz angeschlossen werden,

(Christian Lindner [FDP]: In der Zukunft, wenn es so weitergeht wie bisher!)

und Speicher stehen nicht zur Verfügung.

Wir haben den Minister gestern in der Fragestunde konkret gebeten, er möge uns doch bitte irgendeine Anlage nennen, die nicht ans Netz angeschlossen werden kann. Er konnte es nicht. Ich bin gespannt darauf, wo er diese Risiken genau vermutet; genau benennen konnte er sie trotz intensiven Nachfragens gestern nicht. Wir werden das weiter verfolgen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Düker …

Monika Düker (GRÜNE): Entlarvend, wenn man hier zu solchen Aussagen greifen muss.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Lindner würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Monika Düker (GRÜNE): Ja, bitte.

Christian Lindner (FDP): Frau Kollegin Düker, vielen Dank, dass Sie diese Zwischenfrage gestatten. – Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass in Schleswig-Holstein 72 % der produzierten Windenergie abgeregelt werden muss, in Nordrhein-Westfalen gegenwärtig nur 0,2 % der installierten Kapazität, wir aber bei einer Fortsetzung der Ausbaugeschwindigkeit der früheren Landesregierung vergleichbare Probleme wie Schleswig-Holstein bekommen würden?

Monika Düker (GRÜNE): Herr Lindner, vielleicht hätten Sie gestern bei der Fragestunde hier sein sollen. Fakt ist, es sind nicht 0,2 %, sondern nach unseren Zahlen sind es 0,4 % …

(Christian Lindner [FDP]: 0,4 habe ich gesagt!)

– Nein, Sie hatten gerade 0,2 % gesagt. – In NRW sind es 0,4 % abgeregelten Stroms, und es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass der Zubau der Windenergie hier eine signifikante Steigerung der Abregelung zur Folge hätte. Das entspricht schlicht Ihrer Fantasie.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben genau das den Minister gestern gefragt. Es ist durch Fakten nicht belegbar, dass wir hier bei der Abregelung Probleme bekommen. Das haben Sie in Ihren Interviews auch gar nicht gesagt, sondern Sie haben …

(Christian Lindner [FDP]: Doch!)

– Ich habe mir das Video extra vorher noch einmal angesehen, Herr Lindner. – Zur Klarstellung: Sie haben gesagt,

(Christian Lindner [FDP]: Sie sollten sich jeden Tag meine Videos ansehen!)

in NRW könnten Anlagen nicht an das Stromnetz angeschlossen werden. – Das ist schlicht falsch, um das noch einmal deutlich zu sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

2016 belegte NRW Platz eins beim Zubau von Windenergieanlagen bei den Binnenländern. Bei fast 600 MW brutto zusätzlicher Leistung hat es Investitionen in Höhe von 1 Milliarde € in NRW gegeben. Das sind Mittel und Investitionen, die auch den Kommunen zugutekommen. Das betrifft immerhin bis zu 20.000 Arbeitsplätze in NRW, die Sie mit Ihrer Politik aufs Spiel setzen.

Doch noch nicht genug: Auch Ihre Maßnahmen, die Sie auf Bundesebene, beispielsweise im Baugesetzbuch, erreichen wollen, nämlich die Privilegierung im Außenbereich abzuschaffen, kommen einem generellen Bauverbot für Windenergieanlagen gleich; denn es werden dann nur noch in Einzelfällen Ausnahmen möglich sein.

Mit der 1.500-m-Abstandsregelung findet in Nordrhein-Westfalen demnächst kein Windausbau mehr statt. Wenn wir den Windausbau einfach stoppen, schadet das dem Standort NRW – hiervon sind Arbeitsplätze in einem nicht unerheblichen Maße betroffen –, und es schadet dem Klima, das können Sie schwarz auf weiß in der angesprochenen Studie nachlesen. Wenn Sie diese Politik umsetzen, werden wir die deutschlandweiten Klimaziele nicht erreichen.

Sie können sich Hunderte Male zum Klimaschutzabkommen bekennen, aber dennoch werden in Nordrhein-Westfalen nicht die nötigen Schritte unternommen, um dieses Klimaschutzabkommen mit Leben zu füllen. Dabei geht es gar nicht um irgendwas oder um die Tatsache, ob es generell Erderwärmung gibt, sondern beim Klimaschutzabkommen geht es schlicht um die Frage, ob diese Erderwärmung noch beherrschbar ist.

Noch ein Satz zu den Kosten, die von den Kollegen vom rechten Rand immer wieder ins Feld geführt werden:

(Zuruf von der AfD)

Wenn Sie auch nur einen Gedanken an Ihre Kinder und Kindeskinder verwenden würden, würden Sie sich klarmachen, dass die Kosten völlig außer Kontrolle geraten werden, wenn wir das Klimaschutzabkommen auf diese Weise ignorieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es geht es auch im Sinne von Kosten und Beherrschbarkeit darum, jetzt die richtigen Maßnahmen zu ergreifen – aber genau das tut der Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb eben nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Pinkwart das Wort.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Düker, wenn Sie hier schon darstellen, wie viele Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen geschaffen werden konnten und wie großartig das alles ist, müssen Sie fairerweise auch sagen, wer die Rechnung bezahlt.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Das wäre auch ein Akt der Fairness.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Aber bei der Atomkraft war es ganz anders, oder?)

Denn die Anlagen, die 2016 gebaut worden sind und auf die Sie sich bezogen haben, sind EEG-finanziert, also 6 Cent je Kilowattstunde auf 20 Jahre garantiert.

(Beifall von der FDP und der AfD)

Die Verbraucherinnen und Verbraucher der Bundesrepublik Deutschland zahlen im Jahr 25 Milliarden € EEG-Umlage. Wenn man das nach dem Königsteiner Schlüssel auf Nordrhein-Westfalen überträgt, sind das pro Jahr mehr als 5 Milliarden €, die die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes für diese Erneuerbare-Energien-Subvention aufbringen. Das sind die kleinen Haushalte, das sind die Studenten und alle, die diese Rechnung bezahlen müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Zuruf von den GRÜNEN)

– Ja, Herr Becker, dass Ihnen das nicht gefällt, ist mir völlig klar. Aber das müssen Sie sich auch einmal entgegenhalten lassen. Das müssen Sie auch mal Ihren Wählerinnen und Wählern sagen, dass das mit Anpassungsmaßnahmen verbunden ist. Und es sind nicht nur die Privathaushalte. Vielmehr sind es auch die mittelständischen Betriebe. Auch da gehen Arbeitsplätze verloren, wenn die Energie zu teuer ist.

Das Entscheidende – das müssen wir hier auch festhalten, wenn wir ehrlich miteinander umgehen wollen – ist doch, dass es in Nordrhein-Westfalen – und das möchte ich mit Blick auf die sozialdemokratische Partei sagen; das wissen Sie auch, denn Sie haben sich immer mit dafür eingesetzt – nicht zu den negativen Rückwirkungen kommt. Das ist ein Stück weit ein Damoklesschwert. Das dürfen wir nicht verkennen. Die meisten energieintensiven Unternehmen Deutschlands sind hier in Nordrhein-Westfalen angesiedelt, und zwar aus gutem Grund. Denn wir haben in diesem Land schon immer Energie erzeugt. Diese energieintensiven Unternehmen sind hier in Nordrhein-Westfalen, und sie können nur überleben und Arbeitsplätze sichern, weil sie von der EEG-Umlage befreit worden sind. Das ist der entscheidende Zusammenhang.

(Beifall von der FDP und der AfD)

Sollte diese Ausnahme nicht mehr gewährt werden, hätten wir einen Riesenverlust an Arbeitsplätzen, der das weit überwiegen würde, was der Bau von Windkraftanlagen hier kurzfristig an Arbeitsplätzen schaffen könnte.

(Beifall von der FDP)

Deswegen sollten wir hier alle zusammen – und mir geht es nicht um eine parteipolitische Auseinandersetzung, sondern um Nordrhein-Westfalen, die Arbeitsplätze und die Verbraucher in diesem Land – ein Interesse daran haben – und hier rufe ich die Opposition mit auf –, dass wir bei Einhaltung der Klimaschutzziele und beim notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien – das ist auch das Ziel der neuen Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen –

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Ach was!)

einen Weg finden, dass der Energiemix endlich so organisiert wird, meine Damen und Herren, dass nicht auf der einen Seite – das haben wir gestern eine Stunde lang hier miteinander ausgetragen – erneuerbare Energie nicht genutzt werden kann, obwohl die Investitionen dafür getätigt und die Subventionen dafür bereitgestellt wurden, und auf der anderen Seite energieintensive Unternehmen keinerlei Anreize bekommen, diese Strommengen zu der Zeit, zu der sie den Strom dringend benötigen, auch zu nutzen.

Das heißt, wir müssen die Energiewende endlich wieder in sich stimmig gestalten. Wir brauchen ein Marktdesign, welches Anreize gibt, den Strom dann zu verwenden, wenn er besonders intensiv zur Verfügung gestellt wird. Dafür müssen wir auch die Netze ausbauen. Wir brauchen ein leistungsfähiges Stromversorgungssystem und vieles mehr. Erst wenn wir das geschaffen haben, können wir sicherstellen, dass der Arbeitsplatz und Lebensstandort hier in Nordrhein-Westfalen gesichert ist.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister …

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Da werden wir noch viel Arbeit vor uns haben; denn Sie haben diese Voraussetzungen leider nicht geschaffen.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Der Abgeordnete Blex von der AfD würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Es wird auch weiterhin Windkraftanlagen in Nordrhein-Westfalen geben. Es werden auch weitere gebaut werden. Denn wir haben als Koalition beschlossen, dass die genehmigten auch errichtet werden können. Das wird einen weiteren Aufwuchs mit sich bringen. Schon heute werden 38 % des erneuerbaren Stroms in Nordrhein-Westfalen durch Windkraftanlagen erzeugt. Es kommen neue genehmigte Projekte mit 1.400 MW hinzu. Das heißt, auch in Zukunft hat die Windkraft eine Chance, aber wir wollen sie in einen fairen Ausgleich bringen, also im Sinne der Umwelt, der Menschen und der Notwendigkeiten, die wir für die Energiewende brauchen.

(Beifall von der FDP )

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister …

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Lassen Sie es mich abschließend vielleicht etwas versöhnlicher mit einem Zitat ausdrücken, damit Sie sehen, mit welcher Ernsthaftigkeit wir das angehen wollen. Hier darf ich den deutschen Physiker und Mathematiker Georg Christoph Lichtenberg zitieren. Er hat einmal gesagt:

„Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber so viel kann ich sagen: Es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“

Daran arbeiten wir. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Ich frage nur der guten Ordnung halber einmal nach: Ihr Ignorieren meiner Frage, ob Sie die Zwischenfrage des Abgeordneten Blex zulassen, habe ich als Nein gewertet.

(Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Ja, genau!)

– Gut.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen aus den Fraktionen liegen mir nicht vor. Damit sind wir am Schluss der Aussprache.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/83 abstimmen. Hier hat die antragstellende Fraktion direkte Abstimmung beantragt, sodass wir zu dieser kommen.

Wer dem Inhalt des Antrags Drucksache 17/83 zustimmen möchte, den darf ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD. Gibt es Enthaltungen? – Das ist erkennbar nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/83 abgelehnt.

Wir kommen weiterhin zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/144.

Zu diesem Entschließungsantrag hat der Abgeordnete Loose der Fraktion der AfD Einzelabstimmung beantragt. Da er nicht Antragsteller ist, muss ich gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 unserer Geschäftsordnung feststellen, ob hiergegen Bedenken erhoben werden, dass wir die Ziffern einzeln abstimmen. Werden Bedenken erhoben? – Das ist nicht der Fall, und wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über Ziffer II Nr. 1 des Entschließungsantrags abstimmen und darf fragen, wer dem zustimmen möchte. – Das sind die Fraktionen der CDU, der FDP und der AfD. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist das gegen die Stimmen der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, der FDP und der AfD angenommen.

Ich lasse über Ziffer II Nr. 2 des Entschließungsantrags abstimmen. Wer Ziffer II Nr. 2 des Entschließungsantrags zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Stimmen der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP. Gegenstimmen? – Die Fraktion der AfD. Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Antrag in Ziffer II Nr. 2 Zustimmung erfahren.

Ich lasse weiter abstimmen über Ziffer II Nr. 3 des Entschließungsantrags und darf fragen, wer dieser Ziffer zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der CDU, der FDP und der AfD. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit hat Ziffer II Nr. 3 des Entschließungsantrags mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD eine Mehrheit erfahren.

Damit sind die Einzelabstimmungen über die Ziffern des Entschließungsantrags mit Zustimmung verlaufen.

Ich lasse dennoch insgesamt darüber abstimmen. Wer dem Entschließungsantrag Drucksache 17/144 zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Das sind die Abgeordneten der AfD. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/144 mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der AfD angenommen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Schluss der Beratung über Tagesordnungspunkt 2 und kommen zu:

3   Unsere Polizei braucht politische Rückendeckung – Gesetzliche Legitimations- und Kennzeichnungspflicht für Angehörige des Polizeivollzugsdienstes umgehend abschaffen!

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/75

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der CDU dem Abgeordneten Dr. Katzidis das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die im Dezember letzten Jahres von SPD und Grünen eingeführte gesetzliche Legitimation und Kennzeichnungspflicht für unsere Polizeibeamtinnen und -beamten lehnen wir bekanntlich ganz entschieden ab, weil sie nach unserer Überzeugung eine Misstrauensbekundung darstellt. Deswegen werden wir § 6a des Polizeigesetzes wieder abschaffen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Drei Gründe für unsere Auffassung möchte ich in der Kürze der Zeit herausgreifen.

Erstens. Es besteht keine sachliche Notwendigkeit für diese Regelung im Polizeigesetz. In meiner mehr als 25-jährigen Polizeidienstzeit habe ich selber keinen einzigen Fall erlebt, bei dem jemand gegen einen Polizisten oder eine Polizistin vorgehen wollte und dies mangels Identitätsfeststellung nicht tun konnte. Darüber hinaus sind uns, der CDU-Fraktion, auch keine anderen Fälle bekannt, in denen das so gewesen ist.

Genau das hat auch die Expertenanhörung im Innenausschuss im vergangenen Herbst bestätigt. Wenn das tatsächlich ein Problem sein sollte, werden SPD und Grüne ganz sicher gleich darstellen können, wie viele solche Fälle es in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren und Jahrzehnten gegeben hat. Fakt ist aber: Es besteht keine sachliche Notwendigkeit für diese gesetzliche Regelung.

Zweitens. Es besteht auch keine Notwendigkeit für eine derartige gesetzliche Regelung. Der Inhalt von § 6a Abs. 1 ist komplett in Erlassen geregelt, und zwar jeder einzelne Satz. Der Inhalt von Abs. 2 ist auch in einem Erlass geregelt.

Nur der Inhalt von Abs. 3 ist die einzige substanzielle Änderung; sie ist neu und findet sich in keiner anderen Vorschrift: Es ist die individuelle Kennzeichnungspflicht für Angehörige der Bereitschaftspolizei und der Alarmeinheiten. Das war zuvor tatsächlich nicht geregelt, geht aber leider auch vollständig an der Lebenswirklichkeit vorbei. Die Kräfte unserer Einsatzhundertschaften sind jetzt aufgrund dieser Vorschrift dazu verpflichtet, individuelle Kennzeichen zu tragen, wenn sie zum Beispiel in Einsätze gegen vermummte Gewalttäter geschickt werden, so, wie das in Hamburg der Fall gewesen ist. Dieses Beispiel macht schon sehr deutlich, wie absurd diese Kennzeichnungspflicht ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Eine solche Verpflichtung in das Polizeigesetz zu schreiben, ist nach Ansicht der CDU-Fraktion ein Ausdruck polizeifeindlicher Gesinnung und vor allen Dingen auch politisch ein verheerendes Signal an all diejenigen, die täglich mit persönlichem Einsatz in unserem Land für Recht und Ordnung sorgen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Hinzu kommt, dass die von SPD und Grünen eingeführte Kennzeichnungspflicht den fatalen Eindruck erweckt, dass Polizeibeamte willkürlich und exzessiv Gewalt gegen unbescholtene Bürgerinnen und Bürger ausüben. Das ist eine Verkehrung der Tatsachen. Fakt ist, dass sich die Anzahl der Widerstände gegen unsere Polizistinnen und Polizisten in den letzten 20 Jahren nahezu verdreifacht hat. Fakt ist, dass die Anzahl der Polizistinnen und Polizisten, die Opfer von Übergriffen wurden, im Jahr 2016 um fast 20 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen kein Problem mit unrechtmäßig handelnden Polizisten, sondern vielmehr ein großes Problem im Hinblick auf Wertschätzung und Respekt gegenüber unseren Staatsdienern.

Deshalb brauchen unsere Polizistinnen und Polizisten wieder einen anderen politischen Rückhalt und keine Stigmatisierung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Das Dritte und Letzte, was ich ansprechen möchte, ist die Wirkung der gesetzlichen Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte. Dazu darf ich Ihnen nicht nur als Abgeordneter, sondern vor allem auch als ehemaliger Polizeibeamter – „ehemalig“ muss ich jetzt sagen – erklären: Angesichts der gestiegenen Herausforderungen bei der inneren Sicherheit und der hohen Anzahl von Kolleginnen und Kollegen, die täglich im Dienst beleidigt, bespuckt oder körperlich angegriffen werden, tut es mir in der Seele weh, zu sehen, wie viel Energie SPD und Grüne darauf verwenden, unserer Polizei den täglichen Einsatz nicht etwa zu erleichtern, sondern auch noch zusätzlich durch eine rein ideologisch motivierte Kennzeichnungspflicht zu erschweren.

(Beifall von der CDU und der FDP- Vereinzelt Beifall von der AfD)

Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere auch in Nordrhein-Westfalen die rechtsstaatlichsten Polizeiorganisationen weltweit. Unter TOP 6 diskutieren wir gleich über einen Antrag, bei dem es darum geht, keine pauschale Kriminalisierung von Verkehrsteilnehmern vorzunehmen. Was ist denn eine pauschale Kennzeichnungspflicht für unsere Polizistinnen und Polizisten, meine sehr geehrten Damen und Herren?

Wir als CDU stehen hinter unseren Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag mit ihrer Gesundheit und mit ihrem Leben für unsere Freiheit und Sicherheit und vor allem für unsere Verfassung eintreten. Wer sich hier und heute endlich wieder einer Vertrauenskultur gegenüber unseren Staatsdienern anschließen möchte, der ist herzlich eingeladen, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Dr. Katzidis. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP – ebenfalls antragstellend – der Abgeordnete Lürbke das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Lürbke.

Marc Lürbke*) (FDP): Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es steht doch außer Frage: Unsere Polizei braucht politische Rückendeckung. Und nach den Ereignissen in Hamburg umso mehr. Wir haben heute Morgen schon sehr intensiv darüber diskutiert. Insofern passt dieser Antrag ganz gut.

Es geht auch um die Frage von Vertrauen. Herr Bialas, ich habe eben schon darauf hingewiesen, dass unsere Polizei Vertrauen braucht. In der Kennzeichnungspflicht erkenne ich kein Vertrauen, sondern eher einen Generalverdacht, unter den wir die Beamten dann stellen.

Das, was unsere Polizeibeamten bei ihrem schwierigen, bei ihrem täglich fordernden Job neben vernünftiger Sach- und Personalausstattung brauchen, ist das verlässliche Vertrauen des Dienstherrn.

Und das war unter der abgewählten Landesregierung eben Mangelware. Da gab es dieses Vertrauen eben nicht, und das werden wir jetzt ändern.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dann hat Rot-Grün mit dieser Kennzeichnungspflicht den Beamten auch noch von hinten in die Beine gegrätscht, und das vorbei an den Gewerkschaften, vorbei am Polizeihauptpersonalrat. So sollte man nicht mit unseren Beamten umgehen. Was denkt denn wohl ein Beamter – nehmen wir einmal die 2.200, die in Hamburg waren –, während er in Hamburg den Kopf hingehalten hat, unter Lebensgefahr im Einsatz war, wenn man ihn jetzt mit der Kennzeichnung unter Generalverdacht stellt, während man ihn in Einsätze gegen vermummte Chaoten schickt? – Das passt doch nicht.

Grüne und Linke wollen, wenn sie ehrlich sind, auch immer an das Vermummungsverbot heran. Das ist noch nicht lange her. Vor fünf Tagen in Berlin hat die rot-rot-grüne Berliner Landesregierung das Vermummungsverbot infrage gestellt. Dort arbeitet man gerade an einem eigenen Versammlungsgesetz.

Ich sage Ihnen: Wer sich echauffiert, dass vermummte Gruppen von der Polizei am Weiterziehen gehindert werden, und zugleich eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte verlangt, der agiert schlicht schizophren. Das werden wir nicht machen.

Wir stärken unseren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten den Rücken mit Respekt und Anerkennung. Und wir stellen sie eben nicht unter Generalverdacht. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lürbke. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Bialas das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Andreas Bialas (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem ich heute schon einmal vom Bundesinnenminister gesprochen habe, fällt mir ein weiterer Ausspruch von ihm ein, den ich ein wenig abgeändert hier vortragen möchte:

Wir sind nicht Helm. Wir sagen unseren Namen. Wir geben uns zur Begrüßung die Hand.

Einsatzbedingt würde ich das Letzte jetzt doch ab und zu deutlich ausschließen wollen. Aber, was möchte ich ausdrücken? – In unserem offenen Rechtstaat tritt der Staat seinen Bürgern nicht als entpersonifizierte anonyme Kraft gegenüber, schon gar nicht, wenn der Staat in Form von Waffenträger sein Gewaltmonopol dokumentiert und durchsetzt.

(Beifall von den GRÜNEN und Martin Börschel [SPD])

In unserer bürgernahen und bürgerorientierten NRW-Polizei ist es für die Kolleginnen und Kollegen in den allermeisten Fällen seit Jahrzehnten völlig selbstverständlich, dass sie als identifizierbare Einzelpersonen dem Bürger gegenübertreten. Das ist auch eine ihrer großen Stärken.

Polizistinnen und Polizisten sind eben keine amorphe Masse mit Waffe, Schlagstock und Pfefferspray, sondern Menschen mit Gesicht, Menschen mit Stimme, Menschen mit Name. Und diese dem Bürger zugewandte Art und Weise ist einer der Gründe für den hohen Respekt, den unsere Polizistinnen und Polizisten in der Regel auch bundesweit genießen.

Und dieser Respekt nimmt ab. J

a, aber wir wissen auch, dass gerade durch diese dialogische Stärke unserer Polizistinnen und Polizisten ihnen immer wieder neuer Respekt erwächst. Es ist eben nicht das testosterongesteuerte Gehabe, es ist das Zuhören, es ist das Reden, es ist das Argumentieren, es ist das Menschsein und das als Mensch erkennbar sein. Beileibe nicht bei allen, aber bei vielen sind das die Bausteine des Respektgewinns. Gerade Polizistinnen und Polizisten aus NRW sind bundesweit gerne gesehen und wohlangesehen.

Ich finde es recht seltsam, dass man meint, man müsse Polizistinnen und Polizisten in der Anonymität belassen, damit ihnen keine Vorwürfe gemacht werden könnten. Das hieße, ihnen zu unterstellen, dass sie ihren Dienst nicht nach Recht und Gesetz versehen würden. Und das ist schlicht krude.

(Beifall von der SPD – Bodo Löttgen [CDU]: Genau das ist die Misstrauenskultur, die Sie an den Tag legen!)

Anonymität lässt sich nur rechtfertigen, wenn es gute Gründe dafür gibt. Welche kann es geben? – Selbstverständlich an allererster Stelle den Schutz für die Polizistinnen und Polizisten, Schutz für die, die tagtäglich ihre Knochen für uns hinhalten. Das ist für uns die maßgebliche Größe. Das heißt, dass durch eine Identifizierbarkeit eine Gefahr für die Polizeikräfte ausgehen müsste. Diese Befürchtungen gilt es sehr ernst zu nehmen. Daher haben wir auch eine Evaluation nach einem Jahr angestrebt.

(Bodo Löttgen [CDU]: Wir lange haben Sie denn für die „Woche des Respekts“ gebraucht?)

Nun noch ein Wort an die LPVG-Schleifer und Personallückenreißer von einst: Respekt zollt man seinen Polizistinnen und Polizisten nicht durch Symbolpolitik, sondern am besten durch konsequente und fürsorgliche Personalpolitik! Rückendeckung erhalten sie durch den ausgebildeten Kollegen neben sich, damit sie nicht alleine irgendwo stehen! Sie erhalten den nicht mit verbalen Billigplacebos!

Und noch einmal – ich hatte es bereits vorhin in der erste Rede angesprochen –: Stellen Sie genügend Kräfte ein, stellen Sie auch weiterhin genügend Kräfte ein. Das ist die beste Rückendeckung.

(Beifall von der SPD - Zurufe von der CDU)

Der Kollege der CDU, Dr. Katzidis, hat ja gerade eine Situation geschildert. Manchmal baut man eben auch keinen Respekt auf. Manchmal gibt es Situationen, in denen den Polizistinnen und Polizisten kein Respekt entgegengebracht wird. Dann hilft aber auch nur noch Wegschließen.

Wir haben es in Hamburg gerade erleben müssen. Dann benötige ich aber Personal, um handlungsfähig zu sein. Da hilft mir kein „Ich stärke den Rücken“ aus dem Off. Da benötige ich Arme und Beine eines Kollegen, der mir bei der Maßnahme hilft und sie mit mir durchzieht.

(Beifall von Christian Dahm [SPD])

Der Aufreger „Kennzeichnungspflicht“ war und ist weitestgehend einer zwecks Stimmungsmache im politischen Feld gewesen. Sie beteiligen sich weiter daran und halten ihn auch hier in diesem Feld. Daran war immer die Unterstellung geknüpft, dass wir unserer Polizei misstrauen würden.

(Zuruf: Richtig!)

Das ist genauso Quatsch, wie es jetzt in diese Hamburg-Soße hineinzumischen. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, das ist wirklich Quatsch. Das genaue Gegenteil war immer der Fall.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es hat immer das Wissen um die hohe Qualität der Arbeit unserer Polizei, ein hohes Vertrauen in ihre Arbeit und ein klares und offenes Verständnis von unserem Staat gegeben. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Bialas. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Vogel das Wort.

Nic Peter Vogel (AfD): Danke schön. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Polizisten sind vornehmlich rechtschaffene Bürgerinnen und Bürger, die in gefährlichen Extremsituationen nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Gleichwohl bringt es der Beruf des Polizisten mit sich, dass man weitreichende Entscheidungen, die enorme Konsequenzen haben können, innerhalb von Sekunden oder Sekundenbruchteilen fällen muss.

Wenn man die vielfältigen Einsätze und den gerade genannten Zeitdruck berücksichtigt, sollte eigentlich jedem klar sein, dass nicht immer zur Zufriedenheit aller Protagonisten agiert werden kann. Der Polizeiberuf ist im Kern eine konstante Abwägung von Risiken. Dennoch ist es nicht statthaft, aufgrund von Verfehlungen einiger weniger eine ganze Berufsgruppe in Sippenhaft zu nehmen.

Polizeibeamte sind gerade in unseren modernen Zeiten einer neuen Form des öffentlichen Drucks ausgesetzt, die in der Geschichte einzigartig, aber doch bezeichnend für unsere modernen Zeiten ist.

Heutzutage kann jeder Mensch mit Hilfe eines Smartphones in höchster Qualität Momentaufnahmen aus dem alltäglichen Leben tätigen. Das bedeutet für den modernen Polizeibeamten, dass er jederzeit im Dienst beobachtet und dokumentiert werden kann. Sicherlich ist das nichts Schlechtes. Der Polizist ist im Dienst und muss sich an seine Vorschriften halten.

Aber wenn durch die Kennzeichnungspflicht eine Differenzierung zwischen dem Beamten im Dienst und dem Menschen dahinter vollzogen wird, dann stehen wir vor großen Problemen.

Ich habe gerade absichtlich diese Differenzierung zwischen dem Menschen und dem Polizisten im Dienst getroffen; denn wenn man sich näher damit beschäftigt, so ist das tiefgreifender, als wir erwarten dürften. Bereits in der Grundausbildung wird den angehenden Beamten gesagt: Wenn sie euch beleidigen, dann beleidigen sie die Uniform und nicht etwa euch persönlich.

Alle 90 Minuten wendet sich Gewalt gegen Polizeibeamte. So schrieb es bereits die „Westdeutsche Zeitung“ im Oktober 2016. Diese Gewalt ist in den letzten Monaten noch einmal gestiegen.

In den letzten sechs Jahren hatten wir hier in Nordrhein-Westfalen eine Steigerung der Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte um 41 %. Das ist keine schöne Entwicklung. Längst scheint der Hass auf Polizeibeamte in linken Kreisen salonfähig zu sein. Mitunter dringt er sogar bis in parlamentarische Kreise vor. So twitterte der Piratenpolitiker Thomas Goede, nachdem eine junge Polizistin lebensgefährlich verletzt wurde:

„So ein Tag, so wunderschön wie heute. Weg mit dem Bullendreck. Ich mach mal den Schampus auf. :D #ACAB“

– All Cops are Bastards.

(Zuruf von der AfD: Pfui!)

