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Landtag

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Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/43

17. Wahlperiode

29.11.2018

 

43. Sitzung

Düsseldorf, Donnerstag, 29. November 2018

Mitteilungen des Präsidenten. 7

1   Großbritannien verlässt die EU – ist der Brexit-Beauftragte Merz überfordert?

Aktuelle Stunde
auf Antrag der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4337

In Verbindung mit:

EU bringt Brexit auf den Weg – wie reagiert die Landesregierung?

Aktuelle Stunde
auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4338

In Verbindung mit:

Alles nur weiße Salbe? NRW ist weit entfernt von einer erfolgversprechenden Brexit-Strategie

Aktuelle Stunde
auf Antrag der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4339. 7

Sven Werner Tritschler (AfD) 7

Arndt Klocke (GRÜNE) 8

Thomas Kutschaty (SPD) 10

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 12

Thomas Nückel (FDP) 13

Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner 15

Susana dos Santos Herrmann (SPD) 17

Horst Becker (GRÜNE) 18

Rainer Matheisen (FDP) 19

Dr. Martin Vincentz (AfD) 20

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 21

Rüdiger Weiß (SPD) 23

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 24

Horst Becker (GRÜNE) 25

2   Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen zur Prüfung der Umstände der Verwechslung, Inhaftierung, des Todes und des Umgangs mit der Familie von Amad A. (PUA Kleve)

Antrag
der Abgeordneten
der Fraktion der SPD und
der Abgeordneten
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4293. 25

Sven Wolf (SPD) 26

Stefan Engstfeld (GRÜNE) 27

Dr. Günther Bergmann (CDU) 29

Martina Hannen (FDP) 30

Thomas Röckemann (AfD) 32

Ergebnis. 33

3   Straßenausbaubeiträge bürgerfreundlich gestalten

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4300. 33

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU) 33

Henning Höne (FDP) 35

Stefan Kämmerling (SPD) 38

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 40

Roger Beckamp (AfD) 41

Ministerin Ina Scharrenbach. 42

Ergebnis des Hammelsprungs. 43

4   Migrationspakt stoppen – Wir entscheiden selbst, wen wir ins Land lassen!

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4297. 44

Markus Wagner (AfD) 44

Björn Franken (CDU) 45

Ibrahim Yetim (SPD) 49

Stefan Lenzen (FDP) 52

Berivan Aymaz (GRÜNE) 55

Minister Dr. Joachim Stamp. 56

Roger Beckamp (AfD) 59

Minister Dr. Joachim Stamp. 59

Ergebnis der namentlichen Abstimmung 
siehe am Ende der Tagesordnung
(siehe Anlage) 60

5   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2019 (Haushaltsgesetz 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3300
Drucksache 17/4100 – Ergänzung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4344

Beschlussempfehlungen und Berichte
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksachen 17/4400 bis 17/4413,
Drucksache 17/4414 – Neudruck
Drucksache 17/4416
Drucksache 17/4420

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Zuwendungsrecht effektiv entbürokratisieren und vereinfachen – Kulturförderung als Pilotbereich

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4302

In Verbindung mit:

Finanzplanung 2018 bis 2022

Drucksache 17/3301

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4419

In Verbindung mit:

Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsbegleitgesetz 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3303

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4418

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2019 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2019 – GFG 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3302
Drucksache 17/4100 – Ergänzung

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4417

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2018 (Nachtragshaushaltsgesetz 2018)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3400
Drucksache 17/4099 – Ergänzung

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4399

zweite Lesung. 61

Einzelplan 05
Ministerium für Schule und Bildung

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4405

Jochen Ott (SPD) 61

Frank Rock (CDU) 63

Sigrid Beer (GRÜNE) 65

Franziska Müller-Rech (FDP) 68

Helmut Seifen (AfD) 69

Ministerin Yvonne Gebauer 72

Martina Hannen (FDP) 74

Jochen Ott (SPD)
(Erklärung gem. § 30 GeschO) 76

Ergebnis Einzelplan 05. 76

Einzelplan 14
Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4414 – Neudruck

a) Wirtschaft

b) Energie, Landesplanung

c) Innovation und Digitalisierung

a) Wirtschaft 76

Frank Sundermann (SPD) 76

Henning Rehbaum (CDU) 77

Horst Becker (GRÜNE) 79

Ralph Bombis (FDP) 80

Christian Loose (AfD) 81

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 82

b) Energie und Landesplanung. 84

Frank Sundermann (SPD) 84

Henning Rehbaum (CDU) 85

Wibke Brems (GRÜNE) 87

Dietmar Brockes (FDP) 88

Christian Loose (AfD) 89

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 90

c) Innovation und Digitalisierung. 93

Christina Kampmann (SPD) 93

Dr. Christian Untrieser (CDU) 94

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE) 95

Rainer Matheisen (FDP) 96

Michael Hübner (SPD)
(Zur Geschäftsordnung gem. § 29 GeschO) 97

Michael Hübner (SPD)
(Antrag gem. § 65 GeschO) 98

Ergebnis zum Antrag gem § 65 GeschO.. 98

Sven Werner Tritschler (AfD) 98

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 99

Ergebnis Einzelplan 14. 100

Einzelplan 08
Ministerium für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4408

a) Kommunales und GFG

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2019 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2019- GFG 2019)

b) Heimat, Bauen und Wohnen

c) Gleichstellung. 101

a) Kommunales und GFG

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2019 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2019 – GFG 2019) 101

Stefan Kämmerling (SPD) 101

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU) 102

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 103

Henning Höne (FDP) 104

Sven Werner Tritschler (AfD) 105

Ministerin Ina Scharrenbach. 106

b) Heimat, Bauen und Wohnen. 108

Volkan Baran (SPD) 108

Fabian Schrumpf (CDU) 110

Arndt Klocke (GRÜNE) 111

Stephen Paul (FDP) 112

Roger Beckamp (AfD) 113

Ministerin Ina Scharrenbach. 113

c) Gleichstellung. 115

Anja Butschkau (SPD) 115

Heike Troles (CDU) 116

Josefine Paul (GRÜNE) 117

Susanne Schneider (FDP) 118

Thomas Röckemann (AfD) 119

Ministerin Ina Scharrenbach. 120

Ergebnis Einzelplan 08. 122

Einzelplan 11
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4411

a) Arbeit

b) Soziales

c) Gesundheit 122

a) Arbeit 122

Josef Neumann (SPD) 122

Marco Schmitz (CDU) 123

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 124

Stefan Lenzen (FDP) 125

Dr. Martin Vincentz (AfD) 126

Minister Karl-Josef Laumann. 127

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 128

b) Soziales. 128

Josef Neumann (SPD) 128

Britta Oellers (CDU) 129

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 130

Stefan Lenzen (FDP) 131

Dr. Martin Vincentz (AfD) 132

Minister Karl-Josef Laumann. 133

c) Gesundheit 134

Serdar Yüksel (SPD) 134

Peter Preuß (CDU) 136

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 137

Susanne Schneider (FDP) 138

Dr. Martin Vincentz (AfD) 139

Minister Karl-Josef Laumann. 140

Ergebnis Einzelplan 11. 141

Einzelplan 06
Ministerium für Kultur und Wissenschaft

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4406

a) Kultur

In Verbindung mit:

Zuwendungsrecht effektiv entbürokratisieren und vereinfachen – Kulturförderung als Pilotbereich

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4302

b) Wissenschaft, Weiterbildung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4344

a) Kultur 142

Karl Schultheis (SPD) 142

Bernd Petelkau (CDU) 143

Oliver Keymis (GRÜNE) 144

Lorenz Deutsch (FDP) 145

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 146

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 147

b) Wissenschaft, Weiterbildung. 148

Dietmar Bell (SPD) 148

Dr. Stefan Berger (CDU) 149

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE) 150

Moritz Körner (FDP) 152

Helmut Seifen (AfD) 153

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 154

Ergebnis  
Änderungsantrag
Drucksache 17/4344. 156

Ergebnis Einzelplan 06. 156

Ergebnis  
Antrag
Drucksache 17/4302. 156

Ergebnis Einzelplan 20. 156

Ergebnis Nachtragshaushaltsgesetz 2018. 157

Ergebnis Gemeindefinanzierungsgesetz. 157

Ergebnis Haushaltsgesetz 2019. 157

Ergebnis Zurücküberweisung  
des Haushaltsgesetzes 2019,
des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2019
sowie des Nachtragshaushaltsgesetzes 2018
an den Haushalts- und Finanzausschuss. 157

Ergebnis  
der namentlichen Abstimmung
zu TOP 4  158

Entschuldigt waren:

Ministerin Ursula Heinen-Esser

Minister Lutz Lienenkämper

Minister Herbert Reul

Katharina Gebauer (CDU)

Holger Müller (CDU)

Guido van den Berg (SPD)

Andreas Kossiski (SPD)          
(10 bis 17 Uhr)

Elisabeth Müller-Witt (SPD)

Verena Schäffer (GRÜNE)        
(ab 16 Uhr)

Alexander Langguth (fraktionslos)

 

 

Beginn: 10:03 Uhr

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer 43. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Geburtstag feiern heute – man könnte sagen: Aller guten Dinge sind drei – Rainer Matheisen von der Fraktion der FDP, Martin Sträßer von der Fraktion der CDU und Rüdiger Weiß von der Fraktion der SPD. Herzliche Glückwünsche und alles Gute im Namen aller Kolleginnen und Kollegen.

(Allgemeiner Beifall)

Wir treten damit in die heutige Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1   Großbritannien verlässt die EU – ist der Brexit-Beauftragte Merz überfordert?

Aktuelle Stunde
auf Antrag der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4337

In Verbindung mit:

EU bringt Brexit auf den Weg – wie reagiert die Landesregierung?

Aktuelle Stunde
auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4338

In Verbindung mit:

Alles nur weiße Salbe? NRW ist weit entfernt von einer erfolgversprechenden Brexit-Strategie

Aktuelle Stunde
auf Antrag der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4339

Die Fraktionen der AfD, von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD haben jeweils mit Schreiben vom 26. November gemäß § 95 der Geschäftsordnung zu der oben genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die AfD-Fraktion dem Abgeordneten Tritschler das Wort.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 23. Juni 2016 kam es zu einer Zäsur in der europäischen Geschichte. Eine Mehrheit der Briten stimmte für den Austritt aus der Europäischen Union. Wir von der AfD respektieren diese Entscheidung nicht nur – wir begrüßen sie ausdrücklich.

Wir freuen uns mit und für die Briten, dass sie überhaupt gefragt wurden, ob sie sich weiter dem Brüsseler Zentralismus unterwerfen wollen. Trotz aller Drohkulissen, die aufgebaut wurden, waren die Briten mutig und haben sich für den Brexit entschieden.

Klar ist aber auch, dass alle anderen Fraktionen hier im Haus sowie die Mehrheitsfraktionen im Bundestag und im EU-Parlament diese Entscheidung als Verrat wahrgenommen haben – als einen Verrat, der keinesfalls ungestraft bleiben darf, denn sonst denken womöglich noch andere darüber nach, dem Beispiel der Briten zu folgen.

Deshalb haben sie mit der britischen Premierministerin, die bekanntlich nicht für den Brexit war, jetzt einen Austrittsvertrag ausgehandelt, der Großbritannien zu einer besseren EU-Kolonie herabstuft. In Zukunft darf das Vereinigte Königreich weiter zahlen, sich weiter dem Brüsseler Regime in fast allen Bereichen beugen, hat aber nichts mehr zu sagen.

„No taxation without representation“ – das war ironischerweise der Grundsatz, mit dem sich seinerzeit die Amerikaner von den Briten lossprachen. Jetzt soll genau dieser Grundsatz ausgerechnet für die Briten nicht mehr gelten. Das ist hässlicher Imperialismus Marke EU.

Premierministerin May und Teile des britischen Establishments machen das unschöne Spiel leider mit. Es besteht – so scheint es – die Hoffnung, dass der britische Unabhängigkeitswille zermürbt wird und der reuige Sünder später in den Schoß der Union zurückkehrt.

Ob das britische Unterhaus hier mitmacht, ist indes mehr als fraglich. Auf eigene Mehrheiten kann sich May nicht stützen. Sie muss auf Leihstimmen aus der Opposition hoffen. Das ist keine sehr solide Basis für den Deal.

Sollte sich keine Mehrheit dafür finden, droht ein „Hard Brexit“. Das wäre ein Brexit ohne Deal als Grundlage. Großbritannien wäre im Verhältnis zur EU Zollausland ohne Handelsabkommen. Der Warenverkehr würde mit empfindlichen Zöllen belegt.

Wer glaubt, das sei in erster Linie das Problem der Briten, der irrt. Gewaltige Schockwellen dürften insbesondere unsere Volkswirtschaft hart treffen.

Besonders eindrucksvoll ist hier das Beispiel der Automobilindustrie. Sie exportiert mehr Fahrzeuge in das Vereinigte Königreich als etwa nach Asien oder nach Nord‑ und Südamerika zusammen. Zehntausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Wir haben im Verlauf der Legislaturperiode immer und immer wieder darauf hingewiesen.

Wir haben Sie aufgefordert, sich auch im eigenen Interesse für einen fairen Brexit-Deal starkzumachen. Schließlich heißt es auch im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb:

„Die Freundschaft zwischen NRW und Großbritannien ist heute nach dem Brexit wichtiger denn je.

(Unruhe – Glocke)

Wir werden die vertrauensvollen Beziehungen zu Großbritannien deshalb weiter pflegen und intensivieren.“

Danach haben Sie nicht gehandelt, nicht einmal ansatzweise. Stattdessen haben Sie denjenigen das Wort geredet, die eine harte Verhandlungslinie forciert haben. Rosinenpickerei dürfe es nicht geben, so der Europaminister.

Ansonsten ist der Landesregierung nicht viel bis gar nichts eingefallen. Die einzige vermeintliche Großtat, die Sie sich auf die Fahnen schreiben, ist die Ernennung des Brexit-Beauftragten Merz. Der sollte, neben diversen anderen Engagements, quasi als geringfügig Beschäftigter dieses Thema für NRW beackern.

Keinesfalls ging es ihm darum, die für Großbritannien und uns gleichermaßen bedeutsamen Austrittsbedingungen zu beeinflussen. Aber das wundert auch nicht, wenn man weiß, dass Herr Merz dem Vorstand der Lobbyorganisation United Europe angehört, die auf eine weitere Vertiefung der Union hinarbeitet.

Vielmehr verstand er seine Aufgabe – wie auch die Landesregierung und die übrigen Oppositionsparteien im Haus – einzig und alleine als Fledderei. Durch den Brexit verunsicherte Unternehmen mit Standort in Großbritannien sollten nach NRW gelotst werden.

Aber selbst gemessen an diesem wenig ambitionierten Ziel ist seine Bilanz ausgesprochen dürftig. Wie wir der Presse entnehmen durften, hat er es in seiner Amtszeit immerhin geschafft, eine NRW-Dependance in England zu eröffnen – nicht in London, wie man meinen könnte, sondern 70 km entfernt und eher in Form einer Briefkastenfirma.

Herausgekommen ist dabei Folgendes: Es könnten – könnten! – ganze 870 Arbeitsplätze und sieben Unternehmen nach NRW wandern.

Mäßigender Einfluss in Richtung Brüssel? – Fehlanzeige!

Vorbereitung auf einen möglichen Hard Brexit? – Fehlanzeige!

Ich weiß nicht, wen Herr Merz damit beeindrucken will, aber vielleicht ist auch einfach seine Zeit zu knapp. Die Aufsichtsräte von BlackRock, Flughafen Köln/Bonn, WEPA, Trinkaus & Burkhardt und Stadler Rail werden seine Zeit in Anspruch nehmen. Dazu kommen noch eine Anwaltstätigkeit und diverse Lobbyorganisationen.

Und jetzt hat er auch noch sein Herz für die CDU wiederentdeckt und rockt – wie man hört – eine Regionalversammlung nach der anderen. Ich gönne Herrn Merz und der Union die romantische Wiederentdeckung der eigenen Unschuld, aber bitte nicht auf Kosten der Bürger unseres Landes.

(Beifall von der AfD)

Es reicht eben nicht, dass jemand zwischen Aufsichtsrat und Regionalkonferenz noch eben ein bisschen Brexit macht. NRW braucht jemanden, der dieses Thema hauptverantwortlich und vor allem in allen Facetten und mit vollem Einsatz beackert. Das ist nicht Herr Merz. Das kann Herr Merz nicht sein.

Meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, nehmen Sie das Thema endlich ernst und suchen Sie sich einen anderen!

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Grünen spricht nun der Abgeordnete Herr Klocke.

Arndt Klocke (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Wo ist der Ministerpräsident bei diesem wichtigen Thema? Das fragen wir uns.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist ja schön, dass er die Zeit gefunden hat, zur wichtigen CDU-Regionalkonferenz zu gehen. Aber wenn der Landtag Nordrhein-Westfalen in einer Aktuellen Stunde über den Brexit mit den tiefgreifenden Auswirkungen, die hier drohen, diskutiert und der Ministerpräsident nicht anwesend ist, dann wüsste ich ganz gerne: Wo ist Herr Laschet?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CDU: Wo waren Sie denn gestern Morgen? – Beifall von der CDU und der FDP)

– Wo ich gestern Morgen war? Das kann ich Ihnen sagen. Erst einmal brauchen wir nicht miteinander zu diskutieren, wo ich meine Termine verbringe.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Ah!)

– Haben wir hier denn neuerdings Anwesenheitspflicht?

(Zurufe von der CDU und der FDP: Ah!)

Ich war gestern bei einer wichtigen Verkehrskonferenz. Ich bin der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Die Kollegin Düker war hier. Ich glaube nicht, dass ich Ihnen Rechenschaft schuldig bin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zurufe von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

– Hohe Aufgeregtheit bei den Regierungsfraktionen.

(Unruhe – Glocke)

Das war ja gestern schon bei meiner Kurzintervention zu der Rede von Minister Wüst so. Meine Güte!

(Der Ministerpräsident betritt den Plenarsaal. – Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP – Glocke)

– Das ist ja schön, dass es der Ministerpräsident bei dem wichtigen Thema auch geschafft hat. Ich fragte gerade nach Ihnen, und da musste ich Ihrer Fraktion Rechenschaft ablegen, wo ich gestern Morgen um 10 Uhr war.

(Zurufe von der CDU: Ja!)

Im Juni 2017 begannen die Gespräche zwischen EU und Großbritannien über den Austritt. Am 25.11.2018 haben die Staats‑ und Regierungschefs die Entwürfe über den Austrittsvertrag gebilligt. Am 29.03.2019 soll Großbritannien die EU verlassen, sofern das britische Parlament zustimmt.

Das wird zu einer tiefgreifenden Umwälzung im Verhältnis von Nordrhein-Westfalen zum Vereinigten Königreich führen, insbesondere im Bereich der Wirtschaft.

Wir Grüne – federführend mit Stefan Engstfeld – haben deswegen eine Enquetekommission beantragt, um dieses Thema breit zu diskutieren. Es ist auch gut, dass wir das heute in einer Aktuellen Stunde diskutieren.

Großbritannien ist das drittgrößte Exportland für Nordrhein-Westfalen und der viertwichtigste Handelspartner.

Unsere grüne Europafraktion hat federführend mit der Uni Magdeburg im Oktober dieses Jahres ein Gutachten vorgelegt, um die Auswirkungen des Brexits für Nordrhein-Westfalen zu diskutieren. In diesem Gutachten finden sich besorgniserregende Zahlen.

Es gibt ein wirtschaftliches Gesamtrisiko, das 5 % der Wirtschaftsleistung Nordrhein-Westfalens betrifft. Es geht um einen Gesamtumsatz in der Wirtschaft in Höhe von 36 Milliarden Euro.

Fast 90 % der in dieser Studie befragten Unternehmen haben angegeben, dass sie Exportbeziehungen zu Großbritannien unterhalten. Aber nur 45 % der befragten Unternehmen haben sich mit den Folgen des Brexits – Stand: Oktober 2018 – beschäftigt. Das belegt und unterstreicht, dass der Brexit eine hohe Bedeutung für Nordrhein-Westfalen hat.

Das sind alarmierende Zahlen, und wir wollen heute in dieser Aktuellen Stunde wissen: Was tut die Landesregierung, um die Folgen des Brexits abzumildern? Sie haben ein Brexit-Übergangsgesetz vorgelegt. Das sind zwei dürre Seiten mit sehr nichtssagenden und inhaltlich dünnen Aussagen.

Am letzten Sonntag – das ist der Grund für die Aktuelle Stunde – gab es diesen interessanten Bericht im WDR-Magazin „Westpol“.

Zu der Frage nach der Dependance, angeblich in London: Es gibt die Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums von Herrn Pinkwart mit der Überschrift „Nordrhein-Westfalen eröffnet Büro in London zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen mit Großbritannien“. Stattdessen verbirgt sich dahinter eine Agentur, eine Briefkastenadresse, zwei Stunden entfernt von London. Das ist genauso, als wenn die Landesregierung eine wichtige Einrichtung in Emsdetten etablieren und behaupten würde, in der Landeshauptstadt Düsseldorf wäre ein wichtiges Unternehmen oder eine wichtige Agentur angesiedelt worden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vor allen Dingen haben Sie, Herr Pinkwart, noch ein Foto im Netz veröffentlicht, auf dem Sie in London vor einem Hotel stehen, mit der Überschrift: Agentur in London eröffnet. – Das macht wirklich misstrauisch, und es macht deutlich, dass hier möglicherweise mehr im Argen liegt als nur die Frage, unter welcher Adresse diese Agentur in London oder eben nicht in London firmiert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Arbeitsergebnisse – auch das machte der „Westpol“-Bericht deutlich – sind bisher mehr als dünn. Es gibt sieben konkrete Anfragen zu Unternehmensansiedlungen; es geht hier um knapp 850 Arbeitsplätze. Aber bisher ist noch nichts unterschriftsreif.

Im Gegensatz dazu haben im Land Hessen mittlerweile 50 Unternehmen klar signalisiert und unterschrieben, von Großbritannien nach Hessen wechseln zu wollen. Der Wirtschaftsminister, Herr Al-Wazir, war insgesamt fünfmal in London – auch im Financial District –, um entsprechende Gespräche zu führen.

Uns interessiert, wenn Sie es denn nicht selber machen, Herr Pinkwart: Was macht Herr Merz als Brexit-Beauftragter?

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Merz hat dem WDR im O-Ton gesagt: Die Monate des vierten Quartals 2018 sind die entscheidendsten meiner Aktivitäten als Brexit-Beauftragter. – Jetzt tourt er durchs Land als Kandidat für den CDU-Vorsitz.

Wir möchten gerne von der Landesregierung wissen: Wie sind aktuell Ihre Kontakte zu Herrn Merz – außer bei Regionalkonferenzen? Welche Gespräche führt Herr Merz? Was unternimmt Herr Merz, um die Folgen eines Brexits für Nordrhein-Westfalen abzumildern? Das muss heute in der Aktuellen Stunde auf den Tisch, liebe Landesregierung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen auch von Ihnen wissen: Wie sieht der Plan B aus? Es könnte ja sein, dass Herr Merz CDU-Vorsitzender wird. Wird er dann in den entscheidenden Monaten weiter als Brexit-Beauftragter im Amt bleiben – sozusagen als weiteres Ehrenamt? Oder was unternehmen Sie, wenn Herr Merz in der nächsten Woche gewählt wird? Haben Sie einen Plan B? Das sollten Sie uns hier mitteilen.

Ich würde gern noch eine Kleine Anfrage meines Kollegen Horst Becker ansprechen. Im Oktober wurde im WDR vermeldet: Auch die Landesregierung hat ein eigenes Gutachten zur Frage der Brexit-Folgen in Auftrag gegeben. Kollege Horst Becker hat dazu Mitte Oktober eine Anfrage an die Landesregierung gestellt, um herauszubekommen: Was hat es mit diesem Gutachten auf sich? Was beinhaltet das Gutachten?

Bis heute liegt keine Antwort zu dieser Anfrage vor. Es gab seitens der Landesregierung nur die Rückmeldung, das Gutachten würde im Februar 2019 vorgelegt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Brexit wird im Frühjahr 2019 durchgeführt. Sie müssen doch heute wissen: Was gibt der Kompass vor? Wie sieht der Handlungsrahmen für das Land Nordrhein-Westfalen aus? Was sind die wirtschaftlichen Auswirkungen?

(Beifall von den GRÜNEN)

Was tun Sie, um die betroffenen Unternehmen zu unterstützen? Wir haben eben gehört: 90 % der befragten Unternehmen haben Geschäftskontakte zu Großbritannien. – Was tun Sie, um die Unternehmen zu unterstützen, damit der Brexit nicht zu einem tiefgreifenden Einbruch für Arbeitsplätze und Unternehmen in Nordrhein-Westfalen führt?

Ich bin sicher: Wenn die rot-grüne Landesregierung damals in einer solch entscheidenden Frage ein solches Bild abgegeben hätte, hätten Herr Lindner und Herr Laschet

(Zurufe von der FDP)

hier mit großem Tremolo am Pult gestanden. Herr Laschet hätte hier gewippt und gefragt: Frau Kraft, was tun Sie hier? – Wir wollen heute wissen, Herr Laschet: Was tun Sie? Und was tut die Landesregierung,

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

um die Folgen des Brexits abzumildern? Das ist heute Ihre Chance, hier Farbe zu bekennen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Danke, Herr Kollege Klocke. – Für die SPD hat nun der Abgeordnete Herr Kutschaty das Wort.

Thomas Kutschaty (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In genau vier Monaten wird Großbritannien die Europäische Union verlassen. Wir verlieren damit nicht nur einen unserer wichtigsten Handelspartner, sondern auch einen engen Verbündeten innerhalb der Europäischen Union.

So ganz langsam scheint auch die Landesregierung den Ernst der Lage zu erkennen:

Der Europaminister ließ mitteilen, er habe jetzt eine ministerielle Arbeitsgruppe zum EU-Austritt Großbritanniens eingesetzt. – Respekt, Herr Holthoff-Pförtner!

Der Wirtschaftsminister freut sich auf die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Folgenabschätzung, die im nächsten Frühjahr vorgelegt werden soll. – Alle Achtung, Herr Professor Pinkwart!

Während sich diese Landesregierung also allergrößte Mühe gibt, voreilige Entscheidungen zu vermeiden, sind mittlerweile der Brexit und die Folgen schon mitten in Nordrhein-Westfalen angekommen, zum Beispiel bei Ford in Köln – einer unserer letzten großen Pkw-Hersteller hier in Nordrhein-Westfalen mit rund 20.000 Beschäftigten.

Ich habe vor Kurzem das Werk besucht und mit dem Betriebsrat gesprochen. Die haben mir gesagt: Mittlerweile ist die Fiesta-Produktion um 30 % eingebrochen. Sie schaffen es aufgrund der Wechselkursänderungen nicht mehr, in Großbritannien auch nur einen Fiesta zu verkaufen. Das ist alles schon eine Vorstufe der Brexit-Auswirkungen. Die Menschen, die Beschäftigten dort sind in großer Sorge.

Ich glaube: Sie sind zu Recht in großer Sorge, denn die Lage kann sich noch verschlimmern, wenn Großbritannien die EU ohne Übergangsabkommen verlässt. Die politische Dynamik ist im Augenblick sehr groß. Wir alle wissen nicht, wie sich das britische Parlament in den nächsten Tagen dazu verhalten wird.

Lassen Sie mich vorab auch sagen: Keine Landesregierung allein könnte die Schockwellen abfangen, die ein harter Brexit auslösen würde– ganz gleich, wie man sich auf den 29. März vorbereitet.

Das Problem dieser Landesregierung ist allerdings: Sie tut nur so, als ob sie sich auf den Brexit vorbereiten würde.

(Beifall von der SPD)

Brexit-Gesetz, Brexit-Beauftragter, Brexit-Büro in London – alles nur Luftnummern, die für diese Regierung Laschet geradezu stilbildend sind, meine Damen und Herren:

(Beifall von der SPD)

Regieren als Politiksimulation und nur als PR-Event. Wenn der Inhalt stimmt, wäre mir die Verpackung egal. Aber wenn nicht einmal die Verpackung stimmt, ist Ihre gesamte Brexit-Politik nichts anderes als eine Mogelpackung.

Fangen wir an mit dem Brexit-Beauftragten. Die Bestellung des Brexit-Beauftragten sorgte für viele Sendeminuten im Fernsehen und viele Schlagzeilen in den Medien. Ich glaube, das war der alleinige Zweck der Berufung von Herrn Merz.

Nach Ihrer Einschätzung, Herr Laschet, hat Herr Merz an seinem ersten Arbeitstag schon alles erledigt, was Sie von ihm erwartet haben. Eine große PR-Nummer, mehr steckt, glaube ich, nicht dahinter.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was Herr Merz als Brexit-Beauftragter eigentlich genau macht, weiß bis heute niemand so richtig. Wir haben mehrfach in den Ausschüssen nachgefragt. Ich habe auch nicht die Vorstellung, dass Sie genau wissen, was Herr Merz alles so machen soll.

Die nächste Luftnummer war das Londoner NRW-Büro, das wieder mit viel PR-Klimbim vermarktet wurde. Nach einer WDR-Recherche stellt sich heraus: Es gibt kein NRW-Büro in London. Auch das war ein Schwindel. Es gibt nur einen Dienstleistungsvertrag mit einer Public-Affairs-Agentur, die ihren Sitz in Tonbridge hat, einem 40.000-Einwohner-Städtchen. Dieses Städtchen hat übrigens damals sogar mit 55 % für den Brexit gestimmt.

Ich frage Sie, Herr Laschet: Warum dieser Schwindel auch hier? Ich kann Ihnen die Antwort geben: Weil diese Landesregierung schon wieder besser erscheinen will, als sie es in Wahrheit ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Laschet, ich muss es in aller Deutlichkeit sagen: Die Menschen in diesem Land merken – Ihnen und Ihrer Regierung ist nicht zu trauen. Es ist nicht das erste Mal, dass Sie hier in Nordrhein-Westfalen beim Schwindeln erwischt worden sind.

Lassen Sie mich noch ein Wort zum Brexit-Gesetz der Landesregierung selbst sagen. Da wird eine Austrittsvereinbarung geregelt, die in nationales Recht überführt werden muss; eine Formalie, das muss man machen – geschenkt.

Aber wo haben Sie Ihre Strategie für die zukünftigen Beziehungen zu Nordrhein-Westfalen? Welche konkreten Maßnahmen, Projekte, Schritte brauchen wir jetzt, um trotz des EU-Austritts ein enger Partner Großbritanniens zu sein – übrigens nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch und kulturell?

Unsere jungen Menschen wollen wissen: Kann ich den Schüleraustausch, kann ich mein Studium demnächst in Großbritannien noch so durchführen, wie man das bislang gewohnt war? – Fehlanzeige bei dieser Landesregierung, keine Sicherheit für diese Menschen!

Gewiss, wir können auf Landesebene nicht alles reparieren, was auf der europäischen Ebene zerbrochen ist. Aber wir können doch weitaus mehr tun, als nur blutleere und unpolitische Rechtsvorschriften zu beglaubigen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Erinnern wir uns: Vor einem Monat sind rund 700.000 Engländer, Schotten und Waliser auf die Straßen Londons gegangen, um gegen den Brexit zu demonstrieren. Ihre Forderungen sollten doch unsere Hoffnung sein.

Auch wenn ihre Hoffnung vielleicht vergebens ist, sollten wir diesen jungen Menschen in Großbritannien eine unüberhörbare Botschaft senden: Für uns bleibt ihr europäische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ihr seid in Nordrhein-Westfalen immer willkommen – sei es, um hier zu arbeiten, einen Beruf zu erlernen oder um hier zu studieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Formal mögt ihr vielleicht demnächst Nicht-EU-Ausländer sein. Aber wo immer es uns möglich ist, werden wir euch nicht so behandeln wie Nicht-EU-Ausländer. Wir wollen eure Bildungs‑ und Berufsabschlüsse anerkennen, und wir werden von euch auch keine Studiengebühren verlangen, nur weil ihr jetzt Nicht-EU-Ausländer seid.

Vielleicht ist das auch eine Gelegenheit, Herr Ministerpräsident, noch einmal generell über den Quatsch der Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer nachzudenken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das wäre doch mal eine konkrete Maßnahme, die Sie hier verkünden könnten.

Aber es gibt weitere Beispiele, wo die Landesregierung aktiv werden könnte. Den wirtschaftlichen Bereich hat mein Kollege Klocke gerade schon angesprochen.

Was ist mit der Vertiefung von Städtepartnerschaften, Austauschprogrammen für Schulen, für Regelschulen, für Berufsschulen, für Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen und Lehrer? All das könnte man machen.

Nicht zuletzt geht es um Vereinbarungen mit Universitäten, Kooperationen mit Kulturinstituten, mit Sicherheitsbehörden. All das muss zukünftig noch geregelt werden.

Meine Damen und Herren, die Landespolitik kann nicht europäische Geschichte umschreiben. Aber sie könnte weit mehr tun, als sich diese Landesregierung zutraut. Hören Sie auf, Politik zu simulieren. Fangen Sie endlich an, Politik zu gestalten, Herr Laschet. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Danke, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Optendrenk das Wort.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sehr bedauerliche Referendum in Großbritannien zum Brexit hat am 23. Juni 2016 stattgefunden. Damals regierte hier noch eine rot-grüne Landesregierung.

(Lachen von der SPD)

Bis zum Regierungswechsel im Juni 2017 hat das Land exakt nichts getan, um sich auf die Folgen dieser historischen Fehlentscheidung vorzubereiten.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Ist das langweilig! – Michael Hübner [SPD]: Da war Herr Tritschler besser! – Weitere Zurufe von der SPD)

Nordrhein-Westfalen hatte von 2010 bis 2017 auch keine Europapolitik, jedenfalls hat sie niemand wahrgenommen. Nordrhein-Westfalen hatte eine Regierung, über die vor allem unter dem Begriff der Selbstverzwergung berichtet wurde.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Anders seit dem Sommer 2017: Wir wissen, dass Nordrhein-Westfalen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell, sozial und politisch mit seinen Nachbarn – dazu zählt auch Großbritannien – sehr eng verbunden ist.

Das alles wird deutlich in einer ganz klar erkennbaren Politik. Ich sage nur: NRW/Benelux, der Ministerpräsident ist deutsch-französischer Kulturbeauftragter, der Europaminister hat den Vorsitz in der Europaministerkonferenz.

(Michael Hübner [SPD]: Wow!)

Wir aktivieren Partnerschaften – ob es zu Schlesien oder anderen Regionen in Europa ist.

Wir machen wirtschaftliche Kooperationen mit allen Ländern, in denen es schwerpunktmäßig – von Polen bis anderswo – um unsere Interessen, um die Interessen unserer Wirtschaft, um Arbeitsplätze, um Zukunft geht.

Wir haben sogar einen nebenamtlichen Brexit-Beauftragten.

Es gibt mehrere Tagungen, die seit dem Regierungswechsel zum Austausch von Wissenschaftlern, Praktikern und Politik seit Herbst 2017 stattgefunden haben, zum Beispiel zweimal in Düsseldorf, zuletzt vor 14 Tagen in Düsseldorf zum Brexit, seinen Folgen, den Risiken, den Herausforderungen und zu der Frage, was wir in dieser Hinsicht gemeinsam tun können.

Deshalb, Herr Kollege Kutschaty, ist das natürlich richtig, was Sie eben gesagt haben, dass die Situation für uns schwierig ist, dass diese Entwicklung historisch gesehen für uns alle – das haben wir im Dezember 2017 an gleicher Stelle schon einmal diskutiert – in besonderer Weise bedrückend ist, weil unsere Idee von einem friedlichen, einem gemeinsamen Europa dadurch jedenfalls infrage gestellt wird.

Deshalb ist es auch nicht einzusehen, warum wir uns jetzt in Klein-Klein ergehen und nicht gemeinsam über Zukunftskonzepte anders nachdenken sollten, als das vielleicht zwischen 2010 und 2017 hier üblich war.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Und was macht ihr jetzt?)

Aber was brauchen wir dafür? Darauf haben Sie eben schon einen Hinweis gegeben, ohne dass Sie das auf die Situation hier übertragen haben.

Es herrscht Unsicherheit in Großbritannien. Es gab Rücktritte von Ministern noch in der letzten Woche, als es um das Brexit-Abkommen ging. Es herrscht Unsicherheit darüber, ob es überhaupt einen Brexit-Vertrag geben wird oder nicht. Es stellt sich die Frage, unter welchen Rahmenbedingungen Politik stattfindet. Das gilt auch für die Politikwahrnehmung durch Nordrhein-Westfalen – mit all den beschränkten Möglichkeiten, die Sie richtig dargestellt haben.

Wie stellen sich Unternehmen darauf ein? Sie müssen auch in mehreren Szenarien denken. Das erschwert die ganze Situation – übrigens im Gegensatz zum Finanzplatz Frankfurt, wo ganz klar ist, an welchen Stellen Unternehmensverlagerungen in den Euroraum hinein stattfinden. In dieser Hinsicht ist der Bankplatz Frankfurt einfach dominant, Herr Klocke.

Die Situation hier ist viel komplexer. Denn unsere Wirtschaftsstruktur und unsere wirtschaftlichen Verflechtungen sind viel komplexer. Deshalb ist es nicht nur für uns, sondern auch für Unternehmen, Verbände und alle anderen Akteure viel schwieriger, ein Rezept zu finden, bevor wir wissen, wie sich der Brexit tatsächlich ausgestaltet.

Das hat Friedrich Merz übrigens im September dieses Jahres im Europaausschuss während einer mehrstündigen Diskussion sehr deutlich gemacht. Deshalb verwundert mich schon, dass Sie gerade gesagt haben, Sie wüssten nicht, was er tue; vielleicht wisse er das auch selbst nicht so genau. Schließlich hatten wir dort eine mehrstündige Diskussion. Er hat gesagt: Ich komme wieder. Dann diskutieren wir über alle Fragen, die Sie stellen. Wir diskutieren insbesondere auch darüber, wie die Situation einzuschätzen ist und was wir gemeinsam tun können.

Er ersetzt nicht die Arbeit der Landesregierung, die auf vielfältige Weise stattfindet. Darauf hat er auch nie den Anspruch erhoben. Der Ministerpräsident hat auch nie behauptet, die Handlungen des Europaministers, des Wirtschaftsministers und aller anderen Minister sollten dadurch ersetzt werden.

(Sarah Philipp [SPD]: Sondern?)

Es ist vielmehr eine ergänzende ehrenamtliche Tätigkeit, durch die Expertise, Kontakte und Know-how eingebracht werden. Das haben wir im Europaausschuss so lange diskutiert, bis auch Ihre Kolleginnen und Kollegen keine weiteren Fragen gestellt haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vor diesem Hintergrund kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass es dabei vielleicht doch gar nicht so sehr um den Brexit ging,

(Michael Hübner [SPD]: Sondern?)

sondern dass Sie eher die überraschende Gemeinsamkeit der Anträge von SPD, Grünen und AfD gefunden haben,

(Zuruf von der SPD: Oh! – Michael Hübner [SPD]: Ach du Scheiße! – Christian Dahm [SPD]: Vorsicht!)

weil es um etwas anderes ging, nämlich um die Frage …

(Michael Hübner [SPD]: Wie oft haben Sie sich denn schon mit der AfD abgestimmt? Sie stimmen sich doch gerne ab!)

– Ja, ja. Sie stimmen sich immer gerne ab. Vor allen Dingen rufen Sie immer gerne dazwischen, ohne etwas zu sagen zu haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Lieber Kollege Hübner, wer lieber über die Frage des CDU-Parteivorsitzes diskutieren will, wie meine drei Vorredner das hier – teilweise offen, teilweise verdeckt – getan haben, sollte das ehrlicherweise auch in seinen Antrag zur Aktuellen Stunde schreiben.

(Sven Wolf [SPD]: Es geht um die 20.000 Beschäftigten bei Ford! Dazu haben Sie noch immer nichts gesagt!)

Wenn Sie das aber schon nicht machen, dann möchte ich Ihnen etwas sagen, das wir als Demokraten natürlich auch gerne miteinander ertragen können. Die Bundeskanzlerin hat das im Deutschen Bundestag letzte Woche sehr schön formuliert: Das Schöne an einer freiheitlichen Demokratie ist, dass alle im Parlament über das reden können, was ihnen besonders wichtig ist.

(Beifall von der CDU und der FDP – Sven Wolf [SPD]: Uns geht es um die Sorgen der Menschen in Nordrhein-Westfalen!)

Es ist natürlich schön, dass Sie gerne über die CDU sprechen wollen. Denn in dieser Zeit – das ist wahr – kommt es auf die CDU besonders an. Schließlich schlagen sich manche in die Büsche. Manche betreiben reine PR-Shows, manche machen reinen Protest, und manche klettern auf Bäume. Deshalb ist es gut, dass es in Deutschland noch eine Partei gibt, die auch in unübersichtlichen Zeiten Verantwortung übernimmt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD: Oh!)

Präsident André Kuper: Danke, Herr Kollege. – Für die FDP erteile ich dem Abgeordneten Nückel das Wort.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich mich von dieser Stelle aus für die zahlreichen Genesungswünsche bedanken. Es tut auch nicht mehr so weh.

Große Schmerzen hat mir allerdings die Durchsicht der Anträge zur Ausrichtung der heutigen Aktuellen Stunde bereitet.

(Zurufe von den Grünen)

Herr Kollege Kutschaty, Sie simulieren Brexit-Sorgen. Das ist heute klar geworden. Klar geworden ist auch, was für ein durchschaubares taktisches Manöver der Opposition diese Aktuelle Stunde doch ist. In der Debatte geht es nämlich eigentlich nicht um den Brexit, sondern um Friedrich Merz und die Größe von Büros.

Ihre Anträge sind sprachliche Sättigungsbeilagen, garniert mit Ideenlosigkeit und Gruselvisionen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Seit Friedrich Merz beauftragt ist, versucht die Opposition, sein Amt, seine Person und seine Erfahrungen schlechtzureden und ihn in eine Reihe mit Graf Dracula und Jack the Ripper zu stellen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Aber eine Aktuelle Stunde ist keine Therapiesitzung zur Bewältigung Ihrer Ängste. Die AfD hat Angst, dass Merz Vorsitzender der Union wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die SPD hingegen hat Angst, dass Beelzebub Merz es nicht wird. Denn Sie von der SPD wollen sich eigentlich an ihm erbauen. Deswegen prügeln Sie ihn, weil Sie hoffen, dass sich die Schwarzen dann aus Solidarität um ihn scharen. Welche Selbstüberschätzung!

(Heiterkeit und Beifall von der FDP und der CDU)

Die Grünen haben vor zwei Dingen Angst: Der Mann hat Ahnung von Wirtschaft, und beim sehnlichst erwarteten Koalitionspoker wäre er eher schwierig. Deswegen malen Sie hier Bilder an die Wand, die nichts mit der Realität zu haben, sondern eher mit schlechten Kindheitserlebnissen.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP und der CDU)

AfD, SPD und Grüne suggerieren, der Brexit-Beauftragte könnte eine Art Nikolaus und Knecht Ruprecht in einem sein, der, mit brennender Rute den Briten einheizend, aus seinem großen Geschenkesack die Firmen nur so ausschüttet.

Vielleicht ist der Nikolaus ja gar kein so schlechtes Beispiel. Er hat auch kein großes Büro, ist aber ein segensreicher Mann.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP und der CDU)

Liebe Opposition, Ihre Angriffe mit Blick darauf, dass Friedrich Merz eben nicht den Inhalt seiner Gespräche mit Unternehmen preisgibt, sind bezeichnend. Gerade in der Vertraulichkeit liegt die Stärke dieses Amtes.

Uns ist schon klar, dass Sie nicht verstehen können, was ein Brexit-Beauftragter tun muss. Unter Rot-Grün gab es ja gar keine Gespräche mit internationalen Unternehmen. Die Grünen waren damit beschäftigt, den Unternehmen das Leben schwer zu machen, und der SPD reichte es, auf die Frau im Funkloch zu verweisen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Lachen von der SPD)

Fragen Sie doch einmal erfolgreiche Wirtschaftsförderer im Land, wie man Unternehmen ansiedelt. Das geschieht diskret.

Ziehen Wirtschaftsförderer palavernd durch die Lande, bevor alles unter Dach unter Fach ist? Nein, das tun sie nicht.

Vielleicht sollte die SPD einmal mit Freunden in Bochum reden. Die machen das ganz erfolgreich. Aber in der SPD-Fraktion sucht man ja nach solchen Politikern heute vergebens.

Dass die AfD nicht verstehen kann, wie man über Landesgrenzen kommuniziert, ohne Schlagzeilen zu machen, wundert mich auch nicht. Ihre Anhänger – ich erinnere da an den Dresdener Berufskriminellen Lutz Bachmann – kommen ja nicht einmal nach Großbritannien rein.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP und der CDU)

Anstatt sich um unser Land zu kümmern, halten Sie es dann auch eher mit Regimen wie dem von Putin. Aber wer weiß: Das nutzt zwar nicht unserem Land, aber vielleicht Ihren Parteikassen.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP und der CDU)

Die Landesregierung hat die Verantwortung nicht allein auf den Beauftragten abgeschoben, sondern sie hat ergänzt und weitere Kompetenzen mit an Bord geholt.

Die Landesregierung arbeitet sehr wohl daran, die Folgen des Brexit für NRW gering zu halten. Gleichzeitig sehen wir auch große Chancen für Unternehmen und damit auch für die Ansiedlung von Arbeitsplätzen.

Verantwortliche Politik besteht für uns aber nicht darin, TV-Interviews aus Flugzeugen zu geben, wie es der hessische Wirtschaftsminister gemacht hat. Hierdurch werden nur Showbilder erzeugt, die wir nicht nötig haben, und die uns in der Sache auch nicht nach vorne bringen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Lachen von den GRÜNEN)

Unser Wirtschaftsminister war im Vereinigten Königreich und hat wichtige Gespräche geführt. Vor der Sommerpause hat Professor Pinkwart beispielsweise mit den für NRW wichtigen Wirtschaftsbereichen wie der Kfz-Branche gesprochen, aber natürlich auch mit offiziellen Stellen. Schwerpunkte waren dabei auch die Forschung und die Zusammenarbeit nach dem Austritt von Großbritannien.

Ihr Versuch, NRW.INVEST schlechtzumachen, geht auch fehl.

Es ist nicht erforderlich, ein Büro in Inner London zu eröffnen. Die City of London mag für Hessen wichtig sein, weil es sich vielleicht für Bankenmoloche attraktiv machen will.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das wäre für uns ja auch nicht schlecht!)

Für NRW sind aber eher die Industrie und die Unternehmen wichtiger. Sie sitzen nicht in Inner London. Ein repräsentatives, teures Büro mag zwar schöner aussehen und schönere Bilder erzeugen, über den Erfolg sagt das aber nichts aus.

(Monika Düker [GRÜNE]: Was ist denn die Erfolgsbilanz?)

Meines Erachtens wäre es auch völlig unverantwortlich, erhebliche Summen an Steuergeldern in die hohen Londoner Mieten zu investieren. Ihr Geschrei kann man sich doch gut vorstellen. Sie hätten das gerne gewollt. Dann hätten wir heute eine Aktuelle Stunde darüber, dass man eine Etage am Piccadilly Circus oder an der Pall Mall für viel Geld angemietet hätte. Dann hätten Sie heute auch geschrien.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Organisation sagt nichts über Erfolge aus. Es ist sinnvoll, Fachleute zu beauftragen. Hier ist auch eine Agentur die richtige Wahl, da wir für den Standort NRW werben wollen. Es ist wichtig, dass Herr Harfoot schnell und unkompliziert zu den Unternehmen kommt. Da wären lange und staureiche Wege über London eher kontraproduktiv.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Was für eine Rede!)

Deswegen müssen wir den Grünen heute auch erklären, dass nicht London aus der EU austreten möchte, sondern Großbritannien.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das gar nicht so unwichtige Tonbridge – übrigens 45 km von London entfernt und nicht 70 km, wie der WDR gemeldet hat – hat einen überregional bedeutenden Bahnhof mit 4,1 Millionen Pendlern und wird von Londoner Geschäftsleuten sehr geschätzt. Wenn Sie sich mit britischen Verbandsvertretern oder Unternehmern verabreden wollen, sind sie Ihnen sehr dankbar, wenn das nicht in Inner London, sondern an gut angebundenen Treffpunkten in Greater London stattfindet. Tonbridge ist ein solcher Ort.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Jetzt, wo der Vertrag steht, kann in der Tat eine weitere Phase der Arbeit beginnen. Schauen wir einmal, ob im britischen Unterhaus am 11. Dezember dieses Jahres Besonnenheit herrscht – eine Besonnenheit, die der Opposition hier im Hause aber völlig fehlt. – Danke sehr.

(Lebhafter Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Holthoff-Pförtner das Wort.

Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Herr Kutschaty, Herr Klocke, die Analyse dessen, was uns droht, ist korrekt. Der Umgang damit aber ist bedenklich.

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie uns konstruktiv kritisieren würden, wäre ich Ihnen dankbar. Dann wären Sie auch spannende Partner. Im Handlungsteil haben Sie dann leider Ihre Größe verloren. Da muss ich wirklich sagen: leider.

Wenn Sie der Landesregierung unterstellen, dass keine erfolgsversprechende Brexit-Strategie zu sehen sei, muss man fragen: Für welchen Brexit denn? – Wir stehen nämlich vor dem Problem, dass es sich widersprechende Ziele gibt.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Herr Optendrenk hat das schon 2010 erkannt!)

– Ich gebe ihm meine Telefonnummer.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Wir stehen vor dem Problem, dass es sich widersprechende Ziele gibt, die wir aber gleichwertig behandeln müssen. Sie können nämlich alle drei eintreten. Es kann der ungeregelte Brexit kommen, es kann der geregelte Brexit kommen, und es kann gar kein Brexit kommen. Wir müssen uns aber auf jedes Ziel gleichzeitig vorbereiten, ohne die anderen Ziele damit zu stärken oder zu schwächen.

Das sehen Sie sehr praktisch, wenn Sie sich mit dem ausgezeichneten britischen Botschafter unterhalten, mit dem wir ein sehr vertrauensvolles Verhältnis pflegen und mit dem wir sehr lange reden. Dieser Mann ist ein großer Deutschland- und NRW-Freund, hat aber ein Riesenproblem: Egal, was am 11. Dezember dieses Jahres entschieden wird, verliert er die Hälfte seines Volkes. Großbritannien ist über die Brexit- und Brüssel-Lügen geteilt worden. 40 Jahre Murdoch-Lügen über die EU haben Großbritannien geteilt.

Wir haben es mit einem befreundeten Nachbarn zu tun – der hoffentlich befreundeter Nachbar bleibt –, dem wir helfen müssen. Da können wir weder belehrend wirken, noch haben wir etwas mit seiner Entscheidung zu tun. Wir können nicht in die Entscheidung eingreifen. Das ist auch nicht unserer Aufgabe.

(Horst Becker [GRÜNE]: Sagen Sie doch mal, was wir können!)

Wenn wir eines der drei Ziele stärker verfolgen, gefährden wir die Situation für die Zeit danach.

Herr Optendrenk – obwohl er der CDU angehört, muss das, was er sagt, ja nicht falsch sein – hat darauf hingewiesen, dass das Brexit-Referendum am 23. Juni 2016 stattgefunden hat. Da waren Sie unbestritten in Ihren letzten Regierungsatemzügen. Sie hatten aber noch ein Jahr.

Ich kann Ihnen sagen, was wir angetroffen und was wir nicht angetroffen haben. Ich kritisiere das nicht. Aber wenn ich Ihren heutigen Maßstab sehe, den Sie an uns anlegen, würde ich sagen: Da ist noch viel Luft für Eigenkritik.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die rot-grüne Landesregierung hat die Brexit-Entscheidung besorgt zur Kenntnis genommen. Ich war sogar erschreckt. Das war für mich nach Trump der zweite Schrecken. Ich hätte beides nicht für möglich gehalten.

Die Idee, die Sie gerade relativiert haben, nämlich zum Beispiel die interministerielle Arbeitsgruppe, war aber nicht einmal angedacht. Ich bin froh, dass wir sie heute haben.

Was den Brexit-Beauftragten angeht: Das hätte im ersten Jahr die Suche nach einem Netzwerk sein können. Ich weiß nicht, warum Sie das Büro in London schlechtmachen. Zwar ist seine Lage nicht so gut; wir wollen da aber auch nicht hinziehen.

(Thomas Kutschaty [SPD]: Es geht nicht um die Lage!)

– Okay.

Die Aufgabe des Brexit-Beauftragten ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

(Zurufe von der SPD)

– Ich erkläre Ihnen gleich, was das heißt. Dass Sie nichts wissen, ist ja schon ein Beweis für dieses Vertrauen. Er soll nicht die Medien beraten, sondern er soll die Landesregierung und die Unternehmen beraten.

Ich komme aus dem Ruhrgebiet und kenne die dortige Mentalität. Dass Unternehmen ihre Entscheidungen selber treffen, ist uns fremd. Wir sind anders groß geworden. Das war eine Zwangssozialisation durch die Sozialdemokratie. Ich habe gelernt, wie das Verhältnis eines Oberstadtdirektors oder eines Oberbürgermeisters zur Sparkasse ist.

(Zuruf von der SPD: Jetzt wird es ein bisschen wirr!)

Das heißt: Die Politik, die Wirtschaft und die Unternehmen werden von unserem Beauftragten beraten.

Lassen Sie mich ein Beispiel aus dem normalen Leben nennen. Sie kommen nach Hause. Ihre Frau steht strahlend in der Tür und sagt: Morgen verlasse ich dich. – Wenn Sie versuchen, Ihre Familie und Ihre Ehe zu retten, gehen Sie mit den Modellen, die Sie sich überlegen müssen, nicht über Land. Sie gehen auch nicht in die Nachbarschaft und schauen sich danach um, ob einer zu Ihnen ziehen kann oder jemand umziehen will.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ist das jetzt Ihr Ernst, Herr Minister?)

Vielmehr versuchen Sie, diese Ehe zu retten.

Das ist das, was wir im Moment beim Verhältnis zu unserem europäischem Nachbarn Großbritannien tun. Und das tun wir, ohne dass wir uns in die Interna einmischen.

(Nadja Lüders [SPD]: Und wer ist in der Ehe der Beauftragte?)

– Der Beauftragte ist eine Art Eheberater, und zwar für beide Seiten.

(Nadja Lüders [SPD]: Herr Merz ist der Therapeut für die Landesregierung! – Weitere Zurufe von der SPD)

– Sie werden sich wundern, wie normal das Leben auch in der Politik ist. Sie haben bestimmte Dinge zu regeln. Zum Beispiel wollen Sie ein Unternehmen von London nach Düsseldorf holen. Wenn der Brexit nicht kommt und das Unternehmen in London bleibt, will es dort auch weiterhin freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Also bereiten Sie einen Übergang vor, der für alle verträglich bleibt, egal welches der drei Szenarien kommt. Eine solche Diskussion wird nicht auf einem großen Markt geführt. Das ist vertrauensschaffend, weil wir nicht davon profitieren wollen, dass der Brexit kommt, sondern ihn für die Briten, für Deutschland und für Nordrhein-Westfalen richtig gestalten wollen.

Herr Klocke, noch eines zu dem Brexit-Übergangsgesetz: Das Brexit-Übergangsgesetz regelt den Status quo so lange wie irgend möglich, damit Engländer in Nordrhein-Westfalen sowie Deutsche bzw. Nordrhein-Westfalen in England so vernünftig wie möglich weiterleben können. Das können Sie dort nachlesen. Es ist darin sehr schlicht festgehalten.

Es ist sehr verantwortlich, dies zu tun. Sie sollten der Landesregierung dankbar dafür sein, dass sie versucht, aus dem denkbar Schlechten das Beste herauszuholen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ein letztes Wort zu unserem Wirtschaftsminister Professor Pinkwart: Ich bin ausgesprochen dankbar für die Art und Weise, in der er sich mit seinem Sachverstand, seiner Sachlichkeit und seinem großen Engagement um Großbritannien, den Brexit und die Zusammenarbeit kümmert. Er macht das mit sehr viel persönlichem Engagement.

Ihr Ziel ist – freiwillig oder unfreiwillig – mit unserem Ziel identisch. Wir wollen nämlich das Beste für Nordrhein-Westfalen erhalten mit Blick auf ein befreundetes Land, mit dem wir nicht nur Geschäfte betreiben, sondern von dem wir auch Demokratie, Medien …

Wenn ich „Ende der Redezeit“ sehe, deprimiert mich das.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Das sind gemeinsame Ziele, zu denen wir uns auch gemeinsam bekennen sollten. Den einen oder anderen Streit sollten wir ganz schlicht und einfach vermeiden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD spricht nun unsere Kollegin dos Santos Herrmann.

Susana dos Santos Herrmann (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Holthoff-Pförtner, mit Verlaub: Was Sie uns gerade geliefert haben, war nicht einmal weiße Salbe. Das war gar nichts.

(Beifall von der SPD)

Sie haben Nebelkerzen geworfen, um zu verdecken, dass Sie in anderthalb Jahren Regierung in Sachen „Bewältigung der Folgen des Brexit für Nordrhein-Westfalen“ rein gar nichts geschafft haben. Das ist beschämend.

Man mag die alte Landesregierung dafür kritisieren, dass sie zwei Wochen nach dem Referendum, als hier an diesem Pult niemand Geringerer als Christian Lindner gefragt hat, wo die Strategie der Landesregierung in Sachen Brexit bleibe, noch keine klaren Antworten geben konnte.

Zweieinhalb Jahre später und anderthalb Jahre nach Ihrer Regierungsübernahme haben wir aber alle das Recht, zu wissen, was Sie vorhaben und was Sie bisher getan haben. Nichts haben wir bisher gehört, rein gar nichts!

(Beifall von der SPD)

Lassen Sie mich einige Gedanken ausführen. Erlauben Sie mir, ein klein wenig in der Geschichte zurückzugreifen. 1986 hat der portugiesische Literatur-Nobelpreisträger Saramago den Roman „Das steinerne Floß“ geschrieben und veröffentlicht. Es beschreibt die Folgen eines geologischen Risses mitten durch die Pyrenäen. Die iberische Halbinsel löst sich von Kontinentaleuropa und treibt auf dem Atlantik Richtung Westen.

Als er das Buch schrieb, wird er sich kaum vorgestellt haben können, dass wir bereits heute, vier Monate vor dem Brexit, mit schwerwiegenden Folgen des Umbruchs in Europa zu kämpfen haben. Herr Kutschaty hat es beschrieben.

Natürlich ist die Frage nach einer Strategie sehr berechtigt, mehr als berechtigt. Wir sind den Menschen in Nordrhein-Westfalen Antworten schuldig. Aber wir haben gerade gehört, dass Sie diese Antworten und diese konkreten Maßnahmen nicht haben.

Vor rund einem Jahr hat Herr Ministerpräsident Laschet mit großem Brimborium den Wirtschaftsexperten Merz als Beauftragten für den Brexit vorgestellt. Er hatte nun ein Jahr Zeit, Ideen vorzulegen. Ich wiederhole es – aber es bleibt mir auch nichts anderes übrig –: Wir haben keine Ideen vorgelegt bekommen und schon gar keine Strategie.

Spätestens seit letzter Woche wissen wir alle, dass der Name Merz auch nicht mehr als Schall und Rauch bedeutet. Denn außer zwei Treffen mit einem nicht näher benannten Kreis konnte dem Parlament noch kein Ergebnis vorgelegt werden. Von den angeblich so guten Kontakten und der angeblich so hohen wirtschaftspolitischen Kompetenz des Beauftragten ist nichts Konkretes zu sehen oder zu hören.

Eigentlich ist das aber auch kein Wunder. Denn anders, als Merz es dem Ministerpräsidenten vor einem Jahr zugesagt hat, ist er nun doch mit seinem politischen Comeback beschäftigt. Das ist ebenso legitim wie die Frage nach einer Strategie zum Brexit. Allerdings hatte er das Gegenteil angekündigt.

So bleibt nicht nur der Eindruck, sondern leider die bittere Gewissheit, dass die Landesregierung überhaupt keinen Plan hat, wie sie mit den Folgen des Brexit umgehen soll. Angesichts der Tatsache, dass unser Bundesland nach Großbritannien selber zu den am stärksten betroffenen Regionen Europas gehören wird, ist das zutiefst verantwortungslos und, ehrlich gesagt, auch beschämend.

(Beifall von der SPD)

Erlauben Sie mir daher einen kurzen Blick auf andere Bundesländer. Niedersachsen zum Beispiel führt bereits seit Monaten regelmäßig Informationsveranstaltungen mit den Ämtern für regionale Landesentwicklung durch. Dabei geht es um ganz konkrete Effekte. Es wird ein ständiges Update geliefert, was zurzeit Stand der Verhandlungen ist und was das für das Bundesland bedeuten könnte. Das Bundesland Berlin hat bereits vor einem Jahr, am 12.12.2017, einen Vertrag mit den wissenschaftlichen Institutionen in Oxford und den eigenen Hochschulen abgeschlossen, um den Austausch mit den Hochschulen weiterhin zu gewährleisten.

Das sind klare Vereinbarungen darüber, was in der Zeit nach dem Brexit geschieht. Was haben wir in NRW? Rein gar nichts! Dabei ist der Wissenschaftsstandort NRW kein kleiner.

Herr Kutschaty hat es bereits erwähnt: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ford in Köln – als Beispiel, als Pars pro Toto – spüren schon heute ganz konkret die Auswirkungen des Brexit. In wenigen Wochen, kurz vor Weihnachten, wird es eine zweiwöchige Produktionspause geben, weil der bevorstehende Brexit den Export deutlich zurückgehen lässt. Die Preise für das Material steigen stark.

Der Ford-Produktionsstandort Köln ist vielleicht noch nicht komplett gefährdet. Aber er leidet stark. Ihr Nichthandeln, Herr Laschet, ist deshalb ein richtig herber Schlag ins Gesicht aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – nicht allein in Köln.

(Beifall von der SPD)

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal kurz auf den eingangs erwähnten Roman von Saramago schauen. In dem Roman wissen die Figuren nicht, ob es an den Abbruchkanten der nun kompletten Insel zu weiteren Brüchen kommt, ob weiter Land verloren geht und ihre Lebensgrundlagen vor ihren Augen verschwinden. Sie wissen auch nicht, ob die unterbrochenen Flussläufe ihnen noch ausreichend Süßwasser und Trinkwasser zur Verfügung stellen werden. Der Autor gibt in dem Roman keine konkreten Antworten. Aber es ist eben auch ein Roman. Er muss es nicht tun.

Eine Landesregierung muss sich aber an dem realen Leben der Menschen orientieren. Sie muss Antworten darauf geben, wie es sein wird, wenn der Bruch tatsächlich kommt – insbesondere dann, wenn er hart sein sollte.

Sie tun das nicht. Sie bleiben den Menschen Antworten schuldig. Sie begnügen sich mit weißer Salbe und Nebelkerzen. Das ist eindeutig zu wenig.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Grünen hat nun der Abgeordnete Herr Becker das Wort.

Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Holthoff-Pförtner hat soeben davon gesprochen, die Analyse sei korrekt, der Umgang aber bedenklich. Wenn ich mir Ihre Analyse anschaue, muss ich sagen: Sie war in der Vergangenheit und nicht in der Gegenwart verhaftet. Ihr Umgang mit der Gegenwart ist nicht nur bedenklich, sondern fahrlässig. Er schadet dem Land, weil Sie weit hinter den Anforderungen, die zu stellen sind, zurückbleiben und sich in Allgemeinplätzen ergehen.

Das ist symptomatisch für diese Regierung und für ihren Umgang mit diesem Problem. Es ist auch symptomatisch dafür, dass Sie anderthalb Jahre verschlafen haben.

Ich darf noch einmal auf zwei Dinge hinweisen. Erstens haben Sie von CDU und FDP damals ganz andere Ankündigungen von sich gegeben. Zweitens ist der Austrittsantrag tatsächlich erst im März 2017 gestellt worden. Eigentlich ist der ganze Prozess erst zu diesem Zeitpunkt gestartet. Letztlich ist also genau in Ihrer Regierungszeit – und das ist der entscheidende Punkt – nichts passiert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was haben Sie vorgegeben, tun zu wollen? Ich würde gerne mit dem Koalitionsvertrag beginnen. Sie haben sich in Ihrem Koalitionsvertrag übrigens interessanterweise – damit haben Sie auch ein bisschen das Thema verfehlt – dafür ausgesprochen, Finanzunternehmen vom Finanzplatz London nach Nordrhein-Westfalen zu holen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Dass das ein wenig überkandidelt war, hätte man merken können. Man hätte sich damals aus meiner Sicht darauf konzentrieren müssen, die Europäische Arzneimittel-Agentur nach Bonn zu holen. Sie hätte nämlich hervorragend dorthin gepasst. Was ist passiert? Herr Laschet, der zu dieser Zeit als stellvertretender CDU-Vorsitzender an den Koalitionsverhandlungen in Berlin beteiligt war, hat es nicht geschafft, dass die Kanzlerin sich in dieser Sache ausreichend engagiert. Man hat alles gefordert und am Ende nichts bekommen; denn die Behörden sind nach Paris und Amsterdam umgezogen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der bedenkliche Umgang mit diesen wichtigen Institutionen ist Ihr Start gewesen, Herr Holthoff-Pförtner.

Im November letzten Jahres tauchte dann jemand auf, der jetzt durch alle Konferenzen tigert, nämlich Herr Merz.

(Minister Karl-Josef Laumann: Herr Merz ist ein guter Mann!)

Als man angesichts potenzieller Befangenheiten gefragt hat, was Herr Merz denn neben seinen ganzen Tätigkeiten in diversen Aufsichtsräten so macht, kam der Hinweis, er fange eigentlich erst im März an, also erst im darauffolgenden Jahr. Dann wurde regelmäßig in Ausschüssen und Kleinen Anfragen die Frage gestellt, worin denn eigentlich der Erfolg des Herrn Merz bestehe. Daraufhin wurde gesagt: Er soll Gespräche führen.

Gleichzeitig ist im Aufsichtsrat von NRW.INVEST im Dezember letzten Jahres entschieden worden, dass es irgendwann eine Dependance in London geben soll. Das ist dann ein halbes Jahr später angekündigt worden.

Meine Damen und Herren, angesichts des Tempos, in dem Sie arbeiten und ankündigen, aber keinerlei Ergebnisse erreichen, kann ich nur wieder etwas zitieren, was hier in den letzten Jahren oft genug gesagt worden ist. Herr Pinkwart, das Zitat lautet: Nichtstun ist Machtmissbrauch – von Herrn Laschet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bis heute haben Sie eine Anfrage von mir nicht beantwortet – fünf Wochen brauchen Sie schon und haben sie immer noch nicht beantwortet. In der Anfrage habe ich gefragt, was denn mit dem Gutachten, das Sie laut WDR angeblich in Auftrag gegeben haben, ist: Wann haben Sie das Gutachten in Auftrag gegeben, welches Ziel und welchen Auftragsgegenstand hat es? – Fünf Wochen sind vergangen, und es gibt immer noch keine Antwort auf die Kleine Anfrage.

Dadurch bekommt man doch einen lebhaften Eindruck von der Substanz, die hinter Ihren Ankündigungen steckt: Es ist keine Substanz vorhanden. Sie leben alleine von Ankündigungen.

(Beifall von den GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen: Wenn man so regiert wie Sie, dann sollte man sich vielleicht bei Herrn Lindner noch mal nach seinem Spruch, den er in Berlin – unberechtigt – gebracht hat, erkundigen. Dieser lautet nämlich: Besser nicht regieren als schlecht regieren. Der Spruch trifft auf Sie zu.

(Beifall von den GRÜNEN – Matthias Kerkhoff [CDU]: Abenteuerlich!)

Insgesamt ist festzustellen: Ob an dieser Stelle oder an anderen Stellen – Sie leben immer noch davon, zu sagen, was Sie möchten und was andere angeblich nicht gemacht haben. Allerdings haben Sie bereits 30 % Ihrer Wahlperiode hinter sich.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Stimmt nicht!)

– Da müssen Sie mal in den Kalender schauen. – Wenn Sie so weitermachen, dann sind demnächst zwei Drittel vorbei und Sie erzählen immer noch das Gleiche.

Das ist gefährlich fürs Land, für unsere Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Deswegen sollten Sie endlich aufwachen und ab jetzt nicht mehr von „möchten“ und „wollen“ reden, sondern von „machen“.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Matheisen.

Rainer Matheisen (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Becker, wenn ich Sie korrigieren darf: Der Spruch von Christian Lindner lautet nicht: „Besser nicht regieren als schlecht regieren“,

(Horst Becker [GRÜNE]: Das hat getroffen, oder?)

sondern: „… besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das passt genauso!)

„Schlechtreden“ ist das richtige Stichwort, denn Sie reden die Arbeit der Regierung schlecht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Welche Arbeit?)

Die Regierung leistet wirklich Hervorragendes, von daher reden Sie die Arbeit grundlos schlecht.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Unruhe – Glocke)

– Vielleicht beruhigen Sie sich.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Wenn das hervorragend ist, dann möchte ich nicht wissen, was schlecht ist!)

Worüber reden wir hier? – Wir reden über eine Situation, in der wir alle in diesem Parlament für unser Land das Beste erreichen wollen – keine Frage –, wobei die Situation aber unklar und unsicher ist.

Die Regierung sorgt sowohl mit dem Büro in Großbritannien als auch mit den Aktivitäten hier vor Ort dafür, dass allen Beteiligten, also beispielsweise Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Studierende und diejenigen, die ein Unternehmen in britischer Rechtsform haben – das ist ein wichtiges Thema für viele Kleinunternehmer und Handwerker –, geholfen wird und sie unterstützt werden. Zentral muss doch sein, dass wir die Menschen im Blick haben, dass diese im Mittelpunkt stehen und wir nicht politische Spielchen spielen.

Zu dem, was Sie eben gemacht haben:

(Horst Becker [GRÜNE]: Was haben wir denn jetzt gemacht?)

Es fing an mit Herrn Klocke mit dieser Anwesenheitsnummer – ein seltsames Schauspiel, das keiner verstanden hat –, und dann Herr Kutschaty, der für einen ganz normalen Vorgang viermal hintereinander den Begriff „Schwindel“ verwendet hat.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Mit Recht!)

Da muss man sagen: Sie sind nicht an der Sache orientiert,

(Sven Wolf [SPD]: Der Standard für die Landesregierung?)

sondern Sie wollen einfach nur alles schlechtmachen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dafür sind wir nicht zu haben. Wir wollen Klarheit und eine Sicherheit für die Menschen hier in diesem Land, wie mit der Situation umzugehen ist.

(Michael Hübner [SPD]: Was tun Sie denn dafür?)

Wir wollen die bestmöglichen Beziehungen zu Großbritannien erhalten

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Sie sollen nicht wollen, Sie sollen machen! – Frank Müller [SPD]: Nicht wollen, machen!)

und wieder aufbauen. Diese Aspekte stehen für uns im Mittelpunkt. Wir können Sie nur herzlich auffordern:

(Fortgesetzt Zurufe von der SPD und den GRÜNEN –Glocke)

Machen Sie mit, beteiligen Sie sich auf positive Weise daran, versuchen Sie gemeinsam mit uns, die Chancen zu nutzen, und machen Sie nicht alles schlecht und spielen Sie keine Politspielchen!

Wir wollen Nordrhein-Westfalen gemeinsam voranbringen,

(Frank Müller [SPD]: Also, das hat was von DDR!)

und ich bitte Sie herzlich: Unterstützen Sie uns und hören Sie auf mit diesem Polittheater, mit diesem Schmierentheater! Das ist des Themas insgesamt und seiner Wichtigkeit und Bedeutung nicht würdig.

(Beifall von der FDP und der CDU – Frank Müller [SPD]: Nichts Inhaltliches, Herr Matheisen! – Zuruf von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Matheisen. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Dr. Vincentz.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Großbritannien verlässt die Europäische Union. Davor kann man die Augen verschließen und es nicht wahrhaben wollen. Die Landesregierung macht ein bisschen den Eindruck, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Doch es ist nun mal so. Es hat ein Referendum darüber gegeben. Die Bürger Großbritanniens haben entschieden, dass sie nicht mehr länger Teil der Europäischen Union sein wollen. Das hat man so zu akzeptieren.

Jetzt kann man sagen: Dann wählen wir eben so lange, bis das Ergebnis rauskommt, das wir haben wollen. – Doch das ist wahrscheinlich das Gegenteil von Demokratie. Wenn die Bevölkerung in einem Referendum darüber entscheidet, dass sie die Europäische Union – eine Willensunion – verlassen möchte, dann hat man das so zu akzeptieren.

(Beifall von der AfD)

Wie verschnupft die Europäische Union auf ihre fehlende Strahlkraft reagiert, zeigt sich im Prinzip daran, dass sie ihrem aus NRW-Sicht immerhin drittwichtigsten Handelspartner mit einem harten Brexit droht.

In der Europäischen Union ist man sehr verschnupft – noch mehr, als ich es heute bin – und droht dann, die Bedingungen für einen Austritt aus einer Willensunion so zu gestalten – wenn ich diesen Willen nicht mehr habe, dann verlasse ich diese Union, genauso wie ich den Willen zeigen kann, mit dieser Union voranzuschreiten –, dass ein Austritt hart sanktioniert wird und man es Menschen und Staaten durch die Bedingungen möglichst schwer macht, aus dieser Union auszutreten.

Natürlich gibt es keinen Zwang; es gibt genauso die Möglichkeit, die Europäische Union zu verlassen, wie es die Möglichkeit gibt, mit ihr zu arbeiten und voranzuschreiten. Das ist doch genau das, was Sie auf der anderen Seite immer propagieren. Die andere Möglichkeit muss es natürlich genauso geben. Es gibt kein Recht darauf, in dieser Art und Weise verschnupft zu reagieren. NRW, Großbritannien und die Europäische Union haben vielmehr ein Recht darauf, miteinander in Verhandlungen zu treten und ein für alle Seiten vernünftiges Outcome zu verhandeln.

Vom Minister hört man heute: Auf welchen Brexit sollen wir uns denn einstellen? Es ist doch noch gar nicht klar, was am Ende passiert. – Da hilft es gelegentlich, auf die Wissenschaft zurückzugreifen.

In den Wirtschaftswissenschaften gibt es seit einiger Zeit ein interessantes Modell; die sogenannte Szenarioanalyse. Anhand dieser können verschiedene mögliche Konstrukte überlegt werden, die passieren können, und es kann im Vorfeld überlegt werden, was wahrscheinliche Möglichkeiten sind. Spieltheoretisch kann bewertet werden, was wahrscheinlich und was weniger wahrscheinlich ist und was sogenannte Wildcards sind – also Szenarien, die eher unwahrscheinlich sind.

Ein guter Stratege bereitet sich auf all diese Möglichkeiten vor. Er bereitet sich sowohl auf die Möglichkeit vor, dass es einen harten Brexit gibt, er bereitet sich auf die Möglichkeit vor, dass es unter Umständen eine etwas weichere Lösung gibt, und er bereitet sich vielleicht noch auf ein paar Szenarien vor, die unwahrscheinlicher sind, aber auch passieren könnten.

Aktuell wird mit dem Thema – ich nenne es mal ganz hart – eine Teilzeitkraft betraut, die darüber hinaus damit beschäftigt ist, sich anzuschicken, Vorsitzender der CDU zu werden. Das ist sein gutes Recht; er ist ein guter Mann, und von mir aus gibt es gar keine Personaldiskussion. Aber nun wird also eine Teilzeitkraft, die nicht mit vollem Elan dabei ist, mit einem Handelsvolumen betraut, bei dem in diesem Jahr allein für Nordrhein-Westfalen 13,4 Milliarden Euro auf dem Spiel stehen.

Von der AfD hören Sie immer nur Positives zum Beispiel zur Europäischen Gemeinschaft, dem Vorläufer der Europäischen Union, in welchem die Handelsbündnisse eine wichtige Rolle gespielt haben. Wenn Sie diese Handelsbündnisse aber mit einer Halbzeitkraft abhandeln wollen, dann muss man der Landesregierung tatsächlich vorwerfen, dass sie die Europäische Union, den Handel und alles, was damit verbunden ist, an dieser Stelle nicht ernst nimmt. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Vincentz. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Professor Dr. Pinkwart.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es wichtig, dass bei einem derart zentralen Thema auch die Opposition darauf hinweist, dass die Regierung nie gut genug arbeiten kann. Das finde ich ganz toll; denn das hält jede Regierung auf Trab.

So waren seinerzeit sicherlich auch die Interventionen der damaligen Opposition gemeint, welche die damalige Regierung daran erinnert hat, dass man etwas hätte tun können.

Die Entscheidung zum Brexit ist im Juni 2016 getroffen worden, und bis Ende Juni 2017 war die Vorgängerregierung im Amt. Ich habe meinem Amtsvorgänger bisher nur Gutes nachgesagt, und dabei bleibe ich auch. Aber nach Rückfragen in meinem Ministerium kann ich nur festhalten, dass es im Wirtschaftsministerium innerhalb eines Jahres keinen Workshop mit Industrie, Wissenschaft und Unternehmen gegeben hat, um die Brexitfrage zu behandeln. Der Minister war nicht in London; die Regierung hat sich damals um diese Themen schlicht und ergreifend überhaupt nicht gekümmert. Das muss man festhalten dürfen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dann haben wir begonnen, und wir haben uns zu diesem Themenfeld eine Menge vorgenommen. Lieber Herr Becker, es ist richtig, dass der Aufsichtsrat von NRW.INVEST sich im Dezember 2017 mit der Frage befasst hat, wie die ohnehin immer auf Großbritannien ausgerichteten Aktivitäten, die – mit und ohne Brexitthema – immer erfolgreich waren, noch verstärkt werden können.

In diesem Aufsichtsrat, dem auch Mitglieder der Opposition angehören, ist einstimmig – bei einer Enthaltung – beschlossen worden, noch eine zusätzliche Repräsentanz aufzubauen. Seit Juni dieses Jahres ist der Repräsentant bereits in Arbeit und wirkt. Wir haben das gemacht, man hätte es auch sofort tun können.

Das heißt aber nicht, dass nur Herr Harfoot tätig ist, vielmehr ist NRW.INVEST insgesamt tätig. Wie sieht die Bilanz aus? – In diesem Jahr arbeitet NRW.INVEST mit insgesamt 18 Ansiedlungen, davon 7 von Herrn Harfoot. Diese allein machen 870 Mitarbeiter aus, insgesamt geht es um 2.000 Mitarbeiter. Sie können das mit Ihren fünf Ansiedlungen in Hessen vergleichen.

Ich will hinzufügen: Im Vorjahr hatten wir insgesamt sogar 36 Ansiedlungen. Und das macht auch Sinn; denn die Unternehmen haben seit 2016 erkannt, dass sie etwas tun müssen – egal, wie der Brexit ausgeht. Sie haben natürlich ihre Aktivitäten verstärkt – im Jahr 2013 hatten wir nur zehn Ansiedlungen aus Großbritannien. Sie sehen an den Zahlen: Die Wirtschaft hat diese Informationen aufgenommen, sie hat gehandelt, und sie hat Entscheidungen getroffen.

Wir haben seitens NRW.INVEST diese Dinge hervorragend bearbeitet und noch verstärkt. Und ob das nun aus London heraus geschieht oder 40 Fahrminuten entfernt – und nicht zwei Stunden –, spielt dafür keine Rolle. Entscheidend ist, dass sich darum gekümmert wird und etwas für die Unternehmen und für die Arbeitsplätze erreicht wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es geht auch darum, dass wir Firmen aus Großbritannien nach Nordrhein-Westfalen holen wollen – und zwar nicht nur britische Firmen, sondern internationale Firmen, die Europa bisher von Großbritannien aus bearbeitet haben. In Zukunft müssen diese Unternehmen das möglicherweise vom Festland aus tun, sollte es einen Brexit und eventuell sogar den harten Brexit geben.

Deshalb orientieren sich unsere Auslandsaktivitäten nicht nur in Richtung Großbritannien, sondern natürlich auch in Richtung Asien. Wir führen Gespräche mit Japan, China und mit anderen Ländern, die Unternehmen mit Headquarters in Großbritannien haben und künftig ihre Aktivitäten hoffentlich auch in Deutschland entfalten – und wenn in Deutschland, dann möglichst hier in Nordrhein-Westfalen.

Wir agieren also weltweit, und wir sprechen natürlich über NRW.INVEST mit den potenziellen Unternehmen, die sich hier in Nordrhein-Westfalen ansiedeln könnten. Diese Aktivitäten laufen parallel.

Sollte der Brexit dann kommen – wir müssen uns darauf einstellen –, heißt das umgekehrt auch, dass Exportaktivitäten wegbrechen könnten. Die Frage ist also, ob wir den Export nach Großbritannien verstärken können. Es ist, wie Sie wissen, eine lang gepflegte Tradition des Landes Nordrhein-Westfalen, dass dies nicht über NRW.INVEST, sondern über NRW.International läuft.

Wir arbeiten in diesem Kontext auch mit der Außenhandelskammer zusammen, die ihren Sitz am Buckingham Palace hat. Wir können die Büros dort mit nutzen – das gilt übrigens auch für NRW.INVEST. Wenn NRW.INVEST also jemanden empfangen will, kann das auch direkt am Buckingham Palace geschehen. Auch das ist möglich.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Aber leider nicht „im“!)

Wenn Sie sich aber mal mit der Lebenswirklichkeit auseinandersetzen würden, dann wüssten Sie, dass ein CEO nicht zu einem Repräsentanten eines Bundeslandes kommt, sondern ein CEO eines Unternehmens erwartet, dass unser Repräsentant zu ihm kommt. Er sitzt dann entweder in London oder irgendwo in Großbritannien.

(Michael Hübner [SPD]: Dann können wir auch in Düsseldorf sitzen!)

Das ist genau das, was NRW.INVEST seit vielen Jahren weltweit sehr erfolgreich unternimmt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Frage ist nun, wie wir damit in Nordrhein-Westfalen umgehen. Und wie gesagt: Als Wirtschaftsminister habe ich dazu nichts angetroffen. Ich habe mich gefragt, was ich tun soll, und wir haben im Hause überlegt, wie wir es ermöglichen können, dass die verschiedenen Akteure, die Stakeholder, sich regelmäßig begegnen und austauschen.

Dazu haben wir seit Juni dieses Jahres einen Workshop mit den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern, dem Arbeitgeberverband, den Gewerkschaften, Wissenschaftsvertretern und den verschiedenen Ressorts in Arbeit. Ich leite die Sitzungen persönlich. Daran nimmt zum Beispiel auch der Deutschland-Chef von Ford persönlich teil; ich muss also gar nicht zu ihm fahren, sondern er kommt in die Sitzung.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Wir tauschen uns regelmäßig aus – wie auch in dieser Woche. Und dann fragen wir natürlich ab, wo der Schuh drückt, was noch zu tun ist und wo wir helfen können.

Diese Woche sagte die Handwerkskammer – nur, damit Sie informiert sind –: Wir als Handwerk sehen im Moment überhaupt kein Problem. – Warum nicht? Weil anders als es 2012 noch der Fall war, als die Arbeitsmarktlage hier für das Handwerk nicht so einfach war, momentan Vollbeschäftigung herrscht und man in den letzten Jahren nicht auf Großbritannien ausweichen musste. Das heißt, unser Handwerk hängt im Moment nicht von der Nachfrage in Großbritannien ab.

Es gibt Spezialgewerke; da werden wir benötigt. Da sagt das Handwerk: Die werden auch in Zukunft gebraucht. Wenn sich durch Zölle die Preise erhöhen, werden sie weiter bezahlt werden. Wir sehen da im Moment kein Problem. – Ich schildere Ihnen nur die Abfragen, die wir getätigt haben.

(Zurufe)

– Sie müssen sich das bitte anhören. – Die Kammern und die Unternehmen, die betroffen sind, zum Beispiel Ford, sagen uns: Wir beschäftigen uns seit zwei Jahren intensiv damit. Wir richten uns darauf aus, und wir sehen im Moment kein Problem. – Das Gleiche sagt der Vertreter des DGB auch. Er sieht im Moment nicht, dass es in irgendeiner Weise hierzu besondere Aufregung oder besondere Fragestellungen gibt.

Das veranlasst uns nicht dazu, zu sagen, hier wäre nichts zu tun. Hier ist eine Menge zu tun, und daran arbeiten wir auch. Aber ich will Ihnen nur ein bisschen die Lebenswirklichkeit schildern, soweit sie sich uns vermittelt, weil wir uns sehr eng abstimmen.

Wir hatten eine Vertreterin der britischen Botschaft bei uns in der Runde, die uns auch hervorragend vorgetragen hat. Dabei haben wir natürlich diskutiert: Wie geht es nach vorne weiter, zum Beispiel beim Thema „Wissenschaftsaustausch“? Großbritannien wird auch im Falle eines harten Brexits im eigenen Interesse versuchen, auf jeden Fall mit der Wissenschaft in Europa weiter zusammenzuarbeiten. Großbritannien will bei Horizon beteiligt bleiben, wie die Schweiz das auch macht. Das ist eine riesige Möglichkeit, wie wir auch Wissenschaft und Unternehmen weiter in einem engen Dialog halten können. Hier haben wir ganz konkrete Projekte verabredet.

Es ist doch nicht so, als würde uns das nicht beschäftigen. Das Britische Generalkonsulat kümmert sich. Wir hatten gerade erst eine Veranstaltung der British Chamber of Commerce am Flughafen. Wir sind bestens vernetzt. 1.500 britische Firmen haben wir in Nordrhein-Westfalen. 430 nordrhein-westfälische Firmen sind in Großbritannien. Nordrhein-Westfalen ist einer der wichtigsten Partner für Großbritannien – vice versa. Wir sind eng vernetzt.

Wir arbeiten daran, dass das auch in Zukunft so bleibt. Das können wir aber nur gemeinsam schaffen. Dafür müssen wir uns anstrengen. Wenn uns die Opposition dabei unterstützt, dann freuen wir uns darüber sehr. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Pinkwart. – Herr Minister Pinkwart hat seine Redezeit und damit die Redezeit der Landesregierung um 1:44 Minuten überzogen. Das ist normalerweise überhaupt nur der Erwähnung wert, weil sich damit die Redezeiten der Fraktionen verlängern.

Wir befinden uns aber in der Aktuellen Stunde, und mit dem nächsten Redner für die SPD-Fraktion, Herrn Kollegen Weiß, der sich schon auf den Weg machen kann, wenn er möchte, eröffnen wir die dritte Runde. In der dritten Runde haben aber nur noch SPD und CDU Redezeiten. Deshalb habe ich eben in Rücksprache mit beiden Schriftführern entschieden, dass – Fair Play – die Landesregierung natürlich nicht die Regeln, die sich das Parlament über die Geschäftsordnung selbst gibt, gegen das Parlament wenden kann. Wenn jetzt die Fraktionen, die keine Redezeit mehr haben, diese 1:44 Minuten in Anspruch nehmen möchten, dann ist das völlig in Ordnung. Dann können weitere Meldungen erfolgen.

Jetzt hat aber in der dritten Runde Herr Kollege Weiß das Wort.

Rüdiger Weiß (SPD): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Brexit ist eine Tragödie, deren Tragweite wir heute noch überhaupt nicht in Gänze begreifen können. Das liegt zum einen daran, dass der Austritt eines Landes aus der EU ein absoluter Präzedenzfall ist. Zum anderen liegt es daran, dass auch wenige Wochen vor dem offiziellen Austrittsdatum immer noch nicht klar ist, wie dieser Brexit am Ende tatsächlich aussieht.

Was wir neben den Auswirkungen des Brexits außerdem nicht begreifen können, ist das, was die Landesregierung seit Monaten in Bezug auf den Brexit tut oder nicht tut oder behauptet, tun zu wollen. In gewisser Weise ist das auch eine Tragödie, wenn auch Gott sei Dank von bedeutend kleinerem Ausmaß.

Während der Brexit das Produkt einer historisch einzigartigen Mischung aus Fehlinformationen, Selbstüberschätzung, Naivität und vielleicht auch ein wenig Pech ist, ist die Tatsache, dass NRW kopflos und planlos Richtung Brexit taumelt, schlicht und ergreifend das Produkt schlechter Politik.

(Beifall von der SPD)

Die Landesregierung lässt sich ganz offensichtlich vom Chaos innerhalb der britischen Regierung anstecken. Anders ist das Düsseldorfer Durcheinander nicht zu erklären, das wir seit etwa einem Jahr erleben.

Anders ist es auch nicht zu erklären – wenn ich schon von Durcheinander rede –, dass der verehrte Kollege Nückel den Unterschied zwischen Meilen und Kilometern auch nicht so ganz genau kennt. 45 sind nicht 45 Kilometer, sondern es sind 45 Meilen von Tonbridge nach London. Das macht exakt 72 Kilometer.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Thomas Nückel [FDP])

– Ich habe es gerade gegoogelt. Nicht nur in dem Fall hat der WDR besser recherchiert als Sie für Ihre gesamte Rede.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zurufe)

Sooft wir nach dem eigentlichen Tun von Herrn Merz fragen, sooft wir im Ausschuss um konkrete Informationen zum aktuellen Stand und zur aktuellen Stoßrichtung bitten, so oft bekommen wir zu hören, da gäbe es schon eine tolle Strategie, aber die wolle man jetzt gerade nicht offenlegen.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Einen Zettel an eine Tür in einem südenglischen Vorort zu kleben, das ist keine Strategie, meine Damen und Herren. Das ist ein schlechter Witz.

(Beifall von der SPD)

Sie haben in Wahrheit keinen Plan. Wenn Sie einen hätten, der den Namen auch verdient, dann hätten wir schon längst im Ausschuss beginnen können, NRW fraktionsübergreifend auf die unterschiedlichen Szenarien eines Brexits vorzubereiten. – Glücklicherweise hat der Landtag das selbst in die Hand genommen und eine Enquetekommission zu diesem Thema einberufen.

Abgesehen davon ist rein personell längst nicht mehr klar, wer in dieser Landesregierung eigentlich wofür zuständig ist. Mal reist Herr Minister Pinkwart nach Großbritannien und berichtet, er habe die Beziehungen zwischen NRW und dem Vereinigten Königreich für die Zeit nach dem Brexit abgesteckt. Mal lädt Herr Merz zu einer Pressekonferenz zum gleichen Thema ein – am liebsten übrigens, wenn er parallel zu Gast in einer Ausschusssitzung sein sollte – und verkündet, wie er sich die Beziehungen nach dem Austritt Großbritanniens vorstellt.

Dann wieder erklärt Herr Minister Holthoff-Pförtner, der qua Ressort eigentlich die Zuständigkeit für das Feld haben müsste, nun sei endlich eine interministerielle Arbeitsgruppe gegründet worden. Weil das offenbar nicht unübersichtlich genug ist, wird das ganze Durcheinander unter anderem aus dem Einzelplan des Ministerpräsidenten finanziert.

In Anlehnung an Henry Kissinger geht einem da die Frage durch den Kopf: Wen rufe ich eigentlich an, wenn ich über den Brexit sprechen möchte? Was haben wir in den letzten Monaten nicht alles gehört, was die Landesregierung so machen möchte. Wer ihr zugehört hat, konnte zeitweise den Eindruck gewinnen, die Unternehmen stünden Schlange und Tausende von Arbeitsplätzen würden nach NRW verlegt. Wir haben gerade ein paar Zahlen gehört. Aber von Schlangestehen ist da weit und breit nichts zu sehen.

Fakt ist: Bis auf ein paar nette Gespräche und unverbindliche Rechenbeispiele können Sie 121 Tage vor dem offiziellen Austritt Großbritanniens aus der EU nichts, aber auch gar nichts vorweisen.

Das an sich wäre keine Katastrophe. Die seltsamen Dynamiken, die das absurde Verhalten der britischen Konservativen ausgelöst haben, sind, wie eingangs gesagt, ohnehin kaum mehr zu begreifen.

(Zuruf von Thomas Nückel [FDP])

Noch wissen wir weder, wie das Britische Unterhaus im Dezember über diesen aktuellen Deal abstimmt, noch überhaupt, ob ein eventueller Exit vom Brexit mit europäischem Recht vereinbar wäre. Anstatt vorneherum große Reden zu schwingen und hinter den Kulissen die Beine hochzulegen, wäre es Ihre Pflicht, endlich das zu tun, wofür Sie unter anderem gewählt worden sind: Bereiten Sie NRW bitte auf den Brexit vor! Wir als SPD-Fraktion sagen Ihnen jede Unterstützung zu.

(Zuruf von Thomas Nückel [FDP])

Es ist eine schwierige Aufgabe. Sie haben das gerade in Ihren Wortbeiträgen auch angemahnt. Jetzt gebe ich Ihnen die Hand und höre hier dummes Gestöhne.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Thomas Nückel [FDP]: Sie haben keine Ahnung!)

– Zu Ihnen, Herr Nückel, und Ihrer Rede habe ich doch schon einiges gesagt. Die war qualitätsmäßig unter aller Kanone. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Dr. Optendrenk jetzt das Wort.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Weiß, da haben Sie es sich aber sehr leicht gemacht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ging bei den Vorrednern auch sehr gut!)

Da haben Sie erst eine Aktuelle Stunde beantragt und versucht, hier eine Shownummer abzuziehen, und am Schluss, als Sie festgestellt haben, dass da doch etwas passiert, das haben wir vielleicht nicht mitbekommen, das haben wir nicht ernst genommen oder das passt uns nicht in den Kram, sagen Sie jetzt: Dann reichen wir Ihnen die Hand. – Danke schön.

