Das Dokument ist auch im PDF und Word Format verfügbar.

Landtag

https://www.landtag.nrw.de/portal/Grafiken/Logos/pp_wappen.jpg

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/45

17. Wahlperiode

12.12.2018

 

45. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 12. Dezember 2018

Mitteilungen des Präsidenten. 11

Vor Eintritt in die Tagesordnung. 11

Gedenken an die Opfer des Terroranschlags
von Straßburg. 11

1   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2019 (Haushaltsgesetz 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3300
Drucksache 17/4100 – Ergänzung
in der Fassung nach der zweiten Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4450

dritte Lesung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4547

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4548

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4549

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4550

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4551

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4552

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4553

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4554

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4555

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4556

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4557

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4558

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4559

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4560

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4562

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4566

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4567

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4539

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4561

In Verbindung mit:

Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsbegleitgesetz 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3303

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4418

zweite Lesung

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4438

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4546

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2019 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2019 – GFG 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3302
Drucksache 17/4100 – Ergänzung
in der Fassung nach der zweiten Lesung

Vorlage 17/1451
(Ergänzung Anlage GFG)

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4451

dritte Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2018 (Nachtragshaushaltsgesetz 2018)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3400
Drucksache 17/4099 – Ergänzung
in der Fassung nach der
zweiten Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4449

dritte Lesung. 12

Thomas Kutschaty (SPD) 12

Bodo Löttgen (CDU) 22

Monika Düker (GRÜNE) 31

Christof Rasche (FDP) 38

Markus Wagner (AfD) 47

Ministerpräsident Armin Laschet 55

Monika Düker (GRÜNE) 64

Bodo Löttgen (CDU) 67

Christof Rasche (FDP) 68

Christian Loose (AfD) 69

Ergebnis Nachtragshaushaltsgesetz 2018

Ergebnis GFG 2019

Haushaltsgesetz 2019

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4547. 69

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4548. 69

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4549. 69

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4550. 69

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4551. 69

Ergebnis ÄA Drucksache 4552. 70

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4553. 70

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4554. 70

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4555. 70

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4556. 70

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4557. 70

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4559. 70

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4560. 70

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4558. 70

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4562. 70

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4566. 70

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4567. 70

Ergebnis Haushaltsgesetz 2019

Ergebnis EA Drucksache 4539. 71

Ergebnis EA Drucksache 17/4561. 71

Haushaltsbegleitgesetz

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4438. 71

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4546. 71

Ergebnis Haushaltsbegleitgesetz 2019

2   Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen – Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2351

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 17/4525

zweite Lesung

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4541 – Neudruck

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4542 – Neudruck

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4563

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4564

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4540

In Verbindung mit:

Gesetz zur Anpassung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen und des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2576

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 17/4526

zweite Lesung. 72

Gregor Golland (CDU) 72

Hartmut Ganzke (SPD) 73

Marc Lürbke (FDP) 75

Verena Schäffer (GRÜNE) 78

Markus Wagner (AfD) 80

Minister Herbert Reul 81

Daniel Sieveke (CDU) 84

Sven Wolf (SPD) 86

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4541 (Neudruck) 89

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4542 (Neudruck) 89

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4563. 89

Ergebnis ÄA Drucksache 17/4564. 89

Ergebnis GE Drucksache 17/2351. 89

Ergebnis EA Drucksache 17/4540. 89

Ergebnis GE Drucksache 17/2576. 89

3   Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine Nordrhein-Westfalen – Rückkehr zur deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit

Gesetzentwurf
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2394

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz
Drucksache 17/4527

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine Nordrhein-Westfalen (TierschutzVMG NRW)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4107 – 2. Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz
Drucksache 17/4528

zweite Lesung. 90

Dr. Jörg Geerlings (CDU) 90

Frank Börner (SPD) 91

Markus Diekhoff (FDP) 92

Norwich Rüße (GRÜNE) 93

Dr. Christian Blex (AfD) 95

Ministerin Ina Scharrenbach. 96

Ergebnis GE Drucksache 17/2394. 97

Ergebnis der namentlichen Abstimmung über
GE
Drucksache 17/4107 (2. Neudruck)
siehe nach TOP 5
(siehe Anlage 1) 97

4   Fragestunde

Drucksache 17/4533. 98

Mündliche Anfrage 30

der Abgeordneten Elisabeth Müller-Witt (SPD)

Was kosten die Fehleinschätzungen des Ministerpräsidenten Laschet die NRW-Steuer-zahlerinnen und Steuerzahler?

Wieviel Kosten verursacht der bereits erfolgte Planungsprozess durch das Architekturbüro?

Warum setzt Ministerpräsident Laschet kein Limit für die Umbaumaßnahmen im Landeshaus?

Minister Lutz Lienenkämper 98

Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu
TOP 3 über GE
Drucksache 17/4107 (2. Neudruck) 102

5   Halbjahresbericht des Petitionsausschusses. 102

Thomas Schnelle (CDU) 102

6   Gesetz zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Landes Nordrhein-Westfalen (Landarztgesetz Nordrhein-Westfalen – LAG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3037

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Drucksache 17/4523

zweite Lesung. 106

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4543

Daniel Hagemeier (CDU) 106

Angela Lück (SPD) 107

Susanne Schneider (FDP) 108

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 109

Dr. Martin Vincentz (AfD) 110

Minister Karl-Josef Laumann. 111

Ergebnis. 112

7   Gesetz zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3558

Beschlussempfehlung und Bericht
des Integrationsausschusses
Drucksache 17/4515

zweite Lesung. 112

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU) 113

Ellen Stock (SPD) 114

Stefan Lenzen (FDP) 114

Berivan Aymaz (GRÜNE) 116

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 117

Minister Dr. Joachim Stamp. 117

Ergebnis. 118

8   Ausführungsgesetz zu § 47 Abs. 1b AsylG

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2993

Beschlussempfehlung und Bericht
des Integrationsausschusses
Drucksache 17/4516

zweite Lesung. 118

Björn Franken (CDU) 118

Ibrahim Yetim (SPD) 119

Stefan Lenzen (FDP) 121

Berivan Aymaz (GRÜNE) 122

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 124

Minister Dr. Joachim Stamp. 124

Ergebnis. 127

9   Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften (Kommunalvertretungsdemokratisierungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/1447

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 17/4492

zweite Lesung. 127

Dr. Jörg Geerlings (CDU) 127

Prof. Dr. Rainer Bovermann (SPD) 127

Angela Freimuth (FDP) 128

Arndt Klocke (GRÜNE) 128

Sven Werner Tritschler (AfD) 129

Minister Herbert Reul 130

Ergebnis. 130

10 Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes zur Stärkung des Kreistags und zur Änderung kommunalrechtlicher, haushaltsrechtlicher und steuerrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2994

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen
Drucksache 17/4518

zweite Lesung. 130

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4545

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU) 130

Christian Dahm (SPD) 131

Henning Höne (FDP) 133

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 134

Sven Werner Tritschler (AfD) 135

Ministerin Ina Scharrenbach. 136

Ergebnis. 137

11 Viertes Gesetz zur Änderung des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen – Erweiterung der untergesetzlichen Normenkontrolle nach § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/3580

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 17/4320

zweite Lesung. 137

Minister Peter Biesenbach
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Dr. Jörg Geerlings (CDU)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Sonja Bongers (SPD)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Christian Mangen (FDP)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Stefan Engstfeld (GRÜNE)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Thomas Röckemann (AfD)
zu Protokoll (siehe Anlage 2)

Ergebnis. 137

12 Gesetz zur Umsetzung der Pflegeberufereform in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3775

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Drucksache 17/4524

zweite Lesung. 138

Britta Oellers (CDU) 138

Christina Weng (SPD) 138

Martina Hannen (FDP) 139

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 140

Iris Dworeck-Danielowski (AfD) 141

Minister Karl-Josef Laumann. 142

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 144

Ergebnis. 145

13 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung des Landesamtes für Finanzen und zur Ablösung und Änderung weiterer Gesetze

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/4097

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4506

zweite Lesung. 145

Arne Moritz (CDU) 145

Michael Hübner (SPD) 146

Ralf Witzel (FDP) 147

Monika Düker (GRÜNE) 149

Herbert Strotebeck (AfD) 150

Minister Lutz Lienenkämper 151

Michael Hübner (SPD) 151

Ergebnis. 151

14 Zweites Gesetz zur Weiterentwicklung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements für Gemeinden und Gemeindeverbände im Land Nordrhein-Westfalen und weiterer kommunalrechtlicher Vorschriften (2. NKF-Weiterentwicklungsgesetz – 2. NKFWG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3570

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen
Drucksache 17/4519

zweite Lesung. 152

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU) 152

Hans-Willi Körfges (SPD) 153

Henning Höne (FDP) 155

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 156

Sven Werner Tritschler (AfD) 157

Ministerin Ina Scharrenbach. 158

Ergebnis. 160

15 Gesetz zur Änderung des Altlastensanierungs- und Altlastenaufbereitungsverbandsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3778 – Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz
Drucksache 17/4529

zweite Lesung. 160

Ministerin Ursula Heinen-Esser
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Bianca Winkelmann (CDU)
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Frank Börner  (SPD)
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Markus Diekhoff (FDP)
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Norwich Rüße (GRÜNE)
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Dr. Christian Blex (AfD)
zu Protokoll (siehe Anlage 3)

Ergebnis. 160

16 Drittes Gesetz zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/4350

erste Lesung. 161

Minister Herbert Reul
zu Protokoll (siehe Anlage 4)

Ergebnis. 161

17 Gesetz für die Übergangsphase nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union des Landes Nordrhein-Westfalen (Brexit-Übergangsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen – BrexitÜG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/4351

erste Lesung. 161

Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner
zu Protokoll (siehe Anlage 5)

Ergebnis. 161

18 Das Rheinische Revier hat alle Chancen und verdient jede Unterstützung – Strukturwandel mit den Akteuren vor Ort zum Erfolg bringen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4446

Entschließungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4544. 161

Ergebnis. 161

19 Nordrhein-Westfalen stellt die Weichen für die Mobilität der Zukunft

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4447. 161

Ergebnis. 161

20 Kein Kahlschlag beim landesrechtlichen Mieterschutz: Die Kappungsgrenzenverordnung muss verlängert werden

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4454. 161

Ergebnis. 161

21 Älteren Menschen mit Migrationsgeschichte den Zugang zu Pflege- und Altenhilfe erleichtern und ihre Lebensleistung würdigen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4455. 162

Ergebnis. 162

22 Landesregierung muss einen Zukunftsplan für die Ganztagsschule vorlegen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4456. 162

Ergebnis. 162

23 Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III und des Vorsitzes

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU
Drucksache 17/4352 – Neudruck

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4353

Wahlvorschlag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4422

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4460

Wahlvorschlag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4473. 162

Ergebnis. 162

24 Nachwahl eines ordentlichen Mitglieds des Landtags in den Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunk Köln

Wahlvorschlag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4514. 162

Ergebnis. 163

25 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 14
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/4530. 163

Ergebnis. 163

26 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/18. 163

Ergebnis. 163

Anlage 1. 165

Namentliche Abstimmung über das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine Nordrhein-Westfalen (TierschutzVMG NRW) Drucksache 17/4107 (2. Neudruck)

Anlage 2. 173

Zu TOP 11 – „Viertes Gesetz zur Änderung des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen – Erweiterung der untergesetzlichen Normenkontrolle nach § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung“ – zu Protokoll gegebene Reden

Minister Peter Biesenbach. 173

Dr. Jörg Geerlings (CDU) 174

Sonja Bongers (SPD) 174

Christian Mangen (FDP) 174

Stefan Engstfeld (GRÜNE) 175

Thomas Röckemann (AfD) 175

Anlage 3. 177

Zu TOP 15 – „Gesetz zur Änderung des Altlastensanierungs- und Altlastenaufbereitungsverbandsgesetzes“ – zu Protokoll gegebene Reden

Ministerin Ursula Heinen-Esser 177

Bianca Winkelmann (CDU) 177

Frank Börner (SPD) 178

Markus Diekhoff (FDP) 178

Norwich Rüße (GRÜNE) 179

Dr. Christian Blex (AfD) 180

Anlage 4. 181

Zu TOP 16 – „Drittes Gesetz zur Änderung des Landespersonalvertrtungsgesetzes“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Herbert Reul 181

Anlage 5. 183

Zu TOP 17 – „Gesetz für die Übergangsphase nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union des Landes Nordrhein-Westfalen (Brexit-Übergangsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen – BrexitÜG NRW)“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner 183

Entschuldigt waren:

Ministerin Ursula Heinen-Esser

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart      
(ab 19 Uhr)

Katharina Gebauer (CDU)

Margret Voßeler-Deppe (CDU)

Anja Butschkau (SPD)

Ina Spanier-Oppermann (SPD) 
(ab 15 Uhr)

Sven Wolf (SPD)         
(ab 17 Uhr)

Horst Becker (GRÜNE)

Verena Schäffer (GRÜNE)        
(ab 19 Uhr)

Frank Neppe (fraktionslos)       
(bis 14 Uhr)

 

 

Beginn: 10:02 Uhr

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 45. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien sowie den Gästen an den Bildschirmen.

Für die heutige Sitzung haben sich vier Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der schreckliche Anschlag gestern auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg steht uns allen heute Morgen vor Augen. Wir sind erschüttert – wieder einmal. Wir Deutsche erinnern uns auch besonders an den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche am Breitscheidplatz vor zwei Jahren.

Unsere Gedanken sind heute bei den Opfern und ihren Angehörigen, bei den Rettungskräften und den Sicherheitsleuten und bei allen – auch in unserem Land –, die durch solche Taten verängstigt werden.

Straßburg ist der Ort des Europäischen Parlaments; es tagt derzeit. Die Demokratie in Europa ist stärker als ihre Feinde. Die Freiheit Europas ist stärker als die, die sie zerstören wollen.

In der besonderen Verbundenheit zu Frankreich, die wir in diesem Jahr in so nachdrücklicher Weise auch hier in diesem Hause unterstrichen haben, und in der besonderen Verbundenheit zur Europäischen Union bitte ich Sie, sich im Gedenken an die Opfer von Straßburg von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Ich danke Ihnen.

Wir treten in die heutige Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2019 (Haushaltsgesetz 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3300
Drucksache 17/4100 – Ergänzung
in der Fassung nach der zweiten Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4450

dritte Lesung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4547

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4548

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4549

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4550

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4551

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4552

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4553

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4554

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4555

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4556

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4557

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4558

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4559

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4560

 

 

 

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4562

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4566

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4567

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4539

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4561

In Verbindung mit:

Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsbegleitgesetz 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3303

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4418

zweite Lesung

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4438

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4546

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2019 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2019 – GFG 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3302
Drucksache 17/4100 – Ergänzung
in der Fassung nach der zweiten Lesung

Vorlage 17/1451
(Ergänzung Anlage GFG)

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4451

dritte Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2018 (Nachtragshaushaltsgesetz 2018)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3400
Drucksache 17/4099 – Ergänzung
in der Fassung nach der
zweiten Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4449

dritte Lesung

Die Veränderungen durch die im Haushalts- und Finanzausschuss gefassten Beschlüsse zum Haushaltsplan zur Vorbereitung der dritten Lesung des Haushaltsgesetzes 2019 sind auch in den Veränderungsnachweisen zur Drucksache 17/4450 entsprechend dargestellt.

Ich weise darauf hin, dass die Fraktionen im Ältestenrat vereinbart haben, dass bei dem gesamten Tagesordnungspunkt Zwischenfragen sowie Kurz-interventionen nicht zulässig sind. – Ich sehe, dass es dagegen keinen Widerspruch gibt. Dann verfahren wir so.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD Herrn Kutschaty das Wort.

Thomas Kutschaty (SPD): Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle führen diese Generaldebatte heute noch unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse gestern Abend in Straßburg. Ich danke Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident, sehr herzlich für die einleitenden Worte zu Beginn dieser Plenarrunde.

Wir trauern mit den Bürgerinnen und Bürgern Frankreichs um die Opfer dieser grausamen Tat. Wir teilen ihren Schmerz, und wir versichern ihnen unsere Solidarität. Die Menschen in Straßburg sollen wissen, dass wir in Nordrhein-Westfalen an ihrer Seite stehen.

(Allgemeiner Beifall)

Diese Einigkeit macht uns stark. Wir sind stärker als die Feinde der Demokratie. Das werden wir an dieser Stelle – auch wenn wir uns inhaltlich sicherlich gleich streiten werden – nicht vergessen. Denn Einigkeit in den Grundwerten verbietet keinen Streit. Im Gegenteil! Die Demokratie lebt von gegenseitiger Kritik.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben an der Politik dieser Landesregierung einiges zu kritisieren, sowohl an den Inhalten als auch am Stil.

(Christof Rasche [FDP]: Was?)

Herr Ministerpräsident, wir alle können uns noch gut an Ihre Auftritte Anfang 2017 erinnern. Sie sprachen von großen Visionen und machten große Versprechungen. Alles sollte in diesem Land besser werden: NRW geht vor; NRW ganz vorne; NRW first. – All das mussten wir uns im Wahlkampf anhören.

Doch bereits Ihre erste Regierungserklärung geriet zur politischen Rabattaktion. Da war nichts mehr davon zu spüren, dass NRW Nummer eins sein sollte. Jetzt sprachen Sie nur noch von Maß und Mitte. An Ihren Versprechen wollten Sie sich schon bei der ersten Regierungserklärung nicht mehr messen lassen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Aber auch diese neue Messlatte erwies sich schon nach wenigen Wochen und Monaten als deutlich zu hoch gesetzt. Ihre Regierung wurde zu einem Reparaturbetrieb in eigener Sache.

Ihr Europa- und Medienminister musste seine Zuständigkeit für die Medienpolitik abtreten, weil er sich ansonsten in wirtschaftliche Interessenkonflikte verstrickt hätte.

Ihre Umweltministerin musste zurücktreten, weil sie die Öffentlichkeit getäuscht hatte.

Ihr Innenminister wollte dem Rechtsempfinden der Bevölkerung ein höheres Gewicht beimessen als der Unabhängigkeit der Gerichte.

(Zuruf von der FDP: Falsch!)

Ihr Integrationsminister wurde von regionalen und überregionalen Medien aufgefordert, zurückzutreten, weil aus seinem Haus heraus die Justiz hintergangen worden ist.

Und Ihr Justizminister wird noch zurücktreten, weil er mit der Aufklärung eines Todesfalls und anderer schlimmer Missstände in seinem Geschäftsbereich heillos überfordert ist.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Selbst Sie, Herr Ministerpräsident, wurden im März dieses Jahres der Schwindelei überführt.

(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)

Sie hatten doch tatsächlich behauptet, Sie hätten mit der belgischen Regierung Gespräche über die Atomreaktoren geführt. Das stimmte genauso wenig wie die Behauptung, Ihre Regierung habe ein Brexit-Büro in London eröffnet, und die Behauptung, die frühere Umweltministerin sei Opfer eines Hackerangriffs geworden.

Eines stimmte allerdings – da haben Sie recht, Herr Laschet –: Anschließend gab es Gespräche mit der belgischen Regierung.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Auch vorher!)

Aber räumen Sie doch bitte ein, dass diese Gespräche ein Totalschaden waren. Da ist doch nichts passiert. Da haben Sie gar nichts, überhaupt nichts erreicht. Das war das Ergebnis Ihrer Bemühungen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Als äußerst fahrlässig hat sich auch Ihr Volkshochschulkurs zum Thema „Diesel-Fahrverbote“ erwiesen. Da haben Sie Ihre Rechtsauffassungen geäußert und gesagt, bei uns könne so etwas eigentlich gar nicht passieren; das sei unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Diese Rechtsauffassung haben Sie auch Ihre Bezirksregierungen wissen lassen. Die Beamten werden wahrscheinlich tief beeindruckt gewesen sein. Aber die Menschen in Nordrhein-Westfalen haben Ihnen das – zumindest eine Zeit lang – auch tatsächlich geglaubt.

Aber Gott sei Dank leben wir in einem demokratischen Rechtsstaat. Bei uns entscheidet nicht der Ministerpräsident, was rechtswidrig ist oder nicht, sondern das entscheiden unabhängige Gerichte.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Tatsächlich wissen jetzt 2,6 Millionen Diesel-Halter in Nordrhein-Westfalen, dass man sich auf die Rechtsauffassung und das Wort des Ministerpräsidenten besser nicht verlässt.

Wenn man die bisherige Regierungszeit von Schwarz-Gelb einmal Revue passieren lässt, gibt es eigentlich nur ein Fazit: Schon nach 18 Monaten im Amt leidet diese Regierung unter einem Haltungsschaden. Sie hat kein störungsfreies Verhältnis zum Rechtsstaat und ein gestörtes Verhältnis zur Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Das sind übrigens auch die Gründe, warum Sie sich in kürzester Zeit schon zwei Parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingehandelt haben.

(Zuruf von der CDU: Das ist nicht der Grund!)

Das mangelhafte Krisenmanagement in eigener Sache füllt den ersten Teil einer ehrlichen Zwischenbilanz dieser schwarz-gelben Regierungskoalition.

Ihre politische Ideenlosigkeit füllt den zweiten Teil; denn in den ersten 18 Monaten sind Sie inhaltlich und konzeptionell ja regelrecht ausgetrocknet, meine Damen und Herren.

Fangen wir mit dem ersten Beispiel an. Was ist eigentlich aus der Bosbach-Kommission geworden, Herr Laschet oder Herr Reul, die mit viel Getöse als Wahlkampfschlager angekündigt wurde? Ich muss sagen, dass es eine gute Idee war, im Wahlkampf den ewigen Talkshow-Gast Bosbach aus dem konservativen Flügel mit einer Kommission zu beauftragen. Es sollte eine neue Sicherheitsarchitektur geschaffen werden, und zwar nicht nur für Nordrhein-Westfalen, sondern gleich für ganz Deutschland. Große Worte – und kleine Taten als Ergebnis.

Heute soll ein neues Polizeigesetz verabschiedet werden. Welchen Beitrag hat denn die Bosbach-Kommission dazu geliefert, Herr Laschet? Das wissen wir nicht.

(Zuruf von der FDP – Zuruf von Minister Herbert Reul)

– Herr Reul, Sie sagen gerade, dafür sei die Kommission nicht zuständig.

(Zuruf von der FDP: Das stimmt ja auch!)

Für was ist sie denn zuständig? Sie sind ja auch nicht dafür zuständig.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben doch bis heute nicht gesagt, wofür diese Kommission eigentlich zuständig ist. Im Vergleich zur Bosbach-Kommission, Herr Reul, ist das Vatikanische Konzil eine richtig öffentlichkeitswirksame Veranstaltung. Das muss ich einmal sagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Also: Gibt es Zwischenergebnisse? Was steht auf dem Programm? – Die Antwort der Landesregierung auf eine jüngste Anfrage meiner Kollegin Philipp ist Schweigen: Dazu darf man nichts sagen; sie arbeiten weisungsunabhängig und geheim.

Meine Damen und Herren, das ist kein sinnvoller Beitrag für eine neue Sicherheitsarchitektur in Nordrhein-Westfalen. Da haben Sie die Wähler getäuscht. Nichts ist danach gekommen!

(Beifall von der SPD)

Wo ist denn die große sicherheitspolitische Neuausrichtung dieser Landesregierung? Beim Polizeigesetz helfen wir Ihnen. Bei den Stellen für die Polizei haben Sie uns an Ihrer Seite. Keiner in diesem Parlament wird dagegen sein.

(Unruhe – Glocke)

Was war da noch im Innenbereich? Der Innenminister setzt die Projekte „Riegel vor!“ zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität und „Wegweiser“ zur Bekämpfung des Salafismus fort – übrigens alles Projekte Ihres Amtsvorgängers, Herr Reul.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Das ist keine schlechte Entscheidung. Ich finde es gut, dass Sie das machen. Aber neue Ideen im Bereich der Innenpolitik habe ich von Ihnen nicht gesehen.

(Beifall von der SPD)

Auch ein anderes Projekt der Landesregierung – ein großes Prestigeprojekt sollte es werden – läuft nicht wirklich rund. Ich spreche von der sogenannten Ruhrkonferenz, meine Damen und Herren. Herr Laschet, geben Sie es doch zu: Sie wollten damit Johannes Rau nachahmen.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh! – Oh Gott! – Weitere Zurufe)

– Ja. Dazu komme ich gleich noch. Warten Sie ab. – Eine große Konferenz mit EU-Kommission und Bundesregierung sollte das werden; alle sollten kommen. Das war dann aber wohl doch zwei Nummern zu groß. Sie haben es nicht geschafft, im Jahre 2018 eine solche Konferenz auf die Beine zu stellen.

Was gibt es jetzt? Es gibt jetzt Minister-Tandems. Es gibt ministerielle Arbeitskreise, die als Quellen neuer Ideen hier angepriesen werden, aber keine Antwort und keine Hilfe aus Brüssel oder Berlin.

Und was für Projekte kommen dabei heraus? Herr Laschet, es ist richtig dreist, was Sie da als Projekt „Abschluss der Renovierungsarbeiten im Bochumer Bergbau-Museum und Inbetriebnahme des Abwasserkanals der Emscher“ bezeichnet haben. Meine Damen und Herren, Herr Laschet hat allen Ernstes behauptet, die Wiedereröffnung der kompletten Bergbau-Ausstellung in Bochum und die Inbetriebnahme des Kanals der Emschergenossenschaft seien Wegmarken seiner Ruhrkonferenz. So stand es in der Terminvorschau, die er Woche für Woche verschicken lässt.

Die Renovierung des Museums wurde vor mehreren Jahren in Auftrag gegeben. Der Plan für den Abwasserkanal der Emscher ist noch älter. Dieses Projekt stammt aus dem Jahre 1992, ist also 26 Jahre alt. Haben Sie wirklich geglaubt, Herr Ministerpräsident, Sie könnten sich mit den Verdiensten von Johannes Rau schmücken, und keiner würde das merken? Das ist Etikettenschwindel!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir können auch einen anderen Vergleich ziehen. Das ist so, als würden die Schalker den Dortmundern die Meisterschale klauen und dann rufen: Seht her, wie erfolgreich wir sind!

(Heiterkeit bei der SPD)

Das würden die Schalker selbstverständlich nicht tun. Dafür sind sie viel zu stolz. Nur Sie machen so etwas, Herr Laschet. Peinlich ist das!

(Beifall von der SPD)

Da fragt man sich aber auch: Warum macht man so etwas? Warum klaut man so etwas? Warum setzt man sich auf die Leistungen und die Erfolge anderer Menschen? – Ich kann Ihnen das sagen, Herr Laschet: weil Sie keine eigenen Ideen für dieses Land haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie sind ein Schaufensterdekorateur. Aber auf Ihren Verkaufsflächen fehlt die Ware. Was ist denn Ihr persönliches Projekt? Wofür steht Armin Laschet? Nichts – außer Eitelkeiten, Fototerminen und Symbolpolitik. Wo ist der Masterplan? Was ist Ihre Vision für dieses Land? Wie soll Nordrhein-Westfalen in 20 Jahren aussehen? Wie wollen Sie diese auseinanderdriftende Gesellschaft zusammenhalten?

Da ist nichts – keine Antworten, kein Plan. Herr Ministerpräsident, Sie haben überhaupt keine neuen Ideen für Nordrhein-Westfalen – keine Ziele, keine Vision. Da ist nichts, was über das Tagesgeschäft hinausgeht. Das ist schade.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wahrscheinlich haben Sie mit Nordrhein-Westfalen aber schon abgeschlossen. In Ihren Tagträumen richten Sie doch schon längst das Kanzleramt für sich ein.

(Heiterkeit bei der SPD)

Sie erfreuen sich an jedem Zeitungsbericht, in dem Sie als Kanzlerkandidat der Union gehandelt werden. Sie sind der Königsmacher. Sie schieben die Delegierten auf Parteitagen wie Püppchen über das Parkett.

(Zurufe von Daniel Sieveke [CDU] und Josef Hovenjürgen [CDU])

In jedem Interview soll „Kanzlerkandidat“ drinstehen.

(Zurufe von der CDU – Gegenruf von der SPD: Da scheint ja etwas dran zu sein, wenn ihr euch so aufregt!)

Diese Aufregung bei Ihnen zeigt doch ganz deutlich: Sie sind nach nur 18 Monaten in der Regierungsverantwortung einer Schwäche erlegen, die Max Weber einmal den ganz trivialen, allzu menschlichen Feind eines jeden Politikers nannte, nämlich die ganz gemeine Eitelkeit, die Todfeindin aller sachlichen Hingabe und Distanz, in diesem Fall der Distanz sich selbst gegenüber.

(Zuruf von der FDP)

Herr Laschet, Sie haben die Distanz zu sich und zu Ihrem Amt verloren.

(Beifall von der SPD)

Was Sie allerdings gerne machen, ist, rote Teppiche auszurollen. Ich glaube, es gibt keinen Generalkonsul, der noch nicht über einen roten Teppich vor der Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen gelaufen ist. Sie rollen ihn wahrscheinlich aus, damit Sie selbst mit darüber laufen können.

Jeder weiß doch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Protokollreferat gerade schwitzen müssen, während die Abteilung für politische Planung Kurzarbeit hat. Das ist doch das, was bei Ihnen in der Staatskanzlei passiert.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Dazu gibt es auch noch Dokumente. Ich habe vor ein paar Wochen von Ihnen ein Fotoalbum „Ich und der Bundespräsident in Nordrhein-Westfalen“ geschenkt bekommen. Nur bunte Bilder. Kein Inhalt! Schöne Fotos von Armin Laschet und dem Bundespräsidenten in Nordrhein-Westfalen; ganz viel Hochglanz.

Ich frage Sie: Was kommt als Nächstes? Herr Rutte und Herr Laschet beim Matjesessen auf 200-g/m²-Hochglanzpapier?

(Heiterkeit von der SPD – Zuruf von der SPD)

Herr Macron und Herr Laschet auf einer Doppelseite? Was kosten die Fotobücher eigentlich, Herr Laschet? Diese Frage können Sie ja gleich einmal beantworten. Das ist die Politik, die Sie machen.

(Beifall von der SPD)

Sie genehmigen sich 450 neue Stellen in der Ministerialbürokratie und lassen für viele Millionen Euro die Staatskanzlei umbauen. Ich habe gelesen, dass es in der Staatskanzlei demnächst auch einen Glasaufzug geben soll.

(Zuruf von der SPD: Mit Teppich!)

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich habe nichts gegen Barrierefreiheit. Wenn die Staatskanzlei barrierefreier gemacht werden soll und der Aufzug dazu beiträgt: Meinetwegen! Barrierefreiheit ist gut und wichtig.

Aber wenn Ihnen Barrierefreiheit so wichtig ist, Herr Laschet: Warum haben Sie sie dann in der Landesbauordnung gestrichen? Das müssen Sie uns dann doch einmal erklären.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sich selbst einen Glasaufzug gönnen, aber Hunderttausende von Mieterinnen und Mieter vor der Treppe stehen lassen: Das ist Ihre Vorstellung von Gerechtigkeit, Herr Laschet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

Neben von den Fotobänden wird ein weiterer Aspekt Ihrer Regierungszeit in Erinnerung bleiben. Das ist der machtgierige Übergriff der CDU auf das Kommunalwahlrecht. Ich spreche von der geplanten Abschaffung der Stichwahlen bei den Wahlen von Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten. Sollten Sie Ihre Ziele und Ideen tatsächlich so durchsetzen, wird das dazu führen, dass es demnächst in Nordrhein-Westfalen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Landrätinnen und Landräte geben wird, die die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler nicht hinter sich vereinen konnten.

(Zuruf von der FDP: So wie Sie auch!)

In diesem Zusammenhang möchte ich auf Ihren CDU-Parteitag zu sprechen kommen. Da hat das mit der Stichwahl doch auch geklappt. Sie sind doch froh, dass Frau Kramp-Karrenbauer nicht mit einem Wahlergebnis von 45 % im ersten Wahlgang gewählt worden ist, sondern sich im Rahmen einer Stichwahl 52 % für sie entschieden haben. Was für die Parteivorsitzende gilt, muss auch für Oberbürgermeister in Nordrhein-Westfalen gelten, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das Motiv aufseiten der CDU ist klar: Sie will weniger Demokratie für mehr CDU-Bürgermeister.

Aber was ist eigentlich Ihr Motiv, Herr Rasche, bei dieser Sache mitzumachen? Vor sieben Jahren, 2011, haben wir noch gemeinsam die Stichwahl wieder eingeführt – aus gutem Grund: weil wir alle ein ungutes Gefühl hatten, nachdem in Nordrhein-Westfalen bei der Kommunalwahl 2009 in Monheim jemand mit 30 % zum Bürgermeister gewählt worden war und in Wülfrath jemand mit 27 % Bürgermeister geworden war. Wir alle wussten, dass zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler diese Person gar nicht gewählt haben.

(Zuruf von der CDU)

Damals hatten wir gemeinsam ein ungutes Gefühl. Deshalb haben wir uns entschlossen, das wieder zu korrigieren.

Was ist Ihr Motiv? Welchen Deal hat es gegeben? Legen Sie das doch offen! Was haben Sie dafür bekommen, Herr Rasche? So etwas macht man doch nicht freiwillig.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, seien Sie bitte auch vorsichtig. Sie haben gerade beim Digitalpakt erfahren müssen, was passieren kann, wenn man Ihrem Ministerpräsidenten den Rücken zuwendet. Ich spreche jetzt nicht von dem Vermittlungsausschuss, den es geben wird und in dem Fragen zu Kofinanzierung und Rechenschaftspflichten nachverhandelt werden sollen. Das ist gut und richtig. Ich teile Ihre Einschätzung, dass man das klären muss.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Ihr findet das doch toll! Ihr wart doch zufrieden!)

– Ich habe aber den Eindruck, dass Ihnen die gesamte Richtung nicht passt, Herr Laschet. Sie wollen das Kooperationsverbot in Wahrheit doch gar nicht abschaffen. Das haben Sie uns alle nur so lange glauben lassen, solange Sie oder die Union in Berlin noch mitverhandelt haben. Warum erzählen Sie denn jetzt so einen Quatsch von der Einführung einer Einheitsschule? Das ist doch Blödsinn. Niemand will eine Einheitsschule haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet – Bodo Löttgen [CDU]: Niemand hat die Absicht, eine Einheitsschule zu betreiben!)

Weil Frau Gebauer noch glaubte, sie bringe das unheilige Kooperationsverbot zu Fall, hat sie die Milliarde, die wir für die digitale Investition in unseren nordrhein-westfälischen Schulen dringend brauchen, schon im Haushalt eingebucht. Ohne die Bildungsministerin zu informieren, lässt der Ministerpräsident aber über die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ mitteilen, er habe eine Blockademehrheit im Bundesrat organisiert. – Was für eine Stillosigkeit gegenüber dem eigenen Kabinett, so etwas zu tun!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Rasche, ich weiß, dass Sie das nicht wahrhaben wollen. Aber passen Sie auf! Herr Laschet behandelt Sie gerade so, wie Angela Merkel Guido Westerwelle und Philipp Rösler zwischen 2009 und 2013 behandelt hat. Er tut es zwar etwas anders, nämlich auf seine rheinisch-katholische Art. Es wird aber genauso schädlich für Sie sein. Passen Sie also auf, Herr Rasche.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Herr Laschet, es ist nicht zu übersehen: Sie genießen den Glanz Ihres Amtes. Aber Sie meiden die Last der Verantwortung, die dieses Amt mit sich bringt. In Berlin gehen Sie häufig einem Kampf für die Interessen Nordrhein-Westfalens aus dem Weg.

Beim Diesel-Skandal können Sie sich jetzt wirklich nicht mehr vor Ihrer Verantwortung drücken, Herr Ministerpräsident. Dieser Skandal ist in diesen Tagen und Wochen vielleicht die größte Herausforderung für Nordrhein-Westfalen.

Das Wort „Herausforderung“ benutze ich durchaus auch in buchstäblicher Bedeutung; denn wir werden im Augenblick von Autokonzernen herausgefordert, die Millionen ihrer Kunden über die Emissionen ihrer Wagen belogen haben und sich jetzt weigern, diesen Schaden zu beheben. Die Konzerne glauben, dass die Politik es nicht wagen wird, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Sie gehen davon aus, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler oder die Autofahrerinnen und Autofahrer für den Schaden aufkommen werden. Schlimm ist, dass die Konzerne mit durchsichtigen Rabattaktionen sogar noch ein Geschäft aus dem Skandal machen wollen – nach dem Motto: Wenn ihr ein Problem mit dem Wagen habt, den ich euch vorletztes Jahr verkauft habe, dann kauft doch jetzt am besten den allerneuesten.

Im Bundesverkehrsminister haben sich die Hersteller nicht getäuscht. Andreas Scheuer betreibt politische Strafvereitelung, wo er nur kann.

Leider haben sie sich auch nicht in Armin Laschet getäuscht.

Herr Ministerpräsident, am 26. Oktober letzten Jahres sagten Sie doch allen Ernstes in der „Aachener Zeitung“: Das Beste ist, wenn die Leute neue Diesel kaufen. Das ist die umweltfreundlichste Technologie. – Herr Laschet, sagen Sie das auch den jungen Eltern in Köln, die sich vor zwei Jahren ein neues Auto gekauft und die Raten noch nicht abbezahlt haben, aber in einem halben Jahr vielleicht nicht mehr ihre Kinder zur Schule und sich selbst mit dem Fahrzeug zur Arbeit bringen können? Sagen Sie denen das?

(Lebhafter Beifall von der SPD)

Sagen Sie das auch dem Handwerker aus Essen, dessen kleiner Fuhrpark gerade wertlos geworden ist, weil er demnächst damit nicht mehr in die Innenstädte fahren kann? – Kauft euch neue Diesel; das ist die beste Lösung! – Da kann ich auch gleich sagen, Herr Laschet: Esst doch mehr Kuchen, wenn ihr kein Brot habt! – Das ist die gleiche Logik, die dahinter steht.

(Beifall von der SPD)

Das ist genau diese toxische Mischung aus Realitätsverlust und Arroganz, die viele Menschen in unserem Lande wütend macht. In keinem anderen Bundesland sind so viele Menschen in ihrer Gesundheit beeinträchtigt wie hier in Nordrhein-Westfalen. In keinem anderen Land werden mehr Menschen von Fahrverboten betroffen als in Nordrhein-Westfalen – übrigens in dem Land, dem Sie geschworen haben, Schaden von ihm abzuwenden.

Herr Laschet, Sie müssten eigentlich jeden Tag an der Seite der Bundesumweltministerin stehen und für Dieselnachrüstungen auf Kosten der Hersteller kämpfen. Das erwarten die Menschen in diesem Land von Ihnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber was machen Sie stattdessen? Sie werfen Nebelkerzen und greifen in Interviews die Deutsche Umwelthilfe an. Wörtlich sagt Herr Laschet in der „NRZ“:

„Das ist ein klassischer Abmahnverein,“

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

– hören Sie weiter zu; das Zitat geht noch weiter –

„finanziert von einem ausländischen Autokonzern,“

(Bodo Löttgen [CDU]: Richtig!)

„der die deutsche Autoindustrie schwächen will.“

(Beifall von der CDU und der FDP)

– Da Sie gerade alle vor Begeisterung jubeln in der CDU: Meine Damen und Herren von der Union, Sie wissen bestimmt – ich hoffe, Sie rufen sich das in Erinnerung –, dass 80 % der Parteispenden der deutschen Autoindustrie an CDU, CSU und FDP gehen.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD – Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP – Glocke)

Was macht das aus Ihren Parteien?

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Wir haben gelesen: Toyota hat der Deutschen Umwelthilfe 30.000 Euro gespendet. Wie viel hat die CDU von der Autoindustrie bekommen?

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Zehn Millionen Euro in zehn Jahren!)

Sagen Sie uns das bitte gleich, Herr Laschet; Sie können ja gleich hier reden.

(Zuruf – Lachen von der FDP)

Mit Verlaub, Herr Ministerpräsident: Es war nicht die Umwelthilfe, die Betrugssoftware in Diesel-Pkw eingebaut hat. Das waren die Hersteller selbst.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es brauchte auch keine ausländischen Autokonzerne, um die deutsche Autoindustrie in Schwierigkeiten zu bringen. Das hat die deutsche Autoindustrie ganz alleine geschafft.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Solche Interviews sind fahrlässig, Herr Ministerpräsident, weil Sie damit Verschwörungstheorien nähren, die wir sonst nur aus anderen Staaten kennen. Diese Stimmungsmache ist gefährlich. Lassen Sie das, Herr Laschet!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zivilgesellschaftliche Vereine – ob man sie nun mag oder nicht; Ihre Einschätzung haben Sie ja zum Ausdruck gebracht – sind keine Agenten ausländischer Mächte, die sich gegen Deutschland verschworen haben. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Die Verwaltungsgerichte sind übrigens auch nicht ihre Helfershelfer. Das will ich an dieser Stelle auch einmal klarstellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In einem Rechtsstaat sind die Gerichte nämlich weder Feinde noch Gegner. Sie wenden Gesetze an – im Übrigen Gesetze, die wir hier im Landtag oder die die Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag beschlossen haben. Nichts anderes passiert.

Wenn die Umwelthilfe aufgrund dieser Gesetze eine Klage einreicht, kann man darüber streiten, ob die Gesetze von uns richtig gemacht worden sind. Aber man darf doch nicht den Kläger geißeln, weil er seine Rechte in Anspruch nimmt. Welches Verständnis von Rechtsstaat haben Sie denn hier mal wieder an den Tag gelegt?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber wenn Sie nun im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht zu den Dieselfahrverboten verlieren sollten, dann wagen Sie es nicht, Herr Ministerpräsident, die Verantwortung für das Chaos in Köln und Essen, das dort ausbrechen wird, dem Gericht oder den Umweltorganisationen in die Schuhe zu schieben.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Genau das wird er machen!)

Wagen Sie das nicht! Das haben Sie ganz alleine zu verantworten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Übernehmen Sie endlich selbst Verantwortung! Die Lösung lautet: Nachrüsten statt Fahrverbote. Der Oberbürgermeister von Essen fordert das. Der Oberbürgermeister von Aachen fordert das. Alle Kommunalpolitiker – auch von der CDU – fordern das.

Zeigen Sie endlich Ihren Führungswillen! Fangen Sie an zu kämpfen: für die Rechte der Dieselbesitzer in Nordrhein-Westfalen, für die Gesundheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen und übrigens auch für die Interessen der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Die Nachrüstungssysteme werden in Nordrhein-Westfalen produziert. Das wäre mal ein sinnvoller Beitrag von Ihnen zur Wirtschaftsförderung in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, damit bin ich beim nächsten politischen Krisengebiet dieser Landesregierung: bei der Energie‑ und Strukturpolitik. Die Menschen im Rheinischen Revier brauchen dringend eine Antwort auf eine ganz existenzielle Frage: Was kommt nach der Braunkohle?

Ich weiß, Sie sind vor Ort unterwegs, Herr Laschet. Ich bin auch unterwegs. Wir führen beide vor Ort Gespräche. Deswegen wissen wir beide, wie bedrückend die Situation für Beschäftigte, aber auch für viele andere in dieser Region ist.

Viel wird von den Beschlüssen der sogenannten Kohlekommission, deren wahrer Name ja nicht ohne Grund Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung lautet, abhängen. Hinter den Kulissen wird hart gerungen – auch um ein Ausstiegsdatum, aber nicht nur, sondern auch um die Frage der Bundesmittel, die wir für den Strukturwandel und für wichtige Investitionen auch in Nordrhein-Westfalen brauchen.

Sicherlich haben die ostdeutschen Bundesländer viel zu verlieren, aber auch Nordrhein-Westfalen hat viel zu verlieren, nämlich eine intakte und hochmoderne Wirtschaftsregion. Doch zum Schrecken aller hat diese Landesregierung keine belastbare Strategie für den Strukturwandel im Rheinischen Revier; das müssen wir hier einfach mal feststellen.

Ihr aktueller Antrag, den Sie jetzt hier ins Plenum eingebracht haben, ist nur eine Aneinanderreihung von Überschriften, die Sie aus den Broschüren der Zukunftsagentur Rheinisches Revier kopiert haben. Er enthält aber keine konkreten Projekte und Maßnahmen.

Zudem haben Sie bis heute nicht dargelegt, welche finanziellen Mittel Sie eigentlich vom Bund für Nordrhein-Westfalen beanspruchen, Herr Laschet. Da sollten Sie sich mal melden. Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer sind da deutlich weiter.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Nordrhein-Westfalen schweigt in diesem Bereich, und das ist schädlich für unser Land.

(Beifall von der SPD und Norwich Rüße [GRÜNE])

Das Rheinische Revier braucht Investitionen, und die können auch nicht bei 1,5 Milliarden Euro für die gesamten Braunkohleregionen beendet sein. Allein die Wirtschaftskraft, die Wertschöpfung der Beschäftigten in der Braunkohle liegt jedes Jahr bei 750 Millionen Euro. Wenn ich die Zulieferer und das Drumherum dazunehme, sind diese Finanzhilfen des Bundes durch das, was an Wertschöpfung allein im Rheinischen Revier verlorengeht, in einem Jahr schon längst aufgebraucht. Hier erwarte ich Ihre Position,

(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

hier erwarte ich ein deutlicheres Machtwort in Berlin, auch, dass Sie da deutlich mehr Mittel veranschlagen, die wir hier für diese Region brauchen, meine Damen und Herren.

(Bodo Löttgen [CDU]: Schöne Grüße an Herrn Scholz!)

Energiesicherheit braucht Arbeitsplätze. Wir brauchen die Energiesicherheit im Umkehrschluss genauso. Hier stehen mehrere Tausend Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Allen ist klar: Die Energiewende wird kommen. Ich glaube, es gibt keinen mehr im Land, der glaubt, wir werden noch ewig Braunkohle verstromen. Aber was wir brauchen, ist der Umstieg in regenerative Energien. Auch in dem Bereich ist die Landesregierung mehr als nur schläfrig. Herr Laschet, wenn Sie den Kampf gegen die Windkraft so weiter fortsetzen, dann werden wir nie die Energiewende schaffen. Ändern Sie da mal was!

(Beifall von der SPD)

Herr Laschet, dass Sie und Ihre Regierung keine Ziele mehr verfolgen, die über den politischen Alltag hinausgehen, das beweist auch dieser Haushaltsentwurf, den Sie uns heute hier zur Abstimmung vorlegen.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Der Finanzminister, Herr Lienenkämper, sagt über diesen Entwurf gern, er habe damit eine echte Wende in der Finanzpolitik eingeleitet. Wenn dieser Satz gesagt wird, müssen alle immer ein bisschen lachen – einmal, weil Sie es hier am Rednerpult mit so viel Pathos vortragen, dass das schon klebt, Herr Lienenkämper; zum anderen, weil jeder von uns weiß, dass das gar nicht stimmt.

Es ist doch gar keine Wende in der Finanzpolitik in Nordrhein-Westfalen. Sie sparen überhaupt nicht, Herr Finanzminister. Sie stehen am Pförtnerhäuschen und winken jeden Tag die Lkw mit Geldscheinen durch, die die Steuerzahler Ihnen im Augenblick abliefern. Das ist Ihre Finanzpolitik, die Sie gerade machen.

(Beifall von der SPD)

Sie sind weder ein Sparminister noch haben Sie in irgendeiner Weise eine Wende herbeigeführt. Sogar das kleine und auch immer als verarmt bezeichnete Berlin erwirtschaftet in diesem Jahr Haushaltsüberschüsse in Milliardenhöhe;

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Berlin zahlt eine Milliarde Euro seiner Schulden zurück. Was zahlt Nordrhein-Westfalen zurück? Angedacht hatten Sie 30 Millionen Euro. Noch Fragen? Ist das eine Wende in der Finanzpolitik, meine Damen und Herren?

(Bodo Löttgen [CDU]: Ja, sicher ist es das!)

Das ist doch armselig. – Aber, wissen Sie, das ist gar nicht der Punkt. Oder, besser gesagt: Das wäre kein Punkt für mich,

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

wenn Sie nicht immerzu so tun würden, als würden Sie besonders hart sparen, oder wenn Sie die herausragend gute Finanzsituation unseres Landes endlich mal nutzen würden, um dauerhaft soziale Ungerechtigkeiten in diesem Land zu beseitigen.

(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Um eine echte Verbesserung für die arbeitende Mitte in dieser Gesellschaft zu erreichen, investieren Sie doch in solchen Zeiten mal in eine vernünftige Infrastruktur! Da gibt es genügend Projekte, die wir Ihnen vorschlagen können, Herr Lienenkämper.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Ich spreche von Reformen für mehr Bildungsgerechtigkeit, für bezahlbare Wohnungen, für bessere Löhne, Arbeitsbedingungen für Millionen von Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen. Doch Sie tun nichts dergleichen. Politisch leben Sie in den Tag hinein. Gewiss, Sie erhöhen viele Haushaltstitel. Hier und da geht die Gießkanne durch die Ministerien. Insbesondere sind Sie großzügig, wenn man den eigenen Stellenaufbau betrachtet, den Sie in Ihren Ministerien pflegen. Aber zu strukturellen Veränderungen ist diese Landesregierung nicht bereit.

Das zusätzliche Geld, das möglicherweise im nächsten Jahr in den sozialen Wohnungsbau fließen könnte, in den Kitaausbau fließen kann, kommt zum größten Teil gar nicht aus dem nordrhein-westfälischen Landeshaushalt. Es sind Bundesmittel. Wissen Sie, wer für diese Bundesmittel in Berlin gesorgt hat? Das waren nicht die Christdemokraten, das waren die Sozialdemokraten, die für diese Mittel gekämpft haben,

(Beifall von der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU)

oft gegen den Widerstand vieler Christdemokraten in Berlin und ohne Ihre persönliche Unterstützung, Herr Laschet. Sie werden Sie sich demnächst mit fremden Federn oder mit fremdem Geld schmücken können. Das gehört auch zur Wahrheit Ihres Haushalts dazu, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Wir hätten viele Chancen, wir könnten etwas Großes machen mit den Mitteln, die uns im Augenblick zur Verfügung stehen. Lassen Sie uns doch einmal diesen Schritt tun und machen wir etwas für Familien in diesem Lande! Wir hätten die Chance, in Nordrhein-Westfalen sofort die Kitagebühren abzuschaffen. Das wäre ein sinnvoller Beitrag für Familien in diesem Land.

(Beifall von der SPD und Roger Beckamp [AfD])

Keine Steuerreform, kein höheres Kindergeld, kein höherer Kinderfreibetrag, auch kein Baukindergeld könnte Familien in der „Rushhour ihres Lebens“ so entlasten wie die Abschaffung von Kindergartengebühren.

(Beifall von der SPD – Christof Rasche [FDP]: Warum haben Sie das nicht gemacht?)

– Ich kann es Ihnen sagen: Wir haben damit angefangen.

(Lachen von der FDP – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Wir haben das letzte Kitajahr beitragsfrei gestellt, aber wir hatten nicht die Steuereinnahmen, die Sie heute haben. Heute kann man so investieren. Das sollten Sie tun.

(Beifall von der SPD)

Sie könnten Familien im Zyklus eines Kindergartenaufenthaltes um mehrere Tausend Euro entlasten.

(Christof Rasche [FDP]: Sieben Jahre Jahr für Jahr mehr Steuereinnahmen!)

Wir sprechen von 10.000, 12.000, 15.000 Euro, die durchschnittliche Arbeitnehmerfamilien heute für drei bis vier Jahre Kitabesuch bezahlen müssen.

Wissen Sie, was mich am meisten stört?

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Heutzutage ist es in Nordrhein-Westfalen in vielen Bereichen nicht einmal entscheidend, wie dick mein Portemonnaie ist, ob ich Kitagebühren zahlen muss oder nicht, sondern wo in Nordrhein-Westfalen ich wohne.

(Christian Dahm [SPD]: Ja!)

Das ist doch etwas, was bei uns allen Störgefühle auslösen muss. Ich habe Bekannte, die mit ihren drei Kindern von Duisburg nach Düsseldorf gezogen sind, und sie haben mir stolz erzählt, sie würden insgesamt sparen. Ich habe sie erst für verrückt erklären wollen und habe gesagt: Ihr zieht von Duisburg aus einer Mietwohnung in eine Mietwohnung nach Düsseldorf. Das muss für euch doch viel teurer sein. – Sie nannten mir eine einfache Erklärung und sagten: Nein, wie sparen als Familie unter dem Strich. Selbst die teurere Wohnung in Düsseldorf ist nicht so teuer wie die Miete zuzüglich der Kindergartengebühren, die wir in Duisburg zahlen müssen. Denn in Düsseldorf müssen wir keine Kitagebühren bezahlen.

(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

Meine Damen und Herren, der Oberbürgermeister von Duisburg würde auch gerne den Familien die Kindergartengebühren erlassen, er kann es aber nicht. Sie sorgen für ungerechte, ungleiche Lebensverhältnisse in diesem Land. Schaffen Sie das endlich ab, meine Damen und Herren!

(Anhaltender Beifall von der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Wo Sie sich auch weigern, etwas abzuschaffen, das sind die Straßenausbaubeiträge. Wir alle bekommen im Augenblick Briefe, Eingaben, Petitionen von Tausenden von Menschen, die Sorge haben, ihre Ausbaubeiträge als junge Familie, aber auch als Rentner im Alter nicht bezahlen zu können. Da sind oft Beträge von 10.000 Euro, 20.000 Euro im Raum, und Sie wissen, Rentnerinnen und Rentner bekommen bei der Bank nur selten einen Kredit.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass wir diesen Menschen helfen. Der Ausbau und die Reparatur von Straßen müssen durch Steuern finanziert werden. Das wäre nicht nur gerechter, sondern das würde auch viele Konfliktsituationen der Anwohner und der Kommunalpolitiker mit den Verwaltungen entschärfen. Allein das ist schon ein Wert an sich, meine Damen und Herren.

Ich sage der CDU auch: Machen Sie auf diesem Weg bitte keine halben Sachen! Wir merken ja, Sie stehen unter Druck. Sie müssen ja jetzt, nachdem wir den Gesetzentwurf vorgelegt haben, auch irgendwas machen. Das können Sie ja sonst auch keinem erklären. Ich weiß doch, Ihre Abgeordneten laufen doch auch alle durch die Wahlkreise und haben versprochen, die Beiträge werden abgeschafft.

(Zurufe von der CDU – Gegenruf von der SPD: Immer noch!)

Das ist peinlich für Sie. Das ist im Augenblick unangenehm für Sie.

(Zurufe von der CDU)

Aber wenn Sie jetzt an Lösungen denken, indem Sie sagen, wir stellen es den Kommunen anheim, ob sie Straßenausbaubeiträge übernehmen wollen oder ob sie sie umlegen,

(Bodo Löttgen [CDU]: Das haben wir gar nicht so geschrieben! Zitieren Sie doch mal richtig!)

dann sorgen Sie für die gleiche Ungerechtigkeit wie bei den Kitagebühren. Reiche Städte können sich das leisten, arme nicht. Das ist schlecht für Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Dieser Koalition fehlt es auch an der nötigen Entschlossenheit, den Lehrermangel zu beheben. Ich weiß, Sie erzählen immer, wie viele Lehrerstellen Sie neu geschaffen haben. Aber, Frau Gebauer, Sie wissen auch: Meine Tochter wird nicht von einer Stelle unterrichtet, sondern von einer Lehrerin oder einem Lehrer.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das sagt der Richtige!)

Mit Seiteneinsteigern lässt sich das Problem nicht lösen. Die Lehramtsausbildung ist nicht ohne Grund ein sehr aufwendiges Studium, bei dem den Studierenden viele Qualifikationen abverlangt werden. Lehrer müssen gut ausgebildet sein. Die besten Lehrkräfte gehören eigentlich auch an die schwierigsten Schulen in diesem Lande, meine Damen und Herren.

Aber gerade im Grundschulbereich fehlen uns Lehrkräfte. Die Erklärung ist ja auch einleuchtend: Ich kann einer Grundschullehrerin heute nicht mehr erklären, warum sie im Eingangsamt schlechter besoldet sein soll als eine Gymnasiallehrerin. Erklären Sie mir den Unterschied und nennen Sie den Grund, Frau Gebauer, warum da eine ungleiche Bezahlung stattfindet. Gerade im Grundschulbereich ist die Arbeit äußerst anspruchsvoll.

Deswegen sagen wir: Wir brauchen eine einheitliche Lehrereingangsbesoldung nach A13, A13 für alle. Das wäre ein wesentlicher Beitrag dazu, um diesen Beruf gerade an Grundschulen wieder attraktiver zu machen. Die Gesetzentwürfe liegen vor. Klauen Sie sie meinetwegen von uns, egal. Aber machen Sie es jetzt bitte, Frau Gebauer! Das sind wir den Menschen schuldig.

(Beifall von der SPD)

Ihnen fehlt die nötige Entschlossenheit, den Lehrermangel wirksam zu bekämpfen. Ihnen fehlt aber auch die nötige Entschlossenheit, Bildungsungerechtigkeiten in diesem System zu beseitigen.

Dann kommen Sie mit einer Idee, die Sie als grandios bezeichnen, die sich aber in Wahrheit als Flop erweisen wird. Ich komme zu den Talentschulen. Meine Damen und Herren, das ist ein reines Alibiprojekt. In Essen, meiner Heimatstadt, gibt es Schulen, die sich schon öffentlich dahin gehend äußern, an diesem Wettbewerbsverfahren gar nicht teilzunehmen. Das sei ein katastrophaler Ansatz, sagt ein Direktor. Er bringe nur eine Konkurrenzsituation in die Schullandschaft, die nicht gewollt sei. Ein anderer Schulleiter sagt: Aus diesem Schulversuch spricht nur eine fehlende Wertschätzung unserer guten Arbeit.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, das stimmt ja auch. 60 Talentschulen wollen Sie schaffen. Ich habe heute Morgen noch mal auf der Homepage Ihres Ministeriums nachgeschaut: Wir haben 5.668 Schulen in Nordrhein-Westfalen. Da muss ich jetzt noch nicht mal auf einer Talentschule gewesen sein, sondern ich kann relativ schnell ausrechnen: Etwa 1 % aller Schulen in Nordrhein-Westfalen sollen Talentschulen werden. Eine von hundert! Damit geben Sie 99 % der Schulen in Nordrhein-Westfalen die amtliche Bestätigung, dass sie eben keine Talentschulen sind. Meine Damen und Herren, was ist das denn?

(Beifall von der SPD – Zuruf von Daniel Sieveke [CDU] – Weitere Zurufe von der CDU)

Dann wollen Sie jetzt untersuchen oder evaluieren, wie sich das denn an einer Talentschule auswirkt, wenn eine Talentschule mehr Lehrkräfte bekommt

(Ralph Bombis [FDP]: Das stimmt so nicht! Das ist das Problem!)

und mehr Investitionen bekommt. Dafür wollen Sie drei Jahre evaluieren. Ich kann Ihnen sagen, was da herauskommt. Da sagen alle – klar –, natürlich kommen da bessere Ergebnisse raus. Wenn ich bessere Gebäude habe, wenn ich mehr Lehrer habe, wird das automatisch besser. Da brauche ich keinen Versuch mehr, meine Damen und Herren.

Jede Schule in Nordrhein-Westfalen muss eine Talentschule sein. Das müsste Ihr Anspruch sein.

(Beifall von der SPD – Dietmar Brockes [FDP]: Bei Ihnen gab es gar keine Talentschule! Keine einzige!)

Zu dauerhaften Verbesserungen ist diese Landesregierung nicht bereit. Schon bei der Einbringung des Haushaltes hat der Finanzminister auch gesagt, warum das so ist. Der Finanzminister hat gesagt, der Staat habe die Neigung, vieles zu übernehmen, vor allem aber sich selbst – finanziell und auch im Hinblick auf die Erwartungen, die er schüre. Der Staat dürfe nicht lenken, er dürfe nicht steuern und solle – soweit es gehe – zurückgedrängt werden. – Herr Laschet, Herr Lienenkämper, das sind Ihre alten Glaubensansätze der Privat-vor-Staat-Idee. Sie wollen dort weitermachen, wo Sie 2010 aufhören mussten.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Aber es war doch genau diese Entstaatlichungsideologie, die uns heute so viele gesellschaftliche Probleme bereitet, die wir lösen müssen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Ich spreche nur den Mangel an bezahlbarem Wohnraum an. Gestehen Sie doch mal ein: Es ist falsch gewesen, eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft und kommunale Wohnungsbaugesellschaften zu privatisieren.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Uns fehlen vernünftig bezahlbare Wohnungen in diesem Lande.

(Beifall von der SPD)

Das ist auch der Grund, warum immer mehr begehrte Wohnlagen in den Innenstädten mittlerweile schon eher begehbare Investmentfonds sind, in denen sich normale Menschen gar keine Wohnung mehr leisten können.

Wir sind der Auffassung, der Staat muss wieder ein Akteur auf dem Wohnungsmarkt werden. Deswegen haben wir auch eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft beantragt und wollen die Mittel dafür zur Verfügung stellen. Sie kann nicht alle Probleme lösen, aber mithelfen. Es ist ein Signal, ein deutliches Signal, das aus diesem Parlament kommen soll. Wir beteiligen uns aktiv an der Schaffung bezahlbaren, preiswerten Wohnraums. Das brauchen die Menschen in diesem Lande.

(Beifall von der SPD)

Der Wohnungsmangel und der Lehrermangel sind nur kleine Beispiele eines viel größeren Mangels. Unser Land braucht mehr Lehrerinnen und Lehrer, aber auch mehr Pflegekräfte, mehr Erzieherinnen, mehr Polizisten, mehr Steuerfahnder und auch mehr Ingenieure im Staatsdienst.

(Zurufe von der CDU)

– Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, es hilft auch, manchmal etwas laut auszusprechen: Wir brauchen in bestimmten Bereichen auch wieder mehr Staat. Wir brauchen auch wieder mehr Sozialstaat. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen wieder eine öffentliche Hand, die sich kümmert, die stützt, die schützt, die anschiebt und – wenn nötig – auch auffängt. Sie hätten in dieser Finanzsituation die Chance, mit diesem Haushalt ganz viel für die Menschen in Nordrhein-Westfalen zu verbessern.

Sie nutzen diese Chance nicht. Das ist schade. Das ist schlecht für die Menschen in Nordrhein-Westfalen. Deswegen kann dieser Haushalt auch nicht die Zustimmung der Sozialdemokraten bekommen. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD – Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Löttgen das Wort.

Bodo Löttgen (CDU): Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die CDU-Fraktion danke ich dem Landtagspräsidenten für das Gedenken an die Opfer des Terroranschlags von Straßburg. Unsere Anteilnahme gilt den Angehörigen derjenigen, die dieser feige Anschlag aus dem Leben gerissen hat. Den Verletzten wünschen wir von dieser Stelle aus rasche Genesung.

In die Trauer aber mischt sich heute in unserem Landesparlament auch die Gewissheit, dass wir alles unternehmen wollen, um unsere Bevölkerung wirksam zu schützen. Deshalb sage ich Dank an die Landesregierung, an die Fraktionen der FDP, der CDU und der SPD, dass wir heute nach der Haushaltsdebatte ein neues Polizeigesetz mit neuen wirksamen Werkzeugen für unsere Polizei verabschieden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

So viel, sehr geehrter Herr Kollege Kutschaty, zu den Gemeinsamkeiten.

Wie man dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 6. Dezember 2018 entnehmen kann, sind Sie ja kürzlich nach Berlin gereist, um den Bundestagsabgeordneten – ich nehme an, der Landesgruppe der SPD – die politische Agenda der Düsseldorfer SPD-Landtags-fraktion vorzustellen. Zitat aus der Zeitung:

„Das Gespräch geriet zu einer Abrechnung der Bundespolitiker mit ihrem Oppositionsführer in Düsseldorf. ‚Das war schon ziemlich rüde‘, berichtet ein Teilnehmer dem ‚Kölner Stadt-Anzeiger‘.“

Und weiter:

„‚Das war die Chance, ihn vor die Flinte zu bekommen‘, erklärt ein Abgeordneter. … Kutschaty musste sich einiges anhören. Bevor er anderen Ratschläge erteile, solle er erst mal seine eigenen Hausaufgaben erledigen, hieß es.“

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nun, sehr geehrter Herr Kollege Kutschaty, vermute ich mal, dass Sie Ihre heutige Haushaltsrede als Teil der Hausaufgaben angesehen haben, die Ihnen die Bundestagsfraktion aufgetragen hat.

(Widerspruch von der SPD)

Nachdem, wie im Artikel beschrieben, „die meisten NRW-Parlamentarier an die Decke gingen, als sie von dem Affront gegen ihren Chef in Berlin erfuhren“ – das kann ich verstehen –, sind sie mit dem uns allen bekannten Hausaufgabenfrust an diese Aufgabe herangegangen.

Finanzminister Lutz Lienenkämper sagte in der zweiten Lesung des Haushalts, dass es – Zitat – naturgemäß nicht ganz einfach ist, einen Haushalt zu kritisieren, der im Nachtragshaushalt zusätzliche Schuldentilgung vorsieht und im nächsten Jahr einen Überschuss.

Man darf nach Ihrer Rede, Herr Kutschaty, getrost feststellen:

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Der Finanzminister hatte recht; denn Sie sind an dieser Aufgabe heute Morgen auf ganzer Linie gescheitert.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Das war gerade abgelesen! – Weitere Zurufe von der SPD)

– Vielleicht, Herr Kollege, haben Sie sich heute Morgen in Erinnerung an Andrea Nahles gesagt: Bätschi, heute bekommen sie auf die Fresse. –

Aber der Auftrag, hier in Düsseldorf auf die Pauke zu hauen, statt andauernd Berlin zu kritisieren, ist als fulminanter Rohrkrepierer nach hinten losgegangen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Nicht vorher die Reden schreiben, Herr Löttgen! – Weitere Zurufe von der SPD)

Wenn Sie dieser Landesregierung …

(Unruhe – Glocke)

Wenn Sie dieser Landesregierung, diesem Ministerpräsidenten vorwerfen, er hätte keine Pläne, vermute ich, dass Sie da in der Historie etwas verwechseln. Es war Ihre Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die auf einer Pressekonferenz nicht in der Lage war, die Zettel zu finden, auf denen Ihre Pläne standen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Opposition, zünden in Ihrem 20-Prozent-Umfragebunker eine Blendgranate nach der anderen und wundern sich darüber, dass Sie selbst orientierungslos umherirren.

(Beifall von der CDU und der FDP – Marc Herter [SPD]: Das ist die falsche Rede!)

Ein Beispiel aus der vergangenen Woche: Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Christoph Rasche, und ich geben bekannt, dass die Fachpolitiker der Fraktionen Änderungsanträge zum Haushalt im Gesamtvolumen von 50 Millionen Euro stellen:

(Stefan Zimkeit [SPD]: Stimmt doch gar nicht! Die Zahl ist schon wieder falsch!)

Digitalisierung an Schulen, wirksame Unterstützung unserer Kommunen bei der Bekämpfung der Wohnungslosigkeit insbesondere von Frauen, überbetriebliche Ausbildungszentren, Dorferneuerungsprogramme, effektive Brandbekämpfung in Katastrophenfällen.

Was fällt der SPD-Opposition dazu ein? – Der SPD reicht das nicht. Zitat aus der dpa-Meldung vom 4. Dezember, 16:17 Uhr:

„Die SPD-Opposition fordert … ein zusätzliches Investitionspaket von 870 Millionen Euro.“

Und jetzt, meine Damen und Herren …

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Und das mit Recht!)

– Der Applaus, Herr Zimkeit, wird Ihnen noch einmal wehtun. – Jetzt kommt nämlich das, was die SPD als Gegenfinanzierung vorstellt. Zitat:

„Gegenfinanzieren will die SPD das 870-Millionen-Euro-Paket über verschiedene Maßnahmen etwa durch Stellenabbau in den Ministerien und die Gewinnabschöpfung bei kriminellen Aktivitäten.“

Ich habe das einmal für Sie nachgerechnet

(Sarah Philipp [SPD]: Das glaube ich nicht! – Weitere Zurufe von der SPD)

und muss leider feststellen: Diejenigen in der SPD-Opposition, die Ihnen diesen Vorschlag und diese Gegenfinanzierung aufgeschrieben haben, müssen an ausgeprägter Dyskalkulie, also an Rechenschwäche, leiden.

(Gordan Dudas [SPD]: Das waren doch Sie!)

Denn erstens: Die Gewinnabschöpfung bei kriminellen Aktivitäten betrug, gut gerechnet, zwischen 2010 und 2017 durchschnittlich 45 Millionen Euro. Ich erlaube mir heute Morgen, großzügig zu sein, und lege noch ein bisschen drauf. Vielleicht kommen wir dann ins Jahr 2016, da waren es 65 Millionen Euro.

(Sarah Philipp [SPD]: Immerhin! – Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Zweitens. Würde das Land zum 01.01.2019 alle Beschäftigten in den Landesministerien und in der Staatskanzlei, alle Beauftragten, die Mitglieder des Landesrechnungshofs und des Verfassungsgerichtshofs

(Britta Altenkamp [SPD]: Die, die Sie eingestellt haben!)

entlassen, dann wären gerade einmal 370 Millionen Euro Ihres 870 Fantastillionen-Euro-Pakets gedeckt. Ich addiere: …

(Stefan Zimkeit [SPD]: Lesen Sie mal die vorliegenden Anträge, Herr Löttgen!)

– Herr Zimkeit, ich weiß, dass Sie nicht addieren können, deshalb tue ich es für Sie!

(Beifall von der CDU und der FDP – Frank Müller [SPD]: Nein, Stefan, Herr Löttgen kann nur rechnen, nicht lesen!)

Wir landen zusammengerechnet

(Stefan Zimkeit [SPD]: Lesen Sie mal die vorliegenden Anträge!)

bei einer Summe von 435 Millionen Euro,

(Jochen Ott [SPD]: Was für eine Bauernschläue!)

niemand arbeitet mehr in den Landesministerien, unsere Polizei arbeitet gut und schöpft ab, aber das ist noch nicht mal die Hälfte Ihres 870 Millionen-Euro-Vorschlags.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Haben Sie die Anträge, nicht gelesen, Herr Löttgen?)

Und Sie, Herr Kutschaty, haben uns bei allem, was Sie uns gesagt haben, auch heute nicht erklärt, wie Sie die andere Hälfte in Höhe von 435 Millionen Euro finanzieren wollen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Lesen Sie doch die Änderungsanträge! – Sarah Philipp [SPD]: Es steht doch hier alles!)

Im Übrigen sind die Mitglieder der CDU-Fraktion der Meinung: Wir schätzen die Arbeit der Tausenden Beamten, Angestellten und Arbeiter in unseren Landesministerien. Wir sind auf ihre konstruktive Arbeit angewiesen,

(Jochen Ott [SPD]: Seit wann das denn?)

und wir wollen niemanden entlassen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von Frank Müller [SPD] und Jochen Ott [SPD])

Außerdem sind die Mitglieder der CDU-Fraktion der Meinung, dass unsere Polizisten, Staatsanwaltschaften und Gerichte in NRW eine gute Arbeit leisten und dass wir ihnen nicht durch Beschluss aus Düsseldorf auferlegen können, die Gewinnabschöpfungen quasi par ordre du mufti zu steigern. Sie von der SPD gaukeln den Menschen in unserem Land etwas vor und nutzen Taschenspielertricks für billige politische Geländegewinne.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Damit meinen Sie den Finanzminister!)

Was die SPD-Fraktion uns heute präsentiert hat, ist das Revival der guten alten Fernsehshow „Wünsch Dir was“. 24 Sendungen durften wir – die älteren unter uns – zwischen 1969 und 1972 im ZDF erleben.

(Zurufe von der SPD)

Heute: die 25. Auflage, live und in Farbe, mit dem neuen Traumpaar der provokativen Fernsehunterhaltung: Thomas Kutschaty und Stefan Zimkeit. – Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wer diese Sendung …

(Zurufe von der SPD – Unruhe – Glocke)

Wer diese Sendung im Internet recherchiert, findet als besonderes Kennzeichen der Sendung den Satz: „Das Ausführen der Spiele war oft durch Selbstüberwindung gekennzeichnet.“ – Ich muss sagen, Herr Kutschaty: Neben dem Titel der Sendung passt gerade auch dieses Kennzeichen der Selbstüberwindung – zumindest für meine Fraktion – zur Rede, die Sie heute gehalten haben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Frank Müller [SPD]: Sie hätten ja nicht kommen müssen, Herr Löttgen!)

Sie sprechen hier davon, es gäbe keine Wende in der Finanzpolitik.

(Christian Dahm [SPD]: Stimmt! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich will Ihnen sagen, woher wir kommen. Am 31. Dezember 1966 hatte NRW eine Pro-Kopf-Verschuldung …

(Frank Müller [SPD]: Sie leben auch nur in der Vergangenheit, oder? – Monika Düker [GRÜNE]: Aber für die ganz viel älteren! – Weitere Zurufe von der SPD)

– Herr Zimkeit, neben der Tatsache, dass Sie nicht rechnen können, haben Sie auch noch kein historisches … – Aber lassen wir das.

Am 31. Dezember 1966 hatte NRW eine Pro-Kopf-Verschuldung von 74 Euro je Einwohner.

(Sven Wolf [SPD]: War das in dem Moment, als die FDP die Koalition verlassen hatte?)

Wie das Statistische Bundesamt Anfang August dieses Jahres mitteilte, war das Land 2017 mit 174,4 Milliarden Euro verschuldet. Pro Bürger hatte NRW inzwischen Kredite in Höhe von 9.744 Euro aufgenommen.

Zwischen dem 8. Dezember 1966, dem Start der ersten Regierung von Heinz Kühn – von der SPD –

(Karl Schultheis [SPD]: Ich kann noch was aus 1953 erzählen!)

und dem heutigen Tag sind 52 Jahre und 4 Tage vergangen. Und davon waren Sie 46 Jahre lang in der Regierungsverantwortung – 90 % der Zeit! Das ist die Erblast der Vergangenheit,

(Jochen Ott [SPD]: Damals gab es noch keine Talentschule, Herr Löttgen, das merkt man an Ihrer Rede!)

die Sie von der SPD und teilweise auch von den Grünen diesem Land auferlegt haben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Michael Hübner [SPD]: Da könnt ihr doch nicht klatschen von der FDP!)

Sie waren Teil von Regierungen des Schönredens, und nun sind Sie die Opposition, die ihre Verantwortung verleugnet.

Tun Sie uns einen Gefallen: Beenden Sie Ihre sinnfreie Kritik an einer NRW-Koalition, die zum ersten Mal seit 1973

(Michael Hübner [SPD]: Schon wieder!)

keine neuen Schulden aufnimmt,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist doch wieder falsch! Sie haben doch keine Ahnung!)

die zum ersten Mal seit 1973 mit dem Nachtragshaushalt 2018 Schulden tilgt,

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

die zum ersten Mal seit 1973 im kommenden Jahr wieder Überschüsse

(Nadja Lüders [SPD]: Es war einmal!)

im Landeshaushalt erwirtschaftet.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Wieder falsch!)

– Herr Zimkeit, mit Ihren ständigen Zwischenrufen betteln Sie ja gerade darum, dass hier in Düsseldorf noch einmal das Heinrich-Heine-Zitat zum Einsatz kommt:

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sagen Sie doch mal, wie viele Schulden wir 2016 gemacht haben!)

„Ein Kluger bemerkt alles, ein Dummer macht über alles eine Bemerkung.“

 – Herzlichen Glückwunsch, Herr Zimkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Diese Landesregierung setzt, gestützt durch die regierungstragenden Fraktionen von CDU und FDP,

(Angela Lück [SPD]: Ganz großes Kino!)

mit dem Haushalt 2019 exakt das um, was sie den Menschen im Land versprochen hat: konsolidieren, modernisieren, investieren. Wir schaffen das durch eine maßvolle und vorsorgende Haushaltspolitik, welche die Risiken beachtet – nämlich die Gestaltungsspielräume, die Sie jahrzehntelang nicht hatten, sich aber trotzdem auf Kosten weiterer Verschuldung gegönnt haben. Das unterscheidet uns, und das ist die Wende in der Finanz- und Haushaltspolitik dieses Landes.

(Beifall von der CDU und der FDP – Karl Schultheis [SPD]: Wird Zeit, dass das „Haus für Landesgeschichte“ genannt wird!)

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich weiß, das fuchst Sie, und deshalb verlieren Sie sich in mit nichts zu rechtfertigender Pauschalkritik: zu wenig konsolidiert, zu wenig modernisiert, zu wenig investiert. – Das ist zu dünn und weit entfernt von konstruktiver Kritik, die eine gute Opposition leisten sollte.

Im Gegensatz zu Ihnen wussten schon die alten Griechen:

(Sarah Philipp [SPD]: Achtung, ein Zitat!)

„Wem genug zu wenig ist, dem ist nichts genug.“

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: In welchem Jahr war das? – Jochen Ott [SPD]: Das war vor 1976!)

Und deshalb ist es jetzt auch genug mit der Beschäftigung mit Ihrer Rede.

Im Gegensatz zu Ihnen möchte ich große Teile meiner Rede auf den Haushalt verwenden. Die NRW-Koalition gestaltet nämlich mit diesem Haushalt nachhaltig

(Jochen Ott [SPD]: In welchem Haushalt, dem von 1966?)

und unterlegt die Anliegen der Menschen in diesem Land und die entscheidenden Zukunftsthemen. Das zeigt ein Blick in die Einzelpläne dieses Haushalts.

Wir haben den Neustart in der Sicherheitspolitik unseres Landes vollzogen. Wir wollen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat durch gezielte und konsequente Maßnahmen, in der richtigen Balance zwischen Freiheit und Sicherheit wiederherstellen. Nordrhein-Westfalen muss wieder überall sicher und lebenswert sein.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Und deshalb investieren wir im Einzelplan 03 des Innenministers 290 Millionen Euro mehr im Vergleich zum Haushalt 2018; wir geben jetzt insgesamt 5,8 Milliarden Euro im Haushalt dieses Geschäftsbereichs aus.

Wir nutzen diese Mehrausgaben nicht nur, um 100 zusätzliche Anwärterrinnen und Anwärter für den Polizeidienst einzustellen, sondern wollen nach den Fraktionsanträgen das System jetzt wirklich bis an seine Belastungsgrenze bringen, um 2.500 Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter auszubilden

(Eva Lux [SPD]: Aus unserer Vorarbeit!)

und dann für die Straße zur Verfügung zu stellen.

Es können neue Stellen für zusätzliche Spezialisten eingerichtet werden. Die Bekämpfung der Cyberkriminalität, die Analyse von Massendaten, die Bekämpfung der Allgemein-, Schwer- und Bandenkriminalität sowie die Terrorbekämpfung in den drei Landesoberbehörden und den Kreispolizeibehörden werden verbessert.

15 Millionen Euro zusätzlich sind für die Erneuerung und Verbesserung der persönlichen Ausstattung eingeplant: Außentragehüllen, Ausstattung mit ballistischen Schutzhelmen und Bodycams.

13,3 Millionen Euro zusätzlich investieren wir, um die IT-Infrastruktur der Polizei zu verbessern und zu erneuern; dazu zählt auch das Projekt mobile Endgeräte – endlich in Streifenwagen.

Und wir sondern Ihre Streifenwagen, die Sie angeschafft haben, in die kein Polizist reinpasst, endlich sukzessive aus

(Beifall von der CDU und der FDP – Dietmar Brockes [FDP]: Peinlich!)

und schaffen Fahrzeuge an, die für die Polizei geeignet sind. Dafür investieren wir 38,4 Millionen Euro zusätzlich.

Wir verbessern Zug um Zug die personelle und finanzielle Ausstattung der Justiz, unserer Gerichte, Staatsanwaltschaften und im Justizvollzug: 38 neue Planstellen und Stellen bei der Generalstaatsanwaltschaft und den Staatsanwaltschaften, 10 neue Planstellen bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 101 Planstellen und Stellen im Justizvollzug und 37 neue Planstellen und Stellen für Ausbildung in der Justizvollzugsschule.

1 Million Euro zusätzlich, damit wir diese Stellen auch durch engagiertes Personalmarketing mit Menschen besetzen können.

Und wir errichten zwei neue „Häuser des Jugendrechts“ mit dem Ziel, alle Akteure aus Polizei, Justiz und Jugendarbeit zu vernetzen, um kriminelle Karrieren frühestmöglich zu beenden.

Diese NRW-Koalition hat sich das Ziel gesetzt, in der Legislaturperiode beste Bedingungen für die Bildung unserer Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen zu schaffen.

(Zuruf von Eva Lux [SPD] – Christian Dahm [SPD]: Ja, mach das doch!)

Wir arbeiten weiter daran, dass alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft und dem Geldbeutel ihrer Eltern bestmöglich und individuell gefördert werden,

(Sarah Philipp [SPD]: Das wäre aber neu!)

damit jeder einen erfolgreichen Lebensweg einschlagen und sich seine Wünsche erfüllen und seine Träume verwirklichen kann.

Deswegen stellen wir im Einzelplan 05 Schule und Bildung mit 18,7 Milliarden Euro knapp ein Viertel des Gesamthaushaltes dafür bereit. Die Mittel steigen gegenüber 2018 um 753 Millionen Euro; eine Steigerung um 4,2 % – mehr Geld, um den Lehrermangel anzugehen und Talentschulen zu ermöglichen und richtig auszustatten, damit Inklusion mit den notwendigen Mitteln – insbesondere Personal – endlich gelingen kann.

14 % Steigerung der landesseitigen Förderung für den offenen Ganztag, 50 Millionen Euro mehr für die Schulpauschale für unsere Kommunen – das ist eine konzentrierte Anstrengung, um unsere Schulen digital nach vorne zu bringen.

47 Millionen Euro für die Förderung von Breitbandanschlüssen, 10 Millionen Euro zusätzlich für die Modernisierung der digitalen Infrastruktur an unseren Berufskollegs, mehr Mittel für digitale Lehrerfortbildungen, Medienkoordinatorinnen und Medienkoordinatoren sowie IT-Fachkräfte an Schulen – das ist unsere Antwort auf die digitale Herausforderung im Bildungswesen. Diese Anstrengungen werden wir in den kommenden Jahren fortsetzen und zum Erfolg führen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir steigern darüber hinaus – und auch das zählt für uns zu dem Weg von der Kita bis zum Ende des Bildungsweges – die Mittel im Einzelplan 06 für die Wissenschaft um 5,6 %; das sind 489 Millionen Euro. Im Vergleich zum rot-grünen Haushalt von 2017 sind die originären Landesmittel um fast 600 Millionen Euro auf 7,8 Milliarden Euro gestiegen. Das heißt: 326 Millionen Euro mehr für Hochschulen im Vergleich zu 2018. Und das heißt: 50 Millionen Euro als neuer Ausgabeposten für die Digitalisierung an Hochschulen.

Meine Damen und Herren, im Übrigen legen wir mit 245 Millionen Euro den größten Kulturetat in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen vor.

Existenzsicherung kommunaler Theater und Orchester, Förderung der Landestheater und der Freien Szene, Erhaltung und Ausbau kultureller Orte in ganz NRW, Förderung dritter Orte, Aufstockung des Ankaufetats bei der Kunstsammlung, Förderung von Forschungs- und Restaurierungsprojekten an Museen – Kultur ist in Nordrhein-Westfalen endlich wieder ein Wert, der im Haushalt abgebildet wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit unserer Politik wollen wir den sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land weiter stärken. Deshalb erhöhen wir im Einzelplan 11 Arbeit, Gesundheit, Soziales die Mittel.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das empfinden die meisten Leute als Hohn!)

– Herr Zimkeit, wir erhöhen die Mittel, wir streichen sie nicht.

Wir erhöhen die Mittel um exakt 251,6 Millionen Euro auf nunmehr 6,33 Milliarden Euro. Im Bereich „Arbeit und Qualifizierung“ ist das Ziel des Haushaltes: einfach mehr Ausbildungsplätze.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: So ist es!)

Deshalb sollen jährlich 1.000 zusätzliche Ausbildungsplätze für Jugendliche mit Vermittlungshemmnissen bei Unternehmen gefördert werden, und es sind 47,7 Millionen Euro mehr für Soziale Arbeit an Schulen, 14 Millionen Euro mehr für das Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ und 3,5 Millionen Euro mehr für das neue Werkstattjahr vorgesehen.

In den Bereichen „Pflege“ und „Alter“ werden die Haushaltsmittel – lieber Karl-Josef Laumann, herzlichen Dank dafür – für die Schulpauschale um 22,5 Millionen Euro erhöht; insgesamt jetzt 85,5 Millionen Euro.

Für den Einstieg in die Schulgeldfreiheit bei den Gesundheitsberufen stehen weitere Mittel in Höhe von 25 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist soziale Verantwortung in NRW,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: So ist es!)

im Haushalt abgebildet! Dafür herzlichen Dank!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, Mobilität ist eine entscheidende Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung, für Wohlstand in Nordrhein-Westfalen. Damit die Wirtschaft unseres Landes im internationalen Standortwettbewerb bestehen kann, braucht sie eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur – ich will gar nicht daran erinnern, was Sie uns da hinterlassen haben.

Deshalb setzen wir im Haushalt 2019 das fort, was wir im Haushalt 2018 begonnen haben: Planungs-, Genehmigungs- und Bauhochlauf, Mittel für zusätzliche Stellen. Sie haben eben von Ingenieurinnen und Ingenieuren gesprochen. Sie sprechen davon, und wir stellen sie ein – das ist der Unterschied.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir stellen 98 Millionen Euro zusätzlich für externe Planungsleistungen bereit und beschleunigen damit Planungen und Genehmigungen. Und das zeigt Ergebnisse.

(Sarah Philipp [SPD]: Wo kommen die denn her? – Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

– Herr Schultheis, das hat auch für Sie erste Ergebnisse. Schon jetzt, nach anderthalb Regierungsjahren, konnten 19 Planfeststellungsbeschlüsse gefasst werden, zwölf an Bundesfernstraßen und sieben an Landesstraßen.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: 19!)

Im Koalitionsvertrag waren nur zwölf vereinbart. Wenn wir so weitermachen, dann sollten selbst Sie zufrieden sein, Herr Schultheis. Ich warte dann in zwei Jahren auf Ihr Lob.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die dringend benötigten Investitionen in Landesstraßen steigen auf 245 Millionen Euro an. NRW bekommt insgesamt 96 Millionen Euro mehr vom Bund. Sie erinnern sich noch an Ihre Regierungszeit, als wir Geld an den Bund zurückgegeben haben, weil es nicht verbaut werden konnte. Über 1,3 Milliarden Euro für das gesamte Bundesfernstraßennetz ist deutlich mehr als geplant. Und wir investieren in die Zukunft der Mobilität, insbesondere auch durch Förderung von Elektro- und Wasserstoffbussen sowie durch die Elektrifizierung von Bahnstrecken im ÖPNV.

Auch das zählt dazu: Wir halten an unserem Ziel fest, gleichwertige Lebensbedingungen mit Chancen sowohl für die Menschen in unseren Städten als auch im ländlichen Raum zu fördern. Wir führen die dazu notwendigen Dialoge vor Ort und schaffen Zug um Zug verlässliche Rahmenbedingungen für kommunale Finanzen und für die Gestaltungsmöglichkeiten unserer Kreise, Städte und Gemeinden.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, kritisieren uns immer, weil die Zuweisung des Gemeindefinanzierungsgesetzes angeblich nicht auf unserem Mist gewachsen sei. Deshalb will ich aus der SPD-Fraktionsbilanz von September 2016 zitieren, also nach sechs Jahren Ihrer Regierungszeit. Achtung, das erste Wort ist wichtig!

Wir

– also die SPD-Fraktion –

„haben im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs die jährlichen Zuweisungen des Landes an unsere Städte seit dem Jahr 2010 um 2,5 Milliarden Euro auf rund 10,4 Milliarden Euro … erhöht. Das ist ein Anstieg um 31 Prozent!“

Das nehmen Sie für sich in Anspruch. Im Übrigen betrug die Endsumme im Jahr 2017 dann 10,64 Milliarden Euro.

Nun darf ich Ihnen, meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, sagen, wie unsere Bilanz nach nur anderthalb Jahren aussieht. Wir, die CDU- und die FDP-Fraktion zusammen mit der Landesregierung, haben im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs die jährlichen Zuweisungen des Landes an die Städte und Gemeinden seit dem Jahr 2017 um 1,734 Milliarden Euro auf die Rekordsumme von 12,4 Milliarden Euro erhöht. Das ist ein Anstieg um 16 %.

Bereits im Haushaltsjahr 2021, also nach vier Jahren, werden wir voraussichtlich die Steigerung in Höhe von 31 % übertreffen. Das sind gute Nachrichten und gute Aussichten für die Finanzkraft unserer Kreise, Städte und Gemeinden, die wir im Übrigen nach wie vor mit den von Ihnen zugesagten Mitteln des Stärkungspakts in Höhe von rund 500 Millionen Euro unterstützen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dazu kommen Haushaltsmittel aus dem Einzelplan 07 des stellvertretenden Ministerpräsidenten Joachim Stamp. Nur drei kommunalrelevante Punkte will ich nennen.

Erstens. Die NRW-Koalition macht noch mehr Tempo bei der Stärkung der Kitalandschaft. Im kommenden Jahr können weitere 30 Millionen Euro investiert werden, um mehr Betreuungsplätze zu schaffen. Dabei handelt es sich um nicht abgerufene Landesmittel aus dem Haushalt 2018, die wir unmittelbar für den Ausbau unserer Kitalandschaft einsetzen.

Zweitens. Wir unterlegen den Asylstufenplan unseres Ministers Joachim Stamp mit den notwendigen Mitteln, um unsere Kommunen endlich zu entlasten und Struktur und Ordnung in das Chaos zu bringen, das Sie von der rot-grünen Regierung uns 2017 hinterlassen haben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Berivan Aymaz [GRÜNE]: Das ist doch eine Mogelpackung! Schauen Sie sich doch mal an, was die Experten sagen! – Heike Gebhard [SPD]: Und an anderer Stelle nehmen Sie es wieder weg!)

Schlussendlich – meine Damen und Herren, ich weiß, dass es Ihnen weh tut – leiten wir die für die Kommunen vorgesehen Bundesmittel für die Integration in Höhe von 432,9 Millionen Euro eins zu eins an die Kommunen weiter.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie von SPD und Grünen haben in den Haushaltsjahren 2016 und 2017 dieses Geld den Kommunen entzogen und es im Landeshaushalt vereinnahmt. Das Ergebnis war, dass 860 Millionen Euro vor Ort fehlten, wo das Geld dringend benötigt wurde. Wir hingegen wissen um die Bedürfnisse unserer Städte und Gemeinden, und deshalb landet das Geld dort, wo es benötigt wird, nämlich bei den Kommunen und Gemeinden vor Ort.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Drittens. Last but not least einen Blick in den Einzelplan 12 des Finanzministers Lutz Lienenkämper. Ich verbinde das mit einem herzlichen Dank an den Finanzminister und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium für die Arbeit an diesem hervorragenden Haushaltsplan.

Ich will nur einen einzigen Posten daraus nennen: Erstmalig werden 21 Millionen Euro für das Unterhaltsvorschussgesetz eingestellt. Das Land übernimmt die Geltendmachung von Ansprüchen und Rückgriffen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz von den Kommunen.

Das heißt, dass das Land – konkret: das Landesamt für Finanzen – ab dem 1. Juli 2019 nun diese Forderung geltend machen wird. Es wird aber für diese Aufgabe eben keine neue Behörde geben. Stattdessen wird das Landesamt für Finanzen bedarfsgerecht weiterentwickelt. Der Vorteil für die Kommunen: weniger Personal- und Sachaufwand ab dem 1. Juli 2019.

Meine Damen und Herren, das war in der gebotenen Kürze ein Überblick über einige Schwerpunkte der NRW-Koalition im Haushalt 2019 – ein Haushalt, der konsolidiert, ohne neue Schulden auskommt, mit Tilgung alter Schulden beginnt und bereits einen Überschuss in der Bilanz aufweist.

Es handelt sich um einen Haushalt, der durch Digitalisierung die Behörden unseres Landes modernisiert; einen Haushalt, der in die Sicherheit unserer Bürger, in die Mobilität, in unser Bildungssystem und in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft investiert. Der Haushalt 2019 greift aus Sicht der NRW-Koalition die wichtigsten Themen unseres Landes gestaltend auf.

Diesem Haushalt könnten auch die Grünen zustimmen. Aber das werden sie nicht tun. Stattdessen setzen sie ein Thema auf die politische Agenda, dass an Wichtigkeit kaum zu übertreffen ist: Knecht Ruprecht.

(Monika Düker [GRÜNE]: Was?)

Die Grünen-Politikerin Josefine Paul sagte, ein strafender Knecht Ruprecht sei nicht mehr zeitgemäß.

(Lachen von der AfD)

Es passe nicht mehr in das heutige Bild der Kindererziehung; denn Kindern solle man grundsätzlich nie drohen. Darunter falle auch die Drohung mit Knecht Ruprecht, die man nicht aussprechen solle. Liebe Kollegin Paul, ich stimme Ihnen zu, dass Kinder ein Grundrecht auf gewaltfreie Erziehung haben und dass dazu auch der Verzicht auf psychische Gewalt gehört.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Alles andere wäre aber auch hart!)

Aber dann müssten Sie von der Fraktion der Grünen doch mal mit gutem Beispiel vorangehen, aber Sie zeigen uns täglich das Gegenteil. Die Grünen drohen uns gerade damit, dass die Welt untergeht, wenn wir nicht sofort aus der Braunkohle aussteigen. Sie drohen uns damit, dass die Menschen zu Tausenden krank werden, wenn der böse Diesel weiter in der Innenstadt fährt. Sie wollen uns weismachen, ein zwischen Wahrung persönlicher Freiheit und effektiver Terrorbekämpfung austariertes Polizeigesetz würde unsere Grundrechte schleifen.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD] – Unruhe – Glocke)

Sie schließen sich Demonstrationen an gegen das Polizeigesetz, bei denen in der ersten Reihe zu lesen ist: Fuck Cops. – Ist das keine psychische Gewalt, meine Damen und Herren?

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Es sind doch Sie, meine Damen und Herren von Grünen, die niemals dem Versuch widerstehen können, mit Drohungen die Gesellschaft zu erziehen,

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

und das, liebe Frau Kollegin Paul, macht Ihre vorweihnachtliche Kritik an Knecht Ruprecht so unglaubwürdig.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Lob und Tadel, Belohnung und Bestrafung kommen nicht aus der Mode. Beides ist untrennbar miteinander verbunden. Das ist mitunter eine bittere Erkenntnis, aber eine, die Kindern, ohne Gewalt auszuüben, zuzumuten ist.

Auch die SPD könnte ja diesem Haushalt zustimmen. Aber das werden Sie nicht tun. Das haben Sie ja schon angekündigt. Stattdessen setzen Sie auf ein für Sie vorgeblich wichtiges Thema: Sie sind gegen die Abschaffung der Stichwahl.

Der Verein „Mehr Demokratie“ sagt, ein paar Kandidaten werden zu zweifelhaften Siegern. Und der SPD-Fraktionsvorsitzende Herr Kutschaty schreibt sogar auf einer Kachel in den sozialen Netzwerken, die Abschaffung der Stichwahl sei ein Angriff auf unsere gelebte Demokratie.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Recht hat er!)

Sehr geehrter Herr Kollege Kutschaty, vielleicht sollten Sie zusammen mit dem Verein Mehr Demokratie mal reflektieren, wen und was Sie da eigentlich kritisieren.

Die NRW-Koalition ist es auf jeden Fall nicht. Sie kritisieren massiv die Aussagen des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen. Ich will drei der vier Leitsätze aus dem Urteil vom 26. Mai noch einmal in Kürze für Sie in Erinnerung rufen. Respektieren Sie dieses Urteil, ja oder nein? – Die Antwort ist wahrscheinlich: ja.

(Thomas Kutschaty [SPD]: Das hat keiner bestritten! – Zuruf von Sarah Philipp [SPD])

Der erste Leitsatz ist:

„Der Wegfall der Stichwahl bei den Bürgermeister- und Landratswahlen … ist mit der Landesverfassung vereinbar.“

(Sarah Philipp [SPD]: Das wissen wir! – Christian Dahm [SPD]: Das hat keiner bestritten!)

Der zweite Leitsatz – jetzt hören Sie doch mal genau zu – lautet:

„Die … Direktwahl der Bürgermeister und Landräte in einem Wahlgang mit relativer Mehrheit trägt … dem Erfordernis demokratischer Legitimation … Rechnung.“

Was also kritisieren Sie? Was haben Sie an dem Satz nicht verstanden, sodass Sie sagen, das sei ein Angriff auf die gelebte Demokratie? Es heißt dort: trägt dem Erfordernis demokratischer Legitimation Rechnung.

(Zuruf von der SPD: Was haben Sie nicht verstanden? Wir kritisieren, dass der erste AfD-Bürgermeister Ihr Bürgermeister sein wird!)