Meine Damen und Herren, das ist leider kein bedauernswerter Einzelfall. Dieser Hass gegen Polizeibeamte und dass man ihnen die Hölle auf Erden wünscht, scheint immer mehr salonfähig zu werden. Was passiert hier? Wir sprechen einer ganzen Berufsgruppe ihre Menschlichkeit ab. Wir müssen unbedingt gesellschaftlich und politisch wieder dagegen handeln.

Als wir uns mit der Kennzeichnungspflicht beschäftigt haben, haben wir uns gefragt: Cui bono? Wem nützt es eigentlich? – Wie bereits eben erwähnt, gab es in Nordrhein-Westfalen nicht einen einzigen Fall, in dem ein Beamter aufgrund seines individuellen Fehlverhaltens nicht identifiziert werden konnte. Im Gegenteil. Sogar bei der Bereitschaftspolizei kann man bis in die kleinste Einheit – die Gruppe – die Identität feststellen. Das heißt, die Kennzeichnungspflicht hat überhaupt keinen praktischen Nutzen, jedenfalls keinen positiven.

Heutzutage kann man mit wenigen Klicks die Identität, das Privatleben, das persönliche, berufliche und sogar das familiäre Umfeld ausspähen. Damit ist dem Missbrauch doch Tür und Tor geöffnet. Ob ich jetzt aus dem rechts- oder linksextremen Spektrum komme oder religiös motivierte Gewalt …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege, Sie achten auf das Redezeitzeichen?

Nic Peter Vogel (AfD): Ich achte auf die Redezeit.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die ist abgelaufen.

(Heiterkeit)

Nic Peter Vogel (AfD): Das ist schön. Dann lassen Sie mich bitte noch ein Schlusswort sagen.

Wir sollten unbedingt unserer Polizei wieder den Rücken stärken. Denn wenn wir das nicht tun, wird irgendwann die Polizei der Politik das Vertrauen entziehen.

Aus den eben dargelegten Gründen wird die AfD-Fraktion diesem Antrag zustimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. – Als nächste Rednerin erhält für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Düker das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

(Gregor Golland [CDU]: Frau Kollegin Düker, Sie sind ganz allein hier!)

Monika Düker (GRÜNE): Bevor jetzt Legenden entstehen: Die Kollegin Schäffer hat sich krankheitsbedingt abgemeldet. – Ich sehe schon Herrn Golland hier bei der Legendenbildung. Deswegen diese Vorbemerkung.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Katzidis, ich rate in dieser Debatte – Sie haben bei der Diskussion über die Auswertung des G-20-Gipfels hier schon einiges zum Besten gegeben – sehr zur verbalen Abrüstung.

Denn die Kennzeichnungspflicht, über die wir hier reden, hat nichts mit der steigenden Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte zu tun, die auch wir mit Sorge betrachten. Sie erhöht auch nachweislich nicht die Gefährdung, auch wenn Sie das hier noch so oft in den Raum stellen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Wo ist der Nachweis?)

Denn worum geht es? – Es ist eine anonymisierte Kennzeichnung, die es auch schon vorher gab und die um eine Ziffer ergänzt worden ist, Herr Löttgen. Also rüsten Sie alle einmal ein bisschen ab! Es gab schon immer eine Kennzeichnung. Man konnte einen Polizisten immer schon bis auf die Gruppe identifizieren, in der er eingesetzt ist. Jetzt wird es noch etwas mehr individualisiert.

Ich rate also, in dieser Debatte etwas abzurüsten. Hier wird überhaupt kein Generalverdacht gegen Beamtinnen und Beamte ausgesprochen, weil wir einer anonymisierten Kennzeichnung nur eine Ziffer mehr anfügen.

(Zuruf von der CDU: Das ist Misstrauen gegenüber der Polizei!)

Es geht schlicht und einfach um Bürgernähe und darum, Transparenz unserer Polizei als Träger des Gewaltmonopols darzustellen. Wie Kollege Bialas schon gesagt hat, sollte ein Träger des Gewaltmonopols grundsätzlich – es gibt Ausnahmen, aber grundsätzlich – den Bürgerinnen und Bürgern mit offenem Visier gegenübertreten.

Unsere Polizei hat auch nichts zu verbergen oder sich zu verstecken. Mit Misstrauen in den Rechtsstaat hat das überhaupt nichts zu tun. Im Land Brandenburg gibt es das übrigens auch. Es hat nachweislich keine negativen Auswirkungen.

Die Linie der Polizei in NRW, die es bisher gab, hat die damalige rot-grüne Landesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Kollegen Golland vor einigen Jahren wie folgt dargestellt – ich zitiere aus der Antwort der Landesregierung auf die damalige Kleine Anfrage –:

„Die NRW-Linie ist vielmehr die Umsetzung des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit und damit Ausdruck einer versammlungsfreundlichen und bürgerorientierten Grundhaltung.“

Weiter heißt es dort:

„Festzustellen ist, dass die ,NRW-Linie‘ die Außendarstellung der nordrhein-westfälischen Polizei als eine kommunikative, deeskalierende und konsequente Organisation nachhaltig geprägt hat und dies auch weiter tun wird.“

Anders als nach dem, was hier gerade als Popanz aufgebaut wird, verträgt sich das nämlich sehr wohl – Deeskalation auf der einen Seite und konsequente Durchsetzung des Rechts auf der anderen Seite.

Diese Leitlinie hat der NRW-Polizei auch im Ländervergleich einen guten Ruf eingebracht. Wir stellen sie nach wie vor nicht infrage. Offenbar wollen Sie von Schwarz-Gelb das.

Ich blicke einmal nach links zu Herrn Minister Reul und zu Herrn Staatssekretär Mathies, der auch immer für diese Linie gestanden hat. Die Frage an Sie wäre, ob Sie diese Linie, die wir in Nordrhein-Westfalen immer im Konsens von Rot-Grün gefahren haben, infrage stellen. Die Wortbeiträge heute in der Aktuellen Stunde und die Wortbeiträge der Vorrednerinnen und Vorredner lassen das tatsächlich befürchten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können hier am Redepult noch so viel Law-and-Order-Rhetorik vom Stapel lassen. Das ist vielleicht etwas für die Stammtischhoheit. Durch Ihr ganzes rhetorisches Aufrüsten bekommen die Menschen in Nordrhein-Westfalen aber noch lange nicht mehr Sicherheit.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch Unsinn!)

Deswegen hätte ich es besser gefunden – das hätte ich mir auch gewünscht –, von Ihnen einmal zu hören, wie Sie tatsächlich mehr Sicherheit für die Menschen in Nordrhein-Westfalen schaffen wollen, statt hier Ihre Scheindebatten, Ihre Symboldebatten und Ihre aufgeladenen rhetorischen testosterongesteuerten Schaufensterreden zu halten –

(Lachen von der CDU)

um es einmal auf den Punkt zu bringen.

(Zuruf von der CDU: Niemand hat geklatscht!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Düker. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Reul das Wort.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Wichtigste zuerst und in Kürze: Diesen Antrag von FDP und CDU begrüßen wir. Wir kommen natürlich der Aufforderung nach, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die Kennzeichnungspflicht wieder abgeschafft wird.

Im Gegensatz zu vielen anderen war ich in der letzten Wahlperiode nicht dabei. Deswegen habe mir einmal ganz nüchtern die Unterlagen angesehen, in denen begründet worden ist, warum man diesen Weg geht. Ich muss sagen: Es fällt mir schwer, zu verstehen, welchen Sinn das eigentlich hatte.

Zur Begründung der Kennzeichnungspflicht hieß es damals – ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin –:

„Um das Vertrauen in die Tätigkeit von Bereitschaftspolizei- und Alarmeinheiten und in die Kontrolle staatlichen Handelns weiter zu stärken, …“

Später steht im Text:

„Mithilfe der anonymisierten individuellen Kennzeichnung wird eine nachträgliche Identifikation der PVB erleichtert und das Vertrauen in die Kontrolle staatlichen Handelns erhöht.“

Ich gebe ja zu, dass ich erst kurze Zeit Innenminister bin. Aber ich höre nicht, dass es ein mangelndes Vertrauen in die Arbeit unserer Polizisten gibt. Ich höre überall nur von großem Vertrauen in Polizei.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP und der AfD)

Die Menschen finden ihre Arbeit großartig und stützen sie. Mir hat noch keiner erzählt, dass er eine Kennzeichnungsnummer braucht. Mir hat keiner erzählt, dass in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht.

Das ist übrigens nicht selbstverständlich. Wenn man sich in Europa und anderen Ländern umsieht, stellt man fest, dass das Verhältnis zwischen den Bürgern und ihrer Polizei manchmal ganz anders ist.

Bei uns gibt es strukturell überhaupt kein Problem. Es gibt Einzelfälle – der Anteil dieser Ausnahmefälle liegt im Promillebereich –, in denen sich Bürger über Polizeiverhalten beschweren. Das wird dann auch geklärt. So ist das in einem Rechtsstaat.

Interessant ist auch, dass die Sachverständigen, die damals im Innenausschuss angehört worden sind, allesamt festgestellt haben: Es gibt keinen einzigen Fall, in dem Vorwürfe gegen Polizeibeamte an einer fehlenden Kennzeichnung gescheitert sind.

Also frage ich mich: Warum so ein Gesetz? Warum muss man das rechtlich regeln? –

Ähnlich haben es ja auch diejenigen gesehen, die damit befasst und davon betroffen sind.

Langer Rede kurzer Sinn: Wenn es vernünftig ist, eine Regelung aufzuheben, dann doch in dem Fall, wenn keine Notwendigkeit zu ihrer Aufrechterhaltung besteht und es – außer zwei Parteien – in der Bürgerschaft und in der Fachwelt auch niemanden gibt, der dies will. Insofern gibt es keine sachlichen Gründe dafür. Sorry!

Deswegen nehmen wir das wieder zurück. Wir kehren zum Normalzustand zurück. Das hat bestens funktioniert. Ich mache das auch in dem guten Gewissen, die Meinung der Polizeigewerkschaften zu diesem Thema zu vertreten. Einer Kennzeichnungspflicht, wie sie in § 6a des Polizeigesetzes geregelt wurde, bedarf es nicht. Deshalb ist es richtig, sie wieder abzuschaffen.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir, auch nach einem Blick in die Runde, nicht vor, sodass wir am Schluss der Aussprache angelangt sind.

Damit können wir zur Abstimmung kommen. Die antragstellenden Fraktionen CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Ich lasse somit über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/75 abstimmen. Wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? – Die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag Drucksache 17/75 mit der festgestellten Mehrheit angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf:

4   Afghanistan ist nicht sicher – Abschiebungen aussetzen – Schutzbedarf der Geflüchteten anerkennen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/70

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollegin Aymaz das Wort. Bitte schön.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gegenwärtige Entwicklung in Afghanistan veranlasst uns dazu, heute den Abschiebungsstopp auf die Agenda zu setzen. Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich massiv verschärft.

Entgegen der Einschätzung des Bundesinnenministers ist auch Kabul offensichtlich nicht mehr sicher. Am 31. Mai 2017 starben bei einem Anschlag in der afghanischen Hauptstadt 150 Menschen, fast 500 wurden verletzt, und bei darauffolgenden Anschlägen gab es weitere Tote und Verletzte.

Wie kein anderes Land ist Afghanistan von unterschiedlichsten Terrororganisationen durchzogen. Laut United Nations Assistance Mission in Afghanistan hat das Land inzwischen die höchste Dichte von Terrororganisationen weltweit. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2017 gab es bei Angriffen 715 Tote und 1.466 Verletzte nur unter der Zivilbevölkerung.

All diese Entwicklungen zeigen sehr deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn heute eines sicher ist, dann, dass Afghanistan gegenwärtig nicht sicher ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das trifft auch auf die Hauptstadt zu, in der die Rückkehrer ja ankommen und aus der sie weiterreisen müssen.

Dass die Bundesregierung, die nach diesen massiven Verschärfungen die Notwendigkeit eingestehen musste, die Sicherheitslage in Afghanistan neu zu bewerten, nun dennoch einen Abschiebungsflug für den 28. Juli 2017 organisierte, ist für mich unfassbar. Ich bin erleichtert – wie viele Menschen in diesem Land übrigens auch –, dass diese Sammelabschiebung in letzter Minute noch gestoppt wurde.

Wir Grüne fordern schon seit Januar 2017, dass die Bundesregierung endlich eine Neubewertung der Sicherheitslage vornimmt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diese Forderung wird übrigens genauso von vielen Initiativen, Verbänden und Kirchen und nicht zuletzt von vielen Bürgerinnen und Bürgern erhoben.

Der Flüchtlingsrat NRW hat inzwischen über 11.000 Unterschriften für seine Petition gegen Abschiebungen nach Afghanistan gesammelt. Das ist eine eindrucksvolle Initiative für die Menschenrechte, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch in einigen Stadträten wurden entsprechende Resolutionen und Anträge verabschiedet. Auch der Rat der Stadt Köln befasst sich aktuell mit dieser Forderung.

Eine neue Bewertung der Sicherheitslage ändert die Basis für bisherige Asylentscheidungen. Das wird den afghanischen Geflüchteten die Möglichkeit eröffnen, auch Asylfolgeanträge zu stellen.

Es ist jetzt Ihre Aufgabe, Herr Minister Stamp, die kommunalen Ausländerbehörden anzuweisen, auch diese Informationen an die betroffenen Personen weiterzugeben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist bitter nötig, an die afghanischen Asylsuchenden das Signal zu senden, dass sie in NRW sicher sind.

Durch die Abschiebungspraxis nach Afghanistan werden möglicherweise Tausende retraumatisiert. Das widerspricht einer humanitären Flüchtlingspolitik und kann und darf nicht Ziel der Landesregierung sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Übrigens berichten bereits jetzt Hauptamtliche in der Flüchtlingsarbeit, beispielsweise aus den Psychosozialen Zentren in NRW, von massiver Verunsicherung und Verängstigung aufgrund der andauernden Abschiebungsbedrohung.

Das wäre auch ein wichtiges Signal für die zahlreichen ehrenamtlichen Flüchtlingshelferinnen und -helfer, ohne die wir in der schwierigen Zeit im Sommer 2015 die Flüchtlingsaufnahme in NRW nicht hätten meistern können. Auch diese Menschen befinden sich in einem Zustand der Unsicherheit – voller Sorge um diejenigen, die sie tagtäglich in ihrem Alltag begleiten. Auch deshalb ist jetzt ein Abschiebungsstopp durch das Land NRW so dringend nötig.

(Beifall von den GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte ich betonen: Ich finde es erfreulich, Herr Minister Stamp, dass auch Sie inzwischen Bedenken bezüglich der Abschiebung nach Afghanistan haben und der Auffassung sind, dass es dort derzeit offenbar kein Gebiet gibt, in das eine Abschiebung zu vertreten wäre.

Auf der anderen Seite aber halten Sie sich noch eine Tür offen und wollen sich nicht ganz festlegen. Das wird daran deutlich, dass Sie wiederholt äußern – ich zitiere –:

„Bei allem, was wir hier machen, dürfen wir nicht der Schlepperpropaganda Vorschub leisten.“

Ich appelliere an Sie, Herr Minister Stamp: Setzen Sie nun nicht die Menschenrechte aufs Spiel! Eine solche Abwägung – die Einhaltung von Menschenrechten versus Kriminalitätsbekämpfung – ist nicht zulässig.

Das Leben und die Sicherheit der afghanischen Geflüchteten, die bei uns Schutz suchen, sind in diesem Fall höher einzustufen als die Befürchtung, ein Abschiebestopp könne Schleppern zugutekommen. Das ist übrigens auch nur eine Befürchtung. Herr Minister Stamp, zeigen Sie eine klare Haltung!

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Berivan Aymaz (GRÜNE): Von?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Von dem Kollegen Lehne der Fraktion der CDU.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Ja.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte.

Olaf Lehne (CDU): Herzlichen Dank, dass Sie mir die Zwischenfrage ermöglichen. – War es nicht die rot-grüne Landesregierung, die es ermöglicht hat, die freiwillige Ausreise auch dementsprechend durch Steuermittel zu fördern? Mich verwundert immer – vielleicht können Sie darauf eine Antwort geben –, warum die Grünen immer nur die Abschiebungen ansprechen, aber nicht die freiwillige Rückkehr.

Sie wissen genau, dass unter den Abzuschiebenden diejenigen sind, die sich hier rechtswidrig aufhalten. Sie wissen auch, dass ein großer Teil von denen, die sich hier rechtswidrig aufhalten, auch schwere Straftaten begangen haben. Sie sprechen nie von denen, die tatsächlich in der Vergangenheit bezuschusst worden sind, die sich an Recht und Ordnung gehalten haben und ausgereist sind.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege …

Olaf Lehne (CDU): Deswegen meine Frage an Sie: Finden Sie das nicht zynisch?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank dafür, dass Sie noch zu einer Frage zurückgefunden haben. – Bitte schön, Frau Kollegin.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Das war jetzt geschickt. Aber in erster Linie kam erst einmal die Aussage. – Wir beziehen uns ganz klar auf die Entwicklung in Afghanistan. Wir wissen seit Anfang dieses Jahres, dass die Situation sich verschärft hat. Das sagt die Bundesregierung übrigens auch. Die Bundesregierung sagt: Die Lage hat sich verschärft. Wir brauchen eine neue Einschätzung.

Gerade deshalb finden wir es jetzt so wichtig, dass auch aus dem Land NRW ein klares Zeichen an die Bundesregierung kommt, dass in dieser Situation Abschiebungen nicht durchgeführt werden müssen und dürfen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich möchte noch einmal hervorheben: Das Leben und die Sicherheit der afghanischen Geflüchteten, die bei uns Schutz suchen – und um die geht es nun einmal –, sind in jedem Fall höher einzustufen als die Befürchtung, ein Abschiebestopp könne Schleppern zugutekommen.

Herr Minister Stamp, zeigen Sie jetzt klare Haltung, und geben Sie der Unversehrtheit von Menschenleben Vorrang.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner spricht für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Sieveke. Bitte schön, Herr Kollege.

Daniel Sieveke*) (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Aymaz, die Sicherheit und die Unversehrtheit gelten für jeden Menschen, aber auch für die deutsche Bevölkerung. Deswegen sollten wir uns einmal die Fakten anschauen, über die wir hier wirklich sprechen.

Angesichts der jüngsten Anschläge in Kabul haben sich Bund und Länder am 1. Juni dieses Jahres darauf geeinigt, dass der Bund die Sicherheitslage in Afghanistan neu beurteilt. Bis zur Vorlage einer neuen Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes und zur vollständigen Funktionsfähigkeit der deutschen Botschaft in Kabul sind Abschiebungen weitgehend ausgesetzt.

Nach Afghanistan abgeschoben werden – jetzt hören Sie gut zu – jeweils nach Ausschöpfung aller möglichen Rechtsmittel und auf Basis einer strengen Einzelfallprüfung vorläufig nur noch Gefährder, verurteilte Straftäter und Personen, die über ihre Identität getäuscht haben.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Die Kollegen in Rheinland-Pfalz haben das nicht mitgemacht!)

Das Auswärtige Amt strebt an, seine Neubewertung der Lage in Afghanistan im Laufe dieses Monats vorzulegen. Dies ist, wie gesagt, das Ergebnis einer Vereinbarung zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Regierungschefs der Länder vom 1. Juni.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Die Kollegen in Rheinland-Pfalz haben das nicht mitgemacht!)

Zu diesem Zeitpunkt, dem 1. Juni, war noch die alte Landesregierung geschäftsführend zuständig. Damit hat Rot-Grün auch in Nordrhein-Westfalen dieser Vereinbarung zugestimmt. Deswegen verstehe ich Ihren Antrag vom heutigen Tag überhaupt nicht.

Mir ist jedenfalls schleierhaft, weshalb Sie beispielsweise in Ziffer 1 Ihres Antrags eine Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan fordern – wohl wissend, dass eine solche Bewertung durch das Auswärtige Amt bereits im Gange ist und dass sich Nordrhein-Westfalen noch unter Ihrer Regierungsverantwortung gemeinsam mit dem Bund und den anderen Ländern auf exakt diese Vorgehensweise geeinigt hat.

Gleiches gilt für Ihre Forderung, einstweilen auf eine Rückführung von ausreisepflichtigen Asylsuchenden zu verzichten. Wie beschrieben, sind Rückführungen nach Afghanistan bis zum Vorliegen einer neuen Lagebeurteilung schon vor mehreren Wochen eingestellt worden. Somit bedarf es Ihres Antrages gar nicht.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Rückführungen sind nicht eingestellt! Das stimmt doch gar nicht!)

Was mich allerdings bei Ihnen wirklich ärgert, Frau Kollegin, ist der Umstand, dass Sie darin konsequent von einer Abschiebung von ausreisepflichtigen Asylsuchenden sprechen. Indem Sie durchgängig von Asylsuchenden sprechen, erwecken Sie zumindest unterschwellig den Eindruck, dass es um Personen geht, die möglicherweise einen Anspruch auf Asyl in Deutschland haben. Das tun Sie aber wahrscheinlich nur, um Sympathien für Ihren Antrag zu erwecken, und weniger, um sich um den Faktencheck zu bemühen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir für Flüchtlinge und Asylbewerber keinen Abschiebestopp brauchen, weil Flüchtlinge und Asylbewerber gar nicht abgeschoben werden dürfen. Nach Afghanistan abgeschoben werden lediglich – ich habe es eben schon einmal ausgeführt – ausreisepflichtige Ausländer, also Personen, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde und denen gerade kein Flüchtlingsstatus zugesprochen wurde.

Das gilt auch nur in ganz besonderen Fällen, nämlich – noch einmal – für Straftäter und Gefährder. Definitiv nicht abgeschoben werden Kinder, Frauen und Familien.

Hören Sie also auf, durch begriffliche Unschärfen den irreführenden Eindruck zu erwecken, es sei anders. Das ist schlicht und ergreifend falsch und auch keine redliche Form der politischen Auseinandersetzung in einem so sensiblen Bereich.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zweifelslos ist die Sicherheitslage in Afghanistan volatil. Das wurde eben auch beschrieben. Es gibt aber Regionen, in denen die Lage ausreichend kontrollierbar und für den Einzelnen vergleichsweise ruhig und stabil ist.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Welche denn? Aufzählen!)

Aus Sicht der CDU-Fraktion ist es deshalb richtig, dass Straftäter und Gefährder nach Einzelfallprüfung und unter strengen Voraussetzungen auch in dieses Land abgeschoben werden dürfen.

(Beifall von der CDU)

Wer sein Gastrecht – da sollten Sie dann auch einmal genau zuhören, Frau Kollegin – zur Begehung von Straftaten nicht nur unwesentlich missbraucht, den religiösen Frieden in unserem Land stört oder für uns eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist, der muss dieses Land auch wieder verlassen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Sieveke, entschuldigen Sie. Gestatten Sie dem Abgeordneten Körfges eine Zwischenfrage?

Daniel Sieveke*) (CDU): Ja, selbstverständlich.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Herr Kollege Körfges.

Hans-Willi Körfges*) (SPD): Herr Kollege Sieveke, Sie haben in Ihrem Wortbeitrag gerade von Regionen, die ausreichend stabil seien, gesprochen. Könnten Sie uns denn die Regionen in Afghanistan nennen, die Sie als ausreichend stabil empfinden?

Daniel Sieveke*) (CDU): Herr Kollege Körfges, ich habe eben ausgeführt, dass sich die Bundesregierung in Absprache mit den Bundesländern die Lage in Afghanistan genau anguckt. Es bringt in meinen Augen gar nichts, sich jetzt einzelne Regionen auszusuchen.

(Lachen von Hans-Willi Körfges [SPD])

– Herr Körfges, das Thema ist nicht zum Lachen, denke ich.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Nein, es ist nicht zum Lachen!)

Auch angesichts der volatilen Situation in Afghanistan für Soldatinnen und Soldaten, die unser Land in Afghanistan vertreten, den Frieden dort herstellen möchten und sich um die Menschen kümmern, ist es zynisch, darüber zu lachen.

Trotzdem gibt es Regionen, die vergleichsweise …

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ich habe nie darüber gelacht! Herr Sieveke, ich habe über Ihre ausweichende Antwort gelacht!)

– Ja, doch. Sie fangen hier nämlich eine Diskussion an, um dann zu sagen: Ich kenne da aber einen Ort, in dem wieder das und das passiert ist.

Mir und uns geht es um Folgendes: Wir sprechen an dieser Stelle über Gefährder mit höchstem Straf- und Gefahrenpotenzial in unserem Land. Wenn hier wieder ein Anschlag passiert, sind Sie es auch, die dann anfangen, zu sagen: Warum sind diese Menschen nicht abgeschoben worden oder des Landes verwiesen worden?

Deswegen bedarf es bei dieser Diskussion großer Ernsthaftigkeit und Ruhe. Da bringt es nichts, immer über Familien, Kinder und Frauen zu sprechen, die vermeintlich abgeschoben werden. Sie werden aber nicht abgeschoben. Abgeschoben werden nur Straftäter und Gefährder.

Deswegen sollten wir bei diesem Niveau bleiben und auch Vertrauen in die Lageeinschätzung der Bundesregierung setzen.

Und noch einmal: Sie als damals regierungstragende Fraktionen bzw. die alte Landesregierung haben ja auch dieser Vorgehensweise zugestimmt.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Sieveke, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche.

Daniel Sieveke*) (CDU): Ja. Kein Problem.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Abgeordnete Aymaz würde Ihnen gerne auch eine Zwischenfrage stellen.

Daniel Sieveke*) (CDU): Sehr gerne.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Frau Kollegin.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Wie viele Gefährder sind Ihnen bekannt, die jetzt darauf warten, abgeschoben zu werden?

Daniel Sieveke*) (CDU): Wie viele? Frau Kollegin, es geht hier nicht um Zahlen, sondern es geht darum, dass sich der Rechtsstaat die Möglichkeit offenhält …

Frau Aymaz, Sie stellen mir eine Frage. Es geht auch um Höflichkeit. Sie stellen eine Frage. Ich möchte sie beantworten – so, wie ich sie beantworten möchte. Und Sie drehen mir den Rücken zu.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD – Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Wollen Sie eigentlich in diese Diskussion ernsthaft einsteigen, oder geht es Ihnen nur um Show? – Ihnen geht es um Show.

Ob es jetzt ein Gefährder ist oder zehn Gefährder sind: Die Politik muss handlungsfähig bleiben, damit man jeden Gefährder, der sich hier in diesem Land aufhält, abschieben kann. Wir werden das auch weiterhin vollziehen –

(Beifall von der CDU und der AfD)

wenn Sie diese Antwort hören möchten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat bislang keinen Entscheidungsstopp nach § 11a Asylgesetz für die Asylverfahren afghanischer Staatsangehöriger verhängt. Aktuell erfolgt lediglich eine Rückpriorisierung vor dem Hintergrund der vom Auswärtigen Amt zugesagten kurzfristigen Neubewertung der Sicherheitslage.

In diesem Sinne rate ich uns allen – Frau Aymaz, uns allen – dazu, diese Neubewertung abzuwarten und sich so lange an das zu halten, was Bund und Länder – wohlgemerkt mit Ihrer Zustimmung, der Zustimmung der alten Landesregierung – Anfang Juni dieses Jahres vereinbart haben.

Die CDU-Fraktion wird den vorliegenden Antrag daher auch ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sieveke. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Yetim das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Ibrahim Yetim (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat vor wenigen Wochen noch betont, dass es bestimmte Regionen in Afghanistan gibt – unter anderem Kabul –, die nach wie vor sicher seien. Wenn Sie aber an die Vielzahl der Anschläge von Selbstmordattentätern, von Terroristen, in den letzten Wochen und Monaten denken, dann ist die Verschlechterung der Sicherheitslage sehr klar zu erkennen. In den letzten Monaten gab es viele Hundert Tote und Tausende Verletzte.

Was uns dabei direkt betrifft, ist der Anschlag auf die deutsche Botschaft am 31. Mai 2017 mit über 100 Toten und fast 500 Verletzten.

Das zeigt sehr deutlich, wie gefährlich die Lage in Afghanistan ist. Ich bin sehr froh darüber, dass die SPD-Bundestagsfraktion ebenfalls eine Neubewertung der Sicherheitslage gefordert hat. Diese soll ja auch bis Ende des Monats vorliegen.

Aus Sicht der SPD-Fraktion sind – das kann ich Ihnen sehr deutlich sagen – Abschiebungen aufgrund dieser Sicherheitslage nicht hinzunehmen. Deswegen werden wir dem Antrag der Grünen auch zustimmen.

Wir hätten uns eine Ergänzung gewünscht. Das geht in die Richtung von Herrn Sieveke. Wir hätten uns nämlich gewünscht, in diesem Antrag auch sehr klar zu sagen, dass Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern auf Basis einer Einzelfallprüfung möglich sind. Wer hier Straftaten verübt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer hier Gefährder ist, der hat keinen Anspruch auf Asyl – um das sehr deutlich zu sagen. Es kann nicht sein, dass jemand nach Deutschland kommt, hier um Asyl bittet und gleichzeitig Straftaten begeht. Damit hat jeder seinen Asylgrund verwirkt und muss auch ausgewiesen werden können, glaube ich.