Natürlich können wir diese Hand gerne annehmen; denn ich habe auch Ihrem Kollegen Kutschaty schon gesagt: Es ist gut, wenn wir gemeinsam in der Analyse sind, und es ist gut, wenn wir gemeinsam Dinge auf den Weg bringen. – Aber es hörte sich mit den drei Aktuellen Stunden, die hier beantragt worden sind, völlig anders an. Die ersten drei Redebeiträge waren auch völlig anders.

Wenn am Schluss das Ergebnis der Debatte sein sollte, dass wir gemeinsam versuchen, für die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen, für die Menschen aus Großbritannien, die hier leben, für die Unternehmen, für die Arbeitsplätze das Beste zu tun – wunderbar. Dann hätten wir aber besser eine Fachdebatte geführt, als Ihre drei Anträge zu Aktuellen Stunden diskutiert.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann hätten Sie sich nicht über Bahnverbindungen nach Tonbridge und Ähnliches auslassen müssen, sondern über die Frage, welche Ideen Sie denn haben, wie man die Probleme, die hier bestehen, tatsächlich besser löst als das, was Ihnen die Landesregierung bisher vorgetragen hat.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Jetzt seid ihr mal dran! Das könnt ihr nämlich nicht!)

Klassischerweise hat eine Opposition zwei Aufgaben. Die eine hat Herr Professor Pinkwart eben beschrieben, nämlich die Regierung anzutreiben, immer noch ein bisschen besser zu werden. Da hat er, glaube ich, den Impuls aufgenommen und hat gesagt: Besser werden können wir immer. – Von daher messen auch wir als Parlamentarier die Regierung jetzt an diesen Maßstäben. Das ist ein ständiger Innovationsprozess, den Sie gerne auch sonst immer anmahnen. Den werden Sie mit Sicherheit vorantreiben. Da bin ich mir ganz sicher.

Auf der anderen Seite hat die Opposition noch eine andere Rolle, nämlich Alternativen aufzuzeigen, wenn sie denn welche hat. Ich kann nur feststellen: Da war ganz viel heiße Luft.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Am Schluss ging Ihnen sogar die Luft aus.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Lesen Sie Ihre erste Rede!)

Spannend ist auch, wenn man betrachtet, was da alles an Behauptungen insinuiert wurde; man wisse von bestimmten Dingen gar nichts. Der Kollege Becker, der gleich mit Sicherheit noch einmal ans Rednerpult will, könnte uns einmal erläutern, ob er all das, was wir im Europaausschuss und im Plenum hier diskutiert haben, wirklich zur Kenntnis genommen hat.

(Michael Hübner [SPD]: Mehr als Sie auf jeden Fall!)

Wenn er die Beiträge, die Herr Merz im Ausschuss geleistet hat, wirklich wahrgenommen hat, dann gibt es zwei Möglichkeiten, Herr Kollege Becker. Die eine ist: Wir haben ein diametral unterschiedliches Staatsverständnis. Das würde mich nicht wundern. Die andere ist: Sie haben es einfach nicht wahrhaben wollen. Sie fragen einfach nur, weil sie fragen wollen, fragen wollen, fragen wollen. – Schön, dürfen Sie gerne. Aber dann müssen Sie sich mal die Frage stellen, warum Sie immer nur fragen und selber keine Antworten haben.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Kommen Sie zur Sache!)

Ich glaube, dass das Fazit dieser Debatte ein ganz einfaches ist. Bis 2017 hatten wir in Nordrhein-Westfalen sieben Jahre lang keine Europapolitik. Sie hat nicht stattgefunden. Seit 2017 sind nicht nur die Aktivitäten in Brüssel deutlich verstärkt worden, sondern auch die in London, die internationalen Aktivitäten ganz erkennbar sehr deutlich. Der Austausch mit Wissenschaft und Praxis ist verstärkt worden. Die Landesregierung hat mit NRW.INVEST und anderen zusammen ihre Hausaufgaben gemacht.

Trotzdem ist die Situation schwierig, weil sie einfach in der Sache schwierig ist. Es würde uns hier im Land Nordrhein-Westfalen gut zu Gesicht stehen, wenn wir alle gemeinsam diese Aufgaben angehen würden und nicht einfach nur Palaver und Aktuelle Stunden machen würden. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Kollege Becker für 1:44 Minuten maximal das Wort.

Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich betonen, dass sich das bei Herrn Pinkwart – das gebe ich gerne zu – immer so anhört, als würde ein Riesenkonvolut von Aktivitäten entstehen. Wenn man es hinterher auf Substanz abklopft, ist es bedeutend weniger. Herr Pinkwart, Sie haben sich zum Beispiel dazu verstiegen, zu sagen, die acht Interessensbekundungen in Nordrhein-Westfalen würden sich gegenüber dem, was Hessen hat, gut ausnehmen.

(Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Insgesamt 18 habe ich gesagt!)

– Mit 870 Mitarbeitern auf 18 Interessensbekundungen. Sie vergleichen Äpfel mit Birnen. In Hessen gibt es bereits 50 Zusagen, und hier gibt es 18 Interessensbekundungen ohne feste Zusagen. Das ist nicht das Gleiche. Das wissen Sie auch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir werden am Ende sehen, was davon tatsächlich übrigbleibt.

Zweite Bemerkung: Sie haben immer wieder ein Gesetz angekündigt, das sich mit den Folgen des Brexits beschäftigt. Sie haben vor kurzer Zeit ein Gesetz mit drei Paragrafen vorgelegt, was nichts anderes ist, als Herauskopiertes aus dem Bundesgesetz und sich ausschließlich mit der Übergangsregelung beschäftigt – nicht mit den Folgen eines harten Brexits und mit allen anderen Möglichkeiten, die dann noch bestehen, obwohl das immer angekündigt war ausweislich der Protokolle, die ich gelesen habe, Herr Kollege Optendrenk.

Jetzt frage ich Sie: Glauben Sie ernsthaft, dass diese Übergangsregelung tatsächlich in wenigen Tagen im Unterhaus beschlossen wird – oder ist das im Gegenteil eher nicht zu erwarten? Sie leben doch völlig hinter der Zeit!

Das ist überhaupt das Interessante: Sie haben immer Dinge eingefordert, die Sie jetzt in Ihrem eigenen Schneckentempo nur mit Floskeln, nicht aber mit Substanz ins Parlament einbringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Horst Becker (GRÜNE): Das Einzige, das Sie schnell geschafft haben, ist, in nur 18 Monaten eine Wagenburgmentalität zu entwickeln, die mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Ich schaue in Richtung der beiden Fraktionen, die noch Redezeit haben. – Ich sehe keine Wortmeldungen. Dann hätte die Landesregierung noch Gelegenheit, zu erwidern. – Auch hier sehe ich keine Wortmeldung.

Daher sind wir am Ende der heutigen Aussprache zu Tagesordnungspunkt 1 – Aktuelle Stunde – angelangt, den wir auch gemeinsam schließen können.

Ich rufe auf:

2   Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen zur Prüfung der Umstände der Verwechslung, Inhaftierung, des Todes und des Umgangs mit der Familie von Amad A. (PUA Kleve)

Antrag
der Abgeordneten
der Fraktion der SPD und
der Abgeordneten
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4293

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner erhält für die SPD-Fraktion Herr Kollege Wolf das Wort.

Sven Wolf (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus den vielen Diskussionen, die wir im Parlament und in den Ausschüssen geführt haben, wissen Sie alle: Der Fall des zu Tode gekommenen Amad A. ist tragisch. Ein Mensch, der sich zu Unrecht in der Obhut staatlicher Institutionen befand, ist tot. Wir wissen nicht, wie und warum er gestorben ist.

Dieses Wie und Warum ist quälend – vor allem für die Familie von Amad A.. Dieses Wie und Warum – das haben die bisherigen Berichte der Landesregierung und die Diskussionen in den Ausschüssen gezeigt – konnte bisher nicht beantwortet werden, und das zwei Monate – zwei Monate! – nach dieser Tragödie. Die Fragen werden uns noch lange begleiten. Sie zu beantworten, wird Aufgabe des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses sein, den SPD und Bündnis 90/Die Grünen heute beantragen.

Im gemeinsamen Einsetzungsbeschluss empfehlen wir Ihnen, dem Untersuchungsausschuss den Auftrag zu erteilen, strukturelle Defizite sowie mögliche Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und Fehlverhalten der Landesregierung – insbesondere der Ministerien des Innern und der Justiz und der nachgeordneten Behörden – zu diesem tragischen Fall aufzuklären.

Dabei sollen insbesondere die innerbehördlichen und interministeriellen Informationsflüsse, die Presse- und auch die Öffentlichkeitsarbeit sowie die Kommunikation gegenüber dem Parlament im Mittelpunkt stehen. Das größte Versäumnis der Landesregierung und insbesondere des Justizministers liegt in der katastrophalen Informationspolitik in diesem Fall.

(Beifall von der SPD und Monika Düker [GRÜNE])

Herr Minister Biesenbach, durch diesen Fehler, den Sie zu verantworten haben, haben Sie – obwohl Sie viel Erfahrung im Parlament haben – diese Tragödie zu einem politischen Skandal gemacht. Dafür tragen Sie die Verantwortung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir wissen: Vieles im Fall Amad A. ist auch Teil der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung. Die Staatsanwaltschaft wird die strafrechtliche Dimension dieses Falles lückenlos aufklären; daran habe ich überhaupt keinen Zweifel.

Dies allein wird aber nicht reichen. Längst ist deutlich geworden: Dieser Fall hat eine politische und eine sehr strukturelle Dimension. Deshalb sind wir gefordert, alle uns zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um zu einer umfassenden Aufklärung beizutragen. Da dürfen wir nichts unversucht lassen. Die Fragen lauten: Wo gibt es systematische Fehlerquellen? Wo brauchen wir Verbesserung? Wie können solche Fehler künftig vermieden werden?

Daher begrüße ich ausdrücklich im Namen der SPD-Fraktion, dass Minister Biesenbach und Minister Reul angekündigt haben, eine Strukturkommission einzusetzen, die sich mit den strukturellen Fragen beschäftigt. Ich habe dem Justizminister mitgeteilt, dass die SPD-Fraktion die Einrichtung ausdrücklich unterstützt und wir ihm personelle Vorschläge unterbreiten werden.

Eine Strukturkommission wird aber nicht reichen, die Tragödie im Fall der JVA Kleve aufzuklären. Eine Strukturkommission – wie der Name schon sagt – wird sich mit Strukturen grundsätzlicher Art, zum Beispiel dem Brandschutz in den JVAen, auseinandersetzen. Da Sie, Herr Minister, abgelehnt haben, dass der Fall Amad A. in dieser Strukturkommission bearbeitet wird, und Sie auch unseren Vorschlag abgelehnt haben, einen Sonderermittler zu beauftragen, bleibt es dabei, dass wir im Parlament einen Untersuchungsausschuss einrichten werden.

Weder die Expertenkommission noch die Staatsanwaltschaft wird alle Fragen restlos klären. Ich möchte mal einige dieser Fragen nennen: Wie wollen wir künftig sicherstellen, dass Polizei und Justiz besser und rechtssicherer zusammenarbeiten, um Verwechslungen wie bei Amad A. auszuschließen? War die medizinische und psychologische Behandlung von Amad A. angemessen und ausreichend, oder müssen die Abläufe künftig verbessert werden, wenn psychisch Auffällige inhaftiert werden? Was geschah eigentlich am 17. September dieses Jahres im Haftraum 143?

Diese Frage ist vollkommen offen. Sie muss lückenlos aufgeklärt werden. Wir als Landtag Nordrhein-Westfalen sind dazu verpflichtet, alles dazu beizutragen, diesen Justiz- und Polizeiskandal vollständig transparent zu machen, so gut wie möglich in allen Dimensionen aufzuklären sowie strukturelle Mängel aufzuzeigen und abzustellen.

Der heute beantragte Untersuchungsausschuss soll ausschließlich das Dunkelfeld um die Tragödie im Fall von Amad A. untersuchen und beleuchten. Es stellen sich immer noch viele Fragen. Ich sagte es eben schon: Zwei Monate nach diesem tragischen Fall sind immer noch viele Fragen unbeantwortet.

Ich will einige Beispiele nennen, damit Ihnen deutlich wird, welche Tragweite dieser Fall eigentlich hat. Amad A. soll am 4. Juli 2018 wegen Schwarzfahrens von der Polizei erkennungsdienstlich behandelt worden sein. Ihm sind Fingerabdrücke abgenommen worden. Dabei sind seine richtigen Personalien festgestellt worden.

Es stellt sich die Frage: Warum ist das zwei Tage später bei der Polizei nicht erneut so passiert? Warum gab es da nicht wieder einen richtigen Treffer, sondern warum hat man ihn dann verwechselt? Und warum hat man ihn dann mit einem anderen Menschen verwechselt, obwohl weder die Fingerabdrücke noch die Schreibweise des Namens gleich waren, noch das Geburtsdatum, noch die Muttersprache, noch die Hautfarbe? – All das stimmte nicht überein, und trotzdem ist Amad A. aus Syrien mit einem Menschen aus Afrika verwechselt worden.

Dann soll sich Amad A. selbst als suizidgefährdet bezeichnet haben. Die Frage, die im Mittelpunkt steht, lautet: Ist diese Selbsteinschätzung tatsächlich berücksichtigt worden? Ist man ausreichend darauf eingegangen? Hat man ihn ernst genommen? Wie ist man dann mit ihm umgegangen? Hat man ihn angemessen behandelt? Hat man ihn regelmäßig einem Psychologen vorgeführt? Hat man Beratungen mit ihm durchgeführt, um dieses Problem behandeln zu können?

Ich komme schließlich zum Brandtag. Zuerst hieß es: Es war kein Suizid, sondern ein Unfall. Das waren die ersten Meldungen. Dann war es doch ein Selbstmord, und es hieß: Es gab keinen Hilferuf. Danach gab es die Mitteilung, es habe doch einen Kontakt über die Kommunikationsanlage gegeben. Aber wann und wie lange? – All diese Fragen sind unbeantwortet.

Erst brauchte es keine Sachverständigen, dann, Wochen später, wurde gesagt: Nein, um den Fall vollkommen aufklären zu können, braucht man einen Brandsachverständigen. Der wurde erst zwei Wochen später hinzugezogen, obwohl der Haftraum in der Zwischenzeit schon mehrfach geöffnet worden war.

Sie, Herr Minister Biesenbach, haben Antworten auf diese vielen Fragen verweigert. Damit haben Sie aus dieser menschlichen Tragödie einen politischen Skandal gemacht. Wir sind überzeugt, dass es unsere Aufgabe als Parlamentarier ist, dem tragischen Fall des Amad A. unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit zu widmen. Es geht eben nicht nur um strukturelle Fragen und um strafrechtliche Dimensionen dieses Falles, sondern auch um das Schicksal eines Menschen, der in der Obhut staatlicher Institutionen auf tragische Weise ums Leben gekommen ist.

Dabei ist auch die Verantwortung dieser staatlichen Institutionen aufzuklären, und das wiederum ist die Verantwortung dieses Parlaments.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor uns liegt ein ganz großes Puzzle. Einen Teil dieses Puzzles haben Journalisten mit ihren Fragen an die Öffentlichkeit gebracht. Einen weiteren Teil haben wir im Rahmen der Ausschussarbeit an die Öffentlichkeit gebracht. Jetzt liegen aber noch einige Teile dieses Puzzles bei der Landesregierung. Ohne diese Teile werden wir kein Gesamtbild dieser Tragödie erhalten. Ein solches Gesamtbild zu erlangen, ist eine der zentralen Aufgaben dieses Untersuchungsausschusses. Unsere Aufgabe ist es, am Ende ein Gesamtbild zusammenzufügen.

Das ist eine sehr ehrenvolle und wichtige Aufgabe für den Untersuchungsausschuss. Hierfür darf ich die übrigen Fraktionen um ihre Unterstützung bitten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Sie können jetzt deutlich machen, welche Meinung Sie teilen. Wenn Sie glauben, dass der Minister alle Fragen beantwortet hat, stimmen Sie mit Nein und lehnen Sie den Antrag ab. Wenn Sie aber glauben, dass noch Fragen offen sind, dann stimmen Sie bitte unserem Einsetzungsbeschluss zu. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Wolf. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute auf den Tag genau vor zwei Monaten, am 29. September dieses Jahres, verstarb Amad A. in einem Krankenhaus in Bochum an den Folgen seiner schweren Brandverletzungen, die von einem Haftraumbrand herrührten, der am 17. September in der Justizvollzugsanstalt Kleve stattfand.

Amad A. saß unschuldig dort; er war unschuldig inhaftiert worden. Er verstarb im Krankenhaus als freier Mann. Er verstarb als syrischer Staatsangehöriger. Er verstarb im Krankenhaus als Amad A. – so war er identifiziert worden.

Man hat die Verwechslung nach dem Haftraumbrand festgestellt. Er konnte es wahrscheinlich gar nicht mehr mitbekommen, weil er auf der Intensivstation im Koma lag. Als man die Verwechslung feststellte, hat man ihn am Freitag – er starb am Samstag – offiziell aus der Haft entlassen. Er ist am nächsten Tag also in Freiheit verstorben. Er verstarb aber – ganz klar identifiziert – als syrischer Staatsbürger Amad A. Er war übrigens – das füge ich sozusagen in Klammern hinzu – hellhäutig.

Amad A. wurde am 4. Juli dieses Jahres wegen Schwarzfahrens erwischt und von der Polizei Krefeld zur Identitätsfeststellung vorläufig festgenommen.

Die Polizeidienststelle in Krefeld hat am 4. Juli 2018 unter Hinzuziehung des Ausländeramts Krefeld festgestellt, dass es sich hier um den syrischen Staatsbürger Amed A. – hellhäutig – handelt.

Am 6. Juli 2018 wurde die Polizei in Geldern zu einer Kiesgrube gerufen; dabei ging es um den Tatvorwurf der sexuellen Belästigung von Frauen. Amed A. soll als der Tatverdächtige identifiziert worden sein. Er konnte sich nicht ausweisen. Er wurde zur Feststellung der Identität mit auf die Polizeiwache in Geldern genommen. Dort wurden wie zwei Tage zuvor in Krefeld Fingerabdrücke von ihm genommen. Er wurde identifiziert als Amed A., syrischer Staatsbürger – hellhäutig –.

Er wurde danach in die Justizvollzugsanstalt Geldern überführt, danach in die Justizvollzugsanstalt in Kleve. Er saß dort in den JVAs über mehrere Wochen unschuldig inhaftiert und wurde geführt als Amed A., syrischer Staatsbürger – hellhäutig –.

Die ganze Zeit – von der ersten Situation auf der Polizeiwache in Geldern über die gesamte Zeit in der Haft bis hin zu seinem Tod im Krankenhaus – wurde Amed A. immer klar als derjenige identifiziert, der er war: Amed A., syrischer Staatsbürger – hellhäutig –.

Nach diesen Ereignissen fanden Sondersitzungen im Innenausschuss und im Rechtsausschuss statt. Wir hatten eine Aktuelle Stunde hier im Plenum. Wir hatten Fragenkataloge, es gab Nachberichte. Dennoch ist bis heute die Kernfrage nicht geklärt: Wenn er doch immer richtig identifiziert wurde als derjenige, der er war – warum ist es dann in diesem Land möglich, dass er wochenlang inhaftiert war – und jetzt tot ist –, und zwar als ein Staatsbürger aus Mali – dunkelhäutig –?

Er war es nicht! Wie kann so etwas sein? – Das müssen wir einfach aufklären. Das ist bis heute unklar.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Es kommt ja noch schlimmer: Nicht nur, dass er nicht der gesuchte Straftäter aus Mali, also ein Schwarzafrikaner, war – nein, er hat natürlich diese Taten – Diebstahl –, wegen derer der Straftäter aus Mali gesucht wurde, nie begangen. Die Straftaten wurden in Braunschweig und Hamburg begangen. Amed A. hatte immer angegeben, dass er dort noch nie war. Kein Dokument belegt irgendwo, dass Amed A. jemals in Hamburg oder Braunschweig war, wo diese Taten begangen wurden.

Die Diebstähle, für die der Straftäter aus Mali gesucht wurde, fanden 2015 statt. Amed A. ist erst im Frühjahr 2016 nach Deutschland eingereist. Er kannte diesen gesuchten Straftäter aus Mali gar nicht. Er saß unschuldig in Haft und ist jetzt tot – wegen einer Tat, die er nie begangen hat, die in Städten begangen wurden, in denen er nie war. Er war zur Tatzeit noch nicht einmal in Deutschland. Und das ist über mehrere Wochen niemandem bei der Polizei und in der Justiz aufgefallen, dass hier der Falsche sitzt? Das ist alles unerklärlich, und das müssen wir aufklären.

(Beifall von den GRÜNEN)

Daraus müssen wir vor allen Dingen Lehren ziehen, denn eines ist klar: Das Ganze ist nicht nur mit individuellem Versagen erklärbar, schließlich war er immer richtig identifiziert. Vielmehr muss es irgendwo Systemfehler und strukturelle Defizite geben, und diese müssen identifiziert werden. Dieser Untersuchungsausschuss muss seinen Beitrag dazu leisten und genau hinschauen, was tatsächlich passiert ist, um daraus Lehren zu ziehen.

Wir alle sind gefordert, Lehren daraus zu ziehen, Fehler zu finden und Strukturen zu korrigieren, damit so etwas nie wieder in unserem Land passiert.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wenn man genau hinsieht, fallen merkwürdige Dinge auf. Ich habe nicht so viel Redezeit, deshalb spare ich die Situation des Haftraumbrandes aus. Hierzu hat mein Vorredner vorhin schon einiges gesagt. Ich gehe zurück zur Ausgangssituation – dem Anfang allen Übels –: zur Festnahme in Geldern.

In der Sondersitzung von Innen- und Rechtsausschuss am 5. Oktober 2018 haben wir vom Innenminister erfahren, dass am 6. Juli 2018 – mitten im Hochsommer – um 15:26 Uhr zwei Streifenwagenbesatzungen der Polizeiwache Geldern zu einem Einsatz gerufen wurden. Es ging um ein „Hilfeersuchen in Geldern auf dem Heideweg“.

Im schriftlichen Bericht des Justizministers einen Monat später, am 5. November 2018, steht – ich zitiere –:

„Am 6. Juli 2018 gegen 15:26 Uhr wurden Beamte der Kreispolizeibehörde Kleve, Polizeiwache Geldern zu einem Einsatz wegen eines Hilfeersuchens zu einer Kiesgrube am Hartefelder Heideweg in Geldern gerufen.“

Das ist eine andere Adresse. Das ist auch gar nicht so schlimm; das ist nur eine Kleinigkeit. Aber anfangs hieß es: Zwei Streifenwagen sind zum Heideweg gefahren.

Wenn man das googelt, dann sieht man: Es gibt im Heideweg weder einen Baggersee noch eine Kiesgrube. Einen Monat später bekommen wir in einem schriftlichen Bericht mitgeteilt, es handele sich um den Hartefelder Heideweg. Das ist die richtige Adresse; da gibt es nämlich auch eine Kiesgrube.

Der Punkt ist: An jeder Stelle, an der bisher vonseiten der Landesregierung Korrekturen notwendig wurden, wurde – was ja auch logisch ist – das immer klar gekennzeichnet. Es wurde immer klar gekennzeichnet: Wir müssen uns korrigieren. Wir haben behauptet, Amed A. habe sich nie zum Brand geäußert, er habe sich nie über die Gegensprechanlage geäußert. – Dann gab es eine klare Korrektur: Nein, es war doch anders.

Diese Information aber wird uns nicht angezeigt. Das ist doch komisch. Erst wird uns gesagt: Da ist irgendetwas. – Dann gibt es da aber gar keine Kiesgrube. Dann fährt man dorthin – okay, andere Adresse.

Und dann wird es noch komischer. Ich habe ein paar Mal im Ausschuss nachgefragt: Also, da waren Mädchen, die haben an der Kiesgrube gelegen. Die soll er sexuell belästigt haben, und dann haben die Mädchen die Polizei gerufen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Ich komme sofort zum Ende. – Was mache ich in einer solchen Situation? – Ich rufe den Notruf. Wenn ich die Polizei rufe, rufe ich den Notruf. Da würde ich normalerweise nicht die Polizeiwache in Geldern direkt anrufen – woher sollte ich die Nummer kennen? Ich habe immer gefragt, ob es da einen Notruf gibt, der aufgezeichnet wurde. – Nein, es gibt keinen Notruf.

Jetzt, nach Monaten erfahren wir, dass es nie einen Notruf gab. Vielmehr wurde die Polizeiwache in Geldern direkt angerufen. Wurde das Gespräch aufgezeichnet? – Nein, es wurde nicht aufgezeichnet.

Was ist denn da genau passiert? Wer hat denn da überhaupt angerufen? – Wenn man nur einmal hinschaut – ich komme zum Schluss –, dann sieht man: falsche Adresse; man weiß gar nicht, was genau passiert ist. Man weiß nicht, ob eine Frau oder ein Mann angerufen hat und wer den Anruf angenommen hat. Das wissen wir alles nicht. Das ist nur ein ganz kleines Beispiel. Immer wenn man genauer hinschaut, wird die Geschichte komisch. Das müssen wir aufklären, und das werden wir aufklären. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und die Geduld.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Bergmann.

Dr. Günther Bergmann (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Lassen Sie mich ganz am Anfang namens und für die CDU-Fraktion sagen, dass uns das, was in Kleve passiert ist, sehr betroffen macht. Der Tod dieses Menschen ist furchtbar, und – lassen Sie mich das noch ergänzen – auch die Verletzungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Justizvollzugsanstalt Kleve sind schlimm. Diese Menschen, die ihr eigenes Leben riskiert haben, um ein anderes zu retten, haben damit gegen Vorschriften verstoßen, weil sie den Raum ohne Sicherungsbekleidung betreten haben.

Wenn Sie wie ich als Mitglied des Beirats der Justizvollzugsanstalt Kleve mal mit Mitgefangenen gesprochen hätten – Herr Engstfeld, Sie hätten das auch tun können, weil Sie dieses Wissen eigentlich auch haben müssten –, wären viele der heutigen Äußerungen anders ausgefallen. Denn diese Mitgefangenen berichten davon, was sie zwei Zellen weiter, von der Zelle 143 aus, gesehen und was sie durchlebt haben.

Was in Kleve passiert ist, ist furchtbar. Wir müssen alles nur Machbare tun, damit sich so etwas nicht wiederholt. Die Informationen müssen auf den Tisch, und nach einer endgültigen Beurteilung müssen auch Maßnahmenkataloge für das erstellt werden, was man da tun kann. Das haben die Minister nicht nur zugesagt, sondern sie haben in großen Teilen auch schon mit der Umsetzung angefangen.

All das wird bei der Antragsbegründung leider nicht erwähnt. Pauschalierungen, mitschwingende Unterstellungen, in Fragen mitschwingende Vorverurteilungen – all das ist nicht in Ordnung. Wo Probleme sind, da müssen wir handeln. Das haben wir die ganze Zeit auch gesagt: Wir müssen systemische Verbesserungen einführen. Denn aus jedem Fehler, der passiert, will man natürlich lernen und Maßnahmen ableiten, damit das nicht noch einmal passieren kann.

Dabei wird es immer wieder Situationen geben – das lehrt die Lebenserfahrung –, in denen Dinge wieder einmal in einer ganz anderen Konstellation passieren und wieder furchtbare Folgen nach sich ziehen. Kein Mensch kann alles ausschließen. Wer diesen Ansatz hat, wird in der Praxis automatisch scheitern.

Beide Minister haben sich mehrfach dafür entschuldigt, dass in der Obhut der nordrhein-westfälischen Behörden etwas passiert ist, was nicht hätte passieren dürfen. Es muss immer wieder gesagt werden, dass die Minister das bereits getan haben. Auch die systemischen Verbesserungen haben sie längst angekündigt.

Dass dieser Mann umgekommen ist, ist furchtbar. Dass dieser Mann jedoch in der Justizvollzugsanstalt Kleve Monate vorher schon einmal eingesessen hat – und zwar nicht unbegründet –, und dass dieser Mann an einem Baggersee in Geldern vier Mädchen sexuell belästigt hat, muss in diesem Zusammenhang doch bitte auch Erwähnung finden. Die Diskussion darf sich nicht einseitig auf die Minister fokussieren.

(Monika Düker [GRÜNE]: Was hat das denn damit zu tun? – Zuruf von Stefan Engstfeld [GRÜNE] – Zuruf von der SPD)

Die Offenheit und die Detailgenauigkeit in den Ausschüssen haben Sie, Herr Engstfeld, vorhin selbst erwähnt. In den Ausschüssen ist von den Ministern immer und immer wieder detailliert Auskunft gegeben worden. Dabei lag immer der Status zugrunde, den die Minister zu dem Zeitpunkt der jeweiligen Sitzung hatten. In der Retrospektive ist es immer wunderbar, zu sagen: Da hast du nicht das gesagt, was wir heute wissen. – Natürlich konnte der Minister immer nur das mitteilen, was man ihm bis zu dem Zeitpunkt berichtet hatte.

Ich möchte für die CDU-Fraktion ganz deutlich machen, dass die Arbeit in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss immer mit einem grundsätzlichen Ver- und Zutrauen in die Ermittlungsbehörden, in die Polizei und in die Vollzugsbehörden ausgestattet sein sollte.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der Primat der Arbeit des Ausschusses sollte sein, das Zutrauen in die Behörden in den Mittelpunkt zu stellen und nicht das Misstrauen, welches generaliter über alle Ebenen in unserem Land ausgeschüttet wird. Es kommt den Menschen, die in diesen Bereichen – bei der Polizei, in der Justizvollzugsarbeit – tätig sind, überhaupt nicht zugute, wenn sie immer und immer wieder von der Politik hören, dass sie zum Beispiel Teil eines Justizskandals seien.

Es ist nicht schön, wenn Menschen, die selber ihr eigenes Leben riskiert haben, sich so etwas von Politikern, die noch nicht einmal in der Justizvollzugsanstalt waren, an den Kopf werfen lassen müssen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ich frage mich bei der Begründung seitens der SPD – nicht bei der von Herrn Engstfeld –: Wenn so viele Fragen noch offen und nicht ganz geklärt sind, gleichzeitig aber so wichtig, dass sie in Zukunft zu systemischen Veränderungen führen, warum warten Sie dann nicht erst mal den offiziellen Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Kleve ab? Warum tun Sie das nicht?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielmehr haben Sie schon im Oktober Rücktrittsforderungen gestellt. Das widerspricht sich doch völlig, wenn man sagt: Wir wissen noch nichts, wir sind noch offen; aber wir haben im Oktober schon mal prophylaktisch den Rücktritt gefordert.

(Zuruf von der SPD: Sie haben ja gar nicht zugehört!)

Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar.

Wir verweigern uns einer detaillierten Aufarbeitung überhaupt nicht – ganz im Gegenteil. Das haben wir im Ausschuss auch sehr deutlich gemacht. Ich habe damals Herrn Engstfeld deutlich unterstützt, als ich gesagt habe, dass die Beantwortung der Fragen – sie sind innerhalb von drei Tagen von den beiden Ministerien eingetroffen –, dann noch mal komprimiert auf weitere Restfragen, erfolgen muss. Da haben Sie gesagt, das sei alles völlig in Ordnung.

Wir glauben aber, dass all das jetzt noch nicht nötig wäre, weil wir noch gar nicht alles wissen können. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sind noch nicht beendet. Das heißt also: Wir hätten vielleicht noch ein bisschen mehr Geduld gebraucht, um uns zu überlegen: Brauchen wir einen PUA, und wenn ja, welche Ausrichtung sollte dieser PUA haben? Ist dieser PUA zur Abarbeitung irgendwelcher Fragen, die wir nicht abarbeiten können, geeignet?

Ich bin mit dem Kollegen Engstfeld in einem Boot, wenn er sich die Frage stellt: Warum hat sich das der Mensch in der Zelle angetan? – Diese Frage hätte der Verstorbene nur selber beantworten können – und leider können wir ihn nicht mehr befragen. Das wird am Ende eine der Fragen sein, die immer ungeklärt bleiben werden.

Das macht mich, der ich schon ein paarmal vor Ort in der Justizvollzugsanstalt gewesen bin, sehr traurig. Aber das werden wir nicht ändern können. Wir hätten die Zeit abwarten müssen, um genau zu wissen: In welchen Bereichen müssen wir wirklich parlamentarisch untersuchen und in welchen Bereichen nicht?

Ich halte die Zustimmung zu einem solchen Antrag aus der Sicht der CDU nur wegen der Tradition des Parlaments und wegen des Schutzes eines Minderheitenwunsches für richtig – zumal die Sachverhaltsschilderungen und die in Ihrem Antrag genannten Themenkomplexe genau dem entsprechen, wozu sich die Minister verpflichtet haben, nämlich die Beantwortung aller Fragen, die Offenheit in Bezug auf die noch fehlenden Informationen und die Mitteilung der weiteren Erkenntnisse, die nun stückchenweise kommen.

Nur deswegen werden wir dem Antrag natürlich nicht beitreten, aber wegen des Schutzes des Minderheitenwunsches werden wir dem Antrag zustimmen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Bergmann. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Hannen.

Martina Hannen (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein junger Mann, 26 Jahre alt, wird aufgrund einer Verwechslung fälschlicherweise inhaftiert, sitzt für mehr als zwei Monate unschuldig in einer Justizvollzugsanstalt in Kleve und stirbt schließlich an den Folgen eines Feuers in seiner Zelle – einer Zelle, in der Ahmad A. zu Unrecht saß.

Dieser schreckliche, zutiefst aufwühlende Vorfall wirft zu Recht viele Fragen auf und verlangt auch nach gründlichen Antworten – Antworten, die auch die Angehörigen von Ahmad A. erwarten dürfen und die gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse, des erneuten Brandes in der Justizvollzugsanstalt Kleve und des schrecklichen Suizids in der JVA Herford, erneut an Bedeutung gewinnen.

Hierfür sind in unserem Land an erster Stelle die Ermittlungsbehörden zuständig. Diese sind es auch, die zuerst und umfassend aufklären.

Zugleich ist aber auch der Justizminister immer offensiv mit Informationen zu diesem tragischen Vorfall umgegangen und wird auch weiterhin über Erkenntnisse umfassend informieren.

Neben den individuellen Verantwortlichkeiten der handelnden Personen stellen sich natürlich auch Fragen – Sie sagten das schon – nach strukturellen Defiziten: Wie konnte eine solche Verwechslung überhaupt geschehen? Wie kann so etwas – das ist wichtig – zukünftig verhindert werden? Und: Wie können wir aus dem sinnlosen Tod eines Menschen zumindest Lehren ziehen?

Unabhängig von der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss hat der Justizminister daher auch folgerichtig angekündigt, eine Expertenkommission zu den Vorfällen in Kleve zu installieren. Hierbei sollen hochrangige und namhafte Sachverständige den Vorfall aufklären und eben auch eventuelle Defizite erkennen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen.

Die auftretenden Fragen all jener, die von unterschiedlichsten Seiten mit diesem Fall beschäftigt sind, wollen mit aller Kraft und auf verschiedenste Herangehensweisen eines erreichen, nämlich dass sich solche Ereignisse nicht wiederholen, dass niemand auf diese Art und Weise erneut zum Opfer wird, dass Sicherheit in vielerlei Hinsicht garantiert wird – außerhalb einer JVA und selbstverständlich innerhalb einer JVA.

Deshalb wird es Ziel der Expertenkommission sein, Konsequenzen zu ziehen, Optimierungsmöglichkeiten zu erkennen und systemische Schwächen möglichst schnell zu beheben.

Fassen wir an dieser Stelle einmal sachlich kurz zusammen: Die Staatsanwaltschaft ermittelt umfassend in diesem Fall, eine Expertenkommission wird die Vorkommnisse auf strukturelle Mängel untersuchen, und auch der jetzt einzusetzende Untersuchungsausschuss wird sich gründlich mit diesem Thema befassen.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, können jetzt nicht so tun, als ob der Justizminister und die Landesregierung irgendeine Kleinigkeit verschweigen würden. Das Ministerium, die Staatsanwaltschaft und auch die Expertenkommission – da bin ich sicher – werden jeden Stein einzeln umdrehen, natürlich auch zu den jüngsten schrecklichen Vorfällen in Kleve und in Herford.

Der Vorwurf, Justizminister Biesenbach hätte nicht umfassend aufgeklärt und Erkenntnisse verschwiegen, trägt in keiner Weise. So hat der Minister immer sofort und ohne Zögern über alle aufgeworfenen Fragen informiert.

Wenn über einen Umstand dieses schrecklichen Ereignisses dem Parlament gegenüber etwas eventuell nicht kommuniziert werden konnte, dann lag es nicht an dem Minister, der nicht informieren wollte. Es lag dann schlicht daran, dass noch keine belastbaren Informationen hierzu vorlagen. Ich bitte, das an dieser Stelle deutlich zu differenzieren.

Sie werfen aber dem Minister genau das vor, er habe nicht darüber berichtet, dass Ahmad A. die Gegensprechanlage der Justizvollzugsanstalt benutzt habe.

Das, meine Damen und Herren, ist falsch. Es wurde immer die aktuelle Berichtslage mitgeteilt. Die Angabe, die Gegensprechanlage der Justizvollzugsanstalt sei am Abend des Brandes vom Gefangenen nicht betätigt worden, kam vonseiten der Justizvollzugsanstalt in Kleve.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das wissen Sie alles schon? – Sven Wolf [SPD]: Das hätte man offen sagen können!)

Diese Information wurde dann genau so weitergeleitet. Dies versteht sich aber immer unter dem Vorbehalt, dass sich neue Informationen ergeben können. Sie wissen auch, dass man nicht immer sofort alle Informationen hat.

(Sven Wolf [SPD]: Gar keine Frage! Das hätte ein so erfahrener Parlamentarier wissen können!)

Entscheidend ist doch an dieser Stelle, dass man die Informationen, wenn man sie hat, genau weitergibt. Das ist entscheidend. Darum geht es doch an dieser Stelle.

Sie wussten das – auch das hat der Minister immer wieder betont –: Sobald Informationen vorlagen, wurden sie an uns weitergeleitet, ohne Wenn und Aber.

Halten wir fest: Sobald das Ministerium neue Informationen hatte, hat es das Parlament unterrichtet. Ihre Vorwürfe laufen ins Leere. Das wird auch dieser Untersuchungsausschuss zeigen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dieser Untersuchungsausschuss wird aber auch zeigen, dass alle im Umfeld handelnden Personen sich ihrer großen Verantwortung bewusst sind und Erkenntnisse gewinnen können, die es unwahrscheinlicher werden lassen, dass Menschen, die bei uns Zuflucht und Sicherheit suchen, das genaue Gegenteil davon erleben müssen.

Die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist das gute Recht der Opposition. Wir werden, wie bisher auch der Justizminister, im Zuge unserer Aufklärungsbemühungen alles Mögliche dafür tun, dass alle aufgeworfenen Fragen beantwortet werden. Das sind wir auch Ahmad A. und seiner Familie schuldig, das sind wir den Justizvollzugsbeamtinnen und ‑beamten schuldig, das sind wir den betroffenen Mithäftlingen schuldig. Das muss geleistet werden.

In guter parlamentarischer Tradition werden wir uns nicht verweigern, werden den Untersuchungsausschuss unterstützen und stimmen dem Antrag von SPD und Grünen zu, was aber – das ist wichtig, Herr Wolf – nichts mit dem Konstrukt Ihrer offenen Fragen zu tun hat. Denn das sehen wir grundlegend anders. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Hannen. – Nun spricht für die AfD-Fraktion Herr Röckemann.

Thomas Röckemann (AfD): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In den letzten Wochen wurden wir Zeugen eines rot-grünen Schauspiels aus dem Bereich: Fehler, die wir selber machten, und Fehler, die wir anderen anhängen wollen.

Vorab: Seit der Regierungsübergabe von Rot-Grün an Schwarz-Gelb hat sich an den Verfahrensabläufen – sei es beim BAMF, sei es bei der Polizei, sei es bei der Justiz – nichts geändert. Selbst die Meldeanlage bei der JVA Kleve ist dieselbe wie anno dazumal.

Das rot-grüne Regierungsbündnis hat die Zeit seiner Regierung nicht genutzt, um grundlegende Reformen im Bereich der Justiz und des Strafvollzugs anzustoßen. Stattdessen wurde unsere Heimat verspargelt, vermaist und mit nutzlosen Genderprojekten überzogen.

(Beifall von der AfD)

Justiz, Polizei, Infrastruktur und Bildung hingegen wurden kaputtgespart und niederregiert.

Deshalb ist Ihr Antrag auf Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses auch so dünnwandig. Sie werden sehen: Spätestens im Rahmen der Anhörung wird Ihnen die Angelegenheit auf die Füße fallen. Wir von der AfD werden schon dafür sorgen.

Wir werden aufzeigen, wie verlogen es ist, den tragischen Tod eines Einzelnen zu instrumentalisieren, um sich von den eigenen Versäumnissen in Nordrhein-Westfalen reinzuwaschen.

Bei der Gelegenheit werden Sie, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen von den regierungsnahen Oppositionsparteien, einem „Untersuchungsausschuss Reul“ zustimmen, bei dem die Schicksale der genitalverstümmelten Frauen und Mädchen in Nordrhein-Westfalen aufgeklärt werden und die Verstrickungen des Herrn Ministers in nicht durchgeführte Ermittlungsverfahren aufgedeckt werden?

Ich befürchte, das wird eher nicht der Fall sein. Sie sind nämlich einem Schwarz-Weiß-Denken verhaftet, das im Hinblick auf die tatsächlichen Verhältnisse, die in Deutschland um sich greifen, als rückständig gelten muss. Sie denken nicht mehr an Deutschland, sondern an Ihre eigene Klientel. Ihnen ist Ihr Mäntelchen näher als die Hose.

Ich nenne Ihnen gern ein Beispiel dazu. Gestern applaudierte doch tatsächlich ein Abgeordneter aus den Regierungsfraktionsreihen einem AfD-Redner, als dieser vom Europa der Vaterländer sprach.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Was für eine Krawatte hatte der denn an?)

Er war augenscheinlich von der Rede und dem dahinterstehenden Gedanken erfasst und teilte diese Meinung. Als er seinen Fehler bemerkte, erfolgte ein beinahe reflexartiges Umdrehen und Entschuldigen in Richtung seiner Parteifreunde. Genauso schnell kamen die hämischen Zurufe vonseiten der regierungstragenden Opposition.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Engstfeld?

Thomas Röckemann (AfD): Gern am Ende.

(Jens-Peter Nettekoven [CDU]: Kommen Sie jetzt zum Ende?)

Vizepräsident Oliver Keymis: Wann? Am Ende?

Thomas Röckemann (AfD): Kurz vor Schluss. Ich sage Bescheid.

Beinahe möchte mir der arme Mensch leidtun. Was ist ihm in der Zwischenzeit wohl widerfahren? – Tatsächlich tut mir unsere Demokratie leid und die Art und Weise, in der angebliche Volksvertreter mit ihr umgehen. Ich erinnere Sie daran, dass Sie ein freies Mandat haben und nur Ihrem Gewissen verpflichtet sind.

Nun gibt es also einen Untersuchungsausschuss zum Fall des Herrn Ahmed A., einem sogenannten Flüchtling.

Warum gibt es eigentlich so gut wie nie Anträge auf Untersuchungsausschüsse in den zahlreichen Fällen, in denen Deutsche durch Migranten zu Opfern werden? Vielleicht gibt es einen roten Faden, der mit Frau Merkel und der von ihr forcierten Einwanderung zu tun hat – vielleicht mit Herrn Laschet – und aufgedeckt werden könnte.

Erst in der Nacht auf Dienstag kam es in Köln-Mülheim zu einem brutalen Raubangriff gegen einen Obdachlosen.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Mein Gott!)

Ein Räubertrio mit südländischem Aussehen habe dem Opfer mehrmals gegen den Kopf getreten, und zwar gezielt, wie Zeugen aussagten.

Meine Damen und Herren von den Grünen und den Sozialdemokraten, Sie klagen an, dass Amad A. in staatlicher Obhut ums Leben kam. Er starb bekanntlich durch einen Haftraumbrand in der JVA Kleve.

Jetzt sage ich Ihnen einmal Folgendes:

(Wolfgang Jörg [SPD]: Bitte nicht!)

Jedes einzelne Opfer illegal in unser Land gekommener Schläger, Messerstecher und Vergewaltiger nimmt Schaden in staatlicher Obhut. Die Sicherheit der Bürger ist oberste Staatspflicht – erst recht, wenn die Bürger so geschröpft werden wie hierzulande.

Betreiben Sie zuerst Politik für die Bürger, die Sie bezahlen, anschließend gern auch für illegal eingereiste Ausländer. Es muss der Grundsatz gelten: Deutsche Interessen zuerst. – Wenn Sie die Zwischenfrage noch stellen wollen, tun Sie das bitte jetzt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Engstfeld.

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Kollege. Ich verzichte nach Ihrem Beitrag. Er spricht für sich.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der FDP und der AfD)

Thomas Röckemann (AfD): Vor diesem Hintergrund halten wir diesen Untersuchungsausschuss zurzeit nicht für zielführend, werden Ihren Antrag allerdings aufgreifen, um die Versäumnisse der alten Parteien, die sich in den letzten Jahrzehnten angehäuft haben, aufzudecken, und enthalten uns daher der Stimme. – Guten Tag.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Röckemann. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Die antragstellenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben direkte Abstimmung beantragt.

 Wir stimmen ab über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/4293. Wer stimmt dem Antrag zu? – SPD, Grüne, CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Dann ist der Antrag Drucksache 17/4293 bei Enthaltung der AfD-Fraktion und des fraktionslosen Abgeordneten Herrn Neppe einstimmig im Hohen Hause angenommen worden.

Ich rufe auf:

3   Straßenausbaubeiträge bürgerfreundlich gestalten

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4300

Die Aussprache ist eröffnet. Ans Pult tritt für die CDU-Fraktion Herr Kollege Hoppe-Biermeyer.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor gut zwei Wochen haben wir schon einmal über Straßenausbaubeiträge gesprochen. Der Gesetzentwurf der SPD war einfach gestrickt:

(Lachen von der SPD – Christian Dahm [SPD]: Aber gut! Aber gut!)

Die Straßenausbaubeiträge müssen abgeschafft werden, und das Land soll es bezahlen.

(Christian Dahm [SPD]: Das war übrigens der beste Vorschlag hier im Parlament!)

Das klingt nicht nur populistisch, sondern das ist es auch.

(Beifall von der CDU)

Da hat es wenig verwundert, dass auch die AfD dem SPD-Gesetzentwurf vorbehaltlos zustimmte.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Mehr noch: In einem echten Populismuswettstreit wurde dann noch eine Schippe draufgepackt.

(Michael Hübner [SPD]: Das war nur eine Überweisung, Herr Kollege! Das geht noch in die Anhörung, aber ist egal! Es ging nicht um die Abstimmung des Gesetzentwurfs, aber egal!)

Erschließungsbeiträge sollen am besten auch gleich mit abgeschafft werden.

Aus der Opposition heraus dicke Backen zu machen, ist das Recht der Opposition,

(Zuruf von der SPD: Das machen doch eure eigenen Abgeordneten!)

denn zum Glück müssen Worten keine Taten folgen.

(Michael Hübner [SPD]: Aha! Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt! Sie können auch zustimmen!)

Wenn das alles so einfach wäre, frage ich mich wirklich: Warum hat Rot-Grün bis 2017 nicht selbst gehandelt? – Ich sage Ihnen, warum:

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Michael Hübner [SPD]: Begeisterung!)

Weil das Problem nicht einfach zu lösen ist.

(Michael Hübner [SPD]: Aha!)

Wenn es einfach wäre, könnte es nämlich jeder. Sie, liebe Kollegen von der SPD, haben es sich in der Vergangenheit nicht zugetraut. Sie haben es sich leicht gemacht und nichts getan.

(Zuruf von der SPD)

Wir gehen das Problem jetzt aktiv an. Denken wir die Lösung des Problems einmal vom Ende her: Was würde passieren, wenn die Straßenausbaubeiträge komplett vom Land übernommen würden?

(Michael Hübner [SPD]: Was passiert denn dann?)

Die betroffenen Bürger bzw. Anlieger würden sich freuen. Die Anlieger, die in den letzten Jahren bereits Beiträge bezahlen mussten, dafür vielleicht sogar einen Kredit aufgenommen haben, würden sich eher weniger freuen.

Zuletzt haben Anlieger in NRW im Schnitt 120 Millionen Euro pro Jahr an Ausbaubeiträgen bezahlt. Gehen wir einmal davon aus, das Land würde eben diese 120 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um anstelle der Anlieger die Ausbaubeiträge zu bezahlen.

Das Geld würde nicht reichen – unabhängig davon, ob die Kommunen das Geld projektbezogen auf Antrag oder nach einem noch festzulegenden Schlüssel pauschal bekämen. Das Geld würde nicht reichen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hübner?

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Nein.

Vizepräsident Oliver Keymis: Keine Zwischenfrage. – Bitte schön.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Der Städte‑ und Gemeindebund geht von einem Betrag im hohen dreistelligen Millionen Bereich aus, der jedes Jahr auf das Land zukäme, weil kommunale Straßen dann früher grundsaniert würden, weil kommunale Straßen dann höherwertig ausgebaut würden

(Michael Hübner [SPD]: Wenn das Land bezahlt, werden die Straßen höherwertig ausgebaut?!)

und weil dann auch mehr kommunale Straßen ausgebaut würden.

Zur Wahrheit gehört auch, dass jeder Euro Steuergeld, der in Straßenausbaubeiträge fließt, woanders nicht mehr ausgegeben wird und zum Beispiel in der Kitafinanzierung fehlen könnte.

(Michael Hübner [SPD]: Weiß Herr Wüst das?! – Weitere Zurufe von der SPD)

Die komplette Abschaffung der Straßenausbaubeiträge kann also nicht die Lösung sein.

Wir möchten darum am System der Straßenausbaubeiträge mit allen Rechten und Pflichten für den Bürger festhalten, es aber weiterentwickeln. Zahlreiche Presseberichte, Initiativen und Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern machen deutlich, dass an der gängigen Praxis etwas geändert werden muss.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dahm?

(Bernhard Hoppe-Biermeyer [CDU] winkt ab.)

– Keine Zwischenfrage, okay.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Wir brauchen eine intelligente Lösung. Wir wollen verantwortungsbewusst an das Thema herangehen und berücksichtigen dabei die Interessen der Anlieger genauso wie die der Allgemeinheit und die der Kommunen.

Ganz wichtig ist eine frühzeitige Bürgerbeteiligung. Alle geplanten Maßnahmen sind im Dialog mit den Anliegern zu entwickeln.

(Michael Hübner [SPD]: Das war in der Vergangenheit auch so!)

Transparenz bei Planung, Kosten und Zahlungsfälligkeiten sollen für mehr Akzeptanz sorgen.

(Michael Hübner [SPD]: Das war auch in den letzten sieben Jahren so!)

Der Zinssatz bei Ratenzahlung und Stundung soll sich am Basiszinssatz der Bundesbank orientieren. Eventuelle Landesförderung soll in Zukunft auf die gesamte Baumaßnahme und nicht mehr nur auf den kommunalen Anteil angerechnet werden.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was heißt das denn?)

Schließlich enthält der vorliegende Antrag zwei Prüfaufträge. Zu prüfen ist, inwieweit eine Regelung für Härtefälle geschaffen werden kann und ob die Kommunen in Zukunft selbst über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen entscheiden können.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist ja ganz großartig!)

Mit der Modernisierung des § 8 des Kommunalabgabegesetzes stellen wir die Balance zwischen den Interessen der Anliegerinnen und Anlieger auf der einen Seite und den der Kommunen auf der anderen Seite wieder her. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP‑ Zuruf von Christian Dahm [SPD]: Das spaltet das Land!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hoppe-Biermeyer. – Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Herr Höne.

Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist Anspruch der NRW-Koalition, dass wir bei den Straßenausbaubeiträgen mit einer Modernisierung und Reform dafür Sorge tragen wollen, dass die finanzielle Überforderung von Anwohnern durch diese Beiträge zukünftig verhindert wird.

Es ist zugleich unser Anspruch, dass wir die haushaltspolitischen Realitäten sowohl im Land als auch bei den Kommunen dabei nicht aus dem Auge verlieren.

Auf Grundlage dieser zwei Prämissen haben wir hier vor 14 Tagen – der Kollege Hoppe-Biermeyer hat es gerade auch erwähnt – schon einmal über dieses Thema gesprochen und am vorliegenden Gesetzentwurf der SPD Kritik geübt.

Die SPD lässt zum Beispiel die Gegenfinanzierung völlig außer Acht. In den Diskussionen wird gerne auf das verwiesen, was in anderen Bundesländern der Fall ist. Darauf möchte ich zumindest kurz eingehen.

Bayern wird angeführt, obwohl der Kostenausgleich für die Kommunen in Bayern bislang offen und noch gar nicht geregelt ist. Ist das die Lösung, die der SPD vorschwebt?

Dann ist dem NDR zu entnehmen, Mecklenburg-Vorpommern überlege, die Beiträge abzuschaffen. Im Gegenzug wolle man dort aber die Grunderwerbsteuer erhöhen, um das zu finanzieren. Ist das die Lösung, die der SPD in Nordrhein-Westfalen vorschwebt?

(Christian Dahm [SPD]: Nein! Nein!)

Solange Sie keine Antwort darauf geben, wie Sie finanzieren wollen, bleibt das, was Sie hier vortragen, heiße Luft. Es ist nicht ernst zu nehmen – zumindest nicht vor dem Hintergrund dessen, was ich hier vor 14 Tagen zitiert habe, nämlich den Kollegen Dahm, der vor kaum anderthalb bis zwei Jahren keinen Handlungsbedarf gesehen hat.

Dann haben wir auch nachgeschaut, wie sich der damalige Minister, Herr Jäger, hier im Plenum dazu verhalten hat. Das ist im Plenarprotokoll insofern schwer zu finden, als dass der damalige Minister Jäger keine drei Sätze zu diesem Fachbereich übrig hatte.

Der war kaum hier vorne an seinem Platz angekommen, da war er schon mit der Rede fertig. So viel Zeit hat sich die SPD in Regierungsverantwortung für dieses Thema genommen, und so viele Gedanken hat sie sich dazu gemacht. Das ist schlicht unseriös.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hübner?

Henning Höne (FDP): Herr Hübner wird in dieser Woche ja nach Zwischenfragen bezahlt – so ist zumindest unser Eindruck. Da will ich mich dem nicht entgegenstellen.

Michael Hübner (SPD): Herr Höne, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage im Gegensatz zu Ihrem Vorredner zulassen.

(Henning Höne [FDP]: Das entscheidet jeder Redner selbst!)

– Ja, natürlich entscheidet das jeder selbst. Deswegen darf ich auch die Bemerkung dazu machen. Vielen Dank, dass Sie mir die Möglichkeit gestatten, das dann auch zu tun.

Sie haben gerade über den alten Gesetzentwurf gesprochen, der in der letzten Legislaturperiode beraten wurde. Vielleicht erläutern Sie dem Plenum doch, um welche Zielsetzung es sich handelte.

Meines Erachtens – und nicht nur meines Erachtens – ging es darum, dass man wiederkehrende Straßenausbaubeiträge vorlegen würde.

Mit unserem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf geht es darum, diese Beiträge abzuschaffen. Das sind zwei unterschiedliche Sachverhalte. Oder würden Sie behaupten, dass das der gleiche Sachverhalt ist?

(Beifall von der SPD)

Henning Höne (FDP): Lieber Herr Kollege Hübner! Ich würde behaupten und behaupte sogar – hier erinnere ich mich an meinen alten Deutschlehrer, der einen immer sofort korrigiert und gefragt hat: Sagen Sie das, oder würden Sie das sagen? –: Es ist der gleiche Sachverhalt, weil es beide Male um Straßenausbaubeiträge geht.

(Christian Dahm [SPD]: Nein! Schwachsinn!)

Es gab zwei unterschiedliche Lösungsansätze. Darum geht es selbstverständlich. Die CDU hat damals wiederkehrende Straßenausbaubeiträge gefordert.

Die Äußerungen des Kollegen Dahm aus dem Ausschuss, die ich hier vor 14 Tagen zitiert habe – lesen Sie es gerne noch einmal nach; hätte ich das Protokoll bloß mit nach vorne genommen – besagen, dass sich das Gesamtkonstrukt Straßenausbaubeiträge bewährt habe und darum wiederkehrende Beiträge für ihn nicht infrage kämen.

(Christian Dahm [SPD]: So ist es!)

Das ist doch das Entscheidende: Sie fordern die Abschaffung, während die CDU damals wiederkehrende Beiträge gefordert hat.

(Michael Hübner [SPD]: Ja, wir fordern die Abschaffung!)

Der Kollege Dahm hat sich aber zum Beispiel ebenso wie der Minister Jäger allgemein zum Thema „Straßenausbaubeiträge“ geäußert.

(Christian Dahm [SPD]: Zu den wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen!)

– Herr Kollege Dahm, wir können es in den Ausschussprotokollen oder dem Plenarprotokoll von vor 14 Tagen nachschauen.

Sie haben gesagt, das Grundsatzkonstrukt Straßenausbaubeiträge hätte sich bewährt, darum kein Änderungsbedarf.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Darum ist das unredlich, was Sie hier machen.

Da unterscheiden wir uns übrigens, weil wir nämlich sagen: Es gibt Modernisierungsbedarf, es gibt Reformbedarf, weil es Fehler im System gibt. Das ist der deutliche Unterschied zur Vorgängerregierung.

Wir sehen teils drastische Beiträge und Ausbaubescheide, die zu einer Überforderung der Bürgerinnen und Bürger führen. Wir sehen und bekommen von Bürgern zurückgespielt, dass sie das Gefühl haben, die Kommune hätte sich jahrelang, jahrzehntelang nicht um die Unterhaltung der Straße gekümmert und würde dann so lange warten, bis alles umlagefähig sei.

Wir bekommen Hinweise darauf, dass erst viele Jahre nach Fertigstellung abgerechnet wird, was vor Ort zu Unzufriedenheit führt – ich meine: zu Recht.

Wenn ich das nebenbei sagen darf: Ich halte bei jeder Gelegenheit die kommunale Selbstverwaltung hoch. Bei den Straßenausbeiträgen ist aber festzustellen, dass sich der Satz „Auch schlechte kommunalpolitische Entscheidungen sind durch diese Selbstverwaltung abgedeckt“ leider bewahrheitet.

Wie vor Ort zum Teil damit umgegangen wird, das erstaunt mich doch schon sehr. Wenn sich ein Hauptverwaltungsbeamter darüber wundert,

(Michael Hübner [SPD]: Nennen Sie Beispiele!)

dass es Widerstand gibt, wenn er Ausbaubeiträge von 25.000 Euro oder 30.000 Euro an eine Witwe verschickt, dann könnte vielleicht der Hauptverwaltungsbeamte nicht der beste Mann oder die beste Frau auf diesem Posten sein.

(Christian Dahm [SPD]: Er hält sich doch nur an die Rechtslage!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Schmeltzer?

Henning Höne (FDP): Ja.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Schmeltzer.

Rainer Schmeltzer (SPD): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, sehr geehrter Herr Kollege Höne.

Auch ich habe mir einmal die alten Unterlagen angesehen, habe auch mit Freude zur Kenntnis genommen, dass Sie sich damals hier im Hohen Hause gegen die wiederkehrenden Beiträge ausgesprochen haben.

Sie haben gerade sinngemäß gesagt, dem Minister Jäger wäre es damals nicht so wichtig gewesen, weil er hier im Parlament nur drei Sätze dazu gesagt habe. Das ist, zumindest was die drei Sätze betrifft, richtig.

Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass diese drei Sätze beinhaltet haben, dass alle Argumente gegen diesen Gesetzentwurf zu wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen bereits von den regierungstragenden Fraktionen umfangreich vorgetragen wurden und er somit nicht die Diskussion in die Länge ziehen wollte?

Henning Höne (FDP): Das nehme ich gerne zur Kenntnis. Wenn das das Amtsverständnis des Innenministers war, seitens der Landesregierung keine eigenen Argumente ins Feld zu führen, dann war das so. Möglicherweise ist das ein weiterer kleiner Baustein, der zu seiner Bilanz beigetragen hat.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir wollen eine Modernisierung des KAG. Wir wollen eine verpflichtende frühzeitige Bürgerbeteiligung.

Ich will ausdrücklich sagen, dass ich den Vorschlag des Kollegen Mostofizadeh von vor 14 Tagen sehr bedenkenswert finde. Sie hatten, Herr Kollege, eine Art Informationsportal vorgeschlagen, um Transparenz darüber zu schaffen, was in den nächsten Jahren vor Ort geplant ist. Das finde ich sehr gut. Das passt auch wunderbar zu dem Vorschlag der frühzeitigen Beteiligung.

Wir wollen in Richtung der kommunalen Selbstverwaltung prüfen, ob nicht die Kommunen, wie das zum Beispiel in Niedersachsen der Fall ist, zukünftig selbst darüber entscheiden können, ob sie die Gebühren erheben. Dazu rief Herr Dahm eben: Damit würde man das Land spalten.

(Beifall von der SPD)

Herr Dahm, was haben Sie eigentlich dem Bürgermeister in Herford, Ihrem Parteifreund, gesagt, der ganz groß in der Presse angekündigt hat, er würde jetzt nicht mehr erheben, in Herford müsse man das jetzt nicht mehr, begleitet von einigen anderen?

(Beifall von der FDP und der CDU – Michael Hübner [SPD]: Sie spalten das Land wie bei den Kitagebühren!)

Übrigens empfehle ich, Herr Kollege Hübner, einen Blick in die entsprechenden Abrechnungen der einzelnen Städte.

Ihrer Argumentation folgend müsste das ja bedeuten, dass gerade Großstädte mit finanziellen Problemen, die den Maximalsatz nach Mustersatzung abrechnen, überall 70 %, 80 % umlegen.

Schaut man sich aber einzelne Städte an, dann stellt man fest, dass dies beileibe nicht so ist. Viele der kreisfreien Großstädte in Nordrhein-Westfalen rechnen unterhalb des landesweiten Durchschnitts prozentual ab.

(Michael Hübner [SPD]: Aber nur, wenn sie gut regiert sind!)

Ihre Vermutung, dass, wenn das freigestellt würde, wir an jeder Stelle die Sorge haben müssten, dass es überall zu deutlich erhöhten Forderungen kommt, ist also wirklich nicht berechtigt.

Dann haben wir – das habe ich auch schon vor 14 Tagen gesagt; auf den Zinssatz ist eingegangen worden – den Rechtsanspruch auf Ratenzahlung. Viele Kommunen machen das so. Das ist gut so.

Es gibt diesen Rechtsanspruch im Moment aber nicht. Es gibt auch Kommunen, in denen das zu deutlichen Schwierigkeiten führt. Auch dort gibt es also noch etwas zu tun.

Abschließend möchte ich kurz auf die Förderprogramme eingehen. Es ist doch ein Treppenwitz, dass, wenn eine Kommune den Ausbau einer Straße gefördert bekommt – über welches Programm auch immer und es am Ende eine 80-%-Förderung gibt –, sich dieser Förderanteil immer nur auf den kommunalen Anteil bezieht, aber die Bürgerinnen und Bürger das Gleiche bezahlen, egal ob es dieses Förderprogramm gibt oder nicht.

Auch dort wollen wir eine Veränderung herbeiführen, damit die Bürgerinnen und Bürger, die über ihre Steuern die Förderprogramme mitbezahlt haben, davon profitieren können.

Es gibt beim Wie in der Umsetzung der Ausbaubeiträge extrem viel zu tun. Es gibt gute Möglichkeiten, das entsprechend weiterzuentwickeln unter den eingangs genannten Prämissen. Auf diesen Weg werden wir uns machen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Es gibt eine Kurzintervention, angemeldet auf Ihre Rede, von der SPD-Fraktion. Der Kollege Dahm hat dafür das Wort. Bitte schön, Herr Dahm.

Christian Dahm (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Höne, Sie haben uns erklärt, dass Sie das KAG modernisieren wollen. Ihr Vorschlag wird offenbar sein, dass Sie es den Kommunen freistellen, ob sie zukünftig Beiträge erheben oder nicht. Ich stelle fest, dass Sie zukünftig das Land spalten, ähnlich wie Sie es zu Ihrer alten Regierungszeit bei den Kitabeiträgen schon gemacht haben.

(Beifall von der SPD)

Damit wird eines deutlich: Es ist davon abhängig, wo ich in diesem Land wohne, ob und in welcher Höhe ich Beiträge zahle. Das spaltet das Land, und das kann nicht im Interesse unserer Politik sein.

Sie haben hier deutlich gemacht, dass Sie das KAG modernisieren und reparieren wollen. Wie stehen Sie denn zu dem Blatt der Freien Demokraten aus Korschenbroich „Liberales Update 2018“ aus dem November, also ganz druckfrisch?

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Ich darf mal zitieren:

Die FDP fordert, dass die Straßenausbaubeiträge abgeschafft werden. Daher unterstützen wir die Volksinitiative des Bundes der Steuerzahler NRW.

Wie stehen Sie dazu?

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Höne. Sie haben jetzt 1 Minute und 30 Sekunden für Ihre Stellungnahme.

Henning Höne (FDP): Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dahm, die FDP ist keine Partei, in der von oben durchregiert wird, sondern jede Untergliederung hat natürlich ihre eigenen Beschlüsse.

(Beifall von der FDP – Lachen von der SPD)

Dass gerade die SPD in der Woche, in der Ihr Ex-Parteifreund Bülow auf 70 Seiten darstellt, was Sie alles den ganzen Tag über falsch machen, diese Karte zieht, finde ich bemerkenswert. Vorsicht im Glashaus, lieber Kollege Dahm!

(Beifall von der FDP – Michael Hübner [SPD]: Wann treten die aus Korschenbroich aus?)

Zu Ihrem ersten Aspekt: Sie sagen, mit jedem Unterschied, der sich kommunal ergäbe – ob es sich um Kitas oder um Ausbaubeiträge handelt –, würde man das Land spalten. Diese Buzzwords benutzen Sie dann immer.

(Michael Hübner [SPD]: Ja, sicher! Genau so! – Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist sogar ihre Absicht!)

Ich sage Ihnen aber ganz deutlich: Ich verstehe kommunale Selbstverwaltung und Subsidiarität anders.

(Christian Dahm [SPD]: Das glauben wir!)

Kein gutes Modell ist, dass immer dann, wenn es unbequem wird, Land oder Bund für alle die gleiche Entscheidung treffen, und man immer dann, wenn es angenehm ist, auf kommunaler Ebene ein bisschen schaut, was man macht. Die Kommunen sind diejenigen, die vor Ort sind. Wir reden ihnen nicht bei der Sportfinanzierung rein. Wir reden ihnen nicht bei der Kitastruktur rein. Wir reden ihnen auch in ganz vielen anderen Bereichen nicht rein.

(Michael Hübner [SPD]: Nein! Um Gottes willen! Bei der Stichwahl auch nicht!)

Ich halte es nicht für richtig, aus populistischen Gründen immer dann, wenn es ein bisschen bequemer ist, doch reinzuregieren.

(Jochen Ott [SPD]: Prinzipienlos ist das!)

Die Unterschiede in diesem Land und der Wettbewerb machen unser Land stark –

(Zurufe von der SPD: Ah!)

und nicht eine zentrale Steuerung von oben. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Michael Hübner [SPD]: Das ist eine Verhöhnung!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Höne. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sehr unruhig. Muss das die ganze Zeit auf diesem Niveau bleiben?

(Michael Hübner [SPD]: Na, klar!)

Für alle, die zuhören wollen, ist es manchmal etwas anstrengend. – Herr Kämmerling hat für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Stefan Kämmerling (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herrn! Herr Höne, das war eine vollkommen unangebrachte Schelte unserer nordrhein-westfälischen Kommunen.

(Beifall von der SPD – Michael Hübner [SPD]: Auch gegenüber den Bürgermeistern! – Zurufe von der CDU und der FDP: Och!)

Die gerade gemachten Vorwürfe sollten Sie im Protokoll noch einmal nachlesen. Ich hoffe, dass Sie sie nicht so gemeint haben. Vielleicht nehmen Sie sie zurück.

(Henning Höne [FDP]: Wenn ein Bürgermeister 35.000-Euro-Bescheide rausschickt, ist etwas schiefgegangen!)

Wir haben hier gerade zwei Reden gehört, die vom Blick in den Rückspiegel geprägt waren. Denn Sie haben sich an Spiegelstrichen aus Protokollen früherer Ausschusssitzungen abgearbeitet, die Jahre zurückliegen. Ich sage Ihnen: Wer bei diesem Thema angesichts der Anzahl von Leuten, die auf der Straße unterwegs sind, immer nur in den Rückspiegel blickt, fährt mit Vollgas gegen die Wand.

(Beifall von der SPD)

Straßenausbaubeiträge sind ungerecht. Sie gehören abgeschafft. Deshalb hat die SPD-Fraktion hier vor zwei Wochen einen gut begründeten Gesetzentwurf zur vollständigen Abschaffung der Beiträge vorgelegt.

Was ist aber die Reaktion von CDU und FDP darauf? Sie legen uns eine Fünf-Punkte-Bauanleitung für den größten kommunalen Flickenteppich vor, den das Land Nordrhein-Westfalen je gesehen hat.

(Beifall von der SPD)

Sie wollen, dass die Kommunen künftig selber über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen entscheiden. Was hat das zur Folge? Das hat zur Folge, dass demnächst der Wohnort darüber entscheidet, ob ein Bürger Straßenausbaubeiträge bezahlt oder nicht. Reichere Kommunen werden sie abschaffen; ärmere Kommunen werden sie beibehalten müssen. Das ist zutiefst ungerecht. Es hat Gebührenbescheide nach Postleitzahl zur Folge. Das darf so nicht Gesetz in Nordrhein-Westfalen werden.

(Beifall von der SPD)

Jetzt wollen Sie eine Härtefallregelung einführen. Ich frage mich, was das bedeuten soll. Sie werden da nicht konkret. Prüft die Kommune dann vor Ort den wirtschaftlichen Hintergrund des Hauseigentümers und legt fest, dass der eine zahlen muss und der andere nicht? Oder führen Sie eine betragliche Höchstbelastung ein? Was, bitte schön, ist das für ein absurder Ansatz? Im Ergebnis ist für Omas kleines Häuschen demnächst genauso viel zu berappen wie für die Stadtvilla mit 35 m Straßenfront.

Ich sage Ihnen: Packen Sie das wieder ein. Das taugt nichts. Es ist zutiefst ungerecht.

(Beifall von der SPD)

Mehr Bürgerbeteiligung, wie Sie sie fordern, finde ich ausdrücklich sehr gut. Das kann man aber nicht isoliert betrachten; denn Sie verbinden die Forderungen in Ihrem Fünf-Punkte-Papier ja damit, dass die Kommunen selber über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen entscheiden. Da besteht eine nicht zu bestreitende Wechselwirkung.

Ich frage mich, ob Sie überhaupt verstanden haben, was Sie damit bei den Kommunen auslösen werden, die sich die Befreiung nicht leisten können. Dort werden demnächst gar keine Straßen mehr gebaut, weil die Anwohner sich organisieren werden, um durch sie zu zahlende Straßenbaumaßnahmen vor der Haustür zu verhindern. Das kann ich ihnen auch nicht verübeln. Die schauen dann nämlich alle auf die reiche Nachbarkommune, die dank des Vorschlags von CDU und FDP ihre Bürger von den Beiträgen befreit hat.

(Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Das ist schreiend ungerecht. Das versteht kein Mensch.

(Beifall von der SPD)

Mehr Bürgerbelastung und Beteiligung ja – aber nicht im Korsett dieses unnützen Fünf-Punkte-Obrigkeitspapiers.

Sie wollen, dass der Finanzierungszins sinkt und der Basiszins der Deutschen Bundesbank demnächst als Referenz gelten soll. Das würde die Bürger tatsächlich entlasten. Aber das ist – zu Ende gedacht – schon wieder ein Schuss ins Knie der Kommunen. Sie planen nämlich alle mit dem jetzt gültigen Zins, den ich auch zu hoch finde. Ihn aber massiv abzusenken, ohne die dann erfolgenden Einnahmeverluste der Kommunen zu kompensieren, ist Politik nach Gutsherrenart.

(Henning Höne [FDP]: Wo ist denn Ihr Finanzierungsvorschlag? Vorsicht im Glashaus!)

Wenn Sie das vorschlagen, müssen Sie auch den Einnahmeausfall der Kommunen kompensieren. Das ist doch klar.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege Kämmerling, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hovenjürgen?

Stefan Kämmerling (SPD): Gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Herr Hovenjürgen.

Josef Hovenjürgen (CDU): Herr Kämmerling, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ist Ihnen bekannt, dass schon heute für die Kommunen die Möglichkeit besteht, auf die Erhebung der Abgaben zu verzichten?

(Michael Hübner [SPD]: Die CDU in Haltern hat eine Resolution gemacht!)

Stefan Kämmerling (SPD): Dafür reicht ja schon die Lektüre Ihres Antrags.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Hä? – Heiterkeit von der CDU – Gegenruf von Michael Hübner [SPD])

Sie begründen das doch selber in Ihrem Antrag so. Oder habe ich das falsch gelesen?

(Zurufe von der CDU)

Das ist doch eine sachliche Antwort. In dem Papier, das Sie vorgelegt haben, gibt es einen Begründungsteil. Darin gehen Sie doch kurz darauf ein.

(Zurufe von der CDU)

Ist das nicht so?

(Christian Dahm [SPD]: Hat er gar nicht gelesen!)

Gut. Dann haben Sie ihn vielleicht nicht gelesen.

(Zuruf von der SPD: Liebe Kolleginnen und Kollegen, lesen Sie mal Ihren Antrag!)

Dann komme ich einmal zu meiner Rede zurück.

Straßenausbaubeiträge in der jetzigen Form werden von den Menschen in Nordrhein-Westfalen schlicht und ergreifend nicht mehr akzeptiert. Resolutionen aus zahlreichen Kommunalparlamenten, Petitionen, Proteste vor Ort – all das tut sich im Land. Die gerade erst gestartete Volksinitiative geht in diesen Tagen auf die 40.000. Unterschrift zu. 40.000 Unterschriften in wenigen Tagen, meine Damen und Herren!

Wenn Sie auf der Autobahn unterwegs sind und Ihnen nacheinander unzählige Fahrzeuge entgegenkommen, die alle hupen und Sie anblinken, mögen Sie von CDU und FDP im Landtag das so interpretieren, dass die anderen Fahrzeuge alle in der falschen Fahrtrichtung unterwegs sind. Deutlich klüger wäre es, sich zu fragen, ob man nicht vielleicht falsch abgebogen und selber der Geisterfahrer ist. Genau das tun Sie aber nicht.

(Beifall von der SPD)

Sie ignorieren, was im Land los ist. Darum sind Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, mindestens bei diesem Thema die politischen Geisterfahrer Nummer eins im Land. Werden Sie wach! Packen Sie Ihr Papier wieder ein, und unterstützen Sie den vernünftigen Gesetzentwurf der SPD-Landtagsfraktion zur vollständigen Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen. – Vielen Dank.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kämmerling. – Jetzt spricht für die grüne Fraktion Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kämmerling, ich finde es einigermaßen befremdlich, mit welcher Leichtigkeit Sie Dinge, die Sie im Januar 2017, wenige Monate vor der Landtagswahl, für falsch gehalten haben, heute in der Opposition als einzig mögliche Lösung auf den Tisch legen. „Populismus“ ist da noch sehr vorsichtig formuliert.

(Beifall von der CDU und der FDP – Widerspruch von der SPD – Sarah Philipp [SPD]: Das ist euch ja völlig fremd!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD …

(Stefan Kämmerling [SPD]: Anderes Thema! Unzulässig!)

– Ich werde jetzt nicht aus dem Nähkästchen plaudern, was für Gespräche wir geführt haben. Das brauchen wir an dieser Stelle alles nicht.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Zurück zur Sache: Mich ärgert, dass alle Fraktionen hier nicht das vertreten, was sie im Grundsatz vertreten wollen. Die CDU hat innerhalb der Fraktion einen großen Streit darüber, ob die Straßenausbaubeiträge beibehalten werden können oder abgeschafft werden sollen.

Dass sie in vielen Punkten reformiert werden sollten, ist hier dargestellt worden. Auf einzelne Punkte werde ich auch gleich eingehen.

Ich finde es aber abenteuerlich, dass ein Verkehrsminister hier die ersatzlose Abschaffung fordert und keine Kompensation vorschlägt.

(Christian Dahm [SPD]: Das stimmt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um aber auf den Kern der Auseinandersetzung von heute zu kommen: Was gar nicht geht, ist, eine Relativierung zu fordern und die Kompensation dann den Kommunen zu überlassen. Das geht nicht. Das werden wir Grünen keinesfalls mittragen. Auch dafür müssen Sie ein Konzept auf den Tisch legen.

Lieber keine Straßenausbaubeiträge als ungerechte Straßenausbaubeiträge! Das sage ich Ihnen sehr klar, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Es wird immer besser! – Gegenruf von Michael Hübner [SPD]: Es klatscht aber keiner!)

Ich frage mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, was aus dem Vorschlag der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge geworden ist. Sie haben 2016 bis Anfang 2017 diesen Vorschlag dem Parlament vorgelegt.

(Christian Dahm [SPD]: So ist es!)

Heute liegt er nicht mehr auf dem Tisch. Warum denn nicht? Was hat sich denn seitdem getan? Dazu würde ich gerne etwas hören.

Auch zu der Frage der Zinsen würde ich gerne etwas hören. Ich halte es für richtig – das habe ich auch vor zwei Wochen schon gesagt –, dass man andere Zinssätze als die in der AO angegebenen anwenden sollte. Es gibt verschiedenste Fallkonstellationen. Ich habe den Wissenschaftlichen Dienst dazu um eine Ausarbeitung gebeten. In einigen Bundesländern wird es mit einem Prozentpunkt über dem Basiszinssatz realisiert. Das halte ich für eine kluge und mögliche Variante.

Noch wichtiger ist – da stimme ich Ihnen wieder zu –, dass es bezüglich der Ratenzahlungen einen Rechtsanspruch oder zumindest eine seriöse Regelung geben sollte.

Die Klassifizierung der Straßen ist eine der wichtigsten Baustellen, die zu bearbeiten sind, um wesentliche Ungerechtigkeiten zu beseitigen.

Beim Beispiel von Herrn Höne vermute ich, dass es sich um Eckgrundstücke handelt, bei denen Bezüge hineingerechnet worden sind. Auch nach derzeitigem Recht – eine Klarstellung würde aber sicherlich weiterhelfen – könnte man davon absehen, dreimal abzurechnen. Man könnte sich auf eine einmalige Abrechnung beschränken oder andere Prozentsätze ansetzen. Dann würde ein solcher Fall nicht auftreten.

Für die Grünen ist es am wichtigsten, in dieser Sache Transparenz zu gewährleisten. Was meinen eigenen Vorschlag angeht, gebe ich zu, dass es nicht ganz einfach ist, ein Transparenzregister umzusetzen. Schließlich ist es schwierig, vorherzusagen, welche Straße irgendwann einmal renoviert wird. Das Mindeste, das wir tun können, ist aber, alles das, was man weiß, dort hineinzuschreiben. Damit brechen wir uns keinen Zacken aus der Krone. Der Verwaltungsaufwand ist relativ überschaubar, und die Transparenz für Bürgerinnen und Bürger nimmt zu.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Wie ist denn jetzt der Vorschlag?)

Ich würde uns insgesamt empfehlen, mit diesem Thema seriöser umzugehen. Die 120 Millionen Euro, die jetzt auf dem Tisch liegen, sind ein Ist-Betrag. Es waren auch schon einmal 350 Millionen Euro.

Auch wenn das nicht allen Menschen, die uns schreiben, passen mag, sollten wir durchaus überlegen, wer am schwersten belastet wird und wer möglicherweise entlastet wird. Es gibt ja zwei Möglichkeiten: Entweder schlägt es in der Kommune auf – dann muss überlegt werden, ob man noch das Geld für andere Investitionen hat –, oder es schlägt in den allgemeinen Haushaltsmitteln auf, Herr Kollege Schmeltzer. Dann muss man sich fragen, warum jemand, der über wenig Mittel verfügt, das durch allgemeine Steuermittel kompensieren muss.

Ich finde, dass die Straßenausbaubeiträge reformiert werden sollten. Nach heutigem Stand halte ich es für gerechter, von den Anliegern Ausbaubeiträge zu erheben. Wenn wir am Ende der Durchsicht aber zu dem Schluss kommen, dass „gerechter“ so teuer und aufwendig ist, dass es keinen Sinn macht, kann man über eine Abschaffung nachdenken.

Dann wird es aber noch ein hartes Stück Arbeit, die Kompensation zu gestalten.

Ich kann Ihnen nur sagen: Der heutige Antrag von CDU und FDP, der dazu führen würde, dass das Benehmen der Kommunen gestärkt wird, ist völlig falsch. Das hätten Sie klarstellen sollen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Nein!)

Die von Herrn Höne hier hineingebrachte Verschärfung dahin gehend, dass es ein Steuerwettbewerb der Kommunen vor Ort sein soll – keine Beiträge in den sogenannten guten Kommunen und Beiträge in den sogenannten schlechten Kommunen –, halte ich für völlig falsch.

(Christian Dahm [SPD]: So ist es!)

Das würde nämlich dazu führen, dass die bestehenden Disparitäten verstärkt würden. Denn Stärkungspakt-Kommunen wie Essen wären gezwungen, Beiträge zu erheben – schon wegen der Kommunalaufsicht. Obwohl die Städte nichts dafürkönnen, würden so die bestehenden Unterschiede vergrößert. Das lehnen wir sehr strikt ab; das machen wir auf gar keinen Fall mit.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, Sie haben durch Ihre Rede noch eine Zwischenfrage provoziert. Wollen Sie sie noch zulassen?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist ein lebendiges Parlament. – Bitte schön, Herr Höne.

Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Mostofizadeh, ich gehe noch einmal auf Ihr Argument ein, dass reiche Städte keine Gebühren erheben müssten, arme Städte aber schon. Laut Rahmensetzung kann man bei Anliegerstraßen bis zu 80 % umlegen. Städte wie Duisburg und Gelsenkirchen legen aber nur 51 % bzw. 52 % für Anliegerstraßen um. Ist Ihnen das bekannt? Und müsste nach Ihrer Argumentation der Wert für diese beiden Städte nicht bei 80 % liegen?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Das können wir uns gerne im Detail anschauen. So abstrakt kann ich die Frage jetzt nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass die Kommunalaufsicht, als ich noch Mitglied des Stadtrats in Essen war, und auch, als ich in meiner ersten Legislaturperiode im Landtag kommunalpolitischer Sprecher war, sehr strikt, und zwar ohne jedes Wenn und Aber, die komplette Erhebung der Straßenausbaubeiträge eingefordert hat.

Das halte ich – auch nach der Argumentation, die ich eben vorgetragen habe – für falsch. Es ist überhaupt nicht dazu geeignet, zu einem gerechteren System beizutragen. Gerecht wird das System dann, wenn diejenigen, die aktuell übermäßig durch zu hohe Einzelbeiträge, möglicherweise falsche Klassifizierungen von Straßen oder andere Maßnahmen belastet sind, bessergestellt werden. Dazu muss es eine Reform geben. Das Ganze aber auf dem Rücken der Städte und Gemeinden auszutragen, halte ich für völlig falsch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh – Nun hat für die AfD-Fraktion Herr Beckamp das Wort.

Roger Beckamp (AfD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben fast alle recht. Die SPD hat mit ihrem Antrag recht, grundsätzlich Straßenausbaubeiträge abzuschaffen. Das ist genau richtig. Das wollen wir auch.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Sie hätten allerdings auch überlegen können – da hat Herr Mostofizadeh recht –, wie die Gegenfinanzierung laufen soll. Im Moment finden ja die Haushaltsberatungen statt. Insofern wäre es doch zeitlich und inhaltlich passend gewesen, zu sagen, woher diese knapp über 120 Millionen Euro kommen sollen. Die Haushaltsberatungen wären doch genau der richtige Anlass gewesen, um darüber zu sprechen.

Auch Herr Höne von der FDP hat recht, wenn er sagt, dass es in den Gemeinden ungerecht läuft. In reicheren Gemeinden zahlt man wenig oder gar keine Beiträge und in anderen Gemeinden sehr viel. Gerade deshalb ist es nicht nachvollziehbar, dass man die Straßenausbaubeiträge in der bisherigen Form beibehalten will.

Mit Blick auf Ihren Antrag muss ich sagen, dass es sich dabei um eine Nebelkerze handelt. Denn letztlich wollen Sie nur den Eindruck vermitteln, dass Sie etwas tun. Allerdings findet bald eine Anhörung von Sachverständigen mit ganz schlauen Leuten statt. Dann kann man darüber reden, wie dieses Modell wirklich ausgestaltet werden soll oder ob es abgeschafft werden soll.

Vielleicht überlegen wir dann auch, ob wir die Erschließungskosten einbeziehen. Denn das ist das Gleiche. Das Kind hat nur einen anderen Namen.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Das ist Baugesetzbuch! Das ist Bundesrecht!)

Wir freuen uns jedenfalls auf die Anhörung der Sachverständigen. Dabei wird eine gute Entscheidung herauskommen.

Ihr Antrag heute ist aber lediglich der Versuch, etwas zu tun, ohne wirklich etwas zu tun. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Beckamp. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Scharrenbach.

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bitte gestatten Sie mir zu Beginn eine Unterscheidung – nur, damit sich nicht Fehlerhaftes verfestigt. Der Erschließungsbeitrag

(Stefan Kämmerling [SPD]: Ist Baugesetzbuch! Bundesrecht!)

ist im Baugesetzbuch geregelt. Das ist Bundesrecht. In der Tat können wir das nicht ändern.

(Marc Herter [SPD]: Ah! Klasse! Gut!)

Der Erschließungsbeitrag dient der erstmaligen Herstellung einer Versorgung.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Richtig!)

Das ist der Unterschied zum Straßenausbaubeitrag.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Wenn Sie jetzt abbrechen, dann klatschen wir! – Marc Herter [SPD]: Bis hierhin war alles richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, Sie wissen, dass es in Nordrhein-Westfalen in den Städten und Gemeinden rund 95.000 kommunale Straßenkilometer gibt. Nicht jeder kommunale Straßenkilometer ist in der Vergangenheit einer Verbesserung unterzogen worden, für die ein kommunaler Straßenausbaubeitrag fällig würde, oder wird in der Zukunft angepackt werden.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Beckamp?

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Nein. – Sie drücken sich bitte gleich wieder ein, Herr Abgeordneter. Ich habe gerade ja erst angefangen.

(Roger Beckamp [AfD]: Nein, alles gut!)

Ich komme jetzt einmal auf die kommunale Praxis zu sprechen, weil ich glaube, dass sie insbesondere vonseiten der SPD schlichtweg verkannt wird.

(Christian Dahm [SPD]: Ach, das ist ja interessant!)

Die Räte sind im Rahmen der Gesetze für alle Angelegenheiten einer Gemeinde zuständig. Das heißt: Die Räte treffen die Entscheidungen für ihre Bürgerschaft und letztendlich auch für das kommunale Vermögen – und kommunale Straßen sind kommunales Vermögen.

In Nordrhein-Westfalen gibt es heute noch immer Straßen, die beispielsweise in den 50er- oder 60er-Jahren erstmalig hergestellt worden sind, bei denen es keine Trennung von Fuß- und Radwegen gibt und die nach heutigen Sicherheitsanforderungen sowohl kleinen Kindern als auch älteren Menschen überhaupt nicht gerecht werden. Auch die Straßenbreiten und Querschnitte entsprechen nicht mehr den Anforderungen von Nahmobilität und Mobilitätsverhalten insgesamt.

Als Stadt bzw. als Stadtrat darf man sehr wohl überlegen, inwieweit man bei diesen Straßen zu Verbesserungen – und genau darüber reden wir – kommen kann. Ich habe es immer so erlebt, und zwar in der gesamten Fläche dieses Landes, dass ein Stadtrat sehr wohl sehr intensiv darüber diskutiert, ob man eine KAG-Maßnahme aufsetzt oder nicht und, wenn ja, in welcher Form sie aufgesetzt wird.

In der Tat haben die Abgeordneten von CDU und FDP recht, wenn sie sagen, dass es heute schon Stadträte gibt, die im Zusammenhang mit KAG-Maßnahmen die Beiträge der Anlieger in Richtung null absenken – diese Städte gibt es heute schon –, weil die Straßen beispielsweise einen sehr hohen allgemeinen Nutzungsteil aufweisen. Das gilt im Einzelfall zum Beispiel in Innenstädten, bei Sanierungen von Fußgängerstraßen und Vergleichbarem oder auch, weil die Stadträte wissen, dass ein Teil der an den Straßen lebenden Bevölkerung sich einen Beitrag womöglich gar nicht leisten kann. Dann kann man trotzdem sagen, dass man die Straße im Interesse aller verbessert.

Die Stadträte entscheiden hier im Vertrauen auf die kommunale Selbstverwaltung. Damit gehen sie meiner Ansicht nach sehr vernünftig um.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Es gibt einen Grundsatz, dem die Abgeordneten von CDU, FDP und Grünen zustimmen, indem sie sagen, dass bebaute Grundstücke an gut erschlossenen Straßen teurer sind als an schlecht ausgebauten Straßen. Ich glaube, das ist kein Grundsatz, über den man sich hier streiten muss. Dieser Grundsatz bleibt.

Wir sprechen hier letztendlich über kommunale Straßenvermögen. So, wie der Bund für seine Straßen aufkommt, kommt auch das Land für seine Straßen auf und kommen die Kommunen für ihre Straßen auf. Insofern gibt es ein Zuständigkeitsgefüge, das wir insgesamt achten sollten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie sich den Antrag ansehen, erkennen Sie, dass heute dazu beauftragt werden soll, zu prüfen, ob die Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung zukünftig selbst über die Erhebung entscheiden.

(Michael Hübner [SPD]: Wie bei den Kitagebühren!)

Das heißt: Das Ob wird auch die Frage des Wie einschließen.

Es ist schon einigermaßen bemerkenswert, dass Sie zwar auf der einen Seite für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge eintreten. Wenn vorgetragen wird, dass der Zins bitte gesenkt werden soll, sagen Sie auf der anderen Seite aber: Wer kompensiert das jetzt für die Kommunen? – Da passt Ihre Argumentation in der Summe nicht zusammen.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dahm?

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Nein.

(Christian Dahm [SPD]: Schade!)

Ich stelle hier einen großen Konsens in der Frage von Zahlungsmodalitäten, Raten, Zinssatz und Vergleichbarem fest. Das dürfte im weiteren Verfahren also unkritisch sein.

Sehr wichtig – das habe ich angesichts der letzten Debatte vor 14 Tagen hier schon geäußert – ist uns in der Tat, dass wir die Bürgerbeteiligung wesentlich transparenter fahren, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Sie wissen, dass es im Rahmen der Kommunalhaushalte eine mittelfristige Finanzplanung gibt. Sie können über fünf Jahre sagen, was eine Gemeinde oder eine Stadt im Zusammenhang mit kommunalen Abgaben plant. Das ist kein Hexenwerk. Aber auf die frühzeitige Bürgerbeteiligung, auch auf die frühzeitige Klärung der Frage, in welchem Ausbaustandard man etwas tun will, legen wir Wert. Darüber soll sich künftig wesentlich intensiver mit den Bürgerinnen und Bürgern ausgetauscht werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Damit darf ich auch zum Schluss kommen. Sehr geehrte Abgeordnete der SPD, wir werden Ihren Gesetzentwurf beraten. Sie kennen aber den Grundsatz: Wenn man Mehrausgaben von Landesseite fordert, muss man einen Deckungsvorschlag unterbreiten. – Noch nicht einmal dieser Deckungsvorschlag ist in Ihrem Gesetzentwurf enthalten. Daran merkt man, wie handwerklich schlecht dieser Gesetzentwurf ist, den Sie hier vorgelegt haben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Christian Dahm [SPD])

Da Sie anscheinend andere Zwecke verfolgen als die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP – durchaus mit einer Konstruktivität seitens Bündnis 90/Die Grünen –, freuen wir uns auf eine seriöse weitere Debatte dieses Themas in allen Facetten. Vielleicht ergibt sich daraus auch ein möglichst breiter Konsens im Landtag Nordrhein-Westfalen, auch über die regierungstragenden Fraktionen hinaus. Denn Interesse an einer Änderung haben ja offenkundig alle. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Es ist eine relativ einfache Abstimmung, weil es eine direkte Abstimmung ist. Das heißt, dass wir direkt über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/4300 abstimmen. CDU und FDP haben das so beantragt. Dann wollen wir einmal sehen, wie es ausgeht. Wer stimmt für diesen Antrag? – CDU und FDP in Geschlossenheit sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Wer ist dagegen? – SPD und Grüne

(Zurufe von der SPD: Die Mehrheit! – Auszählen!)

sowie die AfD-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es nicht.