Der vierte Leitsatz, der für diese Diskussion wichtig ist, heißt:

„Der Gesetzgeber ist gehalten, die Wahlverhältnisse daraufhin im Blick zu behalten, ob das bestehende Wahlsystem den erforderlichen Gehalt an demokratischer Legitimation auch zukünftig“

– also von 2009 bis 2017 –

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

„zu vermitteln vermag.“

Wenn zwei Drittel der Gewählten im zweiten Wahlgang weniger Stimmen bekommen als im ersten Wahlgang, dann ist der erforderliche Gehalt an zusätzlicher demokratischer Legitimation schlicht und einfach gesunken bzw. nicht mehr vorhanden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, es kommt nicht darauf an, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, sondern darauf, mit den Augen die Tür zu finden. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Ihnen das in den Ausschussberatungen noch gelingen wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sehr geehrter Herr Kollege Kutschaty, meine Damen und Herren, ich will diese Rede nicht beenden, ohne ein weiteres Thema, das möglicherweise schwerwiegende Folgen für die zukünftigen Landeshaushalte und die Arbeit dieses Landtages hat, kurz anzusprechen. Sie haben es auch getan. Das ist das Thema „Digitalpakt“ und die damit verbundene Föderalismusdebatte.

Zu Beginn einige wenige Zitate:

NDR, 03.12.2018:

„Nach Meinung von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ist das Vorhaben in der derzeitigen Form nicht zustimmungsfähig.“

„Westfälische Rundschau“, 06.12., Malu Dreyer, rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin:

„Wir wollen den Digitalpakt, der eine wirklich gute Sache ist. Trotzdem werden wir den Vermittlungsausschuss … anrufen, weil Regelungen ins Grundgesetz kommen sollen, die weit über den Digitalpakt hinausgehen und die einen tiefen Einschnitt in die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern bedeuten. Das nehmen wir nicht hin.“

Der Hamburger Erste Bürgermeister Peter Tschentscher sagte laut „Tagesspiegel“ am 05.12.:

„Es gebe im Länderkreis ‚die ernste Sorge‘, dass mit der Grundgesetzänderung in der Zukunft große Probleme entstehen könnten im Bund-Länder-Verhältnis.“

Eine „fiese Bedingung“ nannte der Hamburger Schulsenator Ties Rabe (SPD) auf Twitter das Vorhaben, den Bundesländern bei zukünftig gemeinsamen Ausgaben für die Bildung die Hälfte der Kosten abzuverlangen.

Und:

„Dieser Schritt“

– so sagt der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) –

„ist ebenso bedauerlich wie notwendig.“

(Sarah Philipp [SPD]: Was sagen Sie jetzt dazu?)

Jetzt, meine Damen und Herren, kommt der Mann, der es besser weiß als 16 Ministerpräsidenten unserer Bundesländer, Sebastian Hartmann, Vorsitzender der NRW-SPD, in der Pressemeldung vom 03.12.:

„Die Republik redet seit Monaten darüber, wie eine Verfassungsänderung möglich ist und welche Milliardenbeträge an die Länder fließen sollen. Nach Ende aller Debatten und einer im Bundestag gemeinsam mit den Grünen und FDP beschlossenen Einigung“

(Sarah Philipp [SPD]: Was sagen Sie dazu?)

„fällt Armin Laschet nun plötzlich ein, dass er gegen den Digitalpakt ist? … Dass Laschet zwei Tage nach dem Abpfiff des Spiels noch eine Verlängerung fordert, ist einfach irre.“

Meine Damen und Herren, das sind vier Fehler in zwei Sätzen. Das muss man auch als SPD-Vorsitzender in NRW erst einmal schaffen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Erstens. Es wird nicht seit Monaten darüber geredet, sondern inzwischen seit zwei Jahren.

(Sarah Philipp [SPD]: Das macht es nicht besser!)

Zweitens. Das Ende aller Debatten wird nicht durch Herrn Hartmann bestimmt,

(Zuruf von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD] – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

sondern bei zustimmungspflichtigen Gesetzen durch den Bundesrat und im Konfliktfall – wie jetzt – durch den Vermittlungsausschuss.

Drittens. Niemandem ist plötzlich irgendetwas eingefallen. Eine Lektüre des Beschlusses des Bundesrates vom 06.07. hätte zutage gefördert, dass NRW dem Digitalpakt zugestimmt hat.

Allerdings hat der Bundesrat dem Bundestag klare Leitlinien mit auf den Weg gegeben. Ich zitiere aus diesem Beschluss:

„Daher ist zu gewährleisten, dass der Bund mit der Gewährung der Finanzhilfen gemäß Art. 104c und Art. 104d keine die oben genannten Verfassungsgrundsätze infrage stellenden Steuerungs- und Kontrollrechte auf die konkrete Erfüllung von Länderaufgaben vorsieht.“

Weiter heißt es:

„Die Kultushoheit der Länder bleibt durch die Möglichkeit, dass der Bund künftig Investitionen in das Bildungswesen mitfinanzieren kann, unberührt.“

Leider hat der Bundestag in seinem Beschluss diese Hinweise nicht nur nicht beachtet, sondern er hat sie quasi ins Gegenteil verkehrt.

Viertens. Es ist nicht Herr Laschet, der eine Verlängerung fordert, sondern das sind die 16 Ministerpräsidenten unserer Bundesländer. Wir werden dieses Thema morgen ausführlich diskutieren können. Hier sei nur so viel gesagt: In der sich immer mehr zuspitzendenden und von Ihrer Seite befeuerten Debatte gibt es zwei grundlegende Irrtümer.

Der erste Irrtum: Die Länder halten den Digitalpakt auf, weil sie die Grundgesetzänderung nicht wollen. – Tatsächlich liegt der Digitalpakt seit fast zwei Jahren auf Halde, weil der Bund das Verfahren Mitte 2017 gestoppt hat.

Der zweite Irrtum: Für den Digitalpakt ist eine Grundgesetzänderung nötig. Das stimmt schon deswegen nicht, weil die Verfassung Bund und Ländern jederzeit ermöglicht, solche Finanzierungen auf dem Weg der Steuerumverteilung ins Werk zu setzen.

Herr Professor Dr. Henneke, geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistages, hat es in diesen Tagen treffend formuliert.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Zitat:

„Das Grundgesetz ...“

(Zuruf und Lachen von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

– Darf ich es noch einmal zitieren, Herr Mostofizadeh? – Vielen Dank. Mit Ihrer Genehmigung also:

„Das Grundgesetz legitimiert den Bund nicht, Ländern und Kommunen für ihre Aufgabenerfüllung notwendige Steueranteile vorzuenthalten, um sodann eine eigene Mitfinanzierungskompetenz mit der Begründung zu behaupten, dass die gebotenen Handlungsbedarfe von Ländern und Kommunen finanziell allein nicht zu bewältigen wären.“

Unser Ministerpräsident Armin Laschet hat in dieser Debatte ständig und nachdrücklich für einen Weg der Vernunft geworben, –

(Zuruf von den GRÜNEN: Wann denn?)

– für einen Weg, der beides ermöglicht, nämlich die Mittel zur Verfügung zu stellen und weiterhin selbstbestimmt in eigener Zuständigkeit über Haushalte in diesem Parlament abzustimmen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Was sagt denn Herr Lindner dazu?)

Ich jedenfalls würde mich freuen, wenn dieser Weg der Vernunft auch im Vermittlungsausschuss Leitlinie würde und statt komplizierter Grundgesetzänderungen ein einfacher Weg dahin führte, dass die Mittel des Digitalpaktes schnell den Schulen unseres Landes zur Verfügung gestellt werden könnten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Die CDU-Fraktion stimmt dem vorliegenden Haushaltsplan 2019 zu.

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Löttgen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Generalaussprache zum Haushalt findet in diesem Jahr in Zeiten des Terrors statt, der gestern auch Straßburg erreicht hat. Jenseits des politischen Schlagabtausches, der heute wieder heftig und leidenschaftlich geführt wird, sind die Gedanken von allen Fraktionen heute bei den Opfern.

Auch wir in Nordrhein-Westfalen arbeiten in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss immer noch an der Aufarbeitung des schrecklichen Anschlags vor genau zwei Jahren am Breitscheidplatz in Berlin. Ich möchte mich bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die in diesem Ausschuss mitarbeiten – Herr Körner, Herr Sieveke, Herr Geerlings.

(Zuruf von der FDP: Herr Bombis ist auch dabei!)

Er findet nicht so sehr in der Öffentlichkeit statt, und da werden auch nicht die großen Auseinandersetzungen geführt. Wir arbeiten dort gut zusammen – das sind wir den Opfern schuldig –; denn wir wollen auch für unser Land Lehren ziehen, um uns besser gegen diese Terrorgefahren zu wappnen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Generalaussprache zum Haushalt findet aber auch in Zeiten statt, in denen über die Zukunft, über die Lebens- und Überlebensbedingungen unserer Kinder und Kindeskinder entschieden wird.

In Kattowitz ringt man auf der 24. UN-Klimakonferenz um die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens. Man ringt darum, wie und ob man es schafft, die globale Erwärmung auf unter 2°C zu begrenzen. Dieses ehrgeizige Ziel ist von zentraler Bedeutung, um den Klimawandel, der nicht in einer fernen Zukunft liegt, sondern längst bei uns angekommen ist, beherrschbar zu halten. Um es christlich auszudrücken für die Kollegen und Kolleginnen der Christlichen Demokratischen Union: Es geht auch darum, diese Schöpfung zu bewahren.

(Beifall von den GRÜNEN)

In Berlin ringt man deswegen um einen schnellstmöglichen Ausstieg Deutschlands aus der Kohle. Ja, Herr Löttgen, die Braunkohle hat etwas damit zu tun, ob wir diesen Planeten retten können oder nicht.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Ja, dort wird ernsthaft um den Kohleausstieg gerungen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist auch nötig; denn Deutschland ist beim internationalen Klimaindex eben wegen dieser fehlenden Maßnahmen im Bereich Kohle weit zurückgefallen. Im Verkehrsbereich steigen die Emissionen sogar; dort stehen wir auf Platz 27.

Herr Löttgen, es macht mich wirklich fassungslos, wie man so zukunftsvergessen sein kann, dieses Thema in seiner Rede nicht mit einem einzigen Wort zu erwähnen bzw. es nur lächerlich zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist zukunftsvergessen, den Klimaschutz auf eine Ebene mit dieser albernen Knecht-Ruprecht-Posse zu stellen und beides in einem Atemzug zu nennen; denn es geht um mehr.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU] – Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kollege Kutschaty, danke schön, Sie haben es geschafft – ich habe es mir notiert –, immerhin einmal die Worte „erneuerbare Energien“ und „Windenergie“ in Ihrer Rede unterzubringen. Für die Sozialdemokratie ist das schon was – danke schön.

Beim Thema „Klimafolgenanpassung“ geht es aber um mehr als nur um die Erwähnung in einem Nebensatz. Der Klimawandel liegt nicht in ferner Zukunft, sondern er ist diesen Sommer in unserem Land –spürbar für alle Menschen – angekommen.

Die Umweltministerin hat das Thema inzwischen auch entdeckt und sieht Nachholbedarf in den Städten – immerhin etwas. Es geht um Hitzeinseln, Entsiegelung, Frischluftschneisen, Hochwasserschutz. Das alles sind bekannte Notwendigkeiten. Frau Ministerin Heinen-Esser kündigte gestern im „WDR“ an:

„Wir werden Klimaanpassungsmaßnahmen deutlich verstärken müssen. Denn in diesem Jahr haben wir gesehen, dass wir tatsächlich im Klimawandel stecken.“

Für diese bahnbrechende Erkenntnis hätte die Umweltministerin nicht nach Kattowitz fahren müssen. Sie hätte sich einfach mal vor Ort die Schäden in den Städten ansehen sollen: die Schäden von Stürmen, von Überschwemmungen, von Hitzefolgen. Deswegen fordern die Städte zu Recht mehr Unterstützung vom Land.

Passiert ist leider gar nichts. Gerade mal die mickrige Summe von 1 Million Euro steht bei diesem wichtigen Thema für die Kommunen und für die Klimaanpassung im Einzelplan 10 zur Verfügung. Nach Aussage des Bundesumweltamtes müssten die Mittel von Bund und Ländern zur Klimaanpassung allerdings verzehnfacht werden, um uns darauf entsprechend vorzubereiten.

Unsere Anträge dazu haben Sie selbstverständlich abgelehnt. Ich sage Ihnen hier und heute: Reden Sie nicht nur von Klimafolgenanpassung, handeln Sie!

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch dieses Thema, Herr Löttgen, kam in Ihrer Rede nicht vor. Beim nächsten Sturm, bei der nächsten Überschwemmung sprechen wir uns wieder.

(Zurufe von Bodo Löttgen [CDU] und Christof Rasche [FDP])

Schaut man sich an, was die Menschen in unserem Land bewegt, fällt auf, dass das Thema „Klimaschutz“ und das, was man dafür tun müsste, sehr wohl bei den Bürgerinnen und Bürgern, also auch bei Ihren Wählerinnen und Wählern, angekommen ist – mehr jedenfalls als rechts und links auf den Regierungsbänken.

(Zuruf von der CDU: Schauen Sie doch mal in den Haushalt!)

Schauen Sie sich mal im Deutschlandtrend vom 3. Dezember dieses Jahres die Umfragen an!

(Bodo Löttgen [CDU]: Darum geht es – nur um Ihre Umfragen! Ausschließlich! – Zurufe von den GRÜNEN – Unruhe – Glocke)

92 % der Menschen in NRW halten den Ausbau der erneuerbaren Energien für sinnvoll und nötig. 90 % sprechen sich für strengere Umweltauflagen für die Industrie aus, und immerhin 69 % wollen einen schnelleren Kohleausstieg.

(Fortgesetzt Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der FDP)

Sogar im Land der Automobilfetischisten sagen 53 % – immerhin mehr als die Hälfte –, dass es einen schnelleren Umstieg vom Verbrennungsmotor auf Elektroantrieb geben muss.

Das, lieber Herr Laschet, sind nachweislich nicht nur Wählerinnen und Wähler der Grünen. Das sind auch Ihre Wählerinnen und Wähler. Und was liefert die CDU auf ihrem Bundesparteitag?

(Zurufe von der CDU)

Greenpeace hat gemessen: Gerade mal 2 % der Redezeit – ähnlich wie hier – haben die Kandidatin und die Kandidaten für den Bundesvorsitz auf dem Bundesparteitag der CDU für den Klimawandel verwendet. – Wie armselig und zukunftsvergessen ist das denn für eine Partei, die den Anspruch hat – Herr Laschet, Herr Löttgen –, eine Volkspartei zu sein?

(Beifall von den GRÜNEN)

Wo ist denn da die Politik für die vielbeschworene Mitte? Da hätte man meinen können – dank „Phoenix“ kann man so etwas inzwischen live und in Farbe verfolgen –, dass nach den Vorsitzendenwahlen bei der Vorstellung der Stellvertreterkandidaten mit Armin Laschet als Ministerpräsident eines großen, wichtigen Industrielandes endlich jemand kommt, der so etwas wie Mut und Tatkraft zeigt und erläutert, wie man ein Bundesland, ein Industrieland auf den Transformationsprozess vorbereitet, wie man zum Beispiel die Klimaschutzziele der Bundesregierung – nicht grüne Klimaschutzziele, sondern die der GroKo – bis 2030 umsetzen will, wenn es schon 2020 nicht gelingt.

Im Energiesektor eine CO2-Reduktion um minus 120 Millionen t von derzeit rund 300 Millionen t – Herr Löttgen, da braucht man nur einen Rechenschieber, da braucht man noch nicht mal einen Taschenrechner. Wenn Sie die Klimaschutzziele ernst nehmen, dann geht das bei uns im Rheinischen Revier nicht ohne einen Braunkohleausstieg.

(Beifall von den GRÜNEN)

Oder, Herr Laschet, Sie hätten darlegen können, wie der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor mit einer Verkehrswende gelingen kann, bevor NRW im Stau und in Luftverschmutzung erstickt oder Fahrverbote das Land lahmlegen.

Im Klimaschutzplan steht auch ein Anteil von 65 % erneuerbarer Energien am Strommix. Wie wollen Sie das denn für NRW machen? Bestimmt nicht, indem Sie hier die Windenergie verteufeln und ausbremsen.

Last but not least: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie denn im Rheinischen Revier zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen, bevor die Bagger und die Kohlemeiler stillstehen? – Da brauchen wir eine neue Leitentscheidung. Von Herrn Pinkwart hören wir nichts. Zu den Strukturfördermaßnahmen haben wir auch noch nicht viel gehört.

Man hätte meinen können – Achtung: Konjunktiv! –, dass sich Herr Laschet diesen Themen offensiv zuwendet und sie in seine Bewerbungsrede aufnimmt. Aber – man höre und staune – was kommt stattdessen? Vollmundige Bekenntnisse zur Bewahrung dessen, was ist, und ganz viel Autosuggestion, dass man die energieintensive Industrie in NRW halten will. – Ja, das ist auch richtig, aber nur mit Beschwören und einem autosuggestiven: „Das kriegen wir schon irgendwie hin“ funktioniert das nicht. Pläne, Ideen, Konzepte für unser Land – Fehlanzeige.

Dann kommt mal wieder eine durch keine Fakten belegbare, aber offenbar in bestimmten Kreisen umso beliebtere These – Achtung: Verdrängung! –, dass die Fahrverbote eigentlich gar nichts mit diesen Dieselbetrügereien zu tun haben. Die eigentlichen Verursacher – man höre und staune – sind laut Armin Laschet nicht etwa die Autokonzerne mit ihren kriminellen Machenschaften, sondern diejenigen, die geltendes Recht vor Gericht einklagen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Die Deutsche Umwelthilfe!)

Herr Laschet, so höhlt man den Rechtsstaat aus, so löst man aber keine Probleme.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben in diesem Land unabhängige Gerichte, wir haben Gewaltenteilung, Rule of Law, die Herrschaft des Rechts. Daran sind Sie als Ministerpräsident eines Landes gebunden. Als das Verwaltungsgericht Leipzig urteilte: „Fahrverbote sind zulässig“, meinten Sie lapidar: Alles Quatsch.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Bundesverwaltungsgericht!)

– Bundesverwaltungsgericht. – Alles Quatsch, was die Richter erzählen, Fahrverbote sind unverhältnismäßig.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Das ist doch gar nicht wahr!)

Sie haben danach gesagt: Das ist alles unverhältnismäßig.

(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)

Aber die deutschen Verwaltungsgerichte haben das nun mal anders gesehen als Sie, Herr Laschet, und haben wegen der Untätigkeit – auch Ihrer Politik – Fahrverbote verhängt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was passiert jetzt,

(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)

nachdem die Gerichte Ihnen sagen: „So läuft das nicht“? Was machen Sie da? – Sie fangen an, die Kläger zu beschimpfen

(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet – Lebhafte Zurufe von den GRÜNEN)

und zu diffamieren.

Der Kläger, die Deutsche Umwelthilfe, die schlicht und einfach geltendes Recht einklagt, soll nun in der Folge mundtot gemacht werden. Auf Ihrem Parteitag haben Sie nun mit sehr viel Verve nach dem Motto „Denen zeigen wir es jetzt mal!“ beschlossen, der Deutschen Umwelthilfe die öffentlichen Gelder wegzunehmen und die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Basta!

Herr Laschet, solch eine Politik nach Gutsherrenart finden wir skandalös.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Laschet, mit einer solchen Politik – indem Sie der DUH jetzt die Gelder wegnehmen – lösen Sie kein einziges der aktuellen Probleme.

Wenn Sie nur einen Bruchteil – ein klein wenig reicht schon – der Leidenschaft, die Sie bei Ihrer Rede darauf verwandt haben, die Deutsche Umwelthilfe zu beschimpfen und diejenigen zu bekämpfen, die Probleme im Land sichtbar machen, auch gegen die Verursacher, gegen die Betrügereien in der Automobilindustrie und für wirksame Lösungen für emissionsarmen Verkehr aufbringen könnten, wären wir bei der Bewältigung der Luftverschmutzung in unseren Städten schon sehr viel weiter.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube, dass die Menschen dieses billige Manöver durchschauen. Es ist meine feste Überzeugung, dass es Ihnen nicht gelingen wird, den berechtigten Zorn der betroffenen Dieselfahrerinnen und Dieselfahrer in unserem Land umzulenken – weg von den Verursachern der Probleme und von Ihrer untätigen Politik im Auftrag der Autolobby hin auf die Gerichte und die Ankläger. Gott sei Dank entscheiden in unserem Rechtsstaat immer noch die Finanzämter über die Gemeinnützigkeit und nicht der Parteitag der CDU.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Diese Regierung zeigt immer wieder ihr gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat, nicht nur im Umgang mit denjenigen, die ihre Rechte vor Gerichten einklagen, sondern auch dann, wenn ein Minister wie Herr Stamp versucht, die Gerichte auszutricksen, um Gefährder abzuschieben. Der Fall Sami A. hat im Nachhinein eines deutlich gezeigt: Der Rechtsstaat ist nicht wehrlos. Der Rechtsstaat kann rechtssichere Abschiebungen durchsetzen. Er hätte einfach die Papiere organisieren müssen, dann hätte diese Abschiebung rechtskonform vollzogen werden können.

(Beifall von den GRÜNEN –Zuruf von der FDP)

Nein, der Minister hat sich für einen anderen Weg entschieden. Er hat die Gerichte ausgetrickst. Diese Abschiebung war rechtswidrig; man hätte das Ganze auch anders lösen können.

Rechtsstaatlich bedenklich in der Causa Sami A. ist nicht nur das Verhalten von Herrn Dr. Stamp, sondern auch das des Innenministers. Ich finde es nach wie vor unerhört, Herr Reul, wenn Sie als Verfassungsminister in solch einer Angelegenheit den Richtern in unserem Land Empfehlungen aussprechen. Das steht Ihnen erstens nicht zu, und zweitens empfehlen Sie ihnen auch noch, sie sollten ein bisschen mehr auf den Stammtisch hören,

(Lachen von Minister Herbert Reul)

statt es mit den Gesetzen so genau zu nehmen.

(Minister Herbert Reul: Das habe ich so nicht gesagt!)

Herr Reul, das war eine Entgleisung!

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Minister Herbert Reul)

Das steht einem Verfassungsminister, der die Verfassung und die damit verbundene Gewaltenteilung schützen sollte, nicht zu.

Rechtsstaatlich bedenklich ist auch Ihr Vorhaben im Zusammenhang mit dem Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen, womit Sie Kläger in Sachen Tierrechten mundtot machen wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Den Verursacher wird es freuen – der Tierschutz bleibt auf der Strecke.

Der Kollege Markus Diekhoff von der FDP ist gerade nicht im Raum.

(Zuruf von der FDP: Guter Mann!)

– Guter Mann – für Sie vielleicht.

Er ließ sich in der Plenardebatte am 15. November dieses Jahres – lesen Sie das mal nach – zum Verbandsklagerecht doch tatsächlich zu der Äußerung hinreißen, dass er Tierschutzverbände nicht kriminalisiere – das war ja mein Vorwurf gegen ihn –, denn sie seien ohnehin kriminell.

(Mehrere Zuruf von den GRÜNEN: Unglaublich!)

Welch ungeheure Entgleisung einer demokratischen Fraktion in diesem Haus.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Guter Mann!)

Nein, liebe FDP-Kolleginnen und -Kollegen – diejenigen, die Tiere quälen,

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

sind kriminell, und nicht diejenigen, die so etwas vor einem deutschen Gericht anprangern.

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP)

Das unterscheidet uns offenbar fundamental von der FDP.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP] – Unruhe – Glocke)

Es ist gut, dass dieser Unterschied hier in diesem Haus einmal deutlich geworden ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Heute wird in der Debatte noch einmal deutlich werden, dass Ihnen Tierleid und Tierschutz nicht gerade eine Herzensangelegenheit ist. Deswegen braucht es die Grünen, um dieses Thema hier im Landtag überhaupt auf die Tagesordnung zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Neben dem Klagerecht für Tierschutzverbände

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

werden unter der Amtsführung der neuen Umweltministerin fleißig weiter ökologische Standards rückabgewickelt. Die Umweltpolitik spielte auch in den vorhergehenden Reden gar keine Rolle.

Das Jagdrecht wird ohne Beteiligung der Tier- und Naturschutzverbände, dafür aber mit Übernahme eigentlich aller Forderungen des Landesjagdverbandes auf den Weg gebracht. Jagdmethoden, die Tiere unnötig leiden lassen – egal –, werden wieder zugelassen. Die Liste der jagdbaren Tierarten, darunter auch gefährdete Tierarten, wird wieder ausgeweitet, usw. usf. Auch hier geht es um Tierschutz und um ein ökologisches Jagdrecht, das von Ihnen rückabgewickelt wird.

Auf Bundesebene streitet die Umweltministerin als Vorsitzende der Umweltministerkonferenz sogar weiter für die betäubungslose Kastration männlicher Ferkel, obwohl es tierschutzgerechte alternative Methoden gäbe. Eine Rückabwicklung von ökologischen Standards – unter dem Mantra der Entfesselungsideologie – gibt es auch beim Landesentwicklungsplan und beim Landesplanungsgesetz: mehr Flächenversiegelung statt Naturschutz, dafür weniger Freiflächenschutz, weniger Naturschutz.

Statt Planungssicherheit für Investoren bei Windenergieanlagen schüren Sie die Verunsicherung bei denjenigen, die mit Bürgerparks in die Zukunft investieren und zukunftsfähige Arbeitsplätze in diesem Land schaffen wollen. Zudem erleichtern Sie die Massentierhaltung durch vereinfachte Errichtung von agrarindustriellen Anlagen im Außenbereich usw. usf.

Diese Politik der neuen Umweltministerin knüpft nahtlos an die Politik der Vorgängerin an. Sie richtet sich gegen Naturschutz, gegen Tierschutz und gegen den Gesundheitsschutz von Tier und Mensch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mit dieser Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, bekommen Sie vielleicht Zustimmung von den einschlägigen Lobbyisten beim Landesjagdverband und anderen, aber ganz sicher werden Sie mit dieser Politik nicht die vielbeschworene Mitte der Gesellschaft erreichen.

Wenn es für die Zukunft unseres Landes nicht so schlimm wäre, könnten wir Grünen uns eigentlich über diese Politik freuen. Denn, Herr Laschet, so bekommen Sie sicherlich nicht diejenigen Wählerinnen und Wähler zurück, die von Ihnen zu den Grünen abgewandert sind, und die Sie gerne zurückgewinnen wollen. Ihre Politik passt diesen Wählern nicht mehr.

(Beifall von den GRÜNEN)

„NRW braucht Geld statt Bildungs-Kleinstaaterei“ – so betitelt die „WZ“ am 5. Dezember dieses Jahres einen Kommentar von Ulli Tückmantel. Hierin führt er aus, dass Lehrer weder dienstliche E-Mail-Adressen hätten noch Geräte, auf denen sie ihre E-Mails lesen könnten. Die Kinder würden noch immer nicht aktualisierbare Schulbücher zum dreifachen Preis eines E-Books schleppen.

Dann fragt sich der Kommentator – wie ich finde zu Recht –, wie der Ministerpräsident zu der verwegenen Annahme komme, in NRW hielten Eltern, Lehrer und Schüler ausgerechnet die Schulpolitik für das geeignete Feld, um den deutschen Föderalismus zu verteidigen und damit die Mittel für den Digitalpakt zu gefährden.

Das fragen wir uns auch; denn, Herr Laschet, das ist keine Politik, die im Interesse des Landes für eine gute Schule und gute Bildung handelt.

Das sind Machtspiele, die Sie in Berlin und im Bundesrat auf Kosten und auf dem Rücken unserer Kinder austragen.

Das ist auch nicht der Untergang des Bildungsföderalismus. Wir befinden uns da in guter Gesellschaft mit Herrn Lindner, der das ebenfalls sagt. – Wider besseres Wissen behaupten Sie hier, dass damit die Einheitsschule, diktiert von den bösen Bundespolitikern, auf den Weg gebracht würde. Das ist nachweislich falsch. Es geht um gute Bildung; es geht um mehr Geld für unsere Schulen – und Sie blockieren diese Maßnahmen.

(Beifall von den GRÜNEN – Norwich Rüße [GRÜNE]: Genau, richtig!)

Dabei hat doch die FDP – die Schulministerin ist nicht da – noch unter Herrn Lindner offenbar etwas ganz Vernünftiges in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. In Ihrem Koalitionsvertrag steht nämlich – vielleicht sollten Sie da einmal in der Woche reinschauen; dann würde Ihre Politik sicher etwas anders aussehen –,

(Zuruf von der FDP)

dass es für eine gute Bildung einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung – wahrscheinlich ist das von Ihnen von der FDP gekommen – mit – Achtung! –

(Zuruf von der FDP)

neuen Kooperationsmöglichkeiten – und jetzt kommt’s – auch unter Einbeziehung des Bundes bedarf. Genau das ist mit dem Digitalpakt passiert, und ich frage mich, warum Sie das blockieren. Das können Sie ja gleich ausführen.

(Beifall von den GRÜNEN – Ministerpräsident Armin Laschet: Da fragen Sie mal Herrn Kretschmann, der versteht was davon!)

– Leider haben wir es in den letzten Jahren nicht geschafft, auch Herrn Kretschmann davon zu überzeugen. Das schmälert aber nicht unsere Kritik an Ihrer Politik.

Der Koalitionsvertrag ist nicht nur hier mehr Schein als Sein und hält einem Realitätscheck nicht stand. Man sollte da wirklich ab und zu mal reinschauen.

Herr Lienenkämper, Sie heißen ja neuerdings – so las ich heute Morgen im „WDR online“ – Lucky Lutz. Also, bei Lucky Lutz unterm Weihnachtsbaum liegen viele bunte Päckchen, und da ist eigentlich für jeden etwas dabei. Heute wird dann auch jeder mit einem netten Geschenk in seinen Wahlkreis gehen, das er vor Ort – wahrscheinlich mit einem schönen Foto – überreichen kann. Der Finanzminister ist da sehr großzügig.

Was er allerdings nicht hat, ist ein Plan, wie man dieses Land in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen und niedriger Zinsen für die Zukunft aufstellt; denn es gilt der Satz – auch der wurde, glaube ich, mal von Herrn Lindner gesagt; es war ja nicht alles falsch, was er hier gesagt hat –, Herr Lienenkämper: Ein Haushalt wird nicht in Krisenzeiten ruiniert.

(Zuruf)

Richtig ruinös ist jedoch, was Sie hier machen. Nehmen wir uns noch einmal die Zahlen vor. Seit dem letzten rot-grünen Haushalt 2017 hatten Sie Steuermehreinnahmen von 6,4 Milliarden Euro und gleichzeitig geringere Ausgaben im Haushaltsvollzug – Sie hatten jedes Jahr ordentlich Geld übrig – von über 1 Milliarde Euro. Sie aber bringen es im Jahr 2019, dem Jahr mit den höchsten Steuereinnahmen ever – weit über 60 Millionen Euro; das hat es in NRW noch nie gegeben –, gleichzeitig aber auch dem Jahr mit dem höchsten Schuldenstand, den es in NRW je gab, tatsächlich auf mickrige 31 Millionen Euro Schuldenabbau.

Das muss man erst mal schaffen! Das sind 1,73 Euro pro Einwohner. Ziehen wir einen Vergleich mit Berlin und dem Saarland – nicht gerade reiche Länder –: In Berlin beträgt der Schuldenabbau 279 Euro pro Einwohner, und das Saarland schafft es auf 80 Euro. Sie schaffen gerade einmal 1,73 Euro bzw. 0,4 % des Haushaltsvolumens.

Herr Lienenkämper, das ist nicht genug! Wenn in Zeiten von sprudelnden Steuereinnahmen so wenig in die Konsolidierung geht, ist das das Gegenteil von dem, was Herr Laschet in seiner letzten Haushaltsrede vor Regierungsübernahme noch angekündigt hat. Da hat er noch von einem Drittel gesprochen – und ein Drittel von 6,4 Milliarden Euro wären weit über 2 Milliarden Euro und nicht lediglich 31 Millionen Euro.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Offenbar herrscht also auch hier eine Totalamnesie. Das gilt übrigens nicht nur im Hinblick auf den nötigen Schuldenabbau.

Sie vernachlässigen darüber hinaus auch dringend nötige Investitionen in die Infrastruktur. Und auch hier ist ein Umdenken nicht in Sicht. Schaut man in die mittelfristige Finanzplanung, stellt man fest, dass die Investitionsquote sogar noch sinkt. Angesichts dessen, was alles mit reingerechnet wird, wird da auch viel schöngetrickst; ich nenne als Beispiel die Zuführungen zum Sondervermögen für die Risiken WestLB. Die werden auch unter Investitionskosten verrechnet. Das fließt schon mal nicht in die nötige Infrastruktur.

Gleichzeitig schaffen Sie aber auch wieder Rekorde, nämlich Rekorde bei den Personalausgaben für die Ministerien – über 450 Stellen, ohne zu sagen, wie das wieder bereinigt wird.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Unfassbar!)

Sie ignorieren alle Warnungen der führenden Wirtschaftsinstitute. Heute Morgen konnte man es wieder in den Zeitungen nachlesen: Die fetten Jahre sind vorbei. Der Steuersegen wird langsam nachlassen. Die Wirtschaftsdaten gehen zurück. – Und Sie verpassen gerade den Zeitpunkt für eine ganz wesentliche Maßnahme, die jetzt greifen muss, wo die Zinsen noch niedrig sind und das Wirtschaftswachstum noch anhält: den Kommunen dabei zu helfen, mit einem Altschuldenfonds aus der Schuldenfalle herauszukommen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt wäre die Zeit dafür. Aber auch diesen Zeitpunkt werden Sie verpassen.

Apropos Kommunen: Unter diesem schönen Weihnachtsbaum von Herrn Lienenkämper liegen aber auch Geschenke, die die Beschenkten selber bezahlen müssen. Die so sehr gerühmte Weiterleitung der Integrationspauschale

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Taschenspielertricks!)

wird – man höre und staune – von den Kommunen selbst bezahlt; denn sie bekommen dafür nicht die von Ihnen versprochenen Mehrzuweisungen für die Flüchtlingsaufnahme, weil die Kosten höher sind.

(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Das ist doch Unsinn!)

Sie haben aber versprochen, dass alle Kosten für die Flüchtlingsaufnahme bezahlt werden.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Herr Laschet, es war noch Rot-Grün, die in einer Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden gesagt haben: Wir machen eine Ist-Berechnung. – Jetzt liegt das Gutachten vor. Wie viel kostet denn die Flüchtlingsunterbringung? Die Ist-Berechnung zeigt, dass sie weit höher liegt als die 10.000 Euro, die derzeit gerechnet werden.

Ich mache hier gar nicht unbedingt Herrn Lienenkämper verantwortlich, der genau das Geld im Haushalt eingestellt hat, damit die Kommunen auch diese erhöhten Kosten bezahlt bekommen. Genau die 332 Millionen Euro, die Herr Lienenkämper für die Maßnahmen, die Sie versprochen haben, vorgesehen hat, werden von den Fraktionen wieder rausgekürzt, um diese Integrationspauschale weiterleiten zu können. Das ist ein Taschenspielertrick, und damit veräppeln Sie die Kommunen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist kein Geschenk, sondern das ist Veräppelung. Ich muss vorsichtig sein und darf das nicht noch schärfer formulieren; sonst würde ich wahrscheinlich eine Rüge bekommen.

Das sind Ihre eigenen Ansprüche, an denen Sie in der Haushaltspolitik immer wieder scheitern. Die Redezeit ist auch viel zu kurz, um all das aufzuzählen, was Sie hier versprochen haben, im Rahmen Ihrer Haushaltspolitik heute aber nicht einhalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte das nicht überstrapazieren. Schließlich haben wir es bereits in der ersten Lesung und in der zweiten Lesung alles ausgeführt.

Christian Lindner ist in der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages ja in seiner Lieblingsrolle als ewiger Oppositionsführer und kann da immer schön schwadronieren.

(Marc Lürbke [FDP]: Fünf Mal schon! – Dietmar Brockes [FDP]: Das ist schon das fünfte Mal in Ihrer Rede, dass Sie sich auf ihn beziehen!)

Diesmal aber hat er dort aber etwas Richtiges gesagt. Am 12.09.2018 sagte er in der ersten Lesung des Bundeshaushaltes in Richtung der Bundesregierung – hören Sie genau zu –:

„Nachhaltige Haushaltspolitik haben Sie falsch verstanden und unsere Verfassung auch.“

Jetzt folgt der weltbewegende Satz:

„Es gibt keine Pflicht, alles Geld auch wirklich auszugeben. Das ist nicht verantwortliche Finanzpolitik.“

Herr Lürbke, genau das machen Sie aber hier. Sie geben einfach alles Geld aus.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Und dann noch falsch!)

Das hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Weiter sagt er:

„Niemals wäre es leichter, dass sich unser Land neu erfindet. Nichts aber passiert. … Es wäre möglich, alte Schulden zu tilgen und das Risiko steigender Zinsen zu minimieren, wenn jetzt nicht benötigte Rücklagen und Sondervermögen aufgelöst würden.“

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

In der zweiten Lesung wirft er der Bundesregierung dann zu Recht die hohen konsumtiven Ausgaben und zu wenig Investitionen vor – das habe ich im Übrigen gerade auch getan – und benutzt dazu ein schönes Bild. Er spricht die Regierung an und sagt:

„Sie schaffen Ansprüche, die den Etat zukünftig strangulieren werden, Frau Bundeskanzlerin. Das ist mit Blick auf die weitere Entwicklung gefährlich.“

Es ist wirklich nicht alles schlecht, was Herr Lindner von sich gibt.

(Dietmar Brockes [FDP]: Das ist immerhin besser als das, was Herr Hofreiter macht!)

Ersetze „Frau Bundeskanzlerin“ durch „Herr Ministerpräsident“; dann stimmt die Sache. Sie halten sich aber nicht an diese Politikvorgaben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Sie haben einmal mehr bewiesen: In dem Moment, in dem Sie die Regierungsverantwortung haben – ich denke hier an die schönen Oppositionsblasen, die Herr Lindner immer wieder von sich gegeben hat; er hat sich ja schnell vom Acker gemacht –,

(Lachen von Dietmar Brockes [FDP])

entwickeln Sie sich zu dem zurück, was Sie schon immer waren, nämlich zu einer Funktionspartei und zu einem Mehrheitsbeschaffer, der seine eigenen Ansprüche im Übrigen nicht nur im Bereich der Bürgerrechte, sondern auch in der Haushalts- und Finanzpolitik komplett wieder einkassiert und vergisst.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mein Fazit lautet daher: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat keine Antworten auf die entscheidende große Herausforderung der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts.

Wie kann eine Dekarbonisierungsstrategie, eine Strategie ohne Kohleverstromung, für NRW und unsere Industriegesellschaft ohne soziale Brüche und ohne Deindustrialisierung gelingen? Herr Laschet wird gleich auch noch sprechen. Aber ich befürchte und bin mir fast sicher, dass er die Antworten darauf auch heute wieder schuldig bleiben wird. Das ist das größte Problem, Herr Laschet, das wir mit Ihrer Regierung haben.

Auf der bundespolitischen Bühne ist der Ministerpräsident wohl eher für eine parteipolitische Profilierung, nicht aber unbedingt für die Interessen unseres Landes unterwegs.

Zur Vermeidung von Fahrverboten haben Sie nichts Wirksames – zum Beispiel eine verpflichtende Hardware-Nachrüstung – erreicht. Sie zeigen keine klare Kante gegenüber der Autolobby für die Vermeidung von Fahrverboten. Stattdessen gibt es Beschimpfungen von Umweltorganisationen, die Rechte einklagen.

Wenn es Geld für Bildung gibt, lehnen Sie dankend ab, um sich als föderaler Fürst aufzuspielen.

Sie verhindern im Bundesrat Lösungen, mit denen beispielsweise erreicht werden könnte, Tihange vom Netz zu nehmen –

(Ministerpräsident Armin Laschet: Lesen Sie unseren Antrag! Kennen Sie unseren Antrag?)

Stichwort „Brennelementelieferung aus Deutschland“.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Kennen Sie unseren Antrag?)

Dazu lag ein guter Antrag aus Baden-Württemberg vor. Sie verstehen sich doch so gut mit Herrn Kretschmann. Warum haben Sie diesen Antrag nicht mitgetragen?

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn in dem Moment, in dem es keine Brennelemente mehr aus Deutschland gibt, ist dieser Reaktor ganz schnell vom Netz.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Nein, nein!)

Diese Politik würde mehr bringen, als nach Belgien zu fahren, schöne Fotos zu machen und ohne irgendetwas wieder nach Hause zu kommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auf Bundesebene sehen wir auch noch keine Erfolge von Ihnen, zum Beispiel dahin gehend, dass Sie Strukturmittel für das Rheinische Revier und im Übrigen auch für das Ruhrgebiet akquirieren konnten. Ich fürchte für Sie, Herr Laschet, dass mit einer solchen Politik wahrscheinlich auch die Kanzlerkandidatur nicht in Sicht ist.

(Zurufe von den Grünen: Oh!)

Wir warten wahrscheinlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf die Einhaltung der Versprechen aus Ihrem Koalitionsvertrag bezüglich einer nachhaltigen Finanzpolitik.

Herr Lienenkämper, die heute vernachlässigten Investitionen sind Ihre Schulden von morgen. Dieser Politik werden wir uns entgegenstellen und diesen Haushalt ablehnen. – Danke schön.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Düker. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Rasche das Wort.

Christof Rasche (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank an die Kollegen der Grünen für den aufmunternden Beifall, den ich gerade erhalten habe.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Stefan Zimkeit [SPD]: Die eigene Fraktion klatscht nicht!)

– Vielleicht klatscht meine Fraktion hinterher – und die Grünen nicht. Dann hätte ich mein Ziel erreicht.

(Beifall von der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Das sind aber bescheidene Ziele!)

Ich möchte zunächst auf die bemerkenswerte Rede der lieben Kollegin Monika Düker eingehen, die gezeigt hat, wie die Mentalität bei den Grünen, die zumindest umfragemäßig gerade auf einer Erfolgswelle schweben, aussieht. Diese Mentalität ist eigentlich nur, gegen alles in Deutschland und auf dieser Welt zu sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich möchte nur fünf Beispiele nennen.

Frau Düker hat gesagt, die Grünen seien die Partei für Tierschutz. Was ist denn eigentlich mit den Dutzenden und Hunderten von Schafen, die in Nordrhein-Westfalen ausschließlich wegen grüner Politik gerissen werden? Was ist denn mit diesen Tieren? Sind die Ihnen völlig egal?

(Beifall von der FDP)

Was bedeutet für Sie eigentlich Tierschutz? Sie suggerieren den Menschen in Nordrhein-Westfalen, Sie hätten Mitleid mit diesen Tieren. Das Gegenteil ist der Fall. Sie sorgen dafür, dass sie gerissen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Viele Menschen in Nordrhein-Westfalen wünschen sich einen differenzierten Umgang mit Flüchtlingen und mit Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen. Aber in einem sind sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen einig: Sie wollen, dass Gefährder definitiv und schnell abgeschoben werden. Auch dagegen sind die Grünen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dass Sie gegen Kohle, gegen Mobilität, gegen Infrastruktur und gegen den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen sind, ist alles längst bekannt. Deswegen wurden Sie vor 18 Monaten abgewählt. Aber diese anderen Punkte, nämlich „Gefährder“ und „Tierschutz“, kommen noch hinzu.

Sie empfehlen dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen auch, was er denn in Zukunft werden kann und was nicht. Die Grünen suggerieren, eine neue politische Instanz zu sein.

Ich glaube, Sie sind ein Stück weit überheblich geworden. Sie sollten mal wieder den Boden unter den Füßen erreichen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die erste Rede im Hohen Haus hat heute Morgen der Kollege Thomas Kutschaty gehalten. Er hat den Ministerpräsidenten beschrieben als einen eitlen Menschen, der von Eitelkeiten geprägt ist. Sie haben hinterher auch noch erklärt, was „Eitelkeiten“ denn bedeutet.

Nach Auffassung der FDP-Fraktion haben Sie jegliches Maß verloren. Das spricht für die alte Arroganz mancher Kollegen der SPD.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vier Punkte möchte ich aus Ihrer Rede insgesamt ansprechen und jetzt zu dem zweiten Punkt kommen, nämlich der Barrierefreiheit im Wohnungsbau. Sie haben den Leuten suggeriert, die Koalition aus FDP und CDU sei gegen Barrierefreiheit. Sie wissen doch ganz genau, dass das nicht der Fall ist.

Sie haben doch die langen Streitigkeiten des Kollegen Groschek und der Kollegin Steffens im damaligen Kabinett mitbekommen und gesehen, wie sie sich angegiftet haben, weil der Kollege Groschek gesagt hat: Wir brauchen in Nordrhein-Westfalen bezahlbaren Wohnraum. Aber wenn wir die Standards zu weit oben aufhängen, sind die Wohnungen nicht mehr bezahlbar. Deswegen wird in Nordrhein-Westfalen auch nicht mehr in Wohnungen investiert.

Nach einem Prozess von langen Monaten hat es dann einen Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern von SPD und Grünen gegeben,

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Die Landesbauordnung ist bis heute noch nicht in Kraft!)

den Herr Groschek mit aller Macht erkämpft hat. Im Grunde genommen hat er genau die gleiche Position vertreten, die CDU und FDP bezüglich der Barrierefreiheit im Wohnungsbau vertreten.

Sie haben sich damals über die Grünen aufgeregt und greifen uns heute an, weil wir Ihre eigene Politik umsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.

(Britta Altenkamp [SPD]: Ihr setzt gar nichts um! Das ist das Problem!)

So sorgen wir auf der einen Seite für sinnvolle Barrierefreiheit und auf der anderen Seite für angemessenen Wohnraum. Das ist eine rationale Wohnungsbaupolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben gerade die Rückabwicklung der Privatisierung der LEG gefordert. Sie waren selbst im Kabinett: Sie hätten das sieben Jahre lang tun können. Das haben Sie aber nicht gemacht, weil auch Sie zwei Dinge ganz genau wissen.

Was das Erste angeht, bin ich mit Ihnen einverstanden. Auch mich überzeugen nicht alle privaten Player auf dem Wohnungsmarkt. Einige Geschäftsmodelle kann ich nicht richtig verstehen.

Aber – das ist das Zweite – die LEG ist in Nordrhein-Westfalen und mittlerweile in ganz Deutschland wirklich das Erfolgsmodell auf dem Wohnungsmarkt schlechthin. Deshalb haben Sie in Ihrer Regierungszeit dieses Erfolgsmodell natürlich nicht rückabgewickelt, sondern es sogar unterstützt.

Heute sind das nur Phrasen, um irgendwie irgendwelche Wählerschichten zurückzugewinnen. Mit einer unseriösen Politik wird Ihnen das aber nicht gelingen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dritter Punkt: Zum Thema „Stichwahl“ wurde ich direkt angesprochen. Die FDP-Fraktion hat sich natürlich die Kommunalwahl 2014 genau angesehen. Wir haben uns in jeder Stadt angeschaut, wie hoch denn die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang und im zweiten Wahlgang war. Kollege Löttgen hat Ihnen das vorhin schon vorgestellt. Daraufhin haben wir den gesamten Sachverhalt noch einmal neu bewertet.

Natürlich ist die FDP-Landtagsfraktion nicht beratungsresistent. Wenn sich neue Fakten und neue Daten ergeben, werden wir das beobachten und sind auch bereit, zu vernünftigen Entscheidungen zu kommen und alte Entscheidungen selbstverständlich zu überdenken. Das machen Sie doch auch.

Aber eines kann ich Ihnen für diese FDP-Landtagsfraktion versichern: Meine Kolleginnen und Kollegen haben nur einen Grund, zu handeln und zu überlegen, nämlich ihre eigene innere Überzeugung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vierter und letzter Punkt zu Herrn Kutschaty: Sie sprachen mich und die FDP an und sagten, wir müssten aufpassen, als Koalitionspartner nicht unterzugehen, weil wir von unserem Koalitionspartner vielleicht nicht angemessen behandelt würden.

Herr Kutschaty, ich kann gut verstehen, dass Sie das ansprechen. Denn Sie haben das ja sieben Jahre lang erlebt. Sieben Jahre lang sind Sie an den Kollegen der Grünen gescheitert,

(Beifall von der FDP und der CDU)

weil die Ministerpräsidentin am Ende immer die Minister der Grünen gedeckt hat und nie die Minister der SPD.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das ist zu viel der Ehre!)

Für die SPD kam dann noch die Krux hinzu, dass die eigentlichen Stammwähler der SPD abgewandert sind und andere Parteien gewählt haben, weil sie die Politik von Remmel und Löhrmann nicht mehr wollten. Die Grünen haben sie auch nicht gewählt; die hatten ein miserables Ergebnis. Aber weil die SPD eine Remmel-und-Löhrmann-Politik gemacht hat, haben sie die SPD verlassen. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von Arndt Klocke [GRÜNE] und Thomas Kutschaty [SPD])

Ich habe eben schon gesagt, dass die FDP beim Thema „Stichwahl“ lernfähig ist. In diesem Fall haben wir sogar – ich gebe zu: das sind immer nur Einzelfälle – von den Kollegen der SPD gelernt. Machen Sie sich also keine Sorgen um diese FDP-Landtagsfraktion.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Erzähl doch mal, was ihr machen wollt!)

Wir werden gegenüber unserem Koalitionspartner auch in der öffentlichen Wahrnehmung niemals untergehen.

Ein Beispiel dafür, wie wir als CDU und FDP mit den Ministerinnen und Ministern reibungslos zusammenarbeiten, ist das Polizeigesetz. Was wurden wir noch bei der Einbringung ein Stück weit kritisiert, das ginge nicht wirklich in die richtige Richtung!

(Stefan Zimkeit [SPD]: Von Burkhard Hirsch!)

Ich habe Ihnen schon damals versprochen: Wir werden am Ende ein Papier auf den Tisch legen, das für viele zustimmungsfähig ist.

Herr Zimkeit, Sie haben recht: Wir sind auch von Burkhard Hirsch kritisiert worden.

Wo machen Sie sich denn noch Sorgen, dass diese FDP-Landtagsfraktion nicht stattfindet, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Jetzt sind schon neun Minuten um. Nach neun Minuten für die Kollegin Düker und den Kollegen Kutschaty komme ich nun zu dem eigentlichen Thema, dem Haushalt 2019.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das wird auch mal Zeit! – Gegenruf von Bodo Löttgen [CDU])

– Ich kann mir gut vorstellen, Herr Klocke, dass das aus Ihrer Sicht Zeit wird.

Die dritte Lesung ist immer auch eine Gelegenheit, zum Jahresende Bilanz zu ziehen. Das Jahr 2018 war für Nordrhein-Westfalen ein gutes Jahr.

Wir haben Entfesselungspakete auf den Weg gebracht, die allseits gelobt werden – übrigens nicht nur von mit CDU und FDP befreundeten Verbänden, sondern auch von Betriebsräten und Gewerkschaften.

Wir haben G9 nach vorne gebracht.

Wir haben Talentschulen auf den Weg gebracht – mit einem Zuspruch, mit einem Interesse, das wir nie erwartet hätten.

Wir haben das Schulfach Wirtschaft auf den Weg gebracht.

Wir stärken die innere Sicherheit.

Wir gehen konsequent gegen Gefährder vor.

Wir nehmen richtig Tempo bei der Digitalisierung auf.

Und wir machen eine ganz solide Haushaltspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Nordrhein-Westfalen kann also mit Stolz auf das Jahr 2018 zurückblicken. Das war ein Jahr des Fortschritts. Genau in diesem Stil wird diese Regierung auch im Jahr 2019 weitermachen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Früher war die Politik einer Koalition von Konflikten geprägt; das war bei Rot-Grün der Fall. Heute ist es so, dass die neue Koalition von CDU und FDP nach Lösungen sucht und Lösungen findet – übrigens Lösungen, die erstens bei den Menschen ankommen und zweitens Nordrhein-Westfalen stark machen und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen.

Dieser gesellschaftliche Zusammenhalt ist der Koalition und auch mir persönlich sehr wichtig – gerade in Zeiten, in denen immer von einer Spaltung die Rede ist. Wir erleben Spaltungen in den USA und in vielen anderen Ländern.

Übrigens: Der Vorsitzende der NRW-SPD, Sebastian Hartmann, der heute schon mehrfach bemüht wurde, sprach sogar von einer Spaltung der CDU mit Blick auf das Wahlergebnis der neuen Bundesvorsitzenden – weit übertrieben und nicht richtig nachgedacht. Wie knapp sah denn das Wahlergebnis von Herrn Kutschaty bei der Wahl des Vorsitzenden der SPD-Fraktion aus? Knappe Wahlergebnisse sind also nicht immer etwas Schlechtes. Man muss nur aufpassen, wenn man einen anderen kritisiert und selber im Glashaus sitzt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir erleben aber auch viele weitere Spaltereien der SPD – in der Energiepolitik hier Schulze, da Kutschaty; dann Kutschaty immer wieder gegen Hartmann, also sogar innerhalb von Nordrhein-Westfalen; dann die NRW-SPD gegen Andrea Nahles.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ist das langweilig! – Gegenruf Henning Höne [FDP]: Gehen Sie doch raus!)

Der Politikansatz dieser Koalition ist ein anderer. Wir suchen nach gemeinsamen Lösungen. Diese gemeinsamen Lösungen finden sich auch im gesamten Haushalt des Jahres 2019 wieder: generationengerechte Haushaltspolitik, aber verbunden mit klugen Zukunftsinvestitionen, sozialer Ausgleich mit guten Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung, eine Ergänzung und kein Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie sowie unser Ansatz der Verbindung von Freiheit und Sicherheit.

Viele Menschen haben uns gesagt, Freiheit und Sicherheit könne man gar nicht miteinander verbinden; das sei ein Widerspruch. Das Gegenteil ist der Fall. Beides ist voneinander abhängig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir sorgen für eine generationengerechte Haushaltspolitik mit klugen Zukunftsinvestitionen und Entlastungen – also nicht mehr Schulden machen, wie das hier jahrelang der Fall war, sondern sogar Schulden tilgen und, wie sich das für einen guten Kaufmann gehört, mit den Einnahmen, die man jährlich hat, am Jahresende auch auskommen. Das ist die solide Finanzpolitik dieser Koalition.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist übrigens auch die gerechte Politik mit Blick auf Generationengerechtigkeit.

Generationengerechtigkeit hat im Wahlprogramm der SPD noch niemals stattgefunden. Ansonsten könnten Sie heute nicht wieder alles versprechen, was Wählerinnen und Wähler gerne hören wollen: Straßenbaubeiträge, diese kommunale Aufgabe, soll mal eben das Land übernehmen – ohne Wenn und Aber, ohne Gegenfinanzierung. Lehrerbesoldung soll mal eben über den Landeshaushalt gelöst werden – ohne Gegenfinanzierung. Ich könnte noch viele andere Beispiele nennen.

(Zuruf von der CDU)

– Ja, genau.

Sie müssen sich selber überlegen, ob Sie die Wählerinnen und Wähler in Nordrhein-Westfalen mit so einer widersprüchlichen und unseriösen Finanzpolitik zurückgewinnen können.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich habe da eine Ahnung: Das wird Ihnen nicht gelingen. Doch Sie werden es selbst erleben. Ich kann Ihnen nur empfehlen – ich habe ja heute Morgen auch schon Ratschläge bekommen –, sich vielleicht noch einmal zu überlegen, ob diese Strategie so klug ist.

Wir geben die Integrationspauschale eins zu eins weiter.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Taschenspielertricks!)

Viele von Ihnen haben nicht erwartet, dass wir diesen Schritt zur dritten Lesung vollziehen. Zur ersten Lesung haben wir das noch nicht getan. Aber die kommunale Familie erhält in Nordrhein-Westfalen so viel Geld, wie sie noch niemals in der Geschichte des Landes erhalten hat.

(Beifall von der FDP und der CDU – Ralf Witzel [FDP]: So ist es!)

Noch nie standen die Kommunen in Nordrhein-Westfalen finanziell so gut da wie im Haushaltsjahr 2019, liebe Kolleginnen und Kollegen. Jeder dritte Euro des Landeshaushalts geht an die Kommunen. Das spricht für sich.

Wir haben uns auch für die Verdoppelung des Dorferneuerungsprogramms eingesetzt. Stephen Paul, unser baupolitischer Sprecher, hat sich auch dafür eingesetzt. Da passiert vor Ort richtig etwas – gerade in den kleinen Kommunen und nicht nur in Ihren großen Städten an Rhein und Ruhr, für die wir auch sorgen und die dafür dankbar sind. Aber auch in ländlichen Regionen kann man über dieses Programm gut investieren und Bürgerengagement belohnen. Deswegen war es genau richtig, diesen Betrag zu verdoppeln.

Wir investieren in Zukunft. Zukunft heißt für mich in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen Bildung. Wir investieren richtig in Bildung. 19 Milliarden Euro des Landeshaushalts gehen dort hinein.

Wie ich eben schon gesagt habe, ist der Zuspruch für die Talentschulen enorm.

(Marlies Stotz [SPD]: 60 %! Ein Tautropfen!)

Damit hat doch kein Mensch gerechnet – Sie am allerwenigsten. Dass Sie das Thema trotzdem schlechtreden, ist ja Ihrer Oppositionsrolle geschuldet. Manchmal wäre es auch seriös, gute Geschichten, gerade für das Ruhrgebiet, auch einmal zu loben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir haben mit Yvonne Gebauer eine Schulministerin in Nordrhein-Westfalen, die sich in fast allen Bereichen von den Vorgängerinnen unterscheidet: inhaltlich, konstruktiv, bringt etwas auf den Weg, bindet die unterschiedlichen Gruppen ein. Wissen Sie, wozu das führt? Das ist eben der große Unterschied. Die Schulministerinnen vorher waren alle unbeliebt. Jetzt gibt es auf einmal eine beliebte Schulministerin in Nordrhein-Westfalen.

(Lachen von Marlies Stotz [SPD])

Wenn das keinen Beifall wert ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, was sonst?

(Beifall von der FDP und der CDU – Stefan Zimkeit [SPD]: Er muss ansagen, wenn geklatscht werden soll!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen, dass Inklusion tatsächlich umgesetzt wird, und haben deswegen einen völlig anderen Ansatz gewählt. Wir haben in Nordrhein-Westfalen die besten Förderschulen der Welt. Es war eine völlig verrückte Idee, dass die alte Regierung einen Plan erarbeitet hat, nach dem alle Förderschulen in Nordrhein-Westfalen aufzulösen sind. Völlig verrückt!

(Marlies Stotz [SPD]: Das hat doch niemand gesagt! – Stefan Zimkeit [SPD]: Sie wissen doch, dass das nicht wahr ist! – Marlies Stotz [SPD]: Unterstellung! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Das ist Unfug, das ist Unfug, das ist Unfug! Das ist Quatsch!)

Wir sorgen dafür, dass es flächendeckend in Nordrhein-Westfalen weiterhin ein Angebot an Förderschulen gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, wenn Sie uns nicht glauben, dann glauben Sie doch einfach den Wählerinnen und Wählern. Denn die haben darüber abgestimmt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir haben im Haushaltsjahr 2018 für gut 300 Stellen im Bereich der multiprofessionellen Teams gesorgt und werden im kommenden Haushaltsjahr für weitere fast 300 Stellen in diesem Bereich sorgen. Das kommt sehr gut an. Auch hier gibt es also fast eine Verdoppelung.

Wir führen nach einem klaren Konzept das Schulfach Wirtschaft ein.

(Marlies Stotz [SPD]: Das wollen alle!)

Das stieß bei der SPD natürlich auch auf riesige Kritik. Die Kollegen der SPD fragen sich: Was will ein normaler Mensch in Nordrhein-Westfalen mit ökonomischem Sachverstand?

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das ist Schule!)

Wir sind der Auffassung, dass für das ganz normale alltägliche Leben dieser ökonomische Sachverstand fast lebenswichtig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. Er ist notwendig, um das eigene Leben aufzubauen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Digitalisierung in den Schulen stellt uns vor eine ganz besondere Herausforderung. Wir sind uns sicher, dass Land und Kommunen das nicht alleine schaffen. Heute wurde von der Opposition sogar unser Koalitionsvertrag zitiert, in dem es darum geht, wie sich der Bund im Bereich der Bildung auch bei der Finanzierung und aus Sicht der FDP gerne auch im Bereich Qualität in Zukunft beteiligen soll.

Wir brauchen diese 1 Milliarde Euro für Nordrhein-Westfalen aus dem Digitalpakt schnell. Sie ist notwendig. Wir sind uns auch sicher, dass diese 1 Milliarde Euro für NRW und die 5 Milliarden Euro bundesweit schon in absehbarer Zeit nicht ausreichen werden. Wir werden noch mehr Geld vom Bund benötigen, um diese gewaltige Aufgabe in allen Bundesländern, aber auch in Nordrhein-Westfalen stemmen zu können.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Auf der anderen Seite hat der Deutsche Bundestag dafür gesorgt, dass plötzlich große finanzielle Verpflichtungen zum Beispiel in allen Bereichen der Strukturförderung auf die Länder zukommen. Das können die Bundesländer nicht stemmen. Das können sie wirklich nicht stemmen. Aber trotzdem brauchen wir diesen Digitalpakt so schnell wie möglich – absolut so schnell wie möglich.

(Beifall von der FDP)

Um das noch einmal klarzustellen: Diese enormen finanziellen Belastungen, die im Deutschen Bundestag beschlossen worden sind – auch mit den Stimmen der FDP-Bundestagsfraktion –, waren definitiv – und das ist allgemein bekannt – nie das Ziel der FDP-Bundestagsfraktion. Vielmehr kamen diese Ziele aus anderen Fraktionen. Hinterher ist es dann zu einem Kompromiss gekommen. Das war nie das Ziel der FDP – um hier keine Legenden zu bilden.

Die FDP ist in Nordrhein-Westfalen, im Bund und in anderen Bundesländern im Bereich „Digitalisierung und Schulen“ glasklar und einheitlich aufgestellt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP)

Um das klarzustellen – wir werden hier ja morgen die Debatte noch einmal im Detail führen –: Es gibt volle Rückendeckung von mir und von der FDP-Landtagsfraktion für die Enthaltung von Yvonne Gebauer bei der KMK. Wirklich volle Unterstützung!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das duale System der beruflichen Ausbildung war dieser Koalition immer wichtig. Es ist auch wichtig. Wir haben schon bei den Ausführungen der Enquetekommission zur Zukunft von Handwerk und Mittelstand in Nordrhein-Westfalen – Vorsitzender war seinerzeit Ralph Bombis – gesehen, wie wichtig dieser Bereich ist. Gerade bei den überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen gibt es einen gewaltigen Bedarf an Sanierung, an Instandsetzung, aber auch an Neubau und an modernen Entwicklungen, die endlich einmal realisiert werden müssen.

Dafür stand ein Betrag von 4 Millionen Euro in der ersten Lesung des nordrhein-westfälischen Haushalts zur Verfügung. Die Fraktionen von CDU und FDP – ich bin den Kollegen der CDU dafür dankbar – haben diesen Betrag auch mal eben verdoppelt – von 4 Millionen Euro auf 8 Millionen Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist eine sehr gute Botschaft an diese Ausbildungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir wissen alle um die große Bedeutung der frühkindlichen Bildung und der Sicherung der Kindergärten in Nordrhein-Westfalen. Das ist ein zentrales Thema des stellvertretenden Ministerpräsidenten Joachim Stamp. Wir haben jetzt noch einmal die Übergangsfinanzierung in einer Größenordnung von 450 Millionen Euro gesichert,

(Stefan Zimkeit [SPD]: Der Bund hat sie gesichert! – Marlies Stotz [SPD]: Bundesgelder!)

womit wir dann das Kindergartenjahr 2020/2021 erreichen, damit wirklich kein Kindergartenplatz und kein Kindergarten in Nordrhein-Westfalen verloren gehen.

Wir erinnern uns doch an das Jahr 2014 – also nicht nur an diese Landtagswahl und deren Ergebnisse, sondern an die Wochen und Monate davor – und die Hilferufe gerade aus dem Ruhrgebiet, also eigentlich dem Gebiet der SPD. Damals gab es die Hilferufe von Kindergärten freier Träger, die gesagt haben: Wir können unsere Einrichtung nicht mehr finanzieren. Das Geld fehlt.

Die Finanzflüsse wurden sieben Jahre lang nicht angepasst.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist doch falsch! Sie wissen doch gar nicht, wovon Sie reden!)

– Sie haben es heute noch nicht kapiert. Vor allem haben Sie es Ihren Leuten im Ruhrgebiet nicht erklären können, Herr Zimkeit. Deswegen haben sie auch nicht die SPD gewählt.

(Beifall von der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Sie müssen mich nicht über das Ruhrgebiet belehren!)

Wir als NRW-Koalition haben allerdings diese Hilferufe gehört. Wir haben sofort im Nachtragshaushalt 2017 geholfen, haben jetzt wieder die Übergangsfinanzierung gesichert und werden mit einem neuen Kinderbildungsgesetz dafür sorgen, dass hier Klarheit, Wahrheit und Sicherheit gegenüber den freien Trägern von Kindergärten sichergestellt sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Der Haushalt verbindet für uns auf der einen Seite sozialen Ausgleich und auf der anderen Seite aber auch gute Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung. Wir haben im Bereich der Wirtschaft im ganzen Land nach wie vor Aufholbedarf, damit wir das Niveau anderer Bundesländer erreichen und langsam mit in die Spitzengruppe aufsteigen können.

Deshalb setzen wir auf die richtigen Rahmenbedingungen, zum Beispiel auf einen neuen Landesentwicklungsplan. Der alte LEP war ja schon wieder so eine Remmel-Geschichte. Er hat gerade im ländlichen Bereich die wirtschaftliche Entwicklung fast zum Erliegen gebracht. Zusätzlich hat er viele große Industrie- und Gewerbeparks auch im Ruhrgebiet gefährdet und dafür gesorgt, dass sich nichts entwickeln konnte. Auch dafür wurden Sie abgestraft.

Wir haben einen neuen LEP auf den Weg gebracht, der genau diese Fehler vermeidet und eine wirtschaftliche Entwicklung – auch eine wohnwirtschaftliche Entwicklung – in Nordrhein-Westfalen zulässt, die dem Wirtschaftsstandort und den Menschen in Nordrhein-Westfalen zugutekommt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir haben uns die Weiterentwicklung und die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur vorgenommen. Das ist ein wichtiges, zentrales Thema, das bundesweit und auch in Nordrhein-Westfalen über Jahrzehnte vernachlässigt worden ist. Umso wichtiger ist, dass wir dort jetzt tätig werden.

Wir haben hier zur dritten Lesung seitens der Fraktionen noch einmal 5 Millionen Euro mehr für Straßen, für Brücken, für die Binnenschifffahrt und übrigens auch für NE-Bahnen, also nichtbundeseigene Eisenbahnen, zur Verfügung gestellt.

Die Kollegen der Grünen tun immer so, als wären sie für Schienenverkehre, für Eisenbahn, weil das angeblich die gute Mobilität ist. Aber die Förderung, die es schon von 2005 bis 2010 unter Schwarz-Gelb für die NE-Bahnen gab – sie wurde damals eingeführt –, haben Sie 2011 wieder beendet und nur noch in die Deutsche Bahn AG und deren Infrastruktur investiert. Was ist das für eine Botschaft? Das ist wieder der Glaube: Staatsunternehmen können alles, Privatunternehmen können nichts. – Auch da hat Ihnen immer die richtige Balance gefehlt.

Wir haben die richtige Balance, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deswegen fördern wir natürlich auch die Infrastruktur bei den NE-Bahnen, weil sie gerade in Nordrhein-Westfalen und insbesondere auch in Niedersachsen sehr wichtig sind.

Es ist also ein Trugschluss, zu glauben, Grüne und Schienenverkehr seien ein Paar Schuhe und gehörten immer zusammen. Dieses Beispiel beweist: Da sind große Gegensätze auch in der Schienenverkehrspolitik zwischen dem Thema „Schiene“ und den Grünen vorhanden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir stellen 130 Millionen Euro zusätzlich für Digitalisierungsprojekte in diesem Haushalt zur Verfügung. Mit der Kompetenzplattform „Künstliche Intelligenz“, mit dem Mobilfunkpakt, mit der Beschleunigung des 5G-Ausbaus bringt Andreas Pinkwart, unser Wirtschafts-, Energie- und Digitalisierungsminister, unser Land nach vorne. Das ist auch ein ganz wichtiger Standortfaktor von Nordrhein-Westfalen.

Auf der anderen Seite – ich habe es eingangs mehrfach genannt – ist für diese Koalition, auch für Bodo Löttgen und mich persönlich, das Thema „soziale Gerechtigkeit“ ein ganz, ganz wichtiges. Zahlreiche soziale Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen haben gerade diese Regierung von Schwarz-Gelb für die haushaltspolitischen Ansätze im Jahr 2018 im Bereich der Sozialpolitik ausdrücklich gelobt. Ich weiß, wie weh Ihnen das tun muss. Herr Zimkeit behauptet immer das Gegenteil, ohne es allerdings begründen zu können.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich bin froh darüber, dass ich für unsere Sozialpolitik nicht von der SPD und von den Grünen gelobt werde, sondern von den Sozialverbänden, von all den Institutionen, die auf diesem Markt unterwegs sind. Es freut mich, dass sie uns loben. Das beweist mir: Diese NRW-Koalition ist im Bereich soziale Gerechtigkeit, Sozialpolitik auf dem richtigen Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Stefan Zimkeit [SPD]: Selbstsuggestion ist das!)

Ich habe mir gerade überlegt – Herr Zimkeit hat sich gerade wieder gemeldet –: Was versteht denn die SPD unter Sozialpolitik? Häufig haben SPD und Grüne versucht, Sozialpolitik gegen andere, gegen Mittelstand, gegen Handwerk, gegen Industrie in Stellung zu bringen. Hier Sozialpolitik, und dann wurde ein Widerspruch konstruiert. – Völliger Unsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen. Neid schüren ist noch nie eine gute Sozialpolitik in unserem Land gewesen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist weder klug noch hilfreich, nicht einmal hilfreich für die SPD als Partei in Nordrhein-Westfalen.

Wir machen es anders. Wir schüren keinen Neid, wir reden mit allen Partnern, ob aus Industrie, aus Mittelstand, aus Verbänden, aus Gewerkschaften, über eine vernünftige Sozialpolitik. Die Sozialpolitik wird bei uns nicht am grünen Tisch in den Koalitionen oder im Ministerium entworfen, sondern in Gesprächen mit allen Beteiligten. Deshalb kommt diese Sozialpolitik auch gut an, weil sie nämlich die Interessen der Beteiligten berücksichtigt. Wir geben so viel Geld für Familie, für Kinder, für viele andere Bereiche aus, wie es Rot-Grün in den Jahren zuvor niemals getan hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir stellen in dritter Lesung wieder mehr Geld zur Verfügung für die Wohlfahrtspflege, für die Hilfe von Wohnungslosen, für Digitalisierung im Gesundheitswesen, also für eine schnelle Hilfe von kranken Menschen. Wir stärken mit der dritten Lesung noch einmal die Verbraucherzentrale, die uns ja auch – so Herr Schuldzinski – ausdrücklich für unsere Politik lobt. Wir werden diese kluge Sozialpolitik auch im Jahr 2019 und in den Jahren darüber hinaus fortsetzen.

Ich habe heute im „Westfälischen Anzeiger“ ein Interview von Herrn Zimkeit – mit Foto – gelesen. Dort fordert er zusätzlich noch 100 Millionen Euro für Kindergarten. Noch einmal ausdrücklich die Frage an Sie: Wo waren Sie im Jahr 2017, als die Kindergärten im Ruhrgebiet bettelten, weil sie keinen Cent mehr in der Tasche hatten? Wo waren Sie zu dieser Zeit mit Ihren Geldversprechungen? Warum haben Sie damals nicht Ihre Aufgabe erfüllt, diesen Kindergärten tatsächlich zu helfen?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Damals nichts zu tun und heute das Gegenteil zu fordern, ist unglaubwürdig und unseriös, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Vierter Punkt. Wir bringen Ökologie und Ökonomie wieder in Einklang.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ach, nein! Das glaubt Ihnen doch kein Mensch!)

Frau Düker sprach eben von der UN-Klimakonferenz in Kattowitz. Das stand auch bei Ihnen auf dem Zettel. Sie sind nur wieder, wie die Grünen das immer tun, bei diesem Thema sehr einseitig vorgegangen. Es gibt drei Leitmotive für diese UN-Klimakonferenz in Kattowitz. Das sind: erstens Technologie, zweitens Mensch, drittens Natur.

Es ist also eine sehr ausgleichende Politik bei dieser Klimakonferenz, was die Interessen der ganzen Welt betrifft; sie ist deckungsgleich mit der Politik dieser NRW-Koalition in unserem Land. Dort geht es nicht nur einseitig um Natur, sondern die Interessen von Technologie, Mensch und Natur werden miteinander verbunden. Das machen gerade die Kolleginnen und Kollegen dort in Polen.

Heute mussten wir uns wieder diese einseitige Vorgehensweise von Frau Düker und von Bündnis 90/Die Grünen anhören. Das ist der große Unterschied zur alten Regierung: Bei der alten Regierung gab es keinen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen. In der Interessenskala standen seinerzeit Ökologie, Umwelt ganz oben, und die anderen Interessen wie wirtschaftliche Entwicklung und auch der Mensch standen ganz unten.

Die NRW-Koalition sorgt auch hier wieder für die richtige Balance. Elementar wichtig für die Entwicklung von Nordrhein-Westfalen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte ist, dass wir diese Themen wieder auf einen Nenner bringen und sie gleichermaßen bedienen. Nur so bringt man Nordrhein-Westfalen nach vorne.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir wissen ganz genau: Wir können diese Aufgaben nur lösen, wenn wir dazu den technologischen Fortschritt nutzen. Deswegen investieren wir wie keine Koalition zuvor in Energieforschung, in innovative Antriebe, in Energieeffizienz. Vielleicht eine Zahl dazu: 82 Millionen Euro – das ist die Summe, mit der die Mittel für den Schwerpunkt der Energie- und Klimaschutzpolitik im Haushalt auf insgesamt 126 Millionen Euro nahezu verdreifacht werden. Wir geben also für das Ziel Energie- und Klimaschutzpolitik dreimal so viel Geld aus wie vorher Rot-Grün. Und da machen Sie uns noch einen Vorwurf, Frau Düker, dass wir uns nicht um Umweltpolitik in Nordrhein-Westfalen kümmern? Das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die polnische Präsidentschaft in Kattowitz verbindet übrigens das Motiv „Mensch“ explizit mit der Solidarität der Menschen, die vom Strukturwandel betroffen sind. Das wurde ausführlich in mehreren Reden dort gesagt.

Übrigens fehlt diese Solidarität bei den kriminellen Gruppen, die im Hambacher Forst unterwegs sind und Mitarbeiter von RWE und Polizisten anpöbeln, verletzen und angreifen. Meine Damen und Herren, für diese Auffassung von Solidarität fehlt mir jegliches Verständnis.

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Ebenso fehlt mir in diesem Zusammenhang jegliches Verständnis für die Nähe der Grünen zu diesen Gruppierungen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Ich erinnere mich noch gut an die Reden in den Jahren 2015 bis 2017 – 2016 und 2017 stärker als zuvor –, in welchen die Minister Duin und Groschek hier im Parlament von einer Durchgrünung des Landes sprachen; und zwar natürlich mit Blick auf den Koalitionspartner, von dem sie sich untergebuttert fühlten, aber auch mit Blick auf dessen Netzwerke. Die SPD ist in diesen etwa zwei Jahren massiv gegen diese grüne Politik vorgegangen, nachdem sie es zuvor fünf Jahre lang in jeglicher Art und Weise versäumt hatte.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Mittlerweile macht die SPD offensichtlich schon wieder einen Kurswechsel. Am Montag fand in Köln eine gemeinsame Veranstaltung von SPD-Landtagsfrak-tion und Deutscher Umwelthilfe statt. – Was soll das denn angesichts der Worte der Minister Duin und Groschek für eine Botschaft sein? Jochen Ott und andere machen eine gemeinsame Veranstaltung mit den Kollegen der Deutschen Umwelthilfe. – Damit sendet die SPD meiner Auffassung nach wieder eine völlig widersprüchliche Botschaft. Das habe ich heute wohl schon ein Dutzend Mal erklärt.

(Beifall von der FDP, der CDU, Herbert Strotebeck [AfD] und Nic Peter Vogel [AfD])

Unser Energieminister arbeitet in der WSB-Kom-mission in Berlin ganz anders: zielstrebig, zielorientiert und verlässlich. Er steht übrigens in engster Absprache mit den Gewerkschaften – Michael Vassiliadis und andere – und mit Betriebsräten in Nordrhein-Westfalen, um die Interessen Nordrhein-Westfalens durchzusetzen. Das ist elementar wichtig – auch für die Strukturförderung in verschiedenen Bereichen.

Das ist oft schwierig, und wir sind gespannt, welches Ziel wir erreichen werden, aber die Zukunftschancen und die Perspektiven für Nordrhein-Westfalen stehen für uns im Vordergrund.

Fragen Sie die Kollegen in den Betriebsräten der betroffenen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen – auch in der energieintensiven Industrie – und die Gewerkschaften, wer in dieser sogenannten Kohlekommission denn ihr verlässlicher Partner ist! Wenn Sie fragen, ob es die SPD ist – Frau Schulze und all die anderen –, dann wird gerufen: Nein, die sind es nicht! – Wer ist es denn? – Dann kommt die klare Antwort: Die FDP, die NRW-Koalition, Andreas Pinkwart – das sind die verlässlichen Partner für Arbeitsplätze und für die Sicherung der Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die richtige Balance zwischen Ökologie und Ökonomie ist also von zentraler Bedeutung für die Entwicklung unseres Landes. Die Menschen in Nordrhein-Westfalen haben gerade die SPD – obwohl Duin und Groschek sich gewehrt haben – für einen völlig überzogenen ökologischen Ansatz in den vergangenen Jahren abgestraft. Daraus sollte die SPD und daraus sollten wir alle lernen, dass wir in keinem Politikfeld völlig überziehen sollten – auch nicht im Bereich der Umweltpolitik und der Ökologie.

Die internationale Klimakonferenz richtet übrigens den Fokus auf weltweiten Klimaschutz und auf weltweite Klimapolitik. Schon seit vielen Jahren sagt sie, dass wir Probleme, die das weltweite Klima betreffen, nicht in einem einzigen Land, einem einzigen Bundesland oder vielleicht sogar einem einzigen Landkreis in Nordrhein-Westfalen lösen können. Nein, es bedarf weltweiter und kontinentaler Lösungen und Projekte.

Eine rein nationale Betrachtung widerspricht übrigens dem Geist der UN-Klimakonferenz völlig. Deshalb ist es auch sehr fragwürdig, was für eine massive und einseitige Umweltpolitik sieben Jahre lang in Nordrhein-Westfalen stattgefunden hat.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Frau Düker, Sie haben sich vorhin selbst entlarvt. Sie sprachen von Kattowitz und von umweltpolitischen Zielen, und davon, dass alle anderen dafür nichts täten, und im selben Atemzug nannten Sie die Umfragewerte der deutschen Parteien und Ihrer eigenen Partei.

(Monika Düker [GRÜNE]: Nein, nicht der Parteien!)

Das zeigt doch das Motiv Ihrer Politik.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Darum geht es doch gar nicht!)

Das sind rein nationale Energiekonzepte, die weltweit nicht helfen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Sie müssen mal zuhören! Das war eine Umfrage zum Klimaschutz, nicht zu den Parteien! Sie zitieren das falsch! Hören Sie doch mal zu!)

Aber Ihren Umfragewerten hilft es, weil Sie den Leuten Angst machen, aber keine Lösungen anbieten. Deshalb unterstützen die Leute Sie aktuell.

Wir haben das nach Fukushima schon einmal erlebt. Damals sind Sie den gleichen Kurs gefahren, und damals waren die Umfragewerte für einige Zeit sogar noch höher als heute. Dann haben die Menschen aber erkannt, was hinter dieser Politik der Grünen tatsächlich steckt und was Sie tatsächlich wollen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Darum geht es doch gar nicht!)

– Doch, den Menschen, die das erkannt haben, ging es genau darum. Sie haben erkannt, dass das alles nicht zusammen passt, was Sie ihnen erzählen und was Sie letztendlich tun. Deshalb haben sich damals irgendwann die Umfragewerte wieder normalisiert. Ich habe eine Ahnung, dass dies in den nächsten Monaten und Jahren auch wieder der Fall sein wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die NRW-Koalition ist eine Koalition des ökologischen Fortschritts und der ökonomischen Vernunft. Wir verbinden es miteinander, und das ist gut für Nordrhein-Westfalen.

Der nächste Punkt: Wir verbinden Freiheit und Sicherheit – ich habe es eingangs schon gesagt. Wenn wir über die innere Sicherheit sprechen, dann sollten wir uns zunächst bei allen Menschen bedanken, die sich in diesem Bereich einsetzen und teilweise übel dafür beschimpft werden und Verletzungen davontragen: den Polizistinnen und Polizisten, den Rettungskräften, der Justiz; allen Menschen, die in diesen Bereichen tätig sind. Sie verdienen unsere vollste Wertschätzung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Marc Lürbke [FDP]: Da kann man ruhig mal klatschen! – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Diese Wertschätzung spiegelt sich auch in diesem Haushalt wider: bei der Ausstattung der Polizei, bei Aufstockungen für die Justiz und bei den Polizeianwärterstellen. Wir kommen nun auf einen Wert von 2.500 Polizeianwärterstellen. Ich möchte einmal rekapitulieren, wie es in den Jahren 2000 bis 2005 aussah: Damals gab es eine Regierung von SPD und Grünen, und in einem gewissen Zeitraum wurden die Polizeianwärterstellen von 1.000 auf 500 reduziert.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das stimmt überhaupt nicht! – Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Das war in der Regierungszeit von Steinbrück und Clement und unter Rot-Grün. Es war der niedrigste Wert an Polizeianwärterstellen in der Geschichte Nordrhein-Westfalens.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist es!)

Nun sind es wieder 2.500 Stellen, und das ist eine gute Botschaft für die Sicherheit in Nordrhein-Westfalen und für die Polizistinnen und Polizisten in diesem Land.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Gleichzeitig benötigt die Polizei natürlich moderne rechtliche Rahmenbedingungen. Damit komme ich zum Thema „Polizeigesetz“. Der ausdrückliche Dank geht an die Kolleginnen und Kollegen der SPD, die in vielen Gesprächen mit uns allen sehr konstruktiv zusammengearbeitet haben. Am Ende haben wir etwas Gutes auf den Tisch gelegt – mit Minister Dr. Joachim Stamp, mit Minister Herbert Reul, mit den Fraktionsvorsitzenden Herrn Kutschaty, Herrn Löttgen und meiner Person; aber eben auch mit den Innenpolitikern wie Marc Lürbke und den Kollegen der anderen Fraktionen.

Das Gesetz kann sich sehen lassen. Ich habe den Eindruck, dass es mit Sicherheit eine deutschlandweite Vorbildfunktion einnehmen wird. Noch einmal herzlichen Dank dafür.

Als ich dann, Herr Kutschaty, von Ihrer Pressekonferenz gehört habe, hatte ich hinterher den Eindruck, dass ich im Vorfeld nicht bei allen Gesprächen dabei war; denn ich fand mich da manchmal nicht wieder. Aber Schwamm drüber, alles in Ordnung, das gehört zum Geschäft dazu.

(Zuruf von der SPD)

Aber, was machen die Kolleginnen und Kollegen der Grünen? Was machen sie?

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Profilierungsversuche auf dem Rücken der Polizistinnen und Polizisten.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Reine Profilierungsversuche! Sie wollen im Haushalt weniger Mittel für die Polizei für Bodycams und keine Mittel für Fußfesseln für Gefährder. Nicht für irgendwelche Personen, für irgendwelche Leute, die sich mit irgendeinem Delikt auseinandersetzen müssen, sondern Fußfesseln für Gefährder in Nordrhein-Westfalen, also für wenige Menschen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Fußfesseln für alle Personen, gucken Sie doch mal ins Gesetz!)

Es gibt den Grundkonsens in unserem Land, in Nordrhein-Westfalen, dass Rechtsverstöße und Kriminelle konsequent verfolgt werden und dass Bürgerinnen und Bürger vor Kriminellen geschützt werden – und zwar vor allen Kriminellen, ob von links oder von rechts oder von sonst woher.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Genau diesen Grundkonsens verlassen die Grünen nach meinem Eindruck. Sie wollen damit einen Teil eines Klientels aus autonomen und radikalen Bereichen bedienen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben? – Monika Düker [GRÜNE]: Geht es noch eine Nummer härter?)

Diese Klientel steht ganz am Rand der Gesellschaft. Ich kann Ihnen nur empfehlen, dass wir in diesem Hohen Haus weiterhin den Grundkonsens der Sicherheit für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen in den Mittelpunkt stellen. Die Gruppen, die es vielleicht ganz außen links und rechts gibt, sollten wir dort liegen lassen; denn denen brauchen wir nicht zu helfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE] – Monika Düker [GRÜNE]: Gibt es bei Ihnen noch Bürgerrechte?)

Die Vorgängerregierung hat von 2012 bis 2017 viel Vertrauen verspielt und Misstrauen gesät. Teilweise war es angeblich ein Erfolgskonzept, Misstrauen zu säen und dann irgendwie davon zu profitieren, indem man Lösungen anbietet.

Die NRW-Koalition macht es andersherum. Wir wollen mit guter Politik – wir haben das jetzt mehrfach geschildert – weiter Vertrauen gewinnen. Wir haben im Jahre 2017, direkt nach der Landtagswahl, Trendwenden versprochen und Wort gehalten.

(Lachen von Regina Kopp-Herr [SPD])

Wir haben diesen Weg im Jahr 2018 konsequent fortgesetzt und gemeinsam an vielen Lösungen gearbeitet. Im vor uns liegenden Jahr 2019 erhöhen wir das Tempo bei der Umsetzung ganz gewaltig: für Kinder, Familien, Gesundheit und Soziales, für die Sicherheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen, für beste Bildung in Nordrhein-Westfalen, für bezahlbaren Wohnraum in Nordrhein-Westfalen und für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen.

Das ist die positive Zukunftsausrichtung der NRW-Koalition in diesem Land. Wir sind stolz darauf, dass wir diesem Land als Koalition, als Regierung dienen können. Wir fühlen uns von vielen Äußerungen von Bürgerinnen und Bürgern, von Verbänden und Institutionen in diesem Land bestätigt.

Wir nehmen die Kritik der Opposition natürlich ernst. Aber glauben Sie mir, mit diesen Argumenten, die heute überhaupt nicht überzeugend waren, werden Sie unsere Erfolgspolitik nicht verändern können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rasche. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Wagner das Wort. Bitte sehr.

Markus Wagner (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal fassungslos mussten wir gestern Abend einen erneuten Terroranschlag – diesmal auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg – zur Kenntnis nehmen. An dieser Stelle will ich dem Landtagspräsidenten im Namen der AfD-Fraktion ganz herzlich für seine Worte, denen wir uns vollumfänglich anschließen, danken.

(Beifall von der AfD)

Besonders nachdenklich macht dieser Anschlag unter anderem deswegen, weil der Attentäter offensichtlich ein bereits bekannter Gefährder war. Obwohl es ein bekannter Gefährder war, ist es nicht gelungen, diesen Anschlag zu verhindern. Das macht deutlich, warum eine Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes notwendig ist. Wir sind mit einer neuen, mit einer völlig veränderten Sicherheitslage konfrontiert. Diese veränderte Sicherheitslage macht die Anpassung dieses Gesetzes notwendig.

Die Kollegen Löttgen und Rasche haben sich fast schon überschwänglich bei der SPD-Fraktion für ihre Mitarbeit bedankt. Dieser Dank greift etwas zu kurz. Sie hätten sich bei der AfD-Fraktion für die Inspiration – die von uns in diesem Zusammenhang ausging – bedanken sollen.

(Lachen von Karl Schultheis [SPD])

Das findet zumindest der Kommentator des „EXPRESS“, Marc Herriger in seinem Kommentar vom 9. Dezember 2018. Ich zitiere:

Das neue Polizeigesetz in NRW orientiert sich an dem radikalen Entwurf der Bayern. Es ist eine ebenso radikale Abkehr vom Vorrang der Bürgerrechte. Die werden im Namen vermeintlicher Sicherheit schlicht und einfach geopfert. Jeder Bürger läuft unter diesem Gesetz Gefahr, ausspioniert zu werden. Demonstranten oder Fußballfans können ohne Gerichtsverfahren bis zu zwei Wochen hinter Gittern landen. Und wer sagt, dass die Gefährdereinschätzung der Behörden immer stimmt?

Und jetzt kommt es: Die Sicherheitspolitiker der CDU sind mit diesem Gesetz den Rechtspopulisten – damit meint er scheinbar uns – auf den Leim gegangen. Man hofft, so Stimmen zurückzuerobern, vermutlich vergebens. Stattdessen hat man eines geschafft: Die AfD hat jetzt ihr erstes Gesetz in NRW durchgesetzt und musste dafür nicht einmal in der Regierung sitzen. – Recht hat er.

(Beifall von der AfD)

Recht hat er allerdings nur zum Teil – darauf werde ich im nächsten Tagesordnungspunkt noch etwas ausführlicher eingehen. Einige Regelungen in diesem Gesetz gehen uns nicht weit genug. Wir haben dazu Änderungsanträge gestellt. Nichtsdestotrotz hat tatsächlich unsere Inspiration dafür gesorgt, dass wir CDU und FDP im Zusammenschluss mit der SPD zum Jagen tragen konnten. Dafür sind wir Ihnen außerordentlich dankbar.

Lieber Kollege Kutschaty, Sie haben in Ihrer Rede darauf hingewiesen, dass die Stichwahlen abgeschafft werden sollen. Ich halte das demokratietheoretisch für ein ebenso großes Problem wie Sie. Ich vermute auch, dass sich die CDU erhofft, nach einer Abschaffung der Stichwahlen mehr Bürgermeister und Landräte stellen zu können.

Sie gehen mir aber da nicht weit genug; denn was für Bürgermeister und Landräte gilt, das sollte eigentlich auch für direkt gewählte Abgeordnete des Landtags und vielleicht auch des Bundestags gelten. Ich habe mir einmal Ihr Wahlergebnis der letzten Landtagswahl angeschaut. Sie haben bei einer Wahlbeteiligung von 59,4 % mit 45,4 % der Erststimmen den direkten Einzug in den Landtag geschafft. Ich finde, dass das nicht ganz konsistent ist. Konsequenterweise sollten wir dann auch in diesem Bereich Stichwahlen fordern.

Sie haben sicherlich recht, dass Frau Kramp-Karrenbauer sich darüber gefreut hat, mit 51 % und nicht mit 45 % gewählt zu werden. Wobei ich davon ausgehe, dass ein Großteil der CDU sich nicht darüber gefreut hat. Das ist aber ein anderes Thema, auf das ich gleich noch zu sprechen komme.

Des Weiteren kritisierten Sie die Landesregierung und den Ministerpräsidenten aufgrund ihrer Imagekampagne. Sie haben Herrn Laschet sogar Selbstdarstellung vorgeworfen – so weit, so zustimmungsfähig. Aber, lieber Herr Kutschaty, das Problem ist: Wenn man im Glashaus sitzt, sollte man es tunlichst unterlassen, mit Steinen zu werfen.

(Helmut Seifen [AfD]: Allerdings!)

Dazu habe ich einen Artikel von Timo Schumacher vom 27.02.2012 gefunden. Demnach braucht sich Hannelore Kraft in Sachen „Selbstverliebtheit“ gar nicht hinter Armin Laschet zu verstecken. Sie hat nämlich 2011 für ihre Personality-Tour namens „TatKraft“-Tage 130.000 Euro für Empfänge, Abendveranstaltungen und Catering ausgegeben.

(Helmut Seifen [AfD]: Hört, hört! – Heike Gebhard [SPD]: Herr Laschet, brauchen Sie diese Verteidigungsrede?)

Noch interessanter wird es, wenn man sich einen Artikel von Peter Poensgen, veröffentlicht am 14.04.2015, anschaut. Es gab nämlich damals eine Anfrage des damaligen FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel. Ich weiß nicht, ob er diese Anfrage der derzeitigen Landesregierung auch gestellt hat. Da ging es ebenfalls um Selbstdarstellung. Ich zitiere:

„Die rot-grüne Landesregierung hat sich ihre Selbstdarstellung in den letzten 15 Monaten einiges kosten lassen: Rund 3,6 Millionen Euro wurden an externe Dienstleister für 229 neue Broschüren (Auflage 2,97 Millionen) sowie 65 Maßnahmen für diverse Onlineauftritte ausgegeben.

In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel legte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) jetzt die Einzelheiten dazu vor. An der Leitlinie ‚Öffentlichkeitsarbeit mit Augenmaß‘ habe sich nichts geändert.

‚Spitzenreiter‘ ist Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) mit 94 Publikationen und 620.000 Euro Druckkosten. Darunter ausgerechnet ein Faltblatt zum Internet-Thema ‚Online-Beteiligung für Klimaschutzplan‘ (20.000 Stück), Broschüren zu ‚Photovoltaikanlagen auf Deponien‘, ‚Lärmschutz im Kinderzimmer‘ und ‚Frauen in Umweltberufen‘.“

Und – das durfte nicht fehlen –:

„40 Plakate zum exotischen Thema ‚Hengste in der Frischbesamung‘ kosten nur 533,40 Euro – aber immerhin noch 13,32 pro Plakat.

Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) ließ sich die Broschüre ‚Fahr Rad in NRW‘ (200.000 Auflage) immerhin stolze 85.667 Euro kosten, ‚Zuhause im Quartier‘ war 59.872 Euro teuer.“

Wissen Sie, meine Damen und Herren, das ist das Problem, das in Deutschland Politikerverdrossenheit schafft: das eine zu tun und es beim anderen zu kritisieren oder es beim anderen zu kritisieren und es dann selbst zu tun, wenn man in der Regierung ist.

(Andreas Keith [AfD]: So ist das! – Helmut Seifen [AfD]: Ja!)

Dagegen werden wir uns als AfD wenden, egal ob es Rot-Grün oder Schwarz-Gelb ist.

(Beifall von der AfD)

Man kommt nicht umhin, in diesen Zeiten, in denen die ehemaligen Volksparteien um ihr sprichwörtliches Überleben kämpfen, ein paar Worte zur Zerrissenheit in der CDU und der unrühmlichen Rolle, die Ministerpräsident Armin Laschet dabei spielt, zu verlieren.

Mit der Wahl Kramp-Karrenbauers ist übrigens das eingetreten, worauf ich gewettet habe. Nun kann ich mich über ein paar Flaschen Rotwein freuen, aber ganz bestimmt nicht darüber, dass ich recht behalten habe. Natürlich wäre es für Deutschland und auch für Nordrhein-Westfalen besser gewesen, wenn Friedrich Merz gewonnen hätte, wie es auch Wolfgang Schäuble sagte. Wahrscheinlich wäre es gar nicht mal für uns als AfD besser gewesen, aber wir sind nicht angetreten, um, wie es die alten Parteien tun, den Parteiegoismus zur Maxime unseres Handelns zu erheben, sondern um diesem Land und seinen Menschen zu dienen.

Natürlich wäre es dienlich gewesen, den Menschen in ihrem Wunsch nach Veränderung und Verbesserung zu entsprechen. Aber nichts da: Die CDU will weitermachen wie bisher mit Merkel 2.0. Mit AKK hat die CDU tatsächlich die bestmögliche Wahl getroffen, allerdings nur, wenn man auf gute Ergebnisse für die AfD hofft.

(Heiterkeit von der AfD)

Ich glaube zwar schon – und wenn ich die Flut an Mails der CDU-Mitglieder in den letzten Tagen an uns lese, bestätigt mich das –, dass Friedrich Merz in einer reinen Mitgliederbefragung gewonnen hätte, aber Mitgliederentscheide auf Parteiebene sind der CDU zu viel an Mitsprache und Demokratie, wie sie im Übrigen auf der staatlichen Ebene auch Volksentscheide für die Bürger erfolgreich verhindert.

Wenigstens im Schlechten sind Sie sich also treu. Wenn aber nur 1.001 Delegierte – also die obersten 0,2 % der CDU-Elite – abstimmen, dann läuft das anders, als es sich die Basis offensichtlich gewünscht hat. Man wollte keinen für Deutschland so bitter notwendigen Bruch mit dem Merkel-System, sondern nur etwas Kosmetik. Die einen Delegierten hatten Angst vor möglichen Neuwahlen und dem damit verbundenen Verlust ihres Mandats und ihrer Diäten. Die anderen hatten womöglich einfach nur Angst vor etwas Veränderung. Aber die Masse der AKK-wählenden Delegierten ist wohl so weit von der einstigen CDU-Programmatik entfernt, dass sie sich über die Masseneinwanderung in die Sozialsysteme, die teuren Strompreise und die explodierenden Mieten auch noch freut.