(Beifall von der SPD)

Wir werden trotzdem diesem Antrag zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Sehr geehrter Herr Minister Stamp, Sie haben gegenüber der „Rheinischen Post“ gesagt – die Kollegin Aymaz hat gerade darauf hingewiesen –, dass Sie Abschiebungen nach Afghanistan zurzeit extrem zurückhaltend gegenüberstehen. Meine Frage ist: Werden Sie also einen Abschiebestopp anordnen? – Das können Sie gleich beantworten.

Ich habe auch gelesen, dass Sie sich Sorgen machen, ein Abschiebestopp würde die Schlepperbanden begünstigen. Das Geschäftsmodell der Schlepperbanden werden wir hier aus NRW nicht bekämpfen können, glaube ich. Das ist eine Sache, die auf der Bundesebene und auch auf der europäischen Ebene geklärt werden muss, und zwar möglichst schnell.

Ich bin sicher, dass Sie, Herr Minister Stamp, den direkten Kontakt zu Ihrem Nachbarn links neben Ihnen haben, der ja auch stellvertretender CDU-Bundes-vorsitzender ist. Auf dieser Ebene muss man sich austauschen und da die entsprechenden Maßnahmen treffen, damit Schlepperbanden nicht so agieren können, wie sie agieren, und das Elend der Menschen nicht ausnutzen können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Lenzen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Stefan Lenzen (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Afghanistan ist eines der gefährlichsten Länder. Die Entscheidung der Bundesregierung, die Sicherheitslage neu zu beurteilen, ist daher richtig und dringend geboten. Menschen in Bürgerkriegsgebiete abzuschieben, wäre nicht verantwortbar.

Aber ein genereller Abschiebestopp bleibt aus unserer Sicht immer noch das beste Argument für die Schlepper; denn dann kann jeder hierhin kommen und bleiben, egal ob er in seiner Heimat bedroht ist oder nicht. Der Kollege Sieveke hat das ja auch schon ausgeführt: Abschiebungen von Straftätern, Identitätsfälschern und Gefährdern müssen weiterhin möglich sein. Die Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung und die Akzeptanz für unsere offene Gesellschaft hängen nun einmal auch davon ab, dass Regeln eingehalten werden.

Der Integrationsminister hat deutlich gemacht, dass er zurzeit das Thema „Abschiebungen nach Afghanistan“ sehr zurückhaltend angeht. Ich denke, das ist schon einmal eine klare Aussage. Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen – das gehört auch zur Wahrheit dazu –, zurückhaltend, wie Sie es ja in Ihrer Zeit als Regierungsparteien waren, haben Sie ja auch ähnlich lautende Anträge der Piraten regelmäßig abgelehnt. Das war auch richtig so.

Für ein komplettes Aussetzen jeglicher Abschiebungen nach Afghanistan wäre vielmehr nötig, dass für jeden afghanischen Staatsbürger in Afghanistan eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. In unserem Rechtsstaat ist es Aufgabe des Auswärtigen Amtes, die Sicherheitslage in Afghanistan neu zu beurteilen.

Selbst die Grünen, die in zehn Landesregierungen vertreten waren – darunter bis Mitte Mai auch noch in NRW –, haben am 13. Januar 2017 in einem gemeinsamen Papier die Zuständigkeit für diese Entscheidung anerkannt und lediglich eine Neubewertung der Sicherheitslage gefordert. Dort heißt es weiter:

„Wo die freiwillige Ausreise scheitert, müssen jedoch auch zwangsweise Rückführungen per Abschiebung erfolgen. Auch sie sind als Teil des Bundesrechtes dort vorzunehmen, wo andere Optionen nicht greifen oder wo es dringend geboten ist. So werden etwa seit Langem Straftäter nach Afghanistan abgeschoben.“

Anknüpfend an das Beispiel der rot-grünen Abschiebepolitik in NRW werden auch wir in erster Linie auf freiwillige Ausreisen setzen und insbesondere Straftäter und Gefährder nach strikter Prüfung, ob eine Abschiebung nach Afghanistan im konkreten Fall verantwortbar ist oder nicht, auch zurückführen.

Das Rückübernahmeabkommen mit Afghanistan sollte eben nicht ausgesetzt werden, denn wir werden es brauchen, wenn sich die Sicherheitslage in Afghanistan wieder einmal bessert. Dann könnten diejenigen zurückgeführt werden, die ohne Schutzgrund zu uns gekommen sind, deren Abschiebung derzeit aber nicht verantwortbar erscheint. Stattdessen sollte das Rückübernahmeabkommen mit Afghanistan aus unserer Sicht für ähnliche Vereinbarungen mit den sogenannten Maghreb-Staaten Vorbild sein, damit Rückführungen auch dorthin möglich werden.

Wir werden uns aber letztendlich gleichzeitig – da wollen Sie ja eigentlich hin – auf Bundesebene dafür einsetzen, nicht nur den Schutzbedürftigen, sondern auch den nicht Schutzbedürftigen, die sich besonders gut bei uns integriert haben – insbesondere jungen Familien –, auf der Grundlage klarer Einwanderungsregeln die Chance zu geben, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Das wäre unser Ansatz. – Danke schön.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Lenzen. War das Ihre erste Rede?

Stefan Lenzen (FDP): Die zweite.

Vizepräsident Oliver Keymis: Schade, ich kann hier gar keinem gratulieren.

(Heiterkeit)

Prima. Danke schön. – Als Nächster spricht für die AfD-Fraktion Herr Kollege Wagner.

Markus Wagner (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Es wird Sie nicht überraschen: Bei diesem Antrag steht unser „A“ in AfD für „Abschiebung“. Der Kollege der Union hat hier schon die wesentlichen Fakten dafür genannt, warum man natürlich auch nach Afghanistan abschieben kann, ja unserer Meinung nach sogar muss, wenn es sich um vollziehbar Ausreisepflichtige handelt. Ich verzichte daher darauf, Sie hier mit Wiederholungen zu langweilen.

Wir könnten uns aber – das will ich hier auch sagen – ganz anders mit dem Antrag der Grünen auseinandersetzen, wenn sie nicht eigentlich ohnehin gegen nahezu jede Abschiebung wären, wenn sie nicht eigentlich immer nach mehr oder weniger – im Regelfall mehr – einschlägigen Hindernissen für Abschiebungen suchten. Ich kann es an dieser Stelle kurz machen: Nicht nur die Bürger in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben diese grüne Abschiebeverhinderungspolitik abgelehnt. Die AfD lehnt diesen Antrag natürlich ebenfalls ab. Viel wichtiger ist für uns daher, was die Landesregierung tun wird.

Herr Minister, ich frage Sie ganz direkt: Welche Quote streben Sie bei der Abschiebung der vollziehbar Ausreisepflichtigen an? In welcher Zeit wollen Sie diese Zielmarke erreichen? Und welche Maßnahmen planen Sie dafür? Es kann ja, was die Abschiebezahlen angeht, nicht nur darum gehen, sich gegenüber der rot-grünen Vorgängerregierung relativ zu verbessern. Schließlich sind wir doch wohl beide der Meinung, dass Rot-Grün hier desaströs versagt hat.

Was wir nach Merkels kapitalem Fehler brauchen, ist eine klare Trendwende. Aus den Fehlern von 2015 hätten Sie gelernt; es dürfe sich nicht wiederholen: Das schreibt die CDU aus Angst vor der AfD nun in ihr Wahlprogramm. Wir sind gespannt, wann sie den Stau an nicht vollzogenen Abschiebungen abgearbeitet haben wollen. Denn – auch das gehört neben dem rot-grünen Versagen zur Wahrheit – diesen Abschiebestau verantwortet ja vor allem die CDU. Ihre Politik im Bund hat Migranten in Massen ungesteuert und häufig ohne jeden Rechtsanspruch in unser Land und damit im Regelfall in unsere Sozialsysteme geholt. Bitte sagen Sie uns also, bitte sagen Sie den Bürgern: Wann schieben Sie endlich alle vollziehbar Ausreisepflichtigen ab? – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Wagner. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen: Die Landesregierung wird keine Quote beschließen, was Abschiebungen angeht. Wir werden uns das nicht diktieren lassen,

(Markus Wagner [AfD]: Sie sollen eine Idee haben!)

und auch schon gar nicht von der AfD.

Ich sage Ihnen an dieser Stelle auch: Es geht nicht darum, die Quantität von Abschiebungen zu erhöhen, sondern es geht darum, dass wir diejenigen zurückführen, die hier die offene Gesellschaft belasten.

Wir brauchen insgesamt einen Paradigmenwechsel in der Einwanderungs- und in der Flüchtlingspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Vor allem hätte ich mir hier gewünscht, dass die frühere Landesregierung aus Nordrhein-Westfalen selbst einmal aktiv geworden wäre und ihre Verantwortung als größtes Bundesland der Bundesrepublik Deutschland ernst genommen und sich aktiver in die Politik in Berlin eingemischt hätte.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir als Nordrhein-Westfalen-Koalition werden das tun.

Weil ich konkret gefragt worden bin, sage ich Ihnen – ich kann das ganz klar erklären – auch dazu: Wir werden keinen generellen Abschiebestopp für Afghanistan verhängen.

Der Anschlag vom 31. Mai in Kabul, der grauenhaft war, der viele Tote und Verletzte gefordert hat, hat uns gezeigt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor schwierig ist und auch noch schwieriger geworden ist. Deswegen sind wir ja auch bei den Abschiebungen nach Afghanistan äußerst zurückhaltend.

Infolge dieses furchtbaren Terroraktes hat der Bund entschieden, eine neue Bewertung der Sicherheitslage vorzunehmen. Ich will das noch einmal betonen: Die Bewertung der Sicherheitslage in Afghanistan liegt nicht in der Zuständigkeit des Landes; sie liegt bei den zuständigen Bundesbehörden. Die Einbeziehung der Expertise der Hilfsorganisationen bzw. Nichtregierungsorganisationen vor Ort versteht sich dabei von selbst. Sie entspricht der regelmäßigen Vorgehensweise des Auswärtigen Amtes bei der Erstellung seiner Lageberichte. Das Ergebnis der Überprüfungen durch die zuständigen Bundesbehörden bleibt jetzt abzuwarten.

Sie haben eben angesprochen, Frau Aymaz, dass Sie das Argument nicht überzeugt – ich glaube, Herr Yetim hat es auch angesprochen –, was die Schlepperbanden angeht. Ich kann Ihnen da nur empfehlen, sich wirklich mit der Praxis auseinanderzusetzen, was die zentralen Argumente in diesem kriminellen Geschäft sind.

Wenn Sie eine Regelung haben, in der es einen Automatismus gibt, dass, wenn Sie dieses Land betreten, damit automatisch ein dauerhaftes Bleiberecht in diesem Land verbunden ist, dann ist das natürlich das ideale Argument für die Schlepperbanden. Deswegen kommt das für uns nicht infrage, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Bei einer Prüfung haben wir auch festgestellt, dass eine Aussetzung der gemeinsamen Absichtserklärung über die Zusammenarbeit im Bereich der Migration kurzsichtig wäre. Denn es lässt auch außer Acht, dass es im Jahr 2016 in demselben Zeitraum bundesweit lediglich 67 Abschiebungen nach Afghanistan gegeben hat, sich aber rund 3.300 Personen dafür entschieden haben, mit Hilfe von Fördermitteln aus dem Bund-Länder-Programm freiwillig nach Afghanistan zurückzukehren. Auch die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr hat ihre Basis in dieser gemeinsamen Absichtserklärung.

Ich weiß nicht, Frau Kollegin, ob Sie die Absichtserklärung wirklich aufkündigen wollen – Herr Kollege Sieveke hat darauf hingewiesen –, die hier mit Zustimmung der früheren Landesregierung zustande gekommen ist. Für die Reintegration dieser Menschen in Afghanistan würde das einen gravierenden Rückschritt bedeuten, und die Zusammenarbeit zwischen der deutschen und der afghanischen Regierung im Bereich der Migration würde sich damit deutlich verschlechtern.

Bund und Länder sind sich im Übrigen darin einig, Abschiebungen nach Afghanistan zurzeit insbesondere auf Straftäter und Gefährder zu beschränken. Auch dazu haben Kollege Sieveke und Kollege Lenzen eben ausgeführt. Auch in diesen Fällen gibt es immer noch eine sorgfältige rechtsstaatliche Einzelfallprüfung. Insofern geht Ihr Antrag hier nicht in die richtige Richtung.

Wir sind der Meinung, dass wir andere Wege gehen müssen. Wir brauchen eine grundsätzliche Veränderung – ich habe das eingangs gesagt – in der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik, die stärker die Integrationsleistung belohnt und auf der anderen Seite konsequenter gegen Integrationsverweigerer vorgeht. Was wir nicht brauchen, ist Aktionismus wie diesen Antrag der Grünen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Weitere Wortmeldungen haben wir nicht.

Nun kommen wir also zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/70. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu den Antrag Drucksache 17/70 beantragt. Nach Abs. 2 des § 44 erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

Ich bitte nun Herrn Kollegen Abgeordneten Schmitz, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt.)

Sind alle Meldungen so weit erfolgt, wie erfassbar? – Damit schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen. Bitte schön.

(Die Stimmen werden ausgezählt.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein Ergebnis, das ich Ihnen jetzt mitteile. Ihre Stimme abgegeben haben 191 Abgeordnete. Mit Ja stimmten 75 Abgeordnete, mit Nein 116 Abgeordnete. Enthaltungen gab es keine. Damit ist der Antrag Drucksache 17/70 abgelehnt.

Ich rufe auf:

5   Gesetz zur Stärkung der persönlichen Freiheit im Rahmen des Nichtraucherschutzes in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/73

erste Lesung

Für die Fraktion der AfD hat Herr Kollege Tritschler jetzt das Wort. Bitte schön.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die AfD-Fraktion bringt hier einen Gesetzentwurf in das Hohe Haus ein, der die Verhältnisse beim Nichtraucherschutz in Nordrhein-Westfalen im bundesweiten Vergleich normalisieren soll. Nur Bayern und das Saarland haben eine mit unserem bisherigen Gesetz vergleichbar radikale Verbotsregelung getroffen. Alle anderen Bundesländer betreiben Nichtraucherschutz mit Augenmaß und lassen in den jeweiligen Gesetzen daher Ausnahmen vom strikten Rauchverbot für Gaststätten zu.

Die von uns beantragte Regelung entspricht deshalb fast im Wortlaut dem entsprechenden Passus im baden-württembergischen Nichtraucherschutzgesetz. Sie sieht zwei eng begrenzte Ausnahmen vom ansonsten weiterhin strengen Rauchverbot vor: für Gaststätten bis 75 m2 und für Gaststätten, die einen separaten Raucherraum anbieten. Durch Kennzeichnungspflichten wird sichergestellt, dass jeder schon von außen erkennen kann, dass in einer Gaststätte geraucht wird, und auch der Jugendschutz wird gewährleistet.

So wurde das von einer schwarz-gelben Regierung in Baden-Württemberg eingeführt, so wurde es von einer rot-grünen Regierung fortgesetzt, und so wird es von einer grün-schwarzen Regierung bis heute beibehalten. Da muss man den auswärtigen Parteifreunden der ehemaligen Regierungsparteien Respekt zollen. Sie haben es offenbar geschafft, eine Regelung zu finden und beizubehalten, die den Nichtraucherschutz mit den berechtigten Interessen von Gastronomen und Rauchern in Einklang bringt und sich bewährt hat.

Sie von Rot-Grün dagegen waren radikal. Denn Sie haben Ihre Bevormundungsideologie ohne Rücksicht auf Verluste umgesetzt und dabei zahllose Existenzen gefährdet und vernichtet.

(Beifall von der AfD)

Wahrscheinlich werden Sie uns gleich erzählen, wie viele schlimme Krankheiten das Rauchen verursacht und welche schlimmen Stoffe im Tabakrauch enthalten sind. Aber das weiß doch jeder. Es steht übergroß auf jeder Zigarettenpackung, und trotzdem rauchen die Menschen. Sie sind eben manchmal unvernünftig, und das dürfen sie auch sein. Sie brauchen keine links-grünen Gouvernanten, die ihr Leben bis ins letzte Detail durchreglementieren.

(Beifall von der AfD)

Rauchen ist ungesund, ja; Passivrauchen auch. Das bestreitet hier niemand, und deshalb gehört kein Qualm in Schulen, Behörden, Bahnen oder Universitäten. Aber eine Eckkneipe ist kein Mädchenpensionat. Sie ist ein gewachsenes Stück Kultur, eine Begegnungsstätte und für viele Menschen ein Stück Heimat, und, liebe Kollegen von der SPD, sie ist es insbesondere für die kleinen Leute in den großen Städten, die Sie angeblich vertreten. Deshalb haben sich Ihre Kreisverbände an der Ruhr auch gegen dieses Radikalverbot gewährt.

(Marc Herter [SPD]: Kreisverbände?)

Das hat Sie nicht interessiert. Sie haben dem Drängen Ihres grünen Bevormundungsanhängsels nachgegeben, und wie erwartet kam es zu Umsatzeinbußen in der Gastronomie; das berichten alle, die Ahnung vom Fach haben. Wie erwartet sterben immer mehr Kneipen, und wie erwartet gibt es keine Heerscharen von Nichtrauchern, die nur darauf gewartet haben, eine rauchfreie Eckkneipe zu bevölkern.

Ja, es ist richtig: Viele Kneipen waren vorher schon in keiner guten wirtschaftlichen Lage, aber das darf kein Argument für uns sein, diese Situation noch zu verschlimmern. Das darf auch kein Argument dafür sein, Menschen die Existenz zu vernichten.

Die Zeiten haben sich aber geändert, und ein Blick in das Plenarprotokoll über die Sitzung vom 4. Juli 2012, in der der Gesetzentwurf des geltenden Gesetzes beraten wurde, lässt mich zuversichtlich sein, dass nun eine Mehrheit für eine Änderung bereitsteht. Ich zitiere den Kollegen Preuß von der CDU, der gleich nach mir sprechen wird:

„Der Gesetzentwurf, den Sie heute vorlegen, hat nicht den Gesundheitsschutz zur Grundlage. Er ist ein Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger, ein Angriff auf die Freiheit, die es ermöglicht, das Leben zu genießen mit allen Genüssen und manchmal auch Eigenarten, die nicht allen passen. Dazu zählt auch die Kneipenkultur.“

(Beifall von der AfD)

Herr Preuß, ich bin gespannt, ob sich der Oppositions-Preuß und der Regierungs-Preuß einig sind.

(Heiterkeit von der AfD)

Es sieht also danach aus, als könne es hier eine Mehrheit für eine maßvolle und vernünftige Ausgestaltung des Nichtraucherschutzes geben.

Möglicherweise wird es Ihnen schwerfallen, zuzugeben, dass die bösen Rechtspopulisten nicht nur rechts sind, sondern ab und zu auch recht haben. Gewiss haben sich Ihre Referenten auch schon eine Reihe formeller Bedenken ausgedacht, hinter denen Sie sich jetzt verstecken können. Möglicherweise ist auch die CDU wieder mal umgefallen oder, wie man das heute nennt, „hat sich weiterentwickelt“.

(Heiterkeit von der AfD)

Und möglicherweise leidet die FDP wieder mal unter Vergesslichkeit, was die Wahlversprechen angeht. Ich hoffe aber, dass Sie an dieser Stelle nicht wortbrüchig werden. Wenn Ihnen etwas an dem Handwerk Ihrer Kollegen aus dem Südwesten nicht gefällt, dann ist sicher noch Gelegenheit, im Ausschuss darüber zu sprechen.

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben die Gelegenheit, dieses brutale Existenzvernichtungsprogramm grüner Ideologen zu stoppen und ein Zeichen der Vernunft zu setzen. Sie haben die Gelegenheit, den Menschen ein Stück Kultur und Heimat zu erhalten, und Sie haben die Gelegenheit, zu zeigen, was Ihre Versprechen wert sind. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Tritschler. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Preuß.

Peter Preuß (CDU): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der, von dem eben die Rede war.

(Zuruf von der AfD: Unsere große Hoffnung!)

Das Thema „Nichtraucherschutz in Nordrhein-Westfalen“ hat uns in den vergangenen Legislaturperioden mehrfach beschäftigt. Es kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen – und es ist auch von niemandem anders gesehen worden –, dass das Rauchen und insbesondere das Passivrauchen gesundheitsgefährdend ist.

Es ist also abzuwägen zwischen dem Schutz der Gesundheit einerseits und der individuellen Entscheidung andererseits, wann und wo ich rauchen will oder das Rauchen zulasse. Mögliche Umsatzeinbußen, über die man selbst innerhalb der Gastronomie geteilter Meinung ist, sind dagegen kein Aspekt, der einen direkten Einfluss darauf haben kann, wenn es um die Abwägung zwischen Gesundheit und individueller Freiheit geht.

Die CDU-Landtagsfraktion war die erste Fraktion, die den Schutz der Nichtraucher konsequent durchgesetzt hat, und die CDU/FDP-geführte Landesregierung hat 2008 unter dem damaligen Minister Laumann ein gutes Nichtraucherschutzgesetz auf den Weg gebracht. Gut deshalb, weil es Gesundheitsschutz und individuelle Lebensbedürfnisse und Lebensweisen der Bürgerinnen und Bürger in Einklang gebracht hat – ein echter Interessenausgleich.

Das geltende Nichtraucherschutzgesetz in NRW aus dem Jahr 2012 hingegen hat unsere Zustimmung seinerzeit nicht erfahren; denn es ist geprägt von rot-grüner Gängelei und der Vorstellung, den Menschen vorschreiben zu müssen, wie sie zu leben haben.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der AfD)

– Klatschen Sie nicht zu früh. – Die Zustimmung zu einem Rauchverbot ist in den vergangenen Jahren gestiegen, und dies nicht nur bei den Nichtrauchern, sondern auch bei den Rauchern. Der Schutz vor dem Passivrauchen ist in unserer Gesellschaft heute mehr denn je akzeptiert. In der Politik gilt das Prinzip der praktischen Vernunft, und das heißt, dass Realitäten anerkannt werden müssen

(Beifall von der CDU – Lachen von der SPD – Zuruf von der SPD: Sehr gut, Herr Kollege!)

und dass nicht mit dem Stachel zu löcken und Teile der Bevölkerung gegen sich aufzubringen oder die Gesellschaft zu spalten ist.

Nicht zuletzt deshalb hat sich die Koalition im Koalitionsvertrag darauf verständigt, das Nichtraucherschutzgesetz unberührt zu lassen, wohl aber begründete Ausnahmen vorzusehen, die sich jedoch nicht auf Räume innerhalb von Gaststätten beziehen. Kneipensterben, Umsatzeinbußen, Belästigung von Anwohnern oder weniger Gemütlichkeit in Kneipen oder im Bierzelt sind keine stichhaltigen Gründe, um den Nichtraucherschutz aufzuweichen. Selbst unter den Gastronomen scheint es keine einheitliche Meinung zum Nichtraucherschutz in Nordrhein-Westfalen zu geben.

Es gibt aber – bezogen auf den Antrag – keinen erkennbaren Handlungsbedarf. Der vorliegende Antrag der AfD liefert keine neuen Aspekte oder Fakten, die eine nochmalige Debatte über das Thema notwendig machen. Nicht zuletzt würde eine erneute Änderung des Gesetzes nur wieder eine Diskussion lostreten, die den Menschen in unserem Lande nicht dient. Aber Einzelheiten können wir gerne im Ausschuss vertiefen. – Vielen Dank.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage, die jetzt schon eine Schlussfrage wird? Herr Tritschler hätte noch eine Frage. Würden Sie sie zulassen?

Peter Preuß (CDU): Ja, bitte.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett von Ihnen. – Herr Tritschler, bitte schön.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Kollege, vielen Dank. – Ich habe eine Frage, da Sie es mehrmals angesprochen haben: Halten Sie Diskussionen für etwas Schlechtes in einer Demokratie? Es klang so. Oder habe ich Sie da missverstanden?

Peter Preuß (CDU): Nein, ich halte die Diskussion nicht für schlecht. Ich halte sie nur an dieser Stelle für unnötig, weil der Schutz der Nichtraucher in der Gesellschaft inzwischen akzeptiert ist.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Preuß. – Nun spricht Herr Yüksel für die SPD-Fraktion.

(Zuruf von der AfD: Wir sind mit Ihrer Fortentwicklung nicht einverstanden! – Gegenruf von Peter Preuß [CDU]: Müssen Sie auch nicht!)

Serdar Yüksel (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Preuß, Sie werden mir erlauben, dass ich am Beginn meiner Rede zu Ihrer Rede Stellung nehme. Es war erstaunlich, zu hören, wie aus „Gängelei“ am Ende „praktische Vernunft in der Politik“ wird. Wie Sie diese Pirouette hinbekommen haben – alle Achtung! Herzlichen Dank für die Vorlage.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir alle kennen die bundesweiten Zahlen: 86 % der befragten Bürgerinnen und Bürger sind für einen Nichtraucherschutz in der Gastronomie. Hier ist es auch gesagt worden: Sogar 66 % der Raucher stimmen diesem Schutz zu.

Die Forderung nach einem effektiven Gesundheitsschutz wird also nicht mehr hinterfragt, sondern sie ist eine gesellschaftliche Realität, die mittlerweile auch die CDU in Nordrhein-Westfalen, wie wir gerade gehört haben, anerkennt, indem sie ihre ursprünglich kritische Formulierung zum Nichtraucherschutz aus ihrem Wahlprogramm gestrichen hat. Generalsekretär Löttgen begründete dies damit, dass es überwiegend kritische Anregungen von der eigenen Basis gab.

Die Frage lautet also nicht mehr, ob wir einen Nichtraucherschutz brauchen, sondern in welcher Form wir ihn brauchen. Selbst die AfD folgt uns in dieser Hinsicht mit ihrem Gesetzentwurf; auch Sie stellen den Nichtraucherschutz nicht gänzlich infrage.

Die Frage ist jedoch keineswegs neu. Sowohl in der Regierungsverantwortung als auch als Gesetzgeber haben wir uns lange und intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Es hätte sowohl der CDU als auch der AfD gutgetan, sich mit unseren Erfahrungen genauer auseinanderzusetzen. Die Erfahrungen mit einem gelockerten Nichtraucherschutzgesetz zeigen uns nämlich, dass ein Gesetz mit Ausnahmen praxisfern und nicht praktikabel und ist.

So untersuchte das Deutsche Krebsforschungszentrum im Jahr 2013 knapp 2.000 Gaststätten in 15 verschiedenen Städten in Nordrhein-Westfalen. Heraus kam, dass die Umsetzung des gelockerten Nichtraucherschutzgesetzes ungenügend war. Über 50 % der Raucherräume wurde gar nicht gekennzeichnet. In rund einem Drittel der Gaststätten waren Abtrennungen zwischen Raucher- und Nichtraucherbereichen nicht eingehalten worden. In rund 15 % war der Raucherbereich sogar größer als der Nichtraucherbereich.

Das ist übrigens kein nordrhein-westfälisches Spezifikum, sondern auch in anderen Bundesländern, die damals einen Nichtraucherschutz mit Schlupflöchern vorgesehen hatten oder ihn heute noch haben, hapert es bei der konkreten Umsetzung.

Das dort zuständige Sozialministerium hat bei der Evaluierung des Nichtraucherschutzgesetzes festgestellt, dass es umfangreiche Defizite bei der Umsetzung des Gesetzes gibt. Kontrollen wurden von den Kommunen viel zu selten durchgeführt; den Kommunen fehlt das Personal für die Überprüfung der Ausnahmen beim Nichtraucherschutz.

Diese Erfahrungen zeigen uns ganz klar, liebe Kolleginnen und Kollegen: Nichtraucherschutz gibt es nur ganz oder gar nicht. Wir wollen keine Ausnahmen und Unklarheiten, die Schlupflöcher ermöglichen, die mit der Zeit immer größer werden und den Nichtraucherschutz schließlich aushöhlen.

Im Hinblick auf diese Tatsachen erscheint der Gesetzentwurf der AfD sehr naiv, insbesondere weil der Entwurf suggeriert, dass man mit einer einfachen Kennzeichnung – die aber schon im Jahr 2013 nicht eingehalten worden ist – alle Probleme lösen könnte.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Vincentz?

Serdar Yüksel (SPD): Ja, gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Dr. Vincentz, bitte schön.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Herr Yüksel, danke für die Erlaubnis, eine Zwischenfrage stellen zu können. – Sie sprachen es gerade an: In Baden-Württemberg gibt es eine andere Regelung, und dieser hätten wir uns jetzt mit diesem Gesetzentwurf ein wenig angepasst.

Sie haben völlig recht: Der Nichtraucherschutz ist absolut wichtig. Die Frage ist aber: Ist es tatsächlich so, dass nur das Rauchen in der Kneipe dazu führt, dass die Menschen früher sterben? Oder ist es vielleicht auch so, dass zum Beispiel die Kinder zu Hause dem Qualm durch ihre rauchenden Eltern ausgesetzt sind und letztlich dadurch eine erhöhte Sterblichkeit zu verzeichnen ist? Denn Tatsache ist: In Baden-Württemberg haben die Menschen die längste Lebenserwartung, im Saarland hingegen – das Saarland ist genauso wie Nordrhein-Westfalen mit einem sehr strengen Nichtraucherschutz versehen – gibt es die kürzeste Lebenserwartung in der Bundesrepublik Deutschland.

Serdar Yüksel (SPD): Die Lebenserwartung in Deutschland hängt sicher nicht nur vom Rauchen ab; da spielen auch noch andere Faktoren eine wesentliche Rolle. Daher sollte man die Lebenserwartung nicht nur am Tabakrauch festmachen.