(Zurufe von der SPD: Auszählen! – Christian Dahm [SPD]: Das halbe Kabinett fehlt doch! – Gegenruf von Ministerin Yvonne Gebauer: Herr Wüst sitzt da drüben! Alles gut! – [Das Präsidium bemüht sich, das Abstimmungsergebnis festzustellen.] – Zurufe von der SPD: Hammelsprung! – Ganz klar Hammelsprung!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier oben eine Entscheidung gefällt. Ich finde sie persönlich ausgesprochen spannend. Wir sind uns wirklich einig, dass wir uns nicht über das Abstimmungsergebnis einig sind. Daher werden wir jetzt einen Hammelsprung durchführen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das Prozedere ist Ihnen bekannt. Alle Abgeordneten, die im Saal sind, verlassen ihn jetzt. Anschließend betreten die Abgeordneten den Saal wieder. Mit der Entscheidung, durch welche der drei Türen er den Saal betritt, tut jeder Abgeordnete kund, wie er sich bei dieser Abstimmung verhält. An den drei Türen stehen Zähler. Anschließend addieren wir die jeweiligen Zahlen. Dann haben wir ein klares Ergebnis.

(Der Hammelsprung wird durchgeführt.)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die kleine körperliche Ertüchtigung in Form eines Hammelsprungs. Damit haben wir eine Abstimmung, die uns Klarheit geben wird. Bevor wir das Ergebnis verkünden, müssen wir aber noch die Schriftführerinnen und Schriftführer befragen, wie sie abgestimmt haben. Das passiert öffentlich. Ich muss das auch noch am Schluss erklären.

(Die Schriftführerinnen und Schriftführer und Vizepräsident Oliver Keymis erklären, wie sie abgestimmt haben.)

Das heißt, ich habe hier oben 88 plus 5, macht 93. 94 plus 4 macht 98. Damit haben wir ein Ergebnis, liebe Kolleginnen und Kollegen: 98 Ja-Stimmen, 93 Nein-Stimmen, keine Enthaltungen. Eindeutig! Vielen Dank.

(Lebhafter anhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

Damit ist der Antrag Drucksache 17/4300 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.

Jetzt habe ich noch eine Frage. Darf ich die stellen? – Wer von Ihnen hat denn zum ersten Mal einen Hammelsprung miterlebt? – Das war den Tag heute schon wert. Vielen Dank.

(Beifall)

Damit sind wir am Ende der Debatte und auch mit der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 3.

Ich rufe auf:

4   Migrationspakt stoppen – Wir entscheiden selbst, wen wir ins Land lassen!

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/4297

Die Aussprache ist eröffnet. Für die Fraktion der AfD tritt der Fraktionsvorsitzende Herr Wagner ans Pult.

(Unruhe – Glocke)

Sie haben das Wort, Herr Wagner. Bitte schön.

Markus Wagner (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbst wenn es um das Stoppen des unverantwortlichen Migrationspaktes geht – wieder einmal steht die AfD als einzige Fraktion hier im Hause gegen die sich selbst fälschlich als sogenannte Gemeinschaft der Demokraten bezeichnenden Fraktionen aus CDU, SPD, FDP und Grünen.

Wie schon im Bund ist es auch hier die AfD-Fraktion, die überhaupt erst dafür sorgt, dass über das Thema dort debattiert wird, wohin es in einem demokratischen Staat gehört, nämlich in die Medien und vor allem ins Parlament.

(Beifall von der AfD)

Wenn es nach Ihnen ginge, liebe Kollegen der ach so demokratischen Parteien, dann wäre das gar kein Thema, das wir in den Parlamenten zu besprechen hätten. Ministerpräsident Armin Laschet wollte nicht einmal seine eigene Partei auf dem CDU-Parteitag darüber diskutieren lassen.

Sie haben sich ein Demokratieverständnis angewöhnt, das dringend einer Reparatur bedarf. Hören Sie daher endlich auf, sich hier im Hause auch noch lächerlicherweise „Gemeinschaft der Demokraten“ zu nennen! Damit pervertieren Sie den Begriff der Demokratie.

(Beifall von der AfD)

Nennen Sie sich lieber „Gemeinschaft der Diskursverweigerer“. Das wäre treffender. Ihre Form der Diskursverweigerung läuft am liebsten so ab, dass Sie die Kritik an Ihren Fehlern als Rechtspopulismus brandmarken und glauben, Sie würden mit diesem Unsinn zum Schaden Deutschlands durchkommen.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Sie haben nun die AfD als Kontrollinstanz. Auch immer mehr Bürger leisten demokratischen Widerstand. Innerhalb eines Tages hat eine Online-Petition beim Deutschen Bundestag gegen den Migrationspakt das nötige Quorum erreicht. Die CDU in Sachsen-Anhalt stimmt nach dem Druck der AfD nun gegen die Annahme des unseligen Migrationsverherrlichungspaktes. Die WerteUnion innerhalb der CDU lehnt den Pakt genauso ab wie wir.

Ich frage Sie daher, Herr Laschet – ich würde Sie das fragen, wenn Sie da wären –: Sind Ihre Parteifreunde für Sie auch alles Rechtspopulisten und Menschenverächter? Hat Ihre CDU ein Problem mit Rechtspopulismus? Sie müssen sich schon entscheiden. Wäre die Kritik am Migrationspakt wahlweise rechtspopulistisch, verschwörungstheoretisch oder schlicht unbegründet, wie Sie sagen, dann hätten Sie ein Problem in Ihrer eigenen Partei, der CDU.

(Beifall von der AfD)

Sie haben hier aber offenbart, dass es Ihnen gar nicht um die Inhalte geht. Nein, Sie wollen keine Debatte, weil das der AfD helfen würde. Ihre Unlust an Inhalten ist schon sprichwörtlich. Hier geht es aber um die Zukunft unseres Landes, und Sie wollen das nicht debattieren!

Jetzt verrate ich Ihnen einmal ein Geheimnis: Es hilft der AfD gerade, dass Sie es nicht diskutieren wollen. Aber Sie erkennen das nicht einmal zuzeiten, in denen das Merkel-System untergeht.

Wer also eine Politik möchte, wie sie die CDU in Sachsen-Anhalt oder die WerteUnion vertritt, der hat in Nordrhein-Westfalen ganz offensichtlich nur eine Wahl, und das ist die AfD.

(Beifall von der AfD)

Unseren ersten Erfolg haben wir im Bundestag bereits erzielt. Die von Ihnen – allen voran von Herrn Laschet und Herrn Dr. Stamp – als unbegründet, verschwörungstheoretisch und als rechte Hetze klassifizierte Kritik am Migrationspakt hat nicht nur dazu geführt, dass die CDU in Sachsen-Anhalt aussteigen will, sondern auch dazu, dass die alten Parteien nun auf über sechs Seiten versuchen, die Kritik aufzunehmen und ihr damit recht geben.

Jetzt haben wir also einerseits einen Vertrag, der angeblich nicht rechtsverbindlich ist – warum müssen wir ihn dann überhaupt unterzeichnen? –, der aber andererseits eines sechsseitigen Entschließungsantrages im Bundestag bedarf, der seinerseits wiederum nicht rechtsverbindlich ist. Also können wir doch mit unserer Kritik so falsch nicht liegen.

(Beifall von der AfD)

Blicken wir einmal über den Tellerrand unseres Landes. Wie gehen unsere europäischen Freunde und westlichen Verbündeten mit diesem Wahnsinnspakt und dem Thema „Migration“ um?

Unsere Nachbarn in Tschechien: Die dortige Regierung aus Liberalen und Sozialdemokraten lehnt diesen Pakt ab. Österreich unter dem Christdemokraten Sebastian Kurz lehnt ab. Die Slowakei, regiert von Sozialdemokraten, lehnt den Pakt ab. Was sagen die konservativen Polen? Ebenfalls nein. Australien, Bulgarien, die USA, Ungarn und Israel lehnen den Pakt ab.

(Zuruf von der AfD: Alles Rechtspopulisten!)

– Alles Rechtspopulisten. – China, Südkorea und Japan zeigen ablehnendes Verhalten. Italien sagt bis auf Weiteres ab. Was sind denn diese Staaten und Regierungen, die doch zu einem großen Teil aus Ihren europäischen Parteienfamilien kommen und genauso argumentieren wie wir als AfD, für Sie? Sind die auch alle rechtspopulistisch? Wahrscheinlich.

Aber warum lehnen diese Staaten ab? Weil der Migrationspakt zwar rechtlich nicht verbindlich, aber politisch verpflichtend ist. Dies wird auch vom Bürgerservice des Auswärtigen Amtes gestützt. In einem mir vorliegenden Schreiben dieses Bürgerservices wird vom – ich zitiere – „rechtlich nicht bindenden, wohl aber politisch verpflichtenden“ Migrationspakt gesprochen. Genau dies ist der bedeutende Unterschied, der von den Befürwortern des Migrationspaktes so gerne verschwiegen wird. Dieser Unterschied wird dazu führen, dass nationales Recht an den Parlamenten vorbei ausgehebelt werden wird – wie dies auch schon im Rahmen anderer angeblich nicht rechtsverbindlicher internationaler Vereinbarungen erfolgt ist. Ich erinnere nur an die Agenda 2030, die auch diesem Migrationspakt zugrunde liegt.

Meine Damen und Herren, dieser Migrationspakt spaltet. Er spaltet die Deutschen, und er spaltet – ich habe die Länder gerade aufgezählt – Europa. Er bedarf mittlerweile selbst aus Sicht der alten Bundestagsfraktionen einer sechsseitigen Erklärung, welche die Bundesregierung aber nicht einmal als Protestnote in Marrakesch abgeben will. Allein dies zeigt schon, welche Augenwischerei mit dieser sechsseitigen Erklärung betrieben werden soll.

Lassen Sie uns Druck ausüben, um den Migrationspakt zu stoppen. Lassen Sie uns selbst darüber entscheiden, wen wir in unser Land lassen und wen nicht! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wagner. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Franken das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Björn Franken (CDU): Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was soll man dazu jetzt noch großartig sagen? Da gibt es eine Partei, die ein Papier kritisiert. Sie stellt sich jetzt als Retter der restlichen Menschheit dar. Sie kritisiert ein Papier, das überhaupt erst in der Diskussion ist, weil es mit Lügen, Falschdarstellungen und Hetze in eine Ecke gedrängt wurde, in die es einfach nicht hingehört. Das ist leider Fakt.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der AfD)

Man muss sich einmal anschauen, was Sie in sozialen Netzwerken verbreiten. Dass Sie morgens in den Spiegel blicken können, wundert mich wirklich!

(Weiterer Zuruf von der AfD)

– Die kommen jetzt, eher als Ihnen lieb sein wird. – Der Pakt stellt die gesamten Facetten der Migration – natürlich, keine Frage, aus Sicht der Vereinten Nationen – als positiv dar. Natürlich kann man fachlich-sachlich kritisieren, dass dieser Pakt

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

– hören Sie mir erst einmal zu, warten Sie mal ab! – zu wenig auf negative Aspekte eingeht, dass mit ihm nicht mit dem mahnenden Zeigefinger in der Manege herumgegangen wird. Das alles kann man kritisieren, völlig klar. Auch bei uns gibt es Leute – Sie haben es zitiert –, die den Pakt kritisch sehen. Das darf man in demokratischen Parteien auch. Man darf in demokratischen Parteien auch mal über solche Dinge diskutieren.

(Zuruf von der AfD: Aber hier nicht!)

Auf unserem Bundesparteitag wird das diskutiert werden. Dort wird es sicherlich auch zu kritischen Diskussionen kommen.

Letztendlich aber ist es so: Im Bundestag – er ist das zuständige Gremium – wird diskutiert. Hier sind Sie mit Ihrem Antrag – Sie treiben das mal wieder durch alle Länderparlamente – leider auch wieder an der falschen Adresse. Ihre Bundestagsfraktion hatte die Möglichkeit, an Informationsveranstaltungen, Diskussionsrunden oder anderen Formaten teilzunehmen, um Änderungen vorzubringen. All das hätten Sie dort mit Ihren Leuten vorbringen können. Wieso hat Ihre Partei bei all den Bedenken, die sie jetzt hier im Nachhinein vorträgt, nicht im Rahmen des gesamten Prozess daran teilgenommen? Wo waren Sie denn, als all diese Diskussionen liefen?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Franken, es gibt vom Abgeordneten Beckamp den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Wollen Sie die zulassen?

Björn Franken (CDU): Gerne.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte, Herr Abgeordneter.

Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank, Herr Franken. Sie sagten eben, dass wir so viele falsche Sachen erzählen würden. Ist denn in Ihren Augen Migration ein Quell des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung? Und sollten diese positiven Auswirkungen nicht durch eine besser gesteuerte Migrationspolitik optimiert werden? – Das sind ganz zentrale Zitate aus dem Pakt; dabei geht es ausschließlich um positive Gesichtspunkte.

Oder gibt es Ihrer Ansicht auch andere Dinge in Bezug auf das Thema „Migration“ zu sagen? Gibt es auch so etwas wie Silvesternächte in Köln usw.? Wie sehen Sie das? Sehen Sie es differenziert oder nur einseitig wohlwollend wie der Pakt?

(Zurufe)

Björn Franken (CDU): Ich sehe das Thema in der Tat differenziert, ich sehe es aber sachlich. Bei der Migration gibt es verschiedene Themenfelder, die man unterscheiden muss. Darauf gehe ich gleich noch ein. Ich möchte uns allen jetzt aber nicht noch weiter Zeit stehlen.

Was aber nicht zur Migration, sondern nur zu Ihrer Facette der Migration gehört: Wenn ich mir Ihre Facebook-Auftritte anschaue, finde ich dort Parolen von Frau Weidel wie „Der nächste Angriff auf die nationale Souveränität“, „Migrationspakt gefährdet den Sozialstaat“ usw. Frau Weidel rauf und runter; anscheinend braucht sie gerade andere als finanzielle Themen und versucht, sich hiermit aus der Bredouille zu ziehen.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Ich komme – die Uhr läuft leider weiter – zu meiner Rede zurück: Wo waren Sie denn, als die Themen im Bund besprochen wurden? Sie stellen sich im Nachhinein hier immer hin, motzen und kritisieren. Wenn es aber gestaltet wird, wenn man mitreden und etwas beitragen könnte, ducken Sie sich weg. Das ist Ihnen zu viel Arbeit. So sieht es doch aus!

(Zuruf von der AfD)

Meine Damen und Herren, es ist schwer nachvollziehbar, warum Sie zwölf Tage, nachdem unser Minister Dr. Stamp im Deutschen Bundestag eine Rede zum Migrationspakt gehalten und die Haltung der schwarz-gelben Landesregierung klar definiert hat, immer noch die Notwendigkeit sehen, zu dieser Thematik einen Antrag zu stellen. In seiner fachlich für mich absolut überzeugenden Rede hat der Minister bereits jede Behauptung Ihrer Partei hinsichtlich des UN-Migrationspaktes widerlegt.

Da Ihr Antrag den Anschein erweckt, dass Sie sich weder mit den Inhalten des Migrationspaktes noch mit der Rede unseres Ministers richtig auseinandergesetzt haben, hole ich das hier bei der Block-II-Debatte gerne für Sie nach.

Grundsätzlich haben uns die Ereignisse der letzten Jahre gezeigt, dass die Migration ein globales, ja ein transnationales Thema ist. Die Zeit der nationalen Alleingänge ist vorbei, auch wenn es immer noch einige gibt, die das anders sehen.

(Zuruf von Iris Dworeck-Danielowski [AfD])

Weltweit sind 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht, mehr als die Hälfte davon sind Kinder. Jetzt gibt es einen Unterschied: Kriegsflüchtlinge können sich seit 1951 auf die Genfer Flüchtlingskonvention berufen. Der Zustand der Wirtschaftsflüchtlinge oder der Fachkräftemigration ist international hingegen vollkommen ohne Regelung. Schon deshalb brauchen wir ein internationales Bewusstsein und eine gemeinsame, staatenübergreifende Handlungsstrategie. Der vorliegende Pakt gibt dabei Hilfestellung.

Im vorliegenden Pakt geht es darum, die Wünsche von Herkunfts-, von Transit- und von Zielländern auszutarieren – nicht mehr und nicht weniger. Die beteiligten rund 190 Länder sind sich einig, dass die reguläre Migration – also das bewusste Suchen von Fachkräften im Ausland – und die irreguläre Migration – Flüchtlinge allein mit wirtschaftlichem Antrieb – nur transnational gelöst werden kann. Kein Land schafft das alleine.

Sie stellen es in Ihren Ausführungen, die Sie mit Ihren hetzerischen und menschenverachtenden Parolen im Internet verbreiten –

(Widerspruch von der AfD)

ich habe es doch gerade vorgelesen, anders kann man das nun wirklich nicht nennen – so dar, als wäre der Migrationspakt eine Art Freifahrtschein. Sie sprechen von einem Menschenrecht auf Migration. Der Pakt sagt das an keiner einzigen Stelle – im Gegenteil. Das Ziel des Abkommens ist es, reguläre Migration zu ordnen und die irreguläre Migration weiter zurückzudrängen. Dazu beitragen sollen die Bekämpfung von Fluchtursachen und die Sicherung unserer Grenzen. Dies steht bei dem Pakt im Mittelpunkt.

Dafür müssen gesellschaftliche, wirtschaftliche und auch soziale Perspektiven in den Herkunftsländern geschaffen werden, damit Menschen in ihrer Heimat bleiben können und sich nicht erst auf den Weg machen müssen.

Zu der von Ihnen geschürten Angst, Deutschland würde mit diesem Abkommen seine Souveränität verlieren, ganze Massen stünden an unseren Grenzen und warteten auf die Unterzeichnung – die es gar nicht gibt –, um ungehindert einfallen zu können:

(Helmut Seifen [AfD]: Warten Sie einmal ab! – Weitere Zurufe von der AfD)

Ich kann Ihnen mit einem einzigen eindeutigen Zitat aus dem Migrationspakt diese Angst nehmen. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich unter den Leitprinzipien des Paktes, Punkt 15:

„Der Globale Pakt bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln.“

Zack! Das ist im Grunde genommen die Widerlegung all ihrer Argumente.

(Zurufe von der AfD)

Sie sehen, wir werden in unserer Einwanderungspolitik auch weiterhin souverän bleiben; es ist im Pakt noch nicht einmal eine Aufnahmeverpflichtung oder dergleichen niedergeschrieben. Das Abkommen ist nicht rechtsbindend, sprich: Es handelt sich nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag, sondern um eine gemeinsame Absichtserklärung. Das ist alles im entsprechenden Dokument nachzulesen, doch diese Details – das ist vollkommen klar – passen natürlich nicht in Ihre Kommunikationsstrategie.

(Zuruf von Dr. Martin Vincentz [AfD])

Der Konstanzer Professor für Asylrecht Daniel Thym sieht keine unmittelbaren Auswirkungen für die europäische Rechtsprechung. Die am Vertrag beteiligten deutschen Völkerrechtler sehen keine Probleme für uns in Deutschland. Warum auch? – Die meisten der im Abkommen formulierten Ziele sind in unserem Land bereits Standard. Die gibt es heute hier schon.

(Zurufe von der AfD)

Wir müssen also nichts ändern, das wissen Sie genauso gut wie ich. Hier liegt auch der Ansatz des Paktes: Andere Staaten, insbesondere die Herkunftsstaaten und andere Zielstaaten, sind aufgefordert, ihre Standards an die unseren heranzuführen. Das ist der Sinn dieses Paktes. Wir nehmen dadurch den Druck von uns, ein beliebtes Zufluchtsland zu sein. Das ist im Interesse Deutschlands, das ist im Interesse von Nordrhein-Westfalen und das ist im Interesse der Menschen, die hier leben.

Wir setzen zwar keinen rechtsverbindlichen Rahmen, aber wir schaffen einen Bezugspunkt, wie Migration in anderen Nationalstaaten und in bilateralen Verhandlungen geregelt werden soll. Darin liegt der wirkliche Wert dieses Abkommens, doch das passt natürlich auch nicht in Ihre Kommunikationsstrategie.

Was auch in Ihren Hinterzimmern unentdeckt blieb, ist, dass in diesem Pakt tatsächlich ein Menschenrecht verankert ist – nicht das Recht auf Migration, so wie Sie es darstellen, sondern ein neues Recht auf die Rückkehr ins Heimatland.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

– Ja, das Schwarze ist die Schrift, Sie müssen es nur lesen.

(Heiterkeit von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich zitiere noch einmal mit Erlaubnis der Präsidentin. Ziel 21 lautet:

„Zusammenarbeit bei der Ermöglichung einer sicheren und würdevollen Rückkehr und Wiederaufnahme sowie einer nachhaltigen Reintegration“

Hier geht es nicht um Deutschland, Sie werden das wahrscheinlich erkennen. Unter Punkt 37 heißt es:

„Wir verpflichten uns, eine sichere und würdevolle Rückkehr und Wiederaufnahme zu ermöglichen … Wir verpflichten uns ferner, zu gewährleisten, dass unsere Staatsangehörigen ordnungsgemäß empfangen und wieder aufgenommen werden, unter voller Achtung des Menschenrechts auf Rückkehr in das eigene Land und der Verpflichtung der Staaten, ihre eigenen Staatsangehörigen wieder aufzunehmen.“

(Nic Peter Vogel [AfD]: Das war jetzt viermal „Verpflichtung“!)

– Genau, die Verpflichtung der Länder, ihre Leute wieder aufzunehmen. Stellen Sie sich doch einmal vor, wie viele Leute wir dann viel einfacher abschieben können. Das passt Ihnen natürlich nicht.

(Zurufe von der AfD)

Das ist eine konkrete Festlegung im Pakt. Das ist eines der zentralen Probleme der heutigen Zeit, das mit dem Pakt gelöst werden könnte: die deutlich einfachere Rückführung derer, die wir derzeit nicht abschieben können, weil zum Beispiel Formalien fehlen.

Ein weiteres Feld ist, dass wir ein zentrales Anliegen derjenigen erfüllen werden, denen Menschenleben etwas bedeuten: Dem Schleusertum in den Transitländern wird der Kampf angesagt, indem im Pakt verankert ist, dass sich die Transitländer unter anderem dazu verpflichten, Schleuserhandlungen unter Strafe zu stellen und zu verfolgen.

(Helmut Seifen [AfD]: Das ist jetzt schon strafbar!)

All das wollen Sie ablehnen, all das wollen Sie bekämpfen.

(Zurufe von der AfD)

Irreguläre Migration soll und muss laut dem vorliegenden Pakt durch Aspekte wie Identitätsfeststellung, Datenaustausch zwischen den Behörden, Bekämpfung von Menschenhandel, Verbesserung der Grenz-und Rückführungsmanagements konsequent reduziert werden. Der illegale Transit von Menschen wird damit empfindlich erschwert. Die Bekenntnisse dazu sind im Pakt nachzulesen, auch das erwähnen Sie nicht. Nein, das wollen Sie offensichtlich bewusst verschweigen.

Alle diese Aspekte bleiben von Ihnen unerwähnt. Wir können hier auch einmal offen reden: Der Pakt bietet wirksame Lösungen für die heutigen Probleme in Teilen der Migration. Ihr Geschrei im Bundestag und in den sozialen Medien ist deshalb so laut, weil der Pakt Probleme löst, die Sie für Ihre politischen Zwecke brauchen, liebe Kollegen der AfD.

(Lachen und Zurufe von der AfD)

Die Probleme sind erkannt. Sie werden in Bund und Land angegangen und in Ruhe abgearbeitet. Genau das macht Ihnen Angst, weil es Ihnen Ihre Daseinsberechtigung, nämlich die Hetzmöglichkeit, entzieht. Darum geht es hier in Wirklichkeit.

(Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Der Migrationspakt ist für unser Land eine Chance, Migrationspolitik auf internationaler Ebene und in unserem nationalen Interesse zu steuern. Ich stimme mit den Forderungen von Minister Dr. Stamp nach einem Einwanderungsgesetz und nach einem nationalen Migrationsgipfel vollkommen überein. Der vorliegende Pakt kann uns dabei auf internationalem Terrain den Weg ebnen. Jetzt liegt es an uns, in enger Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden Gesetze für eine geordnete Migrationspolitik in Nordrhein-Westfalen weiter voranzubringen.

Die NRW-Koalition macht das bereits jetzt, zum Beispiel beim Stufenplan zur Steuerung des staatlichen Asylsystems oder bei der finanziellen Entlastung der Kommunen. Wir haben einen Plan, den wir sukzessive in Ruhe und Sachlichkeit abarbeiten.

Wir arbeiten weiter daran, denen zu helfen, die auf Schutz angewiesen sind, und arbeiten konsequent daran, diejenigen zurückzuführen, die unsere Regeln missachten oder nur aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen. Diesen Weg verfolgt die NRW-Koalition mit Ruhe, mit Sachlichkeit und mit konsequentem Handeln im Sinne der Menschen von Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Franken. – Sie haben das Lämpchen leuchten sehen. Es ist eine Kurzintervention des Abgeordneten Wagner von der AfD-Fraktion angemeldet. Bitte, Herr Wagner, Sie haben für 90 Sekunden das Wort.

Markus Wagner (AfD): Lieber Kollege Franken, ich habe die Kurzintervention eigentlich nur angemeldet, um einige von Ihnen aufgeworfene Fragen zu beantworten. Wo war denn die AfD, als dieser Pakt – was weiß ich wo – diskutiert worden ist? – Ich will Ihnen etwas sagen: Ihr eigener stellvertretender Bundesvorsitzender Jens Spahn beklagt, dass dieser Migrationspakt intransparent und an der Öffentlichkeit vorbeigeschleust geschlossen werden sollte.

(Zuruf: Rechtspopulist!)

Thomas Schmidt sagt in der „WeLT“- ich zitiere –:

„Der Pakt beschwört in ungeheuer vielen Punkten die Bringschuld der aufnehmenden Staaten, so gut wie nie aber die der Migranten ... „

– ganz im Gegensatz zu dem, was Sie hier von sich gegeben haben –

„... und lässt sich auch deswegen als Programm zur Migrationsförderung missverstehen.“

Der Pakt sollte gewissermaßen an der Öffentlichkeit vorbei geschlossen werden. Das ist gerade bei dieser Frage und in diesen Zeiten eine verheerende Vorgehensweise.

Ich will Ihnen mal sagen, wo wir waren. Wir waren da, als es darum ging, diesen Pakt an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren und in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Das ist das, was Sie hier im Hause unbedingt vermeiden wollten. Da waren wir: an der Quelle der Demokratie, wo Sie anscheinend nie hinkommen werden.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Abgeordneter, Sie haben nun 90 Sekunden Zeit zur Erwiderung.

Björn Franken (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe versucht, es zu erklären. Das kann ich gerne noch einmal tun. Wir sind Mitglied in einer demokratischen Partei, in der CDU, in der jeder seine Meinung frei äußern darf. Journalisten dürfen das nach Vorstellung der demokratischen Parteien in diesem Land auch heute noch, und sie dürfen es auch weiterhin.

Sie stellen sich immer als Verfechter des Abendlandes dar. Für unsere Demokratie braucht es keine Leute, die durch Lügen Angst und Hetze verbreiten und dadurch Stimmungsbilder in der Gesellschaft erzeugen wollen.

(Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Wir brauchen Ruhe, Sachlichkeit und Ergebnisse, und dafür stehen wir. – Danke.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Franken. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Yetim das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Ibrahim Yetim (SPD): Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich kurz zwei Worte zum Vorredner der AfD sagen. Er hat davon gesprochen, dass die demokratischen Parteien zum Schaden für Deutschland arbeiten würden. Ich glaube, Herr Wagner – um das mal ganz deutlich zu sagen –, den einzigen Schaden für Deutschland verursachen Sie. Das wissen Sie auch ganz genau, weil Sie mit Ihrer Hetze die Menschen auf die Straße treiben.

(Helmut Seifen [AfD]: Sie hetzen!)

Mit Ihren Fake News, Ihrer Hetze und dem Schüren von Angst und Neid

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Das machen Sie gerade!)

treiben Sie die Menschen auf die Straße. Das gereicht Deutschland zum Schaden, um das mal ganz deutlich zu sagen.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Ihre Strategie ist es – das beobachten wir schon seit Längerem –, möglichst überall Themen aufzugreifen, die in den Bundestag oder hierher gehören, um Stimmung zu machen, um Ängste zu schüren.

(Zuruf von der AfD: Das sind wieder keine Argumente!)

Ich möchte Ihnen kurz zwei inhaltliche Punkte zum UN-Migrationspakt verdeutlichen. Herr Franken ist schon auf viele Details eingegangen; lassen Sie mich daher zwei Punkte aufführen. Falls Sie wirklich Interesse an einer sachlichen Debatte haben, hilft Ihnen das vielleicht.

(Zuruf von der AfD: Fangen Sie endlich mal an!)

– Hören Sie zu! Lernen Sie!

Erstens. Sie unterstellen dem UN-Migrationspakt einen Angriff auf die nationale Souveränität.

(Zuruf von der AfD: So ist es!)

Das gibt dieser Text aber überhaupt nicht her. Wenn Sie ihn gelesen hätten, wüssten Sie, was darin steht. Der Pakt bekräftigt nämlich das souveräne Recht der Staaten, ihre Migrationspolitik selbst zu bestimmen.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Das haben wir eben schon gehört!)

Lesen Sie es auf Seite 4 nach! Dann wissen Sie wenigstens, worüber wir reden. Ich mache das mal in einer einfachen Sprache, dann verstehen Sie das vielleicht.

(Heiterkeit von der SPD)

Wenn es bei Ihnen an der Haustür klingelt, können Sie die Tür öffnen oder auch nicht. Das ist Ihre eigene Entscheidung.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Genau das gibt dieser Pakt her. Sie entscheiden selber, ob Sie die Haustür öffnen, und wir entscheiden selber, wie wir unsere Migration steuern.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Sie behaupten, dass der UN-Migrationspakt die Migration fördere. Damit verkennen Sie völlig, dass in Ziel 2 festgehalten ist, dass wir als Nationen gemeinsam die Triebkräfte und die strukturellen Faktoren, die die Menschen dazu bringen, ihre Heimat zu verlassen, gemeinsam abbauen wollen. Es gibt ungefähr 260 Millionen Menschen, die Migranten sind; der größte Teil davon übrigens in Asien, um auch das mal ganz deutlich zu sagen.

Die Faktoren, die die Menschen dazu bringen, ihre Heimat zu verlassen, wollen wir gemeinsam abbauen. Dazu gehören zum Beispiel schlechte wirtschaftliche Bedingungen, Naturkatastrophen, natürlich auch Verfolgung. All das gehört mit dazu.

Ich mache das an einem ganz einfachen Beispiel deutlich; das kennen Sie vielleicht. Die Rede ist von Siedlergemeinschaften. Diese Siedlergemeinschaften sind damals entstanden, um sich gemeinsam zu helfen.

Das war der Zweck. Stellen Sie sich nun bitte vor, dass sich die Länder heute in einer globalisierten Welt genauso gemeinsam helfen wollen, dass möglichst alle ein Dach über dem Kopf haben, unter dem sie sicher sind, unter dem sie sich wohl fühlen, unter dem sie eine Perspektive für sich und ihre Familie aufbauen können. Darum geht es bei dem Migrationspakt – um nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall von der SPD)

Wenn ich schon bei Ihrem Antrag bin, dann möchte ich noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, den ich auf gar keinen Fall so stehenlassen kann. Sie zitieren in Ihrem Antrag den Chefredakteur der völkischen Wochenzeitung „Junge Freiheit“.

(Lachen von der AfD)

Der lässt sich darüber aus, dass im UN-Migrationspakt keine Hinweise auf die – ich zitiere – „massiven ethnischen, religiösen und sozialen Verwerfungen, die Migration tatsächlich auslöst“, zu finden seien. Für diesen Chefredakteur ist Migration das Symbol für kippende Stadtteile, Islamisierung und explodierende Kriminalität. Das zitieren Sie hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.

(Helmut Seifen [AfD]: Fahren Sie mal nach Essen! – Weitere Zurufe von der AfD)

Das zeigt aber ganz deutlich, wie viel Fremdenhass in Ihren Köpfen steckt. Ich sage das ganz frank und frei.

(Beifall von der SPD)

Ich sage Ihnen auch, warum das so ist. Das ist nämlich ein Angriff auf all die Menschen, auf die Familien, die ihre Wurzeln nicht hier bei uns in Nordrhein-Westfalen haben, ein Angriff auf diejenigen,

(Helmut Seifen [AfD]: Blödsinn!)

die mitgeholfen haben, dass dieses Land so ist, wie es ist – ein vielfältiges, ein tolerantes, ein starkes Land.

(Zurufe von der AfD)

Das sind all die Familien der Gastarbeiter, die in diesem Land mitgeholfen haben, unsere Schulen und unsere Kindergärten aufzubauen, und die teilweise sogar noch mitgeholfen haben, Ihr Studium zu finanzieren.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der AfD)

Ich glaube manchmal, dass wir über unsere Studienmöglichkeiten noch einmal genauer nachdenken sollten. Bei Ihnen hat es jedenfalls nicht gefruchtet.

Sie greifen damit sehr deutlich diejenigen an, die dabei mitgeholfen haben, dieses Land aufzubauen,

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Die haben es nicht aufgebaut!)

die so viel dafür getan haben, dass wir ein so tolles Land sind. Diese Menschen greifen Sie mit diesem Zitat, mit diesem Ausschnitt aus der völkischen Zeitung an. Das sollten Sie sich noch einmal genau überlegen.

(Zurufe von der AfD)

Im Kern geht es bei dem UN-Migrationspakt um die Frage, ob diese internationale Herausforderung – und das ist Migration: 260 Millionen Migranten auf der Welt sind eine internationale Herausforderung – von den Länder dieser Welt gemeinsam angegangen wird oder nicht.

Für uns, für die SPD, ist dabei völlig klar, dass Migration nur international gesteuert werden kann. Wir werden Ihre Lügen so nicht stehen lassen. Wir werden gegen diese Stimmungsmache ankämpfen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von dem Abgeordneten Beckamp. Die Frage ist, ob Sie sie zulassen. Der Wunsch ist während Ihrer Rede eingegangen. Ich konnte Sie nicht mehr rechtzeitig unterbrechen.

Ibrahim Yetim (SPD): Na gut, ausnahmsweise.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Von Herrn Abgeordneten Wagner ist zudem eine Kurzintervention angemeldet worden. – Aber zunächst einmal wird jetzt die Zwischenfrage gestellt. Herr Abgeordneter Beckamp.

Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank, Herr Yetim. – Sind Ihnen ein paar Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung in Afrika bekannt? Ist Ihnen bekannt, wie schnell die Bevölkerung in Afrika wächst, wie viele Menschen dort zu Migranten werden? Ist Ihnen bekannt, bis wann sich Afrikas Bevölkerung von derzeit 1,2 Milliarden verdoppelt haben wird? Vielleicht innerhalb der nächsten 30 Jahre? Ist Ihnen das alles bekannt? Sehen Sie einen Zusammenhang mit der Möglichkeit des Migrationspaktes – ich zitiere die New Yorker Erklärung –, reguläre Einwanderung zu erleichtern und auszuweiten?

(Zurufe von den GRÜNEN: Eine Frage!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Beckamp, Sie kennen die Geschäftsordnung, die wir uns als Landtag gegeben haben.

Roger Beckamp (AfD): Das war eine zusammenhängende Frage, völlig zulässig.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Danach ist eine Frage zulässig, und sie ist kurz auszuführen. – Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Ibrahim Yetim (SPD): Herr Beckamp, Sie haben den UN-Migrationspakt nicht verstanden. Ich merke das an Ihrer Frage.

(Roger Beckamp [AfD]: Sie verstehen das nicht!)

Gerade deswegen, weil es solche Kontinente gibt wie Afrika, wo die Menschen teilweise unter übelsten Bedingungen leben, müssen wir dort doch helfen. Das kann nicht ein Land alleine schaffen.

(Beifall von der SPD)

Das müssen wir gemeinsam angehen, nicht nur ein Land. Genau darum geht es, Herr Beckamp. Ich merke, Sie haben es nicht gelesen, Sie haben es nicht verstanden.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Jetzt schließen wir die Kurzintervention an. Herr Abgeordneter Wagner.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Das mache ich vom Platz aus, nicht?)

– Sie können das vom Platz aus machen, genau. – Herr Abgeordneter Wagner hat jetzt jedenfalls 90 Sekunden für seine Kurzintervention.

(Zuruf von der SPD: Jetzt kommen die bösen Menschen wieder!)

Markus Wagner (AfD): Herr Yetim, ich habe eben zur Kenntnis genommen, dass Sie unsere Argumentation gegen den Migrationspakt als rechtsradikal, rassistisch und hetzerisch bezeichnen, und stelle daher fest, dass Sie die Regierungen von Tschechien, Österreich, der Slowakei, Polen, Australien, Bulgarien, der USA, Ungarn und Israel ebenfalls als rechtsextrem, rassistisch und hetzerisch bezeichnen, weil die nämlich genauso argumentieren, wie wir das hier getan haben.

Ihr zweites Argument, das überhaupt nicht zieht, ist, dass der Migrationspakt besage, dass wir die Souveränität über unsere Migrationspolitik behalten. Das passt nicht, und zwar deswegen nicht, weil der Migrationspakt 23 politische Verpflichtungen enthält, die von einer weichen Gesetzgebung zu einer harten Gesetzgebung werden. Das zeigt die Erfahrung, das zeigt die historische Erfahrung mit Pakten ähnlicher Couleur.

Von daher ist der Hinweis darauf, dass wir die Hoheit über unsere Migrationspolitik behalten würden, nicht zielführend, weil dieser Migrationspakt und die darin enthaltenen Verpflichtungen diese Hoheit aufweichen und letztlich per Gewohnheitsvölkerrecht zu Recht in Deutschland und in Europa werden, wie es bei der Inklusion der Fall war, wie es beispielsweise mit der Agenda 2030 der Fall ist usw. Genau das wird mit diesem Pakt auch passieren.

(Beifall von der AfD – Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

– Mit Ihnen spreche ich doch jetzt gar nicht.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Abgeordneter Yetim, wenn Sie sich bitte einmal kurz eindrücken könnten. – Ihr Mikrofon ist freigeschaltet. Sie haben 90 Sekunden für die Erwiderung.

(Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE] – Markus Wagner [AfD]: Die Grünen wollen das durchsetzen, bevor es überhaupt beschlossen ist!)

Ibrahim Yetim (SPD): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Wagner, Sie machen genau da weiter, wo Sie vorhin mit Ihrer Hetze aufgehört haben, unbelegt. Sie machen mit Ihrer Hetze genau da weiter.

(Christian Loose [AfD]: Herr Yetim hetzt gegen Israel!)

Natürlich gibt es auch Länder, die den Migrationspakt ablehnen, unter anderem auch Tschechien oder Ungarn. Das sind ja Ihre Freunde – alles Rechtspopulisten, um das mal ganz deutlich zu sagen, Herr Wagner.

(Zurufe von der AfD)

Soll ich Ihnen jetzt wirklich erklären, was der Unterschied zwischen einem Vertrag und einem Pakt ist? Bei einem Pakt gehen wir Verpflichtungen ein, die moralischer Art sind. Da heißt es: Lasst uns gemeinsam als Länder dieser Erde dafür sorgen, dass wir Menschen dazu bringen, in ihren Heimatländern zu bleiben. Wir wollen gemeinsam daran arbeiten, dass auch in diesen Ländern vernünftige wirtschaftliche Bedingungen herrschen. Wenn es darum geht, lehnen Sie das ab.

Das aber lehnen Sie ab. Viele Probleme würden wir eigentlich gar nicht mehr haben.

(Markus Wagner [AfD]: Wir lehnen die politische Verpflichtung nicht ab!)

Herr Wagner, ich sage Ihnen klipp und klar: Sie haben Angst – das hat mein Kollege Franken vorhin auch so ausgeführt –, dass Ihnen ein Thema abhandenkommt und dass Sie die Menschen nicht mehr auf die Straße hetzen können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Helmut Seifen [AfD]: Im Gegenteil!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Das waren Kurzintervention und Erwiderung. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP nun der Abgeordnete Lenzen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Stefan Lenzen (FDP): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Zeit standen folgende Fragen im Vordergrund: Wie integrieren wir Geflüchtete in Ausbildung und Arbeit? Wie verbessern wir Anerkennungsverfahren von ausländischen Berufsabschlüssen? Wie können wir die Migrantenselbstorganisationen stärken? Wie können wir die Kommunen bei der Integrationsarbeit vor Ort unterstützen?

Das sind nur einige Fragestellungen in der nordrhein-westfälischen Integrationspolitik der Vergangenheit gewesen, mit denen sich nicht nur FDP und CDU, sondern auch Teile der Opposition beschäftigt haben. Die Zahl der politischen Initiativen der AfD in diesen Bereichen, gerade in Bezug auf praktische Fragen, geht leider gegen null.

Ich habe mir schon fast Sorgen gemacht, als ich im letzten Plenum von Ihnen überhaupt keinen Antrag zur Migrations- und Flüchtlingspolitik gesehen habe. Das ist man von Ihnen gar nicht gewohnt. Schließlich ist das quasi Ihr Kernthema. Thematisch gehen Ihre Kompetenzen eher gen null.

Mit dem heutigen Antrag zeigen Sie erneut: Manchmal ist weniger mehr. Diesen Antrag hätten Sie sich schlicht schenken können.

(Beifall von der FDP – Helmut Seifen [AfD]: Das könnte Ihnen so passen! – Lachen von der AfD)

Das war zum einen Copy-and-paste bei der Bundestagsfraktion, zum anderen zitieren Sie die JUNGE FREIHEIT, ein Sprachrohr der Neuen Rechten. Mehr hat der Antrag leider nicht zu bieten. Er enthält keine eigenen Ideen und Inhalte. Alles Fehlanzeige! Eine landespolitische Maßnahme kann man ihm genauso wenig entnehmen. Spätestens nach anderthalb Jahren im Parlament hätte ich erwartet, dass Sie den Unterschied zwischen Landtag und Bundestag erkennen. Das hätten Sie bereits verinnerlichen können.

Ihr Kollegen Wagner führte vorhin noch aus, Sie sähen sich als Quelle der Demokratie.

(Zuruf von der AfD – Lachen von der SPD)

Das wäre wie ein Fluss, der aufwärts fließt. Diesen Fluss müssen Sie mir erst mal zeigen.

(Beifall von der FDP)

Der globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, kurz UN-Migrationspakt, ist ein richtiger und wichtiger Schritt, gerade was die Ordnung und Steuerung von Migration angeht. Das sollte, wenn man Ihren Wortbeiträgen der Vergangenheit Glauben schenkt, in einer Hinsicht vielleicht auch in Ihrem Interesse liegen, obwohl wir das natürlich von mehreren Seiten betrachten. Ausschnittsweise müsste er Ihnen aber eigentlich entgegenkommen.

Der Pakt behandelt alle Dimensionen der weltweiten Migration, von der Arbeitsmigration über Aspekte der Identitätsfeststellung bis hin zur Bekämpfung der Schleusung; die Kollegen Yetim und Franken sind bereits darauf eingegangen. Den Faktencheck kann ich mir deshalb an manchen Stellen sparen. Das eine oder andere muss ich aber doch noch einmal wiederholen, um mit Ihren Fake News aufzuräumen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten Beckamp.

Stefan Lenzen (FDP): Ja, sofort. Ich möchte den Satz noch zu Ende führen. Kein Problem.

Die Bekämpfung von Schleusern und Menschenhandel sollte auch Ihr Interesse sein, ebenso Grenzmanagement und Rückführung. Lesen Sie den Pakt doch mal! Da steht das alles drin, bis hin zu Fragen der Integration in die Aufnahmegesellschaften. Das sind Punkte, bei denen ich der Meinung war, dass die AfD richtige Freudensprünge hätte machen müssen. Aber anscheinend haben Sie den Pakt nicht gelesen. Die demokratischen Fraktionen hingegen – das merken wir an dieser Stelle auch wieder – sehen das Ganze als eine Chance an.

Jetzt nehme ich gern die Zwischenfrage des Kollegen Beckamp entgegen.

Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank, Herr Lenzen. – Uns wurde jetzt mehrfach vorgehalten, wir hätten den Pakt nicht verstanden. Sie hingegen sagen ...

(Stefan Lenzen [FDP]: Ich habe behauptet, Sie hätten ihn nicht gelesen. Verstanden haben Sie ihn aber auch nicht.)

Im Ergebnis hätten wir ihn nicht verstanden, vielleicht hätten wir ihn nicht einmal gelesen. Sie haben ihn gelesen und verstanden. Sie sprachen auch von einem Faktencheck. Können Sie mir beantworten, was in dem Pakt der Unterschied zwischen irregulärer und regulärer Migration ist? Haben Sie das verstanden?

Stefan Lenzen (FDP): Wenn Sie ab und zu in der Plenardebatte zugehört hätten – zum Beispiel dem Integrationsminister –, dann wüssten Sie, dass Deutschland fast alle Forderungen des Migrationspakts bereits erfüllt. An einer Stelle – darauf hat der Kollege Franken bereits hingewiesen – haben wir noch Nachholbedarf, und das ist ein in sich konsistentes Einwanderungsgesetzbuch.

Wenn Sie von regulärer Migration sprechen, dann müssen Sie auch solche Fragen beantworten, wie Arbeitsmigration – sprich: die Arbeitszuwanderung von Fachkräften, also von Menschen, die hier arbeiten wollen – ermöglicht werden kann. Das ist ein wichtiger Punkt.

Wir müssen bei der Migration zwischen illegal und legal unterscheiden. Bei der legalen Migration ist es wichtig, das Grundrecht auf Asyl nicht infrage zu stellen. Ebenso müssen wir wissen, von wo die Menschen vor Krieg flüchten.

Wir brauchen ein in sich konsistentes Einwanderungsgesetzbuch, in dem klar unterschieden wird: Wann haben wir es mit einem Asyl nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu tun? Wo besteht ein Schutzstatus für Kriegsflüchtlinge, die nicht dem Asylverfahren unterliegen? Eine weitere Frage lautet: Wie bekommen wir die Arbeitsmigration geordnet?

Wenn jemand keines dieser Kriterien erfüllen wird, bleiben uns in einem Rechtsstaat wie dem unseren am Ende nur noch Ausreise und Abschiebung. Es schockiert mich, dass ich Ihnen das noch einmal erklären musste. Ich hätte gedacht, dass Sie das nach anderthalb Jahren inzwischen begriffen hätten. Jedenfalls wissen Sie jetzt, was wir unter legaler Migration verstehen.

(Beifall von der FDP und von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir hatten eben schon die Gelegenheit für den Faktencheck zum Thema „Souveränität der Staaten bei der Gestaltung ihrer nationalen Migrationspolitik“. Die Kollegen Franken und Yetim haben sogar die entsprechenden Stellen im Pakt genannt. In den Zielen 7, 15 b) und 15 c) beispielsweise wird noch einmal ausdrücklich betont, dass die Souveränität der Staaten gewahrt wird; die wird kein bisschen infrage gestellt.

Das fordert die NRW-Koalition zusammen mit unserem Integrationsminister übrigens auch. Wir wollen mit dem Einwanderungsgesetz eine Regelungslücke in Deutschland schließen. Wir wollen das zusammenführen. Die Ziele des Paktes sollen – so steht es unter Nummer 41 – unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Realitäten und Kapazitäten sowie unter Beachtung der nationalen Politiken und Prioritäten umgesetzt werden. Der Pakt ist somit rechtlich nicht verbindlich. Er stellt vielmehr nur einen Kooperationsrahmen dar. Das haben meine Vorredner auch schon zu erklären versucht.

Nehmen Sie doch mal Folgendes zur Kenntnis: Es ist doch beachtlich, dass über 180 Staaten diesen Pakt gemeinsam erarbeitet haben.

(Zurufe von der AfD)

Der Pakt kann auch als Grundlage für eine Diskussion über künftige Regelungen dienen. Er kann anderen Staaten, die noch nicht so weit sind wie wir, als Anleitung dienen. Wir müssen uns überlegen, wie wir die internationale Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren in Sachen Migration fördern können.

Würde man diesen Pakt konsequent anwenden, und zwar verbunden mit der konsequenten Einhaltung der allgemeinen Menschenrechte – auch die sollten Sie nicht infrage stellen – in allen Regionen der Welt, dann würde das den Migrationsdruck auf Europa und auf Deutschland spürbar senken. Spätestens hier sollten Sie verstehen, dass dies im Sinne von NRW und Deutschland ist. Genau das haben die Kollegen Yetim und Franken Ihnen erklärt.

Der Pakt kann auch zu einer gerechteren Lastenverteilung beitragen, indem man die Herkunftsländer dazu verpflichtet, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen und darüber hinaus für bessere Standards – gerade bei der Unterbringung und Versorgung – in den Herkunftsländern zu sorgen, damit nicht so viele Menschen ihr Land verlassen wollen. So kann ihre Not dahin gehend gelindert werden, dass sie sich nicht auf den Weg nach Europa machen müssen. Deutschland erfüllt – das habe ich eben schon erwähnt – fast alle Anforderungen des Migrationspakts bereits heute.

Es gibt einen Punkt – den habe ich Ihnen skizziert –, bei dem wir noch nachsteuern müssen; das ist das Thema „Einwanderungsgesetz“. Deshalb brauchen wir auch Zeit, damit der Unterzeichnung des Pakts in Marrakesch auch ein echtes Einwanderungsgesetz folgen kann.

Der UN-Migrationspakt erkennt Migration als das an, was sie ist: als Realität. Migration gab es zu jeder Zeit und findet überall auf der Welt statt. Migration zu ordnen, liegt in unserem Interesse – anscheinend nicht in Ihrem. Das stellen wir heute in der Debatte fest.

Wir dürfen den UN-Migrationspakt nicht überschätzen. Er ist nicht verbindlich, sondern eine Absichtserklärung. Es ist weiterhin unsere Pflicht – auch für uns in NRW; daran arbeiten wir –, eine geordnete Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik in Deutschland zu schaffen. Deswegen sind Ihre Wortbeiträge nur noch verwunderlich. Ich glaube, dass auch jetzt aus Ihrer Ecke nichts substanziell Neues oder Erhellendes kommen wird. Aber ich sehe schon die Kurzintervention und bin gespannt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Jetzt gibt es in der Tat die vom Abgeordneten Wagner der Fraktion der AfD angemeldete Kurzintervention. – Bitte, sehr geehrter Herr Wagner, das Mikrofon ist freigeschalten.

Markus Wagner (AfD): Herr Lenzen, Sie haben in Ihrer Rede auf vieles hingewiesen. Ich möchte mich nur auf zwei Dinge konzentrieren. Zum einen geht es natürlich darum, legale und nicht illegale Migration zu fördern. Zum anderen haben Sie gesagt, dass die Bekämpfung von Schleusung und Menschenhandel ein Ziel des Migrationspaktes sei.

Ja, die Überschrift von Ziel 9 sagt: „Verstärkung der grenzübergreifenden Bekämpfung der Schleusung von Migranten.“

Unter Punkt 25 heißt es dann:

„Wir verpflichten uns ferner, ...“

– wieder taucht das Wort „verpflichten“ auf; über 80-mal kommt es vor –

„... zu gewährleisten, dass Migranten nicht strafrechtlich dafür verfolgt werden können, dass sie Gegenstand der Schleusung waren, ungeachtet einer potenziellen strafrechtlichen Verfolgung wegen anderer Verstöße gegen nationales Recht.“

Herr Lenzen, das ist nichts anderes als die Erhöhung des Anreizes, sich in die Hände von Schleppern zu begeben. Das bedeutet aber vor allen Dingen, dass de facto eine Legalisierung illegaler Einreise per Schlepper durchgeführt wird, die zwar nicht erlaubt, aber straffrei gestellt ist.

Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie hier geschildert und ausgeführt haben. Es ist eine von vielen Verpflichtungen in diesem Pakt, wie beispielsweise auch die Verpflichtung, dass man Medien, die migrationskritisch berichten, finanzielle Mittel und Zuwendungen entziehen soll. Das nur nebenbei.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Lenzen, Sie haben 90 Sekunden Zeit zur Erwiderung.

Stefan Lenzen (FDP): Sie zitieren zwar schön, aber ich glaube, das war ein bisschen eine Interpretation der AfD. Denn man muss ja eine Begründung liefern, warum man den Pakt als solchen ablehnt.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Sie haben vorhin behauptet – jetzt sind Sie darauf aber nicht eingegangen –, dass die Staaten in ihrer Souveränität bei der Migrationspolitik durch den Pakt eingeschränkt würden. Sie haben es jetzt zwar nicht noch mal erneuert, aber Sie haben wohl auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass im Pakt unter den Zielen 7, 15 b) und 15 c) ausdrücklich das Gegenteil von dem steht, was Sie vorhin erzählt haben.

(Markus Wagner [AfD]: Unsinn!)

Im Migrationspakt steht außerdem, dass wir verstärkt gegen Schleuser vorgehen wollen und werden. Ebenso steht dort, dass wir das Thema „Menschenhandel“ grenzüberschreitend besser bekämpfen möchten.

(Markus Wagner [AfD]: Es steht das Gegenteil in diesem Pakt!)

Interessant ist auch, dass Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass das Thema „Abschiebung“ dadurch schneller und effektiver erfolgen kann und dass es hier einen breiten Konsens gibt. Den Weg werden Sie aber sicher auch in Zukunft nicht mitgehen wollen. Deswegen ist es schön, dass Sie Ihre Fake News mit Ihren Interpretationen paaren.

(Markus Wagner [AfD]: Indem ich illegale Einreise legalisiere?! Wo bleibt denn der gesunde Menschenverstand?)

– Wenn Sie jetzt mit „gesundem Menschenverstand“ kommen, dann kann man das in die gleiche Kategorie einsortieren wie Ihre Aussage zur „Quelle der Demokratie“ von vorhin. Ihr Statement spricht für Sie selbst. – Danke schön.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lenzen. Das waren Kurzintervention und Erwiderung. – Es hat nun für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen Frau Kollegin Aymaz das Wort.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Es ist nicht neu: Seit Monaten sind viele Fake News mit Angstmache und – ich möchte es betonen – mit bewussten Falschinformationen im Umlauf. Auch Sie machen das ganz bewusst.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie wissen ganz genau, dass das, was Sie da schreiben, nicht stimmt. Es geht Ihnen gar nicht um eine demokratische Debattenführung, sondern um eine bewusste Falschinformation gegen den UN-Migrationspakt. Mit dem vorliegenden Antrag soll diese Stimmungsmache nun auch hier im Landtag von NRW ankommen.

Es wird behauptet – ich wiederhole das, was meine Kollegen schon gesagt haben –, der Migrationspakt würde die Souveränität der einzelnen Staaten einschränken und mit ihm würde ein Recht auf Migration eingeführt. Das – wir können es in diesen Tage immer wiederholen – ist schlicht falsch!

Durch den UN-Migrationspakt wird kein Recht auf Migration begründet – vielmehr werden Rechte bekräftigt, die längst schon Bestandteil anderer völkerrechtlicher Abkommen, UN-Dokumente oder Teil unserer Verfassung sind, wie zum Beispiel der Schutz der Menschenwürde.

Dass der Schutz der Menschwürde alle Menschen umfasst – unabhängig ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion –, ist doch selbstverständlich.

Wir werden nicht zulassen, dass diese Selbstverständlichkeit, dieser Grundsatz unserer Verfassung infrage gestellt wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Durch den Migrationspakt wird auch nicht die nationale Souveränität eingeschränkt – ganz im Gegenteil! Herr Yetim hat es eben zitiert. Ich möchte es aber auch gerne zitieren – nicht um Sie zu überzeugen, sondern um unsere Position deutlich zu machen:

„das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereiches in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln“.

Das ist eine ganz klare Aussage, mit der die Souveränität der Nationalstaaten gewahrt bleibt und sogar zum Leitprinzip dieses Paktes gemacht wird.

(Zuruf von Dr. Martin Vincentz [AfD])

Ja, meine Damen und Herren, wir Grüne halten den UN-Migrationspakt für einen richtigen Schritt. Er ist der erste Versuch überhaupt, sich innerhalb der Vereinten Nationen gemeinsam mit der Frage einer geordneten und legalen Migration zu befassen und auf internationales Regelwerk zu verständigen.

Denn eine der grundlegenden Erkenntnisse aus der Flüchtlingssituation von 2014 bis 2016 war doch gerade, dass kein Land der Erde solche Herausforderungen alleine und rein national für sich bewältigen kann.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich hervorheben, dass diejenigen, die sich jetzt mit Verschwörungstheorien, mit gezielt gestreuten bewussten Falschinformationen gegen den UN-Migrationspakt stellen,

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

keinerlei Interesse an einer demokratischen Debatte haben,

(Markus Wagner [AfD]: Wir sind die Einzigen, die daran ein Interesse haben!)

sondern dass sie sich ganz klar gegen den Multilateralismus und die Übernahme internationaler Verantwortung stellen. Sie wollen zurück ins Klein-Klein von Nationalstaatlichkeit, und Sie wollen im Nationalismus verharren. Das ist schädlich für unser Land.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Aymaz, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten Beckamp. Ich frage, ob Sie die zulassen wollen. Ich kam nicht dazwischen, weil ich Sie in Ihrem Redefluss nicht stoppen wollte.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Ich werde hier keinen weiteren Raum für Hetze und Stimmungsmache zur Verfügung stellen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Diesen Raum nutzen Sie, Herr Beckamp, schon zur Genüge, bereits über Ihre sozialen Netzwerke, wo Sie sogar dazu aufrufen, gewählte demokratische Bürgermeisterinnen „zu entsorgen“. Sie bekommen hier keinen Raum von mir.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Aymaz, es ist rechtzeitig eine Kurzintervention des Abgeordneten Beckamp angemeldet worden. Jetzt hat der Abgeordnete Beckamp für 90 Sekunden das Wort zur Kurzintervention.

Roger Beckamp (AfD): Frau Aymaz, das tut mir jetzt fast ein bisschen leid, dass ich doch noch Raum bekomme, um irgendetwas zu Ihnen zu sagen und ein paar Sachen richtigzustellen.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Sie sind nicht der Einzige!)

Sie sprachen eben davon, es gebe kein Recht auf Migration. Das höre ich erst einmal gerne.

Aber alles, was in diesem Pakt steht, ist genau das Gegenteil. Es ist nämlich genau das: Es ist ein Refugees-welcome-Pakt. Es wird genau das passieren, was 2015 passiert ist, nur eben auf legalem Wege.

Und Sie reden das auch noch schön. Ehrlich gesagt, vermisse ich von Ihrer progressiv linken Flanke den Hinweis darauf, dass vielleicht auch Dinge im Pakt fehlen, so etwas wie Bildung für Mädchen und junge Frauen in Afrika, Geburtenkontrolle, dass Frauen ein eigenes Recht haben, über die Reproduktion zu bestimmen.

Das sind alles Themen, die ganz eng mit Migration zusammenhängen. Das müssten Sie sich zu Eigen machen und dann überlegen, ob die Richtung, in die Sie laufen, die richtige ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, bitte zur Entgegnung.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sie hätten zuhören sollen, aber das machen Sie prinzipiell nicht, weil es Ihnen eben nicht um die inhaltliche Auseinandersetzung geht.

Ich habe betont, dass für uns Grüne dieser Migrationspakt ein erster guter, richtiger Schritt ist. Er ist nicht vollständig. In der Tat fehlen da einige Punkte, die wir Grüne noch für notwendig halten würden. Aber ein erster Schritt, die Frage von Migration tatsächlich multilateral zu lösen, ist wichtig.

Vom „Recht auf Migration“ steht in diesem Pakt gar nichts. Es steht aber sehr viel darüber drin, welche Rechte Menschen, die auf der Flucht oder in der Migration sind, haben, und zwar die international verankerten Menschenrechte.

Das sind Rechte, die auch in unserem Grundgesetz verankert sind. Das ist auch gut und richtig so. Diese Werte werden wir gegen Populisten wie Sie immer und überall verteidigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Stamp das Wort.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das im Bundestag für den Bundesrat für das Land Nordrhein-Westfalen auch schon einmal vorgetragen und die Behauptungen der AfD dort widerlegt. Ich mache das aber gerne hier noch einmal.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Erstens. Die AfD-Fraktion behauptet, der globale Pakt für Migration sei ein Angriff auf die nationale Souveränität. – Völlig falsch. Im Gegenteil wird im Text bereits zu Beginn festgeschrieben, dass alle Länder in ihrer Migrationspolitik völlig souverän bleiben. Der Kollege Franken hat ja vorhin die entsprechende Passage zitiert.

Zweitens. Die AfD behauptet, der Text sehe ein Menschenrecht auf Migration vor. – Das ist wiederum völlig falsch. Der Pakt bekennt sich zu den allgemeinen Menschenrechten.

Was für den Bundestag gilt, das gilt auch für den Landtag von Nordrhein-Westfalen: Zu den Menschenrechten bekennen wir uns hoffentlich alle.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Martin Vincentz [AfD])

Ein Menschenrecht auf Migration gibt es nicht und wird auch in diesem Text nirgends gefordert.

Aber ich möchte Ihnen trotzdem sagen: Wenn es tatsächlich eine Umsetzung dieses Paktes gäbe und die Menschenrechte überall auf der Welt verwirklicht würden, dann könnten wir ganz unproblematisch abschieben. Das ist doch das, was Sie eigentlich immer wollen. Insofern verstehe ich an dieser Stelle Ihre Argumentation nicht. Deswegen liegen Sie hier auch falsch.

Drittens. Die AfD behauptet, der Pakt öffne der millionenfachen Einwanderung aus Afrika Tür und Tor. Auch das ist völlig falsch; das Gegenteil ist richtig.

Es geht nämlich bei diesem Pakt nicht – wie das möglicherweise bei dem einen oder anderen aus der Gartenzwerg-Perspektive heraus wahrgenommen wird – um das Verhältnis zig anderer Länder zu Deutschland, sondern es geht um die Frage zig verschiedener Länder untereinander.

Schauen wir uns einmal die Zahl der Flüchtlinge an: Das sind überwiegend Binnenflüchtlinge, gerade in Afrika und in Asien. Es geht darum, Standards zu entwickeln, auf die sich die Weltgemeinschaft im Umgang mit diesen Flüchtlingen einigen kann.

Deutschland hat international wahrscheinlich so ziemlich die höchsten Standards, und alles, was im Pakt steht, erfüllen wir längst. Es gibt aber Länder, die das nicht erfüllen. Und es gibt auch einige Länder, die diese Standards auch weiterhin nicht erfüllen wollen.

Die von Ihnen angesprochenen osteuropäischen Regierungen wollen gar keine Migration; die Ungarn haben das immer wieder sehr deutlich artikuliert. Wenn Sie mit der Regierung dort sprechen, dann wird Ihnen das Argument vorgetragen: Wir sind innerhalb Europas ein so kleines Land. Wir wollen gerne ethnisch homogen bleiben.

Wir haben in Deutschland hohe Standards gegenüber Flüchtlingen und gegenüber Migranten insgesamt; in anderen europäischen Ländern ist das aber nicht der Fall.

Das ist im Übrigen auch der Grund gewesen: Nur weil die Orbán-Administration sich im Sommer 2015 so verhalten hat, wie sie sich verhalten hat, ist es zu dieser Entscheidung gekommen.

Und ich sage an dieser Stelle: Diese Entscheidung war richtig. Im Nachgang kritisiere ich Frau Merkel für die Kommunikation und dass es europäisch nicht abgestimmt gewesen ist; aber die Entscheidung an sich war richtig.

(Zuruf von der AfD)

Natürlich wollen die osteuropäischen Länder sich nicht zu einer fairen Verteilung bekennen, weil sie dann mehr Lasten tragen müssten.

(Zuruf von der AfD)

Wenn Sie aber wirklich deutsche Interessen vertreten wollen, wie Sie hier immer vorgeben, dann müssten Sie eigentlich ein Interesse daran haben, dass dieser Pakt zustande kommt und dass ihn die Osteuropäer unterzeichnen. Das wäre der richtige Weg im Sinne der deutschen Interessen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Herr Minister, es gibt den Wunsch einer Zwischenfrage des Abgeordneten Beckamp von der AfD.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Von mir aus.

Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank, Herr Minister. Ich darf aus dem offiziellen Text der UN zitieren, der auf Deutsch veröffentlicht wurde. Ich hatte ihn soeben schon einmal genannt. Da sagten Sie, das stimme alles nicht.

Ich zitiere jetzt einfach mal: „Migration ist“ – ich lasse etwas aus – „eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung.“ – Fehlt da nicht Ihrer Ansicht nach etwas? Ist das die einseitige Sicht, die Sie genauso vertreten?

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Das ist einfach insgesamt etwas breiter und weiter gedacht, als das der Durchschnittsintellekt Ihrer Fraktion möglicherweise zulässt.

(Zuruf von Roger Beckamp [AfD])

Es geht um eine historische Entwicklung.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Erhellen Sie uns!)

Im Übrigen: Wenn es keine Migration gegeben hätte, dann wären Sie alle jetzt noch Afrikaner.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Christian Loose [AfD])

Sie zitieren völlig selektiv. Sie zitieren diesen einen Satz, verschweigen aber, dass in dem Text natürlich auch die gesamten Probleme, die wir haben, benannt sind.

(Zuruf von der AfD: Nein, überhaupt nicht! Das stimmt nicht!)

Sie diskutieren immer nur aus Ihrem kleinkarierten Blickwinkel heraus.

(Dr. Martin Vincentz [AfD]: Kleinkariert – das ist doch eine Frechheit!)

Es geht bei der Auseinandersetzung um die Migration um ein weltweites Thema. Zum Beispiel geht es auch um die Frage nach der Migration auf dem amerikanischen Kontinent und darum, ob dort Eltern von ihren Kindern getrennt werden.

(Beifall von der CDU)

Natürlich will Herr Trump dieses Ding nicht unterzeichnen, weil er eben an der Grenze Politik so macht, wie er sie macht.

Die ganze Politik in Lateinamerika und in den USA hat mit Deutschland gar nichts zu tun. Wir haben ganz große Auseinandersetzungen – ich habe vorhin schon begonnen, das auszuführen, bevor Sie mich unterbrochen haben – um die Binnenflüchtlinge in Afrika.

Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt haben wir damit nichts zu tun, und wir werden es auch weiterhin nicht, wenn wir dafür sorgen, dass Fluchtursachen bekämpft werden.

Das ist doch der Kern dieses Paktes: Es geht um eine Verabredung, international Fluchtursachen zu bekämpfen, damit sich die Leute eben nicht auf den Weg nach Europa, nach Westeuropa und nach Deutschland machen müssen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen ist das in unserem ureigensten Interesse.

Ich sage aber auch, dass ich den Pakt insgesamt nicht überschätzen will. Er hat eben keine Rechtsverbindlichkeit, sondern ist eine politische Absichtserklärung.

(Zuruf von Nic Peter Vogel [AfD])

Er ist aber natürlich deswegen wichtig, weil man sich dann eben beispielsweise auch mit europäischen Partnern, die erklärt haben, sich daran zu halten, über eine faire Verteilung unterhalten kann. Das ist, wie gesagt, wiederum in unserem Interesse.

(Zuruf von der AfD)

Es ist aber auch in unserem Interesse, Schlepperorganisationen systematisch zu bekämpfen, und wir wollen, dass sich bestimmte Länder zum ersten Mal überhaupt dazu bekennen, dass es dieses Problem gibt. Auch das ist bereits ein Fortschritt. Aber auch das haben Sie bisher überhaupt nicht erkannt.

Sie behaupten, es ginge um die Förderung illegaler Migration. Das Gegenteil ist der Fall; ich habe das hier gerade ausgeführt.

Das gilt für alle Punkte, die Sie hier vortragen haben und die Sie nennen – ob das im Bundestag, in Ihrer Hauspostille „JF“ oder hier im Landtag gewesen ist –: Auch durch Wiederholung werden die Argumente nicht richtiger.

Ich habe es gerade dargestellt: Über die sozialen Netzwerke und auch hier sowie an den verschiedensten Stellen versuchen Sie, Leute zu verunsichern und mithilfe dieser Verunsicherung Stimmen und Mandate zu gewinnen. Ich sage Ihnen: Das wird Ihnen nicht gelingen. Dafür sind wir als Demokraten schlichtweg zu stabil. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Es ist eine Kurzintervention angemeldet worden. Ist diese noch aktuell, Herr Wagner?

(Markus Wagner [AfD]: Ja!)

– Dann bitte.

Markus Wagner (AfD): Herr Stamp, Sie sprechen unter anderem davon, dass es sich bei diesem Pakt um eine Absichtserklärung handele. Das ist eine Verharmlosung.

Ich zitiere aus meiner Rede von eben

(Heiterkeit – Dietmar Bell [SPD]: Eine rhetorische Glanzleistung! Er hört sich am liebsten selber!)

noch mal ein Schreiben des Bürgerservices des Auswärtigen Amtes. Dieser schreibt in Bezug auf den Migrationspakt, dass es sich um einen rechtlich nicht bindenden, wohl aber um einen politisch verpflichtenden Pakt handle – und nicht um eine lose Absichtserklärung.

Sie behaupten außerdem, die nationale Souveränität bliebe unangetastet. Dazu gibt es zahlreiche Gegenmeinungen von Staatsmännern unserer Nachbarländer, die diesem Pakt gerade deswegen nicht beitreten.

Weiter behaupten Sie, wir hätten ohnehin schon alle Standards erfüllt, die diesen Pakt betreffen.

(Zuruf von Eva Lux [SPD])

Dann stelle ich mir die Frage, warum ausgerechnet die Grünen die vollständige juristische und gesetzliche Umsetzung dieses Paktes fordern, wenn wir ihn doch angeblich schon erfüllt haben.

Das ist nämlich nicht der Fall. Mit Ihren Äußerungen streuen Sie den Leuten Sand in die Augen. Das ist das Problem, und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall von der AfD)

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Ach, Herr Wagner.

(Markus Wagner [AfD]: Herr Stamp!)

Ich bin doch gar nicht Mitglied bei den Grünen. Da müssen Sie mal nachfragen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Andreas Keith [AfD]: Das wissen wir nicht so genau!)

Ich würde Ihren Glauben daran, dass es verpflichtend wäre, gerne teilen. Denn wenn sich alle Unterzeichner tatsächlich an diese Verpflichtung halten würden, gäbe es weniger und kontrollierte Migration nach Deutschland

(Zuruf von der SPD)

und weniger irreguläre; das wäre in unserem Interesse.

(Beifall von der FDP und von Matthias Kerkhoff [CDU])

Im Übrigen zeigt sich ja auch, wie Sie versuchen, das parlamentarische Verfahren auszunutzen, indem Sie – was lebendige Debatten ja durchaus befeuern soll – das Instrument der Kurzintervention blanko nutzen, bei jedem Redner grundsätzlich eine Kurzintervention anmelden

(Christian Dahm [SPD]: Genau!)

und das im Zweifelsfall die ganze Zeit mitschneiden, um dies in den sozialen Netzwerken zu posten.

(Beifall von der FDP und den GRÜNEN)

Sie halten hier den Betrieb auf, indem Sie permanent die gleichen falschen Argumente vortragen.

(Markus Wagner [AfD]: Sie schießen eine Nebelkerze nach der anderen, und dem muss man sich entgegenstellen!)

Aber ich sage Ihnen: Wir stehen gegen Sie, und der braune Zwergenaufstand wird abgeblasen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Für die AfD verbleiben Herrn Beckamp jetzt noch 1 Minute und 31 Sekunden.

(Zuruf von der SPD: 29, 28, 27 – vorbei!)

Roger Beckamp (AfD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Minister redet von Fluchtursachenbekämpfung – eine tolle Idee, die immer wieder von allen strapaziert wird. Wie soll das denn gehen bis 2050? – Noch mal: Afrika verdoppelt sich auf 2,4 Milliarden Menschen; alle zwölf Tage 1 Million Menschen mehr.

Welche Fluchtursachen wollen Sie denn mit welchem Geld in welcher Zeit beseitigen? Ich bin sehr gespannt: Das wird wohl nicht funktionieren.

Wichtig und richtig wäre, wie wir eben schon gesagt haben, ein Pakt für Geburtenkontrolle und Bildung von Mädchen und jungen Frauen, für Afrika und den Nahen Osten. Das wäre ein Beitrag für die nachhaltige Entwicklung in diesen Regionen und ein klares Signal, was eben nicht zu Migration führen soll.

Ganz ehrlich: Den Pakt hätten Sie kürzer halten können. Sie lesen da ganz viele tolle Sachen heraus. Sie hätten aber einfach schreiben können: Kein Mensch ist illegal; Deutschland: Eintritt frei. – Dabei wäre genau das Gleiche rausgekommen.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Das hätten Sie gerne! – Sven Werner Tritschler [AfD]: Das hätten Sie gerne, Frau Aymaz!)

– So sieht es aus, Frau Aymaz. Das wäre genau Ihre Diktion gewesen. – Das Schöne ist: Sie kümmert es nicht.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Machen Sie wieder ein Video daraus?)

Sie nutzen die gleichen Worthülsen wie immer; irgendetwas gegen rechts, gar kein Problem.

Die sichtbaren Folgen Ihrer Politik und die absehbaren Folgen des Migrationspakts werden ausgeblendet: Kein Wort zu religiösen Konflikten, kulturellen Problemen usw. Gar nichts davon steht in dem Pakt; nur Positives, alles ist eitel Sonnenschein. Lesen Sie es doch mal nach. Wir haben es jedenfalls gelesen.

Wir werden in Ihren Wahlkreisen kundtun, wie Sie heute abstimmen, meine Damen und Herren. Wir haben Flugblätter vorbereitet.

(Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Frau Aymaz wird uns dabei sicherlich helfen. Sie werden es sehr gerne verteilen, weil Sie auch noch stolz darauf sind, was Sie mit diesem Land machen.

(Zuruf von der SPD: Wir sind stolz darauf, gegen Sie anzutreten.)

– Stimmt.

(Beifall von der AfD – Wolfgang Jörg [SPD]: Keinen Anstand haben diese Leute!)

Präsident André Kuper: Für die Landesregierung hat noch einmal Herr Minister Dr. Stamp das Wort. Die Landesregierung hat noch 5 Minuten und 47 Sekunden Redezeit.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann den Kolleginnen und Kollegen der AfD nur sagen: Meine Wählerinnen und Wähler wissen, wie ich abstimme; ich habe nämlich Kontakt mit ihnen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Herr Beckamp, wenn Sie den Pakt tatsächlich gelesen haben …

(Roger Beckamp [AfD]: Hier! – Der Abgeordnete hält ein Papier in die Höhe.)

– Ja? Wenn Sie ihn tatsächlich gelesen haben, macht es Ihre Argumentation nur perfider, weil Sie entweder intellektuell nicht begriffen haben, was dort steh, oder aber – was ich sogar noch eher glaube – mutwillig den Bürgerinnen und Bürgern Unsinn erzählen und damit Profit erzielen wollen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Monika Düker [GRÜNE]: Ja! Genauso ist es!)

Herr Beckamp, es passt doch ganz genau in die Linie Ihrer Partei, denn Alexander Gauland hat doch gesagt, die Flüchtlingskrise sei ein Geschenk für die AfD gewesen.

Sie wollen mit den Problemen doch Mandate gewinnen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Das ist Ihr Geschäftsmodell, dass Sie mit den Problemen Mandate gewinnen wollen. Der Pakt ist aber dazu geeignet, Probleme zu reduzieren und damit Mandate der AfD zu reduzieren.

(Christian Loose [AfD]: In den Ländern?)

In Wahrheit sind Sie deswegen gegen diesen Pakt. Das lassen wir Ihnen aber nicht durchgehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Ich schließe damit die Aussprache.

 Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der AfD hat gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu dem Antrag Drucksache 17/4297 beantragt. Gemäß Abs. 2 dieses Paragrafen erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten. Ich bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt.)

Meine Damen und Herren, damit haben alle Abgeordneten ihre Stimme abgegeben. Daher schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen.

Ich habe mich mit dem Sitzungsvorstand darauf verständigt, dass die Auszählung mit den bisherigen Schriftführern außerhalb des Plenarsaals erfolgt und wir in der Zwischenzeit mit der Tagesordnung fortfahren. – Dagegen sehe ich keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.

Nun setzen wir die gestern unterbrochenen Haushaltsberatungen fort. Ich rufe auf:

5   Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2019 (Haushaltsgesetz 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3300
Drucksache 17/4100 – Ergänzung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4344

Beschlussempfehlungen und Berichte
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksachen 17/4400 bis 17/4413,
Drucksache 17/4414 – Neudruck
Drucksache 17/4416
Drucksache 17/4420

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Zuwendungsrecht effektiv entbürokratisieren und vereinfachen – Kulturförderung als Pilotbereich

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4302

In Verbindung mit:

Finanzplanung 2018 bis 2022

Drucksache 17/3301

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4419

In Verbindung mit:

Gesetz zur Änderung haushaltswirksamer Landesgesetze (Haushaltsbegleitgesetz 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3303

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4418

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2019 (Gemeinde­finanzierungsgesetz 2019 – GFG 2019)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3302
Drucksache 17/4100 – Ergänzung

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4417

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2018 (Nachtragshaushaltsgesetz 2018)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/3400
Drucksache 17/4099 – Ergänzung

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4399

zweite Lesung

Die Veränderungen durch die im Haushalts- und Finanzausschuss gefassten Beschlüsse sind auch in den Veränderungsnachweisen dargestellt.

Zum Ablauf der Beratungen darf ich auf Folgendes hinweisen:

Das im Ältestenrat vereinbarte Beratungsverfahren mit der Reihenfolge der zu beratenden Einzelpläne und den vorgeschlagenen Redezeiten können Sie der Tageordnung entnehmen.

Nach der Beendigung der Aussprache über einen Einzelplan erfolgt die Abstimmung über diesen Einzelplan.

Liegt ein Änderungsantrag zu einem Einzelplan vor, wird zunächst über diesen abgestimmt.

Über den Einzelplan 20 stimmen wir heute am Ende ab.

Ich rufe nun auf:

Einzelplan 05
Ministerium für Schule und Bildung

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4405

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Ott das Wort.

Jochen Ott (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen kurz vor der Adventszeit. Deshalb habe ich überlegt, wie ich gleichzeitig auf Fehler hinweisen und trotzdem versöhnlich enden kann. Ich werde mir Mühe geben.

(Lachen von Henning Höne [FDP])

Ich kann am Anfang nur Folgendes deutlich machen: Weltbeste Bildung sollte es sein. Die großen Herausforderungen der Schulpolitik sind beschrieben. Ob wir da auf dem richtigen Weg sind, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Ich möchte drei Punkte erwähnen, bei denen die rot-grüne Regierung von der glorreichen siebenjährigen Opposition immer wieder angegangen wurde und für die die Ministerin nun selbst keine Unterstützung in der Landesregierung findet. Drei Punkte möchte ich anführen, bei denen es besser wäre, der Ministerpräsident würde die FDP stoppen. Drei Punkte möchte ich aufrufen, bei denen wir besser gemeinsam arbeiten würden, aber die Hand bisher ausgeschlagen wurde. Dann kommt noch ein Weihnachtswunsch obendrauf.

Zunächst zu den Punkten, die die glorreiche Opposition der sieben Jahre

(Henning Höne [FDP]: Siegreich!)

– um die Worte „sieben Jahre“ schon einmal erwähnt zu haben – immer wieder angemahnt hat und in der Landesregierung jetzt selbst nicht liefert:

Erster Punkt: das Thema „Ganztags-Rettungspaket“. Wir haben viele Zuschriften bekommen und in den Wahlkämpfen große Reden darüber gehört, dass der offene Ganztag unterfinanziert ist, dass wir endlich zu einer geregelten Finanzierung kommen müssen und dass die Standards mit den Trägern und den Kommunen verabredet werden müssen, was Personal und Räumlichkeiten angeht, aber auch die Beiträge, die im ganzen Land unterschiedlich sind.

Außerdem haben wir eine Bundesregierung, die den Rechtsanspruch ab 2025 im Koalitionsvertrag festgelegt hat und dabei ist, ein entsprechendes Gesetz zu erarbeiten.

Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, dass wir das gemeinsam planen. Wir haben einen Gipfel vorgeschlagen, bei dem man alle Partner an einen Tisch holt. Das ist bisher nicht geschehen. Insofern gilt: Die Menschen warten beim Ganztag auf eine konkrete Lösung. Angeboten haben Sie bisher nichts.

Zweiter Punkt: Lehrerbesoldung. Es ist absurd, wenn alle im Wahlkampf erzählen, sie würden das mit der Besoldung machen, und nachher sagen: Noch nicht; noch ist es nicht schön genug. – Direkt nach der Wahl ging es einigen gar nicht schnell genug. Sie wollten das eigentlich sofort haben, und zwar für alle. Jetzt fangen die Ersten an, zu sagen: Vielleicht doch in Etappen.

Wir erleben, was im Moment los ist. VBE und GEW sind auf den Barrikaden – zu Recht. Die Besoldungsanpassung nicht nur für die Kolleginnen und Kollegen an Grundschulen, sondern für alle A12-er muss jetzt kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Dritter Punkt: Schulsozialarbeit. In der Schulsozialarbeit ist das fortgesetzt worden, was wir angestoßen hatten. Zunächst einmal ist die Sicherung erfolgt. Wie wir aus den Äußerungen der Ministerialbeamten und aus den Ausführungen in der Anhörung wissen, kann es so aber nicht weitergehen. Der Verschiebebahnhof zwischen Jugendhilfe, Sozialministerium und Schulbereich darf nicht weitergehen. Wir brauchen ein vernünftiges Konzept.

Als SPD haben wir die Punkte auf den Tisch gelegt. Es gab dazu eine Anhörung. Dabei sind viele Dinge, die wir vorgeschlagen haben, bestätigt worden.

Sie müssen liefern, meine sehr verehrten Damen und Herren, um die Schulsozialarbeit in Nordrhein-Westfalen endlich grundsätzlich zu sichern.

(Beifall von der SPD)

Jetzt nenne ich Ihnen drei Punkte, bei denen wir der Auffassung sind, dass der Ministerpräsident die FDP-Ministerin so schnell wie möglich stoppen sollte.

Erstens. Der größte Unsinn, den diese Koalition im Schulbereich macht, ist der Versuch, mit Talentschulen soziale Ungleichheit in diesem Land zu bekämpfen.

(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Es wird immer gesagt, Talentschulen seien doch eine wunderbare Idee, um herauszufinden: Wie macht man es denn, wenn man in schwierigen Lagen ist? Wie kann man Kinder dort besser fördern? – Grober Unfug! Warum? Wir wissen längst, woran es liegt, dass es in bestimmten Schulen schwieriger ist. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.

Was wir brauchen, ist ein konsequenter Sozialindex in diesem Land.

(Beifall von der SPD)

Die CDU erklärt öffentlich, dass sie der Auffassung ist, für einen Sozialindex sei kein Geld vorhanden, weil schon genug für die Inklusion ausgegeben werde. Wer tatsächlich meint, Sozialindex und Inklusion seien dasselbe, hat von Schulpolitik keine Ahnung.

(Beifall von der SPD)

Zweitens. Auch die Einführung eines Fachs „Wirtschaft“ sollte der Ministerpräsident stoppen. In unseren Zeiten, in denen die Demokratie von vielen Seiten angegriffen wird, ist das Einzige, was der Regierung einfällt, die Einführung eines neuen Schulfachs. Da fragt man sich doch allen Ernstes, was das soll. Ich glaube, ich bin der einzige Redner in dieser Debatte, der das Studium zu einem Sozialwissenschaftslehrer für Politik, Soziologie und Wirtschaft in diesem Land absolviert und in diesem Land auch unterrichtet hat.

Jeder, der sich ein bisschen damit auskennt, weiß, dass Wirtschaft schon heute fester Bestandteil in den Fächern an unseren Schulen ist, und zwar in ganz vielen Fächern. Das geht von Politik über Gesellschaftslehre, Sozialwissenschaften und Erdkunde bis Arbeitslehre. Überall dort wird Wirtschaft bereits unterrichtet. So zu tun, als gäbe es das gar nicht, ist grober Unfug.

(Beifall von der SPD – Helmut Seifen [AfD]: Da muss ich Ihnen zustimmen!)

Was noch viel besser ist: Die Nähe zur Arbeitswelt wird dadurch hervorgerufen, dass es – dafür haben wir gesorgt – nicht nur Potenzialanalysen und drei Praktikumstage in Klasse 8 gibt, sondern auch das Berufspraktikum. Schon heute wird sehr viel investiert, um die Jugendlichen auf das berufliche Leben vorzubereiten, auch an Gymnasien. Deshalb kann ich nur sagen: Wozu ein Fach Wirtschaft, das jedenfalls an der Realschule eingeführt werden soll?

Was einen aber doch ein bisschen verwundert, ist, dass der Philologen-Verband Nordrhein-Westfalen in einer Pressemitteilung feststellt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Der PhV hat sich stets gegen ein neues Fach Wirtschaft an Gymnasien ausgesprochen. Fakt ist: Es wird kein! neues Fach Wirtschaft, wohl aber wird es im Rahmen des Faches Politik eine Stärkung der ökonomischen Bildung geben.“

Interessant! – Ich zitiere weiter:

„Das Schulministerium trägt selbst zur Verwirrung bei, indem von einem neuen Fach ,Wirtschaft-Politik‘ … gesprochen wird.“

Ein bisschen weiter unten in der Pressemitteilung wird es dann besonders lustig. Da führt der Philologen-Verband nämlich Folgendes aus:

„Neu ist an Gymnasien allenfalls die Bezeichnung ,Wirtschaft-Politik‘ (statt ,Politik/Wirtschaft‘).“

Ich muss schon sagen: Das ist beeindruckende ökonomische Kompetenz. Man dreht einfach den Namen des Schulfachs um. Dann hat man unter Beweis gestellt, dass man etwas von ökonomischer Bildung versteht. – Das ist doch lächerlich, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall von der SPD)

Deshalb ist tatsächlich die Frage zu klären: Was wollt ihr denn jetzt eigentlich? Wir stellen heute schon fest, dass viel zu wenig politische Bildung an unseren Schulen stattfindet. Kein anderes Fach wird so viel fachfremd unterrichtet. Bei keinem anderen Fach fällt so viel Unterricht aus wie im Bereich Politik und Sozialwissenschaften. In einer Zeit wie dieser müssen wir mehr Demokratie wagen – und nicht mehr Wirtschaft.

(Beifall von der SPD)

Drittens. Beim Thema „Inklusion“ haben wir bewusst innegehalten, uns zurückgehalten und gesagt, dass wir uns das anschauen, weil wir wissen, dass auch wir Fehler gemacht haben. Das ist überhaupt keine Frage. Dass Inklusion ein Menschenrecht ist, ist aber auch keine Frage. Die neuen Planstellen, die zur Verfügung gestellt werden, sind durchaus zu begrüßen. Das Problem ist nur: Eine Planstelle ist noch keine Lehrkraft. Es fehlen die Leute.

Wer mit neuen Zahlenspielen wie „25 – 3 – 1,5“ arbeitet, das am Ende aber nicht hinterlegen kann, macht ein neues Blendwerk. Er wird die Inklusion weiter gefährden und weiterhin unser Land destabilisieren.

(Beifall von der SPD)

Deshalb will ich hier ganz klar sagen: Im Moment herrscht an den Gymnasien ein großes Durcheinander. Die Eltern fühlen sich unter Druck gesetzt, weil sie gezwungen werden, in kürzesten Zeiten Entscheidungen darüber zu treffen, ob Schulen Inklusionsschulen bleiben dürfen oder nicht – ohne jede Erklärung. Es herrscht ein völliges Durcheinander. Ich bin wirklich fassungslos darüber, wie man den Prozess so einführen kann.

Insofern sage ich ganz klar: Sie sollten darauf achten, dass die Lehrerinnen und Lehrer bei diesem Vorgehen nicht raus aus der Inklusion und raus aus dem Ganztag gehen – nicht, weil sie das wirklich wollen, sondern, weil sie das Gefühl haben, sie müssten gegenüber der Politik einmal ein Zeichen setzen. Das wäre verheerend. Dann wäre Inklusion auch von Ihnen versemmelt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Jetzt komme ich zu den drei Punkten, bei denen wir zusammenarbeiten sollten.

Erstens: beim Thema „Lehrermangel“. Wir kennen die Schweinezyklen seit 200 Jahren über alle Systeme. Da müssen wir gemeinsam herangehen. Wir müssen die Zahl der Studienplätze ausweiten. Wir stehen zur Verfügung. Kein Mensch versteht, warum sich Politik da gegenseitig bekriegt. Das müssen wir gemeinsam machen.

Zweitens: beim Schulfrieden. Die Länder, die im Bildungsbereich erfolgreich sind, haben einen Schulfrieden erreicht und den Schulfrieden nach vorne entwickelt. Bei uns wird er einseitig von der Landesregierung aufgekündigt, schon vor 2023. Das ist der falsche Weg, wenn man gemeinsam die Bildungspolitik nach vorne entwickeln will.

Drittens: bei der Rettung und Sicherung der Berufskollegs, der Berufsschulen. Auch an diesem Punkt kann man in diesem Zusammenhang ansetzen – wobei ich sehe und hoffe, dass es da Bewegung gibt. Es ist ganz wichtig, dass wir wie in der Vergangenheit zusammenarbeiten, weil die berufliche Bildung und die Ausbildung in Berufsschulen weltweit ein Beispiel sind. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Die SPD ist dazu bereit.

(Beifall von der SPD)

Zum Schluss komme ich zu meinem Weihnachtswunsch. Ich bin sehr froh darüber, dass wir im Ausschuss gemeinsam den Haushaltsansatz zur Förderung von Fahrten zu Gedenkstätten erhöht haben. Wir werden das hier auch beschließen. Das ist wunderbar.

Ich halte es in diesen Zeiten, wie gesagt, für sehr wichtig, Kindern und Jugendlichen die Chance zu geben, die Gedenkstätten – sei es zum Ersten Weltkrieg, sei es zum Zweiten Weltkrieg, seien es die Gedenkstätten rund um den Holocaust – zu besuchen, damit sie sich ein Bild machen können. Denn Mahnung und Verantwortung aus Geschichte erwachsen nur, wenn man so etwas gesehen und sich vor Ort ein Bild gemacht hat.

Meine Bitte zum Schluss lautet: Die Einzigen, die im Moment bei der Förderung dieser Fahrten durch den Rost fallen, sind die Referendarinnen und Referendare. Einerseits werden sie der Schule zugerechnet; die Schule sagt aber, dass die Fördermittel für die Kinder seien. Andererseits unterfallen sie noch nicht dem Fortbildungsetat. Deswegen sind die Referendarinnen und Referendare in einer besonderen Situation. Die Fachleiter dieses Landes für Geschichte, Sozialwissenschaften, Erdkunde und Gesellschaftswissenschaften haben intensiv darum gebeten.

Wir sollten dafür sorgen, dass auch die Studienseminare auf diese Fördergelder zugreifen können, damit schon in der Lehrerausbildung klar ist: Wenn ihr außerschulische Lernorte besucht, ist das richtig gut für die Kinder und sichert die Demokratie.

In diesem Sinne hoffe ich, dass dieser weihnachtliche Wunsch vielleicht gemeinsam in der dritten Lesung Wirklichkeit werden kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU erhält nun Herr Abgeordneter Rock das Wort.

Frank Rock (CDU): Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ott, Sie sprachen von einer Destabilisierung in unserem Land durch die Inklusionspolitik der neuen Landesregierung. Die Destabilisierung kam meines Erachtens durch Ihre Politik der letzten Jahre gerade im Bereich der Inklusion in unserem Land zustande. Jetzt sind wir in der Verantwortung. Das machen wir gerne. Aber wir werden die richtigen Zeichen setzen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Interessantes Zitat von mir!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Rede zum Haushalt 2018 habe ich mit folgenden Worten begonnen: „Wer nach vorne sehen will, darf nicht nach hinten blicken“. – Blicke ich ins letzte Jahr zurück, muss ich feststellen, dass wir weiterhin nach vorne geschaut und unser Land bildungspolitisch nach vorne gebracht haben.

Vielleicht fragen sich vor allem diejenigen auf der Oppositionsseite hier im Haus, an welchen Punkten der Kollege festmacht, dass die Bildungspolitik sich verändert hat. Ich möchte es an vier Punkten festmachen und hoffe, dass Sie gut zuhören.

Erstens. Wir investieren in die beste Bildung für unsere Schülerinnen und Schüler.

Zweitens. Wir setzen auf Qualität in der Inklusion.

Drittens. Wir bevorzugen keine Schulform, sondern entwickeln alle Schulformen weiter.

Viertens. Wir stellen uns den Herausforderungen der Zukunft.

Unser Ziel ist und bleibt, Aufstieg durch Bildung zu ermöglichen. Wir müssen daher evaluieren, modernisieren und investieren.

Um das Bild vom letzten Jahr aufzugreifen: Der Bildungstanker NRW hat sich in die richtige Richtung bewegt. Wir werden die weiteren notwendigen Schritte der Veränderung gehen, zwar merklich langsam, aber nicht mit großen Verwerfungen und Unruhen.

Das unterscheidet uns von den bildungspolitischen Blindflügen der letzten Jahre – um im Bild zu bleiben: von der bildungspolitischen Schiffshavarie der rot-grünen Regierung unter Ministerin Löhrmann.

Zurück zu den von mir angesprochenen vier Punkten:

Erstens. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir investieren in die beste Bildung, in unsere Schulen. Der Schuletat steigt um weitere 753 Millionen Euro – das sind 4,2 % – auf insgesamt 18,7 Milliarden Euro. Das ist ein Viertel des Gesamthaushaltes. Allein dies zeigt den Stellenwert der Bildung für die NRW-Koalition. In der Summe sind das 1.000 Millionen Euro mehr seit Regierungsbeginn.