Auch wenn die CDU nun gespalten ist, so ist doch die nur knappe Mehrheit von AKK ein Ausweis dessen, dass die CDU weite Teile ihrer ehemaligen Wähler und Mitglieder endgültig aufgegeben hat. Sie hat den Faden genauso verloren wie die SPD.

(Beifall von der AfD)

Sicher wird man jetzt hier und da ein paar pseudokonservative Sprüche klopfen, die allerdings wirkungslos bleiben werden. Aus der CDU-internen WerteUnion werden ja schon Stimmen laut, die Partei zu verlassen und etwas Neues zu gründen. Das Schlimme daran ist ja, dass das die Laschets und AKKs auch noch freuen dürfte, können sie doch noch ungestörter von den paar Restkonservativen die CDU weiter auf Linkskurs halten.

Wer hingegen lieber Jens Spahn oder Friedrich Merz gehabt hätte, wird sich nun aufteilen in die, die bei völliger Selbstverleugnung ihrer Ohnmacht noch auf ein paar letzte Krümelchen vom CDU-Kuchen hoffen, und in den größeren Teil derer, für die nun endgültig Schluss ist, ja, Schluss sein muss, die nur noch eine Partei haben, die ihre Interessen vertritt, nämlich die AfD.

Ich kann nur jedem aus Junger Union, WerteUnion und MIT zurufen: Tun Sie es den Tausenden gleich, die schon bei uns sind! Kommen Sie in die jetzt noch einzige konservative Volkspartei! Kommen Sie zu uns!

Natürlich – das sage ich ganz selbstkritisch an unsere eigene Adresse – haben wir als junger und noch etwas gäriger Haufen noch einige Hausaufgaben zu erledigen, um uns des Vertrauens am Ende würdig zu erweisen. Aber wir sind auf einem guten Weg. Bei uns stehen Sie nicht am Rand, sondern mitten unter Ihresgleichen.

(Beifall von der AfD)

Auch und gerade hier in Nordrhein-Westfalen, wo der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet ja ziemlich unverhohlen für AKK warb, ist die Sache doch klar. Der Landeschef der CDU lässt seine eigenen Leute im Stich. Das war schon beim NRW-Kollegen Ralph Brinkhaus so, gegen den er war, als es um den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ging. Lieber hatte er den Merkel-Günstling Kauder aus Baden-Württemberg. Das war auch jetzt wieder so, wo er sich gegen die beiden NRW-Kandidaten Spahn und Merz stellte. Auch da war ihm die Garantin für ein Multikulti-Weiter-so lieber, Hauptsache, der Linkskurs der Union wird zementiert.

Ich habe tatsächlich Respekt vor jedem, der in der Jungen Union, deren Bundesvorsitzender Paul Ziemiak ja eine ganz dubiose Rolle gespielt hat und zur Belohnung jetzt Generalsekretär wird, der also in der Jungen Union, der MIT oder der WerteUnion noch versucht, aus Patriotismus Politik auf verlorenem Posten zu machen. Aber seien wir ehrlich: Die Sache ist gegessen. Die CDU hat die Chance auf eine echte Erneuerung, auf eine Renaissance ihrer Werte verpasst, ja, sie hat sie bewusst abgelehnt.

Einer der Hauptschuldigen sitzt hier auf der Regierungsbank. Es ist Armin Laschet. Anstatt sich für seine nordrhein-westfälischen Parteifreunde einzusetzen, was Friedrich Merz natürlich über die 50-%-Schwelle getragen hätte, hat er sich klar gegen die nötige Kurskorrektur entschieden.

Auch bei der Aufstellung des heute zu verabschiedenden Landeshaushaltes haben Sie den Anspruch …

(Zurufe von der CDU: Oh!)

– Ja, ich wusste, dass Sie händeringend darauf warten, dass ich zu diesem Thema komme. Ihre Anwesenheit zeigt ja auch die Spannung, mit der Sie meine Rede erwartet haben.

…  auf Kurskorrektur und darauf, im besten Sinne des Wortes bürgerliche Politik zu machen, wieder nicht eingelöst.

Ich will hier gar nicht die unzähligen linken Projekte aufzählen, die Sie hier mit Steuergeldern sponsern und weiterführen, sondern ich fange mal einfach ein bisschen von vorne an.

Da sind natürlich zunächst die viel zu geringen Überschüsse. Noch leben wir ja in wirtschaftlich einigermaßen guten Zeiten. Die Niedrigzinsen und die Rekordsteuereinnahmen im kommenden Jahr in Höhe von 61,5 Milliarden Euro machen doch aber einen viel größeren Überschuss zwingend notwendig.

2018 hätten Sie es leicht haben können. Da bildeten Sie eine Rücklage in Höhe von 365 Millionen Euro. Diese war dann vor der letzten Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses noch als allgemeine Reserve eingeplant, um konjunkturelle Schwankungen in der Zukunft abzufedern. Dann konnte die Landesregierung aber nicht widerstehen und hat gleich mal glatte 150 Millionen Euro zusätzlich für sogenannte Flüchtlinge abgegriffen.

Wir haben deshalb ganz bewusst vorgeschlagen, dass das Land mit diesen 365 Millionen Euro Schulden tilgt. Ein entsprechender Änderungsantrag lag Ihnen vor und hätte zukünftigen Generationen geholfen. Aber so etwas lehnen Sie natürlich ab. Denn dann hätten Sie ja kein Geld mehr für Wahlgeschenke, und das benötigen Sie, denn schließlich sieht es mit Ihrer Mehrheit im Volk nicht mehr allzu gut aus. So haben Sie diese Chance zur Konsolidierung fahrlässig, nein, absichtlich verstreichen lassen.

Für das nächste Jahr planen Sie mit einem auch im Vergleich zu anderen Ländern lächerlichen Überschuss in Höhe von 31 Millionen Euro. Man muss die 31 Millionen natürlich in Relation zum Gesamthaushalt in Höhe von gut 77 Milliarden und den Schulden in Höhe von etwa 145 Milliarden Euro sehen. Sage und schreibe 0,04 % beträgt der Überschuss, für den Sie sich da abfeiern lassen. Man fasst sich an den Kopf und ans Portmonee. Wer seine Hoffnung in die frühere Wirtschafts- und Finanzkompetenz von CDU und FDP gesetzt hat, der kann nur auf ganzer Linie enttäuscht sein.

(Beifall von der AfD – Zuruf von der AfD: Das ist lange her!)

Zur Konsolidierung des Haushaltes gehört natürlich zuvorderst die Schuldentilgung. Aber – mittlerweile kennen wir ja Ihre Haushalte – auch da wird nicht geliefert. Noch dazu gehen Sie von dem extrem günstigen Zinssatz von 1,75 % aus. Das alleine entspricht einem Zinsaufwand von 2,47 Milliarden Euro. Jeder Prozentpunkt mehr, den die EZB den Sparern hoffentlich irgendwann wieder ermöglicht, kostet dann knapp anderthalb Milliarden Euro extra. Das war es dann mit den Überschüssen im Miniformat. Meine Damen und Herren, echte Sparsamkeit und vorausschauendes Handeln sehen anders aus.

(Beifall von der AfD)

Ihre Haushaltsaufstellung vom September dieses Jahres für den Nachtragshaushalt 2018 sowie für den Haushalt 2019 war finanzpolitisch betrachtet mal wieder etwas chaotisch, und mehr als fragwürdig ist Ihre Haushaltsgestaltung schon, weil Sie 2018, wie erwähnt, eine Rücklage bildeten, um diese 2019 wieder aufzulösen. Alle Oppositionsfraktionen hatten zu Recht große Zweifel alleine schon an der Verfassungsmäßigkeit dieser Rücklage.

Schauen wir auf die weiteren Rahmenbedingungen: Bei einem Zinsniveau, wie wir es vor der Finanzmarktkrise und der unseligen Eurorettungspolitik hatten, zum Beispiel 2008, wären der Haushalt 2019 und die danach geplanten Überschüsse reine Makulatur. Der sähe nämlich dann tiefrot aus.

Schon jetzt ist klar: Das wird es daher in den nächsten Jahren auch wieder werden, es sei denn, Sie hoffen tatsächlich darauf, dass die Enteignung der Sparer und Lebensversicherten durch die Null-Zins-Politik bleibt. Täten Sie das aber wirklich, und die nächste Wirtschaftskrise steht bevor, dann Gnade Ihnen Gott. Wir haben hier in Deutschland zwar nicht die Mentalität der „Gelbwesten“, aber seien Sie sicher: Dann sind die Verluste, die Sie bisher schon bei Wahlen erleiden durften, nur ein kleiner Vorgeschmack gewesen.

Allerdings glaube ich eher, es ist Ihnen schlicht egal. Sie denken im Jahresrhythmus oder vielleicht gerade mal in der Kategorie von Legislaturperioden. Sprich: Es reicht Ihnen, sich mit Tricks und schönen Worten über die nächste Wahl an der Macht zu halten. Der Rest ist Ihnen relativ wurscht.

Zum Politikersein – zum Staatsmann- oder Staatsfrausein – gehört aber mehr als dieses kurzfristige Denken. Sorge vor, dann hast du in der Not – die normalen Menschen und wir kennen das noch, Ihnen hingegen reicht Kosmetik.

Wo Ihnen Kosmetik zu wenig ist, das ist beim Stellenaufbau für politische Beamte. Da wird geklotzt. Die Landesregierung weigert sich sogar, einen konkreten Plan zur Einsparung des Personals vorzulegen, das Schwarz-Gelb im Zuge des Regierungswechsels hundertfach in der Ministerialverwaltung aufgebaut hat.

Alle Oppositionsparteien haben die Landesregierung dazu gefragt. Die Antworten waren immer wieder unzureichend. Im Nachtragshaushalt 2017 waren das 139 Stellen und weitere 259 Stellen in den Ministerialkapiteln für 2018; in der Staatskanzlei bauen Sie in diesem Jahr weitere Stellen auf.

Die Polizeigewerkschaften hingegen rufen seit 2010 nach einer Reform des Zulagenwesens. Da kommt von Ihnen weiterhin nichts; Sie haben unseren Antrag dazu abgelehnt. Warum auch Polizisten besser bezahlen, wenn man von dem Geld Parteifreunde in den Ministerien unterbringen kann?

(Beifall von der AfD)

So wird der Staatsdienst teilweise zu einer Art Versorgungssystem umfunktioniert. Sie wundern sich über Politikerverdrossenheit, sinkende Mitgliederzahlen und eine Wählerklatsche nach der anderen.

Meine Damen und Herren, die Neutralität der Beamten ist einer der Grundpfeiler unseres Staates. Stoppen Sie endlich Ihren Trend zu einer immer schlimmeren parteipolitischen Vereinnahmung der Verwaltung!

Mit dem Sparen bei sich selber anzufangen, kommt Ihnen nicht in den Sinn. Ganz im Gegenteil, Sie schustern sich immer noch mehr zu: Die unverschämte Nacht- und Nebelaktion aller Fraktionen – außer der AfD-Fraktion – zur Erhöhung der Fraktionsgelder und Mitarbeiterpauschalen um sage und schreibe 89 %, was den Steuerzahler jährlich 14 Millionen Euro zusätzlich kostet, legt davon genauso Zeugnis ab wie das Abbügeln unseres Antrages auf Verkleinerung des viel zu großen und damit viel zu teuren Landtags.

Warum nutzt die Landesregierung die niedrigen Zinsen und sprudelnden Steuereinnahmen nicht, um den gigantischen Schuldenberg abzubauen? Was ist mit den Investitionen, der maroden Infrastruktur auf den Straßen, den baufälligen Schulen und dem Reparaturrückstau in den Krankenhäusern? Auch dazu wurden unsere Anträge allesamt abgelehnt. Jedes fünfte Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen steht wirtschaftlich kurz vor dem Exitus.

Es häufen sich Defizite in Milliardenhöhe bei den Strukturinvestitionen im Land an – und das schon seit Jahren. Schwarz, Rot, Grün und Gelb haben auch hier gemeinsam sehenden Auges unsere Infrastruktur verkommen lassen.

Riesige Löcher klaffen in der ambulanten Versorgung. Versuchen Sie einmal, in den ländlichen Gebieten, zum Beispiel an der niederländischen Grenze, einen Hausarzt zu finden, der Sie aufnimmt. Es gibt dort Ärzte, die weit über ihr Renteneintrittsalter hinaus arbeiten und weiter arbeiten müssen, weil sonst niemand da ist, der sich für ihre Patienten einsetzen kann.

Versuchen Sie einmal, irgendwo in Bochum oder Duisburg einen Termin bei einem Psychologen zu bekommen. Selbst mit schwerwiegendsten psychiatrischen Erkrankungen dauert es teilweise Monate, bis Sie jemanden finden, der Sie behandeln kann. Sie machen sich wahrscheinlich bis auf wenige Ausnahmen keine Vorstellungen davon, was das für die Menschen bedeutet.

Ärzte, Krankenpfleger und Krankenschwestern arbeiten nicht nur bis zum Umfallen, sondern teilweise über ihr Limit hinaus. Ihnen gilt unser ganz besonderer Dank. Allein unter Ärzten sind die Raten von psychischen Erkrankungen, Suiziden und Burnouts derart in die Höhe geschnellt, dass dringender Handlungsbedarf besteht.

Der Handlungsbedarf besteht auch bei Polizisten. Ich freue mich, dass Sie wenigstens da auf unsere Vorstellungen eingehen. Bei der Einbringung des Haushaltsentwurfes sagte ich Ihnen – ich muss mich an dieser Stelle einmal unüblicherweise selbst zitieren –:

Natürlich benötigen wir jährlich mindestens 2.500, eher sogar, wie von uns letztes Jahr beantragt, 2.600 neue Polizeianwärter, wenn wir die Planzahl von jährlich 2.300 neuen Polizisten aufgrund der Abbrecher- und Nichtbesteherquote erreichen wollen.

Da Sie uns mit 2.400 Stellen schon ein Stück näher gekommen sind, hoffe ich, dass es nächstes Jahr 2.500 Stellen sein werden und wir übernächstes Jahr die von uns geforderte Zahl von 2.600 Stellen von Polizeianwärtern jährlich endlich erreichen werden.

Als ich das damals gesagt habe, war die Begeisterung der regierungstragenden Fraktionen recht gering. Applaus habe ich dafür nicht bekommen. Ich freue mich aber festzustellen, dass Sie nur kurze Zeit später selbst beschlossen haben, statt 2.400 so wie von mir vorgeschlagen 2.500 neue Polizeianwärterstellen zu schaffen.

Meine Damen und Herren, wenn Sie so weitermachen, dann können wir eines Tages sagen: Es ist uns völlig egal, wer unter der AfD regiert. Dann sind Sie tatsächlich auf dem richtigen Wege. Allerdings ist das bei Ihnen noch in viel zu wenigen Fällen der Fall.

(Beifall von der AfD)

Wo wir anscheinend deutlich mehr und länger auf Sie einwirken müssen, das sind der Grenzschutz und die Abschiebungen. Noch immer wollen Sie den weißen Elefanten im Raum oder – um mit dem Bundesinnenminister zu sprechen – die Mutter aller politischen Probleme nicht sehen, nämlich die unkontrollierte Massenzuwanderung. Diese ist übrigens mitverantwortlich für die Änderung des Polizeiaufgabengesetzes.

(Helmut Seifen [AfD]: Ja!)

Egal, ob wir im Landtag über Präventionsprogramme für Salafisten reden – woher kommt der Salafismus eigentlich? Aus Deutschland doch wohl eher nicht –, ob wir die Polizeibefugnisse im Antiterrorkampf ausweiten – woher kommen denn die Terroristen, auf die hier mit dem Verlust unserer Freiheit reagiert werden muss? –, ob wir über Veranstaltungsgesetze für Weihnachtsmärkte sprechen, über neue Polizisten, Richter und Staatsanwälte, über Schulpsychologen, die wir auf Kosten der Steuerzahler einstellen, über Islamunterricht, über diverse sogenannte und millionenschwere Integrationsprogramme, über schwerwiegende Straftaten, die horrenden Mietpreissteigerungen, die sich doch auch durch die zusätzliche Nachfrage ergeben – übrigens gerade im unteren Preissegment, wo die unberechtigt von Ihnen ins Land Geholten dann mit den hier schon länger Lebenden konkurrieren –, über die explodierenden Sozialhaushalte, in denen sich die unverantwortliche Migrationspolitik der alten Parteien mittlerweile voll niederschlägt – schon jetzt sind knapp eine Million von ihnen im Sozialbezug –, immer hat die von Ihnen so schwärmerisch verklärte Zuwanderung einen signifikanten Anteil an den Debatten und damit auch an den Kosten für den Steuerzahler.

Meine Damen und Herren, Ihre Borniertheit schadet unserem Land und seinen Menschen in einem ungeheuren Ausmaß. Sie sagen – und nicht nur die Grünen, sondern ganz offen auch der CDU-Ministerpräsident Armin Laschet –: Sie wollen die Grenzen nicht schützen. Merkel hat sich noch damit lächerlich gemacht, zu sagen, sie könne die Grenzen nicht schützen. Sie sind zumindest so ehrlich und sagen: Sie wollen das gar nicht. Gut, wir wollen das. Alle vollziehbar Ausreisepflichtigen abschieben, wollen Sie auch nicht.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Doch!)

Das nennt man in der freien Wirtschaft Arbeitsverweigerung. Der zuständige FDP-Minister Stamp hat von Tätigkeiten in der freien Wirtschaft womöglich auch keinen ganz so umfassenden Eindruck.

Ihr politischer Wille – oder besser: Unwille – drückt sich auch in Zahlen aus: Im Haushaltskapitel „Landesmaßnahmen für ‚sogenannte Flüchtlinge‘„ sind gerade einmal 1,03 % für Rückführungen eingeplant und gerade noch 0,99 % für Zuschüsse für Rückkehrprojekte.

Meine Damen und Herren, wir benötigen aber nicht noch mehr unkontrollierte Migration, sondern an dieser Stelle vor allem mehr Remigration. Zu dieser antibürgerlichen Politik passt dann im Schlechten, dass Sie von über 70.000 Ausreisepflichtigen gerade einmal 5.000 außer Landes geschafft haben.

Hinzu kommt, dass die Duldungsquote in NRW noch einmal signifikant schlechter ist als im ohnehin schon katastrophalen Bundesdurchschnitt. An der NRW-Westgrenze sollen, von Ihnen gewollt, nicht einmal die minimalen Verbesserungen für die Sicherheit unserer Bürger eingeführt werden, wie es die Bayern wenigstens versuchen.

Den Grenzschutz verlegen Sie lieber nach innen, an die Grenze von Weihnachtsmärkten und anderen Großveranstaltungen. Fragen Sie doch mal in kleinen Runden, wie viele Menschen im Alltag mittlerweile in bestimmten Situationen die Straßenseite wechseln, sich unwohl und bedroht fühlen! Fragen Sie mal, wie viele Menschen am liebsten abends auf öffentliche Verkehrsmittel verzichten wollen! Fragen Sie doch mal, warum das so ist! – Jeder weiß es.

(Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU])

Aber Sie fahren ja Taxi und wohnen im Rotweinviertel. Ihr Multikulti ist das Ossobuco bei Don Carlo. Aber für die meisten Menschen ist Ihre Politik mit ganz anderen Erfahrungen verbunden: Ihnen wird die Heimat genommen.

(Beifall von der AfD)

Aber wie beim Migrationspakt, den außer der AfD alle hier im Hause wollen, ist für Sie jede realistische Betrachtung, jede Kritik rechtspopulistisch, rassistisch und menschenverachtend. Die Sozialdemokraten in Tschechien oder der Slowakei – menschenverachtend, Österreich und Australien – rassistisch. Ihre Arroganz und Ignoranz den Problemen der Menschen gegenüber ist tatsächlich grenzenlos, und das ist möglicherweise der Grund, warum Sie so vehement gegen Grenzen sind.

Auch in der Wirtschaftspolitik bekommt man mehr Rot-Grün serviert, als man es von Schwarz-Gelb hätte erhoffen können. Oder halten Sie es wirklich für ein gutes Geschäft, wenn man Ihnen für 100 Euro ganze 50 Euro zurückgibt? – Doch solche Geschäfte finden sich im Haushaltsplan Wirtschaft und werden sogar noch groß gefeiert.

Der Minister meint gar – ich zitiere –:

„Das bedeutendste Instrument der Wirtschaftsförderung meines Hauses ist das EFRE-“

– EFRE steht für „Europäischer Fonds für regionale Entwicklung“ –

„Programm. Auf dieser Basis können bis Ende 2020 fast 2,5 Milliarden Euro an Investitionen getätigt werden. Die eine Hälfte der Gelder kommt aus Brüssel, die andere Hälfte stellen das Land, Kommunen, Hochschulen und Unternehmen.“

Zitat Ende.

Da kommen also Gelder aus Brüssel. Einfach so? Schenken die uns das? – Nein, natürlich nicht. Das Geld hat Brüssel vom deutschen Steuerzahler und abzüglich einer üppigen Verwaltungspauschale und der Unterstützung anderer Länder kommt dann kleckerweise etwas zurück, für das wir alle schön Danke sagen sollen. Das ist das Geld der Krankenschwester, die sich um Patienten kümmert, das ist das Geld von der Bäckereifachverkäuferin, bei der Sie sich am Montag Ihre Brötchen kaufen;

(Zurufe von der CDU)

sie haben das Geld, das das Land NRW aus Brüssel bekommt, vorher mehr als doppelt so hoch eingezahlt. Finden Sie, dass das ein gutes Geschäft ist? – Wir finden das jedenfalls nicht.

(Beifall von der AfD)

Weiter im Text! Dazu kommen noch Gelder vom Land, sagt Herr Minister Pinkwart. – Okay, Geld vom Land. Woher hat das Land das Geld? – Richtig, wieder von der Krankenschwester und der Bäckereifachverkäuferin. Dieses Geld wird zusammengeworfen. Jetzt gibt ein Unternehmer noch einen kleinen Teil dazu, und dann heißt das Ganze Investition. Das Verhältnis dieser Investitionen ist wie folgt: Der Steuerzahler gibt 5 Euro und der Unternehmer 1 Euro dazu. Damit ist dieses EU-Programm eines der ineffizientesten Programme, die man sich nur vorstellen kann – alles auf Kosten der deutschen Steuerzahler.

Aber – das dürfen wir nicht vergessen – die EU hat uns mit einem Lächeln einen Teil des Geldes zurückgegeben. Der Unternehmer lächelt jetzt auch. Dafür schulden wir der EU und den Unternehmen natürlich Dank, zumindest, wenn es nach Ihnen gehen würde.

Das Schlimme daran ist aber auch noch, Herr Professor Pinkwart, dass Sie dieses Programm ausdrücklich als das bedeutendste Programm Ihres Ministeriums feiern. Damit hängt die Wirtschaftspolitik in NRW weitgehend am Tropf von Brüssel. Hier würde ich mich mal über ein echtes Entfesselungspaket von Ihnen, von CDU und FDP, freuen. Befreien Sie sich und uns alle von den Fesseln der EU, und reformieren Sie diesen Laden endlich!

(Beifall von der AfD)

Schauen wir uns mal einige Projekte an, die in den letzten Jahren aus diesem EU-Programm finanziert wurden:

Der Phoenix-See in Dortmund ist ein schönes Beispiel. Dort sonnen sich jetzt die Profifußballer vom BVB in ihren Gärten mit Südlage zum See, während ein paar hundert Meter weiter das Arbeitslosenviertel mit einer Arbeitslosenquote von knapp 15 % beginnt. Dank EU-Fördermitteln wurde ein tolles Wohnquartier für Besserverdienende geschaffen.

Schon fast in Sichtweite dazu das Dortmunder U. 56 Millionen Euro sollte es kosten, davon knapp 23 Millionen Euro aus dem EFRE-Programm. Dieses Projekt wurde wieder einmal ein echtes „Schnäppchen“ für den Steuerzahler. Am Ende hat es etwa 100 Millionen Euro gekostet und hat es gleich zweimal ins Schwarzbuch der Steuerzahler geschafft.

Da nicht jeder das Schwarzbuch kennt, ein Zitat daraus:

Dort werden Projekte aufgelistet, die dokumentieren – ich zitiere –, „wie der Staat durch Gedankenlosigkeit, Prestigedenken, ungehemmte Regelungswut oder fehlendes Kostenbewusstsein mehrere Milliarden Euro an Steuergeld verschwendet“.

Zitat Ende.

Herzlichen Glückwunsch, liebe Kollegen der Altparteien! Sie haben es mit diesem Projekt wahrlich zweimal geschafft: Gedankenlosigkeit, Prestigedenken und Verschwendung. Ihr bedeutendes Instrument der Wirtschaftsförderung, Herr Minister, ist lediglich eine Maschine zur Geldverbrennung.

(Beifall von der AfD)

Ihr Verlust an bürgerlichen Werten geht so weit, dass ein FDP-Wirtschaftsminister die Ideologie über die Kräfte des Marktes stellt.

Nehmen wir nur das Beispiel Pumpspeicherkraftwerke! Da kämpfen Sie sogar gegen Naturgesetze. Denn es ist klar, dass in NRW nicht genügend Platz für Pumpspeicherkraftwerke ist, und es ist klar, dass in NRW die topografischen Verhältnisse keine relevante Anzahl dieser Pumpspeicherkraftwerke zulassen.

Auf eine Anfrage der AfD mussten Sie zugeben, dass wir in NRW mehr als 1.100 Pumpspeicherkraftwerke bräuchten, um eine Dunkelflaute von einer Woche zu überstehen. – Die letzte hatten wir im Januar 2017.

Ihre eigene Behörde sagt, dass sie selbst den Bau von allerhöchstens 27 solcher Pumpspeicherkraftwerke für realisierbar hält. – 27 Stück sind also theoretisch realisierbar. Gebraucht würden aber mehr als 1.100 Stück. Diese Diskrepanz sollte jedem auffallen – auch den Angehörigen der NRW-Koalition, meine Damen und Herren.

(Beifall von der AfD)

Aber Sie ignorieren auch die Kräfte des Marktes. Der Planer des Pumpspeicherkraftwerks in Höxter hat das Projekt aus ökonomischen Gründen aufgegeben, dabei galt es als das Vorzeigeprojekt in NRW. Das Schlimme aber ist, dass Sie nicht nur die Kräfte der Natur, der Physik und des Marktes ignorieren, nein, Sie pumpen jetzt auch noch mehr Geld ins System. Die Mittel für die Erkundung und Planung dieser Pumpspeicherkraftwerke, für die es gar keinen Platz gibt, werden aufgestockt. Das einzige, was mit diesen Projekten gepumpt wird, ist das Geld der Steuerzahler, das diese hart erarbeiten müssen.

(Beifall von der AfD)

Im Bereich des sogenannten Klimaschutzes werden noch einmal eben 80 Millionen Euro obendrauf gepackt – Geld, welches wieder verpuffen wird. Weltweit sind aktuell mehr als 1.000 Kohlekraftwerke in Bau oder Planung. Zudem gibt es einen EU-weiten Zertifikatehandel, sodass in Deutschland eingespartes CO2 einfach in Polen zusätzlich in die Luft geblasen werden kann. Damit sind Ihre Maßnahmen nicht nur wirkungslos, sondern eine unvergleichliche Geldverschwendung.

Schon immer hat es auf der Welt einen Klimawandel gegeben. Schon immer haben Lebewesen vor allem mit Anpassung darauf reagiert. Wir als AfD wollen deshalb viel mehr als Sie dafür sorgen, dass die Folgen des Klimawandels bekämpft werden. Daher haben wir Ihnen unter anderem den Vorschlag gemacht, die etwa 130 Millionen Euro in diesem Kapitel einzusparen und stattdessen Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels zu fördern. Deshalb haben wir zum Beispiel den Antrag gestellt, die Gelder für Hochwasserschutz um 20 Millionen Euro zu erhöhen. Dieser Antrag wurde von Ihnen allen, also auch von den Grünen, abgelehnt.

Aber Ihr Gedanke ist auch ein anderer: Sie meinen, Sie müssten den Menschen Ihre vermurkste und überteuerte Energiewende einfach nur besser erklären. Anscheinend halten Sie die Menschen für dumm. Aber ich kann Ihnen sagen, dass sie das nicht sind.

Man kann es nicht oft genug sagen: Deutschlandweit gab es auch als Folge Ihrer Politik im letzten Jahr 350.000 Stromsperrungen. Ökopopulismus und Erziehungsprogramme gehen Ihnen vor sozialer Gerechtigkeit. Mit uns geht das nicht.

(Beifall von der AfD)

Wo wir bei Erziehung sind: In der Schulpolitik suggeriert die Landesregierung einen Wechsel. Sie dreht auch an einigen Stellschrauben, aber letztlich ist das nur eine leicht variierte Fortsetzung von Rot-Grün mit schwarz-gelben Mitteln. Das ist auch kein Wunder, schließlich lässt sich die Ministerin von denselben Ratgebern, die der für die Schulen in NRW so katastrophalen grünen Frau Löhrmann ihre unseligen Vorstellungen eingeflößt haben, beraten. Das Paradebeispiel, der Vollzug von G9, erfolgt nur halbherzig. Mit üblen Tricksereien hebelte die Ministerin das Volksbegehren aus, indem sie die Terminierung für ihre G9-Konzeption parallel zur Frist für die Unterschriftensammlung des Volksbegehrens auf Ende November legte.

Dass das schulische Lernen in NRW ideologisiert ist und falsche Lehrmethoden an der Tagesordnung sind, stört die Ministerin sichtlich wenig: längeres gemeinsames Lernen, zieldifferentes inklusives Unterrichten, falsche Unterrichtsmethoden in allen Jahrgangsstufen – besonders in der Grundschule –, leistungsfeindliche Noteninflation, das Schüren falscher Hoffnungen bei Eltern und Kindern bezüglich der Schulkarrieren, Diskriminierung der Hauptschulen, Propagieren des gymnasialen Schulwegs als alleinseligmachend, die Leistungsnivellierung an allen Schultypen und der neoliberale Albtraum von Schwarz-Gelb von der angloamerikanischen Bildungswelt, die sich vor allem an Rentabilität orientiert.

Mit den Worten des langjährigen Lehrerverbandschefs Josef Kraus lässt sich diese Bestandsanalyse mit dem Satz „vergeigte Bildung der selbstvergessenen Nation“ beschreiben.

Aber wen wundert es? – Sie wissen ja, dass jeder Abstieg, jede dekadente Entwicklung mit Selbstverleugnung und Überangepasstheit beginnt.

(Beifall von der AfD)

Überangepasstheit – in der Compliance-Theorie heißt das Überimplementation – lässt sich unter dem langjährigen Diktat der OECD im Bildungswesen feststellen. Vor wenigen Wochen hat der mit dem Ressort Bildung bei der OECD vertraute Andreas Schleicher eine Sonderauswertung der PISA-Daten vorgestellt – eine neue Studie, dieselbe Predigt: Deutschland wird wieder einmal attestiert, dass die Abhängigkeit des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft abhängig sei.

Dass insbesondere Länder mit einer vielfältigen schulischen Infrastruktur zur Gewährleistung des bedarfsgerechten Unterrichts im Fokus der OECD stehen, ist zwar schon längst bekannt, führt aber immer wieder zu großem Staunen. Infrastrukturelle Vielfalt – da müsste den Damen und Herren bei den Grünen doch eigentlich das Herz aufgehen – scheint bei Ihren Freunden der OECD nur wenig Anklang zu finden.

Ich übersetze einmal: Länder, die eine frühe Aufteilung in weiterführende Schulformen vollziehen – im Sprachstil der Grünen: Segregation –, scheinen in den Augen der OECD-Bildungsprofis a) geringere Leistungsniveaus herbeizuführen, b) eine soziale Undurchlässigkeit zu fördern und c) eine Benachteiligung von leistungsschwachen Kindern salonfähig zu machen. Stattdessen fordert dieser vermeintliche Bildungsprofi bessere Ausstattung für Schulen in Problemvierteln.

Diesen Rat haben Sie, Frau Ministerin, sehr schnell beherzigt. Da stelle ich mir die Frage, wann Herr Schleicher bei Ihnen im Ministerium war, um Ihnen das Projekt der Talentschulen aufzuzwingen, und wie viel nimmt der eigentlich pro Beratungsstunde? Vielleicht so viel wie die Berater von Frau von der Leyen? – Ich weiß es nicht.

Spätestens seit den PISA-Erhebungen und den OECD-Quotentabellen verkommt Bildung immer mehr zum Untertanen des Funktionalismus und des Empirismus, wonach Wettbewerbs- und Effizienzkriterien die Zukunft unserer Schulen bestimmen.

Dies ist eine fatale Entwicklung in Anbetracht dessen, dass die Institution Schule mit ihrem Bildungsauftrag nicht nur für die kognitiv-intellektuelle Entwicklung, sondern auch für die Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen verantwortlich ist.

Während in der Wirtschaft zu Recht unter marktwirtschaftlichen Aspekten der Gewinnmaximierung gehandelt wird, darf die Bildungspolitik auf keinen Fall ausschließlich nach Rentabilitätsaspekten gesteuert werden.

(Beifall von der AfD)

Ein Haushalt ohne nennenswerte Tilgung, ein Haushalt mit minimalem Überschuss, einzig ermöglicht durch die fatale Eurorettungs- und Nullzinspolitik der EZB, ein Ministerpräsident, der weder in seiner Partei noch für NRW die Zeichen der Zeit erkennt, ein sogenannter Integrationsminister, der die Abschiebung von Kriminellen und Illegalen nicht in den Griff bekommt, marode Brücken und Straßen, Funklöcher und kaum schnelles Internet, Weihnachtsmärkte hinter Pollern und Straßensperren, und für Silvester dürfen wir nur hoffen, dass unsere Frauen nicht wieder massenhaft sexuell genötigt werden – wahrlich, das Land und die Menschen haben Besseres verdient. Aber spätestens bei den Europawahlen im Mai bekommen Sie die nächste Quittung.

Bis dahin wünsche ich Ihnen trotz allem ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen friedlichen Jahreswechsel.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Wagner. – Nun spricht für die Landesregierung der Ministerpräsident Herr Laschet.

Armin Laschet, Ministerpräsident: Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnern und Kollegen! Die Haushaltsdebatte bietet Gelegenheit, über die Grundzüge der Politik in Nordrhein-Westfalen zu sprechen, die Pläne für 2019 vorzustellen und zu sagen, welche Schwerpunkte und Ziele mit diesem Haushalt verbunden sind.

Das gelingt, indem zunächst die Ausgangslage beschrieben werden soll. Wenn man fragt: „Was ist in den 18 Monaten unserer Regierung passiert?“, muss man auch fragen: „Wie war die Lage zu Beginn?“.

Wir haben uns drei Schwerpunkte als Ziel gesetzt.

Erstes Ziel: die Wirtschaft. Nordrhein-Westfalen war noch zu Regierungsbeginn in den Statistiken der Jahresbilanzen häufig genug Vorletzter unter den deutschen Ländern. Es wurden Erklärungen gesucht, zum Beispiel dass die BRIC-Staaten daran schuld seien und die Landespolitik auf solche Entwicklungen wenig Einfluss hätte. Wir als Landesregierung haben uns zum Ziel gesetzt, dass wir dort wirtschaftliche Impulse setzen, wo man sie auch setzen kann.

Zweites Ziel: die Verkehrspolitik. Verkehrspolitik ist eine Voraussetzung für gute Wirtschaftspolitik. Wir haben erlebt, dass in manchen Jahren Bundesmittel zurückgegeben werden mussten, und zwar, wie es damals hieß, weil nicht genug Pläne fertig waren. – Es regnet Brei aus Berlin, und in Nordrhein-Westfalen fehlen die Löffel.

(Zuruf von der SPD)

Drittes Ziel: die Entfesselung des gefesselten Riesen. Überregionale Medien hatten geschrieben: Eigentlich ist Nordrhein-Westfalen ein starkes Land, aber es gibt so viel Bürokratie, so viele Fesseln, so viel an Regulierung, dass Nordrhein-Westfalen nicht vorankommt.

(Zuruf von der SPD: Verkaufsoffene Sonntage – Problem gelöst!)

Bei der Bildungspolitik haben wir erleben müssen – es gibt ja das Bild der drei Affen: nichts sehen, nichts hören und nichts sagen –, dass der Unterrichtsausfall in Nordrhein-Westfalen einfach nicht registriert wurde. Man hat gesagt: „Wir messen gar nicht mehr, und dann ist die Statistik auch in Ordnung“. – Sie haben die Elternkritik im Zusammenhang mit der Inklusion nicht hören wollen, und bei G8, G9 und KiBiz wurde nichts entschieden, sondern man hat das Ganze an runden Tischen erörtert.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Ein letzter Aspekt: Was die Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfalen besonders bedrückt hat, war die Tatsache, dass immer dann, wenn bundesweit über die innere Sicherheit gesprochen wurde, Negativbeispiele aus Nordrhein-Westfalen genannt wurden. „SPIEGEL ONLINE“ nannte Nordrhein-Westfalen einen „Failed State“. – Das war etwas, das uns wirklich unruhig gemacht hat und woran wir etwas ändern wollten.

Schließlich möchte ich noch in Erinnerung rufen, dass SPD und Grüne im Laufe ihrer Regierungszeit in vielen Dingen nicht mehr an einem Strang gezogen haben. Der Wirtschaftsminister hat im Kabinett industriepolitische Leitlinien vorgestellt, die die Grünen aber nicht beschließen wollten. Herr Groschek, Herr Duin und Herr Walter-Borjans haben ein Bündnis für Infrastruktur gegründet, das die Grünen – O-Ton – „Steuergeldverschwendung“ genannt haben mit der Bemerkung: Alte Herren profilieren sich.

Wir wollten das anders machen. Wir sind angetreten mit dem Ziel, unser Land wieder an die Spitze der deutschen Länder zu führen. Wir wollen zuhören, entscheiden, und dann aber auch handeln. CDU und FDP – die Nordrhein-Westfalen-Koalition – wollen als Partner an einem Strang ziehen. Wir wollen uns in Berlin und Brüssel stärker für die Interessen unseres Landes einsetzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn man jetzt auf den Haushalt schaut, kann man erkennen, dass eine Trendwende, eine Haushaltswende eingeleitet worden ist.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Wenn man draufschaut! Aber wenn man reinschaut, dann nicht!)

– Ja, Herr Zimkeit! Sie haben sieben Jahre lang regiert. Mehrmals mussten Sie vom Verfassungsgericht an die Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der Verfassung erinnert werden;

(Zuruf von den GRÜNEN: Oh! – Zurufe von der SPD)

einmal sogar –

(Unruhe)

ja, ich weiß, dass Ihnen das wehtut –, indem Sie deutsche Rechtsgeschichte geschrieben haben.

(Zuruf von der SPD: Herr Laschet ist wach geworden!)

Es war einmalig, dass ein Parlament per einstweiliger Anordnung gezwungen wurde, keine Schulden einzubringen. Das war einzigartig; das gibt es nirgendwo.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nirgendwo gab es so viele Ermahnungen, den Rechtsstaat zu beachten, die Verfassung einzuhalten und per einstweiliger Anordnung gezwungen zu werden, bestimmte Schulden nicht aufzunehmen. Deshalb war für uns der Anspruch, fünf Jahre lang keine neuen Schulden aufzunehmen, ein riesiges Ziel. Heute tun Sie so, als wäre das alles kein Kunststück. – Ja, das ist kluge Regierungspolitik!

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD: Steuermehreinnahmen sind das!)

Der konjunkturelle Aufschwung und das Sprudeln der Steuerkassen hat doch nicht erst am 14. Mai 2017 um 18 Uhr begonnen! Es gab doch auch vorher schon einen Aufschwung und steigende Steuereinnahmen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie haben noch nicht einmal den Versuch unternommen, hier einen Haushalt mit einer schwarzen Null vorzulegen. Sie haben die schwarze Null sogar lächerlich gemacht, die Wolfgang Schäuble als Bundesfinanzminister schon etwas früher erreicht hatte. Wir haben jetzt in 2018 nicht nur eine schwarze Null, sondern in 2019 sogar Überschüsse, die erwirtschaftet werden, um die Schulden abzutragen, die Sie im Laufe von 40 Jahren angehäuft haben. Wir stellen uns dieser Aufgabe.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Die wirtschaftlichen Daten werden auch besser. Wir verzeichnen in Nordrhein-Westfalen im November dieses Jahres die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung. Im Ruhrgebiet herrscht sogar die niedrigste Arbeitslosenquote seit 1980: unter 10 %, einstellig – immer noch zu hoch, aber wir arbeiten weiter daran. In Nordrhein-Westfalen haben wir derzeit jedenfalls eine Arbeitslosenquote von 6,4 %.

(Zuruf von der SPD)

Das heißt auch, alle die Menschen, die aus der Arbeitslosigkeit herausgekommen sind, weil Anreize für Unternehmensgründungen und für das Niederlassen von Unternehmen im internationalen Wettbewerb gesetzt wurden, zahlen zum einen Steuern, haben zum anderen aber auch ein ganz anderes Selbstwertgefühl, wenn sie aus den sozialen Sicherungen herauskommen hin zu eigenen Arbeitsplätzen.

Deshalb ist eine kluge Arbeitsmarktpolitik die beste Sozialpolitik, die dieses Land erhalten kann.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir gehören zur Spitzengruppe der deutschen Länder.

Wie macht man das? Das macht man zum Beispiel, indem man dem gefesselten Riesen endlich die Fesseln wegnimmt. Das machen die Entfesselungspakete in Form von 39 Regelungen, die den Verwaltungsaufwand reduzieren und Gründern die Möglichkeit geben, sich wirklich um das Vermarkten ihrer Produkte zu kümmern.

Die Hygieneampel ist weg, und trotzdem schmecken die Brötchen im Lande noch. Die Lebensmittelsicherheit ist immer noch gegeben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Sarah Philipp [SPD]: Das ist aber ein toller Erfolg!)

Die Bäcker backen genauso gut wie vorher. Ich weiß doch, dass viele in der SPD es genauso unsinnig fanden, was man mit dieser Hygieneampel angerichtet hat. Ein kleiner Eingriff, und schon ist die Überregulierung abgebaut.

(Jochen Ott [SPD]: Und die Diesel qualmen genauso wie vorher!)

Jetzt geht es darum, eine flächendeckende Einführung der E-Rechnung, elektronische Gewerbeanmeldungen sowie vereinfachte Verfahren für Gründer zu realisieren und Genehmigungsverfahren so zu beschleunigen, dass jemand, der sich selbstständig machen will, nicht jahrelang warten muss, bis er seine Investitionen in Gang setzt.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Diese Chance ist jetzt da. In dieser Woche war der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft bei der Ministerin und mir zu Besuch. Er wird bei dem mitwirken, was wir rund um die Ruhr-Konferenz vorhaben.

Schaut man sich die Lage in Deutschland generell an, erkennt man, dass zum Beispiel München völlig überhitzt ist. Ein Gründer kann sich aufgrund der hohen Kosten kaum noch in München niederlassen. Auch Berlin ist zunehmend überhitzt. Zum ersten Mal gab es mehr Start-ups in Nordrhein-Westfalen als in Berlin. Wir haben die Flächen, wir haben Universitäten, wir haben Potenziale. Deshalb kann man sich hier besser als in jeder anderen Region Deutschlands niederlassen. Diese Menschen zu ermutigen, ist ein Ziel unserer Wirtschaftspolitik.

(Beifall von der CDU und der FDP – Karl Schultheis [SPD]: Zauberlehrling!)

Das setzt sich beim Landesentwicklungsplan fort. 18 Monate hat dieser Prozess gedauert. Wir stehen jetzt kurz vor dem Abschluss. Rot-Grün hat dafür fast viereinhalb Jahre gebraucht, nahezu eine ganze Wahlperiode. Endlich ist wieder der Anreiz da, neue Flächen für Ansiedelungen, auch im ländlichen Raum, zu schaffen und mehr Flexibilität bei der Flächenausweisung zu ermöglichen, zum Beispiel die Entwicklung des newPark voranzutreiben und die Emscher-Lippe-Region

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh und Norwich Rüße [GRÜNE])

zum Topstandort zu machen.

SPD-Abgeordnete haben den Grünen in Ihrer gemeinsamen Regierungszeit vorgeworfen, das sei eine „Blutgrätsche“ gegen die Region. So war hier der Ton! Wir hingegen sagen, dass wir diese neuen Arbeitsplätze wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist bei der klassischen Infrastruktur wichtig.

Beim Mobilfunkpakt reden alle über 5G. Herr Professor Pinkwart, der zuständige Minister, redet nicht, er hat es schon gemacht.

(Karl Schultheis [SPD]: Wo haben wir das denn? – Christian Dahm [SPD]: Das sagt Frau Karliczek auch! – Zuruf von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

Er hat die Verbesserung der Versorgung und den Ausbau der Netze zusammen mit der Telekom, Telefónica Deutschland und Vodafone in einem gemeinsamen Vertrag gesichert. 1.350 neue Mobilfunkstandorte sollen errichtet und 5.500 weitere sollen modernisiert werden, um Lücken im Netz zu schließen. So wird Nordrhein-Westfalen Leitmarkt für den neuen Mobilfunkstandard 5G. Das Ziel muss am Ende sein: bis an jede Milchkanne. Überall im Land brauchen wir schnelles Internet.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ein weiterer Weg, um neue Arbeitsplätze zu schaffen, besteht darin, als Standort attraktiv zu sein und gute Verkehrsbedingungen zu ermöglichen. Wir haben inzwischen so viele Pläne fertiggestellt, dass wir 100 Millionen Euro mehr vom Bund bekommen haben. Wir haben also kein Geld zurückgeschickt, sondern durch die fleißige Arbeit mit mehr eingestellten Ingenieuren 100 Millionen Euro zusätzlich vom Bund bekommen. Der Etat des Verkehrsministers steigt auf rekordverdächtige 2,87 Milliarden Euro. Wir arbeiten an der klassischen Infrastruktur und tun im Ständigen Expertenrat Elektromobilität, an dem ich jedes Mal selbst teilnehme,

(Karl Schultheis [SPD]: Das ist aber nicht gut!)

alles dafür, dass Nordrhein-Westfalen das Gründerland in Sachen Elektromobilität wird.

Wenn wir diesen Weg weitergehen, haben wir die Chance, in unseren Städten für saubere Luft zu sorgen. Dies wird nicht mit unsinnigen Fahrverboten auf der A40 gelingen, sondern mit Innovation und einem Umstieg der Verbraucher in den Städten auf Elektromobilität. Das wollen wir unterstützen und vorantreiben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nun sagen einige – ich lese das manchmal bei Twitter –: „Aber Sie haben doch gesagt, die Staus sind weg. Ich stehe gerade im Stau. Es gibt ja immer noch Staus.“ – Zu glauben, man könne dieses Problem innerhalb von 18 Monaten wegzaubern, ist wirklich naiv.

(Christian Dahm [SPD]: Das waren Ihre Worte! – Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das waren doch Ihre Worte! – Karl Schultheis [SPD]: So war der Wahlkampf!)

– Nein, so war nicht der Wahlkampf.

(Karl Schultheis [SPD]: So war der Wahlkampf! – Weitere Zurufe)

Es war vielmehr so: Ihr habt Geld verschenkt,

(Heike Gebhard [SPD]: Wir haben das Geld besorgt, das Sie ausgeben!)

ihr habt euch nicht um ein kluges Baustellenmanagement gekümmert, und ihr habt nicht die Ingenieure eingestellt, die wir brauchen.

(Widerspruch von der SPD)

– Ich verstehe, dass Ihnen das das nicht genehm ist.

Wenn ich heute lese, dass wir mit Unterstützung des Bundes bei acht Projekten die Bauzeit auf 23 Wochen verkürzt haben und insgesamt 107 Wochen Bauzeit eingespart haben, weil wir einfach ein besseres Baustellenmanagement machen – das regt die Leute doch auf: die Baustellen, auf denen niemand arbeitet –,

(Beifall von der FDP)

weiß ich, dass wir auf dem allerbesten Weg sind.

Wir hatten uns zwölf Planfeststellungsverfahren vorgenommen, damit das Ganze vorangeht. Es sind nun 19 geworden. Ich sage vielen Dank für die effiziente Arbeit an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkehrsministerium – so kommt Nordrhein-Westfalen voran – und auch an den Minister.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mich bewegt schon seit vielen Jahren die Idee des Aufstiegs durch Bildung. Wir wollen zur Aufsteigerrepublik werden. Deshalb haben wir genau das in der Bildungspolitik zum Ziel gehabt.

Schluss mit den Strukturdebatten! Man kann ein gutes Abitur in acht Jahren und in neun Jahren schaffen. Das ist aus meiner Sicht keine Frage der Ideologie. Aber sieben Jahre lang darüber zu diskutieren und nicht zu entscheiden, bindet zu viele Kräfte in den Schulen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Deshalb ist die Grundsatzentscheidung für G9 gefällt worden.

Frau Beer, Sie haben eben ziemlich laut dazwischengerufen, als es um die Förderschulen ging. Die Förderschulen waren fast alle verschwunden. Ein Moratorium wenige Tage nach Regierungsantritt hat die letzten von ihnen gerettet – und sie werden gerettet bleiben. Das ist die Politik von CDU und Grünen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Widerspruch von der SPD – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE] – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Die Schulministerin hat etwas gemacht, was Sie zur technischen Unmöglichkeit erklärt hatten, nämlich digital und schulscharf den Unterrichtsausfall zu messen.

(Zuruf von der SPD: Davon haben wir aber was!)

Das führt zu Transparenz.

(Jochen Ott [SPD]: Ein Versuch!)

Das ermöglicht uns, Lehrer in die Schulen zu bringen, wo der Schulunterricht ausfällt. Das ist zum ersten Mal ein flächendeckender Versuch, der die Bildungspolitik für jedes Kind wirklich ernst nimmt. Deshalb werden wir auf diesem Weg weitergehen.

Einen Punkt in Ihrer Rede verstehe ich nicht, Herr Kutschaty. Sie haben so abfällig über die Talentschulen gesprochen und gesagt, das müsste man bei allen 5.068 Schulen im Land machen.

(Thomas Kutschaty [SPD]: 5.668!)

– 5.668 Schulen gibt es im Land Nordrhein-Westfalen.

Sie haben gesagt: Das müsste man überall machen.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Gut, das war meistens die Antwort: Man muss es für alle machen – also machen wir gar nichts. – Das war sieben Jahre lang Ihre Politik.

Wir sind an die Regierung gekommen, haben einen bestimmten Zustand vorgefunden und uns gesagt: Neben dem, was wir für alle Schulen tun, müssen wir, wenn Aufstieg durch Bildung gelingen soll, dafür sorgen, dass wir in den schwierigsten Stadtvierteln die besten Schulen haben. Das ist die Idee der Talentschulen. Da bin ich übrigens komplett einig mit Sigmar Gabriel, der das auch gesagt hat.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Sozialindex nennen wir das, Herr Laschet!)

Deshalb wundert es mich, dass Sie dagegen sind, wenn wir damit anfangen, in den schwierigen Stadtvierteln, wo die Kinder keine Perspektive haben, die besten Schulen einzurichten.

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Das ist doch grober Unfug! – Zurufe von der SPD)

– Ich habe das so verstanden.

Das ist meine Grundidee.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist erbärmlich, Herr Laschet! – Fortgesetzt Zurufe)

– Ich habe früher gedacht, das sei von den Sozialdemokraten auch gewollt.

(Frank Müller [SPD]: Das ist zynisch! – Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Sozialindex nennen wir das!)

Wir haben heute oft die besten Ausstattungen in den Schulen, in denen es Elternvereine gibt, die noch etwas spenden, und die die Digitalisierung oder anderes schneller herstellen als anderswo.

Die Talentschulen haben genau das als Idee – das können Sie in der Ausschreibung erkennen –, nämlich dass da, wo der Bedarf am größten ist, die besten Bedingungen, die besten Lehrerschlüssel und die besten Gebäude vorgesehen sind.

Ich möchte Sie bitten, dass Sie sich dieser Idee anschließen und nicht parteipolitische Süppchen zulasten dieser Viertel in Nordrhein-Westfalen kochen. Darum möchte ich Sie dringend bitten!

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Unsinn ist das! Intellektueller Unsinn! – Zuruf von Frank Müller [SPD] – Weitere Zurufe)

– Ich verstehe die Aufregung nicht ganz. Das war schon immer unsere Idee; das steht auch in der Regierungserklärung. Das hat die Ministerin so vorgetragen. Warum Sie ausgerechnet das als Kritikpunkt für die Haushaltsdebatte nehmen, verstehe ich nicht. Das erschließt sich mir nicht.

(Jochen Ott [SPD]: Weil Sie es noch nicht verstanden haben!)

Die Bemerkung, das müsste dann für alle 5.668 Schulen so sein, ist eben falsch. Dort, in diesen Vierteln, müssen wir anfangen. Das ist unser Ansatz; so ist unser Konzept.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Bei der frühkindlichen Bildung packt Joachim Stamp das ebenso an. Im Gesetz war vorgeschrieben, jedes Jahr zu evaluieren, ob denn der Grundschlüssel des Kinderbildungsgesetzes reicht.

(Zuruf)

Sieben Jahre lang ist nicht evaluiert worden. In den Überbrückungshaushalten haben wir den Kindergärten, die dringend Luft zum Atmen brauchten, unter Führung des Ministers Stamp ein Kita-Rettungspaket an die Hand gegeben. Wir haben uns für das neue Jahr ein neues Kinderbildungsgesetz vorgenommen, das endlich die Auskömmlichkeit in der frühkindlichen Bildung herstellt,

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

die Sie sieben Jahre lang verweigert haben. Das ist der Job, an dem der Minister arbeitet.

(Beifall von der CDU und der FDP – Karl Schultheis [SPD]: Da sollte das Verursacherprinzip gelten!)

Beim Thema „Innere Sicherheit“ gab es ebenfalls viele Kritikpunkte; ich habe es am Anfang meiner Rede geschildert. Die Frage ist: Wie geht man das Ganze jetzt an?

Bei der Frage, wie viele neue Kommissaranwärter wir einstellen, gibt es wahrscheinlich einen Konsens, weil auch vor der Wahl ähnliche Zahlen genannt wurden. Bis an die Grenze unserer Ausbildungskapazität zu gehen, war die Grundidee bei Sozialdemokraten, bei Christdemokraten und bei der FDP.

Das Entscheidende ist aber nicht nur die Zahl der Kommissaranwärter, sondern man braucht, wenn man das Thema ernst nimmt, erst einmal die politische Grundhaltung, dass Rechtsbruch nicht geduldet wird – egal wo.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich nenne Ihnen dazu ein Beispiel: Wir sind für Meinungsfreiheit. Man kann kritisch rund um Afrin und über den Einsatz der Türkei gegen Kurden diskutieren. Dagegen darf man auch demonstrieren.

Aber wenn die Auflage lautet, keine PKK-Fahnen zu zeigen, heißt das genau das: keine PKK-Fahnen zeigen.

In den letzten Jahren fanden einige Demonstrationen statt. Sie sehen die Demonstrationen in den Kölner Rheinwiesen, und Sie sehen Tausende PKK-Fahnen. Entweder nimmt sich der Rechtsstaat ernst oder nicht. Diese Fahnen werden bei den Demonstrationen meistens nach etwa hundert Metern Marsch verteilt. Der Innenminister hat jetzt zweimal gesagt: Das ist eine Provokation des Rechtsstaats, und wenn die Fahnen nicht eingerollt werden, wird die Demonstration aufgelöst. – Das spricht sich herum: In Nordrhein-Westfalen wird so etwas nicht mehr geduldet. Das ist eine neue Herangehensweise.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Clans spüren das gleichermaßen. Das sind über Jahrzehnte gewachsene Strukturen, die übrigens auch auf Versäumnisse der Integrationspolitik in den 90er-Jahren beruhen.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Da haben sich Strukturen verfestigt, die dieser Innenminister jetzt stört, indem er unangekündigt Razzien durchführt, indem er Geschäftsmodelle in kriminellen Strukturen zerstört und indem er in schwierigen Vierteln Politik zugunsten der Menschen macht. Auch dafür hat er jede Rückendeckung. Man könnte diese Aufzählung jetzt endlos fortsetzen.

Innere Sicherheit bedeutet jedenfalls mehr als nur „mehr Polizei“. Sie ist eine bestimmte Haltung; sie ist übrigens auch Rückendeckung für Polizisten. Eine Kennzeichnungspflicht gibt es mit uns nicht; das ist eine alte Forderung der Polizisten. Wir trauen unseren Polizisten und misstrauen ihnen nicht, wie es in der vorherigen Regierung der Fall war.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der nächste Schritt, der in dieser Woche noch ansteht, ist ein neues Polizeigesetz, das sehr sorgsam erörtert, sehr sorgsam diskutiert und

(Christian Dahm [SPD]: Da bin ich aber auf die Wortwahl gespannt!)

novelliert wird. Damit gehen wir einen neuen Weg. Wir bekommen ein modernes Polizeigesetz für Nordrhein-Westfalen, das der Polizei im Kampf gegen Gefährder an Kriminalitätsschwerpunkten und mit der Einführung des Instruments der Strategischen Fahndung verdachtsunabhängige Kontrollen ermöglicht. Diese Instrumente gab es bislang nicht.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Ja!)

Ich sage noch etwas zum Stil dieser Regierung. Man hätte jetzt einen riesigen Streit über das Polizeigesetz führen können. Manche haben gefragt: Was macht ihr denn jetzt; müsst ihr das novellieren? – Das ist gerade der Sinn einer Anhörung im Parlament. Es ist vielleicht für manche ungewohnt, dass man auf das hört, was die Experten in einer Anhörung sagen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Wenn Sie das mal machen würden!)

Wir haben es bei der Inklusion und bei anderen Themen erlebt, dass alle Experten gesagt haben, so könne man das nicht machen. Und Sie haben es trotzdem gemacht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir machen es jetzt anders: Wir hören auf die Experten. Ich sage Ihnen persönlich: Mir ist die Meinung von Burkhard Hirsch und Gerhart Baum sehr wichtig.

(Zuruf von Sarah Philipp [SPD])

Das sind sehr anerkannte liberale Anhänger des Rechtsstaats, die manchmal den Staat mit ihren Prozessen geärgert haben mögen, die aber darauf hinweisen …

(Nadja Lüders [SPD]: Weder noch, sondern Verständnis vom Rechtsstaat haben! – Marc Lürbke [FDP]: Werden Sie nicht zustimmen? – Christian Dahm [SPD]: Überlegen wir uns noch!)

Also, ich finde es mutig, wenn sich Burkhard Hirsch mit 87 Jahren in neue Rechtsmaterien vertieft, notfalls klagt und den Finger in die Wunde legt. Wenn er Ihnen einen handschriftlichen Brief schreibt, enthält dieser noch einen riesigen Fußnotenapparat. Wenn alle in Vorgängerregierungen so präzise gearbeitet hätten und in kommenden Regierungen so präzise gearbeitet würde, dann wäre unserem Land gut gedient.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Davor kann man Respekt haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

In dieser Woche ist wahrscheinlich ein großer Konsens zu diesem Polizeigesetz möglich. Herr Kutschaty hat gestern die Grünen kritisiert, dass sie der Polizei keine Rückendeckung geben würden.

(Zuruf von Sven Wolf [SPD])

Auch ich hätte mir gewünscht, dass die Grünen dabei gewesen wären und nicht bei Demonstrationen am letzten Wochenende gegen dieses Stück mehr Sicherheit demonstriert hätten. Das hätte ich mir gewünscht, aber es war nicht möglich.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir nehmen sehr häufig die Täter in den Blick, aber nicht die Opfer. Deshalb habe ich, noch bevor ich Ministerpräsident wurde, einmal einen Opferschutzbeauftragten in Berlin besucht, der allerdings ehrenamtlich tätig war. Ich habe ihn nach seiner Tätigkeit gefragt.

Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir eine Opferschutzbeauftragte bestellen wollten. Das ist jetzt Frau Auchter-Mainz, die am 1. Dezember 2017 ihre Arbeit mit einer echten Stabsstelle aufgenommen hat. Ich habe vor ein paar Tagen nachgefragt, wie viele Fälle es gab und wie viele Leute sich gemeldet haben. 550 Kriminalitätsopfer haben sich in diesem einen Jahr gemeldet. Das sind 550 Leute – es gibt wahrscheinlich noch viel mehr, die nicht wissen, dass es diese Stelle gibt –, die vorher keine Anlaufstelle hatten, wo sie ihre Sorgen loswerden konnten.

Das ist auch eine andere Herangehensweise, bei innerer Sicherheit nicht nur über Täter zu sprechen, sondern auch an die Opfer zu denken. Wir wollen das weiter ausdehnen. Wir kümmern uns um die Opfer.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Kutschaty, Sie haben gefragt, was die Bosbach-Kommission macht. Auch dazu eine Antwort. Die Bosbach-Kommission sollte – Sie haben das schön beschrieben; Sie finden das immer sehr lustig, wenn man es so formuliert – die Architektur der Sicherheit zwischen Bund und Ländern neu ordnen usw.

(Zuruf von Thomas Kutschaty [SPD])

Sie haben gesagt: Der wollte gleich die halbe Welt retten, und der tut eigentlich gar nichts; das war nur ein PR-Gag im Wahlkampf – wie Sie halt so reden.

(Zuruf von Sarah Philipp [SPD])

Ich kann es Ihnen sagen: Die Kommission hat ihre Arbeit zu Beginn des Jahres 2018 aufgenommen. Im Dezember findet bereits die zehnte Sitzung statt. Die Mitglieder der Kommission treffen sich alle vier Wochen. Das sind absolute Experten, parteiübergreifend – Sie kennen die Namen –, die etwas von innerer Sicherheit und von Strukturen verstehen. Die Teilnehmerquote bei den Sitzungen liegt bei 84 %. Sie haben ja gefragt, ob die großen Namen überhaupt kommen. Ja, sie nehmen tatsächlich an den Sitzungen teil.

Die Kommission hat sieben Vor-Ort-Termine durchgeführt, unter anderem beim Generalbundesanwalt und beim Präsidenten des BKA. In den nächsten Sitzungen soll das Thema „Besondere Opfergruppen – Senioren, Frauen und Kinder“ in den Blick genommen werden. Die Kommission will sich auch mit Organisierter Kriminalität und Clan-Kriminalität beschäftigen, mit Cybercrime, mit Hasskriminalität, mit islamistischem Terrorismus und mit der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Deutschland.

Ich verstehe jetzt nicht ganz, was Ihr Vorwurf ist. Ist Ihr Vorwurf, dass Herr Bosbach mit der Kommission zu wenig in Talkshows zu sehen ist? Oder was ist der Vorwurf? Die Kommission arbeitet still hinter verschlossenen Türen und wird irgendwann ihren unabhängigen Bericht vorlegen. Und dann können wir über den Bericht diskutieren.

(Zuruf von Sarah Philipp [SPD])

– Bitte?

(Sarah Philipp [SPD]: Wir dürfen aber immer nachfragen, was sie machen!)

– Ja, Sie dürfen schon nachfragen.

(Sarah Philipp [SPD]: Danke!)

Aber Herr Kutschaty hat nicht gefragt, sondern hat hier polemische Reden gehalten.

(Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Deshalb bekommen Sie jetzt hier die Antwort.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Außerdem haben Sie ja schon eine Kleine Anfrage zu diesem Thema gestellt, wenn ich mich recht erinnere, auf die Sie die Antwort, die Sie gerne hätten, natürlich bekommen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Nein, eben nicht!)

Jetzt lassen Sie mich einige Bemerkungen zu unserem Auftritt auf Bundes- und Europaebene machen und da insbesondere die Diskussion über den Digitalpakt ansprechen.

Wir haben im Grundgesetz ein System, das Bundeszuständigkeiten und Länderzuständigkeiten kennt. Dazwischen haben wir Formen, in Bezug auf die wir uns im Koalitionsvertrag auch vorgenommen haben, dass eine bessere Kooperation bei einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe möglich sein soll. Wir werden einen Weg finden, wie wir das dann in den Vermittlungsausschuss, der ja Ende dieser Woche im Bundesrat einberufen wird, einbringen.

Trotzdem möchte ich Ihnen noch einmal ein Grundprinzip meiner Grundhaltung dazu erläutern. Für Aufgaben in Bundeszuständigkeit gibt es auch Steuern, die nur dem Bund zustehen. Für Aufgaben in Landeszuständigkeit gibt es manche Steuern, die nur den Ländern zustehen, und manche Steuern, die nur den Kommunen zustehen.

Außerdem gibt es ein System der Gemeinschaftssteuer. Der Bund tut immer so, als sei das Bundesgeld. Die Staatsministerin im Kanzleramt – manchmal hadert man bei Twitter auch mit eigenen Leuten –, Dorothee Bär, hat geschrieben, das sei ja klar; wenn es um Bundesgeld gehe, ständen die Länder immer 16 : 0 gegen den Bund. Es geht aber nicht um Bundesgeld. Das ist eine Gemeinschaftssteuer, die Bund und Länder erwirtschaften. Und wenn man der Meinung ist, dass hier eine neue Aufgabe da ist – und sie ist mit dem Digitalpakt da; das Geld muss schleunigst in die Schulen kommen –, dann muss man die Gemeinschaftssteuer zugunsten dessen verändern, der diese Aufgabe wahrnimmt.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Norwich Rüße [GRÜNE]: Das hätte man doch eher sagen können!)

– Bitte?

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das hätte man doch eher sagen können!)

– Diese Grundhaltung hatte ich schon immer. Und im Koalitionsvertrag steht, dass wir alles tun, um Hindernisse abzubauen und gesamtgesellschaftlich an der Bildung zu arbeiten.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das steht aber nicht im Koalitionsvertrag!)

– Der Digitalpakt steht gar nicht im Koalitionsvertrag, sondern da geht es um eine generelle Frage zum Bildungsföderalismus.

(Monika Düker [GRÜNE]: Ja!)

Jetzt sage ich Ihnen einmal eines: Wie sich die SPD durch ihren Parteivorsitzenden in Nordrhein-Westfalen zu diesem Thema eingelassen hat, geht gar nicht. Ich zitiere Sebastian Hartmann einmal wörtlich:

(Sarah Philipp [SPD]: Aber das hatten wir heute schon!)

Laschet ist „hochgradig peinlich und unprofessionell“. – Geschenkt!

(Zuruf von der SPD: Treffer!)

– Ja, das ist wahrscheinlich bei jedem Tweet automatisch eingegeben. Dieser Teil ist klar.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP)

Aber jetzt kommt das, wo alle Landtagsabgeordneten, auch von der SPD, sagen müssten: So kannst du mit uns nicht umgehen. – Denn er sagt:

„Dass Laschet zwei Tage nach dem Abpfiff des Spiels noch eine Verlängerung fordert, ist einfach irre.“

Wenn der Bundestag irgendetwas beschließt – mit welcher Mehrheit auch immer –, ist das nicht der Abpfiff des Spiels. Abpfiff des Spiels ist, wenn die Länder im Bundesrat am Ende Ja gesagt haben.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Es geht also doch um verletzte Eitelkeit!)

Dieses Verfassungsverständnis … Genauso irre wie ich sind dann Frau Dreyer, Frau Schwesig, Herr Tschentscher, Herr Weil, Herr Müller, Herr Woidke und Herr Sieling. Alle Ministerpräsidenten der Sozialdemokratie treten für ihre Länder ein. Ich würde mir wünschen, dass die SPD-Fraktion im Landtag auch für das Land einträte – und nicht für solche Mätzchen, wie Sie sie da gemacht haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Eine letzte Bemerkung: Bei alledem werden wir als Koalition gemeinsam ein gutes Ergebnis im Vermittlungsausschuss erwirken.

Aber eines sei nur einmal prinzipiell gesagt: Den Glauben, dass eine Aufgabe, der sich ein Bundespolitiker widmet, qualitätsvoller bewältigt wird als dann, wenn wir das machen, habe ich noch nie verstanden.

Ich könnte zig Beispiele in der Bundespolitik nennen. Da würden Sie sofort alle einstimmen –

(Ministerpräsident Armin Laschet deutet in Richtung unterschiedlicher Fraktionen.)

Sie beim Diesel und Sie bei der Bundeswehr, ob es um Flugzeuge geht, die nicht fliegen, oder was auch immer. Aber der Glaube, dass wir ausgerechnet bei der Bildung weniger Kompetenz hätten

(Stefan Zimkeit [SPD]: Als die Bildungsministerin?)

als irgendein Bundestagsabgeordneter, überzeugt mich nicht. Ich werde dafür kämpfen, dass unsere Kompetenz bei der Qualität der Bildung auch im Föderalismus ihr Gewicht haben wird.

(Beifall von der CDU)

Aber noch einmal: Das Ziel ist, den Pakt schnell umzusetzen. Unsere Schulen brauchen das Geld. CDU und FDP werden mit den unterschiedlichen Akzenten, die man in Berlin und hier hat – wir auch im Verhältnis zu unserer Bundestagsfraktion; das ist wirklich ein offenes Argumentieren –, im Vermittlungsausschuss gemeinsam ein Ergebnis im Sinne des Koalitionsvertrages hinbekommen.

Ich mache noch eine letzte Bemerkung, damit jeder weiß, worüber wir reden. In Art. 104b Grundgesetz soll festgeschrieben werden: Von allem Geld, das der Bund in Zukunft gibt, müssen die Länder 50 % zahlen.

Kollegin Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern und andere sagen mir dazu: Wenn es irgendwann eine Flutkatastrophe gibt und man dem Osten dann spontan hilft, aber per Grundgesetz festgeschrieben ist, dass 50 % vom Land zu erstatten sind, ist das falsch.

Wenn wir beim Strukturwandel jetzt vom Bund Geld als Ausgleich für die Wertschöpfung erwarten, die durch eine Bundesentscheidung für einen früheren Ausstieg aus der Braunkohle aus dem Rheinischen Revier herausgeholt wird, erwarten wir da keine 50-50-Geschäfte, sondern dann soll der Bund den Anteil leisten, den er durch seine Entscheidungen verursacht.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Deshalb ist die Frage größer und beschränkt sich nicht nur auf das Thema „Bildung“. Damit würde im Grundgesetz für alle Zeiten etwas festgeschrieben. Jede Regierung der nächsten Jahre und jedes Parlament verlieren dann zugleich Haushaltsrechte, weil der Deutsche Bundestag die Maßnahme beschließt und wir 50 % beisteuern müssen. Es steht also eine Menge mehr auf dem Spiel als nur diese eine Frage.

Deshalb lautet meine Bitte an Sie, dies ernst zu nehmen, sich das noch einmal genauer anzuschauen und dann vielleicht doch zu überdenken, ob die erste spontane Reaktion wirklich die richtige war.

Ich bin damit beim Strukturwandel im Rheinischen Revier. Man kann das so wie der Osten machen – 60 Milliarden Euro fordern, aber keine Konzepte vorlegen. Daran wird jetzt gearbeitet.

Professor Pinkwart hat es anders gemacht. Er ist mit der Innovationsregion Rheinisches Revier im Gespräch und hat einen Konsens der Bürgermeister, der Landräte und aller anderen Beteiligten erzielt. Wir haben prioritäre Projekte, die wir aber nicht jeden Tag auf dem Marktplatz vortragen.

(Zuruf)

– Klar haben wir die.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Lassen Sie sich einmal überraschen. Sie werden am Ende begeistert sein. Manche Kolleginnen und Kollegen aus anderen Teilen Deutschlands fragen uns gelegentlich, wie wir das eigentlich gemacht haben, und möchten gerne unsere Expertise in Anspruch nehmen.

Professor Pinkwart und ich sitzen drei-, viermal in der Woche zusammen. Er mailt mir und fragt, wie gerade der aktuelle Zwischenstand ist. Wir nehmen dann direkt Kontakt mit Minister Altmaier oder Ronald Pofalla auf und sprechen mit den jeweiligen Akteuren.

Dieses Thema ist eines der absoluten prioritären. Denn im Januar 2019 wird die Kommission ihre Arbeit abschließen. Dann fallen die Entscheidungen. Anschließend können Sie uns daran messen, ob wir das gut oder schlecht gemacht haben. Ich bin überzeugt: Es wird eine gute Lösung geben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Für die Ruhrkonferenz gilt das Gleiche. Wir wollen das alles in einem längeren Prozess entwickeln und nicht eine einzige Konferenz abhalten, bei der einmal die Scheinwerfer leuchten, die Bundesprominenz einfliegt, ein Sack Geld hingestellt wird und dann gesagt wird: Erledigt! – Nein, so löst man die Probleme nicht. Man löst sie, indem man auch neue Ideen entwickelt, Geschäftsgründungen wieder ermöglicht, neue Arbeitsplätze schafft und die ganzen Pfunde des Ruhrgebiets nutzt.

Ich zitiere den Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, Herrn Baranowski, der dazu gesagt hat:

„Vielleicht meinten manche Regierungsmitglieder, gerade weil sie aus der Region kommen, keine besondere Ruhrgebietspolitik machen zu müssen. Ich habe immer gesagt, die Landesregierung muss sich mehr ums Ruhrgebiet kümmern. Es hätte einen Ruhrgebiets-Kümmerer in der Staatskanzlei geben müssen.“

Jetzt gibt es mehrere Kümmerer. Jeder Minister ist dabei. Minister Holthoff-Pförtner ist federführend. Wir werden diese Region, gerade wenn der Steinkohlebergbau endet und viele Wehmut haben, in eine neue Phase der Dynamik führen. Wir würden uns wünschen, dass Sie das unterstützten und auch hier von der Polemik Abstand nähmen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zu dem europäischen Engagement möchte ich einige Sätze sagen. An die Reihen der AfD gerichtet: Ja, ich will keine Grenzkontrollen zwischen Belgien, den Niederlanden und Deutschland.

(Beifall von der CDU, der FDP und Christian Dahm [SPD])

Ja, wir wollen nicht die alten Schranken zurück. Wir leben über die Grenzen hinweg. Wir wollen Kriminalität grenzüberschreitend gemeinsam bekämpfen. Dazu brauchen Sie übrigens mehr Europa und nicht weniger Europa. Das ist die Antwort darauf: mehr Europa.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das haben wir mit Herrn Rutte beispielsweise im Kabinett erörtert. Wenn sich gerade nach den Angriffen auf Geldautomaten die Täter in die Niederlande zurückziehen

(Helmut Seifen [AfD]: Genau!)

oder andere Täter aus Deutschland in die Niederlande zurückziehen, brauchen Sie keine nationalstaatliche Borniertheit, sondern europäische Lösungen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb ist das für uns ein wichtiges Thema. Meine ersten Reisen gingen auch nach Belgien, in die Niederlande und nach Luxemburg. Wir werden demnächst zu einem Treffen der drei zusammenkommen.

Da wird es – Herr Kutschaty, keine Sorge! – auch für den Regierungschef einen roten Teppich geben, damit dieses Land wieder ein bisschen Stil zeigt und nicht die Leute lediglich mit der Rolltreppe in die Staatskanzlei herauffährt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist auch etwas, was unserer Absicht ist – damit das ganz klar ist.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dass eine nationale Regierung Regierungskonsultationen mit einem Bundesland vornimmt, ist einzigartig, zeigt aber die besondere Erwartung, die besondere Wertschätzung, die man Nordrhein-Westfalen entgegenbringt. Das werden wir mit vielen Maßnahmen und Treffen, bei denen wir an konkreten Themen arbeiten, auch weiter fortsetzen. Dadurch werden wir die grenzüberschreitende Zusammenarbeit verbessern.

Wir haben das Ziel, dass in der Digitalisierung, die vor uns liegt, Nordrhein-Westfalen vorne mitspielt, dass wir bei der Bildung den Aufstieg durch Bildung so schaffen, wie ich es eben beschrieben habe, und dass es uns gelingt, die alten Industrien Stahl, Aluminium und Chemie zu halten.

Das ist auch die Grundfrage bei der Kommission des Bundes. Es geht nicht darum, wie wir einige Bergleute im Rheinischen Revier versorgen, sondern darum, wie Hydro Neuss, Evonik, Bayer und Lanxess in Zukunft zu jeder Sekunde bezahlbaren und verfügbaren Strom bekommen. Wenn diese Frage gut beantwortet ist, werden wir wahrscheinlich deutlich früher aus der Kohleenergie aussteigen, als Sie von Rot-Grün das geplant hatten. Sie hatten es ja für das Jahr 2045 vorgesehen. Wir haben ambitiösere Ziel.

Aber wir haben zugleich die Interessen des Industrielands im Blick. Denn was passiert, wenn eines dieser Unternehmen abwandert? Und diese Gefahr ist bei den Preisen für Energie im Weltmarkt gegeben, insbesondere in den USA, wo durch Fracking plötzlich niedrigere Energiepreise aufgerufen werden und der amerikanische Präsident auch noch zusätzliche, verzerrende Steuervorteile gewährt, die wir ablehnen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Jetzt geht es auch noch um Fracking, oder was?)

Das ist die Wettbewerbssituation. Uns ist nicht damit gedient, wenn ein Stahlwerk nach Indien oder China abwandert. Dem Weltklima ist damit übrigens auch nicht gedient.

(Monika Düker [GRÜNE]: Wie wollen Sie es denn dann machen?)

– Deshalb muss dieser Dreiklang umgesetzt werden, von dem ich bei Ihnen nie etwas höre, Frau Düker.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das müssten Sie bei jeder Rede sagen. Der Dreiklang ist: Bezahlbarkeit, Verfügbarkeit, Klimaschutz. – Aber es ist doch kein Politikmodell …

(Monika Düker [GRÜNE]: Das sind Ziele, aber noch keine Konzepte!)

– Frau Düker, Sie rufen jetzt „keine Konzepte“ in den Raum. Es ist jedenfalls extrem konzeptionslos, im Jahre 2016 eine Leitentscheidung zu fällen und 2017 demonstrieren zu gehen. Konzeptloser geht es doch gar nicht mehr.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Dies beides im Blick zu behalten, ist das Ziel für das Jahr 2019. Denn das kommt in unserem Haushaltsjahr 2019 alles gleichzeitig auf uns zu.

Im Januar fallen die Entscheidungen der Kohlekommission.

Im März kommt der Brexit, von dem wir bis heute nicht wissen, in welcher Wucht er uns trifft. Wenn er wirklich hart wird und es schiefgeht, kann es schlimmer werden als das Ende von Lehman Brothers in den USA. Das steht uns im März bevor.

Im Mai steht uns eine Europawahl bevor, bei der wir darauf hoffen, dass die demokratischen Kräfte, die, was auch große Teile dieses Parlaments eint, für Europa sind, die Menschen dazu bewegen werden, wählen zu gehen und eine neue Kommission ins Amt zu bringen, die die schwierigen Aufgaben, die auch für unser Land anstehen, gut bewältigt.

Wenn wir dazu im nächsten Jahr weiter streiten, bei einigen dieser Themen aber auch Gemeinsamkeiten finden – insbesondere, was Europa angeht –, dann ist das gut für Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Laschet. – Für die Fraktion der Grünen hat Frau Abgeordnete Düker noch einmal um das Wort gebeten.

(Christian Dahm [SPD]: Monika, das ist dein Applaus! – Monika Düker [GRÜNE]: War das jetzt mein Applaus? Danke schön!)

Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Laschet, was man Ihnen lassen muss und was Sie wirklich gut können – das muss ich Ihnen neidlos zugestehen –, ist, sich mit Selbstlob zu überschütten und sich mit fremden Federn zu schmücken.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Denn all das, von dem Sie vorhin behauptet haben, dass es auf Ihr Konto gehe – Sie haben ja gesagt, wie toll es sei, was Sie alles machten –, hält einem Realitäts- und Faktencheck nicht stand. Und den nehmen wir jetzt einmal vor.

(Beifall von den GRÜNEN – Christof Rasche [FDP]: Konzeptionslos!)

Angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit habe ich nur vier Bereiche herausgesucht.

Erstens: Ihr Märchen von der Haushaltswende. Der Finanzminister erzählt es auch immer wieder gerne.

(Christian Dahm [SPD]: Lucky Lutz! – Heiterkeit von Minister Lutz Lienenkämper)

Abgesehen davon, dass Sie beim Schuldenabbau immer alles der einen Seite des Plenums zuschreiben: 2005 bis 2010 waren Sie am Aufbau der Schulden auch sehr stark beteiligt.

(Beifall von Hannelore Kraft [SPD])

Auch Sie haben Milliardenbeträge in zweistelliger Höhe auf den Schuldenberg gepackt. Aber Sie meinen – das ist eine gewagte These –, nun keine neuen Schulden zu machen, sei Ergebnis Ihrer klugen Regierungspolitik.

Herr Laschet, schauen wir uns doch nur einmal die Stellungnahme des Landesrechnungshofs an. In seiner bekannt nüchternen Art bilanziert der Landesrechnungshof: Das Ergebnis der guten Haushaltslage ist sprudelnden Steuereinnahmen und dem niedrigen Zinsniveau zu verdanken.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: So ist das!)

Die schwarze Null wurde Ihnen und Ihrem Finanzminister angesichts der jedes Jahr höheren Steuereinnahmen, die Sie zu verzeichnen haben, auf dem Silbertablett serviert.

(Christian Dahm [SPD]: So ist das! – Marlies Stotz [SPD]: Schau an!)

Sie ist keinesfalls Ausdruck Ihrer klugen Politik.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Denn wirft man einmal einen Blick in den Haushalt, sieht man: Von Sparen halten Sie gar nichts. Konsolidiert wird in diesem Haushalt nämlich nichts. Es wird einfach das Geld, das vorhanden ist, ausgegeben. Das ist keine nachhaltige und kluge Regierungspolitik.

Was macht man in einer solchen Situation? Das ist völlig klar. Wir haben es in der Anhörung erfahren. Lesen Sie sich doch einmal die Stellungnahmen durch. Von den Wirtschaftsverbänden bis zum DGB sagen alle, erstens müsse zielgerichtet investiert werden. Zweitens dürfe nicht der Haushalt konsumtiv aufgebläht und damit stranguliert werden, wenn die Steuereinnahmen einmal nicht mehr so hoch sind und die Party vorbei ist. Vor allem müsse nun drittens Geld in den Schuldenabbau gesteckt werden.

Auch dazu ein Zitat vom Landesrechnungshof:

„Sollte das Zinsniveau … zunehmen“

– und es wird zunehmen, Herr Laschet; es nimmt bereits zu –,

„könnten auf den Landeshaushalt angesichts des erreichten hohen Schuldenstands für längere Zeit steigende Belastungen zukommen. Dem kann nur durch eine nachhaltige Verringerung des Schuldenstands wirksam begegnet werden. Schuldentilgung sollte daher prioritär sein.“

Aber sie ist es in Ihrer Politik nicht. Sie blähen den Haushalt auf. Sie schaffen sich Stellen in den Ministerien. Eine marginale Summe fließt in den Schuldenabbau. Das belastet die nachfolgenden Generationen, die mit dieser Last umzugehen haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Andreas Keith [AfD)

Das ist nicht zukunftsorientiert, sondern schlicht ambitionslos und auch gefährlich.

(Andreas Keith [AfD]: Kommt noch etwas Neues? – Helmut Seifen [AfD]: Das ist ja AfD-Sprech!)

Zweitens: zu Ihrem Märchen von den Entfesselungspaketen. Sie behaupten, baue man nur einmal ein paar Regulierungen ab, kämen die Arbeitsplätze schon ganz von allein. Als Beispiel dafür nennen Sie den Landesentwicklungsplan.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Herr Ministerpräsident, im Landesentwicklungsplan geben Sie das 5-Hektar-Ziel auf. Damit schaffen Sie keine neuen Arbeitsplätze, sondern vernichten zuallererst die wichtigen Freiflächen, die wir nicht nur für die Landwirtschaft und den Klimaschutz brauchen. Wir brauchen sie überhaupt nicht für Gewerbegebiete. Denn wenn beispielsweise die zur Verfügung stehenden Flächen im Ruhrgebiet mit einer klugen Altlastenpolitik für Gewerbeflächen freigemacht werden könnten, ließen sich diese Dinge übereinander bringen.

(Henning Höne [FDP]: Die Altlastenaufbereitung haben wir gestärkt! 1,5 Millionen Euro extra!)

Das ist doch das Gebot der Stunde. Es geht darum, Umweltpolitik und Wirtschaft zu versöhnen. Denn zwischen die beiden Begriffe gehört kein Oder, wie Sie es machen,

(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)

sondern ein Und.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das haben Sie noch nicht begriffen.

Wir haben Anträge dazu gestellt. Sehen Sie sich unsere Anträge dazu, wie man genau auf diesen Brachflächen wieder neue Gewerbeflächen schaffen kann, gut an.

(Henning Höne [FDP]: Habe ich hier! 1,5 Millionen Euro haben wir für die Altlasten hineingegeben!)

– Ja, das kostet ein bisschen Geld. Man könnte auch noch mehr hineinstecken.

(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)

Aber wenn Sie die Freiflächen in diesem Land einfach zubetonieren, kostet es am Ende Ihre Enkelkinder noch sehr viel mehr Geld.

(Beifall von den GRÜNEN – Arndt Klocke [GRÜNE]: Sehr richtig! So ist es!)

Drittens: das Sicherheits-Heilsversprechen des Herrn Innenministers, welches derselben rückwärtsgewandten Logik folgt wie die Aussage „weniger Umwelt gleich mehr Wirtschaft“. Sie folgen dem Heilsversprechen, weniger Grundrechte würden automatisch mehr Sicherheit schaffen.

(Marc Lürbke [FDP]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Sowohl im Umweltbereich als auch im Sicherheitsbereich gilt:

(Marc Lürbke [FDP]: In Ihrer eigenen Welt ist das vielleicht so!)

Sicherheit und Freiheit sind genauso zwei Seiten derselben Medaille, wie Umwelt und Wirtschaft zusammengehören.

(Marc Lürbke [FDP]: Deswegen machen wir das ja auch zusammen! Sicherheit und Bürgerrechte! – Gegenruf von Verena Schäffer [GRÜNE]: Nein, machen Sie nicht!)

– Herr Lürbke, am 14. Mai 2017 hat es begonnen, dass es hier sicherer wurde? So ein Quatsch!

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie kennen doch selbst die Statistiken.

(Marc Lürbke [FDP]: Wir machen es zusammen! Das, was Sie nicht gemacht haben!)

– Herr Lürbke, sehen Sie sich doch die PKS an. In allen signifikanten Kriminalitätsbereichen, in allen Deliktsbereichen, ist die Kriminalität seit 2015 und 2016 zurückgegangen – und zwar, weil die Konzepte, die von Rot-Grün angelegt wurden, gewirkt haben.

(Zuruf von der CDU: Oh!)

Deswegen ist die Kriminalität vor dem 14. Mai …

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD –Zurufe von der AfD)

Das, was Sie hier in den Raum stellen, sind doch alles Legenden.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Und zum Aufwuchs: Sie haben in Ihrer Regierungszeit von 2005 bis 2010 den Abbau der Polizeistärke verursacht.

(Daniel Sieveke [CDU]: Ach, jetzt kommt sie wieder mit diesem Märchen!)

Sie hatten Einstellungsermächtigungen von 500. Damit schafft man nicht mehr Sicherheit.

(Christof Rasche [FDP]: Die hatten Sie doch festgelegt! – Gegenruf von Christian Dahm [SPD]: Aber ihr habt das 2007 und 2008 fortgesetzt!)

Das haben wir in unserer Regierungszeit korrigieren müssen. Davon profitieren Sie heute.

(Beifall von den GRÜNEN)

Selbstverständlich sind wir bei Ihnen, wenn Sie an diese erfolgreiche rot-grüne Politik anknüpfen. Da stimmen wir selbstverständlich zu.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Aber zurück zum Märchen von „weniger Freiheit gleich mehr Sicherheit“, Herr Reul:

(Minister Herbert Reul: Das stimmt überhaupt nicht!)

Schauen Sie sich die Maßnahmen doch einmal an. Da ist ganz viel Symbolpolitik dabei.

Durch die Ausweitung der Videobeobachtung, die jetzt überall stattfinden kann, wird Kriminalität eben nicht verhindert, sondern verlagert.

Durch die Schleierfahndung – die jetzt „strategische Fahndung“ heißt, weil damit für die FDP noch ein Feigenblättchen an Bürgerrechten übrig geblieben ist –

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

wird die Stecknadel im Heuhaufen, die ja gesucht wird, doch nicht eher gefunden als bei einer anlassbezogenen zielgerichteten Fahndung.

Durch längeren Unterbindungsgewahrsam werden Terroranschläge nicht verhindert. Schon gar nicht werden damit – dieses Märchen glaubt Ihnen ja keiner – Abschiebungen erleichtert.

All diese ausgeweiteten Eingriffsbefugnisse für die Polizei, die Sie gleich beschließen werden, haben Folgendes zur Konsequenz:

Erstens. Sie werden hohe Personalkapazitäten binden; denn bei den ganzen Videoübertragungen müssen ja Leute hinter den Bildschirmen sitzen, um sich das anzuschauen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Ah!)

Diese Leute werden auf der Straße fehlen, um vor Ort für Sicherheit zu sorgen.

(Marc Lürbke [FDP]: Das passiert doch jetzt auch schon!)

Auch die Schleierfahndung ist mit einem enormen Personaleinsatz verbunden, der am Ende aber sehr wenig Sicherheit schafft.

Zweitens. Mit diesen Eingriffsbefugnissen erzielen Sie im Verhältnis wenig konkreten Sicherheitsgewinn. Dieser ist nicht nachweisbar.

Drittens. Sie nehmen für all diese Showpolitik weitreichende Grundrechtseingriffe bei Unschuldigen in Kauf. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da hätte ich bei der FDP doch etwas mehr Rückgrat erwartet. Aber im Kampf …

(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD] – Zurufe von Daniel Sieveke [CDU] und Marc Lürbke [FDP])

– Herr Lürbke, ich weiß: In der Konkurrenz mit Herrn Golland um den dicksten Sheriffstern möchten Sie nicht zurückstehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe)

Genau diese Politik haben sich die Verfassungsschützer beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe so nicht vorgestellt; denn sie haben der Politik in den letzten Jahren bei entscheidenden Korrekturen von Sicherheitsgesetzen ganz klar ins Stammbuch geschrieben – lesen Sie sich das doch einfach einmal durch; das steht dort immer wieder und ist ganz klar belegbar –: Alle Eingriffe in Grundrechte und Freiheitsrechte in einem Rechtsstaat müssen erstens geeignet, also zweckdienlich, zweitens erforderlich, also notwendig, und drittens angemessen, also verhältnismäßig, sein.

Genau diese Prüfung ist aus unserer Sicht bei diesem Polizeigesetz nicht mit der notwendigen Sorgfalt erfolgt. Wir haben große Zweifel, ob das einem Verfassungscheck wirklich standhält. Einen solchen werden wir nach Verabschiedung dieses Gesetzes auch vornehmen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Letzter Punkt: Das Versprechen „Aufstieg durch Bildung“ ist ja eines Ihrer Lieblingszitate aus der letzten Legislaturperiode, Herr Laschet. Auch dazu einmal ein Faktencheck: In der letzten oder vorletzten Haushaltsrede vor der Wahl haben Sie sich noch einmal die Hochschulen vorgeknöpft. Davon ist heute gar nicht so viel die Rede. Zum Beispiel haben Sie damals versprochen: Das derzeit schlechteste Betreuungsverhältnis an unseren NRW-Hochschulen werden wir sofort angehen und mehr Betreuung schaffen.

Wir haben immer noch das schlechteste Betreuungsverhältnis an den Hochschulen. Wo bleibt denn die Einlösung Ihres Versprechens? Wo bleibt denn die Investition in unsere Hochschullandschaft?

Den Studierendenwerken fehlen Investitionen. 350 Millionen Euro sind für die Sanierung angemeldet, 213 Millionen Euro für neue Wohnheime. Da investieren Sie mit diesem Haushalt – und das ist ja schon der zweite; irgendwann müssen Sie ja einmal damit anfangen, dieses Versprechen einzulösen – aber keinen Cent.

Ihre Leuchttürme, die Talentschulen, sollen es jetzt bringen. Mit der Förderung Ihrer Talentschulen, die ja nur 1 % der Schulen ausmachen – das muss man sich einmal vorstellen –,

(Ministerpräsident Armin Laschet: Aber das ist doch ein Anfang!)

erreichen Sie aber nur eines: Sie werden damit die Schulen bei der Dokumentation ihrer Bedarfe gegeneinander ausspielen.

(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD] und Sigrid Beer [GRÜNE])

1 % der Schulen schaffen es, Gehör zu finden, und 99 % gehen leer aus.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Das sind doch Schwerpunkte!)

– Schauen Sie sich doch einmal die Anmeldungen von Bedarfen an. Schauen Sie sich doch einmal an, wer alles Bedarfe anmeldet. Da werden doch die Schulen gegeneinander ausgespielt. Damit schaffen Sie doch nicht in der Fläche bessere Bildung.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist doch ein Ablenkungsmanöver.

Auf der anderen Seite gilt doch: Das Versprechen von besserer Bildung fängt in der Grundschule an. Schauen wir uns einmal die Antworten der Regierung in Bezug auf den Lehrermangel an.

(Zuruf von Ministerin Yvonne Gebauer)

A13! Jetzt haben Sie das Geld, Frau Gebauer. Warum werden die Grundschullehrer jetzt nicht endlich mit A13 besoldet?

(Beifall von den GRÜNEN, Michael Hübner [SPD] und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Man könnte eine gute Kombination hinbekommen – mit Mehrarbeit, die auf einem Stundenkonto geparkt wird, und einem Anreizsystem für A13. So könnte man sehr schnell mehr Lehrerstunden generieren. Aber auch hier: Fehlanzeige!

Herr Laschet, das sind alles tolle Textbausteine und schöne wolkige Blasen, die Sie hier wieder vortragen. Die Digitalisierungsdividende hat mir noch gefehlt. Das sind ja auch immer solche tollen Sachen:

(Heiterkeit und Beifall von Arndt Klocke [GRÜNE])

entfesseln, den Riesen entfesseln, die Digitalisierungsdividende einstreichen – und was nicht alles in diesem Land passiert.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wie die Sonntagsreden!)

Diese ganzen aufgeblasenen rhetorischen Worthülsen zerplatzen, wenn man da einmal mit einem Faktencheck hineinpickt.

Herr Laschet, Sie haben noch einige Zeit zum Regieren. Bisher haben Sie 18 Monate regiert. Aber von dem, was Sie hier angekündigt haben, von diesen ganzen Versprechen, ist nichts eingelöst. Wir warten einmal, wie sich das weiter entwickelt. Aber klar ist schon jetzt: Für dieses Land haben Sie noch nicht viel erreicht. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN, Christian Dahm [SPD] und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Präsident André Kuper: Danke, Frau Kollegin. – Für die CDU hat noch einmal der Abgeordnete Löttgen um das Wort gebeten.

Bodo Löttgen (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kollegin Düker, drei Aussagen, die Sie gemacht haben, kann ich schlicht und ergreifend nicht stehen lassen.

Ihr Verständnis von rechtsstaatlich sicheren Werkzeugen für unsere Polizei unterscheidet sich fundamental von unserem Verständnis. Ich sage dazu: Gott sei Dank. Denn die Bevölkerung hat Angst vor Terror und organisierter Kriminalität. Sie aber schüren die Angst der Bevölkerung gegen unsere Polizei.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Sie schüren die Angst!)

Wir unternehmen alles, damit unsere Polizei gestärkt wird, um effektiv und wirksam gegen Terrorgefahren sowie gegen die organisierte Kriminalität vorzugehen, während Sie den Eindruck erwecken, als ob ein Polizeigesetz, dessen Maßnahmen alle unter dem Richtervorbehalt stehen, Unschuldige treffen könnte. Das ist falsch, und dagegen verwehre ich mich aufs Äußerste.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie sagen, das Polizeigesetz bedeute weniger Freiheit. Ich sage: Ja, es bedeutet weniger Freiheit, aber weniger Freiheit für Kriminelle.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Nein, für die anderen bestimmt nicht?!)

Mehr Schutz für die Bevölkerung – das ist das Ziel dieses Polizeigesetzes.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie bedienen anscheinend aus reiner Profilierungssucht Ihr eigenes Klientel, anstatt – wie andere Fraktionen in diesem Landtag es tun – an einer konstruktiven Lösung mitzuarbeiten. Deshalb stehen Sie hier alleine, wenn es darum geht, die Sicherheit in diesem Land nach vorne zu treiben. Sie sind übriggeblieben. Schließen Sie sich einfach konstruktiven Vorschlägen, die hier gemacht werden, an.

(Beifall von der CDU)

Gleiches gilt für Ihre Kritik am Haushalt.