Zigarettenrauch bleibt in Baden-Württemberg in den jeweiligen Räumen, in denen geraucht wird – im Auto oder wenn zu Hause –, genauso gefährlich wie beispielsweise im Saarland. In Ihre Privaträume, wo die Unverletzlichkeit der Wohnung gilt, lassen Sie nicht jeden hinein, der vielleicht rauchen möchte. In öffentlich zugänglichen Räumen hingegen besteht das Problem, dass sich auch Nichtraucher darin aufhalten und dann dieser Gefahr ausgesetzt sind. Da würde ich den Unterschied machen. – Herzlichen Dank für die Zwischenfrage.

Im Entwurf wird argumentiert, der Vollzugsaufwand für die Kommunen würde nicht erhöht; die Kennzeichnung von außen wäre schließlich ersichtlich. Im konkreten Gesetzentwurf wird von Ihnen angeführt, dass es eine vollständige räumliche Trennung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereichen geben solle. Darüber hinaus sollten Jugendliche unter 18 Jahren die Raucherbereiche nicht betreten dürfen, und Speisen dürften höchstens kalt serviert werden.

Da frage ich mich doch: Wie soll das zuständige Ordnungsamt solche Kriterien von außen anhand einer Kennzeichnung prüfen können, zumal in der Vergangenheit die Kennzeichnungspflicht größtenteils verletzt worden ist? Diese Erfahrungen schlagen sich übrigens auch im Meinungsbild der Bürgerinnen und Bürger nieder.

In einer NRW-spezifischen Umfrage des WDR im Jahr 2014 zeigen sich 62 % der Bürgerinnen und Bürger zufrieden mit unserem strengen Rauchverbot in Gaststätten. Diese Zufriedenheit respektiert mittlerweile sogar die CDU, wie sich in ihrem Wahlprogramm gezeigt hat. Selbst in Bayern hat die CSU ein strenges Nichtraucherschutzgesetz in die Wege geleitet. Das zeigt uns: Überall da, wo Menschen anstelle von Lobbygruppen gefragt werden, wird ein strenger Nichtraucherschutz tatsächlich gewollt.

Anhand dieser Zahlen lässt sich doch nicht allen Ernstes ableiten, dass das Nichtraucherschutzgesetz infrage gestellt werden sollte. Deshalb werden wir an einem Nichtraucherschutzgesetz umfassend festhalten müssen. Das haben uns auch die Anhörungen in der Vergangenheit immer wieder gezeigt.

Wir werden Gelegenheit haben, im Ausschuss über den Gesetzentwurf weiter zu diskutieren.

Die Verfassungsexperten haben seinerzeit in der großen Anhörung auf die beiden Schutzgüter „Unverletzlichkeit der Gesundheit“, dem höchsten Gut, und „Gewerbefreiheit“ hingewiesen. Es gilt nun, diese beiden konkurrierenden Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen. Da steht für uns als sozialdemokratische Partei die Gesundheit über dem Interesse der Gewerbefreiheit. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Yüksel. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schneider.

Susanne Schneider (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor allem wehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD und auch von der Opposition. Ich erkläre jetzt mal, was mich neulich meine Jüngste gefragt hat. Sie wollte wissen, was ein Koalitionsvertrag ist und was Koalitionsverhandlungen bedeuten. Dann habe ich dem Kind erklärt: Das ist ganz einfach. Das ist wie, wenn du Panini-Fußballkarten sammelst. Da musst du für ein Neuer-Bild auch ein bisschen mehr abgeben als für einen anderen Spieler.

So ist es jetzt auch bei diesem Nichtraucherschutzgesetz. Wir haben es gehört: In der schwarz-gelben Zeit hatten wir ein gutes, ein ausreichendes Nichtraucherschutzgesetz. Die Menschen durften dort nicht rauchen, wohin man zwingend gehen musste, und es konnte dort geraucht werden, wo man hingehen konnte. Das wurde in der letzten Legislaturperiode geändert. Die ehemalige grüne Gesundheitsministerin hat ihre Ideologie eines strikten Nichtraucherschutzes verfolgt und hat ihn hier im Parlament auch durchbekommen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Dafür war aber alles gut!)

Das war typisch für die grüne Bevormundungspolitik. Ich sehe jetzt schon wieder den erhobenen Zeigefinger, der immer wieder eingesetzt wird, weil nicht auf die Eigenverantwortung der Menschen gesetzt wird, sondern auf gesetzliche Verbote. So landen wir irgendwann in einer Besserungsanstalt, statt in einer freien Gesellschaft zu leben.

Der Schutz der Gesundheit ist unbestritten ein hohes Gut. Wir wissen: Tabakrauch ist gefährlich, ebenso aber auch zu viel Alkohol, fettes Essen und andere ungesunde Verhaltensweisen. Passivrauchen gefährdet Dritte; auch das ist bekannt. Wir brauchen den Schutz der Nichtraucher, wir brauchen konsequenten Schutz vor allem von Kindern und Jugendlichen. Aber wir, die Freien Demokraten, wollen deshalb nicht jedes ungesunde Verhalten verbieten, sondern mit Hilfe von Informationen und Aufklärung einen verantwortungsvollen Umgang fördern.

(Beifall von der FDP)

Jeder Mensch kann selber entscheiden, ob er einen Raucherraum oder eine gekennzeichnete Kneipe aufsucht,

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Die Kellnerin kann das nicht!)

wenn ein Angebot vorliegt.

Tatsächlich ist die Zahl der Raucher gerade unter Jugendlichen seit Jahren rückläufig. Das sollte Ihnen zeigen: Prävention wirkt auch ohne Verbote.

Wir hätten uns deshalb in der letzten Legislaturperiode gewünscht, dass es anders kommt. Wir haben jetzt aber dieses Gesetz. Die FDP war jedoch gesprächsbereit und ist auf die Gastronomen zugegangen, hat mit der DEHOGA gesprochen und hat sich bei den Menschen in diesem Land informiert. Vor allem aus der Gastronomie und aus der DEHOGA haben wir gehört, dass den Menschen andere Punkte viel wichtiger sind, zum Beispiel die dringende und notwendige Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes.

Das hat eine viel höhere Priorität als ein Nichtraucherschutzgesetz.

Nachdem seinerzeit viele Gastronomen in Raucherräume bzw. in Extra-Gasträume und in eine eigene Lüftung investiert hatten, was durch das rot-grüne Gesetz dann wieder entwertet wurde, ist heute sicher keine große Bereitschaft von ihnen zu erwarten, sich hier noch einmal zu engagieren. Das kann ich verstehen.

Ich habe das Gefühl, dass dieser Gesetzentwurf versucht, mit ein paar vermeintlich liberalen Pünktchen einen Keil in die neue NRW-Koalition zu treiben. Das wird Ihnen aber mit Ihrer rückwärtsgewandten Politik nicht gelingen.

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie glauben, dass Sie mit so etwas bei den Liberalen eine Mauer einreißen, dann entgegne ich Ihnen: Nein, damit bauen Sie eher eine auf.

Wir haben im Koalitionsvertrag beschlossen, dass wir ein paar Änderungen vornehmen werden – darüber werden wir zu gegebener Zeit beraten –, zum Beispiel zur Frage: Was machen wir mit den Tabak-Lounges? – Darüber können wir gerne in den diversen Ausschüssen diskutieren.

Meine FDP-Fraktion und ich sind der Meinung, dass dieses Land drängendere Probleme als eine Überarbeitung des Nichtraucherschutzgesetzes hat. Ich bin gespannt auf die Zusammenarbeit. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schneider. – Für die grüne Fraktion spricht nun Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Spannendste an der Debatte war wirklich die Eierei von CDU und FDU, als sie ihre Stellungnahme erklären mussten.

(Beifall von den GRÜNEN und der AfD)

Vorweg erinnere ich daran, welche Vokabeln Sie benutzt haben: „rot-grüne Gängelei“, „Besserungsanstalt“, „die Eigenverantwortung der Menschen müsste gestärkt werden“, usw. – Sie, Frau Schneider, und Sie, Herr Preuß, stimmen mit Ihren Fraktionen heute also zu, dass die rot-grüne Gängelei, wie Sie es formuliert haben, richtig ist und gesetzlich unverändert bleiben soll.

(Beifall von der AfD)

Das finde ich hochinteressant.

Ich möchte zuerst etwas zur Sache sagen. Der Großteil der Bevölkerung, nämlich 82 % bis 84 % der Menschen, ist für genau diesen konsequenten Nichtraucherschutz. Sogar mehr als zwei Drittel der Raucherinnen und Raucher sprechen sich dafür aus.

Frau Kollegin Schneider, eines hat mich an Ihrer Rede richtig geärgert. Bei Ihnen klang das so, als solle das Rauchen verboten werden. Wir wollen nicht das Rauchen an sich verbieten, sondern wir wollen die Menschen, die nicht rauchen wollen, davor schützen, durch den Rauch einiger rücksichtsloser Menschen gestört und in ihrer Gesundheit beeinträchtigt zu werden. Das ist konsequenter Nichtraucherschutz und nicht das, was Sie hier gerade erzählt haben!

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen noch eines sagen – der Kollege von der SPD hat es eben vorgetragen; Herr Preuß hat es bestätigt –: Selbst die DEHOGA ist sich nicht mehr ganz sicher, ob die Argumente, die sie vor ein paar Jahren vorgebracht hat, noch richtig sind.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: So ist es!)

Das Kneipensterben könnte eventuell auch auf einen Strukturwandel zurückzuführen sein, weil sich Leute woandershin orientieren und andere Angebote interessanter sind als die kleine Eckkneipe. Das mag man beklagen oder nicht, aber das ist der Gang der Dinge.

Ich möchte Ihnen aber auch sagen, wo Nordrhein-Westfalen stand, als wir das Nichtraucherschutzgesetz im Jahr 2013 novelliert haben: Wir lagen im internationalen Vergleich auf Platz 26, was den Nichtraucherschutz anbetrifft. Bayern hat es vorbildlich vorgemacht, und wir haben es dann nachgemacht.

Ich erkenne an, Herr Kollege Preuß, dass auch die CDU dem jetzt nachfolgt. Es war aber ganz interessant, welchen Weg Sie dabei genommen haben. Es hat nämlich nur ganze zwei Wochen gedauert. Herr Kollege Löttgen war damals noch Generalsekretär; jetzt ist er Fraktionsvorsitzender. Zunächst hat er in der „Rheinischen Post“ erklärt, diese Gängelei von Rot-Grün – das waren ähnliche Worte wie heute – müssten Sie beenden und den Nichtraucherschutz verändern, was ziemlich präzise in die heute von der AfD vorgeschlagene Richtung ging. Dann haben Sie zahlreiche Anregungen seitens der Mitglieder erhalten und das Ganze zwei Wochen später wieder aus dem Programmentwurf herausgenommen.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Auf Neudeutsch wird so etwas wie „zahlreiche Anregungen seitens der Mitglieder“ oft auch als „Shitstorm“ bezeichnet. Es hat also richtige Attacken bei den Mitgliedern der CDU gegeben, die der Führung der CDU klargemacht haben: Der Nichtraucherschutz, den Rot-Grün eingeführt hat, ist richtig und auch zeitgemäß. Das ist das, was die Menschen heute wollen.

(Beifall von den GRÜNEN – Marcus Pretzell [AfD]: Wenn man sonst mal so viel auf die Basis der CDU hören würde!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man könnte heute noch viel zu dem Gesetzentwurf sagen. Das werden wir in den Ausschussberatungen auch tun. Wir werden der Überweisung zustimmen.

Das ist übrigens ein Hinweis an alle Fraktionen: Es ist guter Brauch, dass wir einen Gesetzentwurf auch dann, wenn er noch so schwachsinnig oder falsch sein mag, an die Ausschüsse überweisen und dort beraten, statt schon einer Überweisung nicht zuzustimmen. Aber das ist eine Randbemerkung.

(Zuruf von der AfD)

Enden möchte ich mit einem Zitat des Ärztekammerpräsidenten von Nordrhein. Es gibt einen Beschluss der Ärztekammer Nordrhein, und zwar nicht von anno dazumal, sondern vom 18. März 2017. Darin heißt es:

„Krankheit und Tod infolge Passivrauchens sind kein Ausdruck von Freiheit, sondern von Unterwerfung und ein Signal der Gleichgültigkeit gegenüber fremder Gesundheit.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Laumann.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Nichtraucherschutz hat in Nordrhein-Westfalen eigentlich noch gar keine so lange Geschichte. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat 2008 das erste Nichtraucherschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen eingeführt. Wir haben damals den Nichtraucherschutz im gesamten öffentlichen Bereich, in Krankenhäusern, in Schulen, in Kindergärten, in öffentlichen Verkehrsmitteln und an den Arbeitsplätzen durchgesetzt.

Wir haben seinerzeit auch einen konsequenten Nichtraucherschutz in den Gaststätten durchgesetzt. Es gab nur eine Ausnahme: Gaststätten konnten Raucherräume einrichten und kleine, getränkeorientierte Wirtschaften hatten die Möglichkeit, sich als Raucherkneipe – wie man es im Volksmund so schön sagt – zu deklarieren. In allen anderen Kneipen war das Rauchen verboten.

Dann hat Rot-Grün im Jahr 2013 gesagt: Wir wollen die Raucherkneipen abschaffen. – Mit diesem Gesetz wurde bis auf eine Ausnahme ein totales Rauchverbot in nordrhein-westfälischen Gaststätten durchgesetzt. Nur in geschlossenen Gesellschaften darf unter bestimmten Voraussetzungen geraucht werden.

Jetzt sind wir vier Jahre weiter, und die Lage beim jetzigen Nichtraucherschutz ist aus Sicht des Ministeriums Folgende:

Es herrschen Ruhe und Frieden in dieser Frage. Wir erhalten im Ministerium kaum noch Briefe zu diesem Thema. Die Interessenvertretung der Wirte sagt uns: Es ist jetzt so, wie es ist. Lasst es so.

Es kommen auch keine Briefe mehr zu der Frage, was eine „geschlossene Gesellschaft“ ist. Selbst da, wo man es dürfte, sagen die Gastgeber heute in der Regel: Es ist so, wie es ist. Wenn man eine Geburtstagsfeier abhält, sind unsere Gäste in dieser Frage unterschiedlicher Meinung. Es hat sich aber, wenn man das so sagen darf, schlicht und ergreifend eingespielt.

In einer solchen Situation ist eine vernünftige Regierung klug beraten, es so zu lassen, wie es ist. Das ist der Standpunkt der Landesregierung.

(Vereinzelt Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Deswegen werden wir als Landesregierung keine Initiative ergreifen, die jetzige Situation zu verändern. Ich glaube auch, dass das auf die Lebenswirklichkeit in Nordrhein-Westfalen trifft. Man muss sich jetzt auch nichts mehr vorwerfen.

In einer Gesellschaft gibt es manchmal Situationen, die sich entwickeln. Diese Frage hat sich entwickelt. Deswegen ist es schön, wenn in dieser Frage Ruhe und Frieden herrscht. Die Menschen haben sich darauf eingestellt. In den Gaststätten oder vor den Gaststätten, wenn ich das so sagen darf, haben sich bestimmte Kulturen entwickelt. Lassen wir es einfach, wie es ist, und bringen die ganze Sache nicht wieder in Unruhe. – Schönen Dank.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Ich schließe die Aussprache.

Ich lasse abstimmen. Die antragstellende Fraktion der AfD hat die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 17/73 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend – sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung – mitberatend – beantragt. Wer der Ausschussüberweisung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, Grüne, CDU, FDP und AfD. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Damit ist die Ausschussüberweisung entsprechend dem festgestellten Ergebnis erfolgt.

Ich rufe auf:

6   Vorsicht bei der Nutzung von Mautdaten für die Strafverfolgung – keine pauschale Kriminalisierung von Verkehrsteilnehmern!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/79

Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Kutschaty von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Thomas Kutschaty (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Daten, die staatliche Stellen von Bürgerinnen und Bürgern erheben, ist großes Fingerspitzengefühl gefragt. Vertrauen in diesem Bereich ist leicht verspielt und nur sehr schwer zurückzugewinnen.

In der digitalen Epoche, in der wir leben, ist ein großer Bereich höchstpersönlicher Lebensführung online erfasst. In Zeiten von Google und Facebook, in Zeiten von Großangriffen von Hackern, in Zeiten von Videoüberwachung sind die Menschen sehr sensibel dafür geworden, was mit ihren Daten geschieht und wofür diese im Einzelfall verwendet werden dürfen.

Diese Sorge sollten wir als verantwortungsvolle Politikerinnen und Politiker sehr ernst nehmen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land geschützt bleibt und die Daten vor Missbrauch geschützt sind.

Die technische Entwicklung gibt uns jedoch seit vielen Jahren ungeahnte Möglichkeiten. Manche staatlichen Prozesse sind ohne elektronisch gesteuerte Erfassung nur schwer oder oftmals viel komplizierter und teurer umsetzbar. Die Geschwindigkeit dieser Prozesse erlaubt schnelles staatliches Handeln auch im Sinne von Bürgerinnen und Bürgern.

Deshalb werden zum Beispiel im Zuge der Überwachung der Mautpflicht Kennzeichen von Lkw mittels Kameratechnik abgeglichen, das aber ausschließlich zum Zweck der Überprüfung, ob der Lkw-Fahrer seine Zahlungspflicht erfüllt; kurzum also nur zu Abrechnungszwecken.

Rein theoretisch und technisch wäre es jedoch heute schon möglich, komplette Bewegungsprofile von Fahrzeug und Fahrer zu erstellen.

Im Zuge des ersten Mautgesetzes hat die Politik den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes deshalb versprochen, keine Bewegungsprofile mit den gewonnenen Daten zu erstellen. Dieses Versprechen wiegt schwer, denn wir haben den Menschen in unserem Land damit auch versprochen, ihren höchstpersönlichen Lebensbereich zu achten und zu schützen.

Darüber hinaus bestehen auf rechtlicher Ebene ganz erhebliche Datenschutzbedenken, etwas anderes mit diesen Daten zu tun.

Jetzt beginnt gerade eine Diskussion über eine Entwicklung in Deutschland, wo erste Stimmen laut werden, die sagen: Wir könnten mit diesen Daten auch etwas anderes machen als bloß eine Erfassung zu Abrechnungszwecken. Namentlich nennen möchte ich aus Baden-Württemberg die CDU-Minister Wolf und Strobel, die vorgeschlagen haben, auch den Ermittlungsbehörden einen Zugriff auf diese Daten zu ermöglichen.

Wenn man die Lkw-Maut als Grundlage nimmt, dann betreffen diese Daten nur einen kleinen Teil der Bevölkerung, nämlich die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer. Wenn man aber im Zuge der Ausweitung der Mautpflicht an die Daten der privaten Kraftfahrzeugführer herangeht, dann ist es eine völlig andere Dimension.

45 Millionen zugelassene Pkw in Deutschland – das würde eine gigantische Überwachungsmaschinerie in Gang setzen und einen fünfundvierzigmillionenfachen Eingriff in die Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger bedeuten.

Warum haben wir das Thema heute hier beantragt, auch nicht zur direkten Abstimmung gestellt, sondern zur Überweisung an den Ausschuss? – Wir als Parlament in Nordrhein-Westfalen sollten uns dazu Gedanken machen und uns dazu positionieren, wie wir eine solche Diskussion, die demnächst auf Landes- und Bundesebene geführt wird, bestehen wollen.

Uns interessiert natürlich auch die Frage, wie sich die Regierungskoalition dazu verhalten wird. Wenn ich mir bisherige Äußerungen von CDU-Politikerinnen und -Politikern, zugegeben auch aus anderen Bundesländern, vor Augen führe, stelle ich fest, dass es zwischen CDU und FDP auf Bundesebene unterschiedliche Auffassungen gibt.

Ich sagte gerade: Die beiden CDU-Minister aus Baden-Württemberg halten das für erwägenswert. Der FDP-Minister Mertin aus Rheinland-Pfalz hat erhebliche Bedenken geäußert. Er verweist vollkommen zu Recht auf die Grundrechte und auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Insofern ist es eine spannende Frage, wie sich die Landesregierung gegebenenfalls in einem Bundesratsverfahren dazu verhalten oder welche Position dieser Landtag beziehen wird.

Für meine Fraktion möchte ich schon einmal ganz deutlich sagen: Wir stellen uns schützend vor die Menschen in unserem Land. Vor allem müssen wir das einmal gegebene Versprechen damals bei der Mautgesetzgebung auch einhalten.

Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, sich im Bundesrat dafür stark zu machen, dass die Mautdaten und insbesondere die demnächst gesammelten Mautdaten bei der Erfassung der privaten Kraftfahrzeuge nur der engen Zweckbestimmung unterliegen und dafür genutzt werden können, aber auch schnell wieder gelöscht werden müssen.

Ein solches deutliches Signal aus Nordrhein-Westfalen ist schon wichtig, damit in diese Diskussion keine weitere Bewegung in die falsche Richtung kommt. Lassen Sie uns die Daten der Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande schützen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kutschaty. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Kamieth das Wort.

Jens Kamieth (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion soll die Landesregierung aufgefordert werden, sich über den Bundesrat dafür einzusetzen, dass Daten, die im Zusammenhang mit der Autobahnmaut erhoben werden, auch in Zukunft einer engen Zweckbestimmung folgen und kurzfristig wieder gelöscht werden müssen. Mit anderen Worten: Die nordrhein-westfälische Landesregierung soll sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass das, was seit der Einführung der Maut im Jahr 2011 in § 9 des Bundesfernstraßenmautgesetzes geregelt ist, auch künftig so bleibt.

Diese Forderung ist schon deshalb abzulehnen, weil dieses Thema derzeit überhaupt nicht auf der Agenda des Bundesrates steht. Es existiert schlichtweg keine Bundesratsinitiative eines anderen Landes, die auf die Nutzung der Mautdaten zur Strafverfolgung gerichtet wäre und zu der sich Nordrhein-Westfalen – wie auch immer – einlassen müsste.

Nach meiner Kenntnis ist es völlig ungewöhnlich, dass ein Bundesland sozusagen rein vorsorglich Bundesratsinitiativen mit der Zielsetzung einbringt, dass bestimmte Regelungen im Bundesrecht nicht verändert werden sollen. Genauso gut könnten Sie fordern, dass die Landesregierung sich im Bundesrat dafür einsetzt, dass das Güterkraftverkehrsgesetz, die Gewerbeordnung oder das Gesetz zur Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet der Raumfahrt nicht geändert werden sollen.

Sie haben ja recht: Es gab den Vorschlag von zwei Ministern des Landes Baden-Württemberg in der Presse, den Ermittlungsbehörden Zugriff auf die Daten der Autobahnmaut für Lkw zu gestatten. So pauschal, wie es in Ihrem Antrag steht, ist es allerdings nicht. Richtig ist, dass der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf gesagt hat – ich zitiere aus „ZEIT ONLINE“ vom 21. Juni –:

„Bei genau bezeichneten Kapitalverbrechen erscheine es durchaus erwägenswert, den Ermittlungsbehörden den eng begrenzten Zugriff auf Mautdaten zu gestatten.“

Das ist nun wirklich etwas völlig anderes als eine pauschale Kriminalisierung aller Verkehrsteilnehmer. Sie haben es gerade auch etwas konzilianter dargestellt, als im Antrag geschrieben ist. Trotzdem: Wenn Sie mit Ihren Anträgen ernst genommen werden wollen, sollten Sie etwas sorgfältiger formulieren und keine Überwachungsszenarien an die Wand malen, die in der Form tatsächlich niemand will.

(Beifall von der CDU)

Die inhaltliche Frage, ob es sachgerecht ist, dass wir in Deutschland Mautdaten zur Abrechnung von Euro und Cent speichern und nutzen, diese Daten also nicht einmal unter Richtervorbehalt zur Aufklärung schwerster Verbrechen nutzen dürfen …

Präsident André Kuper: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kutschaty?

Jens Kamieth (CDU): Ja.

Thomas Kutschaty (SPD): Danke, Herr Kollege Kamieth. – Kann ich Ihren Worten entnehmen, dass sich die CDU-Fraktion hier eindeutig gegen eine Ausweitung der Nutzung der Mautdaten ausspricht?

Jens Kamieth (CDU): Ich komme jetzt dazu. Ich führe einfach weiter aus; das ist dann zugleich die Antwort.

Darüber, dass man diese Daten also nicht einmal unter Richtervorbehalt zur Aufklärung schwerster Verbrechen nutzen darf, wird man zumindest einmal nachdenken können. Insofern bin ich den Kollegen aus Baden-Württemberg durchaus dankbar. Und dass man gerade aus Baden-Württemberg mit solchen Überlegungen kommt, kann ich persönlich sehr, sehr gut verstehen. Ich halte es sogar für legitim.

In diesem Zusammenhang sei an den Fall der im letzten Jahr in Freiburg ermordeten Joggerin erinnert. – Herr Kutschaty, jetzt bin ich gerade an dem Punkt.

(Thomas Kutschaty [SPD]: Ja, ja, ich habe zugehört: „Baden-Württemberg“, „ermorden“. Ich habe alles gehört!)

Da sind nämlich die Ermittler erst durch DNA-Analysen und – man höre und staune – Lkw-Mautdaten auf die Spur eines Verdächtigen gestoßen. Diese Mautdaten kamen aus Österreich, wo der Mann bereits eine französische Studentin getötet haben soll.

Dass sich der Innen- und der Justizminister Baden-Württembergs vor diesem Hintergrund Gedanken darüber machen, wie man die Strafverfolgung auch in Deutschland effektiver gestalten kann, ist nach meiner Überzeugung durchaus nachvollziehbar. Und weder der Landtag von Nordrhein-Westfalen noch die Landesregierung im Bundesrat sollte das platt kritisieren. Aus diesem Grunde freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss. Wir werden den Antrag der SPD allerdings ablehnen.

(Beifall von der CDU und der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kamieth. – Ich darf für die FDP Herrn Dr. Pfeil das Wort erteilen.

Dr. Werner Pfeil (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Vor einer Befassung mit dem SPD-Antrag sollten wir einmal die geltende Rechtslage in den Blick nehmen. In § 7 Abs. 2 Satz 2 Bundesfernstraßenmautgesetz heißt es wortwörtlich – ich zitiere –:

„Diese Daten dürfen ausschließlich zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes verarbeitet und genutzt werden. Eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig.“

Mit anderen Worten: Gegenwärtig sind Verwendung, Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme der mit der Maut erhobenen Daten zu sämtlichen nichtmautbezogenen Zwecken nicht zugelassen.

Sowohl das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung entwickelt hat, als auch die im Bundesfernstraßenmautgesetz vorgesehene Zweckbindung verbieten also schon heute das, was die SPD in ihrem Antrag als mögliche zukünftige Gefahr darstellt. Dabei erweist sich der SPD-Antrag überdies auch noch als unpräzise, da er nur die Kommunikationsgrundrechte, nicht aber den Datenschutz und die Freizügigkeit als Maßstab heranzieht und auch die Rechtsprechung des EuGH außer Acht lässt.

Letztlich geht es doch um Folgendes: Würde der Vorschlag aus Baden-Württemberg umgesetzt, käme das einer neuen und speziellen Art der Vorratsdatenspeicherung gleich.

Millionen Datensätze würden anlasslos für eine nur hypothetische zukünftige Verwendung zur Strafverfolgung gespeichert. Dies geht aber schon heute nicht. Die Vorratsdatenspeicherung ist nämlich EU-rechtlich unzulässig. Ich gehe auch davon aus, dass die in Deutschland geltende Variante auch im Hauptsacheverfahren beim Bundesverfassungsgericht scheitern wird – und dies aus den folgenden vier Gründen:

Erstens. Der EuGH hat die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in Großbritannien und Schweden für europarechtswidrig befunden, nachdem er bereits 2014 die damalige EU-Richtlinie gekippt hat.

Zweitens. Im Dezember 2016 hat der EuGH hierzu das grundlegende Urteil gesprochen, mit dem er anlasslose Vorratsdatenspeicherung als einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte angesehen hat. Er hat ausdrücklich klargestellt, dass jeder Grundrechtseingriff, der mit einer nationalen Regelung einhergehe, die die Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsehe, als besonders schwerwiegend anzusehen sei.

Die EU-Staaten müssen daher schon heute Überwachungen auf Personenkreise begrenzen, deren Daten geeignet sind, einen zumindest mittelbaren Zusammenhang mit schweren Straftaten sichtbar zu machen. Die Richter erklärten: Selbst aus Verbindungsdaten ließen sich sehr genaue Rückschlüsse auf das Privatleben der Personen ziehen, was ebenfalls unzulässig sei.

Drittens. Der Juristische Dienst des Rates der Europäischen Union hat dann im Februar 2017 eine Einschätzung geliefert, welchen Einfluss das EuGH-Urteil aus Dezember 2016 auf die nationalen Gesetzgebungen zur anlasslosen Speicherung sämtlicher Kommunikationsverbindungen hat und in welcher Form Verkehrsdaten in Zukunft für Strafverfolgungszwecke genutzt werden können.

Der Juristische Dienst stellte folglich im Februar 2017 fest, dass Mitgliedstaaten nach Art. 15 der derzeitigen Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation immer noch Verkehrsdaten speichern können, etwa zum Schutz der nationalen Sicherheit oder zur Verfolgung von Straftaten, aber eine allgemeine und unterschiedslose Speicherverpflichtung zur Kriminalitätsprävention und zu anderen sicherheitsrelevanten Zwecken auf nationaler Ebene nicht mehr möglich ist.