Warum wir das tun, ist klar: Wir müssen in Bildung investieren, um die Bildungschancen, das Lernen und die individuellen Lernwege unserer 2,3 Millionen Schülerinnen und Schüler, unterrichtet von fast 200.000 Lehrerinnen und Lehrern in 5.700 Schulen, zu verbessern.

Für diese Verbesserung bedarf es hoher Investitionen. Das zeigt auch der Haushalt in diesem Jahr. Im Gegensatz zu der Bildungspolitik der letzten Jahre erhöhen wir nicht nur den Bildungsetat, sondern steuern und lenken auch die Mittel, um die Bildung für unsere Schülerinnen und Schüler zu verbessern.

Zweitens. Wir setzen auf Qualität in der Inklusion. Die Fehler bei der Umsetzung der Inklusion haben die Schulen und somit alle Beteiligten vor unlösbare Aufgaben gestellt. Sie haben dem guten Gedanken einer Schule, in der es keinen Unterschied zwischen Kindern mit und ohne Handicap gibt, einen Bärendienst erwiesen. Denn die wenigsten haben vor Ort Positives erfahren – leider.

An dieser Stelle möchten wir nun umsteuern. Die Ministerin hat mit den vorgestellten Standards, die dringend notwendig waren, umgelenkt. Die von Herrn Ott schon angesprochene Formel „25 – 3 – 1,5“ wird dafür Sorge tragen, dass nur dort Inklusion stattfinden wird und kann, wo hinreichend Personal vorhanden ist.

Dies bedarf einer Bündelung von Ressourcen, besagt aber in keiner Weise eine Abkehr von der inklusiven Schulentwicklung und schon gar nicht das Herausnehmen einzelner Schulformen. Jede Schule in NRW, die sich schon auf den Weg gemacht hat oder machen will, wird ab dem Schuljahr 2019/2020 eine Personalaufstockung für die Inklusionsklassen erhalten.

Dies bedarf einer Investition für das Land Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2024/2025 in Höhe von 3,4 Milliarden Euro. Dieses Geld investieren wir gerne für eine bessere inklusive Bildung. Insgesamt werden 6.000 Stellen benötigt. Wir fangen nächstes Jahr damit an.

Für uns heißt inklusive Bildung aber auch, ein wirkliches Elternwahlrecht mit einem flächendeckenden Förderschulangebot zu erhalten und im Rahmen eines verbesserten Übergangsmanagements und einer evaluierten Beratungsstruktur diese Potenziale zu nutzen und weiterzuentwickeln.

Drittens. Wir haben in NRW ein gewachsenes Bildungsangebot, in dem alle Schulformen gleichberechtigt eine Entwicklungschance benötigen, die sie von unserer Regierung auch erhalten. Der ideologische Klassenkampf zwischen guter Schulform und böser Schulform ist mit uns nicht zu machen. Wir geben allen Schulen in NRW die Möglichkeit, sich zu entwickeln und die Herausforderungen angesichts steigender Anforderungen – Stichworte: „Migration“ und „Inklusion“, aber auch „individuelle Förderung“ – anzunehmen.

So sinkt an allen Schulen der Sekundarstufe I die Schüler-Lehrer-Relation geringfügig.

Des Weiteren werden wir an den Gesamtschulen 646 neue Stellen für die Sekundarstufe I ermöglichen. Dadurch werden die Quoten im Verhältnis Sek I/Sek II von 44 auf 47 angehoben. So nimmt an den Gesamtschulen der Anteil von Lehrerinnen und Lehrern mit der Befähigung zum Lehramt an der gymnasialen Oberstufe deutlich zu.

Es wird zur Stärkung des Hauptschulzweiges zusätzliche Lehrkräfte an den Realschulen geben, um an diesen Schulen weiterhin Schulabschlüsse zu sichern.

Wir ermöglichen ab diesem Sommer, dass Sekundarschulen zweizügig fortgeführt werden können.

Des Weiteren starten wir mit dem neuen G9, das wir gemeinsam mit allen Beteiligten zum Sommer auf den Weg bringen werden.

An diesen Beispielen sehen Sie: Unser Einsatz ist für alle Schulformen gleich.

Damit komme ich zu meinem letzten Punkt. Wir stellen uns den Herausforderungen der Zukunft. Die Herausforderungen sind groß und vielfältig. Vor allem müssen wir darauf achten, dass wir einzelne Regionen nicht weiter abhängen oder abgehangen sein lassen. Denn der Lehrermangel schlägt – neben den unterrichtlichen Problemen – in diesen Regionen besonders stark durch.

Um auf unterrichtliche Herausforderungen eine Antwort zu geben, wird es dort 557 weitere Stellen geben. Herr Ott, hören Sie zu. Es handelt sich dabei um sozialpädagogische Fachkräfte, die wir für die Schuleingangsphase in die Grundschulen einbringen.

Seit Regierungsübernahme haben wir das Angebot an Fachpersonal für unsere Grundschulen verdreifacht. 70 % dieser Stellen werden schon unter Berücksichtigung eines Sozialindex vergeben. Dieser Einstieg der Personalverteilung unter sozialen Gesichtspunkten muss zukünftig fortgesetzt werden. Das werden wir auch tun.

Es wird 692 weitere Lehrerstellen für die sonderpädagogische Unterstützung geben.

Außerdem sind 270 Tarifstellen – Tarifstellen, weil die Lehrer nicht vorhanden sind – für multiprofessionelle Unterstützung in den Schulen der Sekundarstufe I vorgesehen. Hier möchten wir soziale Härten besser ausgleichen.

Den Schulträgern stehen für das Jahr 2019 die Mittel aus dem Programm „Gute Schule 2020“ zur Verfügung. Ihnen steht aber auch eine erhöhte Schulpauschale in Höhe von nunmehr 659 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist ein Plus von 50 Millionen Euro.

Die NRW-Koalition möchte auch die Bekämpfung von Antisemitismus, Rechts- und Linksextremismus sowie Salafismus unterstützen. Natürlich sind dort die Herausforderungen groß. Wir schaffen bei den Beratungsstellen der kreisfreien Städte und Gemeinden 54 weitere Stellen für Schulpsychologen.

Zum Zweck der Bewältigung der Herausforderungen der Digitalisierung sollen die Medienkoordinatoren in den Schulen weiter qualifiziert werden.

Auf das Projekt der Talentschulen wird die Kollegin gleich näher eingehen.

Des Weiteren möchten wir das Fortbildungsbudget an den Berufsschulen erhöhen. Hier stärken wir mit weiteren 250 Personen auch die berufliche Bildung.

Außerdem werden wir die Schaffung von 50 weiteren Stellen für den herkunftssprachlichen Unterricht in die Wege leiten.

Ich möchte mit Blick auf die Zukunft noch einen letzten Punkt ansprechen, nämlich die Weiterentwicklung der Stellen bei den offenen Ganztagsschulen. Es wird für das nächste Schuljahr weitere 7.500 Plätze geben. Dafür ist ein Plus von insgesamt 37,7 Millionen Euro vorgesehen.

Herr Ott, was Sie sagen, ist nicht richtig. Wir stecken mehr Geld in die Bildung. Das Land wird pro Kopf 14 % mehr finanzieren. Sie aber tun so, als ob wir das nicht machen würden. Wir erhöhen den Fördersatz deutlich stärker, als Sie das in den letzten Jahren getan haben. Außerdem erhöhen wir ihn schon zum 1. Februar und nicht erst zum 1. August.

Ich komme zum Schluss. Der Einzelplan 05 stellt einen weiteren großen Schritt zu besserer Bildung und einen deutlichen Kurswechsel in Sachen Inklusion dar.

Ich möchte meine Rede mit einem Zitat des tschechischen Schriftstellers Pavel Kosorin beenden:

„Wenn das Schiff auf falschem Kurs ist, genügt es nicht, den Kapitän auszuwechseln – man muss den Kurs ändern.“

Die Menschen in NRW haben im letzten Jahr den Kapitän ausgewechselt, und wir werden weiterhin am Kurs arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen erteile ich nun unserer Abgeordneten Frau Beer das Wort.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir schließen heute in der Tat an die Haushaltsberatungen von gestern an. Insofern erinnere ich mich gerne an den Eiertanz, den Herr Witzel hier in Bezug auf die Frage aufgeführt hat, wann denn nun endlich die A13-Besoldungserhöhung für die Grundschullehrer und die Lehrer der Sekundarstufe I kommt. Darauf gab es leider keine substanzielle Antwort.

Einmal mehr wird man also den Verdacht hegen dürfen, dass die FDP noch viele Gründe finden wird, warum es die Höhergruppierung leider nicht jetzt geben kann.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Was haben Sie denn in der vergangenen Legislaturperiode gemacht? Gar nichts!)

Dabei wäre in einem Gesamtkonzept zur Stärkung der Grundschulen jetzt dieses Signal wichtig. Die Schulministerin hat aber offensichtlich nicht die Kraft, das durchzusetzen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

– Jetzt dazwischenzureden, Herr Witzel, macht Ihre Rede von gestern leider nicht ungeschehen. Das ist das Problem.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie wechseln Ihre Position nicht, sondern machen immer weiter. Schon vor der Wahl haben Sie angekündigt, dass Sie 700 Millionen Euro – auch im Bereich Bildung – aus dem Haushalt von Rot-Grün kürzen wollen. Jetzt sind Sie offensichtlich auch derjenige, der mit auf der Bremse steht, was diese wichtige Frage der Höherbesoldung angeht.

Dabei wäre das Gesamtkonzept zur Stärkung der Grundschulen jetzt als Signal wichtig. Ich frage noch einmal: Hat die Schulministerin die Kraft, das durchzusetzen, ja oder nein? Wir fragen uns das ein ums andere Mal.

In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass wir uns in einer Finanzsituation befinden, in der Sie seit dem Regierungswechsel 6,5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung haben. Mit den entsprechenden Investitionen könnten Sie in den Schulen verantwortlich für die Menschen tätig sein, die grundlegend für die Bildungskarrieren sind. Sie könnten das in der Tat finanziell gut stemmen, wenn Sie es wollten.

Ja, Sie haben im Haushalt 2019 mehr getan als im Haushalt 2018. Das war auch dringend notwendig und ist gut. Sie steuern aber nicht sachgerecht und nicht in die richtige Richtung.

Lassen Sie mich das am Beispiel der OGS deutlich machen, Herr Kollege Rock. Mit dem Lachen ist es dann schwierig. In der Bewertung der Schritte, die wir schon unter Rot-Grün unternommen haben …

(Zuruf von Frank Rock [CDU]: Sieben Jahre!)

– Kommen Sie jetzt nicht wieder mit den sieben Jahren. Denn Sie müssten wissen, dass wir damals nach der Regierungsübernahme in einem ersten Schritt eine Erhöhung um 14 % vorgenommen haben und dann die Dynamisierung eingeführt haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Erkenntnis aus all diesen Maßnahmen ist aber doch folgende: In den Kommunen wird Kompensation betrieben. Die Gelder kommen eben nicht überall gleichmäßig an. Die Kommunen sind finanziell auch unterschiedlich ausgestattet.

Das macht die Unterschiede in der Qualität der OGS aus. Ich habe es Ihnen vorgetragen, Sie wollen es aber offensichtlich nicht hören: Man muss in die Strukturen investieren. Deswegen ist es richtig, Personalstellen für Erzieherinnen für die OGS zu schaffen, für multiprofessionelle Fachkräfte. Das ist der Punkt.

Bündeln Sie doch bitte das, was Sie jetzt obendrauf tun – was richtig und gut ist –, und packen es in strukturverbessernde Maßnahmen, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Außerdem ist es ein Skandal, dass Sie die Sätze allgemein anheben und dadurch die Sätze für die Kinder mit besonderen Bedarfen im Prinzip nicht anheben und somit sogar kürzen.

(Beifall von der SPD)

Damit setzen Sie ein fatales Signal, das zeigt, was Ihnen diese Kinder insgesamt wert sind.

Bleiben wir bei den fatalen Signalen, die Sie setzen. Dass die Gymnasien in der Regel vom zieldifferenten Lernen ausgeschlossen sind, ist ein sträflicher Fehler. Das hat doch jetzt schon Folgen. Viele Gymnasien haben gezeigt, dass sie es können. Die Gymnasien können zieldifferent unterrichten, aber viele wollen es nicht. Das befördern Sie als Ministerin.

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Ja, natürlich. Hören Sie doch die O-Töne aus Konferenzen, die sagen: Gut, dass wir das Thema jetzt nicht mehr bearbeiten müssen. Schwierige Kinder wollen wir auch gar nicht in unserer Schule haben – O-Ton aus einer Lehrerkonferenz.

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Damit lassen Sie es zu, dass sich Schulen einer Schulform, in die mehr als 40 % der Kinder in Nordrhein-Westfalen gehen, in der Inklusion einen schlanken Fuß machen. Das geht so nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Franziska Müller-Rech [FDP]: Unverschämte Unterstellung!)

– Frau Müller-Rech, Sie haben ja gleich die Gelegenheit, zu reden. Dann erklären Sie mir doch bitte die Konferenzbeschlüsse von Gymnasien auf kommunaler Ebene, die sagen: Wir steigen komplett aus der zieldifferenten Inklusion aus bzw. wir werden nie damit anfangen.

(Franziska Müller-Rech [FDP]: Es geht um die Motivunterstellung!)

Bei allem begrüßenswerten Haushaltsaufwuchs sind Sie aber nicht bereit – das fand ich auch erstaunlich –,

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Lehrerstellen im Besetzungsverfahren unbürokratisch einer Kapitalisierung zu öffnen. Dann könnten die Schulen auch in schwierigen Besetzungssituationen sehr schnell schauen, dass sie multiprofessionelle Menschen an die Schule bekommen, die der Schule dann auch guttun.

Nein, Sie haben nur die Sparkasse für den Finanzminister aufgemacht. Das ist genau der Punkt. Es gibt Stellen, aber die werden nicht besetzt. Das fließt dann zurück, und dann können Sie natürlich globale Minderausgaben perfekt daraus bestreiten. Aber das hilft den Schulen nicht. Also müssten wir hier anders agieren. Das tun Sie aber nicht. Das ist eine sträfliche Vernachlässigung, und das halte ich Ihnen vor, Frau Ministerin: Sie wollen die Schulen in dieser schwierigen Situation nicht ernsthaft stärken.

(Beifall von den GRÜNEN)

In der Beantwortung meiner Kleinen Anfragen zur Formel 25 – 3 – 0,5 zur Inklusion ist deutlich geworden, wie fragil die Zusagen sind: Die Lerngruppengrößen sind letztendlich nicht verbindlich, die Zahl der Förderkinder in den einzelnen Schulen ist unklar, die Personalausstattung ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Auch gibt es die in den Inklusionskonzepten konkret geforderte Handreichung noch nicht.

In den Bezirksregierungen jedoch werden die Konzepte schon eingefordert – da schaut der Staatssekretär jetzt etwas erstaunt, es ist aber so –, und die Kinder werden schon zugewiesen. Das ist eine Ungleichzeitigkeit, die so nicht geht, und die nicht förderlich ist. Deswegen ist da viel Unklarheit im Raum.

Sie müssen doch zugestehen, dass der Erhalt der Mini-Förderschulen überproportional viel an Lehrerstellen kostet, damit überhaupt ein Bildungsangebot vorgehalten werden kann. Das verstärkt in dieser Gesamtsituation den Mangel an Stellen bei den Schulen im gemeinsamen Lernen noch mehr.

Aber, Frau Ministerin, den Knaller haben Sie sich jetzt mit dem tiefen Eingriff in die Stundentafel zum Thema „Fach Wirtschaft“ geleistet, um Wirtschaft überall in die Poleposition zu bringen. Wir haben überhaupt keinen Dissens, dass wir eine ökonomische Grundbildung brauchen. Aber dafür müssen die Stundentafeln nicht derartig umgekrempelt werden, worauf die Schulen gerade in der jetzigen Situation wirklich noch gewartet haben.

Das Fach „Politik/Wirtschaft“ wird zu einem Fach „Wirtschaft- Politik“. Ich finde, das ist schon ein entsprechendes Zeichen, das Sie hier gesetzt haben. Ich stimme ausdrücklich mit dem Kollegen Ott überein: Wir brauchen mehr politische Bildung, wir brauchen mehr Demokratiebildung in den Schulen. Das brauchen wir in dieser Zeit – und nicht, dass das Fach Wirtschaft überall vor die Klammer gezogen wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Jetzt wird es besonders lustig, denn in der gerade erst verschickten APO-SI-Änderung – Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Sek I – stehen all diese Maßnahmen gar nicht. Was sollen denn die Schulen davon halten? Was sollen die Verbände davon halten?

(Ministerin Yvonne Gebauer: Unfassbar!)

Das, was in der Presseerklärung gesagt worden ist, steht gar nicht in dem Entwurf drin. Das finde ich vollkommen untauglich. Auf welcher Grundlage sollen Schulen denn jetzt eigentlich planen, auch für die Stundenpläne?

Das Fach Wirtschaft soll schon zum Schuljahr 2019 eingeführt werden. Da geht es gleich weiter: Die Lehrkräfte sind gar nicht ausreichend vorhanden. Das ist noch so eine Nummer.

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Das Fach Wirtschaft steht also nicht im Entwurf. Aber das Fach Informatik steht verbindlich für die Gymnasien in dem Entwurf. Das ist auch wieder toll, weil es die Frage aufwirft, wohin die Lehrkräfte organisiert werden. – Sie werden in Richtung Gymnasium organisiert, das ist ganz deutlich. Gymnasien sollen verpflichtend Informatik machen, Gesamtschulen dürfen es machen, und bei den anderen steht es nicht auf der Stundentafel. Das nenne ich Separation nach Vorgaben der FDP.

(Ralf Witzel [FDP]: Oh!)

In einem anderen, sehr aktuellen Sachverhalt möchte ich von der Ministerin noch heute eine klare Antwort: Ist es richtig, dass die Landesregierung die Grundgesetzänderung zum Art. 104c zur Lockerung des Kooperationsverbots in der Bildung nicht im Bundesrat unterstützen will? Ist das richtig? – Erklären Sie sich bitte hier und heute dazu!

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist für mich ein dicker Hund. Wenn Sie für das Scheitern verantwortlich sind, bedeutet das einen Verlust von über 1 Milliarde Euro für die Schulen und Schulträger.

Ich habe die Position von Wilfried Kretschmann in der Frage, die lange bekannt ist, nie geteilt und kritisiere sie auch heute.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Ich erwarte von der Landesregierung, dass diese Vereinbarung der Großen Koalition, beschlossen mit Grünen und FDP im Bundestag, umgesetzt wird. Das erwarte ich, und nicht, dass Sie sie im Bundesrat blockieren. Ich möchte Tacheles von Ihnen dazu hören, was Sie hier planen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ganz zum Schluss zum Thema „digitale Ausstattung“: Das von mir beim Wissenschaftlichen Dienst bestellte Gutachten ist da. Professor Wrase hat es bearbeitet. Ich werde es so schnell wie möglich der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Ich nenne Ihnen dazu drei Kernaussagen: Die Schulträger sind in der Ausstattungspflicht. Das Land hat dabei eine Fürsorgepflicht als Dienstherr und muss über die Schulaufsicht und gegebenenfalls über die Kommunalaufsicht dafür Sorge tragen, dass die Ausstattung stimmt. Lehrkräfte, in deren Schulen das nicht der Fall ist, können bei Ihnen – beim Land – Ersatz einklagen.

Das Gutachten sagt klar: Konnexität ist gegeben, …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Sigrid Beer (GRÜNE): … was die Standards der Ausstattung angeht. Auch da sind Sie gefordert, und darüber werden wir hier gemeinsam reden müssen. Wie weit dann eine Kooperation, ein Verwaltungsabkommen mit den Schulträgern, mit den KSVen gelingt, werden wir ebenfalls zum Thema machen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Müller-Rech.

Franziska Müller-Rech (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem Kollegin Beer erschreckend wenig zum Haushalt gesagt hat – ich habe das Gefühl, mehr als die Hälfte der Redezeit ging für andere Themen drauf –, halte ich mich an den Haushalt und spreche jetzt über den Einzelplan 05 für Schule und Bildung – vom Volumen her der größte Einzelplan des Haushalts. Ich freue mich, dass wir 2019 allein 18,8 Milliarden Euro für die schulische Bildung in NRW zur Verfügung stellen – ein Plus von 4,2 %.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Toll ist auch: Die Ausgaben im Bildungshaushalt steigen überproportional im Vergleich zum Gesamthaushalt. Damit zeigen wir deutlich, wie beharrlich wir als NRW-Koalition unser Ziel der weltbesten Bildung verfolgen. Ideologiefrei, entschlossen und durchdacht setzen wir Schritt für Schritt das um, was wir uns vorgenommen haben.

Ich möchte einzelne Punkte hervorheben:

Erstens. Ich beginne mit dem Schulversuch „Talentschule“. Für uns Freie Demokraten ist es nicht hinnehmbar, dass rund 4.500 Schülerinnen und Schüler in NRW die allgemeinbildenden Schulen ohne Abschluss verlassen. Wir wollen nicht tatenlos zuschauen, wie halbe Jahrgänge nicht einmal grundlegende Kompetenzwerte erreichen.

Jüngste OECD-Studien zeigen, dass für Kinder aus ärmeren Familien und Einwandererkinder ein Aufstieg durch Bildung in Deutschland immer noch schwierig ist. Auch der IQB-Bildungstrend war für uns ein erneutes Warnsignal, dass wir die Bildungschancen für alle Kinder – unabhängig von ihrer Herkunft – verbessern müssen.

Kein Land der Welt hat hierfür bislang den goldenen Schlüssel gefunden. Das lässt uns trotzdem nicht verzagen. Um Chancengerechtigkeit zu erreichen, können wir nicht auf ausgetretenen Pfaden weitergehen, sondern wir müssen jetzt neue Wege beschreiten.

Statt wie bisher mit der Gießkanne über das ganze Land Tropfen zu verteilen, stärken wir jetzt 60 Schulen in Stadtteilen mit großen sozialen Herausforderungen und starten dort den Schulversuch „Talentschule“ zum Schuljahr 2019/2020 mit drei Kernzielen: Erstens Talente dort zu entdecken und zu fördern, wo sie heute oft noch nicht erkannt werden; zweitens die Stigmatisierung einzelner Stadtteile zu durchbrechen, indem gerade dort die besten Lernbedingungen geschaffen werden, und drittens Bildungschancen gerechter und weniger abhängig von der sozialen Herkunft zu gestalten.

Kernpunkt des Schulversuchs ist die wissenschaftliche Evaluation. Wir wollen messen, wie wir in Zeiten knapper Ressourcen jede Lehrkraft und weitere Pädagogen, jeden Schulsozialarbeiter, jede Verwaltungskraft und jeden Euro so effizient einsetzen können, dass sie die größtmögliche Wirkung entfalten. Die Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Evaluation wollen wir so schnell wie möglich auf die restlichen Schulen in NRW ausrollen, um unser ganzes Land gerechter zu machen.

Damit dieser Schulversuch gelingen kann, stellen wir im Haushalt 2019 insgesamt 3,65 Millionen Euro bereit. Von diesem Betrag werden unter anderem 148 zusätzliche Stellen für die teilnehmenden Schulen finanziert.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Hoffentlich kriegen die wir auch besetzt!)

Zweiter Punkt: Inklusion. Wir wissen alle, dass die Vorgängerregierung mit ihrer ideologischen Umsetzung der Inklusion bei der letzten Landtagswahl von den Wählerinnen und Wählern die Quittung erhalten hat. Herr Ott, von Ihnen hören wir Kritik, Kritik und sogar auch ein Stück Selbstkritik.

(Marc Herter [SPD]: Wie immer!)

Aber wo ist denn das Inklusionskonzept der SPD? – Wir haben es immer noch nicht gesehen. Darauf warten wir alle. Es wäre schön, wenn mit der Kritik auch mal Lösungsmöglichkeiten vorgestellt würden.

(Jochen Ott [SPD]: Vor Weihnachten muss man sich ein bisschen freuen können!)

Vielleicht ist das mein Weihnachtswunsch an Sie, Herr Ott. Legen Sie doch auch mal ein Konzept vor und nicht immer nur Kritik ohne Lösungsvorschläge!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Jochen Ott [SPD]: Besser ein schönes Geschenk als ein falsches!)

Wir müssen es jetzt endlich schaffen, dass die Inklusion an den NRW-Schulen von allen Beteiligten nicht mehr als Belastung empfunden, sondern zum Erfolgsmodell wird.

(Jochen Ott [SPD]: Das schaffen Sie gerade nicht!)

Dabei investieren wir verstärkt in eine gelingende Inklusion an den allgemeinen Schulen. Wir werden den Weg, den wir seit der Amtsübernahme eingeschlagen haben, konsequent weitergehen. Natürlich sind wir uns dessen bewusst, dass wir die entstandenen gravierenden Probleme nur schrittweise beheben können.

Bereits mit dem Haushalt 2018 haben wir die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort stärker entlastet. Ein erster wichtiger Schritt war die Einrichtung von 330 zusätzlichen Tarifstellen für multiprofessionelle Teams. Im Haushalt 2019 gehen wir diesen Weg weiter und weisen weitere 270 Stellen für multiprofessionelle Teams speziell für die Schulform der Sekundarstufe I aus. Damit stehen insgesamt 600 Tarifstellen für multiprofessionelle Teams zur Verfügung.

Natürlich stärken wir auch die Grundschulen im Bereich der Inklusion. Daher begrüße ich es sehr, dass im Haushalt 2019 weitere 557 Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte in der Schuleingangsphase geschaffen werden. Es sind nun insgesamt 1.750 Stellen. Sie ersetzen aber keineswegs die Stellen für grundständig ausgebildete Lehrkräfte, sondern es sind zusätzliche Stellen, mit denen die Arbeit in den Grundschulen unterstützt wird. Durch diese Stärkung der Schuleingangsphase wollen wir erreichen, dass die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer Kinder von Beginn an besser individuell fördern können.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Neuausrichtung der Inklusion an allgemeinen Schulen stellen wir insgesamt 9.357 Stellen bereit, netto 692 zusätzliche Stellen im Vergleich zum Haushalt 2018. Wie Sie sehen, lassen wir unseren Worten Taten folgen und führen die notwendigen Korrekturen im Bereich der Inklusion konsequent fort.

Drittens möchte ich die Schul- und Bildungspauschale ansprechen. Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte die Schul- und Bildungspauschale, die das Land NRW an die Kommunen weitergibt, eingefroren. Die NRW-Koalition erhöht nun schon zum zweiten Mal in Folge die Pauschale und sorgt für eine dauerhafte Dynamisierung.

Im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes werden die Mittel von rund 609 Millionen Euro auf 659 Millionen Euro angehoben, und damit werden die öffentlichen Schulträger noch intensiver bei der Sanierung, Modernisierung und Digitalisierung unterstützt.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wieviel trägt das Land dazu bei?)

Viertens. Das ist mein letztes Schlaglicht: Streichung der kw-Vermerke für 2.704 Stellen, die die rot-grüne Landesregierung als „künftig wegfallend“ markiert hatte. Dazu gehören unter anderem 211 Stellen für die offene Ganztagsschule – Sie haben das Thema selber angesprochen –, 88 Stellen für kommunale Integrationszentren oder zum Beispiel auch 40 Stellen für Fachberatung und für Integration in der Schulaufsicht. Diese Stellen würden uns schmerzlich fehlen, wenn wir den rot-grünen Festlegungen weiter gefolgt wären.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich bin sehr froh, dass wir einen anderen Weg eingeschlagen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die schwarz-gelbe Landesregierung hat sich hohe Ziele gesetzt. Wir werden diese Ziele in den kommenden Jahren erfüllen. Dieser Haushaltsplan investiert in unsere Schulen und in weltbeste Bildung. Gleichzeitig erreichen wir die schwarze Null und zeigen damit Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen, zum Beispiel den Schülerinnen und Schülern.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ministerin Gebauer und allen anderen, die an diesem Haushaltsentwurf gearbeitet haben. Wir gehen zusammen weiter den richtigen Weg. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Vorwärts immer, rückwärts nimmer! So hörte sich das gerade an!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Rech. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Seifen.

Helmut Seifen (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen 20 Jahren haben die Politiker der Altparteien die Schule als großes Experimentierfeld betrachtet, auf dem man seine eigenen Ideen einfach einmal ausprobieren kann, ungeachtet der Tatsache, dass unser Land bereits über ein durchdachtes schulpolitisches System als Erbe einer langen Tradition verfügt.

Damit haben sich eigentlich alle Schulpolitiker der letzten 20 Jahre an den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen versündigt. Ja, CDU und FDP haben sich bis in die späten 90er-Jahre heftig gegen die Verfechter der romantisch-utopischen Gleichheitsideen marxistischer Provenienz gewehrt,

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Wer schreibt Ihnen das eigentlich auf? – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Legen Sie doch mal den Zettel weg!)

doch sie haben sich von Rot-Grün den Schneid abkaufen lassen. Dem linksgrünen Diffamierungsdauerfeuer gegenüber dem mehrgliedrigen Schulsystem als selektiv und sozial ungerecht – das haben Sie doch dauernd gepredigt, das können Sie doch nicht abstreiten – konnten sie nicht mehr standhalten, haben die Waffen gestreckt

(Jochen Ott [SPD]: Ersetzen Sie Rot-Grün durch Bolschewisten, dann haben Sie die Rede der 20er-Jahre! Sie sollten sich schämen!)

und sich mit dem Deckmäntelchen des Schulkonsenses einhüllend von der Debattenbühne geschlichen.

(Jochen Ott [SPD]: Sie sollten sich schämen!)

– Herr Ott, dass Sie hier herumbrüllen, nachdem Sie so eine Katastrophe in den Schulen hinterlassen haben! Sie sollten sich schämen. Sie sollten hier überhaupt nicht mehr auftreten.

(Beifall von der AfD – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Jetzt stehen Sie vor einem Scherbenhaufen, einem Scherbenhaufen nie dagewesenen Ausmaßes. Und das Zerstörungswerk muss jetzt beseitigt werden.

Wenn man sich die Ergebnisse des Bildungsmonitors anschaut, kann man nur Mitleid mit den Schülerinnen und Schülern haben und Zorn gegenüber denjenigen empfinden, die ohne Rücksicht auf das Wohl ihrer Kinder ihre lächerlich infantilen Ideen umgesetzt haben:

Längeres gemeinsames Lernen, zieldifferentes inklusives Unterrichten, falsche Unterrichtsmethoden in allen Jahrgangsstufen, insbesondere in der Grundschule – ich will nur sagen: Schreiben nach Gehör ist die besonders bekannte Fehlmethode –, offener und subtiler Druck auf die Lehrerinnen und Lehrer bei der Notengebung, Schüren falscher Hoffnungen bei Eltern und Kindern bezüglich deren Schulkarrieren, Diskriminierung der Hauptschulen und Propagieren des gymnasialen Schulweges, Leistungsnivellierung in allen Schultypen – nur ein Beispiel: Abschaffen des Fehlerquotienten bei der Bewertung von Englisch-Klausuren –, wesentliche Verschlechterung der Lehrerausbildung, der Ausflug von Schwarz-Gelb in die angloamerikanische Bildungswelt, G9 nur als ein Beispiel.

All das und noch einiges mehr hat die Vorzüge des tradierten deutschen Bildungssystems schwer beschädigt. Die Ergebnisse kann man jetzt überall beobachten – in anderthalb Jahren schwarz-gelber Regierung bekam man das auch nicht weg –: zahlreiche Schüler, die nicht richtig lesen und schreiben können – davon, dass sie Texte sinnentnehmend erfassen können, will ich gar nicht reden –,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Alle aussortieren! Weg mit denen!)

große Mängel im mathematischen Bereich bei den Absolventen aller Schultypen, deshalb großer Mangel an Fachkräften in Industrie und Handwerk, dafür aber eine Überfüllung der Universitäten und bedauerlicherweise eine hohe Zahl von Studienabbrechern, denen auch nicht mehr die Vorkurse in Mathematik helfen, die mittlerweile an fast jeder Universität und Fachhochschule eingerichtet werden müssen, Überbeanspruchung von Lehrerinnen und Lehrern in einem nie gekannten Ausmaß; sie sollen in hyperheterogenen Lerngruppen unterrichten, in denen ein Unterrichten kaum mehr möglich ist.

Dass wir immer noch eine Reihe von hervorragenden Schülerinnen und Schülern aus der Schule in die Ausbildung oder an die Universitäten schicken, ist einzig und allein dem persönlichen Einsatz der Jugendlichen, ihrer Eltern und insbesondere ihrer Lehrerinnen und Lehrer zu verdanken.

(Beifall von der AfD)

Aber zum großen Teil führt dieser persönliche Einsatz eben nicht mehr zum Erfolg, und es macht sich leider, leider Gottes immer mehr Frustration breit. So ist es nicht verwunderlich, dass viele junge Menschen nicht mehr den Beruf des Lehrers ergreifen wollen. Deswegen wenden Sie, sehr geehrte Ministerin, im letzten und im jetzigen Haushaltsjahr 3 Millionen Euro für eine Werbekampagne auf.

So weit, so gut – einmal unabhängig davon, dass keine Werbekampagne den Lehrernachwuchs erhöht, wenn das Image des Berufes nicht passt. Aber was da an Werbung produziert worden ist, schlägt dem Fass den Boden aus. Das Ausmaß an Infantilität ist erschreckend. Schauen Sie sich das einmal an.

(Franziska Müller-Rech [FDP]: Sie haben es nicht verstanden!)

Bitte schön: Großraumbüro mit Klasse – kriegste. Die Antwort auf alle Fragen – biste immer. Ständig neue Follower – kriegste locker. Vom Lehrerliebling zum Lieblingslehrer – läuft bei dir. – Die Frau Ministerin posiert neben einem Bild: Job mit Pultstatus – gönn es dir.

(Zurufe von Franziska Müller-Rech [FDP])

Ich muss ehrlich sagen, Frau Ministerin, das mag ja vielleicht ganz lustig sein. Erschreckend ist jedoch – Frau Müller-Rech, jetzt regen Sie sich doch mal ab –, welches Bild vom Lehrer die Werbegestalter offenbar haben. Aber erschreckend ist auch, dass niemand in Ihrem Ministerium erkannt hat, welche Herabwürdigung des Lehrerberufs in dieser Werbung steckt. Und vor allem: Welches einfältige Bild hat man eigentlich von Jugendlichen, die diesen wichtigen und verantwortungsvollen Beruf einmal ergreifen wollen? So können Sie für das Dschungelcamp werben, aber doch nicht für den Lehrerberuf!

(Beifall von der AfD)

Das ist wirklich lächerlich und infantil. Das empfinde nicht nur ich so. Ich habe mich natürlich bei meinen Kollegen erkundigt. Die sind mittlerweile nichts Besseres gewohnt. Die winken nur ab und werfen es in den Papierkorb. Aber eigentlich regen sie sich darüber auf, dass man mit ihnen so umgeht und das man glaubt, irgendwelche – ich hätte jetzt fast ein unparlamentarisches Wort gesagt – Menschen, die nicht mehr ganz bei Verstand sind, würden jetzt Lehrer werden, weil Sie das jetzt so wollen. Ich bitte Sie wirklich!

Das empfinde ich nicht nur ich so, sondern alle anderen auch. Das ist übrigens ein wichtiger Bestandteil der Schulmisere, die wir in diesem Land haben, dass Rot-Grün den Lehrern immer mehr Eigenständigkeit genommen und sie zu Erfüllungsgehilfen ihrer Nivellierungsstrategie gemacht hat.

Sie haben sich noch immer nicht davon gelöst. Sie steuern zwar in der Bildungspolitik um; das begrüße ich sehr. Auch im Schulausschuss reden wir darüber. Aber Sie machen es halbherzig und immer in gebückter Haltung vor Rot-Grün.

So findet man bei Ihnen auch eine Reihe von Haushaltstiteln, welche Zeugnis davon geben, dass Sie das Gemeinsame Lernen auch weiterhin mit erheblichen Mitteln unterstützen. Frau Beer, Sie irren gewaltig. Sie plärren immer die gleiche Melodie, aber es ist einfach falsch. Es gibt entsprechende Studien, die das belegen. Lesen Sie zwischendurch auch einmal die „FAZ“ und nicht immer nur die „TAZ“.

Wenn Sie mal einen Artikel von Heike Schmoll lesen, werden Sie feststellen, dass Studien dazu veröffentlicht werden, in denen klar und deutlich gesagt wird, dass das Gemeinsame Lernen in hyperheterogenen Klassen nicht gelingen kann. Gerade Kinder aus prekären Verhältnissen brauchen das lehrerangeleitete Lernen in Klassen, in denen sie folgen können. Das ist Fakt; das lässt sich nachweisen, und das werden wir auch im Rahmen des Antrags einbringen und im Ausschuss diskutieren.

(Beifall von der AfD)

13 Millionen Euro geben Sie für das Institut QUA-LiS aus, ein Institut, das völlig überdimensioniert ist und vor allem die rot-grüne Schulvorstellung weiter verfolgt und in die Schulen trägt. Dazu gehört auch die Qualitätsanalyse, von der Sie noch immer glauben, sie könne die Qualität von Unterricht und Erziehung messen. Ich bitte Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, wenn das Verfahren der QA wirklich so effizient wäre, hätten wir doch längst nicht diesen eklatanten Bildungsabbau. Dann müssten die Schulen doch eigentlich glänzen.

Die QA prüft eben nicht allein die Qualität der schulischen Arbeit – das macht sie natürlich auch; das sei hier zugestanden –, sondern sie implementiert Kriterien von Unterricht, die im Referenzrahmen Schulqualität vorgegeben sind, dessen Kernforderung die Ausrichtung von Lehr- und Lernprozessen auf selbstständiges und selbstreguliertes Lernen ist, der sich alles andere unterzuordnen hat.

Genau dieses übertriebene selbstregulierte Lernen trägt als Ursache zu dem Bildungsabbau bei, denn beim selbstregulierten Lernen verlieren vor allem diejenigen Schülerinnern und Schüler, welche nicht so gut organisiert und diszipliniert sind. Das sind vor allem die Kinder aus Familien, in denen diese Eigenschaften nicht vermittelt werden.

Das versuchen Sie jetzt durch Talentschulen aufzufangen. Es sollen 60 Talentschulen in Stadtteilen mit besonderen sozialen Herausforderungen entstehen. Ich sage Ihnen: Das ist der falsche Weg, denn es führt zur Segregation und zur Stigmatisierung bestimmter Schulen. So dumm sind die Leute nicht. Sie nennen sie Talentschulen, aber Sie wissen genau, dass sie eigentlich Brennpunktschulen heißen müssten. Das macht keiner mit. Die Schulleiter der Berufskollegs in Essen haben Ihnen schon abgesagt. Sie wollen nicht für ein Experiment zur Verfügung stehen, von dem sie genau wissen, dass es zu nichts führt.

(Beifall von der AfD)

Sehr geehrte Frau Ministerin, Ihr Haushalt zeigt, dass Sie nur an den Symptomen der Schul- und Bildungsmisere herumdoktern. Das führt zum Teil zu Verbesserungen; das will ich hier gerne zugestehen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie bemüht sind, Förderschulen zu erhalten, weil es den Kindern nützt, die einen besonderen Förderbedarf haben. Aber es ist insgesamt zu wenig. Sie müssen sich noch besser und noch intensiver um die Schulen kümmern und noch stärker in die Methodik des Unterrichtens eingreifen.

Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen: Dass Sie den Geschichtsunterricht in G9 in der Sekundarstufe I trotzdem nur mit sieben Stunden angesetzt haben statt mit acht Stunden, halte ich vor dem Hintergrund der jetzigen Situation in diesem Land, …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Helmut Seifen (AfD): … in dem sich die Demokraten gegen die Beschneidung von Meinungsfreiheit wehren müssen, für ganz falsch.

(Zuruf von der SPD: Die Redezeit! – Marlies Stotz [SPD]: Mein Gott! Unfasslich!)

Sie bräuchten nicht nur acht Stunden, sondern sie bräuchten von der sechsten bis zur zehnten Klasse durchgehend zehn Stunden Geschichtsunterricht. Damit würden Sie etwas für dieses Land tun. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Nach Herrn Seifen, der gerade für die AfD gesprochen hat, spricht jetzt für die Landesregierung Frau Ministerin Gebauer.

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Seifen, schade, schade, dass Sie weder unsere zweite noch unsere dritte Welle der Kampagne kennen. Von einem Lehrer und schulpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion hätte ich mehr erwartet.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Frau Beer, Sie zitieren den O-Ton eines Gymnasiums und behaupten, das sei die Meinung der Gymnasien. Das ist unredlich, Frau Beer. Es entspricht weder den Tatsachen und

(Beifall von der CDU und der FDP)

dem Willen, noch dem Handeln der Gymnasien hier in Nordrhein-Westfalen, die sehr wohl inklusiv unterrichten wollen – allerdings mit den ausreichenden Ressourcen, die Sie ihnen in den vergangenen Jahren verwehrt haben! Das ist Fakt.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Ministerin, …

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Nein, ich möchte meine Rede zu Ende bringen.

Lassen Sie mich vorweg ein paar Fakten nennen: Insgesamt beträgt die Summe des Einzelplans 05, über den wir heute sprechen, 18,76 Milliarden Euro. Das sind noch einmal 755 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr, also eine Steigerung um 4,2 %. Im Vergleich zum letzten Haushalt der Vorgängerregierung liegen wir sogar um 984 Millionen Euro höher.

Für uns hat die Bildung unserer Kinder oberste Priorität. Das ist keine leere Floskel. Das ist für die Landesregierung und für mich als Ministerin für Schule und Bildung die tägliche Herausforderung, der wir uns im Rahmen der Maßnahmen stellen, die wir bis dato auf den Weg gebracht haben, aber natürlich auch den folgenden Maßnahmen, die wir gerade in unserem Haus erarbeiten und noch auf den Weg bringen werden.

Wir unterstützen unsere Schulen durch mehr schulpsychologische Stellen. Wir unterstützen sie durch mehr Stellen gegen Gewalt und für Demokratiebildung. Wir stärken die beruflichen Schulen und weiten die Mittel für Fortbildung und Digitalisierung deutlich aus.

Wir erhalten, wie versprochen, weitere 2.724 Stellen für unsere Lehrerinnen und Lehrer, die von der Vorgängerregierung gestrichen werden sollten. Zur Umsetzung unserer bildungspolitischen Ziele schaffen wir zusätzlich 949 Stellen im Schulbereich. Wir stärken die Grundschulen und verbessern die Rahmenbedingungen für die Inklusion.

Vor dem Hintergrund des aktuellen Lehrerarbeitsmarktes sind diese Anliegen für uns alle große Herausforderungen. Gerade deshalb sind wir auch schon mit dem Haushalt 2018 neue Wege gegangen. Wir haben verstärkt Stellen für andere Professionen eingerichtet. Diesen Weg werden wir gehen, solange es notwendig ist, weil für uns natürlich der grundständig ausgebildete Lehrer, die grundständig ausgebildete Lehrerin an erster Stelle stehen.

Die Zahl der Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte an Grundschulen wird mit diesem Haushalt um weitere 557 Stellen erhöht. Hier, Herr Ott, nehme ich Bezug auf das, was Sie ausgeführt haben, nämlich den Sozialindex.

Der letzte Haushalt unter Rot-Grün hatte 1.250 Stellen, die nach Sozialindex verteilt worden sind. Wir haben bereits jetzt weitere 1.750 Stellen im Haushalt, die über Sozialindex verteilt werden. Das sind insgesamt 3.000 Stellen. Ich würde daher schon sagen, dass wir den Weg weiter konsequent gegangen sind. Wir haben die Zahl, die Sie vorher im Haushalt stehen hatten, mehr als verdoppelt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Für die Inklusion geben wir weitere 270 Stellen für sogenannte multiprofessionelle Teams an die Schulen der Sekundarstufe I. Die Landesregierung investiert mit Hochdruck in die schulische Inklusion und stellt hierfür weitere Ressourcen bereit. Im Endausbau zum Schuljahr 2024/2025 werden gegenüber der Vorgängerregierung mindestens 6.000 zusätzliche Stellen für die Inklusion im Bereich der Sekundarstufe I geschaffen.

Damit schaffen wir eine stabile haushaltsrechtliche Grundlage zur Verbesserung der schulischen Inklusion – eine Unterstützung, die Sie den Schulen bis zum Regierungswechsel nicht haben zukommen lassen.

Wir beleben die Schulverwaltungsassistenz. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat hierzu Änderungsanträge vorgelegt. Sie wollen 300 Stellen schaffen. Ich finde es sehr interessant, dass diese Anträge jetzt von Ihnen kommen; denn unter Ihrer Regierungsverantwortung durften noch nicht einmal frei gewordene Stellen neu besetzt werden. Ich kann mich in diesem Zusammenhang an viele Diskussionen erinnern. An einen Ausbau war unter Ihrer Regierungsverantwortung allerdings gar nicht zu denken.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie haben die Schulverwaltungsassistenz zum damaligen Zeitpunkt auf das Abstellgleis geschoben. Sie wollten die wichtige Entlastung, die von den Schulen gewünscht und gefordert wird, schrittweise austrocknen. Ich bin wirklich erstaunt, dass Sie heute mit dieser Forderung kommen.

Beste Bildung können wir nur ermöglichen, wenn wir die Personalversorgung unserer Schulen sicherstellen. Ich kann es hier und jetzt der Opposition nicht ersparen: Dass unsere Schulen gegenwärtig und auch in den folgenden Jahren vor einer sehr, sehr schwierigen Situation stehen, ist ursächlich den Versäumnissen der Vorgängerregierung geschuldet. Wer jahrelang ohne belastbare Fakten im statistischen Blindflug unterwegs ist, der bildet auch an den tatsächlichen Bedarfen unserer Schulen in Nordrhein-Westfalen vorbei. Das ist das Erbe, mit dem ich als Bildungsministerin und wir als Landesregierung und umzugehen haben.

Deswegen haben wir bereits die Zahl der Studienplätze für das Grundschullehramt um 339 und für die sonderpädagogische Förderung um 250 Plätze erhöht. Wir haben inzwischen auch das zweite umfangreiche Maßnahmenpaket zur besseren Lehrerversorgung auf den Weg gebracht.

Exemplarisch möchte ich eine Maßnahme aus dem Einzelplan nennen, die einen wichtigen Beitrag zur spürbaren Verbesserung der Lehrerversorgung leisten soll und auch leisten wird: Ab dem Schuljahr 2019/2020 werden wir zusätzliche Stellen für Oberstufenlehrkräfte an Gesamtschulen schaffen. In Summe sind das rund 650 Sek-II-Stellen mehr als zuvor. Die Kosten dafür belaufen sich auf 4,2 Millionen Euro. So stärken wir die Personalausstattung an den Gesamtschulen und bieten gleichzeitig vielen Oberstufenlehrkräften neue Einstellungsmöglichkeiten.

Lassen Sie mich noch kurz auf die OGS eingehen. Die Zahl der OGS-Plätze steigt zum Schuljahr 2019/2020 um weitere 7.500 Plätze auf dann 323.100. Mit dem Haushalt 2019 stelle ich vor allem die Qualität in der OGS in den Mittelpunkt. Wir haben die Erhöhung der Fördersätze um 3 % auf den 1. Februar 2019 vorgezogen und die einfachen Fördersätze um weitere 11 % erhöht.

Mit der dringend notwendigen Steigerung der einfachen Fördersätze um diese 11% erreichen wir dann auch eine spürbare qualitative Verbesserung in der Fläche. Fast 85 % der Plätze in der offenen Ganztagsschule haben jetzt diesen Fördersatz. Damit können wir in unserem zweiten Haushalt bereits weitere 37,7 Millionen Euro zur Steigerung der Qualität in der OGS verankern – ein enorm wichtiger und guter Schritt in die richtige Richtung.

Meine Damen und Herren, mit dem Haushaltsentwurf 2019 festigen wir den Grundstein für beste Bildung für unsere Schülerinnen und Schüler. Jetzt bleibt mir nur zu sagen: Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Sie haben es gesehen. Es ist eine Kurzintervention von Frau Kollegin Beer angemeldet. Wenn sich Frau Kollegin Beer noch einmal eindrückt, kann ich ihr das Mikrofon freigeben. – Das Mikrofon ist frei, Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Ganz herzlichen Dank. – Frau Ministerin, sind Ihnen die Beschlüsse von Gymnasien auf der kommunalen Ebene wirklich nicht bekannt, die es grundsätzlich ablehnen, zieldifferent zu unterrichten? – Dabei geht es nicht um die Frage der Ressourcen.

Sind Ihnen die Ausstiegsbeschlüsse, die zurzeit gefasst werden, auch nicht bekannt? – Ich wäre froh, wenn es lediglich ein O-Ton wäre. Ich kann Ihnen aber versichern, dass es im Sinne dieser Aussage leider mehrere Diskussionen sind.

Frau Ministerin, Sie haben uns – dem Haus – keine Antwort auf die Frage gegeben, wie sich die Landesregierung im Bundesrat zu der Grundgesetzänderung hinsichtlich der Lockerung des Kooperationsverbotes verhalten wird. Ich finde, da sind Sie uns hier und jetzt eine Antwort schuldig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal zu den Gymnasien: Ich war bei der Westfälischen Direktorenkonferenz, und mein Staatssekretär war bei der Rheinischen Direktorenkonferenz. Wir haben uns dort den Fragen und Antworten gestellt.

Mitnichten war es der Fall, dass dort die Schulleitungen aufgestanden wären und gemeinschaftlich, so wie Sie das sagen, zum Ausdruck gebracht hätten, dass sie sich gegen die schulische Inklusion wenden. Sie sagen vielmehr: Wir machen das, allerdings mit den entsprechenden Ressourcen.

Wenn Sie sich die Zahlen mal daraufhin anschauen, wie viele Kinder bereits an Gymnasien inklusiv beschult werden und wie viele Schulleitungen mir gegenüber versichern, dass sie diesen Weg weitergehen möchten, wenn sie die entsprechenden Ressourcen erhalten, würden Sie staunen.

Frau Beer, wenn ich mich recht entsinne, ist das Thema dieses Tagesordnungspunktes der Haushalt, nämlich Einzelplan 05.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Aber wir dürfen alles fragen!)

– Fragen dürfen Sie. Ich antworte Ihnen auch gerne. Ich wollte Sie nur daran erinnern, dass wir beim Haushalt sind und nicht bei der Grundgesetzänderung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Monika Düker [GRÜNE]: Das hat doch mit viel Geld zu tun!)

– Das hat mit Geld zu tun, aber nicht für den kommenden Haushalt.

(Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

– Meine Damen und Herren, Sie müssen mich schon ausreden lassen. Wenn Sie an mich eine Frage stellen, dann muss ich dazu auch reden dürfen!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Für den Bundesrat – das wissen Sie auch – liegen noch keinerlei Beschlussvorlagen vor, über die wir uns hier und heute in irgendeiner Form austauschen könnten. Ich kann Ihnen versichern, dass Nordrhein-Westfalen seinen Beitrag dazu leisten wird, den Digitalpakt zum Gelingen zu bringen.

Aber ich sage Ihnen auch: Wenn es um eine auskömmliche Finanzierung unserer Bildungsausgaben und in diesem Zusammenhang darum geht, die Digitalisierung im Rahmen der Grundgesetzänderung zu verhindern, dann steht an der Speerspitze Wilfried Kretschmann, Ihr grüner Parteikollege.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Hannen.

(Weitere Zurufe von den GRÜNEN – Gegenrufe von der CDU – Unruhe – Glocke)

– Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt hat Frau Kollegin Hannen von der FDP-Fraktion das Wort.

Martina Hannen (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im vergangenen Jahr habe ich in meiner Haushaltsrede – es ging um die berufliche Bildung – von dringend notwendigen Kurskorrekturen gesprochen, die wir in 2018 für die Berufskollegs und die berufliche Bildung vorgenommen hatten. Mit Blick auf den Haushalt 2019 können wir festhalten, dass sich diese Kurskorrekturen zu echten Trendwenden weiterentwickelt haben.

Die NRW-Koalition geht ihren Weg konsequent weiter, heilt Fehler der Vorgängerregierung und setzt neue wichtige Akzente. Wir begrüßen natürlich sehr, dass sich bei diesem Prozess des Heilens Herr Ott und die SPD gerne mit uns auf den Weg machen, indem sie ihre Zusammenarbeit angeboten haben. Das werden wir selbstverständlich gerne hier und da aufgreifen.

Wie bereits 2018, schaffen wir auch 2019 neue Lehrstellen und setzen damit die Rückabwicklung der sogenannten Präventionsrendite fort. Mit erneut 200 zusätzlichen Stellen in diesem Jahr haben wir in zwei Jahren insgesamt 450 neue Stellen geschaffen und die Rahmenbedingungen dadurch verbessert.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Diese Stellen werden dringend benötigt und tragen dazu bei, ein flächendeckendes Angebot und eine hohe Qualität in der beruflichen Bildung zu sichern.

Die NRW-Koalition steht aber auch für eine nachhaltige und konsistente Politik. Auf der einen Seite neue Stellen zu schaffen, diese dann auf der anderen Seite durch kw-Vermerke auslaufen zu lassen, wäre wenig durchdacht. Deshalb werden wir im Bereich der beruflichen Bildung 300 kw-Vermerke für die Berufskollegs zurücknehmen und die Lehrerstellen im Haushalt erhalten.

(Beifall von der FDP)

Damit haben wir seit Übernahme der Regierungsverantwortung 750 Stellen neu geschaffen bzw. im System gehalten.

Die Qualität, insbesondere die der beruflichen Bildung, hängt aber nicht allein von Stellen im Haushalt ab. Vielmehr sind es die Köpfe hinter den Stellen, die für den Erfolg der Berufskollegs entscheidend sind. Gerade in der beruflichen Bildung ist es zwingend erforderlich, dass die Lehrerinnen und Lehrer Zugang zu notwendigen Fortbildungen haben und ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stehen. Die NRW-Koalition erhöht daher das Fortbildungsbudget der Berufskollegs um 33 %.

Besonders freut es mich, dass wir die Trendwende auch in der Wahrnehmung dieser Schulform erreicht haben. Unsere Berufskollegs und die vielen Lehrerinnen und Lehrer werden in der Bildung wieder mitgedacht. An dieser Stelle möchte ich noch sagen: Frau Beer, mein Kompliment – Sie haben es geschafft, zehn Minuten zu sprechen und die Berufskollegs nicht ein einziges Mal zu erwähnen. Das ist genau das, was Sie jahrelang gemacht haben:

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben die Berufskollegs noch nicht einmal erwähnt. Schön, dass wir sie jetzt endlich wieder wahrnehmen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Das war sieben Jahre so!)

Das zeigt sich zum Beispiel deutlich daran, dass wir im Bereich der Talentschulen 25 % dieser Schulversuche an die Berufskollegs geben werden.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Hannen, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Frau Kollegin Beer würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Martina Hannen (FDP): Aber selbstverständlich, gerne.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Frau Kollegin. Weil wir fachlich eigentlich im konstruktiven Austausch sind, verstehe ich Ihre Einlassung nicht ganz. Haben Sie nicht zur Kenntnis genommen, dass das, was Sie jetzt als Schulversuch aufsetzen wollen – Berufskolleg, Regionales Berufsbildungszentrum –, von Rot-Grün maßgeblich ins Leben gerufen worden ist, und dass Sie da etwas fortsetzen, was wir angefangen haben? Ich verstehe Ihre Einlassung nicht. Haben Sie das nicht zur Kenntnis genommen?

Martina Hannen (FDP): Frau Kollegin Beer, ich möchte das zweiteilen. Erstens habe ich zur Kenntnis genommen, dass Sie in den zehn Minuten nicht ein einziges Mal das Wort „Berufskolleg“ benutzt haben. Zweitens habe ich in der Vorbereitung auf unsere Anträge sehr wohl zur Kenntnis genommen, wie wenige Anträge unter der grünen Schulministerin zum Thema „Berufskollegs“ in der letzten Legislaturperiode gekommen sind. Das muss man auch mal sagen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Also, erzählen Sie mir nichts von Anträgen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von der SPD: Das ist keine Antwort auf die Frage!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch im zweiten Haushalt der NRW-Koalition wird deutlich, dass die Berufskollegs und die berufliche Bildung einen hohen Stellenwert genießen. Damit setzen wir den begonnenen Kurswechsel fort. Und in den kommenden Jahren werden wir diese …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin, es tut mir leid. Ich unterbreche Sie ungern ein zweites Mal, aber Frau Kollegin Beer möchte eine weitere Zwischenfrage stellen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Martina Hannen (FDP): Selbstverständlich gerne.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön. Ich kann mich jeder Kritik stellen, Frau Kollegin, nur haben wir gemeinsam mit den Fraktionen – da waren Sie im Übrigen als Fraktion mitbeteiligt – das Schulrechtsänderungsgesetz zum Thema „Berufskollegs“ und die APO-BK in der rot-grünen Regierungszeit bearbeitet. Also, was erzählen Sie uns eigentlich hier an Legenden?

(Zurufe von der FDP)

Martina Hannen (FDP): Ich erzähle keine Legenden. Im Moment habe ich mich erst einmal an Fakten festgehalten, und an denen kommen wir nicht vorbei.

(Beifall von der FDP – Unruhe – Glocke)

Werden wir wieder sachlich!

(Beifall von der FDP)

In den kommenden Jahren werden wir diese benannten Trendwenden weiter verstetigen und zu einem echten Wandel entwickeln.

Der Haushalt 2019 ist ein weiterer wichtiger Schritt in die richtige Richtung, und er zeigt deutlich – und das ist wichtig – die hohe Wertschätzung der NRW-Koalition gegenüber den Menschen im Bereich der beruflichen Bildung. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Hannen. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Das bleibt auch so. Dann kann ich an dieser Stelle die Aussprache schließen.

Wir kommen aber noch nicht zur Abstimmung; denn Herr Kollege Ott hat sich gemäß § 30 unserer Geschäftsordnung zu einer persönlichen Bemerkung gemeldet. Die Gelegenheit dazu hat er jetzt.

Da nicht jeder die Geschäftsordnung vor Augen hat, will ich es noch einmal erklären: Die Gelegenheit zur persönlichen Bemerkung besteht nach Schluss der Aussprache, aber vor der Abstimmung. Die Rednerin/der Redner darf nicht zur Sache sprechen, sondern nur Äußerungen, die in der Aussprache gegen sie bzw. gegen ihn gerichtet wurden, zurückweisen oder erkennbar gewordene Missverständnisse ihrer bzw. seiner früheren Ausführungen richtigstellen. Die Redezeit ist auf drei Minuten begrenzt.

Herr Kollege Ott, bitte schön.

Jochen Ott (SPD): Frau Präsidentin, herzlichen Dank! Der Vertreter der AfD hat soeben in der Debatte gesagt – ich zitiere –: Ihnen müsste man verbieten, hier aufzutreten.

Ich streite mich leidenschaftlich gerne, auch mit den Vertretern der demokratischen Parteien. Das gehört zum demokratischen Wettstreit dazu. Die Reden der AfD in den letzten vier Stunden spiegeln allerdings ein Muster wider, das wir all die Monate immer wieder hören: In fast allen Reden sind die Migranten schuld. – Vor 80 Jahren wurden in den Debatten andere Gruppen benannt, die an allem schuld waren.

Dann wird immer wieder davon gesprochen, Rot-Grün hätte die Gesellschaft ins Chaos gestürzt; so gerade wieder in der Debatte zur Schule geschehen. – Damals waren es die bolschewistischen Umtriebe, die immer wieder in diesem Zusammenhang erwähnt worden sind.

Außerdem wurden CDU, FDP, SPD und Grüne ständig als etablierte Altparteien diffamiert. – Damals waren es die Systemparteien.

Viele Mitglieder des Zentrums, der Liberalen, der Sozialdemokraten und der Kommunisten wurden gedemütigt, gefoltert und geschlagen, manche getötet. Mich widern deshalb solche Reden oder auch nur die Anleihen an ihren historischen Pendants extrem an. Deshalb möchte ich für mich und die Sozialdemokratie sagen: Wir werden Leuten, die solche Reden halten, energisch entgegentreten!

(Anhaltender Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Nach dieser persönlichen Erklärung gemäß § 30 der Geschäftsordnung kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 05.

Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4405, den Einzelplan 05 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Wer der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU- und FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die AfD-Fraktion. Ich frage vorsichtshalber, ob sich jemand enthalten möchte? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Einzelplan 05 in zweiter Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache angenommen.

Ich rufe auf:

Einzelplan 14
Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4414 – Neudruck

a) Wirtschaft

b) Energie, Landesplanung

c) Innovation und Digitalisierung

Ich rufe den ersten Teilbereich auf und eröffne die Aussprache:

 

a) Wirtschaft

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Sundermann das Wort.

Frank Sundermann (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man kann heute im Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen keine Rede zur Wirtschaftspolitik anfangen, ohne kurz darauf einzugehen – viele von Ihnen haben es sicherlich schon gehört –, dass die Firma Bayer, einer der größten Arbeitgeber in unserem Land, plant, weltweit 12.000 Arbeitsplätze abzubauen. Ich möchte zu dieser Tatsache zwei Dinge ausführen.

Erstens fühlen wir natürlich mit den Mitarbeitern mit, die heute nach Hause kommen und ihrer Frau/ihrem Mann sagen müssen: Ich weiß nicht, wie es zukünftig weitergeht. – Der Anstand gebietet es, mit diesen Menschen mitzufühlen.

Zweitens möchte ich die Erwartung an die Landesregierung formulieren – das Thema ist noch ganz frisch; wahrscheinlich auch für Sie, Herr Pinkwart –: Wir erwarten, dass die Landesregierung – anders als bei ähnlichen Problemen, die große Unternehmen in diesem Land bereits gehabt haben – versucht, diesen Prozess mitzugestalten. Diese Erwartungshaltung möchte ich an dieser Stelle für meine Fraktion äußern.

(Beifall von der SPD)

Wir besprechen jetzt den Einzelplan 14. Das ist zwar einer der kleineren Einzelpläne, aber für uns Wirtschaftspolitiker und auch für das Land ein sehr wichtiger Haushalt. Nach 18 Monaten kann man schon mal ein wenig auf das zurückblicken, was die Mitte-rechts-Koalition im Bereich „Wirtschaftspolitik“ abgeliefert hat. Ich möchte dieser Wirtschaftspolitik zwei Überschriften geben: Die 2 Ds – Deregulierung und Digitalisierung.

Zur Deregulierung zählen die Deregulierungspakete, die Sie aufgelegt haben, welche immer die Botschaft ins Land senden: Der Markt wird es schon richten, wir müssen diese Prozesse nur begleiten. Regulierung ist schlecht, und Deregulierung ist gut und sorgt immer für Wirtschaftswachstum. – Ich glaube, dass das ein etwas verkürzter Blick auf Wirtschaftspolitik ist.

Nun zur Digitalisierung. Richtig ist, dass wir als Wirtschaftspolitiker nicht die Risiken in den Fokus stellen, sondern auch über Chancen sprechen sollten. Uns gefällt nicht so gut, dass Sie Digitalisierung als Lösung für alle wirtschaftlichen Probleme sehen und mit dieser Fragestellung aus unserer Sicht ein wenig unkritisch umgehen.

Das Wichtigste, das Ihnen allerdings fehlt – ich habe von den 2 Ds gesprochen: Deregulierung und Digitalisierung –, ist die dritte Dimension, das dritte D: nämlich der Dialog.

Aus unserer Sicht können Sie nämlich nur durch die dritte Dimension die komplexen Zusammenhänge in der Wirtschaft mithilfe von Dialog und Rückkopplung mit den Betroffenen wahrnehmen und steuern. Ich möchte an einigen Beispielen deutlich machen, wo wir da bei Ihnen Defizite sehen.

Beim Programm „Dialog schafft Zukunft“ geht es um Bürgerbeteiligung und Genehmigungen. Wir wären sehr daran interessiert, zu erfahren, ob im Zuge des Deregulierungspakets III neben der Genehmigungsverkürzung auch die Organisation von Dialog in den Fokus genommen wird. Bisher gehen Sie mit dem Programm unserer Wahrnehmung nach sehr, sehr lieblos um.

Zum Ladenöffnungsgesetz: Herr Kollege Pinkwart, ich weiß, dass Sie es nicht gerne hören, aber in der Anhörung hat ein Vertreter der Kirche gesagt, dass der runde Tisch kurz vor einem Erfolg gestanden habe. Sollten Sie mir das nicht glauben, kann ich Ihnen das nachsehen. Aber vielleicht könnte ein Gespräch mit einem Vertreter der Kirche – kurz vor Weihnachten – diese Unklarheit auflösen. Hier haben Sie wiederum nicht auf Dialog gesetzt.

Auch am Programm „Allianz, Wirtschaft und Arbeit 4.0“ – von Ihnen umbenannt in „Initiative Wirtschaft & Arbeit 4.0“ – üben wir Kritik, da wir hier ebenfalls eine gewisse Lieblosigkeit feststellen. Das ist aus unserer Sicht auch wirtschaftspolitisch falsch. Wir betrachten den Dialog als eine Chance für Nordrhein-Westfalen.

Betrachtet man die Vergangenheit dieses Landes und seine Erfolge, stellt man fest, dass immer eine starke Sozialpartnerschaft Wurzel und Quell einer starken Wirtschaft war. Dass Sie diese Allianz nun nicht weiterführen und damit eine große Chance liegen lassen, ist aus unserer Sicht falsch.

Eine letzte Sache, die ich ansprechen möchte: Die Koalitionsfraktionen loben immer ihre hohe Geschwindigkeit bei der Umsetzung von Maßnahmen. Sie packen an, sie wollen schnell sein und wichtige Weichen stellen.

Dazu möchte ich ein Beispiel zur Diskussion stellen. Eine von Ihnen immer als wichtig bezeichnete Maßnahme ist die Abschaffung der Hygieneampel. 268 Tage haben Sie gebraucht, um ein Gesetz abzuschaffen, das noch nicht mal in Kraft getreten war!

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt. – Dietmar Brockes [FDP]: So viel zur Schnelligkeit!)

– Ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin. – Was haben wir als eine unserer ersten Maßnahmen gemacht? Wir haben die Studiengebühren in diesem Land abgeschafft. Wir haben es übrigens schneller geschafft; das ist kein Wert an sich, aber wir haben nur 226 Tage dafür gebraucht.

Ich stelle zur Diskussion: Welche dieser beiden Maßnahmen – Abschaffung der Studiengebühren oder Abschaffung der Hygieneampel – hat der Wirtschaft in diesem Land mehr genutzt? – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Sundermann. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Rehbaum das Wort.

(Daniel Sieveke [CDU]: Dann müssen Sie sich auch die Antwort anhören! – Frank Sundermann [SPD]: „Hygieneampel“ haben Sie gesagt, habe ich gehört! Ich bin des Hörens und Verstehens mächtig!)

Henning Rehbaum (CDU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Sundermann, für uns ist völlig klar, dass die Abschaffung der Hygieneampel ein Riesenschritt war, und die Unternehmer sind uns unglaublich dankbar dafür.

(Beifall von der CDU und der FDP – Frank Sundermann [SPD]: Also wichtiger als die Studiengebühren?)

Nach verlorenen Jahren unter Rot-Grün ist die Trendwende endlich geschafft. Nordrhein-Westfalen ist 2017 zurück auf den Wachstumskurs gelangt; amtlichen Schätzungen zufolge gibt es 1,7 % Wachstum, das ist leicht unter dem Bundesschnitt.

(Michael Hübner [SPD]: Im Jahr vorher gab es auch Wachstum, Herr Kollege!)

Auch die Arbeitslosenquote entwickelt sich positiv. Im Oktober 2018 waren es 6,4 %; während Anfang 2017 noch 7,7 % zu verzeichnen waren. Im ersten Halbjahr 2018 sind wir gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,5 % gewachsen. Das ist noch kein Grund zur Entwarnung; denn wir haben noch einige Baustellen, wir sind noch unter dem Bundesschnitt, und wir haben 180.000 unbesetzte Stellen.

Die Nachricht von Bayer, die wir soeben erhalten haben, ist keine gute für Nordrhein-Westfalen. Sie zeigt, dass wir immer wachsam sein müssen, immer arbeiten müssen und immer an den Schwierigkeiten der Wirtschaft dranbleiben müssen, um die Nase vorn zu behalten.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Politik muss ein verlässlicher Partner sein. Sie muss Engpässe beseitigen; sie muss Firmen ermöglichen, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. In Nordrhein-Westfalen ist über Jahre hinweg eine Wirtschaftspolitik am grünen Tisch gemacht worden – offenbar maßgeblich am Tisch des grünen Umweltministers. Wir wollen einen Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zuhören, Entscheiden und Handeln ist unser Leitmotiv. Wie ein Spürhund suchen wir Hindernisse, Engpässe, Erschwernisse und beseitigen sie. Wir tun das immer mit dem Ziel, Investitionen in Arbeitsplätze, Wertschöpfung oder Klimaschutz zu ermöglichen.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Der Haushalt von Wirtschaftsminister Professor Pinkwart – für den wir uns ganz herzlich bedanken – bietet die nötige Finanzausstattung für unsere Politik: Waren es im Jahr 2018 noch 1,3 Milliarden Euro, sind es 2019 bereits 1,541 Milliarden Euro. Für alle, die in Nordrhein-Westfalen Abi gemacht haben: Das ist ein Plus von 18 %.

(Michael Hübner [SPD]: Dafür braucht man kein Abi! – Zuruf von Frank Sundermann [SPD])

Das Kapitel zur Förderung der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstands, wächst um 25,7 Millionen Euro – das sind 17 % – auf rund 154 Millionen Euro. Die Strukturhilfe für vom Braunkohletagebau geprägte Gebiete wird um 60 % erhöht. Die Förderung des Handwerks und der freien Berufsgenossenschaften hat weiterhin ein hohes Niveau; es sind 4,4 Millionen Euro.

Die Finanzierungshilfen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturen: Erhöhung um 240 %. Die Strukturhilfen für den Steinkohlerückzug: Erhöhung um 184 %. Die Förderung von Gründungen und mittelständischen Unternehmen: Erhöhung um 400 %. Zuschüsse im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“: Erhöhung um 8,8 %. Und die Erhöhung für den Bereich Tourismus liegt bei 28 %.

Wir wollen aber auch den stationären Handel für die digitale Zukunft fitmachen; daher haben wir als Fraktionen Anträge eingereicht: 300.000 Euro für ein Gutachten über die Herausforderungen des Einzelhandels in Stadt und Land; 500.000 Euro für die Ausweitung des Projekts „Zukunft des Handels“; 225.000 Euro für die Digital Coaches, die beraten und unterstützen sollen, wenn Einzelhandelsunternehmen in die digitale Welt einsteigen wollen.

Summa summarum: Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen der attraktivste Wirtschaftsstandort in Deutschland wird: für Handwerker, Mittelständler und Industrie, Einzelhändler, Dienstleistung, Logistik; für Großunternehmen genauso wie für Start-ups.

Entscheidend für Unternehmen sind: ein investitionsfreundlicher Rahmen und Ansiedlungsmöglichkeiten; Beschleunigung von Verfahren und Bürokratieabbau; leistungsfähige und intakte Verkehrswege; zeitgemäße Digitalisierung; Azubis, Fach- und Arbeitskräfte; politische Stabilität und eine klar wirtschaftsstärkende, europafreundliche Haltung der Regierung.

Arbeitsplätze, liebe Grüne, sind kein Argument von gestern – weder bei der Energiewende noch in der Wirtschaftspolitik. Sie sind das Ziel all unserer Anstrengungen.

Dieser Haushalt ist das starke Signal an Wirtschaft und Beschäftigte: NRW ist wieder da. Die NRW-Koalition nimmt den Unternehmen Steine aus dem Rucksack. Wir investieren in Zukunftsfelder und erleichtern mit dem LEP Erweiterungen und Neuansiedlungen in Stadt und Land.

Der Haushalt sendet eine klare Botschaft: In Nordrhein-Westfalen sind Unternehmerinnen und Unternehmer, Investoren, Start-ups und neue Arbeitsplätze herzlich willkommen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Rehbaum. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Becker das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben am Ende der Rede meines Vorredners wieder gehört, was die Koalition will.

(Henning Rehbaum [CDU]: Ja! – Thorsten Schick [CDU]: Läuft doch!)

Zunächst einmal ist das Wollen weit entfernt vom Tun, Herr Kollege. Denn wenn ich mir die letzten eineinhalb Jahre anschaue, dann stelle ich fest: Siemens will mit dem Großturbinenbau weggehen. Im Osten führt das übrigens dazu, dass die Ministerpräsidenten und die Wirtschaftsminister Pilgerfahrten machen und um die Standorte kämpfen. Hier höre und sehe ich diesbezüglich aber nichts.

Zweitens stelle ich fest, dass thyssenkrupp – wenn überhaupt – durch die Gewerkschaft gerettet wurde und nicht durch diese Landesregierung. Auch dabei geht es um Übergangsregelungen, nach denen erheblich Arbeitsplätze abgebaut werden.

Heute sehen wir in den Zeitungen, dass Bayer 12.000 Stellen kürzen will. Das wird auch etwas mit der Übernahme von Monsanto zu tun haben. Bayer sagt selbst, dass diese Stellen überwiegend in Deutschland gekürzt werden. Man kann sich ausrechnen, wie viele dieser Stellen dann in Nordrhein-Westfalen gekürzt werden.

Bei der sogenannten klassischen Industrie, um die Sie sich ja ganz besonders kümmern wollten, sieht man also an vielen Stellen bis jetzt nicht nur keine Erfolge, sondern man sieht deutliche Einbrüche – und das in einer Konjunkturphase, die in der Tat hervorragend ist, wofür Sie allerdings nichts können.

Wenn Sie das Jahr 2017 loben, wissen Sie auch ganz genau – Sie haben es heute früh noch mehrfach betont –, wann Sie die Regierungsgeschäfte übernommen haben. Also ist 2017 ganz offensichtlich nicht Ihr Werk gewesen, sondern das Werk der Vorgängerregierung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Lassen Sie mich neben den Unternehmen, die ich eben genannt habe, ein weiteres Unternehmen nennen, um das Sie sich ganz offensichtlich nicht genügend kümmern, nämlich Ford. Es besteht die Gefahr, dass Ford in Köln einen Teil der Produktion abzieht.

Vonseiten Ihrer Koalition höre und sehe ich in diesem Zusammenhang aber nichts. Ich bin der Meinung, dass es sich dabei eigentlich um einen Punkt handelt, um den man sich kümmern müsste.

Ich stelle mir in diesen Situationen immer die Frage, was bei CDU und FDP eigentlich los gewesen wäre, wenn die Vorgängerregierung in diesen Zusammenhängen – bei derartigen Unternehmen und einem solchen Arbeitsplatzabbau – so wenig getan hätte wie Sie.

Stattdessen werden Vorlesungen über Innovation und Digitalisierung gehalten, die aber, wenn man es hinterfragt, überhaupt nicht mit der Wirklichkeit Schritt halten. So werden beispielsweise 1,6 Millionen Euro in einem Bereich gekürzt, in dem die Förderung der Digitalisierung in Unternehmen angebracht wäre.

Energieeffizienz wird nicht gefördert; stattdessen wird immer wieder dafür gesorgt und dafür gekämpft, dass der Kohleabbau verlängert wird. Das heißt, Sie sind überall rückwärtsgewandt.

(Henning Rehbaum [CDU]: Der Energieteil kommt gleich!)

Heute Morgen haben wir lange über den Brexit debattiert. Zwei Stunden, nachdem ich angemahnt habe, dass eine Kleine Anfrage von uns zu einem Gutachten, das die Landesregierung im Zusammenhang mit dem Brexit in Auftrag gegeben hat, fünf Wochen lang nicht beantwortet wurde, ist dann die Antwort gekommen.

Wissen Sie, was in dieser Antwort stand? – Darin stand – und damit wird auch klar, warum die Antwort so spät kam –, dass Ende Februar nächsten Jahres ein Gutachten vorgelegt werden soll, das sich mit der Frage beschäftigt, welche Standortvorteile NRW-Unternehmen für umsiedlungsfähige und willige Unternehmen aus England bieten. Einen Monat vor dem Brexit soll ein solches Gutachten herauskommen.

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Aha!)

Hätten wir eine solche Wirtschaftspolitik gemacht, hätten Sie sie zu Recht als hanebüchen und falsch kritisiert.

(Beifall von den GRÜNEN – Ralph Bombis [FDP]: Haben Sie doch gemacht!)

– Nein, die haben wir eben nicht gemacht.

(Ralph Bombis [FDP]: Sie haben gar nichts gemacht!)

Seit 18 Monaten, 30 % dieser Legislaturperiode, leben Sie in einem Ankündigungsmarathon

(Zurufe von Dietmar Brockes [FDP] und Dr. Günther Bergmann [CDU])

und haben überhaupt nichts zustande gebracht – ganz im Gegenteil: Sie haben beispielsweise bei der Sonntagsöffnung, für die Sie immer wieder den Versandhandel als Begründung angeführt haben, ein riesiges Chaos angerichtet.

Sie haben jede Menge Prozesse riskiert, Sie haben die Kommunen verunsichert, und Sie haben übrigens ein typisches Beispiel für Entbürokratisierung betrieben, indem Sie einen 38-seitigen Leitfaden für die Sonntagsöffnung herausgegeben haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Monika Düker [GRÜNE]: Entfesselung!)

Dann haben Sie sogar noch einen fünfseitigen Leitfaden als Kurzvariante herausgegeben, weil die 38 Seiten zu lang waren. Das ist ein typisches Beispiel für ideologisches Reden, aber bürokratisches Handeln. Denn das ist es, was Sie tun.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])

Zusammengefasst: Sie sind immer noch nicht in der Regierung angekommen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Und das aus dem Mund von Horst Becker! – Das ist doch lächerlich!)

Sie reden wie ideologische Triebtäter, aber Sie handeln nicht für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN – Dr. Günther Bergmann [CDU]: Bei Ihrer Ausschreibung müsste man 65 Seiten berücksichtigen! Politische Amnesie! – Weitere Zurufe von der CDU – Dr. Günther Bergmann [CDU]: Wollen wir mal über das Vergabegesetz reden? Dann sitzen Sie aber unter dem Tisch!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Das war der Abgeordnete Becker für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Bombis das Wort. Bitte sehr, lieber Kollege.

Ralph Bombis (FDP): Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Sehr geehrte Herren! Ich möchte eingangs meiner Rede kurz darauf eingehen, was Kollege Sundermann angesprochen hat.

Auch wir sehen eine solche Nachricht wie heute die von Bayer natürlich mit großer Sorge, und auch uns ist natürlich völlig bewusst, dass es besonders für die Mitarbeiter eine schwierige Nachricht ist.

Ich will aber genauso deutlich sagen: Diese schwierige Lage der Mitarbeiter ist für uns umso mehr eine Herausforderung und ein Auftrag, daran zu arbeiten, dass wir für die gut ausgebildeten Mitarbeiter in Nordrhein-Westfalen auch eine Perspektive bieten können, wenn sie sich irgendwann neu orientieren müssen.

Aber, Herr Becker, uns vorzuwerfen, wir würden uns nicht um die Industrie kümmern,

(Horst Becker [GRÜNE]: Ist doch richtig! – Lachen von Thorsten Schick [CDU])

die guten Dinge aus der Vergangenheit für sich zu reklamieren,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was sonst?)

solche negativen Effekte wie heute bekannt geworden aber der neuen Regierung zuzuschieben – so können Sie es auch nicht machen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Ihre Industriepolitik hat doch dafür gesorgt, dass es in diesem Land häufig genug einen fast verzweifelten Ruf nach einer endlich wieder vernünftigen wirtschaftlichen Perspektive gab. Die gibt es mit dieser neuen Regierung.

Sie haben beide, meine Herren von der Opposition, nicht zum Haushalt geredet. Das würde ich jetzt aber gerne tun.

Vieles hat Kollege Rehbaum angesprochen. Unsere Ziele als NRW-Koalition in der Wirtschaftspolitik wie auch in den anderen Feldern sind klar:

Wir wollen neue Entwicklungschancen für unser Land. Wir wollen das Land digitaler machen. Wir wollen in die Zukunft investieren, um diese dann auch im Sinne der Menschen meistern zu können. Diesen Zielen entsprechen die Schwerpunkte im Haushalt.

Weil diese Ziele stimmen, sind auch die Ansatzsteigerungen positiv. Die Erhöhung des Kapitels „Förderung der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes“ ist deswegen ausdrücklich hervorzuheben. Hier sind noch einmal 26 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen.

Das Thema „Digitalisierung“ – alle reden darüber – haben wir hier auch oft debattiert. Wir unterstützen gerade die mittelständischen Betriebe mit dem Programm „Mittelstand.innovativ!“, für das bereits 2018 die Mittel erhöht worden sind, die wir jetzt fortschreiben, um gerade auch die Innovationsassistenten und die Digitalisierungsgutscheine mit insgesamt 9 Millionen Euro weiter zu fördern, damit gerade die mittelständischen Strukturen und die kleinen Unternehmen, die das oft nicht aus eigener Kraft können, hierbei unterstützt werden.

Für das Handwerk stehen mit „Handwerk-Digital.NRW“ und weiteren Projekten auch noch mehrere ergänzende Programme zur Verfügung.

Weil diese Programme in diesem Bereich so erfolgreich sind, werden wir sie auf den Handel ausweiten mit der Erhöhung in dieser Titelgruppe Zukunft des Handels.

Wir haben als Koalitionsfraktionen Änderungsanträge eingebracht, mit denen wir weitere Ergänzungen vornehmen, um auch nicht nur mit Gutachten, sondern auch ganz konkret mit Assistenten im Handel, mit Digital Coaches dem stationären Handel weiteren Rückhalt zu geben, damit wir auch als Attraktivitätsanker in unseren Innenstädten – und darum geht es doch – weiterhin den stationären Handel behalten.

Darüber hinaus ist die Grundlage der Digitalisierung ebenfalls im Blick. Der Breitbandausbau steht im Fokus, damit wir die Gewerbegebiete bis 2022 sowie die Schulen ans gigabitfähige Netz anschließen können.

All diese Dinge aus dem Bereich der Digitalisierung beziehen sich natürlich auf die Herausforderungen in der Zukunft.

Ich will ein weiteres Feld nennen, über das wir hier ebenfalls schon häufig debattiert haben; das ist der Strukturwandel. Natürlich hat das große Aktualität und ist insbesondere für das Rheinische Revier relevant. Ich will aber sehr deutlich sagen, dass wir auch andere Regionen, namentlich das Ruhrgebiet, als NRW-Koalition selbstverständlich nicht vergessen.

Dementsprechend sind im Haushalt sowohl die Strukturhilfe für die Braunkohleregionen als auch die Strukturhilfe für die Steinkohlerückzugsgebiete deutlich erhöht worden. Mit der Ruhrgebietskonferenz werden wir die Region sichtbar machen und Leitprojekte zur Stärkung auf den Weg bringen.

Für das Rheinische Revier heißt das Motto: präventiver Strukturwandel. Diesen Prozess begleiten wir als NRW-Koalition natürlich ebenfalls sehr eng.

In der gebotenen Kürze noch einige Stichworte:

Erhöhung der Mittel im Tourismusbereich. Die Erarbeitung einer neuen Landestourismusstrategie ist auf dem Weg.

Die Start-up‑ und Gründerförderung will ich hier ganz kurz erwähnen. Das wird gleich in der Debatte noch Thema sein.

Das Thema „Energie und Klimaschutz“ ist ebenfalls von hoher Relevanz für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. Deswegen finden wir in dem Einzelplan hier und in den noch zu debattierenden Einzelplänen die entsprechende Schwerpunktsetzung.

Ich habe es eingangs gesagt: Unsere Ziele als NRW-Koalition sind klar in der Wirtschaftspolitik genauso wie in allen anderen Bereichen. Dieser Einzelplan bildet unsere wirtschaftspolitischen Ziele ab.

Wir schaffen mehr Chancen für die Unternehmen in unserem Land und damit für zukunftsfeste Arbeitsplätze.

Wir machen Tempo bei der Digitalisierung, unterstützen die Wirtschaft bei der digitalen Transformation und gestalten den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen positiv im Sinne der Menschen, damit NRW Stück für Stück wieder nach vorne kommt und den Platz einnimmt, der unserem Bundesland im Sinne der Menschen gebührt.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir machen das zügig. Das alles drückt sich im vorliegenden Einzelplan aus. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Bombis. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Loose das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ist es ein gutes Geschäft, wenn ich Ihnen heute 100 Euro gebe und Sie mir morgen mit einem Lächeln 50 Euro zurückgeben? – Ja, das ist ein gutes Geschäft, nur leider nicht für mich.

Doch solche Geschäfte finden sich auch im Haushaltsplan Wirtschaft wieder. Dort werden solche Geschäfte sogar noch groß gefeiert. Deswegen möchte ich mit einem Zitat von Herrn Professor Pinkwart aus seiner Rede im Wirtschaftsausschuss beginnen:

„Das bedeutendste Instrument der Wirtschaftsförderung meines Hauses ist das EFRE-Programm. Auf dieser Basis können bis Ende 2020 fast 2,5 Milliarden Euro an Investitionen getätigt werden. Die eine Hälfte der Gelder kommt aus Brüssel, die andere Hälfte stellen das Land, die Kommunen, die Hochschulen und die Wirtschaft zur Verfügung.“

Kurzer Hinweis: Das erwähnte EFRE-Programm ist ein Programm der EU.

Schauen wir uns dieses Zitat doch einmal genauer an: Da kommen also Gelder aus Brüssel. Woher hat denn Brüssel diese Gelder? – Richtig, vom deutschen Steuerzahler. Das ist das Geld von der Krankenschwester, die sich um Patienten kümmert. Das ist das Geld von der Bäckereifachverkäuferin, die uns morgens die Brötchen verkauft.

All diese Malocher haben das Geld, das das Land NRW aus Brüssel bekommt, vorher mehr als doppelt so hoch eingezahlt. Finden Sie, dass das ein gutes Geschäft ist? – Wir finden das nicht.

(Beifall von der AfD)

Aber weiter im Text: Dazu kommen jetzt auch noch Gelder vom Land, sagt Herr Professor Pinkwart. Aha, Geld vom Land. Woher hat denn das Land das Geld? – Richtig, wieder von der Krankenschwester und der Bäckereifachverkäuferin. Dieses Geld wird zusammengeworfen, jetzt gibt ein Unternehmen noch einen kleinen Teil dazu, und dann heißt das Ganze „Investition“.

Das Verhältnis dieser Investition ist wie folgt: Der Steuerzahler gibt 5 Euro und der Unternehmer 1 Euro dazu. Damit ist dieses EU-Programm eines der ineffizientesten Programme, die man sich nur vorstellen kann – alles auf Kosten der deutschen Steuerzahler.

Aber – und das dürfen wir nicht vergessen – die EU hat uns ja einen Teil des Geldes mit einem Lächeln zurückgegeben, und der Unternehmer lächelt jetzt auch. Dafür schulden wir der EU und den Unternehmen natürlich Dank – zumindest, wenn es nach Ihnen gehen würde.

Das Schlimme daran ist aber auch noch, Herr Professor Pinkwart, dass Sie dieses Programm ausdrücklich als das bedeutendste Programm Ihres Ministeriums feiern. Damit hängt die Wirtschaftspolitik in NRW weitgehend am Tropf von Brüssel.

Hier würde ich mich mal über ein echtes Entfesselungspaket von Ihnen, liebe CDU und FDP, freuen. Befreien Sie sich, und befreien Sie uns alle von den Fesseln der EU und reformieren Sie diesen Laden endlich.

(Beifall von der AfD)

Schauen wir uns einmal einige Projekte an, die in den letzten Jahren aus diesem EU-Programm finanziert wurden.

Der PHÖNIX See in Dortmund ist ein schönes Beispiel. Dort sonnen sich jetzt die Profifußballer vom BVB in ihren Gärten mit Südlage zum See, während ein paar Hundert Meter weiter das Arbeitslosenviertel beginnt mit einer Arbeitslosenquote von knapp 15 %. Dank EU-Fördermitteln wurde ein tolles Wohnquartier für Besserverdienende geschaffen.

Schon fast in Sichtweite dazu das Dortmunder U. 56 Millionen Euro sollte es kosten, davon knapp 23 Millionen Euro aus dem EFRE-Programm. Dieses Projekt wurde wieder einmal ein echtes Schnäppchen für den Steuerzahler: Am Ende hat es etwa 100 Millionen Euro gekostet und es gleich zweimal ins Schwarzbuch der Steuerzahler geschafft.

Da nicht jeder das Schwarzbuch kennt, hier ein Zitat daraus. Dort werden Projekte aufgelistet, die dokumentieren – Zitat –,

wie der Staat durch Gedankenlosigkeit, Prestigedenken, ungehemmte Regelungswut oder fehlendes Kostenbewusstsein mehrere Milliarden Euro an Steuergeld verschwendet.

Zitat Ende. –

Herzlichen Glückwunsch, liebe Kollegen der Altparteien. Sie haben es mit diesem Projekt wahrlich zweimal geschafft: Gedankenlosigkeit, Prestigedenken und Verschwendung.

Ihr bedeutendstes Instrument der Wirtschaftsförderung, Herr Minister, ist lediglich eine Maschine zur Geldverbrennung. Allein deshalb lehnen wir Ihren Haushalt ab.

Aber wir sind noch weitergegangen und haben Ihnen über 100 Millionen Euro an Einsparvorschlägen ins Buch geschrieben, mit auf den Weg gegeben. Damit bieten wir eine echte Alternative zu Ihrer Verschwendung. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Loose. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Professor Dr. Pinkwart das Wort. Bitte sehr, Herr Minister!

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Entwicklung unserer Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen zeigt sich nach wie vor robust: 2,2 % mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in diesem Jahr gegenüber 2017 und eine Arbeitslosigkeit auf historischem Tiefstand.

Dennoch haben wir es mit immer wiederkehrenden neuen Herausforderungen zu tun. Herr Kollege Sundermann, Sie haben darauf aufmerksam gemacht. Das berührt uns natürlich sehr und beschäftigt uns und hat uns schon in den letzten Tagen natürlich – das werden Sie sich denken – beschäftigt wie auch an anderen Standorten. Wir sind da im Übrigen, wie Sie genau wissen, in sehr enger Abstimmung mit den Sozialpartnern, mit den Unternehmensleitungen.

Ich habe es im Ausschuss gelegentlich sagen können. Zu unserer Freude sind die Gespräche, die engen Abstimmungen, die Bemühungen auch immer wieder erfolgreich. Da bin ich auch den Betriebsräten, den Gewerkschaften sehr dankbar, dass das sehr vertrauensvoll und sehr zielorientiert von beiden Seiten mit uns erfolgt. Dadurch haben wir auch gute Erfolge erzielen können. Das ist ein ständiger Aushandlungsprozess, dem wir uns natürlich stellen.

Wir wollen bei solchen Gesprächen immer deutlich machen, dass es sich weiter lohnt, in diesen Standort zu investieren. Deswegen haben wir einen Schwerpunkt unserer Arbeit darauf gelegt, dass wir die Rahmenbedingungen weiter verbessern wollen durch Investition in Infrastruktur, aber auch eine Vereinfachung von Genehmigungsverfahren, Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Das ist gerade für die chemische Industrie von großer Bedeutung. Sie wissen genau, dass wir uns damit im Rahmen des 3. Entfesselungspakets beschäftigen.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Wir legen dabei großen Wert auf die Mitbeteiligung und Einbeziehung. Das gilt auch für Gesetzesvorhaben, Herr Sundermann. Wenn Sie jetzt sagen, die Abschaffung der Hygieneampel hätten wir nicht schnell genug gemacht, Sie wären ja viel schneller gewesen …

(Frank Sundermann [SPD]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe nur verglichen!)

– Dann will ich Ihnen sagen, was Sie hier verglichen haben: Wir haben unser Entfesselungspaket – da war nicht nur die Hygieneampel drin, da waren viele Maßnahmen drin – hier bereits am 26. Oktober 2017 ins Parlament eingebracht.

Sie haben damals die Streichung der Studienbeiträge in einer Einzelmaßnahme eingebracht, am 01.09.2010. Sie haben es dann am 1. März 2011 verabschiedet. Wir haben am 21. März 2018 aber nicht nur eine Einzelmaßnahme, sondern ein ganzes Konvolut von Entfesselungen auf den Weg gebracht.

(Zurufe von der SPD)

Wir waren genauso schnell – ich würde sagen: fürs Land viel erfolgreicher und wirksamer –, wie Sie es waren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich nehme Ihre freundlichen Bemerkungen – das wissen Sie – als Motivation, dass wir noch schneller werden.

(Frank Sundermann [SPD]: Ja, ja!)

Aber wir wollen natürlich den Mitbeteiligungsprozess dadurch nicht schmälern; da haben Sie völlig recht. Wir müssen versuchen, das wechselseitig beschleunigt hinzubekommen.

Ich möchte im Bereich Wirtschaft – wir haben ja getrennte Debatten zu verschiedenen Themen, obwohl sie ineinandergreifen – betonen, dass uns ganz besonders wichtig ist, dass wir auch das Handwerk, dem es, wie ich heute Morgen sagte, im Moment sehr gut geht, gerade jetzt in der Phase, wo es ihm gut geht, weiter stärken, es zukunftsfest machen.

Dazu gehört auch das Thema „Digitalisierung“, aber natürlich auch andere Themen, etwa das Thema „berufliche Bildung“, bei dem wir das Handwerk gezielt unterstützen.

Wir arbeiten daran, die Empfehlungen der Enquetekommission umzusetzen, wobei es deutliche Fortschritte gibt. Dazu werden wir demnächst einen Bericht machen. Das kann ich in der kurzen Redezeit nicht alles darlegen. Sie sollten wissen, dass uns das ein besonderes Anliegen ist.