Frau Düker, wenn Sie das nachlesen, erschrecken Sie sich wahrscheinlich über sich selbst. Zitat Monika Düker: Sie geben einfach das Geld aus, das da ist. – Ja, meine Damen und Herren, genau das unterscheidet uns. Sie haben Geld ausgegeben, das nicht da war. Das ist der Unterschied.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Weiterhin haben Sie gesagt, dieser marginale Schuldenabbau belaste zukünftige Generationen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Schuldenabbau? Mickrig! – Norwich Rüße [GRÜNE]: Gar nichts!)

Frau Düker, Entschuldigung, dann leben wir nicht auf dem gleichen Planeten. Ihre Erblast in Form von 175 Milliarden Euro Verschuldung belastet dieses Land!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Da – und auch das unterscheidet uns – setzt diese Landesregierung an. Wir fangen an, den Schuldenberg, den Sie zulasten der Bürgerinnen und Bürger aufgetürmt haben, endlich abzubauen. Das ist gut so, und deshalb stimmen wir diesem Haushalt zu.

(Beifall von der CDU und der FDP – Monika Düker [GRÜNE]: Wie viel an Schulden haben Sie denn in anderen Bundesländern produziert?)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP hat noch einmal der Abgeordnete Rasche um das Wort gebeten.

(Monika Düker [GRÜNE]: 6,9 Milliarden Euro! – Michael Hübner [SPD]: Helmut Linssen!)

Christof Rasche (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Stichwort „Polizeianwärterstellen“, Frau Düker: Sie haben es eben mit der Wahrheit nicht so ganz genau genommen, was man wenigstens bei einer Haushaltsdebatte tun sollte. Das können die Menschen in Nordrhein-Westfalen schon erwarten.

Rot-Grün hat die Polizeianwärterstellen im Jahr 2004 auf das rekordniedrige Niveau von 500 reduziert. Kein anderer war das. Das waren Grüne und SPD!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Bei den Grünen ist es immer so, und so war es auch zwischen 2005 und 2010: Wenn Sie in der Opposition sind, versprechen Sie alles und machen eine blinde Klientelpolitik. Dazu ein kurzes Stichwort: „Luftverkehrskonzeption“.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sagt der Richtige!)

Monat für Monat haben Sie das 2008, 2009 und 2010 mit einer Aggressivität ohnegleichen gefordert. Dann kommen Sie 2010 wieder in die Regierungsverantwortung, und es kommt sieben Jahre lang nichts. Das ist typisch grüne Politik in Nordrhein-Westfalen: in der Opposition alles versprechen, in der Regierung nichts halten.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Sagen Sie doch mal, wer 2010 die Zahl der Polizeianwärterstellen erhöht hat!)

Noch ein Wort zum Polizeigesetz, um das mal bildhaft deutlich zu machen: Sie schützen die Steinewerfer, und wir schützen diejenigen, die mit Steinen beworfen werden.

(Anhaltender Beifall von der FDP und der CDU – Widerspruch von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die AfD hat der Abgeordnete Loose das Wort.

(Zurufe)

Christian Loose (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Löttgen, Sie warfen den Grünen vor, dass diese das Geld ausgegeben hätten, welches sie nicht gehabt hätten. Sie selbst hätten das Geld, so sagen Sie.

Aber woher haben Sie dieses Geld? Fragen Sie doch einfach mal unsere Sparer, fragen Sie doch mal die Leute, die jetzt ihr Geld bei den Pensionskassen nicht mehr bekommen. Die Pensionskassen in diesem Land fallen gerade reihenweise um aufgrund der Niedrigzinspolitik, von der Sie profitieren. Das ist keine Arbeit im Sinne des Volkes, des Sparers. Sie greifen weiterhin in die Taschen der Steuerzahler, um es mit vollen Händen auszugeben. Das ist eine Schande für Deutschland. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Daher kommen wir zum Schluss der Aussprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen über die Gesetzentwürfe zum Nachtragshaushalt 2018, zum Haushaltsgesetz 2019 und zum GFG 2019 in dritter Lesung. Die Beratungsverfahren werden hiermit abgeschlossen. Es handelt sich somit jeweils um eine Schlussabstimmung gemäß § 78 Abs. 3 der Geschäftsordnung. Beim Haushaltsbegleitgesetz 2019 führen wir heute die Abstimmung in zweiter Lesung auch über Änderungsanträge der Fraktionen durch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereiten Sie sich auf einen kleinen Abstimmungsmarathon vor. Wir haben jetzt 25 Abstimmungen vorzunehmen.

Wir stimmen erstens ab über das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2018, das sogenannte Nachtragshaushaltsgesetz 2018. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4449, den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksachen 17/3400 und 17/4099 in der Fassung nach der zweiten Lesung in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses zur dritten Lesung anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und nicht über den Gesetzentwurf.

Wer möchte hier zustimmen? – Das sind die CDU und die FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, Grüne und AfD. Wer enthält sich? – Das sind die beiden fraktionslosen Abgeordneten Neppe und Langguth. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksachen 17/3400 und 17/4099 in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4449 in dritter Lesung angenommen und das Nachtragshaushaltsgesetz 2018 verabschiedet.

Wir stimmen zweitens ab über das Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2019 also über das Gemeindefinanzierungsgesetz, das GFG 2019. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4451, den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksachen 17/3302 und 17/4100 in der Fassung nach der zweiten Lesung in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses zur dritten Lesung anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und nicht über den Gesetzentwurf.

Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD und Grüne und AfD. Wer enthält sich? – Das sind die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksachen 17/3302 und 17/4100 sowie Vorlage 17/1451 in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4451 in der dritten Lesung angenommen und das Gemeindefinanzierungsgesetz 2019 verabschiedet.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen über das Haushaltsgesetz 2019 und den hierzu gestellten Änderungsanträgen.

Wir stimmen drittens ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4547. Wer möchte dem zustimmen? – Das sind SPD und Grüne. Wer ist dagegen? – Das sind CDU, FDP, AfD und die beiden Fraktionslosen. Damit ist der abgelehnt.

Wir stimmen viertens ab über den Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4548. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind Grüne, CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Das ist die AfD. Wer enthält sich? – Das sind die SPD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist dieser angenommen.

Wir stimmen fünftens ab über den Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4549. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP und die beiden Fraktionslosen. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der AfD ist dieser einstimmig angenommen.

Wir stimmen sechstens ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4550. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Das sind SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, FDP, AfD und die beiden Fraktionslosen. Enthaltungen? – Die gibt es nicht. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Wir stimmen siebtens ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4551. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – SPD und Grüne sind das. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, AfD und die beiden Fraktionslosen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Wir stimmen achtens ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4552. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Das ist die SPD. Wer ist dagegen? – Das sind Grüne, CDU, FDP, AfD und die beiden Fraktionslosen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Wir stimmen neuntens ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4553. Wer möchte da zustimmen? – Das ist die SPD. Wer ist dagegen? – Das sind CDU, FDP, AfD und die beiden Fraktionslosen. Wer enthält sich? – Die Grünen enthalten sich. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Zehntens: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4554. Wer stimmt dem zu? – SPD und Grüne. Wer ist dagegen? – CDU, FDP, AfD und die beiden Fraktionslosen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.

Elftens: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4555. Wer möchte zustimmen? – SPD und Grüne. Wer ist dagegen? – CDU, FDP, AfD und die beiden Fraktionslosen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Zwölftens: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4556. Wer möchte zustimmen? – Das ist die SPD. Wer ist dagegen? – Das sind CDU, FDP, AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Wer enthält sich? – Die Grünen enthalten sich. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wir stimmen dreizehntens ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4557. Wer stimmt dem zu? – Das sind SPD, Grüne und AfD. Wer ist dagegen? – Das sind CDU und FDP. Wer enthält sich? – Die beiden Fraktionslosen enthalten sich. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Wir stimmen fünfzehntens ab über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP zum Haushaltsgesetz Drucksache 17/4559. Wer möchte dem zustimmen? – Das sind SPD, Grüne, CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Das sind die AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Änderungsantrag angenommen.

Sechzehntens stimmen wir ab über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4560. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Grüne, CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Die AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Änderungsantrag angenommen.

Da wir uns gerade nicht sicher sind, ob ich den Antrag Nummer 13, den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 2019 mit der Drucksachennummer 17/4557 abgestimmt habe, …

(Das Präsidium verständigt sich.)

– Über den 58er muss ich abstimmen. Genau. Das werde ich jetzt noch machen.

Wer dem Änderungsantrag Drucksache 17/4558 der Fraktion der SPD zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die SPD. Wer ist dagegen? – Die CDU, die FDP und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Wer enthält sich? – Das sind die Grünen und die AfD. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen siebzehntens zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4562. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP und AfD. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Die beiden Fraktionslosen. Damit ist dieser Änderungsantrag angenommen.

Ich lasse achtzehntens abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4566. Wer möchte zustimmen? – Das ist die AfD. Wer ist dagegen? – Das sind SPD, Grüne, CDU und FDP. Wer enthält sich? – Die beiden Fraktionslosen. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Neunzehntens: Änderungsantrag der Fraktion der AfD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4567. Wer möchte zustimmen? – Das ist die AfD. Wer ist dagegen? – Das sind SPD, Grüne, CDU und FDP und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Zwanzigstens: Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2019, das Haushaltsgesetz 2019. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4450, das Haushaltsgesetz 2019 – die Drucksachen 17/3300 und 17/4100 – in der Fassung nach der zweiten Lesung in der Fassung seiner Beschlüsse zur Vorbereitung der dritten Lesung anzunehmen.

Wir kommen daher zur Abstimmung nicht über den ursprünglichen Gesetzentwurf, sondern über die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 17/4450 unter Berücksichtigung der heute in dritter Lesung angenommenen Änderungsanträge.

Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Wer ist dagegen? – Das sind SPD, Grüne und die AfD. Gibt es Enthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 17/4450 in der soeben geänderten Fassung angenommen und das Haushaltsgesetz 2019 Drucksachen 17/3300 und 17/4100 in der Fassung der Beschlussempfehlung in dritter Lesung verabschiedet.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Einundzwanzigstens: Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4539. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das sind die Grünen und die SPD. Wer ist dagegen? – Die CDU, die FDP, die AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt.

Zweiundzwanzigstens: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Haushaltsgesetz 2019 Drucksache 17/4561. Wer möchte dem zustimmen? – Die SPD. Wer ist dagegen? – Die CDU, die FDP, die AfD und die beiden Fraktionslosen. Gibt es Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Grünen ist dieser Entschließungsantrag gleichwohl abgelehnt.

Wir kommen nur zu den Abstimmungen über das Haushaltsbegleitgesetz 2019. Im November 2018 haben wir die Schlussabstimmung in zweiter Lesung bis zur heutigen Plenarsitzung zurückgestellt. Zunächst stimmen wir ab über die Änderungsanträge.

Wir stimmen dreiundzwanzigstens ab über den Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/4438. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP. Wer ist dagegen? – Niemand. Enthaltung? – Bei Enthaltung der AfD und der beiden fraktionslosen Abgeordneten ist dieser Änderungsantrag einstimmig angenommen.

Ich lasse vierundzwanzigstens abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/4546. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die SPD. Wer ist dagegen? – Die CDU, die FDP, die AfD und die beiden Fraktionslosen. Wer enthält sich? – Die Grünen. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Wir stimmen fünfundzwanzigstens ab über das Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze, das Haushaltsbegleitgesetz 2019. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4418, den Gesetzentwurf der Landesregierung in den Drucksachen 17/3303 und 17/4100 unverändert anzunehmen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksachen 17/3303 und 17/4100 unter Berücksichtigung des soeben angenommenen Änderungsantrages und nicht über die Beschlussempfehlung Drucksache 17/4418.

Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Das sind die Grünen und die AfD. Wer enthält sich? – Das ist die FDP.

(Zurufe: SPD!)

– Die SPD, Entschuldigung.

Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/3303 entsprechend der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4418 unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucksache 17/4438 in der soeben geänderten Fassung angenommen und das Haushaltsbegleitgesetz 2019 in zweiter Lesung verabschiedet.

(Zuruf)

– Die Stimmen der fraktionslosen Abgeordneten haben wir auch zur Kenntnis genommen.

Ich danke Ihnen. Damit haben wir diesen Abstimmungsmarathon geschafft.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ich rufe auf:

2   Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen – Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2351

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 17/4525

zweite Lesung

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4541 – Neudruck

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4542 – Neudruck

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4563

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4564

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4540

In Verbindung mit:

Gesetz zur Anpassung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen und des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2576

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
Drucksache 17/4526

zweite Lesung

Damit eröffne ich die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Abgeordneten Golland das Wort.

Gregor Golland (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute beschließen wir einen Meilenstein für die Sicherheitsarchitektur in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Das neue Polizeigesetz ist ein riesiger Schritt nach vorne und die größte Änderung in diesem Bereich seit Jahrzehnten. Er ist notwendig, wichtig und richtig, um unser Land – auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern – auf ein neues Sicherheitsniveau zu heben. Dabei wahren wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner FDP die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit. Beides sind keine Gegensätze, sondern sie bedingen sich gegenseitig.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Hört, hört!)

Wir halten auch hier Maß und Mitte ein und haben in einem nunmehr fast einjährigen Prozess und unter Berücksichtigung der Ergebnisse zweier Expertenanhörungen ein verfassungskonformes Gesetz geschaffen.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Dieses Gesetz wird heute von einer breiten parlamentarischen Mehrheit getragen. Die größte Oppositionspartei SPD wird zustimmen. Das freut mich und zeigt, dass gute Argumente und ein persönlicher, menschlich vernünftiger Umgang in der Politik überzeugen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Schauen wir kurz zurück, warum wir das Sicherheitspaket I nun verabschieden! Bei der Regierungsübernahme im Jahr 2017 stand es schlecht um die innere Sicherheit an Rhein und Ruhr. Erinnern wir uns an Schlagworte wie Hogesa, Kölner Silvesternacht, Rekordniveau bei der Anzahl der Wohnungseinbrüche, Islamisten und terroristische Bedrohungen, No-go-Areas und Clankriminalität, um nur einige zu nennen.

All dies hat die Schlagzeilen geprägt, aber auch für Ärger und Ängste bei den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes Nordrhein-Westfalen gesorgt. Die berechtigten Sorgen und Nöte der Menschen müssen ernst genommen werden. Wir sind mit dem Thema „innere Sicherheit“ in den Wahlkampf gezogen und haben ihn gewonnen. Jetzt lösen wir unsere Wahlversprechen ein.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die Leitlinie der neuen Landesregierung ist: Null Toleranz und konsequentes Vorgehen gegen jede Form von Kriminalität. Die Sicherheit in unserem Land muss zu jeder Zeit und an jedem Ort gewährleistet sein, ob in der Stadt oder auf dem Land, ob in Duisburg-Marxloh oder im Hambacher Forst. Weder von Extremisten, Aktivisten noch von Clanmitgliedern lassen wir uns auf der Nase herumtanzen. Das Gewaltmonopol in diesem Land hat der demokratisch legitimierte Rechtsstaat und niemand anders.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Der Schutz unserer Rechte ist dabei zugleich immer die Wahrung unserer Freiheit. Was brauchen wir für ein sicheres und freies Nordrhein-Westfalen? – Eine quantitativ und qualitativ starke Landespolizei – 2017: 2.300 Neueinstellungen, 2018: 2.400 Neueinstellungen, 2019: 2.500 Neueinstellungen, dazu jedes Jahr weitere 500 Polizeiverwaltungsassistenten –; die beste verfügbare Ausstattung, zum Beispiel mit neuen Schutzhelmen, Westen, Bodycams, Diensthandys, neuen Fahrzeugen und weiteren Einsatzmitteln; die uneingeschränkte Rückendeckung, den Respekt und die Anerkennung von Politik und Bürgerinnen und Bürgern für unsere Polizei und unsere Sicherheitsbehörden.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Schließlich ist der Gesetzesrahmen, der die Handlungsmöglichkeiten unserer Polizei definiert, unter anderem das Polizeigesetz bzw. das Sicherheitspaket I. In drei Aspekten möchte ich das noch einmal mit Ihnen beleuchten:

Erstens: das parlamentarisches Verfahren. In fünf Sitzungen des Innenausschusses, davon zwei Anhörungen, hat dieses Parlament ein Gesetzespaket beraten, dessen Verfahren mit drei Schlagwörtern beschrieben werden kann: offen, transparent und ehrlich. Seit der Einbringung des Gesetzentwurfs im Landtag im April sind nunmehr gut acht Monate vergangen. Wir haben uns Zeit genommen. Wir haben in der ersten großen Anhörung alle Sachverständigen ausführlich zu Wort kommen lassen.

Zweitens: die Debatte. Wir haben inhaltlich kontrovers und ausführlich diskutiert. Wir haben gerungen und Kompromisse ausgelotet. Wir haben uns der Debatte gestellt und sie geführt. Wir haben die Eingaben der Sachverständigen ausgewertet, und am Ende haben wir das Gesetz an den entscheidenden Stellen verbessert.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Denn die Anhörungen waren keine Showveranstaltungen. Wir haben den Ausführungen der Rechtswissenschaftler, der Gewerkschaftsvertreter und Datenschützer zugehört und deren Anmerkungen verarbeitet. Entscheidend war und ist, die Inhalte rechtssicher zu definieren und zu verarbeiten. Das ist uns gelungen. Diese Auffassung haben wir nun mit unseren Änderungsanträgen noch stärker verdeutlicht.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Drittens: die Inhalte als entscheidender Aspekt. Dieser Gesetzentwurf schließt endlich die Schutzlücken, die in der bisherigen aktuellen Fassung des Polizeigesetzes noch enthalten sind, und gibt unseren Sicherheitsbehörden die Instrumente an die Hand, die dringend notwendig sind. Mit diesem Gesetz gehen wir konsequent und spürbar gegen terroristische Gefährder, Gewalttäter, Kinderschänder, Sexualstraftäter, Stalker und Hooligans vor. Dies geschieht zum Beispiel mit Aufenthaltsvorgaben, Kontaktverboten, elektronischer Fußfessel oder temporärer Ingewahrsamnahme. Zur Anordnung all dieser Instrumente hat immer ein Richter das letzte Wort.

Meine Damen und Herren, zur Bekämpfung von Banden- und Einbruchskriminalität führen wir die strategische Fahndung mit Anhalte- und Sichtkontrollen ein.

Durch die Videobeobachtung wird es der Polizei zukünftig erleichtert, Kriminalitätsschwerpunkte, wie zum Beispiel gefährdete Innenstadtplätze, mit Videokameras zu beobachten. Bisher war die Beobachtung mit Videokameras nur in absoluten Ausnahmefällen möglich.

Die Telekommunikationsüberwachung erlaubt der Polizei bei unmittelbar bevorstehenden Gefahren für besonders wichtige Rechtsgüter, laufende Telefongespräche mitzuhören und Textnachrichten mitzulesen – auch dann, wenn diese verschlüsselt sind. In vielen anderen Bundesländern ist das bereits seit Jahren Standard. Wir können als Staat nicht im Wählscheibenzeitalter stehenbleiben, während Kriminelle und Terroristen modernste Medien nutzen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Besonders freue ich mich über die Aufnahme der Distanzelektroimpulsgeräte, auch Taser genannt, als neues Einsatzmittel in das Gesetz. Dafür habe ich mich persönlich bereits seit vielen Jahren – auch schon in der Opposition – eingesetzt. Distanzelektroimpulsgeräte sind ein zusätzliches hochwirksames Einsatzmittel. <

Es wird der Polizei auf der Straße wieder zu mehr Respekt und Durchsetzungsfähigkeit verhelfen und die schändlichen Angriffe auf Beamte reduzieren.

Alle genannten Instrumente werden helfen, Nordrhein-Westfalen sicherer zu machen. Straftäter und Kriminelle werden die Auswirkungen zu spüren bekommen – ebenso wie rechtschaffene Bürger, die ein großes Plus an Sicherheit bekommen.

Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit bei meinen Kollegen im Innenausschuss, bei unserem Koalitionspartner, bei unserem Innenminister Herbert Reul und seinem Team sowie letztlich auch für die Zustimmung der SPD, mit der wir im konstruktiven Dialog gewesen sind.

Mit diesem sicherheitspolitischen Meilenstein stärken wir den Rechtsstaat und bringen Nordrhein-Westfalen einen großen Schritt weiter nach vorne. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD erteile ich dem Abgeordneten Ganzke das Wort.

Hartmut Ganzke (SPD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Kollege Gregor Golland, wenn das wirklich so ein Meilenstein wäre, den wir heute hier diskutieren und möglicherweise verabschieden, dann freue ich mich, dass neben dem Verkehrsminister und dem Europaminister wenigstens noch der Innenminister da ist. Die andere Regierungsbank ist verwaist. Wenn das wirklich so ein Meilenstein wäre, hätte man davon ausgehen können, dass gerade auch diejenigen, um die es geht, da sein würden.

Aber ich glaube, es geht um etwas ganz anderes. Es geht darum, dass wir hier einen Entwurf eines Polizeigesetzes diskutieren. Das ist wichtig genug. Ich will Ihnen verraten, dass die Diskussion innerhalb der SPD nicht immer einfach war.

(Zuruf von der CDU: Ach?)

Die Diskussion um dieses Polizeigesetz war nicht einfach. Auch in unserer Fraktion haben wir es uns nicht leicht gemacht. Wir haben gestern sehr intensiv diskutiert, und das eine oder andere Mitglied meiner Partei wird es sich wahrscheinlich auch nicht leicht machen. Ich will Ihnen klar sagen: Die SPD-Fraktion entscheidet nicht leichtfertig über den vorgelegten Entwurf für ein Polizeigesetz.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Wir stimmen diesem Entwurf eines Polizeigesetzes aus einem einzigen Grund zu: Es handelt sich eben nicht um den im Frühjahr von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf. Das ist es.

(Beifall von der SPD)

Es handelt sich hier um einen Entwurf, der – da stimme ich Ihnen voll und ganz zu, Kollege Golland – in intensiven Diskussionen und Verhandlungen bis zum Montagabend entschärft und dahin gebracht wurde, wo wir heute sind. Deswegen kann die SPD-Fraktion diesem Entwurf, wie er jetzt vorliegt, zustimmen.

Kollege Lürbke, auch wir haben sehr intensiv im Innenausschuss diskutiert. Insoweit kann ich es auch nicht verhehlen, dass ich beim Lesen heute Morgen in der Presse – über das Ärgern bin ich mit 52 hinweg – ein bisschen verwundert war. Ich weiß auch, dass jeder von uns sagen muss, was er für dieses Gesetz gemacht hat.

Herr Kollege Lürbke, heute Morgen las ich, dass Sie gesagt haben, die einzige Änderung, die die SPD hineingebracht hat, diskutieren wir heute in diesem Antrag, nämlich dass Menschen in Unterbindungsgewahrsam ein anwaltlicher Beistand verpflichtend zur Seite gestellt wird.

Dazu will ich Ihnen zwei Sachen sagen: Dass die SPD darauf hinweisen musste und dies hineinverhandeln musste, dass es notwendig ist, wenn ein Staat derart in die Rechte eines Menschen eingreift, dass ihm ein Rechtsanwalt, ein anwaltlicher Beistand verpflichtend zur Seite gestellt wird, spricht für uns und nicht für Sie als Bürgerrechtspartei.

(Beifall von der SPD)

Ich will Ihnen auch ein Zweites sagen: Ich weiß auch noch, wo die Datei mit dem anderen Entwurf, den CDU und FDP im Innenausschuss zur Abstimmung gebracht haben, liegt. Wir haben einen gemeinsamen Vorschlag auf den Weg gebracht und gemeinsam diskutiert.

Ich glaube, das Ergebnis zählt. Der jetzt vorliegende Entwurf, den wir zu diskutieren haben, ist kein Unrechtsgesetzentwurf.

(Beifall von Daniel Sieveke [CDU])

Das ist auch kein Gesetzentwurf, der die Freiheitsrechte in NRW ins Abseits stellt. Es ist vielmehr, wie es Burkhard Hirsch heute in einer öffentlichen Stellungnahme gesagt hat, das freiheitsschonendste Polizeigesetz, das er kennt. Damit ist der Entwurf ganz weit entfernt von dem Gesetz, das in Bayern durchgepeitscht worden ist. Dagegen lohnt es sich zu demonstrieren – nicht unbedingt gegen dieses Gesetz.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ich sehe hier im Raum keinen Verfassungsrichter und auch keine Verfassungsrichterin. Wir in der SPD-Fraktion sind der Ansicht, dass wir gemeinsam mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, daran mitgearbeitet haben, dass wir hier ein verfassungskonformes Gesetz auf den Weg bringen werden. Das ist der Auftrag, den wir aus der Bürgerschaft mitbekommen haben.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass wir – wenn es denn so weit kommt – ein Gesetz für 18 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner in Nordrhein-Westfalen verabschieden werden. Deshalb ist es auch nach den – ich will es noch einmal sagen: – harten Gesprächen, die wir mit den regierungstragenden Fraktionen hatten, wichtig, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen mit diesem Gesetzentwurf gewahrt bleiben.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Stellung eines Anwaltes beim Unterbindungsgewahrsam – das war der Knackpunkt am Montagabend, den wir dann ausgeräumt haben – das Wichtige war, um zu zeigen, dass Waffengleichheit zwischen dem Staat auf der einen und dem Bürger auf der anderen Seite herrscht. Ein eingreifender Staat darf nicht alleine für sich stehen.

Ich glaube, mit diesem Pfeiler, den wir hier hineingehauen haben, werden wir auch Akzeptanz in der Bevölkerung finden.

Ich glaube auch, dass wir mit diesem Gesetzentwurf auch Akzeptanz bei den 40.000 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten finden werden. Und ich sage Ihnen auch, warum:

Es war wichtig, dass wir die Begriffe der „drohenden Gefahr“ und der „drohenden terroristischen Gefahr“ im ersten Durchgang rausgekickt haben. Wenn wir die im Gesetz stehen gelassen hätten, hätte das dazu geführt, dass jeder Polizeibeamte und jede Polizeibeamtin bei einer Entscheidung, die sie oder er zu treffen gehabt hätte, immer mit einem Bein im Ermittlungsverfahren gestanden hätte – wenn zum Beispiel ein Richter im Nachhinein entschieden hätte, das, was der Polizeibeamte oder die Polizeibeamtin getan habe, sei falsch gewesen.

Deshalb war es richtig, dass wir diese Begriffe rausgekickt haben, und ich denke, das haben wir im ersten Verfahren auch ganz richtig gemacht.

Der zweite Punkt, liebe Genoss …, liebe Kolleginnen und Kollegen …

(Heiterkeit von der CDU – Daniel Sieveke [CDU]: Oh!)

Ich sage hier schon Genossinnen und Genossen. Sie merken, wie wichtig es war, dass ich gestern bei mir in der Fraktion diskutiert habe. Das habe ich ja gesagt, das hat ein paar Stunden gedauert. Deshalb kommt das manches Mal auch so, dass man weiß, mit wem man zu diskutieren hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, es ist wichtig – und auch da rede ich gar nicht darum herum – bzw. es geht darum, dass nach diesem Polizeigesetz ein Richter die Möglichkeit hat, jemanden oberhalb von 48 Stunden – nämlich bis jetzt 14 Tage und möglicherweise in einer Verlängerung noch mal 14 Tage – in Unterbindungsgewahrsam zu stecken. Wichtig für uns war, dass auch dieser Punkt nicht an einer drohenden Gefahr hängt, sondern an dem Begriff der konkreten Gefahr, der schon lange verfassungsrechtlich abgesichert ist. Nur das kann doch auch die Möglichkeit sein, dass wir die Akzeptanz a) bei der Bürgerschaft und b) bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten hinbekommen.

Lassen Sie mich insoweit eines zum Bereich der Quellen-TKÜ sagen. Es ist richtig, dass es hier eine bundesverfassungsgerichtliche Vorgabe gibt, und wir werden sehen, wann wir aufgrund dieser bundesverfassungsgerichtlichen Vorgabe eine solche Quellen-TKÜ überhaupt einmal anordnen können oder eine solche durchzuführen ist.

Zwei Sachen sind hier wichtig. Das eine ist, dass es dabei um die Abwehr terroristischer Straftaten geht. Das Zweite ist: Wir legen alles an denjenigen, der darüber entscheiden wird, und auch das ist doch manches Mal in der Öffentlichkeit falsch dargestellt. Kein Polizeibeamter und keine Polizeibeamtin wird irgendein Handy überwachen. Auch das werden Richterinnen und Richter entscheiden, und zwar mit der Maßgabe, dass sie wissen, welches Softwareangebot seitens der Polizei eingesetzt werden soll.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Und das ist doch dann die Frage, dass wir dem Richter insoweit vertrauen, dass er sich technischen Sachverstand holen kann,

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

um zu überprüfen, ob das überhaupt möglich ist. Das, denke ich, ist genau der richtige Punkt, bei dem wir wieder die Möglichkeit gesehen haben, dass dieser Bereich auch richtig ist.

Ich will Ihnen zum Ende meiner Ausführung eines auch noch einmal sagen, und das sage ich mit ein bisschen Spaß dabei, obwohl der ehemalige Innenminister unsererseits nicht da ist: Wir haben natürlich mit unserem ehemaligen Innenminister ebenfalls sehr intensiv diskutiert. Wahrscheinlich wäre ein Polizeigesetz insoweit auch auf den Tisch gekommen. Wahrscheinlich wäre es auch, weil es ein Polizeigesetz mit voller sozialdemokratischer Handschrift gewesen wäre, ein anderes gewesen. Ich denke aber, dass dieser Entwurf dieses Polizeigesetzes sehr viele Kompromisse beinhaltet, die dazu führen, dass wir sagen können: Wir können diesem Entwurf zustimmen.

Ich will Ihnen auch noch einmal sagen, warum die SPD sich das nicht nur so schwer macht, sondern warum wir das auch machen: Die SPD war in der Vergangenheit – in ihren 150 Jahren – immer die Partei, die für, die hinter, die vor oder die bei einem Staat steht, der seine Bürger schützt. Das war schon Ende der 20er-Jahre und Anfang der 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts der Fall, als es Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen waren, die ihren Staat unterstützt, als Letzte aufrecht gestanden und die Freiheitsrecht gewahrt haben und dafür verboten und hinterher auch verhaftet und getötet wurden.

Es waren auch Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wie Helmut Schmidt sowie die FDP-Innen-minister. Es war auch Gerhart Baum, der in der Zeit der 70er-Jahre – 1976 bis 1980 – gerade dem RAF-Terror insoweit begegnet ist und dafür gesorgt hat, dass dieser Staat weiterhin existieren und seine Bürger schützen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Entwurf, den wir heute diskutieren, haben auch Sozialdemokraten gezeigt, was sie von ihrem Staat halten, nämlich einem wehrhaften Staat, der in der Lage sein muss, die Bürger- und Freiheitsrechte seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

Aus diesem Grunde stimmen wir diesem Gesetzentwurf zu. Wir sind der Ansicht, dass das ein Gesetzentwurf ist, den wir gemeinsam erarbeitet haben und der mit dem eingebrachten Gesetzentwurf vom April zum Glück nicht mehr so viel gemeinsam hat. Deshalb werden die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hier zustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Ganzke. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Kollege Lürbke das Wort. Bitte schön.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war ein langer Weg bis zur heutigen zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs, aber ich denke, er hat sich gelohnt, und es war richtig, dass wir uns die notwendige Zeit genommen haben; denn das Ergebnis gibt uns recht. Mit dem vorliegenden Polizeigesetz verbessern wir die Sicherheit in Nordrhein-Westfalen, gleichzeitig wahren wir aber die Bürgerrechte, und beides gehört hier eindeutig zusammen. Uns als FDP, uns als NRW-Koalition war das besonders wichtig. Beides erwarten aber auch die Menschen in Nordrhein-Westfalen von uns.

Freiheit und Sicherheit müssen immer sauber austariert werden, und das ist uns mit diesem Polizeigesetz jetzt gelungen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Um das einmal einzuordnen: Wir erledigen im Gegensatz zur Vorgängerregierung unsere Hausaufgaben. Wir stellen in diesem Land so viele neue Polizisten wie noch nie ein – 2.500 neue Stellen für junge Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter. Wir statten unsere Polizeibeamten mit zeitgemäßer, mit moderner Ausrüstung aus. Wir geben denjenigen, die für unsere Sicherheit sorgen, dort, wo es nötig ist und wo es Sinn macht, mit einen geänderten Polizeigesetz das erforderliche rechtliche Handwerkszeug an die Hand, um eben im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus im 21. Jahrhundert zeitgemäß und richtig aufgestellt zu sein.

Das Ganze muss aber, meine Damen und Herren, mit Augenmaß und im Einklang mit der Verfassung erfolgen. Uns als FDP – das ist kein Geheimnis – ist das naturgemäß immer besonders wichtig; denn nur ein rechtssicheres Gesetz macht Nordrhein-Westfalen auch tatsächlich sicherer.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Für uns als Freie Demokraten war spätestens nach der ersten Anhörung klar, dass besonders beim Begriff der drohenden Gefahr, bei der Länge des Unterbindungsgewahrsams und bei der genauen Ausgestaltung der Quellen-TKÜ noch Verbesserungen erzielt werden müssen. Das haben wir umgesetzt.

(Zuruf von Sven Wolf [SPD]: Wir haben gern geholfen!)

Die Fraktionen von CDU und FDP haben genau diese Punkte maßgeblich verbessert und rechtssicherer ausgestaltet. Deswegen mal Klartext: Genauso muss ein Parlament doch arbeiten – Expertenanhörungen wirklich ernst nehmen und dann noch notwendige Korrekturen vornehmen und einbauen.

(Zuruf von der SPD)

Das haben die regierungstragenden Fraktionen an der Stelle getan. Das kennt man vielleicht nicht. Den Seitenhieb nehme ich mir an der Stelle heraus.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das hat die Vorgängerregierung nicht immer getan, aber wir haben es getan.

Herr Kutschaty, Sie haben gestern gesagt, der ursprüngliche Gesetzentwurf sei zurückgezogen worden. Das ist doch hanebüchen. Sie wissen auch ganz genau, dass das nicht so ist. Das gilt auch für die phantasievolle Erzählung, wie sehr die SPD bei diesem Gesetz Hilfe geleistet hätte.

(Hannelore Kraft [SPD]: Die FDP hat ja nichts getan! – Sven Wolf [SPD]: Ich glaube, wir haben mehr getan als Sie!)

Ihre gestrige Pressekonferenz gehörte in die Rubrik „Kutschatys Märchenstunde“.

Dennoch freue ich mich über die große parlamentarische Mehrheit und Zustimmung für das durch uns geänderte Polizeigesetz, bei dem die SPD auf der Zielgeraden, sozusagen auf den letzten Metern, noch auf den richtigen Kurs eingebogen ist.

(Sven Wolf [SPD]: Dann machen Sie es jetzt nicht kaputt!)

Das ist ein gutes Zeichen, denn eine breite parlamentarische Mehrheit für diese Änderung ist zugleich auch das richtige Signal für die Menschen in unserem Land und die richtige Rückendeckung für unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.

Dennoch wundere ich mich ein wenig darüber, Herr Kutschaty, dass Sie in Ihrer Pressekonferenz davon sprachen, dieses Polizeigesetz sei jetzt das sozialdemokratischste aller Bundesländer. Was bedeutet das denn jetzt? Ist das ein Kompliment? Ist das eine Drohung?

(Lachen von den GRÜNEN)

Ich weiß es nicht. Eines bedeutet es aber auf jeden Fall: Es ist ein bemerkenswert ehrliches Eingeständnis, dass Sie, die SPD-geführte Vorgängerregierung, selbst nie den Mut hatten, die Stärkung der inneren Sicherheit mit einer Änderung des Polizeigesetzes in Angriff zu nehmen. Das haben Sie nicht gemacht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie satteln jetzt bei uns auf. Es ist aber, wie gesagt, ein gutes Zeichen, und darüber freue ich mich.

Aber, Herr Kollege Ganzke – wir waren bei vielen Gesprächen dabei –, tun Sie bitte nicht so, als seien die zentralen, die bürgerrechtschützenden Leitplanken durch Sie verhandelt worden.

(Zurufe von der SPD)

Das haben wir schon ganz allein getan. Wir brauchen keine Legendenbildung. Schließlich sind bei diesem Gesetzesvorhaben wirklich schon genug Fake News in der Welt, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Schwamm drüber! Schauen wir lieber einmal zu den Grünen. Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen, ob es Ihnen als grüne Fraktion wirklich noch um die innere Sicherheit in unserem Land, die Polizei und unseren Rechtsstaat geht, oder ob es in Wahrheit um grüne Klientelpolitik für linke Chaoten und aggressive Klimaaktivisten geht.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von der FDP: Bravo! – Arndt Klocke [GRÜNE]: Deshalb liegen wir auch bei 20 % bei Umfragen! Weil wir uns an solchen Leuten orientieren!)

Ich möchte ein Beispiel nennen. Am letzten Donnertag fand hier im Plenarsaal die Innenausschusssitzung statt. Tagesordnungspunkt: Verfassungsschutzbericht. Burkhard Freier, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen, berichtete, dass die Interventionistische Linke im Hambacher Forst die Teilnehmer der sogenannten Klimacamps schule, wie man am besten gewalttätige Übergriffe auf Polizeibeamte vornimmt.

(Dietmar Brockes [FDP]: Hört, hört!)

Ich finde das unfassbar. Aber Sie waren ja dabei und haben das gehört.

(Beifall von der FDP und der CDU – Arndt Klocke [GRÜNE]: Sie waren doch noch nie auf einer Demo!)

Keine zwei Tage später laufen Sie gemeinsam mit unter anderem genau diesen Verfassungsfeinden, mit Linksextremisten, bei der Demo in Düsseldorf – ich sage mal – händchenhaltend durch die Stadt.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Waren Sie dort? – Arndt Klocke [GRÜNE]: Sie waren doch noch nie auf einer Demonstration!)

Sie kritisieren mich allen Ernstes, wenn ich sage, die Grünen müssten sich endlich einmal von einem gewalttätigen Teil der Demonstranten im Hambacher Forst distanzieren, aber Sie laufen händchenhaltend durch die Stadt. Das ist doch abenteuerlich!

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Deswegen erklärt sich vielleicht auch, Frau Schäffer, warum Sie beispielsweise die Regelung in punkto Identitätsfeststellung im Vorfeld so laut kritisieren.

(Gregor Golland [CDU]: Ja klar!)

Das, was die Grünen hier betreiben, ist ganz offensichtlich waschechte Klientelpolitik.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Das machen Sie!)

Es scheint Sie ganz besonders zu stören, weil das Leute sind, mit denen Sie womöglich insgeheim sympathisieren. Ich möchte hier einmal ganz klar sagen: Es geht bei den neuen Regelungen im Gesetz doch nicht um Leute, die einmal ihren Personalausweis vergessen haben, sondern es geht um Straftäter, die sich im Hambacher Forst bewusst durch Abfeilen oder

(Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Verätzen der Fingerkuppen – das wird übrigens bewusst geschult – vor einer Verfolgung durch den Rechtsstaat entziehen wollen, wohlwissend, dass der Polizei aktuell nur zwölf Stunden Zeit bleiben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich bin es, ehrlich gesagt, leid, dass wir uns von den Straftätern an der Nase herumführen lassen. Es werden gezielt Lücken im System ausgenutzt, und das ändern wir mit diesem Gesetz.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Schäffer, Sie verlangen vehement, dass jeder Polizeibeamte in unserem Land zu jeder Zeit immer und überall gekennzeichnet ist.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Nein, das stimmt gar nicht!)

Aber bei den hundert Straftätern, die sich gegen den Rechtsstaat stellen, ist es in Ordnung, dass sie sich nicht ausweisen müssen. Das passt einfach nicht zusammen. Das ist bezeichnend.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist ausdrücklich nicht unser Kurs. Wir wollen einen funktionierenden und wehrhaften Rechtsstaat. Statt einer anlasslosen Überwachung aller Bürgerinnen und Bürger wollen wir ganz gezielt Straftätern, Kriminellen und Terroristen konsequent auf den Füßen stehen. Das ist die Leitlinie unserer Sicherheitspolitik und auch dieses Gesetzes, meine Damen und Herren.

Glauben Sie mir – ich komme zum Schluss –, die FDP ist sich ihrer Verantwortung absolut bewusst. Unsere die bürgerrechtschützenden Leitplanken des geänderten Polizeigesetzes in Nordrhein-Westfalen unterscheiden sich daher auch maßgeblich von vielen anderen Gesetzen. Dazu muss man nur einmal nach Bayern schauen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: An welchen Stellen denn bitte schön? Wo denn?)

Deswegen freue ich mich auch, dass unser lieber Bürgerrechtsflügel, von Burkhard Hirsch bis Gerhart Baum, den durch uns geänderten Gesetzentwurf unterstützt.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Was?)

Es ist ein Gesetz mit Vorbildcharakter, auch für andere Länder und für den Bund.

(Beifall von der FDP und der CDU – Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Aber man darf das nicht verklären, denn es ist nur ein Baustein von vielen. Wir sind in vielen Bereichen unterwegs und machen unsere Hausaufgaben, zum Beispiel mit der Nordrhein-Westfalen-Koalition in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Neben mehr Personal und Ausstattung, neben mehr Wertschätzung, Anerkennung und Rückendeckung ist dies ein weiterer Baustein, …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Redezeit.

Marc Lürbke (FDP): … mit dem wir die Sicherheit in Nordrhein-Westfalen verbessern, aber gleichzeitig die Bürgerrechte wahren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Schäffer das Wort. Bitte sehr.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zur Selbstbeweihräucherung, die Sie im Innenausschuss wie auch hier wieder gemacht haben, dass man eine Anhörung auswertet und Änderungsanträge stellt, sagen: Entschuldigung, ich finde, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man das macht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU: Das haben Sie nie gemacht!)

Dass ein Innenminister, der auch Verfassungsminister ist, sagt, man habe die Anhörung nicht als Showveranstaltung gesehen: Entschuldigung, Herr Reul, das ist aus meiner Sicht eine infame Unterstellung gegenüber dem Parlament, wir würden ansonsten Showveranstaltungen durchführen. Das möchte ich deutlich zurückweisen. Das tun wir als Parlament nicht. Sie sind zu Gast in diesem Hohen Hause, und ich finde, Sie sollten sich auch entsprechend verhalten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wenn Sie sich so dafür loben, diese Nachbesserungen gemacht zu haben, stellt sich doch die Frage: Wie konnte ein solcher Gesetzentwurf eigentlich durch ein Kabinett gewinkt werden, in dem ein Innenminister sitzt, der auch Verfassungsminister ist, ein Justizminister sowie drei Mitglieder der FDP?

Man hat hier ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz durch das Kabinett gewinkt. Nur die harsche und massive Kritik von Burkhard Hirsch und anderen hat dazu geführt, dass Sie nachgebessert haben.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP] – Gegenruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Sich vor diesem Hintergrund als Bürgerrechtler darzustellen, Herr Lürbke, finde ich schon ziemlich peinlich. Das finde ich wirklich peinlich für diese Regierung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Golland ist gerade leider gegangen, aber das Bild, das er gerade wieder gezeichnet hat von der Unsicherheit in Nordrhein-Westfalen, stimmt so einfach nicht. Werfen Sie doch mal einen Blick in die polizeiliche Kriminalstatistik: Seit Jahren sinken die Zahlen.

Sie haben auch schon im Wahlkampf auf unredliche Art und Weise Ängste in der Bevölkerung geschürt. Das setzen Sie hier fort. Das finde ich auch unredlich.

Wir haben als Politiker die Verantwortung, redlich zu agieren und aufgrund von Fakten zu entscheiden. Genau das tun Sie nicht, und das werfe ich Ihnen auch vor.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich finde es wichtig, dass die Gleichung „mehr polizeiliche Befugnisse schaffen automatisch mehr Sicherheit“ so einfach nicht stimmt. Ich könnte Ihnen ein Beispiel aus dem NSU-Komplex nennen, bei dem es nicht an den Befugnissen gescheitert ist, sondern es an ganz anderen Dingen gelegen hat, weshalb diese Morde nicht aufgedeckt wurden und die Täter nicht gestoppt wurden. Es waren nicht die mangelnden Befugnisse.

Neue Befugnisse, wie sie jetzt hier vorgesehen sind wie die Gewahrsamnahme von potenziellen Terroristen, die Fußfessel und die Ausweitung der Videobeobachtung, schaffen objektiv betrachtet nicht mehr Sicherheit,

(Zuruf von der CDU: Doch!)

schränken aber Grundrechte ein. Sie gaukeln der Bevölkerung eine Sicherheit vor, die Sie letztlich nicht einlösen können. Das finde ich wirklich unredlich und falsch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Lieber Hartmut, liebe SPD, wenn ihr jetzt sagt, nach den Änderungsanträgen wäre so viel geändert worden, muss ich euch sagen: Das stimmt so einfach nicht. Selbst der Minister hat doch im Innenausschuss gesagt, dass nichts Substanzielles im Gesetzentwurf geändert wurde.

(Christof Rasche [FDP]: Was?)

– Das hat der Minister gesagt. Sie können es gerne im Protokoll nachlesen.

Genau das ist der Fall. Der Kern des Gesetzes, ins Vorfeld zu gehen, bleibt doch weiterhin bestehen.

(Gregor Golland [CDU]: Gut so!)

Man geht ins Vorfeld, wo Straftaten noch gar nicht begangen worden sind. Damit wird im Übrigen auch das historisch begründete Trennungsgebot in Deutschland zwischen Nachrichtendiensten und Polizei aufgeweicht.

Herr Reul selbst hat noch in einem „SZ“-Interview letzte Woche gesagt, es handele sich um ein ausbalanciertes System, das wir in Deutschland haben. Mit diesem Gesetzentwurf gerät das System aber ins Wanken.

Herr Reul, das reiht sich ein in Ihre – ich nenne es mal – Informationspolitik, die Sie ständig betreiben. Sie stellen sich in der „Süddeutschen Zeitung“ als Wahrer und Schützer des Trennungsgebotes dar, machen in Wahrheit aber genau das Gegenteil: Sie weichen das Trennungsgebot auf und erzählen der Bevölkerung etwas völlig anderes.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Gesetz sieht vor, dass die Polizei in Zukunft allein auf eine Prognose gestützt tätig werden können soll, wenn Personen einer konkreten Wahrscheinlichkeit nach in einem übersehbaren Zeitraum Straftaten begehen werden.

Man sieht schon, wie unbestimmt diese Begriffe sind. Das Bundesverfassungsgericht hat uns als Gesetzgeber aufgegeben, genau diese Begriffe zu definieren. Das ist ein Auftrag des Bundesverfassungsgerichts. Genau dem kommen Sie nicht nach.

In Zukunft müssen Menschen, die noch keine Straftat begangen haben, also Unschuldige, in Nordrhein-Westfalen eine Fußfessel tragen, ihre Handys werden ausspioniert, und sie werden in Gewahrsam genommen, obwohl gar keine Straftat begangen wurde. Das sind tiefe Eingriffe in Grundrechte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Daran, liebe SPD, aber auch liebe FDP und liebe CDU, ändert doch auch nichts, dass man einen Richtervorbehalt und einen Rechtsbeistand beim Gewahrsam vorsieht. Ich finde, dass es eines Rechtsstaates nicht würdig ist, wenn unschuldige Menschen hinter Gittern sitzen müssen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Hartmut Ganzke [SPD])

Das Gewahrsam ist ein tiefer Grundrechtseingriff bei Menschen, die keine Straftaten begangen haben. Ich könnte aus dem Beschluss des SPD-Parteitags zitieren, den ich mir extra herausgelegt habe, aber die Zeit reicht dafür nicht mehr aus. Lesen Sie es noch mal nach.

Es wurde immer argumentiert, nach einem Monat im Gewahrsam könne man die Gefährder abschieben. Das ist völliger Blödsinn. Das ist völlig naiv, wie auch meine Anfrage ergeben hat. Sie haben den Gewahrsam von einem Monat auf 14 Tage heruntergeschraubt.

Glauben Sie allen Ernstes, dass Sie innerhalb der 14 Tage einen Gefährder abschieben können? Glauben Sie allen Ernstes, dass Sie innerhalb von 14 Tagen jemanden dazu bringen können, seine Meinung zu ändern, dass diese Person nach 14 Tagen geläutert aus der Haft entlassen wird? Das ist doch völlig lebensfremd und naiv.

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Deshalb sage ich auch, dass dieses Gesetz nicht nur tiefe Grundrechtseingriffe vornimmt, sondern auch wirkungslos ist, weil es zwar mehr Sicherheit verspricht, diese Sicherheit aber überhaupt nicht einlösen kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zur Identitätsfeststellung: Wer ist denn hier ideologiegetrieben? Lesen Sie doch mal die Begründung des Gesetzentwurfs. Das ist pure Ideologie,

(Dr. Werner Pfeil [FDP]: Das stimmt doch nicht!)

wie Sie die Identitätsfeststellung begründen. Das Festhalten, um die Identität festzustellen, soll von zwölf Stunden auf bald sieben Tage ausgeweitet werden. Es gibt massive verfassungsrechtliche Bedenken.

(Gregor Golland [CDU]: Ich habe Bedenken, wenn sich Leute der Feststellung ihrer Identität verweigern!)

Auch hier könnte ich wieder den Beschluss des SPD-Parteitages zitieren, der das massiv kritisiert hat. Liebe SPD, wenn Sie Ihre eigenen Parteitagsbeschlüsse ernst nehmen würden, müssten Sie diesen Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir Grüne haben schon angekündigt, dass wir das prüfen lassen. Vielleicht sieht man sich ja vor Gericht wieder. Das Gericht wird es dann zu entscheiden haben.

Zur Quellen-TKÜ: Der Staat wird sich mit der Quellen-TKÜ selbst zum Hacker machen. Damit wird der Staat nicht nur Menschen abhören und ausspionieren, sondern er gefährdet auch die IT-Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, der Wirtschaft, aber auch der kritischen Infrastruktur und sogar die eigene IT-Sicherheit der Polizei und der öffentlichen Verwaltung. Das alles nehmen Sie in Kauf.

Dazu kommt noch, dass es derzeit keine Spionagesoftware gibt, die den hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügt. Eine Zertifizierung, wie sie die SPD gefordert hatte, findet überhaupt nicht statt. Wie auch?

Es ist vorgesehen, dass man den Trojaner von privaten Unternehmen kaufen kann. Die werden selbstverständlich nicht den Quellcode preisgeben. Eine Zertifizierung kann überhaupt nicht stattfinden.

Auch ein Richter wird ohne Quellcode niemals entscheiden können, ob dieser Trojaner nur das kann, was er können darf, oder ob er nicht viel mehr kann, ob er auch meine Urlaubsfotos ausspioniert, ob das nicht schon in Richtung Onlinedurchsuchung geht.

Wie man so etwas mittragen kann, das kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen.

(Zurufe)

Herr Reul, Sie haben gesagt, bei diesem Gesetz hätten Sie Maß und Mitte gefunden. Das ist aus meiner Sicht mitnichten der Fall! Hier werden einseitig neue Befugnisse geschaffen. Von Grundrechtsschutz, von Bürgerrechten ist in diesem Gesetz überhaupt nicht die Rede. Sie machen das alles, obwohl Sie noch nicht einmal mehr Sicherheit schaffen. Das ist der Grund, warum wir Grüne den Gesetzentwurf mit – wie ich finde – sehr guten Gründen ablehnen.

Ich weiß, die Redezeit ist vorbei, aber ich würde dem Minister kurz vor Weihnachten gerne noch ein Weihnachtsgeschenk machen. Eigentlich war es schon als Urlaubslektüre vorgesehen; dazu ist es vor den Sommerferien aber nicht gekommen. Darum bekommen Sie es jetzt als Weihnachtsgeschenk. Das ist ein Buch von Heribert Prantl: „Der Terrorist als Gesetzgeber“.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Ich wünsche Ihnen eine sehr gute Lektüre unter dem Weihnachtsbaum. Vielleicht geben Sie das Buch danach an Herrn Golland und an Herrn Lürbke weiter. Ich glaube, die könnten es auch gut gebrauchen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schäffer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Wagner das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Markus Wagner (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Weil zwei berüchtigte libanesische Großfamilien mit Kontakten in das Rockermilieu in Mülheim eine Hochzeit feierten, musste die Polizei am vergangenen Sonntagabend mal wieder mit einem Großaufgebot von mehreren Hundert Beamten anrücken. Wie es in der bunten Republik mittlerweile gute Hochzeitstradition ist, nahmen die Beamten im Laufe des Abends drei Personen fest, unter anderem wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und gegen das Waffengesetz. Ein Gast wurde gar per Haftbefehl gesucht.

So weit, so normal in dem Deutschland, in dem Armin Laschet und Angela Merkel gerne, aber nicht gut regieren.

(Beifall von der AfD)

Zahlreiche Ruhrgebietsstädte leiden unter den Machenschaften solcher libanesischer Familienclans, die mittlerweile auch noch in den ländlichen Raum und auf die Dörfer expandieren. In Essen sei nach Aussage des dortigen Polizeipräsidenten das Sicherheitsgefühl der Bürger dadurch nachhaltig geschädigt worden. Mit einer sogenannten Nulltoleranzstrategie und Razzien will die Landesregierung dieser Gefahr nun wieder Herr werden.

Das ist erst mal gut. Noch besser wäre es aber gewesen, wenn man diese Verhältnisse mit einer selbstbewussten und an deutschen Interessen orientierten Migrations- und Integrationspolitik – was gerne auch mal Re-Migrationspolitik bedeuten darf – gar nicht erst hätte entstehen lassen.

(Beifall von der AfD)

Brandgefährlich wird es schließlich, wenn sich die grenzüberschreitende und Organisierte Kriminalität mit einer anderen Folge der Masseneinwanderung, dem Islamismus und dem islamistischen Terrorismus in Deutschland, zu neuen Hybriden verbündet. Aus dem aktuellen „Lagebild Salafismus NRW“ geht hervor, dass eben dieser internationale islamistisch motivierte Terrorismus für eine dauerhaft angespannte Sicherheitslage sorgt und nach – ich zitiere – einhelliger Bewertung aller deutschen Sicherheitsbehörden jederzeit mit einem islamistisch motivierten Anschlag in Deutschland gerechnet werden muss. Was gestern in Straßburg passiert ist, kann heute jederzeit auch in Düsseldorf passieren.

Ebenfalls ist dort zu lesen, dass die Anzahl der bekannten Anhänger salafistischer Szenen in NRW in den letzten Jahren stark angestiegen ist, nämlich auf 3.000 Personen zum Ende des Jahres 2017. Mit Stand September 2018 ist die Zahl noch einmal leicht angewachsen, nämlich auf 3.100 Personen.

Zwar wird beim Salafismus als fundamentalistischer Strömung innerhalb des sunnitischen Islams stets auch auf die Minderheit der Konvertiten verwiesen, aber es bleibt festzuhalten, dass 93 % der Salafisten in NRW eine Einwanderungsgeschichte aus islamisch geprägten Ländern aufweisen und schon überwiegend in zweiter oder sogar dritter Generation in Deutschland leben. Hier kann der Salafismus laut Lagebild an eine entsprechende kulturelle Vorprägung anknüpfen.

Der Salafismus in Nordrhein-Westfalen ist damit auch ein Trauerspiel gescheiterter Einwanderungs- und Integrationspolitik. Und ja, das zeigt: Den islamistischen Terrorismus und Extremismus hat es auch schon vor dem Schicksalsjahr 2015 gegeben.

Dennoch sind die Sicherheitsbehörden im Zuge des Welcome-Putsches 2015 mit einem neuen Phänomen konfrontiert worden: der Gefährdung durch tatsächliche oder vermeintliche Flüchtlinge, die nach 2015 nach Deutschland kamen. Aus diesem Personenkreis heraus wurden immerhin drei der fünf durchgeführten Anschläge im Jahr 2016 und der einzige Anschlag des Jahres 2017 verübt. Dieses Personenpotenzial stellt nach Einschätzung des Innenministeriums die Sicherheitsbehörden, die hierzu über keine Vorerfahrung verfügen, vor noch größere Herausforderungen und birgt einen hohen technischen und personellen Überwachungsaufwand.

An die Adresse der Grünen sei an dieser Stelle gesagt, dass wir natürlich nicht alle unsere Betrachtungen auf den Gegenstandsbereich „Islamzuwanderung und Migrantenkriminalität“ verengen.

Auch das Ihnen zugeneigte Milieu hat erst kürzlich mit der illegalen Besetzung des Hambacher Forsts einen der größten Polizeieinsätze in der Geschichte Nordrhein-Westfalens verursacht. Dieser Großeinsatz, bei dem völlig verwahrloste Öko-Extremisten bar jedweder Zivilisiertheit sogar mit ihren eigenen Fäkalien warfen, hat unsere Polizeibeamten an ihre Belastungsgrenzen gebracht.

Ich sage Ihnen eines: Wer mit solchen Leuten paktiert, darf sich nicht wundern, dass das Polizeigesetz verschärft werden muss. Schon gar nicht darf er sich hinterher darüber beklagen.

(Beifall von der AfD)

Scheunentoroffene Grenzen nach außen, verbarrikadierte Weihnachtsmärkte im Inneren, expandierende Libanesen-Clans, Extremisten verschiedener Couleur und islamistische Terroristen – völlig unerwähnt blieb in meinen Ausführungen bisher der deutlich überproportionale Anteil an ausländischen Tatverdächtigen in der aktuellen Polizeilichen Kriminalstatistik für das Land NRW. Hinzu kommen schlussendlich noch die mittlerweile täglichen Messerangriffe in Deutschland und in NRW.

Das alles lässt unseren Rechtsstaat an seine Grenzen geraten. Hier sind wir als Parlamentarier gefragt, bis an die Grenzen des rechtsstaatlich Möglichen zu gehen, um unsere Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste auf der Höhe der Zeit schlagkräftig zu machen.

Es bedarf über eine Novelle des Polizeigesetzes hinaus jedoch auch abschiebepolitischer Leidenschaft, einer effektiven Grenzsicherung und einer Neukonfiguration der Asyl- und Migrationspolitik, um Terror und Kriminalität wirksam zu begegnen.

(Beifall von der AfD)

Wir von der AfD sind der Auffassung, dass bereits der ursprüngliche Gesetzentwurf der deutlichen Kritik unterschiedlicher Seiten zum Trotz viel Richtiges wollte. Auch unter Berücksichtigung der Änderungsanträge der regierungstragenden Fraktionen geht das Gesetz in deutlich abgeschwächter Form noch in die richtige Richtung.

Die geplante Verlängerung des Unterbindungsgewahrsams ist notwendig, für uns jedoch zu kurz. Auch die Einführung von Aufenthaltsvorgaben, die elektronische Fußfessel sowie die Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten sind angemessen. Die strategische Fahndung wiederum bleibt weit hinter unseren Erwartungen zurück.

Wir werden uns diesem Gesetzentwurf nicht entgegenstellen und uns zumindest enthalten. Für eine Zustimmung der AfD-Fraktion fordern wir hingegen die Annahme unserer eigenen Änderungsanträge, die neben kleineren punktuellen Korrekturen im Wesentlichen Folgendes fordern:

Erstens. Die gesetzliche Grundlage für ein Prüf- und Zulassungsverfahren für nichtletale Geschossarten.

Zweitens. Eine Verlängerung des Unterbringungsgewahrsams auf bis zu drei Monate.

Drittens. Die Möglichkeit der Schleierfahndung insbesondere im Grenzbereich und auf Fernautobahnen anstelle der sogenannten strategischen Fahndung, um der grenzüberschreitenden Kriminalität als Bestandteil eines hybriden Terrorismus effektiver zu begegnen.

Meine Damen und Herren, hier zeigt sich wieder eines: Bekannt ist bereits, dass der Sozialstaat und offene Grenzen nicht miteinander vereinbar sind. Ich sage Ihnen, innere Sicherheit und offene Grenzen sind ebenso wenig miteinander vereinbar. Das bezahlen wir mit unserer Freiheit, mit unserem freiheitlichen Leben durch immer schärfere Gesetze. Da müssen Sie anknüpfen, um wirkungsvoll das zu bekämpfen, was Sie zu bekämpfen vorgeben. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wagner. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Reul das Wort. Bitte sehr.

Herbert Reul, Minister des Innern: Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Wir haben heute schon ein paarmal erwähnt, dass es gestern diesen schrecklichen Anschlag in Straßburg gegeben hat. Er zeigt einmal mehr, dass die Gefahr des Terrorismus real ist, Europa im Zentrum des Terrorismus liegt und es deshalb wichtig ist, zu handeln.

Es ist aber nicht nur der Terrorismus. Die Sicherheitslage insgesamt ist angespannt und hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Auch deshalb braucht es neue Antworten.

Es stimmt, dass wir in Nordrhein-Westfalen nicht an der Spitze der Bewegung stehen, was die Bekämpfung angeht, sondern Nachholbedarf haben. Deshalb haben wir uns darum bemüht, Stück für Stück zu Verbesserungen zu kommen.

Vielleicht darf ich es an dieser Stelle sagen: In meiner ersten Rede – hier oder im Innenausschuss, das weiß ich nicht mehr genau – habe ich dafür geworben, dass wir gerade beim Thema „Sicherheit“ den Versuch unternehmen, über Parteigrenzen hinweg zu Lösungen zu kommen, weil das klug ist – auf vielen Seiten klug.

Wir haben die ersten Maßnahmen ergriffen: mehr Personal und bessere Ausstattung. Jetzt folgt zumindest ein erster Teil der dazu gehörenden fehlenden rechtlichen Grundlagen. Das ist ein großer Schritt, der aus polizeifachlicher Sicht notwendig ist. Damit erhält die Polizei in Nordrhein-Westfalen Handlungsmöglichkeiten und Eingriffsbefugnisse, die ihr jahrelang nicht zugestanden worden sind. Das ist eine neue Qualität, und die ist offenkundig.

Das ist notwendig und wichtig, weil hier Maßnahmen ergriffen werden, die in anderen Bundesländern schon vorhanden waren, zum Teil als Standardrepertoire, und die wir dringend nacharbeiten müssen.

Mit Aufenthaltsvorgaben, Kontaktverboten und Fußfesseln kann die Polizei endlich gegen terroristische Gefährder vorgehen, und zwar – das ist richtig bemerkt – im Gefahrenvorfeld, und das ist neu: also bevor die Bombe explodiert ist, bevor der Amoktäter in die Menschenmenge gefahren ist, bevor – wie gestern in Straßburg – der Täter geschossen hat. Es ist wahr: Das Sicherheitspaket I ist in erster Linie ein Antiterrorpaket.

Möglicherweise hätte – aber „hätte“ sollte man in der Politik nicht sagen – der eine oder andere Anschlag sogar verhindert werden können, wenn wir diese Instrumente gehabt hätten.

(Zuruf von den GRÜNEN)

In Zeiten des Terrorismus brauchen wir Eingriffsmöglichkeiten im Vorfeld von Gefahren, die übrigens auch gegen Störer einsetzbar sind, insbesondere gegen Pädophile, Stalker, Wohnungsverwiesene und Fußball-Hooligans. Ich halte das für einen großen und qualitativen Fortschritt; denn wir reden in all diesen Fällen von Gewalt gegen Schwächere, oft gegen Frauen und Kinder, aber auch gegen ganz normale Zuschauer von Sportveranstaltungen. Täterschutz darf im Rechtsstaat niemals vor Opferschutz gehen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der Staat hat eine Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern. Das hat natürlich Konsequenzen. Wir erweitern die offenen und verdeckten Überwachungen. Das sind die Eingriffsmöglichkeiten der Polizei. Es gibt die strategische Fahndung, die zwar keinen Verdacht, aber anders als die Schleierfahndung einen konkreten polizeilichen Anlass braucht. Diese strategische Fahndung gibt es bereits in 14 von 16 Bundesländern.

Damit wird ein Zeichen gesetzt, dass die Organisierte Kriminalität wie bei Reiheneinbruchdiebstählen und Geldautomatensprengungen nicht hingenommen, sondern aktiv bekämpft wird.

Ja, wir erweitern die Videobeobachtung, aber in abgewogener Form. Da steht jetzt nicht an jeder Ecke eine Videokamera. Das wäre ja auch falsch.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Von vielen Landräten, Polizeipräsidenten und Oberbürgermeistern wird das seit Jahr und Tag gefordert.

Ja, wir ermöglichen die Telekommunikationsüberwachung und das Überwachen von Messengerdiensten wie WhatsApp. Ja, wir verlängern die bisherige 48-Stunden-Höchstfrist bei den Gewahrsamstatbeständen. Das tun wir zum Beispiel, um Identitätsfeststellungen zu organisieren; denn zwölf Stunden reichen dafür nicht aus, wenn sich jemand die Fingerkuppen verklebt hat. Wir können doch nicht jemanden, der tatverdächtig ist, ziehen lassen, nur weil wir seine Identität nicht feststellen können, wie das im Moment der Fall ist. Das ist ein Drama! Das ist überhaupt nicht rechtsstaatlich, was da im Moment passiert.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der Vorgang im Hambacher Forst muss doch jeden umtreiben. Jeder, der alle fünf Sinne beisammen hat, muss doch sagen: Wenn Hunderte von tatverdächtigen Personen überprüft werden müssen und man bei der einen Hälfte die Identität feststellen kann, bei der anderen Hälfte aber nicht, weil man keine Zeit mehr hat, dann ist das unmöglich.

(Zuruf von der FDP: Das ist das Ziel der Grünen, dass das so ist!)

Es ist unmöglich, die Identität von 500 Personen in zwölf Stunden festzustellen, wenn diese sich verweigern. Dann muss man sie wieder gehen lassen, und dann machen die fröhlich weiter. Das macht doch keinen Sinn!

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Zur Klarstellung: Ob jemand in Gewahrsam kommt, hat im wahrsten Sinne des Wortes jeder selbst in der Hand. Das ist nicht eine böse Tat des Staates.

(Gregor Golland [CDU]: So ist es! Genauso ist es!)

Sobald er seinen Namen und seine Adresse nennt, ist er sofort auf freiem Fuß – sofort!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ein anderes Beispiel: Ein Pädophiler, der sich trotz Aufenthaltsverbots ständig einem Kindergarten nähert, kann jetzt in Gewahrsam genommen werden. Ich finde das völlig in Ordnung. Das sind doch die Kernpunkte des Unterbringungsgewahrsams.

So können auch terroristische Gefährder künftig bei akutem Anschlagsverdacht bis zu 14 Tage in Gewahrsam genommen werden. Damit gewinnt die Polizei Zeit, um Beweise zu sichern. Ob das immer ausreicht, werden wir sehen. Aber es ist wesentlich mehr als die bis zu 48 Stunden, die wir heute haben.

Bis jetzt dürfen sie nur bis zum Ende des nächsten Tages festgehalten werden. Jeder weiß, dass das in vielen Fällen nicht ausreichend ist.

Ich weise noch einmal darauf hin, was oft in der öffentlichen Debatte unterschlagen wird: Bei allen kritischen Punkten, die im Gesetz enthalten sind, muss ein unabhängiger Richter entscheiden. Das stand übrigens schon von Anfang an im Gesetz, schon beim allerersten Entwurf,

(Beifall von der CDU)

und wird jetzt als Neuigkeit gefeiert. Manchmal muss man die Texte direkt zu Beginn einfach mal lesen.

Der Richter entscheidet nicht nur über das Ob, sondern er entscheidet auch über das Wie. Muss der Gefährder oder Störer überhaupt in Gewahrsam? Und wenn ja, für wie lange? Reichen vielleicht drei Tage oder muss es auf die Maximalzeit ausgedehnt werden?

Bei Fußfesseln, TKÜ, Quellen-TKÜ, bei Aufenthaltsvorgaben, Kontaktverboten und erst recht bei der Ingewahrsamnahme entscheidet ein unabhängiger Richter. Die Polizei kann nicht im Alleingang handeln. Sie ist quasi die Antragstellerin, aber das letzte Wort hat der Richter. Wir können sicher sein, dass die Richter die Anträge genau prüfen und mit Augenmaß entscheiden.

Zum Schluss möchte ich noch ein Wort zum Gesetzgebungsverfahren sagen. Wir hatten zwei Sachverständigenanhörungen, bei denen wir die Kritiker zu sehr vielen Fragen gehört haben. Diese Kritiken haben wir ernst genommen und das Gesetz angepasst, zum Beispiel mit dem Verzicht auf die abstrakte Kategorie der drohenden Gefahr.

Wir haben aber nicht das aus dem Gesetz herausgenommen, um was es uns geht, nämlich einschreiten zu können, wenn Gefahr droht. Wir sind systematisch anders vorgegangen, besser und klüger, zum Beispiel bei dem Verzicht auf diesen Begriff.

Ich finde das Verfahren, das wir gewählt haben, beispielhaft. Liebe Frau Schäffer, das ist jetzt keine Kritik an irgendwem, sondern eine positive Bewertung. Ich finde das toll und bedanke mich dafür, dass wir alle – die Gutachter, die Zivilgesellschaft, die Fraktionen und auch mein Haus – uns dafür die Zeit genommen haben.

Mit einigen Märchen muss man aber aufräumen: Auch unser erster Entwurf entsprach nicht dem bayerischen Entwurf. Das ist Unsinn. Der erste Entwurf war schon völlig anders als der bayerische. Wir – Regierung, CDU und FDP – haben den Entwurf nach den Anhörungen an den Stellen, die es hergegeben haben, verbessert. Später haben wir auch noch Anregungen aus der SPD-Fraktion aufgenommen. Ich finde das klug und überlegt, weil diese Anregungen vernünftig waren. Das ist ein hohes Gut – ich wiederhole mich –, wenn man für ein solches Gesetz, das eine derart einschneidende Bedeutung hat, eine große Mehrheit im Parlament bekommt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen möchte ich mich bei CDU und FDP, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen, die aus der SPD-Fraktion daran mitgearbeitet haben, bedanken.

Ein Wort noch zu den Grünen: Frau Schäffer, ich freue mich sehr über das Buch, ich werde es auch lesen. Das einzig Unangenehme ist, dass ich kein Gegengeschenk habe, aber vielleicht fällt mir noch etwas ein.

Sie haben vielleicht auf eines nicht geachtet. Hier unten auf dem Buch steht: Wie man mit Angst Politik macht. – Ich habe heute einiges von Ihnen gehört, und das lief genau nach dem Muster: Bürgern Angst machen vor den Eingriffen der Menschen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich hoffe, Sie haben das gelesen.

Ich möchte noch einen zweiten Punkt anführen: Ich würde mir überlegen, mit wem ich auf Demonstrationen gehe. Ich würde nicht gemeinsam mit linksextremistischen Figuren eine Demonstration abhalten. Das würde ich mir dreimal überlegen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Wir machen überhaupt keine Demonstrationen!)

Ich weiß genau, wer bei der Demonstration dabei war. Ich glaube, mit vielen von denen würden Sie, wenn Sie es bewusst entscheiden würden, nicht zusammen über die Straße laufen.

(Zuruf von der AfD: Doch!)

Ich hoffe es jedenfalls nicht.

Drittens möchte ich noch darauf hinweisen, dass das, was Sie als Grüne vortragen, auch ein klein wenig widersprüchlich ist. Andernorts, zum Beispiel in Stuttgart, wo es eine besonders starke grüne Fraktion gibt, haben Sie gleichen oder ähnlichen Regeln zugestimmt. Das ist auch nicht so ganz logisch.

In unserem Gesetzentwurf war an einigen Stellen von sieben Tagen Ingewahrsamnahme die Rede, während in Baden-Württemberg 14 Tage gesetzlich verankert wurden. Da hat sich die grüne Fraktion auf das Doppelte eingelassen, und hier regen Sie sich über sieben Tage auf.

(Zurufe von den GRÜNEN )

Das ist nicht so ganz konsequent, wie ich finde.

Meine Damen und Herren, ich denke, dass wir mit diesem Gesetz den bestmöglichen Ausgleich – wenn auch nicht den einzig möglichen – zwischen Sicherheit und Freiheit hinbekommen haben. Damit werden Polizei und Ordnungsbehörden für wichtigen und schwierigen Aufgaben, die sie tagtäglich erledigen müssen, besser gewappnet sein.

Freiheit und Sicherheit – das ist kein zwingender Widerspruch, im Gegenteil. Ohne Sicherheit gibt es überhaupt keine Freiheit. Sie haben nämlich überhaupt keine Freiheit, wenn Sie nicht sicher über die Straße gehen können. Die Frau, die sich abends nicht mehr auf die Straße traut, hat keine Freiheit mehr, abends zum Marktplatz oder zu ihrer Freundin zu gehen, weil sie keine Sicherheit hat.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Ich bedanke mich aus vielen Gründen sehr dafür, dass es diese Gemeinsamkeiten gegeben hat. Das war anstrengend, aber das schadet überhaupt nichts. Anstrengung ist manchmal ganz gut, wenn am Ende ein vernünftiges Ergebnis steht. Das ist für die Menschen gut, und das ist auch für die Qualität und die Standhaftigkeit dieses Gesetzes bei gerichtlichen Überprüfungen gut.

Last but not least ist es auch für die Polizistinnen und Polizisten gut. Die stehen nämlich täglich vor der Aufgabe, eine Entscheidung treffen zu müssen. Wenn sie wissen, dass eine große, breite parlamentarische Mehrheit ihr Handeln unterstützt, bedeutet das eine riesige Hilfe. Dafür bedanke ich mich sehr, sehr herzlich, auch bei der Fraktion, der das logischerweise ein bisschen schwerer gefallen ist.

Das ist nicht alles, was man machen kann; das ist auch nicht der einzige oder der größte Schritt aller Zeiten, aber es in ein wichtiger Schritt, um in diesem Bereich voranzukommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD und von Alexander Langguth [fraktionslos])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Sieveke das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Daniel Sieveke (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dankesworte sind gerade genug gefallen. – Frau Schäffer, einige Aussagen von Ihnen kann man einfach nicht mehr so stehen lassen. In Sonntagsreden stellen Sie sich immer hinter die Polizei, bauen hier aber zugleich eine Misstrauenskultur gegenüber unseren Polizeikräften auf, die nicht mehr ertragbar ist.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie suggerieren hier, dass man die Menschen vor der Polizei schützen muss. Sie tun so, als ob das, was in diesem Gesetz verankert wird, die Polizei in die Lage versetzen würde, unsere Verfassung auszuhebeln. Sie schüren hier Ängste – das ist wirklich unglaublich!

(Josefine Paul [GRÜNE]: Haben Sie überhaupt zugehört?)

Ihre moralische Überheblichkeit zeigen Sie, wenn Sie hier am Mikro stehen und den Menschen und uns hier im Plenum erklären, wie die Welt zu funktionieren hat und dann beispielsweise ausführen: Da wird gesagt, dass Anhörungen ernst genommen werden. Das ist doch selbstverständlich. – Nein, das war in diesem Hohen Hause in der parlamentarischen Arbeit nicht selbstverständlich.

Anhörungen wurden zur Genüge …

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

– Ach, Frau Schäffer, ich kann mich daran erinnern, dass wir in der letzten Wahlperiode im Innenausschuss Anhörungen durchgeführt haben, und hinterher wurde kein bisschen an den Gesetzentwürfen verändert. Wir haben uns darüber gestritten, ob es überhaupt noch zweite Anhörungen geben soll.

(Zuruf von Heike Gebhard [SPD] – Gordan Dudas [SPD]: Beim KiBiz war das ja auch der Fall!)

Hier ist nun festzuhalten, dass die regierungstragenden Fraktionen von sich aus eine zweite Anhörung beantragt haben, weil sie Expertenmeinungen nicht nur hören wollten, sondern auch darauf gesetzt haben, dass Anregungen dazu gegeben werden können, wie man es besser und anders machen kann.

Das ist ein Stil, den ich – das muss ich ehrlich sagen; seit sieben Jahren gehöre ich diesem Parlament an – in dieser Form noch nicht miterlebt habe. Ich lasse es mir als Vorsitzender eines Ausschusses auch nicht nehmen, zu erwähnen, wie hervorragend die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichsten Akteuren war.

Ob es im parlamentarischen Ablauf schwergefallen ist? – Wir haben uns sogar darauf verständigt, dass nicht nur Auswertungen und Abstimmungen in unterschiedlichen Sitzungen stattfinden. Man muss der geneigten Öffentlichkeit auch mal mitteilen, dass wir uns sogar Gedanken darüber gemacht haben, erst auszuwerten, noch einmal darüber zu schlafen und dann erst abzustimmen. All das ist mitgetragen worden.

Ich finde es dann nur fair, die von den Abgeordneten getroffene Entscheidung auch zu akzeptieren und nicht zu sagen: Es gab da und dort Parteitagsbeschlüsse. – Sie haben das vorhin den Kollegen der SPD vorgehalten.

Als dann aber Herr Minister Reul den Einwand vorgebracht hat, dass die Grünen in Baden-Württemberg sogar einer verschärften Regelung zugestimmt haben, da haben Sie gesagt: Ja, das war in Baden-Württemberg, das gilt aber nicht hier in Nordrhein-Westfalen, das sind unterschiedliche Dinge.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Wir sind unterschiedliche Landesverbände! Dass es bei Ihnen mit der parteiinternen Demokratie nicht so weit her ist, wissen wir!)

– Ich finde es immer so schön, dass hier dann immer diejenigen so lautstark reinrufen, die bei keiner Innenausschusssitzung und keiner Anhörung dabei waren. Respekt!

(Beifall von der FDP – Josefine Paul [GRÜNE]: Das sagt der Richtige! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Frau Aymaz, Sie gehören ja zu denjenigen, die zumindest an Innenausschusssitzungen teilnehmen. Sie haben sich vorhin dazu verstiegen, immer wieder zu sagen, die Identitätsfeststellung sei der Zivilgesellschaft gegenüber unerträglich.

(Henning Höne [FDP]: Die Fingerkuppen der Zivilgesellschaft!)

Gegenüber welcher Zivilgesellschaft? – Die Zivilgesellschaft schrubbt oder ätzt sich nicht die Fingerkuppen ab. Die Zivilgesellschaft wirft keine Steine auf Polizeibeamte.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Die Zivilgesellschaft schießt nicht mit Zwillen. Die Zivilgesellschaft wirft nicht mit Scheiße – Entschuldigung, ich muss es hier mal so klar sagen. Das ist nicht die Zivilgesellschaft.

(Vereinzelt Beifall von der AfD – Beifall von Alexander Langguth [fraktionslos])

Sie sagen dann immer, Sie distanzieren sich davon; gerade haben Sie gesagt, dass Sie das immer wieder tun. – Sagen Sie es nicht nur, tun Sie es auch endlich!

(Beifall von der CDU, der FDP und Alexander Langguth [fraktionslos] – Vereinzelt Beifall von der AfD – Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Demonstrieren Sie nicht mit diesen Leuten!

Und wenn Sie im Innenausschuss hören, wie diese Menschen agieren, dann aber zwei Tage später wieder mit diesen Menschen demonstrieren – die Kollegen Lürbke und Golland haben es schon erwähnt –: Es tut mir leid, aber dann machen Sie sich zu Gehilfen dieser Akteure.

Frau Aymaz und Frau Schäffer, wenn Sie 14 Tage Unterbringungsgewahrsam kritisieren – Sie haben vorhin selbst gesagt, das sei naiv –,

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Ja!)

dann haben Sie aus dem Fall Anis Amri aber auch gar nichts gelernt.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Eine Zeitspanne von 14 Tagen hätten uns zumindest geholfen, weitere Erkenntnisse zu erlangen. – Vielen Dank für Ihre Unterstützung bei diesem Fall. – Vielen Dank! Eine schöne Adventszeit!

(Beifall von der CDU, der FDP und Alexander Langguth [fraktionslos])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sieveke. – Es ist eine Kurzintervention der Abgeordneten Schäffer angemeldet worden. Es steht Ihnen frei, von wo aus Sie die Kurzintervention entgegennehmen und darauf entgegnen wollen. – Nun hat Frau Kollegin Schäffer das Wort. Bitte sehr.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte als Erstes festhalten, dass der Kollege Sieveke kein einziges Wort zum Gesetzentwurf gesagt, sondern nur die Debatte bewertet hat. Ich finde, das ist bemerkenswert.

Herr Sieveke, Sie haben mir eine Misstrauenskultur gegenüber der Polizei vorgeworfen. Wann habe ich wo der Polizei gegenüber Misstrauen ausgesprochen? Das ist einfach falsch.

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie sind nicht in der Lage, auf andere Redner einzugehen!)

Ich bin meiner Aufgabe als Parlamentarierin nachgekommen. Ich habe mich sehr intensiv mit diesem Gesetzentwurf auseinandergesetzt – das können Sie auch an unserem Erschließungsantrag sehen – und komme zu dem Schluss, dass wir als Grüne aus verschiedenen Gründen diesen Gesetzentwurf nicht mittragen können. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir nicht ein hohes Vertrauen in die Arbeit der Polizei in Nordrhein-Westfalen hätten.

(Zuruf von der FDP: Lippenbekenntnis!)

Ich will auch noch mal klar sagen: Man muss, um ein Bekenntnis für die Polizei abzugeben, nicht diesem Gesetzentwurf zustimmen. Ich glaube, die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in diesem Land sind klug genug, das auch zu wissen.

Sie haben mir dann noch moralische Überheblichkeit vorgeworfen. Woran machen Sie das denn fest – daran, dass ich mich mit dem Gesetzentwurf auseinandersetze? – Offenbar im Gegensatz zu Ihnen, der nur eine Debatte bewertet, aber keinen einzigen inhaltlichen Satz zum Gesetz gesagt hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das finde ich schon ziemlich dreist und unverschämt.

(Ralf Witzel [FDP]: Oh!)

Und der Unterschied zwischen SPD-Parteitagen auf Landesebene und den Grünen in Baden-Württemberg ist, dass es sich um zwei unterschiedliche Bundesländer handelt. Sie haben hoffentlich verstanden, dass man das nicht so ganz miteinander vergleichen kann. Wenn nicht, erkläre ich es Ihnen gleich gerne noch mal.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Zum Thema „zweite Anhörung“: Ich finde es natürlich richtig und gut, dass man Anhörungen dazu benutzt, noch mal Änderungen vorzunehmen. Ich verweise zum Beispiel auf das Verfassungsschutzgesetz, bei dem wir das getan haben.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Zeit.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Aber es stellt sich doch die Frage, warum Sie ein solch grottenschlechtes Gesetz eingebracht haben, bei dem so viele Änderungen notwendig waren, damit Sie vor dem Verfassungsgericht nicht damit scheitern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Herr Kollege Sieveke, Sie haben das Wort.

Daniel Sieveke (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schäffer, wenn es noch eines Beweises für moralische Überheblichkeit bedurft hätte, dann war das Ihre Kurzintervention.

(Beifall von der CDU, der FDP und Herbert Strotebeck [AfD] – Verena Schäffer [GRÜNE]: Kann ich mit leben!)

Für Sie ist immer das gut, was Ihnen passt. Hier herrscht eine Debattenkultur, und ich bin auf Ihre Rede eingegangen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Sie haben nichts gesagt!)

Und dass Sie bewerten und mich maßregeln, wozu ich wie zu sprechen habe, zeigt Ihre Überheblichkeit.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE] – Arndt Klocke [GRÜNE]: Sie haben doch die ganze Zeit bewertet! 7 Minuten nur bewertet!)

– Ich habe Ihnen doch auch in Ruhe zugehört. Jetzt lassen Sie mich bitte auch ausreden.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Ich habe etwas zum Unterbringungsgewahrsam gesagt. Ich habe auch etwas zur Diskussionskultur gegenüber den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gesagt. Sie nehmen das nicht ernst; denn Sie haben die Stellungnahmen und die vorgetragenen Ergebnisse der Experten der Polizeigewerkschaften bei den Anhörungen nicht ernst genommen. Dann darf ich es mir doch wohl erlauben, zu sagen: Sie haben nicht das Vertrauen in die Polizei. Sie nehmen die Hinweise der Polizei nicht ernst. Sie halten hier schöne Sonntagsreden.

Sie haben in der letzten Legislaturperiode auch die Kennzeichnungspflicht beschlossen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Zu Recht!)

Bei jeder Diskussion zum Hambacher Forst ging es dann darum, wo die Polizei gestanden hat und wie sie eingegriffen hat – immer wieder Unterstellungen.

(Beifall von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist vollkommen in Ordnung, gegen ein Gesetz zu stimmen. Aber bitte erlauben Sie doch auch, Frau Schäffer, dass andere sich kritisch mit einem Gesetz auseinandersetzen und hinterher zustimmen. Auch das gehört zur Demokratie.

(Beifall von Dr. Werner Pfeil [FDP])

Und immer Ihre Gestik und Mimik: Irgendwann nervt es mich einfach. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank. Das waren Kurzintervention und Entgegnung, beide annähernd gleich lange überzogen. Insofern hoffe ich auf Ihre Zustimmung, dass sich das dann wieder ausgleicht. – Jetzt hat für die Fraktion der SPD der Kollege Wolf das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Sven Wolf (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt nicht zwischen den beiden letzten Wortbeiträgen vermitteln. Das müssen die beiden Kollegen der Grünen und der CDU untereinander ausmachen; das ist nicht meine Aufgabe.

Ich will aber trotzdem noch etwas zu der Debatte und der Diskussion im Ausschuss – so, wie ich sie wahrgenommen habe – sagen. Ich finde, sie war grundsätzlich sachlich. Der eine oder andere Wortbeitrag – deswegen habe ich mich auch noch einmal zu Wort gemeldet – war allerdings ein bisschen drüber.

Meiner Fraktion und meiner Partei ist es sehr schwer gefallen, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Wir haben sehr darum gerungen. Das hat etwas mit den beiden wichtigen Themen, die mit einem Polizeigesetz angeschnitten werden, nämlich Freiheit und Sicherheit, zu tun. Das haben alle Rednerinnen und Redner gesagt.

Man muss immer miteinander ringen, um das in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Uns ist das, wie gesagt, nicht leichtgefallen. Mich wundert, dass es anderen Fraktionen – ich schaue jetzt ganz bewusst die Kollegen der FDP an – leichter gefallen ist. Ich frage mich, warum dieses Ringen innerhalb der FDP zumindest nicht deutlich bemerkbar war.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP] – Marc Lürbke [FDP]: Nachbesserungen! Durch Nachbesserungen, Herr Kollege!)

In der nordrhein-westfälischen Innenpolitik gibt es zwei Traditionen. Die eine Tradition ist, dass wir in unserem Land eine demokratische Polizei haben und die Arbeit dieser demokratischen Polizei schätzen und anerkennen, und zwar mit einer möglichst breiten demokratischen Unterstützung. Ich halte das für eine sehr wichtige Tradition, der sich auch die Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen verpflichtet fühlt.

Das haben wir aber nicht von Anfang an gehabt. Wenn ich mir den Gesetzentwurf ansehe, muss ich auf die zweite Tradition zu sprechen kommen, nämlich die Tradition der Personen, die hier auf dem Stuhl des Innenministers saßen. In der Vorbereitung der Debatte habe ich nachgeschaut. Sie sind seit über 50 Jahren der erste CDU-Innenminister, der wieder auf diesem Platz sitzt. 1962 war zum letzten Mal ein CDU-Kollege von Ihnen Innenminister dieses Landes.

(Christian Dahm [SPD]: Boah, was Du alles weißt!)

– Das kann man alles nachlesen. – Herr Löttgen, heute Morgen haben Sie auch schon sehr viel über Geschichte geredet. Betrachtet man die Tradition der Innenminister, die danach hier gearbeitet haben, stellt man fest, dass sie sehr prägende Persönlichkeiten waren: Weyer, Hirsch, Schnoor. Hier wurde eine sehr ausgewogene Innenpolitik gemacht, die Sicherheit und Freiheit immer in ein sehr gutes, kluges und ausgewogenes Verhältnis gebracht hat. Dieser Tradition fühlen wir uns auch verpflichtet.

Ich hatte bei Ihnen, Herr Minister Reul, nicht immer den Eindruck, dass das von Anfang an so war. Sie haben in der Innenpolitik gerne den Begriff „robust“ verwendet. Ich glaube sogar, dass Sie am Anfang hier ein sehr robustes Polizeigesetz vorlegen wollten. Aber dazu will ich gar nicht zu viel sagen. Sie haben eben auch sehr freundliche Worte für die Sozialdemokratie gefunden.

Irgendwann haben Sie erkannt, dass man darüber noch einmal diskutieren muss und dass man auch die Anregungen der Sachverständigen und die Kritik der Öffentlichkeit aufnehmen muss. Es bedarf nämlich nicht nur eines Konsenses hier im Parlament, sondern auch eines Konsenses mit den Bürgerinnen und Bürgern. Wenn sie auf die Straße gehen und protestieren, muss man ihre Kritik aufnehmen. Das ist auch gelungen.

Jetzt will ich aber noch etwas zur FDP sagen. Denn die Aussage, die einzigen Vorschläge – Herr Lürbke sprach von bürgerrechtsschützenden Leitplanken – seien von der FDP gekommen, kann ich nicht so stehen lassen.

Ich habe den Brief, den mein Fraktionsvorsitzender den Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP geschrieben hat, hier noch dabei.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Darin sind viele Punkte aufgeführt. Diese Punkte sind diskutiert worden.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Also kann man nicht sagen, das sei die alleinige Idee der FDP gewesen.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Ich kann es hier noch einmal darstellen, weil das für uns bei der Abwägung und Entscheidung wichtig war. Wir haben lange über den Katalog für das Gewahrsam und die Frage, wann man jemanden in Gewahrsam nehmen darf, diskutiert.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Wir haben gesagt: wenn die konkrete Gefahr einer schweren Straftat besteht.

(Bodo Löttgen [CDU]: Wir waren schon vor dem Schreiben fertig!)

Deswegen haben wir uns dafür entschieden, dort die Definition „Verbrechen“ zu verwenden.

Wir haben auch über das diskutiert, was die niedersächsischen Kollegen diskutieren – die sehr weite Vorverlagerung, deswegen die Streichung der §§ 89a und 89b Strafgesetzbuch. Der anwaltliche Beistand, der Schutz der Berufsgeheimnisträger – alles das waren Anregungen, die hineingekommen sind.

(Marc Lürbke [FDP]: Das stand doch vorher schon fest! Sie haben es doch gelesen!)

Ich wollte das hier noch einmal sehr deutlich sagen, damit es hier nicht untergeht.

Wie gesagt: Der SPD ist es schwergefallen, zuzustimmen. Ich stelle mir die Frage, warum es der FDP nicht so schwergefallen ist. Zumindest habe ich es nicht wahrgenommen.

Am Ende beruhigt mich die Bewertung von Burkhard Hirsch und Gerhart Baum. Das soll das freiheitsschonendste Polizeigesetz werden. Deswegen erhalten Sie auch die Zustimmung der nordrhein-westfälischen SPD. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Dietmar Brockes [FDP]: Hoffentlich hält sich die SPD immer an die FDP-Mitglieder! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Was nehmen Sie?)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Wolf. Sie haben es schon gesehen: Von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist eine Kurzintervention angemeldet worden. – Frau Düker, Sie haben 1:30 Minuten. Bitte schön.

Monika Düker (GRÜNE): Danke schön. – Herr Kollege Wolf, Ihr Vorredner, Herr Kollege Sieveke, hat hier gerade einen sehr gewagten Zusammenhang zwischen dem Polizeigesetz und dem Anschlag von Anis Amri am Breitscheidplatz vor zwei Jahren hergestellt. Sinngemäß hat er zu der ganzen Debatte um die Ingewahrsamnahme gesagt, dass aus diesem Anschlag und daraus, wie er entstanden ist, Lehren für das Polizeigesetz gezogen worden seien.

Meinen Sie auch, dass bei Anis Amri zu irgendeinem Zeitpunkt eine konkrete Gefahr für ein Verbrechen vorgelegen habe und er damit als Attentäter für eine Ingewahrsamnahme in Nordrhein-Westfalen, wie sie jetzt im Polizeigesetz vorgesehen ist, infrage gekommen wäre?

Sie waren Vorsitzender des ersten PUA zu Amri. Ich sehe das nicht so und hätte dazu gerne einmal eine Einschätzung von Ihnen. Denn diese Herstellung eines Zusammenhangs durch Herrn Sieveke finde ich nicht nur gewagt, sondern auch gefährlich, weil aus meiner Sicht das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun hat. Ihre Einschätzung dazu würde mich interessieren.

(Bodo Löttgen [CDU]: Das ist etwas ganz anderes!)

Sven Wolf (SPD): Herr Präsident! Liebe Kollegin Düker, es ehrt mich sehr, dass Sie mir diese Frage stellen. Ich kann aber – ich will dem Kollegen Sieveke auch nicht zu nahetreten – die Worte von Herrn Kollegen Sieveke nicht auslegen. Da müssen Sie den Kollegen Sieveke schon selbst fragen, wie er auf diese Schlussfolgerung gekommen ist.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Aber eine Einschätzung kann man geben!)

Mich als ehemaligen Untersuchungsausschussvorsitzenden zu bitten, Bewertungen abzugeben, während hier Herr Kollege Geerlings sitzt, der aktuell an dem Thema weiterarbeitet, finde ich ihm gegenüber auch nicht kollegial.

Ich habe dazu eine persönliche Meinung. Die Schwerpunkte zur Verhinderung dieser Gefahr und dieses Anschlags am Breitscheidplatz lagen woanders. Ich will das einmal so deutlich sagen. Aber ich glaube schon, dass es bei manchen Fällen – das ist in der Anhörung sehr offen diskutiert worden; das haben die Praktiker aus der Polizei auch immer wieder geschildert – tatsächlich ein entsprechendes Zeitfenster gibt und dass wir der Polizei in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit geben müssen, in diesen Fällen konkrete Gefahren abzuwenden, damit kein Verbrechen begangen wird.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das geht jetzt nicht!)

Worüber sprechen wir denn? Wir sprechen über Totschlag, über Mord und über Raub. Wenn es uns tatsächlich gelingt, innerhalb dieses kleinen zur Verfügung stehenden Zeitfensters solche schweren Straftaten zu verhindern, ist es doch jeden guten Gedanken wert, ob man das verfassungskonform hinbekommen kann.

(Bodo Löttgen [CDU]: Genau! – Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das ist mit diesem Gesetzentwurf gelungen.

Ich weiß, dass wir immer wieder über das Übermaßverbot usw. diskutiert haben. Wie ein solches Gewahrsam endet, muss jeder Polizeibeamte, der das einem Richter zur Entscheidung vorlegt, sehr deutlich begründen. Er muss sagen: Dieses Gewahrsam muss irgendwann enden. Wie hat sich die Situation am Ende dieses Gewahrsams verändert? – Das muss beantwortet werden. Es muss zur Überzeugung eines Gerichts und eines Richters beantwortet werden.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, die Redezeit.

Sven Wolf (SPD): Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident. – Wir werden auch nach dieser Debatte zustimmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Wolf. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dafür haben wir sieben Abstimmungen vor uns.

Erstens stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD und FDP Drucksache 17/4541Neudruck – ab. Wer stimmt ihm zu? – CDU, SPD und FDP. Auch die beiden fraktionslosen Abgeordneten stimmen zu. Schön, dass Sie da sind.

(Heiterkeit – Zuruf von der SPD: Einer fehlt!)

Wer stimmt dagegen? – Die Grünen stimmen dagegen. Wer enthält sich? – Es enthält sich die AfD-Fraktion. Damit ist ein klares Ergebnis erzielt. Mit breiter Mehrheit ist der Änderungsantrag angenommen.

Zweitens stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/4542Neudruck – ab. Wer stimmt ihm zu? Die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – CDU, SPD, FDP und Grüne stimmen dagegen. Wer enthält sich? – Die beiden fraktionslosen Abgeordneten enthalten sich. Das bedeutet, dass eine breite Mehrheit gegen diesen Änderungsantrag ist. Damit ist er abgelehnt.

Drittens stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/4563 ab. Wer stimmt ihm zu? – Die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – CDU, SPD, FDP und Grüne stimmen dagegen. Wer enthält sich? – Die beiden fraktionslosen Abgeordneten enthalten sich. Damit hat auch dieser Änderungsantrag keine Mehrheit gefunden.

Viertens stimmen wir über den Änderungsantrag der AfD-Fraktion Drucksache 17/4564 ab. Wer stimmt ihm zu? Die AfD Fraktion, was zu erwarten war. Wer stimmt dagegen? – CDU, SPD, FDP und Grüne stimmen dagegen.

(Helmut Seifen [AfD]: Was auch zu erwarten war!)

Gibt es Enthaltungen? – Zwei Enthaltungen von den beiden fraktionslosen Abgeordneten Herrn Neppe und Herrn Langguth. Auch dieser Antrag hat keine Mehrheit gefunden.

Fünftens stimmen wir über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 17/2351 ab. Der Innenausschuss empfiehlt in der Drucksache 17/4525, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2351 in der Fassung der Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung Drucksache 17/4525 in der soeben geänderten Fassung und nicht über den Gesetzentwurf.

Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? – CDU, SPD, FDP und die beiden fraktionslosen Abgeordneten Neppe und Langguth stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – Die Grünen stimmen dagegen. Wer enthält sich? – Es enthält sich die AfD-Fraktion. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/2351 in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4525 unter Berücksichtigung des Änderungsantrags Drucksache 17/4541 – Neudruck – angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Sechstens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/4540 ab. Wer stimmt ihm zu? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, SPD, FDP und AfD sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es nicht. Damit ist dieser Entschließungsantrag mit breiter Mehrheit im Hohen Haus abgelehnt.

Siebtens stimmen wir über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 17/2576 ab. Hier empfiehlt der Innenausschuss in der Drucksache 17/4526, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2576 in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wir stimmen über die Beschlussempfehlung und nicht über den Gesetzentwurf selbst ab.

Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? – CDU und FDP sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – Die Grünen. Wer enthält sich? – SPD und AfD enthalten sich. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/2576 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der beiden fraktionslosen Abgeordneten angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich rufe auf:

3   Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine Nordrhein-Westfalen – Rückkehr zur deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit

Gesetzentwurf
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2394

Beschlussempfehlung und Bericht
des
Ausschusses
für Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz
Drucksache 17/4527

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine Nordrhein-Westfalen (TierschutzVMG NRW)

Gesetzentwurf
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4107 – 2. Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht
des
Ausschusses
für Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz
Drucksache 17/4528

zweite Lesung

Die Aussprache ist eröffnet. Für die CDU-Fraktion hat Herr Dr. Geerlings das Wort.

Dr. Jörg Geerlings (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen nun abschließend über die entsprechenden Anträge zum Gesetz. Wir waren bei der Einführung dieses Gesetzes im Jahre 2013 schon skeptisch. Das hat sich wenig geändert.

Ich möchte gleich klarstellen, dass Tierschutz für unsere Fraktion und für die NRW-Koalition ein hohes Gut ist. Das kommt nicht nur in Art. 20a des Grundgesetzes und in Art. 29a der Landesverfassung zum Ausdruck. Es ist unsere tiefe Überzeugung, dass Tierschutz ein wichtiges Anliegen ist.

(Beifall von der CDU)

Bei der Umsetzung des Tierschutzes kommt dem Gesetzgeber allerdings ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Hier gibt es viele Instrumente, wie man das umsetzen kann. Ein Verbandsklagerecht zum Beispiel muss es nicht zwingend sein. Diesen Beurteilungsspielraum nehmen wir wahr.

Zunächst möchte ich Rot-Grün ein Lob aussprechen. Als Sie 2013 dieses Gesetz eingeführt haben, haben Sie ein modernes Instrument im Verfahrensrecht benutzt. Sie haben das Gesetz befristet. Das ist gut. Denn dann kann man nach einigen Jahren auch schauen: Muss man es verlängern? Soll man es verlängern?

Nichts anderes haben wir gemacht. Wir haben uns das System zu eigen gemacht und haben die Evaluation abgewartet. Nun liegt der Bericht des Ministeriums vor. Daher schon einmal ein herzliches Dankeschön an das Ministerium.

Befragt wurden Bau- und Immissionsschutzbehörden, Kreisordnungsbehörden, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW, anerkannte Tierschutzvereine und das Tierschutzbüro. Daraus ist ein entsprechender Evaluationsbericht entstanden.

Diesen Bericht haben wir uns sachlich angeschaut und analysiert. Er hat unsere Skepsis, die wir vor einigen Jahren schon hatten und auch in den entsprechenden Sitzungen hatten, eigentlich bestätigt.

Als Beispiel aus dem Berichtszeitraum nenne ich die obligatorische Beteiligungspflicht. Bei 3.184 Fällen der Bereitstellung von Informationen gab es lediglich 15 Stellungnahmen der anerkannten Vereine. Das entspricht 6 %. Bei der fakultativen Beteiligung waren es 2 %. Nur zu 184 von 9.094 Verfahren wurde überhaupt eine Stellungnahme abgegeben.

Bemängelt wurden auch von den Behörden der große Aufwand, der beim Vollzug des Gesetzes entsteht, und die Anzahl der Verbandsklagen, die im Geltungsbereich des Gesetzes eingegangen sind. Es waren nur sieben Klagen. Fünf davon sind noch anhängig.

Alles das sind gewichtige Argumente für ein Auslaufen des Gesetzes.

Darüber hinaus haben wir uns aber auch mit den Tierschützern unterhalten und ausgetauscht. Dabei haben wir festgestellt, dass diese natürlich sagen: Gut, es schadet nicht. Es ist ein Instrument, mit dem man notfalls auch drohen könnte. Aber es ist nicht allein entscheidend. Allein entscheidend ist, was für den Tierschutz inhaltlich getan wird – und nicht allein über ein entsprechendes Klagerecht.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Watermann-Krass?

Dr. Jörg Geerlings (CDU): Ja. Bitte schön.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist freundlich von Ihnen. – Bitte schön, Frau Watermann-Krass.

Annette Watermann-Krass (SPD): Herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben eben gesagt, es seien nur sieben Klagen gewesen. Ab welcher Anzahl von Klagen hätte sich das Verbandsklagerecht Ihrer Ansicht nach denn bewährt?

Dr. Jörg Geerlings (CDU): Vielen Dank für die Frage. – Ich kann Ihnen keine absolute Zahl nennen. Aber bei nur sieben Verfahren im Zeitraum von 2013 bis heute behaupte ich einmal: Im Verhältnis zu anderen Verfahren, die bei Verwaltungsgerichten anhängig sind, ist das eine außerordentlich geringe Anzahl.

Wir haben eben schon etwas über die Verfahren, die es insgesamt gab, gehört. Das waren ja Tausende Verfahren. Also scheint dabei nicht herausgekommen zu sein, dass das so wichtig ist. Im Evaluationsbericht wird auch noch einmal darauf hingewiesen, dass durch die verfügbaren Informationen vieles erst gar nicht zum weiteren Streit gelangt ist, sondern schon im Vorfeld sozusagen abgeräumt werden konnte.

Wir haben auch mit den Tierschützern gesprochen. Es ist wichtig, dass man den Tierschutz insgesamt weiter stärkt und auch diskutiert und vor allen Dingen inhaltlich diskutiert. Dann müssen wir schauen: Wo bestehen Defizite? Was kann man besser machen? Wo kann man noch Verbesserungen vornehmen?

Wir meinen, dass wir den Behörden – den Veterinärämtern, die diese Arbeit wahrnehmen – auch vertrauen können. Denn die Behörden sind selbstverständlich an Recht und Gesetz gebunden und müssen bei entsprechenden Hinweisen auch handeln.

Wir brauchen vielmehr Leitentscheidungen. Es steht auch im Evaluationsbericht, dass der Gesetzgeber die Vorgaben machen muss und handeln muss. Das war auch immer wieder von Tierschützern zu hören.

Auch wenn das Gesetz ausläuft, gibt es noch den Tierschutzbeirat. Die Mitwirkung anerkannter Tierschutzverbände wird damit sichergestellt. Wir halten es für wichtig, dass die Arbeit vor Ort entsprechend gestärkt wird.

Wir meinen nicht, dass das Verbandsklagerecht und dieses Gesetz weiter fortgeführt werden müssen. Das ist aus unserer Sicht nicht notwendig. Wir arbeiten daran, den Tierschutz zu stärken. Wir werden dem Verlängerungsantrag jedoch nicht zustimmen.

Dem Antrag der AfD werden wir im Übrigen auch nicht zustimmen. Das Gesetz jetzt abzuschaffen, macht keinen Sinn, weil es am 31.12.2018 ohnehin ausläuft. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Geerlings. – Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Börner.

Frank Börner (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren hier über die Abschaffung eines guten Gesetzes für den Tierschutz. Schwarz-Gelb möchte alles und jeden in NRW entfesseln und dem freien Markt überlassen. So entfesseln Sie auch im Tierschutz. Leider lösen oder erweitern Sie nicht die Fesseln der Tiere in unseren Ställen. Sie entfesseln aus ideologischen Gründen Investoren, die sich einfach nicht mehr von Tierschützern reinreden lassen wollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist schäbig.

Ab 1. Januar 2019 stehen wieder die Tiere in ihren Fesseln in ihren Ställen

(Zuruf: Das ist doch Quatsch!)

entfesselten Investoren gegenüber. Schwarz-Gelb will ein gutes Gesetz beerdigen.

Vor dem Verbandsklagerecht gab es nur die Möglichkeit von Investoren, gegen ein Zuviel im Tierschutz zu klagen. Jetzt – durch dieses gute Gesetz – konnten Tierschutzverbände Informationen einholen und die Rechte der Tiere einfordern und einklagen.

Es gab eine überschaubare Zahl von Klagen, allerdings viele Anfragen nach Informationen bei neuen Planungen oder neuen Ställen. Es gab ein verbessertes Klima zwischen Investoren, Verwaltung und Tierschützern.

Reibungslos konnte schon in der Planungsphase die Situation der Tiere in neuen Ställen verbessert werden. Dies ist und war gut für den Tierschutz, aber auch für den interessierten Verbraucher. Das bietet nebenbei auch Sicherheit für Investoren.

Es ist gut, wenn noch einmal jemand reinschaut, der die Interessen der Tiere im Auge hat. Sie haben es doch selber erlebt, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition. Es ist gut, wenn noch einmal jemand reinschaut – und das nicht nur bei der ehemaligen Tierschutz- und Umweltministerin Schulze Föcking.

Was sind Ihre Argumente dagegen? Als dieses Gesetz eingeführt wurde, fürchteten Sie eine Klageflut gegen jede Form von Investition in unseren Ställen. Es hieß, wenn jemand in die Produktion von Lebensmitteln im Tierbereich neu investieren wolle, werde die Klagewelle alles blockieren. Das ist nicht eingetreten. Es wird mit Bedacht geklagt. Es werden mit Bedacht Informationen eingeholt.

Jetzt sagen Sie, dass Sie genau aus diesem Grund – weil so wenig geklagt wurde – das Gesetz abschaffen wollen. Meine Damen und Herren, lieber Herr Geerlings, das ist kein vernünftiges Argument. Das ist schlicht lächerlich.

(Beifall von der SPD)

Sie meinen, die auf der aktuellen Liste vermerkten anerkannten Tierschutzverbände seien nicht geeignet. Lassen Sie uns darüber reden. Dann überprüfen wir die Liste, erstellen eine neue Liste und fügen Verbände hinzu. Das geht.

Der dritte und entscheidende Grund ist: Sie wollen einfach nicht, dass ausgerechnet Menschen, die den Tierschutz im Sinn haben, in unsere Ställe schauen dürfen. Es geht Ihnen also um eine rein ideologische Entfesselung von Investoren.

(Henning Höne [FDP]: Sind das unsere Ställe? Meinen Sie volkseigene Betriebe?)

Im Jahre 2018, also in diesem Jahr, sollte das Gesetz evaluiert werden. Am Tag vor Nikolaus erschien der Evaluationsbericht. Darin fand sich keine Positionierung der Ministerin oder der Landesregierung. Warum nicht? Eine solche Positionierung hätte doch vielleicht helfen können, weil man dann eine Meinung erfahren hätte. Ist vielleicht die Anzahl der Landwirte in Ihrer Fraktion zu groß?

Heute, sechs Tage später, beerdigen Sie dieses gute Tierschutzgesetz – im Dezember. Gut, es sind zurzeit vielleicht weniger Gänse in unseren Ställen. Wir wollen einmal hoffen, dass die verbleibenden Gänse ein bisschen Platz haben. Aber warum müssen wir in Eile zwischen Nikolausgans und Weihnachtsgans über das Leben der Gänse in unseren Ställen entscheiden?

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU)

Warum müssen wir für Gans, Schwein und Kuh in Eile die Fesseln enger schnallen? Geben Sie sich einen Ruck, folgen Sie unserem Antrag, und verlängern Sie dieses Gesetz um ein Jahr. Lassen Sie uns das in aller Ruhe entscheiden. – Glück auf!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Börner. – Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Diekhoff.

Markus Diekhoff*) (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Börner, entweder haben Sie in der gesamten Debatte nicht richtig zugehört, oder Sie haben ein etwas schwieriges Verhältnis zur Wahrheit – so kurz vor Weihnachten.

Denn nirgendwo wurde mehr gelogen als hier gerade. Es gibt in Nordrhein-Westfalen keine Anbindehaltung. Und das Allerschlimmste ist: Wir haben kein Tierschutzgesetz abgeschafft. Es stand heute kein Tierschutzgesetz zur Debatte.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Börner?

Markus Diekhoff*) (FDP): Selbstverständlich.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das geht hier ja früh los. – Bitte schön, Herr Börner.

Frank Börner (SPD): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Die Frage ist, ob Ihr Abstraktionsvermögen reicht, um so ein kleines Wortspiel von mir auf die Realität zu übertragen.

Markus Diekhoff*) (FDP): Ehrlich gesagt, nicht. Ich glaube, da müssen Sie mir helfen.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der SPD)

Es gibt keine Fesseln bei Tieren. Das war schon etwas skurril. Es bleibt aber Ihnen überlassen, was Sie hier sagen. Das ist kein Problem.

Insgesamt finde ich es sowieso etwas krokodilstränenartig, was Sie hier vortragen. Sie selbst – Rot-Grün – haben dieses Gesetz befristet. Sie wollten, dass es evaluiert wird. Es wurde evaluiert. Das Ergebnis der Evaluation ist eindeutig. Es ist ziemlich klar, dass das Gesetz wenig gebracht hat. Aufgrund dieses Gesetzes ist wenig passiert. Deswegen läuft es aus – genau so, wie Sie es sich gewünscht haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Die Behörden arbeiten überwiegend korrekt. Die Genehmigungen für die Tierställe sind einwandfrei. Deswegen wird auch wenig geklagt, weil es anscheinend nichts zu klagen gibt.

Durch die obligatorischen Verfahrensbeteiligungen haben die Behörden trotzdem eine hohe Belastung. Es entsteht eine unnötige Bürokratie, die wir besser für die Verbesserung des Tierschutzes einsetzen könnten, statt die Kraft in unnötiger Bürokratie zu versenken.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ich habe es mehrfach gesagt: Das Klagerecht ist weniger interessant für die Verbände. Interessanter ist das Mitwirkungsrecht. Das Mitwirkungsrecht ist deshalb spannend, weil es wesentlich geringere Hürden hat. Mithilfe der Mitwirkungsrechte können die Investitionsentscheidungen mittelständischer Betriebe und landwirtschaftlicher Familienbetriebe gezielt angegriffen und torpediert werden.

Darin liegt das Problem. Die zugelassenen Verbände sind an dieser Stelle nach wie vor schwierig. Ich habe mir in meiner letzten Rede einmal die Mühe gemacht, aufzuzeigen, wie weit einige der von Ihnen für das Verbandsklagerecht zugelassenen Verbände Straftaten begangen haben oder kriminellen Tierrechtlern zumindest sehr nahe stehen oder deren Sprachrohr sind.

Frau Düker, es freut mich ja, dass Sie sich so viel in meine politischen Positionen einlesen und sich damit beschäftigen,

(Monika Düker [GRÜNE]: Ja!)

dass ich sogar in Ihrer Haushaltsrede eine Rolle spiele. Das ist sehr gut. Vielleicht können Sie dabei ja noch etwas lernen.

Wenn Sie aber so viel Zeit darauf verwendet hätten, die zugelassenen Verbände darauf zu überprüfen, ob sie wirklich seriös sind, wie Sie Zeit damit verbracht haben, in den letzten Tagen und auch heute Morgen wieder mein Zitat aus dem Zusammenhang zu reißen, wäre Ihnen das eine oder andere an Umtrieben vielleicht nicht entgangen.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

In meiner Aussage ging es nicht um alle Tierschutzverbände, sondern um diejenigen, von denen ich vorher in meiner Rede aufgezeigt hatte, dass sie mit kriminellen Sachen zu tun haben. Die meinte ich. Ich habe sie natürlich nicht kriminalisiert, sondern sie sind kriminell; denn sonst würden sie ja nichts Kriminelles tun.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Da aber nicht sein darf, was nicht sein soll, decken Sie auch in diesem Hohen Haus diejenigen Tierschützer, die mit kriminellen Methoden arbeiten. Das tun Sie genauso bei den Tierrechtlern oder bei den Gewalttätern im Hambacher Forst. Ihr Verständnis von Rechtsstaatlichkeit endet da, wo Ihre grüne Gesinnung beginnt.

(Beifall von der FDP)

Zurück zum Thema: Den zugelassenen Verbänden geht es meist nicht um die Verbesserung der Haltungsbedingungen für die Tiere, sondern im Kern um die Verhinderung der Tierhaltung an sich. Das kann man nachlesen. Das steht in den Präambeln und den Vereinszielen der meisten Verbände, die Sie dort zugelassen haben.

Solange Verbände Tierhaltung generell ablehnen, können wir sie nicht dafür sorgen lassen, dass sie im Sinne des Tierschutzes Tierställe überprüfen. Denn sie wollen die Ställe gar nicht überprüfen. Es geht nicht um eine Verbesserung des Tierschutzes, sondern es geht generell gegen Tierhaltung. Das ist widersinnig.

Deswegen wird das Gesetz nicht verlängert – genau so, wie Sie es haben wollten. Wir haben es erkannt. Deswegen läuft das Gesetz aus.

Wir können dem Steuerzahler doch nicht vermitteln, dass wir auf der einen Seite Landwirten Subventionen zahlen, um einen Stall zu bauen, und auf der anderen Seite mit Steuergeldern Verbände dafür bezahlen, dagegen zu klagen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Auch mit einem weiteren Märchen möchte ich aufräumen. Es geht ja nicht nur um Fesseln, die es gar nicht gibt. Im Ausschuss wurde auch darüber gesprochen, dass man damit auch die Auswüchse auf Schlachthöfen und die schlimmen Bilder, die wir alle gesehen haben, verhindern könnte. Das ist nicht der Fall. Im Prinzip geht es bei dem Verbandsklagerecht nur um Baurecht.

Diese furchtbaren Bilder, diese schlimmen Verstöße gegen das Tierschutzrecht, die wir immer mal wieder sehen, kann man mit diesem Verbandsklagerecht nicht bekämpfen. Dafür ist es nicht konstruiert.

Deswegen sind die Vorwürfe, wir wollten genau das weiterhin haben, falsch und unredlich. Deshalb brauchen wir andere Instrumente, um das wirklich Tierschutzrelevante umzusetzen: Videoüberwachung in Schlachthöfen, Tiergesundheitsdatenbank. Diese Schritte, mit denen wir die Einhaltung des Tierschutzes wirklich überprüfen und durchsetzen können, leiten wir jetzt ein.

Denn wir machen keine Klientelpolitik, die den Tieren nichts gebracht hat, sondern wir machen Politik, die den Tierschutz in Nordrhein-Westfalen verbessert und stärkt. Das haben Sie nicht geschafft, und deswegen läuft das Gesetz aus. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Diekhoff. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Rüße.

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten gerade den Tagesordnungspunkt „Polizeigesetz“, bei dem darauf hingewiesen wurde, wie hervorragend der Verlauf der Beratung war und dass die Anhörung ausgewertet wurde.

Da kann ich nur sagen, dass beim Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine genau das Gegenteil passiert ist. Hier hätte es nicht mal einen Evaluationsbericht gegeben, wenn die Opposition nicht darauf gedrängt hätte.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Sie hätten ihn von sich aus nie gemacht. Das Ministerium wäre nie mit einem Bericht gekommen. Deshalb, weil wir darauf gedrängt haben und das Ministerium nicht vorbereitet war, ist dieser Bericht am Ende so spät erschienen.

Ich halte es grundsätzlich für einen richtigen Schritt der Politik, Gesetze zu befristen, um zu gucken: Ist das Gesetz zweckmäßig? Funktioniert alles? Wo muss man nachjustieren?

Aber wenn Sie so mit einem Gesetz umgehen und es klammheimlich unter den Tisch fallen lassen wollten – das war ja Ihre Absicht, nur wegen unserer Intervention haben Sie es nicht tun können –, kann ich nur sagen: Das ist eine Kultur, die einem Parlament nicht dienlich ist, weil sich jeder Gesetzgeber zukünftig überlegen wird: Mache ich noch eine Befristung, weil ich nicht weiß, ob die nachfolgende Regierung und die regierungstragenden Fraktionen den politischen Anstand besitzen, dieses Gesetz vernünftig zu behandeln.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das Ärgerliche ist: Wir haben über dieses Gesetz intensiv miteinander diskutiert, und all Ihre Befürchtungen nach dem Motto: „Der Stallbau in NRW wird lahmgelegt; es wird Klagen ohne Ende geben“, die Sie ganz am Anfang, als wir dieses Gesetz gemacht haben, gehabt haben, wurden ausgeräumt. Dass Herr Diekhoff noch einmal gesagt hat, es würden irgendwelche Stallbauten lahmgelegt, ist für mich daher absolut nicht nachvollziehbar.

Es geht um etwas ganz anderes, zum Beispiel darum, zu prüfen, ob ein Putenmaststall klassischer Bauweise tierschutzgerecht ist. Es laufen zwei Verbandsklagen: eine in NRW und eine in Baden-Württemberg. Das Schöne ist, Sie können das Gesetz auslaufen lassen und damit abschaffen, aber viele Bundesländer sind unserem Beispiel gefolgt. Dieses Gesetz behält seine Kraft, und diese Klage in Baden-Württemberg wird weitergehen.

Jetzt sage ich Ihnen etwas zur Stärke des Gesetzes. Es geht gar nicht darum, irgendetwas zu verhindern, sondern darum, eine Haltungsform durch ein Gericht zu überprüfen und zu gucken, ob die Haltung von Puten, wie sie derzeit ohne gesetzlichen Rahmen stattfindet, tatsächlich dem Tierschutzrecht in Deutschland entspricht oder nicht. Wenn ein Gericht dann auf der Grundlage dieses Gesetzes sagt: „Nein, so kann man Puten nicht halten“, sorgt das am Ende auch für die Landwirte für mehr Sicherheit, weil dann zum Beispiel für Putenhaltung endlich eine Haltungsrichtlinie erlassen wird, die dringend fehlt. Wir haben immer angeregt, die zu machen.

Ich will noch Folgendes sagen: All das, was Sie im Bereich Tierschutz gemacht haben, nachdem Sie die Regierung übernommen haben, ist ein Zurückschrauben, ein Zurückdrehen. Wenn Sie sagen, dass Ihnen Tierschutz wichtig ist, glaube ich Ihnen das nicht. Das sind Lippenbekenntnisse. Sie tun das Gegenteil.

(Beifall von den GRÜNEN)

Beim Jagdgesetz sind Sie entgegen der Beratung in der Anhörung eindeutig den Lobbyinteressen einer Klientel gefolgt. Sie machen das, was der Landesjagdverband will, und nicht das, was tierschutzpolitisch richtig wäre.

Sie setzen sich dafür ein – das wäre in Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün nie passiert –, dass die betäubungslose Kastration von Ferkeln noch mal um zwei Jahre verlängert wird, obwohl es einen ausreichenden Zeitraum gegeben hat, endlich etwas anderes umzusetzen. Es gibt die Betriebe NEULAND oder Bioland, die vormachen, wie man Ferkel betäubt, um ihnen Schmerzen zu ersparen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber Sie verlängern die betäubungslose Kastration um zwei Jahre. Das kann ich nicht verstehen. Das kann auch die Gesellschaft nicht verstehen. Die Menschen wollen, dass diese Punkte im Sinne der Tiere geregelt werden. Da muss man doch mal die Einsicht haben und die Erwartungen erfüllen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Diekhoff?

Norwich Rüße (GRÜNE): Ja, bitte.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön.

Markus Diekhoff*) (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Das hat jetzt leider etwas gedauert; deswegen sind Sie jetzt schon etwas weiter. Bei den Ferkeln würde ich Ihnen recht geben. Wir suchen natürlich nach einer Lösung. Das hat doch damit erst mal nichts zu tun. Das hat auch nichts mit dem Verbandsklagerecht zu tun.

Ich wollte erstens fragen: Wo sehen Sie denn Tierschutzverletzungen im Bereich der Jagd? Was steht in dem Gesetzentwurf, das plötzlich bei der Jagd gegen den Tierschutz verstößt? Das würde mich wirklich sehr interessieren.

Halten Sie zweitens die von uns angekündigten Instrumente – wie die Videoüberwachung auf Schlachthöfen oder die Tiergesundheitsdatenbank – für eine Verschlechterung des Tierschutzes? Sie haben ja gerade gesagt, wir verschlechterten den Tierschutz in Nordrhein-Westfalen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, eigentlich stellen wir nur eine Frage. Mal sehen, auf welche Frage er antwortet. Bitte schön.

Norwich Rüße (GRÜNE): Aus pädagogischen Gründen beantworte ich nur eine Frage; sonst macht er das wieder.

(Heiterkeit)

Nehmen wir die erste Frage, die Sie gestellt haben! Natürlich haben Sie den Tierschutz im Jagdgesetz wieder heruntergefahren – keine Frage.

Das prägnanteste Beispiel ist: Sie haben die Jagd im Naturbau wieder erlaubt. – Wir haben die damals aus guten Gründen gestrichen, weil es zu Beißereien zwischen Jagdhund und Fuchs – schlimmer noch: zwischen Jagdhund und Dachs – kommt. Das war ein guter Grund, diesen Punkt aus Tierschutzgründen zu verändern.

Sie haben es wieder umgedreht und haben den Jägern in deren Interesse mehr Freiheiten gegeben. Wir hätten das an der Stelle nie gemacht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die anderthalb Jahre, die Sie hier bislang in Nordrhein-Westfalen regieren, sind aus Sicht des Tierschutzes absolute Rückschritte gewesen.

(Henning Höne [FDP]: Völliger Blödsinn!)

Sie stellen den Tierschutz hier in Nordrhein-Westfalen unter ökonomische Interessen. Das ist völlig klar. Das hat Herr Diekhoff eben auch noch einmal klar bestätigt, indem er sagt, es dürfe kein Stallbau aufgrund von Tierschutz verhindert werden. Das hat Herr Diekhoff sinngemäß so gesagt.

(Markus Diekhoff [FDP]: Das stimmt doch überhaupt nicht! – Mehrere Zurufe)

Ich finde besonders spannend, dass die heutige Debatte – es ist ein wichtiges Gesetz mit Blick auf den Tierschutz – ohne die Ministerin stattfindet. Sie ist in Kattowitz, das ist nachvollziehbar. Ich bin mir sicher, Frau Heinen-Esser ist froh, dass sie heute in Kattowitz ist und hier nicht am Rednerpult den Offenbarungseid zum Tierschutz, den Sie hier bringen, leisten muss.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss.

Norwich Rüße (GRÜNE): Ich komme zum Schluss.

Was Sie hier heute machen, hat Nachteile für den Tierschutz, die Tiere, die Tierschützer, die Halter, die Amtsveterinäre. Es hat nur Nachteile.

(Henning Höne [FDP]: Falsch, falsch, falsch!)

Abschließend kann ich Ihnen sagen: Dieser Tag ist für den Tierschutz in NRW ein rabenschwarzer Tag. Tierschutzpolitisch ist NRW zum Rückschrittsland Nummer eins geworden. – Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rüße, auch wenn wir etwas überzogen haben. – Als Nächstes spricht für die AfD-Fraktion Herr Dr. Blex.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir von der AfD haben von Anfang an gesagt: Das Verbandsklagerecht ist kein geeignetes Instrument für die Umsetzung des im Grundgesetz verankerten Tierschutzes. Es entmachtet das Parlament als demokratisch gewähltes Gremium, über Grundsatzfragen selbst zu entscheiden.

Es geht bei diesem Gesetz nicht um Tierschutz, sondern um Tierschutzverbandsschutz. Das Verbandsklagerecht ist eine von Rot-Grün fabrizierte Form der Klage, bei der vorgebliche Tierschutzvereine oder -verbände klagebefugt sind, und zwar selbst dann, wenn sie als juristische Personen in den streitgegenständlichen Fällen nicht unmittelbar selbst in ihren eigenen Rechten verletzt sind.

Schon vor zwei Wochen habe ich hier das Beispiel der Bechstein-Fledermaus vorgebracht.

(Lachen von der SPD – Zuruf: Sehr schön!)

Auf die hat sich der sogenannte Umweltschutzverband BUND bezogen, um per Eilantrag und einer Klage vor dem OVG Münster die Rodung im Hambacher Forst zu stoppen – mit Erfolg. Nun trägt also das Gericht die Verantwortung für die Zukunft der Braunkohleförderung in der Region – und nicht länger das demokratisch gewählte Parlament.

Solche Pseudo-Tierschutzvereine und -verbände sind aber mitnichten altruistische Organisationen, die außer dem Wohl der Bechstein-Fledermaus und von allem anderen, was so kreucht und fleucht, nichts im Schilde führen. Nicht selten sind diese Verbände und Vereine lupenreine NGOs, die Lobbyarbeit für die Gewinnler der Energiewende und der Öko-Religion betreiben.

(Beifall von der AfD – Zuruf von der SPD: Ah ja!)

Der BUND kurbelt zum Beispiel seit Jahren die Windkraftpropaganda an.

(Lachen von Norwich Rüße [GRÜNE])

– Jetzt können Sie lachen, Herr Rüße. Es sind auch Ihre Opfer, wenn diese technisch unzulänglichen Monströsitäten auch seltene Vogelpopulationen reihenweise in Stücke hacken. Das klagt der BUND jedoch nicht an. Das ist Ihre typisch grüne Heuchelei.

Seit der Einführung des Verbandsklagerechts vor fünfeinhalb Jahren haben die Tierschutzvereine allerdings nur siebenmal geklagt. Wir ziehen daraus zwei Rückschlüsse:

Erstens ist das hohe Vertrauen in unsere Behörden gerechtfertigt. Würden sie nicht nach Recht und Gesetz handeln, gäbe es sehr viel mehr Klagen.

Zweitens wurde bislang noch kein einziges gerichtliches Verfahren mit einem Urteil beendet. Die Verfahren dauern insgesamt nämlich viel zu lange.

Diese aufschiebende Wirkung der Klage zerstört jedes Investorenvertrauen. Somit wird es zunehmend unattraktiv, in Nordrhein-Westfalen zu investieren. Die Investoren gehen lieber nach Bayern oder anderswohin, wo die Ökosozialisten noch kein Verbandsklagerecht eingeführt haben. Das bedeutet übrigens noch lange nicht, dass der Bayer seine Tiere quält. Auf diesen absurden Gedanken können nur die Grünen und die Sozis für Tiere kommen.

Meine Damen und Herren, wenn vermeintliche Tierschutzvereine anfangen, das Verbandsklagerecht als Instrument der politischen Willensbildung zu missbrauchen, um ihre Ideologie über den Köpfen des Souveräns hinweg durchzusetzen, ziehen wir die Reißleine. Die Tierschutz-NGOs repräsentieren nämlich nur eine kleine Teilmenge der Gesellschaft und sind per se nicht demokratisch. Wer das anders sieht, gefährdet unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.

(Beifall von der AfD)

Jetzt kommen wir zum interessanten Teil: Der Sachstandsbericht der Landesregierung, der Laschet-Regierung, bestätigt unsere Analyse des Verbandsklagerechts. Auf der einen Seite liegt das auf der Hand; denn als Sie noch regierungsnahe Opposition waren, wollten Sie es trotz aller gelebten Nähe selbst abschaffen. Auf der anderen Seite ist das Urteil des Sachstandsberichts jedoch paradox; denn heute wollen Sie das Verbandsklagerecht nur noch fristgemäß auslaufen lassen. Dann aber kann es jederzeit reaktiviert werden.

Wenn man Ihre Reden hört, meint man, Sie würden für unseren Antrag sprechen. Die Redner der Laschet-Fraktion haben nämlich genau unsere Argumentation übernommen.

(Zuruf von der CDU)

Deshalb muss man sich fragen, weshalb Sie das Gesetz nicht aufheben wollen. Weil dies inzwischen von der AfD beantragt wurde? Weil Sie keine politische Integrität haben? Oder weil Sie schon vorplanen und bald mit den Grüninnen ins Regierungsbettchen steigen wollen?

Zeigen Sie von der Laschet-Fraktion doch endlich einmal das letzte Rückgrat, das Sie noch haben! Stimmen Sie unserem Entwurf zu und beerdigen Sie das Verbandsklagerecht in einem demokratischen Prozess und nicht, weil eine Frist ausläuft. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Blex. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Scharrenbach in Vertretung von Frau Ministerin Heinen-Esser. Bitte schön, Frau Ministerin.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine in Nordrhein-Westfalen ist im Jahr 2013 geschaffen worden. Seine Geltungsdauer ist kraft Gesetzes befristet. Es tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2018 automatisch außer Kraft. Dem Landtag obliegt es nun, die grundsätzliche Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang das Gesetz auch nach dem 1. Januar 2019 weiter gelten soll.

Als das Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine im Jahr 2013 geschaffen wurde, sollte damit ein wichtiger Beitrag zur Verwirklichung des Staatsziels „Tierschutz“ geleistet werden. Lassen Sie mich kurz aus der damaligen Begründung des Gesetzentwurfs zitieren. Dort heißt es:

„Zwar steht dem Gesetzgeber bei der Verwirklichung des Staatszieles und seiner Gewährleistungselemente ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit zu. Dies entbindet ihn aber nicht von der Pflicht, das jeweils effektivste Mittel zur Erfüllung des Schutzauftrages anzuwenden.“

Dem damaligen Gesetzgeber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ging es um ein effektives Mittel zur Verwirklichung des Tierschutzes. Das Gesetz ist nun mehrere Jahre in Kraft. Es stellt sich daher die Frage, in welchem Umfang dem Gesetz konkrete Wirkungen zugeordnet werden können.

Um diese Wirkungen zu ermitteln, hat das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen eine umfassende Evaluierung dieses Gesetzes vorgenommen. Den Vollzugsbehörden wurde Gelegenheit gegeben, uns ihre Erfahrungen mit diesem Gesetz zu berichten. Die Abfrage hat sich dabei auf einen Zeitraum von vier Jahren – nämlich vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 – bezogen. Auch den anerkannten Verbänden wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Dieser Evaluationsbericht ist zur Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz am 5. Dezember 2018 dem Landtag vorgelegt worden.

Das Gesetz unterscheidet zwischen der sogenannten obligatorischen und der fakultativen Beteiligung von Vereinen. Die Evaluation ergibt hierzu das Folgende:

Auf der einen Seite gibt es Hinweise darauf, dass das Gesetz zu unverhältnismäßigen Belastungen für die Behörden geführt hat. Dies betrifft den Bereich der obligatorischen Mitwirkungsrechte. Das Gesetz sieht diese bei Genehmigungsvorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken vor.

Vor der Erteilung von behördlichen Genehmigungen im Bereich des Bau- und Immissionsschutzes sind die anerkannten Vereine verpflichtend zu informieren. Davon waren insgesamt 3.184 Verfahren betroffen. Dem stehen 193 Stellungnahmen der Vereine gegenüber. Nur 15 Stellungnahmen haben sich inhaltlich auf die behördliche Sachentscheidung ausgewirkt. In nur einem Fall, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat ein anerkannter Verein Klage gegen ein geplantes Bauvorhaben erhoben.

Auf der anderen Seite wünschen sich die Vereine einen Ausbau ihrer fakultativen Informationsrechte. Dies betrifft die Beteiligung an Verfahren, die bei den für Tierschutz zuständigen Kreisordnungsbehörden angesiedelt sind. Dies sind Verfahren, bei denen die Behörden eine Genehmigung zum Schlachten ohne Betäubung erteilen oder das Kürzen von Schnabelspitzen erlauben.

Die Vereine kritisieren auch die Beteiligung bei der Genehmigung von Tierversuchen durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen. Über diese Verfahren sind die Verbände nur fakultativ und auf Antrag zu informieren. Von diesen fakultativen Rechten ist in 184 Fällen Gebrauch gemacht worden.

Die Vereine sprechen sich im Rahmen der Evaluierung dafür aus, dass ihre Rechte ausgebaut und sie künftig obligatorisch beteiligt werden müssen. Es ist aber zu bezweifeln, dass ein weiterer Ausbau der Rechte von Tierschutzverbänden von allen Vollzugsbehörden mitgetragen würde. Viele Vollzugsbehörden haben betont, dass sie das Gesetz schon jetzt für wenig effizient halten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit Geltung des Gesetzes sind insgesamt nur sieben Klagen erhoben worden. Das haben wir bereits heute mehrfach in dieser Debatte gehört. Sieben Klageverfahren rechtfertigen aus Sicht der Landesregierung keine positive Bewertung des Gesetzes. Die befürchtete Klagewelle ist ausgeblieben. Eine gerichtliche Klärung war äußerst selten notwendig, und grundsätzliche Fragen des Tierschutzes konnten wohl in aller Regel einvernehmlich – und darauf, denke ich, sollte es uns allen ankommen – zwischen Behörden und Vereinen geklärt werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Weitere Wortmeldungen haben wir nicht.

Damit kommen wir jetzt zur Abstimmung. Wir haben zwei Abstimmungen vor uns.

Die erste ist die über den Gesetzentwurf der AfD-Fraktion Drucksache 17/2394. Der Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz empfiehlt in der Drucksache 17/4527, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2394 abzulehnen. Wir kommen also zur Abstimmung über diesen Gesetzentwurf, nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer stimmt dem Gesetzentwurf zu? – Die Fraktion der AfD. Wer stimmt dagegen? – CDU, SPD, FDP und Grüne stimmen dagegen, auch Herr Langguth, fraktionslos. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es nicht. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/2394 mit breiter Mehrheit in zweiter Lesung abgelehnt.

Zweitens stimmen wir nun ab über den Gesetzentwurf der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/4107, zweiter Neudruck. Die Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu dem Gesetzentwurf Drucksache 17/4107, zweiter Neudruck, beantragt.

Nach Abs. 2 unseres Paragrafen erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten. Ich bitte um entsprechende Ruhe, Aufmerksamkeit, und Konzentration für den Abstimmungsvorgang und darf Herrn Kollegen Bialas bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Bitte schön, Herr Kollege Bialas.

(Der Namensaufruf erfolgt [Abstimmungsliste siehe Anlage 1])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Bialas. – Die Frage, ob alle ihre Stimmen abgegeben haben, erübrigt sich, weil ich gesehen habe, dass noch eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen den Raum betreten hat. Herr Bialas, möchten Sie noch einmal durchgehen?

Andreas Bialas (SPD): Ja.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Dann geht Herr Bialas die Liste noch einmal durch.

(Die Abgeordneten, die bislang ihre Stimme noch nicht abgegeben haben, werden erneut aufgerufen.)

Die Schriftführer sind der Auffassung, dass sie niemanden übersehen haben. Ich frage der guten Ordnung und der Vollständigkeit halber, ob noch jemand nachgekommen ist und seine Stimme abgeben möchte. – Das ist erkennbar nicht der Fall.

Damit schließe ich an dieser Stelle die Abstimmung. Die Schriftführer werden die Stimmauszählung vornehmen.

Wir haben vor längerer Zeit entschieden, dass wir den Tagesordnungspunkt unterbrechen und in der Tagesordnung fortsetzen. Damit wird Tagesordnungspunkt 3 bis zum Ende der Auszählung und zur Bekanntgabe des Ergebnisses unterbrochen.

Ich rufe auf:

4   Fragestunde

Drucksache 17/4533

Ich rufe die

Mündliche Anfrage 30

der Abgeordneten Müller-Witt von der SPD-Fraktion aus der Fragestunde vom 14. November 2018 auf:

Was kosten die Fehleinschätzungen des Ministerpräsidenten Laschet die NRW-Steuer-zahlerinnen und Steuerzahler?

Der Ministerpräsident hat die Entscheidung, aus dem Stadttor in das Landeshaus zu ziehen, damit begründet, dass das Landeshaus bürgernäher und repräsentativ sei. Er wurde in Zeitungen zitiert mit den Worten, dass das Land dort internationale Gäste angemessen empfangen könne.

Rund über ein Jahr nach dieser Entscheidung lässt sich feststellen, dass der Ministerpräsident in seiner Einschätzung falsch lag und die Entscheidung des Ministerpräsidenten einen Rattenschwanz an Kosten nach sich zieht, dessen Ende noch nicht absehbar ist.

Allein beim Umzug aus dem Stadttor in das Landeshaus kamen hohe Fehlkalkulationen zustande.

Zudem: Am 8. November 2018 wurden im Hauptausschuss die Planungen der Landesregierung zum Umbau des Landeshauses vorgestellt. Der Chef der Staatskanzlei hat gemeinsam mit dem Architekten Professor Petzinka die geplanten Umbaumaßnahmen präsentiert, ohne konkrete Kosten für die umfangreichen Umbaumaßnahmen zu nennen. Auf die Nachfrage, ob ein Kostenlimit für die Planungen bestünde, wurde lediglich bestätigt, dass es ein Limit geben müsse, aber nicht wie hoch dieses sei. Die Umbaumaßnahmen sollen aber bereits im Sommer 2019 beginnen.

Ich bitte daher den Ministerpräsidenten um Beantwortung nachfolgender Fragen:

Wieviel Kosten verursacht der bereits erfolgte Planungsprozess durch das Architekturbüro?

Warum setzt Ministerpräsident Laschet kein Limit für die Umbaumaßnahmen im Landeshaus?

Ich darf vorsorglich darauf hinweisen, dass die Landesregierung in eigener Zuständigkeit entscheidet, welches Mitglied der Landesregierung eine Mündliche Anfrage im Plenum beantwortet.

Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Lienenkämper antworten wird.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sowohl in den Antworten auf die einschlägigen Kleinen Anfragen als auch in den verschiedenen Ausschusssitzungen im Laufe dieses Jahres, zuletzt in der Sitzung des Hauptausschusses, hat die Landesregierung dargelegt, dass sie bei allen potenziellen Baumaßnahmen in der Staatskanzlei die haushaltsrechtlich gebotene Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit im Blick hat.

Ihre Unterstellung in der Vorbemerkung, allein beim Umzug aus dem Stadttor in das Landeshaus seien hohe Fehlkalkulationen zustande gekommen, muss ich deshalb klar zurückweisen.

Sie wissen bereits aus dem Bericht meines Hauses an den Haushalts‑ und Finanzausschuss vom 24. Januar 2018, dass die Kostensteigerung beim Umzug der Staatskanzlei um rund 66.000 Euro im Wesentlichen darauf beruhte, dass die Registratur vorzeitig umziehen musste.

Ein anderer Grund war der Umzug der jeweiligen IT-Servertechnik der betroffenen Häuser. Diese Kosten konnten bei der Festlegung der ursprünglichen Umzugskosten einfach noch nicht berücksichtigt werden.

Zu den Fragen zu Umbau‑ und Sanierungsmaßnahmen im Landeshaus: Zurzeit werden, wie Sie wissen, intensiv vom BLB zusammen mit dem von ihm beauftragten Architekturbüro Studiobaukunst und der Staatskanzlei die notwendigen Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen geplant.

Das Projekt befindet sich noch in der sogenannten Vorplanungsphase. In dieser Vorplanungsphase müssen für die Bauplanung im Landeshaus drei Maßnahmenpakete betrachtet werden, die teilweise ineinandergreifen.

Erstens die Sanierung und Instandhaltung. Das Haus ist, wie Sie wissen, mit einer 100-jährigen Geschichte gesegnet. Es ist zuletzt 1999 umfassend saniert worden. Etliche Maßnahmen wurden von den dort beheimateten Ministerien in den letzten 20 Jahren angestoßen, teilweise begonnen, aber nicht zu Ende geführt. Exemplarisch nenne ich die seit 2015 laufende Fenstersanierung, die erst jetzt zum Abschluss kommt.

Die Kosten für diese Sanierung trägt der Vermieter BLB. Übrigens wären Sanierungsmaßnahmen nach 20-jähriger Nutzung jetzt auch im Stadttor notwendig geworden.

Den zweiten Komplex bilden die erhöhten Anforderungen aufgrund eines neuen Sicherheitskonzeptes der Polizei für den Sitz des Ministerpräsidenten. Wie Sie alle wissen, hat sich die Sicherheitslage massiv geändert. Auch die Art möglicher Bedrohungen hat sich verändert.

Ich weise darauf hin, dass auch bei einem Verbleib im Stadttor zusätzliche Maßnahmen im Sicherheitsbereich erforderlich gewesen wären. Eines der Stichworte ist unter anderem die Problemlage Drohnen.

Beim dritten Komplex geht es um Modernisierungsmaßnahmen wie zum Beispiel frische Anstriche in den Büros und die Ausstattung mit moderner Medientechnik für das Landespresseamt und in den Besprechungsräumen.

Hierzu gehören auch die Umbauten zur Gewährleistung der Barrierefreiheit und Anpassungen an die heutigen Vorschriften des Arbeitsschutzes. Maßnahmen hier sind vor allem die Eingänge des Landeshauses, die aber auch aus Sicherheitsgründen überplant werden müssen.

Die Modernisierungskosten sind nach Abschluss der Arbeiten von der Mieterin in Form einer Mieterhöhung zu tragen.

Ich kann Ihnen abschließend gerne noch einmal den Prozess erläutern: Während der Vorplanungsphase werden die notwendigen Maßnahmen von Vermieter und Mieter im sogenannten Bau-Soll zusammengestellt. Auf dieser Grundlage werden derzeit verschiedene Bemusterungen vorgenommen, auf deren Basis dann die Freigaben durch den Bauherrn BLB und der Mieterin Landesregierung erfolgen.

Anschließend werden die Fachplaner ausgeschrieben und beauftragt. Detailplanungen und Kostenermittlungen werden dann von diesen vorgenommen.

Erst wenn diese Detailplanungen mit den dazugehörigen Kosten hinterlegt sind, haben alle Beteiligten einen Überblick, was die Maßnahmen insgesamt kosten werden. Das wird dann auch der Zeitpunkt sein, zu dem der Ministerpräsident entscheidet, ob und in welchem Umfang alles umgesetzt wird. Das geht aber naturgemäß nur, wenn er die notwendigen Fakten kennt, über die er zu entscheiden hat.

Eines ist jedenfalls klar: Wir wollen das traditionsreiche Landeshaus wieder zu einem würdigen und modernen Amtssitz des Ministerpräsidenten oder der Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten Landes machen. Das hat Nordrhein-Westfalen verdient.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt eine erste Nachfrage, und zwar von Frau Kollegin Müller-Witt.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, vielen Dank für die Ausführungen, die Sie gerade gemacht haben. Die zusammen mit der Rede des Ministerpräsidenten am heutigen Vormittag ergeben ein interessantes Bild. Denn wie sich mancher vielleicht erinnert, hat der Ministerpräsident darauf rekurriert, dass es angemessen sei, ein entsprechend repräsentatives Gebäude oder eine repräsentative Umgebung zu haben, und er hat den Vergleich zum Stadttor hergestellt.

Das lässt für mich den Schluss zu, dass es neben den von Ihnen aufgeführten drei Spiegelstrichen noch einen vierten Spiegelstrich gibt, nämlich den Wunsch danach, einen größeren repräsentativen Bau, ein imposanteres Erscheinungsbild zu haben. Wie sehen Sie den Wunsch nach mehr Außenwirkung im Lichte des Landeshaushalts Nordrhein-Westfalen?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Müller-Witt, dieser Schluss ist schlicht unzutreffend. Ich habe Ihnen die drei Aspekte der Planung genannt. Das sind auch die drei Aspekte, die dabei eine Rolle spielen. Ich sage mal halb ernst und halb scherzhaft: Wir kämen schon deswegen nicht auf die Idee, einen Luxusumbau zu machen, weil wir Ihre Motivation, dort hineinzuwollen, nicht erhöhen wollen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Vielleicht möchten wir da aber rein!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Es gibt eine weitere Frage, diesmal vom Abgeordneten Zimkeit von der SPD-Fraktion.

Stefan Zimkeit (SPD): Habe ich Sie gerade richtig verstanden, Herr Kollege, dass Ministerpräsident Laschet die Entscheidung eines Umzugs getroffen hat, ohne dass ihm die Kosten, die daraus entstehen, bekannt waren?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Nein.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Jetzt muss ich einmal nachfragen. Frau Kollegin Müller-Witt, war das schon Ihre zweite Wortmeldung?

(Zuruf von Elisabeth Müller-Witt [SPD])

– Ja. Dann haben Sie jetzt die Gelegenheit zur zweiten Nachfrage.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Herr Minister, wie Sie wahrscheinlich wissen, hat es einen entsprechenden Vortrag durch den Architekten im Hauptausschuss gegeben. Dort wurde deutlich gemacht, in welchem Maße die Sanierungs- bzw. Verschönerungsarbeiten in dem Landeshaus stattfinden sollen. Es wurde auch als notwendige Aufgabe dargestellt.

Wie erklären Sie dann die von Ihnen eben vorgetragene Schlussfolgerung, dass man erst einmal alles sammelt und dann am Ende feststellt, wie viel man umsetzen will, wenn dies in dem Vortrag im Beisein des Staatssekretärs aus der Staatskanzlei schon als definitive Aufgabe dargestellt wurde?

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Müller-Witt, Herr Professor Petzinka hat Planungen und Skizzen im Rahmen der größtmöglichen Transparenz vorgelegt, die jetzt mit Inhalt gefüllt werden müssen, was die Baufachlichkeit angeht. Daraus muss jetzt in all diesen Aspekten das sogenannte Bau-Soll ermittelt werden. Das betrifft alle Details, die zu all diesen Maßnahmen dazugehören. Erst wenn dieses Bau-Soll nicht nur in Bildern dargestellt ist, sondern technisch ermittelt ist, können auch die Kosten dafür ermittelt werden.

Und erst wenn diese gesamte Kostenaufstellung vorliegt, kann der Ministerpräsident darüber entscheiden, welche dieser Maßnahmen am Ende zum Bau-Soll zählen sollen und welche gegebenenfalls auch nicht. Damit wird der Umfang der Maßnahmen festgelegt, und danach wird mit den Schritten, die ich eben erläutert habe, fortgefahren.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Hübner von der SPD-Fraktion.

Michael Hübner (SPD): Frau Präsidentin, vielen Dank für die Worterteilung. – Herr Minister, Sie haben im Rahmen Ihres Vortrags auf Kosten hingewiesen, die im Zusammenhang mit der Sanierung des Stadttors stehen würden, wenn der Ministerpräsident das Stadttor weiter genutzt hätte. Sie haben insbesondere darauf hingewiesen – sofern ich Sie richtig verstanden habe –, durch die 20-jährige Nutzungszeit des Stadttors wären auch dort Verschließerscheinungen – so will ich das zusammenfassen – vorhanden.

Wenn Sie das gegenüberstellen, dann muss ich davon ausgehen, dass Sie auch dort eine Kostenermittlung gemacht haben, die für die Nutzung durch den Ministerpräsidenten eine Rolle gespielt hat. Ich habe bisher noch nicht erfahren, dass durch die Umnutzung zum Verkehrsministerium irgendwelche Kosten auf das Land Nordrhein-Westfalen oder auf den Liegenschaftsbetrieb zugekommen sind.

Mich würde sehr Ihre Einschätzung dazu interessieren, weil Sie deutlich gemacht haben, dass es offenkundig eventuell dadurch eine wirtschaftlichere Lösung ist, dass der Ministerpräsident umzieht. Das kann ich überhaupt nicht erkennen.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Hübner, es sind keine Kostenermittlungen durchgeführt worden, sondern ich habe gesagt, dass, wenn der Ministerpräsident im Stadttor geblieben wäre, aufgrund der veränderten Sicherheitslage auch dort Veränderungen am Sicherheitskonzept erforderlich gewesen wären.

Beispielsweise ist das Stadttor gegen Drohnenangriffe nicht gesichert. Das wäre ein Thema gewesen. Sie kennen die wunderschönen Fenster mit dem großen Ausblick, den diese Fenster zu unserer großen Freude ermöglichen. Zu unserem großen Ärger ermöglichen sie es aber leider auch Leuten, die nicht so Gutes im Schilde führen, Drohnen vor diese Fenster zu fliegen und Dinge zu machen, die wir uns gar nicht so richtig vorstellen wollen. – Das wäre ein Teil gewesen.

Zweiter Teil: Sie kennen aus Ihrer Zeit noch die Aktion von Greenpeace im Stadttor. Greenpeace hat da Lautsprecher angebracht und ist bis in die 12. Etage des Stadttors eingedrungen. Das war eine friedliche Veranstaltung, hat aber gezeigt, wie leicht man in diese Räumlichkeiten hineinkommen konnte. Auch das hätte sicherlich zu veränderten Sicherheitsanforderungen geführt.

Da der Ministerpräsident nicht mehr im Stadttor ist, müssen die jetzt nicht alle durchgeplant werden, wären aber durchgeplant und auch umgesetzt worden, wenn er da geblieben wäre.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Als Nächstem erteile ich Professor Dr. Bovermann von der SPD-Fraktion das Wort zu seiner ersten Frage.

Herr Professor Dr. Bovermann von der SPD-Fraktion hat die nächste Frage.

Prof. Dr. Rainer Bovermann (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, gibt es einen Kostenrahmen, also eine Obergrenze, für die Planungen, oder erfolgen die Planungen erst mal völlig ins Blaue hinein, was die Kosten angeht?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Das Wort Obergrenze, wie Sie wissen, mag ich sowieso nicht. Aber es gibt im Moment keine Obergrenze, sondern schlichtweg eine Kostenermittlung für die Dinge, die man gerade zusammenstellt. Danach wird es dann die Entscheidung darüber geben, was davon umgesetzt wird und was davon nicht umgesetzt wird. Es gibt keine Untergrenze und keine Obergrenze, sondern man wird jetzt das Notwendige zusammenstellen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt Ihnen Kollege Zimkeit von der SPD-Fraktion, der damit seine beiden Fragemöglichkeiten ausgeschöpft hat.

Stefan Zimkeit (SPD): Eine Kostenobergrenze würde natürlich einem Finanzminister an der einen oder anderen Stelle schon gut zu Gesicht stehen. Aber das ist eine andere Frage.

Sie haben gerade dargestellt, der Ministerpräsident habe die Entscheidung über den Umzug im Bewusstsein der Kosten getroffen. Können Sie uns denn bitte mitteilen, von welcher Umbaukostenhöhe der Ministerpräsident bei seiner Entscheidung ausgegangen ist?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Herr Kollege Zimkeit, ich habe nicht ausgeführt, dass der Ministerpräsident die Umzugsentscheidung in Kenntnis der damit verbundenen Kosten getroffen hat.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

– Nein.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

– Nein, bitte noch mal im Protokoll nachlesen. Das hat er nicht.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie haben „Nein“ gesagt!)

– Kollege Zimkeit, lesen Sie es bitte noch mal nach. Sie haben die Frage gestellt: Habe ich Sie richtig verstanden, dass … Darauf habe ich vollständig und zutreffend geantwortet: Nein.

Sie haben mich so, wie Sie gefragt haben, nicht richtig verstanden.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Das war aber jetzt die Antwort auf diese Frage. – Dann stellt Ihnen Herr Kollege Hübner von der SPD-Fraktion die nächste Frage. Das ist seine zweite Frage.

Michael Hübner (SPD): Ja, das ist richtig. – Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass Sie gerade reine Sicherheitserwägungen aufgeführt haben, weil das in Ihren Eingangsbemerkungen so nicht der Fall war und die Sicherheitserwägungen selbstverständlich auch für den Verkehrsminister gelten sollten. Ich hoffe zumindest, dass Sie nicht insinuiert haben, dass sie dort nicht gelten.

Nichtsdestotrotz will ich noch mal nach dem Kostenrahmen fragen, den Sie nicht näher beleuchtet haben. Werden Sie denn dem Parlament mitteilen, welcher Kostenrahmen vonseiten des Bau- und Liegenschaftsbetriebes dafür eingeplant worden ist und wie hoch die Kosten vonseiten des Bau- und Liegenschaftsbetriebes kalkuliert worden sind?

Würden Sie weiterhin Auskunft darüber geben, wie sich das im Vergleich zum jetzigen Stadttor darstellt?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Zum ersten Teil, Herr Kollege Hübner: Sie wissen ja, dass die Mitglieder der Landesregierung unterschiedliche Sicherheitseinstufungen haben. Rein objektiv gibt es bei den Sicherheitseinstufungen zwischen dem Verkehrsminister und dem Ministerpräsidenten Unterschiede. Die macht ja das Landeskriminalamt, wie Sie wissen. Beide sind uns allerdings gleich viel wert.

Ich habe für das Stadttor beispielhaft die Sicherheitsthemen angesprochen. Auch das ist 20 Jahre genutzt worden. Also auch da wären Modernisierungsmaßnahmen notwendig geworden. Das habe ich jetzt nicht mit aufgeführt, das wäre aber so. Das ist einfach so. Nach 20 Jahren Nutzung muss auch da was dran getan werden. Das hätte also auch gemacht werden müssen.

Selbstverständlich werden wir, nachdem die Kosten ermittelt sind, dem Parlament gerne und vollständig Auskunft über das geben, was wir da machen, über das, was es kostet, und über die Mieterhöhung, die daraus dann für den Mieter Landesregierung bezogen auf das Stadthaus resultiert.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt Ihnen Frau Kollegin Müller-Witt, die damit ihre Fragemöglichkeiten ausgeschöpft hat.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Herr Minister, wir haben feststellen können, dass Sie ein sehr renommiertes Architekturbüro mit der Eruierung der notwendigen und wünschenswerten Maßnahmen beauftragt haben. Ich gehe davon aus, dass dieses Architekturbüro nicht ehrenamtlich arbeitet, sondern einen ordentlichen Auftrag erteilt bekommen hat. Dann fallen da auch Kosten an. Können Sie uns diesen Kostenrahmen nennen, in dem dieses Architekturbüro beauftragt wurde?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Sie kennen ja wahrscheinlich die Systematik von Architektenverträgen. Das Architektenhonorar richtet sich nach der HOAI, und nach der HOAI orientiert es sich an den Baukosten. Da wir die Baukosten noch nicht ermittelt haben, können wir das Architektenhonorar natürlich auch noch nicht ermitteln.

(Michael Hübner [SPD]: Dann nimmt der doch Beratertage, Herr Kollege! Dann nimmt er doch Beratertage!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir im Moment nicht vor. Ich schaue in die Runde. – Das bleibt auch so.

Dann erkläre ich die Mündliche Anfrage Nummer 30 Drucksache 17/4533 für beantwortet.

Da für die Fragestunde keine weiteren Anfragen angemeldet waren, sind wir auch am Ende der Fragestunde und damit am Ende von Tagesordnungspunkt 4 angekommen.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 5 aufrufe, komme ich zurück zu dem gerade unterbrochenen Tagesordnungspunkt 3 und kann Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekanntgeben.

An der namentlichen Abstimmung haben sich insgesamt 191 Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben 78 Abgeordnete und mit Nein 113 Abgeordnete gestimmt. Kein Abgeordneter oder keine Abgeordnete hat sich der Stimme enthalten. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/4107 in der Fassung des zweiten Neudrucks abgelehnt.

Wir hatten unter Tagesordnungspunkt 3 die beiden dafür notwendigen Abstimmungen durchgeführt und sind damit gleichzeitig am Ende von Tagesordnungspunkt 3 angelangt, den ich damit schließe.

Ich rufe auf:

5   Halbjahresbericht des Petitionsausschusses

Gemäß § 100 unserer Geschäftsordnung soll der Petitionsausschuss dem Landtag mindestens jährlich mündlich berichten. Entsprechend der bisher geübten Praxis im Haus erteile ich dem stellvertretenden Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Herrn Schnelle, zu einem Halbjahresbericht jetzt das Wort.

Thomas Schnelle (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worauf basiert unsere Demokratie? Worauf basiert jede Ideologie, jedes politische System? – Die Basis all dieser Vorstellungen von Gesellschaftsordnungen ist Vertrauen. Vertrauen auf die Wahrheit und Richtigkeit solcher Vorstellungen oder Vertrauen auf die Unumstößlichkeit und Notwendigkeit solcher Systeme.

In einer Autokratie vertraut der Untertan auf die Entscheidungen des Autokraten; und der Kritiker vertraut darauf, dass die staatliche Gewalt zu groß ist, um sich dagegen aufzulehnen.

Im Moment des Auflehnens wankt die Ordnung, ist das Vertrauen verschwunden, ist es verwandelt in das Vertrauen auf eine andere, bessere Gesellschaft.

In einer Demokratie hat das Vertrauen eine noch weitaus größere Bedeutung. Wir vertrauen nicht nur auf eine Person, zum Beispiel auf eine Kanzlerin oder einen Kanzler. Wir müssen jeder Institution unserer Gesellschaftsordnung vertrauen können, einer Exekutive, auf dass sie Gesetze verwirklicht oder den Staat in seiner Durchsetzungsfähigkeit und seinem würdevollen Umgang mit seinen Bürgerinnen und Bürgern repräsentiert, einer Gerichtsbarkeit, dass diese unabhängig und mit nichts als dem Gesetz über sich Recht spricht.

Und auch auf uns müssen wir vertrauen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, und auf uns muss jeder in diesem Land vertrauen, dass wir als gesetzgebende Kraft unserer Gesellschaft vernünftige und gerechte Entscheidungen treffen.

Warum aber rede ich hier nun über Vertrauen? – In unserer Zeit scheint die Wahrheit, dass unsere demokratischen Prozesse und Institutionen richtig und gut sind, eben nicht mehr von allen geteilt zu werden.

Wir brauchen auch gar nicht weit in unsere Nachbarländer zu schauen, um das Gleiche zu sehen, was beispielsweise in Polen, wo die Regierung das Vertrauen in die Gerichte bekämpft, sie diffamiert, bereits stattfindet.

Wir sind alle aufgerufen, das Vertrauen in die Institutionen unserer Demokratie zu verteidigen und nicht zu untergraben. Hierin schließe ich ausdrücklich den Petitionsausschuss als eine Institution unserer Demokratie mit ein.

Bereits an dieser Stelle möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass sich die Zusammenarbeit aller im Landtag vertretenen Fraktionen im nordrhein-westfälischen Petitionsausschuss außerordentlich gut und vertrauensvoll vollzieht. Alle Mitglieder des Petitionsausschusses arbeiten an der Sache und dem Wohl der Bürgerinnen und Bürger orientiert. Meinungen in der Sache werden in ruhiger Form diskutiert. Dabei scheuen wir uns auch nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung. Es spricht dabei für die konstruktive Arbeit des nordrhein-westfälischen Petitionsausschusses, dass letztlich alle Beschlüsse als gemeinsame Entscheidungen des Petitionsausschusses getragen werden.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Bei den länderübergreifenden Tagungen ist es erfreulich zu hören, dass auch die Petitionsausschüsse in den anderen Ländern ähnlich arbeiten. Dieses demokratische Pfund dürfen wir nicht durch Angriffe gegen den Petitionsausschuss als solchen gefährden, denn gerade dieser Ausschuss arbeitet an der Stärkung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in unsere Demokratie.

Ich wünsche mir daher umso mehr, dass wir die oben beschriebene gute Arbeit im nordrhein-westfälischen Petitionsausschuss mit allen im Landtag vertretenen Fraktionen fortsetzen.

Um die Wichtigkeit des Ausschusses zu bekräftigen, möchte ich hier heute auch auf eine besondere Funktion des Petitionsrechts eingehen.

Auf der Oberfläche liegt die Funktion einer Petition als Element des Interessens- oder Rechtsschutzes der Bürgerinnen und Bürger. Für mich liegt eine der bedeutendsten Dimensionen des Petitionsrechts jedoch in der Funktion der Partizipation, der Integration von Bürgerinnen und Bürgern in das Politische.

Mit der Petition hat jeder Bürger die Chance auf eine aktive Teilnahme am politischen Geschehen; es kann letzten Endes sogar auf politische Entscheidungsprozesse eingewirkt werden. Viele Bürgerinnen und Bürger nehmen dies wahr. Man darf die Bedeutung der Möglichkeit einer solchen Beteiligung nicht unterschätzen. Denn eine Demokratie, die ein besonderes Augenmerk auf Partizipation legt, ist eine lebendige Demokratie, und das Petitionsrecht ist in dieser Hinsicht ein unverzichtbarer Baustein.

Wenn wir also Vertrauen schaffen wollen in unsere Arbeit und unsere Institutionen, wie können wir dies besser als mit dem Angebot eines Dialogs auf Augenhöhe? Denn auch dies gibt das Petitionsrecht her.

Gerade in Nordrhein-Westfalen können wir die demokratische Bedeutung der Stellung unseres Petitionsrechts betonen. Schon Ende der 60er-Jahre wurden hier mit Art. 41a dem Petitionsausschuss besondere Rechte eingeräumt. Dies jährt sich übrigens im nächsten Jahr zum 50. Mal.

Aus gutem Grund gibt es in Nordrhein-Westfalen auch keine Sonderbehandlung und Privilegierung von öffentlichen Petitionen wie im Petitionsrecht des Bundestages.

Der Petitionsausschuss dieses Parlamentes hat es immer als seine Aufgabe angesehen, die Einzelanliegen der Bürgerinnen und Bürger aufzugreifen – die kleinen oder großen Sorgen und Nöte, die dann in nichtöffentlichen Sitzungen beraten werden. Dabei ist keine Mitzeichnung erforderlich – eine einzelne Stimme genügt schon.

Es ist mir an dieser Stelle ein besonderes Anliegen, darauf hinzuweisen, dass es für eine Petition daher nicht – wie auf den teils auch kommerziellen Internetpetitionsseiten oft fälsch angeführt – einer bestimmten Anzahl an Unterschriften bedarf, um eine Petition an den Landtag Nordrhein-Westfalen stellen zu können.

Von den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger möchte ich Ihnen nun im Folgenden berichten. Zunächst ein paar Zahlen: Im ersten Halbjahr 2018 sind beim Landtag 2.830 Eingaben eingegangen. Damit bleiben die Eingaben an den Landtag weiter auf einem hohen Niveau, das sich im weiteren Jahresverlauf kaum abgeschwächt hat. Auch im Jahr 2018 werden uns wieder über 5.000 Petitionen erreichen.

In den ersten sechs Monaten des Jahres hat der Ausschuss 2.268 Eingaben beraten und beschlossen. Die meisten Beschlüsse wurden zu den Themen „Bauen“, „Wohnen“, „Verkehr“ und „Umwelt“ gefasst. Viele Bürgerinnen und Bürger beschwerten sich über Verkehrsplanungen, nicht erteilte Baugenehmigungen oder über die Bauleitplanungen ihrer Kommunen.

Auch sorgte eine Massenpetition für den Tierschutz für einen starken Anstieg dieser Zahl.

Eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Eingaben war dem Bereich des Rundfunkrechts zuzurechnen, weil uns dort Sammel- und Massenpetitionen für die Abschaffung des Rundfunkbeitrags erreicht haben.

Ein wichtiger Schwerpunkt ist nach wie vor das Ausländerrecht. Dort hat der Petitionsausschuss 367 Eingaben abgeschlossen. Das sind über 16 % aller Beschlüsse. Viele Eingaben betreffen dabei ausländische Menschen, die hier mehrere Jahre gut leben, gut integriert sind und bereits einen Job oder einen Ausbildungsplatz haben. Dazu werde ich später noch berichten.

Im Bereich des Sozialrechts berieten wir – vergleichbar mit dem letzten Halbjahr – 268 Eingaben.

Stark angestiegen ist die Anzahl der Petitionen aus dem Bereich „Schule und Hochschule“. Dabei melden sich alle denkbaren Gruppierungen aus dem Schulleben – Schülerinnen und Schüler, Eltern und auch Lehrerinnen und Lehrer –, wenn es zum Beispiel um die Besetzung von Schulleitungsposten oder sonstige schulorganisatorische Angelegenheiten geht. Auch das Thema „Inklusion“ ist nach wie vor ein wichtiges Arbeitsfeld für den Petitionsausschuss.

Generell fällt die Erfolgsquote des Ausschusses seit vielen Jahren hoch aus; denn rund 35 % der Eingaben haben für die Petentinnen und Petenten ein positives Ergebnis. In 58 % der Eingaben können wir keine rechtliche Verbesserung erreichen – das bedeutet aber nicht automatisch, dass diese Antragsteller enttäuscht sind.

Manchmal reicht es schon aus, wenn der Petitionsausschuss das Anliegen sorgfältig prüft und die Bürgerinnen und Bürger anhört – oder noch einmal mit eigenen Worten erklärt, warum in diesem Fall die Behörden zu Recht so entschieden haben. 7 % der Eingaben erfahren eine sonstige Erledigung durch Beratung oder Überweisung an eine andere Stelle.

Ich möchte nun einzelne Petitionen kurz vorstellen.

In einer Zeit, in der Mobilität immer wichtiger wird, brauchen wir klare Regeln, um das Zusammengehen von Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern, Anwohnern und Pendlern, Industrie und Handel zu gestalten. Gegenseitige Rücksichtnahme ist erforderlich, und nicht selten unternimmt der Petitionsausschuss in diesen Fällen auch einen Ortstermin, um einer Beschwerde nachzugehen und sich ein Bild vor Ort zu verschaffen.

So ist es auch am südlichen Niederrhein geschehen, nachdem die Petentin auf eine starke Verkehrsgefährdung für Fußgänger auf einer Ortsdurchfahrtsstraße hingewiesen hatte. Hohe Verkehrsbelastung, übergroße, oft landwirtschaftliche Fahrzeuge und hohe Geschwindigkeiten in Verbindung mit geringen Breiten der Gehwege machten die Straße für Fußgänger kaum noch nutzbar. Auch die Lärmbelästigung hatte immer mehr zugenommen.

Der Eingabe hatten sich viele weitere Anwohner angeschlossen. Im Ortstermin des Ausschusses kamen alle Beteiligten zu Wort – die Petentin, weitere Anwohner sowie Vertreter des Ministeriums für Verkehr, der Stadt und des Landesbetriebs Straßen.NRW.

Gemeinsam kam man zu der Auffassung, dass die bereits für Lkw bestehende Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h für alle Fahrzeuge gelten sollte. Dadurch könne der Verkehrsfluss zugunsten der Fußgänger geregelt werden. Die Anwohner wurden zudem beraten, welche Lärmschutzmaßnahmen an ihren Grundstücken und Wohnhäusern mit öffentlichen Mitteln gefördert werden können, damit die Wohnqualität in dieser ländlich geprägten Gegend wieder steigt. Auch hier meldet der Petitionsausschuss einen Erfolg: Seit April 2018 gilt dort „Tempo 30 für alle“.

Auch folgender außergewöhnlicher Fall erreichte den Petitionsausschuss. Die Petenten wandten sich als ehrenamtliche Betreuer an uns; sie betreuen in der Regel hochbetagte Menschen. Nach deren Tod stünden sie vor der großen Frage, was mit den im Rahmen der Betreuung angefallenen Unterlagen wie Kontoauszügen und vollstreckbaren Titeln passiere, wenn keine Erben auffindbar seien. Sie seien noch gar nicht lange als Betreuer tätig, und trotzdem hätten sich mittlerweile viele Aktenordner angesammelt. In Rede stünden Aufbewahrungsfristen von bis zu 30 Jahren. Bei einem Verstoß fürchte man, sich schadensersatzpflichtig zu machen.

Dieses Problem war der Landesregierung bisher völlig unbekannt. Das Meinungsbild innerhalb des zuständigen Betreuungsgerichts war vielfältig. Die gemeinsame Erörterung verlief erstaunlich offen und emotional: Ratlosigkeit traf auf den Willen, die Petenten in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit bestmöglich zu unterstützen.

Mangels Regelungen oder Rechtsprechung zu dem Thema konnte eine rechtsverbindliche Antwort nicht gegeben, dafür jedoch eine Vereinbarung getroffen werden, wie in der Praxis in der nächsten Zeit verfahren werden könne. Wenn gerichtlich festgestellt worden sei, dass keine Erben ermittelt werden können und dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden sei, erbe das jeweils zuständige Bundesland. Auf diese Feststellung mögen die Petenten in Zukunft proaktiv hinwirken. Die Abwicklung des Nachlasses obliege dann der jeweiligen Bezirksregierung und somit also auch die Aufbewahrung der Unterlagen.

Die Erfahrungen aus diesem Verfahren sollen über das Ministerium landesweit weiter ausgetauscht und ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer bei Schwierigkeiten durch die Landesregierung unterstützt werden. Hier geht von einer einzelnen Eingabe, von einem einzelnen Brief eine Initiative für ganz Nordrhein-Westfalen aus.

Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist immer noch das Ausländerrecht. Jenseits aller Parteipolitik und Grundsatzentscheidungen schauen wir uns Einzelschicksale an und suchen nach guten Lösungen für die Menschen.

Sehr bewegt hat mich die Sammelpetition einer Schule aus Aachen für eine Mitschülerin. Das 12-jährige Mädchen befürchtete, mit der Familie nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Die ganze Klasse – und auch Lehrer und Schulleitung – nahmen am Schicksal der fleißigen Schülerin Anteil und entschieden sich für den Weg einer Petition.

Nachdem die Schule mit dem Petitionsausschuss Kontakt aufgenommen hatte, luden wir das junge Mädchen und eine Delegation der Schule in den Landtag ein. Für uns Mitglieder des Petitionsausschusses ist es immer ein besonderer Moment, wenn junge Menschen dem Parlament begegnen und dabei feststellen, dass Politik nicht weit weg ist, sondern ihr Leben unmittelbar betrifft.

Über 1.500 Unterschriften brachten die Schülerinnen und Schüler mit und trugen uns engagiert vor, dass sie sich für ihre Mitschülerin und deren Familie einsetzen wollten. Noch am selben Tag erhielt die Familie die erlösende Nachricht vom zuständigen Minister, den man zufällig in der Wandelhalle des Landtagsgebäudes getroffen hatte: Eine Abschiebung droht nicht, und die Familie hat nun alle Möglichkeiten, ihre bisherige Integration zu verfestigen und sich auf diesem Weg eine Perspektive für ein Leben in Deutschland zu erarbeiten.

Eine weitere Eingabe betraf einen gut integrierten Familienvater aus Albanien, der mit seiner Familie im Sauerland lebte. Obwohl gute Integrationsleistungen vorlagen und die Familie keine finanziellen Leistungen vom Staat in Anspruch nahm, sollte sie in ihr Heimatland abgeschoben werden.

Der Ausschuss lud auch hier die zuständigen Behörden zum Gespräch. Auch die Familie selbst wurde eingeladen. Sie wurde vom Arbeitgeber des Ehemannes, dem Inhaber eines sauerländischen Handwerksbetriebs mit 120 Mitarbeitern, begleitet. Der Firmenchef saß also mit am Tisch und legte für den Petenten Zeugnis ab: Er sei ein hervorragender und zuverlässiger Mitarbeiter und solle bitte seine bereits begonnene Ausbildung als Fußbodenleger beenden können, da er ihn später als Mitarbeiter übernehmen wolle. Auch der 16-jährige Sohn der Familie absolviere derzeit ein Praktikum in der Firma und habe bereits eine Zusage für einen Ausbildungsplatz.

Die Ausländerbehörde erwog nun, die Ehefrau und Mutter alleine ins Heimatland abzuschieben. Das konnte der Ausschuss im Gespräch mit der Ausländerbehörde verhindern; denn in den Zeiten, in denen der Familienvater auf Montage sein würde, müsste die Mutter die Betreuung des minderjährigen Jungen übernehmen. Zudem hatte sie selbst ein Jobangebot als Hauswirtschafterin in einem Altenheim und wartete nur auf die Erteilung einer Arbeitserlaubnis.

Diese Konstellation war auch für die bislang zögerliche Ausländerbehörde überzeugend. Alle drei Familienmitglieder können nun im Sauerland einer Beschäftigung nachgehen.

Ich möchte aber auch erwähnen, dass der Ausschuss klare Hinweise gibt, wenn eine Bleibeperspektive nicht gegeben ist. So geschehen in der Petition eines Pastors für zwei junge Männer aus Albanien. Sie lebten in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und waren bereits zum zweiten Mal illegal nach Deutschland eingereist. Beide arbeiteten in der Gemeinde als Krankenpfleger.

Hier konnte der Ausschuss nur anraten, den Aufenthalt durch die Ausreise und eine rechtmäßige Einreise im Wege eines Arbeitsvisums zu legalisieren. Die Ausländerbehörde unterstützte die beiden Petenten und beriet sie bei der Antragstellung.

Der letzte Fall betrifft die gesetzliche Krankenkasse. Auch dort gibt es immer wieder Handlungsbedarf durch den Petitionsausschuss. Im Falle einer Petentin führte falscher Stolz, ALG II zu beantragen, sogar zum Verlust des Krankenversicherungsschutzes.

Uns erreichte der Brief einer verzweifelten Tochter, die sich für ihre Mutter an den Petitionsausschuss wandte. Die Mutter wurde vor einigen Jahren arbeitslos und beantragte aus falschem Stolz und Scham kein Arbeitslosengeld II. Sie lebte von ihrem Ersparten und bedachte dabei nicht, dass sie dadurch auch nicht mehr krankenversichert war.

Die gesetzliche Krankenkasse veranlasste bei der Petentin eine sogenannte Zwangskrankenversicherung, und es häuften sich Beitragsrückstände an, die die Petentin aufgrund der Arbeitslosigkeit nicht begleichen konnte.

Als die Petentin erneut berufstätig wurde, zahlte sie wieder eigenständig in die Versicherung ein; die Schulden konnte sie aber nicht begleichen. Daher überließ ihr die Krankenkasse keine Versicherungskarte. Vor jedem Arztbesuch musste sie nun bei der Krankenkasse vorsprechen und um Übernahme der Kosten bitten – und dies seit über acht Jahren.

Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich und sie verlor ihre Arbeit erneut. Als sie nun akut erkrankte und die dringende ärztliche Abklärung eines pathologischen Befundes erforderlich wurde, lehnte die Krankenkasse die Kostenerstattung ab.

Da fasste sich die Tochter ein Herz und wandte sich an den Petitionsausschuss. Dieser schaltete sofort die Aufsichtsbehörde ein – das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales –, sodass die Petentin die notwendige medizinische Behandlung umgehend erhielt.

Der Fall wurde grundsätzlich aufgearbeitet, und es wurde festgestellt, dass trotz der Beitragsrückstände inzwischen wieder ein Leistungsanspruch bestand. Die Krankenkasse hat Fehler bei der Bearbeitung eingeräumt, diese in der Zwischenzeit behoben und sich bei der Petentin entschuldigt. Auch hat sie der Petentin einen Mitarbeiter aus dem Patientenbegleitservice zur Seite gestellt, um sie zu beraten. Für die Beitragsschulden wurde eine Ratenrückzahlung vereinbart. Die Petentin erhielt wieder eine Versicherungskarte.

Der Petitionsausschuss hat erfreut zur Kenntnis genommen, dass die Krankenkasse diese Petition sogar zum Anlass genommen hat, Qualitätssicherungsmaßnahmen aufzulegen, um solche Situationen zukünftig zu vermeiden.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dies waren einige ausgewählte Fälle, mit denen sich der Petitionsausschuss beschäftigt hat.

Uns Ausschussmitgliedern ist die umfassende Bearbeitung dieser und aller anderen Fälle nur möglich, da wir ein sehr engagiertes Team im Petitionsreferat an unserer Seite wissen. Daher möchte ich mich an dieser Stelle im Namen des gesamten Ausschusses bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsreferates für ihre hervorragende Arbeit bedanken.

(Allgemeiner Beifall)

Trotz zeitweiser personeller Engpässe wurden alle Petitionen umfassend vorbereitet und Erörterungen begleitet. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referates sorgen dafür, dass der Petitionsausschuss mit zum Vertrauen in unser System beitragen kann.

Ich komme noch einmal auf den Anfang meines Berichtes und auf die Frage nach dem Vertrauen in unsere Institutionen zurück. Wir haben nur einige auserwählte Fälle des vergangenen Jahres kennengelernt.

Von A wie Ausländerrecht bis Z wie Zentralabitur erstrecken sich die Themen, welche die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes bewegen. Es sind oft sehr spezifische Einzelfälle, die wir behandeln, und jedes Mal, wenn wir eines dieser Verfahren zu einem für den Petenten positiven Abschluss bringen können, sehen wir die Bedeutung unserer Arbeit.

Doch, wie bereits gesagt, reicht das Wesen der Petition noch über diese Behandlung individueller Nöte hinaus. Das Petitionsrecht leistet einen Beitrag zur bürgerschaftlichen Partizipation. Es leistet einen Beitrag dazu, das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger in unsere Institutionen zu legitimieren, und es liefert gute Argumente, den Petitionsausschuss des Landtages eine vielleicht kleine, aber stabile und hart arbeitende Säule unserer Demokratie nennen zu dürfen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Allgemeiner Beifall)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schnelle. Ich danke Ihnen ganz herzlich dafür, dass Sie uns als stellvertretender Vorsitzender des Petitionsausschusses nicht nur den Halbjahresbericht erstattet haben, sondern dass Sie uns zugleich auch über die Arbeit des Petitionsausschusses und des Petitionsreferates unterrichtet und uns damit einen Einblick in diese wirklich hervorragende Arbeit gewährt haben. Ganz herzlichen Dank.

Den Dank will ich auch weitergeben – mit Ihrer Zustimmung, aber ich glaube, die darf ich voraussetzen – nicht nur noch einmal im Namen des gesamten Hauses an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch an alle Mitglieder des Petitionsausschusses; denn das ist nicht nur eine sehr zufriedenstellende Arbeit, sondern auch eine sehr arbeitsintensive Aufgabe, die Sie alle miteinander zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger übernommen haben. Deshalb Ihnen allen ganz herzlichen Dank dafür.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der AfD)

Wir kommen jetzt zu:

6   Gesetz zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Landes Nordrhein-Westfalen (Landarztgesetz Nordrhein-Westfalen – LAG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3037

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Drucksache 17/4523

zweite Lesung

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4543

Herr Kollege Hagemeier eröffnet für die CDU-Fraktion die Aussprache.

Daniel Hagemeier (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über das Gesetz zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in den Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Landes Nordrhein-Westfalen – kurz Landarztgesetz genannt.

Nach der Einbringung ins Plenum haben wir uns im Ausschuss unter anderem in einer Expertenanhörung mit diesem Thema befasst. Wie bereits im Fachausschuss, so werbe ich heute auch an dieser Stelle für die Zustimmung zu diesem Gesetz.

Wir alle wissen, dass die hausärztliche Versorgung in vielen Regionen NRWs bereits heute angespannt ist, insbesondere im ländlichen Raum. Wir können es uns nicht leisten, dies einfach hinzunehmen. Die Zeit drängt. Es ist kurz vor zwölf.

Der traurige aber leider allzu wahre Hintergrund für dieses Gesetz ist, dass kaum ein Arzt mehr aufs Land möchte. Gründe dafür gibt es sicherlich viele, und nicht alle können wir politisch lösen. Die allzu schnell geforderte Aufstockung der Zahl der Studienplätze in der Medizin ist sicherlich nicht grundsätzlich verkehrt, löst das Problem allein aber nicht, solange nur wenige Mediziner aufs Land ziehen möchten.

Nordrhein-Westfalen hat deshalb als erstes Bundesland einen Gesetzentwurf für eine Landarztquote vorgelegt. Der von Bund und Ländern beschlossene Masterplan 2020 zur Reform des Medizinstudiums stellt es den Ländern frei, bis zu 10 % der Plätze an Studenten zu vergeben, die sich vertraglich verpflichten, nach dem Studium zehn Jahre lang in einer unterversorgten Region zu praktizieren. Nordrhein-Westfalen hat sich auf 7,6 % festgelegt. Konkret sollen ab dem Wintersemester 2019/2020 insgesamt 168 Plätze über die neue Quote vergeben werden.

Es war für Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann nicht schwierig, die medizinischen Versorgungslücken mit Blick auf die Altersstruktur der niedergelassenen Hausärzte zu belegen, die für die Quote sprechen, und die sich in den nächsten Jahren noch einmal verschärfen wird.

Im zurückliegenden Jahrzehnt stieg die Zahl der ausscheidenden Ärzte bei uns in Nordrhein-Westfalen um 80 % und übertraf die der neu zugelassenen Ärzte um mehr als die Hälfte. Allein im Jahr 2016 sind 450 Hausärzte ausgeschieden. 200 kamen als Allgemeinmediziner aus der Ausbildung. Zudem wird nur jeder zehnte der ausgebildeten Ärzte in Nordrhein-Westfalen Allgemeinmediziner. Das sind nun einmal die Fakten.

Wir in Nordrhein-Westfalen betreten mit diesem Gesetz sicherlich Neuland. Wir übernehmen somit auch eine Vorreiterrolle in Deutschland.

Lassen Sie mich einem Punkt der Diskussion vorbeugen. Mit der Landarztquote allein wird diese Lücke nicht kurzfristig zu schließen sein. Eine Medizinausbildung dauert nun einmal ihre Zeit. Die Experten in unserer Anhörung am 21. November dieses Jahres sprachen von 13 Semestern Regelstudienzeit, dazu die anschließende Weiterbildung. Die Facharztausbildung folgt dem ja auch noch.

Zur Anhörung im Fachausschuss. Die Mehrzahl der Experten spricht in ihren Kernaussagen von einem stimmigen Gesetzentwurf. Herr Dr. Windhorst von der Ärztekammer Westfalen-Lippe sagte, er befürworte die Landarztquote. So äußerte sich auch Dr. Gerhard Nordmann von der kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe zur Quote, dass sie ein Baustein sei im großen Paket der Dinge, die wir angehen wollen.

Frau Anke Richter-Scheer, die den Hausärzteverband Westfalen-Lippe vertrat, schilderte selbst die Situation, dass sie aufgrund ihres Abiturdurchschnitt zwei Jahre auf einen Studienplatz warten musste. Jetzt hat sie eine Praxis in einem kleinen Ort auf dem Land übernommen, und wenn sie jetzt aufhören würde, fielen gleich 50 % der Hausärzte weg.

Weitere Hinweise zu den Auswahlkriterien aus der Anhörung haben wir natürlich notiert. Auswahlkriterien können angepasst werden. Wir werden zunächst Erfahrungswerte sammeln müssen.

Ja, diese Quote ist ein wichtiger Baustein, der erst auf lange Zeit hin wirken wirkt. Daher haben wir auch ein ganzes Paket weiterer Maßnahmen geschnürt: die Aufstockung der Medizinstudienplätze an der Uni Witten/Herdecke, eine neue Medizinfakultät an der Uni Bielefeld, Lehrstühle für Allgemeinmedizin an allen Medizinfakultäten und noch weitere Maßnahmen.

Zum Schluss meiner Rede kurz ein paar Anmerkungen zum Entschließungsantrag der Grünen. Sie haben sieben Jahre lang die Gesundheitsministerin in diesem Land gestellt. Warum hat sie nichts getan und zumindest ansatzweise versucht, die Forderungen aus dem Entschließungsantrag umzusetzen?

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das war alles?)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, dass ein Bündel von Maßnahmen umgesetzt wird. Dass dies in den kommenden Jahren nicht nur die Allgemeinmediziner betreffen wird, ist auch erkannt. Wir bitten daher um Zustimmung zum Landarztgesetz. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Hagemeier. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Lück.

Angela Lück (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Regionen in Nordrhein-Westfalen leiden unter einem zunehmenden Ärztemangel. Das ist bereits seit einiger Zeit kein Geheimnis mehr. Die Landesregierungen der vergangenen Jahre sowie die ärztliche Selbstverwaltung suchten bereits seit Längerem nach Lösungen, diesem Mangel entgegenzuwirken.

Bemerkenswert ist vor allem, dass es nicht ausschließlich auf dem Land an Ärztinnen und Ärzten mangelt, sondern auch in größeren Zentren. In meiner Heimat in Ostwestfalen-Lippe beispielsweise gibt es auch in der Stadt Bielefeld Schwierigkeiten, in bestimmten Stadtteilen Hausarztpraxen zu besetzen. Nicht nur Hausärztinnen und Hausärzte fehlen, auch die fachärztliche Versorgung ist nicht immer gewährleistet. Ich denke, dass wir uns einig sind, dass die medizinische Versorgung in NRW in den Städten ebenso wie auf dem Land gewährleistet sein muss, sodass alle Menschen ein hohes Niveau an medizinischer Versorgung erreichen können.

Gleichzeitig muss Gesundheit aber auch bezahlbar bleiben und die medizinische Hilfe für jeden erreichbar sein. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass die finanziellen Rahmenbedingungen von Krankenhäusern in NRW weiter verbessert und die Investitionen in die Substanz der Krankenhäuser deutlich erhöht werden muss.

Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung liest sich zunächst ganz gut und bietet eine einfache und wohlfeile Lösung für das Problem an. Leider kann er jedoch nur auf den ersten Blick überzeugen; denn die vorgeschlagene Lösung entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein Placebo, der dazu noch rechtlich auf ziemlich dünnem Eis daherkommt.

Eine frühe Festlegung der Abiturientinnen und Abiturienten, sich nach dem Studium zu einer hausärztlichen Tätigkeit in einer unterversorgten ländlichen Region zu verpflichten, ist sowohl in rechtlicher als auch in sozialer Hinsicht ein problematisches Zugangskriterium für junge Studierende. Niemand weiß mit Anfang 20, wie sich die persönliche und berufliche Situation nach Abschluss des Medizinstudiums darstellt.

Wir wissen doch alle auch aus unseren eigenen Lebensläufen, dass sich persönliche Ziele und Lebensumstände noch maßgeblich verändern können, zum Beispiel aufgrund einer Familiengründung oder auch einer beruflichen Umorientierung. Wer kann schon sagen, ob alle Träume und Pläne, die man kurz nach dem Abitur hat, mit der Beendigung des Studiums noch Bestand haben?

Viel wichtiger als eine starre Quote ist es daher, dass das Studium der Allgemeinmedizin und der Beruf des Allgemeinmediziners insgesamt attraktiver gestaltet werden. Dazu haben wir auch in der Anhörung von den Sachverständigen einige Vorschläge gehört.

Hochschulen kommt bei der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten eine hohe Verantwortung zu. Vor dem Hintergrund des demografischen und digitalen Wandels werden künftig neue Anforderungen an die Medizin der Zukunft gestellt. Wir finden es deshalb falsch, sich auf ein nicht berechenbares Instrument wie dieses Gesetz zu verlassen und andere Maßnahmen dabei außer Acht zu lassen.

Für einen sehr wichtigen Aspekt gibt es meines Wissens im aktuellen Haushalt gar keinen Ansatz, nämlich für die Förderung der Telemedizin. Sie ist ein Instrument, das es zu nutzen gilt, um Ärztinnen und Ärzte in ihrer Tätigkeit zu unterstützen und zu entlasten. Telemedizin kann dabei helfen, die medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern.

Die Potenziale der Digitalisierung im Gesundheitswesen müssen daher konsequent besser genutzt werden. Deshalb muss die Telematikinfrastruktur weiter ausgebaut werden und eine elektronische Patientenakte für alle Versicherten eingeführt werden. Zudem muss NRW in Zeiten der Digitalisierung als Standort der Gesundheitswirtschaft nachhaltig und zukunftsorientiert gestärkt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt deshalb wichtige Gründe, weshalb wir uns mit dem Vorschlag der Landesregierung zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung nicht anfreunden können. Er ist zu wenig durchdacht. Er ist lebensfern. Er ist zu kurz gesprungen, zu einseitig und nicht rechtssicher.

(Beifall von der SPD – Minister Karl-Josef Laumann: Leute, Leute, Leute, Leute!)

Das Gesetz ist ein Pflästerchen, welches eine große Problematik überdeckt, sie aber nicht beseitigt. Die SPD lehnt dieses Gesetz ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Lück. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schneider.

Susanne Schneider (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Für die meisten Menschen sind ihre Hausärztin oder ihr Hausarzt die erste Anlaufstelle, wenn sie sich krank fühlen und eine Behandlung benötigen. Gerade ältere Menschen sind darauf angewiesen, dass Hausärzte wohnortnah erreichbar sind. Sie sind häufig nicht so mobil, um längere Wege mit teilweise schlechter ÖPNV-Anbindung zurückzulegen. Deshalb brauchen wir in Nordrhein-Westfalen auch künftig eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung.

Wir stehen aber vor großen Herausforderungen. Uns droht ein Ärztemangel gerade im ländlichen Raum. Viele der derzeit dort tätigen Ärzte werden in den nächsten Jahren ausscheiden. Die Hausärzte in Nordrhein-Westfalen haben im Moment ein Durchschnittsalter von über 55 Jahren. Jährlich gehen 400 Hausärzte in den Ruhestand, aber nur halb so viele Absolventen nehmen eine Weiterbildung in der Allgemeinmedizin auf.

Diese Entwicklung war seit Jahren bekannt; die vorherige rot-grüne Landesregierung hat aber nicht reagiert. Eher wurden unsere Ärzte noch kritisiert, wurden misstrauisch beäugt, und es wurde ihnen sogar von der früheren Gesundheitsministerin unterstellt, sie würden Fehlanreizen in unserem Gesundheitssystem erliegen. Eine solche Einstellung trägt sicher nicht dazu bei, junge Menschen in den Beruf des Hausarztes zu bringen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Von konsequentem Handeln und kreativen Ideen war jedenfalls nichts zu sehen.

Erst die NRW-Koalition aus Christdemokraten und FDP handelt jetzt, und zwar mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen.

Bei dem 2009 von CDU und FDP eingeführten Hausarztaktionsprogramm zur Förderung der Niederlassungen im ländlichen Raum haben wir einen Einzelzuschuss eingeführt, den wir bis jetzt auf 60.000 Euro erhöht haben. Mit der Einbindung der Kassenärztlichen Vereinigung wollen wir die Abwicklung verbessern und Bürokratie abbauen.

Wir wollen auch Quereinsteiger aus der Klinik beim Wechsel in eine hausärztliche Tätigkeit unterstützen. Dazu sollen vor allem finanzielle Einbußen weitgehend ausgeglichen werden, die mit einem Qualifizierungsjahr oder einer Weiterbildung in einer allgemeinen Praxis verbunden sind. So können wir kurzfristig zusätzliche Hausärzte gewinnen.

(Beifall von der FDP)

Wir setzen aber auch auf mittel- und langfristige Effekte. Dazu wollen wir die Allgemeinmedizin an den Hochschulen stärken. Die Medizinischen Fakultäten können mit ihrem Lehrangebot dazu beitragen, dass sich Absolventen für eine Weiterbildung in der Allgemeinmedizin und eine hausärztliche Tätigkeit entscheiden. Deshalb sollen in absehbarer Zeit alle Fakultäten über Lehrstühle für Allgemeinmedizin verfügen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Medizinische Fakultät Ostwestfalen-Lippe in Bielefeld befindet sich seit Oktober dieses Jahres offiziell in Gründung. Das Konzept wurde beim Wissenschaftsrat eingereicht. Erste Professuren sind ausgeschrieben, Mittel in der Finanzplanung vorgesehen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Für die Universität Witten/Herdecke haben wir die finanzielle Unterstützung des Landes zur Verdoppelung der Zahl der Medizinstudienplätze zugesichert.

Diese beiden zusätzlichen Studienangebote zielen mit ihren praxisnahen und patientenorientierten Ausbildungen gerade auch auf die Tätigkeit in einer Hausarztpraxis.

Wenn Sie mir die Bemerkung erlauben: Wenn aus jeder Medizinischen Fakultät so viele Hausärzte kämen wie aus der Universität Witten/Herdecke, hätte dieses Land auch kein Hausarztproblem.

(Beifall von der FDP)

Die Studienplatzquote, die wir mit der heutigen Verabschiedung des Landarztgesetzes einführen, stellt ein wichtiges Instrument dar, um künftig mehr Hausärzte für den ländlichen Raum zu gewinnen.

Das vorgesehene strukturierte Auswahlverfahren beim LZG.NRW könnte eine Vorbildfunktion dahin gehend übernehmen, dass neben der Abiturnote Kriterien wie Berufserfahrung und persönliche Kompetenz bei der Studienplatzvergabe besser berücksichtigt werden.

Eine frühere Festlegung der Studierenden wurde hier von der SPD-Fraktion kritisiert. Ich bin der Auffassung, dass wir gerade damit Studienbewerber ansprechen, die schon immer, von klein auf, Hausarzt auf dem Land werden wollten. Mit dieser Quote eröffnen wir denen eine Chance, die eine hohe Motivation mitbringen – denn sie sind hoch motiviert, Frau Kollegin –, aber in dem bisherigen Auswahlverfahren mit diesem unsäglichen Numerus clausus nicht zum Zuge gekommen sind. Erfahrungen wie zum Beispiel bei den Ärzten unserer Bundeswehr zeigen auch, dass Vorabquoten mit frühen Festlegungen durchaus praktikabel sind.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die NRW-Koalition aus FDP und Christdemokraten erkennt die Tätigkeit unserer Hausärzte an und schätzt diese auch.