Viertens. Im Übrigen hat der im Antrag in Bezug genommene Vorschlag aus Baden-Württemberg auf der Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Juni 2017 auch keine Zustimmung gefunden. Die Konferenz hat insoweit keinen Beschluss gefasst. Anhaltspunkte für eine baldige Änderung des § 7 Abs. 2 Satz 2 Bundesfernstraßenmautgesetz bestehen deshalb nicht. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Wir als FDP-Fraktion sehen in dem EuGH-Urteil eine hinreichende Grundlage für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger in NRW vor staatlicher Überwachung. Wir sind selbstverständlich gerne bereit, diese Fragen im Ausschuss zu erörtern. Vielleicht liegt ja bis dahin auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vor, und eine endgültige Entscheidung im Ausschuss erübrigt sich. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Herzlichen Dank, Herr Kollege Pfeil. – Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Beckamp das Wort.

Roger Beckamp (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD fordert im Antrag reichlich diffus, dass Mautdaten einer engen Zweckbestimmung folgen und kurzfristig gelöscht werden müssen. Das hört sich erst einmal in Ordnung an, aber es bleibt diffus. Was heißt denn das konkret, Herr Kutschaty? Welche Zweckbestimmung denn? Welche schwere Straftaten denn? Das Anliegen ist richtig, bleibt aber handwerklich ungenügend. Insofern ist dieser Antrag schlichtweg nicht zu gebrauchen.

Besser wird es auch nicht, wenn dann blumige und weniger blumige Worthülsen im Antrag folgen, wenn es etwa heißt, man solle zukünftig darauf verzichten, Verkehrsteilnehmer pauschal zu diskriminieren, zu kriminalisieren, was keiner tut.

Der Staat müsse die richtige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit gewährleisten, mit Augenmaß, zweckmäßiger Strafverfolgung usw. Das ist ja alles richtig, aber es sagt nichts aus. Was heißt denn das? – Gar nichts.

Wir teilen zwar Ihre Sorge vor dem gläsernen Bürger. Die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit muss getroffen werden.

Aber die Frage ist doch: Was wollen Sie konkret mit dem Antrag erreichen? Und die Frage muss sich ja auch stellen: Was ist vorrangig, wenn man überhaupt diese Abwägung vornimmt – das haben Sie ja gar nicht gemacht –, dass man sagt: Der Staat ist für die Sicherheit vorrangig zuständig – äußere, innere und Rechtssicherheit. Und dann ergibt sich zunächst, dass er auch auf solche Daten zugreifen können muss.

Dann ergibt sich die nächste Frage: Welchen Inhalt und welche Schranken hat dieses Zugriffsrecht? Und genau darüber müsste man sich konkret unterhalten. Und das tun wir gerne, wenn es denn irgendwann mit einer Bundesratsinitiative soweit ist.

Was mich noch mehr verwundert als der etwas unzulängliche Antrag, ist, dass gerade Sie diesen stellen. Sie wollen Demokratie, Meinungsfreiheit, Kommunikationsfreiheit erhalten, Freiräume schaffen, und Sie waren doch diejenigen mit Ihrem SPD-Minister, die gerade ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz auf den Weg gebracht haben, übrigens zusammen mit den Stimmen der CDU.

Also, darüber sollten Sie sich Sorgen machen. Das ist ein akutes, konkretes Problem. Da werden Freiräume eingeschränkt. Und das Thema „Mautdaten“ erübrigt sich. Zudem ist es wenig glaubwürdig, wenn das von Ihnen angesprochen wird. Wir werden es ablehnen. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Danke, Herr Beckamp. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Bolte-Richter das Wort. Bitte schön.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Um es gleich vorweg zu sagen: Wir sehen den Antrag der SPD sehr positiv. Er wird ja jetzt überwiesen, sonst hätten wir heute schon zugestimmt. Aber er hätte noch ein bisschen grundsätzlicher sein können. Im Beschlussteil hätte man einen deutlichen Ausschluss formulieren können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle stehen in der Verantwortung, für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Alle rechtlichen Befugnisse für Sicherheitsbehörden – das haben wir an unterschiedlichen Stellen schon gestern diskutiert – müssen sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Und diese Verhältnismäßigkeit wäre, wenn es tatsächlich eine solche Ausweitung der Zugriffsbefugnisse auf die Mautdaten gäbe, offensichtlich nicht gegeben. Das hat der Kollege Kutschaty eben schon ausgeführt.

Bei über 45 Millionen Kraftfahrzeugen in Deutschland ginge es hier um eine lückenlose Erfassung des Privatlebens der Bevölkerung. Und diese Bewegungsprofile, die sich daraus ergeben würden, wären ein tiefgreifender Eingriff in die Grundrechte.

Der baden-württembergische Datenschutzbeauftrage hat das ja den beiden CDU-Minister in Baden-Württemberg nach ihrem Vorstoß ganz deutlich gesagt und ihnen einen deutlichen Rüffel erteilt, ich finde, zu Recht, denn die Nutzung der Mautdaten für Zwecke der Strafverfolgung stellt einen sehr weitgehenden Eingriff in das Recht der informationellen Selbstbestimmung dar.

Man muss doch klar sagen: Datenschutz ist kein politisches Schönwetterphänomen, sondern eine notwendige Bedingung für das Gelingen einer freiheitlich-demokratischen Ordnung im 21. Jahrhundert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das vorliegende Beispiel zeigt aber auch, dass es eben bei der CDU ausufernde Überwachungs- und Kontrollfantasien gibt. Ich frage mich manchmal – und ich frage Sie das auch –: Wissen Sie eigentlich noch, wo Sie überall Strafrechtsverschärfungen, neue Sicherheitsgesetze und neue Datenerfassungen fordern? – Ich habe da meine Zweifel.

In jedem Fall zeigt schon die schiere Menge an Forderungen, die immer wieder erhoben wird, dass die CDU nicht bereit ist, wie es im Rechtsstaat eben notwendig wäre, die Chancen und Risiken neuer Instrumente in der notwendigen Differenziertheit gegeneinander abzuwägen. Manchmal mögen solche Forderungen vielleicht am Wahlstand helfen. Vielleicht hilft es sogar Herrn Bosbach in den Talkshows.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Aber Sie helfen damit letzten Endes nicht den Ermittlerinnen und Ermittlern. Die Vergangenheit zeigt doch, dass es den Sicherheitsbehörden bei der Verfolgung schwerster Straftaten – in aller Regel jedenfalls – nicht an den Daten gemangelt hat. Wenn es heute schon eine schwierige Aufgabe ist, was wir auch immer wieder feststellen, die berühmte Nadel im Heuhaufen zu finden, dann ist es doch der falsche Weg und kann es nur die falsche Strategie sein, dass man immer noch mehr Heu, noch mehr Daten anhäuft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es vorhin schon gehört: Alle Parteien haben den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder versprochen, dass es bei der strikten Zweckbindung der Mautdaten bleiben soll, dass das gilt, was im Gesetz steht.

Wir Grüne lehnen es ab, das Mautsystem zu einem Überwachungssystem auszubauen. Wir wollen nicht die Möglichkeit zur Erstellung umfassender Bewegungsprofile schaffen. Denn damit würde man George Orwell auf die Autobahn bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließende Worte an die SPD: Wir stehen – ich habe es eben schon gesagt – diesem Antrag sehr positiv gegenüber. Aber ich kann es Ihnen nicht ersparen, darauf hinzuweisen, dass es eben auch die Sozialdemokraten waren, die in der ablaufenden Legislaturperiode im Bundestag eine ganze Menge an Überwachungsgesetzen mitgetragen haben. Ich nenne das BKA-Gesetz, den Staatstrojaner, die Vorratsdatenspeicherung als Gesetz gewordenen Generalverdacht.

Da wird es noch ein bisschen dauern, bis wir Ihr bürgerrechtliches Profil so ernst nehmen, wie Herr Kutschaty das heute versucht hat, hier darzustellen. Aber da haben Sie natürlich noch Potenzial. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Bolte. – Ich erteile nun Herrn Minister Biesenbach das Wort.

Peter Biesenbach, Minister der Justiz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kutschaty, ich will mit einem kleinen Gag beginnen. Sie haben gerade angeboten, sich schützend vor die Menschen in diesem Land zu stellen. Ich fürchte, Sie haben keinen Platz mehr. Da stehen wir längst.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Auch wenn Herr Bolte das heute nach wie vor nicht wahrhaben will, aber s lohnt sich nicht, mit ihm zu debattieren. Hier ist er traumatisiert. Deswegen muss ich dazu wirklich nicht mehr Stellung nehmen.

Meine Damen und Herren, die rechtspolitische Diskussion um die Verwendung von Mautdaten zu strafrechtlichen Zwecken ist so alt wie die Autobahnmaut selbst. Im Jahre 2004 hat der Gesetzgeber eine Entscheidung des Amtsgerichts Gummersbach, das den Zugriff auf Mautdaten bei einem Lkw-Diebstahl erlaubt hatte, zum Anlass genommen, im damaligen Autobahnmautgesetz einen besonderen Datenschutz zu etablieren. Den Text hat Ihnen Herr Dr. Pfeil bereits vorgelesen. Das brauche ich nicht zu tun. Die Rechtslage ist damit schlichtweg eindeutig.

Die Frage der strafrechtlichen Nutzung von Mautdaten, insbesondere zur Aufklärung schwerster Verbrechen, ist seitdem immer wieder Gegenstand der rechtspolitischen Diskussion gewesen, so auch jetzt.

Warum? – Die Auswertung von österreichischen Mautdaten hat zu Ermittlungen und zur Festnahme eines Fernfahrers geführt, der zwei junge Frauen in Deutschland und Österreich ermordet haben soll. Anders als in Deutschland konnten die österreichischen Behörden im Rahmen ihrer Ermittlungen auf die dort erhobenen Mautdaten zurückgreifen, und dies hat die Diskussion um den strafrechtlichen Zugriff bei uns neu eröffnet.

Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der SPD, läuft darauf hinaus, diese zugegeben rechtspolitisch schwierige Debatte im Keim zu ersticken. Das bedeutet aber schlicht ein Denkverbot, das den Grünen sympathisch wäre, aber eigentlich nicht politisches Leben mit einer dynamischen Entwicklung betreffen kann.

Um es deutlich zu sagen: Auch bei uns gibt es keine Interessen, keinen Ansatz, auch nicht den Wunsch, jetzt darüber zu debattieren, eine Initiative zu ergreifen.

Aber heute zu sagen, ohne zu wissen, was sich in den nächsten Jahren entwickeln kann, dass wir gar nicht darüber nachdenken dürfen, das halte ich für falsch. Für das Nachdenken benötigen wir aber den Sachverstand von Datenschützern, Verfassungsrechtlern, der gerichtlichen und auch der staatsanwaltschaftlichen Praxis sowie der Anwaltschaft.

Denn wir sind uns in einem einig: Mautdaten sind besonders sensible Daten. Theoretisch könnten mit ihnen Bewegungsprofile von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern erstellt werden. Auch das will hier niemand, auch bei uns nicht. Aber wir reden von der Aufklärung schwerster Verbrechen. Darum halten wir Denkverbote für falsch.

Auch Datenschützer lehnen die Verwendung von Mautdaten zur Aufklärung von Kapitalverbrechen und Schwerkriminalität nicht rigoros ab. Sie fordern aber zu Recht eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügende Ausgestaltung. Dazu gehören in der Debatte der Richtervorbehalt, eine restriktive Speicherdauer und die Begrenzung auf Daten mit spezifischem Tatbezug, beispielsweise einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Straftat selber.

Ich will aber auf der anderen Seite auch sagen: Wir sollten uns davor hüten, eine strafrechtliche Nutzung von Mautdaten mit zu hohen Erwartungen zu versehen. Toll Collect nutzt die Kontrollbrücken aus Kostengründen nicht flächendeckend, sondern nach dem Zufallsprinzip.

Nicht immer wird also eine Kontrollbrücke in Tatortnähe sein. Auch das wird zu bedenken sein.

Heute gilt allerdings – und das ist jetzt wichtig –: Die Nutzung von Mautdaten zu Zwecken der Strafverfolgung ist nach der eindeutigen Gesetzeslage unzulässig. Überlegungen, daran etwas zu ändern, liegen bisher nicht auf dem Tisch. So etwas wird von uns auch nicht geplant.

Deshalb hat der Landtag in Nordrhein-Westfalen keine Veranlassung, sich heute mit diesen Fragen zu beschäftigen. Erst recht gibt es aber auch keine Veranlassung, auf Vorrat Denkverbote auszusprechen.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Damit sind wir am Schluss der Aussprache angelangt.

Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, den Antrag Drucksache 17/79 nicht direkt abzustimmen, sondern an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Rechts- und den Verkehrsausschuss zu überweisen. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP und AfD. Stimmt jemand dagegen? – Gibt es jemanden, der sich enthält? – Damit ist die Überweisung des Antrags Drucksache 17/79 einstimmig erfolgt.

Ich rufe nun auf:

7   Nur Kita-Rettungsprogramm wird Kita-Kollaps verhindern!

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/77

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/141

Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Kollegen Kamieth für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Jens Kamieth (CDU): Schönen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute den gemeinsamen Antrag von CDU und FDP, dessen Ziel es ist, die rechtlichen und finanziellen Grundlagen für ein kurzfristiges Kitarettungsprogramm zu schaffen. Damit wollen wir den finanziell überforderten und in ihrer Existenz bedrohten Kitaträgern helfen, sie entlasten und so einen Grundstein zur Rettung der Kindertageseinrichtungen hierzulande legen.

Die Situation ist dramatisch. Kirchen, freie Träger und Elterninitiativen sprechen offen darüber, Einrichtungen zu schließen. Die Erzieherinnen und Erzieher klagen über permanente Überlastung und demonstrieren gemeinsam mit Eltern vor unserem Hohen Hause.

Wie konnte es dazu kommen? – Lassen Sie mich Ihnen die Geschichte noch einmal kurz in Erinnerung rufen. Das Kinderbildungsgesetz ist am 1. August 2008 in Kraft getreten. Es war ein Meilenstein. Damit wurde das alte GTK abgelöst. Die Umstellung auf Pauschalen war ein wichtiger Schritt.

CDU und FDP haben wichtige Punkte wie den Ausbau der U3-Betreuung, die Tagespflege einschließlich ihrer Finanzierung und die Sprachförderung in ein Gesetz aufgenommen. Wir haben auch die Familienzentren ins Leben gerufen.

Damals haben wir nicht gesagt, dass das KiBiz unfehlbar ist. Im Gegenteil! Uns war bewusst, dass ein so großes Gesetz, eine so große Reform nach ein paar Jahren evaluiert werden muss, um zu sehen, was funktioniert und was nicht funktioniert. Daher haben wir auch von Beginn an die Evaluation in das KiBiz hineingeschrieben.

Sie alle hier wissen, dass es die Evaluation unter Rot-Grün nie gegeben hat. Stattdessen erfolgten 2011 und 2014 Revisionen des Gesetzes, die allerdings weit hinter den Erwartungen der Beteiligten zurückgeblieben sind.

Die ehemalige Landesregierung hat es versäumt, die dringend notwendige Erhöhung der Kindpauschalen vorzunehmen und stattdessen sogar den Bürokratieaufwand für die Kitas erhöht.

Auch das letzte KiBiz-Gesetz von SPD und Grünen aus dem letzten Jahr, das Gesetz zur finanziellen Überbrückung, wie es so schön hieß, war nicht der große Wurf, sondern vielmehr ein Tropfen auf den heißen Stein.

2015 trafen sich die damals regierungstragenden Fraktionen von SPD und Grünen mit den kommunalen Spitzenverbänden. Sie unterzeichneten eine Vereinbarung, Kitafinanzierungseckpunkte aufzustellen. Diese sollten bis Ende der 16. Wahlperiode vorliegen.

Das Ergebnis: Der Termin wurde trotz mehrfacher gegenteiliger Ankündigungen der damaligen Landesregierung nicht eingehalten. Es kam weder zu einer Vereinbarung noch zu Treffen. Die kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen haben übereinstimmend darüber berichtet, dass weder das SPD-geführte Ministerium noch die Fraktionen auf sie zugekommen sind und das Gesprächsangebot angenommen haben.

Die Bilanz nach sieben Jahren rot-grüner Politik für die Kinder ist bitter. SPD und Grüne konnten in sieben Jahren Regierungsverantwortung keinerlei Vorstellung davon entwickeln, in welche Richtung das Kinderbildungsgesetz weiterentwickelt werden soll. Notwendige Verbesserungen wurden verschleppt. Anstatt die Herausforderungen anzugehen, beschränkten sich SPD und Grüne auf eine Politik der Ankündigungen und Andeutungen.

Jetzt aber, meine Damen und Herren, ist die Zeit des Aufbruchs. Wir haben jetzt gemeinsam die Verpflichtung, den Kitakollaps zu verhindern. Das geht nur mit einem Kitarettungsprogramm als Soforthilfe.

Lassen Sie uns gemeinsam anpacken. Die NRW-Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, mit allen Spitzenverbänden und den freien Trägern auf Basis von Pauschalen eine neue Finanzierung auf die Beine zu stellen, um die Kitas und vor allen Dingen auch die Trägervielfalt in Nordrhein-Westfalen zu retten.

Deswegen wollen wir die CDU-geführte Landesregierung beauftragen, erstens einen rechtlichen und finanziellen Rahmen für eine finanzielle Soforthilfe zu schaffen und zweitens die notwendigen Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Trägern der Kindertageseinrichtungen zu führen, um eine dauerhafte und auskömmliche Finanzierung zu finden, damit Kitas fortbestehen und Erzieherinnen und Erzieher weiterhin einen guten Job machen können – für den sie, nebenbei bemerkt, unsere höchste Anerkennung bekommen sollten –, damit Vereinbarkeit von Familie und Beruf keine leere Worthülse bleibt und damit die Politik für Familien, Kita-Träger und Eltern wieder ein verlässlicher und zukunftsfähiger Partner wird. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kamieth. – Für die FDP erteile ich Herrn Hafke das Wort.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Elementarbildung ist neben dem Elternhaus das wichtigste Element der persönlichen Entwicklung eines jeden Kindes. Genau deswegen haben wir uns als CDU und FDP dafür entschieden, diesem wichtigen Fachbereich einen großen Schwerpunkt zu widmen und uns dieser Herausforderungen anzunehmen.

Das, was uns die Vorgängerregierung von SPD und Grünen hinterlassen hat, ist eine riesengroße Baustelle. Es wurde viel angekündigt und versprochen – zum Beispiel ein neues Kindergartengesetz. Das haben wir bis heute nicht vorgelegt bekommen. Es wurde angekündigt, eine auskömmliche Finanzierung für die Kindertageseinrichtungen sicherzustellen. Fehlanzeige!

Es gibt in Nordrhein-Westfalen viel zu wenige Plätze in U3 und Ü3. Das KiBiz ist mit Bürokratie überlastet. Die Flexibilität an den Kindertageseinrichtungen, um Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten, findet faktisch kaum statt. Der Super-GAU, den wir im Moment aufgrund der Finanzierung des Kinderbildungsgesetzes erleben, sind Trägerabgaben bis hin zu Kitaschließungen in Nordrhein-Westfalen. Das ist das, was uns Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen hinterlassen hat.

Im Wahlkampf wurde dann viel über Beitragsfreiheit in Nordrhein-Westfalen gefaselt. Die SPD hatte ein Konzept vorgeschlagen, das geschmeidige 1 Milliar-de € gekostet hätte, konnte aber in den letzten Jahren kein Konzept vorlegen, mit dem man die Elementarbildung tatsächlich nach vorne bringt.

Der Witz der Woche ist dann der Entschließungsantrag, der uns hier auf den Tisch flattert. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten daraus, weil ich den ersten Punkt schon sehr humorvoll fand:

„Die Kita-Träger, die Kommunen, die Eltern und schließlich auch die Kinder in Nordrhein-Westfalen brauchen ein neues, auskömmliches und qualitätsförderndes Finanzierungssystem, …“

Da frage ich mich ernsthaft, ob die SPD bei den Anträgen von CDU und FDP in den letzten Jahren abgeschrieben hat und warum Sie nicht in der Lage waren, das in den letzten sieben Jahren umzusetzen. Ich halte das für ein Armutszeugnis.

(Beifall von der FDP – Henning Höne [FDP]: So ist es!)

Meine Damen und Herren, weil die Fraktionen von SPD und Grünen und die damalige Regierung nicht in der Lage waren, die Kinderbildung in den Griff zu bekommen, werden wir nun verschiedene Maßnahmen Schritt für Schritt auf den Weg bringen, um Nordrhein-Westfalen tatsächlich beste Bildung zu sichern.

Wir werden als ersten Schritt ein Kitarettungsprogramm auf den Weg bringen, das insbesondere dafür sorgen wird, dass wir keine Trägerabgaben und Kitaschließungen in Nordrhein-Westfalen mehr vornehmen müssen. Das ist ein ganz wichtiges Signal an alle Verbände und alle, die sich mit Kitas beschäftigen.

In einem zweiten Schritt müssen wir dann sicherstellen, dass es eine auskömmliche Finanzierung für die Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen gibt, damit sie verlässlich arbeiten können und nicht mehr die prekäre finanzielle Situation vorfinden, die wir heute haben.

In einem dritten Schritt – das ist im 21. Jahrhundert genauso wichtig – müssen wir über Vereinbarkeit von Familie und Beruf und über Flexibilität sprechen. Wir müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen sicherstellen, damit das in Nordrhein-Westfalen auch möglich ist und wir hier nicht bundesweit das Schlusslicht sind.

Deswegen liegen viele Aufgaben vor uns. Ich bin aber sehr optimistisch, dass wir das mit dem, was im Koalitionsvertrag steht, hinbekommen werden und die Baustellen, die uns Rot-Grün hinterlassen hat,

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das stimmt doch nicht!)

auch sehr zeitnah abräumen werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Hafke. – Für die SPD erteile ich Herrn Dr. Maelzer das Wort.

Dr. Dennis Maelzer (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Kamieth, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede als familienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Ich muss jedoch gestehen, dass ich Ihnen gegönnt hätte, zu einem Antrag mit deutlich mehr Tiefgang zu sprechen.

Ich muss schon sagen: Das, was uns hier die Koalitionsfraktionen präsentieren, ist eine ziemlich dünne Suppe. Es ist lediglich ein Aufguss dessen, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag aufgeschrieben haben. Ganze sechs Zeilen Ihres Antrages beschäftigen sich mit der Zukunft der Kitafinanzierung. Weil Sie anscheinend selber gemerkt haben, dass sechs Zeilen für einen Antrag nicht ausreichen, widmen Sie sich stattdessen der Rückschau, was SPD und Grüne in ihrer Regierungszeit angeblich alles nicht geschafft hätten.

Eines muss ich Ihnen beiden gleich konstatieren, Herr Hafke und Herr Kamieth: Gute Historiker wären Sie beide nicht geworden.

(Beifall von der SPD)

Aber einverstanden; lassen Sie uns einen Blick zurück werfen – aber ohne die Legendenbildung, die Schwarz-Gelb hier betreiben möchte. Als die SPD 2010 an die Regierung kam, fanden wir mit dem KiBiz ein reines Spargesetz zulasten der Erzieherinnen und Erzieher, der Träger und der Kinder vor. Das Gesetz startete schon mit der sogenannten KiBiz-Lüge; denn es war niemals auskömmlich finanziert. Ein ganzer Tarifabschluss wurde von Ihnen nicht berücksichtigt.

In den Jahren unserer Regierungszeit haben wir bei den Kleinsten nicht gespart. Wir haben alles dafür getan, die finanzielle Situation unserer Kitas zu verbessern.

(Daniel Sieveke [CDU]: Das sehen wir aber anders!)

Wir haben die Landesmittel mehr als verdoppelt – auf mehr als 2,8 Milliarden €. Wir haben eine neue U3-Pauschale eingeführt und dabei die Betreuungsrelationen im U3-Bereich verbessert. Wir haben mehr Geld für Kitas in schwierigen Stadtteilen bereitgestellt. Mehr Geld fließt in jede einzelne Gruppe und mehr in die Familienzentren. Alles das hat das Land alleine finanziert.

Warum alleine? – Weil die Kommunen nach den Erfahrungen, die sie mit Schwarz-Gelb gemacht haben, aus dem Reformprozess ausgestiegen sind. Das hat sich erst mit dem Gesetz zur überbrückenden Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Kindertagesbetreuung geändert.

Damit wurden – das unterschlagen Sie in Ihrem Antrag geflissentlich – die Mittel aus dem von Schwarz-Gelb auf Bundesebene verfassungswidrig eingeführten Betreuungsgeld 1:1 dahin gegeben, wohin sie auch gehören. 431 Millionen € fließen jetzt in die frühkindliche Bildung. Erst durch diesen Schritt waren auch die Kommunen bereit, ihren Eigenanteil höher zu dynamisieren.

(Beifall von der SPD – Daniel Sieveke [CDU]: Also wieder fremdes Geld!)

– Stellen Sie doch eine Zwischenfrage; ich antworte gerne. Man merkt, dass Sie fachfremd sind.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh! – Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Jetzt sind die Kommunen wieder mit im Boot. Damit wurde die Grundlage für eine grundständige KiBiz-Revision gelegt. Denn dafür braucht es alle Beteiligten: Land, Träger und Kommunen.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Diese Chance muss man dann aber auch nutzen.

Jetzt steht in Ihrem Antrag, dass Sie die Landesregierung beauftragen wollen, ein kurzfristiges Programm für die Kitas aufzulegen. Sie wollen die Landesregierung beauftragen, Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Kitaträgern aufzunehmen. Na, Donnerwetter!

Herr Dr. Stamp, dafür brauchen Sie allen Ernstes einen Auftrag von CDU und FDP? Ich hätte Ihnen zugetraut, dass Sie als Familienminister von ganz alleine auf diese Idee gekommen wäre. Aber so kann man sich täuschen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Trauen Sie das mal lieber Herrn Dr. Stamp zu!)

Nein, meine Damen und Herren; das einzige Ziel dieses Antrags ist es, Handeln vorzutäuschen. Sie hoffen, mit diesem dürren Papier über die Sommerpause zu kommen. Sie hoffen, mit diesem Papier über die Bundestagswahl zu kommen.

Aber die Wählerinnen und Wähler, die Erzieherinnen und Erzieher und nicht zuletzt die Familien mit kleinen Kindern haben Antworten verdient.

Verraten Sie, was Ihr Plan für die frühkindliche Bildung in unserem Land ist. Oder seien Sie so ehrlich und gestehen Sie ein: Sie haben keinen konkreten Plan.

Wie groß ist die entstandene KiBiz-Lücke, die es zu schließen gilt? – Kein Wort dazu in Ihrem Antrag. Wie hoch soll der Einmalbeitrag für die Kitas sein? – Kein Wort dazu in Ihrem Antrag. Wird das Land den Einmalbeitrag allein aufbringen? – Kein Wort dazu in Ihrem Antrag. Wann fließt das Geld? – Kein Wort dazu in Ihrem Antrag. Und heißt ein durch Pauschalen finanziertes System, das Sie in Ihrem Antrag fordern, dass Sie nicht bereit sind, die Strukturen des KiBiz grundsätzlich infrage zu stellen? – Auch darauf gibt Ihr Antrag keine Antwort.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, keine Antworten, stattdessen Beschimpfungen der politischen Mitbewerber – das alles zeigt: CDU und FDP sind in ihren Rollen als regierungstragende Fraktionen noch nicht angekommen.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Das könnte mich freuen; denn das macht mir und der SPD das Leben in der Opposition leicht.

Aber, meine Damen und Herren der neuen Landesregierung, es ist nicht Ihre Aufgabe, mir das Leben leichter zu machen. Es ist Ihre Aufgabe, das Leben der Familien, der Kinder sowie der Erzieherinnen und der Erzieher leichter zu machen.

(Beifall von der SPD)

Dazu leistet dieser dürre Antrag keinen Beitrag. Schenken Sie den Betroffenen reinen Wein ein, und hören Sie auf damit, sich um die notwendigen Antworten herumzudrücken.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Herr Maelzer, bleiben Sie bitte am Pult stehen. Wir haben nämlich eine Kurzintervention aus der CDU-Fraktion.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Die gewünschte?)

Herr Kamieth hat das Wort.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ach so! Schade! – Vereinzelt Heiterkeit)

Jens Kamieth (CDU): Schönen Dank, Herr Präsident. – Herr Maelzer, dass Sie die Chuzpe haben, sich hierhin zu stellen und uns vorzuwerfen, dass wir nichts machen würden und dass insbesondere der zuständige Minister einen Auftrag bräuchte, grenzt schon an eine Frechheit.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie alle Ihre Reden in den letzten sieben Jahren gehalten hätten und dass dabei irgendetwas herumgekommen wäre.

Sie bemängeln, unser Antrag sei zu dünn in den sechs Zeilen. Ich will Ihnen einmal fünf Zeilen wiedergeben, die am 16. Dezember 2015 niedergeschrieben worden sind, und zwar als Vereinbarung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden sowie SPD und Grünen:

„Die Unterzeichnenden verständigen sich ferner, unverzüglich Gespräche für eine grundlegende Überarbeitung des KiBiz und der ihm zugrundeliegenden Finanzierungsstrukturen aufzunehmen.“

(Henning Höne [FDP]: Das ist ja interessant!)