Wir haben das Thema „Gründung“ zu einem Schwerpunkt gemacht; das ist eine neue Gründerzeit. Wir haben auch in relativer Kürze das Gründerstipendium nicht nur eingeführt, sondern sehr erfolgreich schon umsetzen können. Wir haben das dezentral organisiert; wir haben die Starter-Center, die Digi-Hubs und andere mit einbeziehen können und sehr viele junge Männer und Frauen in diesem Lande für tolle innovative Gründungen mobilisieren können.

Es ist eine Freude, zu sehen, welche Ideen in diesem Land auf Umsetzung warten und sich jetzt noch besser als bislang unterstützt sehen. Ich denke, das ist eine große Chance für Nordrhein-Westfalen.

Das Gleiche gilt – es wird mir gelegentlich auch schon mal vorgehalten, Sie reden immer über Digitalisierung und Gründung – auch für die etablierte Wirtschaft, die bei uns natürlich im Fokus steht.

Wir haben den Stahlgipfel mit organisiert. Er fand im Saarland statt; aber wir haben ihn vorbereitet, wir haben ihn angeregt. Die Vorbereitungssitzungen haben hier stattgefunden.

Wir haben damit deutschlandweit der Stahlindustrie eine andere Bedeutung gegeben. Wir arbeiten gerade an einer internationalen Stahlkonferenz, die wir vorbereiten. Wir setzen uns für die Interessen der Industrie ein. Das Gleiche gilt für die Chemie und andere.

Wir verbinden die Chemie, den Stahl und andere Bereiche mit den Start-ups, mit den digitalen Unternehmen, um die Innovation in diesen Branchen auch weiterzutragen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Das gilt auch für unsere Initiative IN4climate.NRW, um auch das Thema „Klimaschutz und Industrie“ auf eine neue Ebene zu führen.

Wir haben umgehend das Thema „it’s OWL“ hier aufgegriffen, umgesetzt und sehr viel Geld, 53 Millionen Euro, für die nächsten Jahre bereitgestellt, um die Fabrik der Zukunft in Nordrhein-Westfalen zu einem zentralen Thema machen zu können.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Wir haben ein energiewirtschaftliches Cluster für die Metropolregion Ruhr in Arbeit, um auch etablierten Unternehmen weiterzuhelfen.

Ich kann das alles in fünf Minuten nur ansatzweise darstellen – sorry. Wir können stolz darauf sein – ich bin dem Parlament und den tragenden Fraktionen dankbar –, dass wir diese Chancen nutzen können und die Mittel dazu haben, unserer Wirtschaft in einer guten Phase die Voraussetzung zu geben, die Zukunft so zu gestalten, dass Wachstum und Beschäftigung auch morgen gesichert bleiben. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Der guten Ordnung halber weise ich darauf hin, dass die Landesregierung nicht nur 5 Minuten, sondern 6 Minuten und 2 Sekunden Redezeit in Anspruch genommen hat.

Ich frage in die Runde, ob es über die bisherigen Überziehungen hinaus noch weiteren Redewunsch gibt? – Das ist nicht der Fall. Dann sind wir am Schluss der Beratung zum Teilbereich Wirtschaft im Einzelplan 14.

Ich rufe damit auf:

 

b) Energie und Landesplanung

Ich erteile für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Sundermann das Wort. Bitte sehr.

Frank Sundermann (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von diesem Rednerpult aus wird oft stolz – und das nicht zu Unrecht – auf Nordrhein-Westfalen als das Energieland Nummer eins verwiesen. Wir sind Energieland Nummer eins, sowohl was die Erzeugung anbelangt als auch was den Verbrauch anbelangt.

Die Frage ist nur: Können wir das auch in Zukunft im Rahmen der Umsetzung der Energiewende bleiben, wenn auf der einen Seite die Erzeugung von Kohle langsam zurückgeht – wir sehen gerade den Ausstiegspfad –, auf der anderen Seite aber die energieintensive Industrie in unserem Land bleiben soll?

Uns fehlt aktuell eine Idee, eine Vision, ein Gesamtkonzept der Landesregierung, um dieses Energieland Nummer eins auch als das zu erhalten, was es heute ist.

Deutlich wurde das in der Unterrichtung durch die Landesregierung im Oktober. Herr Minister, aus unserer Sicht – unsere Bewertung ist geblieben – haben Sie sich im Klein-Klein verloren. Sie haben einen Spiegelstrichvortrag gehalten.

Übrigens sehen das nicht nur wir so; das führt auch die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrem Kommentar am 11.10.2018 so aus. Die Bewertung dieser Vorstellung, die Sie am 10.10.2018 hier gegeben haben, finden Sie auch in der „Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung“. Diese führt aus: Das Problem ist: Die Regierung hat nämlich keinen Plan für die Energiewende. – Das ist auch ein wenig unsere Sorge, nämlich dass Sie keinen Plan und keine Vision für das Energieland Nordrhein-Westfalen 2030 haben.

(Beifall von der SPD)

Wenn man eine Vision hat und nach vorne blicken will, aber einem nicht ganz so viel einfällt, dann lohnt es sich vielleicht, darauf zurückzuschauen, was in den sieben Jahren Rot-Grün, die hier so gerne kritisiert werden, im Energiebereich gemacht worden ist. Vielleicht kann man darauf aufbauen. Sie sagen immer, Sie wollen das Gute besser machen, nicht aber immer alles anders.

Ich sage Ihnen: Wir haben als erstes Bundesland ein Klimaschutzgesetz verabschiedet und dazu noch einen Klimaschutzplan entwickelt, den wir mit allen Beteiligten dialogisch aufgesetzt haben. Jetzt schauen wir einmal, wie Sie damit umgehen. Sie haben – auch in Ihrem Koalitionsvertrag – angekündigt, das Klimaschutzgesetz anzupacken.

Was die Infrastrukturmaßnahmen anbelangt, haben wir uns sehr intensiv um den Ausbau der Fernwärmeschiene Ruhr zu kümmern. Das wäre ein ganz wichtiger Faktor bei der Energiewende; mal schauen, was Sie daraus machen.

Wir haben den Stadtwerken – das mag der eine oder andere vielleicht negieren –, die für die Umsetzung der Energiewende wesentlich sind, mit der Änderung von § 107 GO deutlich bessere Möglichkeiten gegeben, um am Markt zu agieren.

Wir haben mit der Sicherheitsreserve in der Braunkohle Ökologie und Ökonomie ein Stück weit befriedet. Was man aktuell hört, ist das durchaus die Blaupause für das, was passieren soll.

Wir haben die Bremse bei den Windkraftanlagen gelöst. Gestern wurde gesagt: Die Staus in diesem Land sind rot-grüne Staus. – Ich kann damit leben. Der RRX ist dann auch unser.

Ich sage Ihnen aber auch: Jedes Windrad, das in diesem Land gebaut ist – Sie sagen, die Windenergie trage die Energiewende Nordrhein-Westfalens –, ist unser Windrad und nicht Ihr Windrad, Herr Minister.

(Beifall von der SPD)

Die Frage ist: Wie sind Sie aktuell überregional energiepolitisch sichtbar geworden? Sie haben in der WSB ein bisschen Probleme gehabt. Herr Laschet ist in den Jamaica-Koalitionsgesprächen relativ früh nach vorne gegangen. Ich will deutlich sagen: Ich habe den Eindruck, dass Sie das in der WSB sehr engagiert machen – auch in der Energie. Das ist durchaus so.

Bei der Strukturpolitik – darauf konnte ich eben nicht eingehen – kann man das ein bisschen anders sehen. Da sind die neuen Bundesländer sicherlich deutlich besser aufgestellt.

Zurück zur Windenergie. Wie ist es zu begründen, dass Sie das doch sehr ideologisch angefangen haben? Was steckt dahinter, dass Sie diese 1.500 Meter immer wieder in das Schaufenster stellen?

(Ralf Witzel [FDP]: Anwohnerschutz!)

Ich werfe einen Blick in das Plenarprotokoll vom 14.09.2017 und zitiere eine Aussage von Ihrem damaligen Fraktionsvorsitzenden und heutigem Parteivorsitzenden Christian Lindner. Er hat gesagt:

„Wir wollen erst einmal sehen, wie die Netze den schon geplanten Ausbau bewältigen können. Erst danach kann über Weiteres gesprochen werden.“

Das ist eine eindeutige Aufforderung, ein Moratorium zu erlassen: keine neuen Windkrafträder.

Weil Sie das nicht umsetzen können, versuchen Sie, das mit den 1.500 Metern umzusetzen. Das ist im Prinzip eine ideologische Basis für das, was Sie im Bereich der Windenergie machen.

Sie wissen ganz genau: Wenn Sie diese 1.500 Meter umsetzen, werden kaum noch Windräder in diesem Land gebaut. Dann müssen Sie aber auch sagen, dass Sie das wollen. Das ist ganz wichtig.

Meine Damen und Herren, wir stellen fest: Sie haben keinen Plan dafür, wie das Energieland Nordrhein-Westfalen auch im Jahr 2030 noch das Energieland Nummer eins sein kann und wie es aussehen kann. Das ist schlecht – schlecht für die Wirtschaft in unserem Land, schlecht für die Industrie, schlecht für den Wohlstand und schlecht für die Zukunft von Nordrhein-Westfalen.

Deswegen lehnen wir Ihren Haushaltsentwurf ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sundermann. – Als nächster Redner erhält für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Rehbaum das Wort.

Henning Rehbaum (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Sundermann, Sie wollen immer wieder Planwirtschaft. Wir haben in den letzten Jahrzehnten aber doch wirklich festgestellt, dass das nicht die Lösung ist. Ich werde Ihnen jetzt in meiner Rede erzählen, wie wir uns das mit der Energiewende vorstellen.

(Frank Sundermann [SPD]: An welcher Stelle habe ich von Planwirtschaft gesprochen? Das möchte ich bitte einmal erläutert haben!)

Für die NRW-Koalition ist die Erreichung der Klimaziele von Paris keine Frage des Ob, sondern eine Frage des Wie.

Wenn wir es falsch machen, wandern Industriearbeitsplätze ins Ausland ab. Dann wird dort CO2 ausgestoßen. Dem Klima ist damit nicht geholfen. Die Bürger zahlen dann europaweit die höchsten Strompreise, und wir machen uns von Strom aus Frankreich abhängig.

Wenn wir es richtig machen, gestalten wir die Umstellung der Energieversorgung aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke heraus. Erst wenn wir jederzeit abrufbare erneuerbare Energie bezahlbar zur Verfügung haben und neue Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen des Landes angesiedelt werden, können fossile Kraftwerke nach und nach abgeschaltet werden. Ich bin Ministerpräsident Laschet und Minister Pinkwart außerordentlich dankbar, dass sie sich in der WSB-Kommission dafür engagiert einsetzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Energiewende ist ein Langstreckenlauf. Das wissen auch diejenigen, die in Baumhäusern, auf Demonstrationen oder auch hier im Parlament eine sofortige Abschaltung sämtlicher Kohlekraftwerke fordern.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zur Information: Wollte man die letzten sechs deutschen Atomkraftwerke bis 2022 durch Windkraft kompensieren, wären allein dafür etwa 6.000 neue Windräder nötig – dazu Netze und Speicher, die wir bisher noch nicht haben. Damit wäre aber noch kein Megawatt Kohlestrom ersetzt worden.

Klimaschutz, Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit, Akzeptanz und Unabhängigkeit von ausländischem Atom- und Kohlestrom erreichen wir nur durch einen breiten Energiemix, neue Technologie, Energieeffizienz und intelligente Vernetzung.

Als Industrie- und Energieland Nummer eins in Deutschland hat Nordrhein-Westfalen beste Voraussetzungen, Taktgeber und Technologieführer bei der Energiewende zu werden.

Der Haushalt 2019 geht in genau diese Richtung. Wir machen ernst und erhöhen die Ausgaben für Klimaschutz und Energiewende um 82 Millionen Euro auf 125 Millionen Euro. Das ist ein Anstieg um 188 %. Bei den Energiesystemen der Zukunft, bei Systemtransformation, Innovation, Elektromobilität und Energieeffizienz beträgt die Erhöhung 84 %.

Beim zielorientierten Klimaschutz gibt es eine Erhöhung um 45 %. Bei der Fernwärmeschiene Rhein-Ruhr beträgt die Erhöhung 40 Millionen Euro. Beim Förderprogramm Pumpspeicher beläuft sich die Erhöhung auf 700 %. Bei der Energieforschung gilt: plus 6,9 Millionen Euro auf 6,9 Millionen Euro.

Wir wollen keinen Konkurrenzkampf zwischen erneuerbaren und konventionellen Energien, sondern die effiziente Vernetzung eines zunehmend von erneuerbaren Energien geprägten Gesamtsystems.

Als Fraktionen packen wir noch einen Antrag obendrauf und fördern innovative Fotovoltaik-Konzepte mit 500.000 Euro.

Dieser Tage haben wir von der Landesregierung das Solarkataster vorgestellt bekommen. Dabei haben wir erfahren, dass die Dächer in Nordrhein-Westfalen ein enormes Potenzial für Energieerzeugung – mit hoher Akzeptanz bei den Bürgern – haben. Das müssen wir nutzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nicht haushaltsrelevant, trotzdem aber ein richtiges Signal ist der Einsatz der Landesregierung beim Bund für zusätzliche Ausschreibungsvolumina bei der Windkraft und das Energiesammelgesetz.

SPD und Grüne fixieren sich bei der Energiewende krampfhaft auf die Windenergie. Wir haben es gerade wieder sehr eindrucksvoll erlebt, Herr Sundermann. Außerdem arbeiten Sie sich an Ihren eigenen Beschlüssen zum Braunkohleabbau bis 2045 ab.

(Zuruf von Frank Sundermann [SPD]: Ich?)

Die NRW-Koalition setzt auf die Nutzung und Vernetzung einer Vielzahl von Technologien für bezahlbare, saubere, zuverlässige und akzeptierte Energieversorgung. Dabei geht es um Fotovoltaik, Erdwärme, Abwärme, Fernwärme, Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe, Sektorenkopplung, KWK, Energieeffizienz und Großspeicher sowie Kohle und Gas als unverzichtbare Brückentechnologien für die Versorgungssicherheit.

Wir wollen Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen nicht durch die Vertreibung von energieintensiven Arbeitsplätzen erreichen.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD]: Machen Sie doch!)

Wir wollen ihn nicht durch die Verlagerung von Kraftwerken ins Ausland erreichen. Auch wollen wir uns nicht von Kohlestrom aus Tschechien oder Atomstrom aus Frankreich abhängig machen.

Wir wollen mit einer starken Industrie und pfiffigen Köpfen technologische Lösungen zur nachhaltigen CO2-Vermeidung für die Energieerzeugung, die Industrie, die Mobilität und den Wärmemarkt entwickeln, einsetzen und in die ganze Welt exportieren.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Rehbaum, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Der Abgeordnete Hübner möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie sie zulassen.

Henning Rehbaum (CDU): Bitte.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr, Herr Hübner.

Michael Hübner (SPD): Herr Kollege Rehbaum, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben den Kollegen Sundermann jetzt mehrfach falsch zitiert. Ich möchte mich jetzt aber nur auf den von Ihnen angesprochenen französischen Atomstrom beziehen, den Sie möglicherweise importieren müssten. Können Sie mir vielleicht einmal deutlich machen, über welche Übertragungsnetze Sie denn solchen Strom in größeren Mengen nach Nordrhein-Westfalen transportieren wollen? Denn diese Stromnetze gibt es nicht.

Henning Rehbaum (CDU): Herr Hübner, wenn Sie der Meinung sind, dass wir in Nordrhein-Westfalen ein isoliertes Stromnetz haben, irren Sie sich. Sie können das nachlesen. Es wird schon heute regelmäßig Strom aus Frankreich importiert. Woher kommt er denn?

(Michael Hübner [SPD]: Dann nennen Sie doch einmal die Übertragungsnetze in größerem Maße! Sie wissen gar nicht, wovon Sie reden!)

Wir schaffen sogar zusätzliche Leitungen nach Belgien, damit die dortigen Atomkraftwerke abgestellt werden können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Hübner, das ist doch völlig klar. Wir haben mittlerweile durchlässige Stromnetze ins Ausland. Aber wir wollen uns nicht von Atomstrom aus Frankreich abhängig machen. Ganz einfach!

(Michael Hübner [SPD]: Von welchen Übertragungsnetzen wollen Sie sich denn abhängig machen?)

Wir wollen …

(Michael Hübner [SPD]: Was?)

– Die Frage ist beantwortet. – Wir wollen mit einer starken Industrie und pfiffigen Köpfen technologische Lösungen zur nachhaltigen CO2-Vermeidung für die Energieerzeugung, die Industrie, die Mobilität und den Wärmemarkt entwickeln, einsetzen und in die Welt exportieren.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Hunderttausende Beschäftigte in der Industrie sollen nicht Zuschauer werden, sondern Macher der Energiewende bleiben. Die einen wollen Dekarbonisierung durch Deindustriealisierung. Die NRW-Koalition will einen wirksamen Klimaschutz made in NRW.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Redezeit.

Henning Rehbaum (CDU): Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Rehbaum. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Brems das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Rehbaum, Sie werfen hier anderen Planwirtschaft vor. Ehrlich gesagt, haben Sie selber aber keinen Plan. Vielleicht haben Sie viel Geld, aber keinen Plan und keine Strategie.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie verharren mit Ihrer gesamten Energiepolitik, die Sie hier wieder dargestellt haben, immer weiter in der Vergangenheit. Sie wollen immer weiter an der Kohle festhalten. Diesen Eindruck hat man auch nach allem, was man aus der Kohlekommission mitbekommt.

Wenn Sie hier die Wenn-dann-Klausel, für die Ministerpräsident Laschet und auch Minister Pinkwart plädieren, so sehr loben, muss ich Ihnen ganz klar sagen: Wir haben hier schon viel Quatsch gehört. Aber das ist wirklich extrem großer Quatsch. Da fragt man sich doch, warum man sich überhaupt am Zustandekommen der Kohlekommission beteiligt. Das ist wirklich ein Torpedieren der Arbeit der Kohlekommission.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Der Auftrag der Kohlekommission ist doch klar. Sie hat den Auftrag, ein Ende der Kohleverstromung zu organisieren sowie ein Datum und einen Zeitplan festzulegen. Wenn man dann sagt: „Na ja; wir sehen mal; wenn das alles nicht so wie gewünscht klappt, lassen wir es vielleicht ganz“, ist das ein Freibrief für RWE und Co., so weiterzumachen wie bisher. Das geht einfach nicht. Daran erkennt man, dass Sie keine Strategie und keinen Plan haben und immer nur in der Vergangenheit bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie sagen, wir seien auf die Windenergie fixiert, muss ich sagen: Sie sind gegen die Windenergie fixiert. Sie wollen die Windenergie fesseln. Sie haben an dieser Stelle einen Plan, ja. Sie wollen nämlich die Windenergie nicht weiter unterstützen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Parallel finden in Bad Driburg gerade die Windenergietage NRW statt. Schöne Grüße dorthin! Von dort kommt noch einmal ganz explizit die Information, dass die höheren Abstände, die Sie hier immer fordern und anmahnen, eben nicht zu mehr Akzeptanz führen. Ganz im Gegenteil!

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Das ist wissenschaftlich belegt. Daran sollten Sie sich auch orientieren.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Brems, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Der Abgeordnete Dr. Untrieser würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie sie zulassen.

Wibke Brems (GRÜNE): Ja, natürlich. Bitte schön.

Dr. Christian Untrieser (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau Brems, dass Sie die Frage zulassen. Sie haben uns gerade vorgeworfen, es gebe keine Strategie für die Energieerzeugung in Nordrhein-Westfalen. Ist Ihnen denn bekannt, dass es Ihre Strategie war, Braunkohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen bis 2045 laufen zu lassen?

(Beifall von der CDU – Zurufe von den GRÜNEN – Gegenrufe von der CDU)

Wibke Brems (GRÜNE): Dadurch, dass Sie alte Behauptungen immer wieder hinter dem Ofen hervorholen, werden sie auch nicht wahrer.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben seit 2010 versucht, dieses Land so auf die Schiene zu bringen, dass wir mehr erneuerbare Energien haben.

(Zurufe von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Wir haben das hinbekommen. Als wir hier angefangen haben, hatten wir einen desolaten Zustand bei der Windenergie.

(Lachen von der CDU)

Der Anteil von erneuerbaren Energien lag insgesamt bei 3 %. Wir haben ihn massiv erhöht. Wir haben noch ganz viel vor uns. Dann kann man nicht sagen: Mit der Windenergie machen wir das nicht; das können andere Energieträger schon ausgleichen. – So, wie Sie hier agieren und alles kaputt machen, funktioniert es eben nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie wirklich an Akzeptanz interessiert wären und das nicht immer nur als vorgeschobenes Argument nähmen, würden Sie Anträgen, die wir dazu stellen, auch einmal zustimmen und diese ernst nehmen.

Wir haben beispielsweise einen Antrag zur Unterstützung von Bürgerwindparks gestellt. Dabei geht es darum, dass die durch die aktuelle Lage im Bund Benachteiligten die notwendige Unterstützung bekommen. Das haben Sie einfach abgelehnt, obwohl genug Geld vorhanden ist. Sie wollen nämlich nur Ihren Vergangenheitsplan weiter fortsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zu guter Letzt möchte ich zu einem Punkt kommen, der ebenfalls symptomatisch für Ihre fehlende Strategie ist. Ministerpräsident Laschet tritt immer als rhetorisch großer Atomkraftgegner auf und stellt Forderungen. Wenn es dann aber um etwas geht und er einmal liefern muss, kommt eben nichts – beispielsweise am vergangenen Freitag im Bundesrat. Da agiert der Ministerpräsident gegen die Sache und nur für die eigene Profilierung. Vorher gab es eine breite Mehrheit dafür, dass Tihange und Co. nicht mehr mit Brennelementen beliefert werden.

Mit seinem Verhalten sorgt er dafür, dass die Brennelemente weiter geliefert werden. Er ist da einfach auf einer sturen Linie. So, wie er sich zu Hause und in Aachen gibt, agiert er in Berlin nicht mehr.

Das finden wir nicht in Ordnung. Sie verfolgen eine rückwärtsgewandte Strategie. Das machen wir nicht mit. Deswegen lehnen wir auch diesen Haushalt ab.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Kollege Brockes das Wort. Bitte schön.

Dietmar Brockes (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir durften gerade von den Oppositionsparteien hören, wir hätten keinen Plan, keine Strategie und keine Vision. Liebe Kollegin und lieber Kollege, da haben Sie ganz einfach Ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

(Zuruf von der SPD: Doch!)

Wir haben hier die Haushaltsberatungen. Ein Blick in den Haushalt hätte gereicht. Denn daraus geht sehr gut hervor, was sich die Koalitionsfraktionen in der Energiepolitik vorgenommen haben. Aber gerne helfe ich Ihnen da weiter, Herr Kollege Sundermann.

(Frank Sundermann [SPD]: Ich bin immer dankbar!)

Wir wollen nämlich eine zukunftsfeste Energiepolitik machen. Wir wollen eine rationale Energiepolitik machen – eine Energiepolitik, die auf Innovationen, Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit setzt und auch für den entsprechenden Ausgleich sorgt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Also doch Windkraft!)

Wie gesagt, hätte ein Blick in das vermeintlich trockene Zahlenwerk – das wäre eigentlich Ihre Aufgabe gewesen – einen wohltuenden Unterschied zu den emotional geführten Debatten weit weg von jeglicher Realität gemacht.

Wir sehen, dass in dieser Debatte – wie immer – versucht wird, einen künstlichen Gegensatz aufzubauen: Industrie versus Klimaschutz, Ausbau der erneuerbaren Energien versus Anwohnerschutz, Förderpolitik versus marktwirtschaftliche Lösungen.

Wir zeigen mit unserer Politik, die sich in diesem Haushalt widerspiegelt, dass es nicht um Gegen-sätze geht, sondern um kluge Lösungen. Diese liefern wir.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Norwich Rüße [GRÜNE]: Davon ist nichts zu sehen!)

Das ist natürlich etwas anspruchsvoller, als aus der Opposition heraus einfach nur alles zu kritisieren. Aber das nehmen wir gerne in Kauf.

Allerdings ärgert mich doch wieder ein Punkt, Frau Kollegin Brems. Für Sie sind Klimaschutz und Wind eines – nur Wind, Wind, Wind.

(Zuruf von Wibke Brems [GRÜNE])

Schauen Sie einmal in den Haushalt. Dann sehen Sie, welche Vielfalt an erneuerbaren Energien es gibt. Diese werden wir unterstützen,

(Zuruf von den GRÜNEN: Wie sind die Potenziale?)

und zwar gerade in den Bereichen, die auch die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger haben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Was denn nun?)

– Melden Sie sich doch zu einer Zwischenfrage, statt immer nur herumzuplappern, Herr Kollege. – Frau Präsidentin, es gibt eine Zwischenfrage.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Herr Kollege Mostofizadeh. Sie haben das Wort für eine Zwischenfrage. Ich denke, wir alle konnten das als Zustimmung des Redners deuten.

Dietmar Brockes (FDP): Aber machen Sie dem Kollegen Hübner seine Zwischenfragen nicht streitig.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Jetzt hat der Kollege Mostofizadeh das Wort für seine Zwischenfrage. Bitte sehr.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ich bin schon erstaunt, Frau Präsidentin, dass er mich um eine Zwischenfrage bittet, um mich dann aufzufordern, den Kollegen Hübner zu befragen, der gar nicht am Redepult steht. Aber das ist eine andere Sache.

Herr Kollege, schildern Sie doch einmal die Potenziale der Erneuerbaren und stellen dar, wie Sie sie mengenmäßig und zeitmäßig in Nordrhein-Westfalen gern verwirklicht haben wollen.

Dietmar Brockes (FDP): Das ist hervorragend. Dann kann ich nämlich sofort mit meinem Vortrag fortfahren. Denn Sie, Herr Kollege Mostofizadeh, sollten auch einmal in den Haushalt schauen. Dann können Sie nämlich nachvollziehen, welche zusätzlichen Mittel wir gerade für die Energie- und Klimaschutzpolitik eingestellt haben.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das war nicht die Frage!)

– Na klar.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Nein! Nein!)

– Es tut mir leid. Aber wenn Sie bei der Haushaltsberatung nicht akzeptieren, auf das zu verweisen, was im Haushalt zu unserem Ausbau der Erneuerbaren steht, sind Sie an dieser Stelle falsch.

(Beifall von der FDP)

Denn der einfache Blick in den Haushalt zeigt, wie stark wir die Energie- und Klimaschutzpolitik ausweiten.

(Michael Hübner [SPD]: Es stehen nur Summen darin!)

82 Millionen Euro haben wir für Energie- und Klimaschutzpolitik zusätzlich in den Haushalt gepackt. Das ist fast eine Verdreifachung der vorherigen Summe.

Meine Damen und Herren, ich nenne gern einige Beispiele, die sehr gut verdeutlichen, wo wir unsere Schwerpunkte setzen.

So gibt es die Initiative IN4climate.NRW von Minister Professor Pinkwart. Hier werden Innovationen in Richtung einer treibhausgasneutralen Industriepolitik angestoßen. Das ist genau der Weg, den wir gehen wollen – nicht gegen die Industrie in Nordrhein-Westfalen, nicht gegen Arbeitsplätze und Wertschöpfung, sondern mit der Industrie. Hier haben wir enorme Innovationspotenziale, die wir heben werden.

Ein weiteres Beispiel ist die Energieforschungsoffensive, mit der 7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, um in Sachen Forschung und Innovation bei Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit für die Wirtschaft weiterzukommen. Es ist genau der richtige Ansatz, hier in Technologie zu investieren, die uns beim Klimaschutz voranbringt. Allein die Titelgruppe „Energiesysteme, Elektromobilität, Energieeffizienz“ erhöhen wir um 28 Millionen Euro.

Das sind, wie gesagt, nur einige Beispiele, um zu verdeutlichen, welchen Weg wir gehen. Ich könnte noch weitere aufführen.

(Zuruf von der SPD: Oh nein!)

Sie wurden zum Teil eben schon genannt. Das sind 40 Millionen Euro für die Fernwärmeschiene Rhein-Ruhr, 3,5 Millionen Euro für die Förderung von Pumpspeichern, die Programme im Rahmen von progres.nrw, der Projektaufruf KommunalerKlimaschutz.NRW, der Wettbewerb zur Wasserstoffmobilität und vieles mehr. Die Liste ließe sich weiter fortsetzen.

Hinzu kommen die Bereiche – die aber den Kollegen Mostofizadeh nicht zu interessieren scheinen –, bei denen wir auf Erneuerbare setzen, etwa Geothermie oder Solarenergie. Der Kollege hat gerade auch den neuen Antrag erwähnt, den wir eingebracht haben,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

um im Rahmen eines Pilotprojektes Stromerzeugung und Solarthermie zusammenzubringen.

Wir sorgen dafür, dass Nordrhein-Westfalen in der Energiepolitik weiter führend bleibt.

(Zuruf von der SPD: Dafür sorgt Ihr nicht!)

Wir werden den Weg der Energiewende konsequent so gehen, dass wir unsere Bürgerinnen und Bürger sowie den Industriestandort auf diesem Weg mitnehmen, ohne, wie das in der Vergangenheit unter Ihnen der Fall war, …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Redezeit.

Dietmar Brockes (FDP): … eine Politik gegen unser Land und gegen die Bürger zu machen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brockes. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Loose das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits die DDR hat versucht, ihre Ideologie über die Kräfte des Marktes zu stellen. Sie, Herr Professor Pinkwart, stellen Ihre Ideologie über die Kräfte der Natur, der Physik und des Marktes.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Glauben Sie wirklich, Sie könnten die Natur verändern? Glauben Sie wirklich, Sie könnten die Physik verändern? Glauben Sie wirklich, Sie könnten die marktwirtschaftlichen Prinzipien außer Kraft setzen?

Oder warum werfen Sie Geld für sinnlose Projekte aus dem Fenster? Damit meine ich Projekte wie Pumpspeicherkraftwerke. Sie kämpfen gegen Naturgesetze. Denn es ist klar, dass es in NRW nicht genügend Platz für Pumpspeicherkraftwerke gibt, und es ist klar, dass in NRW die topografischen Verhältnisse keine relevante Anzahl dieser Pumpspeicherkraftwerke zulassen.

Auf eine Berichtsanfrage der AfD mussten Sie zugeben, dass wir in NRW mehr als 1.100 Pumpspeicherkraftwerke bräuchten, um eine Dunkelflaute von einer Woche zu überstehen. Die letzte Dunkelflaute hatten wir übrigens im Januar 2017.

Ihr Ministerium führt weiterhin aus, dass Sie selbst den Bau von höchstens 27 solcher Pumpspeicherkraftwerke für realisierbar halten. 27 Stück sind also theoretisch realisierbar. Gebraucht würden aber mehr als 1.100 Stück. Damit blenden Sie einfachste Naturgesetze aus. Wo es nicht genügend Berge gibt, kann es auch nicht genügend Pumpspeicherkraftwerke geben.

Sie trotzen aber auch der Physik. Statt zu erkennen, dass man bei zufallsabhängiger Stromerzeugung diese Zufälligkeiten in Grenzen halten sollte, werden in NRW weiterhin Windkraftkraftanlagen, Solaranlagen etc. gebaut. Sie verstärken also ein Problem, das Sie mit den Pumpspeicherkraftwerken nicht einmal im Ansatz lösen können.

Aber auch die Kräfte des Marktes ignorieren Sie. Der Planer des Pumpspeicherkraftwerks in Höxter hat aus wirtschaftlichen Gründen das Projekt aufgegeben. Dabei galt es als das Top-Projekt in NRW.

Das Schlimme aber ist, dass Sie nicht nur die Kräfte der Natur, der Physik und des Marktes ignorieren. Nein, Sie pumpen jetzt auch noch mehr Geld ins System. Die Mittel für die Erkundung und Planung dieser Pumpspeicherkraftwerke, für die es gar keinen Platz gibt, werden aufgestockt. Das Einzige, was mit diesen Projekten gepumpt wird, ist das Geld der Steuerzahler.

Ich verrate Ihnen einmal ein Geheimnis: Sie alle sind nicht Gott. Sie alle können die Natur nicht aufhalten. Doch Sie versuchen es immer wieder. Weil Sie bisher nichts erreicht haben, werden auch im Bereich des sogenannten Klimaschutzes noch mal eben 80 Millionen Euro obendrauf gepackt – Geld, welches wieder verpuffen wird.

Weltweit sind aktuell mehr als 1.000 Kohlekraftwerke in Bau oder Planung. Zudem gibt es einen EU-weiten Zertifikatehandel, sodass in Deutschland eingespartes CO2 einfach in Polen zusätzlich in die Luft gepustet werden kann. Damit sind Ihre Maßnahmen nicht nur wirkungslos, sondern eine unvergleichliche Geldverschwendung.

(Beifall von der AfD)

Der Klimawandel ist wie ein großer Felsbrocken, der den Berg herunterrollt. Sie versuchen sich gegen diesen Felsbrocken zu stemmen und wundern sich, dass Sie überrollt werden.

Was würde jedoch Professor Indiana Jones machen? Indiana Jones würde den Brocken heranrollen sehen, sich einfach zur Seite werfen und dem Felsbrocken damit ausweichen.

Wir als AfD gehen den Weg des Indiana Jones. Wir versuchen nicht, wie Sie alle hier, den Felsbrocken, also den Klimawandel, aufzuhalten. Nein, wir als AfD sorgen dafür, dass die Folgen des Klimawandels bekämpft werden.

Deshalb haben wir Ihnen den Vorschlag gemacht, die etwa 130 Millionen Euro in diesem Kapitel einzusparen und stattdessen Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels zu fördern.

Deshalb haben wir zum Beispiel den Antrag gestellt, die Gelder für Hochwasserschutz um 20 Millionen Euro zu erhöhen. Dieser Antrag wurde von Ihnen allen, also auch von den Grünen, abgelehnt.

Aber Ihr Gedanke ist ja auch ein anderer. Sie meinen, Sie müssten den Menschen das mit der Energiewende einfach nur besser erklären. Anscheinend halten Sie die Menschen für zu dumm. So will die Landesregierung niedrigschwellige Informationsveranstaltungen für Einkommensschwache und Arbeitslose anbieten, damit auch diese beim Energiesparen mitmachen können.

Solche Erziehungsprogramme sind an Zynismus und Überheblichkeit nicht mehr zu überbieten. Denn wenn es jemanden gibt, der Ihnen, Herr Professor Pinkwart, sagen kann, wie man mit wenig Energie auskommen kann, dann sind das diejenigen Menschen, die sich den inzwischen völlig überteuerten Strom in Deutschland nicht mehr leisten können.

(Beifall von der AfD)

Deutschlandweit gab es im letzten Jahr 350.000 Stromsperrungen. Das muss uns zu denken geben. Also sorgen Sie lieber dafür, dass der Strom in Deutschland wieder günstiger wird. Dann brauchen wir solche Erziehungskurse auch nicht. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Loose. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Professor Dr. Pinkwart das Wort. Bitte sehr, Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Sundermann, das war ja ein großartiger Einstieg, den Sie hier gemacht haben.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Sie fordern eine Energiestrategie ein, die wir schon in Arbeit haben, wie Sie wissen, weil wir Ihnen das im Ausschuss bereits dargelegt haben, haben aber selbst nie eine formuliert. Stattdessen haben Sie eine Leitentscheidung mit einer Partei getroffen, die nach dem Ausgang dieser Wahl einen Parteitag abgehalten hat, um genau gegen diese Leitentscheidung, die sie vorher getroffen hatte, zu demonstrieren.

So viel zu Ihrer Strategie und der Tragfähigkeit dessen, was Sie an Energiepolitik hier hinterlassen haben! Das muss man einfach einmal sagen. Genau diese Lage finden wir hier vor.

(Beifall von der FDP)

Sie haben sicherlich – das will ich auch nicht kleinreden – bei den erneuerbaren Energien ganz klar auf eine Karte gesetzt, nämlich den Windkraftausbau. Das war es dann aber auch weitgehend. Windkraft über alles! Wenn Sie wollen, dass wir an jedes Windrad ein SPD-Schild kleben, können wir das gerne machen.

So weit würde ich die Debatte aber gar nicht aufladen wollen. Denn wir brauchen die Windenergie. Das haben wir immer deutlich gemacht. Aber wir brauchen sie mit Maß und Mitte. Wir brauchen sie so, dass sie von den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes dauerhaft mitgetragen werden kann. Schließlich müssen wir verhindern, dass gestern gegen Kernenergie, heute gegen Braunkohle und morgen gegen Windenergie demonstriert wird. Sonst können wir Energiepolitik auf Dauer nicht verlässlich organisieren.

(Beifall von der FDP)

Deswegen haben wir gesagt: Wenn wir schneller nicht nur aus der Kernenergie, sondern jetzt auch aus den anderen, konventionellen Energieträgern herauswollen und in Richtung einer nachhaltigen Energieversorgung durch erneuerbare Energien gehen wollen, brauchen wir einen viel breiteren Mix, damit das von den Menschen in diesem Land in der Größenordnung, in der es dann notwendig wird, tatsächlich mitgetragen werden kann und in einer Weise erfolgt, die wirtschaftlich ist, die aber auch nachhaltig ist und das Netz stabil hält. In dieser Hinsicht stehen wir alle vor einer riesigen Aufgabe.

Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, auf der zweiten Sitzung der Energieminister in Deutschland, an der ich teilnehmen konnte, zu sprechen. Dort habe ich aus der WSB-Kommission berichtet und gesagt, vor welcher Aufgabe wir stehen. Dann haben alle 16 Energieministerinnen und Energieminister unterschiedlicher Couleur – die meisten sind, glaube ich, Mitglieder der Grünen – übereinstimmend gesagt, dass wir, wenn es jetzt so kommen sollte, auf jeden Fall eine Revisionsklausel brauchen, damit uns das System nicht auf dem Weg abstürzt.

Wir müssen es so anlegen, dass wir nur in dem Umfang aus der Kohle herausgehen, in dem tatsächlich erneuerbare Energien aufgebaut worden sind, die Netze für den Transport schon entwickelt und gebaut worden sind und wir hinreichend Speicherkapazitäten haben, damit wir die Stabilität des Netzes aufrechterhalten können. Darüber gibt es einen breiten Konsens der Energieminister in Deutschland – unabhängig von dem jeweiligen Parteibuch.

Genau das, lieber Herr Sondermann, waren die Spiegelstriche, die ich hier vorgetragen habe. Ich werde sie immer wieder vortragen. Denn es gibt eine Haltung in Deutschland, die viel zu verkürzt ist, nach dem Motto: Heute ziehen wir den Stecker bei den Atomkraftwerken, morgen ziehen wir den Stecker bei den Kohlekraftwerken, und irgendwie wird das Ganze schon funktionieren.

Nein, so einfach ist die Welt leider nicht. Sie ist viel komplizierter. Deswegen müssen wir darauf aufmerksam machen, dass die verschiedenen Fäden bei der Energiewende endlich zusammengebracht werden müssen. Diejenigen, die gegen Kohle sind, müssen dann bitte auch für Übertragungsnetze demonstrieren. Das wäre angezeigt, damit wir in dieser Gesellschaft einen breiten Konsens für die Energiewende bekommen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ich möchte das gerne noch eine Minute zu Ende führen. Wir haben ohnehin nur fünf Minuten. Danach beantworte ich alle Fragen, die noch gestellt werden.

(Heiterkeit von der CDU)

Ich bin sehr dankbar für die Beiträge der Koalitionsfraktionen, in denen viele Aspekte aufgezählt wurden, an denen wir arbeiten und für die wir deutlich mehr Geld bereitstellen, um Erneuerbare in einem viel breiteren Mix aufzubauen.

Wir haben gerade ein landesweites Solarkataster vorgestellt. Darin heißt es, wir haben ein Potenzial von 68 Terrawattstunden Solarenergie. Wie viel wurde davon bisher genutzte? 3,9 Terrawattstunden. Das sind gerade einmal 5 % des Potenzials. Das liegt auch daran, dass Sie in der Vergangenheit sehr stark auf die Windkraft fixiert waren. Wir öffnen das Feld jetzt und sagen: Wind ja, aber auch die anderen Erneuerbaren: die Tiefengeothermie ebenso wie die Solarenergie und andere Formen, beispielsweise Pumpspeicherwerke, dort, wo sie sich rechnen.

All das wollen wir in den Blick nehmen. Wir wollen die Energieforschung vorantreiben, um durch Innovation neue Potenziale zu schaffen und zu heben. Das alles werden wir in eine Energiestrategie schreiben, an der wir schon arbeiten, mit allen Stakeholdern, auch denen, die für Erneuerbare eintreten. Das Ergebnis werden wir Ihnen im Frühjahr vorstellen, in Kenntnis dessen, was die Kommission „Wachstum, Struktur und Beschäftigung“ beschließt. Wir können es nur in diesem Kontext für Nordrhein-Westfalen ausrollen.

Auf dieser Grundlage werden wir in den nächsten Jahren hart daran arbeiten, Klimaschutz, Energieversorgungssicherheit und Bezahlbarkeit zusammenzuhalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt zwei Zwischenfragen, die Sie am Ende Ihrer Rede, wie angekündigt, beantworten wollten. Der erste Fragesteller ist der Abgeordnete Mostofizadeh, der zweite Fragesteller ist Herr Kollege Schultheis von der Fraktion der SPD. – Bitte schön, Herr Abgeordneter Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Minister, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. Meine Frage ist relativ einfach. Sie haben eben gesagt, dass die Energiepolitik eine sehr komplexe Angelegenheit sei, deren Enden wir zusammenführen müssten. Das größte Energieversorgungsunternehmen innogy ist sicherlich nicht nur das stärkste, sondern auch das am längsten am Markt befindliche.

Ist Ihnen bekannt, dass innogy nicht in der Lage ist, die Förderbedingungen für jemanden zu erfüllen, der einen Antrag auf E-Mobilität-Förderung nach Ihrem Programm progres.nrw gestellt hat, um förderfähig zu sein?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter, ich höre das jetzt zum ersten Mal. Wenn Sie mir diesen Vorgang schicken, werden wir das gerne bearbeiten. Ich habe bisher viel Positives zu unserem Programm gehört. Wir konnten sehr viele zusätzliche Ladestationen ins Land tragen. Wenn es ein Problem gibt, schicken Sie mir doch einfach den Vorgang zu, und dann werden wir dem sehr gerne nachgehen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister.

(Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart schaut sich erstaunt um.)

– Ja, hinter Ihrem Rücken spielt sich richtig was ab. Das ist fein hier im Hohen Haus, dass wir uns immer mal abwechseln.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Da muss man aufpassen. Fast hätte ich Sie mit „Frau Präsidentin“ angesprochen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Sie können mich auch mit „Frau Präsidentin“ ansprechen. Wir gendern hier alles durch.

(Heiterkeit)

Es gibt noch eine Frage von Herrn Kollegen Schultheis an Sie, Herr Minister. Darf ich sie freigeben? Sie hatten das zumindest so angekündigt.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Sehr gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön.

Karl Schultheis (SPD): Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Frage zulassen. Ich habe eine Frage zum Thema „Emissionshandel“. Beim Kohleausstieg Nordrhein-Westfalens werden reichlich Zertifikate frei. Was unternehmen Sie, damit diese Zertifikate nicht an anderer Stelle wieder wirksam eingesetzt werden können?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, erst einmal muss uns ein Ergebnis vorliegen. Ich hoffe, das wird bis Ende Januar der Fall sein. Dann wird man sehen, wie der Fahrplan aussieht. Nach 2021 wird es leichter, Zertifikate aus dem System zu nehmen. Bis 2021 ist es zunächst einmal schwieriger.

Wenn wir zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um bis 2021 Kraftwerkskapazität vom Netz zu nehmen, müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um diese Zertifikate aus dem Markt herausnehmen zu können, sonst macht es meiner Meinung nach wenig Sinn. Nach 2021 ist es leichter, aber auch dann kommen wir nur auf Durchschnittswerte, die über einen Zeitraum von fünf Jahren errechnet werden. Das ist auch noch nicht optimal. Auch darüber wird man verhandeln müssen, und auch dazu wird man Lösungen finden müssen.

Unser Ziel jedenfalls ist es, sie, soweit es geht, aus dem Markt herauszubekommen, aufgrund der Regelungen, die bestehen, damit wir tatsächlich einen Beitrag zum Klimawandel leisten können, sonst würde sich die Anstrengung schlicht und ergreifend nicht lohnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen haben wir zu Einzelplan 14, b) Energie, Landesplanung, nicht.

Ich rufe auf:

 

c) Innovation und Digitalisierung

Frau Kollegin Kampmann hat für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Christina Kampmann (SPD): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit etwa anderthalb Jahren ist die schwarz-gelbe Landesregierung jetzt im Amt, hat viel versprochen und viel angekündigt, aber nur wenig gehalten. Da schaut man doch mit umso mehr Spannung auf den Haushalt 2019 und erwartet, dass von diesem ein großer Aufbruch in Sachen Digitalisierung und Innovation, also zu ganz entscheidenden Zukunftsthemen für unser Land, ausgeht, und man wird enttäuscht.

Zugegebenermaßen beinhaltet dieser Haushalt keine besonders negativen Überraschungen. Er ist okay für eine Landesregierung, die selbst keinerlei große Ansprüche mehr an ihre Politik hat und lieber auf die Versäumnisse der Vorgängerregierung verweist

(Lachen von der CDU)

– warum lachen Sie, Herr Schick? –,

(Thorsten Schick [CDU]: Dazu haben Sie beigetragen!)

anstatt selbst eine klare politische Vision von einer digitalen Gesellschaft für Nordrhein-Westfalen zu haben.

Schauen wir uns die Herausforderungen im Bereich Digitalisierung und Innovation einmal an. Vielleicht ist „okay“ ja vollkommen in Ordnung.

Erstens: die digitale Infrastruktur. Herr Pinkwart hat den flächendeckenden Ausbau von Glasfaser versprochen. Die letzte Zahl, die ich dazu im Kopf habe, ist, dass die Abdeckung in Nordrhein-Westfalen 6,9 % beträgt. Damit liegen wir sogar noch hinter dem Bund.

Zugegebenermaßen haben Sie im vergangenen Ausschuss versprochen, Anfang des Jahres neue Zahlen vorzulegen. Bis dahin müssen wir uns aber auf Erfahrungswerte verlassen. Mein Erfahrungswert ist beim wichtigen Thema der Schulen, das Sie beim Glasfaserausbau zu Recht priorisieren wollen, dass die massenhafte Ausstattung von Schulen und die Anbindung an schnelles Internet, aber auch eine starke und moderne digitale Ausstattung von Schulen bisher nicht stattgefunden haben.

Das ist unglaublich ärgerlich – insbesondere, weil Sie sich gerade dafür feiern, dass Sie das Schulfach Wirtschaft eingeführt haben; darüber kann man sicherlich noch einmal gesondert streiten. Sie hatten doch einmal die Priorität, Schulen mit digitalen Medien auszustatten und so Kinder und Jugendliche in diesem Land für eine digitale Zukunft fit zu machen.

Heute aber müssen wir in der Zeitung lesen, dass Sie immer noch unentschlossen sind – das betrifft nicht Sie unmittelbar, Herr Pinkwart, aber Ihre Regierung insgesamt –, ob Sie dem Digitalpakt und der Aufhebung des Kooperationsverbotes im Bundesrat zustimmen oder nicht. Dabei ist das so wichtig.

Wenn Sie bei dieser Frage unentschieden sind und keine klare Richtung vorgeben, dann müssten Sie die kompletten Mittel für die Ausstattung von Schulen selbst in die Hand nehmen und im Haushalt 2019 abbilden. Das ist aber nicht der Fall. Deswegen stellen wir an dieser Stelle ganz klar fest: „Okay“ reicht nicht, wenn es um die digitale Infrastruktur in diesem Land geht. Da bildet Ihr Haushalt nicht das ab, was Schulen und Gewerbegebiete fordern – insbesondere hinsichtlich des Themas „Glasfaser“ insgesamt. Da müssen Sie auf jeden Fall noch einen Zahn zulegen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Aber die digitale Infrastruktur beinhaltet noch ein weiteres Thema, nämlich 5G. Da finde ich es schon erstaunlich – ich bin gespannt, was der Kollege von der CDU dazu ausführen wird –, dass Sie sagen: Wir überlassen den ländlichen Raum bei 5G komplett sich selbst. Was interessiert uns die Modernisierung der Landwirtschaft? Was interessieren uns die Bereiche autonomes Fahren und künstliche Intelligenz? Wir brauchen nicht an jeder Milchkanne 5G, auch nicht in diesem Land.

Das ist eine vollkommene Fehleinschätzung. Ich bin sehr gespannt, wie Sie als FDP mit dieser Partei und mit dieser Fraktion das Thema „5G“ in die Fläche tragen. Ich hoffe, Sie werden dazu gleich noch einiges sagen. Denn meiner Vorstellungskraft entspringt das an dieser Stelle leider nicht mehr.

Wir sehen – und könnten wahrscheinlich noch ewig darüber weitersprechen –, dass dieser Haushalt hinsichtlich Digitalisierung und Innovation den großen gesellschaftlichen Umwälzungen, die sich im nächsten Jahr und in den Folgejahren abspielen werden, an keiner Stelle gerecht wird.

Deshalb ist für uns als SPD-Fraktion klar: Wir können diesem Haushalt nicht zustimmen und erwarten für das Jahr 2020 – das können wir jetzt schon einmal hier platzieren – einen wichtigen digitalen Aufbruch, der sich dann auch im Haushalt widerspiegeln wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kampmann. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Dr. Untrieser.

Dr. Christian Untrieser (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in den Haushaltsberatungen immer ein beliebtes Muster: Die Opposition sagt, dass alles schlecht ist; während die Regierungsfraktionen sagen, dass eigentlich alles gut ist. Das zieht sich so durch. Das haben wir gestern und auch heute schon den ganzen Tag gehört. Ich vermute, dass das in jedem Parlament gleich sein wird und auch schon immer so war.

Vor dem Hintergrund ist es ganz interessant, dass es bei diesem Punkt doch ein wenig anders ist. Denn, Frau Kampmann, Ihnen fallen gar nicht so viele Kritikpunkte ein. Eigentlich sagen Sie, es ist alles in Ordnung und okay. Das ist schon einmal nicht schlecht.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Meine Nachbarn sagen etwas ganz anderes!)

Natürlich müssen Sie als Opposition auch etwas suchen, das nicht so gut ist. So richtig gelingt Ihnen das aber nicht.

Verglichen mit anderen Ausschüssen muss man feststellen: Der Digitalisierungsausschuss ist etwas Besonderes – nicht, weil wir uns menschlich alle gut verstehen oder der Vorsitzende eine sehr launige Ausschussführung hat, sondern weil wir uns inhaltlich alle sehr einig sind.

Die Digitalisierung ist ein unglaublich wichtiges Thema. Wir müssen bei der Digitalisierung etwas machen. Als Digitalisierungspolitiker würde uns immer noch ein bisschen mehr einfallen. Wenn wir noch 10 Milliarden Euro Steuereinnahmen mehr hätten, dann könnte ich mir diese gerne auch noch bei der Digitalisierung vorstellen. Aber insgesamt ist das, was wir in diesem Haushalt abbilden, sehr ordentlich und sehr gut. Denn der Haushalt weist einen ordentlichen Anstieg von 18 % in den finanziellen Mitteln aus.

Wenn Sie jetzt behaupten, dass beim Glasfaserausbau noch nicht alles gut ist, dann muss man zugeben, dass es in Nordrhein-Westfalen noch viele Flächen gibt, die nicht ausreichend versorgt sind. Dazu werden wir uns unsere Pläne für die Zukunft anschauen.

Es geschieht aber relativ viel. Herr Kollege Sundermann hat vorhin auf die kurzfristige Meldung von Bayer hingewiesen. Ich habe vorhin eine kurzfristige Meldung erhalten, dass ein Gewerbegebiet im Kreis Kleve an das Glasfasernetz angeschlossen wird. Es kommen also immer wieder viele kleine Meldungen herein, sodass wir merken: Beim Thema „Glasfaser“ passiert etwas.

Wenn Sie hier Kritik üben, dann fällt das natürlich auch auf Sie zurück. Denn wenn Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen nicht ausreichend oder schlecht ist, dann ist das auch Schuld der Vorgängerregierung, die sieben Jahre lang nicht genug in diesen Ausbau investiert hat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir legen in diesem Haushalt auch die Grundlagen für sehr viele wichtige Themen. Hier nenne ich einmal die digitale Verwaltung. Vor ein paar Tagen habe ich von einem Bürger eine E-Mail erhalten, der mir erzählte, dass er Vater geworden sei.

(Michael Hübner [SPD]: Haben Sie ihm das nicht geglaubt? Er erzählte!)

Es hat drei Wochen gedauert, bis er die Geburtsurkunde bekommen hat. Dann hat er Elterngeld beantragt, und die Bearbeitungszeit für das Elterngeld betrug noch einmal zehn Wochen. Insgesamt dauert es also – da war er ein bisschen sauer – drei Monate, bis er Elterngeld bekam.

Jetzt sagt er zu Recht: Das Elterngeld ist eigentlich ein Ersatz für das dann entfallende Gehalt. – Da muss unsere Verwaltung besser werden; mit digitalen Mitteln kann man so etwas vielleicht viel schneller hinbekommen. Wenn ein Kind geboren wird, dann wird diese Information direkt digital herübergeschickt, und dann ist das Elterngeld vielleicht nach einer Woche und nicht nach drei Monaten da. Daran müssen wir noch arbeiten; da sind wir auch selbstkritisch.

Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir in Modellregionen und Städten versuchen, innovative Projekte des E-Governments voranzutreiben, damit wir das in mehreren Jahren unseren Bürgern auch zugutekommen lassen können.

(Zuruf von den GRÜNEN: Mit der Milchkanne!)

– Ja, die Milchkanne haben Sie auch noch einmal erwähnt. Das ist ein wunderbares Thema. Denn auch beim 5G-Ausbau müssen wir natürlich weiter vorankommen. Aber auch da ist Landesregierung eigentlich schon ganz gut unterwegs.

Denn es gibt – das habe ich gerade noch einmal googlen müssen, da ich es nicht aufgeschrieben hatte – den Pakt mit den Mobilfunkbetreibern. Herr Pinkwart hätte es sonst wahrscheinlich selbst gesagt. Mit diesem Pakt ist es gelungen, die Mobilfunkbetreiber zu verpflichten bzw. anzureizen, 1.350 neue Masten aufzustellen und noch einmal 5.500 alte Masten besser auszurüsten, damit wir auch im Bereich des Mobilfunks weiterkommen.

Wir haben insgesamt in den nächsten Jahren noch einiges zu tun. Wir müssen natürlich das Land entwickeln, besser werden im Bereich Digitalisierung. Wir sind da aber auf einem recht guten Weg. Ein bisschen mehr geht immer. Das muss man als Digitalpolitiker sagen. Aber andere Herrschaften in diesem Haus haben natürlich auch Interessen.

Einen letzten Punkt, der mir ein bisschen am Herzen liegt, möchte ich noch ansprechen, vor allem in Richtung der Kollegen der SPD. Digitalisierung ist eine Herausforderung. Die wird uns in diesem Land sehr fordern, wird viele Veränderungen bringen und auch zu Veränderungen in der Arbeitswelt führen. Ich finde es nicht gut, wenn man jede Woche in jeder Talkshow einen SPD-Politiker hört, der sagt: Es fallen so und so viele Arbeitsplätze weg. Bei diesem Job muss man sich Gedanken machen; dieser Arbeitnehmer muss sich Sorgen machen.

Damit machen wir den Menschen Angst. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen so gut ausgebildet und ausgestattet sind, dass wir alle Profiteure der Digitalisierung sind. Da immer nur die Angstkarte zu spielen, ist keine vernünftige Politik für dieses Land Nordrhein-Westfalen und für Deutschland. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Untrieser. – Jetzt spricht für die grüne Fraktion Herr Kollege Bolte-Richter.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Untrieser, ich möchte gerne einen Punkt, der bei Ihrer Rede vorkam, direkt aufgreifen. Bezüglich des Themas „digitale Verwaltung“ haben Sie das Beispiel mit dem Elterngeldantrag gebracht. Da muss man sich einmal anschauen, auf welcher Ebene man da etwas tun müsste und ob Sie da etwas machen.

Natürlich müsste man die digitale Verwaltung auf der kommunalen Ebene stärken. Was machen Sie, was fällt Ihnen ein? – Ihnen fällt nicht das ein, was wir immer sagen, flächendeckend in den Ausbau der digitalen Verwaltung auf der kommunalen Ebene zu gehen, sondern Ihnen fällt ein, mal wieder ein paar Modellprojekte zu machen. Das ist nicht der Weg, das ist nicht die Strategie, das ist nicht der große Wurf, den wir von Ihnen erwarten, nachdem Sie hier immer Wolkenkuckucksheime und riesengroße Programme angekündigt haben. Das ist der zentrale Vorwurf.

(Beifall von den GRÜNEN)

Man kann natürlich fragen, was nach eineinhalb Jahren, seitdem Digitalisierung bei Herrn Pinkwart auf dem Türschild steht, los ist, was da eigentlich Stand der Dinge ist, wie viel Sie in dieser Zeit geschafft haben. Es ist nicht so richtig viel. Es ist an ein paar Stellen in Ordnung. Aber es ist eben nicht die Strategie, es ist nicht der große Schritt nach vorne, den Sie uns da immer versprochen haben, als Sie noch in der Opposition waren.

Sie haben keine Strategie, Sie haben keinen Plan, Sie haben einfach nur mehr Geld, das Sie jetzt ausgeben. Ihre Regierung hat insgesamt 6,4 Milliarden Euro mehr zu verteilen, und Sie setzen ganz eindeutig keinen Schwerpunkt auf die Digitalisierung. Wenn jeder für irgendwas Geld bekommt, dann ist es natürlich so, dass sich erst einmal keiner laut beschwert, aber es ist eben auch kein mutiger Schritt, es ist keine mutige Entscheidung, wenn Sie nicht sagen, wo es hingehen soll und welche Vision von einem digitalen Nordrhein-Westfalen Sie haben. Die haben Sie nämlich nicht. Sie haben keinen Plan.

Sie wissen nicht, wie Sie das umsetzen wollen. Stattdessen kommt immer ein buntes Potpourri, wo am Ende aber niemand so richtig weiß, wo es eigentlich hingehen soll.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Interessante ist, dass Sie das nicht einmal bemerken. In den Ausschussdebatten sagen Sie immer – Herr Kollege Matheisen wird es bestimmt gleich genauso sagen –: Das ist alles großartig, hervorragend, bundesweit vorbildlich, giga statt mega.

(Beifall von Henning Höne [FDP])

Es ist wirklich hochinteressant, wie Sie sich da selber loben. Das hat auch einen Grund: Man lobt sich nämlich am meisten selber, wenn es sonst keiner tut.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schauen wir uns die einzelnen Punkte an. Digitale Modellregion – ich habe es eben schon gesagt –: Sie haben Monate gebraucht, im Übrigen deutlich länger, als es angekündigt war, um die Förderrichtlinien an den Start zu bringen. Kein vernünftiger Mensch könnte etwas dagegen haben, Geld nach Ostwestfalen-Lippe zu geben. Aber es muss dann am Ende auch mal ankommen. Wenn Sie nicht die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass es ankommt, dann kommt die digitale Verwaltung nicht einmal in Ostwestfalen voran, und dann gibt es keine wirklichen Fortschritte.

Das Stichwort 5G ist gefallen. Ich sage einmal, was der Parteivorsitzende des Wirtschaftsministers, Herr Lindner, zu 5G gesagt hat. Ich zitiere seinen Tweet vom 26.11.:

„Fehlentscheidung: keine Flächendeckung bei #5G, die uralte Orientierung an der Zahl der Haushalte bleibt. Eine verlorene Chance ... CL“

„CL“ steht übrigens für Christian Lindner. – Und was sagt Professor Andreas Pinkwart? Er sagt:

„Die heutige Entscheidung der Netzagentur zur Vergabe der Frequenzen ist eine gute Grundlage, damit die nächste Mobilfunkgeneration schnell starten kann.“

Ich war selten so sehr bei Christian Lindner und so wenig bei Andreas Pinkwart wie in dieser Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD])

Sie haben das vergeigt. Das hat Ihnen Ihr Parteivorsitzender mit Brief und Siegel gegeben. Sie haben es vergeigt sowohl bei der Frequenzauktion als auch, was den sagenumwobenen Mobilfunkpakt angeht. Es hilft nichts, wenn Sie dann versuchen, an anderer Stelle mit ein bisschen Geld den großen Fehler in der großen Struktur, den Sie gemacht haben, irgendwie ein wenig zu heilen.

Das geht dann genauso weiter bei der Gründungsförderung, bei der Innovationsförderung. Da steht dann Schönes drauf. Da ist außen immer die tolle Start-up-Fassade. Aber bei Ihrer Digitalpolitik, bei Ihrer Wirtschaftspolitik ist es immer RWE, sind es immer die überkommenen Großstrukturen, die da drinstecken.

Wenn man genauer hinschaut, stellt man fest: Auch da kein Plan, keine Idee, wie es wirklich nach vorne geht. Im Gegenteil! Wir haben bisher gesehen, Sie wollen an die Strukturen zur Förderung der digitalen Wirtschaft heran, Sie wollen an die Hubs dran, und Sie wollen das irgendwie verändern. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass es besser wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Letzter Punkt: Ihre Digitalstrategie – viel nichts auf 68 Seiten. Das ist keine Strategie, sondern das ist genau das, was Ihre Referate in den verschiedenen Häusern irgendwann mal auf der Hühnerleiter nach oben gegeben haben. Das ist einfach nur das, was einem so einfällt, wenn man in so einem Ministerium sitzt und an Digitalisierung denkt. Das ist kein Plan nach vorne. Die Digitalisierung wird mit dieser Landesregierung in Nordrhein-Westfalen nicht vorankommen. Das ist ein Verlust und traurig für unser Land.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Bolte-Richter. – Nun steht für die FDP-Fraktion Herr Matheisen bereit. Bitte schön.

Rainer Matheisen (FDP): Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt eine ganze Latte an Dingen gehört. Wir haben aber keine konstruktiven Vorschläge gehört. Wir haben nicht gehört, welche Strategie die Opposition hat. Das habe ich zumindest an keiner Stelle bei Herrn Bolte-Richter herausgehört.

Aber das ist auch nicht notwendig; denn wir als Regierung sind in dieser Sache klar aufgestellt.

(Michael Hübner [SPD]: Sie sind doch nicht in der Regierung!)

Wir machen Politik aus Leidenschaft, weil wir NRW an die Spitze bringen wollen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das machen wir mit drei Punkten. Wenn Sie mir und nicht Herrn Becker zuhören würden, könnte ich Ihnen das sagen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wir setzen zum Ersten auf eine starke digitale Infrastruktur, zum Zweiten auf Innovation – wir wollen NRW als Innovationsland an die Spitze bringen – und zum Dritten auf eine bürgerfreundliche digitale Verwaltung.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Vielleicht kommt dabei auch noch mal eine Strategie raus!)

Schauen wir uns diese drei Punkte mal an.

Erstens: die Digitalisierungsinfrastruktur. 5G wurde bereits mehrfach angesprochen. Wir reden heute aber nicht allgemein über 5G. Das haben wir zu Ihrem Antrag gemacht, in dem Sie von den Grünen gefordert haben, die 5G-Ausschreibung komplett anzuhalten, sodass überhaupt nichts mehr weitergeht. Das ist der falsche Weg.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Es richtig zu machen, wäre ja auch mal schön!)

Wir reden heute vielmehr über den Haushalt. Im Haushalt haben wir beispielsweise 33 Millionen Euro zusätzlich für 5G-Testfelder, die hier in Nordrhein-Westfalen entstehen, veranschlagt. Wir wollen nicht nur, dass in Nordrhein-Westfalen am Ende die beste digitale Infrastruktur verfügbar ist, sondern wir wollen sie auch hier entwickeln. Das ist unser Maßstab. Wir haben in dieser Hinsicht Ambitionen, wo Sie einfach nur Worthülsen haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn wir über digitale Infrastruktur sprechen, reden wir auch über Breitbandanschlüsse für kommunale WLAN-Hotspots und insbesondere auch für die Schulen: 46,5 Millionen Euro zusätzlich – ein dicker Batzen noch mal obendrauf. Wir sagen ganz klar, dass wir die Schulen und die Gewerbegebiete als Erstes ans Netz bringen wollen, und das schlägt sich als ganz klarer Schwerpunkt in diesem Haushalt nieder.

Zweitens: Innovation. Für uns ist wichtig, dass wir den Mittelstand, die kleinen Unternehmen beim Thema „Innovation“ im Blick haben. Herr Becker – der dort drüben immer noch Gespräche geführt – hat eben den seltsamen Satz gesagt, wir seien ideologische Triebtäter.

(Michael Hübner [SPD]: Nein, wir wundern uns nur, dass hier kein Minister anwesend ist! Da ist kein Regierungsmitglied! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wie viele Minister sind denn gerade da?)

– Ich hoffe, dass Sie sich jetzt genug aufgeregt haben.

(Michael Hübner [SPD]: Nein, das geht nicht! – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Es ist kein Minister mehr da!)

Wir seien ideologische Triebtäter – das kann man als Unverschämtheit aufgreifen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Man soll sich ja – auch hier im Rheinland – nicht zu viel aufregen.

(Matthi Bolte-Richter [GRÜNE]: Was hat denn Herr Kaiser zur Digitalisierung zu sagen?)

Ich greife das nicht nur als Unverschämtheit auf, sondern ein Stück weit auch als ein Lob; denn wir haben wenigstens noch einen Antrieb. Wir gehen wenigstens noch nach vorne und haben Ideen und Vorstellungen. Sie hingegen haben sieben Jahre lang gar nichts gemacht, während wir jetzt das Land in dieser Hinsicht nach vorne bringen. Insofern habe ich da ein gutes Gefühl. Wenn Sie so etwas sagen, dann muss das nicht unbedingt negativ sein, sondern dann kann man das durchaus auch mal positiv auffassen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Drittens: eine bürgerfreundliche Verwaltung. Es wurde eben gesagt, es würde in den Kommunen nichts passieren. Natürlich passiert da was: 14 Millionen Euro mehr für digitale Modellkommunen. Das sind 14 Millionen Euro mehr für die besten Modellprojekte, mit denen wir hinterher in den Kommunen die Verwaltung digitalisieren und nach vorne bringen, damit das, was soeben der Kollege Untrieser gesagt hat, nicht mehr passiert.

Wir wollen nicht, dass die Menschen oder die Unternehmen warten müssen. Deshalb haben wir als erstes Bundesland die digitale Gewerbeanmeldung eingeführt. Wir wollen, dass den Menschen schnell geholfen und hier Service geboten wird.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das hat doch die FDP blockiert! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Was?)

Deswegen haben wir noch einmal 61,7 Millionen Euro – ich weiß, dass das viele Zahlen sind, aber wir befinden uns in einer Haushaltsdebatte, und da müssen auch mal Zahlen genannt werden, während meine Vorredner nur einen allgemeinen Abriss zu bieten hatten – zusätzlich für die schnellere Umsetzung der digitalen Verwaltung und des E-Government-Gesetzes eingestellt.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Es wäre schön, wenn der zuständige Minister auch da wäre!)

Die Opposition kann einem solch dicken Paket nichts dagegensetzen. Genau deswegen haben Sie keine Zahlen genannt, genau deswegen haben Sie eben nur allgemein gesprochen.

(Matthi Bolte-Richter [GRÜNE]: Wir haben 20 Änderungsanträge im Ausschuss gestellt!)

Meine Redezeit ist zu Ende. Ich kann Sie nur auffordern: Beteiligen Sie sich konstruktiv an der Diskussion, nicht mit Beleidigungen und nicht mit sonstigen Dingen.

(Matthi Bolte-Richter [GRÜNE]: Aber Sie waren wohl nicht konstruktiv! – Michael Hübner [SPD]: Wir verteilen doch keine Haltungsnoten!)

Unterstützen Sie uns auf dem Weg hin zu einem digitalen, innovativen und bürgerfreundlichen NRW. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Matheisen. – Es liegt ein Antrag zur Geschäftsordnung von Herrn Hübner vor. Bitte schön, Herr Hübner.

Michael Hübner (SPD)Herr Präsident, vielen Dank, dass Sie mir das Wort erteilen. – Wir haben gerade mehrere Minuten ohne einen Minister getagt. Das ist völlig unparlamentarisch. Niemand war auf den Regierungsbänken zugegen. Das ist nicht in Ordnung.

(Widerspruch von der CDU)

Ich will das ausdrücklich kritisieren. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass jetzt eine nicht zuständige Ministerin dabei ist. Wir erwarten aber, dass der zuständige Minister bei dem entscheidenden Antrag auch zugegen ist. Wir erwarten, dass er hereinkommt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Matthi Bolte-Richter [GRÜNE]: Und der Parlamentarische Staatssekretär für Weiterbildung ist auch da!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Nach § 65 unserer Geschäftsordnung könnten Sie einen Antrag stellen, dass darüber abgestimmt wird. Wollen Sie das tun?

Michael Hübner (SPD) Den Antrag möchte ich gerne stellen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Dann ist der Antrag hiermit gestellt.

Ich lasse darüber abstimmen, ob dem Antrag in der Mehrheit des Hauses gefolgt wird oder nicht. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Nach der Einschätzung von hier oben ist die Mehrheit gegen diesen Antrag gewesen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Schön, dass der Minister wieder hereinkommt!)

Der Minister ist aber inzwischen anwesend. Insofern ist ein Teil dessen, was mit diesem Geschäftsordnungsantrag beabsichtigt war, erfüllt. Das ist auch gut so. Es ist guter Brauch – da kommt auch Herr Laumann; prima –, dass die Regierung der Debatte folgt.

Damit haben wir diesen Punkt abgearbeitet und können mit der Debatte fortfahren. Als nächster Redner ist für die AfD-Fraktion Herr Tritschler angekündigt. Sie haben das Wort.

(Zurufe und Gegenrufe von der CDU und den GRÜNEN)

– Liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich um Ruhe bitten! Die Sache ist jetzt wieder im Fluss.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, vielen Dank dafür, dass auch Sie uns bei der Debatte beehren. Ich nehme an, Sie waren draußen, weil – ich weiß es selbst – das Internet dort besser ist.

Digitalisierung betrifft alles – nicht nur gefühlt jeden zweiten Antrag der laufenden Legislaturperiode. Auch gestern durfte in den Haushaltsreden dieses Thema nicht fehlen: digitale Gerichtsakten, digitaler Straßenverkehr, digitale Polizei usw. Circa 30 Jahre nach dem ersten Internetanschluss und circa 20 Jahre nach der ersten Flatrate möchte niemand hier im Haus – egal welches Ressort – bei diesem Thema zurückstehen.

Das treibt in der Politik bisweilen seltsame Blüten. Neulich meinte eine Bundesvorsitzende der Grünen, dass sie ihren Strom einfach in einer Cloud speichern könnte. So wichtig die Beschäftigung mit der digitalen Revolution ist, so untauglich sind die Mittel, mit denen hier versucht wird, ihr zu begegnen.

Es ist doch offensichtlich, dass wir den Trends meistens hinterherlaufen; so hat es die Politik bei technischen Innovationen immer getan. Ein schönes Beispiel dafür ist der sogenannte Red Flag Act, der im Vereinigten Königreich von 1865 bis 1896 vorschrieb, dass jedem Automobil ein Fußgänger mit einer roten Fahne vorauszugehen habe.

Die Älteren hier im Saal werden sich vielleicht auch noch an die hysterischen gesetzgeberischen Reaktionen auf die ersten Mobiltelefone erinnern. Damals drohten gar Gefängnisstrafen für böswillige Handynutzer, die in Flugzeugen und Bussen zum Mobiltelefon griffen.

Die Liste solcher Gesetze und Diskussionen ist so lang wie die Liste menschlicher Innovationen. Wenn wir in 20 Jahren die alten Protokolle noch mal lesen und die Digitalisierungsdebatten anhören, dann werden wir darüber nicht weniger schmunzeln als über rote Fahnen und Autos.

Im Bereich der Förderung ist die Liste staatlicher Fehlgriffe genauso lang. Wie viele Milliarden wurden für Cargolifter, Transrapid und andere Technikruinen verbrannt, weil man in der Politik glaubte, die Zukunft besser zu kennen als der Markt?

Die Geschichte zeigt also eines ganz deutlich: Wirkliche Innovation kommt nicht aus der Politik und auch nicht aus der Verwaltung. Gute Politik steht in der Regel nicht im Weg, sondern schafft geeignete Rahmenbedingungen. Wer dagegen glaubt, Förderbürokratien und -programme würden den digitalen Wandel erfolgreich gestalten, der hat offenbar ein Problem mit der Marktwirtschaft.

Bei den anderen Fraktionen in der Opposition bin ich darüber weniger überrascht, aber offensichtlich erliegt auch Schwarz-Gelb denselben Irrtümern. Herr Minister, da hätte ich Ihnen tatsächlich mehr zugetraut. Ich hätte Ihnen zugetraut, dass Sie staatlicherseits auf die drei wichtigsten Dinge setzen: auf Infrastruktur, auf Bildung und auf maßvolle Regulierung – und eben nicht auf Dirigismus.

Anzuerkennen ist, dass es ein paar Fortschritte gibt. Schon im letzten Jahr wurde mehr in den Ausbau digitaler Infrastruktur investiert. Das wird aber alles nicht reichen, wenn wir international oder auch nur national vorne mitspielen wollen. Derzeit sind nur 7 % der Haushalte und nur 8 % der Gewerbegebiete an das Glasfasernetz angeschlossen. Das ist ein beschämender Wert im internationalen Vergleich. Ganze Landstriche bilden nach wie vor eine digitale Diaspora.

Man darf sich auch nicht dem Irrglauben hingeben, dass wir den riesigen Rückstand eines Tages einholen könnten; alle hätten Glasfaser und dann wäre alles gut. Experten sprechen schon heute von den nächsten Netzgenerationen, von 10- und 100-Gigabit-Netzen. Wenn wir den Rückstand jetzt schon nicht einholen können, dann werden wir auf alle Zeit im Hintertreffen bleiben.

Während wir also beim Klimaschutz glauben, dass wir die ganze Welt retten könnten, erzählt die Bundesforschungsministerin unseren Bürgern auf dem Land, dass die Bundesregierung den ländlichen Raum in Sachen Breitbandausbau schon aufgegeben hat. Frau Kampmann, das ist leider auch Ihre Ministerin. Das ist die verquere Politik, die unseren Wohlstand massiv gefährdet.

Ich will die Landesregierung jetzt nicht für den Bund in Haftung nehmen. Wir sehen durchaus gute Ansätze in der Digitalpolitik, aber eben nicht genug. Wer mit so vollmundigen Versprechungen angetreten ist, wie es insbesondere die FDP getan hat, der muss nach eineinhalb Jahren etwas mehr liefern. Deshalb erfolgt unsererseits keine Zustimmung.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Tritschler. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Professor Dr. Pinkwart das Wort. Bitte schön.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Tritschler, ich bitte um Nachsicht, dass ich eben kurz den Saal verließ. Ich hatte zu Herrn Matheisen gesagt, dass ich draußen noch rechtzeitig eine Aussage zu Bayer treffen sollte. Ich bitte dafür um Verständnis.

Das ist angesichts der Entscheidung, die zu kommentieren war, ein besonderer Tag für uns. Ich wollte nicht die Debatte stören, während andere Abgeordnete sprechen. Ich bitte insofern noch mal um Verständnis.

Zur Digitalstrategie, die Sie angesprochen haben: Herr Bolte-Richter sagte, wir hätten keinen Plan. Wir machen einen Plan für Nordrhein-Westfalen! Wir sagen, was zu tun ist.

(Matthi Bolte-Richter [GRÜNE]: Wann wollen Sie den denn umsetzen?)

– Wir haben wenigstens einen Plan. Sie hatten ja noch nicht mal einen! Wir haben jetzt erst mal einen Plan gemacht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich finde es außerdem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung gegenüber unfair, zu sagen, die Leute hätten einfach irgendwas aufgeschrieben. Seien Sie doch froh, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung dieses Landes selbst mit dem Thema identifizieren und wir nicht von externen Beratungsgesellschaften irgendetwas aufschreiben lassen, das andere umsetzen sollen. So etwas haben wir schon zu Genüge erlebt.

(Beifall von der CDU und der FDP – Matthi Bolte-Richter [GRÜNE]: Die machen ihre Arbeit, ja! – Josefine Paul [GRÜNE]: Und haben die politische Führung? Nein!)

Die Beamtinnen und Beamten und die Mitglieder der Regierung arbeiten hier zusammen – das macht den Unterschied! Wir setzen uns zusammen, wir führen eine Digitalkonferenz durch – der eine oder andere von Ihnen war dabei –; wir veranstalten gemeinsame Workshops.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ' ich einen Arbeitskreis! – Zuruf von Matthi Bolte-Richter [GRÜNE] – Gegenruf von Christof Rasche [FDP])

Dabei kommen – und das ist doch interessant – die Mitarbeiter der Verwaltung, die Mitglieder der Landesregierung, Gewerkschaftsvertreter, Unternehmensvertreter und die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes zusammen und reden über die Zukunft dieses Landes. Es geht um die Frage: Wie wollen wir das Land digitalisieren?

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das ist ja wahnsinnig toll! Und wann regiert die Regierung die Zukunft des Landes?)

– Ja, meine Güte, das ist es doch! Sie können doch Digitalisierung nicht von oben gestalten, so wie Sie Ihre Politik immer von oben gemacht haben. Digitalisierung kann man nur zusammen machen!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist der Unterschied im Denken, wie Sie regiert haben und wie wir es tun.

(Matthi Bolte-Richter [GRÜNE] und Josefine Paul [GRÜNE]: Wir haben regiert!)

Wir glauben nicht daran, dass wir alles besser wissen als die Menschen im Land. Wir vertrauen auf die Menschen im Land. Wir wollen sie mit ins Boot holen und die Digitalisierung gemeinsam mit ihnen gestalten. Das ist der eklatante Unterschied!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich bin dankbar dafür, dass das aufgegriffen wird; dass das in den Schulen, Hochschulen, Unternehmen, beim Handwerk und überall mitgelebt wird. Wir packen das an. Wir werden dabei sicher Fehler machen, und wir werden auch nicht alles vollkommen machen, ...

(Josefine Paul [GRÜNE]: So viel steht fest!)

– Natürlich nicht. – … aber wir reden nicht nur darüber, sondern wir machen es auch.

(Beifall von der CDU und der FDP – Josefine Paul [GRÜNE]: Ja, wann denn?)

Was haben Sie denn für die Kommunen getan? Wir sind hingegangen und haben ihnen zunächst Geld an die Hand gegeben, damit sie überhaupt erst mal anfangen können, damit sie Ideen sammeln.

Bei Ihnen gab es überhaupt nichts. Das ist doch der Unterschied! Bei der digitalen Infrastruktur …

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Stimmt doch überhaupt nicht!)

– Aber das muss man doch mal sagen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das ist jetzt ein bisschen dreist!)

– Es ist doch so. Was haben Sie den Kommunen denn für die Digitalisierung zur Verfügung gestellt? Ich habe nichts gefunden.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Falls es nicht stimmen sollte, können Sie mich ja noch mal informieren. Ich habe da nichts gesehen.

(Matthi Bolte-Richter [GRÜNE]: Gucken Sie mal ins Gesetz rein, das ist nicht kompliziert!)

Wir machen es, und wir machen es so, dass es sich parallel entwickelt und andere auch teilhaben können.

Dasselbe gilt für die digitale Wirtschaft. Herr Bolte-Richter, woher nehmen Sie denn die Hinweise darauf, dass wir Strukturen nicht fortentwickeln oder dass wir sie sogar aufgeben wollten? – Im Gegenteil: Wir arbeiten daran, dass sich diese Strukturen weiterentwickeln und dass sie Wirkung entfalten können. Das ist das, was jetzt notwendig ist, und was wir tun können.

Es wurde auch gefragt, wo im Haushalt Prioritäten gesetzt werden. Wenn der Landesfinanzminister und die regierungstragenden Faktionen in diesem Haushalt allein für die Kofinanzierung der Breitbandnetze 1 Milliarde Euro zur Verfügung stellen wollen, dann ist das eine ganz klare Aussage und das Setzen der Priorität, die Infrastruktur so schnell wie möglich auszubauen. Ein besseres Commitment kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen.

(Beifall von der FDP)

Das gilt auch für die öffentliche Verwaltung. Vor uns liegen große Anstrengungen, und wir werden eine E-Government-Strategie vorlegen, die darlegt, was wir schon getan haben, und welche Schritte als Nächstes kommen. Wir werden auch Mittel für die Weiterentwicklung der Landesverwaltung bereitstellen, sodass sich ihre IT-Infrastruktur entwickeln kann und die Software so organisiert werden kann, dass nicht jedes Ressort eine eigene Ausstattung und ein eigene Infrastruktur hat, aber nichts zusammenpasst. All das müssen wir angehen, weil es bisher nicht erledigt worden ist. Das muss man an dieser Stelle auch feststellen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Lieber Herr Dr. Untrieser, Sie haben vorhin etwas zum Elterngeld gesagt. Genau das ist unser Problem: Bei uns in Deutschland läuft vieles unglaublich kompliziert ab. Und dann fährt man nach Estland und sieht, wie einfach es gehen kann. Es reicht nicht, die in der analogen Welt zur Perfektion entwickelte Bürokratie einfach zu digitalisieren. Das macht nichts einfacher, sondern wir müssen uns auf dem Weg dorthin auch fragen, ob unsere Prozesse überhaupt funktionieren und ob wir sie nicht grundlegend einfacher machen können.

Das Gewerbeportal betreffend, haben wir schon gezeigt, wie es gehen kann. So etwas wünsche ich mir für andere Lebensbereiche genauso wie Sie. Daran arbeiten wir, und ich denke, mit den uns bereitgestellten Ressourcen und der Motivation, die wir dafür haben – auch in der öffentlichen Verwaltung – können wir es schaffen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Professor Dr. Pinkwart. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Damit sind wir am Ende der Aussprache zu Teil c) Innovation, Digitalisierung und kommen zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4414, den Einzelplan 14 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschlusses anzunehmen. Wir kommen also zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Wer stimmt dieser zu? – CDU und FDP stimmen der Beschlussempfehlung zu. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und AfD stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Herr Neppe enthält sich.

Damit ist Einzelplan 14 in zweiter Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4414 mit der Mehrheit des Hohen Hauses angenommen.

Ich rufe auf:

Einzelplan 08
Ministerium für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4408

a) Kommunales und GFG

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2019 (Gemeinde­finanzierungsgesetz 2019- GFG 2019)

b) Heimat, Bauen und Wohnen

c) Gleichstellung

Ich rufe als Erstes auf:

 

a) Kommunales und GFG

In Verbindung mit:

Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2019 (Gemeinde­finanzierungsgesetz 2019 – GFG 2019)

Ich eröffne die Aussprache, und für die SPD-Fraktion hat der Kollege Kämmerling das Wort.

Stefan Kämmerling (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Unruhe – Glocke)

Spektakuläre Änderungen in Sachen Gemeindefinanzierungsgesetz hat es zwischen der ersten und der zweiten Lesung nicht gegeben.

Ich möchte mit der Erfindung von Frau Ministerin Scharrenbach beginnen, die den Namen „finanzkraftunabhängige Aufwandspauschale“ trägt. Die Pauschale ist für sich genommen schon Spektakel genug.

Ich möchte Ihnen einige Aussagen aus der Sachverständigenanhörung zu diesem Thema vortragen. Frau Göppert vom Städtetag NRW sagt dazu: „systemfremd“, „nicht der richtige Ansatz“ und „Entzug von Mitteln zugunsten strukturschwacher Kommunen“. Herr Dr. Slawik vom Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ spricht von „Systembruch“, „systematisch nicht nachvollziehbar“ und „Entnahmen aus dem Finanzausgleich“. Und Herr Weeke, der Kämmerer der Stadt Solingen, hält sie für nicht zielführend; damit ernte man bei Einwohnern Unverständnis.

Ich könnte die Aufzählung fortsetzen, aber ich denke, ich habe die Stimmung in der Sachverständigenanhörung zu diesem Thema mit diesen Aussagen ausreichend und vollumfänglich beschrieben.

Frau Scharrenbach, Ihre finanzkraftunabhängige Pauschale ist nicht finanzwissenschaftlich begründet, und Sie testen damit meiner festen Überzeugung nach aus, wie weit Sie gehen können.

(Beifall von der SPD)

Ich halte noch einmal fest, was mittlerweile alle im Land wissen: Frau Ministerin Scharrenbach und die Landtagsfraktionen von CDU und FDP nehmen den Kommunen mit kleiner Finanzkraft und geben den Kommunen mit größerer Finanzkraft. Das lehnen wir ab.

(Beifall von der SPD)

Zum Thema „fiktive Hebesätze“ habe ich mich meiner Meinung nach in der ersten Lesung bereits erschöpfend geäußert. An meiner Einschätzung hat sich zwischenzeitlich nichts geändert. Auch hier nehmen Sie Umverteilungen zulasten strukturschwächerer Kommunen vor. Auch das hat die Anhörung zu diesem Thema glasklar gezeigt.

Auch zum Soziallastenansatz sind die Positionen meines Erachtens zur Genüge ausgetauscht. Ich darf heute in zweiter Lesung noch einmal auf unsere Anregung hinweisen, über eine Abmilderungshilfe nachzudenken. Das war bei der Anhebung des Soziallastenansatzes auch der Fall, und es wurde Rücksicht auf die Planung der Kommunen genommen.

Ich komme zum Thema „Integrationspauschale“. Dafür feiern Sie sich – zumindest haben Sie es gestern getan – wirklich selbstberauscht ab. Ich darf an die Überschrift Ihres Wahlpapiers erinnern. Darin stand in großen Buchstaben: „Zuhören. Entscheiden. Handeln. Regierungsprogramm der CDU für Nordrhein-Westfalen 2017 – 2022, Beschluss des 39. Landesparteitags vom 1. April 2017.“

Jetzt frage ich mich – denn wir sprechen ja über den Haushalt 2019 –: Wenn das jetzt hier alles Zuhören, Entscheiden und Handeln ist, und wenn Sie gestern ausgeführt haben: „Selbstverständlich halten wir, was wir versprochen haben“, – was hat sich denn vom Haushalt 2018 zum Haushalt 2019 verändert? Die Landtagswahl ist ja schon ein bisschen länger her.

Sie haben hier Druck gebraucht und sind nicht von alleine auf die Idee gekommen, Ihr Versprechen einzulösen. Neun Bürgermeister aus der Städteregion Aachen haben die Landesregierung in aller Deutlichkeit in einem Brandbrief aufgefordert, ihr Versprechen einzuhalten. 18 Bürgermeister haben Ihnen unabhängig hiervon einen Brandbrief geschrieben. Unter der Führung eines christdemokratischen Bürgermeisters haben diese 18 Bürgermeister mit einer Sitzblockade vor dem Landtag gedroht. Ganz so flott waren Sie mit der Umsetzung Ihrer Versprechen also nicht. Das hat schon eine Menge Druck gebraucht.

Jetzt gibt es noch ein rechnerisches Problem. Das ist gestern hier von den Fachpolitikern im Zusammenhang mit dem FlüAG aufgerufen worden. Es handelt sich um die Frage: Wie ist denn die Veränderung haushalterisch mit der Integrationspauschale in Zusammenhang zu bringen? Bisher war es so vorgesehen haben, dass Sie die 108 Millionen Euro für das FlüAG aus der Integrationspauschale nehmen.

Herr Stamp ist gestern in der Diskussion zum Haushalt gefragt worden: Wie stellen Sie das denn jetzt dar? Wo ist die Kompensation? Wo kommt das Geld her? Sie können einen Euro nicht zweimal ausgeben. – Herr Stamp hat dann gesagt: Das beantworte ich heute nicht. Lassen Sie sich mal überraschen. Da kommt ein guter Vorschlag.

Wenn Sie es noch nicht wissen sollten – Wir wollen ja auch eine Opposition der Einladung und Unterstützung sein –: Seien Sie doch so freundlich und schauen sich Kapitel 07 090 des Haushaltes an, und hier den Titel 633 40. Die Empfehlung aus kaufmännischer Sicht wäre, den Titel von 546.980.000 Euro um 108 Millionen Euro auf 654.980.000 Euro zu erhöhen. Dann wäre Ihr Problem gelöst. Das hätte man gestern einfach beantworten können. Anders geht es wohl nicht. Wir warten jetzt auf die Überraschung von Herrn Stamp.

Ich glaube, Tweets darf man hier nicht ausgedruckt hochhalten, Herr Präsident. Deswegen tue ich es so, dass es keiner sieht.

(Der Redner zeigt ein Schriftstück.)

Interessant ist die Vermischung von Staatsgewalten, die Sie selbst im Haushaltsverfahren beim Thema „FlüAG“ vornehmen. Am 20.11.2018 um 17:38 Uhr teilt die Landesregierung über den Twitter-Account der Landesregierung „Chancen NRW“ mit, dass sie die Pauschale jetzt vollends weitergibt. Einen Tag später erst sind die parlamentarischen Vertreter dran – ich habe es bislang immer so verstanden, dass die für den Haushalt zuständig sind –, nämlich am 21.11.2018 um 13:20 Uhr.

Sie vermengen die Aufgaben und die Verantwortung von Regierung und Parlament in den Fachausschüssen, so auch in den Haushaltsberatungen. Ich rufe Sie dazu auf, darüber mal nachzudenken. – Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kämmerling. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Hoppe-Biermeyer.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik passiert vor Ort. Dort spürt man die Auswirkungen unserer Entscheidungen ganz direkt. Das wissen wir, und darum verstehen wir von CDU und FDP uns als Partner der Kommunen.

Mit diesem Haushalt wird einmal mehr sichtbar, dass für uns die Stärkung der Kommunen eine hohe Priorität hat. Darum leitet die Landesregierung im nächsten Jahr die Integrationspauschale in Höhe von 432,8 Millionen Euro komplett weiter. Durch das neue Förderprogramm zur Modernisierung von Sportstätten fließen über die Sportvereine weitere 30 Millionen Euro in die Kommunen.

Diese Landesregierung ist kommunalfreundlich. Zur Stärkung der Städte und Gemeinden gehört es zentral natürlich, keine Kommune zu vernachlässigen. Darum entwickeln wir das Gemeindefinanzierungsgesetz, das GFG, Schritt für Schritt weiter.

Die gute Nachricht vorweg: Nach zwei Rekord-GFGs mit 10,6 Milliarden Euro und 11,7 Milliarden Euro setzt das GFG 2019 mit 12,4 Milliarden Euro erneut eine Bestmarke.

Im ersten Entwicklungsschritt haben wir vor einem Jahr den Kommunal-Soli gestrichen, mit der Abschmelzung des Vorwegabzugs begonnen und die beiden Pauschalen für Sport und Bildung erhöht. Von diesem Geld profitieren die Kommunen direkt.

Seit August 2017 liegt das sogenannte Sofia-Gutachten vor. Über die möglichen Auswirkungen dieses Gutachtens wurde im Vorfeld viel spekuliert. Wir haben es aber vorgezogen, darüber mit der kommunalen Familie zu sprechen, auch um unbegründete Ängste zu nehmen. Herausgekommen ist ein GFG 2019, in das Empfehlungen des Sofia-Gutachtens stufenweise einfließen.

Durch den Wechsel der Regressionsmethodik vom bisherigen OLS-Verfahren hin zur sogenannten robusten Regression verändern sich zwar die Gewichtungen der Nebenansätze, werden aber im ersten Schritt mit einem Abschlag von 50 % versehen. Dadurch sinkt der Soziallastenansatz zwar ab, aber eben nur halb so stark.

Neu im Gemeindefinanzierungsgesetz 2019 ist die Aufwands- und Unterhaltungspauschale in Höhe von 120 Millionen Euro. Die Verteilung erfolgt zu je 50 % nach Einwohnern und nach Fläche. Diese Pauschale stärkt insbesondere den ländlichen Raum und wird als allgemeines Deckungsmittel zugewiesen.

(Zuruf von Stefan Kämmerling [SPD])

Städte und Gemeinden können selbst entscheiden, wo und wie sie dieses Geld einsetzen.

(Zuruf von Stefan Kämmerling [SPD])

Auch bei den anderen Pauschalen setzen wir den Weg der Stärkung der kommunalen Investitionskraft konsequent fort.

Positiv angekommen ist im letzten Jahr in den Städten und Gemeinden, dass die Sportpauschale und die Schul- und Bildungspauschale erhöht wurden und in Zukunft gegenseitig deckungsfähig, also austauschbar sind. Das bleibt natürlich so. Beide Pauschalen werden außerdem erneut erhöht, die Schul- und Bildungspauschale deutlich um 50 Millionen Euro auf 660 Millionen Euro und die Sportpauschale als Folge der Dynamisierung von 53,3 Millionen Euro auf 55 Millionen Euro.

Auch bei den fiktiven Hebesätzen macht die Umsetzung des Sofia-Gutachtens eine Aktualisierung erforderlich. Die bisher genutzten Grunddatenjahre 2009 bis 2012 werden im GFG 2019 auf die Grunddatenjahre 2011 bis 2015 aktualisiert.