(Beifall von der FDP)

Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt, um die Zukunft der ärztlichen Versorgung und damit die Versorgung der Menschen, der Patienten, in Nordrhein-Westfalen zu sichern. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der Grünen erteile ich dem Abgeordneten Mostofizadeh das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Lockerheit die FDP-Fraktion wesentliche Grundlagen ihrer sonstigen Politik über Bord wirft: Marktwirtschaft spielt keine Rolle. Hochschulfreiheit spielt keine Rolle. Wir müssen uns jetzt um die Landärzte kümmern. Da ist jedes Mittel recht. Das sonstige Geschwätz von Hochschulfreiheit hat hier keinen Platz.

Es ficht Sie auch nicht an, dass Ihnen ärztliche Direktorinnen und Direktoren immer wieder vorwerfen, die Hochschulen dürften nicht zu einem reinen Arztausbildungsbetrieb verkümmern. Sie stellen sich hierhin und sagen: Wir haben ein Problem im ländlichen Raum. Deswegen müssen wir in Bielefeld ein paar Ärztinnen und Ärzte mehr ausbilden. Und schwuppdiwupp ist das Problem nach zwölf Jahren gelöst.

Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist schlicht Kokolores und widersprüchlich.

(Susanne Schneider [FDP]: Sie haben nicht zugehört! – Zurufe von der CDU)

– Ich habe prima zugehört, Frau Schneider. Das ist bei Ihnen auch gar nicht zu vermeiden.

(Zurufe)

– Das meine ich ganz respektvoll.

(Zuruf von der CDU: Ein Kompliment?)

– Wenn Frau Schneider eines kann, dann ist es doch, hier nachvollziehbar und sehr deutlich zu reden. Warum will man mir meine Bemerkung jetzt im Munde umdrehen?

Herr Kollege Hagemeier, Sie haben tatsächlich einen Satz in der sachlichen Auseinandersetzung darauf verwendet, auf unseren Entschließungsantrag einzugehen, und behauptet, sieben Jahre lang sei da ja nichts passiert. Das stimmt zwar nicht, hört sich aber immer gut an.

Sie müssten dann aber auch sagen, dass der jetzt amtierende Gesundheitsminister zwischen 2005 und 2010 ziemlich genau das Gleiche gemacht hat. Er hat nämlich ein Förderprogramm aufgelegt, das unsere Ministerin noch ausgeweitet und auch auf größere Städte erweitert hat, und bis 2010 keine andere Politik an den Tag gelegt.

Weil Sie gleich noch an der Reihe sind, möchte ich mich jetzt beeilen und drei wichtige Punkte nennen, die das ergänzen, was die Kollegin Lück aus meiner Sicht zutreffend vorgetragen hat.

Erstens. Wir hätten im jetzigen Hochschulsystem durchaus Möglichkeiten, einiges besser zu machen. Zum Beispiel könnten sich Professorinnen und Professoren mehr um die Lehre und weniger um die medizinische Versorgung kümmern.

Zweitens. Das gilt auch für den wissenschaftlichen Bereich.

Der dritte Punkt ist mir ganz wichtig. Er soll hier auch nicht verloren gehen. Der wichtigste Grund, sich im Leben für eine Region zu entscheiden, ist, wenn man sich bindet. Ich will jetzt keine Geschichten aus dem Nähkästchen ausplaudern. Wichtig ist aber doch, dass gerade die Studierenden in der Zeit des klinischen Semesters in Regionen unterrichtet werden können, die wir alle ländlich nennen, die also im kreisangehörigen Raum liegen.

Diese Möglichkeit bestünde. Sie wird aber viel zu wenig genutzt. Die Universitätsklinik Münster kooperiert im ärztlichen Bereich sehr wohl mit den Krankenhäusern im Umfeld, in der universitären Ausbildung aber nicht.

Das müssen wir ändern. Dann kommt es nämlich viel stärker dazu, dass die Studierenden die ländlichen Regionen bereits vor Ende des Studiums kennenlernen, sodass sie später auch bereit sind, sich dort niederzulassen und eine allgemeinärztliche Praxis zu eröffnen.

Eines ist aber weltfremd. Sie glauben doch nicht im Ernst, Herr Minister Laumann, dass man mit einer Prämie von 20.000 Euro Menschen über 30 Jahre an eine Region binden kann. Dazu bedarf es eines ganz anderen Paketes. Es müssen die Bedingungen für die Familie vor Ort, das Ausbildungssystem, die Versorgung und verschiedene andere Dinge passen, um die Schwelle zu überwinden, überhaupt dort hinzugehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde Ihnen erstens empfehlen, hier eine Nummer kleiner vorzugehen. Denn Sie werden die Erwartungen nicht erfüllen.

Sie werden zweitens möglicherweise in einigen Jahren eine ganze Reihe von Klagen von Menschen am Hals haben, die es eben doch nicht so wollen, wie Sie sich das vorstellen.

Drittens tun Sie so – das ärgert mich an Ihrem Beitrag ganz besonders, Herr Kollege Hagemeier –, als könne der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen hier als Einziger steuern. Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben keine Verantwortung; der Gemeinsame Bundesausschuss hat keine Verantwortung; nur der General Laumann muss mit einem Gesetz ein bisschen schrauben, und dann funktioniert das schon.

Sie verkennen völlig die Verantwortung der jeweiligen Institutionen und suggerieren der Öffentlichkeit, dass der Landtag Nordrhein-Westfalen mit diesem Gesetz, mit dem 187 Ausbildungsplätze geschaffen werden, die Situation substanziell verändern könne.

Letztlich entlassen Sie damit auch die Kassenärztlichen Vereinigungen aus ihrem Sicherstellungsauftrag. Ich möchte Ihnen auch sagen, warum ich das kritisiere. Das sind nämlich keine einfachen Geschichten. Ich mache mir mit so etwas ja keine Freunde. Es kann aber doch nicht sein, dass die Sekretärin, die Krankenschwester oder jemand anders mit Steuergeld das subventionieren muss, was an anderer Stelle nicht funktionieren kann, weil der Sicherstellungsauftrag nicht zu gewährleisten ist.

Wir haben hier auch eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Deswegen werden wir dieses Landarztgesetz ablehnen. Wir haben nichts dagegen, zusätzliche Kapazitäten im medizinischen Bereich aufzubauen. Da hätten Sie uns an Ihrer Seite. Das ist gar keine Frage.

Man kann aber doch nicht so tun, als werde mit diesem Gesetzchen substanziell etwas geändert. Das sehen wir überhaupt nicht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die AfD hat Herr Dr. Vincentz das Wort.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Mostofizadeh spielt hier ähnlich wie im Gesundheitsausschuss wieder das grüne „Wünsch dir was“. Das ist durchaus nett. Er war vorher über das, was Frau Schneider gesagt hat, empört. Ich bin jetzt über das, was Herr Mostofizadeh geäußert hat, empört. So haben wir, passend zur Jahreszeit, eine wunderschöne Empörungs-Polonaise.

Um zu dem Thema etwas Angemessenes beizutragen, muss man aber auch sagen: Es werden jetzt Schritte gegangen. Eigentlich haben wir das im Ausschuss ausführlich diskutiert. Eine Quote ist nie elegant. Darüber brauchen wir uns wohl nicht zu streiten. Das ist kein sonderlich freiheitliches Mittel.

Ich würde aber sogar noch weiter als der Kollege der CDU gehen, der sagte: Die Uhr steht auf fünf vor zwölf. – Meines Erachtens ist die Uhr schon bei zwei nach zwölf angekommen. Das haben wir in der Anhörung auch gehört. Es bieten sich keine sensiblen Schrittchen mehr an, sondern sind tatsächlich drastische Maßnahmen notwendig. Da haben auch die Ärztekammern und die Kassenärztlichen Vereinigungen zugestimmt. Daher sehe ich es an dieser Stelle mit einer gewissen Verwunderung, dass man sich darüber noch so empören kann.

Ich möchte Ihnen mit einigen Zahlen nahelegen, warum die Situation aktuell tatsächlich so drängend ist. Denn bereits in den letzten zehn Jahren – das ist maßgeblich unter rot-grüner Regierung passiert – haben wir einen Rückgang von Hausärzten in der Republik um 14 % gesehen. Das sind Tausende Hausärzte, die in Rente gegangen sind. Wir haben bereits 657 offene Stellen, die aktuell unbesetzt sind. Die Hausärzte, die wir in absehbarer Zeit produzieren, scheinen fast ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein.

34,1 % der Hausärzte sind jetzt über 60. Der Altersdurchschnitt liegt bei 55,7 Jahren. Das bedeutet, dass in den nächsten zehn Jahren weitere 15.000 Hausärzte in den Ruhestand gehen. Das ergibt in NRW pro anno einen zusätzlichen Bedarf, der zu den offenen Stellen hinzukommt, von 400 Hausärzten – und da sind diese Maßnahmen schon heruntergerechnet –, der zu stemmen ist.

Wir brauchen an dieser Stelle gar nicht mehr über die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen zu diskutieren. Diese Maßnahmen sind maximal geboten. Ich würde ich freuen, wenn dort noch weitere Schritte gegangen würden. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Dr. Vincentz. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Laumann das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit dem Thema der medizinischen Versorgung in unserem Land. Was die Situation der Versorgung der ländlichen Bevölkerung angeht, ist es nicht zwei Minuten nach zwölf, sondern schon Viertel nach zwölf.

In der Region, in der ich lebe, fehlen in dem dortigen Planbezirk mittlerweile elf Hausärzte. Ich lebe in einer Gemeinde mit 7.500 Einwohnern, in der es jetzt noch einen einzigen Arzt gibt. Vor drei Jahren hatten wir noch drei Ärzte.

Ich kriege jeden Tag mit, was das bedeutet. Die Menschen kommen zu mir und sagen: Ich habe ein Leben lang Krankenkassenbeiträge bezahlt. Jetzt ist unser Hausarzt in Rente gegangen – einer ist bei uns leider sogar verstorben –, und ich finde nirgendwo eine Hausarztpraxis, die mich aufnimmt. – Das sind Menschen, die in diesem Land 45 bis 50 Jahre gearbeitet haben und jeden Monat treu und brav die Krankenkassenbeiträge gezahlt haben.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich finde es von Rot-Grün schon ein bisschen arrogant, so, wie Sie es jetzt getan haben, über das Landarztgesetz zu reden.

(Beifall von der CDU)

Sie wissen, dass wir ein ganzes Bündel von Maßnahmen angepackt haben. Wir werden in wenigen Jahren im Land Nordrhein-Westfalen pro Jahr 2.400 Ärzte statt 2.000 Ärzte ausbilden. Wir sind neben Bayern das einzige Bundesland, das überhaupt die Ärzteausbildung in einem starken Umfang steigert. Warum haben Sie das nicht gemacht?

Dass wir uns für Bielefeld entschieden haben, liegt doch daran, dass die gesamte Ärzteausbildung historisch bis auf Münster im Rheinland konzentriert ist. Und es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Studienort und dem Ort, an dem man sich anschließend niederlässt. Deshalb haben wir Bielefeld gewählt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dafür muss man sich doch wohl nicht entschuldigen.

Als Nächstes will ich Ihnen sagen: Sie hätten auch Bielefeld nehmen können. Die Debatten gab es damals schon. Sie haben sich aber nicht dafür entscheiden können.

Wir setzen uns dafür ein, dass wir auch wieder lebensältere Ärzte aus den Krankenhäusern als Hausärzte in die Allgemeinversorgung bekommen. Seit Jahren entscheiden sich gerade einmal 10 % der Medizinstudenten für die allgemeinmedizinische Ausbildung. Es tut sich nichts. Als ich nach sieben Jahren wiederkam, gab es nur an einer einzigen Medizinischen Fakultät in Nordrhein-Westfalen eine Professur für Allgemeinmedizin. Warum haben Sie denn nichts gemacht?

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Es hat noch nicht einmal eine Professur für Allgemeinmedizin gegeben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Christian Dahm [SPD]: Das ist doch Quatsch!)

Ich kann Ihnen eines sagen: Rot-Grün hat die medizinische Versorgungsfrage auf dem Land nicht interessiert. Sonst hätte es nicht so weit kommen können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben jetzt ein ganzes Bündel von Maßnahmen geschnürt. Das Landarztgesetz ist eine Maßnahme davon.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ich frage einmal in drei Jahren nach, Herr Minister!)

Ein Nächstes: Ich bin mit dem Thema schon etwas länger unterwegs. Wenn ich im Sauerland oder im Münsterland zu diesem Thema geredet habe, zum Beispiel bei Landfrauen, waren die Säle voll, und es hat auch in der Lokalzeitung gestanden. Es war immer so, dass ich drei, vier, fünf Tage, nachdem es in der Lokalzeitung gestanden hat, Briefe von jungen Menschen bekam, die mir geschrieben haben: Lieber Herr Laumann, ich würde so gerne Landarzt werden. Aber ich kriege keinen Studienplatz,

(Beifall von der CDU und der FDP)

weil unsere Medizinischen Fakultäten der Abiturnote einen so hohen Stellenwert bei der Vergabe von Studienplätzen einräumen.

Da hätten Sie ja auch einmal mit den Medizinischen Fakultäten reden können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Herr Minister, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Nein, ich will jetzt erst einmal ausführen. – Deswegen müssen wir anders aussuchen. Ich will doch nicht junge Leute zwingen, gegen ihren Willen aufs Land zu gehen. Die Landarztquote muss vielmehr so funktionieren, dass wir aus den vielen Bewerbungen, die wir bekommen, diejenigen herausnehmen, die später gerne in einer ländlichen Region medizinisch tätig sein wollen. Dann wird daraus doch ein vernünftiger Schuh.

Pro Jahr 170 würden uns schon helfen. Natürlich dauert das jetzt so lange. Aber ich kann die sieben Jahre, in denen Sie leider regiert haben, nicht rückgängig machen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich bin wirklich sauer, wie Sie sich hier verhalten. Deshalb sage ich Ihnen auch etwas, was mich sehr nachdenklich macht. Als ich das erste Mal Minister wurde, war meine Vorgängerin Frau Fischer. Da war sie gerade nicht mehr Ministerin, sondern auf einmal im Vorstand der Barmer. Jetzt bin ich wieder Minister, und meine Vorgängerin hat einen Spitzenjob bei der Techniker Krankenkasse.

Ich kann Ihnen nur sagen: Ich erwarte von keiner Krankenkasse, dass sie mich einstellt, wenn ich einmal aus dem Amt gehe. Ich mache Politik für die Bürger und nicht für die Versorger.

(Lebhafter Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Ich werde durch das Land reisen und den Leuten sagen, dass Sie heute erklärt haben, dass Sie diese Frage nicht interessiert. Sie sind nicht bereit, Wege mitzugehen, zu denen Sie nur Ja sagen müssten.

(Widerspruch von der SPD)

Wir haben in Nordrhein-Westfalen die Situation, dass wir von den Kammern und von den Kassenärztlichen Vereinigungen in dieser Frage unterstützt werden. Wir haben in Nordrhein-Westfalen die Ärzte auf unserer Seite. Das ist in anderen Bundesländern nicht so. Dass Sie die ganze Arbeit, die ich über Jahre gemacht habe, so arrogant ignorieren, ist ein Schlag in das Gesicht der ländlichen Bevölkerung in diesem Land.

(Lebhafter Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gab zwei Zwischenfragen; aber die sollten nicht sein.

(Allgemeine Heiterkeit)

Daher habe ich keine weitere Wortmeldung mehr vorliegen und schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar erstens über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 17/3037. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in der Drucksache 17/4523, den Gesetzentwurf Drucksache 17/3037 unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer möchte zustimmen? – Das sind CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Kollege Neppe. Wer stimmt dagegen? – Das sind Grüne und SPD. Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/3037 angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zweitens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/4543 ab. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das sind die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Kollege Neppe. Wer enthält sich? – Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/4543 abgelehnt.

Ich rufe auf:

7   Gesetz zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3558

Beschlussempfehlung und Bericht
des Integrationsausschusses
Drucksache 17/4515

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU dem Abgeordneten Hoppe-Biermeyer das Wort.

(Unruhe – Glocke)

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit aktuell 140 Untergebrachten haben wir in Büren im Kreis Paderborn die bundesweit größte und landesweit einzige Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige, kurz UfA.

Diese 140 untergebrachten Personen sind keine Strafgefangenen; denn Abschiebungshaft ist keine Strafhaft. Entsprechend viele Freiheiten bietet das geltende, gerade erst einmal drei Jahre alte Abschiebungshaftvollzugsgesetz.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Anschlag vom Breitscheidplatz massive Auswirkungen auf die Arbeit der UfA in Büren hat. Bis dahin kam nach Büren, wer sich lediglich der Verpflichtung zur Ausreise entzogen hatte. Wer heute in der UfA in Büren auf seine Ausreise wartet, hat zudem meist noch eine kriminelle Vergangenheit.

Auf der einen Seite müssen natürlich die Rechte der untergebrachten Personen gewahrt bleiben. Auf der anderen Seite muss aber auch für den Schutz aller in Büren Untergebrachten und den Schutz der Bediensteten gesorgt werden.

Die veränderte Situation bildet das bisher geltende Abschiebungshaftvollzugsgesetz nicht ab. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelingt jedoch genau diese Gratwanderung zwischen dem Schaffen von Sicherheit für die Untergebrachten und das Personal einerseits und der Wahrung der Rechte der dort Untergebrachten andererseits. In die Anpassung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes sind auch die Erfahrungen eingeflossen, die in den letzten drei Jahren in Büren gesammelt wurden.

Was soll sich ändern?

Bisher erhält die UfA bei der Überstellung von Ausreisepflichtigen keine weiteren oder nur sehr wenige Informationen, zum Beispiel auch nicht darüber, ob die Person erkrankt ist oder als gefährlich eingestuft wird. In Zukunft wird die UfA bei der Aufnahme der Ausreisepflichtigen über sicherheitsrelevante Aspekte informiert, zum Beispiel über strafrechtliche Verurteilungen oder einen vorangegangenen Strafvollzug. Im Gegenzug werden die Polizeibehörden über die Entlassung von gefährlichen Personen aus der UfA unterrichtet.

Durch ein neues, maximal siebentägiges Zugangsverfahren wird es zukünftig möglich sein, nicht nur etwas über die medizinischen Bedürfnisse der Neuzugänge zu erfahren, sondern auch eine mögliche Gefährdung besser einschätzen zu können.

In der Vergangenheit stellte die Kamerafunktion von Mobiltelefonen eine Sicherheitslücke dar. Fotos und Videos von den Vollzugsbeamten, den in Büren Untergebrachten und der Einrichtung selbst gelangten über den freien Internetzugang nach außen. Um auch hier für mehr Sicherheit zu sorgen, wird die Nutzung von Mobiltelefonen eingeschränkt. Mobiltelefone mit Kamerafunktion werden den untergebrachten Personen für die Dauer der Unterbringung abgenommen und durch Telefone ohne Kamerafunktion leihweise ersetzt. So bleibt die Möglichkeit, zu telefonieren, gewahrt, ohne gleichzeitig ein Sicherheitsrisiko einzugehen.

Komplett ausgeschlossen wird in Zukunft der Besitz von Bargeld. Der Handel mit Drogen wird auf diese Weise erschwert. Ohne Bargeld sind die Untergebrachten auch besser vor Erpressung und Diebstahl geschützt.

Um aus einem guten Gesetzentwurf einen noch besseren zu machen, sind einige Anregungen aus der Anhörung in unseren Änderungsantrag eingeflossen.

Das neue Zugangsverfahren bleibt zentraler Bestandteil der Änderungen im Abschiebungshaftvollzugsgesetz.

Im geänderten Gesetzestext wird aber auch sichergestellt, dass es den in Büren Untergebrachten im Zugangsverfahren ausdrücklich gestattet ist, Kontakt zu Rechtsvertretern, Familienangehörigen, zuständigen Konsulaten und Hilfsorganisationen aufzunehmen.

In Bezug auf die Abgabe der Mobiltelefone mit Kamerafunktion ergänzt der Änderungsantrag, dass die privaten Kontaktdaten und private Dokumente auf das Leihgerät zu übertragen bzw. auszudrucken sind, soweit das technisch möglich ist.

Ich begrüße, dass der Änderungsantrag auch die Bestellung einer beschwerdebeauftragten Person durch das zuständige Ministerium vorsieht. Diese Person berichtet direkt der Einrichtungsleitung und dem Beirat. Aus meiner persönlichen Erfahrung als Beiratsmitglied in Büren kann ich sagen, dass das die Arbeit des ehrenamtlichen Beirates verbessern wird.

Ich bitte, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Denn damit wird gleichermaßen den in Büren Untergebrachten und denjenigen, die dort arbeiten, ein höheres Maß an Sicherheit gegeben, ohne den Grundsatz „Abschiebungshaft ist keine Strafhaft“ zu verletzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD erteile ich der Abgeordneten Frau Stock das Wort.

Ellen Stock (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Als wir im September 2018 hier bei der ersten Lesung dieses Änderungsgesetz debattiert haben, habe ich zwei Punkte besonders deutlich gemacht.

Erstens. Abschiebehaft ist keine Strafhaft. Die Untergebrachten dürfen demnach auch nicht wie Straftäter behandelt werden. Abschiebehaft stellt das allerletzte Mittel zur Sicherung der Ausreisepflicht dar.

Zweitens. Wir müssen den Gesetzentwurf in einer Sachverständigenanhörung noch genauer unter die Lupe nehmen und viele Stellen auf ihre rechtliche Belastbarkeit hin prüfen.

Mittlerweile haben wir eine umfangreiche Anhörung von Sachverständigen durchgeführt. Zusammenfassend kann man sagen: Das Urteil der Sachverständigen über den Gesetzentwurf ist nicht positiv ausgefallen.

(Beifall von der SPD)

Zu viele Punkte sind strittig und so nicht tragbar.

Kommen wir aber zunächst zu den positiven Aspekten des Gesetzentwurfs.

Generell ist zu begrüßen, dass im Änderungsantrag der Regierungsfraktionen noch einmal am Beschwerdemanagement nachgebessert wird. Trotzdem bleibt dieser Punkt immer noch unzureichend; denn die Sorgen und Nöte der Untergebrachten sollen nicht nur ausschließlich dem Einrichtungsleiter und dem Beirat zugetragen werden.

Außerdem begrüßen wir, dass das geplante Zugangsverfahren – aufgrund dessen nicht nur eine Gefährdungseinschätzung stattfindet, sondern auch Maßnahmen für das Erkennen von persönlichen Bedarfen ergriffen werden – und die besondere Schutzwürdigkeit von Untergebrachten einen höheren Stellenwert erfahren sollen. Allerdings können die vorgesehenen Verfahrenszeiten von bis zu einer Woche bei den Menschen, die separiert werden, doch Probleme aufwerfen. Hier müssen wir im Zweifel den Einzelfall prüfen.

Insgesamt kommen jedoch viele der angehörten Sachverständigen zu dem Schluss, dass der Gesetzentwurf deutliche Fragen zur Rechtssicherheit aufwirft. An vielen Stellen sind geltendes Recht und geltende Richtlinien dem entgegengestellt. Der Entwurf betont stark den Wunsch nach Sicherheit und Ordnung, versäumt aber an vielen Stellen, die Rechte der Betroffenen zu sichern.

Insbesondere die vorgesehenen Ordnungsmaßnahmen sehen wir kritisch, zumal uns immer noch keine Details darüber vorliegen, wie sie im Einzelfall ausgestaltet sein sollen.

Darüber hinaus können neben Gewalttätern auch weitere Personen von Ordnungsmaßnahmen betroffen sein. Das ist ebenfalls nicht kritiklos hinzunehmen. Denn generell sollten Disziplinar- und Ordnungsmaßnahmen ausschließlich in extremen Fällen zum Einsatz kommen. Diese eingeschränkten Ordnungsmaßnahmen müssen in jedem Einzelfall notwendig und verhältnismäßig sein.

Auch verunsichern die fehlende klare Strategie und die fehlende sachliche Aufklärung über die anzuwendenden Ordnungsmaßnahmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung. Es fehlt die Handlungssicherheit für die Bediensteten.

Die Intention, die Gefahrenabwehr zu stärken, können wir zwar nachvollziehen. Dennoch muss sie auf dem Boden geltender Bestimmungen geschehen und darf sich nicht zum Nachteil eines Großteils der Betroffenen auswirken. Und ob dieses Gesetz überhaupt der richtige Ort für die angestrebte verbesserte Gefahrenabwehr ist, sei dahingestellt.

Wir behalten uns vor, die Verfassungsmäßigkeit der geplanten Gesetzesänderung prüfen zu lassen, und lehnen den Gesetzentwurf sowie den Änderungsantrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP erteile ich nun dem Abgeordneten Lenzen das Wort.

Stefan Lenzen (FDP): Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die konsequente Durchsetzung einer Ausreisepflicht von Menschen, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben, ist Bestandteil der Politik der NRW-Koalition. Gerade auch bei Fragen von Migration und Integration setzen wir auf klare Regeln und mehr Verbindlichkeit.

(Beifall von der FDP)

Dabei hat für uns die Rückführung von Straftätern und Gefährdern höchste Priorität. Wir brauchen dazu auch Abschiebungshaft, um eine Abschiebung bei Personen, bei denen ein Untertauchen zu befürchten ist, überhaupt durchführen zu können.

In der Anhörung haben wir von den praktischen Problemen im Vollzug in Pforzheim gehört. Dem Beitrag des entsprechenden Sachverständigen konnten wir auch entnehmen, dass es, während das früher Einzelfälle waren, jetzt bis zu 15 % der Insassen sind, die einen strafrechtlichen Hintergrund gerade in den Bereichen von Drogenkriminalität, Erpressung oder tätlichen Angriffen haben – um exemplarisch nur ein paar Punkte zu nennen. Diese Personen werden also quasi von der Strafhaft in die Abschiebungshaft importiert.

Ich denke, es ist wichtig, noch einmal kurz zu verdeutlichen, warum wir diese Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes – inklusive der von der NRW-Koalition beantragten Änderungen; dabei haben wir auch sachdienliche Hinweise aus der Anhörung aufgenommen – auf den Weg bringen.

Es geht hier doch darum, auch Änderungen zum Schutz der Beschäftigten und der übrigen Untergebrachten vorzunehmen. Ich finde, in der Diskussion, insbesondere beim Redebeitrag der Kollegin Stock, geht ab und zu unter, dass es nicht immer darum geht, Sicherheit gegen Freiheit auszuspielen. Das Ziel des Integrationsministers Dr. Joachim Stamp und der NRW-Koalition ist ganz klar, die Beschäftigten und die anderen Insassen zu schützen. Es ist wichtig, klarzustellen, weswegen wir Änderungen vornehmen müssen.

(Beifall von der FDP)

Für die Wahrung der Sicherheit brauchen wir klare Regeln. Man muss erhebliches Fehlverhalten sanktionieren können, und das muss auch spürbar sein. Dafür brauchen wir eine gesetzliche Anpassung.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben die Kritik aus der Anhörung aufgenommen und entsprechend ausgewertet. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch die Hoffnung, die SPD sei bereit, an einer konstruktiven Lösung mitzuarbeiten. Bei den Grünen hatte ich den Eindruck, das wird fundamental abgelehnt. In der Auswertung der Anhörung hatten Sie sich doch eher konstruktiv gezeigt, und im letzten Ausschuss war es eine reine Formaldebatte. Immerhin sind Sie, Frau Stock, auch inhaltlich auf die Gesetzesänderung und den Änderungsantrag von CDU und FDP eingegangen.

(Ellen Stock [SPD]: Schön, dass Ihnen das aufgefallen ist!)

Das nehme ich erst einmal positiv zur Kenntnis.

(Christian Dahm [SPD]: Habt ihr das nicht erwartet?)

Aber am Ende hatte ich wieder den Eindruck, es liegt Ihnen weniger an der sachlichen Diskussion, und Sie wollten den Gesetzentwurf generell ablehnen. Sie haben dann noch versucht, die Kurve zu kriegen.

(Ellen Stock [SPD]: Nein, das ist mir gelungen!)

Letzten Endes haben wir die begründete Kritik der Verbände aufgegriffen und den Gesetzentwurf an entscheidenden Stellen verbessert. Zu nennen ist hier zum Beispiel die Beschränkung im Zugangsverfahren. Dies gilt nicht mehr generell, sondern es wird der Einzelfall betrachtet und auf dem Ermessenswege auf Grundlage der entsprechenden Erkenntnisse entschieden. Wir haben in den entsprechenden Zugangsverfahren die verbundenen Eingriffe, beispielsweise hinsichtlich psychischer Belastungen, reduziert und für mehr Flexibilität gesorgt.

(Ellen Stock [SPD]: Herr Lenzen, jeder kommt in das Zugangsverfahren rein!)

Wichtig ist außerdem – das hat der Kollege Bernhard Hoppe-Biermeyer ausgeführt – die Kontaktaufnahme zu Rechtsvertretern und anerkannten Hilfsorganisationen; das haben wir klargestellt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Übertragung von Daten aus Mobiltelefonen mit Kamerafunktion. Wo kann man das ermöglichen und wo nicht, weil eine Missbrauchsgefahr besteht?

Entscheidend war zudem – und dazu hätte ich die Zustimmung der SPD erwartet – in Bezug auf den Beirat die unabhängige Beschwerdestelle, die wir auf den Weg bringen, die Diskussion im letzten Ausschuss darüber, ob das eine wesentliche Änderung ist und ob wir dazu noch eine Anhörung beantragen sollten. Ich hatte den Eindruck, Ihnen ging es gar nicht mehr darum, das Beschwerdemanagement zu verbessern,

(Ellen Stock [SPD]: Das muss der Beirat gesondert abstimmen! Aber das liegt nur am Beirat!)

sondern Sie wollten das Ganze nur noch verzögern, Frau Stock.

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie die Stellungnahmen der Wohlfahrtspflege und des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e. V.“ gelesen hätten, dann hätten Sie diesen Vorschlag erkannt. Dort wurde es nämlich explizit angesprochen, und es wurde zudem in der Anhörung erörtert. Wir haben diesen Vorschlag aufgenommen.

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Änderungsantrag zum Abschiebehaftvollzugsgesetz greifen wir die Probleme in der Abschiebehaft auf. Die bestehenden Probleme existieren nicht erst seit gestern, aber wir haben sie erkannt und packen sie an. Das ist der entscheidende Unterschied zu Rot-Grün.

(Ellen Stock [SPD]: Da waren aber noch nicht so viele Leute bei uns! Die Probleme waren ganz andere!)

Wir ermöglichen mit klaren rechtsstaatlichen Regeln einen sicheren Vollzug. Das ist ein wichtiger Schritt für die UfA Büren. Wir werden aber auch weitere Aspekte wie den Ausbau der Kapazitäten und der Personalsituation angehen. Wir handeln, Sie haben nur lamentiert. In diesem Sinne werden wir dem Gesetzentwurf mitsamt den Änderungen zustimmen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP – Christian Dahm [SPD]: Das ist doch ein Quatsch!)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Grünen erteile ich nun der Abgeordneten Kollegin Aymaz das Wort.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die Abschiebehaftanstalt Büren ist in letzter Zeit immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Mal waren es Ausbrüche und Fluchtversuche, dann Berichte über Gewalt und schließlich auch die traurige Meldung über den Suizid eines Insassen. Nicht zuletzt der Bericht der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter hat gravierende Missstände und Maßnahmen offengelegt, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich war persönlich mehrfach vor Ort, habe mir ein genaues Bild von der Einrichtung gemacht und viele Gespräche mit der Leitung, dem Personal und teilweise auch mit den Insassen geführt. Ich möchte hier keineswegs ausblenden, dass es Probleme in der Einrichtung gibt, die wir nicht unter den Teppich kehren dürfen. Doch ich bezweifele, dass dieser Gesetzentwurf mit seinen massiven Verschärfungen der richtige Ansatz und der richtige Ort für die Lösung der Probleme in der Einrichtung sind.

(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])

Die vorliegende Gesetzesnovelle hat auch bei den Sachverständigen tiefgreifende Kritik provoziert, und an einigen Punkten wird sogar die Verfassungsmäßigkeit bezweifelt.

Führen wir uns noch einmal ein zentrales Merkmal der Abschiebehaft vor Augen, nämlich dass sie kein klassischer Justizvollzug, sondern lediglich ein Zwangsinstrument zur Durchsetzung einer Verhaltenspflicht ist, und zwar hier zur Ausreisepflicht, dann wird auch sehr deutlich, wie hier gerade eine Verschiebung vonstattengeht.

Auch der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Grundsatzurteil 2014 eindeutig klargestellt, dass Menschen in Abschiebehaft keine Straftäter sind und daher auch nicht annähernd als solche behandelt und untergebracht werden dürfen.

(Beifall von den GRÜNEN – Monika Düker [GRÜNE]: Richtig!)

Das heißt, die Abschiebehaft muss ein möglichst normales Leben zulassen, ohne vollständige Bewegungsfreiheit für die Betroffenen. Genau von diesem Grundsatz verabschiedet sich die Landesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. Das Prinzip „so viel Freiheit wie möglich“ wird faktisch aufgegeben, und das macht mich fassungslos, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Abschiebehaftbedingungen werden also immer weiter den Strafhaftbedingungen angeglichen, ohne sie deckungsgleich zu machen.

Ein herausstechendes Beispiel hierfür ist die sogenannte Zugangsuntersuchung. Der Gesetzentwurf sieht für alle neuen Insassen der Abschiebehaft grundrechtseinschränkende Maßnahmen von bis zu einer Woche vor. An diesem Vorhaben, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ändert auch Ihr Änderungsantrag nichts Substanzielles. Dass die Zugangsuntersuchung nun „Zugangsverfahren“ heißen soll, ist eher ein Jonglieren mit Begrifflichkeiten statt einer wirklich inhaltlichen Korrektur, der es bedurft hätte.

Die Möglichkeiten, einzukaufen, an Freizeit‑ und Sportaktivitäten teilzunehmen, Besuch zu empfangen und zur Telekommunikation sollen jetzt zwar nach dem Änderungsantrag nicht mehr automatisch völlig ausgeschlossen werden; ein Ausschluss bleibt aber weiterhin möglich. Das Schlimme ist – das wird auch in Ihrem Änderungsantrag absolut nicht berücksichtigt –, dass noch nicht einmal die Kriterien genannt werden, wann diese Einschränkungen denn stattfinden sollen.

Auch zahlreiche andere Kritikpunkte aus der Anhörung werden vollständig ausgeblendet und finden nicht im Ansatz Berücksichtigung. So bleibt weiterhin die Vermengung von der Sicherung einer Abschiebung mit zahlreichen anderen sogenannten Aufgaben, die mit dem Zweck der Abschiebungshaft einfach gar nichts zu tun haben. Dies führt dazu, dass daraus weitere, neue, höchst fragwürdige Rechtseinschränkungen herangezogen werden können.

Von all diesen Verschärfungen, bei denen zum Teil sogar die Verfassungsmäßigkeit infrage gestellt werden kann, lässt sich auch nicht ablenken, indem die Regierungsfraktionen nun mit ihrem Änderungsantrag einen Beschwerdebeauftragten einrichten wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist zwar nice to have;

(Stefan Lenzen [FDP]: Aha!)

aber es ändert nichts an der Tatsache, dass den Betroffenen kaum wirksame Rechtsmittelmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden.

Meine Damen und Herren, die schwarz-gelbe Landesregierung vollzieht mit diesem Gesetzentwurf einen deutlichen Kurswechsel bei der Abschiebungshaft. Mit dem Ausbau der Kapazitäten geht spürbar die Verschärfung der Unterbringungsbedingungen für alle Insassen einher. Abschiebungshaftgefangene werden faktisch unter den Generalverdacht gestellt, Straftaten zumindest verüben zu wollen. Das ist eine Unverhältnismäßigkeit, die nur schwer mit unserem Grundgesetz in Einklang zu bringen ist.

Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die AfD-Fraktion hat nun die Abgeordnete Frau Walger-Demolsky das Wort.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Niemand muss in Abschiebehaft. Jeder kann sich aussuchen auszureisen, wenn er dazu aufgefordert wird. Das sollten wir mal voranstellen.

(Beifall von der AfD)

Jetzt haben wir von vornherein sehr unterschiedliche Kriterien zur Beurteilung dieses Änderungsgesetzes. Es gibt die einen, die schon gegen die Ausreiseaufforderung sind, die sowieso gegen Ausweisung sind. Es gibt die anderen, die einen möglichst großen Freiraum wollen. Dann gibt es die dritten – dazu zähle ich uns auch –, die eine Situation schaffen wollen, in der diese Einrichtung sicher ist für diejenigen, die dort arbeiten, die dort untergebracht sind, und für jeden Einzelnen auch für sich selbst.

Wenn man alles Revue passieren lässt, was in den letzten Monaten, in den letzten anderthalb Jahren dort so passiert ist, war das nicht immer gegeben. Das lag unter anderem daran, dass die Einrichtungsleitung überhaupt nicht weiß, wer bei ihr einzieht. Das wird wohl auch in Zukunft in Teilen so bleiben; deswegen auch diese Eingangszeit, in der es die Möglichkeit geben muss zu schauen: Welchen besonderen Bedarf hat derjenige, der zu uns kommt? Welche besonderen Gefahren gibt es vielleicht?

Wir gehen hier von Menschen aus, die möglicherweise schon eine kriminelle Vergangenheit haben. Manche haben eine Zeit lang in der Illegalität verbracht. Sie sind dann vielleicht irgendwo aufgegriffen worden und kommen in die Unterbringung für Ausreisepflichtige. Dort treffen sehr unterschiedliche Biografien aufeinander. Nicht alle sind gefährlich für sich selbst oder für den anderen oder für den Mitarbeiter, aber eben manche. Deshalb muss es der Anstaltsleitung möglich sein, diese von vornherein möglichst schnell zu erkennen.

Wichtig ist, dass inzwischen auch wieder ein Psychologe dort angestellt ist. Es sind natürlich schwierige Zeiten, wenn solches Personal fehlt. Das halte ich auch für die Beurteilung der Situation für dringend geboten. Aber auch das ist passiert.

Mir wäre es lieb, wenn mehr Bundesländer unseren Weg gingen, wenn wir nicht über 30 % der Plätze für Ausreisepflichtige in Deutschland stellen würden. Mir wäre es auch lieb, wenn wir nicht nur einen Ort hätten, sondern vielleicht zwei, wenn zum Beispiel nicht 170 oder in der Spitze 180 Leute dort untergebracht werden können, sondern nur 100 und dafür an einer anderen Stelle noch einmal 100. Das wäre mir lieber, aber es ist ja nun mal kein Wünsch-dir-Was.

Im Großen und Ganzen sind sowohl der Gesetzentwurf als auch die Änderungen, die sich sicherlich aus der Anhörung ergeben haben, sehr sinnvoll.

Noch ein Wort zur Anhörung: Frau Stock, Sie sagten, die Anhörung war im Großen und Ganzen negativ. Kein Wunder bei den Experten, die dort saßen. Viele von ihnen sind generell gegen jegliche Ausweisung. Gegen eine Unterbringung, um diese Ausweisung durchzusetzen, sind die auch. Also wundert es mich nicht, dass die gegen dieses Gesetz sind.

Wir werden sowohl für den Gesetzentwurf als auch für den Änderungsantrag stimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Danke, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein wichtiges Ziel der Landesregierung, Straftäter und Gefährder konsequent abzuschieben. Sie wissen, dass ich das in aller Konsequenz tue.

Dafür haben wir unter anderem einen Gesetzentwurf zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen vorgelegt. Er soll im Kern dazu dienen, die Sicherheit in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige sowohl für die Ausreisepflichtigen selbst als auch für das Personal zu verbessern.

Frau Kollegin Aymaz, Sie ignorieren in Ihren Ausführungen, dass sich die Zusammensetzung derjenigen, die dort in der UfA Büren untergebracht sind, in den letzten anderthalb Jahren erheblich verändert hat.

(Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Waren es früher einfach Einzelne, die sich, wie Sie es eben beschrieben haben, einer Rückführung entzogen haben, sind es jetzt häufig auch diejenigen, die lange Straftaten abgesessen haben, die Gefährder sind und die sich möglicherweise auch zu einer Gefahr für die anderen dort in der Einrichtung Untergebrachten und für das Personal entwickeln können. Dementsprechend mussten wir reagieren.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Die Sachverständigen haben in ihren schriftlichen Stellungnahmen und in der Sitzung des Integrationsausschusses am 7. November eingehend zu dem Gesetzentwurf zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen Stellung genommen. Für die wesentlichen Regelungen des Gesetzentwurfs besteht demnach kein Änderungsbedarf.

Aus der Anhörung haben sich aber einige hilfreiche Hinweise und Anregungen ergeben. Ich habe immer gesagt: Mir bricht kein Zacken aus der Krone, wenn man einen Gesetzentwurf verändert, wenn man einen Gesetzentwurf besser macht. Für mich ist das auch ein gutes Zusammenwirken von Regierung und Parlament.

Deshalb begrüße ich ausdrücklich den Änderungsantrag der Fraktion von CDU und FDP, der die Ergebnisse der Anhörung aufgreift, meine Damen und Herren.

Zum einen wird in dem Änderungsantrag ein unabhängiges Beschwerdemanagement in der Unterbringungseinrichtung vorgeschlagen. Vorbild ist dafür das Konzept in den Landesaufnahmeeinrichtungen. Wir nehmen dies auf. In der Unterbringungseinrichtung wird zukünftig eine vom Land beauftragte Person vor Ort tätig sein. Sie wird die Beschwerden von Untergebrachten entgegennehmen und dazu Kontakt zu Behördenleitungen aufnehmen. Über die Ergebnisse der Beschwerden wird dann auch dem Beirat berichtet.

Wir nehmen darüber hinaus weitere Vorschläge aus dem Änderungsantrag auf. Der Katalog über den Freiheitsentzug hinausgehender Beschränkungen wie beispielsweise beim Besuchsrecht, bei der Handynutzung, beim Internetzugang im Zugangsverfahren wird abgeändert. Die Beschränkung der Bewegungsfreiheit und anderer Rechte im neuen Zugangsverfahren bleiben zwar weiter möglich, der Umfang der Beschränkung soll aber stärker auf den Einzelfall bezogen sein.

Die ursprüngliche Regelung zur Untersagung der Besuchsmöglichkeiten allein aus organisatorischen Gründen wird dahin gehend geändert, dass nur noch unabwendbare organisatorische Gründe eine solche Untersagung von Besuchen rechtfertigen können. Bei eingezogenen privaten Handys mit Kamerafunktion schließlich sollen private Kontaktdaten auf das zur Verfügung gestellte Handy übertragen werden. Soweit dies technisch nicht möglich ist, soll in vertretbarem Umfang auch Ausdruck erfolgen.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf eine gute Balance zwischen den Freiheitsrechten der Untergebrachten und den gestiegenen Sicherheitsanforderungen gefunden haben. Die neu vorgesehenen Beschränkungsmöglichkeiten beziehen sich im Wesentlichen auf besondere Situationen und besondere Personengruppen. Damit werden sich die Abschiebungshaft und der Abschiebungshaftvollzug auch in Zukunft weiter deutlich vom Strafvollzug unterscheiden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Integrationsausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4515, den Gesetzentwurf Drucksache 17/3558 in der Fassung der Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung Drucksache 17/4515 und nicht über den Gesetzentwurf.

Wer möchte hier zustimmen? – Das sind CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Wer ist dagegen? – Das sind SPD und Grüne. Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/3558 in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4515 angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Ich rufe auf:

8   Ausführungsgesetz zu § 47 Abs. 1b AsylG

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2993

Beschlussempfehlung und Bericht
des Integrationsausschusses
Drucksache 17/4516

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die CDU dem Abgeordneten Franken das Wort.

Björn Franken (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir im Juni 2017 das Steuer hier in Nordrhein-Westfalen übernommen haben, standen wir als Koalition von CDU und FDP einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber. Die Erblast der rot-grünen Regierung war enorm, fast kein politischer Bereich, der ohne große Baustellen in Empfang genommen werden konnte. Doch es gab einen Bereich, der auch in der Öffentlichkeit im besonderen Fokus stand. Das war die Flüchtlingspolitik.

Gerade hier in Nordrhein-Westfalen haben wir seit Beginn der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 besondere Anstrengungen unternommen. Wir spüren noch heute die Chancen, aber auch die Herausforderungen der Integration, die bis heute wirken. Insbesondere unsere Kommunen haben Enormes geleistet in organisatorischer, in personeller, aber gerade in finanzieller Hinsicht.

Mit dieser Herkulesaufgabe standen die Verantwortlichen vor Ort speziell durch Rot-Grün viel zu lange allein. Zum Glück regieren jetzt CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen. Denn wir lösen unser Wahlkampfversprechen ein und geben die Integrationspauschale des Bundes, immerhin mehr als 430 Millionen Euro allein in 2019, in vollem Umfang an unsere Kommunen weiter und helfen so, die Not zu lindern.

(Beifall von der CDU und der FDP – Klaus Voussem [CDU]: Jawohl!)

Außerdem packen wir mit dem im April verabschiedeten Asylstufenplan eine seit Jahren liegen gelassene überfällige Restrukturierung des Aufnahmesystems zur Steuerung von asylsuchenden Flüchtlingen an.

(Henning Rehbaum [CDU]: Sehr gut!)

Unser Ziel ist es, unsere Kommunen in drei Stufen konsequent und nachhaltig zu entlasten, indem jetzt Asylverfahren beschleunigt werden und Rückführungen direkt aus den Landeseinrichtungen erfolgen.

(Beifall von der CDU)

Den Kommunen sollen nur noch anerkannte Flüchtlinge oder Personen, die Bleibeperspektiven haben, zugewiesen werden. Das entlastet die kommunale Verwaltung, das entlastet das Ehrenamt vor Ort, und das fördert die gelingende Integration hier in Nordrhein-Westfalen.

(Jens-Peter Nettekoven [CDU]: Genau so!)

Daran knüpft der vorliegende Gesetzentwurf an. Die maximale Aufenthaltsdauer für Asylsuchende ohne eine Bleibeperspektive soll von bisher sechs auf 24 Monate verlängert werden können. Damit machen wir von § 47 Abs. 1b des Asylgesetzes Gebrauch. Danach gibt der Bund den Ländern die Möglichkeit, die Dauer des Aufenthalts in den Landeseinrichtungen zu verlängern, so lange, bis eine Entscheidung des BAMF erfolgt ist.

Für Familien mit minderjährigen Kindern wird diese Verlängerung der maximalen Aufenthaltsdauer nicht gelten. Auch ohne den Erstbescheid werden Erziehungsberechtigte mit minderjährigen Kindern spätestens nach vier bzw. sechs Monaten den Kommunen zugeteilt. Zwar gilt für Kinder und Jugendliche während des Aufenthalts keine Schulpflicht; dennoch wollen wir Angebote unterbreiten. Natürlich haben wir das Freizeitangebot für alle Betroffenen während des Aufenthalts im Blick, damit es nicht zu Langeweile und damit zu Frust kommt.

Mit dem Asylstufenplan und der Weitergabe der Integrationspauschale des Bundes ab dem kommenden Jahr zu 100 % haben wir zwei zentrale Hürden genommen: erstens die Restrukturierung des staatlichen Asylsystems und zweitens die finanzielle Unterstützung der Kommunen.

Nichtsdestotrotz wissen wir, dass noch viel Arbeit vor uns liegt. Deswegen fordern wir nach wie vor – wie unser Minister auf Bundesebene – den nationalen Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen sowie ein länderübergreifendes Einwanderungs- und Aufenthaltsgesetzbuch.

Nordrhein-Westfalen ist seit Jahrzehnten ein Zuwanderungsland. Uns, die wir hier leben, zeichnet aus, dass wir Menschen aus anderen Ländern und Kulturen willkommen heißen. Damit das so bleibt, räumen wir die Baustelle, die Rot-Grün hinterlassen hat, auf und arbeiten weiterhin mit Ruhe, mit Sachlichkeit und mit Überzeugung daran, dass Integration in NRW bei denen gelingt, die auf Schutz angewiesen sind, und konsequentes Handeln und schnellere Entscheidungen bei denen erfolgen, die unseren Schutz nicht in Anspruch nehmen dürfen oder ihr Gastrecht missbrauchen.

(Beifall von der CDU)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schöpfen wir unsere Möglichkeiten konsequent aus. Wir schaffen Struktur und entlasten unsere Kommunen. Das haben wir vor der Wahl versprochen, und das halten wir nach der Wahl als NRW-Koalition auch ein. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD hat nun der Abgeordnete Yetim das Wort.

Ibrahim Yetim (SPD): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Franken, lassen Sie mich auf zwei Dinge kurz eingehen.

Erstens haben Sie versprochen, die Integrationspauschale direkt nach der Wahl, direkt in diesem Jahr weiterzugeben. Das haben Sie nicht getan.

(Henning Rehbaum [CDU]: Die war ja schon weg! – Daniel Sieveke [CDU]: Die war ja weg! Die war schon ausgegeben!)

Nachdem der ganze Druck kam, haben Sie es dann doch gemacht.

Zweitens haben Sie gerade behauptet, die rot-grüne Landesregierung hätte die Kommunen in der Zeit, in der wir so viele Flüchtlinge bekommen haben, im Stich gelassen. Das ist überhaupt nicht wahr; denn wenn Sie sich mit der Thematik beschäftigt hätten, dann wüssten Sie, dass wir in dieser Zeit in einem Jahr ungefähr 330.000 Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen hatten, die wir versorgen mussten, die wir betreuen mussten,

(Daniel Sieveke [CDU]: Sie nicht! Die Kommunen haben das getan! – Weitere Zurufe von der CDU)

die zum Teil weitergegangen sind. – Sie beschäftigen sich jetzt gerade damit, dass wir in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen 23.000 Flüchtlinge haben! Ich will Ihnen mal ganz deutlich was sagen:

(Daniel Sieveke [CDU]: Sie haben das gar nicht gemacht! Die Kommunen haben das gemacht!)

Wenn Sie die Zustände hätten, die wir hier 2015/2016 hatten, wären Sie abgesoffen. Dann wären Sie abgesoffen,

(Daniel Sieveke [CDU]: Die Kommunen haben das gemacht!)

aber ganz sicher. Ganz sicher!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Die Kommunen haben das gemacht!)

Das, was wir hier mit Rot-Grün hinbekommen haben, hätten Sie mit diesem Kabinett nicht hinbekommen, um das an der Stelle auch ganz deutlich zu sagen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Sie haben die Kommunen im Regen stehen lassen! Das ist die Wahrheit!)

Schreiben Sie sich das hinter die Ohren. Sie sind mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Sie wehren sich gegen den Rechtsstaat. Sie müssen sich ständig rechtfertigen. Damit sind Sie beschäftigt. Mit der Situation, die wir hatten, wären Sie nicht klargekommen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Das ist dummes Zeug!)

Ich bin den Kommunen sehr dankbar. Ich bin genauso dem THW, dem Deutschen Roten Kreuz und allen Ehrenamtlichen, die uns in dieser Situation geholfen haben, sehr dankbar.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Das war nämlich ein Zusammenspiel zwischen Landesregierung,

(Daniel Sieveke [CDU]: Nee, nee, nee, nee!)

Organisationen, Ehrenamtlichen und den Kommunen.

(Henning Rehbaum [CDU]: Das war die falsche Reihenfolge!)

Das war das Zusammenspiel.

(Zuruf von der CDU: Das war die falsche Reihenfolge!)

Diese Situation hätten Sie nicht gemeistert.

(Zuruf von der CDU: Was haben Sie denn damals für die Kommunen ausgegeben?)

Jetzt zu diesem Gesetzentwurf – hören Sie zu! –: Bundesinnenminister Seehofer plant ja, die Menschen in seinen Ankerzentren bis zu 18 Monate festzuhalten. Diese Mitte-rechts-Koalition, Kolleginnen und Kollegen, will das bis zu zwei Jahren machen.

(Zurufe von der CDU)

Schauen wir mal, wer hier eigentlich schärfer ist. Also, Seehofer ist da ja noch ein Waisenkind, um das mal deutlich zu sagen. Diesen Gesetzentwurf haben wir in einer Anhörung mit vielen Expertinnen und Experten beraten. Alle – alle! – haben diesen Gesetzentwurf nicht begrüßt. Es gab scharfe und sehr deutliche Kritik daran. Auch das will ich ganz deutlich sagen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Und Amnesty International?)

Der Ministerpräsident hat ja heute Morgen in der Haushaltsdebatte gesagt, dass diese Landesregierung auf die Meinungen der Experten, auf den Sachverstand aus den Anhörungen eingeht. Ich hoffe, dass wird an dieser Stelle auch passieren.

Diese Mitte-rechts-Koalition, Kolleginnen und Kollegen, hat ja immer behauptet, das Gesetz würde dazu führen, dass die Kommunen entlastet werden.

Ich glaube, es ist das Gegenteil, Es werden höhere Folgekosten entstehen. Das haben die Expertinnen und Experten auch gesagt.

Gerade Sie, Herr Minister Stamp, müssten eigentlich wissen, dass eine Isolation der ankommenden Menschen für eine so lange Zeit für die Integration schädlich ist. Das ist schädlich für den Spracherwerb. Das ist schädlich für den Arbeitsmarktzugang. Es ist schädlich für den Kontakt zu der hier lebenden Bevölkerung. Damit wiederholen Sie die Fehler aus der Vergangenheit.

Auch die kommunalen Spitzenverbände haben deutlich gemacht, dass Menschen nicht zwei Jahre lang verwahrt werden dürfen. Der Vertreter der Stadt Essen hat darauf hingewiesen, dass sich eine Zuweisung nach zwei Jahren verstärkend ungünstig auswirken könnte.

Darüber hinaus wurde noch mal sehr deutlich, wie fatal das Ganze auch gesundheitspolitisch ist. Wir haben zum Teil traumatisierte Flüchtlinge. Die bekommen noch mehr Traumata obendrauf, wenn sie zwei Jahre in diesen Einrichtungen sind. Wir haben Berichte aus Ellwangen, auch bei uns aus Oerlinghausen; wir haben den Bamberger OB. Sie alle warnen vor diesen Masseneinrichtungen. Sie sagen alle, das ist gefährlich.

Dazu kommt auch noch, dass es ein Verstoß gegen die Kinderrechtskonvention ist. Auch das haben uns Expertinnen und Experten gesagt. Der Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, sieht die Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention in den Lagern gefährdet.

(Daniel Sieveke [CDU]: Welche Lager? Das ist eine Frechheit, Herr Kollege! – Zurufe von der FDP)

Die GdP warnt vor Enge, vor karger Versorgung, vor Isolation und einem erheblichen Aggressions- und Gefährdungspotenzial.

(Henning Höne [FDP]: Sprachliche Entgleisung! – Zurufe von der CDU)

In unserer Anhörung hat der Vertreter der Freien Wohlfahrtspflege von einer Kasernierung gesprochen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Das macht es nicht besser!)

All das, Kolleginnen und Kollegen von der Mitte-rechts-Koalition, sollten Sie sich zu Gemüte führen. Sie sollten sich mal überlegen, ob das das Richtige ist. Vielleicht hören Sie damit auf, die Expertinnen- und Expertenmeinungen auszublenden, und wir kommen zu einer vernünftigen Lösung.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Denn die Kommunen werden jetzt vielleicht kurzfristig entlastet. Kurzfristig entlastet! Aber die Folgekosten aufgrund dieser zwei Jahre werden erheblich sein. Diese Lager,

(Daniel Sieveke [CDU]: Entschuldigen Sie bitte!)

die Minister Stamp plant, sind eine Gefahr für unsere Gesellschaft, eine Gefahr für die Integration. Diese Zeit, die sie darin verbringen, ist viel zu lang. Deswegen werden wir das auch ablehnen.

(Beifall von der SPD – Henning Höne [FDP]: Es ist unglaublich. Was Sie damit andeuten, ist unter aller Sau! Was Sie damit verharmlosen, Herr Yetim, das wissen Sie überhaupt nicht!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lenzen.

Stefan Lenzen (FDP): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht kommt später noch die Einsicht des Kollegen Yetim, ein bisschen verbal abzurüsten.

Bleiben wir aber bei der Sache: Worum geht es bei der entsprechenden Gesetzesänderung? Warum müssen wir hier handeln? – Wir als NRW-Koalition und gerade auch als Freie Demokraten, die den Integrationsminister stellen, stehen für eine geordnete Migrationspolitik. Die erfordert klare Regeln. Das ist doch zunächst ein entscheidender Punkt.

Mit dem Asylstufenplan des Landes, mit dem heute hier zu verabschiedenden Gesetz, differenzieren wir ganz klar, welche Menschen zu uns kommen, ob sie eine gute oder eine sehr geringe Bleibeperspektive haben. Diese Unterscheidung ist in zweierlei Hinsicht wichtig.

Wenn wir bei dieser Vergangenheitsbewältigung sind, war ich gerade beim Kollegen Yetim vielleicht im falschen Film.

(Daniel Sieveke [CDU]: Der ist im falschen Film!)

Wir hatten die Situation vorgefunden, dass die Kommunen gerade unter den Kosten für die Geduldeten mehr als über die Maßen belastet sind. Dann ist es doch richtig, dass wir in zweierlei Hinsicht als NRW-Koalition tätig geworden sind und das jetzt konsequent so umsetzen, dass wir die Gemeinden bei den Geduldeten entlasten, indem wir nur die mit guter Bleibeperspektive verteilen möchten.

(Beifall von der FDP und Daniel Sieveke [CDU])

Aufgrund der Gesetzesänderung können wir auch diejenigen mit einer geringen Bleibeperspektive bis zu 24 Monaten in den Landeseinrichtungen belassen. Man muss wirklich betonen, dass es Landeseinrichtungen sind. Der gerade gezogene Vergleich und der gewählte Sprachgebrauch von „Lager“, „Ankerzentren“ hinkt nicht nur, sondern ist verbal absolut daneben.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Kommen Sie doch zur Sache!)

Wer solche Behauptungen in den Raum stellt, der hat sich mit der Sache nicht beschäftigt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir werden in den Einzelplan 07 100 Millionen Euro zur Umsetzung des Asylstufenplans fließen lassen, um natürlich, da die Menschen länger in einer Landeseinrichtung verbleiben, das finanziell zu unterstützen. Das Geld kann für Personal, bauliche Maßnahmen, Freizeit- und Bildungsangebote eingesetzt werden. Wir machen ja nicht einfach einen Asylstufenplan und begleiten das nicht finanziell. Das tun wir und machen es konsequent.

Wir hörten Äußerungen, die in die Richtung gingen, es wäre nicht kinderrechtskonform, nachher käme noch einer und behauptete, wir würden damit gegen die Menschenrechte verstoßen. – Wer sich auf diesem dünnen Eis bewegt,

(Daniel Sieveke [CDU]: Der ist schon eingebrochen!)

der muss sich hinterfragen, ob man diesen viel beschworenen Integrationskonsens an einer anderen Stelle wieder herausholt. Da rate ich zur Vorsicht, da sollten wir verbal abrüsten und in uns gehen.

Es gehört doch zur Konsequenz, dass wir bei denjenigen, bei denen eine Ausreisepflicht vorliegt, dies auch konsequent umsetzen. Das geht eben zügiger und konsequenter direkt aus der Landeseinrichtung heraus und nicht, wenn wir sie erst in der Fläche verteilen und dann nach der Lösung suchen. Dann laden wir das Problem doch nur bei den Kommunen ab. Das ist doch falsch. Die neue Landesregierung, die NRW-Koalition, will die Kommunen in mehrerlei Hinsicht monetär, aber auch indirekt entlasten. Das gehört mit dazu.

Daraus machen wir keinen Hehl, das sagt auch der Kollege Franken. Wir wollen natürlich auch für die Menschen, die entsprechend die Kriterien erfüllen, einen Spurwechsel ermöglichen. Es geht auch um den Zugang zu gesicherten Aufenthaltstiteln. Aber, wie gesagt, es muss klare Regeln geben. Da muss man entsprechend unterscheiden, wer eine Bleibeberechtigung hat und wer nicht.

Klar würden wir uns vom BAMF schnellere Entscheidungen wünschen. Wir wissen, dass da jetzt eher wieder ein Antragsstau ist. Die Zahlen gehen wieder nach oben. Es wäre gut, wenn auch im Bund, gerade bei den Ministern Seehofer oder Maas, die dort in der Verantwortung sind, mehr passierte. Wir brauchen Abkommen mit den Herkunftsländern für die entsprechende Rückkehr. Wir brauchen eine leichtere Beschaffung von Passersatzpapieren. Wir müssen beim BAMF die Verfahren beschleunigen, und da helfen uns nicht die unerfüllten Versprechungen.

Warum machen wir den Asylstufenplan? – Wir wollen unsere Kommunen spürbar entlasten. Und dabei ist es wichtig, wen wir verteilen und wen nicht. In dem gesamten Beratungsverfahren war das Verhalten der Grünen schon etwas fragwürdig. Dazu hören wir vielleicht gleich noch etwas von der Kollegin Aymaz. Man klagt erst über die Belastung für die Kommunen, gerade mit Blick auf die Geduldeten, und auf der anderen Seite möchte man sie erst einmal alle verteilen. Anschließend wird es, obwohl man es genau weiß, sehr schwer bei den Themen „Ausreise“ und „Abschiebung“.

Das ist inkonsequent, wenn auf der einen Seite gesagt wird, die Kommunen schaffen es finanziell nicht, aber auf der anderen Seite wird, statt sie zu entlasten, wie wir es jetzt vorhaben, genau das Gegenteil getan.

Da ist es auch wichtig: Wer kein Bleiberecht hat, der ist zurückzuführen. Im Ergebnis haben wir die Zahlen, seitdem die NRW-Koalition an der Regierung ist, entsprechend erhöht. Da, wo keine Perspektiven bestehen, wollen wir die Kommunen auch entlasten.

Wir müssen bei dem Stufenplan auf verschieden Maßnahmen setzen. Wir werden das schrittweise umsetzen. Wir haben das beschleunigte Asylverfahren eingeführt. Wir haben die entsprechende Vereinbarung mit dem BAMF. Wir richten in allen Regierungsbezirken eine zentrale Ausländerbehörde ein. Von den zusätzlichen Mitteln, die wir in den Einzelplan 07 eingestellt haben, habe ich gesprochen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Stefan Lenzen (FDP): Wir werden heute die landesrechtliche Regelung zur Verlängerung der Aufenthaltszeiten in Landeseinrichtungen bis zu 24 Monaten auf der Grundlage des § 47 Abs. 1b Asylgesetz verabschieden. Die NRW-Koalition ist damit auf dem richtigen Weg zur Neuordnung der Aufnahme von Asylsuchenden.

In diesem Sinne sage ich auch gerne bei diesem TOP wie bei dem letzten TOP: Sie haben nur geredet, und wir handeln. – Danke schön.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Aymaz.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Lieber Herr Franken, lieber Herr Lenzen, ich frage mich ernsthaft, ob Sie sich wirklich mit dieser Materie befasst haben. Bei Herrn Franken frage ich mich, ob Sie bei der Anhörung anwesend waren; denn das, was dort gesagt worden ist, alle diese Kritikpunkte haben Sie hier überhaupt nicht aufgegriffen. Sie haben von völlig anderen Punkten gesprochen, mit denen Sie sich zu schmücken versucht haben. Und dann versuchen Sie auch noch mit Begrifflichkeiten und mit einer, wie ich finde, sehr gekünstelten Aufregung von der eigentlichen Thematik abzulenken. Ich finde: Kommen wir zur Sache!

(Beifall von den GRÜNEN und Lisa-Kristin Kapteinat [SPD] – Monika Düker [GRÜNE]: Genau!)

Was will die Landesregierung mit dem Ausführungsgesetz bezwecken? – Sie will damit Menschen bis zu 24 Monaten in Landesunterkünften unterbringen ohne Zugang zu Integrationsmaßnahmen, ohne Gewährleistung medizinischer Versorgung, ohne Zugang zur Bildung, ohne Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten, ohne Zugang zum Umfeld, zur Zivilgesellschaft.

Ich finde es schon bemerkenswert, wenn in einer Anhörung zu einem Vorhaben der Landesregierung die Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen nahezu einstimmig ihre Statements mit dem Satz beenden: Wir lehnen das Vorhaben ab.

(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])

Und dass man sich als zuständiger Minister davon derart unbeeindruckt zeigt und dieses Vorhaben in kürzester Zeit durchboxen will, zeugt meiner Meinung nach nicht nur von geringem politischen Weitblick, sondern auch von einer mangelnden Wertschätzung der parlamentarischen Arbeit. Denn die Anhörungen – das haben wir heute schon mal gehört – sollten eigentlich nicht zu Showveranstaltungen ausarten.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Wir werden heute über das vorliegende Ausführungsgesetz abstimmen müssen, ohne Ihrerseits auch nur die geringste Einsicht erkennen zu können. Dabei formiert sich inzwischen – übrigens ähnlich wie bei Seehofers Ankerzentren – breiter Widerstand in der Gesellschaft gegen Ihre Pläne, dass Geflüchtete ohne sogenannte Bleibeperspektive bis zu 24 Monate in Landeseinrichtungen ausharren müssen.

Am vergangenen Wochenende haben die Teilnehmenden des diesjährigen Asylpolitischen Forums der Evangelischen Akademie Villigst – das ist die große Fachtagung im Jahr –

(Monika Düker [GRÜNE]: Die kennt Herr Sieveke nicht! Da war er noch nie!)

in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingsrat NRW, mit Amnesty International, mit PRO ASYL, mit der Diakonie und mit der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche

(Daniel Sieveke [CDU]: Das sind tolle Teilnehmer!)

eine gemeinsame Resolution verabschiedet, die dem Asylstufenplan dieser Landesregierung eine ganz klare Absage erteilt und sich ausdrücklich für Flüchtlingsschutz anstatt Abschottung ausspricht.

(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])

Noch nicht einmal die Kommunen, zu deren Entlastung Sie dieses Vorhaben angeblich umsetzen wollen, sind wirklich überzeugt davon. So äußerte Herr Wohland von der AG der kommunalen Spitzenverbände die Sorge, dass – ich zitiere –

„die Menschen … zwei Jahre lang nur verwahrt werden, um sie dann den Kommunen vor die Haustür zu stellen“.

Aber auch die Befürchtung einer Gefährdung des sozialen Friedens in den jeweiligen Standortkommunen durch diese Unterkünfte wird immer wieder geäußert – nicht zuletzt von der Gewerkschaft der Polizei. Auch die Gewerkschaft der Polizei spricht sich ganz klar gegen diese Unterkünfte aus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wissenschaftliche Studien belegen schon heute, dass durch die teils mehrjährige Kasernierung und die daraus resultierende Isolation zwangsläufig Perspektivlosigkeit und Frustration produziert werden. Dies hat gravierende Folgen für die Gesundheit der Schutzsuchenden.

Ich habe bereits während der Haushaltsberatungen angesprochen, dass schon jetzt die psychosozialen Zentren auf eine hohe Anzahl traumatisierter Menschen hinweisen und dass der Bedarf an psychologischer Beratung enorm angestiegen ist. Das sind die Probleme, mit denen unsere Kommunen dann vor Ort zu kämpfen haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Experten warnen davor, dass durch die isolierte Unterbringung über einen derart langen Zeitraum hinweg

(Daniel Sieveke [CDU]: Aber Sie beraten die auch dahin gehend! Das ist ja schön!)

die Wahrscheinlichkeit, an psychischen Störungen zu erkranken, massiv erhöht wird. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Auf die fehlende Beschulung von Kindern und Jugendlichen in den Landeseinrichtungen gehe ich immer wieder ein, und darauf werden wir Sie, Herr Minister Stamp, auch immer wieder hinweisen und Sie in die Verantwortung nehmen. Denn es ist fatal, dass sich schon heute fast 40 % der Kinder und Jugendlichen länger als ein halbes Jahr in den Landeseinrichtungen befinden und entsprechend nicht beschult werden können.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Das ist ein klarer Bruch international verankerter Menschenrechte und absolut nicht hinnehmbar.

Die schwarz-gelben Pläne zur Isolation von Schutzsuchenden führen langfristig

(Henning Höne [FDP]: Die Redezeit!)

zur Verschärfung von Problemen. Sie sind kein Ansatz für Lösungen und auch keineswegs eine Entlastung für Kommunen. Das ist eine Mogelpackung. Sie wird nicht aufgehen, sondern sie wird Ihnen so richtig auf die Füße fallen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Aymaz. – Für die Fraktion der AfD spricht nun Frau Kollegin Walger-Demolsky.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch diesen Gesetzentwurf – wen wundert es? – werden wir unterstützen.

Es wird immer von 24 Monaten gesprochen, die Menschen künftig in Aufnahmeeinrichtungen des Landes verbringen sollen. Das ist wohl mitnichten der Fall. Es ist die Worst-Case-Situation, die sich möglicherweise mal dadurch ergibt, dass die Bearbeitungszeiten des BAMF zu lang sind – das ist auch aktuell der Fall; sie sind wieder länger als noch vor einigen Monaten – und dass die Klageverfahren so lange dauern.

Trotzdem wird es so sein, dass wahrscheinlich der Algerier kein Asylrecht bei uns bekommen wird. Trotzdem wird es wahrscheinlich so sein, dass auch der Georgier nicht bleiben können wird. Von daher macht es Sinn, diese Menschen nicht direkt in die Kommunen zu verteilen und dort mit der vollen Integration zu beglücken.

Auch wir haben bei der Anhörung gut zugehört, und auch wir haben von Anfang an kritisiert, dass es wichtig ist, dass zumindest Kinder in diesen Landeseinrichtungen so früh wie möglich beschult werden. Dazu haben wir entsprechende Anfragen gestellt. Wir wissen zum Beispiel, dass zum 22. November in den entsprechenden Einrichtungen 481 Kinder untergebracht waren. Das sind deutlich mehr, als wir dachten.

Wir haben aber auch gefragt, wie die Landesregierung diese Beschulung in Zukunft möglich machen will. Wir möchten uns ausdrücklich dafür bedanken, dass der Bericht der Landesregierung dazu so ausführlich ausfiel, und wir werden diese zusätzlichen Bildungsangebote, die Sie in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Schule und Bildung angekündigt haben, im Auge behalten. Das ist für uns eine wichtige Sache.

Wenn ich aber höre: „ohne Zugang zu medizinischer Versorgung“, dann frage ich mich: Was heißt das? Heißt das „ohne Zugang zu einer Krankenkassenkarte“, wie Bochum sie jedem Asylbewerber, der der Stadt zugewiesen wurde, sofort gegeben hat? Das hat die Kosten extrem in die Höhe schnellen lassen.

Selbstverständlich werden auch die Menschen in den Landeseinrichtungen, so sie denn irgendeine akute Krankheit haben, medizinisch versorgt. Da bin ich mir ganz sicher; dazu muss ich gar keine Anfrage stellen. Wo wären wir denn sonst?

Es sind eben keine Lager – obwohl ich das Wort nicht so ernst nehmen würde. Es hat auch lange das – in Anführungsstrichen – Lager Friedland gegeben, das finden Sie heute noch bei Wikipedia. Das hatte nicht so einen schlechten Ruf. Viele Menschen, die aus Osteuropa gekommen sind und dort nach ihrer Flucht aus den kommunistischen Regimen oder der DDR untergekommen sind, waren froh, in diesem – in Anführungsstrichen – Lager Friedland erst mal aufgenommen zu werden. Auch die haben teilweise lange Zeit dort verbracht. – Gehört haben wir damals nichts, auch nicht von Ihnen.

Zur Integrationspauschale: Das Ding wundert mich jetzt doch. Sicher ist, dass die Landesregierung im letzten Jahr nur einen Teil an die Kommunen gegeben hat. Wir haben das auch gut verstanden; denn ein Teil der Integrationsleistungen wird vom Land erbracht.

Soll das in Zukunft nicht mehr so sein? Oder wovon finanzieren Sie das? Wie finanzieren Sie die Integrationsleistungen, die das Land dann weiterhin erbringt? Oder geht alles in die Hände der Städte?

Ich bin gegenteiliger Meinung und finde es völlig falsch, Integrationsaufgaben, wie beispielsweise Deutschunterricht, völlig zu dezentralisierten; denn das führt zu diesen schlechten Ergebnissen.

Es wäre doch vernünftig, wenn das Land einen Teil der Integrationspauschale tatsächlich in eigenen Händen behalten würde. So könnte es die Kontrolle über die Ausgaben behalten und ordentliche Einrichtungen schaffen, in denen ordentliche Arbeit geleistet wird und in denen ordentliche Abschlüsse gemacht werden.

Wie gesagt: Das ist ein Punkt, bei dem uns nicht ganz klar ist, wie es weitergehen soll. Aber das werden wir im nächsten Jahr sehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Walger-Demolsky. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Dr. Stamp das Wort.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sorgen für eine verlässliche Struktur der Flüchtlingspolitik, Schritt für Schritt, so wie wir das hier von Anfang an versprochen haben.

(Beifall von Daniel Sieveke [CDU])

Das heißt für uns, dass wir alle unsere Möglichkeiten zur Steuerung in der Migrationspolitik auf Landesebene ausschöpfen, bis wir endlich ein dringend notwendiges und in sich konsistentes Einwanderungsgesetzbuch in Deutschland bekommen.

Wir werden auch weiterhin – Kollege Franken ist darauf eingegangen – den Migrationsgipfel für Kommunen, Länder und Bund fordern, um die wesentlichen Dinge bis dahin schon gemeinsam auf den Weg zu bringen. Wir sind bereits mit dem ersten Bundesland auf Arbeitsebene ins Gespräch getreten, weil hier vom Bund leider nichts zu erwarten ist.

Wir wollen die Kommunen stärker entlasten, und dazu haben wir uns im Koalitionsvertrag auch von Anfang an bekannt. Das setzen wir mit verschiedenen Maßnahmen um. Dazu gehört auch die landesgesetzliche Regelung zur Ausweitung der Aufenthaltsdauer von Personen ohne oder mit ungeklärter Bleibeperspektive in den Landeseinrichtungen.

Frau Aymaz, ich möchte das noch mal klarstellen, weil hier auch vonseiten der Opposition immer wieder öffentlich falsche Dinge behauptet worden sind, die dann zum Teil von NGOs und Wohlfahrtsverbänden oder Medien bis hin zu Agenturen falsch wiedergegeben worden sind.

(Zuruf von Nic Peter Vogel [AfD])

Wir bringen keine Flüchtlinge 24 Monate in Landeseinrichtungen unter!

(Monika Düker [GRÜNE]: Aha!)

Diese Regelung gilt ausdrücklich nur für Personen, die einen ungültigen Antrag gestellt haben! Deshalb ist das etwas völlig anderes. Wenn sie einen ungültigen oder einen offensichtlich unbegründeten Antrag gestellt haben, sind sie keine Flüchtlinge, sondern Migranten wegen anderer Gründe. Das mag individuell möglicherweise nachvollziehbar sein, aber sie haben kein Bleiberecht nach unserem Asylrecht.

Deswegen ist es natürlich unser Anspruch, dass diejenigen – und zwar nicht erst nach 24 Monaten, sondern so schnell wie möglich, sobald das Verfahren abgeschlossen ist – direkt aus den Landeseinrichtungen zurückgeführt werden.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Nur für diejenigen, die offensichtlich unbegründete oder ungültige Anträge gestellt haben – ich wiederhole das extra noch mal, damit es für alle klar ist – gelten die 24 Monate.

(Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Die zwölf Monate gelten für diejenigen, bei denen das Verfahren offen und eine Bleibeperspektive relativ unwahrscheinlich ist. Auch da – ich bin nämlich auch Kinder- und Familienminister; und ich nehme das ernst! – privilegieren wir die Familien. In der Regel ist die Überweisung in die Kommunen nach vier Monaten, maximal nach sechs Monaten möglich. Das ist das, was wir vorgesehen haben, und alles andere ist eine Unterstellung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister, Entschuldigung, dass ich Sie an dieser Stelle unterbreche. Es gibt zweimal den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Zum einen …

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Nein, jetzt führe ich weiter aus.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Okay.

(Beifall – Daniel Sieveke [CDU]: Ja!)

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Wir haben das übliche Mittel der Kurzintervention, und davon wird ja auch exzessiv Gebrauch gemacht.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Exzessiv, na ja! – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Bisschen empfindlich?)

Es gibt auch die Möglichkeit, dass wir uns an der Stelle noch mal entsprechend austauschen.

Weil ich auch der Minister für Familie und Kinder bin, ist es mir wichtig, dass wir nicht hinnehmen, dass Kinder in diesen Einrichtungen kein Bildungsangebot bekommen. Deswegen arbeiten wir mit Hochdruck daran, gemeinsam mit dem Ministerium für Schule und Bildung einen Basisunterricht zu gewährleisten.

Die Kinder sollen keine Zeit verlieren, nur weil ihre Eltern nicht die Entscheidung treffen, zurückzugehen. Wir wollen nicht, dass die Kinder dafür haften müssen, dass die Eltern ihre Entscheidungen so treffen, wie sie sie treffen. Deswegen werden wir Familien und Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern in diesem Verfahren privilegieren. Das ist mit den kommunalen Spitzenverbänden kommuniziert – und das muss auch so sein.

Frau Aymaz, Sie sagten, dass es dann keine Integrationsmaßnahmen gebe. Es kann nicht ernsthaft das Ziel sein, Integrationsmaßnahmen für diejenigen auf den Weg zu bringen, die einen ungültigen oder unbegründeten Antrag gestellt haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das pervertiert doch das Asylsystem. Das kann nicht Ihr Ernst sein. Und wenn Sie das anders darstellen und versuchen, entsprechend Stimmung zu machen, ist das unredlich.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen: Landeseinrichtungen und genauso kommunale Einrichtungen kann man betreten und verlassen. Es kann von keiner Kasernierung die Rede sein, und es kann erst recht keine Rede von Lagern sein.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich habe hier vor einigen Wochen bei der Einbringung des Gesetzentwurfs darauf hingewiesen, dass der Begriff des Lagers gerade in der deutschen Geschichte kontaminiert ist. Ich habe gesagt, dass ich als Enkel eines Theologen, der unter dem NS-Regime dreimal inhaftiert worden ist, das als persönliche Verletzung empfinde. Der Kollege Yetim hat im Ausschuss den Begriff des Lagers dann auch nicht wiederholt. Er hat sich zwar auch nicht entschuldigt, aber ich habe gesagt: Okay, Schwamm drüber. Das ist dann eben im Eifer des Gefechts passiert.

Ich sage Ihnen aber, Herr Kollege Yetim – und ich sage das auch an die gesamte SPD-Fraktion gerichtet –: Wenn Sie sich dafür, dass das heute bewusst mehrfach wieder ausgesprochen worden ist, nicht entschuldigen, dann haben Sie den integrationspolitischen Konsens in diesem Hause einseitig aufgekündigt. Stolze Sozialdemokraten wie Willy Brandt würden sich im Grabe herumdrehen.

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Der Minister hat zum einen seine Redezeit um 2 Minuten überzogen. Diese Zeit steht dann natürlich auch gleich allen Fraktionen zur Verfügung. Außerdem wurde von Frau Kollegin Aymaz von den Grünen eine Kurzintervention angemeldet. Bitte schön.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Minister Stamp, ich möchte gerne auf Ihre Aussage eingehen, in der Sie mich namentlich erwähnt haben.

Sie haben gesagt, es wäre absurd, dass Menschen, die kein Recht auf Asyl haben, trotzdem von Integrationsmaßnahmen Gebrauch machen sollten. Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass in einer aktuellen Erhebung von Juni 2018 darauf hingewiesen wurde, dass 71.000 bestandskräftig abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber als Geduldete oder aus anderen berechtigten Gründen nicht rückführbar sind und sich in Kommunen befinden.

Sie werden wohl nachvollziehen können, welche katastrophalen Folgen es hat, dass diese Anzahl von Menschen, die zwei Jahre fern von Integrationsmaßnahmen waren, dann doch den Kommunen zugewiesen werden. Die Unterbringungssituation wird nichts an der Zahl der Geduldeten ändern; denn dass Menschen nicht zurückgeführt werden können, hat etwas mit der Situation in den Herkunftsländern zu tun und damit, dass es mit einigen Ländern keine Rückkehrabkommen und keine Papiere gibt. Dazu kommen humanitäre Gründe usw. Das liegt nicht in Ihrer Hand.

Aber diese Menschen von vornherein zu integrieren, das liegt in Ihrer Hand.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Aymaz. – Wenn Sie möchten, dürfen Sie antworten, Herr Minister.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Frau Präsidentin! Frau Kollegin Aymaz, ich danke Ihnen sogar ausdrücklich für die Kurzintervention; denn sie gibt mir die Möglichkeit, das noch einmal zu präzisieren. Es gibt hier zwei unterschiedliche Perspektiven.

Einerseits gibt es diejenigen, die bereits hier bei uns im Land sind. In der Hinsicht war unsere Politik ja ungeordnet. Wir hatten zum Teil viel zu lange Verfahren, und zum Teil haben wir sehr schnell die Leute in die Kommunen gegeben, wo sich manche hervorragend integriert haben und wo sich Integration verfestigt hat. Das sind diejenigen – zum Teil Geduldete –, bei denen ich persönlich der Meinung bin, dass wir einen Rechtskreiswechsel ermöglichen und großzügig sein sollten. Wer sich hier in die Gesellschaft integriert hat, die Sprache lernt, am Arbeitsmarkt Fuß gefasst hat und straffrei geblieben ist, der soll auch hierbleiben können. Das ist meine feste Überzeugung.

Aber wenn wir Ordnung ins System bringen wollen, dann müssen wir die Rückführungen nach Möglichkeit aus den Landeseinrichtungen organisieren. Und dafür ist das die Grundlage. Diejenigen, bei denen es über ein Jahr hinausgeht, haben doch meist – ich wiederhole es noch mal – offensichtlich unbegründete oder ungültige Anträge gestellt. Bei allen anderen – das habe ich jetzt eben in der Rede nicht mehr erwähnt; deswegen Danke noch mal für die Gelegenheit – werden wir natürlich auch für einen strukturierteren Alltag in den Einrichtungen sorgen.

Wir haben eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet, um das entsprechend vorzubereiten. Dort sollen die Tagesabläufe strukturiert werden, und es sollen natürlich auch Bildungsangebote gemacht werden, nicht nur für die minderjährigen Kinder. Insgesamt muss dort ein vernünftiger, strukturierter Ablauf sichergestellt werden.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Dort findet auf diese Art und Weise natürlich auch ein Stückchen Bildung und ein Stückchen Kennenlernen von Deutschland statt. Diejenigen, die eine Bleibechance haben und die ungültige oder offensichtlich unbegründete Anträge gestellt haben, wollen wir direkt aus den Landeseinrichtungen so schnell wie möglich zurückführen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP – Monika Düker [GRÜNE]: Wer sind denn die „offensichtlich unbegründeten“?)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Ich komme zurück zur Redezeitüberziehung. Gibt es den Wunsch nach weiteren regulären Redebeiträgen? – Aus dem Kreis der Fraktionen nicht. Dann schließe ich an dieser Stelle die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 8.

Wir kommen zur  Abstimmung. Der Integrationsausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4516, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2993 unverändert anzunehmen. Deshalb kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP, AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt dagegen? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Gesetzentwurf Drucksache 17/2993 in zweiter Lesung angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe auf:

9   Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen und wahlrechtlicher Vorschriften (Kommunalvertretungsdemokratisierungsgesetz)

Gesetzentwurf
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/1447

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 17/4492

zweite Lesung

Als erster Redner hat Herr Dr. Geerlings für die CDU-Fraktion das Wort.

Dr. Jörg Geerlings (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute sprechen wir abschließend über den Gesetzentwurf, der schon ein Jahr alt ist. Deswegen musste man auch noch einmal hineinschauen. Damals erging ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes von Nordrhein-Westfalen, der die Sperrklausel, die in der Verfassung verankert wurde, für verfassungswidrig erklärte.

Dieses Urteil respektieren wir selbstverständlich, auch wenn es diejenigen, die in der Praxis in Räten und Kreistagen ehrenamtlich aktiv sind, sicherlich schmerzt. Die Arbeitsweise ist in der Tat eingeschränkt, aber das hat das Verfassungsgericht anders gesehen.

Dass es auch anders geht, hat man jetzt auf europäischer Ebene gesehen. Dort wird für die übernächste Europawahl eine Klausel existieren können, die dann auf nationaler Ebene der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden muss.

Ihr Gesetzentwurf spricht davon, dass von den von Ihnen so bezeichneten Altparteien nur Posten geschaffen werden sollten. Dem muss man deutlich widersprechen. Tausende von Ehrenamtlern engagieren sich in verschiedenen Parteien, in Fraktionen in Stadträten, in Kreistagen und als sachkundige Bürger. Diese Menschen haben unsere volle Unterstützung verdient. Sie zu diffamieren, ist jedenfalls nicht redlich.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf der AfD ist aus unserer Sicht auch viel zu undifferenziert. Immerhin hat das Landesverfassungsgericht gesagt, dass man das Ganze bei Bezirksvertretungen und der Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr anders sehen kann und dort eine Sperrklausel möglich ist.

Wir schließen uns der Meinung an, erst einmal abzuwarten, wie ein entsprechender Gesetzentwurf aussehen wird. Auch aus der Sachverständigenanhörung hat sich unserer Ansicht nach nichts anderes ergeben, sodass wir den Antrag ablehnen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Geerlings. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Professor Dr. Bovermann.

Prof. Dr. Rainer Bovermann (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann mich meinem Vorredner weitgehend anschließen und mich daher in der Argumentation auch kurzfassen.

Die SPD-Fraktion lehnt den Gesetzentwurf der AfD zu einem sogenannten Kommunalvertretungsdemokratisierungsgesetz – ein irreführender Titel – ab; denn er sieht die vollständige Streichung der Sperrklausel vor.

Für diese Ablehnung gibt es erstens inhaltliche Gründe. Die im Hauptausschuss schriftlich angehörten Gutachter haben beide bestätigt, dass der Gesetzentwurf über das verfassungsrechtlich gebotene Maß hinausgeht. Während die Abschaffung einer Sperrklausel für Gemeinderäte und Kreistage auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs zurückzuführen ist, gilt dies aber nicht für Bezirksvertretungen und die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr. Dadurch ergibt sich ein Gestaltungsspielraum, den wir gerne nutzen würden. Im Unterschied zur AfD halten wir als SPD eine Sperrklausel zumindest für Bezirksvertretungen und RVR für erforderlich, um Funktionsverlusten entgegenzuwirken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zweitens lehnt die SPD den Gesetzentwurf der AfD wegen der in der Begründung angedeuteten Diffamierung der demokratischen Parteien ab; mein Vorredner hat auch schon darauf hingewiesen. Diese Andeutungen wurden in der Rede des Abgeordneten Tritschler dann noch weit übertroffen. In seiner Wutrede – nachzulesen im Plenarprotokoll 17/17 – sprach er vom – Zitat – „Symptom der Korruption“ und der „Verkommenheit der politischen Klasse“, einem „scheindemokratischen Schmierentheater“ und dem „Würgegriff des Parteienkartells“. Am Ende verstieg er sich gar zu der Behauptung, die AfD sei die einzige Partei, „die den Namen ‚demokratische Partei‘ wirklich verdient“ habe.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Ich habe bereits damals in meiner Erwiderung darauf hingewiesen, dass dieser Alleinvertretungsanspruch, nach dem die AfD allein den imaginären Volkswillen vertrete, mit den pluralistischen Wertevorstellungen unserer Demokratie nicht vereinbar ist. Oder – um mit Jürgen Habermas zu sprechen –: In der Demokratie tritt das Volk immer nur im Plural auf. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Professor Dr. Bovermann. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Freimuth.

Angela Freimuth (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch angesichts der Argumentation, die bereits meine beiden Vorredner, sowohl Herr Dr. Geerlings als auch Herr Professor Dr. Bovermann, vorgetragen haben, die wir teilen, will ich an dieser Stelle auch nur sagen, dass wir den Gesetzentwurf aus den vorgenannten Gründen ebenfalls ablehnen.

Der eine Sachverständige hat auf die insinuierte Kritik an den demokratischen Strukturen hingewiesen, und beide Sachverständige haben sehr klar unterstrichen, dass der Gesetzentwurf deutlich übers Ziel hinausgeht.

Wir haben zwischenzeitlich einen Gesetzentwurf der Landesregierung in der Beratung, der den Vorgaben des Verfassungsgerichtes Rechnung trägt. Dazu beraten wir derzeit wesentlich detaillierter und in der Sache angemessener.

Insofern lehnen wir den Gesetzentwurf ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Arndt Klocke (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anschließend an die zwei Vorredner und meine Vorrednerin kann ich die Argumentation nur unterstreichen. Der Gesetzentwurf der AfD trägt den aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion irreführenden Titel „Kommunalvertretungsdemokratisierungsgesetz“.

Jeder, der die Kommunalpolitik aus der Praxis und die Arbeit von Räten, Kreistagen und Bezirksvertretungen kennt, weiß, dass eine Zersplitterung in Kleinstgruppen, in Einzelabgeordnete etc. nicht zur Demokratisierung beiträgt.

Das Urteil des Verfassungsgerichtes liegt vor, und natürlich muss ein neues Gesetz diesem Urteil entsprechend nachkommen. Das aber, was vonseiten der AfD vorgeschlagen wird, geht weit über das zwingend Notwendige hinaus, weil beispielsweise auch die Bezirksvertretungen oder die Verbandsversammlung des Kommunalverbandes Ruhr jetzt ohne Sperrklausel gewählt werden sollen, also nicht nur Gemeinderäte oder Kreistage.

Wir haben im Hauptausschuss das Sachverständigengespräch mit den zwei Anzuhörenden durchgeführt. Professor Dr. von Coelln, der anwesend war, hat in seiner schriftlichen Stellungnahme geäußert: Das verfassungsrechtlich Gebotene ist die Wiederabschaffung der Sperrklausel in der Landesverfassung, aber nicht soweit sie die Wahlen beispielsweise zu den Bezirksvertretungen und dem Kommunalverband Ruhr betrifft.

Wir sind gespannt, was uns die Landesregierung als neuen Gesetzentwurf vorlegen wird. Man kann natürlich über das Für und Wider von Sperrklauseln grundsätzlich streiten. Das aber, was verfassungsrechtlich geboten ist, sollte jetzt eingehalten werden. Wir sind natürlich gespannt, was vonseiten der regierungstragenden Fraktionen kommen wird. Das, was die AfD hier vorgelegt hat, findet auf keinen Fall unsere Zustimmung. Das können wir – diejenigen, die die kommunalpolitische Praxis kennen – auf keinen Fall unterstützen.

Herr Professor Bovermann hat schon etwas zu dem gesagt, was Herr Tritschler hier noch als Sound erzeugt hat. Das erinnert mich durchaus an Wortklänge, die wir in vergangenen Zeiten in Deutschland – in den 20er- und 30er-Jahren – leider oft genug gehört haben.

Wir hoffen nicht, dass das in den Parlamenten weitergehende Resonanz findet. Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf ab. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Tritschler.

Sven Werner Tritschler (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, dass ich die vorweihnachtliche und spätabendliche Harmonie ein wenig stören muss. Der vorliegende Gesetzentwurf meiner Fraktion war – wie schon erwähnt wurde – eine Reaktion auf das Urteil des Verfassungsgerichts, wonach die Einführung einer 2,5-%-Hürde für Kommunalwahlen zumindest in Teilen unzulässig ist.

Das Gericht hatte entschieden, dass eine solche Hürde den in Art. 28 Abs. 1 Grundgesetz festgelegten Grundsatz der Gleichheit der Wahl verletze. Während eine solche Hürde bei den Wahlen zum Landtag oder zum Bundestag gerechtfertigt sein kann, um die Stabilität von Regierungsmehrheiten zu gewährleisten, sehen die Gerichte dies bei den Wahlen zu kommunalen Parlamenten – übrigens genauso wie beim Europaparlament – nicht; dort wird die Exekutive, also Bürgermeister und Landrat, ohnehin direkt vom Volk gewählt.

Nun nennt Art. 28 Abs. 1 Grundgesetz keine Bezirksvertretungen und auch nicht die Regionalversammlung Ruhr, sondern er nennt lediglich Kreise und Gemeinden, die ebenfalls von diesem allgemeinen Wahlrechtsgrundsatz erfasst werden. Das Verfassungsgericht hat diese beiden Ebenen daher von seiner Rechtsprechung ausgenommen.

Die große Mehrheit dieses Hauses scheint aus dieser Regelungslücke nun eine Legimitation dafür zu machen, in den Stadtbezirken und bei der Wahl zur Verbandsversammlung Ruhr an der 2,5-%-Hürde festzuhalten. Ein entsprechender Entwurf ist wohl unterwegs.

Das hat durchaus kuriose Ergebnisse zur Folge. Ich nenne einmal das Beispiel Essen. Dort gilt, wenn der Bürger wählt, für die Wahl der Bezirksvertretung eine 2,5-%-Hürde, beim Stadtrat keine Hürde, bei der Verbandsversammlung eine Hürde von 2,5 %, beim Land und beim Deutschen Bundestag eine Hürde von 5 %, beim EU-Parlament derzeit keine Hürde, zukünftig aber eine 3-%-Hürde.

Das ist nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar. Deutlicher kann man den Bürgern im Lande nicht vorführen, dass es nur um die Wahrung eigener Besitzstände und um das Draußenhalten lästiger Konkurrenz geht.

Der vermeintliche Erhalt der Handlungsfähigkeit ist unseres Erachtens nur vorgeschoben. Das ist auch allzu durchsichtig. Weder Bezirksvertretungen noch die Verbandsversammlung wählen irgendeine Regierung und brauchen auch keine stabile Regierungsmehrheiten, wie das üblicherweise zur Begründung von Hürden angebracht wird.

Das immer wieder vorgebrachte Argument, wonach viele kleine Fraktionen in einem Parlament viele lästige Anträge einbringen, überzeugt nicht. Es wirft eher ein trübes Licht auf das Demokratieverständnis der Fraktionen hier im Hause, die sich immer als demokratisch bezeichnen.

Mit meiner kommunalpolitischen Erfahrung aus dem Kölner Rat deckt sich das übrigens auch nicht. Vielleicht erklären Sie Ihren Parteifreunden in den Kommunalparlamenten, bei denen es nicht für den Bundestag gereicht hat, einfach mal, was kommunale Themen sind und was nicht. Nicht selten sind es gerade die Grünen und die SPD, die kommunale Anträge stellen, die bestenfalls auf die Tagesordnung der UNO-Generalversammlung gehören. Das ist sicherlich keine Spezialität kleinerer Parteien und Wählergruppen.

Während vielerorts gerade auf kommunaler Ebene die Demokratie gestärkt und den Bürgern beispielsweise – wie in Baden-Württemberg – durch Kumulieren und Panaschieren mehr Wahlmöglichkeiten gegeben werden, igelt sich das Parteienkartell in Nordrhein-Westfalen ein.

Die CDU-Fraktion beantragt eine Enquetekommission zur Zukunft der parlamentarischen Demokratie, will aber offenbar nur den Status quo erhalten. Die FDP-Fraktion – zu Oppositionszeiten als einzige Partei hier nicht dabei – trägt die Prozenthürde jetzt mit. Die SPD klammert sich im Abstiegskampf sowieso an jeden Strohhalm, der ein bisschen Macht sichert. Von der Fraktionsvorsitzenden der Grünen habe ich mir im Hauptausschuss vorhalten lassen müssen, dass unser Antrag Systemkritik beinhalte. – Herr Klocke, ich weiß gar nicht, dass Systemkritik bei den Grünen jetzt zum Schimpfwort geworden ist. Das war mir neu.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Was, das habe ich gesagt? Haben Sie das im Protokoll?)

Meine Damen und Herren, da sind wir ehrlich: An dieser Stelle sind wir systemkritisch. Wir kritisieren ein System, in dem sich eine Handvoll Parteien die Macht aufgeteilt haben und nun jedes Register ziehen, um bloß keine lästige Konkurrenz aufkommen zu lassen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Für uns sind Sie das zum Glück nicht!)

Meine Fraktion jedenfalls wird weiterhin entschieden für die Stärkung der Demokratie in unserem Land kämpfen und den selbsternannten Demokraten bei solchen Gelegenheiten immer wieder den Spiegel vorhalten.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Tritschler. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Reul.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch einmal zur Erinnerung: Der Verfassungsgerichtshof hat die Sperrklauseln nicht in Gänze für verfassungswidrig erklärt, sondern allein in Bezug auf die Gemeinderäte und Kreistage. Abgesehen davon hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Pressemitteilung zu den Rechtsfolgen der Urteile wie folgt ausgeführt – ich zitiere –:

„Die Urteile des Verfassungsgerichtshofs in den Organstreitverfahren haben feststellenden Charakter. Der Verfassungsgerichtshof war aus prozessualen Gründen nicht berechtigt, die umstrittenen Vorschriften teilweise für nichtig zu erklären. Seine Entscheidung binden jedoch die Verfassungsorgane des Landes sowie alle Gerichte und Behörden und haben Gesetzeskraft. Der Landtag wird deshalb rechtzeitig vor den nächsten Kommunalwahlen im Herbst 2020 über eine Aufhebung der umstrittenen Vorschrift zu entscheiden haben, soweit sie nach Einschätzung des Verfassungsgerichtshofs verfassungswidrig sind.“

Der letzte Teil ist das Entscheidende: Der vorliegende Gesetzentwurf ist in seinem Umfang überhaupt nicht erforderlich. Zudem hat der Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber seine Prognose drohender Funktionsstörungen nicht hinreichend begründet hat. Das heißt: Es wäre prinzipiell denkbar, auf der Grundlage einer neuen und tragfähigen Begründung an der Sperrklausel festzuhalten.

Sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht haben entschieden, dass die Vereinbarkeit einer Sperrklausel mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit nicht ein für alle Mal abstrakt beurteilt werden kann. Bevor also eine abschließende Entscheidung über die Sperrklausel getroffen wird, sollte der Gesetzgeber genau diese Fragen gründlich prüfen.

Die Landesregierung hat im Hinblick auf die anstehenden Kommunalwahlen im Jahr 2020 einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Kommunalwahlrechts in den Landtag eingebracht. In diesem ist vorsorglich auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts Nordrhein-Westfalen zur Sperrklausel bei Kommunalwahlen berücksichtigt.

Dieser Gesetzentwurf wird hier zurzeit beraten. Ich gehe davon aus, dass diese Beratungen auch das Thema „Sperrklausel“ mit einbeziehen werden, das insofern geklärt werden kann. – Danke sehr.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 9.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4492, den Gesetzentwurf abzulehnen. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer dem Gesetzentwurf Drucksache 17/1447 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/1447 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zu:

10 Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes zur Stärkung des Kreistags und zur Änderung kommunalrechtlicher, haushaltsrechtlicher und steuerrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2994

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen
Drucksache 17/4518

zweite Lesung

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4545

Ich eröffne die Aussprache. Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Hoppe-Biermeyer das Wort.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über das Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes zur Stärkung des Kreistags und zur Änderung kommunalrechtlicher, haushaltsrechtlicher und steuerrechtlicher Vorschriften.

Das ist ein langer Name und klingt zunächst ziemlich kompliziert. In Wahrheit ist es ganz einfach. Rot-Grün hat in der letzten Legislaturperiode ein Gesetz zur Stärkung des Kreistags verabschiedet, und wir kassieren es wieder ein – aber nicht, um die Kreistage zu schwächen – im Gegenteil –, sondern die effektive Arbeit der Kreistage zu bewahren.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wodurch denn? – Zuruf von der SPD)

Grundidee des Gesetzes war, die Regelungen des Kreistags der Gemeindeordnung anpassen. Das ist genauso, als würde man Fußball mit Handballregeln spielen. So sollten unter anderem Beigeordnete bei den Kreisen eingeführt, der Kreisausschuss abgeschafft, dafür ein Hauptausschuss gebildet und ein Rückholrecht des Kreistags bei Geschäften der laufenden Verwaltung eingeführt werden.

Das Kreistagsstärkungsgesetz ist nicht nur damals scharf kritisiert worden, sondern hat bis heute keinen erkennbaren Mehrwert offenbart. Bereits 2016 haben die Sachverständigen der kommunalen Spitzenverbände in ihrer Stellungnahme ausführlich dargelegt, dass das Gesetz von Rot-Grün überflüssig ist und das bestehende System keine Änderung braucht. Leider wurden die Sachverständigen damals ignoriert.

Der vorliegende Gesetzentwurf hebt das Gesetz nun wieder auf. In der Anhörung haben die Sachverständigen der kommunalen Spitzenverbände dies deutlich begrüßt. Die kommunale Familie befürchtete zu Recht, dass die Einführung einer Beigeordnetenstruktur auf Kreisebene zu einem höheren Personalaufwand mit all seinen finanziellen Konsequenzen führen würde.

Zudem wäre mit dieser scheinbaren Stärkung des Kreistags etwa durch das Rückholrecht negativ in das gut eingespielte Zusammenwirken von Landräten bzw. hauptamtlicher Verwaltung und den Kreistagen eingegriffen worden. Die vermeintliche Stärkung des Kreistags hätte tatsächlich ein funktionierendes System behindert. Es ist also nur folgerichtig, dieses Gesetz komplett aufzuheben.

Stattdessen wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die direkte Demokratie gestärkt;

(Christian Dahm [SPD]: Oh Gott, oh Gott!)

denn als Ergänzung zu der repräsentativen Vertretung in den Räten und Kreistagen wird das Instrument des Bürgerbegehrens gefördert.

(Michael Hübner [SPD]: In welchem Land?)

Um den Initiatoren eines Bürgerbegehrens im Vorfeld schon die Klärung der rechtlichen Zulässigkeit zu erleichtern, werden die dafür benötigten Vorschriften weiterentwickelt. So können die Vertretungsberechtigten in Zukunft die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens auf Antrag durch den Rat vorprüfen lassen. Wenn die Kostenschätzung und 25 Unterschriften von Bürgern vorliegen, haben der Rat oder der dazu vorher bevollmächtigte Hauptausschuss über den Antrag innerhalb von acht Wochen zu entscheiden.

Darüber hinaus geben wir den Kommunen mehr Spielraum und Flexibilität bei der Festlegung der zusätzlichen Aufwandsentschädigung für die Vorsitzenden der Ausschüsse. Nach der Kommunalwahl 2020 kann die Aufwandsentschädigung als monatliche Pauschale oder als Sitzungsgeld gewährt werden.

Ferner wird ausdrücklich klargestellt, dass die Kommunen nicht nur einzelne, sondern auch sämtliche Ausschüsse von der Gewährung der zusätzlichen Aufwandsentschädigung ausnehmen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie schreiben in Ihrem Entschließungsantrag mit Datum von gestern, dass der Änderungsantrag zum Gesetzentwurf von CDU und FDP die Abschaffung der verpflichtenden Einrichtung von Integrationsräten vorsähe. – Das stimmt nicht. Wenn das nicht vor Ort gewünscht wird, muss sich für die Integrationsräte gar nichts ändern. Aber mit der Option, auch Integrationsausschüsse einzurichten, stärken wir die Integrationsarbeit auf kommunaler Ebene.

Zukünftig wird der Rat beschließen können, dass er anstelle des Integrationsrates einen Integrationsausschuss bilden kann. Der Vorteil liegt auf der Hand. Der Integrationsausschuss wäre dann wie andere Ausschüsse in die Beratungsfolge des Rates eingebunden. Integration passiert vor Ort und kann in jedem Ort anders aussehen.

Insgesamt stärken wir die kommunale Selbstverwaltung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Hoppe-Biermeyer. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Dahm.

Christian Dahm (SPD): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich immer, nach dem Kollegen Hoppe-Biermeyer zu sprechen. Wir diskutieren bzw. beschließen gleich die Rücknahme unseres Gesetzes, das erst im Dezember 2016 verabschiedet worden ist, und zwar zur Stärkung des Kreistags.

Bis heute – das sind Sie schuldig geblieben, Herr Kollege Hoppe-Biermeyer – kann die CDU/FDP Koalition nicht erklären, warum die Rechte der Kreistage hinter denen von Stadträten zurückbleiben und Sie dies weiterhin erhalten wollen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Warum können in Kreistagen, in Kreisverwaltungen keine Beigeordneten gewählt werden? Warum soll das nicht möglich sein? Auch diese Antwort sind Sie heute sowie in der vergangenen Woche im Ausschuss schuldig geblieben.

Darüber hinaus sollen aber auch einige weitere wichtige Regelungen aus dem Bereich des kommunalen Verfassungsrechts und des kommunalen Haushaltsrechts novelliert werden – ein bunter Strauß weiterer Änderungen, die, wie ich finde, unredlicherweise an den ursprünglichen Gesetzentwurf angehängt wurden und zum Teil massiv in das Kommunalverfassungsrecht eingreifen.

Sie haben gerade von einer Weiterentwicklung gesprochen, Herr Hoppe-Biermeyer. Ich glaube, das Ganze ist ein Rückschritt für die Demokratie.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Lassen Sie mich einige wenige Punkte aufgreifen: Zur Änderung der Mindestfraktionsgröße haben Sie nichts gesagt. Sie wollen an den derzeitigen Regelungen festhalten. Sie machen eine Gesetzesänderung – das werfe ich Ihnen in aller Schärfe vor – rückgängig, die als Ergebnis der Ehrenamtskommission hier mit breiter Mehrheit im Parlament beschlossen und seinerzeit auch mit den Stimmen der CDU eingeführt worden ist.

Die Anhebung der Fraktionsmindestgrößen stellt eine wichtige Maßnahme gegen die Zersplitterung der Räte dar. Wir haben das gerade im Tagesordnungspunkt zuvor auch vom Innenminister gehört, Stichwort: Sperrklausel. Das findet hier in Nordrhein-Westfalen keine Anwendung.

Anhand von sachlichen Kriterien ist nicht zu erklären, warum die damalige CDU-Landtagsfraktion die Anhebung der Fraktionsmindestgröße mitbeschlossen hat und heute wieder zurückdreht. Das ist nicht nachvollziehbar.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zur Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende haben Sie hier vorhin kurz referiert, Herr Hoppe-Biermeyer. Auch das war ein Ergebnis der Ehrenamtskommission, mit breiter Zustimmung aus diesem Parlament. Wenn Sie diese Änderung heute mit einfacher Mehrheit beschließen, ist das nichts anderes als die Arroganz der Macht der Regierungskoalition.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was machen Sie daraus im Zusammenhang mit der Aufwandsentschädigung? – Die Kommunen können nicht nur einzelne, sondern auch sämtliche Ausschüsse von der Gewährung der zusätzlichen Entschädigung ausnehmen und sollen demnächst neben einer Aufwandsentschädigung möglicherweise sogar über Sitzungsgeld entscheiden können. Das setzt dem Ganzen doch noch die Krone auf! Diese Möglichkeit zur Gewährung eines Sitzungsgeldes schafft uneinheitliche Standards in den Kommunen in Nordrhein-Westfalen.

Schließlich ist das Ganze mit der Intention eingeführt worden, den zusätzlichen Aufwand, den die Ausschussvorsitzenden im Vergleich zu normalen Ratsmitgliedern haben, auszugleichen. Das bezieht sich nicht nur auf die reine Ausschussarbeit und die Sitzungsleitung, sondern gerade auch auf das, was vom Sitzungsvorsitzenden im Ehrenamt an Drumherum geleistet wird. Wir wollten gemeinsam das Ehrenamt stärken – Sie schwächen es mittlerweile.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Davor warnen wir. Ich sage: Das ist sogar demokratieschädlich, was Sie hier machen.

Wir brauchen eine landeseinheitliche Regelung; da sind wir bei Ihnen. Klare landesgesetzliche Vorgaben und eine landeseinheitliche Klarstellung ohne Ausnahmen wären der richtige Weg gewesen.

Kommen wir zu den Integrationsräten. Sie behaupten, dass die verpflichtende Einrichtung von Integrationsräten nicht dazu geführt hat, dass in allen Gemeinden eine zufriedenstellende Beteiligung der Migrantinnen und Migranten am kommunalpolitischen Diskurs sichergestellt ist. Das sehen wir völlig anders, ebenso wie der Landesintegrationsrat und die kommunalen Spitzenverbände, die sagen, das habe sich in dieser Form bewährt.

(Beifall von der SPD)

Mit Ihrer Neuregelung wird es in vielen Kommunen zu einer Schwächung der entsprechenden Gremien kommen. Warum sollten wir heute eine solche Schwächung politisch mit auf den Weg bringen? Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

Ich finde, die Integrationsräte leisten einen wesentlichen Beitrag zur politischen Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund in Nordrhein-Westfalen. Ich halte das für einen guten Weg und für einen richtigen Weg.

Abschließend komme ich noch zum Landesverband Lippe. Er ist jetzt gesetzlich gefordert, die Kassenführung umzustellen. Der Landesrechnungshof soll sich der Gemeindeprüfungsanstalt auf Kosten des Landesverbandes zur Durchführung von Prüfungen bedienen können. Bisher wurde der Landesverband ohne diese Kostentragungspflicht geprüft; darüber hinaus wurde die Kassenführung aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen bisher durch das Landesamt für Finanzen durchgeführt. Jetzt soll der Landesverband die Kosten selber tragen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Christian Dahm (SPD): Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass der Landesverband auf seinen Kosten sitzen bleibt. Er darf bei der Umstellung nicht schlechtergestellt werden als die übrigen Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD)

Alles in allem sind die von Ihnen eingebrachten Rücknahmen und Änderungen rückständig und gefährden die Mehrheitsfindung in unseren Räten. Sie sind sozial ungerecht und demokratieschädlich. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir gleich Ihren Gesetzentwurf ablehnen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dahm. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz zur Stärkung des Kreistages, das hier im Dezember 2016 beschlossen wurde, erfuhr bei der Einbringung und im Vorfeld bei den Beratungen erhebliche Kritik von unterschiedlichen Seiten, weil es einen tiefgreifenden Einschnitt in die bewährte innere Verfassung der Kreise – die eben nicht komplett mit Städten und Gemeinden gleichzusetzen sind – dargestellt hat.

Die Folge dieser Kritik ist eine Prüfung der Gesetzesauswirkung durch die NRW-Koalition.

(Christian Dahm [SPD]: Das können Sie doch gar nicht wissen! Es gab ja keine Entfaltung!)

Das Ergebnis dieser Prüfung ist der hier vorliegende Gesetzentwurf.

Dazu gehört natürlich immer ein auch entsprechender Koalitionsvertrag. Ich will auf einzelne Aspekte in diesem Gesetzentwurf nur noch einmal kurz eingehen, weil wir intensive Beratungen im Ausschuss, in den Anhörungen usw. hinter uns haben.

Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, direktdemokratische Instrumente weiterzuentwickeln. Wenn man sich zum Beispiel im Nachbarland Niedersachsen umschaut, dann findet man dort die Möglichkeit einer rechtssicheren Vorprüfung bei Bürgerbegehren. Das ist eine gute Ergänzung der bestehenden Rechtslage. Das stärkt potenzielle Initiatoren von Bürgerbegehren, schafft Akzeptanz und Planbarkeit und vermeidet Frust bei denjenigen Bürgerinnen und Bürgern, die sich da einbringen wollen. Ich verstehe nicht, was man dagegen haben kann.

Wir haben uns im Koalitionsvertrag außerdem darauf verständigt, uns mit dem kommunalen Ehrenamt zu beschäftigen. Ich sage ausdrücklich – das habe ich auch im Ausschuss schon gesagt –, dass das hiermit nicht abschließend erledigt ist, sondern dass ich es für eine der Kernaufgaben unseres Kommunalausschusses hier im Hause halte, sich dauerhaft mit der Frage des kommunalen Ehrenamts auseinanderzusetzen.

Wir haben uns im Koalitionsvertrag unter anderem darauf geeinigt, dass wir die kritisierten Neuregelungen zur Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende sowie zu den Fraktionsmindestuntergrenzen in den Räten und Kreistagen überprüfen wollen. Die vorgesehenen Änderungen bei den Mindestfraktionsstärken heben wir auf. Wenn Sie, Herr Kollege Dahm, das als komplett unsachlich darstellen, dann hieße das, dass die Regeln, die Jahre und Jahrzehnte gegolten haben, keinerlei Grundlage hatten.

Ich meine, dass das wohl nicht so ganz sein kann. Im Gegenteil! Das sichert die Arbeitsfähigkeit auch von kleineren Fraktionen. Es sichert damit übrigens auch einen ganz wesentlichen Bestandteil der Arbeitsfähigkeit von Ehrenamt und überhaupt die Attraktivität dieses Ehrenamtes.

Nun will ich noch kurz die Aufwandsentschädigung für Ausschussvorsitzende ansprechen. Es ist ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, das wir hier schaffen. Die Regel bleibt die monatliche zusätzliche Entschädigung. Sie honoriert den zusätzlichen Arbeitsaufwand und die zusätzliche Verantwortung, die kommunale Ausschussvorsitzende wahrnehmen. Wir schaffen aber auch rechtssichere Ausnahmen und kommen damit den Wünschen der kommunalen Spitzenverbände und vor allem auch von ganz vielen aktiven Kommunalpolitikern nach, die diese Regelung vor Ort sehr unterschiedlich gehandhabt haben und das, was hier an Änderungen vorgenommen wurde, zum Teil als – ich zitiere – Zwangsbeglückung empfunden haben.

Sie, Herr Kollege Dahm, nehmen jeden Unterschied in der kommunalen Familie als großes Problem wahr und machen hier das ganz große Fass auf – im Sinne von: Die Demokratie steht eigentlich kurz vor dem Abgrund.

(Zuruf von der SPD: Unsinn! Unsachlich!)

Für uns in der NRW-Koalition sind Unterschiede zwischen Kommunen ein Ausdruck von Individualität und gelebter kommunaler Selbstverwaltung.

(Beifall von der FDP)

Auf die Wahlfreiheit …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Höne, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dr. Maelzer.

Henning Höne (FDP): Bitte.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr.

Dr. Dennis Maelzer (SPD): Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Weil ich die Sorge habe, dass Sie ähnlich wie Ihr Kollege Hoppe-Biermeyer in Ihrem Wortbeitrag nicht auf den dritten Landesteil, auf Lippe, eingehen werden, habe ich jetzt die Gelegenheit für eine Zwischenfrage genutzt.

Mit Ihrem Gesetz schwächen Sie den Landesverband Lippe finanziell und legen ihm eine Kostentragungspflicht auf, die er im Vorfeld nicht hatte. Warum ist es denn Ihr Ziel, den Landesverband Lippe finanziell zu schwächen, und warum sind Sie auf die Änderungsvorschläge des Landesverbandes nicht eingegangen?

(Zuruf von der SPD: Dafür haben sie lieber die Fotos gemacht!)

Henning Höne (FDP): Herr Kollege Dr. Maelzer, ich will gern in aller Kürze darauf eingehen. Ich meine, dass Sie hier einer Fehleinschätzung unterliegen. Warum die Umstellung der Buchhaltung von der Kameralistik auf die Doppik, wie sie in ganz vielen anderen Bereichen auch erfolgt, eine dauerhafte finanzielle Schwächung darstellen soll, ist für mich nicht nachvollziehbar.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das ist doch gar nicht der Punkt! Sie haben das überhaupt nicht verstanden!)

Es gibt entsprechende Umstellungshilfen. Das kann man sich dann im weiteren Verlauf, wenn es zu diesen drastischen Auswirkungen kommen sollte, die der Landesverband Lippe befürchtet – ich meine nicht, dass sie so drastisch werden –, immer noch einmal ansehen. Da sind wir natürlich auch gesprächsbereit. Aber warum nach der einmaligen Umstellung einer Buchhaltung entsprechende Ausgleichszahlungen auf immer und ewig zwingend notwendig sein sollten, ist mir nicht ganz klar.

(Zuruf von der SPD: Gut zu wissen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf die Wahlfreiheit bei den kommunalen Integrationsräten bzw. Integrationsausschüssen ist der Kollege Hoppe-Biermeyer gerade schon eingegangen. Mit Blick auf die fortgeschrittene Uhrzeit an diesem Abend erspare ich es Ihnen und mir, das zu wiederholen.

(Zuruf von der SPD: Nein, wir wollen es gern hören! Wir haben doch noch Zeit!)

Hier liegt ein ausgewogener, guter Gesetzentwurf vor. Ich werbe um Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Höne. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Mostofizadeh das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin, herzlichen Dank. – Der Kollege Hoppe-Biermeyer hat mit seiner Vorlesestunde wieder eindrucksvoll belegt,

(Heiterkeit von den GRÜNEN und der SPD)

dass sich die CDU-Fraktion nicht in der Lage sieht, diesen Gesetzentwurf fachlich zu begründen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das wundert jetzt nicht wirklich. Es ist die konsequente Fortsetzung der bisherigen Beratungen. Aber zwei, drei Punkte aus den bisherigen Beratungen will doch noch einmal in Erinnerung rufen.

Denn immerhin, Herr Kollege Hoppe-Biermeyer, stellt die CDU nicht nur die größte Fraktion hier im Landtag, sondern auch die meisten Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in Nordrhein-Westfalen. Trotzdem werden Sie Ihrer Verantwortung nicht einmal ansatzweise gerecht.

Lieber Herr Kollege Hoppe-Biermeyer, was Sie hier abliefern, ist echt nicht in Ordnung. Ich will – auch wenn es jetzt 20:05 Uhr ist – noch einmal sehr deutlich sagen: Sie müssen sich fachlich damit auseinandersetzen und nicht nur das abspulen, was irgendeine Obrigkeit Ihnen ins Stammbuch diktiert hat.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Damit komme ich auch zu den fachlichen Punkten. Schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfes war es so, dass, noch bevor das Kabinett sich mit dem Gesetzentwurf befasst hatte, CDU und FDP einen Änderungsantrag hier in den Landtag eingebracht haben.

Dann haben Sie es geschafft, Herr Kollege Hoppe-Biermeyer, zu einem anderen Gesetzentwurf als zu dem von der Landesregierung vorgelegten zu sprechen – Stichwort „Integrationsausschüsse in Nordrhein-Westfalen“. Das haben Sie jetzt durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ja noch einmal geändert.

Sie sind offensichtlich nicht in der Lage oder willens, sich mit den Sachverhalten auseinanderzusetzen, sondern lesen die Sachen vor, die Ihnen irgendjemand aufgeschrieben hat. Das ist diesem Parlament, ehrlich gesagt, nicht würdig.

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Eine Unverschämtheit ist das!)

– Gucken Sie sich die Protokolle doch an, Herr Kollege Kerkhoff. Dann machen Sie es ein Stück besser.

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Es ist eine Unverschämtheit, so mit Kollegen umzugehen!)

Zum Stichwort „Stichwahl“: Herr Hoppe-Biermeyer hat es tatsächlich geschafft, in einem Gesetzgebungsverfahren, in dem das überhaupt nicht Gegenstand war – Klammer auf: Abgeordneter aus Paderborn; Klammer zu –, den Landrat – Klammer auf: CDU; Klammer zu – aus Paderborn aufzufordern oder offensichtlich dazu zu bringen, das Thema „Stichwahl“ noch einmal mit in die Beratung einzubringen.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das ist aber großes Kino!)

Alles andere, lieber Herr Kollege, möchte ich Ihnen an dieser Stelle ersparen, weil wir im Februar 2019 noch einmal ausführlich darüber reden wollen. Dass der CDU-Parteitag eine Stichwahl braucht und die Parlamente von Nordrhein-Westfalen nicht, müssen Sie dann aber schon ausführlich erklären.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Lassen Sie mich noch etwas zum Thema „2,5-%-KIausel“ sagen, weil wir es vorhin auch auf der Tagesordnung hatten. Da ist richtig zitiert worden – ich halte das in der Sache zwar nicht für richtig; aber wir müssen es ja nun einmal zur Kenntnis nehmen –, dass die Wahl von Beigeordneten oder das Bilden von Regierungen – ich nenne das einmal so – in Kommunalparlamenten durchaus von Relevanz für die Frage ist, ob man Prozentklauseln einführen kann oder nicht. Sie entscheiden sich jetzt wider besseres Wissen dafür, die Möglichkeit – nicht die Pflicht, sondern die Möglichkeit – der Wahl von Beigeordneten in Kreistagen abzuschaffen. Das ist eine Schwächung des Kreistages und keine Stärkung. Es ist wirklich widersinnig, was Sie hier auf den Tisch gelegt haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die aus der Hüfte geschossene Begründung, die Herr Kollege Höne im Ausschuss vorgetragen hat, ist schon damals widerlegt worden. Aber ich will sie Ihnen nicht vorenthalten. Er hat allen Ernstes angeführt, das sei im Kreistag deswegen richtig, weil er quasi ein Aufsichtsorgan gegenüber den Räten sei. Dann haben wir angeführt: Was ist denn mit dem LVR? Was ist denn mit dem RVR? Beim Landschaftsverband Rheinland und beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe gibt es sogar ein Landesjugendamt, das staatliche Aufgaben wahrnimmt.

Welche Logik dahintersteckt, hat uns Herr Kollege Höne – bis heute zumindest – vorenthalten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen, weil da Demokratie wirklich mit Chaos verwechselt wird. Was das Thema „Mindestfraktionsgrößen“ angeht, sind wir Grünen der Auffassung, dass es nicht unterschiedliche Spielregeln geben sollte, wenn man in Räten ist. Deswegen waren wir dafür, dass man diese Sperrklausel einführt, und zwar auch, um das System zu sortieren.

Es kann doch nicht dem puren Zufall überlassen sein, dass man in Essen mit drei Personen eine Fraktion gründen kann, seien es nun 70, 80, 90 oder 100 Ratsmitglieder. Das hat mit einer Sortierung des Parlaments nichts zu tun, Herr Kollege Hovenjürgen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sondern ist ein schlichtes Zugeständnis an die FDP, um einen Koalitionsdeal zu machen. Das hat mit der Organisation von Parlamenten nichts zu tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit erweisen Sie der Demokratie einen Bärendienst. Richtig und vernünftig wäre es, gleichmäßig zu sortieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Als allerletzten Punkt will ich das Stichwort „Ausschussvorsitzende“ ansprechen. Ich hätte mir, ehrlich gesagt, auch eine bessere Regelung als die jetzige vorstellen können; das ist keine Frage. Aber dies ausschließlich auf dem Rücken der Städte und Gemeinden auszutragen und ihnen die Populismus-Freiheitsdebatten vor Ort vor die Füße zu kippen, trifft nicht auf unsere Zustimmung.

Deswegen werden wir aus allen diesen Gründen diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Zu einem fordere ich Sie allerdings schon auf, Herr Kollege. Führen Sie hier eine neue Ehrenamtskommission ein, und diskutieren Sie wieder substanziell und an der Sache orientiert über diese Dinge. Dann können wir gemeinsam eine Weiterentwicklung des kommunalen Ehrenamtes angehen. Was Sie hier abgeliefert haben, ist schlicht ein Schauspiel. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mostofizadeh. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Tritschler das Wort.

Sven Werner Tritschler (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bereits in erster Lesung und auch im Ausschuss zum Ausdruck gebracht, dass wir den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung im Wesentlichen begrüßen. Ich möchte für meine Fraktion noch einige Punkte ansprechen, die uns besonders wichtig sind.

Bürgerfreundlich und im Sinne der direkten Demokratie ist es, den Initiatoren eines Bürgerbegehrens früh die Möglichkeit zu geben, die Zulässigkeit ihres Anliegens zu prüfen. Der Status quo dagegen ist bürgerfeindlich und schafft schlimmstenfalls Politikverdrossenheit, wenn engagierte Bürger mit großem Aufwand Unterschriften sammeln und erst danach erfahren, ob das Bürgerbegehren überhaupt zugelassen wird.

Im Interesse der Demokratie ist sicher auch die Rücknahme der neuen Fraktionsmindestgrößen. Wir haben eben über die Prozenthürden in den Kommunalparlamenten gesprochen. Nach unserer Auffassung kann es nicht sein, dass man auf diesem Weg jetzt eine Prozenthürde durch die Hintertür einzieht. Nur wer einer Fraktion angehört, kann vollumfänglich mitbestimmen und mitreden.

Genau das scheinen SPD und Grüne an dieser Stelle verhindern zu wollen – auch wenn es höchst fraglich ist, ob eine solche Regelung im Lichte der Rechtsprechung zur Prozenthürde überhaupt zulässig ist und vor dem Verfassungsgericht Bestand hätte.

Wir freuen uns daher über die vermutlich nicht ganz freiwillige Kehrtwende der Union dahin gehend, dass auch kleinere Gruppierungen wieder die Chance haben, sich in den Räten und Kreistagen gleichberechtigt Gehör zu verschaffen.

Eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung sehen wir im Bereich der Ausschussvorsitze. Hier ist es sicher nicht zielführend, von Lippe bis Euskirchen und vom Sport- bis zum Bauausschuss eine landesweite Regelung zu treffen. Die Gemeindevertreter vor Ort wissen am besten, wer den größten Mehraufwand trägt, und werden hier – da sind wir zuversichtlich – angemessene und sachgerechte Lösungen finden.

Schließlich freuen wir uns über die Optionsregelung bei den Integrationsgremien. Es hat zwar etwas gedauert; aber nun hat sie via Änderungsantrag doch noch ihren Platz im Gesetz gefunden. Integrationsräte mit eigener Wählerschaft und eigenem aktiven und passiven Wahlrecht sind nach unserer Auffassung ein Widerspruch in sich. Wer sich integrieren möchte, braucht gerade keine Parallelstrukturen unter Ausschluss der Allgemeinheit.

Das scheint im Übrigen nicht nur unsere Meinung, sondern auch ganz überwiegend die Meinung der Betroffenen zu sein. Anders sind die miserablen Wahlbeteiligungen – in der Regel um die 10 % – nicht zu erklären. Wir sind daher der Meinung, dass ein regulärer Ausschuss besser geeignet ist, sich des Themas anzunehmen, und weniger Gefahr läuft, zu einer Spielwiese für Partikularinteressen zu werden.

Zusammenfassend bleibt für meine Fraktion festzuhalten, dass wir dem Gesetzentwurf so, wie er aus dem Ausschuss kommt, gerne zustimmen werden.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tritschler. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Scharrenbach das Wort. Bitte sehr.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wichtigste Regelung in diesem Gesetz ist die kürzeste: Das Gesetz zur Stärkung des Kreistages wird nämlich aufgehoben, noch bevor es in Kraft tritt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und Grünen, Sie wissen, dass mit diesem Gesetz zur Stärkung des Kreistages damals genau das Gegenteilige beabsichtigt war. Denn Sie hatten tiefgreifende Eingriffe in die Verfassung unserer Kreise beschlossen. Die Stellungnahmen im Rahmen der Anhörungen – damals wie heute – zu dem Gesetzentwurf, insbesondere der kommunalen Spitzenverbände, haben gezeigt, dass es damals keine Begründung für dieses Gesetz gab und dass es jetzt eine gute Begründung dafür gibt, es gar nicht erst in Kraft treten zu lassen.

Denn die Kreise in Nordrhein-Westfalen leisten eine hervorragende Arbeit. Wir haben in den Kreisen kein Demokratiedefizit. Im Gegenteil! Deswegen wollen wir die bewährte Arbeit, wie wir sie kennen, entsprechend auch für die Zukunft absichern. Mit diesem Gesetzentwurf bewahren wir die Kreise vor überflüssigen Experimenten und lassen sie in Ruhe arbeiten.

Gleichzeitig setzen wir weitere Modernisierungen in der Gemeindeordnung um, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen sind. Dazu gehört die Möglichkeit einer Vorprüfung bei Bürgerbegehren in Bezug auf deren Zulässigkeit. Dies ist ein wichtiger Baustein, um dafür Sorge zu tragen, dass eine wichtige und längst überfällige Stärkung des Bürgerbegehrens als unverzichtbarer Baustein unmittelbarer Demokratie in unseren Kommunen zum Tragen kommt.

Auf die Aufwandsentschädigungen ist bereits eingegangen worden. Sie wissen aus Ihrer kommunalen Praxis, egal welcher Couleur Sie angehören, dass die Stadträte und die Kreistage sehr unterschiedliche Regelungen gefunden haben – je nachdem, wie man das Ganze vor Ort diskutiert hat. Wir hatten die Situation, dass entgegen einem Erlass – damals noch des vorherigen für Kommunales zuständigen Ministers – Räte komplette Ausschüsse ausgenommen haben. Normalerweise hätten wir dies über die obere Kommunalaufsicht verfolgen lassen müssen. Das haben wir jedoch nicht getan und stattdessen beschlossen, erst einmal nach einer Lösung zu suchen.

Insofern bietet das, was hier vorgetragen wird, in der Tat die Möglichkeit, im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung – je nachdem, wie man es vor Ort betrachtet – Entscheidungen zu treffen.

Gestatten Sie mir, darüber hinaus auf etwas einzugehen, was bisher noch nicht Gegenstand war. Wir schaffen eine unnötige Bürokratie ab, nämlich die Doppelschleife bei der Umlagengenehmigung, die aus unserer Sicht völlig unnötig gewesen ist. Sie hat auch zu gar keinem Ergebnis geführt – außer dazu, Prozesse zu verlängern. Vor diesem Hintergrund tragen wir dem Erfordernis Rechnung, überflüssige Bürokratie zu beseitigen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Abschließend gestatten Sie mir bitte noch einen Hinweis in Bezug auf den Landesverband Lippe. – Jetzt wird es ruhig. Wenn es um Lippe geht, wird es im Saal ruhig.

Sie wissen, dass das benötigte IT-Verfahren schlicht abgeschaltet wird. Die Umstellung des Landesverbandes Lippe von der Kameralistik auf die Doppik wurde noch von der Vorgängerregierung eingeleitet. Wir sehen mit dem Gesetzentwurf vor, dass – sofern Sie ihn annehmen – im Jahr 2018 einmalig der Umstellungsaufwand von 150.000 Euro ausgeglichen wird und ab 2019 eine jährliche pauschale Abgeltung in gleicher Höhe erfolgt.

Vielleicht trägt das noch einmal zur Klarstellung bei. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir am Schluss der Aussprache sind.

Damit können wir zur Abstimmung kommen, und zwar erstens über den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 17/2994. Der Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen empfiehlt in der Drucksache 17/4518, den Gesetzentwurf in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und nicht über den Gesetzentwurf.

Wer möchte der Beschlussempfehlung zustimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, FDP und AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/2994 in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4518 mit dem festgestellten Ergebnis angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet worden.

Zweitens lasse ich über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/4545 abstimmen. Ich darf fragen, wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben möchte. – Das sind erwartungsgemäß die Abgeordneten der SPD. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, FDP und AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der Entschließungsantrag damit abgelehnt worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende der Beratungen zum Tagesordnungspunkt 10.

Ich rufe auf:

11 Viertes Gesetz zur Änderung des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen – Erweiterung der untergesetzlichen Normenkontrolle nach § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/3580

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 17/4320

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und teile gleichzeitig mit, dass sich die Fraktionen nach meinem Kenntnisstand darauf verständigt haben, die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu geben. (siehe Anlage 2)

– Das bleibt auch nach dem Blick in die Runde so. Herzlichen Dank. Damit sind wir auch schon am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in der Drucksache 17/4320, den Gesetzentwurf Drucksache 17/3580 unverändert anzunehmen. Somit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Ich darf fragen, wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Das sind die Abgeordneten der AfD-Fraktion. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/3580 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf:

12 Gesetz zur Umsetzung der Pflegeberufereform in Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3775

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Drucksache 17/4524

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der CDU der Frau Abgeordneten Oellers das Wort. Bitte sehr.

Britta Oellers (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die demografische Entwicklung stellt unsere Gesellschaft und auch die Landespolitik vor große Herausforderungen. Gerade im Pflegebereich können wir einer immer älter werdenden Gesellschaft nur mit ausreichenden Pflegefachkräften begegnen, die ihren Job gerne und motiviert machen.

Wir müssen die Pflegeberufe deshalb deutlich attraktiver gestalten und bei der Suche nach Fachkräften auch beachten, dass das Schulabgangsniveau unserer heutigen Jugendlichen immer weiter ansteigt. Inzwischen haben 80 % der Schülerinnen und Schüler eine Hochschulzugangsberechtigung. Das muss auch in der Pflegeausbildung berücksichtigt werden, wenn wir die junge Generation für den Pflegeberuf begeistern möchten.

Um die Ausbildung in der Pflege zukunftsfähig zu machen, hat der Bund im Juli 2017 die Reform der Pflegeberufe beschlossen. Damit wird die Abkehr von der bisher dreigeteilten Ausbildung in Alten-, Kranken‑ und Kinderkrankenpflege eingeleitet und eine einheitliche, generalistische Pflegeausbildung an ihre Stelle gesetzt. Das berufsqualifizierende Pflegestudium wird darüber hinaus neue Zielgruppen ansprechen und weitere Karrieremöglichkeiten eröffnen.

Die NRW-Koalition stellt mit ihrem Änderungsantrag zum vorliegenden Gesetzentwurf außerdem auch künftig die Assistenzausbildung im Pflegebereich sicher. Damit bekommen wir weiterhin Schülerinnen und Schüler. Wir möchten denjenigen, die zum Beispiel einen Hauptschulabschluss haben, eine Chance geben, um dann die Pflegeausbildung anzutreten.

(Beifall von der CDU)

Die nähere Ausgestaltung des Bundesgesetzes zur generalistischen Ausbildung soll in vielen Bereichen durch Landesrecht erfolgen. Um zeitliche Verzögerungen in der Umsetzung zu vermeiden, bringen wir bereits heute diesen Gesetzentwurf des Landes NRW auf den Weg und regeln das, was nach aktuellem Stand möglich ist.

Der Zeitplan ist eng gesteckt. Dessen sind wir uns bewusst. Bereits zum 01.01.2020 soll die einheitliche Ausbildung an den Start gehen. Parallel dazu können die vorher begonnenen Ausbildungen in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege noch bis Ende 2024 absolviert werden.

Für die Fachseminare und Pflegeschulen bedeutet dies eine doppelte Herausforderung, die auch erhebliche Investitionen in die Schulinfrastruktur notwendig machen wird.

In den kommenden Jahren werden wir als Folge der Umstellung deutlich mehr Pflegepädagogen benötigen. Ein zügiger Ausbau der Studienplätze ist deshalb dringend geboten.

Um der Gefahr eines potenziellen Lehrkräftemangels entgegenzuwirken, werden wir übergangsweise bis 2025 Ausnahmen von der Qualifikationsvorgabe des Masterabschlusses zulassen und den Lehrkräften die Möglichkeit einräumen, sich weiterzuqualifizieren.

Die Reform der Pflegeberufe stellt eine große, aber für die Zukunftsfähigkeit dieses Berufsfeldes notwendige Herausforderung dar. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diese gemeinsam in enger Abstimmung mit den Verbänden und den Pflegeeinrichtungen gestemmt bekommen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und Susanne Schneider [FDP])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Oellers. – Für die Fraktion der SPD hat nun Frau Abgeordnete Weng das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Christina Weng (SPD): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie und ich möchten wie jeder Einzelne von uns in Würde altern. Jeder Einzelne von uns möchte von professionell ausgebildetem Pflegepersonal entgegenstehen und versorgt werden. Wir alle wollen im Krankheitsfall die Zuwendung erhalten, die uns beim Gesundwerden hilft und auf schwerem Weg begleitet.

Wir alle wissen, was wir dafür brauchen: deutlich mehr Pflegekräfte, die noch dazu gut ausgebildet sind. Die Voraussetzung dafür ist eine durchdachte Gesundheitspolitik. Doch was uns hier vorliegt, ist ein halbherziges Gesetz, ein gesundheitspolitisches Wunschkonzert in d-Moll.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Der erste Akt dieses Wunschkonzertes ist die Quotenregelung für die Qualifikation von Lehrkräften in Pflegeschulen. Eine Masterquote ins Gesetz zu schreiben, aber die Voraussetzungen dafür nicht zu schaffen, ist schon mit gesundem Menschenverstand nicht vereinbar. Wie sollen 90 % der Lehrkräfte einen Masterabschluss aufweisen können, wenn nicht genügend Masterstudiengänge zur Verfügung stehen? Wenn Sie Quotenvorgaben machen, Herr Minister Laumann, muss die Landesregierung doch auch sicherstellen, dass die entsprechenden Studienkapazitäten vorhanden sind.

Die Anhörung zum Gesetzentwurf hat klar aufgezeigt: Ohne eine solide Finanzierung ist es für die Hochschulen nicht attraktiv, den Master in Pflegepädagogik anzubieten. Das bedeutet: ohne Landesmittel keine Studiengänge, ohne Studiengänge keine Masterabsolventen, ohne Masterabsolventen keine Lehrkräfte für Pflegeschulen und ohne Lehrkräfte keine neuen Pflegekräfte. So einfach ist das.

(Beifall von der SPD)

Hinzu kommt, dass der von Ihnen gesetzte Übergangszeitraum bis 2025 mehr als sportlich – eher illusorisch – ist, um genügend Masterabsolventen für den steigenden Bedarf von Lehrkräften auszubilden. Für viele Lehrkräfte bedeutet das ein zusätzliches nebenberufliches Studium. Diese Doppelbelastung ist unrealistisch und schon gar nicht attraktiv.

Dass Sie Qualität und Quantität gleichzeitig fordern, Herr Laumann, erscheint mir, als wollten Sie einfach mal „schnips!“ machen, und – zack! – hätten wir jede Menge Studienplätze, jede Menge Lehrkräfte mit Masterabschluss und noch dazu jede Menge hervorragend ausgestattete Pflegeschulen. Doch so einfach ist das leider nicht.

Wunschkonzert in d-Moll, zweiter Akt: Die Landesregierung macht in dem Gesetzentwurf Qualitätsvorgaben für die Sachausstattung der Pflegeschulen und hofft, dass das Geld dafür schon irgendwie aufgetrieben wird. Doch wenn teilweise allein für die Miete der Fachseminare schon 50.000 bis 70.000 Euro anfallen, woher kommt denn dann in den ohnehin klammen Pflegeschulen das weitere Geld für neue Investitionen? Die aktuell zur Verfügung stehenden Mittel reichen faktisch nicht aus, um die neuen gesetzlichen Bedingungen zu erfüllen.

Das Prinzip der Landesregierung führt sich also fort: Anforderungen stellen, ohne Voraussetzungen zu schaffen.

Wunschkonzert in d-Moll, dritter Akt: Die Pflegeberufereform schafft eine generalistische Ausbildung, die sowohl für Somatik als auch für Pädiatrie und Geriatrie qualifizieren soll. Doch faktisch dequalifiziert die Generalistik die angehenden Pflegekräfte für die immer komplexeren Anforderungen an Pflegeprozesse in der Akutversorgung durch nur noch ein Jahr der Spezialisierung.

Zum anderen gilt: Zu glauben, dadurch dem generellen Fachkräftemangel in der Pflege entgegenwirken zu können, wenn in der Altenpflege weiterhin deutlich schlechtere Löhne gezahlt werden, kann nicht einmal mehr als naiv bezeichnet werden.

Wenn junge Menschen nach der generalistischen Ausbildung die Option haben, entweder einen Job in der besser bezahlten Akutversorgung oder in der nach wie vor schlechter bezahlten Altenpflege anzunehmen: Was meinen Sie, wofür sich ein Großteil von ihnen entscheiden wird? Wenn nicht gleichzeitig einheitliche Tarifverträge eingeführt werden, fährt die Pflegeberufereform mit dem Vorhaben, den Fachkräftemangel speziell in der Altenpflege zu reduzieren, vollkommen gegen die Wand.

Ich war Krankenschwester mit Leib und Seele und habe immer für bessere Rahmen- und Arbeitsbedingungen gekämpft. Doch dieses Gesetz verspricht viel und hält wenig. Deshalb wollen wir in dieses weltfremde Wunschkonzert nicht mit einstimmen und lehnen als SPD-Fraktion den Gesetzentwurf ab. – Trauriger Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Weng. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP Frau Kollegin Hannen das Wort. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Martina Hannen (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Pflegekräfte in der Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege verdienen großen Respekt für ihre verantwortungsvolle Arbeit im Angesicht hoher Anforderungen und Arbeitsbelastungen. Ohne sie wäre die Versorgung der Patientinnen und Patienten in unseren Krankenhäusern sowie der pflegebedürftigen Menschen in Heimen oder aber durch ambulante Dienste zu Hause nicht denkbar.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzt unser Land das Pflegeberufegesetz des Bundes um. Der Entwurf enthält notwendige Zuständigkeitsregelungen, die Einrichtung einer Ombudsstelle sowie etliche Verordnungsermächtigungen. Das sind überwiegend technische Regelungen, die kaum einer Debatte bedürfen.

Dies hat sich auch in der Anhörung am 21. November bestätigt.

Dort stand als einziger Punkt – auch das haben wir heute schon mehrfach hier gehört – die befristete Ausnahme für die Qualifikation von Lehrkräften in Pflegeschulen im Fokus. Gerade im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Hochschulabsolventen ist die Übergangsregelung zu Ausnahmen von der Qualifikation auf Masterniveau bis zunächst 2025 zwingend erforderlich, meine Damen und Herren.

Darüber hinaus können wir aber über eine Verordnungsermächtigung auch den im Bundesgesetz vorgesehenen Spielraum bis Ende 2029 ausschöpfen und eine weitere Übergangsregelung vorsehen, wenn – wenn! – 2025 noch nicht ausreichend qualifizierte Lehrkräfte zur Verfügung stehen sollten. Das gilt es abzuwarten.

Eine aber noch weitergehende Aufweichung der Qualifikationsanforderungen lehnen wir hingegen ab. Dies würde die Intention des Gesetzes an dieser Stelle untergraben; denn – und das ist der Punkt, um den es geht – wir wollen sicherstellen, dass die akademischen Qualifikationen der Lehrkräfte gewährleistet werden.

Die Zusammenführung der bisher gesonderten Ausbildung in der Krankenpflege, der Kinderkrankenpflege und der Altenpflege zu einer einheitlichen und ganzheitlichen Pflegeausbildung ist auch mit dem Ziel verbunden, die Attraktivität dieses Berufsfeldes zu steigern; denn wir brauchen dringend – dringend! – zusätzliches und weiterhin genauso hervorragend qualifiziertes Personal für die wachsende Zahl der Pflegebedürftigen.

Um den bisherigen Altenpflegeschulen den Übergang auf die neue Ausbildung zu erleichtern, werden wir sie unterstützen. Die NRW-Koalition wird die monatliche Schulkostenpauschale des Landes von 280 Euro auf 380 Euro je Schulplatz erhöhen. – Sie nicken. Tolle Sache, gut gemacht, hervorragend.

(Christina Weng [SPD]: Das stimmt, reicht aber nicht!)

Dazu haben wir den entsprechenden Haushaltsansatz um 22,5 Millionen Euro auf nun insgesamt 85,5 Millionen Euro angehoben. Dies ist ein wichtiger erster Schritt zur Stärkung der Pflegeschulen.

(Beifall von der FDP)

So können wir die Voraussetzungen für gute Ausgangsstrukturen gerade im Hinblick auf die Pflegeberufereform schaffen.

Neben einer weiteren Akademisierung der Pflege benötigen wir aber auch eine Stärkung der Assistenzausbildung in der Pflege. Sie können den Einstieg in Pflegeberufe für Hauptschulabsolventen oder für Bewerber mit Einwanderungsgeschichte erleichtern, für die ein direkter Einstieg in eine dreijährige Ausbildung nicht infrage kommt. So bieten sie die Möglichkeit, mehr junge Menschen für eine Beschäftigung in der Pflege zu gewinnen.

Im Gesetzgebungsverfahren haben wir daher auch eine Verordnungsermächtigung zur Assistenzausbildung ergänzt. Dabei sollte sich die Ausbildungsdauer flexibel auf unterschiedliche Anforderungen einstellen können. Dies gilt gerade bei einem höheren pädagogischen Bedarf oder einem begleitenden weiterführenden Schulabschluss. Aber auch bei einem vertieften Profil wird eher eine zweijährige Ausbildung infrage kommen können. Hier sind wir mit der Reform auf einem guten Weg, den Einstieg in den Pflegeberuf zu verbessern.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, genau darum geht es eigentlich und um nichts anderes. Genau das muss das Ziel sein: den Einstieg in den Pflegeberuf zu erleichtern, gleichermaßen aber auch die Qualität der Pflege weiter auf so hohem Niveau zu halten, wie wir sie bisher haben, und Ausbildende und Auszubildende für diesen so wichtigen Beruf zu gewinnen.

Das, meine Damen und Herren – ich darf mir das erlauben –, ist vor allen Dingen weder Dur noch Moll. Das ist einfach nur ein Akt der Vernunft. Es ist kein Konzert – das hat Sätze. Opern haben Akte. Aber es ist eine Oper voller Vernunft und mit genau der richtigen Intonierung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Hannen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Mostofizadeh das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich das zuletzt sagen, was ich jetzt zuerst sage.

(Zurufe von der CDU)

Aber weil Sie jetzt von der Intonierung und von der Oper gesprochen haben, will ich auf den letzten Redebeitrag des Ministers Laumann eingehen.

Herr Minister Laumann, wir haben uns vorhin über das Landarztgesetz auseinandergesetzt. Wir haben auch schon mal unterschiedliche Stellungnahmen und Standpunkte. Das kann alles sein. Aber wie Sie hier in einem Punkt, den ich, ehrlich gesagt, für streitig, aber jetzt auch nicht für so weltbewegend halte, dass Sie hier sozusagen die gesamte Keule der politischen Auseinandersetzung schwingen müssen, sowohl die ehemalige Gesundheitsministerin Fischer als auch die ehemalige Gesundheitsministerin Steffens hier angesprochen haben, finde ich unanständig, infam und der Würde des Hauses unangemessen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Andreas Keith [AfD] – Zurufe von der CDU und der FDP)

– Nein, Herr Kollege Höne, um das auch noch mal zu sagen – vielleicht waren Sie nicht im Raum –:

(Henning Höne [FDP]: Ich war da!)

Er hat gesagt, dass er für das Volk arbeite und die beiden angesprochenen Ministerinnen – so verstehe ich das zumindest – in Versorgungsposten gegangen sind und von großen Krankenkassen versorgt worden sind. Das schürt, lieber Herr Kollege – Sie sind ja Parlamentarischer Geschäftsführer –, durchaus Politikverdrossenheit. Das sollte es hier im Hause so nicht geben.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Thomas Nückel [FDP] – Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich finde, das sollten wir …

(Thomas Nückel [FDP]: Nur bei Ihnen ist das erlaubt, oder? Uns machen Sie das zum Vorwurf, aber Ihren Leuten ist das erlaubt! – Weitere Zurufe von der FDP)

– Darum geht es gar nicht. – Gut, wenn Sie es nicht verstehen wollen, werden wir uns an anderer Stelle noch mal darüber unterhalten.

Ich werde jetzt noch drei Punkte zu diesem Gesetz sagen, Herr Minister.

Das Thema „Generalistik“ haben wir mehrfach hier im Parlament besprochen. Wir haben das als Grüne eigentlich immer abgelehnt. Der Drops ist aber jetzt auf Bundesebene gelutscht.

Ich habe Ihnen auch in den Haushaltsberatungen und auch vorher schon gesagt: Wer Generalistik bestellt, der muss auch Generalistik bezahlen. Das bedeutet konsequenterweise nicht 380 Euro, sondern 500 Euro für die Altenpflegeschule.

Wenn ich sehe, Frau Kollegin Hannen, was seitens der Koalitionsfraktionen in der zweiten Lesung und auch in der dritten Lesung noch mal an Geld verschoben worden ist, wären die 20 Millionen Euro – und das wäre eine einmalige Angelegenheit gewesen – sehr wohl möglich gewesen. Ich finde es sehr bedauerlich, dass das nicht gelungen ist. Erster Punkt.

Der zweite Punkt, Herr Minister, ist die Frage der Ausbildung der entsprechenden Ausbilderinnen und Ausbilder, also derjenigen, die ein Masterstudium haben. Da hat das Wissenschaftsministerium – das haben Sie ja freundlicherweise im Ausschuss auch sehr deutlich durch eine schriftliche Vorlage bestätigt – gesagt, dass die Finanzierung zum heutigen Zeitpunkt nicht vorliegt, was die weiteren Studienplätze in dem Bereich anbetrifft.

Deswegen kann ich nur sagen: Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Wochen – und nicht irgendwann Ende 2019 bei den Haushaltsberatungen für das Haushaltsjahr 2020 – ein Finanzierungskonzept und ein Fahrplan vorgelegt werden. Wer Generalistik bestellt, muss auch Generalistik fertig machen und vorbereiten. Hier muss ein Fahrplan vorliegen, an dem wir erkennen können: Wie groß ist der Bedarf? Wann werden Sie den Bedarf decken? Mit welchen Methoden werden Sie den Bedarf decken?

Ich glaube, dieses Parlament und auch die vielen Menschen, die täglich in der Pflege unterwegs sind, haben Anspruch darauf, dass Sie uns das mit Punkt und Komma und mit der Finanzierung, die dahintersteht, sagen.

Letzter Punkt: Das hat jetzt nicht unmittelbar, aber dann doch wieder unmittelbar damit zu tun. Dass der Bund im Bereich der Hebammenausbildung immer noch nicht so weit ist, ist eine Schande. Auch dort sollen CDU-Minister seit Jahren eine Verantwortung getragen haben. Das ist zwar jetzt nicht unmittelbar Teil dieses Gesetzgebungsverfahrens, aber trotzdem gehört es zur Wahrheit dazu.

Wir müssen bei der Akademisierung endlich weiterkommen. Der Bund muss endlich ein vernünftiges Gesetz vorlegen, damit wir uns hier in Nordrhein-Westfalen nicht von Modellversuch zu Modellversuch hangeln müssen, sondern dass qualifizierte Hochschulen wie die Schule in Bochum, aber auch andere an vielen Standorten vernünftige Arbeit machen können.

Deswegen, Herr Minister, werden wir uns bei diesem Gesetzentwurf, der zum Teil in die richtige Richtung geht, enthalten. Ich würde mich freuen, wenn wir demnächst wieder über die Sache reden würden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mostofizadeh. – Für die Fraktion der AfD hat Frau Kollegin Dworeck-Danielowski das Wort.

Iris Dworeck-Danielowski (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Anlehnung an die vorangegangenen Redebeiträge sage ich ein fröhliches Hojotoho.

Die erfolgreiche Umsetzung der Pflegeberufereform im Land NRW ist in unser aller Interesse. Die Anhörung der Experten hat eines sehr deutlich gemacht: Damit das gelingen kann, brauchen wir gut ausgestattete Schulen, mehr Lehrpersonal, mehr Pflegemasterstudienplätze und vor allem eine realistische Einschätzung der Begebenheiten und für die Schulen einen flexiblen Spielraum, zumindest für den Übergang.

Wenn die Landesregierung Mindestanforderungen an die Ausstattung und die Einrichtung der Schule stellt und wenn die Landesregierung festlegt, wie viele Lehrkräfte einen Masterabschluss vorweisen können müssen, dann muss die Landesregierung folgerichtig auch die Voraussetzung dafür schaffen, dass diese Vorgaben erfüllt werden können. Wenn sie das nicht kann, sind feste Vorgaben mit Vorsicht zu genießen. Das Gegenteil von gut ist allzu häufig „gut gemeint“.

Es wäre fatal, wenn aufgrund des Wunsches, mehr Ausbildungskapazitäten zur Verfügung zu stellen, gegebenenfalls mit Inkrafttreten dieser gesetzlichen Vorgaben Kapazitäten abgebaut werden müssten. Das wollen die Schulen nicht, und ich bin mir ziemlich sicher, das wollen Sie, Herr Laumann, auch nicht.

Aus welchem Grund befürchten denn vor allem die Träger der Altenpflegeschulen, dass dieser Effekt eintreten könnte? Insbesondere bei den Altenpflegeschulen haben eine jahrelange Unterfinanzierung und der damit einhergehende Investitionsstau natürlich auch dazu geführt, dass die Ausstattung der Schulen verbesserungswürdig ist. Sie erhöhen die Schulkostenpauschale, das ist gut, allerdings wäre mehr auch noch etwas besser.

Noch besser wäre allerdings eine Art Rettungspaket für die Altenpflegeschulen, eine Anschubfinanzierung. Das wäre ein starkes Signal und ein guter Auftakt für diese neue Ausbildungsära.

Nehmen wir an, die Schulen stünden allesamt gut da, die Lehrkräfte wären vorhanden. Wie können wir dann weiter junge Menschen oder auch Quereinsteiger für diese Ausbildung gewinnen? – Während wir im Jahr 2000 noch knapp 60.000 Abiturienten in Nordrhein-Westfalen hatten, werden im Jahr 2025 gut 90.000 Abiturienten die Schule absolvieren.

Natürlich müssen sich viele Ausbildungsberufe die Frage stellen, wie sie auch künftig für die Abiturienten attraktiv sein können. Die Akademisierung von Teilen der Pflege kann jedoch nur ein Teil der Lösung sein. Die Antwort auf eine fehlgeleitete Bildungspolitik sollte nicht deren Fortsetzung und Festschreibung sein.

Die Zahl der Studienabbrecher ist in den letzten zehn Jahren von jedem vierten Student auf fast jeden dritten gestiegen. Über 40 % der Studienabbrecher ergreifen dann mit Verzögerung doch noch eine Berufsausbildung. Offensichtlich ist bei dem einen oder anderen Programm, das in den Schulen der Berufsorientierung dient, noch Luft nach oben. Vielleicht wäre manchem Schüler mit einer guten mittleren Reife und einer herkömmlichen Berufsausbildung mehr gedient. Die Hochschulreife vermittelt schon qua Namen das Ziel, die Hochschule zu besuchen. Aber nicht jeder findet in einer akademischen Laufbahn seine Erfüllung. Es ist unnötig und schade, dass sich so viele Menschen schon in jungen Jahren mit dem frustrierenden Erlebnis des ersten Abbruchs, des ersten „es nicht geschafft zu haben“ belasten müssen, und sie verschenken kostbare Jahre. Eine Schande mit Hinblick auf den gegenwärtigen Fachkräftemangel!

Schlussendlich muss sich insgesamt noch vieles ändern, damit die Umsetzung der Pflegeberufereform in Nordrhein-Westfalen ein Erfolg wird. Ziel ist es, möglichst viele geeignete Menschen möglichst gut auszubilden, damit die Vielzahl der offenen Stellen besetzt werden kann und somit die Arbeitsbedingungen für alle Pflegekräfte besser werden. Dann wären sicher mehr Kräfte bereit, ihre Stunden aufzustocken, ihre eigene Gesundheit würde nicht leiden, die Zufriedenheit wäre größer, und sie wären somit selber Multiplikatoren für einen tollen Beruf. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dworeck-Danielowski. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort. Bitte sehr.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst will ich sagen, dass durch die zügigen Gesetzgebungsverfahren der Grundstein gelegt worden ist, um die Regelungsaufträge aus dem bundesgesetzlichen Pflegeberufegesetz bis zum Start der neuen Ausbildung in Nordrhein-Westfalen umzusetzen. Deswegen bin ich froh, dass wir heute zu dieser Gesetzesverabschiedung kommen.

Man kann meines Erachtens auch sagen, dass dieses Gesetz in inhaltlicher Hinsicht zukunftsorientierte und tragfähige Lösungen für eine gute Pflegeausbildung gestaltet. Im Ausschuss ist das durchaus auch von den Expertinnen und Experten zum Ausdruck gebracht worden. Die Errichtung der Ombudsstelle, die Übergangsregelungen für die Lehrkräfte und die zahlreichen Verordnungsermächtigungen schaffen den Rahmen, um die Generalistik in unserem Land gut zu gestalten.

Es ist natürlich klar: Der Bund hat vorgeschrieben, dass die Pflegepädagogen den Master haben müssen; das ist eine bundesgesetzliche und keine landesgesetzliche Regelung. Der Bund hat uns die Möglichkeit gegeben, dass wir eine Übergangsregelung nach Landesrecht schaffen können. Davon müssen wir auch ganz praktisch Gebrauch machen. Das kann sicher kein vernünftiger Mensch infrage stellen.

Natürlich bilden wir an unseren Hochschulstandorten in Münster, in Bielefeld, in Köln und auch in Bochum Pflegepädagogen aus, ganz klar. Es kann einfach nicht sein, dass wir Pflegeschülerinnen und -schüler haben, aber keine Lehrer. Zusammen mit dem Forschungsministerium erarbeiten wir derzeit eine Lösung.

Damit wir uns klar verstehen: Ich möchte das auch an diesen vier Standorten haben. Und die Finanzierungsregelung muss nicht das MAGS liefern, sondern sie muss natürlich in dem für Hochschule zuständigen Ministerium gemacht werden. Ich bezahle ja aus dem MAGS auch nicht die Medizinerausbildung, sondern die Hochschulen werden über das Hochschulministerium finanziert.

Angesichts der vielen Bundesmittel, die mittlerweile in die Hochschulen fließen, kann ich auch nicht erkennen, dass die Hochschulen in unserem Land zurzeit schlecht finanziert sind.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister Laumann, Entschuldigung, es gibt …

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Nein, jetzt nicht.

Einen weiteren Punkt will ich ansprechen: Es ist doch völlig klar, dass wir auch die Frage der Infrastruktur der Pflegeschulen lösen müssen. Da wird es so sein, dass wir mit den Pflegeschulen natürlich darüber verhandeln müssen, wie wir es machen werden und was zur Verfügung gestellt werden muss.

Bundesgesetzlich ist klar geregelt, dass es nicht über den Fonds geschehen kann, sondern dass es über Landesmittel gemacht werden muss. Da muss verhandelt werden, es muss darüber gesprochen werden, über wie viele Jahre man eine Schule abschreiben kann und Ähnliches, um zu einer Zahl zu kommen, die auch vertretbar und verantwortbar ist.

Natürlich müssen damit auch die Pflegeschulen ausgebaut werden. Die Situation ist so, dass es meiner Meinung nach zu wenige Ausbildungsplätze an Krankenhäusern gibt. Die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen haben heutzutage in den Pflegeberufen nicht mehr Auszubildende als vor zehn Jahren.

Um Ihnen eine Zahl zu nennen – ich habe sie mir in meinem Ministerium kürzlich aufschreiben lassen –: Alle Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen verfügen zusammen nur über 800 Schulplätze. Es gibt Universitätskliniken, an denen 2.000 Pflegekräfte arbeiten, die pro Jahr aber nicht einmal 100 ausbilden. Das kann so alles nicht richtig sein, aber das habe ich auch geerbt. Diesen Fakt habe ich so vorgefunden.

Wir müssen also darüber reden, dass die Krankenhäuser ihre Ausbildungsanstrengungen in der Pflege verstärken müssen.

(Christina Weng [SPD]: Dann sprechen wir über die Finanzierung!)

Daran führt kein Weg vorbei. Wir haben einen Brief an alle Krankenhäuser verfasst, der auch von den Krankenkassen unterschrieben worden ist und in dem wir den Krankhäusern mitgeteilt haben, dass jeder zusätzliche Pflegeplatz bezahlt wird.

(Christina Weng [SPD]: Davon habe ich keine Pädagogen!)

– Ja, bitte, man kann immer tausend Gründe finden. Bei jeder Bezirksregierung wird es Ausnahmen von den Regelungen zum Masterniveau geben. Das haben wir mit den Bezirksregierungen bereits besprochen. Ich bin deshalb der Meinung, dass wir es in dieser Hinsicht gut umsetzen werden.

Natürlich muss auch mit der generalistischen Pflegeausbildung einhergehen – das ist immer so, wenn es gleiche Ausbildungen gibt –, dass sich die Unterschiede in der Bezahlung zwischen Altenpflege und Krankenpflege nicht halten lassen. Das ist immer das Ergebnis, wenn es um gleiche Ausbildungen geht.

Ich meine, dass ich für mich in Anspruch nehmen darf, dass es heute hinsichtlich der Pflegeversicherung eine gesetzliche Lage gibt, wonach die Tariflöhne durch die Pflegesätze refinanziert werden müssen. Damit, dass wir diese gesetzliche Grundlage haben, habe ich wohl ein bisschen zu tun. Wir brauchen sie auch im SGB V, um es auch in diesem Bereich vernünftig zu lösen. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU, der FDP und Nic Peter Vogel [AfD])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gab den Wunsch nach Zwischenfragen von Frau Kollegin Gebhard, von Frau Kollegin Altenkamp und von Herrn Kollegen Yüksel. Weil der Minister gesagt hat, dass er sie nicht wünscht, sind sie aber nicht relevant.

Von der Fraktion der SPD ist außerdem eine Kurzintervention für den Abgeordneten Yüksel angemeldet worden. Für seine Kurzintervention hat er nun 90 Sekunden Zeit. Bitte sehr.

Serdar Yüksel (SPD): Herr Minister, wir sind uns im Ziel bei der Umsetzung des Pflegeberufereformgesetzes einig. Das haben die Vorredner auch deutlich gemacht. Was allerdings die Umsetzung auf Landesebene anbelangt, hat es erhebliche Schwächen. Sie haben vorhin ein paar Dinge sozusagen wegwischen wollen, die ich noch mal in den Fokus der Diskussion rücken möchte.

Der Bund hat dafür, dass die Lehrerinnen und Lehrer einen Masterabschluss oder einen vergleichbaren Abschluss vorweisen müssen, eine Übergangsfrist bis 2030 eingeräumt. Sie sehen landesgesetzlich in § 3 Abs. 1 aber eine kürzere Frist bis 2025 vor. Wir alle wissen: Die meisten Lehrerinnen und Lehrer – 60 % – sind älter als 50 Jahre. In welchem Zeitraum sollen sie in Gottes Namen berufsbegleitend diesen Masterabschluss oder einen vergleichbaren Abschluss machen?

Sie machen sich meiner Meinung nach außerdem ein bisschen einen schlanken Fuß, indem Sie zustimmen, dass es nicht genug Studienplätze gibt, dann aber sagen, dass nicht Sie dafür zuständig sind, sondern die Wissenschaftsministerin. Da frage ich mich allen Ernstes: Wie viele Landesregierungen gibt es denn in der Landesregierung? Sie können nicht sagen, die Wissenschaftsministerin sei dafür zuständig, sondern es gibt eine Gesamtverantwortung der Landesregierung, diese Studienplätze tatsächlich zur Verfügung zu stellen.

Und dann versuchen Sie weiter die Quadratur des Kreises. Sie wollen nicht nur die Vergleichbarkeit mit dem Masterabschluss, sondern Sie sagen, dass Sie auch kleinere Klassen wollen. Im Moment beträgt das Verhältnis von Lehrern zu Schülern 1 zu 25, die Klassen sollen aber auf ein Verhältnis von 1 zu 20 entwickelt werden.

Wenn Sie dieses Vorhaben anlegen, benötigen Sie per se schon mal mehr Lehrerinnen und Lehrer. Wie Sie das umsetzen wollen, ist mir völlig schleierhaft, zumal Sie selbst in Ihrem Bericht eingeräumt haben, dass Sie die finanziellen Grundlagen dafür im Haushalt überhaupt nicht geschaffen haben.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Mit der Übergangsregelung bis 2025 haben wir uns durchaus ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Wir können doch nicht den ganzen Tag darüber reden, dass wir die Qualität verbessern wollen, sondern man muss sich auch mal ein solches ehrgeiziges Ziel setzen, um bis dahin über genug Masterausbildungen zu verfügen.

Wir haben die Bezirksregierungen angewiesen, dass jede Pflegeschule auch Bachelor einstellen kann, wenn die Masterabsolventen nicht zu kriegen sind, um die jetzige Situation erst einmal zu lösen. Ich möchte nicht nur schimpfen, aber mit Verlaub: Dass wir aktuell in den Krankenpflegeschulen Probleme haben, Stellen für Lehrkräfte zu besetzen, kann sich nicht in den 14 Monaten ergeben haben, in denen ich die Verantwortung getragen habe.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP – Christina Weng [SPD]: Hat doch keiner gesagt!)

Denn die Ausbildungen zu einem Masterabschluss dauern drei Jahre. Mein Ziel ist ganz klar, dass wir gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium eine Regelung finden, noch in diesem Jahr zu einer verstärkten Masterausbildung an den Hochschulen zu kommen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Machen Sie nun die Finanzierung oder nicht?)

Wir dürfen meiner Meinung nach nicht noch mehr Zeit verlieren. Wir brauchen dringend dieses Personal, um das Ganze an unseren Pflegeschulen auch vernünftig zu machen.

Dass Sie das jetzt so zum Thema machen, ist eine gute Unterstützung dafür, dass wir gegenüber dem System der Fachhochschulen sehr deutlich machen, dass sie das Personal ausbilden müssen, was wir für die Versorgung brauchen. Dann muss man mal andere Sachen sein lassen.

Ich finde, um es ganz klar zu sagen:

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Es darf in einem Land nicht so sein, dass Pflegeausbildung am Lehrermangel gescheitert. Das geht nicht. Da haben auch die Hochschulen einen Auftrag, das zu machen. Ich sage Ihnen auch: Die Hochschule in Bochum hätte schon längst Masterstudiengänge anbieten können. Sie hat das nicht getan, weil niemand darauf geachtet hat, dass das eingefordert wurde.

(Christina Weng [SPD]: Das ist finanziell nicht lukrativ!)

– Es in Bochum überhaupt kein Problem der Finanzierung. – Ich bin da dran und hatte nicht den Eindruck, dass vorher in dieser Frage jemand aus dem Gesundheitsministerium bei den Hochschulen gewesen ist, um dort eine höhere Anzahl an Lehrern ausgebildet zu bekommen.

(Beifall von der CDU – Christina Weng [SPD]: Das ist auf Bundesebene!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. Sie haben die Zeit für die Kurzintervention deutlich überschritten. – Ich habe noch eine weitere Wortmeldung für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Kollege Mostofizadeh, bitte.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will die Gelegenheit nur nutzen – weil jetzt die Wissenschaftsministerin im Raum ist –, diese Frage auch an sie zu richten. Wir haben eine Vorlage bekommen, in der steht, dass die Masterausbildung finanziell noch nicht geklärt ist; wie es der Minister zutreffend ausgeführt hat.

Da die Wissenschaftsministerin bis jetzt darauf hinweist – so will ich es mal nennen –, dass noch kein Finanzierungsvorschlag vorliegt, und sich deswegen nicht in der Lage sieht, eine entsprechende Zusage zu machen, die Frage: Wann liegt das aus Ihrer Sicht denn vor?

(Beifall von den GRÜNEN – Daniel Sieveke [CDU]: Wir haben keine Fragestunde mehr!)

– Ich kann fragen, was ich möchte, auch wenn Sie immer wieder dazwischengehen!

(Erneut Zuruf von Daniel Sieveke [CDU] – Gegenruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Gegenruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war der Wortbeitrag – innerhalb der regulären Redezeit – der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom Abgeordneten Mostofizadeh. Ich frage, ob es weitere Wortmeldungen gibt. – Das ist nicht der Fall, weder aus den Fraktionen noch seitens der Landesregierung, sodass wir am Schluss der Aussprache sind.

Wir können zur Abstimmung kommen. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in Drucksache 17/4524, den Gesetzentwurf Drucksache 17/3775 in der Fassung der Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und nicht über den Gesetzentwurf.

Wer möchte der Beschlussempfehlung folgen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen der CDU, der FDP, der AfD sowie die fraktionslosen Abgeordneten Neppe und Langguth. Gegenstimmen? – Das sind, wie angekündigt, die Abgeordneten der Fraktion der SPD. Gibt es Enthaltungen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/3775 entsprechend der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4524 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Fraktionen angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zu:

13 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung des Landesamtes für Finanzen und zur Ablösung und Änderung weiterer Gesetze

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/4097

Beschlussempfehlung und Bericht
des
Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4506

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache

(Unruhe)

und erteile dem Kollegen Arne Moritz für die Fraktion der CDU das Wort. Bitte sehr.

Arne Moritz (CDU): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Kein Kind zurücklassen“ – das war im Jahr 2012 auf SPD-Wahlplakaten überall zu lesen.

(Unruhe)

Man muss mal fragen: Was ist denn daraus geworden? – Die Zahl der in Armut lebenden Kinder ist seit 2012 um 70.000 auf 500.000 gestiegen. Kinder, bei denen sich ein Elternteil der Unterhaltspflicht entzieht, sind besonders gefährdet, diesen besorgniserregenden Trend weiter zu verstärken.

Man kann jetzt lange darüber diskutieren, was falsch gelaufen ist; das hilft akut jedoch keinem Kind. Dass jetzt aber der Bund in Kooperation mit den Ländern den Bezugszeitraum des Unterhaltsvorschusses verlängert hat, ist für alleinerziehende Eltern und viele Kinder in prekärster Lage eine ganz konkrete Hilfe.

Die logische Folge der Ausweitung des Bezugszeitraums spüren aber insbesondere die Mitarbeiter in den Kommunen. Beispielsweise sind mehr gestellte Anträge zu bearbeiten, mehr finanzielle Ausgaben im Rahmen des Unterhaltsvorschusses zu leisten, und es gibt mehr Arbeit bei der Abwicklung des Rückgriffs – wofür die Mitarbeiter in den Kommunen bisher alleine zuständig waren.

Das Ergebnis: Obwohl der Unterhaltsvorschuss bei den betroffenen Eltern und Kindern jeden Monat fehlt, kann die Bewilligung Monate dauern. Handlungsbedarf ist gegeben; denn zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen und den realen Bedürfnissen der Eltern und Kinder müssen auch die verwaltungstechnischen Voraussetzungen passen.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung kommt dieser Notwendigkeit nach. Er entlastet auf der einen Seite die Kommunen bei der Vollstreckung des Rückgriffs, und auf der anderen Seite wird die Vollstreckung durch die Zentralisierung auf Landesebene deutlich effizienter und einheitlich ausgestaltet. Im Ergebnis können die eingehenden Anträge also schneller bearbeitet werden und so die antragsstellenden Eltern schneller den ihnen zustehenden Unterhaltsvorschuss erhalten.

Die Effizienzsteigerung bei der Rückholung ist zudem dringend notwendig; denn während beispielsweise im Hochsauerlandkreis die Rückholquote bei 40 % liegt, beläuft sie sich im Landesdurchschnitt nicht einmal auf 17 %. Auf den Kosten bleibt der Staat sitzen, und säumige Eltern können sich bisher so ihrer Verantwortung entziehen.

Die Aufgabe der Rückholung des Unterhaltsvorschusses werden dank des vorliegenden Gesetzentwurfs künftig Experten mit einheitlichen Verfahren und Maßstäben übernehmen. Ich bin fest überzeugt, dass dadurch die Rückholquote gesteigert werden kann. Dass die Landesregierung dem verantwortungslosen Verhalten säumiger Eltern entgegentreten, die Kommunen entlasten und gegen drohende Kinder- und Jugendarmut vorgehen will, begrüße ich im Namen der CDU-Landtagsfraktion ausdrücklich.

(Beifall von der CDU)

So lässt man kein Kind zurück und garantiert den Alleinerziehenden schnell den ihnen zustehenden Unterhaltsvorschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Moritz. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Kollege Hübner das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Michael Hübner (SPD): Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Moritz, zunächst einmal beginne ich mit dem Positiven. Ich bin froh, dass Sie sich überhaupt mal zu dem Thema geäußert haben. Immerhin handelt es sich um ein Thema, das von elementarer Bedeutung für die Eltern und insbesondere für Mütter sein kann. In der Regel sind es nämlich Männer, die sich dem Unterhaltsvorschuss entziehen, und damit werden unsere Kommunen und Städte erheblich belastet. Sie sprachen immer von Eltern, haben aber überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, dass es die Väter sind, die das tun.

Vielleicht darf ich das an dieser Stelle sagen: Diese Debatte hätten wir auch im Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen erwartet. Aber trotz Nachfrage haben Sie sich zu keiner Meinungsäußerung hinreißen lassen. Ehrlich gesagt: Das ist schofelig, was Sie da gemacht haben.

(Monika Düker [GRÜNE]: Schofelig? Undemokratisch!)

Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: So lassen wir nicht mit uns umgehen. Sie haben eine Anhörung beantragt, in der es zweifelsohne Stimmen gegeben hat – ich will nur die Stimmen der kommunalen Spitzenverbände, die davon ganz maßgeblich betroffen sind, zitieren –, die sagen: So wie das Landesamt für Finanzen angelegt ist, kann es nicht funktionieren.

Ich will einmal ein Beispiel herausgreifen. Es kann doch nicht richtig sein, Herr Moritz – und dazu haben Sie sich überhaupt nicht geäußert –, dass das Landesamt für Finanzen erst bei Kindern, die ab dem 1. Juli nächsten Jahres geboren werden, die Verantwortung übernimmt und den Unterhaltsvorschuss entsprechend selbst einklagt. Für alle anderen Kinder, die heute 6 Jahre, 7 Jahre alt sind, die heute geboren werden, sind die Städte und Gemeinden die nächsten 18 Jahre lang verantwortlich. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie eine 18-jährige Übergangszeit rechtfertigen und darüber nicht einmal eine Debatte führen wollen.

Zugegebenermaßen werfen Sie ja die richtigen Fragen auf und sagen: Es kann doch nicht wahr sein, dass sich Eltern dem entziehen und dass Städte auf den Kosten sitzen bleiben. – Sie ziehen daraus aber keine Konsequenz. Sie halten sogar noch eine Anhörung ab, ziehen aber null Konsequenz daraus. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht so nicht!

(Beifall von der SPD und Monika Düker [GRÜNE])

Die Kollegen von FDP und CDU sollten lernen, sich auch mit Argumenten auseinanderzusetzen. Das war heute schon mal bei dem einen oder anderen Gesetzentwurf der Fall. Sie sollten sich wenigstens mit der Anhörung auseinandersetzen. Sie haben das aber nicht getan: null Wortmeldungen zu dem Thema im Haushalts- und Finanzausschuss.

(Henning Höne [FDP]: Was haben Sie denn gemacht?)

Und das ist nicht das erste Mal. Das ist unparlamentarisch, was Sie machen.

Deshalb beantrage ich für die SPD-Fraktion – ich habe das auch hoffentlich fristgerecht eingereicht – eine dritte Lesung. Wir haben für morgen eine dritte Lesung beantragt, weil ich finde, dass man sich tatsächlich mal mit den vorgetragenen Argumenten auseinandersetzen muss.

(Henning Höne [FDP]: Nicht schwätzen, machen!)

Ich habe jetzt nur vereinzelt welche gehört.

Ich finde, dass sie sich morgen in einer neuen Debatte – ich hoffe, dass Sie Debatte zulassen – damit erneut auseinandersetzen müssen, damit wir zu der Gerechtigkeit kommen, die die Eltern und vor allem die Städte in diesem Land verdient haben. Sie haben nichts dazu beigetragen.

(Beifall von der SPD – Henning Höne [FDP]: Sie haben 7 Jahre lang nichts getan!)

Wir haben nach § 78 GO die dritte Lesung beantragt, und wenn Sie das nicht machen wollen, werden wir uns auch in Zukunft die Freiheit nehmen, bei solchen Debatten, die im Ausschuss seit 2010 außerhalb aller parlamentarischen Regelungen ablaufen, dieses Minderheitenrecht in Anspruch zu nehmen. Deswegen beantragen wir für morgen als letzten Tagesordnungspunkt eine erneute Debatte zu diesem Thema.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Angesichts der Debattenkultur lehnen wir den Gesetzentwurf entschieden ab. Das betrifft zugegebenermaßen nur Verfahrenshinweise. Aber es ist das Mindeste, dass dieses Hohe Haus darüber eine verantwortungsvolle Entscheidung trifft und das nicht einfach mit dem Rattenschwanz der Debatten, die wir heute geführt haben, mitlaufen lässt.

(Henning Höne [FDP]: Nur Popanz!)

Das ist nicht in Ordnung! Das ist unparlamentarisch. Das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich.

(Beifall von der SPD – Henning Höne [FDP]: Sie hätten das ja committen können! Das ist Ihnen vor 10 Minuten eingefallen!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hübner. – Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Herr Witzel.

(Henning Höne [FDP]: Frau Kampmann, Sie haben alles abprallen lassen! – Michael Hübner [SPD]: Henning, was ihr macht, ist nicht in Ordnung! – Gegenruf von Henning Höne [FDP])

Ralf Witzel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann sich nur über die Debatte, die hier in den letzten Minuten stattgefunden hat, wundern. Herr Kollege Hübner, ich habe schon erwartet, dass Sie – bei allen Kritikpunkten, die Sie als Opposition im Detail vortragen; bei all dem, worüber wir uns auch unterhalten können, so zum Beispiel über die Rückmeldung der kommunalen Spitzenverbände und deren Erwartungen –

(Michael Hübner [SPD]: Haben Sie doch bisher gar nicht getan, Herr Witzel! Sie haben sich damit doch nicht auseinandergesetzt!)

zumindest mal ganz klar konzediert hätten, dass ein sehr wertvolles neues Angebot vorliegt.

(Michael Hübner [SPD]: Welches denn?)

Die NRW-Koalition bietet es zur Entlastung der Kommunen an, und das nimmt den Kommunen eine von ihnen nicht wirklich gerne wahrgenommene Aufgabe ab und sorgt für eine große Erleichterung.

Das ist deshalb so wertvoll, weil wir eine Ausweitung des Berechtigtenkreises bekommen, indem die Ansprüche bis zum 18. und nicht nur bis zum 12. Lebensjahr berücksichtigt werden. Das ist deshalb sehr wichtig, weil es bislang leider eine eher geringe kommunale Erfolgsquote bei der Mittelbeitreibung gibt. Das ist der Fall, wenn Leistungspflichtige nicht auffindbar sind oder bestimmte Verhaltensweisen als Zahlungsverweigerer zeigen. Trotz des hohen administrativen Aufwands für die Kommunen – insbesondere für die kleineren Kommunen, die sich eigene Spezialistenteams gar nicht leisten können und das zusammen mit anderen Aufgabenstellungen in der Sachbearbeitung abhandeln – bedeutet das eine große organisatorische Belastung trotz relativ geringer Erträge.

Ich finde deshalb, dass es sich um sehr faires, sehr kommunalfreundliches Angebot des Landes handelt, sich zukünftig um die Neufälle zu kümmern.

(Michael Hübner [SPD]: Ja, um die Neufälle!)

Das erfordert aufseiten des Landes den Aufbau einer Fachbehörde mit speziell für diese Rechtsfragen geschultem Personal.

Ziel sind unsererseits von Beginn an optimierte Prozessroutinen auch unter Nutzung sinnvoller Digitalisierungspotenziale. Das heißt, wenn wir hier tätig werden, um eine administrative Struktur neu aufzusetzen, dann wollen wir dies auch als gutes Beispiel für moderne Verwaltung, für moderne Prozesse auf den Weg bringen.

Die Kostenaufwendungen beim Land, die wir aktuell prognostizieren können, liegen im Jahr 2019 bereits bei 25 Millionen Euro. Sie wachsen weiter auf im Laufe dieser Legislaturperiode bis zu deren Ende 2022 auf einen prognostizierten Betrag in Höhe von über 50 Millionen Euro.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege Witzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hübner?

Ralf Witzel (FDP): Ja, selbstverständlich, wir haben ja nichts zu verheimlichen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist freundlich von Ihnen. – Bitte schön, Herr Hübner.

Michael Hübner (SPD): Herr Präsident! Herr Kollege Witzel, vielen Dank für die Zulassung meiner Frage. Sie haben ja gerade berechtigterweise – und ich habe das auch ausdrücklich kritisiert – nur von Neufällen gesprochen.

Wie schätzen Sie denn die Situation bei zwei Kindern einer Familie ein, wenn ein Kind ab dem 01.07., worauf die kommunalen Spitzenverbände auch deutlich hinweisen, dann in die Zuständigkeit des Landesamts für Finanzen fällt und das andere Kind, das möglicherweise mit Blick von heute im vergangenen Jahr geboren wurde, weiterhin in den kommenden 17 Jahren, wenn ich das richtig berechne, in die Zuständigkeit der abgebenden Kommune? Würden Sie sagen, dass das Ihrem Anspruch auf weniger Bürokratie und Klarheit in der Zuständigkeit entspricht?

Ralf Witzel (FDP): Herr Kollege Hübner, ich würde sagen, es ist am realistischsten, dass, wenn es eine neu aufzubauende Organisation aufseiten des Landes gibt, die zunächst einmal für die Neufälle zuständig ist.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Dann sind wir uns schon einmal einig! – Michael Hübner [SPD]: Dann ist ja gut!)

Ich kenne die Zuschriften auch aus dem Anhörungsverfahren von kommunalen Spitzenverbänden. Sie kennen auch sicherlich dann umgekehrt – das darf ich ja, Herr Kollege, mit erwarten – die schriftlichen Darlegungen der Deutschen Steuer-Gewerkschaft zum Beispiel.

(Michael Hübner [SPD]: Die haben einen guten Vorschlag gemacht, Herr Kollege Witzel!)

Die Steuer-Gewerkschaft, also die Vertretung der Bediensteten, die es nachher mal werden umsetzen müssen, plädiert ausdrücklich dafür, dass man sich auch auf die Neufälle konzentriert und zu einem späteren Zeitpunkt darüber redet, ob es einen Transformationspunkt geben kann. Der ist nicht jetzt, sondern liegt in der Zukunft, wenn die Administration erst einmal beim Land läuft und die Fallzahlen bei den Kommunen geringer geworden sind. Meinetwegen in fünf Jahren

(Michael Hübner [SPD]: Drei bis fünf Jahre habe ich vorgeschlagen! Würden Sie sich dem anschließen?)

– Herr Kollege, fünf Jahre waren nach meiner Erinnerung der Vorschlag – dann kann man sich noch einmal über diese Frage unterhalten, ob man den Schalter da umlegt.

(Michael Hübner [SPD]: Dann lassen Sie uns das heute gemeinsam machen!)

Um Ihre Frage zu beantworten, Herr Kollege Hübner:

(Michael Hübner [SPD]: Ja!)

Das liegt in der Logik bei auf der einen Seite vorhandenen Strukturen und auf der anderen Seite Strukturen, die beim Land neu aufgebaut werden, für die Sie Personal gewinnen müssen. Wir haben hier wirklich einen ambitionierten zeitlichen Fahrplan für den Aufbau der Administration, für die Gewinnung versierten Personals. Es ist ja nicht alles so ganz trivial auch in Zeiten des Fachkräftemangels, das zu organisieren. Dann ist es klug, mit dem anzufangen, was man sicher leisten kann, und weitere Fragen in der Zukunft zu diskutieren.

Ich glaube, das wird ein Thema in der kommenden Legislaturperiode werden können, um dann Bilanz zu ziehen, zu evaluieren: Wie weit sind wir hier bei den Strukturen beim Land? Wie viele Fälle gibt es überhaupt noch bei den Kommunen? Dann kann man neu überlegen auf der Grundlage erster Erfahrungswerte.

Ich finde es klug für den heutigen Zeitpunkt, zu sagen: Wir machen jetzt im Landesgesetz das, was wir auch Stand heute realistisch anbieten können bei einem schon ambitionierten zeitlichen Fahrplan. Das entlastet die Kommunen in ganz erheblicher Weise.

Sie müssen sich ja auch die Frage stellen: Wie ist das eigentlich, wenn mehrere Köche um den Topf mit dem Brei herumstehen? Verderben die den,

(Michael Hübner [SPD]: Hört! Hört!)

oder würzen die den entsprechend an?

Natürlich gibt es auch ganz spezielle Fallkonstellationen von Personen,

(Michael Hübner [SPD]: Aha!)

bei denen Sie in der kommunalen Bearbeitung diesen Klienten bereits mehrere Jahre ganz besonders gut kennen.

(Michael Hübner [SPD]: Dann müssen Sie doch zu dem Schluss kommen, dass das falsch ist!)

Dann ist es kein Vorteil, dass dann für eine vielleicht nur noch kürzere Laufzeit von Unterhaltspflichten so ein Fall kurz vor der Beendigung noch ans Land abgegeben wird. Diese Beispiele können Sie umgekehrt natürlich genauso konstruieren.

(Michael Hübner [SPD]: Nicht umgekehrt! Es kann doch vom Land keiner an die Kommunen abgegeben werden!)

Deshalb sagen wir: Lassen Sie uns doch jetzt die kommunalen Entlastungen in dem Bereich vornehmen, in dem es realistisch ist, in dem es auch gut möglich ist aufseiten des Landes bei der neuen Administration. Dann gehört es doch zu jeder guten Gesetzgebung, in ein paar Jahren mal zu schauen, wie dieser Prozess geglückt ist.

In jedem Fall bleibt aber als Ergebnis des ganzen Prozesses stehen, dass es viele Profiteure dieser Neuregelung geben wird. Das gilt sowieso für die Kommunen, die hier eine starke Entlastung erfahren. Die Vorteile des neuen Systems sollten sich idealerweise auch für anspruchsberechtigte Personen ergeben. Wenn die Rückgriffsquote auch steigt, wird die Leistungspflicht einer unterhaltspflichtigen Person zukünftig mit höherem Erfolg und höherer Professionalität durchgesetzt. Dann kann es künftig auch zu höheren Leistungen kommen.

Das Land muss nun die großen Herausforderungen lösen, insbesondere bei der Etablierung effizienter digitaler Arbeitsprozesse und der Gewinnung fachlich versierten Personals.

Wir alle sollten der neuen Administration …

(Michael Hübner [SPD]: Das sind doch Worthülsen, die Sie da gerade von sich geben! Mehr als Worthülsen sind das doch nicht!)

– Herr Kollege, ich meine, das gilt auch für Sie aufseiten der Opposition. Wir alle hier im Haus sollten der neuen Administration gutes Gelingen wünschen. Denn es ist im Interesse des Landes, der Kommunen und insbesondere auch der betroffenen Anspruchsberechtigten. Es ist gut und wichtig für einen Rechtsstaat, wenn Unterhaltspflichten von leistungsfähigen Personen auch diesen gegenüber durchgesetzt und möglichst ohne Abstriche erfüllt werden.

In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu dem Gesetzgebungsvorhaben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Witzel. – Jetzt spricht für die grüne Fraktion Frau Düker, die Fraktionsvorsitzende.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Um es für die grüne Fraktion ganz klar zu sagen: Wir unterstützen selbstverständlich

(Ralf Witzel [FDP]: Aha!)

die Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes des Bundes von 2017 mit der Erweiterung des Kreises der Berechtigten für den Leistungsbezug bis zum 18. Lebensjahr. Ja, selbstverständlich, das ist eine Verbesserung für die Alleinerziehenden in diesem Land.

(Beifall von den GRÜNEN)

Klar ist aber auch, dass sich in der Folge die Fallzahlen deutlich erhöht haben. Auf der Vollzugsseite mussten sich Länder und Kommunen daher überlegen, wie man es am besten macht.

Für die grüne Fraktion sage ich deswegen ganz klar: Auch wir unterstützen selbstverständlich die Zielsetzung des Gesetzes, die mit dem Gesetz verbundene Aufgabenübertragung der Geltendmachung und Vollstreckung des Rückgriffs – also des Zurückholens des Geldes von den säumigen Zahlern – nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu zentralisieren und auf das Landesamt für Finanzen zu übertragen.

(Zuruf von der FDP: Das ist schon mal etwas! – Gegenruf von der SPD: Ihr habt euch damit nicht einmal auseinandergesetzt!)

Ich möchte zwar nicht für die Kollegen der SPD-Fraktion sprechen, aber natürlich ist das ein gesamter Konsens im Haus. Selbstverständlich musste man aufgrund der Änderung des Gesetzes 2017 überlegen: Wie ordnen wir es besser? Ich gehe davon aus, dass dadurch die Rückgriffsquote erhöht wird. Auch für die Kommunen wird es ein wichtiger Schritt sein.

Man verfasst einen Gesetzentwurf, bringt ihn in den Landtag ein, und der Haushalts- und Finanzausschuss als federführender Ausschuss sagt: Wir sind im Grundsatz einig. Dazu brauchen wir keine mündliche Anhörung durchzuführen. Machen wir eine schriftliche Anhörung.

Die schriftlichen Stellungnahmen von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft und den kommunalen Spitzenverbänden datieren vom 3. Dezember. Am 6. Dezember fand die Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses statt. Ich lese mir die schriftlichen Stellungnahmen zwei Tage oder einen Tag vorher durch und stelle fest: Es werden signifikante Probleme dargestellt. Dafür ist so ein Anhörungsverfahren da.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] und Michael Hübner [SPD])

Die kommunalen Spitzenverbände weisen auf die Bestandsfälle hin. Daraufhin unterbreitet die Deutsche Steuer-Gewerkschaft für dieses Problem der Bestandsfälle einen, wie ich finde, konstruktiven Vorschlag. Ich zitiere aus der Stellungnahme:

„Wir weisen aber darauf hin, dass Bestandsfälle nicht zuletzt aufgrund der Neuregelungen im Unterhaltsvorschussgesetz (Ansprüche bis zum 18. Lebensjahr) teilweise eine sehr lange „Restlaufzeit“ haben können. Bei einer mit den Jahren zu erwartenden Zunahme der Verantwortlichkeit des Landes muss daher ein Zeitpunkt vorgesehen werden, mit dem die dann noch vorhandenen Bestandsfälle abschließend auf das Land übertragen werden können.“

Weiter schlagen sie Zeiträume von drei bis fünf Jahren vor und sagen im Interesse auch ihrer Beschäftigten, die das vollstrecken müssen:

„Bis dahin sind auch die Verfahrensabläufe im Landesamt für Finanzen eingespielt und personelle Ressourcen aufgebaut, damit eine Bestandfallübernahme der dann noch laufenden Verfahren umsetzbar wäre.“

Das hört sich konstruktiv an. – Dann gehen wir auf Sie zu und fragen: Was sagen Sie zu dem Vorschlag? Hört sich gut an. Hier ist ein Problem. Was machen wir mit den Bestandsfällen? Guter Vorschlag.

Herr Höne, weil Sie gerade so ausgerastet sind, als Herr Hübner das kritisiert hat, möchte ich sagen:

(Henning Höne [FDP]: Nein!)

Wir haben gefragt: Was haltet ihr davon? Könnt ihr euch das zu eigen machen? Die Koalitionsfraktionen haben hierzu nicht einmal eine Meinung geäußert – heute schon wieder nicht. Das gebietet jedoch der Respekt vor einem Gesetzgebungsverfahren und dem Parlamentarismus!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Der Finanzminister sagte lapidar: „Naja, das war von denen zu erwarten“, und heftet das ab. – So geht man mit einem Gesetzgebungsverfahren nicht um.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Herr Sieveke, weil Sie sich heute so viel aufgeregt haben, möchte ich betonen: Wenn Sie in der Opposition säßen und man mit Ihnen so umgehen würde, würden Sie sich weit mehr aufregen als Herr Hübner gerade am Rednerpult. Das war noch harmlos.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Wir sind in der Sache einig; aber das Verfahren geht so nicht. Ich erwarte eine qualifizierte Auseinandersetzung. Wenn Sachverständige Probleme identifizieren – man kann das am Ende ablehnen –, erwarte ich zumindest eine qualifizierte Auseinandersetzung mit diesem Vorschlag. Dazu habe ich auch heute nichts gehört.

(Unruhe)

Deswegen – in der Sache sind wir uns einig – werden wir uns bei diesem Gesetzentwurf enthalten. So geht man im Parlament nicht miteinander um. Das ist unser Punkt. Deswegen werden auch wir heute dem Gesetzentwurf so nicht zustimmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Düker. – Nun spricht für die AfD-Fraktion Herr Strotebeck.

Herbert Strotebeck (AfD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute in zweiter Lesung, welche staatliche Ebene für den Rückgriff beim Unterhaltsschuldner zuständig sein soll.

Es ist ein wichtiges Thema, da davon auszugehen ist, dass es immer mehr unterhaltspflichtige Menschen geben wird. Dementsprechend wird es immer mehr Menschen geben, welche ihrer Pflicht nicht nachkommen.

Um eine möglicherweise existenzbedrohende Lage für den Elternteil mit Kind abzufedern, gibt es in der Bundesrepublik den Unterhaltsvorschuss. Der Staat springt für den zahlungsunwilligen Elternteil ein. Je nach Alter des Kindes werden derzeit monatlich bis zu 273 Euro gezahlt. Mitte 2017 hat der Staat bundesweit über 400.000 Kindern Unterhaltszuschuss gezahlt. Im März dieses Jahres waren es bereits über 700.000 Kinder. In 90 % der Fälle sind es die Väter, welche keinen Unterhalt zahlen.

Diese eklatante Zunahme beim Unterhaltsvorschuss liegt auch an einer Gesetzesänderung. Bis vergangenes Jahr wurde nur bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes und maximal für sechs Jahre ein staatlicher Unterhaltsvorschuss gezahlt. Mittlerweile kann der Unterhaltsvorschuss bis zur Volljährigkeit an das Kind gezahlt werden.

Die Gründe, warum Menschen es schaffen, sich selbst vor der Zahlung zu drücken, sind vielfältig: falsche Einkommensnachweise, häufiger Wechsel des Wohnortes, die Flucht ins Ausland oder in die Heimat usw.

Derzeit ist es in Nordrhein-Westfalen Aufgabe der Kommunen, einen sogenannten Rückgriff beim Unterhaltsschuldner durchzuführen. Dies geschieht mit hohem Arbeitsaufwand und wenig Erfolg, wie Daten aus den vergangenen Jahren belegen. Bundesweit konnten nur 21 % der Unterhaltsvorschüsse von den Unterhaltsverweigerern zurückgeholt werden.

Eine Art Spezialeinheit auf Landesebene im Landesamt für Finanzen ab Juli 2019 schaffen zu wollen, welche sich zentral um den Rückgriff kümmert, ist ein sinnvoller Ansatz. Menschen, die sich zum Beispiel durch häufigen Wohnortwechsel der Unterhaltspflicht entziehen, hätten es bei einer Zentralisierung der Daten wesentlich schwerer, ihre eigenen Kinder und den Staat zu betrügen.