„Hierbei sollen alle mit der Finanzierungsstruktur zusammenhängenden Fragestellungen Berücksichtigung finden. Bis zum Ende der 16. Wahlperiode soll eine Verständigung auf Eckpunkte für ein neues Gesetz erfolgen.“

(Zurufe von der CDU: Oh! – Weitere Zurufe)

Das war am 16. Dezember 2015. Sie haben im Ausschuss mitbekommen, wie häufig wir danach gefragt haben, wann denn die Eckpunkte vorliegen. Jetzt frage ich Sie: Warum haben Sie nicht geliefert?

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Dr. Dennis Maelzer (SPD): Ich danke Ihnen für diese Kurzintervention, die mir die Gelegenheit gibt, darauf noch einzugehen.

(Zuruf von der FDP: Immer schön bei der Wahrheit bleiben!)

Für Chuzpe halte ich wirklich, so einen Antrag vorzulegen und dem eigenen Minister ein solches Ei ins Nest zu legen.

(Ralf Witzel [FDP]: Sagen Sie doch einmal etwas zu Ihrem!)

Es ist doch wirklich ein Gipfel der Lächerlichkeit, dass diese Landesregierung so einen dürren Antrag mit, wie gesagt, sechs Zeilen …

(Ralf Witzel [FDP]: Sagen Sie doch einmal etwas zu Ihrem Handeln!)

– Wie ich antworte, Herr Witzel, überlassen Sie bitte immer noch mir.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der FDP und der AfD)

Es ist doch wirklich ein Witz, mit sechs Zeilen der Landesregierung die Marschrichtung vorgeben zu wollen. Das zeigt doch nur eines: Sie haben in der Tat keinen Plan. Bei uns sah es ein Stück weit anders aus.

(Lachen von Henning Höne [FDP] – Widerspruch von der CDU)

Wenn Sie die konkreten Ziele der SPD für diese Legislaturperiode nachlesen wollen, brauchen Sie nur einen Blick in den NRW-Plan zu werfen. Da steht schwarz auf weiß, in welche Richtung wir wollen.

Sie hatten doch Zeit, ein Wahlprogramm zu machen.

(Zuruf von der CDU: Sie etwa nicht?)

Sie hatten sieben Jahre Zeit, um in der Opposition Antworten zu finden.

(Lachen und Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Sie hatten Zeit, einen Koalitionsvertrag zu machen.

Sie haben in den sieben Jahren nichts hinbekommen. Darum haben Sie einen so dürren Antrag gestellt.

Der Unterschied zwischen uns und Ihren ist: In den sieben Jahren haben wir die Mittel für frühkindliche Bildung verdoppelt, und Sie haben Anträge gestellt, diese Mittel im Landeshaushalt zu kürzen. – Daher nehmen wir uns von Ihrer Kritik überhaupt nichts an.

(Beifall von der SPD – Lachen von der FDP)

Präsident André Kuper: Danke, Herr Maelzer. – Für die AfD erteile ich Herrn Langguth das Wort.

Alexander Langguth*) (AfD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesem humoristischen Beitrag des SPD-Kollegen habe ich kurzzeitig überlegt, meine gesamte Rede umzuschreiben.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ich bin gespannt! – Sarah Philipp [SPD]: Auf jeden Fall!)

Ich bin regelrecht erstaunt darüber, dass nach sieben Jahren Regierungsarbeit übrig geblieben ist, der Opposition zu sagen, sie hätte ja etwas machen können.

(Beifall von der AfD, der CDU und der FDP – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Der Regierung! Es wäre schön, wenn sie Opposition wäre!)

– Es gibt auch welche, die froh sind, dass Sie jetzt Opposition sind.

(Zuruf von der FDP: Die Wähler zum Beispiel!)

– Die Wähler zum Beispiel.

Ich starte meine Ausführungen jetzt da, wo ich eigentlich anfangen wollte, und zwar mit einem Zitat aus einer UNO-Deklaration zum Schutz des Kindes. Darin heißt es, dass der Mensch dem Kind das Beste schuldet, was er zu geben hat. Wenn man das heute für uns hier konkretisieren möchte, kann man, glaube ich, sagen, dass wir, die Regierung und der Staat, den Kindern das Beste schulden, was wir zu geben haben.

Wir sehen auf Seite 1 des Antrags von CDU und FDP eine einseitige Ausarbeitung der bekannten Fehler von Rot und Grün. Das ist eine Bestandsaufnahme dessen, was Sie hier hinterlassen haben. Es ist in gewisser Weise selbstverständlich auch eine Art der Weiterführung des Wahlkampfes. Das ist aber auch zum jetzigen Zeitpunkt völlig okay für uns, wenn man denn daraus Erkenntnisse und Lösungen erwachsen lässt.

Die Seite 2 dieses Antrages enthält den ganz klaren Auftrag an die Regierung, erst einmal die rechtlichen und finanziellen Grundlagen für weiteres Handeln zu schaffen. Dem, meine Damen und Herren, kann man sich nicht verweigern.

Wir als AfD-Fraktion sind auf das Ergebnis aus diesem Arbeitsprozess sehr gespannt.

Die AfD-Fraktion stimmt dieser vorläufigen, wenn auch zunächst abstrakten Absichtserklärung zu. Wir werden diesen Arbeitsprozess hart in der Sache und konkret im Detail, aber auch – das ist vielleicht der Unterschied zu Rot und Grün – konstruktiv in der Zusammenarbeit begleiten,

(Beifall von der AfD)

wenn – das ist vielleicht die kleine Einschränkung einer Oppositionspartei; das ist uns gestattet – wir das zu dem Ergebnis bringen, das ich eingangs nannte, und wir den Kindern hinterher das Beste geben. Das haben sie verdient, und das schulden wir ihnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank Herr Langguth. – Für Bündnis 90/Die Grünen erteile ich der Kollegin Paul das Wort.

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frühkindliche Bildung ist ein zentraler Baustein unserer Bildungslandschaft und leistet einen wichtigen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit. Eine nachhaltige Kitafinanzierung muss sich an dem Dreiklang aus mehr Qualität, mehr Bildungsgerechtigkeit und einem stabilen Finanzierungssystem orientieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, Ihr Antrag wird leider keinem dieser drei Ziele gerecht.

(Zuruf von der CDU)

Sie schreiben in Ihrem Antrag von der chronischen Unterfinanzierung, die viele Träger in finanzielle Not bringt. Das ist sicher richtig. In Ihrem Antrag erwähnen Sie aber nicht, dass diese chronische Unterfinanzierung der Kitas dem Konstruktionsfehler bzw. den Konstruktionsfehlern Ihres KiBiz geschuldet ist und durch Ihr KiBiz und diese Konstruktionsfehler ausgelöst wurde. Das ist erwähnenswert, wenn wir schon bei der historischen Aufarbeitung sind.

Kollege Maelzer hat schon darauf hingewiesen: Die rot-grüne Landesregierung hat in zwei Revisionsschritten erhebliche Mehrmittel ins System gegeben, wie bei der U3-Pauschale, und sie hat zusätzliches Personal im Bereich plusKITA ermöglicht, um insbesondere für die Kinder Chancen und mehr Bildungsgerechtigkeit herbeizuführen, die einen besonderen Unterstützungsbedarf haben. Wir haben auch die frei werdenden Mittel des Betreuungsgeldes vollumfänglich in die frühkindliche Bildung investiert.

(Zuruf von der CDU)

Trotz all dieser Maßnahmen muss man aber zu dem Schluss kommen, dass das KiBiz am Ende seiner Reformierbarkeit angelangt ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich bin in der Tat gespannt, ob das, was Sie hier vorgelegt haben – also diese Worthülsen von einem neuen, auf Pauschalen basierten Finanzierungssystem –, Ihr Versuch ist, bei einem völlig vermurksten Gesetz jetzt doch noch eine Reformierbarkeit herzustellen, oder ob Sie sich fachlich mit der Diskussion auseinandersetzen und ein neues Gesetz auf den Weg bringen wollen, das den Bedürfnissen der Kitas, der Erzieherinnen und Erzieher und der Eltern – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben Sie ja auch gerade wieder hoch gehängt – auch tatsächlich gerecht wird.

Die Anhörung zu dem rot-grünen Gesetz zur überbrückenden Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Kindertagesbetreuung, das Sie in Ihrem Antrag erwähnt haben, hat ergeben, dass dieses Überbrückungsgesetz ein erster Schritt – das war auch immer nur seine Aufgabe – zur dringend notwendigen Verbesserung der finanziellen Situation der Kitas ist. In der Anhörung wurde deshalb zu Recht immer wieder darauf hingewiesen, dass man zeitnah einen zweiten Schritt folgen lassen müsste.

Darüber hinaus waren sich die Sachverständigen einig, dass wir eine neue Kitafinanzierung benötigen, die die finanziellen, pädagogischen, personellen, räumlichen und verwaltungstechnischen Anforderungen auskömmlich berücksichtigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen keinen erneuten ersten Schritt; den hatten wir bereits.

Wir brauchen auch keine Einmalzahlungen an die Träger. Wir brauchen ein neues Kitagesetz und kein wolkig umschriebenes Gesetz; Kollege Maelzer hat die Fragen ja aufgeworfen, die sich aus unserer Sicht an diesen etwas wolkig formulierten Antrag richten. Wir brauchen kein Rettungsprogramm, sondern ein Kitagesetz, das dem Finanzierungsmurks Ihres KiBiz endlich ein Ende macht. Damit stehen wir auch durchaus unter einem gewissen zeitlichen Druck. Die Erhöhung der Dynamisierung ist bis zum Jahr 2018 begrenzt. Danach brauchen wir für die Kitas in NRW eine nachhaltige Finanzierung, darüber haben wir schon mehrfach diskutiert.

(Zuruf von der CDU)

Der Antrag macht deutlich, dass CDU und FDP die letzten sieben Jahre offenbar nicht dazu genutzt haben, an einem Finanzierungssystem zu arbeiten.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben sieben Jahre nichts getan!)

Wir wollen Sie aber nicht in der ersten inhaltlichen Sitzung darauf festnageln, dass Sie das schon fertig mitbringen müssen, sind aber sehr wohl darauf gespannt, wie das aussehen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP und lieber Herr Minister Stamp, verschonen Sie uns mit diesem Rettungsprogramm. Gehen Sie den notwendigen zweiten Schritt und keinen wiederum ersten Schritt „wir gucken mal und hangeln uns irgendwie daran entlang“. Entwickeln Sie in Abstimmung mit den beteiligten Akteuren ein auskömmliches Finanzierungssystem, das sich an dem soeben von mir erwähnten Dreiklang mehr Qualität, mehr Bildungsgerechtigkeit und einem stabilen Finanzierungssystem orientiert und diesem Rechnung trägt.

Wir wollen und werden uns konstruktiv in diesen Prozess einbringen, und – das mit Verlaub auf Herrn Kamieth – der Opposition ist es durchaus erlaubt, eigene Konzepte vorzulegen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsident André Kuper: Danke Frau Paul. – Ich erteile nun für die Landesregierung Minister Dr. Stamp das Wort.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Paul, Herr Maelzer, wenn man Sie eben gehört hat, fragt man sich, wer hier die letzten sieben Jahre eigentlich regiert hat.

(Beifall von der FDP, der CDU und der AfD – Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Sie hatten sieben Jahre für die KiBiz-Revision Zeit. Wenn Sie diese sieben Jahre nicht genutzt haben, ist das genauso Ihr KiBiz. Wir werden die Revision jetzt angehen. Ich will auch ausdrücklich sagen, was ich an ersten Erfahrungen in diesem Ministerium gemacht habe, hat nicht an dem Ministerium gelegen, sondern an der falschen Prioritätensetzung von Rot-Grün.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Lassen Sie uns jetzt aber nicht wieder die Schlachten von gestern schlagen, sondern lassen Sie uns gemeinsam nach vorne sehen. Ich will einen neuen Stil in der Kitapolitik. Für mich heißt das auch, dass ich Sie alle einlade, daran mitzuarbeiten und wir gemeinsam alles tun, damit sich die Situation für die Kitas in Nordrhein-Westfalen substanziell verändert.

Denn die Kindertagesbetreuung in Nordrhein-Westfalen braucht eine dauerhaft tragfähige Finanzierung. Das kündige ich hier an. Das wollen wir gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und gemeinsam mit den Trägern der Kindertageseinrichtungen erarbeiten. Und weil die Kitas die Grenze ihrer Belastbarkeit schon lange erreicht haben und ihr Fortbestand vielerorts massiv gefährdet ist, braucht es jetzt vor allem einen ersten schnellen Schritt, Frau Paul. Man muss nicht immer den zweiten Schritt vor dem ersten machen;

(Lachen von Josefine Paul [GRÜNE])

denn dann kommt man ganz schnell ins Stolpern. Das haben wir ja in den letzten sieben Jahren gesehen, meine Damen und Herren. Deshalb wird eine der ersten Maßnahmen dieser Landesregierung sein, ein Kitaträgerrettungsprogramm auf den Weg zu bringen.

Lieber Herr Maelzer, Sie hatten gemeint, darauf müsse man mich erst aufmerksam machen. Wenn Sie die letzten zehn Tage die Medien aufmerksam verfolgt hätten, hätten Sie vielleicht gesehen, dass ich das bereits selbst artikuliert und auch gesagt habe, dass das der wichtige erste Schritt ist, damit nicht das passiert, was viele befürchten,

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Also war der Antrag überflüssig!)

dass uns nämlich 2018/2019 Träger aus Verzweiflung von der Fahne gehen, ihre Kita nicht mehr weiter betreiben und wir hier einen substanziellen Verlust erleiden.

Genau das werden wir nicht tun und nicht zulassen. Wir werden für die in ihrer Existenz bedrohten Kitaträger mit einem Einmalbetrag Entlastung schaffen und damit sicherstellen, dass wir auch weiterhin ein breites Kitaangebot in Nordrhein-Westfalen haben.

(Beifall von der CDU und der FDP )

Meine Damen und Herren, die Kitas haben lange genug darauf gewartet, dass etwas passiert. Jetzt sind wir so weit, dass wir die Verantwortung hierfür übernehmen. Wir wissen, dass das eine Herkulesaufgabe ist. Deshalb werden wir uns jetzt genau anschauen, was an Vorbereitungen im Hause bereits geleistet worden ist, was vielleicht einfach deswegen nicht zum Tragen gekommen ist, weil man nicht die richtigen Prioritäten gesetzt hat.

Deswegen werden wir demnächst mit dem Trägerrettungspaket den ersten Schritt tun. Dann werden wir in dieser Legislaturperiode Schritt für Schritt die KiBiz-Revision durchziehen und die Kitafinanzierung, die Qualität und den Ausbau auf vernünftige, neue Säulen stellen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Hafke noch einmal um das Wort gebeten.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das musstest du gar nicht! – Gegenruf von Marcel Hafke [FDP]: Doch, wegen dir!)

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Dennis Maelzer, vielen Dank für diese humorvolle Rede. Die hat zur Erheiterung des heutigen Tages beigetragen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das haben deine Reden noch nie!)

SPD und Grüne haben sieben Jahre lang ein neues Kinderbildungsgesetz versprochen und sind sieben Jahre gescheitert. Das ist der Punkt. Sieben Jahre lang habt ihr mit dem Finger auf die anderen gezeigt, und dann stellt sich Dennis Maelzer heute hierhin und zeigt schon wieder mit dem Finger auf die anderen, statt einfach mal anzuerkennen, dass SPD und Grüne genau wegen dieses Scheiterns abgewählt wurden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich würde Ihnen empfehlen, mal mit den Betroffenen zu sprechen. Ihr Job in den letzten sieben Jahren war es, den Erzieherinnen und Erziehern das Leben leichter zu machen und sie nicht in eine prekäre Beschäftigung zu führen, in der sie sich jetzt befinden.

Wir haben einen enorm hohen Krankenstand in diesem Berufszweig und eine enorm hohe Arbeitsbelastung. Kitas müssen schließen, weil die Finanzierung zu schlecht ist.

Das haben Sie zu verantworten, und nun müssen wir die Kohlen aus dem Feuer holen. Es wird nicht so weit kommen, dass wir uns auch noch Ratschläge von Ihnen holen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ein ganz ernst gemeinter Tipp an SPD und Grüne: Sie sollten ganz kleine Brötchen backen und mit Demut an diese Debatte herangehen. Ich glaube, dann können auch Sie wieder vernünftig mit den Betroffenen sprechen.

(Zuruf von der SPD: So wie Sie in den letzten sieben Jahren!)

Wir werden jetzt erst einmal schauen, dass wir das umsetzen, was wir in den letzten sieben Jahren angekündigt haben, nämlich eine auskömmliche Kitafinanzierung. Dafür müssen wir zuerst einmal die Träger retten; denn wir wollen eine Vielfalt in Nordrhein-Westfalen garantieren. Wir wollen, dass es verschiedene Träger gibt, die mit Kitas zusammenarbeiten, und den Eltern ein Bildungsangebot unterbreiten. Das wollen wir nun auf den Weg bringen, und deswegen ist es so entscheidend, dass dieser erste Schritt erfolgt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP, der CDU und der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Wir sind damit am Ende der Debatte zu Tagesordnungspunkt 7 und kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen erstens ab über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/77. Es ist direkte Abstimmung beantragt. Wer also dem Inhalt dieses Antrags zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP und die Piratenfraktion.

(Zurufe: Nein! Die gibt es nicht mehr! – Heiterkeit)

– Entschuldigung. Sehen Sie es mir nach. Ich wusste, irgendwann treten die Automatismen ein. Ich meinte die AfD-Fraktion. Ich entschuldige mich bei Ihnen, ich entschuldige mich bei den Piraten, bei den Bürgerinnen und Bürgern

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Marcus Pretzell [AfD]: Bei der SPD ist heute ein humoriger Tag!)

und wiederhole es ganz korrekt für das Protokoll. Meine beiden Schriftführer werden jetzt sehr genau hinhören und aufpassen.

Ich wiederhole: Für den Antrag haben gestimmt die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion und die AfD-Fraktion. – Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 17/77 angenommen.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung, und zwar über den Entschließungsantrag der SPD Drucksache 17/141. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Das sind die SPD-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die AfD-Fraktion. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Entschließungsantrag Drucksache 17/141 abgelehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf:

8   Wirksame Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen durch Automobilhersteller umsetzen und so anhaltend hohe Stickstoffdioxid-Emissionen reduzieren

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/68

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Remmel das Wort.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wird das Ihre Jungfernrede?)

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen heute hoffentlich keine Grundsatzdebatte

(Lachen von der CDU)

über Verbrennungsmotoren ja oder nein, über die Dieseltechnologie ja oder nein, über die klimafreundliche Gestaltung des Individualverkehrs

(Marcus Pretzell [AfD]: Was soll das denn dann?)

oder über neue technische Entwicklungen.

(Marcus Pretzell [AfD]: Dann können wir ja jetzt aufhören!)

Nein, das sind Zukunftsdiskussionen, die hier heute möglichst nicht stattfinden sollten.

Es geht um das Hier und Jetzt.

Herr Minister Wüst, wir sollten auch keine Spiegelfechtereien betreiben: den Spiegel des Fahrverbots aufstellen und dann einen netten Florettschritt machen, um dagegen anzukämpfen. Nein, niemand – ich vermute, auch die AfD-Fraktion in diesem Landtag nicht – möchte Fahrverbote. Nein, das möchte Nordrhein-Westfalen im Interesse der Autofahrerinnen und Autofahrer, der Verbraucherinnen und Verbraucher eben nicht.

Herr Wüst, ich glaube, es geht auch nicht um die Maßnahmen – die müssen wir sowieso ergreifen –, um die Luft in unseren Städten zu verbessern, nämlich die Taxiflotten so umzustellen, dass sie möglichst emissionsarm fahren, neue Busse in unseren Städten fahren zu lassen, Lieferverkehre so ähnlich zu gestalten, wie es die Post tut, den Fahrradverkehr so zu fördern wie in Kopenhagen oder eine verstärkte Förderung des öffentlichen Verkehrs anzustreben. Das müssen wir zwar alles machen, aber darum geht es heute nicht.

Es geht schlicht und einfach um die Kernfrage: Wer im Hier und Jetzt nicht schnell gegenüber der Automobilindustrie eine wirksame technische Nachrüstung durchsetzt, wird am Ende Fahrverbote verantworten müssen. Das ist die Gretchenfrage. Das ist die Kernfrage, um die es hier und heute geht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dabei gibt es Begrenzungen und klare Ableitungen. Zum einen sind das technische Ableitungen. Das ist jetzt rauf und runter untersucht und diskutiert worden: Nur eine wirksame technische Nachrüstung kann gewährleisten, dass Fahrzeuge der Euro-5- und der Euro-6-Norm die Vorgaben einhalten, die einzuhalten für die saubere Luft in unseren Städten notwendig ist.

Es ist auch mathematisch ableitbar, denn mit Prognosemodellen kann man berechnen, welche Maßnahmen notwendig sind, um die Anforderungen der Europäischen Kommission, aber auch die gerichtlichen Anforderungen zu erfüllen.

Es ist rechtlich notwendig und ableitbar, weil wir Verwaltungsgerichtsentscheidungen haben, weil wir ein EU-Vertragsverletzungsverfahren haben und weil im Mittelpunkt dieser Entscheidungen ein Grundrecht unserer Verfassung steht: die körperliche Unversehrtheit und die Gesundheit der Menschen. Deshalb muss hier und heute gehandelt werden, und deshalb können wir nicht auf irgendwelche Zukunftsoptionen setzen.

Der Abgasskandal tut ein Übriges. Bei den Menschen entsteht zurzeit der Eindruck, dass man die Großen, die dafür verantwortlich sind – das ist nicht nur VW –, laufen lässt, und die Kleinen sollen dafür büßen, indem sie ihre unter Vertrauensschutz erworbenen Fahrzeuge nicht mehr benutzen sollen.

Deshalb ist es gut und richtig – ich begrüße das außerordentlich –, dass die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen eine entsprechende Resolution verfasst haben. Aber da bleiben Fragen offen. In dem gemeinsamen Positionspapier heißt es, dass man eine „rasche Verbesserung der Flottenwerte bei Diesel-Fahrzeugen durch kostenfreie Nachrüstungen für Kunden von Diesel-Pkw durch Kostenübernahme“ – das ist wichtig – „durch die Automobilindustrie und durch Anreize für den Kauf von Euro-6d-Temp- und Euro-6d-Diesel-Pkw“ fordert.

Das ist gut, aber es bleiben, wie gesagt, entscheidende Fragen offen: Welche Nachrüstung genau soll eingefordert werden – eine, die die Automobilindustrie möchte, oder eine, die für die Luft und für die Gesundheit der Menschen gut ist? Beide Maßnahmen unterscheiden sich erheblich durch die Kosten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nach Berechnungen von ADAC und anderen, auch von Umweltverbänden, kostet die einfache Billiglösung ungefähr 1,5 bis 2 Milliarden €, und die Kosten für die notwendige technische Nachrüstung werden im zweistelligen Milliardenbereich liegen.

Da geht es dann um die Frage der politischen Durchsetzbarkeit: Wird Nordrhein-Westfalen auf Bundesebene eine Initiative starten, um die Bundesregierung – und gegebenenfalls auch den Bundestag – dazu zu zwingen, diese Nachrüstung gesetzlich einzufordern? Das ist notwendig, denn die Zeit drängt. Es bedarf dann nämlich auch noch einer Typenzulassung beim Kraftfahrzeugbundesamt – das bedeutet eine zeitliche Dimension –, um das am Ende des Tages so wirksam werden zu lassen, dass die anstehenden Gerichtsentscheidungen, beispielsweise die des Bundesverwaltungsgerichts, nicht zu anderen Maßnahmen zwingen.

Die Zeit läuft uns also davon, und deshalb ist es notwendig, dass die Landesregierung bzw. der Landtag hier eine entsprechende Initiative startet und die Notwendigkeit einer Nachrüstung präzisiert und dass im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher auch von Nordrhein-Westfalen aus politischer Druck auf die Bundesregierung, die Automobilindustrie und den Bundestag ausgeübt wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Voussem.

Klaus Voussem (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Man könnte froh sein, wenn die Luft so rein wäre wie das Bier.“ Das hat der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker einmal gesagt.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Leider ist die Luft in vielen Städten unseres Landes nicht so rein, wie sie es tatsächlich sein müsste. Daher muss das Problem der Luftreinheit auf vielfältige Weise angegangen und gelöst werden.

Die Kernforderungen des Grünen-Antrags an die Landesregierung lauten, sich gegenüber der Bundesregierung und den Fahrzeugherstellern für eine wirkungsvolle Nachrüstungsoffensive einzusetzen und den Fahrzeugbesitzern keine finanziellen Nachteile entstehen zu lassen. Diese Forderungen hat die Landesregierung bereits erfüllt. Wie Sie, Herr Kollege Remmel, richtig bemerkt haben, haben die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Niedersachsen bereits am vergangenen Freitag in Berlin ein entsprechendes Papier unterzeichnet. Ihres Antrags und einer solch ausführlichen Debatte darüber hätte es heute gar nicht mehr bedurft.

Die Ministerpräsidenten sprechen sich dafür aus, dass die Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge nicht von den Kunden, sondern von der Automobilwirtschaft bezahlt werden soll. Vom Bund erwarten die Regierungschefs, dass verlässliche Rahmenbedingungen für das Nachrüsten der Dieselfahrzeuge gesetzt werden. Die fünf Bundesländer mit Automobilfirmen wollen vor allem die Umstellung auf umweltfreundliche Fahrzeuge vorantreiben.

Die Ministerpräsidenten, allen voran Armin Laschet, benannten bei dem Treffen in Berlin zwei Hauptprobleme: erstens – ganz akut – die vielen Schadstoffe in den Städten mit drohenden Fahrverboten für Dieselfahrzeuge und zweitens – mittelfristig – der technologische Wandel in der Automobilindustrie.

Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, sagt in diesem Zusammenhang, das Auto werde neu erfunden. – Er hat damit recht. Der Wandel zur Elektromobilität ist eine Umwälzung, wie ihn die Automobilindustrie noch nicht erlebt hat. Daher geht der heutige grüne Antrag auch nicht weit genug.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Arndt Klocke [GRÜNE]: Oh, nicht weit genug!)

Der Antrag beschränkt sich auf das Abgasthema und droht mit Fahrverboten. Pauschale Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Innenstädten lehnen wir aber entschieden ab.

(Beifall von der CDU)

Wenn wir erst einmal anfangen, zur Verbesserung der Luftqualität die Mobilität einzuschränken, öffnen wir einer Entwicklung die Tür, die in eine fatale Richtung geht. Wir müssen alles tun, was zum Gesundheitsschutz notwendig ist. Das ist unbestritten. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass unsere Städte und Metropolen funktionieren.

Darüber hinaus ist vielen nicht ganz klar, was passiert, wenn erst einmal ein Fahrverbot verhängt werden sollte. Würden bestimmte Autos plötzlich nicht mehr in die Innenstädte gelassen, so wäre das Vertrauen der Käufer dahin. Die wirtschaftlichen Folgen wären enorm und sind heute noch gar nicht zu beziffern.

Für das Dieselauto, einstmals der Verkaufsschlager der Automobilbranche, wäre das ein Desaster. Die Anfänge sind bereits heute zu spüren. Immer weniger neue Dieselautos werden zugelassen, und die Preise für Gebrauchtwagen gehen in den Keller. Viele Halter von Dieselfahrzeugen sehen sich von den Konzernen und von der Politik getäuscht und werden mit ihrem Wertverlust alleine gelassen.

Abgase bekämpfen wir aber am besten durch neue Technologien. Das heißt, wir müssen die Anzahl von Automobilen und Bussen mit Verbrennungsmotoren für unsere Innenstädte reduzieren. Das muss dabei in Richtung emissionsfreie Mobilität und in Richtung automatisiertes Fahren gehen. Die Neuausrichtung der Automobilbranche ist daher die wichtigste Aufgabe des Jahrzehnts. In ganz Deutschland hängen mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze vom Autobau ab, nicht nur an den großen Automobilstandorten. In Nordrhein-Westfalen gibt es viele Zulieferbetriebe – im Sauerland zum Beispiel –, die die Autofabriken in Bayern, in Baden-Württemberg oder in Niedersachsen mit Teilen beliefern.

Meine Damen und Herren, wir brauchen jetzt schnelle Lösungen, um Fahrverbote für Dieselfahrzeugen in den Innenstädten zu verhindern. Daher sollen Euro-5-Diesel schnell und freiwillig nachgerüstet werden. Das muss auf Kosten der Hersteller und nicht auf Kosten des Staates gehen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Die bayerischen Automobilhersteller haben dazu bereits prinzipiell ihre Bereitschaft erklärt. Allerdings haben sie diese Bereitschaft unter den Vorbehalt gestellt, dass es dazu eine bundesweite Verständigung geben muss. Die Länder alleine können dieses Problem nicht lösen. Hier ist die Bundesregierung gefragt, auch um in Europa entsprechende Weichen zu stellen.