Da man sich bei der Festsetzung der fiktiven Hebesätze am Landesdurchschnitt der Kommunen orientiert, hätte das wegen der starken Steigerungen in den Stärkungspakt-Kommunen automatisch zu sprunghaften Erhöhungen der fiktiven Hebesätze geführt. Um den Anstieg der fiktiven Hebesätze spürbar zu begrenzen, werden für die beiden Grundsteuern Abschläge von 10 % und für die Gewerbesteuer von 6 % eingeführt. Bisher lag der Abschlag einheitlich bei 5 %.

Für die Grundsteuer A erhöht sich damit der fiktive Hebesatz von 217 Euro auf 223 Euro, für die Grundsteuer B von 429 Euro auf 443 Euro und für die Gewerbesteuer von 417 Euro auf 418 Euro.

Die Städte und Gemeinden spüren die positive Wirkung der neuen Regierungspolitik. Der ländliche Raum wird nicht mehr vernachlässigt, und das Gegeneinander-Ausspielen von Stadt und Land ist beendet.

(Beifall von der CDU und der FDP)

An diesem Grundsatz wird sich unsere Politik für die Kommunen weiter orientieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hoppe-Biermeyer. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gerne an die letzte Bemerkung des Kollegen Hoppe-Biermeyer anknüpfen, dass der ländliche Raum nicht mehr gegen die Städte ausgespielt würde. Da hat auch ein Ratsmitglied aus Essen ganz doll geklatscht, nämlich der Kollege Schrumpf.

Ich kann nur sagen, was heute der Oberbürgermeister der Stadt Essen dem Land ins Stammbuch schreibt. Er hat nämlich eine Pressemitteilung herausgegeben, in der steht, dass die Kostenerstattung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz nicht einmal annähernd das deckt, was die Landesregierung versprochen hat:

(Stefan Kämmerling [SPD]: Hört! Hört!)

Die Stadt Essen erhält mehr als 2.000 Euro weniger, als zunächst gegeben werden sollte.

Was spannend ist – weil wir ja gleich über die Integrationspauschale sprechen –: Sie haben sich entschieden, nicht die Kosten für das Flüchtlingsaufnahmegesetz anzuheben, sondern die Integrationspauschale, und die Kosten da herauszunehmen. Das heißt im Umkehrschluss – wir werden das im Haushaltsausschuss noch einmal dezidiert nachfragen –, dass Sie gewillt sind, „Rechte Tasche – linke Tasche“ zu spielen, indem Sie das, was bei der Integrationspauschale reinkommt, aus dem Flüchtlingsaufnahmegesetz wieder rausnehmen. Das ist nicht in Ordnung!

(Beifall von den GRÜNEN – Stefan Kämmerling (SPD): Richtig! – Horst Becker [GRÜNE]: Taschenspielertrick!)

Zweiter Punkt, Frau Ministerin: Aufwandspauschale und Vorwegabzug im Gemeindefinanzierungsgesetz. Da wundere ich mich ein bisschen, dass der Kollege Kämmerling gesagt hat, zwischen erster und zweiter Lesung wäre nichts passiert. Wir haben Anträge zur Umverteilung gestellt, und zwar in einer Größenordnung von fast 250 Millionen Euro. Wir sind nämlich der Auffassung, dass die Aufwandspauschale – da bin ich ganz bei Ihnen – fachlich nicht fundiert ist. Das haben auch die Vertreterinnen und Vertreter aller kommunalen Spitzenverbände eindeutig eingeräumt. Das ist vielmehr ganz schlicht eine politische Setzung, um die Disparitäten im Gemeindefinanzierungsbereich nochmals zu verschärfen.

Der Sachverständige Busch hat ausführlich dargestellt – auch Herr Holler vom Städtetag sowie der Städte- und Gemeindebund haben es für einige Regionen sehr klar zugestanden –, dass es nichts nützt, diese Aufwandspauschale aus dem GFG zu finanzieren, weil das genau den steuerschwachen Kommunen das Geld entzieht, das sie für Investitionen brauchen. Wenn Sie meinen, diese Aufwandspauschale einsetzen zu müssen, müssen Sie sie erstens besser zuschneiden und zweitens aus Landesgeld finanzieren. So ist es eine ungerechte Umverteilung im Gemeindefinanzierungsgesetz.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dritter Punkt. Diese Geschichte wird hier immer wieder vorgetragen; es geht um die Pauschalen: Bildungspauschale und Sportpauschale sowie Investitionspauschale. Es kommt kein Cent mehr ins Gemeindefinanzierungsgesetz rein, indem Sie bestimmte Beträge für die Pauschalen festschreiben. Das ist einfach ein Märchen.

Erzählen Sie Ihren Fachpolitikern doch nicht, dass dort mehr Bildung finanziert wird; vielmehr wird den Kommunen schlichtweg vorgeschrieben, was sie mit ihrem eigenen Geld zu tun haben. Das hat mit mehr Bildung überhaupt nichts zu tun!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ein Punkt ist mir wichtig, was das Stichwort „Gerechtigkeit“ betrifft. Sie haben in einem der ersten Schritte nach Regierungsübernahme gemeint, den Solidarbeitrag für den Stärkungspakt abschaffen zu müssen. Das kann man ja tun. Was hat das für Folgen? Die Stadt Monheim, schwer gebeutelt, baut sich für mehrere Dutzende Millionen Euro Geysire – da muss man im Kreisverkehr anhalten, um sich das anzuschauen. Sie wird entlastet. Die Stadt Monheim wird mit 30 Millionen Euro jährlich entlastet; die Städte Düsseldorf und Ratingen werden ebenfalls in zweistelliger Millionenhöhe entlastet.

Das kann man in Ordnung finden. Auf der anderen Seite müssen aber Städte wie Hagen – ich will jetzt die anderen 65 Stärkungspakt-Städte nicht alle aufführen – weiterhin 124 Millionen Euro in das GFG einzahlen

(Widerspruch von der CDU)

– doch, das ist so! – und werden nicht entlastet. Das kann man doch nicht Gerechtigkeit nennen! Das ist plumpe Klientelfinanzierung auf Kosten der Städte und Gemeinden, weil das aus dem Stärkungspakt selbst herausgenommen worden ist. Sie haben das noch nicht mal mit Landesmitteln gegenfinanziert.

Deswegen haben wir konsequenterweise die Streichung des Vorwegabzugs aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz gefordert. Ich verstehe überhaupt nicht, liebe CDU-Fraktion, warum Sie nicht in der Lage sind, diesem Antrag zu folgen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will noch einige Worte zur Zukunft verlieren. Wir haben heute lange über das Thema „Straßenausbaubeiträge“ gesprochen. Das will ich nur kurz anreißen. Wer für kommunale Gerechtigkeit ist und da etwas schaffen will, der muss – egal ob SPD, CDU oder FDP – einen Deckungsvorschlag für all das vorlegen, was er vorhat.

Ein letzter Punkt ist mir wirklich ein Herzensanliegen: Wir haben letzte Woche ein Gutachten vorgelegt, das sich mit dem Thema „Altschulden und kommunale Kassenkredite“ befasst. Ich habe es allen Kolleginnen und Kollegen, soweit es gewünscht wurde, ergänzend zur Verfügung gestellt. Darin sind meiner Meinung nach sehr kluge Überlegungen angestellt, wie dieses Problem angegangen werden kann. Ich lade Sie alle ein, an diesem Thema intensiv weiterzuarbeiten.

Herr Kollege Schrumpf, da spreche ich Sie ganz persönlich an: Unsere Heimatstadt hätte es verdient, dass nicht alles im parteipolitischen Streit kaputtgemacht wird. Wir sollten lieber vernünftig über alles diskutieren, um eine vernünftige Lösung für das Land Nordrhein-Westfalen und auch für die anderen Bundesländer herbeizuführen. Ich würde da sehr gerne mit Ihnen zusammenarbeiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2019 setzt die NRW-Koalition die eingeleitete Kurskorrektur in der Kommunalpolitik, insbesondere in der Kommunalfinanzpolitik, fort.

Es ist gerade schon angesprochen worden, und ich will darum direkt noch einmal auf den Kollegen Mostofizadeh eingehen: Ich wundere mich immer und immer wieder, dass Sie etwas gegen eine Lösung haben, bei der niemand schlechter gestellt wird, aber Schritt für Schritt sehr viele besser.

Es geht um den Kommunal-Soli und das Abschmelzen des Vorwegabzuges. Der wird immer weiter abgeschmolzen, ohne dass nur eine Stärkungspakt-Kommune weniger Geld erhält. Insofern sollten Sie – ich wiederhole es – Ihren Gerechtigkeitsbegriff noch einmal überdenken.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Sie wissen selbst, dass das nicht stimmt! Das ist das Schlimme! – Michael Hübner [SPD]: Das hat schon einer behauptet, und es war damals schon falsch!)

Grundsätzlich ist auch das einer von unseren Schritten, auf den wir uns im Koalitionsvertrag geeinigt haben, hin zu echten 23 % aus der Verbundmasse. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil damit die kommunale Finanzkraft nachhaltig und dauerhaft gestärkt wird.

Ein schönes Zeichen für unser Vertrauen in die Kommunen vor Ort und in die Kommunalpolitik ist, dass die Investitionspauschalen gegenseitig deckungsfähig bleiben und nicht zweckgebunden sind. Die Menschen vor Ort wissen am besten, wo der Schuh am meisten drückt: sei es im Sportbereich, im Innenstadtbereich oder in der Schule. Also: Vertrauen in die Arbeit vor Ort stärkt unsere Kommunen.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, das GFG 2019 hat ein Rekordvolumen von fast 12,4 Milliarden Euro – 675 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr: plus 6 %.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Aber ohne Ihr Zutun!)

Damit profitieren die Kommunen von der guten Wirtschaftslage. Gut so, richtig so; insbesondere ein Verdienst der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.

Ein Entwurf insbesondere zum GFG ohne Kritik ist wohl schlichtweg nicht möglich. Es gab auch ganz unterschiedliche Sichtweisen im Kommunalausschuss. Ich möchte kurz auf ein oder zwei Punkte eingehen.

Ganz grundsätzlich erscheint mir in mancher Debatte der Anspruch an das GFG zu sein, dass damit eine auskömmliche Finanzierung für sämtliche Kommunen und deren Aufgaben verbunden ist. Das mag politisch wünschenswert klingen, widerspricht aber der langjährigen Systematik des GFG, das einen Finanzausgleich zwischen den Kommunen herstellen soll. Das ist auch richtig.

Damit einher geht nach einer inneren Logik übrigens auch, dass im Regelfall einem Mehr an eigenen Erträgen und kommunaler Finanzkraft ein Weniger aus dem Finanzausgleich folgt.

Durchaus bemerkenswert finde ich die öffentliche Kritik unseres Ausschussvorsitzenden, des Kollegen Körfges, in „Der Lokalbote“ in Mönchengladbach; Sie können es ihm vielleicht ausrichten. Er beschwerte sich darüber, dass Mönchengladbach nun 8,9 Millionen Euro weniger erhalte. Der Grund dafür sei die schwarz-gelbe Landesregierung. Die habe das so entschieden.

Wie kann man sich nur so weit von der Wahrheit entfernen? In Mönchengladbach werden die Zuweisungen um 13,8 Millionen Euro steigen – und das, obwohl die Stadt Mönchengladbach im nächsten Jahr eine gestiegene Steuerkraft von 5 Millionen Euro zu erwarten hat. Also: eine wissentlich falsche Vergleichsrechnung, mit der man versucht, vor Ort Politik zu machen.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Nein! Der Steuerverbund erhöht sich und dadurch der Anteil! Das ist Quatsch!)

Das wird dem Anspruch an eine fachliche Debatte nicht gerecht.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, vor uns liegen noch viele Hausaufgaben; einige davon haben wir im Koalitionsvertrag schon skizziert. Wir stehen auch bei einigen Gesetzesvorhaben, die wir wahrscheinlich noch in diesem Jahr abschließen werden, bei der NKF-Evaluation zum Beispiel kurz vor dem Abschluss der Beratungen.

Herr Kollege Mostofizadeh hat auch in der NRW-Koalition das Thema „Altschulden“ angesprochen. Es hat eine ganz besondere Priorität. Das habe ich im Ausschuss immer wieder gesagt; ich wiederhole es auch hier sehr gerne.

Natürlich ist es klug, die aktuell günstige Zinslage zu nutzen. Darum wollen wir das auch tun. Nichtsdestotrotz wissen wir wie auch Sie, dass es auf Bundesebene in der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ unter anderem konkret um die Frage der kommunalen Schulden geht.

Es ist meines Erachtens daher Aufgabe aller hier im Hause vertretenen Fraktionen, auf die Kolleginnen und Kollegen in Berlin einzuwirken, damit der Bund seiner Verantwortung gerecht wird. Insbesondere durch Bundesgesetze verursachte Soziallasten führen schließlich dazu, dass die kommunalen Kassen in Nordrhein-Westfalen unter Druck geraten.

(Beifall von der FDP)

Alles, was wir an Lösungen anbieten, muss bestmöglich mit möglichen Bundeshilfen ineinandergreifen. Da helfen kein Vorpreschen und keine Alleingänge. Es bedarf einer klugen Abstimmung zwischen Bund und Ländern.

Daher ist es besser, dass wir uns die Zeit nehmen, zu einer guten und klugen Lösung zu kommen, statt in politischen Ränkespielchen darum zu streiten, wer eine Woche früher oder später einen Vorschlag auf den Weg gebracht hat.

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die AfD-Fraktion erhält nun Herr Abgeordneter Tritschler das Wort.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab ein kurzes Wort zum Thema „Heimatpolitik“: Dort, wo sich die Landesregierung bemüht, traditionelle Werte im Land und unsere Heimat zu stärken, sind wir sicherlich an ihrer Seite.

Allerdings vermissen wir die Zielstrebigkeit der Programme. Sie sind etwas unklar geregelt. Es erweckt den Eindruck, als würde man mit hübschen Überschriften versuchen, ein Thema zu besetzen, ohne wirklich Substanz dahinter zu haben.

Unseren Vorschlag, die Programme erst einmal maßvoll anlaufen zu lassen und dann gegebenenfalls nachzulegen, haben Sie leider nicht aufgegriffen. Der Kollege Beckamp wird sicherlich gleich noch ein paar Worte dazu sagen.

Zum Thema „Kommunales“ möchte ich einige Aspekte ansprechen. Dass Sie sich der interkommunalen Zusammenarbeit widmen, begrüßen wir ausdrücklich. Es gibt gewaltige Synergiepotenziale, die schlummern und dringend erschlossen werden müssen.

Allerdings scheint uns die Summe von gut 2 Millionen Euro eher wie ein Alibiposten zu sein, nach dem Motto: Seht her, wir tun etwas. – Ein ernsthafter Ansatz – da bin ich mir sicher – müsste deutlich höher liegen. Wir sind uns auch sicher: Diese Investition würde sich langfristig lohnen.

Das GFG – das klang schon an – glänzt angesichts guten konjunkturellen Wetters in diesem Jahr ebenfalls. 12,1 Milliarden Euro spült der Verbundbeitrag in die Kassen der Kommune.

Das ist ausdrücklich kein Lob an die Regierung, denn es ist ausschließlich den guten konjunkturellen Rahmenbedingungen geschuldet. Sobald sich die wirtschaftliche Lage eintrübt – das ist absehbar –, sind auch hier die fetten Zeiten vorbei.

Ein Blick in die Vergangenheit verrät uns, dass der Verbundsatz noch in den 80er-Jahren bei 28 % lag. Heute sind wir bei etwa 23 %. Das macht 50 Milliarden Euro aus, die fehlen. Viele Kommunen wären heute nicht in einer misslichen Lage, wenn man sich damals nicht bei ihnen bedient hätte.

Es wäre also angezeigt, diese strukturelle Unterfinanzierung zu beenden, bevor sich die Konjunkturdaten eintrüben, damit unsere Kommunen auch mittel‑ und langfristig solide haushalten können.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat einen neuen Verbundschlüssel eingeführt. 120 Millionen Euro werden in der sogenannten Aufwands‑ und Unterhaltungspauschale verteilt.

Natürlich stärkt das in erster Linie den ländlichen Raum, und natürlich befinden sich dort vor allem die Hochburgen der Union.

Umgekehrt wissen wir auch, dass die SPD während ihrer Regierungszeit ein bisschen großzügiger mit den urbanen Räumen umgegangen ist. Hier sollte also niemand mit dem Finger zeigen. Man merkt es ja auch an der Debatte: Es geht offensichtlich um Verteilungskämpfe.

Sicher ist es richtig, den ländlichen Raum zu stärken, um dort weiterhin attraktive Lebensbedingungen zu erhalten. Im Sinne der Kontinuität und einer nachhaltigen Finanzpolitik wäre es aber gut, wenn die Verteilmechanismen zukünftig weniger vom Parteibuch des zuständigen Ministers bzw. der zuständigen Ministerin abhängig wären.

Abschließend möchte ich die Anhebung der Sockelbeträge bei der Bildungs‑ und der Sportpauschale positiv hervorheben. Auch das begrüßen wir ausdrücklich.

Insgesamt bleibt der Eindruck, der sich wie ein roter Faden durch den gesamten Haushalt zieht: Sie machen bei schönem Wetter Schön-Wetter-Politik. Das tut derzeit keinem weh, aber sobald Wolken aufziehen, ist es damit vorbei.

Damit lassen Sie leider auch die Möglichkeit verstreichen, in guten Zeiten wichtige Kurskorrekturen vorzunehmen. Trotz guter Ansätze können wir deshalb diesem Einzelplan nicht zustimmen.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung hat nun Ministerin Scharrenbach das Wort.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das GFG 2019 ist in der Tat 12,4 Milliarden Euro schwer. Es gibt im Vergleich zum noch laufenden GFG 2018 – großzügig aufgerundet – eine Erhöhung um 700 Millionen Euro. So viel dürfen die Städte und Gemeinden im kommenden Jahr erwarten.

Darauf dürfen wir zu Recht stolz sein; denn es ist mitnichten so, dass dies ausschließlich der wirtschaftlichen Lage geschuldet wäre. Das ist es ohne Frage in einem großen Maße.

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat die Finanzausgleichsmasse – wie bereits im laufenden Jahr 2018 – auch für das Jahr 2019 im Vorgriff um 217 Millionen Euro erhöht und damit eine Beteiligung des Landes an einer Bundesentlastung zu 100 % an die Kommunen weitergegeben. Ich glaube, das sollten wir in dieser Debatte auch entsprechend betonen.

Wenn man die Sachverständigenanhörung nimmt und einfach einmal nachliest, was beispielsweise der Landkreistag sowie der Städte‑ und Gemeindebund zur neu eingeführten Aufwands‑ und Unterhaltungspauschale – wenn Sie die denn so beschließen – gesagt haben, kann man sehr wohl erkennen, dass beide Verbände Folgendes formuliert haben:

„Die Einführung einer neuen Zuweisung eigener Art in Form einer Aufwands‑/Unterhaltungspauschale in Höhe von 120.000.000 Euro als allgemeine Deckungsmittel zur finanzkraftunabhängigen Stärkung der gemeindlichen Infrastruktur ist schließlich ebenfalls zu begrüßen.“

– Es ist zu begrüßen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich weiß zwar nicht, welche Stellungnahmen Sie gelesen haben, aber ein vollständiger Blick und jedenfalls der Versuch einer objektiven Wiedergabe in Bezug auf die Argumentation zur angedachten Aufwands‑ und Unterhaltungspauschale wären sehr hilfreich. Dazu liest man im Weiteren auch Folgendes:

„Der Verzicht auf eine Zweckbindung zugunsten flexibler Einsatzmöglichkeiten ist ein gutes Zeichen, nämlich ein Zeichen des Vertrauens der Landesregierung in die kommunale Familie.“

Beide Verbände äußern sich auch zum vorgesehenen Verteilschlüssel. Auch die hälftige Verteilung nach den Maßstäben Einwohner und Fläche ist – man kann das gar nicht oft genug wiederholen – beispielgebend.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Beide Verbände empfehlen sogar, das Instrument perspektivisch weiter auszubauen. Ich glaube, deutlicher kann man nicht sagen, wie richtig wir damit liegen, dass wir als Landesregierung Nordrhein-Westfalen erstmals anerkennen, dass eine Stadt bzw. eine Gemeinde unabhängig von ihrer Finanzkraft Aufwendungen für die Erhaltung des eigenen Vermögens zu tragen hat.

Deswegen ist die Pauschale auch finanzkraftunabhängig, und deswegen ist sie auch so ausgestaltet, dass sie nicht in die Umlagebemessungen von Kreisen oder Landschaftsverbänden eingerechnet wird, sondern sie bleibt da, wo sie hinkommt, nämlich in den Städten und Gemeinden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich komme zu den Investitionspauschalen, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten. Gerade wurde behauptet, wir würden den Kommunen stärker vorschreiben, wie sie das Geld zu verwenden haben.

Genau das Gegenteil ist der Fall: Wir haben die goldenen Zügel, die Sie gegenüber den Städten und Gemeinden in die Gemeindefinanzierung eingebaut haben, aufgehoben. Wir haben sie abgeschafft und gesagt: Wir stärken die kommunale Selbstverwaltung, die Kommunen sollen selbst entscheiden, worin sie – ausgelöst von den kommunalen Prioritäten – mit diesem Geld investieren.

Gestatten Sie mir bitte noch einen Hinweis zum Thema „Kommunal-Soli/Vorwegabzug“. Wenn Sie an der Regierung geblieben wären – was ja nicht der Fall ist, aber nehmen wir einmal an, Sie wären drangeblieben–, …

(Zuruf von Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Schlimme Vorstellung!)

– Das ist ohne Frage so, Herr Kollege Laumann.

… dann hätte der Gesamtbeitrag der kommunalen Familie zur Finanzierung des Stärkungspaktes II seit 2011 – nur im Wege der Vorwegabzüge ohne Solidaritätsumlage – 986 Millionen Euro ausgemacht. Das ist das Geld, das Sie der kommunalen Familie seit 2011 entzogen hätten – zum Teil ist das eingetreten –, wenn Sie an der Regierung geblieben wären.

Diese Regierung aber macht genau das Gegenteil. Wir haben den Kommunalsoli im Jahr 2018 abgeschafft. Nächstes Jahr werden der kommunalen Familie damit mindestens 180 Millionen Euro bleiben. Das betrifft auch viele Städte und Gemeinden, die Sie immer als reich betiteln, die aber komischerweise für diesen Reichtum Kredite haben aufnehmen müssen, um ihren Beitrag zu leisten.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der CDU: So ist es!)

Wir schmelzen den sogenannten Vorwegabzug ab, den die Städte und Gemeinden, die eben – ich betone das ausdrücklich – nicht im Stärkungspakt sind, bisher haben leisten müssen. Auch da haben wir in diesem Jahr begonnen, abzuschmelzen. Im kommenden Jahr wird das fortgesetzt. In 2020 senken wir ebenfalls ab, sodass auch dieses Geld zusätzlich in Städten und Gemeinden verbleibt.

Präsident André Kuper: Frau Ministerin, wir haben eine Zwischenfrage des Kollegen Kämmerling vorliegen.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Sehr gerne!

Stefan Kämmerling (SPD): Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich habe es nicht mitgeschrieben. Deswegen will ich es so in meine Frage einordnen, wie ich es verstanden habe.

Sie haben gerade ausgeführt, dass jemand im Raum – Sie haben gesagt „Sie“; dabei kann es sich um einige der hier Anwesenden handeln – einige Kommunen immer als reich bezeichnen würde.

Sind Sie bereit, mir die Quelle zu nennen? Sie haben irgendjemanden gerade so zitiert, dass er eine bestimmte Gruppe Kommunen als reich bezeichnen würde. Ich wüsste gerne, wen Sie damit meinen und was Ihre Quelle ist.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für diese Frage.

Sehen Sie, die Abgeordneten von SPD und Grünen verteidigen unverändert die Erforderlichkeit eines Kommunal-Solis, damit man vermeintlich reiche Gemeinden zur Finanzierung heranzieht.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Das stimmt doch nicht!)

Wir sagen Ihnen: Diese vermeintlich reichen Gemeinden, die Sie meinen, haben sehr häufig Kredite aufnehmen müssen, um genau das zu finanzieren, weil sie eben nicht reich sind, weil die weiterhin rot laufen in Ergebnisrechnungen. Das ist der deutliche Unterschied, den wir als bürgerlich-liberale Landesregierung setzen, zu dem, was Sie bisher auf den Weg gebracht haben.

Es kommt im Wesentlichen darauf an, wie viel Sie dieser kommunalen Familie entzogen hätten, wenn Sie an der Regierung geblieben wären: Das wäre fast 1 Milliarde Euro zur Finanzierung des Stärkungspaktes. Das haben wir beendet bzw. beenden es im weiteren Verlauf bis 2022 mit einem Abschmelzen des Vorwegabzugs.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Frau Ministerin, es gibt noch zwei weitere Wünsche nach Zwischenfragen, wobei man sagen muss, dass eine zulässig ist, die zweite nicht. – Die Ministerin entscheidet, ob überhaupt noch eine Zwischenfrage zugelassen wird.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Ich würde jetzt gerne bis zum Ende vortragen, und dann können Sie ja überlegen, ob Sie noch möchten.

Abschließend – damit komme ich nämlich zum Ende – gestatten Sie mir bitte noch folgenden Hinweis. Wir haben ein Gutachten zur Einwohnerveredelung in Auftrag gegeben. Das haben wir Ihnen gegenüber zugesagt.

Dieses Gutachten wird möglicherweise Einfluss auf die Gemeindefinanzierung des Jahres 2020 nehmen können. Wir haben über die Änderung in der kommunalen Haushaltsplanung – sofern Sie dem zustimmen – dafür Sorge getragen, dass die Investitionsfähigkeit der Kommunen gestärkt wird, dass Bürokratie abgebaut wird und dass gleichzeitig die Fähigkeit der Kommunen zum Haushaltsausgleich gestärkt wird.

Insofern ist das eine Gemeindefinanzierung, die wir mit diesen Ausblicken, die ich Ihnen gerade gegeben habe, in Summe auf den Weg bringen, die der kommunalen Familie in Nordrhein-Westfalen – kreisangehörigen Städten und Gemeinden ebenso wie kreisfreien Städten – sehr gerecht wird.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Jetzt noch eine Zwischenfrage?

Präsident André Kuper: Ja, wenn der Kollege noch möchte.

Stefan Kämmerling (SPD): Er möchte. – Vielen Dank, Herr Präsident, dass ich meine Frage von eben wiederholen darf, da sie nicht beantwortet wurde. – Frau Ministerin, Sie haben ausgeführt, dass Personen hier im Raum bestimmte Städte immer als reich bezeichnen würden im Sinne Ihres Vortrages.

(Henning Höne [FDP]: Einmal nachgucken, was abundant bedeutet!)

Sie haben gesagt, wir würden sagen, diese seien reich. Würden Sie mir bitte die Quelle nennen, wo Sie das herhaben? Und würden Sie bitte die Personen nennen, die Sie meinen? Sie werfen das ja nicht einfach so in den Raum, ohne dass das Substanz hat. Dafür kennen wir Sie ja; das wird gut recherchiert sein. Würden Sie mir bitte sagen, welche Person im Raum Sie meinen und wann das wo gesagt wurde?

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Sehr geehrter Herr Abgeordneter Kämmerling, wenn ich mich richtig erinnere, ist gerade darauf verwiesen worden, dass es eine Stadt gibt, die sich Geysire an Kreisverkehren baut. Damit wurde kritisiert, was wir im Zusammenhang mit dem Kommunal-Soli tun. Ich glaube, Sie wissen, welcher Abgeordnete das formuliert hat.

(Beifall von der CDU – Stefan Kämmerling [SPD]: Dann würde ich nicht fragen!)

Herr Mostofizadeh hatte dieses Beispiel gebracht.

(Beifall von der CDU – Stefan Kämmerling [SPD]: Okay, dann sind wir raus! Dann ist das auch geklärt!)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Damit haben wir den Schluss der Aussprache zu Teil a), Kommunales und GFG, erreicht.

Ich eröffne jetzt die Aussprache zum zweiten Teilbereich:

 

b) Heimat, Bauen und Wohnen

Als Erstem erteile ich für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Baran das Wort.

Volkan Baran (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein besonders düsteres Kapitel der Marktentfesselungspolitik dieser Landesregierung befasst sich mit Wohnungsbau und Mieterschutz.

Im vorliegenden Entwurf des Haushaltsplanes für das Jahr 2019 im Bereich Bauen und Wohnen legen Sie nichts vor, um dieses niederschmetternde Ergebnis zu entkräften.

Frau Ministerin, zur Regierungsverantwortung gehört auch die soziale Daseinsvorsorge inklusive Wohnungsvorsorge. Jeder in diesem Land muss eine bezahlbare Wohnung finden können – egal ob Großfamilie, Single oder alleinerziehend, ob jung oder alt, krank oder gesund.

Das ist in unserem Land leider nicht überall möglich. Immer mehr Menschen müssen die Hälfte ihres Einkommens für Wohnen aufbringen. Wenn sie das nicht mehr können, müssen sie ihr Zuhause verlassen. Sie machen gutes Wohnen zu einem Luxusgut. Das gilt längst nicht nur für Geringverdiener, sondern mittlerweile auch für die mittlere Einkommensstufe.

Die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum ist das dringlichste Problem unseres Landes. Der Wohnraummangel nimmt besonders in Großstädten weiter zu. Die Preisspirale dreht sich immer schneller. In NRW müssten jedes Jahr 100.000 Wohnungen neu gebaut werden, um die Nachfrage zu decken und die Preise zu drücken.

Die Lage ist mancherorts so dramatisch, dass nur noch ein beherztes Eingreifen des Staates helfen kann,

(Beifall von der SPD)

zum Beispiel durch die Begrenzung des Mietpreisanstieges, die Stärkung von Mieterrechten, den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum, die massive Förderung von mietpreisgebundenem Wohnungsbau, die Gründung einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft.

(Beifall von der SPD)

Aber was tun Sie, sehr geehrte Frau Ministerin? – Sie lassen mehr als 10 Millionen Mieterinnen und Mieter im Stich. Sie machen keine Politik für die Menschen, sondern betreiben eine lupenreine Klientelpolitik für Miethaie und Baulöwen.

Diese marktradikale Koalition der Deregulierung senkt die Standards für Barrierefreiheit in neuen Wohnungen. Das zeugt von einer Geringschätzung der Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung. Insgesamt fehlt es Ihnen in der Wohnungspolitik an sozialer Verantwortung.

Ich möchte das noch einmal deutlich machen. Wie Sie im Kollisionsvertrag geschrieben haben, kommt der eigentliche Großangriff auf den Mieterschutz mit der Abschaffung der Kappungsgrenzenverordnung. Die Verordnung tritt Ende Mai 2019 außer Kraft.

Sie regelte die Begrenzung des Anstiegs von Bestandsmieten in angespannten Wohnungsmärkten. Danach darf die Miete in drei Jahren nicht mehr als um 15 % steigen. Das gilt bis in die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese Regelung schützt Mieterinnen und Mieter vor unbezahlbaren Wohnraum und davor, ihr angestammtes Wohnheim verlassen zu müssen.

Das Zweite ist die Mietpreisbegrenzungsverordnung. Diese Verordnung diente der Begrenzung des Preisanstiegs bei Wiedervermietung – ebenfalls in angespannten Wohnungsmärkten. Die Regelung läuft zum 30. Juni 2020 aus. Damit könnten Mieten bei Neuvermietungen explodieren. Damit haben Sie auch die bundesrechtliche Mietpreisbremse ausgehebelt.

Zum Dritten die Kündigungssperrfristverordnung: Auch dieses bewährte Instrument des Mieterschutzes wollen Sie einkassieren. Der Kündigungsschutz für Mieterinnen und Mieter im Falle einer Eigenbedarfskündigung wird auf drei Jahre verkürzt. Für Menschen, die in angespannten Wohnungsmärkten leben, ist diese Frist einfach zu kurz. Diese Regelung läuft im Dezember 2021 aus.

Zum Vierten die Zweckentfremdungsverordnung: Dieses Verbot wurde von uns ins Wohnungsaufsichtsgesetz übernommen. Es ermöglicht, in angespannten Wohnungsmärkten die Zweckentfremdung von Wohnraum zu untersagen.

Früher ging es vornehmlich um die Umwandlung in gewerbliche Räume. Heute geht es mehr um die gewerbliche Vermietung von Ferienwohnungen, wie bei Airbnb. Damit wird den Menschen eigentlich vorhandener Wohnraum entzogen. Das ist nicht hinzunehmen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Auch hier hilft vielleicht ein Blick in die Realität unserer Städte. Die Umwandlungsverordnung wird im März 2020 auslaufen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben mit den regierungstragenden Fraktionen immer behauptet, dass es dieser Regelung nicht bedürfe, weil Sie neuen Wohnraum schaffen wollen. Bei einem Bedarf von 100.000 Wohnungen, die jährlich in NRW neu errichtet werden müssten, ist das nicht zu schaffen. Das möchte ich hier noch mal verdeutlichen.

Aber es gibt natürlich auch gute Beispiele, die ich erwähnen möchte: Es war richtig, die Tilgungsnachlässe, die wir bei der Wohnungsförderung eingeführt haben, fortzuentwickeln und auf Modernisierungskredite auszuweiten.

Es wäre aber auch gut, sehr geehrte Frau Ministerin, die Höhenbeschränkung beim Geschosswohnungsbau, was die Förderrichtlinie für soziale Wohnraumförderung angeht, schnellstens aufzuheben.

Es wäre auch angebracht, Ihre grundfalsche Entscheidung, die Mietpreisstufen einzuführen, rückgängig zu machen, damit Städte wie Gelsenkirchen, Herne oder Herten wieder in verstärktem Maße sozialen Wohnungsbau anbieten können, weil er für die Investoren rentabel wird.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Kurzum: Leider muss ich sagen, dass es in diesem Land noch nie eine so mieterfeindliche Landesregierung gegeben hat. Diese Politik werden wir nicht unterstützen. Wir werden den Einzelplan ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU spricht unser Abgeordneter Herr Schrumpf.

Fabian Schrumpf (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Volker Baran, erst mal Glückwunsch zur ersten Haushaltsrede in der neuen Funktion!

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es freut mich, dass wir noch viele sachliche Debatten im Ausschuss zur Wohnungspolitik des Landes führen. Heute führen wir aber eine Debatte zum Haushalt. Da hätte ich mir doch gewünscht, wenn das in Ihrer Rede auch vorgekommen wäre.

(Zuruf von der SPD: Haben Sie nicht zugehört?)

Aber sei‘s drum. Beim nächsten Mal haben wir da Ausbaubedarf.

(Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, „Heimat und Wohnen“, ja sogar „Heimat, Bauen und Wohnen“ sind untrennbar miteinander verbunden. Denn Bauen schafft Heimat. Nordrhein-Westfalen bietet uns allen eine liebens‑ und lebenswerte Heimat.

Um das Leben in unserem Land auch in Zukunft lebenswert zu gestalten, Traditionen zu wahren, Brauchtümer zu pflegen und unser regionales Erbe zu stärken, haben wir als NRW-Koalition bereits mit dem Haushalt 2018 erste wichtige Akzente gesetzt.

Mit dem Haushaltsentwurf 2019 – konkret mit dem Einzelplan 08, über den wir sprechen – gehen wir diesen Weg konsequent weiter. So steigen unter anderem die Mittel im Kapitel „Heimat“ gegenüber dem Vorjahr um fast 18 Millionen Euro.

Lassen Sie mich dabei bitte einen Punkt besonders herausgreifen: der Heimat-Scheck. Der Heimat-Scheck als eines der fünf Elemente der Heimatförderung von Vereinen und Initiativen in unserem Land, wird landauf, landab hervorragend angenommen.

Diese unbürokratische Förderung bietet nämlich einen echten Mehrwert. Einen Mehrwert, einen Ort, ein Stück unmittelbarer Heimat schaffen, an den wir uns zurückziehen, uns sicher und wohlfühlen können – das verstehen viele unter Wohnen.

Wohnraum muss aber nicht nur in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen,

(Zuruf von der SPD: Da war jetzt ein Sprung drin! Haben Sie eine Seite vergessen?)

er darf auch nicht so teuer sein – da sind wir uns alle einig –, dass er für viele Menschen gerade in einigen großen Städten unerreichbar bleibt.

Genau deshalb setzt die NRW-Koalition sich weiter dafür ein, durch Entbürokratisierung, durch schnelleres und kostengünstigeres Bauen auf eine Entspannung der Wohnungsmärkte in NRW hinzuwirken.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Wir bekämpfen nicht nur die Symptome, sondern wir gehen stark die Ursachen an. So wird die neue Landesbauordnung als erster wichtiger Schritt dorthin in einem Monat in Kraft treten.

Unser mehrjähriges Wohnraumförderprogramm für die Jahre 2018 bis 2022 mit einer Anhebung des Fördervolumens von jährlich 800 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden Euro ist ein weiterer wichtiger Baustein.

Um die Digitalisierung in der Baubranche voranzutreiben und damit dem Wohnungsmangel durch schnellere Verfahren der Baugenehmigung entgegenzusteuern, ist das Building Information Modeling, kurz: BIM, ein wichtiges Instrument, wofür im Haushalt Mittel zur Einrichtung eines Kompetenzzentrums ebenso vorgesehen sind wie für die Entwicklung einheitlicher Standards.

Eine große, wenn nicht die größte Herausforderung bleibt aber die Knappheit an Bauland. Mit zusätzlichen Mitteln im Bereich des Flächen‑ und Liegenschaftsmanagements und der damit angestrebten Nutzung nicht mehr benötigter Liegenschaften tragen wir zur Mobilisierung von Bauland bei.

Flankiert wird dies durch die Landesinitiative „Bauland an der Schiene“. Damit stellen wir die Weichen in Richtung einer gezielten Entwicklung von Bauland entlang von Bahntrassen bzw. im Einzugsbereich von Haltepunkten zu den gefragten Städten.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Klar ist jedoch auch: Wir müssen nicht nur die Entwicklung von Bauland im Blick haben, sondern auch die Entwicklung ganzer Dörfer und Städte. Mit dem konsequenten Einsatz der Mittel der Stadtentwicklung steigern wir die Lebensqualität in der Stadt ebenso wie auf dem Land.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Städte und Gemeinden unseres Landes sind bedeutende Standorte des kulturellen und industriekulturellen Erbes. Historische Denkmäler prägen ihr Stadtbild. Die Denkmäler sind für die Menschen vor Ort identitätsstiftend und schaffen Heimatverbundenheit. Wir schreiben daher die Erhöhung der Mittel für die Denkmalpflege fort und stellen die Denkmalförderung somit wieder auf ein solides und gesichertes Fundament in unserem Land.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Darüber hinaus werden Mittel zur Restaurierung und Instandsetzung für besonders große Einzelmaßnahmen bereitgestellt. Als Abgeordneten aus Essen freut es mich natürlich besonders, dass weitere erhebliche Mittel in die bauliche Grundsicherung von fünf bedeutsamen Standorten der Route der Industriekultur im Ruhrgebiet fließen.

Unser Dreiklang aus Heimat, Bauen und Wohnen wird im Einzelplan mehr als deutlich. Er schafft somit gute Voraussetzungen, um künftige Herausforderungen zukunftsorientiert zu bewältigen und das zu fördern, was Menschen verbindet – unsere gemeinsame Heimat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen hat nun der Abgeordnete Herr Klocke das Wort.

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin! Im Bereich Bauen und Wohnen kann man aktuell nicht genug tun. Es gibt natürlich haushälterische Grenzen.

Wir begrüßen durchaus, dass Sie viele Programme weiterführen, die Rot-Grün angelegt hat, und auch noch etwas drauflegen. Im Bereich der Wohnraumförderung beispielsweise ist die Trendwende während der rot-grünen Regierungszeit erfolgt – der ganze Ausbau der Wohnraumförderung, auch die Tilgungsnachlässe etc. sowie das Bündnis für Wohnen, das gegründet worden ist und das Sie unter einem anderen Namen weiterführen.

All das ist dringend notwendig, weil wir im Land eine akute Wohnungsnot haben, insbesondere in den urbanen Zentren, aber auch in einer ganzen Reihe von Mittelzentren. Deswegen ist es gut, dass das Land weiterhin reichlich Geld in die Hand nimmt, um das umzusetzen, was hier dringend notwendig ist.

Wir Grüne haben immer ein bisschen Probleme, wenn es um einen deutlichen Ausbau der Eigenheimförderung geht. Das will ich an dieser Stelle ansprechen.

Das Programm, das Sie vorgelegt haben, finde ich allerdings durchaus durchdacht. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse, die man auf der Strecke sehen wird. Die Nachfrage soll entsprechend vorhanden sein. Deswegen muss man es nicht per se kritisieren.

Trotzdem habe ich ein Problem mit Ihrer Schwerpunktsetzung. Weiterer Ausbau und Stärkung der sozialen Wohnraumförderung, Stärkung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus, Stärkung kommunaler Wohnungsbauunternehmen und insbesondere auch Quartiersförderung sind Bereiche, die uns sehr am Herzen liegen. Bei der Abwägung entscheiden Sie sich dafür, bei der Eigenheimförderung draufzusatteln. Da würden wir zu einem anderen politischen Schluss kommen. Das muss man an dieser Stelle ganz klar sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei der Heimatförderung werden wir intensiv verfolgen, ob die Projekte entsprechend greifen, für die das Geld eingesetzt worden ist oder im nächsten Jahr eingesetzt werden wird. Da nehmen Sie ja noch einmal deutlich mehr Geld in die Hand.

Die Aussagen des Kollegen Schrumpf zum Thema „Denkmalförderung“ kann ich durchaus unterstützen und unterstreichen. Dies war uns auch schon in unserer Regierungszeit ein Anliegen, auch wenn wir uns damals an dieser Stelle nicht durchgesetzt haben. Das finden wir politisch durchaus richtig.

Bei der Heimatförderung haben wir aber ein paar Fragezeichen – nicht grundsätzlich, aber bei einigen Projekten. Das werden wir also intensiv verfolgen – auch die Evaluation. Ob das Geld – Sie nehmen hier massiv Geld in die Hand, jetzt auch noch einmal zusätzliches Geld – richtig ausgegeben worden ist oder nicht, kann man sicher erst im nächsten oder übernächsten Jahr richtig bilanzieren. Dazu werden wir uns dann noch entsprechend zu Wort melden.

Nun komme ich zu dem, was der Kollege Baran eben gesagt hat. Natürlich sind wir hier in der Haushaltsdebatte. In den Jahren 2019/2020 wird aber auch eine Überprüfung und mögliche Fortschreibung von Instrumenten anstehen, die wir mit auf den Weg gebracht haben, weil der Wohnungsmarkt nicht in allen Bereichen so ist, wie man das sich wünscht. Auch wenn viele Vermieter es sehr gut und sehr korrekt machen, tut das eben nicht jeder. Bei Schrottimmobilien und anderen Fragen waren daher weitere Steuerungselemente notwendig.

Wir sind gespannt darauf – hier werden wir auch den Finger in die Wunde legen –, ob Sie in den Bereichen, in denen es notwendig ist, Regelungen bestehen lassen oder ob Sie das umsetzen, was im Koalitionsvertrag steht. Von Verbänden wie Haus & Grund gibt es entsprechenden Druck, das alles abzuschaffen und zu streichen.

Ich glaube, Sie wären gut beraten, Frau Ministerin, wenn Sie sich alle Instrumente und Regularien noch einmal genau anschauen und nicht per se Sachen streichen würden, weil das irgendwann einmal festgelegt worden ist und weil es Wahlversprechen waren. Meines Erachtens gibt es in diesem Land durchaus Instrumente, beispielsweise die Kappungsgrenzenverordnung und die Regelungen zum Umgang mit Schrottimmobilien, die gut sind, weil das Land oder die Kommunen damit mehr Eingriffsmöglichkeiten haben, als das früher der Fall gewesen ist. Das hat die Enquetekommission Wohnen damals ergeben, und zwar parteiübergreifend.

Ich möchte Sie bitten, da noch einmal genau hinzuschauen, das zu überprüfen und nicht per se Dinge außer Kraft zu setzen, die in Nordrhein-Westfalen eine ganz gute Wirkung haben. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP hat nun der Abgeordnete Paul das Wort.

(Zuruf von der SPD: Die Kanzlerin hat auch so eine Ledermappe!)

Stephen Paul (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Zur Wahrheit gehört – das haben die Kollegen schon angesprochen –: Viele Menschen leben gut und gerne in Nordrhein-Westfalen – so, wie sie es sich für ihre Lebensführung vorstellen, so, wie sie es brauchen.

Es gibt aber auch viele verzweifelte Wohnungssuchende, lieber Volkan Baran, noch zu wenig Wohneigentum in Nordrhein-Westfalen sowie eine Bau- und Wohnungswirtschaft und Kommunen, die viel zu lange unter allzu strenger politischer Reglementierung gelitten haben.

Herr Kollege Baran, das ist eine wunderbare Situationsbeschreibung. Nur: Das ist Ihre Bilanz. Sie haben mit Ihrer Fraktion jahrelang regiert. Nun gibt es seit der Landtagswahl mit der NRW-Koalition eine neue Mehrheit, die fest entschlossen ist, das Bauen zu erleichtern,

(Jochen Ott [SPD]: Die Zahl der Baugenehmigungen sinkt!)

die Lebensqualität in unseren Städten und Dörfern in Nordrhein-Westfalen zu verbessern und mitzuhelfen, das Angebot an verfügbarem preisgünstigem Wohnraum zu erhöhen.

Der Einzelplan 08, über den wir gerade beraten, stellt hierfür insgesamt 1,27 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind über 30 Millionen Euro mehr als im laufenden Jahr.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Heimat heißt: Ich habe ein Zuhause. Heimat heißt, sich wohlzufühlen. Heimat heißt, sich mit der Umgebung zu identifizieren. Heimat motiviert zu ehrenamtlichem Engagement. Heimat bringt Menschen in Nordrhein-Westfalen zusammen.

(Jochen Ott [SPD]: Das gilt aber überall!)

Hier geht es um unsere Städte und Gemeinden. Wenn unsere Kommunen funktionieren, gewinnen übrigens auch wieder mehr Menschen Vertrauen in unser öffentliches Gemeinwesen.

Daher fließen die Mittel der Heimatförderung nicht etwa in Landesprojekte, sondern werden vor Ort in der Kommune zur Verfügung gestellt. Die ehrenamtlich aktiven Bürgerinnen und Bürger, die Heimatgestalter, wissen selbst am besten, welche Projekte vor Ort geeignet sind, Zusammenhalt und Identität zu pflegen. Wir stärken ihr ehrenamtliches Engagement allein in 2019 mit 150 Millionen Euro.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Davon kann man ja fast eine Kanzlei ausbauen!)

Mit beispielsweise dem Heimat-Scheck oder dem Heimat-Fonds sichern wir die passende Unterstützung für jedes Projekt.

Zur Stärkung von Heimat gehört auch der Erhalt unseres baukulturellen Erbes. Das gewährleisten wir durch die Erhöhung der Mittel – oft auch in Form direkter Zuschüsse – für den Denkmalschutz auf fast 29 Millionen Euro. Heimat ist für uns überall dort, wo Menschen sich in Nordrhein-Westfalen zu Hause fühlen.

Die Stadtentwicklung, vor allem die unmittelbare Städtebauförderung, ist hierbei unser wichtigstes Instrument. Dafür stellen wir im kommenden Jahr stattliche 355 Millionen Euro zur Verfügung.

Im Dialog mit unseren Kommunen in Nordrhein-Westfalen, der Wohnungswirtschaft und dem Baugewerbe haben wir durch das von uns modernisierte Bauordnungsrecht einen ganz großen Schritt getan, um das Bauen in Nordrhein-Westfalen zu vereinfachen.

Die öffentliche Wohnraumförderung setzen wir auf hohem Niveau fort. Unser Land gibt mehr Fördermittel als alle anderen Bundesländer zusammen und mehr Fördermittel als der Bund für ganz Deutschland – verlässlich bis 2022; das sind jedes Jahr 1,1 Milliarden Euro – für den Mietwohnungsbau, für die Modernisierung des Gebäudebestandes in Nordrhein-Westfalen,

(Jochen Ott [SPD]: Und mit welchen Bundesmitteln wird das gemacht?)

für das studentische Wohnen und für die Quartiersentwicklung.

Erfolgreich ist auch unsere attraktive neue Eigentumsförderung. Preisgünstiges Wohneigentum hilft nicht nur den künftigen Eigentümern – oft sind das ja junge Familien –, sondern natürlich auch allen Mieterinnen und Mietern. Denn jedes Mal, wenn eine junge Familie in ihr neues Eigenheim zieht, wird gleichzeitig Wohnraum für neue Mieter frei.

(Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Ihr glaubt das wirklich! Ihr glaubt das wirklich! – Gegenruf von Ralf Witzel [FDP]: Natürlich! Das ist ja ein physischer Vorgang!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Haushalt bauen wir – das sage ich ganz bewusst – unsere kommunalorientierte Heimat-, Bau- und Wohnungspolitik aus. Wir verstetigen unsere neue Strategie für die Menschen und für die gemeinsame Heimat in Nordrhein-Westfalen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Er fängt schon selber an zu grinsen! – Jochen Ott [SPD]: Da muss er selber lachen! Also doch Planwirtschaft! Sollen die doch planen, woanders zu wohnen und nicht da, wo sie wollen!)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die AfD hat nun der Abgeordnete Beckamp das Wort.

Roger Beckamp (AfD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heimat ist alles. Alles ist Heimat. Das ist auch schon das Problem. Denn der etwas unbegrenzte und offene Begriff unserer Ministerin lädt dazu ein, alles, wirklich alles Heimat sein zu lassen, was Menschen als Heimat haben möchten.

Die Frage dabei ist aber: Um wessen Heimat geht es denn? Geht es um Heimat für die vielen Menschen in unserem Land, deren Stadt, deren Land schon verloren gegangen ist und weiter verloren geht? Geht es um den Verlust der lieb gewonnen Eckkneipe – das könnte ich gut verstehen – und dafür den Zugewinn einer neuen Heimat namens Shisha-Bar? Geht es um den Verlust des Bäckers oder Metzgers im Dorf und dafür den Gewinn eines Halal-Ladens?

All das ist Heimat. Das sind die neuen Heimaten. Und Sie laden dazu ein. Das ist die Bereicherung, die Sie meinen. Gleichzeitig ist es die Verdrängung von vertrauter Heimat. Frau Ministerin, wenn Sie selbst sagen, auch ein Moscheeverein sei unter dem Begriff „Heimat“ förderungsfähig, schaffen Sie neue Heimat, verdrängen aber alte Heimat.

All das ist scheinbar Programm Ihres neuen Heimatministeriums. Daran stören Sie sich nicht. Sie treiben es sogar voran. Jedenfalls haben Sie diesen Eindruck erweckt. Noch ist ja nicht viel passiert. Aber unsere Sorge ist groß, dass das letztendlich darauf hinausläuft, wieder nur ein großes Etikett für Integration zu sein – für wen, für was, mit wem und wie lange auch immer; das ist völlig unklar. Wir wollen es einmal abwarten. Jedenfalls haben Sie einigen Anlass geboten, nicht das Gute zu erwarten.

Zum Thema „Bauen“ kann ich gar nicht viel sagen, weil es in diesem Bereich, ehrlich gesagt, ziemlich gut läuft. Die neue Landesbauordnung haben wir auch unterstützt. Alles gut! Um das Bauland und die Flächenmobilisierung wird sich sehr umtriebig gekümmert. Allerdings gibt es zwei Punkte, an denen wir uns etwas reiben könnten.

Beim Wohngeld planen Sie mit weniger Mitteln, da die Regelsatzerhöhungen erst 2020 anstehen. Im Fall von Einkommenssteigerungen führt das bei den Beziehern allerdings zum Verlust von Ansprüchen. Hier wird am Bürger gespart. Das halten wir für falsch.

Bei der sozialen Wohnraumförderung wird viel Geld in die Hand genommen. Das ist richtig. An den Mitteln wird es aber wohl gar nicht scheitern, sondern eher daran, wie diese Mittel in den Boden gebracht werden. Damit sind wir wieder beim Thema „Bauland“, den hohen Erstellungskosten und den Auflagen.

Insofern ist es ein – ganz kleiner – Wermutstropfen, dass Sie im Bereich der innovativen Lösungen – es gibt einen entsprechenden Haushaltstitel „Förderung innovative Wohnprojekte“ – nur 100.000 Euro ausgeben. Es wäre interessant gewesen, hier mehr Geld zu investieren, um das viele Geld, das vorhanden ist, auch wirklich umzusetzen und damit bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. – Das war es schon. Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Scharrenbach.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Abgeordneter Baran, die Welt ist natürlich nur so groß wie das Fenster, das man ihr öffnet. Sie haben es in Ihrer Rede offensichtlich gar nicht aufgekriegt.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Anders kann ich das, was Sie hier wiedergegeben haben, nicht kommentieren.

(Jochen Ott [SPD]: Sind Sie eigentlich Ministerin oder Oberlehrerin?)

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen stellt pro Jahr mit der und über die NRW.BANK 1,1 Milliarden Euro für die öffentliche Wohnraumförderung zur Verfügung, und zwar garantiert bis 2022, also insgesamt 5,5 Milliarden Euro. Das ist mehr Geld, als der Bund bereit ist, für 16 Länder zu geben. Ich sage das ganz ausdrücklich. Das mögen Sie wertschätzen. Aber Sie tun es ja nicht, weil Sie sich das gar nicht ansehen.

Wir haben in der Tat aufgeräumt. Deswegen weise ich auch die Anschuldigung zurück, wir würden uns nicht um die Mieterinnen und Mieter kümmern. Das ist wirklich heftig; das muss ich schon sagen. Denn das Credo dieser neuen Landesregierung war vom ersten Tag im Jahr 2017 an: Wir wollen mehr Wohnraum für alle. Denn nur ein Mehr an Wohnraum trägt dazu bei, dass Mieten und Eigentumspreise sich nachhaltig stabilisieren.

(Jochen Ott [SPD]: Aber die Zahlen gehen zurück!)

Und da sagen Sie, wir würden uns nicht um Wohnraum kümmern! Das ist wirklich der größte Witz der Geschichte.

(Jochen Ott [SPD]: Die Zahlen gehen zurück!)

– Die Zahlen gehen zurück, Herr Abgeordneter Ott? 30.09.2018: 41.200 Baugenehmigungen. Das sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum plus 2.500.

(Jochen Ott [SPD]: Weil Sie im letzten Jahr schon ein Desaster verursacht haben!)

Plus 14 % bei Baugenehmigungen für Häuser mit drei oder mehr Wohnungen! Wo gehen die Zahlen denn zurück? Die Zahlen der Baugenehmigungen steigen, Herr Ott.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Herr Ott weiß es ja immer besser.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Vivawest – damit kommen Sie ja gut klar – hat angekündigt, 6.300 Wohnungen bis 2023 neu bauen zu wollen. In Münster werden mindestens 3.000 Wohnungen auf den Kasernenflächen entstehen, die von der BImA erworben wurden. In Duisburg werden bis zu 3.000 Wohneinheiten für bis zu 8.000 Menschen geschaffen. Im gesamten Land entsteht neuer Wohnraum.

Ich glaube, dass man das im Hinblick auf 17 Monate im Amt durchaus positiv bewerten kann. Sie werden das natürlich nie zugestehen; das ist mir klar.

Es ist viel freigesetzt und möglich gemacht worden. Wir sind in viele Dialogprozesse eingestiegen, die es vorher in Nordrhein-Westfalen gar nicht gegeben hat, und zwar noch nicht einmal beim Thema „Studierendenwohnen“. Zwar wurde in der Vergangenheit viel über Studierendenwohnen geredet. Aber man hat nicht ein einziges Mal alle Akteure an einen Tisch gebracht, um zu klären, wo es welche Grundstücke gibt und warum bei welchen Studierendenwerken möglicherweise welche Umsetzungshemmnisse bestehen.

Es scheint ein völlig neuer Ansatz zu sein, im Jahre 2018 Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Genau dies ist der Ausdruck einer bürgerlich-liberalen Politik, die handelt. Das ist der Unterschied zur Vorgängerregierung, die an vielen Stellen sehr viel geredet hat.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Noch eine La-Ola-Welle!)

Herr Baran, Sie haben gefordert, die Beschränkung der Wohnraumförderung bei vier- oder fünfgeschossigen Häusern aufzuheben. Fragen Sie bitte einmal meinen Amtsvorgänger, Ihren Parteikollegen Groschek, warum dort eine Beschränkung besteht. Er wird Ihnen das zutreffend begründen.

Zum einen erfolgt immer eine partielle Prüfung. Wenn man höher bauen will, machen wir das – das hat auch mein Amtsvorgänger getan – auch möglich. Zum anderen gilt: Je höher Sie ein Haus bauen, desto teurer werden auch die Betriebskosten. Deswegen ist eine Beschränkung auf vier oder fünf Geschosse in der öffentlichen Wohnraumförderung schlicht und ergreifend sinnvoll. Das war es immer. Sie haben das immer durchgetragen.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist Quatsch! Das ist inhaltlicher Blödsinn! Das ist doch unglaublich!)

– Herr Ott, wir werden uns ja in absehbarer Zeit wiedersehen. Ich bin gespannt, was Sie mir dann sagen.

(Jochen Ott [SPD]: Das gilt für Häuser ab der siebten Etage!)

– Ja, genau. – Fragen Sie einfach einmal Herrn Groschek.

(Unruhe – Glocke)

– Vielen Dank, Herr Präsident. – Insofern haben wir es endlich möglich gemacht, dass am 1. Januar 2019 eine neue Landesbauordnung in Kraft treten wird. Sie stellt das rechtliche Instrumentarium für mehr Wohnungsbau in allen Segmenten dar. Wir haben endlich auch das Prinzip „Innen- vor Außenverdichtung“ vorangebracht. Wir stärken das Thema „Bauen mit nachhaltigen Rohstoffen“ – Stichwort: „Bauen mit Holz“. Das haben Sie gar nicht hinbekommen. Wir haben den Finanzrahmen sehr deutlich erhöht und Vergleichbares getan.

Im kommenden Jahr werden wir auch noch die eine oder andere Initiative zusätzlich ausweiten, um der Notwendigkeit, mehr Wohnraum zu schaffen, um Mieten nachhaltig zu stabilisieren, Rechnung zu tragen.

Gleichzeitig sind wir als nordrhein-westfälische Landesregierung auf der Bundesebene unterwegs, um auch mit unserem Einfluss im Bund deutlich zu machen, welche Möglichkeiten im Zusammenhang mit der Baulandmobilisierung bundesseitig bestehen.

Wir stehen in Diskussionen über Veränderungen im Mietrecht. Auch dort kennen Sie meine Position, beispielsweise hinsichtlich der Modernisierungsumlagen, die CDU/CSU und SPD jetzt auf den Weg bringen.

Mit diesem Haushalt legen wir weitere Grundsteine für ein Mehr an Wohnungsbau, für eine Stärkung von Heimat, Identität und Identifikation mit den Regionen in Nordrhein-Westfalen und für eine Stärkung und Akzeptanz des Ehrenamtes in diesem so wichtigen Feld, das Menschen miteinander verbindet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben es immer noch nicht verstanden: Wir fördern das, was Menschen verbindet, und nicht das, was trennt. Das unterscheidet uns auf ewig von Ihnen. Das ist der wesentliche Unterschied. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Damit schließe ich die Aussprache zu Teil b), Heimat, Bauen und Wohnen.

Ich rufe auf:

 

c) Gleichstellung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion der Abgeordneten Frau Butschkau das Wort.

Anja Butschkau (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Haushaltsplan für den Bereich Gleichstellung ist auch in diesem Jahr wieder eine Dokumentation des politischen Stillstands.

(Ministerin Ina Scharrenbach: Frau Butschkau!)

So viel Ideenlosigkeit hätte selbst ich der Landesregierung nicht zugetraut.

Ein Gutes hat der Haushalt aber doch: Bewährtes aus rot-grüner Zeit wird fortgesetzt – so schlecht kann die von Ihnen häufig kritisierte Regierungszeit zwischen 2010 und 2017 also doch nicht gewesen sein –, sei es bei den Frauenberatungsstellen, den Frauenhäusern, der anonymen Spurensicherung oder den Kompetenzzentren für Frau und Beruf. Das sind Projekte, für die wir uns in der Vergangenheit erfolgreich eingesetzt haben – oft gegen den Widerstand der heutigen Regierungsfraktionen.

(Beifall von der SPD)

Auch in Zukunft werden diese Einrichtungen, in denen ganz hervorragende Arbeit geleistet wird, mit unserer Unterstützung rechnen können.

Der Landesregierung muss man jedoch sehr wohl vorwerfen, dass sie die Zeichen der Zeit nicht erkennt. Frauenrechte und Gleichstellung stehen in Teilen unserer Gesellschaft wieder zur Disposition. Ich habe das Gefühl, dass wir einmal wesentlich weiter waren und das Bewusstsein für Fragen der Gleichstellung größer war.

Auf diese gefährliche Entwicklung hat die Landesregierung keine Antwort. Das ist schlecht. Frau Ministerin, Sie haben keine Vision, in welche Richtung die Gleichstellungspolitik in unserem Land gehen soll, und keine Ideen, wie man Frauen in unserem Land stärken und sensibilisieren muss.

Schauen wir uns den Bereich Arbeit an. Da könnte das Land als Arbeitgeber mit bestem Beispiel vorangehen. Mehr Frauen in Führungspositionen – dieses Ziel haben Sie selbst in Ihrem Koalitionsvertrag festgehalten.

Was Sie sagen und was Sie tun, sind dann aber zwei ganz unterschiedliche Welten. Ein Jahr haben Sie nun gebraucht, Frau Ministerin, um dem Gleichstellungsausschuss mitzuteilen, dass die Beurteilungskriterien der Ministerien – hier zitiere ich mit Erlaubnis des Präsidenten wörtlich –:

„im Hinblick auf die Beurteilung von Frauen und Teilzeitbeschäftigten diskriminierungsfrei sind und Frauen wie Männern die gleichen Chancen auf eine differenzierte und abgestufte Bewertung ihrer dienstlichen Tätigkeiten und Arbeitsergebnisse einräumen.“

Ja, bravo! – Dann erklären Sie uns doch bitte einmal, warum denn Frauen in Führungspositionen immer noch unterrepräsentiert sind. Wollen Sie uns jetzt sagen, dass die Frauen selbst schuld daran sind? Wahrscheinlich werden Sie nun noch ein Jahr brauchen, um uns mitzuteilen, warum das so ist.

Ich glaube aber nicht daran, dass sich unter Ihrer Regierungsverantwortung an dieser Situation wirklich etwas ändert. Daran haben Sie überhaupt kein Interesse. Geben Sie zur Abwechslung doch einfach einmal offen zu, dass wir in dieser Legislaturperiode nicht mit einer Initiative, die zu mehr Frauen in Führungspositionen führt, von Ihnen rechnen können.

Ideen- und Visionslosigkeit sind das eine. Die halbherzige Bearbeitung von Problemen ist das andere. Das sehen wir jetzt seit eineinhalb Jahren bei den Frauenhäusern. Da wird immer wieder mal nachgebessert. Mal werden die Pauschalen angepasst, um die Kostensteigerungen zu decken. Dann werden ein paar neue Plätze geschaffen, um die Öffentlichkeit zu beruhigen.

Nicht, dass ich jetzt falsch verstanden werde: Ich freue mich über jeden Platz, der in den Frauenhäusern neu eingerichtet wird. Aber eines ist doch klar: An der chronischen Überbelegung werden die rund 50 zusätzlichen Plätze und die weiteren Maßnahmen, die Sie in der Zielvereinbarung mit den Trägern festgelegt haben, nur ganz wenig ändern. Oder glauben Sie wirklich, damit das Kapazitätsproblem in den Griff zu bekommen? Unterschätzen Sie die Lage immer noch, Frau Ministerin?

Packen Sie das Thema richtig an, und schaffen Sie genügend Plätze, damit die Frauenhäuser verzweifelte Frauen und ihre Kinder nicht mehr nach Hause schicken müssen.

Schaffen Sie bitte auch eine Lösung, die alle von Gewalt betroffenen Frauen erreicht. Die Streichung des Förderprogramms „Beratung und Unterstützung von Gewalt betroffenen traumatisierten Flüchtlingsfrauen“ ist zum Beispiel ein falscher Schritt, der negative Folgen haben wird.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in welche Richtung soll sich unsere Gesellschaft entwickeln? Die SPD kann diese Frage seit jeher klar beantworten: in Richtung einer freien, in Richtung einer solidarischen und in Richtung einer gerechten Gesellschaft,

(Beifall von der SPD)

einer Gesellschaft, in der wir Menschen aus einer Notlage heraushelfen und in der jede/jeder die gleichen Chancen erhält, etwas aus ihrem/seinem Leben zu machen. Daher ist eine aktive Gleichstellungspolitik für uns eine Verpflichtung.

Gerne würden wir das auch von der Mitte-rechts-Koalition sagen können. Das können wir aber nicht. Deshalb lehnen wir den vorliegenden Einzelplan 08, Gleichstellung, ab. – Herzlichen Dank und Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU spricht die Abgeordnete Troles.

Heike Troles (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Haushaltsentwurf trägt eindeutig die Handschrift der NRW-Koalition. Er ist voller Ideen und auch voller Visionen.

Die Landesregierung setzt im Einzelplan 08, Gleichstellung, handfeste Schwerpunkte: erstens Schutz der Frauen und Männer effektiv gestalten, zweitens Erleichterung der Strafverfolgung durch anonyme Spurensicherung, drittens Gleichstellung vorantreiben, sowohl gesellschaftlich als auch beruflich.

Die bereits 2018 gesetzten Schwerpunkte finden im Haushaltsentwurf 2019 selbstverständlich ihre Fortsetzung. So ist der Gewaltschutz zu Recht ein zentraler Faktor und wichtiger Schwerpunkt des Einzelplans 08, Gleichstellung. Denn die kürzlich erschienene Gewaltstatistik zeigt uns, dass die Realität erschreckend ist. Immer noch sind bei Gewaltverbrechen die meisten Opfer Frauen. In der morgigen Aktuellen Stunde werden wir uns ausführlich mit diesem Thema beschäftigen und auseinandersetzen. Deshalb will ich es für heute bei dieser Aussage dazu belassen.

Wir begrüßen daher die von Ministerin Scharrenbach initiierte Vereinbarung zur Zukunftssicherung der Frauenhäuser in Nordrhein-Westfalen ausdrücklich. Vielen Dank dafür!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Uns ist der Schutz für von Gewalt betroffenen Frauen wichtig. Daher ist es wegweisend, eine solide Finanzierung der Schutzeinrichtungen für Frauen weiterhin zu gewährleisten und auszubauen. 62 Frauenhäuser, 58 allgemeine Frauenberatungsstellen, 51 Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt, 8 spezialisierte Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel und 2 Beratungsstellen zu Zwangsheirat können ihre wichtige und dringend gebrauchte Arbeit fortsetzen, weil sie eine solide finanzielle Unterstützung erhalten.

Rund 24 Millionen Euro sieht der Haushaltsentwurf im Bereich „Schutz und Hilfe bei Gewalt gegen Frauen und Männer“ vor. Dies sind noch einmal 400.000 Euro mehr als im Jahr 2018. Die damit verbundene Erhöhung der Jahrespauschale und die Festlegung der Förderperiode bis 2022 sind Anreize zur Schaffung von mehr Plätzen in Frauenhäusern und zur Finanzierung der damit verbundenen Mehrarbeit. Jeder zusätzliche Frauenhausplatz ist ein Gewinn für Frauen und Kinder, die die Hilfe und den Schutz der Einrichtungen in akuten Notsituationen in Anspruch nehmen müssen.

Bei aller Freude über diese Lösung ist eines jedoch vollkommen klar: Gewalt, egal in welcher Form sie sich zeigt, ist inakzeptabel und zu verurteilen. Die finanzielle Ausweitung und Optimierung der anonymen Spurensicherung ist daher wichtig und richtig.

Mit dem Haushalt 2019 stellen wir die finanziellen Mittel zur Verfügung, um die anonyme Spurensicherung auszubauen. Erstmalig gibt es 100.000 Euro für die Anschaffung von polizeilich genutzten Spurensicherungssets. Ebenso ist die Einrichtung der Landeskoordinierungsstelle zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Männer, die seit dem Sommer ihre Arbeit aufgenommen hat, ein beispielhaftes Zeichen für die Stärkung des Opferschutzes in Nordrhein-Westfalen.

Meine Damen und Herren, eine zentrale Landesstelle, die landesweit den wichtigen Erfahrungsaustausch bündelt und für Informationsaustausch sorgt, ist überzeugend – auch, weil sie gleichzeitig Bindeglied der Interventionsstellen ist, die als Erste Opferschutz bei häuslicher Gewalt bieten. Diese Landesmittel führen zu einer enormen Steigerung der Effektivität der Opferschutzarbeit.

Sie alle werden mir zustimmen: Eine der grausamsten Formen von Gewalt ist der Menschenhandel. Hier braucht es keine zusätzliche Erklärung, warum wir handeln müssen. Es ist unsere moralische Pflicht, entschlossen und konsequent hiergegen vorzugehen. Eine Erhöhung der Mittel um 400.000 Euro im Kampf gegen den Menschenhandel ist daher wegweisend.

Ein weiterer Schwerpunkt des Einsatzes unserer Haushaltsgelder ist die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern. Der Ansatz in Höhe von mehr als 5,2 Millionen Euro findet eine gute Verwendung, denn das Potenzial der Frauen, das durch die fehlende Partizipation der Frauen im Beruf in Nordrhein-Westfalen noch schlummert, bildet eine bedeutsame Wirtschaftsgröße. Darin sind wir uns alle einig.

Die 16 Kompetenzzentren Frau und Beruf leisten hier eine wertvolle Arbeit. Ebenso werden wir die Weiterentwicklung des Girls’Day und Boys’Day und die Stärkung von Frauen in der Kommunalpolitik forcieren und ausbauen.

Diese Schwerpunktsetzung des Haushalts 2019 setzt an Problemen an und zeigt Perspektiven auf. Es geht in die richtige Richtung. Dies ist die verantwortungsvolle Politik der NRW-Koalition und der Landesregierung für die Gesellschaft, für die Frauen

(Angela Lück [SPD]: Bla, bla, bla!)

in unserem Land.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Troles. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Paul.

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen den Redebeiträgen von Frau Troles und Frau Butschkau.

(Heiterkeit von Regina Kopp-Herr [SPD])

Ich möchte anstreben, mich in der Mitte davon zu positionieren.

(Henning Höne [FDP]: Maß und Mitte!)

Man muss konstatieren, dass es in vielen Bereichen eine große Kontinuität gibt, was sich auch im Haushalt abbildet. Zum einen stellen wir fest – und darauf hat Frau Troles schon hingewiesen –, dass es eine große Kontinuität im Haus im Hinblick auf die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen gibt. Ich finde es gut, dass wir morgen zu so prominenter Stelle auch einmal eine Aktuelle Stunde dazu haben werden. Das Thema ist jeden Tag aktuell, aber es ist auch auf jeden Fall dessen würdig, mal in einer Aktuellen Stunde debattiert zu werden.

Es ist auch gut und richtig, dass es mittlerweile über die Legislaturperioden und die unterschiedlichen Landesregierungen hinweg eine Kontinuität in der Frauenhausfinanzierung gibt. Wir wollen nicht wieder anfangen mit der Frage, wer welche Stelle weggekürzt hat und wer sie dann wieder in den Haushalt eingestellt hat.

Entscheidend ist, dass wir auch weiterhin einen Aufwuchs bei der Frauenhausfinanzierung bzw. der Finanzierung der Frauenhilfeinfrastruktur verzeichnen – mit nur 400.000 Euro zwar moderat, aber immerhin. Das hilft der Frauenhilfeinfrastruktur.

(Zuruf von Ministerin Ina Scharrenbach)

– Ich lobe Sie gerade, und Sie sind nicht zufrieden, Frau Ministerin. Ich bin immer noch von der Opposition.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wann hat man das schon mal bei der Kollegin?)

Immerhin ist das ein Schritt in die richtige Richtung.

Frau Ministerin, Sie werden mir aber auch recht geben, dass wir längst nicht am Ende sind. Es bestehen immer noch große Herausforderungen bei der Fraueninfrastruktur. Stichwort: Barrierefreiheit – das ist in der Frauenhilfeinfrastruktur nicht in dem Maße gegeben, wie es durch die Istanbul-Konvention geboten wäre.

Stichwort: Platzausbau. Ich weiß, dass Sie mindestens 50 Plätze ausbauen wollen. Ja, die Botschaft höre ich und nehme sie wohlwollend zur Kenntnis. Nichtsdestotrotz kann es doch nicht sein, dass in diesem Land nach wie vor von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder an Frauenhaustüren abgewiesen werden. Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

(Beifall von den GRÜNEN und Stefan Kämmerling [SPD])

Ich will deutlich sagen, dass wir als Land uns dem nicht alleine stellen können. Das ist überhaupt keine Frage. Vielmehr ist auch der Bund mit in der Verantwortung und gefordert, Wege zu finden, um strukturell in die Finanzierung mit einzusteigen. Ich höre, dass auch Frau Giffey ein Programm initiieren will, um Investitionen ins Leben zu rufen.

Das wäre schön, aber die ganze Programmitis und Projektitis des Bundes hilft nicht bei der strukturellen Weiterentwicklung der Frauenhilfeinfrastruktur. Wir brauchen dafür Regelungen, welche die gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen festschreiben und in eine vernünftige Richtung bringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Kontinuität besteht auch beim Thema „Kompetenzzentren Frau und Beruf“. Frau Schneider, wer hätte das gedacht? Wie lange haben Sie gegen die Kompetenzzentren Frau und Beruf gewettert? – Geldverschwendung, Doppelstrukturen etc., „weg damit!“. Die neue Landesregierung bringt das weiterhin kontinuierlich auf den Weg. Das ist eine gute Nachricht, vor allem für die Weiterentwicklung und auch im Hinblick auf die Fragen nach der Vereinbarkeit und der Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben.

Eine Sache kann ich Ihnen allerdings nicht ersparen. Da liegen wir meilenweit auseinander, und da hat diese Landesregierung durch Untätigkeit schlicht und ergreifend versagt. Wie es Sie nicht weiter wundern wird, ist das im Bereich des öffentlichen Dienstes und der Frauenförderung im öffentlichen Dienst der Fall.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

– Herr Witzel, wir haben uns schon so häufig darüber unterhalten. Sie verstehen es leider nicht, und Sie weigern sich, Argumente zur Kenntnis zu nehmen.

(Ralf Witzel [FDP]: Vor einem Jahr sind Ihre Ansätze gescheitert!)

– Wir sind nicht gescheitert, wir sind abgewählt worden. – Sie haben das Gesetz ersatzlos gestrichen, und jetzt sitzen die Frauen in der gleichen misslichen Lage wie vorher. Vielen Dank dafür, Herr Witzel. Die Frauen in diesem Land werden es Ihnen lange nachtragen, dass Sie dort untätig sind und einfach nur die Lage bestaunen.

(Beifall von den GRÜNEN)

„Bestaunen“ ist genau das, was die Landesregierung macht. Die Berichte zum Landesgleichstellungsgesetz haben die Herausforderungen hinlänglich beschrieben. Es liegt alles auf dem Tisch. Die Landesregierung brauchte dafür allerdings noch einmal eine eigene Studie. Und das Ministerium von Frau Scharrenbach ist zu dem überraschenden Ergebnis gekommen – obwohl alle sagen, dass der öffentliche Dienst nicht diskriminierungsfrei bzw. benachteiligungsfrei für Frauen ist –: An den Bewertungskriterien usw. kann es nicht liegen. Das muss ein dummer Zufall sein, dass die Frauen im öffentlichen Dienst leider nicht mehr oben ankommen.

Sie haben mit dieser Studie anderthalb Jahre Zeit verschwendet, in der Sie hätten handeln können. Sie liegt nun auf dem Tisch, Sie handeln aber immer noch nicht. Jetzt wollen Sie wieder irgendetwas prüfen und überlegen und machen und tun. Nehmen Sie sich doch dieses schlaue Heftchen des DBB NRW – sicherlich keine Vorfeldorganisationen der Grünen –zu Herzen und berücksichtigen Sie, was darin an Lösungsvorschlägen steht. Die kommen zu dem gleichen Schluss.

Roland Staude, der Vorsitzende des DBB, konstatiert in dem Vorwort: „Es gibt viele Frauen im öffentlichen Dienst, aber deutlich zu wenige in Führungspositionen“. Und dann kommt er auch noch zu dem Schluss: Auch bei einer vermeintlich weiblich geprägten Verwaltung findet eine Benachteiligung von Frauen statt. – Aha! Welch großartige Erkenntnis. Dafür brauchten Sie noch eine weitere Prüfschleife.

Ich hoffe im Sinne der Frauen im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen und allgemein, dass Sie sich nun vielleicht auch einmal auf den Weg machen und irgendetwas tun und nicht nur das Problem bewundern. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Regina Kopp-Herr [SPD])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Schneider.

Susanne Schneider (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Gleichstellungshaushalt hat seinen Namen tatsächlich verdient; denn mit ihm wird die tatsächliche Gleichstellung in Nordrhein-Westfalen weiter verbessert. Es werden nämlich nicht nur Frauen gefördert, sondern es werden alle Geschlechter im Blick behalten und es wird dort geholfen und gesteuert, wo Hilfe benötigt wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Maßnahmen zur beruflichen Gleichstellung von Frauen und Männern müssen vor Beginn der Berufsausbildung gestartet werden. Nach wie vor richtet sich die Berufswahl an den klassischen Rollenbildern aus. Das führt dazu, dass wir zu wenige Frauen in den zukunftsweisenden MINT-Berufen und zu wenige Männer im pädagogischen Bereich, in der Pflege, in der Medizin oder in der Pharmazie haben.

Dieser Mangel tut unserer Gesellschaft nicht gut; denn gerade Geschlechtervielfalt führt in der Regel zu mehr Produktivität. Diese Geschlechtervielfalt kann auch ein kleiner Baustein sein, um den Fachkräftemangel in diesen Bereichen zu mindern.

Ich freue mich sehr, dass in den vergangenen Jahren in diesem Hohen Haus nicht nur der Girls‘Day, sondern auch der Boys‘Day gefeiert wurde; wie zuvor auch schon in zahlreichen Betrieben und Einrichtungen in unserem Land.

Zusätzlich zu dieser Tagesveranstaltung, die im Jahr 2019 am 28. März stattfinden soll, werden in Nordrhein-Westfalen künftig Projekte in Form von Akademien stattfinden. Es sind 60-tägige Aktionen in Modellkommunen in jedem Regierungsbezirk geplant. Wir sind uns sicher alle einig, dass diese mehrtägigen Veranstaltungen für mehr Nachhaltigkeit sorgen werden. Vielleicht gelingt es uns dadurch, Mädchen und Jungen künftig verstärkt ihre Talente aufzuzeigen und sie für eine Berufswahl nach ihren tatsächlichen Neigungen und Fähigkeiten zu motivieren.

Das traurige Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie gegen Männer und Jungen gehört leider auch zur Gleichstellungspolitik. Ich bin ausgesprochen dankbar dafür, dass alle demokratischen Fraktionen auf diesem politisch schwierigen Terrain grundsätzlich Seite an Seite stehen und sich für den Schutz der Gewaltbetroffenen einsetzen.

So war es auch gestern wieder, als die Damen des Gleichstellungsausschusses vor dem Landtagsgebäude gemeinsam eine Flagge mit der Aufschrift „Nein zu Gewalt gegen Frauen“ hissten. Die NRW-Koalition aus Christdemokraten und FDP zeigt aber nicht nur Flagge, sie handelt auch.

Erstens. Die 62 landesgeförderten Frauenhäuser erhalten im kommenden Haushaltsjahr wieder ein ordentliches Plus, dieses Mal in Höhe von 400.000 Euro.

Zweitens. Die Finanzierung der Akutschutzplätze steht auf einem stabilen Fundament. Seit Regierungsantritt haben wir den Etat um rund 1 Million Euro aufgestockt.

Drittens. Die Träger der Frauenhauseinrichtungen erhalten mit der Unterzeichnung der Zielvereinbarung über die Zukunftssicherung der Frauenhäuser in Nordrhein-Westfalen von Mitte Oktober rückwirkend zum Juli eine zusätzliche Förderung von Frauenschutzplätzen für jeden Platz, der über die Mindestplatzzahl von acht Plätzen hinausgeht.

Das umfasst ab dem kommenden Jahr bis 2022 eine Jahrespauschale in Höhe von 7.000 Euro, die flexibel sowohl für Personal- als auch für Sachkosten eingesetzt werden kann. Außerdem wird die Sachkostenpauschale für alle geförderten Frauenhäuser auf einen fixen Pauschalbetrag in Höhe von 7.500 Euro angesetzt, sodass die bisherige Staffelung von 4.000 bis 6.000 Euro entfällt.

Wir haben die Mittel für Frauenhäuser, die Frauenhilfe und den akuten Gewaltschutz um einen Millionenbetrag erhöht. Wenn Sie das, werte Damen von Rot-Grün, „ein bisschen nachbessern“ nennen, verstehe ich Ihre Logik nicht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Verschiedene Anlaufstellen für gewaltbetroffene Frauen sind wichtig. Deshalb ist es gut und richtig, dass die allgemeinen Frauenberatungsstellen im kommenden Jahr zusätzlich 100.000 Euro für ihre wertvolle Arbeit erhalten.

Mit unserem Wunsch, einen Landesaktionsplan auch für von Gewalt betroffenen Jungen und Männern zu entwickeln, haben wir – wie es sich derzeit zeigt – einen Stein ins Rollen gebracht. Es kann und muss festgestellt werden, dass es sehr wohl Gewalt an Jungen und Männern gibt und dass dieses Thema ausgesprochen vielschichtig ist.

Hier liegt noch vieles im Dunkeln, was nun im kommenden Jahr durch den geplanten Viktimisierungs-Survey analysiert werden soll. Auf die Erkenntnisse bin ich nicht nur gespannt; sie sind auch zwingend notwendig für die weitere Entwicklung des Landesaktionsplans „Gewalt gegen Jungen, Männer und LSBTI“.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Haushaltsentwurf bedient keine Spielwiesen, er sieht eine deutliche Mittelerhöhung für die wirklichen Probleme im Bereich Gleichstellung vor und baut außerdem Bürokratie ab. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Röckemann.

Thomas Röckemann (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich den Haushaltsplan für das Jahr 2019 im Bereich Gleichstellung anschaut, muss man sagen, dass hier weit über das grundgesetzlich verankerte Ziel hinausgeschossen wurde.

In Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes aus dem Jahr 1949 ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau verankert. Heute ist die rechtliche Gleichberechtigung von Mann und Frau in unserem Land längst abgeschlossen. Die mitentscheidende Rolle der Frau in unserer deutschen Gesellschaft ist zudem anerkannt.

(Lachen von Angela Lück [SPD] – Heike Gebhard [SPD]: Selten so gelacht!)

– Vielleicht bestreiten Sie das, aber ich meine das schon. Die Gleichberechtigung der Frau ist allerdings grundverschieden zu der von Ihnen propagierten Gleichstellung. Unter Gleichstellung versteht Wikipedia die Maßnahmen der Angleichung der Lebenssituation von im Prinzip gleichberechtigten heterogenen Bevölkerungsgruppen. Sie aber wollen noch weiter und vertreten mit der Ideologie des Gender-Mainstreaming einen Umerziehungsgedanken, der sich biologischen Tatsachen verweigert.

(Lachen von Angela Lück [SPD])

Ihnen zufolge – und vielleicht haben Sie es heute schon vorgenommen – kann man sich das Geschlecht aussuchen wie die Farbe der Unterhose.

(Angela Lück [SPD]: Frauen in den Keller!)

Ich lese Ihnen vor, was der Evolutionsbiologe Professor Dr. Ulrich Kutschera von dieser Scheinwissenschaft hält. Ich zitiere:

„Meine Kernthese ist, dass hinter der Gender-Mainstreaming-Agenda eine Riege naturwissenschaftlich unterbelichteter Ideologen steht, die weder von Biologie noch Chemie irgendeine Ahnung haben.“

(Beifall von Dr. Christian Blex [AfD])

„Die Agenda wurde von Personen erdacht, die dem logisch-naturwissenschaftlichen Denken fernstehen; und dann kommt eben so eine menschenverachtende, feministische Absurdität heraus.“

(Zuruf von Volkan Baran [SPD])

– Lassen Sie doch einfach auch mal eine Meinung gelten, die nicht die Ihre ist.

Deshalb findet sich Gleichstellung auch nicht im Grundgesetz wieder; sie ist nämlich Hokuspokus.

Was Gleichberechtigung betrifft – Sie werden staunen –, ist die AfD übrigens die modernste aller Parteien. Die AfD möchte, dass jede Frau sich zwischen Karriere und Muttersein entscheiden kann. Es muss wieder möglich sein, dass eine Familie mit kleinen Kindern von einem Gehalt leben kann, sodass die Eltern frei zwischen Berufstätigkeit und Erwerbspause entscheiden können und ihre Unter-Dreijährigen nicht in Kindertagessstätten abliefern müssen.

(Beifall von der AfD)

Dazu bedarf es keiner Gleichstellung.

In Nordrhein-Westfalen leben schätzungsweise 10.000 Frauen, die Opfer eines Verbrechens geworden sind, nämlich der Genitalverstümmlung. Die vorgesehenen Mittel zur Umsetzung des Landesaktionsplans zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen werden keine wirkliche Hilfe für Opfer von Genitalverstümmelungen sein, wenn hier schon das Strafrecht versagt. Ich frage mich inzwischen, was die sogenannten Opferverbände mit den Steuermitteln so anstellen, wenn solch bestialische Verbrechen von ihnen noch nicht einmal gemeldet werden.

Auch am Beispiel der Frauenhäuser wird erkennbar, dass die Mittelverwendung jedenfalls dann fragwürdig erscheint, wenn dort Frauen untergebracht werden, die kein Aufenthaltsrecht haben – womöglich werden sie geschlagen von schutzsuchenden Männern. Hier kann gespart werden, wenn Nichtberechtigte endlich des Landes verwiesen werden.

Sie hingegen investieren in Sozialpädagogen und Genderbeauftragte, um Pöstchen für Ihre Wählerklientel bereitzustellen, anstatt die wirklichen Probleme im Land anzugehen. Solche Wahlgeschenke auf Kosten der Steuerzahler sind uns fremd, und daher lehnen wir Ihren Haushalt ab. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Nach Herrn Röckemann, der für die AfD-Fraktion gesprochen hat, spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Scharrenbach.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sie erkennen angesichts des letzten Wortbeitrags, dass die Rechte der Frauen auch im hundertsten Jahr nach der Einführung des Wahlrechts keine Selbstverständlichkeit sind,

(Heiterkeit von der CDU)

sondern dass wir sie jeden Tag aufs Neue verteidigen müssen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Der Haushalt 2019 für den Bereich Gleichstellung ist ein Haushalt, der mit Ideen und Kreativität daherkommt. Sehr geehrte Frau Butschkau, ich weiß nicht, welches Haushaltsjahr Sie sich angesehen haben. Wahrscheinlich war es das letzte Jahr von Rot-Grün;

(Sarah Philipp [SPD]: Wie witzig! – Zuruf von Anja Butschkau [SPD])

jedenfalls kann es nicht der Haushalt 2019 von CDU, FDP und Landesregierung gewesen sein.

Wir sichern die Frauenhausinfrastruktur; wir haben eine Zielvereinbarung mit der LAG Autonomer Frauenhäuser und der Freien Wohlfahrtspflege geschlossen, über die wir sehr froh sind. Sie stellt eine gesicherte Verbindung dazu dar, was die eine Seite von der anderen erwarten darf, und ein Versprechen auf Gegenseitigkeit. Damit ist im Besonderen auch das Verständnis verbunden, dass wir nach Jahren des Stillstands im Aufbau – das sage ich ausdrücklich – in Nordrhein-Westfalen mindestens 50 neue Plätze erreichen wollen.

Wir fördern den Bau von Frauenhäusern aus der öffentlichen Wohnraumförderung heraus. Wir kümmern uns um den Übergang von stationären in ambulante Frauenangebote. Wir diskutieren nicht nur über das Thema „Gewalt gegen Mädchen und Frauen“, sondern wir gehen es aktiv an, indem wir auch aktiv hinsehen.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Paul, ich bedanke mich für das Lob für die 400.000 Euro. Wir haben in diesem Jahr schon 500.000 Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, seit Jahresanfang die Sachmittel flexibilisiert und bereits im vergangenen Jahr weitere 250.000 Euro zur Verfügung gestellt.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Habe ich mich beschwert?)

– Ich erwähne es nur der Vollständigkeit halber für Ihre nächste Rede, in der Sie dann CDU und FDP für diese Art der Politik loben dürfen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Jetzt reicht es aber! – Beifall von der CDU und der FDP – Josefine Paul [GRÜNE]: Da muss schon noch ein bisschen mehr kommen! – Heiterkeit von der CDU – Josefine Paul [GRÜNE]: Ich habe Sie letztens gelobt, da waren Sie gar nicht da!)

– Vielen Dank, wir werden dazu ja auch im Dialog bleiben.

Sie wissen also: Das Thema „Gewalt gegen Frauen“ hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert, und auch das Thema „Gewalt gegen Männer“ hat einen adäquaten Stellenwert. Wir beginnen damit, den Bereich des Landesaktionsplans zur Gewalt gegen Jungen, Männer und LSBTI aufzubauen. Wir haben auch sehr früh gesagt, dass es einen separaten Landesaktionsplan geben wird, wenn sich herausstellen sollte, dass das Thema „LSBTI“ in den Aktionsplan gar nicht hineinpasst. Auch da wählen wir einen sehr pragmatischen Ansatz.

(Unruhe – Glocke)

– Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Auch das Thema „Frau und Beruf“ treiben wir weiter voran. Die Kompetenzzentren haben wir gesichert, und wir arbeiten aktuell daran, eine Dachmarke zu kreieren, damit das, was die Kompetenzzentren Frau und Beruf in Nordrhein-Westfalen in den Regionen gemeinsam mit anderen Instrumenten auf den Weg bringen, wesentlich sichtbarer wird, als es derzeit der Fall ist.

Gestatten Sie mir abschließend noch eine Bemerkung zum Thema „mehr Frauen in Führung“, weil es mehrfach angesprochen wurde. Es mag Ihnen entgangen sein, dass von fünf Regierungspräsidien vier weiblich besetzt sind.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das war doch bei uns auch schon so!)

Das ist unter der neuen Landesregierung letztendlich so besetzt worden. Und ganz offen gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete von SPD und Grünen: Man kann natürlich nur diejenigen in Gruppenleitungs- und Abteilungsleitungsfunktionen bringen, die zuvor auch schon im Referatsbereich tätig gewesen sind.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist genau die Frage, Frau Ministerin!)

Wenn Sie also in den letzten sieben Jahren wenige Frauen auf der öffentlichen Dienstleiter hochgezogen haben,

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh! – Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

dann ist es schwierig,

(Beifall von der CDU und der FDP)

weiter von unten nach oben hochzuziehen.

(Zurufe von Stefan Zimkeit [SPD] und Dr. Dennis Maelzer [SPD] – Josefine Paul [GRÜNE]: Kennen Sie die Zahlen aus dem vierten Bericht? – Unruhe – Glocke)

– Offensichtlich habe ich Sie getroffen – anscheinend mit Wahrheit.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Nein, mit Unwahrheit!)

Sie wissen – wir haben es Ihnen auch zugesagt –: Es ist doch völlig logisch, dass man als Erstes in die Beurteilungsrichtlinien hineinschaut.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Sie haben da also reingeguckt!)

Sie haben dem Bericht auch entnommen, dass mehrere Ministerien Anpassungen bei den Beurteilungsrichtlinien vorgenommen haben. Erstmals gab es eine Gesamtübersicht über alle Beurteilungsrichtlinien, auch unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung von Frauen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Im zweiten Schritt – dazu steht die Terminabstimmung mit den Fachgewerkschaften DBB, komba und ver.di an – ist auszutauschen, wo es aus Sicht der Gewerkschaften strukturelle Diskriminierungen im Zusammenhang mit Beurteilungen gibt. Das ist der praktische Ansatz. Ich vermute, es eint uns das Ziel, dass wir die subjektiven Elemente in Beurteilungsprozessen verringern und eliminieren müssen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Da sind wir beieinander!)

An diesem Ziel arbeiten wir entsprechend.

Es handelt sich also um einen sehr guten Haushalt, und ich freue mich auf eine sehr breite Zustimmung aus diesem Parlament – für mehr Schutz für Frauen und in diesem Fall auch für Männer, für mehr berufliche Gleichstellung für Mädchen und Jungen. Ich glaube, dass wir gemeinsam sehr viel auf den Weg bringen werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Wir sind damit am Ende der Aussprache zum Einzelplan 08 angelangt. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4408, den Einzelplan 08 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Somit stimmen wir über die Beschlussempfehlung und nicht über den Einzelplan selbst ab. Wer der Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU- und FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die AfD. – Die Enthaltung kommt vom fraktionslosen Abgeordneten Neppe. Mit diesem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Einzelplan 08 in der Fassung der in der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4408 ausgewiesenen Beschlüsse angenommen.

Ich rufe auf:

Einzelplan 11
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4
411

a) Arbeit

b) Soziales

c) Gesundheit

Ich rufe den ersten Teilbereich auf:

 

a) Arbeit

Ich eröffne die Aussprache, und für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Neumann das Wort.