Der Begleittext zum Gesetzentwurf spricht von einer Steigerung der Effektivität des Rückgriffs. Leider werden weder umfassendere Prognosen getroffen noch Vergleiche mit anderen Ländern angestellt.

Konkrete Zahlen hingegen gibt es bei den erwarteten Personal- und Sachkosten für das Land NRW. Diesen Ausgaben stehen natürlich auch Einsparungen auf der kommunalen Seite gegenüber. Leider wird hier keine Schätzung vorgenommen, um darzulegen, wie hoch die Entlastungen sein werden. Es ist nur von einem erheblichen Umfang die Rede.

Hier muss beachtet werden, dass durch die Gesetzesänderung 2017 viele Fälle noch etliche Jahre bei den Kommunen bleiben werden. Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft rät daher, ein Datum vorzugeben, ab welchem sämtliche Fälle auf die Landesebene gehievt werden. Es wird dabei ein Zeitraum von maximal bis zu fünf Jahren empfohlen. – Ich schließe mich dieser Empfehlung an. Nur so ist ein klarer Schnitt in Sicht.

Nicht nur bei konkreten Zahlen hat der Text zum Gesetzentwurf Lücken, es bleibt ebenso unklar, wie genau mit Rückgriffen verfahren wird, welche sich bereits in Bearbeitung befinden. So regelt der Gesetzentwurf zwar pauschal, dass bei diesen Fällen Einnahmen wie bisher auf Bund, Land und Kommune verteilt werden. Aber es wird nicht klar, wann ein Fall ein Bestandsfall ist, welcher bei den Kommunen verbleibt.

Dies kritisiert auch die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände in ihrer Stellungnahme. Es gibt also noch Gesprächs- und Verbesserungsbedarf.

Dennoch werden wir diesem Gesetzentwurf heute zustimmen, da er auf jeden Fall einen richtigen Schritt darstellt und ein Signal für die Unterhaltsverweigerer ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Strotebeck. – Für die Landesregierung hat der zuständige Minister, Herr Lienenkämper, das Wort.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hübner, Sie haben dankenswerterweise Verfahrensanmerkungen gemacht und diesem Parlament die Möglichkeit eröffnet, dieses wichtige Thema morgen ein weiteres Mal zu besprechen. Das dient der Vertiefung und der Erneuerung des allseitigen Wissens und kann schon deswegen nicht schlecht sein. Das machen wir selbstverständlich gerne morgen. Sie haben die Fachdiskussion auf morgen verschoben, indem Sie gesagt haben, heute Ihre Einwende zum Verfahren vorzutragen und morgen die Debatte zu führen. Das halte ich prinzipiell für einen guten Weg.

Deswegen will ich heute nur relativ wenige Bemerkungen machen:

Mit dem vorliegenden Gesetz wird die Effektivität und Effizienz der Rückgriffe bei der Geltendmachung und Vollstreckung von Forderungen, die auf das Land übergehen, deutlich gesteigert. Die Rückgriffsquote wird deutlich erhöht. Das liegt im Interesse der Kinder. Der Druck auf die Unterhaltspflichtigen wird erheblich steigen, und zwar so, dass vermutlich möglichst viele ihrer Zahlungspflicht freiwillig nachkommen.

Zudem gibt es Synergieeffekte für die Kommunen, für das Land. Deswegen kann man am Ende sagen, es ergibt sich eine Win-win-Situation für die Kinder unterhaltspflichtiger Eltern, für die Kommunen und für das Land. Deswegen ist das ein guter Fortschritt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister.

(Monika Düker [GRÜNE] meldet sich.)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Vor der Abstimmung weise ich darauf hin, …

(Michael Hübner [SPD]: Die Fraktionsvorsitzende der Grünen hat sich gemeldet!)

– Zu Wort gemeldet?

(Monika Düker [GRÜNE]: Nein, zu einer Zwischenfrage!)

– Das kann ich jetzt auch nicht ändern.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Heiterkeit)

Ich kann ja schlecht Zwischenfragen einschieben, wenn der Minister, der gefragt werden soll, schon weg ist.

(Monika Düker [GRÜNE]: Sie könnten wenigstens fragen, ob er sie zulässt!)

Debatten mit dem Präsidium gibt es ohnehin nicht.

(Michael Hübner [SPD] meldet sich zu Wort.)

Sie melden sich zu Wort, Herr Hübner. Das ist etwas anderes. Haben Sie noch Zeit dafür? – Ja, noch 40 Sekunden.

(Michael Hübner [SPD]: Der kluge Mensch baut vor!)

Sehr gut. Bitte schön.

Michael Hübner (SPD): Herr Präsident! Herr Minister, für diejenigen, die hier im Plenum sind, möchte ich Folgendes feststellen: Der Minister hat gesagt, dass es morgen eine Debatte geben wird. Ich verlasse mich auf die Parlamentarischen Geschäftsführer der regierungstragenden Fraktionen, dass dem morgen auch so ist und unser Minderheitenrecht nicht durch Ihre Mehrheit niedergestimmt wird. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf: Bravo!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hübner. – Gibt es weitere Wortmeldungen? – Nein. Damit sind wir am Ende der Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung.

(Zuruf von der FDP: Hätte man beantragen können! – Gegenruf von Michael Hübner [SPD]: Ist beantragt!)

Vor der Abstimmung weise ich darauf hin, dass die Fraktion der SPD eine dritte Lesung des Gesetzentwurfs beantragt hat. Nach § 78 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung findet eine dritte Lesung auf Antrag einer Fraktion oder eines Viertels der Mitglieder des Landtags statt. Der Antrag muss vor Schluss der Beratung in zweiter Lesung schriftlich bei der Präsidentin oder bei dem Präsidenten eingereicht werden. – Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass die Fraktion der SPD widersprochen hat, die dritte Lesung unmittelbar nach Schluss der zweiten Lesung durchzuführen. Stimmt das so? – Es wird genickt. Dann haben wir das richtig festgestellt.

Daher kommen wir  zur Abstimmung in zweiter Lesung. Es handelt sich aber noch nicht um die Schlussabstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4506, den Gesetzentwurf Drucksache 17/4097 unverändert anzunehmen. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 17/4097 selbst, nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer stimmt dem Gesetzentwurf zu? – CDU, FDP und AfD, die beiden fraktionslosen Abgeordneten Neppe und Langguth. Wer stimmt dagegen? – Die SPD stimmt dagegen. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der Grünen ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/4097 in zweiter Lesung mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD sowie der beiden fraktionslosen Abgeordneten Neppe und Langguth angenommen.

Ich rufe auf:

14 Zweites Gesetz zur Weiterentwicklung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements für Gemeinden und Gemeindeverbände im Land Nordrhein-Westfalen und weiterer kommunalrechtlicher Vorschriften (2. NKF-Weiterentwicklungsgesetz – 2. NKFWG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3570

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen
Drucksache 17/4519

zweite Lesung

Die Aussprache ist eröffnet. Für die CDU-Fraktion steht schon Herr Kollege Hoppe-Biermeyer bereit.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Einführung des neuen kommunalen Finanzmanagements – kurz: NKF – zum 1. Januar 2005 wurde die gemeindliche Haushaltswirtschaft nach und nach auf Doppik umgestellt.

Ein erstes Gesetz zur Weiterentwicklung des NKF für Gemeinden und Gemeindeverbände in NRW trat 2012 in Kraft. An die jetzt vorliegende zweite Weiterentwicklung des NKF knüpfen sich viele Erwartungen. In die Anpassung fließt die vermeintlich einfache Erkenntnis ein, dass die Führung einer öffentlichen Verwaltung etwas anderes ist als die Führung eines Unternehmens.

Der vorrangige Zweck des Haushaltsrechts ist der Gläubigerschutz. Im Gegensatz dazu ist der Zweck einer kommunalen Verwaltung die Sicherstellung der kommunalen Aufgaben. Unterschiede gibt es immer dann, wenn es zu kommunalen Besonderheiten kommt. In der kommunalen Praxis hat sich gezeigt, dass beim NKF Erhaltungsmaßnahmen in Bezug auf das gemeindliche Anlagevermögen zeitlich gestreckt und verschoben getätigt werden.

Die Folge ist ein stetiger Substanzverlust in den gemeindlichen Finanzen. So wie das NKF jetzt ausgestaltet ist, sind diese Vorgänge im Aufwand zu verbuchen und belasten damit das Jahresergebnis der Kommune, und zwar auch dann, wenn es sich um wesentliche Maßnahmen, also Erhaltungsinvestitionen, handelt.

Diese konsumptive Wertung entspricht aber nicht der Wirklichkeit kommunalen Handelns. Erhaltungsinvestitionen können die Nutzungsdauer eines Gegenstandes verlängern. Daher wird das Vorsichtsprinzip, das die Aktivierung des Erhaltungsaufwandes bislang verhindert hat, jetzt zum Wirklichkeitsprinzip weiterentwickelt. Das neue Vorgehen folgt dem Ziel, dem Sanierungsstau in den Städten und Gemeinden entgegenzuwirken und die Rahmenbedingungen für den kommunalen Vermögenshaushalt zu verbessern. Der Erhalt von kommunaler Infrastruktur wird auf diesem Weg erleichtert, auch bei finanziell engen Spielräumen.

Die Fähigkeit der Kommunen, Ausgleichsrücklagen, die im Eigenkapital angesiedelt sind, aus einem vorhandenen Jahresüberschuss zu bilden, wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf ebenfalls verbessert.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Großartig!)

Auf diese Weise können Kommunen in der Zukunft Jahresüberschüsse stärker als bisher zum Haushaltsausgleich aus der Ausgleichsrücklage einsetzen.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Das ist auch prima!)

In Baden-Württemberg kann zusätzlich zur Rücklagenverwendung im Ergebnishaushalt auch eine pauschale Kürzung von Aufwendungen zu einem Beitrag von 1 % der Summe der ordentlichen Aufwendungen unter Angabe der zu kürzenden Teilhaushalte veranschlagt werden.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hübner?

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Nein.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD] – Weitere Zurufe)

Dem Beispiel von Baden-Württemberg folgt jetzt Nordrhein-Westfalen. Dieser sogenannte globale Minderaufwand ist nichts anderes als eine pauschale Kürzung von Aufwendungen in der Haushaltsplanung und ein Resultat aus der Erfahrung der kommunalen Praxis.

Die Kommunen gewinnen so Spielraum bei der Haushaltsplanung und beim Haushaltsausgleich. Auch Kommunen, die über keine Ausgleichsrücklage verfügen, sollen von der Möglichkeit des globalen Minderaufwands Gebrauch machen dürfen. Der Großteil der Kommunen darf in Zukunft optional auf die Aufstellung eines Gesamtabschlusses verzichten. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, muss nur ein standardisierter Beteiligungsbericht erstellt werden. Auch hier hat die kommunale Praxis gezeigt, dass der Nutzen eines Gesamtabschlusses insbesondere für die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker eher gering war.

Zur Wahrheit gehört auch, dass viele Kommunen schon seit Jahren keinen Gesamtabschluss mehr erstellt haben. Von der rückwirkenden Aufstellung von Gesamtabschlüssen werden die Kommunen nach der Gesetzesänderung zwar nicht komplett befreit, aber das Verfahren wird für die älteren Gesamtabschlüsse vereinfacht, sodass sie mit deutlich reduziertem Aufwand erstellt werden können.

Insgesamt wird mit dem Gesetzentwurf zum zweiten Gesetz zur Weiterentwicklung des Neuen kommunalen Finanzmanagements die kommunale Selbstverwaltung gestärkt. Das Gesetz verschafft den Kommunen haushälterisch mehr Handlungsspielraum und Flexibilität. Unter dem Strich ist der Haushaltsausgleich mit dem weiterentwickelten NKF realistischer, wirklichkeitsnäher und in der Rechnungslegung unbürokratischer. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelter Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hoppe-Biermeyer. Es wurde eine Kurzintervention von der SPD beantragt, Herr Hübner wird sie vermutlich umsetzen. – Bitte schön, Herr Hübner.

Michael Hübner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank! Sie können sich gegen die Kurzintervention jetzt nicht wirklich wehren. Herr Hoppe-Biermeyer, nach Ihrem durchaus unüberzeugenden Vortrag zur Weiterentwicklung des Neuen kommunalen Finanzmanagements will ich Sie zu § 77 des Gesetzentwurfs fragen, der die Überlegung enthält, dass man Gebühren und Steuererhöhungen vor Ort nur nach dem Leistungsfähigkeitsgedanken erheben darf. Vielleicht geben Sie mir mal ein paar Erläuterungen dazu, wie Sie das einschätzen und wie dieser dort eingeführte Rechtsbegriff aus Ihrer Sicht auszufüllen ist.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Wie kann man so eine komplizierte Frage stellen? – Weitere Zurufe – Heiterkeit von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Sie haben das Wort, Herr Hoppe-Biermeyer.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Muss ich antworten?

Vizepräsident Oliver Keymis: Nein.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Danke.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hoppe-Biermeyer. – Wir haben als nächsten Redner Herrn Körfges für die SPD-Fraktion auf der Rednerliste stehen. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hoppe-Biermeyer, ich habe in gewisser Weise Mitleid mit Ihnen, weil Sie heute wirklich den Joker gezogen haben. Sie dürfen jetzt zum zweiten Mal zu einem vollkommen verfehlten Gesetzentwurf dieser Landesregierung sprechen. Das ist wahrlich nicht einfach, und ich glaube, man hat das Ihren Ausführungen an der einen oder anderen Stelle durchaus entnehmen können.

(Beifall von der SPD)

Ich will mit der Bemerkung anfangen, viele hätten viel erwartet. Ich muss sagen, ich habe nicht so viel erwartet, bin aber trotzdem enttäuscht worden. Das gilt auch für die Wankelmütigkeit in diesem Hohen Haus.

Ich gehöre dem Parlament schon seit ein paar Tagen an und habe mich mit den Themen „NKF“ und „Gesamtabschlüsse“ intensiv beschäftigt. Weil ich zu denjenigen gehört habe, die in unserem Haus immer den besonders strukturschwachen Kommunen entgegenkommen wollten, haben wir uns hier zum Beispiel über die Verlängerung von Konsolidierungszeiträumen unterhalten oder auch darüber, bei Gesamtabschlüssen vielleicht ein wenig zuzuwarten.

Herr Höne, ich kann Ihnen das jetzt nicht ersparen: Wer „FDP“ und „Gesamtabschlüsse“ googelt, kommt relativ leicht auf einen Antrag – das ist noch gar nicht so lange her – aus Ihrer Oppositionszeit. Da fordern Sie von der damaligen Landesregierung:

„1. Der Landtag missbilligt die Duldung rechtswidriger fehlender Gesamtabschlüsse der Kommunen durch die Landesregierung.“

Das wollten Sie beanstandet wissen.

Darüber hinaus, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP,

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

wollten Sie seinerzeit die Landesregierung beauftragen, die flächendeckende Vorlage kommunaler Gesamtabschlüsse unverzüglich sicherzustellen und dem Landtag regelmäßig über deren Fortkommen zu berichten.

Herzlichen Glückwunsch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, so sieht Prinzipientreue aus! – Jetzt wollen Sie statt regelmäßiger Gesamtabschlüsse eine kreative Buchführung einführen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen!

(Beifall von der SPD)

Ich hatte das Vergnügen, als Vorsitzender des Ausschusses in die begeisterten Augen der Sachverständigen blicken zu dürfen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage es einmal vorsichtig: Der Jubel wollte bei keinem – noch nicht einmal bei den von den regierungstragenden Fraktionen benannten Sachverständigen – auch nur ansatzweise ausbrechen.

(Beifall von der SPD)

Im Gegenteil: Sie haben da ganz gehörig eins hinter die Ohren bekommen. Zum Beispiel hat Frau Professor Dr. Golombiewski auf die Folgen bei – ich sage mal – völligem Verzicht auf Gesamtabschlüsse für Städte mit erheblichen Ausgliederungen hingewiesen.

Ich hatte direkt zu Anfang gesagt: Ja, wir können darüber reden. – Allerdings glaube ich, dass man hier mit handwerklich sauberen Regeln und nicht mit Murks ans Werk gehen muss. Was Sie da vorlegen, eröffnet zum Beispiel die spannende Frage: Was machen wir, wenn eine Kommune irgendwann wieder zu einem Gesamtabschluss zurückkehren will? Wie sieht das dann aus? Muss sie eine neue Eröffnungsbilanz erstellen? – Ich kann Ihnen nur sagen: Kurz gedacht, nicht weit genug gesprungen und tüchtig verfehlt.

(Beifall von der SPD)

Apropos Sachverständige: Wenn kleine Mängel oder kleine technische Fehler in einem Antrag stecken, hilft oft ein Änderungsantrag. Der von Ihnen eingebrachte Änderungsantrag kann bei einem solchen Gesetzesvorhaben aber wirklich überhaupt nichts mehr bewirken. Ich kann Ihnen nur sagen: Wer Gestaltungsmöglichkeiten ins Spiel bringt, gibt den Kommunen Steine statt Brot. Ich würde an Ihrer Stelle mal darüber nachdenken, ob nicht die von Ihnen durchgeführten Änderungen im GFG dazu geeignet sind, die angespannte Finanzsituation vieler Kommunen noch weiter anzuspannen.

Globaler Minderaufwand: Da haben die Sachverständigen – und darunter war zum Beispiel die Kämmerin des Landschaftsverbands Rheinland, die den Kolleginnen und Kollegen der FDP nicht ganz unbekannt ist – gnadenlos gesagt, dass dies die Gefahr birgt – ich zitiere Herrn Schulte, den Kämmerer aus Hemer –, Defizite zu kaschieren und die Finanzverantwortung von der Politik auf die Verwaltung zu verlagern. Wollen Sie das wirklich?

Apropos „wirklich“: Das Wirklichkeitsprinzip ist auch so eine Erfindung. Wir haben das Vorsichtsprinzip, und das haben wir aus gutem Grund.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Alle Sachverständigen, die sich dazu geäußert haben, sagten: Die Vergleiche zwischen Privatwirtschaft und Kommunen haben wir damals ganz bewusst haben wollen, und zwar übereinstimmend und insbesondere seitens der Vertreterinnen und Vertretern der FDP gefordert.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wenn jetzt mit dem Wirklichkeitsprinzip die Obergrenze quasi aufgegeben wird, dann darf man, wie Herr Hoppe-Biermeyer gesagt hat, Aufwendungen und Instandhaltung auch mitbewerten. Das gibt zwar nicht mehr Geld, aber den von Ihnen so erhofften Gestaltungsspielraum.

Das ist für einen Sozialdemokraten wirklich ein feiner Augenblick. Sie tragen die Grundsätze des HGB, des ehrlichen Kaufmanns, normalerweise wie eine Monstranz vor sich her. In politischen Ränkespielen jedoch sind Sie offensichtlich dazu bereit, diese Grundsätze innerhalb kurzer Zeit über Bord zu werfen. Das machen wir nicht mit.

(Beifall von der SPD)

Schließlich will ich …

Vizepräsident Oliver Keymis: Aber ganz schließlich, Herr Kollege!

Hans-Willi Körfges (SPD): Ganz schließlich will ich, Herr Präsident, auf einen entscheidenden Mangel hinweisen. Absolut innovativ ist die neue kommunale Haushaltsverordnung. Das Einzige, das daran neu ist, ist die Bezeichnung. Alle Sachverständigen sind zum Abschluss gefragt worden, welchen Wunsch sie denn hätten. Ich zitiere auch hier aus der Anhörung:

„Nehmen Sie sich Zeit ...“

– das war der Wunsch von Frau Professor Dr. Golombiewski –

„... für eine Neufassung der Gemeindeordnung und bringen Sie sie mit der kommunalen Haushaltsverordnung in Einklang.“

Das ist leider nicht passiert.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Gegenruf von der SPD)

Sie haben sich stattdessen zum Weitermurksen entschieden. Ich glaube, das nützt unseren Kommunen nicht. Deshalb stehen wir für eine Zustimmung nicht zur Verfügung. – Ich bedanke mich herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Und natürlich bei dem großzügigen Präsidium. Stimmt’s, Herr Körfges? – So, der nächste Redner ist für die FDP-Fraktion Herr Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Herr großzügiger Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor uns liegt das zweite Gesetz zur Weiterentwicklung des Neuen kommunalen Finanzmanagements. Es greift sowohl Anpassungsnotwendigkeiten aus dem letzten Zwischenbericht zum NKF auf als auch weitere aktuelle Handlungsnotwendigkeiten. Ich möchte kurz auf fünf Aspekte eingehen.

Erster Aspekt: In zahlreichen Städten – egal, ob in Ballungszentren, ländlich, groß oder klein – ist festzustellen, dass Investitionen in Unterhaltung und in die Erhaltung in den letzten Jahren gestreckt worden sind bzw. über viele Jahre im Zeitverlauf stets unterhalb der jeweiligen Abschreibungen lagen. Das Ergebnis ist ein steter Substanzverzehr.

Das ist keine generationengerechte Politik, und man muss sich fragen: Was kann man tun? Was sind die Ursachen? Ist nicht ein Handeln notwendig?

(Zurufe von der SPD: Da haben wir die Sachverständigen gefragt; die haben mit Ja geantwortet!)

Das gerade schon angesprochene Wirklichkeitsprinzip ist keine Erfindung dieser NRW-Koalition. Mit diesen Federn wollen wir uns gar nicht schmücken, sondern das gibt es durchaus auch in anderen Bundesländern.

Des Weiteren gehen Sie auf Fragen der Bilanzierung ein. Ich habe mich schon im Ausschuss dazu geäußert, darum werde ich das hier eher im Stakkato vortragen.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Da war das aber auch schon nicht so gut!)

Das HGB ist mitnichten ein Regelwerk, das international unzählige Male kopiert wurde, vielmehr unterscheidet sich die internationale Rechnungslegung doch sehr deutlich vom HGB.

(Michael Hübner [SPD]: Unglaublich!)

Ich bin sehr froh, dass wir im deutschen Bilanzrecht in Bezug auf das HGB eher nach dem Vorsichtsprinzip unterwegs sind, weil dort Dinge wie der Gläubigerschutz im Mittelpunkt stehen.

(Michael Hübner [SPD]: Gläubigerschutz brauchen wir nicht mehr nach Auffassung der Liberalen!)

Herr Kollege Hübner, ich frage mich gerade, ob Sie zum Beginn der Weihnachtsfeier der SPD dabei waren und da auch alle gestört und dazwischengerufen haben und darum wieder in den Plenarsaal abgeschoben worden sind.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP und der CDU)

Andersherum gefragt: Was gab es da eigentlich zu trinken, wovon ich dringend etwas haben muss?

(Stefan Kämmerling [SPD]: Die Reden waren da besser als Ihre!)

Diese beiden Fragen stelle ich mir.

(Michael Hübner [SPD]: Sind Sie neidisch?)

– Nein, Neid ist mir völlig fremd, Herr Kollege Hübner, insbesondere in Richtung der SPD.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Eine Differenzierung zwischen dem HGB und dem NKF ist längst nicht in allen Bereichen sinnvoll. In manchen Bereichen ist es aber durchaus sinnvoll, weil gerade Kommunen keine Unternehmen und Unternehmen keine Kommunen sind. Eine solch sinnvolle Differenzierung wird hier entsprechend vollzogen.

Sie sehen den Untergang des Bilanzrechts auf uns zukommen. Die Kämmerei in meinem Heimatkreis, dem Kreis Coesfeld, geht davon aus, dass sich das im Bereich von 300.000 Euro pro Jahr auswirken wird. Vor diesem Hintergrund davon zu sprechen, dass alles über den Haufen geworfen würde, was uns im Bilanzrecht lieb und teuer ist, entbehrt nun wirklich jeder Grundlage.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir greifen weitere Probleme auf.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Sie lösen sie aber nicht!)

Ich wollte ja auf fünf Punkte eingehen.

Zweitens. Steuerkraftabhängige Umlagen führen bei den Kommunen oft zu Planungsschwierigkeiten und zu kleineren Verwerfungen. Dieser Gesetzentwurf schafft neue Möglichkeiten, damit umzugehen.

Drittens: zur GMA. Diesbezüglich hat der Kollege Körfges gerade auch den Untergang des Abendlandes heraufbeschworen.

(Michael Hübner [SPD]: Nein, die Sachverständigen waren das!)

In anderen Bundesländern gibt es das, zum Beispiel in Baden-Württemberg. Bislang habe ich aus Baden-Württemberg nicht gehört – auch nicht von der SPD –,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Die gibt es auch kaum noch!)

dass die Kommunalfinanzen in diesem Bundesland vor dem Absturz stünden oder es dort keinerlei Möglichkeiten mehr gebe und nur noch kaschiert würde. Dem ist nicht so. Das Ganze ist ein Instrument im Instrumentenkasten der Haushaltspolitik, das es auf vielen politischen Ebenen gibt, zukünftig auch bei den Kommunen.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Das ist doch auch kein Argument! In der Sache ist das kein Argument!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Körfges?

Henning Höne (FDP): Bitte.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Körfges.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Höne, halten Sie die kommunalen Verhältnisse in Baden-Württemberg vor dem Hintergrund der Übertragung staatlicher Aufgaben auf die Kommunen ohne Weiteres für vergleichbar mit der finanziellen Situation insbesondere strukturschwacher Kommunen in Nordrhein-Westfalen?

Henning Höne (FDP): Lieber Herr Kollege Körfges, schon die Kommunen innerhalb von Nordrhein-Westfalen sind strukturell so unterschiedlich, dass sie sich nicht ohne Weiteres direkt vergleichen lassen. Das gilt umso mehr für den Vergleich mit Baden-Württemberg.

Ein Instrument innerhalb der kommunalen Haushaltsplanung, das es in Baden-Württemberg seit längerer Zeit – übrigens seit Beginn des dortigen NKF – gibt, das dort übrigens nicht zum Untergang der kommunalen Finanzen geführt hat, wird auch hier nicht zum Untergang der kommunalen Finanzen führen. Sollten Sie in zwei, drei Jahren nach dem Praxistest zu einer gegenteiligen Überzeugung gelangt sein, sprechen Sie uns doch gern noch einmal an. Dann unterhalten wir uns noch einmal neu darüber.

Viertens. Zum Haushaltsausgleich wird es Veränderungen geben, nämlich in Bezug auf die Nutzung der Ausgleichsrücklage. Auch hier gibt es neue Planungsmöglichkeiten für die Kommunen.

Abschließend komme ich – fünftens – zum Gesamtabschluss. Da muss man schon differenzieren.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Oh, jetzt wird es schlimm!)

Herr Kollege Körfges, wenn ich mich richtig erinnere, sind Sie Jurist; insofern müssten Sie das eigentlich auch wissen. Wenn das Gesetz vorgibt, dass ein Gesamtabschluss für die Kommunen aufzustellen ist, dann hat das auch zu passieren. Wenn man der Meinung ist, dass dieses Gesetz nicht sinnvoll ist, dann muss man das Gesetz ändern. Solange das aber nicht der Fall ist, erwarte ich, dass sich die Kommunen an die gültige Rechtslage halten.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Nichts anderes haben wir damals einfordert, und das halte ich übrigens bis heute für richtig.

Nichtsdestotrotz kann man sich die Frage stellen, inwiefern der Gesamtabschluss Sinn für eine Steuerungswirkung für die Kommunalpolitik ergibt. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass es diesen Gesamtabschluss unter gewissen Voraussetzungen, die das Gesetz definiert, nicht zwingend braucht. So kann angemessene Transparenz über einen Beteiligungsbericht hergestellt werden. Welche der beiden Varianten infrage kommt, das entscheidet die Kommunalpolitik eigenverantwortlich und vor allem verantwortungsbewusst.

Hier liegt jedenfalls ein guter Gesetzentwurf vor, für den ich um Zustimmung werbe. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Höne. – Jetzt spricht Herr Mostofizadeh für Bündnis 90/Die Grünen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine besondere Ehre, zu dieser wunderbaren Zeit zu dem wichtigsten Gesetzentwurf des Tages sprechen zu dürfen. Ich möchte drei Punkte ansprechen, die bereits angesprochen worden sind.

Wir haben sehr intensiv im Ausschuss darüber diskutiert, und wir hatten eine sehr ausführliche Anhörung. Umso bedauerlicher ist es, dass zumindest der Kollege von der CDU es nicht für erforderlich gehalten hat, auf diese Auseinandersetzung einzugehen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Er war erschöpft!)

– Ja, er musste zwischenzeitlich nach Paderborn vermelden, dass er drei Reden in vier Stunden halten musste.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist vielleicht die Schwierigkeit gewesen.

(Henning Höne [FDP]: Abschreckend!)

Drei Punkte liegen mir am Herzen, weil sie aus meiner Sicht die Grundmelodie und das Grundverständnis des Neuen Kommunalen Finanzmanagements infrage stellen.

Erstens stellt sich die Frage des globalen Minderaufwandes. Herr Hovenjürgen, dahinter verbirgt sich die Möglichkeit für den Rat, zu beschließen, dass bis zu 1 % des Haushaltsvolumens quasi vorab der Verwaltung übertragen wird und die Verwaltung dann entscheiden muss, wie sie diese 1 % Minderausgaben decken soll.

Ich halte das für eine unzulässige Verschiebung der Verantwortung vom gewählten Rat auf die Verwaltung. Das haben alle kommunalen Spitzenverbände und mehrere Fachkollegen, nämlich die Kämmerer, in der Anhörung genau so dokumentiert. Warum Sie trotzdem an diesem Instrument festhalten, ist mir, ehrlich gesagt, nicht ganz klar; denn es bietet weder mehr Handlungsspielraum für die Kommune – schließlich muss das Geld so oder so eingespart werden –, noch führt es zu mehr Transparenz. Ganz im Gegenteil: Es führt zu weniger Transparenz.

Insofern kann ich Sie nur auffordern, von diesem Schritt keinen Gebrauch zu machen.

(Beifall von der SPD)

Der zweite Punkt ist das Thema „Wirklichkeitsprinzip“. Auch dort gibt es aus meiner Sicht eine Begriffsverwirrung: Es ist nicht mehr Wirklichkeit, sondern weniger Wirklichkeit. Es wird nicht mehr Geld produziert; das ist vielmehr ein durchaus substanzielles Abweichen von der bisherigen Rechnungslegung, weil man normalen Instandhaltungsaufwand jetzt quasi als Investitionen abrechnen kann.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Bilanzfälschung ist das!)

Frau Ministerin Scharrenbach, das ist, ehrlich gesagt, nicht in Ordnung.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Kreative Buchführung!)

Es führt auch nicht zu mehr Geld, sondern das verdeckt wieder nur, dass Investitionsbedarf besteht. Es verdeckt auch etwas ganz Einfaches, nämlich wie hoch die notwendige Finanzausstattung der Städte und Gemeinden in diesem schönen Bundesland ist. Wir halten es schlicht für falsch, das Ganze so anzustellen. Insofern wird es Sie nicht wundern, wenn wir am Ende des Tages den Gesetzentwurf ablehnen werden.

Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft das Thema „ausländische Kredite“. Ich finde es gut, dass es jetzt eine strengere Regel gibt; das ist keine Frage.

Ungelöst bleibt allerdings die Frage – diese Frage ist von der Regierung leider nicht beantwortet worden –, warum wir auch innerhalb der EU Fremdwährungskredite haben. Dazu hat sich die Landesregierung bisher nicht verhalten. Das ist sicherlich nicht das zentrale Problem dieses Gesetzentwurfes; das will ich gerne zugestehen. Aber da das zweimal angesprochen und kein Mal beantwortet worden ist, will ich das hier in der Debatte noch einmal ansprechen.

Alles in allem bin ich schon erstaunt, dass ausgerechnet CDU und FDP in dieser Weise von der bisherigen Rechnungslegung, der doppischen Buchführung, abweichen. Ich kann mich noch daran erinnern, als wir § 75 der Gemeindeordnung geändert haben. Die FDP konnte sich seinerzeit mit Beschimpfungen gar nicht zurückhalten und hat von einer Verschleierung der Haushaltswirtschaft und Sonstigem geredet.

(Christian Dahm [SPD]: Das ist so!)

Tatsächlich wurde an der Rechnungslegung substanziell nichts geändert, sondern es wurden nur die Zeiträume verändert. Heute verändern Sie sogar die Maßstäbe. Warum Sie das tun wollen, haben Sie begründet; das will ich gar nicht in Abrede stellen.

Ich halte das schlicht für falsch. Ich halte das für eine Verwässerung der Transparenz. Insofern sollten wir die Punkte, die Sie vorgeschlagen haben, nicht mittragen. Deswegen werden wir den Gesetzentwurf auch ablehnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Jetzt spricht für die Fraktion der AfD Herr Tritschler.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Weiterentwicklung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements für Gemeinden ist keine Bagatelle, aber ich mache es kurz; denn ich will die SPD nicht von Ihrer Weihnachtsfeier trennen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Gegenruf von Michael Hübner [SPD]: Darauf reagierst du? Das lässt tief blicken!)

Was wir hier besprechen, hat ganz reale, ganz greifbare Auswirkungen auf jede Gemeinde und damit natürlich auch auf jeden einzelnen Bürger unseres Landes. Herr Mostofizadeh hat das ganz richtig angesprochen: Das ist womöglich einer der wichtigsten Anträge des heutigen Tages.

Im Januar 2005 wurde in den Kommunen die Kameralistik abgeschafft und die doppelte Buchführung eingeführt. Mit dieser Umstellung waren natürlich neue Rahmenbedingungen zu schaffen, die mit den bestehenden Erfahrungswerten fortzuentwickeln sind.

Aus unserer Sicht bietet das vorliegende Gesetz – wir haben es auch schon im Ausschuss angesprochen – neue Spielräume für unsere Kommunen, die richtig sind, wenn die Instrumente richtig benutzt werden. Es ist zu hoffen, dass die Kommunen weise damit umgehen, insbesondere mit dem Instrument des globalen Minderaufwands.

Ähnliches gilt für das Wirklichkeitsprinzip. Das gab es übrigens auch einmal im HGB, nämlich die sogenannte geplante Instandhaltung. Das heißt, wertverbessernde Instandhaltungsmaßnahmen, die das Vermögen wirklich wieder verbessern und erhöhen, kann man jetzt besser abbilden.

Zum Thema „Gesamtabschluss“ haben wir in der Expertenanhörung gelernt:

„Denn dieser Gesamtabschluss, so, wie er jetzt ausgestaltet ist, ist in erheblichem Maße nicht steuerungsrelevant. Der Vorschlag, das Ganze über den Beteiligungsbericht zu lösen, ist aus unserer Sicht vorzugswürdig.“

Das sagt der Städtetag. – Dr. Schulte, Kämmerer der Stadt Hemer, sieht das in seiner Stellungnahme ähnlich – Zitat –:

„Ich habe als Kreistagsmitglied schon viele Jahre versucht, mich mit Gesamtabschlüssen zu beschäftigen. … Ich glaube, der Gesamtabschluss wird nicht nur nicht richtig gelesen, er wird wahrscheinlich von den meisten Kommunalpolitikern gar nicht gelesen, weil er nicht verstanden wird.“

Es ist also zweifelsohne sinnvoll, diesen Bereich etwas zu verschlanken.

Schließlich begrüßen wir die Änderung der Vorschriften über die Ausgleichsrücklage, da man den Kommunen das Handeln aus finanzwirtschaftlicher Sicht erleichtert.

Aus Sicht meiner Fraktion handelt es sich überwiegend um Punkte, die wir begrüßen können. Wir stimmen dem Antrag daher zu.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich Ministerin Scharrenbach das Wort.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissen Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten der SPD: Man kann sich eigentlich gar nicht weiter von der Basis entfernen, als Sie das hier gemacht haben.

(Beifall von der CDU und der FDP sowie von Alexander Langguth [fraktionslos])

Gerade viele SPD-Bürgermeisterinnen und ‑Bürgermeister begrüßen die Änderung, die wir hier vortragen. Sie aber stellen sich hier im Landtag hin und sagen: Das ist Teufelswerk.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das ist technischer Murks, kein Teufelswerk!)

Ich weiß nicht, wie Sie das vor Ort umsetzen wollen; das ist dann am Ende Ihr Problem.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Weil alle nicht wissen, dass Sie das zum 1. Januar umsetzen wollen!)

Aber wir stehen in einem sehr sachlichen Dialog mit den Hauptverwaltungsbeamtinnen und ‑beamten. Das ist die entscheidende Zielsetzung dieses Gesetzentwurfes.

Sie müssen in den Räten, in denen Sie die Mehrheit haben, das Ermessen, das wir den Kommunen zur kommunalen Selbstverwaltung neu einräumen, nicht nutzen. Sie müssen den globalen Minderaufwand nicht nutzen. Sie müssen auch einen Gesamtabschluss nicht befreien, wenn Sie das nicht wollen. Sie müssen das nicht.

Sie können Ihrer Verwaltung das alles unverändert auferlegen. Machen Sie das. Aber dann erklären Sie bitte auch den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, warum Sie in Ihrer Kommune mehr Geld benötigen als andere Kommunen, die das Ermessen neuerdings werden nutzen können.

Präsident André Kuper: Frau Ministerin, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Kollegen Kämmerling.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Aber sehr gerne.

Stefan Kämmerling (SPD): Herzlichen Dank, Frau Ministerin, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen.

Frau Ministerin, Sie haben gerade ausgeführt, dass die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, mit denen Sie über dieses Thema gesprochen haben, das Ganze positiv gesehen hätten.

Ich komme jetzt zu meiner Frage: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich in der Sachverständigenanhörung – an der Sie selbst nicht teilgenommen haben, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, weil Sie entschuldigt waren – nicht ein einziger Sachverständiger positiv zu den Themen geäußert hat, die Sie ausgeführt haben, und dass die Gemeindehaushaltsverordnung in ihrer Änderung den Sachverständigen fünf Tage vor dem Sachverständigenanhörungstermin zur Kenntnis gegeben und dann dort ausgeführt wurde, dass es zahlreiche Kommunen im Land gibt, die Probleme mit der Umsetzung ab dem 1. Januar 2019 haben?

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, das waren mehrere Fragen auf einmal. Sie gestatten, dass ich nur eine Frage beantworte.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Ja! Ich melde mich dann noch einmal! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich glaube, das ist üblich. Oder nicht?

Herr Abgeordneter, es gibt ganz viele Kämmerinnen und Kämmerer, die – ich formuliere es etwas abstrakt – Sorge vor den Erleichterungen haben, weil sie befürchten, dass demokratisch gewählte Räte möglicherweise auf die Idee kommen könnten, kommunale Realsteuern zu senken. Ich formuliere das ganz frei.

Dann sage ich den Kämmerinnen und Kämmerern: Das sind demokratisch gewählte Vertretungskörperschaften. Sie haben das Recht, Steuern zu verändern.

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie sich die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände anschauen, die ja unter allen drei Briefköpfen geschrieben wurde, stellen Sie fest, dass sich innerhalb dieser Stellungnahme alle drei Spitzenverbände unterschiedlich eingelassen haben. Da gibt es sehr wohl Spitzenverbände, die sagen: Ja, es ist richtig und gut, dass dieses Instrument dort geändert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben erst vor wenigen Wochen kritisiert, dass Kommunen nicht ausreichend in die Unterhaltung ihres Infrastrukturvermögens, im Besonderen in kommunale Straßen, investieren. Wir stärken jetzt diese Investitionsfähigkeit von Kommunen in die Erhaltung von kommunalen Straßen, indem sie sie zukünftig aktivieren dürfen, meine sehr geehrten Damen und Herren,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Dann müssen Sie ihnen Geld geben, aber keine neue Regeln! – Stefan Kämmerling [SPD]: Dann geben Sie Geld, aber keine neuen Regeln!)

Das folgt doch zwangsläufig dem System, das Sie hier vorantreiben.

Wenn der Gesamtabschluss – und das ist breit durch die kommunale Familie der Fall – nicht den Zweck erfüllt, der damit ursprünglich beabsichtigt war, erlauben wir den Kommunen erstmals das, was nach dem Handelsgesetzbuch, das Sie hier ja die ganze Zeit hochhalten, für Konzernunternehmen schon lange möglich ist, nämlich, auf den Einbezug von Unternehmen zu verzichten – bis hin zur kompletten Befreiung vom Konzernabschluss.

Das haben Sie den Kommunen nicht ermöglicht. Wir sind die Ersten, die das mit diesem kommunalen Änderungsgesetz im Rahmen der Haushaltsplanung vorlegen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das Entscheidende ist doch die Transparenz über die kommunale wirtschaftliche Betätigung. Deswegen sagen wir nicht, wie Sie das gemacht haben, Gesamtabschluss und Beteiligungsbericht, sondern wir sagen, entweder Gesamtabschluss oder Beteiligungsbericht. Damit entlasten wir die Kämmereien mindestens von einem Instrument. Gleichzeitig stärken wir die Transparenz für die Stadträte und die Bürgerschaft vor Ort.

Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter. Wir werden einen Musterbeteiligungsbericht vom Inhalt her vorgeben. Diesen werden wir zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Ebene erarbeiten. Es ist anscheinend auch ein Novum in Nordrhein-Westfalen, dass man das mit Praktikerinnen und Praktikern gemeinsam macht.

Außerdem lassen wir bei Veränderungen aus Abschlüssen im Bereich der Löhne und Gehälter mit Auswirkungen auf die Pensionen für die Beamten zu, dass man dies auf drei Jahre streckt, wie es im Einkommensteuerrecht vorgesehen ist. Das haben Sie gar nicht vorgetragen. Bei Ihnen läuft alles immer voll in die Haushalte hinein – mit entsprechenden Steuerbelastungen am anderen Ende.

Dadurch stärken wir das Ermessen bei der kommunalen Haushaltsplanung. Damit wird die Planung dessen, was wir künftig zusammen mit der kommunalen Familie an kommunalen Haushalten in Nordrhein-Westfalen auf den Weg bringen werden, offen gesagt, viel verlässlicher.

Gleichzeitig tragen wir die Fähigkeiten im Zusammenhang mit der Rechnungsprüfung vor, die wir verändern. Das kritisieren Sie ja immer nur. Sie beschreiben immer nur Probleme, aber liefern keine Lösungen.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Dazu gehören Sachverständige!)

Vielleicht sind Sie an dieser Stelle selbst Teil des Problems, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil Sie gar nicht mehr wahrnehmen, wie in kommunalen Räten gearbeitet und diskutiert wird und wo die Probleme sind.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Frechheit!)

Denn viele Gemeinden schaffen es nicht, in bestimmten Fachbereichen die offenen Stellen zu besetzen. Das ist auch in der Rechnungsprüfung so. Deswegen wollen wir zu Änderungen in der Organisation der Rechnungsprüfung kommen und gleichzeitig dieses Instrument entsprechend stärken – auch im Verhältnis zum Rat. Denn letztendlich ist die Rechnungsprüfung das Instrument des Rates zur Kontrolle der jeweiligen Verwaltungen, der Hauptverwaltungsbeamten und der Mehrheiten in den Vertretungskörperschaften.

Vor diesem Hintergrund ist das 2. NKF-Weiterent-wicklungsgesetz ein Gesetz, das das Ermessen der lokalen Akteure in den Städten und Gemeinden stärkt. Es nimmt die kommunale Selbstverwaltung breit in den Blick und wird ihr gerecht, weil die gewählten Vertretungskörperschaften die Belange ihrer Bürgerschaft im Rahmen der Gesetze wahrnehmen. Damit werden wir einen wichtigen Baustein dazu liefern, dass die kommunalen Haushalte zukunftsfähig …

Präsident André Kuper: Frau Ministerin, es gibt den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage des Abgeordneten Hübner.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Nein. Ich wollte zum Ende kommen, wenn Sie gestatten. Sie werden ja die Möglichkeit einer Kurzintervention nutzen. Das können Sie gerne tun.

Die kommunalen Haushalte, die kommunale Haushaltsplanung und der kommunale Haushaltsvollzug werden gestärkt. Die Transparenz wird – darauf legen wir großen Wert – für Stadträte und auch für die Bürgerschaft in Nordrhein-Westfalen erhöht. Damit ist ein wichtiger Baustein für die zukünftige verlässliche kommunale Haushaltswirtschaft gelegt –

(Stefan Kämmerling [SPD]: Das glauben Sie ja selbst nicht! Jetzt müssen Sie selbst lachen!)

neben dem Gemeindefinanzierungsgesetz, das im kommenden Jahr ein echtes Cash-in von 12,4 Milliarden Euro bietet.

Wir werden ja absehbar auch noch über einen Kommunalfinanzbericht sprechen. Dann werden Sie sehen, wie sich die Wirtschaftslage der Kommunen in Nordrhein-Westfalen verbessert hat. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Die Landesregierung hat ihre Redezeit um 52 Sekunden überzogen. Mir liegt gleichwohl kein Wortmeldungswunsch vor. Daher schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen empfiehlt in Drucksache 17/4519, den Gesetzentwurf Drucksache 17/3570 in der Fassung der Beschlüsse anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und nicht über den Gesetzentwurf.

Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU, die FDP, die AfD und die beiden fraktionslosen Kollegen Neppe und Langguth.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Davon hören wir im Januar noch einmal! Das wird nicht klappen! Das klappt nicht! Niemals wird das klappen!)

Wer ist dagegen? – Das sind SPD und Grüne. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/3570 in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4519 angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir kommen zu:

15 Gesetz zur Änderung des Altlastensanierungs- und Altlastenaufbereitungsverbandsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3778 – Neudruck

Beschlussempfehlung und Bericht
des
Ausschusses
für Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz
Drucksache 17/4529

zweite Lesung

Die Reden  werden zu Protokoll gegeben. (siehe Anlage 3)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz empfiehlt in Drucksache 17/4529, den Gesetzentwurf Drucksache 17/3778 – Neudruck – unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer möchte zustimmen? – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP und AfD sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/3778Neudruckangenommen und in der zweiten Lesung einstimmig verabschiedet.

Ich rufe auf:

16 Drittes Gesetz zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/4350

erste Lesung

Herr Minister Reul hat seine Einbringungsrede  zu Protokoll zu geben. (siehe Anlage 4) zu Protokoll gegeben.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Wir kommen damit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 17/4350 an den Innenausschuss. Möchte jemand der Überweisung widersprechen oder sich enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

17 Gesetz für die Übergangsphase nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union des Landes Nordrhein-Westfalen (Brexit-Übergangsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen – BrexitÜG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/4351

erste Lesung

Herr Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner hat seine Einbringungsrede  zu Protokoll gegeben. (siehe Anlage 5) gegeben.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Eine Aussprache ist heute ebenfalls nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 17/4351 an den Ausschuss für Europa und Internationales – federführend – sowie an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen. Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Beides ist nicht der Fall. Die Überweisungsempfehlung ist einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt

18 Das Rheinische Revier hat alle Chancen und verdient jede Unterstützung – Strukturwandel mit den Akteuren vor Ort zum Erfolg bringen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4446

Entschließungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4544

Eine Aussprache hierzu ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/4446 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des Ausschusses erfolgen. Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Nein. Dann haben wir das einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt

19 Nordrhein-Westfalen stellt die Weichen für die Mobilität der Zukunft

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4447

Auch hierzu ist eine Aussprache heute nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/4447 an den Verkehrsausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen, an den Ausschuss für Europa und Internationales, an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung sowie an den Ausschuss für Digitalisierung und Innovation. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Ist jemand dagegen oder möchte sich enthalten? – Dann haben wir auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt

20 Kein Kahlschlag beim landesrechtlichen Mieterschutz: Die Kappungsgrenzenverordnung muss verlängert werden

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4454

Eine Aussprache hierzu ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/4454 an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen – federführend – sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Möchte sich jemand enthalten? – Ist jemand dagegen? – Dann haben wir diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt

21 Älteren Menschen mit Migrationsgeschichte den Zugang zu Pflege- und Altenhilfe erleichtern und ihre Lebensleistung würdigen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4455

Eine Aussprache ist hierzu nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/4455 an den Integrationsausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Enthält sich jemand? – Ist jemand dagegen? – Dann haben wir auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt

22 Landesregierung muss einen Zukunftsplan für die Ganztagsschule vorlegen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4456

Eine Aussprache hierzu ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/4456 an den Ausschuss für Schule und Bildung – federführend –, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen, an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen, an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend, an den Ausschuss für Kultur und Medien sowie an den Sportausschuss. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit haben wir diese Überweisungsempfehlung ebenfalls einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt

23 Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III und des Vorsitzes

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU
Drucksache 17/4352 – Neudruck

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4353

Wahlvorschlag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4422

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4460

Wahlvorschlag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4473

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Wir kommen somit direkt zur Abstimmung. Ich beabsichtige, die Abstimmung im Rahmen von verbundenen Einzelwahlen vorzunehmen, bei der jeder Abgeordnete nur eine Stimme abgibt. – Dagegen sehe ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich frage daher:

Wer stimmt dem Wahlvorschlag der Fraktion der CDU Drucksache 17/4352Neudruck – zu? – Das sind die Fraktion der CDU und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt dem Wahlvorschlag der Fraktion der FDP Drucksache 17/4353 zu? – Das sind die Abgeordneten der FDP. Wer stimmt dem Wahlvorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/4422 zu? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dem Wahlvorschlag der Fraktion der SPD Drucksache 17/4460 zu? – Das ist die Fraktion der SPD. Wer stimmt dem Wahlvorschlag der Fraktion der AfD Drucksache 17/4473 zu? – Das sind die Abgeordneten der AfD. Wer stimmt gegen die Wahlvorschläge oder enthält sich? – Damit sind alle Wahlvorschläge einstimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt

24 Nachwahl eines ordentlichen Mitglieds des Landtags in den Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunk Köln

Wahlvorschlag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4514

Eine Aussprache hierzu ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Wahlvorschlag in der Drucksache 17/4514. Wer stimmt diesem Wahlvorschlag zu? – Das ist die AfD. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Das sind die Fraktionen von SPD, Grünen, CDU und FDP sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Wahlvorschlag in der Drucksache 17/4514 angenommen.

Tagesordnungspunkt

25 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 14
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/4530

Die Übersicht 14 enthält drei Anträge, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung an einen Ausschuss zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse nun über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den jeweiligen Ausschüssen abstimmen. Wer stimmt dem entsprechend zu? – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP und AfD sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit sind die in Drucksache 17/4530 enthaltenen Abstimmungsergebnisse der AusschüsseÜbersicht 14 – einstimmig bestätigt.

Tagesordnungspunkt

26 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/18

Eine Aussprache hierzu ist nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer ist dafür? – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP und AfD sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit sind die Beschlüsse des Petitionsausschusses in Übersicht 17/18 bestätigt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung.

Ich berufe das Plenum für morgen, Donnerstag, den 13. Dezember 2018, 10 Uhr wieder ein und wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 22:17 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 

Anlage 1

Namentliche Abstimmung über das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine Nordrhein-Westfalen (TierschutzVMG NRW) Drucksache 17/4107 (2. Neudruck)

 

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Frau Altenkamp

SPD

X

 

 

2

 Frau Aymaz

GRÜNE

X

 

 

3

 Herr Baran

SPD

X

 

 

4

 Herr Beckamp

AfD

 

X

 

5

 Herr Becker, Andreas

SPD

X

 

 

6

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

entschuldigt

7

 Frau Beer

GRÜNE

X

 

 

8

 Herr Bell

SPD

X

 

 

9

 Herr van den Berg

SPD

X

 

 

10

 Herr Dr. Berger

CDU

 

X

 

11

 Herr Berghahn

SPD

X

 

 

12

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

X

 

13

 Herr Bialas

SPD

X

 

 

14

 Herr Biesenbach

CDU

 

X

 

15

 Herr Bischoff

SPD

X

 

 

16

 Frau Blask

SPD

abwesend

17

 Herr Dr. Blex

AfD

 

X

 

18

 Herr Blöming

CDU

 

X

 

19

 Herr Blondin

CDU

 

X

 

20

 Herr Börner

SPD

X

 

 

21

 Herr Börschel

SPD

X

 

 

22

 Herr Bolte-Richter

GRÜNE

X

 

 

23

 Herr Bombis

FDP

 

X

 

24

 Frau Bongers

SPD

X

 

 

25

 Herr Boss

CDU

 

X

 

26

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

X

 

 

27

 Herr Braun

CDU

 

X

 

28

 Frau Brems

GRÜNE

X

 

 

29

 Herr Brockes

FDP

 

X

 

30

 Herr Brockmeier

FDP

 

X

 

31

 Frau Dr. Büteführ

SPD

X

 

 

32

 Frau Butschkau

SPD

entschuldigt

33

 Herr Dahm

SPD

X

 

 

34

 Herr Deppe

CDU

 

X

 

35

 Herr Déus

CDU

 

X

 

36

 Herr Deutsch

FDP

 

X

 

37

 Herr Diekhoff

FDP

 

X

 

38

 Herr Dudas

SPD

X

 

 

39

 Frau Düker

GRÜNE

X

 

 

40

 Frau Dworeck-Danielowski

AfD

 

X

 

41

 Herr Engstfeld

GRÜNE

X

 

 

42

 Frau Erwin

CDU

 

X

 

43

 Herr Fortmeier

SPD

X

 

 

44

 Herr Franken

CDU

 

X

 

45

 Frau Freimuth

FDP

 

X

 

46

 Herr Freynick

FDP

 

X

 

47

 Herr Frieling

CDU

 

X

 

48

 Frau Fuchs-Dreisbach

CDU

 

X

 

49

 Herr Ganzke

SPD

X

 

 

50

 Frau Gebauer, Katharina

CDU

entschuldigt

51

 Frau Gebauer, Yvonne

FDP

 

X

 

52

 Frau Gebhard

SPD

X

 

 

53

 Herr Dr. Geerlings

CDU

 

X

 

54

 Herr Göddertz

SPD

X

 

 

55

 Frau Gödecke

SPD

X

 

 

56

 Herr Goeken

CDU

 

X

 

57

 Herr Golland

CDU

 

X

 

58

 Herr Hafke

FDP

 

X

 

59

 Herr Hagemeier

CDU

 

X

 

60

 Frau Hammelrath

SPD

X

 

 

61

 Frau Hannen

FDP

 

X

 

62

 Herr Haupt

FDP

 

X

 

63

 Herr Herter

SPD

X

 

 

64

 Herr Höne

FDP

 

X

 

65

 Herr Hoppe-Biermeyer

CDU

 

X

 

66

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

X

 

67

 Herr Hübner

SPD

X

 

 

68

 Herr Jäger

SPD

X

 

 

69

 Herr Jahl

SPD

X

 

 

70

 Herr Jörg

SPD

X

 

 

71

 Herr Kämmerling

SPD

X

 

 

72

 Herr Kaiser

CDU

 

X

 

73

 Herr Kamieth

CDU

 

X

 

74

 Frau Kampmann

SPD

X

 

 

75

 Frau Kapteinat

SPD

X

 

 

76

 Herr Dr. Katzidis

CDU

 

X

 

77

 Herr Kehrl

CDU

 

X

 

78

 Herr Keith

AfD

 

X

 

79

 Herr Kerkhoff

CDU

 

X

 

80

 Herr Keymis

GRÜNE

X

 

 

81

 Herr Klenner

CDU

 

X

 

82

 Herr Klocke

GRÜNE

X

 

 

83

 Herr Körfges

SPD

X

 

 

84

 Herr Körner

FDP

 

X

 

85

 Frau Kopp-Herr

SPD

X

 

 

86

 Frau Korte

CDU

 

X

 

87

 Herr Korth

CDU

 

X

 

88

 Herr Kossiski

SPD

X

 

 

89

 Frau Kraft

SPD

X

 

 

90

 Herr Kramer

SPD

X

 

 

91

 Herr Krauß

CDU

 

X

 

92

 Herr Krückel

CDU

 

X

 

93

 Herr Kuper

CDU

 

X

 

94

 Herr Kutschaty

SPD

X

 

 

95

 Herr Langguth

fraktionslos

 

X

 

96

 Herr Laschet

CDU

 

X

 

97

 Herr Lehne

CDU

 

X

 

98

 Herr Lenzen

FDP

 

X

 

99

 Herr Lienenkämper

CDU

 

X

 

100

 Herr Löcker

SPD

X

 

 

101

 Herr Löttgen

CDU

 

X

 

102

 Herr Loose

AfD

 

X

 

103

 Frau Lück

SPD

X

 

 

104

 Frau Lüders

SPD

X

 

 

105

 Herr Lürbke

FDP

 

X

 

106

 Frau Lux

SPD

X

 

 

107

 Herr Dr. Maelzer

SPD

X

 

 

108

 Herr Mangen

FDP

 

X

 

109

 Herr Matheisen

FDP

 

X

 

110

 Herr Middeldorf

FDP

 

X

 

111

 Herr Moritz

CDU

 

X

 

112

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

X

 

 

113

 Herr Müller, Frank

SPD

X

 

 

114

 Herr Müller, Holger

CDU

 

X

 

115

 Frau Müller-Rech

FDP

 

X

 

116

 Frau Müller-Witt

SPD

X

 

 

117

 Herr Dr. Nacke

CDU

 

X

 

118

 Herr Neppe

fraktionslos

 

X

 

119

 Herr Nettekoven

CDU

 

X

 

120

 Herr Neumann

SPD

X

 

 

121

 Herr Dr. Nolten

CDU

 

X

 

122

 Herr Nückel

FDP

 

X

 

123

 Frau Oellers

CDU

 

X

 

124

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

 

X

 

125

 Herr Ott

SPD

X

 

 

126

 Herr Panske

CDU

 

X

 

127

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

X

 

 

128

 Herr Paul, Stephen

FDP

 

X

 

129

 Frau Dr. Peill

CDU

 

X

 

130

 Herr Petelkau

CDU

 

X

 

131

 Herr Dr. Pfeil

FDP

 

X

 

132

 Frau Philipp

SPD

X

 

 

133

 Frau Plonsker

CDU

 

X

 

134

 Herr Pretzell

fraktionslos

abwesend

135

 Herr Preuß

CDU

 

X

 

136

 Frau Quik

CDU

 

X

 

137

 Herr Rasche

FDP

 

X

 

138

 Herr Rehbaum

CDU

 

X

 

139

 Herr Remmel

GRÜNE

X

 

 

140

 Herr Reuter

FDP

 

X

 

141

 Herr Ritter

CDU

 

X

 

142

 Herr Rock

CDU

 

X

 

143

 Herr Röckemann

AfD

 

X

 

144

 Herr Römer

SPD

X

 

 

145

 Herr Prof. Dr. Rudolph

SPD

X

 

 

146

 Herr Rüße

GRÜNE

X

 

 

147

 Frau dos Santos Herrmann

SPD

X

 

 

148

 Frau Schäffer

GRÜNE

X

 

 

149

 Herr Schick

CDU

 

X

 

150

 Frau Schlottmann

CDU

 

X

 

151

 Herr Schmeltzer

SPD

X

 

 

152

 Herr Schmitz

CDU

 

X

 

153

 Herr Schneider, René

SPD

abwesend

154

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

X

 

155

 Herr Schnelle

CDU

 

X

 

156

 Herr Scholz

CDU

 

X

 

157

 Herr Schrumpf

CDU

 

X

 

158

 Herr Schultheis

SPD

X

 

 

159

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

X

 

160

 Herr Seifen

AfD

 

X

 

161

 Herr Sieveke

CDU

 

X

 

162

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

entschuldigt

163

 Herr Dr. Stamp

FDP

 

X

 

164

 Herr Stinka

SPD

X

 

 

165

 Frau Stock

SPD

X

 

 

166

 Frau Stotz

SPD

X

 

 

167

 Herr Sträßer

CDU

 

X

 

168

 Herr Strotebeck

AfD

 

X

 

169

 Frau Stullich

CDU

 

X

 

170

 Herr Sundermann

SPD

X

 

 

171

 Herr Terhaag

FDP

 

X

 

172

 Herr Tigges

CDU

 

X

 

173

 Herr Tritschler

AfD

 

X

 

174

 Frau Troles

CDU

 

X

 

175

 Herr Dr. Untrieser

CDU

 

X

 

176

 Herr Dr. Vincentz

AfD

 

X

 

177

 Herr Voge, Marco

CDU

 

X

 

178

 Herr Vogel, Nic Peter

AfD

 

X

 

179

 Herr Vogt, Alexander

SPD

X

 

 

180

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

X

 

181

 Frau Voigt-Küppers

SPD

X

 

 

182

 Frau Voßeler-Deppe

CDU

entschuldigt

183

 Herr Voussem

CDU

 

X

 

184

 Herr Wagner

AfD

 

X

 

185

 Frau Walger-Demolsky

AfD

 

X

 

186

 Frau Watermann-Krass

SPD

X

 

 

187

 Herr Watermeier

SPD

X

 

 

188

 Herr Weiß

SPD

X

 

 

189

 Frau Wendland

CDU

 

X

 

190

 Frau Weng

SPD

X

 

 

191

 Frau Wermer

CDU

 

X

 

192

 Herr Weske

SPD

X

 

 

193

 Frau Winkelmann

CDU

 

X

 

194

 Herr Witzel

FDP

 

X

 

195

 Herr Wolf

SPD

X

 

 

196

 Herr Wüst

CDU

 

X

 

197

 Herr Yetim

SPD

X

 

 

198

 Herr Yüksel

SPD

X

 

 

199

 Herr Zimkeit

SPD

X

 

 

 

Ergebnis

 

78

113

0

 

 

Anlage 2

Zu TOP 11 – „Viertes Gesetz zur Änderung des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen – Erweiterung der untergesetzlichen Normenkontrolle nach § 47 der Verwaltungsgerichtsordnung – zu Protokoll gegebene Reden

Peter Biesenbach, Minister der Justiz:

Ich freue mich, dass heute die Verabschiedung des Gesetzes zur Erweiterung der untergesetzlichen Normenkontrolle seitens des Landtags erfolgen soll. Damit wird ein wichtiges Ziel des Koalitionsvertrags der Landesregierung, die Stärkung einer bürgernahen Justiz und der effektiven Wahrnehmung von Rechten, nachhaltig unterstützt.

Denn durch die beabsichtigte Ergänzung werden die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger vor nordrhein-westfälischen Gerichten deutlich verbessert.

Das Prozessrecht des Bundes eröffnet den Ländern bereits seit Längerem die Möglichkeit, die direkte Normenkontrolle über die bereits bisher angreifbaren baurechtlichen Rechtsverordnungen und Satzungen hinaus auch auf weitere untergesetzliche Normen des Landesrechts auszuweiten.

Von dieser Möglichkeit haben – mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen und der Stadtstaaten Berlin und Hamburg – alle an­deren Länder Gebrauch gemacht. Die FDP hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode für NRW einen entsprechenden Gesetzesantrag mit Unterstützung der CDU in den Landtag eingebracht; nunmehr ist die Verabschiedung einer solchen Regelung in greifbare Nähe gerückt.

Die Einführung einer direkten Normenkontrolle führt auch im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie in Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes zu einer Reihe von Vorteilen, die die bisherige Rechtslage entscheidend verbessert:

–   Erstens wird der Rechtsschutz zielgenauer, schneller und effektiver. Die Gültigkeit einer Norm kann direkt – ohne den Umweg über eine indirekte Prüfung im Widerspruchs- und Gerichtsverfahren gegen die Einzelmaßnahme – und damit insgesamt schneller geklärt werden.

–   Zweitens wird über die Ungültigkeit einer Rechtsvorschrift allgemeinverbindlich entschieden. Das Verfahren führt damit zu einer rechtssicheren Klärung für alle von der Rechtsvor­schrift potenziell betroffenen Personen. Divergierende Entscheidungen zur Frage der Gültigkeit einer Norm werden vermieden.

–   Drittens werden die erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte entlastet. Mit der allgemeinverbindlichen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist eine inzidente und teils parallele Prüfung der Norm durch die Verwaltungsgerichte entbehrlich.

–   Und schließlich erscheint es folgerichtig, dass nicht nur bau­rechtliche Rechtsverordnungen und Satzungen, sondern auch Rechtsvorschriften aus anderen Bereichen der Nor­menkontrolle unterliegen.

Die vorgenannten Argumente werden durch die positiven Stellungnahmen der seitens des Landtags angehörten Sachverständigen Professor Dietlein und Deutscher Anwaltverein NRW bestätigt; dementsprechend wurde im Rechtsausschuss fraktionsübergreifend – bei Enthaltung der Fraktion der AfD – die Annahme des Gesetzentwurfs vorgeschlagen.

Soweit im Rahmen der schriftlichen Anhörung teilweise Be­fürchtungen mit Blick auf die Finanzierung kommunaler Aufgaben geäußert wurden, möchte ich betonen, dass in den Ländern, die bereits eine Normenkontrolle gegen kommunale Sat­zungen eingeführt haben, die Zahl der Normenkontrollverfahren im Bereich des Abgabenrechts relativ gering geblieben ist.

Im Gegenteil, durch die effektivere und direkte Rechtsschutzmöglichkeit können Gerichtskosten bei den Bürgern und Kommunen, die bei einer Inzidentenkontrolle einträten, vermieden werden.

Gleiches gilt für Besorgnisse, dass durch die Einführung der Normenkontrolle eine größere Rechtsunsicherheit mit Blick auf die Gültigkeit untergesetzlicher Normen entsteht. Soweit untergesetzliche Rechtsnormen durch Bescheide der Be­hörden konkretisiert werden, sorgt regelmäßig die für diese gel­tende einmonatige Klagefrist für eine zeitnahe Klärung im Einzelfall.

Sofern eine Norm keines Vollzugs durch Verwaltungsakt bedarf, war bereits nach bisheriger Rechtslage keine Klagefrist vorgesehen, sodass durch die Einführung der einjährigen Antragsfrist sogar ein Mehr an Rechtssicherheit entstehen kann.

Zuletzt möchte ich auf zwei weitere Bestimmungen aufmerksam machen, die die weitere Öffnung der Normenkontrolle flankierend begleiten:

Dies betrifft zunächst die Stärkung des Laienrichterprinzips, indem in § 109 des Justizgesetzes NRW bestimmt wird, dass das Oberverwaltungsgericht über sämtliche Normenkontrollverfahren künftig in der allgemeinen Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Aufgrund der besonderen Relevanz und Breitenwirkung der Normenkontrollverfahren ist eine solche Änderung sachgerecht. Mit einer neuen Übergangsregelung in § 133 Justizgesetz NRW wird zudem klargestellt, dass nur nach Inkrafttreten des Gesetzes bekannt gemachte Landesnormen durch das Oberverwaltungsgericht kontrolliert werden können.

Auch dies schafft insbesondere für die Gemeinden die Rechtssicherheit, dass bereits vor dem Inkrafttreten bekannt gemachte und in der Praxis teilweise vollzogene Normen nicht mehr Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens sein können.

Dr. Jörg Geerlings (CDU):

Heute können wir uns gemeinsam über eine Erweiterung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger von Nordrhein-Westfalen freuen. Mit der Erweiterung der untergesetzlichen Normenkontrolle nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung können weitere Rechte geltend gemacht werden. Die Anhörung und die Beratung im Rechtsausschuss haben, über Fraktionsgrenzen hinweg, gezeigt, dass diese Erweiterung mehrheitlich als sinnvoll erachtet wird.

Bislang konnte lediglich im Einzelfall eine Klärung, und zwar inzident, herbeigeführt werden. Nunmehr wird in solchen Verfahren erstinstanzlich beim Oberverwaltungsgericht eine Klärung herbeigeführt, die die erste Instanz entlastet und damit einen Beitrag zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung leistet. Die inzidente Prüfung untergesetzlicher Normen im Einzelfall bleibt daneben weiterhin möglich.

Für viele Juristen aus Nordrhein-Westfalen endet damit eine Ausnahmesituation; denn viele Bundesländer haben diese Möglichkeit, die die Verwaltungsgerichtsordnung mit § 47 einräumt, bereits genutzt und vergleichbare Regelungen eingeführt. So manches Lehrbuch muss also geändert werden. Das wird man angesichts des erweiterten Rechtsschutzes für unsere Bürgerinnen und Bürger gerne in Kauf nehmen.

Für die guten Beratungen unseres Gesetzentwurfes möchte ich mich ausdrücklich bei allen Fraktionen bedanken und freue mich, dass dieser Gesetzentwurf eine so große Zustimmung erfährt.

Sonja Bongers (SPD):

In der heutigen 2. Lesung und Schlussabstimmung machen wir als SPD-Fraktion einmal mehr klar, was wir unter konstruktiver Oppositionsarbeit verstehen.

Wir finden es richtig, dass jetzt auch in Nordrhein-Westfalen von der Möglichkeit des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht wird und damit die direkte Normenkontrolle vor dem Oberverwaltungsgericht auch für alle im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften möglich wird.

Das ist gut und richtig, vielleicht sogar überfällig!

Wir sind überzeugt, dass diese Gesetzesänderung mehr direkteren und besseren Rechtsschutz für die Menschen in unserem Land bedeutet. Dieser Rechtsschutz zeigt sich zum Beispiel darin, dass Kläger in Zukunft nicht mehr den Umweg über Klage gegen Bescheide vor den Verwaltungsgerichten nehmen müssen, wenn man eigentlich die Satzung an sich angreifen und überprüfen will, sondern bei empfundenen Verstößen direkt vor das Oberverwaltungsgericht ziehen können.

Trotz der Vorteile dieser Gesetzesänderung ist die schriftliche Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände ablehnend. Das hat uns noch einmal nachdenklich gestimmt, und wir haben dies eingehend fraktionsintern beraten. Im Ergebnis tragen wir diesen Gesetzentwurf als Fraktion geschlossen mit.

Wir haben uns gefragt, ob diese kritische Haltung der kommunalen Spitzenverbände möglicherweise der Grund war, dass dieser Gesetzentwurf von der Regierungskoalition aus CDU und FDP und nicht von der Landesregierung eingebracht wurde. Sie hätten sonst als Landesregierung eine Anhörung der Verbände durchführen müssen. Bei einer solchen Verbändeanhörung hätten Sie sich dann mit deren kritischer Haltung auseinandersetzen müssen. Das wollten Sie offenbar umgehen, deshalb der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen. Kann man es ja so machen, schön ist aber anders; fairer Umgang mit den Beteiligungsrechten der kommunalen Spitzenverbände sieht auch anders aus.

Wir nehmen die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände ernst! Da wir aber in dem vorliegenden Gesetzentwurf auch Vorteile für die Menschen unseres Landes sehen, geben wir heute hierzu unsere Zustimmung. Ich hatte bereits im Rechtsausschuss vorgeschlagen – und da waren wir uns auch ohne ausdrückliche gesetzliche Festschreibung einig –, zu dem Gesetz eine Evaluierung vorzunehmen, um dadurch festzustellen, ob sich die Befürchtungen der KSVen bestätigt haben.

Christian Mangen (FDP):

Ich freue mich, zu sehen, dass sinnvolle Anliegen ab und zu doch noch von allen – und nicht nur von den regierungstragenden Fraktionen – erkannt und unterstützt werden!

Die Vorteile einer untergesetzlichen Normenkontrolle liegen auf der Hand. Wer die Gesetzesbegründung sorgfältig gelesen und meinen Vorrednern zugehört hat, wird das bereits erkannt haben.

Auch die Stellungnahmen der Sachverständigen – mit nicht nachvollziehbarer Ausnahme der kommunalen Spitzenverbände – und die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses sprechen für sich.

Mit der untergesetzlichen Normenkontrolle schaffen wir Rechtssicherheit, weil divergierende Verfahren nicht mehr möglich sind. Wir ersparen allen Betroffenen inzidente Prüfungen und entlasten so die Verwaltungsgerichte. Und auch die Kommunen werden im Sinne der Prozessökonomie entlastet – ganz besonders sogar, wenn ein OVG die Gültigkeit einer angegriffenen Satzung feststellt. Weitere Klagen gegen einzelne Bescheide, die auf derselben oder einer anderen Vorschrift einer Satzung beruhen, können dann wegen offensichtlicher Unbegründetheit zügig abgewiesen werden. Die Rechtsämter der Städte und Kommunen werden es uns danken.

Insgesamt gewinnen also alle: Bürger, Justiz und Kommunen!

NRW geht mit der Einführung einer untergesetzlichen Normenkontrolle über die für baurechtliche Satzungen hinaus einen überfälligen Schritt, den nahezu alle Bundesländer schon längst gegangen sind.

Deswegen bedanke ich mich für die breite Zustimmung zu diesem Antrag von FDP und CDU!

Stefan Engstfeld (GRÜNE):

Ich fasse mich kurz angesichts der fortgeschrittenen Zeit.

Die hier vorgeschlagene Regelung ist nicht absolut zwingend notwendig.

Aber wenn es in diesem Land darum geht, auf sinnvolle Weise die Rechte unserer Bürgerinnen und Bürger zu stärken, und sei es nur um ein paar Millimeter, dann sind wir gerne mit dabei.

Unsere Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu.

Ausschlaggebend waren für uns am Ende des Tages die Erfahrungen in den anderen Bundesländern, die keine negativen sind.

Thomas Röckemann (AfD):

Wer tut was er kann, fängt nichts vergeblich an.

An diese Lebensweisheit hätten sich die antragstellenden Fraktionen halten sollen. Die Verwaltungsgerichtsordnung, bekannt als VwG0, gilt für das ganze Bundesgebiet. Dort gibt es viele Paragrafen, unter anderem die Normenkontrolle gemäß § 47. Speziell geregelt ist in § 47 Abs. 1 Nr. 2 die untergesetzliche Normenkontrolle, also die Kontrolle von Regelungen, die im Rang unter den förmlichen Landesgesetzen stehen.

Dazu gehören in der Praxis vor allem Satzungen und Rechtsverordnungen.

Bislang durfte das Oberverwaltungsgericht nur über Satzungen und Rechtsverordnungen auf ausgewählten Gebieten des Baurechts befinden.

Nun soll das OVG ermächtigt werden, auch über die Rechtmäßigkeit weiterer untergesetzlicher Normen zu entscheiden.

Diese Umsetzung hat in fast allen Ländern Deutschlands bereits stattgefunden.

Meine Damen und Herren, NRW ist dabei nicht sehr fortschrittlich.

 

Anlage 3

Zu TOP 15 – „Gesetz zur Änderung des Altlastensanierungs- und Altlastenaufbereitungsverbandsgesetzes – zu Protokoll gegebene Reden

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz:

Mit der hier anstehenden kleinen Änderung des AAV-Gesetzes können wir die Zukunftsaufgabe Flächenrecycling und Altlastensanierung für Nordrhein-Westfalen weiter unterstützen. Ich danke Ihnen daher für die bisher erfolgten schnellen und unkomplizierten Beratungen und einstimmigen Abstimmungen für das hier vorliegende Änderungsgesetz.

Mit dem AAV, dem Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung, haben wir in NRW, wie Sie alle wissen, einen über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinaus anerkannten Fachverband zur Sanierung von industriell vorbelasteten Flächen und deren Aufbereitung für eine Folgenutzung. Der AAV leistet seit mehr als 30 Jahren hierbei einen bedeutenden Beitrag für den Schutz von Boden und Grundwasser und ist in seiner Arbeit sehr erfolgreich. Zudem entwickelt und erprobt der AAV neue Technologien zur Altlastensanierung.

Der AAV arbeitet im Rahmen einer partnerschaftlich organisierten Kooperation zwischen öffentlicher Hand, das heißt Land und Kommunen, und privater Wirtschaft.

Neben der vorrangigen Abwehr von Umweltgefahren aufgrund von Altlasten führt er Sanierungsprojekte mit dem Ziel durch, alte Industriestandorte für eine Folgenutzung aufzubereiten. Voraussetzung ist, dass kein Verursacher mehr in Anspruch genommen werden kann. Er unterstützt auf diesem Wege die Kommunen und die Wirtschaft, da durch das vom AAV durchgeführte Flächenrecycling diese Grundstücke wieder neuen Nutzungen zugeführt werden können, sodass weniger bisher unbebaute Flächen in Anspruch genommen werden müssen. Der AAV leistet damit einen wichtigen Beitrag, dem zu hohen Verbrauch landwirtschaftlicher Fläche entgegenzuwirken.

Finanziert wird der AAV von den drei Kooperationspartnern:

–   Vom Land erhält der AAV für seine Aufgabenerledigung jährlich 7 Millionen Euro und

–   die Kommunen beteiligen sich jährlich mit rund 1,1 Millionen Euro. Das ist so im AAV-Gesetz festgelegt.

–   Die Beiträge der Wirtschaft sind freiwillig und betragen derzeit rund 0,5 Millionen Euro im Jahr.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen als traditionellem Industriestandort eine sehr hohe Anzahl ermittelter Altablagerungen und Altstandorte. Es handelt sich um aktuell 96.000 Flächen, von denen eine hohe Anzahl noch gar nicht bewertet worden ist, wobei aber jetzt schon feststeht, dass rund 29.600 Flächen altlastenverdächtig sind und bearbeitet werden müssen. In vielen dieser Fälle müssen die Kommunen in Ersatzvornahme handeln, sodass die Fördervoraussetzungen des AAV vorliegen. Viele dieser Fälle sind auch Brachflächen, die einer neuen Nutzung zugeführt werden könnten.

Dies zeigt, wie wichtig es ist, den AAV zu unterstützen.

Vor diesem Hintergrund haben wir im Haushaltsgesetz 2018 dem AAV für dieses Jahr einmalig als Ergänzung zu den jährlich regulär vorgesehenen Finanzmitteln weitere Haushaltsmittel in Höhe von 1,5 Millionen Euro bereitgestellt.

Das AAV-Gesetz sieht allerdings nicht vor, dass dem Verband über die im AAV-Gesetz festgelegten Gelder hinaus Haushaltsmittel für seine Aufgabenerledigung zur Verfügung gestellt werden können.

Daher ist nun das AAV-Gesetz in einem Punkt anzupassen, damit diese Haushaltsmittel dem AAV ausgezahlt werden können.

Mit der vorliegenden Gesetzesänderung wird in das AAVG eine haushaltsrechtliche Öffnungsklausel eingefügt.

Da es sich um Haushaltsmittel aus dem Haushaltsplan 2018 handelt, müssen die Gelder noch in diesem Jahr dem AAV ausgezahlt werden. Ansonsten verfallen sie.

Damit die Gesetzesänderung noch im Jahr 2018 in Kraft treten kann, bitte ich abschließend, der Gesetzesvorlage zuzustimmen, damit so dem AAV ein zusätzlicher Beitrag zur dringend notwendigen Altlastensanierung und zum dringend notwendigen Flächenrecycling zukommen kann.

Bianca Winkelmann (CDU):

In NRW werden täglich Freiflächen in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt. Viele dieser Flächen werden der Landwirtschaft entzogen, die in ihrer seit Jahrhunderten auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Wirtschaftsweise dringend auf Flächen angewiesen ist. Denn die Ansprüche und die Nachfrage nach Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen steigen stetig.

Wie also können wir gegensteuern und wertvolle Flächen dauerhaft sichern?

Genau hier setzt die Arbeit des Verbandes für Altlastensanierung und Flächenrecycling (AAV) an. Denn Flächenrecycling und die Aufbereitung belasteter Brachflächen ist eine der Antworten auf den immer größer werdenden Flächenbedarf.

Bereits im Jahr 2006 gründete das Umweltministerium unter Minister Uhlenberg die „Allianz für die Fläche“. Neben verschiedenen Institutionen, kommunalen Spitzenverbänden, Naturschutzverbänden, Vereinigungen und Kammern aus Handwerk, Wirtschaft und Industrie gehörte auch der AAV von Anfang an dazu.

Die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme ist eines der wichtigen Themen der NRW-Koalition, denn Fläche, dieses wertvolle Gut, ist auch ein endliches Gut.

Gerade der Industriestandort NRW hat es mit besonderen Herausforderungen im Umgang mit belasteten Flächen zu tun. Hier leistet der AAV, der in diesem Jahr übrigens sein 30-jähriges Bestehen feiern durfte, seit Langem wertvolle und über unsere Landesgrenzen hinausgehende anerkannte Arbeit.

Das Land NRW unterstützt diese Arbeit mit einem jährlichen Beitrag von 7 Millionen Euro. Die Kommunen im Land beteiligen sich mit rund 1,1 Millionen. Lediglich der Beitrag der Wirtschaft, die sich freiwillig an einer finanziellen Unterstützung beteiligt, liegt bei nur rund 0,5 Millionen Euro.

Hier sehen wir noch deutliche Steigerungsmöglichkeiten. Denn gerade Wirtschaftsunternehmen sind ebenfalls auf Flächen zur Erweiterung und zum Ausbau von Betriebsstandorten angewiesen.

CDU und FDP in NRW wissen um die wichtige Arbeit des AAV. Für seine Aufgabenerledigung haben wir im Haushaltsgesetz 2018 daher 1,5 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt.

Mit dem Ihnen vorliegen Antrag zur Gesetzesänderung des Altlastensanierungs- und Altlastenaufbereitungsgesetzes wollen wir diese Mittel auch über den Jahreswechsel hinaus für den AAV verfügbar machen. Denn um dem Verband diese zusätzlichen Haushaltsmittel auszahlen zu können, müssen wir einen Punkt im Gesetzestext ändern und eine haushaltsrechtliche Öffnungsklausel einfügen.

Auch unsere Diskussionen im Ausschuss haben uns immer wieder gezeigt, dass fraktionsübergreifende Anerkennung und Unterstützung des AAV vorhanden sind.

Ich bitte Sie daher herzlich um Ihre Zustimmung.

Frank Börner (SPD):

Der Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung – AAV – wurde 1989 per Gesetz von der damaligen SPD-Landregierung gegründet.

Der AAV hat sich über die Jahre bewährt und hat einen wichtigen Beitrag zum Flächenrecycling geleistet. Der Verband ist organisiert als ein Partnerschaftsmodell zwischen Land, Kommunen und der Wirtschaft. Diese drei Partner stellen oder sollten sich der gesellschaftlich wichtigen Aufgabe der Altlastensanierung stellen.

Für seine Aufgabenerledigung erhält der AAV jährlich Finanzmittel von Land und Kommunen. Diese Mittel konnten unter der rot-grünen Landesregierung aufgrund der Erhebung des Wasserentnahmeentgelts erhöht werden

Leider kommen viele Unternehmen, Unternehmensverbände oder auch die Kammern dieser Aufgabe und Pflicht nicht nach. Sie schleichen sich oftmals aus der Pflicht mit der Frage:“Was haben wir als Unternehmen davon, wenn wir uns im AAV engagieren?“ Mit dieser Haltung verweigern sie sich der wichtigen Zukunftsaufgabe, die Flächenentwicklung voranzutreiben. Denn diese verbessert unsere wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen.  

Der Arbeitsumfang beim AAV nimmt laut Landesregierung aufgrund der sich stetig erhöhenden Anzahl an zu sanierenden Flächen zu. Dies erfordert folglich auch weitere finanzielle Mittel. Aus diesem Grund hat die schwarz-gelbe Landesregierung für den Haushalt 2018 für den AAV zusätzlich 1,5 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Allerdings fiel der Landesregierung erst im Herbst 2018 auf, dass diese Gelder nicht ohne eine Gesetzesänderung ausgegeben werden können. Dies ist der einfache Grund, weshalb wir hier heute über diesen Gesetzesentwurf entscheiden. Seriöse Regierungsarbeit mit Weitblick sieht anders aus.

Schwarz-Gelb betont immer den Dialog. In der Gesetzesberatung ist es jedoch deutlich geworden, dass die Landesregierung eben nicht im intensiven Dialog mit den Unternehmen stand und die Wirtschaft nicht an ihre finanzielle Verpflichtung zur Sanierung der Flächen erinnert hat.

Natürlich stimmen wir dem Gesetzentwurf zu. Denn wir wollen, dass die Arbeit des AAV gestärkt wird und mit der verstärkten Flächensanierung ein weiterer Beitrag für die Aufbereitung von Brachflächen und Altlastengrundstücken geleistet wird und somit auch beispielsweise für neue Wohnbebauung gesorgt werden kann.

Markus Diekhoff (FDP):

Der Altlastenaufbereitungsverband Nordrhein-Westfalen (AAV) ist ein international anerkanntes und erfolgreiches Instrument des Flächenrecyclings. Die Organisation des AAV, als Partnerschaft von Land und Wirtschaft, ist seit 30 Jahren überzeugend.

Seit 2013 erfolgt die Finanzierung aufgrund von gesetzlich festgelegten Zahlungen des Landes NRW (sieben Millionen Euro) und der Kommunen (eine Million Euro). Obwohl der Arbeitsumfang stetig wächst, da auch die Anzahl der zu sanierenden Flächen ansteigt, ist die finanzielle Beteiligung der Industrie in Nordrhein-Westfalen mit rund 480.000 Euro eher gering.

Der AAV wirbt aufgrund der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag seit 2018 verstärkt um freiwillige Mitglieder. Die Industrie wird ihrer Verantwortung, auf alten Lasten eine neue Zukunft zu gestalten, bislang erkennbar nicht vollumfänglich gerecht.

Aus diesem Grunde haben die Koalitionsfraktionen einmalig 1,5 Millionen Euro für den AAV in den Haushalt eingestellt. Diese Summe dient als einmalige Ergänzung der zweckgebundenen Mittel.

Um diese Summe an den AAV auszahlen zu können, ist einen Änderung des AAVG notwendig, um auch zukünftig — bei Bedarf — weitere Gelder an den AAV auszahlen zu können, ohne jedoch eine Verstetigung zu erwirken. Die Änderung des AAVG ist für eine positive Auswirkung auf die Stadtentwicklung unverzichtbar, und aus diesem Grunde stimmen wir der Änderung zu.

Norwich Rüße (GRÜNE):

Nordrhein-Westfalen weist eine große Anzahl an Altlasten und altlastverdächtigen Flächen auf. Das hängt zum einen mit der langen Industrie- und Bergbaugeschichte des Landes, zum anderen aber auch mit immer wieder neu auftretenden Belastungen zusammen.

Schätzungsweise 80.000 Flächen in Nordrhein-Westfalen weisen eine Belastung auf. Dabei handelt es sich beispielsweise um Industrie-, aber beispielsweise auch Verkehrs- oder Militärbrachflächen. Um den aktuellen Flächenverbrauch mit seinen erheblichen Auswirkungen auf Umwelt und Klima endlich wirklich zu reduzieren, ist eine stärkere Reaktivierung dieser Altflächen durch das sogenannte Flächenrecycling dringend notwendig.

Zu diesem Zwecke wurde vor rund 30 Jahren der Altlastensanierungs- und Altlastenaufbereitungsverband (AAV) in Nordrhein-Westfalen gegründet, ein Partnerschaftsmodell zwischen Land, Kommunen und der Wirtschaft. Er unterstützt die Kommunen bei der Identifizierung und Bewertung von Brachflächen sowie der Durchführung und Koordinierung von Sanierungsarbeiten. Von der ersten Bodenprobe bis zur Wiederherstellung der Fläche steuert und überwacht der AAV den kompletten Aufbereitungsprozess und trägt die anfallenden Kosten zu 100 Prozent.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Im Duisburger Süden wirken die industriellen Staubemissionen der vorangegangenen Jahrzehnte in Form von Bodenverunreinigungen bis heute nach. Aufgrund der hohen Belastung von Privatgärten durch Blei, Cadmium, weiteren Schwermetallen und mit Arsen müssen zum Schutz der Bevölkerung mehr als 300 Hausgärten saniert werden. Das bedeutet konkret, der belastete Boden wird zum Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner abgetragen und durch neuen ersetzt.

Der AAV übernimmt in diesem Fall nicht nur die Kosten, sondern stimmt das Großprojekt auch mit den vielen unterschiedlichen Grundstückeigentümer ab und organisiert einen zeitnahen Austausch des Bodens. Die Kosten allein für dieses mehrjährige Großprojekt belaufen sich auf rund 6,8 Millionen Euro, eine Summe, die weder die Stadt noch die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner hätten aufbringen können.

Beispiele wie diese gibt es viele, und sie machen deutlich, dass der AAV viel mehr Unterstützung braucht, um die Herausforderungen in ganz NRW stemmen zu können.

Daher werden wir der vorliegenden Gesetzesänderung zustimmen, denn sie ermöglicht eine Erhöhung der Mittel für den AAV um 1,5 Millionen.

Aber ich sage auch deutlich: Das ist nur eine Erhöhung um 1,5 Millionen und damit nicht mehr als nur der berüchtigte Tropfen auf dem heißen Stein.

Im Zuge der Flüchtlingsbewegung der letzten Jahre hat der AAV von der rot-grünen Landesregierung Fördermittel von insgesamt 9,2 Millionen Euro bis 2021 zur Verfügung gestellt bekommen. Mit dieser Verdopplung des AVV-Etats wollten wir eine schnellere Flächenaufbereitung gewährleisten, um mehr Flächen für eine Wohnbebauung bereitzustellen.

Angesicht der jetzt guten Haushaltssituation sollte doch diese Summe das Mindeste sein, woran sich eine Aufstockung der Mittel orientiert. Somit kommt man mit Blick auf den vorliegenden Gesetzänderungsentwurf schnell zu dem Schluss, dass ein Zuschuss von 1,5 Millionen Euro einfach viel zu wenig ist. Eine Erhöhung in der Größenordnung hat ihren Namen nicht verdient, weil sie den enormen Herausforderungen des AAV keineswegs gerecht wird.

Darüber hinaus haben FDP und CDU in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass der Anteil der Wirtschaft an den Gesamtmitteln erhöht werden soll. Wir würden das ausdrücklich begrüßen, damit das Verursacherprinzip auch Anwendung findet. Der Beitrag der 24 freiwilligen Mitglieder liegt in 2018 bei lediglich 477.500 Euro und somit noch einmal deutlich unter dem bisher höchsten Wert von 507.500 Euro in 2016. Das ist viel zu wenig, keine Frage.

Aber von den im Koalitionsvertrag gemachten Versprechungen ist in diesem Gesetzentwurf keine Rede mehr. Was unternimmt denn die Landesregierung, um mehr Mitglieder zu gewinnen und somit mehr Finanzmittel aus der Wirtschaft zu generieren? Der vorliegende Gesetzesentwurf liefert da null Komma nichts.

Trotzdem stimmen wir dem Gesetzänderungsentwurf zu, weil er dem AAV zumindest etwas Rückenwind gibt. Doch die Landesregierung muss endlich aufwachen und erkennen, dass es an dieser Stelle noch ein deutlich stärkeres Engagement braucht.

Dr. Christian Blex (AfD):

Die Flächenaktivierung von vorbelasteten Brachflächen in NRW ist richtig und wichtig, weil in unserem Land die Fläche begrenzt ist.

Der hier vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Altlastensanierungs- und Altlastenaufbereitungsverbandsgesetzes sieht vor, dem Land die Möglichkeit einzuräumen, dem Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung eine einmalige Auszahlung zukommen zu lassen.

In dieser Hinsicht ist die Gesetzänderung unkritisch.

Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Landesregierung mit ihrer Ankündigungspolitik dem AAV die einmalige Auszahlung versprochen hat, ohne vorher zu prüfen, ob dies überhaupt rechtlich möglich ist. Nach über einem Jahr wird der Formfehler erst jetzt korrigiert.

Wir können der Gesetzänderung zustimmen.

 

Anlage 4

Zu TOP 16 – „Drittes Gesetz zur Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes – zu Protokoll gegebene Rede

Herbert Reul, Minister des Innern:

Das Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, das LPVG, hat seine letzte grundlegende Änderung im Jahre 2011 erfahren.

Danach gab es lediglich Anpassungsbedarf auf Grund von Veränderungen im Hochschulrecht und durch das Landesrichter- und Staatsanwältegesetz, welches eigene personalvertretungsrechtliche Regelungen geschaffen hat.

Aus meiner Sicht hat sich das LPVG seit 2011 grundsätzlich bewährt. Weiterer inhaltlicher Anpassungsbedarf wurde deshalb bislang nicht gesehen.

Erst mit dem Dienstrechtsmodernisierungsgesetz vom 14. Juni 2016 und der damit erfolgten Änderung von dienstrechtlichen Vorschriften hat sich die Notwendigkeit ergeben, sich wieder mit dem LPVG zu beschäftigen.

Redaktionell sind die Verweisungen in den Mitbestimmungstatbeständen des § 72 LPVG an die geänderte Paragrafenfolge im Landesbeamtengesetz anzupassen und zu ergänzen.

Dies ist nötig, da die neu eingeführte Regelung zur Familienpflegezeit und zur Pflegezeit künftig der Mitbestimmung unterliegen soll. Wie andere diesbezügliche Regelungen übrigens auch.

Des Weiteren hat sich durch einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zu der polizeispezifischen Vorschrift des § 81 LPVG Klarstellungsbedarf ergeben.

Bei den Kreisen als Kreispolizeibehörde gibt es die Besonderheit, dass es in einer Dienststelle zwei Personalvertretungen gibt.

Einen Personalrat für die Kreisbeschäftigten und einen Polizeipersonalrat für die im Landesdienst stehenden Polizeibeschäftigten. Leider ist die personalvertretungsrechtliche Zuordnung zu dem jeweiligen Personalrat in der Praxis nicht so eindeutig.

Im Einzelfall kann der für die Polizeibeschäftigten zuständige Personalrat auch für die Kreisbeschäftigten zuständig sein, zum Beispiel, wenn es sich um die Einführung arbeitsplatzbezogener neuer IT- Programme handelt.

Dies zieht dann Fragen nach der Wahlberechtigung nach sich. Diese sollen mit der vorliegenden Änderung des § 81 LPVG geklärt werden.

Diese Änderungen des LPVG wurden selbstverständlich im Rahmen der den Gewerkschaften und Berufsverbänden durch das Landesbeamtengesetz und den kommunalen Spitzenverbänden eingeräumten Beteiligungsrechte vorgestellt.

Es wurde Gelegenheit gegeben, eigene Änderungs- oder Ergänzungswünsche vorzutragen.

Diese Möglichkeit haben der DGB NRW und der DBB NRW auch wahrgenommen.

Nach eingehender Prüfung der rechtlichen und praktischen Umsetzbarkeit haben wir zwei Vorschläge in den Gesetzentwurf übernommen.

Zum einen eine Änderung des § 26 LPVG.

Damit soll sichergestellt werden, dass im Falle einer längeren Abwesenheit von sechs oder mehr Monaten durch Elternzeit nicht mehr Kraft Gesetzes die Mitgliedschaft im Personalrat endet.

Diese Ausnahme ist gerechtfertigt, da auf Elternzeit ein gesetzlicher Anspruch ohne Rücksicht auf dienstliche Belange besteht.

Zum anderen eine Ergänzung des Mitbestimmungstatbestandes des § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13.

Hiermit soll klargestellt werden, dass auch die Ablehnung einer Teilzeit während der Elternzeit der Mitbestimmung unterliegt.

Diesen Wünschen sind wir auch deswegen gerne nachgekommen, weil die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für die Landesregierung ein besonderes Anliegen ist.

Zu den weiteren Einzelheiten verweise ich auf die dem Gesetzentwurf beigefügten Übersichten.

 

Anlage 5

Zu TOP 17 – „Gesetz für die Übergangsphase nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union des Landes Nordrhein-Westfalen (Brexit-Übergangsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen – BrexitÜG NRW) – zu Protokoll gegebene Rede

Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales:

Die britische Premierministerin Theresa May hat die für gestern geplante Abstimmung im britischen Unterhaus über das Austrittsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich abgesagt. Die Unsicherheit, mit welchem Brexit-Szenario wir es am 30. März 2019 zu tun haben werden, bleibt also bestehen.

Und weil es weiter unklar ist, ob es zu einer Übergangsphase kommt oder ob wir doch mit einem ungeregelten Austritt konfrontiert werden, hat die Landesregierung die Vorbereitungen für beide Szenarien getroffen.

Das Brexit-Übergangsgesetz regelt die Voraussetzungen für das Szenario „Geregelter Austritt mit Übergangsphase“.

Das Brexit-Übergangsgesetz schafft also die notwendige Rechtssicherheit, dass Großbritannien bis zum Ende der Übergangsphase weiterhin wie ein EU-Mitgliedsland behandelt werden kann. Dafür muss am 29. März 2019 ein ratifiziertes Austrittsabkommen vorliegen und die darin vorgesehene Übergangsphase beginnen. Das hier eingebrachte Brexit-Übergangsgesetz schreibt landesrechtliche Bestimmungen für die Übergangsphase fest.

Die Interministerielle Arbeitsgruppe befasst sich mit Detailfragen, die über den 29. März 2019 hinausgehen, die für beide möglichen Szenarien zu klären sind, und koordiniert den Regelungsbedarf aus den verschiedenen Ministerien.

Der Landesregierung ist bewusst, dass gerade jetzt das Land eine Verantwortung dafür trägt, dass die engen kulturellen, wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen nach Großbritannien gepflegt werden und der Europagedanke im Vereinigten Königreich wachgehalten wird.

Die Landesregierung unterstützt umzugsorientierte Unternehmen bei ihrem Vorhaben. Heute bringt die Landesregierung das Brexit-Übergangsgesetz in erster Lesung in den Landtag ein, damit das Vereinigte Königreich in der Übergangsphase weiter als Mitgliedsstaat der EU behandelt werden kann.