Im August wird es einen Autogipfel im Kanzleramt geben. Von dort müssen wesentliche Initiativen für die Zukunft der Automobilindustrie auf dem Weg in die Elektromobilität ausgehen. Ideen, wie Deutschland den Wandel schaffen kann, gibt es heute schon genug. Daher haben die Ministerpräsidenten eine Offensive für mehr Ladesäulen, für mehr Ladeinfrastruktur angekündigt. Außerdem wollen die Länder bei der Forschung und Entwicklung besser zusammenarbeiten, vor allem wenn es um Batteriezellen geht.

Ein Beispiel dafür ist der Street-Scooter, der an der Rheinisch-Westfälischen TH in Aachen für die Deutsche Post entwickelt wurde. Die Post kommt mit der Produktion ihrer Fahrzeuge gar nicht nach.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Kollege Blex von der AfD-Fraktion würde Ihnen gerne eine Frage stellen.

Klaus Voussem (CDU): Gerne.

Dr. Christian Blex (AfD): Herr Kollege, wie wollen Sie denn Ihre E-Autos mit einer Minireichweite laden, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint?

Klaus Voussem (CDU): Zum einen ist die technologische Fortentwicklung von Fahrzeugen mit einer größeren Reichweite in der Mache. Zum anderen wollen wir – das habe ich ja gerade ausgeführt, an der Stelle werden Sie wahrscheinlich nicht zugehört haben – insbesondere die Ladeinfrastruktur deutlich erhöhen, sodass es für Sie möglich ist, mit einem E-Auto von A nach B zu fahren, wo immer Sie wollen. Seien Sie da mal ganz gewiss.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, solche Kooperationen wie zwischen der Deutschen Post und der RWTH zu Aachen sind auch in anderen Bereichen nötig, um den Wechsel zu neuen Technologien zu ermöglichen. Der Bund soll flankierend klimaneutrale Fahrzeugflotten gezielt fördern, um die E-Auto-Prämie auch für die Kommunen und bestimmte Firmen zu öffnen. Darüber hinaus soll für einheitliche Standards in der Ladeinfrastruktur gesorgt werden.

Meine Damen und Herren, die Initiative der fünf Bundesländer war dringend nötig und hätte auch schon in den letzten Jahren von Nordrhein-Westfalen aus gestartet werden können. Insoweit sind wir dankbar dafür, dass die NRW-Koalition und Ministerpräsident Armin Laschet hier den ersten Schritt getan haben; denn Umweltfreundlichkeit reicht offensichtlich als Kaufargument für Elektroautos alleine nicht aus. Es hapert in der Tat ein Stück weit an der Alltagstauglichkeit, aber auch an der Bezahlbarkeit. Elektroautos müssen all diesen Anforderungen genügen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege, entschuldigen Sie, dass ich Sie schon wieder unterbreche.

Klaus Voussem (CDU): Das macht überhaupt nichts.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Bestimmt zum letzten Mal in Ihrer Rede! Herr Kollege Klocke würde Ihnen jetzt gerne eine Zwischenfrage stellen.

Klaus Voussem (CDU): Gerne, Herr Kollege Klocke.

(Bernd Krückel [CDU]: Das darf aber kein Zitat sein!)

Arndt Klocke*) (GRÜNE): Nein, ich habe kein Zitat, schätze aber immer die Zitate von Herrn Voussem und bin ganz gespannt, was kommt.

Meine Frage, Herr Kollege – danke, dass Sie sie zulassen –, bezieht sich auf den Autogipfel, von dem Sie gerade gesprochen haben. Wollten Sie uns damit gerade mitteilen, dass die Initiative, also die Vorbereitung dieses Autogipfels und dieses Papiers, in dem viele vernünftige Dinge stehen, die Sie eben ausgeführt haben – es gibt auch Dinge, die man kritisieren kann, aber es geht einiges in die richtige Richtung –, schon von der neuen Landesregierung komplett ausgegangen ist und dass es da keine Vorarbeiten gab, sondern dass der Ministerpräsident vier Tage, nachdem er im Amt war, diesen Autogipfel mit initiiert hat und dann diese weitreichenden Beschlüsse vorgestellt hat?

Klaus Voussem (CDU): Herr Klocke, das weiß ich nicht. Ich weiß nur als Jurist eins: Wer schreibt, der bleibt. Und unterschrieben hat unser Ministerpräsident Armin Laschet.

(Beifall von der CDU und Christof Rasche [FDP])

Insoweit wird er sicherlich auch den Hauptanteil am Zustandekommen dieses gemeinsamen Papieres mit den fünf Bundesländern getragen haben.

Meine Damen und Herren, ich war dabei stehen geblieben, dass auch Elektroautos Anforderungen genügen müssen, die noch zu entwickeln sind. Insgesamt müssen sie überzeugen, in vielen Fällen tun sie das leider noch nicht. Besonders skeptisch sind im Übrigen diejenigen, die noch nie in einem Elektroauto Platz genommen haben. Leider ist das immer noch die Mehrheit in Deutschland. Der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, Dieter Zetsche, hat einmal gesagt: Die meisten Deutschen sammeln ihre Erfahrungen mit Elektroautos auf der Kirmes beim Autoscooter. – Das ist an der Stelle bedauerlich. Jeder, der selbst einmal in einem richtigen E-Auto gesessen hat und unterwegs war, wird mit mir einig sein, dass es zur Nachahmung empfohlen werden kann, weiter auf Elektromobilität zu setzen und auch selber umzusteigen.

Ihren Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion, lehnen wir allerdings aus den zuvor genannten Gründen ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und Christof Rasche [FDP])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Voussem. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Löcker.

Carsten Löcker*) (SPD): Frau Präsidentin, herzlichen Dank für die Worterteilung! – Meine Damen und Herren! Der Antrag der grünen Fraktion ist mit „Wirksame Nachrüstung von Dieselfahrzeugen durch Automobilhersteller umsetzen und so anhaltend hohe Stickstoffdioxidemissionen reduzieren“ überschrieben. Das hört sich simpel an. Wir wissen aber, es ist gar nicht so simpel. Das muss man vorwegschicken.

Gestatten Sie mir deshalb zu Beginn meiner Ausführungen, mit Ihnen zusammen einen kleinen Blick auf die derzeitige Gemengelage der aktuellen Feinstaub- und Stickoxidbelastungen der Luft in deutschen Städten zu legen, und zwar am liebsten am Beispiel der Stadt Düsseldorf. Sie liegt ja ziemlich nahe. Laut Städte- und Gemeindebund zeigt sich hier in Düsseldorf exemplarisch das Emissionsverhältnis zwischen Diesel- und Benzinmotoren, also zwischen Pkw, Lkw und Bussen. In Düsseldorf wird rund die Hälfte der Fahrleistung von benzinbetriebenen Pkw erbracht, knapp 40 % von dieselbetriebenen Pkw und nur gut 10 % von Nutzfahrzeugen wie Bussen und Lkw, so der Städte- und Gemeindebund.

Zu den NOx-Emissionen steuern die Benzin-Pkw 13 % der Belastung bei. Fast 60 % der Belastung gehen aber von Diesel-Pkw aus. Warum führe ich das aus, meine Damen und Herren? Ich führe das aus, weil klar ist, dass Dieselfahrzeuge die größte Belastungsquelle in den belasteten Innenstädten darstellen. Die Problematik ist nicht erst seit gestern bekannt. Das muss man auch einmal deutlich sagen. Der wesentliche Lösungsansatz bestand darin, dass die Hersteller ihre Dieselflotten sauber bekommen. Darauf haben die Menschen vertraut und im besten Wissen entsprechende Autos gekauft.

Jetzt ist natürlich die Frage, wie die deutschen Autobauer – die durch Gier getrieben wurden, das muss man einmal sagen – entsprechende Software bzw. Steuergeräte entwickeln können, die die schmutzigen Ölbrenner, wie man sie heute nach Kenntnis der Lage bezeichnen müsste, in Zukunft von der Straße verbannen. Es liegt zuallererst in der Verantwortung der Hersteller von Diesel-Pkw, die damals versprochenen Stickoxidgrenzen einzuhalten. Die Technologien dafür sind doch vorhanden, meine Damen und Herren. Das ist klar. Jede Berichterstattung der letzten Wochen beschäftigte sich doch damit. Deshalb ist aus unserer Sicht klar: Das darf nicht so weitergehen. Die Fahrzeuge müssen in die Situation gebracht werden, dass sie weniger emittieren.

Eine technisch validierte, bewährte und sicherlich auch machbare Lösung soll die AdBlue-Technologie sein. So steht es im Antrag der grünen Fraktion. Das ist im Lkw- und Busbereich mittlerweile Standard mit der Euro-6-Norm. Das funktioniert ganz gut. Moderne Selbstzünder verwenden diesen Harnstoff. Dafür kann man im Ergebnis sehen, riechen oder messen, dass die Belastung auf 80 mg/km abgesenkt werden kann. Heute liegt sie bei Dieselfahrzeugen bei 180 mg/km. Das ist ein vorzeigbares Ergebnis. – So viel zum Lastwagenbau, der gute Erfahrungen damit hat.

Jetzt stellt sich im Grundsatz nur die Frage: Ist das massentauglich? Kann man das auf die kleinen Fahrzeuge übertragen? – Dahinter muss man ein großes Fragezeichen machen. Wäre das möglich gewesen, hätten es die großen Dieselfahrzeugbauer bereits gemacht. So viel ist klar. Deshalb ist ein großes Fragezeichen dahinter zu setzen, ob diese AdBlue-Technologie tatsächlich in kleine Fahrzeuge eingebaut werden kann.

Ich möchte darauf jetzt nicht im Detail eingehen. Aber es muss natürlich ein großer Umbau stattfinden. Es kostet auch mehr beim Tanken und beim Umbau. Das muss man sehen. Wir reden gerne davon, dass der im Vertrauen gekaufte Diesel-Pkw keine zusätzlichen Kosten dadurch entwickelt, dass die Softwaretechnologie nicht funktioniert hat.

In diesem Sinne drängt sich nun die Frage auf, was eine zusätzliche neue Software wirklich bewirken soll. Hätte man sie nicht schon vor fünf Jahren entwickelt, müsste man sie heute einbauen. Ich frage mich wirklich, welche Innovation denn in den letzten Monaten und Jahren stattgefunden hat, die uns nun in die Situation bringt, in den nächsten Wochen eine Software einbauen zu können, die dafür sorgt, dass es – auch tatsächlich in der Wirkung auf der Straße – messbar bessere Ergebnisse gibt. Ich kann das nicht erkennen. Ich bin aber nicht Experte genug. Deshalb erwarte ich gerne die Einlassung der Experten, ob das wirklich gelingen kann.

Hoffen sollten wir es, meine Damen und Herren. Wenn uns diese Innovation nämlich nicht gelingt, dann wird ganz klar und schnell die Gerichtsentscheidung, die Mitte dieses Monats ansteht, dafür sorgen, dass wir wieder auf den Boden der Tatsache zurückgeführt werden.

Deshalb finde ich, es ist ein schäbiges Spiel zulasten der Städte und Gemeinden, das im Moment stattfindet. Der schwarze Peter wird dorthin geschoben. Es wird so getan, als ob man in Berlin und hier im Land keinen Auftrag dazu hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Klar muss sein, dass Berlin ganz klare Signale aussenden muss, wie das gehen kann. Man darf die Städte in Zukunft nicht damit alleine lassen, diese Probleme vor Ort zu lösen. Das wird nämlich nicht funktionieren.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Damit kein Zweifel an unserer grundsätzlichen Haltung besteht, sage ich für die SPD klar: Jede Lösung muss sich daran orientieren, dass Hunderttausende Besitzer von Diesel-Pkw keine zusätzlichen Umrüstungskosten aufgebrummt bekommen, weil sie im guten Vertrauen diese Fahrzeuge gekauft haben. Das ist hier deutlich geworden. Es darf nicht am Ende dazu führen, dass die Leute noch einmal in die Tasche greifen müssen, um die Dinge in Ordnung zu bringen, die die Fahrzeughersteller verbockt haben. Das kann so nicht funktionieren.

Manchmal funktioniert das in Amerika besser als bei uns. Das muss man auch einmal sagen. Dort wird gleich die richtige Technologie eingebaut. Hier müssen die Katalysatoren zuerst noch mit mehreren Tausend Euro von den Menschen bezahlt werden, damit man saubere Luft bekommt. Wir setzen sehr auf den Vertrauensschutz, der auch von den fünf Ministerpräsidenten der Autoländer deutlich geäußert worden ist.

Ich halte zum Schluss ausdrücklich eines fest – das ist mir wichtig –: Womöglich nutzen alle Appelle, die wir hier alle so gerne in der Erwartung äußern, dass das wirklich funktioniert und wir eine gute Lösung finden, am Ende nicht mehr viel. Während die Politik noch laviert und der nächste Autogipfel organisiert wird, um zu beschließen, wie man die Automobilindustrie in Zukunft in die Pflicht nehmen kann, haben die Kunden bereits in großem Stil mit den Füßen abgestimmt. So viel steht doch fest. Immer mehr Diesel-Pkw bleiben stehen und werden wie sauer Bier auf den Autohöfen der Unternehmen angeboten. Das ist auch kein Wunder, meine Damen und Herren. Selbst der ADAC rät mittlerweile ganz öffentlich vom Kauf von Diesel-Pkw ab.

Jetzt frage ich mich: Was soll dabei herauskommen, wenn Mercedes-Benz oder andere die Initiative ergreifen, um eine Lösung bei der Softwareentwicklung zu finden? – Ich kann nur sagen: Damit haben wir in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen gehabt. Die Versprechen waren immer groß. Am Ende ist aber nicht viel Gutes dabei herausgekommen, nicht nur für den Verbraucher, sondern auch für die Umwelt.

Fazit: Deutschlands wichtigste Industrie – das halte ich hier deutlich fest – steht vor einem Scherbenhaufen. Das ist öffentlich geworden. In diesem Sinne stimmen wir gerne dem Antrag der Grünenfraktion zu. – Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Löcker. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Diekhoff.

Markus Diekhoff*) (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Grünen wimmelt nur so von Allgemeinplätzen. Ich bin ein wenig verwundert über die plätschernde Diskussion, die wir hier führen. Der Antrag hat zwei Richtungen.

Da ist zunächst die Frage: Wer braucht überhaupt diese Aufforderung? Die Luftreinhaltung ist doch ganz klar ein überparteiliches Ziel. Dazu müssen Sie doch niemanden auffordern. Natürlich sollen die Menschen in den Städten in Nordrhein-Westfalen gesund leben können; aus meiner Sicht übrigens auch außerhalb der Großstädte in kleineren Städten. Die werden in Ihrem Antrag leider gar nicht erwähnt. Aber das kennen wir von den Grünen, dass Sie den ländlichen Raum immer etwas stiefmütterlich behandeln.

(Zuruf von den GRÜNEN: Oh! Oh!)

– Ja, so ist das.

(Beifall von der FDP – Zurufe von den GRÜNEN)

Ich kann eine Passage Ihres Antrages ausdrücklich begrüßen. Sie schreiben – ich zitiere –:

„Die Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughalter sowie die Kommunen haben diese Fehlentwicklung nicht zu verantworten, hätten aber bei Dieselfahrverboten den wirtschaftlichen Schaden. Daher müssen die Verursacher und nicht die Getäuschten diesen verursachten Schaden beheben. Insbesondere für kleine und mittelständische Handwerksbetriebe wäre die Erneuerung des eigenen Fuhrparks eine kostspielige und teils existenzbedrohende Maßnahme.“

Da haben Sie völlig recht. Deswegen haben wir auch in unseren Koalitionsvertrag geschrieben, dass wir keine Fahrverbote wollen. Aber den Grünen geht es in diesem Antrag gar nicht darum, sich für die Besitzer von Dieselfahrzeugen einzusetzen.

Die einzige Schlussfolgerung, die ich aus diesem Antrag ziehen kann, ist, dass die Grünen ein bundesweites Fahrverbot für Dieselfahrzuge in Städten fordern, und zwar im Prinzip hier und heute. Das steht da glasklar drin. Sie wollen ein bundesweites Fahrverbot, wenn die von Ihnen selbst geforderten Nachrüstungsmaßnahmen scheitern.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Das Problem ist aber, dass unabhängige Experten die von Ihnen geforderten Nachrüstungen gar nicht für praktikabel halten. Das funktioniert überhaupt nicht. Der ADAC hat einen erhöhten Kraftstoffverbrauch gemessen. Es gibt massive Eingriffe; der VDA bezweifelt das Ganze. Die benötigten Mengen an AdBlue sind in den Fahrzeugen nicht unterzubringen, völlig abgesehen von den dadurch steigenden Betriebskosten.

Deswegen hat die Umweltministerkonferenz im Mai und die Verkehrsministerkonferenz im April dieses Jahres die Bundesregierung aufgefordert, erst einmal zu prüfen, wie der Umfang eines wirtschaftlich vertretbaren Nachrüstungsprogramms überhaupt aussehen kann.

Sie aber fordern hier und heute mit einem Schnellschuss erneut die Enteignung von Millionen Bürgerinnen und Bürgern, wenn Sie Ihre eigenen Ideen nicht durchsetzen können. Das ist eine schlichte Unverschämtheit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Seit Jahrzehnten zwingt die Politik die Menschen in Deutschland über die Steuerpolitik praktisch dazu, ein Dieselauto zu kaufen. Gerade die Pendler im ländlichen Raum – da ist er wieder – müssen mit dem Auto zur Arbeit fahren und müssen aus finanziellen Gründen auf einen Diesel zurückgreifen. Sie aber stellen sich hier ungerührt hin und fordern, diese Menschen finanziell zu benachteiligen und zu enteignen, obwohl sie unter Umständen sogar Opfer eines Betrugs geworden sind. Das ist doch aberwitzig.

Allen Verantwortlichen ist klar, dass Verbesserungen bei der Luftreinhaltung notwendig sind. Wir machen das über bessere Technologien. Wir brauchen moderne Technologien am gesamten Fahrzeug; die Nachrüstung von Fahrzeugen mit Dieselmotoren; soweit möglich alternative Antriebe, digitale Verkehrsleitsysteme und einen besseren ÖPNV. Was wir nicht brauchen, sind Verbraucherinnen und Verbraucher, die zum Bauernopfer ideologisch begründeter Politik werden.

Klar ist, dass die Automobilindustrie ihren Teil zur Lösung des Problems beitragen muss. Das hat die Landesregierung erkannt. Auch diese Aufforderung ist überflüssig, wie schon erwähnt wurde.

Ministerpräsident Armin Laschet und die vier Ministerpräsidenten – unter anderem Ihr eigener – haben am vergangenen Freitag dazu klar Position bezogen, und wir haben das Ganze für Nordrhein-Westfalen im Koalitionsvertrag vereinbart:

Wir wollen schnelle und praktikable Lösungen; wir wollen die großen Flotten elektrisieren, die in den Innenstädten unterwegs sind. Außerdem brauchen wir schnelle, emissionsarme Antriebe. Wir wollen den Anteil an Elektrobussen erhöhen und bundesweit Programme zur Umrüstung von Dieselbussen auf den Weg bringen.

Das sind Möglichkeiten, mit denen wir eine echte Chance auf eine schnelle Realisierung unseres Ziels haben, nämlich die Luft sauberer zu machen. Wir wollen nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger zum Opfer dieser Umstände werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Diekhoff, für Ihre erste Rede hier im Parlament. – Für die AfD-Fraktion spricht jetzt Herr Dr. Blex.

Dr. Christian Blex (AfD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Der vorliegende Antrag zeigt einmal mehr, worum es den Grünen und den Grüninnen geht. Es ist das ökopopulistische Schüren von Ängsten. Fakten treten dabei, wie häufig bei Ihnen, komplett in den Hintergrund – ob Absicht oder Unwissenheit, sei einmal dahingestellt, da gerade bei Ihnen die naturwissenschaftliche Grundbildung sicherlich unterdurchschnittlich ausgeprägt ist.

Deshalb möchte ich meine Rede mit einigen Fakten beginnen. Hören Sie mal gut zu; Sie lernen da etwas.

(Zurufe von den GRÜNEN)

– Ich weiß, zuhören können Sie nicht. Sie schüren ökopopulistische Ängste. – Stickstoffdioxid ist ein normaler Bestandteil der Atemluft. Das wussten Sie wahrscheinlich noch nicht. Der gesetzlich vorgeschriebene Arbeitsplatzgrenzwert von Stickstoffdioxid liegt bei 950 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Mikrogramm ist ein Millionstel, falls Sie das nicht wissen.

Wenn bei einer 40-Stunden-Arbeitswoche ein Arbeitnehmer – die gibt es bei Ihnen auch – also 40 Stunden pro Woche Stickstoffdioxid einatmet, so ist von keinerlei Gesundheitsgefahr auszugehen – von keinerlei Gesundheitsgefahr bei 950 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft! Die gleiche Gesamtmenge an Stickstoffdioxid wird aufgenommen, wenn man alle 168 Stunden der Woche 226 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft einatmen würde.

Das heißt im Klartext: Bei einem Jahresmittelwert von 226 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft ist von keinerlei schädigender Wirkung durch Stickstoffdioxid auszugehen – 226 Mikrogramm!

Der vom Umweltbundesamt – und das ist das Entscheidende – festgelegte Jahresmittelwert beim Verkehr liegt bei weniger als einem Fünftel dieses Wertes; es sind nämlich 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Laut Umweltbundesamt wurde dieser sehr niedrige Wert 2016 also an lediglich 10 % der Messstellen überschritten. Die Tendenz ist stark fallend. Der höchste gemessene Jahresmittelwert wurde 2016 in Stuttgart gemessen. Er betrug 82 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.

Und jetzt stellen Sie sich mal vor – ich muss leider auch den Kollegen von der CDU einbeziehen; dessen Sachverstand hat mich auch ein bisschen verwundert –, Sie würden mit Ihrem E-Auto wegen einer leeren Batterie auf dem Neckardamm in Stuttgart liegen bleiben und sich entschließen – Sie hätten vielleicht kein Dach über dem Kopf –, das ganze Jahr auf dieser Straße zu wohnen. Dann würden Sie insgesamt nur 36 % der Stickstoffdioxidmenge einatmen, die Sie am Arbeitsplatz ohne jegliche Gesundheitsgefahr einatmen dürften. Einige Meter von der Straße entfernt, wo die Menschen wohnen, fallen diese Werte noch einmal ganz gravierend ab.

Noch eine kurze Anmerkung am Rande: Die Luftverpestung durch Stickstoffdioxid in Stuttgart ist ja so schlimm, dass die Stuttgarter die höchste Lebenserwartung Deutschlands haben.

Die Jahresmittelwerte für Stickstoffdioxid fallen übrigens beständig. In den letzten zwanzig Jahren sanken sie im ländlichen Bereich um 32 % und – jetzt, Herr Diekhoff, aufpassen! – auf 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Damit sind sie nämlich am niedrigsten – natürlich im ländlichen Bereich.

Im städtischen Bereich sanken sie also um 34 % auf 21 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, und an den Straßenmessstellen – direkt an den Straßen – um 22 % auf 39 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Das heißt, wir verzeichnen ein ständiges Fallen der Werte, und diese Werte werden auch ohne grüne Panikmache und Hetze weiter sinken.

Meine Damen und Herren, die oben genannten Fakten – die Wahrheit tut manchmal weh – zeigen, worum es geht. Es geht bei Ihnen nämlich um den ökoideologischen Kampf gegen die deutsche Automobilindustrie.

(Beifall von der AfD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Die Wahrheit ist auch, dass moderne Dieselmotoren erheblich sparsamer als Ottomotoren vergleichbarer Leistung sind, aber prinzipbedingt aufgrund der hohen Verbrennungstemperaturen mehr Stickoxide ausstoßen. Und genau aus dem Grund sollen die Stickoxide als besonders gesundheitsschädlich verteufelt werden, um dann dafür zu sorgen, dass staatliche Stellen und die EU die entsprechenden Grenzwerte so lange herunterschrauben, bis die Motorentwickler an den Grenzen der Physik bzw. der Wirtschaftlichkeit scheitern. Denn eine weitere Reduzierung des Stickstoffdioxidausstoßes ist nur mit einem hohen Aufwand möglich.

Genau aus dem Grund – weil wir nicht die deutsche Automobilindustrie vernichten wollen und weil wir uns an die Fakten halten – lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Dr. Blex. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Wüst jetzt das Wort.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren Abgeordneten! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Blex, wenn man Ihnen so zuhört, dann könnte man meinen, Stickstoffdioxid hätte fast schon sanatorische Wirkungen:

(Lachen von der AfD – Zuruf: Genau!)

Heilsam, gut für und gegen alles! Ich bin ziemlich sicher, Sie werden Ihren Sommerurlaub in den einschlägigen Straßen von Stuttgart, Köln oder Düsseldorf verbringen. Ich wünsche Ihnen gute Erholung.

(Beifall und Heiterkeit von der CDU und der FDP)

Für die Debatte hilft das wenig; denn die Landesregierung ist an Recht und Gesetz gebunden. Ja, Stickstoffdioxid belastet. Ja, die Stickstoffdioxidbelastung ist an einigen Stellen höher, als sie es sein darf. Nein, das ist nicht erst seit dem Regierungswechsel so. Das ist seit dem Tag so, seit es diese Grenzwerte gibt.

Herr Remmel, wenn Sie zu einem Thema Ihrer ehemaligen Zuständigkeit sprechen, dann finde ich es schon einigermaßen vermessen, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Schnell! Jetzt! Hier und heute! – Sie waren sieben Jahre Umweltminister in diesem Land und schmeißen uns hier und heute Ihre toten Hühner übern Zaun!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich habe das ja alles schon einmal erlebt, in 2005. Die Krönung war damals die heutige Regierungspräsidentin Gisela Walsken, die in der ersten Sitzung des Parlaments sagte: Herr Linsen, das sind jetzt alles Ihre Schulden. – Das war etwas früh. Die Presse ist damals so damit umgegangen, wie sie heute mit Ihren Themen umgehen wird. Sie wird es Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Zuruf von der CDU: Exakt!)

Die Probleme sind da. Wir haben sie von Ihnen geerbt, und wir werden engagiert an einer Lösung arbeiten.

Es gibt in Nordrhein-Westfalen mittlerweile 34 Luftreinhaltepläne, die insbesondere in Sachen „Feinstaub“ überaus erfolgreich waren und auch in Sachen „Stickstoffdioxid“ erste Erfolge gezeitigt haben. Anders als in anderen Ländern befinden sich die Grenzüberschreitungen hier in einem Maß, das man mit einem Bündel von Maßnahmen auch in der vorgegebenen Zeit in den Griff bekommen kann.

Richtig ist: Es gibt das drohende Vertragsverletzungsverfahren aufgrund von 29 anhaltenden Grenzwertüberschreitungen in Deutschland. Richtig ist: Es gibt sechs Klagen seitens der Deutschen Umwelthilfe. Und richtig ist: Es gibt hier ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf in dieser Sache. Die Klagen, das Urteil – all das gab es eben auch schon bei Rot-Grün. Ich sage nicht: „wegen Rot-Grün“, aber ich sage: bei Rot-Grün. – Sie haben uns diese Verantwortung vererbt, der wir uns jetzt stellen.

Wir alle haben lange Zeit geglaubt, die Innovationen in der Automobilentwicklung und die Tatsache, dass sich die Menschen immer häufiger neue Autos kaufen, würden dazu führen, diese Themen quasi von selbst in den Griff zu bekommen. Wir haben alle den beworbenen Messwerten der Automobilhersteller geglaubt, und wir wurden alle hinter die Fichte geführt. Unsere Reaktion muss intelligenter und abgewogener sein, als einfach nur die Menschen mit dem Gerede über Dieselfahrverbote wuschig zu machen.

Wenn man in die Tiefgarage des Landtags schaut, dann stellt man fest, dass – bei der Vielzahl von Langstreckenpendlern und Vielfahrern nicht verwunderlich – da auch viele Dieselfahrzeuge stehen. Gehen Sie einmal zu Ihren Autoverkäufern und sprechen Sie mit ihnen darüber, wie gut sie Dieselfahrzeuge noch verkaufen können.

Attentismus nennt man so etwas. Die Leute warten ab, was denn wohl passiert. Aber wozu führt es, wenn sich die Leute kein neues Auto kaufen? Sie fahren weiter mit ihrer alten Möhre.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Jetzt nicht. Ich möchte erst noch ein bisschen weiterreden. – Sie werden weiter mit ihren alten Autos fahren, weil Sie die Menschen kopfscheu gemacht haben. Verkehr ist ein komplexes System, das mit eindimensionalen Lösungen nicht sauber bedient werden kann. In dieses komplexe System spielen ganz viele Faktoren, gesellschaftliche und ökonomische Themen hinein. Ganz viele Interessen konkurrieren miteinander, und es gibt eine Menge Zielkonflikte. Aus diesem Grunde sind simple Antworten hier fehl am Platz.

Alle wollen mobil sein; alle müssen mobil sein. Mobilität erfordert Energie, und Energie kommt nicht einfach aus dem Nichts. Wenn man Gas, Kohle oder Öl verwendet, verbraucht und verbrennt, dann kostet das nicht nur Geld, sondern bedeutet auch CO2-Emissionen. Andere Energieformen sind im Kommen, stehen aber weder jederzeit noch in der richtigen Menge und vor allen Dingen nicht mobil in ausreichender Menge zur Verfügung.