Josef Neumann (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Heute ist eigentlich kein so guter Tag für Nordrhein-Westfalen.

(Unruhe – Glocke)

An einem Tag, an dem wir die Nachricht bekommen haben, dass einer der größten Arbeitgeber in unserem Lande beabsichtigt, 12.000 Arbeitsstellen abzubauen, halte ich es für angebracht, sich gerade in der Diskussion des Haushalts für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Bereich Arbeit mit dieser Thematik zu beschäftigen und noch einmal darauf einzugehen.

Rund 22.000 Arbeitsplätze hat Bayer hier in Nordrhein-Westfalen. Zwei Kernstandorte, Bayer Leverkusen und Umgebung und Wuppertal und Umgebung, müssen wir hier besonders hervorheben, und zwar nicht nur mit den Produktionsstandorten, die sich hier in Nordrhein-Westfalen befinden, sondern vor allem auch mit einem starken Forschungsstandort, den wir hier in Nordrhein-Westfalen haben, und auf den wir stolz sein können.

Wenn nun Bayer mitteilt, dass man beabsichtige, im Jahre 2019 pro Aktie 1 Euro mehr zu zahlen und im Jahre 2020 rund 10 Euro pro Aktie zu zahlen – im Vergleich zu den 6,80 Euro, die für 2019 geplant sind –, dann ist das erst einmal eine gute Nachricht für Aktionäre.

Wenn man dann die zweite Schlagzeile liest, dass im Rahmen der Effizienz- und Strukturmaßnahmen rund 12.000 der weltweit 118.000 Arbeitsplätze wegfallen sollen, ein signifikanter Teil davon in Deutschland, dann kann man sich vorstellen, welche Standorte insbesondere betroffen sein werden. Ich denke, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen besonders davon betroffen sein werden.

Kolleginnen und Kollegen, gerade wir hier an diesem Industriestandort, am Gesundheits- und Pharmastandort Nordrhein-Westfalen, müssen jetzt sehr deutlich Flagge zeigen, wenn es darum geht, sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen einzusetzen, und wenn es darum geht, den Forschungsstandort Pharma in Nordrhein-Westfalen zu erhalten und diesen zu unterstützen.

(Beifall von der SPD)

Ja, wir können erst einmal mit der Information zufrieden sein, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen bis zum Jahre 2025 geben soll. Aber jeder abgebaute Arbeitsplatz bei Bayer bedeutet nicht nur abgebaut bei Bayer, sondern bedeutet auch bei Zulieferern, bei sonstigen Lieferanten einen Wegfall von Aufträgen, ein Einbrechen von Arbeitsplätzen und letztendlich eine Wertschöpfung, die verlorengeht.

Insbesondere die Städte, in denen sich diese Standorte befinden, die durch ihre kommunalen Einnahmen darauf angewiesen sind, wissen, was es bedeutet, wenn es diesen massiven Arbeitsplatzabbau gibt.

Deshalb ist es wichtig, dass wir gerade bei dieser Diskussion zum Thema „Haushalt“ heute noch einmal das Signal setzen, dass wir hier an der Seite der Betroffenen stehen müssen, dass wir für jeden einzelnen Arbeitsplatz kämpfen müssen, aber dass wir insbesondere auch einen enormen Beitrag dazu leisten müssen, dass der starke Forschungsstandort Bayer erhalten bleibt.

(Beifall von der SPD)

Nur wenn Forschung stattfindet, wird es auch nachhaltige Arbeitsplätze und eine nachhaltige Wertschöpfung in diesem Bereich geben. Deshalb müssen wir gemeinsam sehr darauf achten, was bei Bayer in den nächsten Monaten und in den nächsten Jahren passiert. Wir müssen alle gemeinsam an einer Seite stehen, um diesen Standort zu verteidigen, damit nicht nur diejenigen profitieren, die sich dann über eine Ausschüttung von 10 Euro freuen dürfen, sondern auch die 12.000 Mitarbeiter geschützt werden, die jetzt von einem Arbeitsplatzabbau bedroht sind.

(Beifall von der SPD)

In diesem Sinne appelliere ich hier an uns alle, die notwendige Solidarität des Hauses zu zeigen.

Herr Minister, ich hoffe auch, dass Sie als Arbeitsminister aktiv sein werden und entsprechende Gespräche einleiten, um deutlich zu machen, dass wir Entscheidungen, die einseitig sind, auch nicht akzeptieren können. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Neumann. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Schmitz.

Marco Schmitz (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein Tag, an dem zwei Herzen in unserer Brust schlagen. Denn wir haben heute zum einen die Nachricht erhalten, dass bei Bayer 12.000 Stellen abgebaut werden solle; der Kollege Neumann hat es gerade schon sehr ausführlich dargestellt. Zum anderen haben wir heute Arbeitsmarktzahlen präsentiert bekommen, die für Nordrhein-Westfalen die besten seit 1992 sind.

Wie ich sieht auch die CDU-Fraktion mit großer Sorge, welche Entscheidungen heute getroffen worden sind. Ich möchte nicht auf die wirtschaftlichen Entscheidungen eingehen, die Bayer getroffen hat, und darauf, woraus es resultiert, dass jetzt die Stellen abgebaut werden müssen. Ich glaube, das waren Managemententscheidungen.

Aber wir müssen zusehen, dass wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Stück weit Sicherheit geben. Ich bin sehr dankbar, dass der Betriebsrat und die Arbeitgeber zusammen entschieden haben, dass die 12.000 Stellen, die bis 2025 abgebaut werden, alle sozialverträglich abgebaut werden und es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird.

Nichtsdestotrotz handelt es sich bei diesen Arbeitsplätzen um Hochlohnarbeitsplätze, die sehr gut bezahlt sind. Wir alle kennen Bayer als Unternehmen und wissen, dass es dort Arbeitsplätze gibt, die ganze Familien ernähren, die lang und tief in der Region verwurzelt sind. In Deutschland wird vor allem die Region Leverkusen und Wuppertal betroffen sein.

Man muss aber auch dazu sagen: Bislang wissen wir noch nicht genau – die Meldungen sind ja erst ein paar Stunden alt –, wo diese 12.000 Stellen abgebaut werden sollen, ob das alles in Deutschland der Fall sein wird oder weltweit. So viel erst einmal dazu.

Ich möchte noch auf unseren Einzelplan eingehen, der extrem wichtig ist. Heute haben wir die aktuellen Arbeitsmarktzahlen bekommen – die besten Zahlen seit 1992. In Nordrhein-Westfalen liegt die Arbeitslosenquote bei nur noch 6,4 %. Wir haben inzwischen fast 7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Nordrhein-Westfalen. Aber – und das gehört zur Wahrheit auch dazu – es gibt immer noch große Unterschiede in den Regionen. In Münsterland liegt die Arbeitslosenquote bei 3,8 % und im Ruhrgebiet bei rund 9 %.

Eine große Freude bedeutet der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit, der schon im letzten Jahr begonnen hat. Ich möchte jetzt nicht so vermessen sein, das alleine auf die Politik der NRW-Koalition zurückzuführen. Sicherlich werden aber auch die Anstöße, die wir gegeben haben, und die Entfesselungspakete dazu geführt haben, dass Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen geschaffen worden sind, dass Bürokratie abgebaut wurde und somit Menschen wieder in Arbeit gekommen sind.

(Beifall von der CDU)

Vor allem für den Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit werden wir im nächsten Jahr rund 400 Millionen Euro in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung haben. Daher hege ich die Hoffnung, dass wir weiteres Geld nutzen können, um noch mehr Menschen, die heute noch nicht in der Lage sind, auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen, langfristig in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

Ein weiteres Programm, das wir im nächsten Jahr fortführen werden, ist unser Ausbildungsprogramm. Dafür stehen 2,6 Millionen Euro ESF-Mittel zur Verfügung, die wir nutzen werden, um vor allem benachteiligte Jugendliche in Arbeit zu bringen. Sie werden ganz eng begleitet; denn Arbeit ist – und das wiederholen wir in jeder Rede, die wir zum Thema „Arbeitsmarkt“ halten – der beste Schutz vor Hartz IV und vor dem Abrutschen in Armut.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ein weiterer Bereich, der der NRW-Koalition sehr am Herzen liegt, ist die Berufsanerkennung. Wir haben im letzten Plenum bereits dazu gesprochen und haben dabei deutlich gemacht, dass die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse dabei helfen kann, Fachkräfte für unser Land zu gewinnen. Wir müssen versuchen, hier Arbeit zu generieren; denn jeder Arbeitsplatz, der entsteht, zieht nachfolgende Arbeit mit sich, sodass noch weitere Arbeitsplätze entstehen.

Deswegen erstellen wir für das geplante Berufsanerkennungsgesetz eine Datenbank, wofür wir 300.000 Euro in die Hand nehmen, um die Anerkennung zu gewährleisten. Das ist ein Punkt, der mir sehr am Herzen liegt; denn ich glaube, dass dies eine Möglichkeit ist, noch mehr Arbeit zu generieren.

Ich komme zum letzten Bereich: Fachkräftesicherung und -qualifizierung. Auch im kommenden Jahr werden wir den Bildungsscheck Nordrhein-Westfalen weiter fördern. Wir haben die Einkommensgrenzen hochgesetzt, sodass jetzt noch mehr Beschäftigte davon profitieren können. Das wird ein Bereich sein, bei dem wir im Rahmen der Digitalisierung unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherlich fortbilden müssen, um sie fitzumachen für den Arbeitsmarkt.

Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben. Noch einen schönen Abend!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schmitz. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um das, was heute mit Bayer passiert ist, mal von der Dimension her einzuordnen: Die 12.000 Arbeitsplätze übersteigen die Gesamtzahl der Arbeitsplätze, die im Braunkohlerevier – und zwar in den nächsten 30 Jahren – abgebaut werden müssen.

(Zurufe von der CDU)

– Wer ist denn da schon wieder so nervös? – Das macht deutlich, dass man immer wachsam sein muss und dass die derzeit gute Konjunktur in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland jederzeit wieder in Gefahr geraten kann.

Was mit Monsanto und Bayer passiert ist, war ein Stück Ansage. Die Dimension mit 12.000 betroffenen Arbeitsplätzen erschreckt natürlich. Deswegen war ich einigermaßen überrascht, als in der Fragestunde zur Kohlekommission der Wirtschaftsminister zu Fragen der Strukturpolitik des Ruhrgebiets nichts, aber auch gar nichts anzubieten hatte, womit die Landesregierung in Berlin aufzuwarten gedenkt, um den notwendigen Strukturprozess im Ruhrgebiet – das ist eben auch von dem Kollegen von der CDU angesprochen worden –

(Zuruf von der CDU)

– Entschuldigung, Herr Schmitz – nach vorne zu bringen.

Herr Minister, Sie haben einige gute Sachen gemacht, die nicht typisch sind für die CDU: Sie haben den Passiv-Aktiv-Transfer vorangebracht; ich nenne auch das Bundesprogramm, das den sozialen Arbeitsmarkt betrifft. Das sind gute Impulse, und wir werden sehen, wie sich das ausgestaltet und wie es sich im Markt auswirken wird.

Das positive Bild, das Herr Schmitz gezeichnet hat, muss man jedoch differenziert betrachten. Gerade bei den Menschen mit Behinderung oder auch bei den Langzeitarbeitslosen gestaltet sich die Entwicklung beileibe nicht so positiv wie bei den anderen. Das macht deutlich, dass dort eine ganze Menge investiert und getan werden muss.

Ich erlaube mir – auch wenn die Ministerin jetzt nicht im Raum ist – eine Bemerkung zur Frauenförderung. Das war vorhin schon ein starkes Stück, zu behaupten, dass Rot-Grün – der Vorwurf muss ja immer kommen – nicht dafür gesorgt hätte, dass beim normalen Bewährungsaufstieg genug Frauen vorhanden wären, um in Spitzenpositionen berufen zu werden.

Sie bieten dann die Besetzung der Regierungspräsidien an. Eine politische Besetzung mit dem Karriereaufstieg zu vergleichen, ist erstens fachlich falsch und macht zweitens deutlich, dass Sie nicht verstanden haben, warum es da keine Frauen in Führungspositionen gibt – nämlich weil die Strukturen darunter einfach nicht bestehen.

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Das hat auch nie jemand behauptet! – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Deswegen habe ich wenig Hoffnung, dass sich in unseren Behörden in Nordrhein-Westfalen etwas Positives entwickeln wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

– Herr Kollege Witzel, eines muss ich mal sagen: Sie sind der Superexperte in diesem Bereich. Sie haben vor zwei Jahren gesagt, was alles nicht geht. Seitdem CDU und FDP hier regieren, hat sich nichts zum Positiven entwickelt, und Sie haben immer nur laute Worte zu machen! Sie haben null geliefert, was dieses Thema anbetrifft.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zurück zum Einzelplan 11 und weg von Herrn Witzel. Ich möchte, dass wir im Bereich Arbeitsmarktpolitik die möglichen positiven Ansätze – auch das, was auch vom Bund kommt – mit einer klugen und vernünftigen Strukturpolitik verbinden.

Deswegen war ich sehr entsetzt – Herr Minister, darüber haben wir mehrfach gesprochen –, dass Sie die Produktionsschulen eingestampft haben. Auch die Begründung entsetzt. Manchmal muss eine neue Regierung zwar auch neue Programme auflegen. Dass Sie aber der Auffassung sind, mit den Mitteln der Bundesagentur für Arbeit seien alle Menschen über 18 Jahre abgedeckt – das hat die CDU in den Anhörungen auch so betont –, kann ich überhaupt nicht verstehen.

Wir brauchen sehr intensive Unterstützung für unterschiedliche Personenkreise. Dazu gehören Menschen, die es – wie Sie es ausdrücken – schwer hatten und in der Schule keinen vernünftigen Abschluss zustande gebracht haben, die unter Depressionen leiden oder unter etwas anderem. Sie brauchen eine intensive Betreuung. Wir brauchen für den Einsatz Behinderter vor allem eine entsprechende Werbung, damit sie an Stellen kommen, und für Langzeitarbeitslose eine Perspektive auf mehr Stellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es lohnt sich: Wir reden über mehrere Hunderttausend Menschen; rechnen wir die Familien dazu, sind es fast 1 Million Menschen. Dafür müssen wir uns einsetzen. Das ist unser Job. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lenzen.

Stefan Lenzen (FDP): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Schmitz hat es schon ausgeführt; das ist alles nicht einfach. Wir wollten heute den Einzelplan 11 zum Bereich Arbeit beraten.

Zu dem Einzelplan habe ich vom Kollegen Neumann – wie ich vermute, auch aufgrund der Aktualität der Meldung zu Bayer – kein direktes Wort vernommen. Man kann das vielleicht auch positiv sehen, dass er da nichts zu kritisieren hatte. Zugleich eint uns in diesem Hohen Hause angesichts der Meldung das Bedauern darüber, dass 12.000 Arbeitsplätze bei Bayer abgebaut werden sollen. Das nimmt man nicht einfach mal so zur Kenntnis.

Bevor jetzt in der Opposition das erste Krakeelen losgeht, ist es wichtig zu betonen: Wir wollen und sollen nicht einfach in Entscheidungen von Unternehmen eingreifen. Als Politik aber haben wir jedoch die Aufgabe, mögliche Folgen abzumildern.

(Zurufe von der SPD)

– Da kann man natürlich dazwischenquatschen; man könnte aber auch einfach mal zuhören.

Genauso wichtig ist es – in ihrer Zielsetzung hält die NRW-Koalition daran fest; das zeigt auch die heutige Meldung: auf der einen Seite die guten Arbeitsmarktdaten, auf der anderen Seite die Schreckensmeldung von Bayer –, so vielen Menschen wie möglich in unserem Land diese Teilhabe zu ermöglichen. Wir sehen Arbeit als Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe an.

So war es richtig – und es zeigt sich jetzt, dass wir auf dem richtigen Weg sind –, zum Beispiel ein Ausbildungsprogramm für 1.000 zusätzliche Ausbildungsplätze für besonders benachteiligte Jugendliche auf den Weg zu bringen. Genauso richtig ist es, einen Schwerpunkt darauf zu legen, wie wir noch mehr geflüchtete Menschen in Arbeit und Ausbildung integrieren können. Richtig ist es auch, im Haushalt 50 Millionen Euro für die Qualifizierung junger Geflüchteter zu veranschlagen. – Das sind nur ein paar Beispiele dafür, dass das – unabhängig von der heutigen Bayer-Entscheidung – richtige Maßnahmen sind.

Die Landesförderung im Zusammenhang mit den ESF-Programmen neu auszurichten, wie es mit den zusätzlichen Ausbildungsplätzen eben schon skizziert wurde, war ebenso richtig.

Es gibt einen klaren Unterschied zwischen der NRW-Koalition und der rot-grünen Opposition:

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Da sind wir aber gespannt, was jetzt kommt!)

Wir verlieren nicht den ersten Arbeitsmarkt aus dem Auge. Für uns liegt der Fokus immer auf dem ersten Arbeitsmarkt. Dort wollen wir an erster Stelle ansetzen.

(Zurufe)

– Sie können natürlich weiter dazwischenschreien; ich habe es vernommen.

Wir haben aber, wie der Kollege Schmitz ausgeführt hat, schon einiges auf den Weg gebracht: Wie können wir berufliche Qualifikationen besser feststellen? Wie können wir die Anerkennung von Abschlüssen beschleunigen? Wie können wir die Potenziale der Menschen, ihre Fähigkeiten und Qualifikationen besser nutzen? Wie können wir ihre Abschlüsse bewerten? Da müssen wir schneller und effizienter werden.

Deswegen ist es richtig, dass wir in diesem Haushalt – und das hat es in diesem Zusammenhang bisher nicht gegeben – eine Datenbank auf den Weg bringen werden, in der die ausländischen Berufsabschlüsse im Vergleich zu den deutschen Berufsbildern systematisch erfasst werden. Dafür stellen wir 300.000 Euro zusätzlich bereit.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Es geht um eine einheitliche und schnellere Bearbeitungspraxis. Das ist eben praktische Politik. Man kann entweder bedauern und die Hände in den Schoß legen, oder man kann handeln. Letzteres macht die NRW-Koalition.

In der Debatte über die öffentlich geförderte Beschäftigung sollte man die aktuellen Zahlen von heute vernommen haben. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist von 300.000 mit Antritt vom letzten Jahr auf heute knapp über 250.000 gesunken.

Natürlich bedauern wir, dass der Bund mit dem Teilhabechancengesetz unsere Spielräume bei der Integration von Langzeitarbeitslosen so stark einschränkt. Da hätten wir uns mehr gewünscht. Wir wissen auch, dass sich unser Arbeitsminister dafür entsprechend eingesetzt hat. Daraus machen wir keinen Hehl. Das hat er auch in der letzten Ausschusssitzung wieder klar deutlich gemacht.

Es gibt aber einen klaren Unterschied im Vergleich zum letzten Jahr, als unser Arbeitsminister gesagt hat: Wir wollen mit diesen Modellprojekten, mit denen wir im Land etwas erproben, neue Impulse setzen. Dann nehmen wir uns doch ein Beispiel an dem Dortmunder Projekt, und die anderen haben sich danach auszurichten.

Wir sagen klar: Der Fokus liegt auf dem ersten Arbeitsmarkt. Wir wollen Private einbinden, und wir wollen eben nicht das, was Sie wollen, nämlich diesen zu 100 % rein öffentlich geförderten Arbeitsmarkt. Was Sie unter sozialem Arbeitsmarkt verstehen, das führt in eine sozialpolitische Sackgasse.

(Beifall von der FDP – Sarah Philipp [SPD]: Was für ein Schwachsinn!)

Wir sehen es mit einer gewissen Sorge, wenn man sich beim Teilhabechancengesetz Ihres Arbeitsministers an den Tariflöhnen orientiert. Das erschwert eher die Förderung der Beschäftigung in den ersten Arbeitsmarkt der privaten Unternehmen. Da ist es auch für uns mehr als schwierig, zu sagen:

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Stefan Lenzen (FDP): Es ist wenig effizient, ein eigenes Landesprogramm abweichend von den Förderinstrumenten separat zu finanzieren. Da hätte man vom Bund doch ein bisschen mehr an Öffnungsmöglichkeiten und Spielräumen für uns erwartet. Dann hätten wir im Land auch auf unsere Gegebenheiten reagieren und unsere Erfahrungen aus den Modellprojekten dorthin überführen können.

In diesem Sinne möchte ich mich für die konstruktive Zusammenarbeit im Ausschuss und mit dem Ministerium für das jetzt bald abgelaufene Jahr bedanken.

Ein Gedanke eint uns: Wir möchten uns gemeinsam für Arbeitsplätze einsetzen; wir wollen sie sichern und erhalten. Darauf können wir jetzt konstruktiv aufbauen. Ich wünsche noch gute Beratungen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Danke schön!

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Vincentz.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist gar nicht so einfach, diesen Haushalt im Bereich Arbeit zu kritisieren.

Das liegt zum einen sicherlich mit daran, dass viele Fixkosten dabei sind. Das bedeutet, von der Bundesebene wird viel einfach durchgereicht. Dieses große Stück vom Kuchen – wenn man es als Kuchendiagramm im Haushalt darstellt – wird irgendwann sehr klein, wenn man die Dinge wegnimmt, die im Land NRW einfach an uns vorbeigereicht werden. Angesichts des großen Arbeitsmarkts Nordrhein-Westfalen entspricht der Teil, den wir als Land wirklich bewegen können, die Impulse, die wir setzen können, eher einer Akzentsetzung.

Zum andern muss man leider auch zugeben, dass der Minister eine sehr gute Arbeit macht. Das beinhaltet zwei Dinge. Erstens sagt er relativ selten „NRW-Koalition“. Er spricht relativ wenig von „weltbester Gesundheit“ oder „weltbester Arbeit“. Zweitens – das hat der Kollege Lenzen eben schon ganz gut ausgeführt – ist die Fokussierung auf den ersten Arbeitsmarkt gesetzt. Das war in der Vergangenheit – wenn man über die Theorie von Arbeit spricht – ein bisschen aus dem Fokus geraten.

Worum geht es denn eigentlich? – Arbeit bedeutet Teilhabe. Wenn wir uns daran erinnern, wie unsere Vor-, Vor-, Vor-, Vor-, Vorfahren gelebt haben, wissen wir, dass der Mensch die meiste Zeit eher relativ primitiv gelebt hat. Wenn man in die Evolutionsbiologie schaut, findet man eher die Dinge, die den modernen Menschen ausmachen.

Da stellen wir fest: Arbeit zu haben, bedeutet zugleich, etwas Produktives für die Gemeinschaft zu tun und ein Teil der Gemeinschaft zu sein. Das heißt übersetzt: Das Produktive, das ich bei der Arbeit leiste, ist mein Teil an der Gesellschaft, den ich innehabe. Das dürfen wir nicht aus dem Fokus verlieren.

Es geht nicht nur darum, einer Arbeit nachzugehen. Ich kann Ihnen als Arzt sagen: Es geht vielfach nicht darum, in irgendeiner Beschäftigung zu stehen. Viele Leute haben heutzutage einen Bore-out – das heißt, sie langweilen sich in die Depression – oder verstehen gar nicht mehr, was sie bei der Arbeit machen und haben auch dadurch Probleme. Es geht nicht nur darum, überhaupt eine Arbeit zu haben, sondern es geht um das Gefühl, dass man etwas Produktives macht, dass man etwas für die Gesellschaft tut und das, was man macht, auch einen gewissen Sinn hat. Von daher ist der Fokus auf den ersten Arbeitsmarkt sehr gut.

Trotzdem wären wir nicht Opposition, wenn wir nicht etwas kritisieren würden. An dieser Stelle möchte ich Einstein zitieren: Man löst keine Probleme mit denselben Gedanken, mit denen sie entstanden sind. – Das ist das, was ich Ihnen an dieser Stelle vorwerfen muss. Es gibt nach den zwei Haushaltsdebatten noch zu wenig Mut, sich von dem Rot-Grünen loszusagen und eine eigene schwarz-gelbe Fußnote zu hinterlassen und etwas ganz Neues zu wagen.

Die Probleme, mit denen wir es jetzt zu tun haben, sind von einer Größe und Tragweite – seien wir ehrlich, mit Industrialisierung 4.0 und allem, was da auf uns zurollt –, dass wir neue Ideen haben müssen, wenn wir sie bewältigen wollen. Das werden wir mit den alten Konzepten wahrscheinlich nicht lösen können. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Vincentz. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Laumann das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Stichworte „Bayer“ und „Arbeitsmarktzahlen in Nordrhein-Westfalen von heute“ kann man einfach mit dem Sprichwort umschreiben: Freud und Leid liegen manchmal sehr nah beieinander.

Ich kann das Thema „Bayer“ als Arbeitsminister heute nicht beurteilen, weil ich diese Nachricht selbst erst seit wenigen Stunden kenne. Natürlich werden wir uns darum kümmern, weil wir im Arbeitsministerium jeden industriellen Arbeitsplatz in Nordrhein-Westfalen besonders wertschätzen und industrielle Strukturen in Nordrhein-Westfalen behalten wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir werden in wenigen Tagen unsere letzten Steinkohlezechen in Nordrhein-Westfalen schließen. Damit nehmen wir Abschied von einer gewaltigen Industrievergangenheit, der dieses Land viel zu verdanken hat. Die Braunkohle ist in der Diskussion, wie Sie wissen. Wenn Sie mal schauen, wie lange der sozialverträgliche Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau gedauert hat, dann müssen Sie auch verstehen, dass der Arbeitsminister darauf achten muss, dass wir auch den Kolleginnen und Kollegen in der Braunkohle eine ähnliche Phase des Ausstiegs ermöglichen müssen. Das ist zumindest mein Standpunkt.

(Beifall von der CDU)

Das Thema „Bayer“ zeigt mir auch, dass wir in der Politik auf einem guten Weg sind, wenn wir vor allen Dingen auf die inhabergeführten Familienbetriebe gewerblicher und industrieller Art setzen, auf Unternehmerstrukturen, die lebenslang Deutschland gebucht haben und nicht so mit den Arbeitsplätzen umgehen, wie es bei Konzernen im Allgemeinen der Fall ist.

(Beifall von der CDU und der AfD)

Das ist ein zentraler Punkt der Politik von CDU und FDP hier in Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf von der SPD: Von der FDP? Weiß ich nicht!)

Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, der mir sehr wichtig ist. Wir haben in diesem Haushalt die Debatte der Schulsozialarbeit bis 2022 abgesichert, immerhin mit einem Volumen von rund 47 Millionen Euro.

Über einen Änderungsantrag der Fraktionen bekommen wir rund 50 Millionen Euro zusätzlich in den Haushalt, um uns mit den Schulabschlüssen von geflüchteten Menschen zu beschäftigen. Sie kennen die Debatte: längere Schulpflicht für die über 18-Jährigen.

Ich bin Herrn Dr. Stamp als Integrationsminister dankbar dafür, dass wir mit diesem Geld gemeinsam Menschen, die damals zu uns gekommen sind, zu Schulabschlüssen bringen. Schließlich ist der Schulabschluss die Voraussetzung dafür, dass wir sie in eine qualifizierte Ausbildung bekommen. Es ist wie immer in der Integrationspolitik: Das Ergebnis zählt, und das Ergebnis „Integration“ ist erst dann vollendet, wenn wir die Menschen auch in Arbeit bringen. Hier wird ein neuer Schwerpunkt unseres Ministeriums zusammen mit dem Integrationsministerium liegen.

Wir haben das Werkstattjahr und den Passiv-Aktiv-Transfer durchgesetzt. Wir werden schon in diesem Jahr wesentliche Akzente für Menschen setzen können, die seit Jahren ohne Teilhabe an Arbeit sind.

Im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Behinderten – bei behinderten Menschen ist die Arbeitslosigkeit höher als bei nicht behinderten – möchte ich darauf hinweisen, dass wir in der Landesregierung einen Kabinettsbeschluss gefasst haben: 5 % aller Einstellungen werden mit Behinderten vorgenommen. Das hat bislang noch keine Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gemacht. Wir gehen auch bei der Integration von Menschen mit Handicaps in unseren Arbeitsmarkt mit einem guten Beispiel voran.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben heute in dieser Debatte viel über die Beteiligung von Frauen an Führungspositionen in Ministerien geredet. Dazu sage ich nur, dass im MAGS jede zweite Referatsleiterin eine Frau ist. Im MAGS haben wir entschieden, eine sehr wichtige Abteilung, nämlich die Arbeitsabteilung, mit einer Frau zu besetzen, nachdem der Vorgänger in Rente gegangen ist.

Auch diese Frage ist also – das sollte man mir gar nicht zutrauen – bei uns in allerbesten Händen.

(Beifall von der CDU)

Wir fördern die Menschen nach ihren Qualifikationen. Ich glaube, wir haben in unserem Ministerium sehr viele Frauen, die fachlich genauso versiert sind wie viele Männer. Deswegen gestaltet sich das alles gut.

Zum Schluss dieser Debatte sollten wir auch noch sagen, dass wir uns nächstes Jahr, aber auch in den weiteren Jahren, mit einer großen Aufgabe beschäftigen müssen, die vor uns liegt. Wir werden uns im Arbeitsministerium erheblich mit der Frage auseinandersetzen müssen: Wie gestalten wir den Prozess der Digitalisierung? Das bezieht sich nicht allein auf die Technik, sondern vor allem auf einen anderen Aspekt: Wie werden die real existierenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Wirtschaft auf dem Weg der Digitalisierung durch die Arbeitgeber und durch die Unternehmensleitungen mitgenommen?

Da finden wir in Nordrhein-Westfalen sowohl mit der Arbeitgeber- als auch mit der Gewerkschaftsseite eine sehr gute Zusammenarbeit vor. Damit wird deutlich, dass Nordrhein-Westfalen auch unter meiner Führung im MAGS das Land der sozialen Partnerschaft bleibt. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat noch einmal Herr Kollege Mostofizadeh das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Vielen Dank, Herr Minister! Die Fokussierung auf das Thema „Menschen mit Behinderung“ muss ich ausdrücklich loben – das ist eine sehr gute Ansage. Das ist nur leider in den anderen Reden nicht vorgekommen. Sie, Herr Minister, haben uns da ganz an Ihrer Seite.

Ich habe mich auch wegen einer Bemerkung des Kollegen Lenzen noch einmal gemeldet, die wirklich deutlich macht, was uns da unterscheidet. – Er hat gesagt: Wenn bei Bayer 12.000 Menschen entlassen werden, dürfen wir uns in die unternehmerische Entscheidung nicht einmischen, sondern wir müssen dafür sorgen, dass die Folgen abgemildert werden.

Nein, wir müssen um jeden Arbeitsplatz kämpfen! Bei General Electric war es so, dass wir uns sehr wohl in die Entscheidung eingemischt und mit der Unterstützung des Betriebsrats dafür gesorgt haben, dass eine andere Lösung auf den Tisch kam. Man kann politisch sehr wohl etwas tun, damit Industriearbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen erhalten bleiben können. Das unterscheidet uns von Ihnen.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat es der Minister nicht immer ganz so leicht in dieser Koalition.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Wir hoffen, dass er sich mit dieser Position immer wieder durchsetzt. Ich halte es für grundfalsch, dass das Unternehmen entscheidet und der Staat und die Gesellschaft die Folgen tragen müssen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache zu Teil a) im Einzelplan 11.

Ich rufe auf:

 

b) Soziales

Ich eröffne die Aussprache. Erneut hat Herr Kollege Neumann für die SPD-Fraktion das Wort.

Josef Neumann (SPD): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich an das anknüpfen, was eben gesagt wurde. Ja, es ist ein Tag von Freud und Leid. Diejenigen, die auf dem sehr guten Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen einen Job haben, wären sehr froh, wenn sie von diesem Job auch leben könnten, ohne dass sie jeden Monat zu Zehntausenden zum Amt laufen müssen, weil sie Aufstockerinnen und Aufstocker sind, deren Verdienst nicht ausreicht, um davon zu leben. Auch das gehört zur Wahrheit dazu, wenn man über das Thema „Mehr Arbeitsplätze, die gerade geschaffen werden“ spricht.

(Beifall von der SPD)

Ich bin froh, Herr Minister, dass Sie vorhin das Thema „Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung“ angesprochen haben. Ich gehe davon aus, dass Sie uns in Kürze berichten werden, wie viele neue Stellen in Ihren Ministerien geschaffen werden, wenn 5 % der Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung vorgesehen sind. Das wird sicher spannend werden!

Viel wichtiger fände ich es noch im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung, dass das Land Nordrhein-Westfalen zum Beispiel beim Ausbau der Integrationsunternehmen nicht nur darauf setzt, dass die Integrationsämter eigene Gelder in die Hand nehmen; vielmehr wäre es sinnvoll, den Haushaltsansatz dafür so zu erhöhen, dass die Zahl entsprechend steigen kann. Das vermisse ich.

Sie haben beim Thema „Menschen mit Behinderung“ noch einen Aspekt vergessen, der unter dem Stichwort „Soziales“ sehr wichtig ist, und zwar das, was Ihnen das Institut für Menschenrechte ins Stammbuch geschrieben hat: Die Bewusstseinsbildung für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonven-tion und für die Inklusion in Nordrhein-Westfalen leidet massiv darunter, dass sie nicht stattfindet. Das ist der Grund, warum wir beantragt haben, zusätzliche Mittel bereitzustellen, um diese Bewusstseinsbildung zu schaffen.

Ein weiterer Aspekt: Nicht nur schön reden und auf einzelne Aspekte hinweisen, sondern diese auch in den entsprechenden Bereichen umsetzen. Das wäre sehr wichtig.

Lassen Sie mich noch einen zweiten wichtigen Punkt im Bereich „Soziales“ nennen: das ist die zunehmende Armut, insbesondere die Kinderarmut in diesem Land. Sie hätten in diesem Haushalt die Chance gehabt, mit dem Modell „Kindergrundsicherung“ ein deutliches Signal gegen Kinderarmut in diesem Land zu setzen.

Sie hätten die Chance gehabt, zu sagen: Ja, wir probieren aus, wie der Kampf gegen Kinderarmut aussehen kann. – Aber Pusteblume! Sie verbleiben bei dem, was Sie beim ESF haben; Sie machen große Ankündigungen und verteilen Schecks gegen Kinderarmut – leider ohne Erfolg. Das Niveau ist weiterhin relativ gering.

(Beifall von der SPD)

Das ist Ihre Sozialpolitik!

Wenn wir über die Armut und die Begrenzung dieser Armut sprechen, dann müssen wir auch eine passende Debatte führen: Was passiert eigentlich bei der Bekämpfung der Ausgrenzung in den Quartieren? Da haben Sie zugelassen, dass der Bereich „Ausbau der sozialen Quartiere“ aus Ihrem Ministerium herausfiel. Das ist jetzt in einem Ministerium angesiedelt, welches dafür nicht zuständig ist. Dort versucht man jetzt, mit eigenen Mitteln etwas aufzubauen, was vorher schon mal existiert hat.

Sozialpolitik fängt da an, wo diese Menschen wohnen. Dass Sie zugelassen haben, dass die Quartiersarbeit im Kampf gegen Armut und gegen Ausgrenzung nicht mehr im Sozialministerium angesiedelt ist, ist peinlich für dieses Land.

(Beifall von der SPD)

Lassen Sie mich zum Schluss einen Punkt im Zusammenhang mit Alter und Demografie ansprechen. Wenn sich im Land Nordrhein-Westfalen 10.000 Menschen in 200 Gruppen, die sich ZWAR nennen, in 70 Kommunen ehrenamtlich engagieren und bürgerschaftliches Engagement zeigen – 10.000 Personen – und dann angekündigt wird, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Förderung für diese Gruppen einstellt, dann ist die Glaubwürdigkeit beim Thema „Pflege und Demografie“ sehr stark beschädigt.

(Beifall von der SPD)

Dann muss man nicht in jeder Rede erklären, wie wichtig das ist, und einen Ansatz von 600.000 Euro für 10.000 engagierte Menschen streichen und dann sagen: Na ja, weil eventuell eine Gruppe da oder dort nicht gegründet wurde … Nein, ein großes Zeichen wäre es gewesen, den demografischen Wandel genau mit diesen Menschen, die sich engagieren, zu begleiten und auf den Weg zu bringen!

(Minister Karl-Josef Laumann: Oh, oh!)

Es ist schade, dass Sie beim Werkstattjahr an etwas Altes anknüpfen und es uns als neu verkaufen, während Sie bei ZWAR, das Sie mit geschaffen haben, diesen Weg leider nicht gehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Neumann. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU Frau Kollegin Oellers das Wort. Bitte schön.

Britta Oellers (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann jetzt erkennen, wie groß der Bereich „Soziales“ ist. Ich nehme auch noch andere Aspekte in den Blick.

Als NRW-Koalition sind wir im letzten Jahr angetreten, Dinge besser zu gestalten, als es die Vorgängerregierung getan hat. Dies gilt auch für den Sozialbereich.

Wir gehen das ungerechte Ausbildungssystem im Bereich der Gesundheitsberufe an. Perspektivisch hat die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Schulgelder in den nichtakademischen Gesundheitsberufen gänzlich abzuschaffen.

(Beifall von der CDU)

Kurzfristig wird die NRW-Koalition nun 70 % des zu zahlenden Schulgeldes für die angehenden Physio‑ und Ergotherapeuten, Logopäden, PTA und andere Gesundheitsberufe übernehmen. Das sind zusätzlich 25 Millionen Euro jährlich, die wir dafür im Haushalt bereitstellen.

(Beifall von der CDU)

Mit dieser Maßnahme gehen wir weiter als bisher und schaffen damit eine moderne Weiterentwicklung dieses Berufsfeldes. Denn in einer alternden Gesellschaft brauchen wir vor allem eines: gut ausgebildetes Personal – nicht nur im Bereich der Gesundheitsberufe, sondern auch in der Altenpflege.

Deshalb geben wir zusätzlich 22,5 Millionen Euro in die Schulkostenpauschale zur Stärkung der Fachseminare für die Altenpflege und erhöhen die monatliche Pauschale pro Schülerin und Schüler von 280 Euro auf 380 Euro. Das ist ein überfälliges Signal für die Altenpflegeausbildung.

(Beifall von der CDU)

Wir stellen damit auch sicher, dass sich die Fachseminare auf die Reform der Pflegeberufe und die Zusammenführung der drei bisher getrennten Ausbildungen zur Alten‑, Kranken‑ und Kinderkrankenpflege ab 2020 zu einer gemeinsamen Ausbildung vorbereiten können.

Die NRW-Koalition behält darüber hinaus auch die Menschen im Blick, die Hilfe und Unterstützung benötigen. Deshalb leiten wir gezielt ESF-Mittel und Landesmittel in Form des Programms „Zusammen im Quartier – Kinder stärken, Zukunft sichern“ in Höhe von 8 Millionen Euro weiter zugunsten von Kindern und Jugendlichen, die besonders von Armut bedroht sind.

Hilfe sollte direkt bei den Betroffenen ankommen. Daher werden wir auch den Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“ sowie das Aktionsprogramm „Hilfe in Wohnungsnotfällen“ mit jeweils 1 Million Euro fortführen.

Erwähnt werden soll auch, dass die Förderung der Wohlfahrtspflege auf dem bisherigen Niveau fortgeschrieben wird. Die Wohlfahrtsverbände sind wichtige Stützpfeiler unseres Sozialsystems und verdienen diese Wertschätzung für ihre Arbeit.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das musstet ihr auch erst erkennen!)

Für den Bereich der Inklusion möchte ich die Zahl 98 Millionen Euro stellvertretend für die vielen anderen Förderungen im Sinne einer inklusiven Gesellschaft herausgreifen. Diese Summe stellt das Land dem ÖPNV im Rahmen der Erstattung der Fahrgeldausfälle zur Verfügung, um die Mobilität von Menschen mit Behinderungen sicherzustellen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist eine Pflichtaufgabe!)

Meine Damen und Herren, die NRW-Koalition hält auch sozialpolitisch, was sie versprochen hat. Wir schaffen neue Anreize, um die zukunftsweisenden Berufe zu qualifizieren und den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft entgegenzutreten. Wir sorgen weiterhin dafür, dass Unterstützung bei denen ankommt, die in unserer Gesellschaft auf Hilfe und Schutz angewiesen sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Oellers. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Mostofizadeh das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Oellers, die Fahrgeldmittel sind eine Pflichtaufgabe. Das hervorzuheben ist etwa so, als würden wir die Hartz-IV-Leistungen auch noch als besondere Leistung im Haushaltsplan herausstellen. Aber sei‘s drum. Das ist nicht der wichtigste Punkt, den ich ansprechen wollte.

Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen, bei denen die Strukturen – Sie haben vorhin die Menschen mit Behinderung angesprochen – auch außerhalb des Haushalts in diesem Jahr massiv verschlechtert worden sind.

Das war bei der Verabschiedung der Landesbauordnung der Fall. Da hat sich diese Koalition dafür entschieden, dass man mehr bauen möchte – das ist ja auch in Ordnung –; aber man hat die Standards so gewählt, dass Menschen mit Behinderung …

Wir hatten gestern noch eine Gruppe von der Lebenshilfe aus Essen bei uns zu Besuch, die sehr klar reklamiert hat: Sie suchen seit Jahren Wohnungen und bekommen sie schlicht nicht. Diese Bedingungen sind in Nordrhein-Westfalen noch einmal ohne Not verschlechtert worden. Das lehnen wir sehr klar ab, lieber Herr Minister und liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament.

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, zu dem der Kollege Neumann eben schon ausgeführt hat: das Alter. Beim Thema „Quartier“ geht es nicht nur darum, ob das bei Ihnen im Ministerium stattfindet oder nicht. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass das völlig aus dem Fokus geraten ist.

„Quartier“ heißt nicht, so ein bisschen daran herumpäppeln. Wir haben in diesem Jahr das Bundesteilhabegesetz verabschiedet. Das bietet die Möglichkeit, entweder individuelle oder auch gemeinschaftliche Leistungen anzubieten.

Vielleicht könnte ein guter Dezernent darauf kommen, dass es eine ganz schlechte Idee wäre, Assistenzleistungen für Einzelne zu verausgaben, die sehr teuer sind, die man möglicherweise mit einem ansprechenden ÖPNV und einer Mobilität für Menschen mit Behinderungen ganz anders darstellen könnte.

Diese lebensweltliche Sicht ist in Nordrhein-Westfalen zunehmend verloren gegangen. Das ist eine echte Bedrohung für Menschen, die Mobilitätsschwierigkeiten haben, und das finde ich sehr bedauerlich, Herr Minister.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen haben wir auch beantragt, für den Landesförderplan „Alter und Pflege“ 4 Millionen Euro zusätzlich bereitzustellen.

Eine besondere Posse in diesem Jahr war, dass Sie den Wohlfahrtsverbänden 2 Millionen Euro weggenommen haben. Dazu habe ich schon bei der letzten Beratung gesagt: Das bekommen die sowieso wieder, und so ist es auch gekommen. Die Koalitionsfraktionen konnten nicht anders: Die 2 Millionen Euro haben Sie sich gut erschlichen. Sei‘s drum.

Einen Punkt möchte ich noch klarstellen – der Kollege Klenner ist Gott sei Dank noch im Raum –: Als ich eben von General Electric sprach, meinte ich natürlich eine Gemeinschaftsleistung von Kollegen aus Mönchengladbach und dem Arbeitsministerium, die sich darum gekümmert haben.

Das macht deutlich, dass man auch überparteilich an solchen Themen arbeiten kann. Ich wollte das in keiner Weise für meine Fraktion reklamieren, sondern deutlich machen, dass es sich lohnt, mit Unternehmen zu sprechen, um Standorte zu kämpfen und dafür zu sorgen, dass es vielleicht – das hoffe ich zumindest – eine andere Zukunft gibt als die schlichte Schließung, die am Anfang im Raum stand.

(Beifall von den GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte ich noch einmal die Gesundheitsberufe ansprechen, wobei das auch im nächsten Teil thematisiert wird.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass Sie sich anstrengen, die Schulgebühren abzuschaffen. Wenn das schrittweise geschehen muss, ist das auch in Ordnung. Ich hoffe nur, dass das jetzt ein wenig schneller geht. Die Frage ist, wie die Qualitätsstandards aussehen.

Ein Punkt hingegen hat sich eher noch verschärft, und das ist die Altenpflegeausbildung. Ich habe bei der letzten Plenarsitzung relativ massiv insistiert, dass man doch die 20 Millionen Euro, die noch fehlen, einsetzen müsse, um mit einer Erhöhung von 380 Euro auf 480 Euro eine relative Gleichstellung mit der Krankenpflegeschule zu erreichen.

Sie haben daraufhin gesagt, das Geld reiche einfach nicht, und ich habe Ihnen entgegnet, das sei eine einmalige Angelegenheit, um diese Angleichung hinzubekommen.

Jetzt stellen wir fest, dass die Koalitionsfraktionen es allen Ernstes nach dieser Lesung von vor zwei Wochen bis heute geschafft haben, rund 400 Millionen Euro aus einer Rücklage herauszunehmen, um das zu finanzieren. Klassischer kann man das doch gar nicht anbieten.

Eine Übergangsfinanzierung aus der Rücklage ist natürlich alles andere als solide. Dass das Sozialministerium nicht zugegriffen und den Koalitionsfraktionen deutlich gemacht hat „Wir hängen ganze Teile der Altenpflegeausbildung ab, also nehmt das Geld, stellt sie gleich und sorgt dafür, dass die Generalistik in Nordrhein-Westfalen vernünftig ausgestattet ist“, finde ich außerordentlich bedauerlich.

Wir werden im nächsten Teil noch einiges zum Thema „Gesundheit“ sagen. Herr Minister, ich würde mich freuen, wenn wir im nächsten Jahr – dieses Jahr wird es nicht mehr funktionieren – beim Thema „Altenpflege“ ein ganzes Stück weitergingen und die Koalition sich wieder mit den Inhalten auseinandersetzen würde, damit das Quartier und die lebensweltliche Betrachtung in den Fokus geraten. Ich freue mich deshalb auf die Beratung im nächsten Jahr. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Lenzen das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Stefan Lenzen (FDP): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! In einem Punkt gebe ich dem Kollegen Mostofizadeh recht, nämlich dass wir die Unternehmen im Gegensatz zu den Grünen nicht gleich verstaatlichen wollen und danach schreien, das müsse vom Staat geregelt werden.

(Beifall von der FDP)

Das ist ein klarer Unterschied.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

– Jetzt geht wieder das Gegröle aus der hinteren Reihe los. Das kennen wir.

(Beifall von der FDP – Norwich Rüße [GRÜNE]: Nein!)

Das sind immer sehr sachliche Beiträge.

Ich komme jetzt wieder auf den Einzelplan 11 und den Bereich „Soziales“ zu sprechen. Meine Vorredner Neumann und Oellers haben deutlich gemacht, dass Armut von Kindern und Jugendlichen die Sozialpolitik vor eine große Herausforderung stellt.

Man kann aber nicht einfach so tun, als würden wir in dieser Hinsicht keine eigenen Akzente setzen. Gerade mit dem neuen Landesprogramm „Zusammen im Quartier – Kinder stärken – Zukunft sichern“ setzen wir mit immerhin 8 Millionen Euro aus Landes‑ und EU-Mitteln durchaus ein klares Zeichen. Dazu werden wir gleich sicher noch etwas von unserem Sozialminister hören.

Wir fördern Kinder, Jugendliche und Familien gerade in Stadtteilen mit besonderen sozialen Problemlagen mit passgenauen Angeboten. Das machen wir auch im Bereich der Kitas und Schulen und in der Sozialarbeit, insbesondere was Ernährung, Gesundheit, Bewegung und Bildung angeht.

Jeder, der die Haushaltsberatungen gestern und heute verfolgt hat, hat mitbekommen, dass wir Freien Demokraten, aber auch die NRW-Koalition, unter Sozialpolitik ein bisschen mehr verstehen, als dass der Staat eingreifen muss.

Es geht vielmehr zum Beispiel darum – dazu hat der Kollegen Hafke bereits ausgeführt –, wie wir mit den Kitas umgehen. Die Kollegin Müller-Rech hat es im Bereich Schule und Bildung deutlich gemacht, und wir werden es im Anschluss auch bei der Kollegin Schneider hören.

Wir verfolgen bei der Sozialpolitik einen ganzheitlichen Ansatz. Das mag Ihnen nicht passen, denn Sie haben die Scheuklappen auf und betrachten nur einen Ausschnitt, aber das muss nicht unser Problem sein.

(Beifall von der FDP)

Das zeigt, dass die NRW-Koalition die Probleme konkret und ohne ideologische Scheuklappen anpackt. Das ist ein entscheidender Unterschied. Wir helfen mit gezielten Maßnahmen.

Gerade bei der Bekämpfung der Kinderarmut ist es interessant, zu erklären, dass nicht nur die Schulsozialarbeit – befristet bis 2018 – eine wichtige Rolle spielt. Wer hat sie abgesichert? Wer musste erst die Regierung übernehmen? – CDU und FDP haben die Schulsozialarbeit in den Kommunen jetzt bis 2022 abgesichert.

Ein zweiter wichtiger Aspekt – das haben wir hier auch schon einmal diskutiert; dabei geht es nicht um Lippenbekenntnisse, sondern um konkretes Handeln – ist die Obdachlosigkeit. Wir wissen: Das wird ein zunehmendes Problem.

(Sarah Philipp [SPD]: Wenigstens das!)

Im Jahr 2017 waren 32.000 Personen als wohnungslos gemeldet. Eine besondere Gruppe sind wohnungslose Frauen. Wir werden entsprechende Akzente im Haushalt setzen, um die Wohnungslosigkeit zu bekämpfen. In der dritten Lesung werden wir noch einiges dazu erörtern.

Wir sind bereits in guten Gesprächen und prüfen, welche weiteren finanziellen Möglichkeiten genutzt werden können. Die NRW-Koalition wird auch dieses Thema im Sinne einer verantwortungsvollen und zielgerichteten Sozialpolitik aufgreifen.

Ich möchte auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen – der Kollege Mostofizadeh hat es als Posse dargestellt –, den Sie vielleicht nicht gerne hören mögen. Lassen Sie uns einmal einen Blick auf die letzte Debatte werfen und darauf, wer hat schon alles bei der Globaldotation der Freien Wohlfahrtspflege gekürzt oder eine Kürzung zurückgenommen hat.

Ich glaube, gerade Rot-Grün kann nicht behaupten, Sie hätten in dieser Hinsicht nie etwas getan. Zumindest hat der Sozialminister einen konkreten Ansatz genannt. Trotzdem haben wir als NRW-Koalition gesagt: Das bekommen wir auch so hin.

Dann haben wir entsprechend reagiert und an der Stelle angesetzt, da wir es als wichtigen Stützpfeiler in unserem Sozialsystem sehen: Wir haben diese Kürzung zurückgenommen.

Sie haben dieses Jahr eine Sache nicht erneuert. Zu Beginn letzten Jahres haben Sie immer von der „Koalition der sozialen Kälte“ gesprochen. Entweder ist es hier im Plenarsaal wärmer geworden oder Sie haben erkannt, dass Ihr Vorwurf völlig ins Leere lief.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Auch hier hat die NRW-Koalition wieder Sozialpolitik mit Augenmaß betrieben.

(Ralf Witzel [FDP]: Da ist der Klimawandel! – Weitere Zurufe)

– Das könnte auch sein, Herr Kollege Witzel. – Bei der ganzen Debatte ist es wichtig, unser Ziel, ein gutes Ergebnis zu erreichen, zu beachten. Das haben wir getan.

Wir haben es auf das bisheriges Niveau zurückgenommen und zeigen damit die entsprechende Wertschätzung. Denn wir wissen, dass sich die Wohlfahrtsverbände bei der Bekämpfung von Armut, bei frühkindlicher Bildung, bei der Pflege oder auch bei der Integration von geflüchteten Menschen engagieren. Deswegen ist es wichtig, dort Akzente zu setzen. Das haben wir mit diesem Einzelplan „Soziales“ getan.

Wir freuen uns auf die weiteren Beratungen. Natürlich werden wir dem so zustimmen. Dann schauen wir doch einmal, ob vielleicht von Ihrer Seite noch neue Akzente kommen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Dr. Vincentz das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein kleiner Fun Fact vorweg: In meiner Heimatstadt – das ist interessanterweise auch die Heimatstadt von Frau Oellers – wird aktuell jedes zweite Kind in eine von Armut bedrohte Familie geboren.

(Zuruf von der SPD: Das ist ein Fun Fact?)

Dort gibt es einen SPD-Bürgermeister. Diese Kinder sind dort auch schon in Armut geboren worden, bevor Schwarz-Gelb die Regierung übernommen hat und somit noch eine rot-grüne Regierung an der Macht war.

Kinderarmut ist in der Tat eine der Kernaufgaben des Staates – daran muss man ab und an erinnern –, denn das beste Sozialsystem ist das Sozialsystem, das wir auf Dauer auch bezahlen können.

(Beifall von der AfD)

So ist es fast schon ein zeitgeistiger Fluch, dass dieser Etatismus, den wir immer wieder erleben, geradezu um sich greift, und zwar leider – muss man sagen – bis in die Tiefen der CDU und der FPD, wenn man es sich zu eigen macht, indem man sagt: Der Staat muss über so vieles bestimmen.

Ja, Kinderarmut ist ein Thema, bei dem der Staat etwas unternehmen muss. Aber bei vielen anderen Dingen und sozialen Goodies müssen wir uns fragen: Was ist denn Aufgabe des Staates? Denn natürlich kommt es zu Fixkosten, wenn man einmal mit sozialen Ausgaben beginnt. Wer streicht an dieser Stelle schon gerne etwas weg?

Ich finde es sehr interessant, dass Herr Mostofizadeh hier behauptet, der Staat müsse eingreifen, wenn privatwirtschaftliche Firmen Pleite gehen. Ich würde gerne einmal die Arbeitsplätze bei der Kohle so von Ihnen verteidigt sehen. Das wäre dann interessant und logisch konsistent.

(Zuruf von der SPD – Norwich Rüße [GRÜNE]: Sie haben gar nicht zugehört! – Gegenruf von Helmut Seifen [AfD]: Dr. Vincentz hört immer zu! – Weitere Zurufe von der SPD)

– Das ist nicht falsch gewesen.

Was sind denn die Gründe, warum Arbeitslöhne nicht zum Leben reichen? Was sind die Gründe, warum die Rente nicht reicht, um davon zu leben? Die Rente wird heute hoch besteuert. Bei der Arbeit gibt es hohe Lohnnebenkosten. Bei diesem Punkt muss man ansetzen.

Der Staat nimmt und verteilt immer in der Überzeugung, er wisse es besser als die Bürger selbst. Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Das Geld ist dort am besten aufgehoben, wo es erwirtschaftet wird, nämlich bei den Bürgern selbst. Denn die wissen in den meisten Fällen selber, wie sie es verteilen, was sie sich davon kaufen und was sie damit machen. Das muss nicht der Staat übernehmen.

Er muss es ihnen nicht erst tatsächlich wegnehmen, um es dann an andere Stellen umzuverteilen, von denen der Staat in seinem vollen Glanz denkt, dass es dort am besten aufgehoben ist. Das weiß der Bürger im Idealfall selbst.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Dr. Vincentz. – Als nächster Redner hat nun für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort. Bitte sehr.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Wichtigste an einem Sozialministerium ist, dass es grundsätzlich so aufgestellt sein muss, dass es gegen Armut und soziale Ausgrenzung ankämpft. Ich glaube, das tun wir mit den uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.

Wir haben das Programm „Zusammen im Quartier – Kinder stärken – Zukunft sichern“ entwickelt, für das wir jedes Jahr 8 Millionen Euro einsetzen. Zurzeit liegen uns hierzu 120 Förderanträge vor.

Wir unterstützen damit Initiativen aus den Quartieren, die sich in ihren vielfältigen Projekten um ausgegrenzte Kinder kümmern. Das ist, glaube ich, eine sehr zielgenaue Geschichte, um in diesem Bereich Schwerpunkte zu setzen.

Ein weiterer Punkt: Ich als Sozialminister muss dafür sorgen, dass die Kinder ihre Rechte im Regelsystem bekommen. In Nordrhein-Westfalen – im Übrigen auch in anderen Bundesländern – haben wir die Situation, dass nur jedes zweite Kind, das Anspruch auf Leistungen des Bildungs‑ und Teilhabepakets – des BuT – hat, diese Ansprüche realisiert.

Da haben wir ein Problem. Da liegt das Geld des Bundes für ausgegrenzte Kinder auf der Straße und wird nicht abgerufen. Besonders schmerzt, dass in dem BuT auch erhebliche Mittel für Nachhilfeunterricht enthalten sind und selbst diese Leistungen nicht an die Kinder gehen, die es dringend notwendig haben. Denn diese Kinder bekommen von zu Hause nicht die Unterstützung, die viele andere Kinder erhalten. Warum das so ist, möchte ich jetzt gar nicht bewerten.

Deswegen wird mein Haus die Schulsozialarbeit in den nächsten Jahren nicht ganz so laufen lassen können, wie sie heute ist. Wir müssen die Schulsozialarbeit mehr animieren, sich darum zu kümmern, dass die Kinder, die Sozialhilfe empfangen, die Leistungen des BuT erhalten.

Gleichzeitig muss das BuT entbürokratisiert werden, damit es nicht so aufwendig bleibt, wie es jetzt ist. Die Vorschläge des Arbeitsministers Heil in Berlin gehen zwar in die richtige Richtung, aber aus meiner Sicht längst nicht weit genug.

Da haben sich immer wieder Beamte durchgesetzt, die anscheinend keine große Freizügigkeit in diesem Bereich wollen. Nehmen Sie bitte etwas Einfluss auf Ihren Arbeitsminister, damit die Dinge einfacher werden und die Förderung bei den Kindern ankommt.

(Beifall von der FDP)

Ich möchte ein weiteres Thema ansprechen. Wir werden in diesem Jahr einen weiteren Schwerpunkt setzen – das habe ich schon in einer Fragestunde beantwortet, möchte es aber noch einmal sagen –: Wir müssen uns ganz intensiv um das Thema „Wohnungslosigkeit“ kümmern.

Wir müssen Wohnungen haben. Wir müssen aber auch Begleitung haben, damit man diese Menschen überhaupt einem Vermieter zumuten kann. Da gibt es auch bei Wohnungsbaugenossenschaften durchaus Zurückhaltung, denen man eigentlich nicht vorwerfen kann, dass sie etwas gegen diese Leute haben, aber die haben auch ihre Erfahrungen gesammelt.

Zum Schluss möchte ich noch etwas zu den Kürzungen bei den Wohlfahrtsverbänden sagen. Ich habe es gemacht, weil ich unbedingt die 100 Euro bei den Altenpflegeschulen erreichen wollte.

Jeder weiß, dass die meisten Menschen, die in der Altenpflegeschule ausgebildet werden, anschließend bei den Wohlfahrtsverbänden arbeiten. Deswegen fand ich es gar nicht so schlecht, was ich mir da überlegt habe.

Aber mir war auch klar, dass es eine Debatte dazu gibt. Jetzt sind die 2 Millionen Euro wieder drauf. Das heißt, die Wohlfahrtsverbände bekommen ihr Geld, und ich habe trotzdem mein Geld für die Altenpflegeausbildung. So schlecht ist die Sache für mich nicht ausgegangen.

(Beifall von der CDU)

Man kann das auch Bauernschläue nennen. Ich habe das in etwa auch so vorauskommen sehen. Deswegen ist am Ende auch in dieser Frage alles gut. Wir haben das Geld für die Altenpflegeschulen und gleichzeitig das Geld für die Wohlfahrtsverbände. So etwas könnte man auch mal „ein äußerst geschickter Minister“ nennen, aber das kommt Ihnen ja in diesen Fragen nicht über die Lippen.

(Beifall von der CDU)

Lieber Kollege Josef Neumann, ich will, weil das ein wichtiger Punkt in deiner Rede war, etwas dazu sagen, dass ein Referat, das auch bei uns sein könnte – das gebe ich zu –, jetzt im Heimatministerium ist.

Dass gerade ein Mann wie du das kritisiert, wo es doch Bestandteil eurer Politik war, dafür zu sorgen, dass es in Nordrhein-Westfalen kein großes Sozialministerium mehr gab, ist bemerkenswert. Es war doch eure Politik, das MAGS und damit das Flaggschiff für Sozialpolitik in Nordrhein-Westfalen zu zerschlagen.

Ich finde, wenn man das gemacht hat, dann sollte man sich hier nicht darüber aufregen, dass ein Referat vielleicht auch bei mir hätte sein können, was aber bei der Kollegin Scharrenbach ebenfalls in besten Händen ist. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am lebhaften Schluss der Aussprache zum Teilbereich b) Soziales.

Wir kommen damit zu

 

c) Gesundheit

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Yüksel das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Serdar Yüksel (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, Herr Minister, will ich zurückweisen, dass wir das Sozialministerium zerschlagen hätten. Guntram Schneider und Rainer Schmeltzer waren engagierte Sozialpolitiker.

(Minister Karl-Josef Laumann: Ja, ja, ja!)

Sie sollten also nicht zur Legendenbildung beitragen; das will ich so nicht stehenlassen.

(Beifall von der SPD)

Ich komme zum Bereich Gesundheit. Ich habe mal die Konrad-Adenauer-Stiftung bemüht, die 2016 eine repräsentative Studie unter 2.122 Befragten zum Thema „Sozialer Aufstieg in Deutschland“ durchgeführt hat. Die Studienteilnehmer wurden gefragt, wie wichtig ihnen bestimmte Lebensbereiche sind.

Was, glauben Sie, ist dabei auf Platz eins gelandet? – Es ist weder Erfolg auf der Arbeit oder Einkommen, noch die zur Verfügung stehende freie Zeit. Ganz im Gegenteil sind diese Punkte ziemlich weit unten im Ranking gelandet.

Noch vor Familienleben, Partnerschaft und Bildung ist mit großem Abstand der Punkt „Gesundheit“ gelandet. 87 % der Befragten haben angegeben, dass ihnen ihre Gesundheit außerordentlich wichtig ist und sie dieses Thema besonders ernst nehmen.

Die Studie offenbart jedoch nicht nur die Bedeutung der Gesundheit für den Menschen, sondern noch einen weiteren Punkt, der uns zu denken geben sollte. Die Befragten wurden nämlich außerdem gefragt, wie zufrieden sie mit ihrer Gesundheit sind. Hier gaben lediglich 29 % der Befragten an, dass sie sehr zufrieden sind.

In der Studie wird aus diesen Umfragewerten geschlussfolgert, dass die Gesundheit der Lebensbereich mit der größten Diskrepanz zwischen Wichtigkeit und Zufriedenheit darstellt.

Was bedeutet das Ganze für uns als Politiker? – Wir müssen den Bereich der Gesundheit besonders ernst nehmen, da die Menschen besonders diesen Lebensbereich hervorheben, wenn es um die Frage nach einem guten und glücklichen Leben geht.

Auf der anderen Seite müssen wir an dieser Stelle noch viel mehr investieren und initiieren. Wir müssen mehr Angebote und mehr Strukturen schaffen, damit die Menschen in diesem Bereich zufriedener werden.

Doch anstatt Schritte nach vorne zu machen, zeugt der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr im Bereich Gesundheit nur von Schritten in die falsche Richtung oder von Schritten, die so klein sind, dass man leicht über seine eigenen Füße stolpern könnte.

Ich möchte das an einigen Beispielen verdeutlichen. Nach wie vor hat Schwarz-Gelb kein zukunftsfähiges Konzept für die Krankenhäuser in diesem Land auf die Beine gestellt, obwohl Sie es zuvor im Wahlkampf versprochen haben. Die im Haushalt veranschlagten 721 Millionen Euro sind nur Trippelschritte in Anbetracht des steigenden Investitionsstaus bei den Krankenhäusern. Jedes Jahr – das wissen Sie auch – beträgt die Förderlücke rund 1 Milliarde Euro.

(Beifall von der SPD)

Ihr Haushaltsansatz ist und bleibt nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Mit dem Haushalt für 2019 verwalten Sie dieses Problem weiter, aber ein Gestalten ist das wahrlich nicht, Herr Minister. Vielmehr lassen Sie die Krankenhäuser mit dem Investitionsstau allein auf weiter Flur.

(Minister Karl-Josef Laumann: Wo kommt denn der her? – Gegenruf von Rainer Schmeltzer [SPD]: Da kannst du noch weiter zurückblicken!)

Wir haben schon im Wahlkampf ein Investitionsmodell nach dem Vorbild „Gute Schule 2020“ gefordert, was das Problem wirklich anpacken würde. Wieso Sie, statt sich dieser Idee anzunehmen, bei Ihren Trippelschritten bleiben, verstehen wir nicht. Unsere Änderungsanträge geben Ihnen die Gelegenheit, hier noch einmal nachzudenken.

Ihre kleinen Schritte zeigen sich jedoch nicht nur bei den großen, sondern auch bei den vermeintlich kleinen Summen. Rund 250.000 Euro wollen Sie in den Bereich der Aids-Prävention einbringen. Dabei haben wir uns ausführlich im Ausschuss mit dem Thema auseinandergesetzt und auch Experten zu Anhörungen eingeladen, die sich alle einig waren, dass im Bereich der sexuell übertragbaren Infektionen grundsätzlich etwas passieren muss.

Dabei darf der Fokus nicht nur allein auf HIV und Aids liegen, sondern muss Chlamydien, Syphilis, HPV und andere Infektionen mit in den Blick nehmen, die sich in den letzten Jahren dramatisch auf dem Vormarsch befinden.

Ihr Antrag zur Vergabe des Aids-Selbsttests, zu dem ich morgen rede, zeigt für mich, dass Sie gerade in diesem Punkt trotz der Anhörung den Ernst der Lage überhaupt nicht erkannt haben.

Alle Experten haben sich positiv zum innovativen Ansatz des Zentrums für sexuelle Gesundheit in Bochum geäußert. Sie haben sich auch ein Bild vor Ort machen können. Trotzdem sieht es so aus, dass das Zentrum aufgrund der finanziellen Situation in den nächsten zwei Jahren vor dem Aus steht.

Ich könnte Ihnen noch weitere Beispiele nennen, bei denen Sie minimalistisch vorgehen und am Ende die Bereiche eher kontrolliert gegen die Wand fahren lassen als ein zukunftsfähiges Konzept zu realisieren. Sei es bei der Finanzierung der Notfallsanitäter-Ausbildung oder beim Nichtraucherschutz oder bei der Landarztversorgung: In all diesen Bereichen lassen Sie die Kommunen im Stich.

(Beifall von der SPD)

Hierzu gäbe es noch viel mehr zu sagen. Aber meine Zeit reicht nicht aus, um hier noch weitere Beispiele zu nennen. Aus unserer Sicht steht der Haushalt 2019 im Bereich Gesundheit somit unter dem Motto: Der Berg kreißte und gebar nicht mal ein Mäuschen.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Yüksel, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Ich weiß allerdings nicht genau, von wem. – Auf dem Platz von Herrn Röckemann sitzt im Augenblick Herr Dr. Vincentz. Bitte schön.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Entschuldigen Sie die Konfusion. An diesem Platz steht immer noch das Schildchen „Dr. Vincentz“. – Meine Zwischenfrage lautet: Sie haben gerade sehr gut die Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten thematisiert. Ich erinnere mich daran, dass wir im Ausschuss einen Antrag der AfD-Fraktion dazu besprochen haben. Dort haben Sie auch sehr an meiner Seite argumentiert. Sie haben ihn dann im Nachgang – trotz all dieser Dinge, die Sie auch jetzt wieder richtig ausgeführt haben – abgelehnt. Wäre da nicht zumindest eine Enthaltung drin gewesen?

Serdar Yüksel (SPD): Da kann ich nur sagen: Willkommen im Klub! Denn wir haben dieses Thema einige Monate vorher mithilfe eines Berichtswunschs in den Ausschuss aufnehmen lassen. Dann haben wir eine große Anhörung dazu durchgeführt. Deshalb bedurfte es Ihres Antrages gar nicht, weil wir mit unserer Initiative eine ausreichende Grundlage hatten, um die Dinge selbst zu entscheiden.

(Beifall von der SPD)

„Willkommen im Klub“, kann man da nur sagen. – Gab es noch etwas?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Ich frage jetzt einfach einmal nach. Denn uns erreichte auch noch der Wunsch nach einer Kurzintervention.

(Dr. Martin Vincentz [AfD] schüttelt den Kopf.)

– Das ist damit hinfällig. Wunderbar. – Dann war es das, lieber Kollege Yüksel. Vielen Dank.

Serdar Yüksel (SPD): Danke sehr.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Nun hat als nächster Redner für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Preuß das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Peter Preuß (CDU): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin einigermaßen sprachlos über das, was der Kollege Yüksel hier gesagt hat. Ich bin fassungslos,

(Angela Lück [SPD]: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

dass er sagt, wir, die NRW-Koalition, ließen die Krankenhäuser im Regen stehen. Aufgrund des Haushalts, den wir hier zu beraten haben, bekommen die Krankenhäuser so viel Geld wie noch nie zuvor.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zu Ihrer Zeit ist zum Beispiel die Baupauschale immer gleich geblieben. Es gab keine zusätzlichen Förderungen, sondern sie blieb immer gleich. Das hat letztlich zu einem nicht unerheblichen Investitionsstau an den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern geführt. Wir leisten nun einen Beitrag, diesen Investitionsstau ein Stück weit abzubauen.

Sie haben lange Ausführungen ganz allgemein zum Thema „Gesundheit“ gemacht, Herr Yüksel. Das kann man auch einfacher ausdrücken. Sie kennen das: Wenn man Geburtstag hat, werden einem die besten Grüße übermittelt: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“, „Alles Gute“, „Gottes Segen“, meistens verbunden mit „und vor allem Gesundheit“. Das ist eben nicht nur eine Floskel, sondern bringt zum Ausdruck, was die Menschen in diesem Land tatsächlich bewegt. Deshalb ist die Gesundheitspolitik in Nordrhein-Westfalen für uns ein besonderer Schwerpunkt.

Der vorliegende Haushalt 2019 ist geprägt von deutlichen Schwerpunkten und neuen und größeren Gestaltungsmöglichkeiten in all den Bereichen, die hier auch schon beim Einzelplan 11 genannt worden sind. Dazu gehören auch die Pflege und die Gesundheit. Der Einzelplan hat ein Gesamtvolumen von 6,3 Milliarden Euro. Das sind 251,6 Millionen Euro mehr, als im Vorjahr zur Verfügung gestanden haben.

Ein wichtiger Schwerpunkt in der Gesundheitspolitik ist die Finanzierung der Krankenhäuser. Hier sieht der Haushaltsplan eine Erhöhung um rund 101,5 Millionen Euro vor. Somit stehen im kommenden Jahr insgesamt rund 721 Millionen Euro zur Verfügung. Damit stellt die NRW-Koalition die Krankenhausfinanzierung auf eine verlässliche Grundlage.

(Angela Lück [SPD]: Das ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein!)

Das sind wichtige Investitionen. Damit nehmen wir hier wichtige Förderungen vor. Denn es geht auch um Arbeitsplätze. Der Gesundheitsbereich ist ein Wirtschaftsfaktor, der unbedingt gefördert werden muss, ein Arbeitsplatzmotor.

Meine Damen und Herren, die Sicherung der medizinischen Versorgung durch die Krankenhäuser wird ohne strukturelle Veränderungen nicht zu erreichen sein. Die bestmögliche medizinische Versorgung in sicheren und transparenten Versorgungsstrukturen bei bestmöglicher Qualität und hoher Spezialisierung ist für die NRW-Kollektion ein Herzensanliegen.

Alle Menschen in unserem Land haben das Recht auf eine zukunftssichere und gute medizinische Versorgung durch unsere Krankenhäuser, aber auch durch Haus- und Fachärzte – insbesondere in unterversorgten Gebieten.

Letzteres ist nicht nur eine Frage des Haushalts bzw. der Finanzierung. Viele grundlegende Maßnahmen hat die NRW-Koalition dahin gehend auf den Weg gebracht. Ich nenne in diesem Kontext das Landärztegesetz und den Krankenhausplan, der noch in Bearbeitung ist, die Schaffung zusätzlicher Studienplätze und vieles mehr. Wir holen damit das nach, was in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden ist.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Aber es sind nicht nur die finanzintensiven Themen, die diesen Haushalt bestimmen. Die Gestaltungsspielräume geben uns die Möglichkeit, durch einzelne Initiativen wichtige gesundheitspolitische Impulse zu setzen, zum Beispiel im Bereich der Prävention. Ich denke hier an die Initiative von Frau Kollegin Schneider zur Verbesserung der Situation der an Diabetes erkrankten Kinder.

Ich denke an die Finanzierung von Präventionsmaßnahmen zum Gesundheitsschutz der Kinder und Jugendlichen sowie zum Schutz der Kinder vor Passivrauchen im Auto und Maßnahmen zur Aidsprävention oder an den betrieblichen Gesundheitsschutz – alles Maßnahmen, die mit entsprechenden finanziellen Mitteln hinterlegt sind.

Präventionsprogramme und Aufklärungskampagnen sind wesentliche Bestandteile der Gesundheitspolitik von Christdemokraten und Freien Demokraten.

(Beifall von der CDU)

Sie sehen: Der Landeshaushalt ist so gestaltet, dass die eingesetzten Mittel sinnvoll und nachhaltig dort, wo sie gebraucht werden, bei den Menschen, ankommen.

Der NRW-Koalition ist es wichtig, genau hinzuschauen, wo gehandelt werden muss, wo bestehende Maßnahmen und Programme funktionieren und wo nicht, um dann entsprechend nachzusteuern zu können.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Mit dem Landeshaushalt 2019 bleiben wir unserem Ziel, die gesundheitliche Versorgung der Menschen in Nordrhein-Westfalen nachhaltig zu sichern und zu verbessern, treu.

(Das Ende der Redezeit wird erneut signalisiert.)

Ich bedanke mich für die konstruktive Zusammenarbeit bei den Haushaltsberatungen im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Mostofizadeh das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Danke schön, Frau Präsidentin. – Zur Sicherheit habe ich einmal den Haushaltsplan mitgebracht, damit ich dort nachschauen kann, falls ich nach den Reden ein bisschen durcheinanderkomme; denn hier liegen offensichtlich unterschiedliche Pläne vor.

Herr Kollege Preuß, in der Tat ist festzustellen, dass im Bereich der Krankenhausfinanzierung etwas passiert. Das ist überhaupt keine Frage. Allerdings muss man auch klar sagen, dass noch etwas anderes angekündigt war. Zu Beginn der Legislaturperiode hatte der Minister nämlich 1 Milliarde Euro zusätzliches Landesgeld angekündigt.

(Angela Lück [SPD]: Genau!)

Das sehe ich im Haushalt nicht.

Dort zu finden ist Folgendes: In den Nachtragshaushalt 2017 wurde ein sehr beachtlicher zusätzlicher Betrag hineineingepackt, an dem die Kommunen mit 40 % beteiligt waren. Es gab eine Trickserei mit dem Übertragen vom einen ins andere Jahr, was dazu geführt hat, dass im laufenden Haushaltsjahr 2018 der Betrag sogar unter dem liegt, was 2016 unter Rot-Grün ausgegeben worden ist; denn die Kommunen müssen ihren Anteil noch bezahlen, Herr Kollege Preuß.

Jetzt – da wären wir schon mit dem Klammerbeutel gepudert; das werden Sie uns hoffentlich nicht unterstellen – wird zu dem Geld, das der Bund im Strukturfonds bereitstellt, die Landesförderung eins zu eins dazugegeben. Diese Kofinanzierung hätte wohl – ich will die da

(Der Redner deutet in Richtung der Fraktion der AfD.)

jetzt nicht einbeziehen – jede Regierung dieses Landes bereitgestellt.

Das ist das, was im Landeshaushalt für die Krankenhausfinanzierung bereitsteht. Das ist viel Geld und auch viel mehr Geld als vorher, aber keine besondere Leistung dieser Landesregierung.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Karl-Josef Laumann: Das ist aber ein Witz! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Was ist es denn dann? – Gegenruf von der SPD: Pflicht!)

Lassen Sie mich noch auf einen Punkt eingehen, bei dem der Kollege Lenzen meiner Meinung nach weit über das Ziel hinausgeschossen ist.

(Gordan Dudas [SPD]: Man freut sich heutzutage schon über Mittelmaß! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Schon mal in den Spiegel geguckt?)

Sie mussten offensichtlich reagieren, weil ich deutlich gemacht hatte, wo die Trennlinien zwischen CDU und FDP liegen, und haben uns dann vorgeworfen, wir wollten Betriebe verstaatlichen.

Herr Kollege Lenzen, in Mönchengladbach haben sich der Arbeitsminister, der Kollege Klenner und wahrscheinlich noch viele andere mit dem Betriebsrat und der Unternehmensführung zusammengesetzt und gesagt: Denkt doch noch einmal über andere Dinge nach.

Das hat nichts mit Verstaatlichung zu tun, sondern damit, dass man für den Standort und die Menschen wirbt. Herr Kollege Lenzen, wenn das in Ihrem Weltbild Verstaatlichung ist, dann sind der Minister, der Kollege Klenner und meinetwegen auch ich Marxisten; das bin ich dann auch sehr gerne. Allerdings hat das mit der realen Politik relativ wenig zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Angesichts der fortgeschrittenen Zeit möchte ich nur noch wenige Punkte ansprechen, obwohl uns inhaltlich eine Menge trennt.

In den Haushaltsberatungen im AGS haben wir eine Menge Anträge gestellt, die natürlich alle abgelehnt worden sind. Die Schulpauschale bei der Altenpflege und den Gesundheitsberufen, den Aktionsplan Hygiene und den Landespsychiatrieplan habe ich angesprochen.

Zur Wohnungslosigkeit möchte ich aber noch etwas sagen. Schon vor der Sommerpause haben wir einen umfassenden Antrag zum Thema „Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit“ vorgelegt. Er wird Anfang 2019 beraten.

(Susanne Schneider [FDP]: Wir reden zum Thema „Gesundheit“!)

– Frau Kollegin, Sie können gleich fünf Minuten reden. Das ist doch kein Problem. – Weil das im Haushalt steht, komme ich hier auf das Thema „Housing First“ sowie auf von Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit betroffene Frauen zu sprechen.

Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen sofort Obdach bekommen und nicht erst lange Programme durchlaufen müssen. Sie sollen keine Bedingungen erfüllen müssen. Vielmehr soll das Land dafür sorgen, dass dort sofort gehandelt wird. Deswegen haben wir dafür zusätzliche Mittel beantragt. Ein gutes Programm weiter ausbauen und mit mehr Substanz und Kompetenz ausstatten – das ist unser Anliegen. Ich würde mich freuen, wenn wir diesbezüglich einen Schritt weiter kämen.

Letzter Punkt: Herr Minister, das Thema „Shisha-Bars“ hat fast schon Kapriolen geschlagen. Herr Kollege Yüksel hat im Ausschuss im April dieses Jahres einen Bericht dazu beantragt. Sieben Monate später stellen CDU und FDP fest, dass es in Shisha-Bars Gesundheitsgefahren gibt.

Tatsächlich ging es Ihnen aber nicht um die Gesundheitsgefahren, sondern um die Bekämpfung von Clan-Kriminalität. Mir wurde vorgeworfen, dass ich in der Debatte auf die Gesundheitsgefahren eingegangen bin, die im Antrag drinstanden. Das ist schon eine komische Vorgehensweise der Koalitionsfraktionen.

Zwei Dinge kann ich Ihnen dazu aber sagen.

Erstens. Nehmen Sie die Gesundheitsgefahren in den Shisha-Bars verdammt ernst! Dort werden mehr junge Menschen massiv geschädigt, als man es sich vorstellen kann. Im AGS werden wir das noch einmal besprechen.

Zweitens. Glauben Sie allen Ernstes, dass die Clan-Kriminalität aufhört, wenn Sie die Shisha-Bars schließen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

Wenn es Ihnen ernst wäre, würden Sie sich vernünftig mit dem Thema auseinandersetzen und es nicht für parteipolitische Zwecke nutzen. Sie würden die beiden Aspekte sauber voneinander trennen. Dann wären wir ein Stück weiter. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP Frau Abgeordnete Schneider das Wort. Bitte sehr, Frau Kollegin.

Susanne Schneider (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß nicht, was auf der Tagesordnung meines Vorredners steht. Bei mir steht das Thema „Gesundheit“ darauf. Deswegen spreche ich jetzt auch genau dazu.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Die NRW-Koalition aus Christdemokraten und FDP steht für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für alle Menschen in unserem Land und in allen Teilen unseres Landes.

Zur Förderung der Krankhausinvestitionen hat Kollege Preuß bereits treffende Ausführungen vorgetragen. Dies ist ein Bereich, in dem wir große Summen bewegen, um die Versorgungsstruktur in Nordrhein-Westfalen zu stärken.

Auch in Fragen von Prävention und Aufklärung können wir wichtige Impulse setzen, ohne gleich mehrere Millionen Euro einzusetzen. Mir liegt besonders am Herzen, dass die Menschen in unserem Land besser über gesundheitliche Risiken informiert sind, mehr über Vorsorge wissen und dies auch umsetzen können, damit sie besser mit Erkrankungen und insbesondere auch mit Notfällen umgehen können. Hier haben wir eine Reihe von Initiativen auf den Weg gebracht.

Eine chronische Erkrankung wie Diabetes bedeutet für betroffene Kinder und Jugendliche eine Belastung, die sich auf ihr gesamtes Leben auswirkt. So kommt es vor, dass Kinder in der Schule nicht am Sportunterricht teilnehmen dürfen, dass sie nicht mit auf Klassenfahrt fahren dürfen, dass ein Mitschüler fragt, warum das Kind im Unterricht essen dürfe und er selber nicht, oder dass der Lehrer sich erkundigt, ob das Kind wirklich jetzt seinen Blutzucker messen müsse und ob das nicht bis zur Pause Zeit habe.

Solche Benachteiligungen wollen wir nicht. Denn dabei handelt es sich letztendlich nur um Informationsdefizite, die schon mit einer einzigen Schulung behoben werden könnten.

Der Landtag hat bereits 2015 auf Initiative meiner FDP-Landtagsfraktion einen einstimmigen Beschluss gefasst, mit dem die Unterstützung entsprechender Schulungen gefordert wurde. Die frühere rot-grüne Landesregierung ist bei der Umsetzung leider nicht weit gekommen. Immer wieder wurde nur auf Informationsangebote oder freiwillige Fortbildungsangebote verwiesen. Es wurden aber keine Mittel für gezielte Schulungen zur Verfügung gestellt.

Die NRW-Koalition handelt nun. Mit unserem Antrag zum Haushalt stellen wir 150.000 Euro ein. Damit können wir ein bedarfsgerechtes Angebot für eine qualifizierte und umfassende Schulung und Information aufbauen. Das pädagogische Personal, aber auch Eltern und Mitschüler können so über Erkrankungen und den Umgang mit ihnen informiert werden. Das hilft den Kindern, ihren Familien und den Schulen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat sich in den letzten Monaten intensiv mit HIV und sexuell übertragbaren Infektionen auseinandergesetzt. Wir brauchen gezielte Prävention und frühzeitige Kenntnisse über eine Infektion. Über die Tests werden wir am morgigen Plenartag noch sprechen.

Zur Stärkung der zielgruppenspezifischen Prävention hat die NRW-Koalition bereits im Haushaltsplanentwurf die Mittel für die Beratungsarbeit um 250.000 Euro erhöht. Wir hätten in dieser Hinsicht also überhaupt keine Aufforderung zum Handeln benötigt.

Der Antrag der SPD erschließt sich mir hingegen überhaupt nicht. Sie wollen eine landesweite Struktur von Zentren für sexuelle Gesundheit aufbauen. Das Zentrum Walk In Ruhr in Bochum leistet grandiose Arbeit. Die Arbeit hat auch eine überregionale Ausstrahlung. Auf der regionalen Ebene wirken die Aids-Hilfen und der öffentliche Gesundheitsdienst.

Sie wollen jetzt also Geld ausgeben, um neben zwei gut etablierten Anbietern eine dritte Beratungsstruktur aufzubauen. Das wäre für mich definitiv kein effizienter Einsatz unserer Haushaltsmittel.

(Beifall von der FDP – Serdar Yüksel [SPD]: Nicht aufgepasst im Ausschuss!)

Wir starten aber nicht nur neue Initiativen, sondern setzen auch das fort, was wir im letzten Haushaltsjahr begonnen haben. Wir setzen uns für einen besseren Impfschutz und eine Erhöhung der Impfraten ein. Die dafür vorgesehenen Mittel finden sich auch im Haushalt 2019 wieder.

Wir wollen die Menschen ermutigen, auch als Laien bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand eine Reanimation zu beginnen. Gerade der Unterricht von Schülern in Sachen Wiederbelebung hilft dabei. Wir haben deshalb das landesweite Modellprojekt „Laienreanimation an Schulen in NRW“ gestartet. Im kommenden Jahr werden dafür weitere 100.000 Euro zur Verfügung gestellt werden. Damit können wir weitere Übungspuppen anschaffen und so eine Ausweitung des Modellprojekts auf weitere Schulen unterstützen, damit wirklich jeder in die Lage versetzt wird, bei einem Herz-Atem-Stillstand zu helfen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das sind nur einige Beispiele dafür, welche Akzente die Fraktionen von FDP und CDU setzen. Der Haushalt der NRW-Koalition weist den richtigen Weg für eine noch bessere Gesundheitsversorgung in Nordrhein-Westfalen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schneider. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Dr. Vincentz das Wort.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind viele gute Schritte dabei. Dies zu leugnen, wäre falsch.

Wenn man sich mit den Fachleuten auseinandersetzt, hört man landauf, landab immer wieder: Immerhin wird ja etwas getan. – Das ist gut. Trotzdem ist es, Herr Preuß und Frau Schneider, wirklich kein Grund, sich auf die Schulter zu klopfen. Das liegt aber nicht nur an Ihnen. Vielmehr läuft hier schon seit Dekaden eine Politik, die einen erschaudern lässt, wenn man einen Arbeitgeber im Gesundheitswesen hat.

Statistiken zeigen, dass kaum eine Krankenschwester und kaum ein Krankenpfleger die Rente überhaupt erreicht. Wir müssen da gar nicht über die Rente sprechen. In diesem Beruf schafft es kaum jemand überhaupt bis zur Rente.

Jedes fünfte Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen steht nicht nur mit dem Rücken zur Wand, sondern ist schon fast mit dem Rücken durch die Wand. Es häufen sich Milliarden an Strukturinvestitionsdefiziten im Land an, und das schon seit Jahren.

Es klaffen riesige Löcher in der ambulanten Versorgung. Versuchen Sie einmal, irgendwo zwischen Kerken und der niederländischen Grenze noch einen Hausarzt zu finden, der Sie aufnimmt. Da gibt es Kollegen, die schon weit über ihr Renteneintrittsalter hinaus arbeiten und noch weiterarbeiten müssen, weil sonst niemand da ist, der sich für ihre Patienten einsetzen kann.

Versuchen Sie einmal, irgendwo im Ruhrgebiet einen Platz beim Psychologen oder beim Psychiater zu finden. Aus Kapazitätsgründen warten Sie selbst mit schwerwiegendsten psychiatrischen Erkrankungen teilweise Monate, bis Sie jemanden finden, der Sie aufnehmen kann.

Und warum hält das Gesundheitswesen überhaupt noch zusammen? Kolleginnen und Kollegen sowie Krankenpfleger und Krankenschwestern arbeiten nicht nur bis zu ihrem Limit, sondern teilweise über ihr Limit hinaus. Allein unter ärztlichen Kollegen sind die Raten von psychischen Erkrankungen, Suiziden und Burn-outs – mit allem, was dazugehört; alle Farben aus der Praxis kann ich Ihnen gerne schildern – derart in die Höhe geschnellt, dass es wirklich keinen Grund gibt, sich in irgendeiner Art und Weise auf die Schulter zu klopfen.

Und ja, wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Deutsche Männer sterben in Westeuropa am frühesten. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Wir haben ein Gesundheitssystem, für das viel Geld ausgegeben wird und in dem es mehr Krankenhausbetten und mehr Intensivbetten gibt als in den meisten anderen westlichen Ländern. Dennoch sterben wir mit am frühesten.

Da läuft doch irgendetwas existenziell falsch. Es gibt keinen Grund, das in dieser Art und Weise zu loben. Es gibt keinen Grund – dabei schaue ich in die ganze Runde –, sich da in irgendeiner Art und Weise zu loben.

Es stimmt: An vielen Stellen fehlt das Geld. Mir fällt es manchmal schwer, in meiner Heimatstadt irgendwie über die Straßen zu kommen, ohne einen Achsbruch zu erleiden. Aber gerade das Geld für Krankenhäuser, das Gesundheitssystem und die Gesundheit von Krankenpflegern und Krankenschwestern sollte Geld sein, das wir gerne investieren. Es sollte auch Geld sein, das man dem Gesundheitsminister zur Verfügung stellt. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Vincentz. – Nun hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir legen ohne Frage einen Schwerpunkt unserer Politik auf den Gesundheitsbereich. Viele Jahre lang betrug die Krankenhausförderung in Nordrhein-Westfalen jährlich rund 550 Millionen Euro. Wir werden im nächsten Jahr 840 Millionen Euro für unsere Krankenhäuser zur Verfügung stellen.

Dass darin auch 100 Millionen Euro an Strukturmitteln der Krankenkasse enthalten sind, will ich nicht verschweigen. Aber 840 Millionen Euro anstelle von 550 Millionen Euro sind wohl schon eine gewaltige Steigerung.

Wir haben klar vor, auch wieder eine Einzelförderung einzuführen, um Strukturveränderungen zu unterstützen, die wir bei einem Teil unserer 450 Krankenhäuser dringend brauchen.

Wir setzen bei den EFRE-Mitteln einen großen Schwerpunkt bei der Förderung der Digitalisierung des Gesundheitssystems, bei der Vernetzung von Arztpraxen, Krankenhäusern und Apotheken. Jeder, der sich in diesem Bereich ein bisschen auskennt, weiß, dass uns gerade im Gesundheitssystem die Digitalisierung viele neue Möglichkeiten eröffnet, Expertise auch von Schwerpunktkrankenhäusern in die Region zu bringen. Es wäre nahezu fahrlässig, diesen Bereich nicht energisch auszubauen.

Wir haben uns als Koalition entschieden, den Ärztemangel anzugehen. In Nordrhein-Westfalen bildet man seit Jahr und Tag 2.000 Ärzte aus und hat diese Anzahl nicht erhöht, obwohl man weiß, dass zwei Drittel bis drei Viertel der Menschen, die heute Medizin studieren, Frauen sind, die andere Arbeitszeiten haben. Außerdem leben wir in einem Land, in dem wir alleine letztes Jahr 1.500 ausländische Ärzte anerkannt haben.

Man kann wohl nicht sagen, dass wir nichts gegen den Ärztemangel tun. Wir gründen nämlich für Hunderte von Millionen Euro eine neue Medizinische Fakultät in Ostwestfalen.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Dort werden wir in einigen Jahren 300 neue Studierende mit dem Schwerpunkt Allgemeinmedizin haben.

Wir werden im nächsten Jahr zum ersten Mal 170 unserer Ausbildungsplätze nach einem besonderen Auswahlverfahren an Menschen vergeben, die sich besonders dafür eignen, Landärzte zu werden.

Wir haben die Situation, dass zwei Drittel der Ärzte in unseren Dörfern in Nordrhein-Westfalen das 60. Lebensjahr gesehen haben und uns die Versorgung von Dorf zu Dorf zusammenbricht, doch nur übernommen. Der Erste, der etwas dagegen macht, bin doch wohl ich –

(Beifall von der CDU und der FDP)

mit all den Maßnahmen des Quereinstiegs und vielen anderen Dingen, die wir gemacht haben. Sie hat doch die ärztliche Versorgung in den Dörfern Westfalens überhaupt nicht interessiert. Sonst hätte diese Situation gar nicht erst entstehen können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben in diesen Haushalt eingestellt, dass wir unsere Kinderschutzambulanzen in Nordrhein-Westfalen jetzt jedes Jahr mit 30.000 Euro unterstützen.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Da ist vorher nichts gemacht worden – gar nichts. Der Kinderschutz und die Kinderschutzambulanzen haben die damalige rot-grüne Regierung überhaupt nicht interessiert. Keinen Cent haben Sie dafür ausgegeben,

(Beifall von der CDU und der FDP)

um in diesem Bereich endlich dafür zu sorgen, dass wir unsere Kinder schützen.

Wir haben dafür gesorgt, dass erstmals seit ganz vielen Jahren die Altenpflegeschulen mehr Geld bekommen. Das sind immerhin 22,5 Millionen Euro.

Außerdem haben wir – darauf bin ich besonders stolz – sehr viel Geld in die Hand genommen, um das Schulgeld in den sogenannten Gesundheitsfachberufen weitestgehend wegzubekommen.

(Beifall von der CDU)

Wenn eine sozialdemokratisch-grüne Regierung dafür sorgt, dass diejenigen, die im Gesundheitssystem als Akademiker über 100.000 Euro im Jahr verdienen, nichts mehr für ihr Studium bezahlen müssen, aber diejenigen, die unter 30.000 Euro im Jahr verdienen, das Schulgeld voll bezahlen müssen, sollen SPD und Grüne bitte mindestens für die nächsten 20 Jahre den Mund zu Chancengleichheit im Gesundheitswesen halten.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben in diesen Haushalt 2,5 Millionen Euro eingestellt, damit wir dann, wenn die Umfrage entsprechend ausgeht, in Nordrhein-Westfalen endlich die Interessenvertretung der Pflege gründen können. Es wird Zeit, dass dann, wenn über Pflege geredet wird, auch Pflege am Tisch sitzt.

(Beifall von der CDU)

Ich will, dass nicht über die Pflege geredet wird, sondern mit der Pflege geredet wird. Dafür haben wir die Haushaltsvoraussetzungen geschaffen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben in diesen Haushalt 11 Millionen Euro für den Landesförderplan Alter und Pflege eingestellt.

Sie werfen mir die Streichung bei ZWAR vor. Da habe ich eine Kurskorrektur vorgenommen. Wir müssen nicht junge mobile Senioren unterstützen, sondern uns um die Senioren kümmern, die durch hohes Alter und Pflegebedürftigkeit an Mobilität und Teilhabe in dieser Gesellschaft gehindert sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Da setze ich den neuen Schwerpunkt meiner Arbeit – und nicht so, wie Sie es gemacht haben.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Mit der Landesförderung für Initiativen von Vorruheständlern haben Sie etwas gefördert, was schon längst abgeschafft ist. Denn der Vorruhestand ist bei uns in Nordrhein-Westfalen Gott sei Dank in der Arbeitsmarktpolitik nicht mehr Realität.

(Das Ende der Redezeit wird erneut signalisiert.)

Wir stellen Geld für eine Beratungs- und Antragsunterstützungskultur für pflegende Angehörige ein. Sie hat es doch gar nicht interessiert, ob die pflegenden Angehörigen Präventionsmaßnahmen, wie es sie in unserer Sozialversicherung gibt, in Anspruch nehmen oder nicht.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Ich baue jetzt eine flächendeckende Antragskultur auf.

Deswegen bin ich der Meinung, dass dieser Haushalt ein Zukunftshaushalt für die Gesundheitspolitik in Nordrhein-Westfalen ist. Wir geben uns sehr viel Mühe, den Stillstand in der Ausbildung der Gesundheitsberufe zu überwinden und die Probleme, die Sie angerichtet haben, in den nächsten Jahren für die Menschen in diesem Land zu lösen.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat ihre Redezeit um 1:36 Minuten überzogen.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Ich frage angesichts der engagierten und leidenschaftlichen Parlamentsdebatte auch zu dieser späten Stunde, ob von den Fraktionen noch weiterer Redebedarf angemeldet wird. – Das ist nicht der Fall.

Damit sind wir am Schluss der Aussprache zum Teilbereich c), Gesundheit, und damit auch am Schluss der Aussprache zum Einzelplan 11.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen damit zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/4411, den Einzelplan 11 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen, sodass wir nun zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung kommen können. Ich darf fragen, wer dem Einzelplan 11 in der zweiten Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist der Einzelplan 11 in der zweiten Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4411 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir kommen nun zu:

Einzelplan 06
Ministerium für Kultur und Wissenschaft

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/4406

a) Kultur

In Verbindung mit:

Zuwendungsrecht effektiv entbürokratisieren und vereinfachen – Kulturförderung als Pilotbereich

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/4302

b) Wissenschaft, Weiterbildung

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4344

Jetzt kommen wir zunächst zum Teilbereich

 

a) Kultur

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Schultheis das Wort. Bitte sehr.

Karl Schultheis (SPD): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen, man merkt, dass Sie im vergangenen Jahr die Bühnenkunst stärker gefördert haben. Das geht sogar in den Landtag ein, dass sich dort Entwicklungen ermöglichen, auch bei der Präsentation der Landesregierung.

(Beifall von Dietmar Bell [SPD])

Lassen Sie mich eine andere Vorbemerkung machen, was den Einzelplan 06 angeht. Dass dieser Einzelplan am Ende dieses Tages, am Ende der Haushaltsberatungen auf der Tagesordnung steht, ist mehr als bedauerlich, wenn ich das so sagen darf, denn hier handelt es sich um originäre Zuständigkeiten eines Bundeslandes sowohl im Bereich der Kultur als auch im Bereich von Wissenschaft und Forschung. Ich finde das bedauerlich, weil damit auch das, was in diesem Land an Möglichkeiten eröffnet wird, und das, was wir diskutieren, nicht die Öffentlichkeit erreicht, wie es gerade diese Bereiche erfordern und verlangen.

Die SPD-Fraktion begrüßt die Entwicklung des Landeshaushaltes im Bereich Kultur. Wir haben dies auch in den Beratungen im Ausschuss für Kultur und Medien durch unser Abstimmungsverhalten deutlich gemacht. Der Anstieg des Volumens ist sehr bedeutend. Das schätzen wir auch.

Frau Ministerin, allerdings sehen wir noch bestimmte Handlungsbedarfe, was die Transparenz dieses Haushaltes angeht. Wir haben dies auch diskutiert, gerade was die Titelgruppe 69 angeht, die Stärkungsinitiative. Sie haben zugesagt, dass, wenn diese Stärkungsinitiative schrittweise umgesetzt wird, hier auch mehr Transparenz zu erwarten ist.

Wir gehen davon aus, dass dies dann auf der Basis des Kulturförderberichtes und wiederum auch im Rahmen des Kulturfördergesetzes erfolgen wird, sodass wir genau sehen, in welche Bereiche was geht. Angesichts des Aufwuchses von 20 Millionen Euro in diesem Jahr steht da eine Menge dahinter. Ich glaube, es ist erforderlich, dass der Landtag auch weiß, wohin diese Finanzmittel fließen.

Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam eine vernünftige Lösung finden und insbesondere Transparenzregeln anwenden, die für die Vermittlung dieses Politikbereiches erforderlich sind.

Ich habe auf das Abstimmungsverhalten der SPD-Fraktion im Ausschuss für Kultur und Medien hingewiesen. Da allerdings der Wissenschaftshaushalt und der Kulturhaushalt in einem Haushalt zusammengefasst sind, werden wir natürlich nicht das Abstimmungsverhalten an den Tag legen können, wie wir das für den Teilhaushaltsplan Kultur getan hätten, weil sich unsere Einschätzung des Wissenschaftshaushaltes etwas anders darstellt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun zu Ihrem Antrag, was das Zuwendungsrecht angeht. Dieser Antrag bleibt aus unserer Sicht, wenn man an die Erkenntnismöglichkeiten denkt, die es in diesem Zusammenhang gibt, sehr im Allgemeinen. Es ist eine Beschreibung der Situation, die sicherlich richtig ist. Dann folgen auf der zweiten Seite Feststellungen. Aber konkrete Vorschläge, wie sich denn das Zuwendungsrecht in Zukunft darstellen soll, wie es weiterentwickelt werden soll, werden in diesem Antrag nicht deutlich.

Sie hätten sehr gut auf die Ausführungen der Organisationen des dritten Sektors zurückgreifen können. In einem Schreiben, das im Oktober an den Ministerpräsidenten gegangen ist und von fast allen großen Kulturinstitutionen und auch von den Wohlfahrtsverbänden unterschrieben ist, wurden 13 Bereiche sehr ausführlich und sehr konkret benannt, wo eine Änderung des Zuwendungsrechtes sinnvoll wäre.

Wenn man einen solchen Antrag stellt, dann möchten die Angesprochenen und auch wir wissen, in welchen Bereichen Sie das Zuwendungsrecht denn nun tatsächlich ändern wollen. Wollen Sie in Zukunft die Möglichkeit bieten, Rücklagen zu bilden? Sollen die Verwendungsnachweise vereinfacht werden? – Das sind alles Dinge, die sicherlich wünschenswert sind. Ich erinnere mich an die Diskussion über das Kulturfördergesetz, bei der auch schon viele dieser Aspekte beraten worden sind, aber das Finanzministerium schlussendlich immer wieder einen Riegel vorgeschoben hat. Ich hoffe – wir würden Sie auch dabei unterstützen –, dass das Zuwendungsrecht hier in eine andere Richtung geht.

Hier sagen Sie: als Pilotbereich. Sie wissen aber, dass auch in anderen Bereichen – insbesondere im Bereich Wissenschaft und Forschung – solche Änderungen wünschenswert wären, um vielen Institutionen, auch Forschungsinstituten, bessere, sichere und nachhaltige Arbeitsmöglichkeiten bieten zu können.

Meine Damen und Herren, wir werden uns bei diesem Antrag, weil wir ihn im Grundsatz unterstützen, enthalten. Wie gesagt, Frau Ministerin: Den Einzelplan 06 werden wir insgesamt ablehnen mit der Bemerkung, dass wir die Aktivitäten im Bereich des Kulturteilhaushaltsplans sehr wohl unterstützen und auch überzeugend finden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schultheis. – Als nächster Redner erhält für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Petelkau das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Bernd Petelkau (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind im letzten Jahr angetreten, die Kultur in unserem Lande wieder sichtbar zu machen. Um eine kurze Replik auf meinen Vorredner zu geben: Das Beste am Tag kommt manchmal zum Schluss. Das gilt für die Kultur.

Wir haben damals argumentiert, dass die Gesellschaft nicht nur Arbeitsplätze, Wohnungen, Sicherheit, Bildung und Infrastruktur braucht, sondern dass die Kultur ein Kitt ist, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Das ist etwas, was wir auf jeden Fall haben wollen.

(Zuruf von der SPD: Das sind doch Arbeitsplätze!)

Mit der Schaffung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft haben wir 2017 das Fundament für die Stärkung der Kunst- und Kulturlandschaft in Nordrhein-Westfalen geschaffen.

Wir haben den Haushaltsansatz im letzten Jahr für das Kapitel Kulturförderung um 20 Millionen Euro auf rund 225 Millionen Euro erhöht und die zusätzlichen Mittel vor allem in die Sicherung und den Ausbau der kommunalen Theater und Orchester investiert. Das war ein erster wichtiger Meilenstein, den wir versprochen haben und den wir auch gehalten haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Im Haushaltsentwurf 2019 steigern wir den Etatansatz noch einmal um weitere 20 Millionen Euro und erreichen mit 245 Millionen Euro einen neuen Rekordwert. Sie wissen auch, dass wir in den nächsten Jahren weiter zulegen werden.

Mit der „Stärkungsinitiative Kultur“ werden wir nicht nur die etablierten kommunalen Häuser und die freie Szene in Nordrhein-Westfalen unterstützen, sondern auch viele neue Akzente setzen. So wird der ländliche Raum durch die Fördermaßnahmen „Dritte Orte“ und „Regionale Kulturförderung“ unterstützt. Gerade dies ist ein wichtiger Baustein für den Erhalt und den Ausbau der kulturellen Vielfalt in unserem großen Bundesland.

Weitere Eckpunkte der erhöhten Landesförderung werden die Erhöhung des Ankaufsetats der Kunstsammlung und des Kunsthauses Nordrhein-Westfalen sowie die Fördermittel für die Anschaffung der kommunalen Museen sein. Anders als die rot-grüne Vorgängerregierung wollen wir Sammlungen nicht am internationalen Kunstmarkt verkaufen, sondern sinnvoll weiterentwickeln. Das muss man hier festhalten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ein weiterer kultureller Glanzpunkt im kommenden Jahr werden die vielen Veranstaltungen zum 200. Geburtstag von Jacques Offenbach sein. Der feierliche Auftakt war diese Woche im Kölner Rathaus. Er hat bereits gezeigt, dass es sich lohnt, diesen großen Künstler entsprechend zu würdigen. Das Land wird auf Initiative der Nordrhein-Westfalen-Koalition im nächsten Jahr diese Veranstaltungsreihe mit rund einer halbe Million Euro unterstützen. Das ist es auch wert. Es ist eine wunderbare Ouvertüre auch für das Beethoven-Jahr, das im Jahr danach folgt.

Die Kunst- und Kulturlandschaft Nordrhein-Westfalen soll aber nicht nur durch zusätzliche Finanzmittel gestärkt werden. Wir wollen auch die Verfahren, mit denen diese Mittel zur Verfügung gestellt werden, vereinfachen.

Da kommen wir zu dem Unterschied zur Vergangenheit. Wir als Politik wollen nicht Verwaltung spielen, sondern die Verwaltung beauftragen, nach den besten Wegen zu suchen. Diese besten Wege finden wir dann am besten, wenn wir die Leute im Finanzministerium, die dafür sorgen müssen, dass gegenüber dem Steuerzahler auch Rechenschaft abgelegt wird, zusammenbringen mit den Leuten, die diese Förderanträge stellen, und die wissen, was es gerade für kleinere Institutionen in der freien Szene bedeutet.

Wenn man mehr Zeit und mehr Geld investieren muss, um überhaupt eine Landesförderung zu erhalten, dann macht das keinen Sinn. Genau das wollen wir abstellen. Wir wollen hier Vereinfachungen. Es lohnt sich, den richtigen Weg herauszusuchen.

Es ist gut, dass die Kunst und die Kultur als Pilotbereiche fungieren. Ich glaube, dass wir im Sportbereich und in anderen Bereichen weitere Möglichkeiten haben, etwas zu machen.

Zum Etat des Einzelplanes 06 gehört auch die Landeszentrale für politische Bildung, die ebenfalls einen wichtigen Beitrag für unsere Demokratie leistet. Im Haushalt sind 17 Millionen Euro vorgesehen, das heißt rund 1 Million Euro mehr als im Vorjahr.

Die NRW-Koalition hat zudem den Ansatz für kulturbezogene Projekte und Projekte der historisch-politischen Bildung für Heimatvertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler um rund 300.000 Euro erhöht. Wir wollen damit vor allem die jungen Menschen unterstützen, sich in die Bewahrung ihres kulturellen Erbes einzubringen und miteinander in den Dialog zu treten.

Wir bitten Sie um Unterstützung für unsere Anträge. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Petelkau. – Als nächster Redner erhält für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Keymis das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Oliver Keymis (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist zwar eine späte Stunde, aber wie in der Kultur häufig ist abends der Höhepunkt. Insofern haben wir Gelegenheit, noch ein paar Sätze darüber zu wechseln.

Ich möchte mich in den Tenor einreihen, den insbesondere die Kollegen Schultheis und Petelkau angestimmt haben. Wir haben im Kulturbereich, Frau Ministerin, eine, wie ich finde, kompetente Vertreterin. Wir sind Ihnen dankbar dafür, dass Sie diese Arbeit so machen, wie Sie sie machen. Wir haben im Kulturbereich zudem einen Aufwuchs – das weiß jeder –, wie wir ihn uns als SPD- und als grüne Fraktion immer gewünscht haben, was aber mit unserer Regierung nicht zu machen war.

Ich möchte offen sagen – das sollte man nicht unter den Tisch kehren –: Wir hatten in der Zeit der rot-grünen Koalition andere Einnahmen, als Sie sie jetzt haben. Das muss man auch etwas in Rechnung stellen und sollte es bei allen Vorbehalten offen aussprechen. Die finanzielle Situation in jenen Jahren war schwieriger als die, die Sie sie jetzt vorfinden können. Es ist gut, wenn das entsprechend genutzt wird. Im Kulturbereich wird es Gott sei Dank klug und sinnvoll eingesetzt und genutzt. Der Aufwuchs ist prima. Das kann ich für meine Fraktion ausdrücklich begrüßen.

Wir haben das in unserem Wahlprogramm schon so aufgeschrieben, insofern erfüllen Sie einen Teil des grünen Wahlprogramms. Das tun Sie wahrscheinlich ungern und unfreiwillig oder auch freiwillig und auch gerne, weil Sie finden, dass es richtig ist, es so zu machen. Solche Art von Übereinstimmung tut der Politik, finde ich, immer wieder ganz gut.

Ich hätte mir selber gewünscht, dass man noch einen Schritt mutiger wird. Möglicherweise kann man das im Laufe der Jahre auch noch diskutieren. Sie merken jetzt, dass ich bewusst ein bisschen allgemeiner spreche und nicht auf alle Details eingehe, die Herr Petelkau schon prima aufgezählt hat.

Sie merken, dass durch das Animieren der kulturellen Landschaft Nordrhein-Westfalens mit den entsprechenden Aufwüchsen in den letzten zwei Jahren ein gewisser Bedarf zusätzlich entsteht. Jetzt kommen alle darauf, dass die Landesregierung etwas tut. Wir bewegen uns in einem Rahmen, der nicht ganz im Bereich von Baden-Württemberg oder Bayern liegt. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Koalition die Kraft finden würde, ab 2020 das noch einmal weiter zu stärken und darauf zu reagieren, was sich in der Kulturszene Nordrhein-Westfalens inzwischen entwickelt.

Da entsteht nämlich ein enormer Anspruch. Dort wird gesagt: Jetzt habt ihr jahrelang relativ wenig getan, ihr tut jetzt etwas, vielleicht kann man an manchen Stellen noch etwas mehr tun. – Ich kann mir vorstellen, dass die Ministerin darüber nicht unglücklich wäre. Ob die Koalition die Kraft findet, wird sich zeigen. Unsere Unterstützung jedenfalls hätten Sie, wenn Sie ab 2020 zwei oder drei Jahre lang noch 10 Millionen Euro mehr drauflegen würden. Das ist für den Gesamthaushalt kein großes Problem, aber es wäre für die Kultur eine enorme Stütze und würde die Dinge erheblich weiterentwickeln.

Meines Erachtens wäre das gut für das Land, weil es eben nicht nur um Kultur hier und Arbeitsplätze dort geht. Wir haben in der Kultur-und Medienbranche, wie Sie wissen, viele Hunderttausend Arbeitsplätze, die von diesen Maßnahmen abhängen – nicht nur von öffentlichem Geld, sondern auch von dem Geld, das dadurch generiert wird, dass wir die Kultur mit Zuschüssen mitfinanzieren.

Insgesamt kann ich das nur begrüßen. Das tun wir auch. Das ist gut so. Einen Wermutstropfen muss ich heute Abend noch loswerden: Wir haben in der vorigen Woche einen Beschluss des Haushalts- und Finanzausschusses erlebt, den wir als Kulturleute jedenfalls im Ausschuss gar nicht diskutiert haben. Das bedaure ich sehr, das hätte man vorher einmal besprechen sollen. Es geht um das Archiv für alternatives Schrifttum, eine Einrichtung, die wir als Land Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren mit meist relativ kleinen Beträgen gefördert haben.

In den letzten Jahren haben wir uns zu einer stärkeren und besseren Förderung entschlossen. Dieses Archiv setzen Sie mit dem Beschluss, der im Haushalts- und Finanzausschuss gefasst wurde – minus 220.000 Euro – faktisch ins Aus.

(Ralf Witzel [FDP]: Den haben wir mit Ihnen gemeinsam gefasst!)

– Ich weiß das, Herr Witzel, aber den Trick, wie man das macht, könnte ich Ihnen auch noch erklären. Das war nicht in Ordnung, das war ein echter Fake.

(Ralf Witzel [FDP]: Das war überhaupt kein Fake!)

Das haben Sie drunterhergeschoben.

(Ralf Witzel [FDP]: Das war ein einziger Satz!)

– Ich will mit Ihnen jetzt gar nicht darüber debattieren. Schön, wenn Sie es so sehen. – Wir haben es so empfunden, wie es war. Es hätte im Fachausschuss diskutiert werden können, da ist es nicht eingebracht worden. Ich kann Ihnen nur den Tipp geben, diese Situation noch einmal genau zu überdenken.

Die Archivszene Deutschlands ist schon in einer gewissen Alarmstimmung. Die sagen: Was ist das jetzt? Das Land macht Kultur zu einem Hauptthema, aber es macht einen Laden zu, von dem die Szenerie jedenfalls sagt: Den brauchen wir, der gehört zum Archivwesen Deutschlands dazu.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie über diese Entscheidung noch einmal nachdächten. Ansonsten geht dieses Kleinod in die Insolvenz. Das kann eigentlich nicht das Ziel von Kulturpolitik sein, nachdem man schon insgesamt fast 1,5 Millionen Euro öffentliche Mittel in dieses Archiv investiert hat. Das wäre mein Appell.

Ansonsten stimmen wir dem Antrag im Hinblick auf das Pilotprojekt zu. Das ist ein richtiger, guter Schritt. Wir haben immer Schwierigkeiten gehabt im Verhältnis der Exekutive zu diesen Vorschlägen, die wir im Rahmen des Kulturfördergesetzes zu diesem Thema auch schon vor Jahren gemacht haben. Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei. Unsere Unterstützung haben Sie bei dem Antrag auf jeden Fall. Die grüne Fraktion wird zustimmen und sich nicht nur enthalten.

Das sind die kleinen Unterschiede, die das Kulturthema so spannend machen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Deutsch das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Lorenz Deutsch (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Keymis, ich freue mich über die Zustimmung zu unserem Haushalt. Aber dass Sie ihn jetzt so sehr vereinnahmen, dass Sie sagen, wir würden jetzt das grüne Wahlprogramm verwirklichen, und gleich noch auf die Überholspur gehen und sagen, es müsste noch ein bisschen mehr werden – davor wollen wir uns doch ein Stück weit verwahren.

Es zählt nicht, was man in dem Moment sagt, wenn man nicht nachweisen muss, dass man es tatsächlich tut. Vielmehr zählt das, was man gemacht hat, als man es hätte tun können.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Nach vielen Jahren, in denen es zwar warme Worte gab – die gab es –, aber keine Bewegung in der konkreten Förderung, hat die NRW-Koalition nun einen echten Aufbruch organisiert. Systematisch steigern wir den Kulturansatz jedes Jahr um 20 Millionen Euro, sodass er in dieser Legislaturperiode von 200 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro steigen wird.

Wir haben in diesem Jahr schon gezeigt, was das konkret bedeutet. In einem ersten Schritt wurde eine deutliche Unterstützung für die kommunalen Theater und Orchester organisiert, die – das muss man dazusagen – in der Zwischenzeit deutlich abgemagert waren. Jedes Jahr steigt dort der Ansatz um 6 Millionen Euro. Kumuliert werden in den fünf Jahren dieser Legislaturperiode 90 Millionen Euro zusätzlich in die kommunalen Theater und Orchester gegangen sein.

Wir haben mehr getan, und wir haben auch noch mehr vor. Die freie Szene wurde gestärkt. In der Musikszene werden fast 2 Millionen Euro in Ensembles und Exzellenzförderung fließen. Die Jugendensembles, die Landesorchester und Landestheater werden gestärkt. Die Ankaufsetats der kommunalen Museen steigen. Die Kunstsammlung erhält wieder einen eigenen Ankaufsetat. Das Kunsthaus NRW in Kornelimünster, wo junge NRW-Kunst gefördert wird, bekommt wieder einen nennenswerten Ankaufsetat. 2019 wird unsere Initiative für Dritte Orte im ländlichen Raum in die entscheidende Vorbereitung gehen, um dann 2020 in die Umsetzung zu kommen.

Wir investieren ab 2019 in Begabtenförderung und individuelle Künstlerförderung. Die Kultursekretariate werden gestärkt. Wir werden die Digitalisierung im Bereich der Kultur vorantreiben und unterstützen – von Archivierung über künstlerische Produktion bis zur Onlinepräsenz von Kulturinstitutionen.

Ich zähle das deswegen noch einmal auf – die Liste könnte verlängert werden –, um nicht einer Erzählung Vorschub zu leisten, nämlich dass diese Stärkungsinitiative ein Mysterium sei und man nicht genau wissen könne, was damit eigentlich gemacht würde. 2018 – als denn klar war, was gemacht werden würde – ist zu jedem Zeitpunkt gesagt worden, was getan wird.

Das ist nicht so eine Kleinigkeit, die man mal eben am Anfang als Plan aufschreiben kann. Das könnte man, wenn man mit der Gießkanne durchs Land ziehen würde. Das ist nicht unser Anspruch. Das Haus hat konkrete Dinge entwickelt. Vor einem Jahr habe ich hier gesagt: Das wird nicht einfach werden, weil das nach Jahren, in denen nicht mehr umgesetzt werden musste, eine ganz neue Herausforderung ist. Diese Kulturabteilung ist nicht sehr groß, und sie tut ihr Bestes, um das umzusetzen. Aber das geht nur Schritt für Schritt. Bei jedem Schritt haben wir offen kommuniziert, was los ist.

Zum vorletzten Kulturausschuss ist eine Liste vorgelegt worden, die 2018 und 2019 transparent gemacht hat. Die Erzählung, die Stärkungsinitiative sei eine Black Box von 20 Millionen Euro, bei der man nicht wissen könne, was die Regierung damit macht, ist also falsch. Nachdem die Sachen in die Beschlussfähigkeit und die Umsetzung kommen, wird der Haushalt 2020 das auch abbilden, und dann werden wir auch wieder die gewohnte Transparenz haben, die wir jetzt leider nur Schritt für Schritt haben. Aber das werden wir immerhin nachliefern.

Lassen Sie mich noch zu unserem Antrag zum Zuwendungsrecht sprechen. Das ist ein Thema, das zeigt, dass es nicht nur um finanzielle Förderung, sondern auch um Rahmenbedingungen geht. Bürokratische Entlastung ist systemische Kulturförderung. Künstlerinnen und Künstler sollen mehr Freiraum für ihre Kunst bekommen. Selbstverständlich müssen dabei die Erfordernisse von Sparsamkeit und Zweckgebundenheit weiter garantiert sein.

Aber wer mit denjenigen spricht, die für ihre künstlerischen Projekte öffentliche Förderung in Anspruch nehmen, bekommt schnell eine Ahnung davon, dass nicht jede Anforderung des Antrags – Durchführungs- und Verwendungsnachweisvorschriftenrecht – zwingend ist. Dass es sich dabei nicht nur um eine Ahnung handelt, zeigt auch das jüngst veröffentlichte Impulspapier – Herr Schultheis hat es schon angesprochen – der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung, das viele wichtige Anregungen enthält.

Das soll diskutiert werden. Wir wollten jetzt nicht einzelne Maßnahmen – sehr viele sind da aufgezählt worden – in den Antrag aufnehmen und sagen, wir beschließen das. Vielmehr geben wir jetzt den Auftrag mit der Kultur als Pilotbereich – ganz bewusst – in die Verwaltung.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Wir wissen, es gibt noch das Soziale, den Sport und Weiteres; aber als Pilotbereich ist zu entwickeln, was davon in Nordrhein-Westfalen wirklich konkret und umsetzbar ist. Deswegen ist, wie ich meine, eine offene Formulierung dieses Antrags sachgerecht.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Redezeit.

Lorenz Deutsch (FDP): Festzuhalten ist: Die Kulturszene NRW ist im Aufbruch. Unsere Impulse kommen im Land an. Genauso werden wir weitermachen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Deutsch. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der AfD Frau Abgeordnete Walger-Demolsky das Wort.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, die Kulturpolitik ist leider aus Sicht vieler Bürger, vieler Politiker und vermutlich insbesondere aus Sicht vieler Finanzpolitiker eine eher untergeordnete Aufgabe, der man nicht viel Beachtung schenken und vor allem keine großen Mittel geben sollte. Dabei unterscheidet doch gerade die Kultur die Nationen und auch die Menschen voneinander und gibt ihnen so das jeweils Besondere.

Der Bewahrung und der Fortentwicklung der Kultur und der kulturellen Identität ist genügend Raum zu geben. Nur dann identifizieren sich die Bürger eines Landes mit dem Land, den Werten und auch dem Kulturraum.

(Beifall von Helmut Seifen [AfD])

Kultur ist ein Teil der Infrastruktur und daher auch auskömmlich zu finanzieren. Ob dazu ein Aufwuchs in gegebener Höhe notwendig ist und ob in den geplanten Maßnahmen auch Kultur mit und für Flüchtlinge in diversen Projekten noch mal extra gefördert werden muss, ist zumindest aus unserer Sicht strittig. Das ist ein Bereich, der in ein anderes Ministerium gehört – auch wenn die Aufgaben möglicherweise inhaltlich kultureller Natur sind. Aber wenn es um Integration geht, würde ich das nicht gerne bei „Kultur“ sehen. Die Menschen, die zu uns kommen, können auch an der Kultur für alle teilhaben.

(Beifall von der AfD)

Was uns am Einzelplan 06 aber wiederholt und anhaltend ärgert, ist die Ausgestaltung der politischen Bildung. Minister Reul sagte in einem Interview in der „WeLT“ – ich zitiere –:

„Also die Gefahren durch Links- und Rechtsextreme im Land sind ungefähr gleich groß. Und ob einem Polizisten ein Stein von rechts oder von links an den Kopf geworfen wird, ist dem Opfer ziemlich gleichgültig.“

Zur Klärung möchte ich hinzufügen: Nein, dem Opfer ist das gegebenenfalls nicht gleichgültig. Denn eine spezielle Opferberatung, finanziert aus dem Einzelplan 06, gibt es nur dann, wenn der Stein von rechts geflogen kam.

Warum wir das so kritisch sehen, dass die Aufklärung über Extremismus, insbesondere von jungen Menschen, derzeit sehr einseitig geschieht, liegt daran, dass linker Extremismus in gleicher Weise staatsgefährdend ist, aber von Medien und vielen Politikern mindestens verniedlicht oder verharmlost wird.

(Beifall von der AfD)

Ein Gedanke, der sich dringend durchsetzen sollte, ist, dass Verachtung unserer Staatsorgane und politisch motivierte Gewalt nicht von „Aktivisten“ begangen wird, sondern von Extremisten und Straftätern.

(Beifall von der AfD – Zuruf von der AfD: Richtig!)

Die Antwort des Ministeriums besagte zuletzt, es gebe noch Abgrenzungsprobleme zwischen legitimer linker Meinung und linkem Extremismus.

(Zuruf von der SPD)

Das ist für meine Begriffe keinesfalls nachvollziehbar. Die kleine Broschüre, die da herausgegeben wird, ist definitiv keine ausreichende Maßnahme zur Aufklärung. Das Ministerium des Inneren hat schon etwas gemerkt, Frau Ministerin. Der Bereich der politischen Bildung hinkt massiv hinterher, und das, obwohl hier die Prävention beginnen muss.

(Beifall von der AfD)

Noch ganz kurz zu dem Antrag. Einem so dünnen, leider wenig aussagekräftigen, wenngleich vermutlich gut gemeinten Antrag, der hier zusammen mit dem Haushalt in Fünf-Minuten-Takten mitdiskutiert werden soll, werden wir schon aus formaler Sicht nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Walger-Demolsky. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen das Wort.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die nachhaltige Stärkung der Kultur in Nordrhein-Westfalen ist ein wichtiges landespolitisches Ziel. Deshalb hat die Landesregierung den Aufwuchs des Kulturetats um 50 % bis zum Ende der Legislaturperiode vorgesehen. Der ersten Erhöhungstranche im Umfang von 20 Millionen Euro für das Jahr 2018 hat der Landtag zugestimmt.

Nunmehr geht es um die Fortsetzung genau dieses Aufwuchses. Zwischenzeitlich hat das Kulturministerium an den Planungen zur Umsetzung der Stärkungsinitiative Kultur gearbeitet. Es war so, wie es vorhin schon gesagt wurde: Es ging nicht nur darum, mit der Gießkanne durchs Land zu ziehen, sondern viele Dinge einer Prüfung zu unterziehen und völlig neu aufzusetzen. Das werde ich gleich noch kurz erläutern.

Außerdem – das sei hier auch noch einmal bemerkt – haben wir die Tariferhöhungen für die geförderten Einrichtungen übernehmen können und die Finanzierung des Düsseldorfer Schauspielhauses zur Reduzierung des Sanierungsstaus nachhaltig gestaltet.

Der Gesamtansatz des Kulturkapitels beträgt damit rund 245 Millionen Euro und ist – das wurde eben bereits angemerkt – der größte in der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen. Für die Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung sind mehr als 17 Millionen Euro vorgesehen, unter anderem beispielsweise für Online-Aktivitäten rund um das Europawahljahr, das jetzt ansteht.

Zum Haushalt gehört nicht nur die Entscheidung über die Höhe der Haushaltsmittel; ebenso wichtig ist auch die Entscheidung über das Verfahren, mit dem diese Mittel zur Verfügung gestellt werden. Das gilt in besonderem Maße für die Zuwendungsempfänger im Land. Auch das wurde eben hier schon angesprochen. Ziel ist es, das Verfahren möglichst einfach, unbürokratisch und verständlich zu gestalten.

Deshalb bin ich den regierungstragenden Fraktionen für den Antrag „Zuwendungsrecht effektiv entbürokratisieren und vereinfachen – Kulturförderung als Pilotbereich“ sehr dankbar. Ich teile die Auffassung, dass Vereinfachungen für Kultureinrichtungen sehr notwendig und sicher auch möglich sind. Gerne will ich, wenn Sie diesem Antrag zustimmen, die Kultur als Pilotbereich in den Prozess zur Entbürokratisierung integrieren. Das ist auch ein Votum des Koalitionsvertrages.

Die Umsetzung des Antrags wird in enger Zusammenarbeit insbesondere meines Hauses mit dem Ministerium der Finanzen erfolgen. Dabei kann schon auf eine Reihe von ganz konkreten Ideen und ersten Gesprächen für Verbesserungen in der Gestaltung von Förderverfahren aufgebaut werden.

Im Haushaltsjahr 2019 ist außerdem – das werden Sie gesehen haben – eine grundlegende Umstrukturierung des Kapitels Kulturförderung vorgesehen. Die bisherige Struktur, die 33 Einzeltitel und 15 Titelgruppen vorsieht, wird deutlich gestrafft. Auf die Ausweisung von Einzeltiteln wird verzichtet. Stattdessen werden alle Ausgaben für die Kulturförderung in zehn zum Teil neuen Titelgruppen ausgewiesen. Diese Veränderung steht im Dienst der Lesbarkeit und der schon genannten Transparenz des Haushaltsplans. Die Struktur des Kulturkapitels wurde grundlegend angepasst, um eine flexibilisierte Bewirtschaftung und eine verbesserte Förderpraxis zu erreichen.

Mit der Stärkungsinitiative Kultur werden die kommunalen Theater und Orchester unterstützt und ihre Existenz und Entwicklungsmöglichkeiten gesichert. Den Landestheatern und der freien Szene in Theater, Tanz und Musik ermöglicht die Förderung, ihre starke Stellung auszubauen.

Was mir ein besonderes Anliegen ist: Mir geht es in dieser ersten Phase sehr stark um eine strukturelle Stabilisierung. Sie wissen, dass sich viele freie Gruppen und städtische Theater in einer teilweise sehr schwierigen finanziellen Situation befanden.

Erhalt und Ausbau kultureller Angebote in ganz Nordrhein-Westfalen, insbesondere im ländlichen Raum, werden durch die regionale Kulturförderung und die Förderung Dritter Orte unterstützt. Das wird uns im kommenden Jahr besonders beschäftigen. Mit den Dritten Orten sollen kulturelle Begegnungs- und Erlebnisorte entstehen, an denen die unterschiedlichen Akteure und Institutionen spartenübergreifend Angebote machen.

Um die wichtigen Sammlungen der Kunstmuseen in Nordrhein-Westfalen auszubauen, werden die Ankaufsetats nicht nur der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und des Kunsthauses NRW, sondern – das ist mir besonders wichtig – auch die Fördermittel für Erwerbungen der kommunalen Museen aufgestockt. Auch Forschungs- und Restaurierungsprojekte, die bislang kaum finanziert waren, sollen jetzt gezielt gefördert werden.

Die aktuelle Planung zur Verteilung der Mittel der Stärkungsinitiative Kultur auf die einzelnen Maßnahmenbereiche wurde im Ausschuss für Kultur und Medien bei der Haushaltseinbringung immer wieder – auch diesmal wieder – dargestellt. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass die Maßnahmen der Stärkungsinitiative im Fachausschuss fast einvernehmlich begrüßt wurden. Dafür danke ich Ihnen sehr.

Nicht ganz nachvollziehen konnte ich die Kritik an einer vermeintlich fehlenden Transparenz zur Mittelverteilung. Sowohl im Landtag wie auch der Öffentlichkeit wurden alle final konkretisierten Maßnahmen vorgestellt.

Für das Haushaltsjahr 2020 wird es zudem, wie schon im Ausschuss angekündigt, eine haushaltstechnische Verstetigung nach Zweckbestimmungen der Mittel geben. Das heißt, die inhaltlich festgelegten Ausgaben werden dann in den jeweiligen Titelgruppen des Kulturkapitels ausgewiesen. Das habe ich schon 27-mal angekündigt, und das wird auch so werden. Nun sage ich es einfach noch einmal.

Mit dem geplanten Mittelaufwuchs setzt die Landesregierung ein starkes Signal für den hohen Stellenwert der Kultur in Nordrhein-Westfalen. Das war nicht immer so, das wissen Sie. Das wollen wir wirklich grundlegend verändern. Es gibt gleichzeitig viele Impulse für neue erfolgreiche Weiterentwicklungen. Deswegen würde ich mich über Ihre Zustimmung freuen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat ihre Redezeit um 1 Minute 28 Sekunden überzogen. Obwohl sie sich damit in den Reigen vieler anderer Redner zu dem Kulturetat einreiht, frage ich dennoch in die Runde, ob es noch Aussprachebedarf gibt. – Das ist nicht der Fall.

Dann sind wir am Schluss der Aussprache zu dem Teilbereich a) beim Einzelplan 06 und auch zu dem Antrag in Drucksache 17/4302. Wir kommen dann gleich nach dem Teilbereich b) zur Abstimmung über den Einzelplan und über den Antrag.

Jetzt kommen wir zum Teilbereich

 

b) Wissenschaft, Weiterbildung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Bell das Wort. Bitte sehr.

Dietmar Bell (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich begrüße die Erhöhung des Haushaltes im Wissenschaftsetat ausdrücklich. Das habe ich auch schon in der Ausschusssitzung gesagt.

Die Landesregierung setzt damit den Kurs der alten Regierungskoalition fort, den Hochschulen Planungssicherheit und eine Erhöhung der Grundfinanzierung zukommen zu lassen. Von den 212 Millionen Euro, die die Hochschulen im Rahmen der Grundfinanzierung entsprechend mehr erhalten werden, resultieren 188 Millionen Euro auf den zwangsläufigen Steigerungen aufgrund der Hochschulvereinbarung, die 2016 von Rot-Grün unterzeichnet wurde. Es ist gut für unsere Hochschullandschaft, dass hier Kontinuität gilt.

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich von dem Zerrbild abgrenzen, welches die damalige Opposition in der vergangenen Legislaturperiode von der Wissenschaftslandschaft in NRW gezeichnet hat. Unsere Hochschulen sind exzellent aufgestellt, wie auch der Erfolg bei der Exzellenzstrategie beweist.

Mein Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, die sowohl unsere Anträge zum Thema „FH Bielefeld“, als auch den entsprechenden Änderungsantrag der Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen zum Hochschulstandort Ostwestfalen-Lippe mit dem Stichwort „Digital Farming“ sehr konstruktiv aufgenommen und sich zu eigen gemacht haben, weshalb diese Inhalte zwischen uns unstrittig sind.

(Beifall von der SPD)

Enttäuschend ist der Haushalt allerdings, wenn man den Versprechungen des Koalitionsvertrages Glauben geschenkt hat. Es gibt Bestrebungen einiger Kollegen, das politische Betätigungsfeld zu wechseln, und ich hätte doch gerne erlebt, Herr Dr. Berger, dass Ihrer irren Schlusslichtrhetorik jetzt wirklich Taten folgen, zum Beispiel zu der Seifenblase „Qualitätspakt für bessere Studienbedingungen“, die in Ihrem Koalitionspapier doch einen relativ breiten Raum einnimmt.

Wir haben konkret nachgefragt, warum die Mittel zur Verbesserung der Lehr- und Studienqualität an den Hochschulen nicht erhöht worden sind. Die Landesregierung hat geantwortet – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

„Die Landesregierung hält zusätzliche Mittel für eine Verbesserung der Qualität der Lehre und der Studienbedingungen an den Hochschulen des Landes für notwendig. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft wirkt daher im Rahmen der Verhandlungen mit dem Bund zum Nachfolgeprogramm Hochschulpakt und zur Nachfolge des Qualitätspakts Lehre darauf hin, dass für die Verbesserung der Qualität der Lehre an den Hochschulen in NRW nicht nur die seit 2009 in gleichbleibender Höhe an die Hochschulen ausgezahlten Qualitätsverbesserungsmittel, sondern auch zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen werden.“

Herr Dr. Berger, Sie haben hier über Jahre in diesem Plenum gestanden und kontinuierlich die Erhöhung der Qualitätsverbesserungsmittel angemahnt, versprochen, dass sie kämen und gleichzeitig die alte Landesregierung gescholten, wenn sie auf Verhandlungen auf der Bundesebene verwiesen hat. Nichts anderes erfolgt hier. Sie reißen die Messlatte, die Sie selber aufgelegt haben.

(Beifall von der SPD)

Gleiches gilt für die Stärkung der Forschung an den Fachhochschulen. Auch hierüber sind wir enttäuscht, weil Sie nichts Konkretes vorlegen, wie hier eine Stärkung erfolgen kann. Das gilt auch für die aufgabengerechte Finanzierung der Arbeit an den Studierendenwerken, die uns sehr wichtig ist. Die Menschen haben geglaubt, dass Sie das ernst meinen. Ich will das hier auch wirklich ernst vortragen. Der Vertrauensverlust, den Sie nach zwei Jahren Haushaltsverantwortung bei den Studierendenwerken erzeugt haben, wird so schnell nicht korrigiert werden können.

Das Enttäuschende ist, dass Sie, abgesehen vom Entwurf des Hochschulgesetzes – und es ist erkennbar, dass sich dieses Gesetz in den Kernforderungen gegen Studierende richtet –, jetzt die Chance verpassen, deutlich zu machen, dass Sie die soziale Realität der Studierenden in diesem Land im Blick haben.

Deshalb haben wir unseren Antrag, den wir zurückgestellt hatten, zur zweiten Lesung finalisiert und würden ihn hier auch zur Abstimmung stellen wollen. Er enthält die Forderung, die Grundfinanzierung für die Hochschulsozialwerke zu erhöhen, damit diese ihrem wichtigen Aufgabentätigkeitsprofil gerecht werden können. Wir würden uns freuen, wenn Sie diesem Antrag entsprechen würden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Bell. – Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Herr Dr. Berger.

Dr. Stefan Berger (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist bei den Studierenden äußerst beliebt. Zum Wintersemester 2018/2019 haben über 100.000 junge Menschen bei uns ein Studium aufgenommen. Damit bleibt Bildung eines der zentralen Themenfelder der NRW-Koalition, und das schlägt sich auch in diesem Haushalt nieder.

(Beifall von der CDU)

Das Gesamtvolumen des Einzelplans 06 beträgt 9,2 Milliarden Euro. Das entspricht einer Steigerung von 5,6 %. Der Gesamthaushalt verzeichnet einen Zuwachs von 3,2 %. Der Wissenschaftshaushalt steigt mit üppigen 5,6 % überproportional an. Es ist eine große Leistung, einen Schwerpunkt in diesem Zukunftsbereich zu setzen.

(Beifall von der CDU)

Die Mehrausgaben für die Hochschulen betragen rund 326 Millionen Euro und bilden den mit Abstand größten Anteil. Wir berücksichtigen mit 50 Millionen Euro die Herausforderungen der Digitalisierung.

In der Vergangenheit, Herr Bell, war in der Tat nicht alles schlecht. Sieben nordrhein-westfälische Universitäten waren in der finalen Runde der Förderlinie Exzellenzcluster erfolgreich, und ab Januar 2019 werden nun 14 Exzellenzcluster gefördert.

Kein Bundesland erreicht mehr erfolgreiche Cluster. Diesen Trend wollen wir weiter verstärken und verstätigen. Deswegen erhält die Forschungsförderung einen Aufwuchs von 34,9 Millionen Euro.

Wir begrüßen es darüber hinaus sehr – wir haben es vor einigen Tagen gehört –, dass sich die Max-Planck-Gesellschaft vor einigen Tagen entschieden hat, ein neues Institut zur Erforschung der Grundlagen der Cybersicherheit und den Schutz der Privatsphäre im Netz in Bochum zu errichten. Auch das ist ein Meilenstein für Nordrhein-Westfalen, der allerdings – das will ich gerne konstatieren – schon in der Vergangenheit unter Ihrer Regierung mit auf den Weg gebracht worden ist. Von daher ist das eine große Gesamtleistung dieses Landes und eine Stärkung für den Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen hier und heute.

(Beifall von der CDU)

Kommen wir zu den Änderungsanträgen; da sind wir uns ja auch einig: Die FH Bielefeld erhält ein Plus von 800.000 Euro. Mit diesen Mitteln werden die im Aufbau befindlichen Studiengänge Mechatronik, Data Science und Wirtschaftsingenieurwesen in Gütersloh unterstützt. Die Fachhochschule Köln erhält zusätzlich 350.000 Euro.

Das ist ein wichtiges Signal in die Region Rhein-Erft. Es soll ein Campus Rhein-Erft für 2.000 Studierende zur Förderung und Bündelung von integrierten und interdisziplinären Fachkompetenzen im Bereich der Infrastruktursysteme und der Raumentwicklung an der Schnittstelle zur Digitalisierung begutachtet werden. Dieses Gutachten soll die Grundlage für eine weitere Entwicklung im Wissenschaftsbereich in dieser Region sein, bei der der Wandel von der Braunkohle hin zu Zukunftstechnologien essentiell sein wird.

Für die Fachhochschule Ostwestfalen-Lippe ist eine Verpflichtungsermächtigung von 5,9 Millionen Euro vorgesehen – auch das haben Sie erwähnt. Am Standort Höxter werden die Bereiche Precision Farming und Freiraummanagement weiterhin gestützt und gesichert.

Auch im Bereich der Medizin sind wir in diesem Land gut unterwegs. Bei der Einrichtung der medizinischen Fakultät in Bielefeld geht es mit den Planungen gut voran. Neben dem gemeinsamen Vorangehen der Universitäten Bonn und Siegen beim neuen Studiengang Humanmedizin möchte ich auch den Ausbau in Witten-Herdecke hervorheben. Bereits ab dem Sommersemester 2019 werden die Studienplätze im Fach Humanmedizin von 42 auf 84 erhöht.

(Beifall von der CDU)

Im Bereich der Weiterbildung stellt auch die Dynamisierung der Förderung der Weiterbildungseinrichtungen einen Meilenstein dar. In den vergangenen Jahren wurden die Zuschüsse für die Landesorganisation der Weiterbildung ohnehin verdoppelt. Das wird auch beibehalten. In Ergänzung zu dieser Verbesserung haben wir einen Änderungsantrag auf den Weg gebracht, um mit weiteren 400.000 Euro den Stellenwert der Weiterbildung zu erhöhen.

Meine Redezeit ist zu Ende. Für die Reihe der guten Nachrichten, die ich hier noch habe, reichen die vor mir liegenden Blätter fast nicht mehr aus. Wir haben den historisch höchsten Haushalt.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Schluss: Wir werden im nächsten Jahr das viele Geld, das wir in diesen Bereich geben, mit den richtigen freiheitlichen Rahmenbedingungen versehen und das Hochschulzukunftsgesetz evaluieren und neu auf den Weg bringen.

Mit diesem Gesetzgebungsverfahren, das im nächsten Jahr starten wird, werden wir das Geld noch weiter zur Entfaltung bringen und so den höchsten Nutzen für Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen erzielen. Nordrhein-Westfalen wird damit endgültig auf Zukunftskurs drehen. In diesem Sinne – vielen Dank!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Berger. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Bolte-Richter.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit dem Eindeutigen: Der Bereich Weiterbildung ist unstrittig. Da freuen wir uns, dass es gut weitergeht. Wir freuen uns grundsätzlich auch, dass der Wissenschaftsetat 2019 erneut gestiegen ist. Ich erkenne auch an, dass Sie sowohl im Bereich Digitalisierung als auch im Bereich der Medizin mehr Geld an die Hochschulen geben.

Nichtsdestotrotz muss man an solch einer Stelle auch zu fortgeschrittener Stunde fragen: Wo wollen Sie mit der Wissenschaftspolitik eigentlich hin? Was ist eigentlich Ihre wissenschaftspolitische Vision? Man muss erkennen, dass sich die Koalition in diesem Bereich nicht durch große Visionen hervortut.

Frau Ministerin, ich erkenne an, was Sie im Bereich Kulturförderung erreicht haben. Diese deutlichen Fortschritte hätte ich mir aber auch für die andere Hälfte Ihres Hauses gewünscht. Der Bundestrainer kann sich auch nicht nur um die Abwehr kümmern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich muss nicht daran erinnern – die Kolleginnen und Kollegen, die sich angesprochen fühlen, werden das selber tun –, was CDU und FDP in der letzten Periode hier aufgeführt und was für Versprechungen sie gemacht haben. Betreuungsrelation: nicht wirklich etwas passiert. Nennenswerte Impulse für die Hochschulfinanzierung: nicht wirklich etwas passiert.

Qualitätsverbesserungsmittel – Herr Kollege Bell hat eben schon darauf hingewiesen, dass es hier eine halbseidene Begründung für die Untätigkeit mit Verweis auf den Hochschulpakt gibt – und Qualitätspakt Lehre: Dass diese beiden Pakete mehr Geld bringen sollen, ist doch eine reine Irreführung. Aller Voraussicht nach werden diese Mittel maximal konstant bleiben, aber wahrscheinlich eher sinken. Es geht auch da nicht um Verbesserung on top, sondern darum, bestehende Programme fortzuführen. Das zeigt einmal mehr: CDU und FDP sind letztes Jahr mit einem populistischen Wahlkampf gestartet und scheitern jetzt an Ihren eigenen Ansprüchen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn man sich in diesem Bereich die größte Zielgruppe dieses Haushaltes anschaut, dann stellt man fest: Die Studierenden haben bei dieser Regierung keine Lobby. Ich meine jetzt nicht einmal das Studierenden-Gängelungs-Gesetz; denn das wird uns ja im nächsten Jahr noch beschäftigen. Nach allem, was wir wissen, wird es bei Ihrem Entwurf für jeden etwas geben, nur nicht für die Studierenden. Sie werden die Mitbestimmung reduzieren. Sie werden Freiheiten einschränken. Sie werden zusätzliche Bürokratien schaffen.

Wenn ich in dieser Haushaltsdebatte davon rede, dass es keine Lobby für Studierende gibt, dann meine ich etwas anderes. Wir brauchen dringend ein Programm für die Sanierung der Studierendenwohnheime. Keine Impulse von Schwarz-Gelb dazu! Wir hatten die Studierendenwerke doch bei uns im Wissenschaftsausschuss zu Gast. Sie kennen die Zahlen. Sie wissen, die Mittel reichen nicht. Dann müssen Sie aber nachbessern.

Auch die allgemeinen Zuschüsse an die Studierendenwerke packen Sie wiederum nicht an. Sie haben im letzten Jahr noch so getan, als hätte es keine Mittelforderung der Studierendenwerke gegeben. Das entsprach nicht den Tatsachen; das hat die AG der Studierendenwerke klargestellt. In diesem Jahr kommt dann die Ankündigung, dass es irgendwann mal eine Verbesserung geben wird.

Aber, Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, da muss ich Ihnen sagen: Sie haben 6,7 Milliarden Euro mehr zur Verfügung, als wir das hatten, und Sie bekommen es nicht hin, 1,5 Millionen Euro für die Studierendenwerke zu mobilisieren. Sie, Frau Ministerin, bekommen es nicht hin, 1,5 Millionen Euro beim Finanzminister herauszuholen. Das grenzt doch schon an Arbeitsverweigerung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und die Zeche zahlen die Studierenden durch höhere Sozialbeiträge. Die Finanzierung der Studierendenwerke ist eine knallharte soziale Frage.

Wenn es schon ums Geld geht: Man hat schon lange – ich hoffe, das bleibt auch so – nichts mehr von Ihrer ideologischen Schnapsidee der Ausländerstudiengebühren gehört. Ich habe die Hoffnung, dass man das Ganze sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden lässt. Denn Sie haben es in den Debatten der letzten eineinhalb Jahre gehört: Sie haben in der kompletten Wissenschaftslandschaft keinerlei Unterstützung für diese Idee. Lassen Sie es einfach bleiben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn man weiter schaut, dann sieht man, wie Sie, Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen, gemeinsam mit Herrn Pinkwart als Nebenerwerbs-Wissenschaftsminister Chaos in der Innovationsförderung anrichten. Die Mittel für „Fortschritt NRW“ wurden erst geteilt, dann wurde der Teil im Wissenschaftsetat abgeschafft, im Wirtschaftsetat erhöht und dann für etwas anderes verwendet. Das kann man für den ganzen Bereich der Innovationsförderung durchziehen.

Das alles wird nicht dadurch besser, dass Sie das Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung auslaufen lassen wollen, und zwar aus einem einzigen Grund: weil es Ihnen politisch nicht in den Kram passt. Sie machen genau das, was Sie uns zu Ihrer Oppositionszeit immer vorgeworfen haben: Sie machen da eine Forschungsinfrastruktur kaputt, weil es Ihnen politisch nicht in den Kram passt, woran dort geforscht wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Maß und Mitte – das ist bei Schwarz-Gelb meist Mindestmaß und mittelprächtig. In diesem Bereich geht es planlos und zum Teil chaotisch zu. Es gibt keine Impulse für die Wissenschaftslandschaft in Nordrhein-Westfalen, und das ist ein Vergehen an unserer Zukunft. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bolte-Richter. – Nun hat für die FDP-Fraktion Herr Körner das Wort. Bitte schön.

Moritz Körner (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will versöhnlich beginnen, nämlich mit der Weiterbildung, und vielleicht auch stellvertretend für die anderen weiterbildungspolitischen Sprecher Sigrid Beer, Stefan Nacke, Gabriele Hammelrath – die sehe ich gerade nicht – ein paar Worte zur Weiterbildung sagen.

Ich glaube, wir haben da einen guten Schritt gemacht. Wir sind in guten Vorbereitungen zur Überarbeitung des Weiterbildungsgesetzes. Der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Kaiser arbeitet sehr gut. Die Weiterbildung gerade jetzt in Zeiten, wo lebenslanges Lernen immer wichtiger wird, sollten wir auch zu so später Stunde nicht vergessen. Da sind wir gemeinsam und überfraktionell auf einen guten Weg.

(Beifall von der FDP und Norwich Rüße [GRÜNE])

Jetzt komme ich zum Haushalt. Da der Kollege Berger die guten Initiativen der Regierung schon weitgehend vorgestellt hat, kann ich das etwas schneller machen. Wir geben den Hochschulen 326 Millionen Euro mehr. Wir schaffen 50 Millionen Euro extra für Digitalisierung. Wir stärken die Hochschulmedizin. Wir bauen die Forschungsförderung aus, insbesondere die Grundförderung für die Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft.

Wir können zudem einen Ausbau der außeruniversitären Forschungseinrichtungen verzeichnen und bekommen eine neue Forschungseinrichtung. Wir haben die Studiengänge Höxter und Gütersloh, über die wir hier schon im Plenum verschiedentlich diskutiert haben, ausfinanziert und gesichert.

Jetzt komme ich zur Kritik vonseiten der Opposition. Ich fange beim Kollegen Bolte an. Bezüglich Fortschritt NRW haben wir eine komplette Änderung vorgenommen, weil wir da eine völlig andere Auffassung haben. Wir wollen nicht irgendetwas klar vorgeben – das waren ja Ihre Lieblingsthemen, die Sie gerne vorgegeben haben –, sondern wir wollen, dass die Wissenschaftslandschaft darüber frei entscheidet. Deswegen haben wir das neu aufgestellt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das haben wir so auch beim Forschungsinstitut gemacht, das Sie eben angesprochen haben. Sie haben sich mit Ihren Lieblingsforschungsthemen und mit der engen Verquickung mit der Landesregierung im Institut eine richtige Spielwiese geschaffen. Da sehen wir einfach andere Schwerpunkte. Wir lassen die Wissenschaftslandschaft frei handeln. So gehen wir vor.

Zu dem studentischen Wohnen, das angesprochen worden ist: Wenn sich Grüne und SPD noch nicht einmal auf eine ungefähr gleiche Höhe des Bedarfs einigen können – die Haushaltsanträge reichen von 1,5 Millionen Euro bei den Grünen …

(Matthi Bolte-Richter [GRÜNE]: Das ist nicht für studentisches Wohnen, sondern für die Grundfinanzierung! – Zuruf von Dietmar Bell [SPD] – Weitere Zurufe)

– Lieber Kollege Bell, wenn ich das richtig verstanden habe, ist der Punkt, den die Studentenwerke ansprechen, doch der, dass sie die Grundfinanzierung brauchen, um die Sanierungsmaßnahmen besser anzugehen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Nein!)

– Doch, natürlich! Dann frage ich mich aber schon, warum denn der von Ihnen angegebene Bedarf so massiv zwischen 1,5 Millionen Euro und 12 Millionen Euro variiert. Offensichtlich ist der Bedarf, den ihr da seht, nicht so klar.

Das studentische Wohnen muss man doch mal grundsätzlicher angehen. Das Ganze komplett über den Wissenschaftshaushalt zu machen, wie ihr das hier versucht, ist unredlich. Wir werden das angehen. Wir werden uns das gemeinsam mit dem Bauministerium anschauen. Wir werden uns auch die Bedarfe sehr genau anschauen und in der nächsten Zeit mit einer Initiative kommen.

Natürlich ist bei der Finanzsituation der Hochschulen auch der Hochschulpakt zu berücksichtigen, der auf Bundesebene neu verhandelt wird. Das ist sehr viel Geld für die Hochschulen. Das ist wichtig. Es macht auch Sinn, andere Initiativen der Landesfinanzierung an diese Finanzierung anzupassen.

Die Hochschullandschaft in Nordrhein-Westfalen ist grundsätzlich hervorragend aufgestellt. Das zeigt die Exzellenzinitiative. Wir haben fünf Universitäten in Nordrhein-Westfalen, die im Rennen darum sind, Exzellenz-Uni zu werden. Das ist ganz großartig und zeigt, wie stark unsere Wissenschaftslandschaft und unsere Forschungslandschaft da aufgestellt ist. Daran werden wir weiter arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Körner. – Und jetzt ist Herr Seifen für die AfD am Pult. Bitte schön, Herr Seifen.

(Das Licht im Saal erlischt kurzzeitig. – Heiterkeit und Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Sie sehen, Herr Seifen, dass wir weder Kosten noch Mühen scheuen.

(Helmut Seifen [AfD] zeigt auf Dietmar Bell [SPD] – Dietmar Bell [SPD]: Die Sozis waren es! – Dr. Günther Bergmann [CDU]: Die Altparteien sind schuld!)

Helmut Seifen (AfD): Herr Bergmann, ich hätte es gesagt, wenn es nicht von meiner Redezeit abgegangen wäre.

Vizepräsident Oliver Keymis: Nein, die läuft noch nicht. – Jetzt, bitte.

(Zuruf von der CDU: Migranten haben den Strom abgedreht!)

Helmut Seifen (AfD): Alles klar. – Ich war es gewohnt, immer nach den Grünen dran zu sein, deswegen bin ich gerade schon vorgeprescht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist bezeichnend, dass es Licht wird. Sie wissen, dass das ein Zeichen der Aufklärung ist. Und wenn wir über Wissenschaft sprechen, ist es deswegen genau richtig, dass jetzt das Licht angeht.

(Minister Hendrik Wüst: Erst mal wurde es dunkel!)

Es war eine Inszenierung, die genau zur AfD passt. Das Licht geht an, wenn wir reinkommen,

(Beifall von der AfD – Lachen von der CDU und der SPD)

weil dann die Vernunft zur Herrschaft kommt und der Romantik etwas entgegensetzt.

(Dietmar Bell [SPD]: Sie haben gar nicht bemerkt, dass das Licht ausgeht!)

Der Stand und der Stellenwert von Wissenschaft und Forschung sind neben anderen Indikatoren der Ausweis eines Landes für das Niveau seiner Kultur und seiner geistigen Verfasstheit. Man erkennt an ihrem Stand und Stellenwert sehr gut, ob die Meinungsführer einer Gesellschaft und die geistigen Eliten den rationalen Zugriff auf die Wirklichkeit wählen, um Sachverhalte anzugehen, oder ob sie lieber den eigenen Vorstellungen von Welt anhängen und Wissenschaftler nur noch als Handlanger des vorgeschriebenen Weltbildes verfolgen, so wie das Utopier machen, Herr Bell.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Oder wie Klimawandelleugner!)

Wir begrüßen es daher, dass der Haushalt im Einzelplan 06 um 5,6 % steigt und mit 9,2 Milliarden Euro erhebliche Mittel bereitstellt.

Wir wenden aber doch ein, dass die finanziellen Mittel optimaler eingesetzt werden könnten. Sie schleppen immer noch Restbestände der romantischen rot-grünen Ideologie mit sich, Frau Ministerin, und instrumentalisieren immer noch – wenigstens partiell – das eine oder andere linksideologische Weltbild im Haushalt. Da werden im Kapitel „Förderung der Gleichstellung“ 4,29 Millionen Euro veranschlagt, mit der auch die Gender-Forschung finanziert wird.

So sehr die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern in Staat, Gesellschaft, Studium und Beruf eine Selbstverständlichkeit ist, und so sehr zu begrüßen ist, dass auch die Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft finanziell unterstützt wird, so wenig ist eine so immense Summe für diese Zwecke zu rechtfertigen.

Die Förderung von Gender-Forschung und die Finanzierung solcher Lehrstühle, die diesen Forschungsschwerpunkt betonen, sind durch nichts zu rechtfertigen. Die Vorstellung vom Geschlecht als ausnahmslos kulturelles Konstrukt erfasst weder den Sachverhalt der Geschlechterprägung, noch trägt sie etwas zur Situationsanalyse bei. Sie transportiert dagegen Anweisungen und Aufforderungen zur sogenannten Destruktion.

(Karl Schultheis [SPD]: Sprechen Sie zum Sachverhalt!)

In der Nachfolge von Judith Butler unterwerfen sich nun ihre Schwestern im Geiste vollkommen unkritisch ihrem apodiktischen Verlangen nach der Konstruktion. Und der Steuerzahler soll solch einen schädlichen Unsinn dann auch noch finanzieren. Da sind Sie weiterhin die Erben dieser rot-grünen Ideologie. Das ist nicht gut.

Da fügen dann die 200.000 Euro für Diversity Management dem Steuerzahler auch keinen großen Schaden mehr zu. Aber die Begründung dafür ist doch hanebüchen. Ich zitiere:

„Hinsichtlich einer Sicherstellung des Studienerfolgs von Beginn an kann die Berücksichtigung der steigenden Heterogenität der Studierendenschaft wesentlich dazu beitragen, den sozialen Herausforderungen im Bildungswesen nachhaltig zu begegnen.“

Ich bitte Sie wirklich! Den sozialen Herausforderungen im Bildungswesen könnte man viel effektiver begegnen, indem man dem Studierendenwerk die finanziellen Mittel zur Verfügung stellt, die es braucht, um den Studierenden alles zur Bewältigung der sozialen und existenziellen Herausforderungen bereitstellen zu können.

(Unruhe – Glocke)

Es wäre schon hilfreich, die Investitionszuschüsse an die Studierendenwerke deutlich zu erhöhen. Wir von der AfD haben den Antrag eingebracht, 8 Millionen Euro einzusparen und diese Millionen den Studierendenwerken zur Verfügung zu stellen. Die SPD fordert in ihrem Antrag 12 Millionen Euro. Im Grunde genommen ist das begrüßenswert, aber Sie haben natürlich, wie das bei den Linken immer so ist, keine Gegenfinanzierung.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist gelogen! – Gegenruf von Markus Wagner [AfD])

Das Geld holen Sie immer aus dem Himmel heraus und meinen, der liebe Gott würde die Sterne wie bei dem Märchen von den Sterntalern segensreich auf die Erde fallen lassen, Herr Yetim. Das kennen wir von den Sozialisten. So haben Sie hier in NRW jahrzehntelang das Land heruntergewirtschaftet.

(Zuruf von der SPD: Das war Herr Zimkeit und nicht Herr Yetim!)

– Entschuldigung, Sie haben recht.

Aber die Vernachlässigung der Studierendenwerke über die letzten zwei Jahrzehnte hinweg hat zum Investitionsstau geführt, der endlich aufgelöst werden muss. Wie gesagt: Finanzierungsvorschläge hat die AfD im Ausschuss zur Genüge gemacht. Wenn es Sie tröstet: Wir werden uns bei dem SPD-Antrag enthalten und werden ihn nicht ablehnen.

Zu erwähnen wären noch – ich bin gleich fertig, Herr Präsident – die Zuschüsse im Rahmen des Programms „Guter Studienstart“. Das Projekt ist 2014 als Wettbewerb gestartet, aber es atmet doch den Geist der rot-grünen Politik, die Zugangsbedingungen an den Hochschulen und Universitäten aufzuweichen.

Sie sollten diesen Wettbewerb nicht ausschreiben. Sie wissen, dass die Professoren mehr Qualität statt Quantität wollen. Sie sollten von dieser Tonnenideologie der linken Wissenschaftsideologie weg hin zu einer qualitativ-bürgerlich-humanistischen Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Dann wären wir ganz bei Ihnen, und dann würden Sie auch eine gute Wissenschaftspolitik machen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Wenn ich Sie höre, glaube ich wirklich, dass zu viele Leute studieren konnten!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen, Sie haben sich durchaus auf den Weg gemacht, um die Studienbedingungen in diesem Land zu verbessern. Sie sollten aber noch mehr Mut beim Wegräumen ideologischer Überbleibsel aus der rot-grünen Ära zeigen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Seifen. – Jetzt hat das Wort für die Landesregierung Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Landesregierung hat ihre Schwerpunkte im Etat 2019 unter anderem in den Bereichen „Digitalisierung“ und „Bildung“ gesetzt. Insbesondere am Schwerpunktthema „Bildung“ hat das Ministerium für Kultur und Wissenschaft wesentlichen Anteil und setzt vor allem auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für exzellente Bildung. Dabei gilt es, besonders die Umsetzung dringend notwendiger Investitionen auch mit Bezug auf die Digitalisierung endlich stärker voranzutreiben.

Inklusive der Veränderung der Ergänzungsvorlage zum Haushaltsplanentwurf 2019 liegen die Ansätze der Ausgaben für das kommende Jahr nunmehr bei über 9,2 Milliarden Euro. Damit liegt der Gesamtansatz des Einzelplans um 523 Millionen Euro über den Vorjahresansätzen. Die vorgesehene Ansatzsteigerung von 6 % ist überproportional.

Nachdem ich mir hier so manchen Beitrag angehört habe, frage ich mich – ich bin ja noch nicht so lange hier –: War das immer schon so? – Ich glaube eher nicht.

Die Ausgaben in den Bereichen Hochschulen und Hochschulmedizin stellen mit 73 % auch im kommenden Jahr den größten Posten im Etat dar. Die Hochschulen erhalten im Vergleich zu 2018 rund 326 Millionen Euro mehr. Allein die globalen Haushalte der Hochschulen werden um rund 212 Millionen Euro angehoben.

47 Millionen Euro fließen in die notwendigen Investitionen in die Hochschulen. Mit 50 Millionen Euro pro Jahr wird die Digitalisierung an den Hochschulen durch ein neues Programm vorangetrieben. – Auch das war angesichts der Haushaltsentwicklung in den vergangenen Jahren so noch nicht zu vermelden.

Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen von Forschung und Lehre sowie für Sanierung, Modernisierung und Digitalisierung soll die Hochschulmedizin knapp 89 Millionen Euro zusätzlich erhalten. Der größte Einzelposten sind dabei die Investitionsmittel in Höhe von 48 Millionen Euro. Am Ende sind das natürlich nur nackte Zahlen – sie werden aber viel verändern.

Die Landesregierung hat eine Ergänzungsvorlage zum Haushaltsplan 2019 beschlossen; Gegenstand waren unter anderem die haushaltstechnischen Konsequenzen der Umsetzung des Maßnahmenpakets für ein verbessertes Liegenschaftsmanagement.

Sie wissen alle, dass der Anteil der Hochschulen am Gesamtaufkommen der Maßnahmen des BLB bei über 60 % liegt. Das ist schon eine ziemlich gewaltige Veränderung – die wir aber sehr begrüßen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zusätzlich wurden neue Maßnahmen veranschlagt, wie beispielsweise die Verpflichtungsermächtigung für eine Landesfinanzierung des Kompetenzzentrums Quantencomputing am Forschungszentrum Jülich in Höhe von 3 Millionen Euro. Dem einen oder anderen wird bekannt sein, dass in Jülich an entscheidenden Verbesserungen im Bereich Quantencomputing gearbeitet wird, was wiederum für die Rechenkapazität der Forschung in ganz Deutschland entscheidend sein könnte.

Außerdem wurde in der Ergänzungsvorlage eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 12,5 Millionen Euro für die Umsetzung des Masterplans KI aufgenommen. Hier haben wir uns gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister gewaltig etwas vorgenommen, um Nordrhein-Westfalen im Bereich der Künstlichen-Intelligenz-Forschung weiter nach vorne zu bringen.

Gerade bei der Digitalisierung gibt es also eine hohe Dynamik bei den aktuellen Initiativen im Wissenschaftsbereich. Ehrlich gesagt, finde ich es ziemlich gut, dass uns das jetzt gelingt; denn ich habe in diesem Bereich sehr, sehr wenig vorgefunden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der große Erfolg der nordrhein-westfälischen Hochschulen im Wettbewerb der Förderlinie Exzellenzcluster kostet jetzt leider etwas mehr Geld; denn wir hatten nicht mit so einem riesigen Erfolg gerechnet. Im Vergleich zu unserem ursprünglichen Haushaltsplanentwurf haben wir deswegen noch einmal zusätzlich 3,8 Millionen Euro ausgewiesen.

Ich verbessere Sie, lieber Herr Körner, nur ungerne, aber es sind nicht nur vier, sondern fünf Hochschulen, die sich um den Titel bewerben können.

(Zurufe von der FDP: Ah! – Moritz Körner [FDP]: Das ist die Uhrzeit!)

Ich finde, darüber können wir alle ganz glücklich sein. Ich danke Ihnen allen für die konstruktiven Beratungen zum Haushaltsentwurf in den Fachausschüssen und für die sachlichen Diskussionen.

In diesem Sinne füge ich noch etwas zum Thema „Finanzierung der Studierendenwerke“ an. Das MKW hat aufgrund erwarteter Kostensteigerungen für Personal, Sanierung und Modernisierung bereits Vorsorge für einen um 4 Millionen Euro erhöhten Zuschussbedarf ab 2021 eingeplant. Dies ist vonseiten der Opposition und der Studierendenwerke kritisiert worden: Zu spät! Zu wenig!

(Stefan Zimkeit [SPD]: Ja!)

– Ja, es ist natürlich einfach, schnell mehr zu fordern. Ich bin aber nicht bereit, auf eine gründliche, sachliche Vorarbeit zu verzichten, die ich in allen Bereichen voraussetze. Hier fehlt sie mir noch.

Über das studentische Wohnen haben wir in diesem Haus bereits im vergangenen Jahr sehr intensiv debattiert. Dieses Jahr haben runde Tische zum Thema „studentisches Wohnen“ an vier Standorten ihre Arbeit aufgenommen.

Auf Initiative des Bauministeriums sowie meines Hauses werden an den runden Tischen mit den Akteuren vor Ort ganz konkrete Lösungsstrategien zur Schaffung studentischen Wohnraums an den jeweiligen Standorten erarbeitet. Auch Ihnen allen dürfte bekannt sein, dass es schwierig ist, überhaupt noch Grundstücke, gerade in den besonders nachgefragten Städten, für solche Zwecke zu bekommen.

Außerdem haben wir eine weitere Initiative ergriffen: Ein Gutachten soll die tatsächlichen Sanierungsbedarfe bei den Studierendenwohnheimen identifizieren und beziffern; denn dazu gibt es noch keine seriösen, gründlich durchkalkulierten Unterlagen. Im Anschluss daran wird die Landesregierung entscheiden können, ob, und wenn ja in welchem Umfang, es zu einer weitergehenden Förderung kommt.

Der letzte Punkt meiner Ausführungen ist die gemeinwohlorientierte Weiterbildung, die hier mit sehr freundlichen Komplimenten bedacht wurde. Ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass im Haushaltsentwurf 2019 erstmals rund 2 Millionen Euro für eine Dynamisierung vorgesehen sind. Auch das gab es vorher nicht – das sollte man dann auch deutlich sagen.

Diese Mittel sollen als Zuschlag zur bisherigen Förderung gewährt werden. Der Zuschlag ist aber – das ist sehr entscheidend – dynamisch angelegt und wird in den nächsten Jahren steigen. Auch damit setzt die Landesregierung eine Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag um.

Parallel dazu läuft natürlich die Reform des Weiterbildungsgesetzes. Sie wissen, dass es dazu im Sommer eine große Konferenz gab. Es finden viele Gespräche statt, die letzte Regionalkonferenz in diesem Kontext wird im nächsten Monat stattfinden. Die dort gewonnenen Erkenntnisse werden wir zusammenführen. Natürlich soll es auch ein Eckpunktepapier für eine Weiterentwicklung des Weiterbildungsgesetzes geben, mit der notwendigen Beteiligung der Verbände.

Fazit: Für den Haushalt 2019 sind deutlich mehr Landesmittel eingeplant als in den Vorjahren. Damit schafft die Landesregierung die finanzielle Grundlage für die weitere erfolgreiche Arbeit der Wissenschaft und der Weiterbildungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen.

Ich würde mich natürlich freuen, wenn Sie uns nicht nur positiv begleiten, sondern diesem Antrag auch zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen. Ich erwähne es nicht so häufig, aber in diesem Fall muss ich es natürlich tun: Sie haben Ihre Redezeit ein wenig überzogen.

(Heiterkeit von der CDU)

Nur ein wenig! Es hat ja auch niemand gemerkt. – Es waren etwa drei Minuten; falls es seitens der Fraktionen noch Bedarf gäbe, das Wort zu erheben, hätten Sie nun die Möglichkeit dazu.

(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)

– Sie sowieso nicht, Herr Ministerpräsident – wenn überhaupt, dann die Fraktionen. Die Landesregierung hat ja eben gesprochen.

Mir liegen keine Wortmeldung vor, und damit schließen wir die Debatte zu Teil b) Wissenschaft und Weiterbildung.

Wir kommen somit zu den Abstimmungen, und ich bitte um ein wenig Geduld, weil wir uns durch einen kleinen Wust an Abstimmungen durcharbeiten müssen. Nach aktuellem Stand gehe ich nicht davon aus, dass wir heute noch einen zweiten Hammelsprung machen werden.

(Zurufe: Oh!)

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei der Verwaltung bedanken. Für viele in der Verwaltung war es der erste Hammelsprung in diesem Parlament.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN, der AfD und dem Parlamentarischen Staatssekretär Klaus Kaiser)

Ich bin der Meinung, dass das Ganze prima organisiert wurde. Sie haben es sozusagen fast nicht gemerkt, außer dass Sie einmal den Saal verlassen und wieder betreten mussten. Danke also an alle, die dabei mitgewirkt haben – wir hatten auch ein klares Ergebnis.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen; erstens über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD – Drucksache 17/4344. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? – Die SPD-Fraktion sowie Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist gegen diesen Änderungsantrag? – CDU und FDP sind dagegen. Wer enthält sich? – Die AfD-Fraktion enthält sich. Damit haben wir ein klares Ergebnis. Der Änderungsantrag Drucksache 17/4344 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Zweitens stimmen wir über den Einzelplan 06 ab. Der Haushalts- und Finanzausschluss empfiehlt in Drucksache 17/4406, den Einzelplan 06 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? – CDU und FDP stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – SPD und Grüne sowie AfD stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Das sehe ich nicht. Damit ist der Einzelplan 06 in zweiter Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4406 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.

Drittens stimmen wir ab über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/4302. Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt, also stimmen wir über den Inhalt des Antrags ab. Wer stimmt dem Antrag zu? – CDU, FDP … – sonst niemand?

(Bodo Löttgen [CDU]: Meistens reicht das! – Heiterkeit von der CDU – Frank Müller [SPD]: Hammelsprung!)

CDU und FDP stimmen also zu. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und AfD stimmen dagegen.

(Zurufe)

Gibt es Enthaltungen?

(Zurufe: Ahh!)

– Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, es ist spät und der Abend ist lang, aber er wird jetzt erst richtig schön. – Wir müssen die Abstimmung noch einmal wiederholen. Ich habe den Eindruck, dass ein bisschen Verwirrung herrscht.

(Sarah Philipp [SPD]: Bei uns nicht!)

Und wir wollen hier ja keine verwirrten Abstimmungsergebnisse zur Kenntnis nehmen.

Wir stimmen also drittens ab über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/4302. Es handelt sich – ich sage es noch mal dem Inhalt nach – um den Antrag zum – stichwortartig gesagt – Prüfauftrag und Zuwendungsrecht. Dazu gab es auch eine Reihe von Ankündigungen.

Versuchen wir es also noch einmal: Wer stimmt diesem Antrag zu? – CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen.

(Heiterkeit)

Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Die AfD-Fraktion. Und wer enthält sich? –

(Zurufe: Ahh!)

– Es enthält sich die SPD-Fraktion, und damit haben wir ein klares Ergebnis.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der Antrag Drucksache 17/4302 ist mit breiter Mehrheit angenommen.

Nachzuholen ist nunmehr die Abstimmung über den Einzelplan 20, zu dem wir bereits gestern die Aussprache durchgeführt haben. Der Haushalts- und Finanzausschluss empfiehlt in Drucksache 17/4420, den Einzelplan 20 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Wer stimmt dem zu? – CDU und FDP stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und AfD stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall.

Damit ist der Einzelplan 20 in zweiter Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4420 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.

Damit sind alle Einzelpläne beraten. Wir kommen nun zu den weiteren Abstimmungen.

Erstens stimmen wir ab über das Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2018, das sogenannte Nachtragshaushaltsgesetz 2018.

Der Haushalts- und Finanzausschluss empfiehlt in Drucksache 17/4399, das Nachtragshaushaltsgesetz 2018 unverändert anzunehmen. Wir stimmen also in der zweiten von drei Lesungen über den Gesetzentwurf – Drucksachen 17/3400 und 17/4099 – und nicht über die Beschlussempfehlung ab. Wer stimmt dem so zu? – CDU und FDP sowie die AfD-Fraktion stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – SPD und Grüne stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Das sehe ich nicht.

Damit ist das Nachtragshaushaltsgesetz 2018 Drucksachen 17/3400 und 17/4099 in zweiter Lesung mit breiter Mehrheit angenommen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir stimmen zweitens ab über das Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2019. Kennerinnen und Kenner ahnen es: Das Gemeindefinanzierungsgesetz ist gemeint; das GFG 2019 Drucksachen 17/3302 und 17/4100. Ich weise hin auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 17/4417. Die Aussprache dazu haben wir gestern bereits geführt; wir kommen also zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der zweiten von drei Lesungen.

Der Haushalts- und Finanzausschluss empfiehlt in Drucksache 17/4417, den Gesetzentwurf Drucksachen 17/3302 und 17/4100 in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wer stimmt dem so zu?

(Ralf Jäger [SPD]: Ganz genau überlegen!)

– CDU und FDP sowie die AfD-Fraktion stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – SPD und Grüne stimmen dagegen.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Gibt es Enthaltungen? – Es gibt keine Enthaltungen.

Damit ist der Gesetzentwurf Drucksachen 17/3302 und 17/4100 in der zweiten Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4417 mit breiter Mehrheit angenommen.

Wir stimmen drittens ab über das Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2019, also das Haushaltsgesetz 2019 Drucksachen 17/3300 und 17/4100. Ich darf hinweisen auf Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 17/4400. Die Aussprache darüber haben wir gestern im Rahmen der Generaldebatte geführt. Wir stimmen auch hier über den Gesetzentwurf in der zweiten von drei Lesungen ab.

Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in der vorgenannten Drucksache 17/4400, den Gesetzentwurf mit den Drucksachen 17/3300 und 17/4100 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Wer stimmt der Beschlussempfehlung zu? – CDU und FDP stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und AfD stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist das Haushaltsgesetz 2019 Drucksachen 17/3300 und 17/4100 in zweiter Lesung in der Fassung der Beschlussempfehlung Drucksache 17/4400 mit allen Anlagen mit den Koalitionsfraktionsstimmen angenommen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Viertens stimmen wir ab über die Rücküberweisung des Haushaltsgesetzes 2019. Die Zurücküberweisung ist wichtig, weil wir ja noch eine dritte Lesung vor uns haben. Die Drucksachennummern habe ich jetzt häufig genug erwähnt. Die sind bekannt. Das Gemeindefinanzierungsgesetz 2019 wird ebenso rücküberwiesen – Drucksachen 17/3302 und 17/4100 – und das Nachtragshaushaltsgesetz 2018 mit den Drucksachen 17/3400 und 17/4099.

Rücküberwiesen wird an den Haushalts- und Finanzausschuss zur Vorbereitung der dritten Lesungen. Wer stimmt dieser Rücküberweisung zu? – SPD, Grüne, CDU, FDP und AfD. Gibt es Enthaltungen? – Gibt es nicht. Gegenstimmen? – Die gibt es auch nicht. Damit ist einstimmig so überwiesen und die Rücküberweisung des Haushaltsgesetzes 2019, des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2019 und des Nachtragshaushaltsgesetzes 2018 beschlossen.

Am Ende der zweiten Lesung der Haushaltsberatungen darf ich noch folgenden Hinweis geben: Das Haushaltsbegleitgesetz 2019 benötigt nur zwei Lesungen. Die Beratung in zweiter Lesung wurde gestern in der Grundsatzdebatte durchgeführt, aber noch nicht geschlossen. Die Abstimmung in zweiter Lesung zum Haushaltsbegleitgesetz findet erst in der dritten Lesung des Haushaltsgesetzes 2019 statt. Alle, die nicken, wussten das auch.

Das heißt, dass gemäß § 75 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung noch Änderungsanträge zum Haushaltsbegleitgesetz 2019 zulässig bleiben.

Die dritten Lesungen der soeben überwiesenen Haushaltsvorlagen sind für die Plenarsitzungen am 12. und 13. Dezember 2018 vorgesehen.

Ich rufe nun auf den Tagesordnungspunkt 4, der vom Herrn Präsidenten zu dem Punkt selbst geschlossen und als wieder aufrufbar erklärt wurde, in der Fortsetzung wieder auf. Das war der Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/4297. Das Thema war „Migrationspakt stoppen – Wir entscheiden selbst, wen wir ins Land lassen!“.

Ich habe den Tagesordnungspunkt wieder aufgerufen, um Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekanntzugeben. Ihre Stimmen abgegeben haben 187 Abgeordnete. Mit Ja stimmten 13 Abgeordnete. Mit Nein stimmten 174 Abgeordnete. Niemand hat sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag Drucksache 17/4297 mit breiter Mehrheit des Hohen Hauses abgelehnt.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und von der Regierungsbank)

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Ende der heutigen Sitzung.

Das Plenum wird wieder einberufen für morgen Früh um 10 Uhr.

Ich wünsche allen einen angenehmen Restabend und schließe hiermit die Sitzung.

Schluss: 22:25 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 

 

 

Anlage

Namentliche Abstimmung über den Antrag Drucksache 17/4297 – TOP 4 (Migrationspakt stoppen – Wir entscheiden selbst, wen wir ins Land lassen!)

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Frau Altenkamp

SPD

 

X

 

2

 Frau Aymaz

GRÜNE

 

X

 

3

 Herr Baran

SPD

 

X

 

4

 Herr Beckamp

AfD

X

 

 

5

 Herr Becker, Andreas

SPD

 

X

 

6

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

 

X

 

7

 Frau Beer

GRÜNE

 

X

 

8

 Herr Bell

SPD

 

X

 

9

 Herr van den Berg

SPD

entschuldigt

10

 Herr Dr. Berger

CDU

 

X

 

11

 Herr Berghahn

SPD

 

X

 

12

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

X

 

13

 Herr Bialas

SPD

 

X

 

14

 Herr Biesenbach

CDU

 

X

 

15

 Herr Bischoff

SPD

 

X

 

16

 Frau Blask

SPD

 

X

 

17

 Herr Dr. Blex

AfD

X

 

 

18

 Herr Blöming

CDU

 

X

 

19

 Herr Blondin

CDU

 

X

 

20

 Herr Börner

SPD

 

X

 

21

 Herr Börschel

SPD

 

X

 

22

 Herr Bolte-Richter

GRÜNE

 

X

 

23

 Herr Bombis

FDP

 

X

 

24

 Frau Bongers

SPD

 

X

 

25

 Herr Boss

CDU

 

X

 

26

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

 

X

 

27

 Herr Braun

CDU

 

X

 

28

 Frau Brems

GRÜNE

 

X

 

29

 Herr Brockes

FDP

 

X

 

30

 Herr Brockmeier

FDP

 

X

 

31

 Frau Dr. Büteführ

SPD

 

X

 

32

 Frau Butschkau

SPD

 

X

 

33

 Herr Dahm

SPD

 

X

 

34

 Herr Deppe

CDU

 

X

 

35

 Herr Déus

CDU

 

X

 

36

 Herr Deutsch

FDP

 

X

 

37

 Herr Diekhoff

FDP

 

X

 

38

 Herr Dudas

SPD

 

X

 

39

 Frau Düker

GRÜNE

 

X

 

40

 Frau Dworeck-Danielowski

AfD

X

 

 

41

 Herr Engstfeld

GRÜNE

 

X

 

42

 Frau Erwin

CDU

 

X

 

43

 Herr Fortmeier

SPD

abwesend

44

 Herr Franken

CDU

 

X

 

45

 Frau Freimuth

FDP

 

X

 

46

 Herr Freynick

FDP

 

X

 

47

 Herr Frieling

CDU

 

X

 

48

 Frau Fuchs-Dreisbach

CDU

 

X

 

49

 Herr Ganzke

SPD

 

X

 

50

 Frau Gebauer, Katharina

CDU

entschuldigt

51

 Frau Gebauer, Yvonne

FDP

 

X

 

52

 Frau Gebhard

SPD

 

X

 

53

 Herr Dr. Geerlings

CDU

 

X

 

54

 Herr Göddertz

SPD

 

X

 

55

 Frau Gödecke

SPD

 

X

 

56

 Herr Goeken

CDU

 

X

 

57

 Herr Golland

CDU

 

X

 

58

 Herr Hafke

FDP

 

X

 

59

 Herr Hagemeier

CDU

 

X

 

60

 Frau Hammelrath

SPD

 

X

 

61

 Frau Hannen

FDP

 

X

 

62

 Herr Haupt

FDP

 

X

 

63

 Herr Herter

SPD

 

X

 

64

 Herr Höne

FDP

 

X

 

65

 Herr Hoppe-Biermeyer

CDU

 

X

 

66

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

X

 

67

 Herr Hübner

SPD

 

X

 

68

 Herr Jäger

SPD

 

X

 

69

 Herr Jahl

SPD

 

X

 

70

 Herr Jörg

SPD

 

X

 

71

 Herr Kämmerling

SPD

 

X

 

72

 Herr Kaiser

CDU

 

X

 

73

 Herr Kamieth

CDU

 

X

 

74

 Frau Kampmann

SPD

 

X

 

75

 Frau Kapteinat

SPD

 

X

 

76

 Herr Dr. Katzidis

CDU

 

X

 

77

 Herr Kehrl

CDU

 

X

 

78

 Herr Keith

AfD

X

 

 

79

 Herr Kerkhoff

CDU

 

X

 

80

 Herr Keymis

GRÜNE

 

X

 

81

 Herr Klenner

CDU

 

X

 

82

 Herr Klocke

GRÜNE

 

X

 

83

 Herr Körfges

SPD

 

X

 

84

 Herr Körner

FDP

 

X

 

85

 Frau Kopp-Herr

SPD

 

X

 

86

 Frau Korte

CDU

 

X

 

87

 Herr Korth

CDU

 

X

 

88

 Herr Kossiski

SPD

entschuldigt

89

 Frau Kraft

SPD

 

X

 

90

 Herr Kramer

SPD

 

X

 

91

 Herr Krauß

CDU

 

X

 

92

 Herr Krückel

CDU

 

X

 

93

 Herr Kuper

CDU

 

X

 

94

 Herr Kutschaty

SPD

 

X

 

95

 Herr Langguth

fraktionslos

entschuldigt

96

 Herr Laschet

CDU

 

X

 

97

 Herr Lehne

CDU

 

X

 

98

 Herr Lenzen

FDP

 

X

 

99

 Herr Lienenkämper

CDU

entschuldigt

100

 Herr Löcker

SPD

 

X

 

101

 Herr Löttgen

CDU

 

X

 

102

 Herr Loose

AfD

X

 

 

103

 Frau Lück

SPD

 

X

 

104

 Frau Lüders

SPD

 

X

 

105

 Herr Lürbke

FDP

 

X

 

106

 Frau Lux

SPD

 

X

 

107

 Herr Dr. Maelzer

SPD

 

X

 

108

 Herr Mangen

FDP

 

X

 

109

 Herr Matheisen

FDP

 

X

 

110

 Herr Middeldorf

FDP

 

X

 

111

 Herr Moritz

CDU

 

X

 

112

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

 

X

 

113

 Herr Müller, Frank

SPD

 

X

 

114

 Herr Müller, Holger

CDU

entschuldigt

115

 Frau Müller-Rech

FDP

 

X

 

116

 Frau Müller-Witt

SPD

entschuldigt

117

 Herr Dr. Nacke

CDU

 

X

 

118

 Herr Neppe

fraktionslos

abwesend

119

 Herr Nettekoven

CDU

 

X

 

120

 Herr Neumann

SPD

 

X

 

121

 Herr Dr. Nolten

CDU

 

X

 

122

 Herr Nückel

FDP

 

X

 

123

 Frau Oellers

CDU

 

X

 

124

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

 

X

 

125

 Herr Ott

SPD

 

X

 

126

 Herr Panske

CDU

 

X

 

127

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

 

X

 

128

 Herr Paul, Stephen

FDP

 

X

 

129

 Frau Dr. Peill

CDU

 

X

 

130

 Herr Petelkau

CDU

 

X

 

131

 Herr Dr. Pfeil

FDP

 

X

 

132

 Frau Philipp

SPD

 

X

 

133

 Frau Plonsker

CDU

 

X

 

134

 Herr Pretzell

fraktionslos

abwesend

135

 Herr Preuß

CDU

 

X

 

136

 Frau Quik

CDU

 

X

 

137

 Herr Rasche

FDP

 

X

 

138

 Herr Rehbaum

CDU

 

X

 

139

 Herr Remmel

GRÜNE

 

X

 

140

 Herr Reuter

FDP

 

X

 

141

 Herr Ritter

CDU

 

X

 

142

 Herr Rock

CDU

 

X

 

143

 Herr Röckemann

AfD

X

 

 

144

 Herr Römer

SPD

 

X

 

145

 Herr Prof. Dr. Rudolph

SPD

 

X

 

146

 Herr Rüße

GRÜNE

 

X

 

147

 Frau dos Santos Herrmann

SPD

 

X

 

148

 Frau Schäffer

GRÜNE

 

X

 

149

 Herr Schick

CDU

 

X

 

150

 Frau Schlottmann

CDU

 

X

 

151

 Herr Schmeltzer

SPD

 

X

 

152

 Herr Schmitz

CDU

 

X

 

153

 Herr Schneider, René

SPD

 

X

 

154

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

X

 

155

 Herr Schnelle

CDU

 

X

 

156

 Herr Scholz

CDU

 

X

 

157

 Herr Schrumpf

CDU

 

X

 

158

 Herr Schultheis

SPD

 

X

 

159

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

X

 

160

 Herr Seifen

AfD

X

 

 

161

 Herr Sieveke

CDU

 

X

 

162

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

 

X

 

163

 Herr Dr. Stamp

FDP

 

X

 

164

 Herr Stinka

SPD

 

X

 

165

 Frau Stock

SPD

 

X

 

166

 Frau Stotz

SPD

 

X

 

167

 Herr Sträßer

CDU

abwesend

168

 Herr Strotebeck

AfD

X

 

 

169

 Frau Stullich

CDU

 

X

 

170

 Herr Sundermann

SPD

 

X

 

171

 Herr Terhaag

FDP

 

X

 

172

 Herr Tigges

CDU

 

X

 

173

 Herr Tritschler

AfD

X

 

 

174

 Frau Troles

CDU

 

X

 

175

 Herr Dr. Untrieser

CDU

 

X

 

176

 Herr Dr. Vincentz

AfD

X

 

 

177

 Herr Voge, Marco

CDU

 

X

 

178

 Herr Vogel, Nic Peter

AfD

X

 

 

179

 Herr Vogt, Alexander

SPD

 

X

 

180

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

X

 

181

 Frau Voigt-Küppers

SPD

 

X

 

182

 Frau Voßeler-Deppe

CDU

 

X

 

183

 Herr Voussem

CDU

 

X

 

184

 Herr Wagner

AfD

X

 

 

185

 Frau Walger-Demolsky

AfD

X

 

 

186

 Frau Watermann-Krass

SPD

 

X

 

187

 Herr Watermeier

SPD

 

X

 

188

 Herr Weiß

SPD

 

X

 

189

 Frau Wendland

CDU

 

X

 

190

 Frau Weng

SPD

 

X

 

191

 Frau Wermer

CDU

 

X

 

192

 Herr Weske

SPD

 

X

 

193

 Frau Winkelmann

CDU

 

X

 

194

 Herr Witzel

FDP

 

X

 

195

 Herr Wolf

SPD

 

X

 

196

 Herr Wüst

CDU

abwesend

197

 Herr Yetim

SPD

 

X

 

198

 Herr Yüksel

SPD

 

X

 

199

 Herr Zimkeit

SPD

 

X

 

 

Ergebnis:

 

13

174

0