Bauen wir Verbrennungsmotoren, die hocheffizient sind und wenig Sprit benötigen, dann sind das häufig Dieselmotoren. Und so ist in den letzten Jahren auch von der Politik immer wieder gesagt worden: Runter mit den CO2-Emissionen; kauft euch Diesel-Motoren. – Die europäische Dieselindustrie, insbesondere die deutsche, hat auf CO2-Einsparungen gesetzt, und andere Aspekte der Motorentechnik sind dabei in den Hintergrund getreten.

Da sind wir wieder bei der eben beschriebenen Komplexität und den widerstreitenden Interessen. Wenn wir uns unsere Fahrzeugflotte heute anschauen – die Betonung liegt auf heute –, dann sehen wir: Das ist eben nicht die Flotte, die wir uns alle für in fünf, in zehn Jahren – wann auch immer – wünschen, mit Elektromobilität, möglichst ohne selber am Lenkrad zu sitzen, sondern dann ist das die Fahrzeugflotte, in die die Menschen in den letzten Jahren ihr erspartes Geld investiert haben.

Ich rede nicht vom Zustand von vor zehn oder vor fünf Jahren; manche Euro-5-Norm-PKWs sind erst anderthalb Jahre alt. Die riechen noch nach neu, und hier wird so geredet, also sei das eine Flotte, die man jetzt abwracken müsste.

Schauen wir uns einmal die Zahlen an: 13 Millionen Pkw in Deutschland mit Dieselantrieb, davon 6 Millionen mit Euro-5-Standard. 6 Millionen Pkw – das ist keine zu vernachlässigende Größe. Und das sind keine Altfahrzeuge. Das ist auch heute noch ein ganz beträchtlicher Anlagewert in privater, in unternehmerischer Hand.

Rechnen wir mal für diese 13 Millionen Autos ganz bescheiden, so über den dicken Daumen, Pi mal Knie, 5.000 € pro Pkw, dann reden wir hier von einem Anlagevermögen in Höhe von 65 Milliarden € in privater Hand. Und da heißt es auf einmal: Jetzt, hier und heute Dieselfahrverbote, aber schnell!

Das ist faktisch eine Enteignung, was Sie da fordern. Da sage ich Ihnen ganz klar: Mit dieser Landesregierung ist das nicht zu machen,

(Beifall von der FDP und der CDU)

und im Übrigen auch nicht mit den anderen Landesregierungen, nicht mit der Landesregierung von Herrn Kretschmann in Baden-Württemberg, der das grüne Parteibuch hat, und auch nicht mit der Landesregierung des SPD-Kollegen Weil in Niedersachsen.

Um es an dieser Stelle völlig zweifelfrei zu sagen: Das Ziel, die Luft in unseren Städten nachhaltig zu verbessern und die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten, ist selbstverständlich erklärtes Ziel dieser Landesregierung. Und deshalb ist die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf auch zu Recht damit beauftragt, den Luftreinhalteplan in Düsseldorf zu überarbeiten, und zwar mit dem Ziel, nach Möglichkeit innerhalb eines Jahres die Grenzwerte zu erreichen.

Das ist in Arbeit und wird in verschiedenen Arbeitsgruppen sehr engagiert vorangetrieben. Dazu gehört das eben schon beschriebene Bündel von Maßnahmen. Wir sind hier im Rheinland; ein Westfale hingegen muss sich dem Ganzen immer eher intellektuell als emotional nähern. Ich habe schon vor geraumer Zeit gelernt, dass die Landstromversorgung wichtig ist, damit die Hotelschiffe, die hier insbesondere in Messezeiten liegen, nicht ständig den Diesel tuckern lassen müssen. Das ist zum Beispiel eine Maßnahme aus diesem Bündel.

Wir haben schon über das Thema „Busse“ gesprochen. Durch die Corneliusstraße führen drei Buslinien. Wenn wir da durch Elektroantriebe etwas an den Emissionen tun können – also Emissionen runter, die Dieselbusse fahren mit Euro-3-Norm-Motoren –, dann würde das schon 12 % der Emissionen ausmachen. Das wäre schon ein ganz wesentlicher, wenn auch nicht ausreichender Schritt, um das angestrebte Ziel zu erreichen.

Wir dürfen auch nicht außer Acht lassen, dass die VW-Diesel-Fahrzeuge – in Summe 3,4 Millionen – gerade umgerüstet werden. Auch das wird einen kleinen Beitrag leisten.

Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, weil er in der Debatte regelmäßig untergeht. Wir kennen das beim Feinstaub: Da wird mal für ein paar Tage, mal für eine Woche, mal für 14 Tage eine Maßnahme ergriffen. Wir reden hier von einem jährlichen Mittelwert. Wer dann sagt: „Ja, aber Sie können doch an den Hotspots die Diesel aussperren“, der muss das für einen langen Zeitraum tun, für ein Jahr, für zwei Jahre, für mehrere Jahre. Da mit laxer Hand zu sagen: „Das ist doch die Lösung, das kennen wir doch von Feinstaub“, wäre an dieser Stelle grob irreführend. Wenn dieser Grenzwert einmal überschritten ist, ist das nicht in wenigen Tagen wieder erledigt.

Wozu würde es denn führen, wenn man eine Stadt oder jedenfalls wesentliche Teile einer Stadt lahmlegte? Unsere Lebensmittelversorgung kommt wie in die Supermärkte? – Mit Lkws mit Dieselantrieb. Wie kommen die Handwerker von A nach B? Wie fahren viele Leute zur Arbeit und abends wieder nach Hause? – Ich glaube, diese Dimension wollen wir uns alle nicht vorstellen.

Deswegen müssen wir kreativer werden. Sie hätten das in den letzten sieben Jahren, Herr Remmel – ich kann es Ihnen nicht ersparen – schon gemeinsam mit Ihrem damaligen Koalitionspartner machen können. Sie hätten die Chancen der Digitalisierung nutzen können; Sie hätten Parksuchverkehre intelligenter machen können.

Nordrhein-westfälische Unternehmen haben alles, was man dazu braucht, um direkt mit dem Navigationssystem zu einem freien Parkplatz zu kommen: die Vernetzung Auto – Ampel. Man kann Stop-and-go-Verkehre vermeiden, die viele Emissionen verursachen. Ich denke an ein besseres Gefahrstellenmanagement, sodass die Menschen vor Unfällen gewarnt werden, dass man nicht noch in einen Unfall reinrauscht, was wiederum einen weiteren Stau verursacht. Ich denke auch an Mobilitätskonzepte und eine bessere Vernetzung.

Die Menschen werden nicht mehr akzeptieren, dass man zwar am Sonntagabend – auf dem Sofa sitzend, den „Tatort“ schauend – eine Reise nach Australien auf dem Handy buchen kann, dass man aber innerhalb von Nordrhein-Westfalen nicht kombiniert Carsharing, Bikesharing, Deutsche Bahn, Nahverkehr, Busverkehr am Zielort mit nur einer App buchen kann. Das wird erwartet, und das wollen wir in den nächsten Jahren vorantreiben. Die Menschen erwarten das, und wir werden das entsprechend angehen. Da sind wir uns wahrscheinlich alle einig.

Ebenso einig waren sich bei dem Positionspapier vom letzten Freitag die Herren Kretschmann, Weil, Bouffier und unser Ministerpräsident Armin Laschet. Herr Klocke hat ja Wert darauf gelegt, die Urheberschaft der alten Landesregierung für diese Verabredung zu beanspruchen. Ich finde das gut.

Herr Remmel hat gefordert, dass rasche Initiativen in Richtung Bund ergriffen werden sollten. Das geschah so rasch, dass Sie sie heute gar nicht mehr fordern müssen; denn sie sind letzten Freitag ergriffen worden mit der Forderung, verlässliche Rahmenbedingungen seitens des Bundes für die erfolgreiche Umrüstung zu schaffen; für Anreize zu sorgen, Euro-6-Fahrzeuge zu kaufen; für ein Maßnahmenbündel Elektroantriebe, Batterieentwicklung etc. An nordrhein-westfälischen Autobahnen werden noch bis Ende dieses Jahres über 40 Ladestationen für Elektroautos errichtet. So leisten auch wir unseren Beitrag hier in Nordrhein-Westfalen. Ich danke Ihnen für den Antrag, aber er ist spätestens seit der Initiative vom letzten Freitag überholt.

Weil mir die gleichen klugen Mitarbeiter wie bei meinem Vorgänger dabei geholfen haben, diese Rede zu verfassen, will ich auch dafür herzlich danken. – Glück auf!

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Wüst. – Für die AfD-Fraktion hat Herr Kollege Pretzell noch einmal das Wort.

Marcus Pretzell (AfD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, und insbesondere meine Damen und Herren von den Grünen! Auf allen parlamentarischen Ebenen betreiben Sie – deswegen kann es nicht verwundern, dass Sie das auch hier in Nordrhein-Westfalen tun – den Kampf gegen die Automobilindustrie, aber ganz besonders den gegen die deutsche Diesel-Automobilindustrie.

(Beifall von der AfD)

Der Diesel feiert im kommenden Jahr seinen 125. Geburtstag, und vermutlich wäre es Ihnen ganz recht, wenn er diesen Geburtstag nicht mehr miterlebt.

Das Problem, das Sie maßgeblich mitkreiert haben, das eigentlich alle hier anwesenden Parteien – außer der AfD-Fraktion – insbesondere auf europäischer Ebene mitfabriziert haben, sind völlig willkürliche Grenzwerte,

(Beifall von der AfD)

die der echten Gefährlichkeit des Diesel in keiner Art und Weise nahekommen.

Das hat nicht erst mit dem sogenannten VW-Skandal angefangen – der übrigens nicht nur ein VW-Skandal ist, sondern der auch ganz viele andere Automobilhersteller betrifft –, sondern das hat angefangen mit völlig irrsinnigen Vorgaben für Tests bei der Herstellung von Fahrzeugen. Sie haben nämlich von politischer Seite Tests vorgesehen, die einer effektiven Kontrolle für die echten Ausstöße von Dieselfahrzeugen und generell von Automobilen in keiner Art und Weise nahekommen.

Genau das haben Sie mitzuverantworten. Sie haben nicht zu verantworten, dass das am Ende von Kriminellen bei den Automobilherstellern ausgenutzt wurde; aber Sie haben durch Ihre politischen Maßnahmen Tür und Tor genau dafür geöffnet.

(Beifall von der AfD)

Sie kämpfen jetzt einen Kampf, der einseitig das Dieselfahrzeug gegenüber anderen Fahrzeugen benachteiligt, ohne zu berücksichtigen, dass Ottomotoren oder auch die schönen E-Motoren andere Probleme mit sich bringen. Es gibt wunderbare Studien zum Beispiel zu der Frage, wie eigentlich die ökologische Bilanz eines E-Automobils aussieht, wenn man es über die Lebenszeit betrachtet; wenn man sieht, was bei der Produktion von Batterien derzeit noch an Energie aufgewendet wird, was an Ausstoß dabei stattfindet, etc.

Hören Sie deshalb damit auf, ausgerechnet die Dieselfahrzeuge zu bekämpfen! Der Diesel ist ein ganz wesentlicher Faktor für den Industrie- und Automobilstandort Deutschland. Es gibt kaum eine andere Automobilindustrie auf der Welt, die so sehr vom Diesel abhängt. Darum sollten nicht ausgerechnet deutsche Politiker an dieser Stelle einen einseitigen ideologischen Kampf führen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Pretzell. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht noch einmal Herr Kollege Remmel.

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! An Herrn Dr. Blex ist ja schon die Empfehlung ergangen, den nächsten Urlaub auf der Corneliusstraße zu verbringen. Ich kann dem noch etwas hinzufügen. Vielleicht wäre es sinnvoll, dass Sie Ihre Argumentation auch bei deutschen Verwaltungsgerichten, vielleicht auch beim Bundesverwaltungsgericht, vortragen. Die haben bisher immer anders entschieden, nämlich dem Gesundheitsschutz den Vorrang gegeben.

Vielleicht schauen Sie auch mal in die eine oder andere Kohortenstudie, nicht nur die, die in Nordrhein-Westfalen erstellt worden ist – apropos Gesundheitsgefährdung –, sondern auch die von der Weltgesundheitsorganisation, von der Europäischen Kommission, auch von deutschen Gesundheitsbehörden. Diese Kohortenstudien haben über längere Zeit die Gesundheitswirkungen von Menschen, die im ländlichen Raum wohnen, und von Menschen, die an der Straße wohnen, beobachtet.

Meistens wohnen an den Straßen Menschen, die sich einen Wohnort an anderer Stelle nicht leisten können. Insofern ist das nicht nur eine Gesundheitsfrage, sondern auch ein soziales Anliegen, dass die Luft dort wieder sauberer wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Remmel, entschuldigen Sie, dass ich Sie jetzt unterbreche.

Johannes Remmel (GRÜNE): Ich möchte gerne auf Minister Wüst antworten, weil er ja von Hühnern gesprochen hat, die über den Zaun geworfen werden. Ich habe es nicht so damit, Hühner über den Zaun zu werfen. Das ist auch aus Tierschutzgründen nicht so gut.

Ich will da lieber das Fußballbild bemühen. Ich glaube – das werden Sie in den Akten nachlesen können, auch in den konkreten Initiativen –, dass wir als Vorgängerregierung die Abwehr sauber gehalten haben und dass wir das Mittelfeld gut organisiert haben. Jetzt aber das Tor zu schießen, das ist jetzt Ihre Aufgabe. Sie sind jetzt dran, das Tor zu schießen, indem Sie helfen, auf der Bundesebene durchzusetzen, dass wir zu einer technisch wirksamen Maßnahme kommen.

Ich will es noch einmal klarstellen: Wir wollen keine Fahrverbote, sondern wir wollen eine technisch wirksame Maßnahme. Sie haben nicht erklärt, was denn aus Ihrer Sicht eine technisch wirksame Maßnahme ist. Sie haben nur drumherum schwadronisiert.

Sie haben auch nicht erklärt, wie Sie verhindern wollen, dass jeder Autobesitzer eine Einzelklage vor unseren Gerichten einreichen muss, um seine Rechte als Kunde oder Kundin bzw. als Verbraucher oder Verbraucherin geltend zu machen. Es ist doch naheliegend, dass wir hier kollektiv eine Unterstützung durch die Bundesregierung und den Bundestag bekommen. Das kann nur gesetzlich geregelt werden.

Auch um die Beantwortung der Frage, ob am Ende nicht doch eine gesetzliche Lösung stehen muss, welche die Automobilhersteller verpflichtet, eine wirksame technische Maßnahme zu initiieren, haben Sie sich gedrückt.

Deshalb bitte ich Sie, hier und heute zu beantworten: Welche technischen Maßnahmen wird es geben? Und stehen am Ende für Sie auch Gesetze, um die Automobilhersteller zu zwingen? – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Damit sind wir am Ende der Debatte zu Tagesordnungspunkt 8.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion von Bündnis 90 /Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Wer also dem Inhalt des Antrages Drucksache 17/68 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die grüne Fraktion und die SPD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die AfD. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Antrag Drucksache 17/68 abgelehnt.

Ich rufe auf:

9   Steuerentlastungen nicht mit der Gießkanne verteilen – Milliardenausfälle bei Kommunen und Ländern verhindern

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/84

Eine Aussprache hierzu ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen damit sofort zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der SPD hat die Überweisung des Antrags Drucksache 17/84 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen zur Mitberatung beantragt. Die abschließende Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Ist jemand gegen die Überweisung? – Will sich jemand enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen, und der Antrag kommt später ins Plenum zurück.

Ich rufe auf:

10 Wahl von Mitgliedern des Landtags in den Stiftungsrat der „Stiftung des Landes Nordrhein-Westfalen für Wohlfahrtspflege“

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU
Drucksache 17/89

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/146

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/148

Eine Aussprache hierzu ist ebenfalls nicht vorgesehen.

Wir kommen damit zur Abstimmung über die Wahlvorschläge Drucksachen 17/89, 17/146 und 17/148.

Wir stimmen zuerst über den Wahlvorschlag der Fraktion der CDU Drucksache 17/89 ab. Wer stimmt dem zu? – Das ist die CDU-Fraktion.

Dann kommen wir zum Wahlvorschlag der Fraktion der FDP Drucksache 17/146. Wer stimmt dem zu? – Das ist die FDP-Fraktion.

Wir kommen zum Wahlvorschlag der Fraktion der SPD Drucksache 17/148. Wer stimmt dem zu? – Das ist die SPD-Fraktion.

Damit haben wir diese drei Abstimmungen durchgeführt.

Wer stimmt gegen die Wahlvorschläge? – Niemand. Wer enthält sich? – Es gibt einzelne Enthaltungen im Plenum. Mit den festgestellten Abstimmungsergebnissen sind die Wahlvorschläge in den Drucksachen 17/89, 17/146 und 17/148 angenommen und die darin genannten Abgeordneten gewählt. Herzlichen Glückwunsch!

Ich rufe auf:

11 Wahl von Mitgliedern des Landtags in das Kuratorium der Stiftung „Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen“

Wahlvorschlag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/91

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU
Drucksache 17/142

Wahlvorschlag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/143

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/145

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/149

Es ist ebenfalls keine Aussprache vorgesehen.

Wir kommen zur verbundenen Abstimmung über die Wahlvorschläge Drucksachen 17/91, 17/142, 17/143, 17/145 und 17/149. Ich frage auch hier nur die Zustimmungen ab.

Wer stimmt dem Wahlvorschlag der Fraktion der AfD Drucksache 17/91 zu? – Das ist die AfD-Fraktion.


Wer stimmt dem Wahlvorschlag der Fraktion der CDU Drucksache 17/142 zu? – Das ist die CDU-Fraktion.

Wer stimmt dem Wahlvorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/143 zu? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Wer stimmt dem Wahlvorschlag der Fraktion der FDP Drucksache 17/145 zu? – Das ist die FDP-Fraktion.

Wer stimmt dem Wahlvorschlag der SPD Drucksache 17/149 zu? – Das ist die SPD-Fraktion.

Ich frage noch einmal, ob jemand gegen die Wahlvorschläge stimmt? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Dann sind mit den festgestellten Abstimmungsergebnissen die Wahlvorschläge Drucksachen 17/91, 17/142, 17/143, 17/145 und 17/149 angenommen und die darin genannten Abgeordneten gewählt. Auch Ihnen einen herzlichen Glückwunsch!


Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende der heutigen Plenarsitzung. Damit endet auch die Sitzungszeit vor der Sommerpause.

Ich berufe das Plenum wieder ein für Mittwoch, den 13. September 2017, 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen allen einen angenehmen Nachmittag, den sich konstituierenden Ausschüssen alles Gute und Ihnen persönlich erholsame Sommerferien. Kommen Sie alle gesund, tatkräftig und gestärkt wieder zurück.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 16:06 Uhr.

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 


Anlage

Namentliche Abstimmung zu TOP 4: Afghanistan ist nicht sicher – Abschiebungen aussetzen – Schutzbedarf der Geflüchteten anerkennen – Drucksache 17/70

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Frau Altenkamp

SPD

X

 

 

2

 Frau Aymaz

GRÜNE

X

 

 

3

 Herr Baran

SPD

X

 

 

4

 Herr Beckamp

AfD

 

X

 

5

 Herr Becker, Andreas

SPD

entschuldigt

6

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

X

 

 

7

 Frau Beer

GRÜNE

X

 

 

8

 Herr Bell

SPD

X

 

 

9

 Herr van den Berg

SPD

X

 

 

10

 Herr Dr. Berger

CDU

 

X

 

11

 Herr Berghahn

SPD

X

 

 

12

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

X

 

13

 Herr Bialas

SPD

X

 

 

14

 Herr Biesenbach

CDU

 

X

 

15

 Herr Bischoff

SPD

X

 

 

16

 Herr Dr. Blex

AfD

 

X

 

17

 Herr Blöming

CDU

 

X

 

18

 Herr Blondin

CDU

 

X

 

19

 Herr Börner

SPD

X

 

 

20

 Herr Börschel

SPD

X

 

 

21

 Herr Bolte

GRÜNE

X

 

 

22

 Herr Bombis

FDP

 

X

 

23

 Frau Bongers

SPD

X

 

 

24

 Herr Boss

CDU

 

X

 

25

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

X

 

 

26

 Herr Braun

CDU

 

X

 

27

 Herr Brockes

FDP

 

X

 

28

 Herr Brockmeier

FDP

 

X

 

29

 Frau Dr. Büteführ

SPD

X

 

 

30

 Frau Butschkau

SPD

entschuldigt

31

 Herr Dahm

SPD

X

 

 

32

 Herr Deppe

CDU

 

X

 

33

 Herr Déus

CDU

 

X

 

34

 Herr Diekhoff

FDP

 

X

 

35

 Herr Dudas

SPD

X

 

 

36

 Frau Düker

GRÜNE

X

 

 

37

 Frau Dworeck-Danielowski

AfD

 

X

 

38

 Frau Erwin

CDU

 

X

 

39

 Herr Fortmeier

SPD

X

 

 

40

 Herr Franken

CDU

 

X

 

41

 Frau Freimuth

FDP

 

X

 

42

 Herr Freynick

FDP

 

X

 

43

 Herr Frieling

CDU

 

X

 

44

 Frau Fuchs-Dreisbach

CDU

 

X

 

45

 Herr Ganzke

SPD

X

 

 

46

 Frau Gebauer, Katharina

CDU

 

X

 

47

 Frau Gebauer, Yvonne

FDP

 

X

 

48

 Frau Gebhard

SPD

X

 

 

49

 Herr Dr. Geerlings

CDU

 

X

 

50

 Herr Göddertz

SPD

X

 

 

51

 Frau Gödecke

SPD

X

 

 

52

 Herr Goeken

CDU

 

X

 

53

 Herr Golland

CDU

 

X

 

54

 Herr Hafke

FDP

 

X

 

55

 Herr Hagemeier

CDU

 

X

 

56

 Frau Hammelrath

SPD

X

 

 

57

 Frau Hannen

FDP

 

X

 

58

 Herr Haupt

FDP

 

X

 

59

 Herr Herter

SPD

X

 

 

60

 Herr Höne

FDP

 

X

 

61

 Herr Hoppe-Biermeyer

CDU

 

X

 

62

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

X

 

63

 Herr Hübner

SPD

X

 

 

64

 Herr Jäger

SPD

abwesend

65

 Herr Jahl

SPD

X

 

 

66

 Herr Jörg

SPD

X

 

 

67

 Herr Kämmerling

SPD

X

 

 

68

 Herr Kaiser

CDU

 

X

 

69

 Herr Kamieth

CDU

 

X

 

70

 Frau Kampmann

SPD

X

 

 

71

 Frau Kapteinat

SPD

X

 

 

72

 Herr Dr. Katzidis

CDU

 

X

 

73

 Herr Kehrl

CDU

 

X

 

74

 Herr Keith

AfD

 

X

 

75

 Herr Kerkhoff

CDU

 

X

 

76

 Herr Keymis

GRÜNE

X

 

 

77

 Herr Klenner

CDU

 

X

 

78

 Herr Klocke

GRÜNE

X

 

 

79

 Herr Körfges

SPD

X

 

 

80

 Herr Körner

FDP

 

X

 

81

 Frau Kopp-Herr

SPD

X

 

 

82

 Frau Korte

CDU

 

X

 

83

 Herr Korth

CDU

 

X

 

84

 Herr Kossiski

SPD

X

 

 

85

 Frau Kraft

SPD

abwesend

86

 Herr Kramer

SPD

X

 

 

87

 Herr Krauß

CDU

 

X

 

88

 Herr Krückel

CDU

 

X

 

89

 Herr Kuper

CDU

 

X

 

90

 Herr Kutschaty

SPD

X

 

 

91

 Herr Langguth

AfD

 

X

 

92

 Herr Laschet

CDU

 

X

 

93

 Herr Lehne

CDU

 

X

 

94

 Herr Lenzen

FDP

 

X

 

95

 Herr Lienenkämper

CDU

 

X

 

96

 Herr Lindner

FDP

 

X

 

97

 Herr Löcker

SPD

X

 

 

98

 Frau Löhrmann

GRÜNE

X

 

 

99

 Herr Löttgen

CDU

 

X

 

100

 Herr Loose

AfD

 

X

 

101

 Frau Lück

SPD

X

 

 

102

 Frau Lüders

SPD

X

 

 

103

 Herr Lürbke

FDP

 

X

 

104

 Frau Lux

SPD

X

 

 

105

 Herr Dr. Maelzer

SPD

X

 

 

106

 Herr Mangen

FDP

 

X

 

107

 Herr Matheisen

FDP

 

X

 

108

 Herr Middeldorf

FDP

 

X

 

109

 Herr Moritz

CDU

 

X

 

110

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

X

 

 

111

 Herr Müller, Frank

SPD

X

 

 

112

 Herr Müller, Holger

CDU

 

X

 

113

 Frau Müller-Rech

FDP

 

X

 

114

 Frau Müller-Witt

SPD

X

 

 

115

 Herr Dr. Nacke

CDU

 

X

 

116

 Herr Neppe

AfD

 

X

 

117

 Herr Nettekoven

CDU

 

X

 

118

 Herr Neumann

SPD

X

 

 

119

 Herr Dr. Nolten

CDU

 

X

 

120

 Herr Nückel

FDP

 

X

 

121

 Frau Oellers

CDU

 

X

 

122

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

 

X

 

123

 Herr Ott

SPD

X

 

 

124

 Herr Panske

CDU

 

X

 

125

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

X

 

 

126

 Herr Paul, Stephen

FDP

 

X

 

127

 Frau Dr. Peill

CDU

 

X

 

128

 Herr Petelkau

CDU

 

X

 

129

 Herr Dr. Pfeil

FDP

 

X

 

130

 Frau Philipp

SPD

X

 

 

131

 Frau Plonsker

CDU

 

X

 

132

 Herr Pretzell

AfD

 

X

 

133

 Herr Preuß

CDU

 

X

 

134

 Frau Quik

CDU

 

X

 

135

 Herr Rasche

FDP

 

X

 

136

 Herr Rehbaum

CDU

 

X

 

137

 Herr Remmel

GRÜNE

X

 

 

138

 Herr Reuter

FDP

 

X

 

139

 Herr Ritter

CDU

 

X

 

140

 Herr Rock

CDU

 

X

 

141

 Herr Röckemann

AfD

 

X

 

142

 Herr Römer

SPD

X

 

 

143

 Herr Prof. Dr. Rudolph

SPD

X

 

 

144

 Herr Rüße

GRÜNE

X

 

 

145

 Frau dos Santos Herrmann

SPD

X

 

 

146

 Frau Schäffer

GRÜNE

entschuldigt

147

 Herr Schick

CDU

 

X

 

148

 Frau Schlottmann

CDU

 

X

 

149

 Herr Schmeltzer

SPD

X

 

 

150

 Herr Schmitz

CDU

 

X

 

151

 Herr Schneider, René

SPD

X

 

 

152

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

X

 

153

 Herr Schnelle

CDU

 

X

 

154

 Herr Scholz

CDU

 

X

 

155

 Herr Schrumpf

CDU

 

X

 

156

 Herr Schultheis

SPD

X

 

 

157

 Frau Schulze

SPD

abwesend

158

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

X

 

159

 Herr Seifen

AfD

 

X

 

160

 Herr Sieveke

CDU

 

X

 

161

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

X

 

 

162

 Herr Dr. Stamp

FDP

 

X

 

163

 Frau Steffens

GRÜNE

entschuldigt

164

 Herr Stinka

SPD

X

 

 

165

 Frau Stock

SPD

X

 

 

166

 Frau Stotz

SPD

X

 

 

167

 Herr Sträßer

CDU

 

X

 

168

 Herr Strotebeck

AfD

 

X

 

169

 Frau Stullich

CDU

 

X

 

170

 Herr Sundermann

SPD

X

 

 

171

 Herr Terhaag

FDP

 

X

 

172

 Herr Tigges

CDU

 

X

 

173

 Herr Tritschler

AfD

 

X

 

174

 Frau Troles

CDU

 

X

 

175

 Herr Dr. Untrieser

CDU

 

X

 

176

 Herr Dr. Vincentz

AfD

 

X

 

177

 Herr Voge, Marco

CDU

 

X

 

178

 Herr Vogel, Nic Peter

AfD

 

X

 

179

 Herr Vogt

SPD

X

 

 

180

 Frau Vogt

CDU

 

X

 

181

 Frau Voigt-Küppers

SPD

X

 

 

182

 Frau Voßeler

CDU

 

X

 

183

 Herr Voussem

CDU

 

X

 

184

 Herr Wagner

AfD

 

X

 

185

 Frau Walger-Demolsky

AfD

 

X

 

186

 Frau Watermann-Krass

SPD

X

 

 

187

 Herr Watermeier

SPD

X

 

 

188

 Herr Weiß

SPD

X

 

 

189

 Frau Wendland

CDU

 

X

 

190

 Frau Weng

SPD

X

 

 

191

 Frau Wermer

CDU

 

X

 

192

 Herr Weske

SPD

X

 

 

193

 Frau Winkelmann

CDU

 

X

 

194

 Herr Witzel

FDP

 

X

 

195

 Herr Wolf

SPD

X

 

 

196

 Herr Wüst

CDU

 

X

 

197

 Herr Yetim

SPD

abwesend

198

 Herr Yüksel

SPD

X

 

 

199

 Herr Zimkeit

SPD

X

 

 

 

Ergebnis:

 

75

116

0