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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/41

17. Wahlperiode

16.11.2018

 

41. Sitzung

Düsseldorf, Freitag, 16. November 2018

Mitteilungen des Präsidenten. 3

1   Pläne zur Abschaffung der Stichwahl sind ein Angriff auf die kommunale Demokratie

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4165. 3

Christian Dahm (SPD) 3

Heinrich Frieling (CDU) 4

Monika Düker (GRÜNE) 6

Henning Höne (FDP) 7

Herbert Strotebeck (AfD) 9

Marcus Pretzell (fraktionslos) 10

Minister Herbert Reul 11

Stefan Kämmerling (SPD) 12

Bodo Löttgen (CDU) 14

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 15

Henning Höne (FDP) 16

Herbert Strotebeck (AfD) 18

Stefan Kämmerling (SPD) 19

2   Fit für die Zukunft kultureller Zusammenarbeit

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4116. 20

Rüdiger Weiß (SPD) 20

Bernd Petelkau (CDU) 21

Lorenz Deutsch (FDP) 21

Johannes Remmel (GRÜNE) 22

Dr. Martin Vincentz (AfD) 23

Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner 24

Ergebnis. 24

3   Nächtliche Lärmbelastungen durch Verspätungen am Flughafen Düsseldorf wirksam reduzieren

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4105. 25

Arndt Klocke (GRÜNE) 25

Olaf Lehne (CDU) 26

Susana Dos Santos Herrmann (SPD) 27

Bodo Middeldorf (FDP) 28

Nic Peter Vogel (AfD) 29

Minister Hendrik Wüst 30

Ergebnis. 31

4   NRW gibt Orientierung für kommunale Konzepte zur Digitalisierung in den Schulen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4110. 31

Sigrid Beer (GRÜNE) 31

Florian Braun (CDU) 32

Ina Spanier-Oppermann (SPD) 33

Jörn Freynick (FDP) 33

Sven Werner Tritschler (AfD) 34

Ministerin Yvonne Gebauer 35

Sigrid Beer (GRÜNE) 35

Jochen Ott (SPD) 36

Ministerin Yvonne Gebauer 37

Ergebnis. 38

Entschuldigt waren:

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart

Ministerin Ina Scharrenbach

 

Hans-Willi Körfges (SPD)

Eva Lux (SPD)

Karl Schultheis (SPD)

Marlies Stotz (SPD)

Berivan Aymaz (GRÜNE)

Horst Becker (GRÜNE)

Roger Beckamp (AfD)

Dr. Christian Blex (AfD)

Iris Dworeck-Danielowski (AfD)

Andreas Keith (AfD)

Christian Loose (AfD)

Thomas Röckemann (AfD)

Helmut Seifen (AfD)

Markus Wagner (AfD)

Gabriele Walger-Demolsky (AfD)

 


Beginn: 10:01 Uhr

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich zu unserer heutigen, 41. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Damit treten wir in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1   Pläne zur Abschaffung der Stichwahl sind ein Angriff auf die kommunale Demokratie

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4165

Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 12. November 2018 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der oben genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Dahm das Wort.

Christian Dahm (SPD): Guten Morgen! Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Erfolgreiche demokratische Wahlen legitimieren sich dauerhaft nur durch Beteiligung, durch Kontinuität und durch Verlässlichkeit, aber auch durch einen lebendigen Wettbewerb und politische Vielfalt bei der zur Auswahl stehenden Kandidatinnen und Kandidaten.

Das wünschen sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen. Das wünschen sich die Wähler und Wählerinnen in diesem Land – ungeachtet ihrer politischen Ausrichtung.

(Beifall von der SPD)

Von den Plänen der regierungstragenden Fraktionen zur erneuten Abschaffung der Stichwahl bei den Wahlen der Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister haben wir in der vergangenen Woche aus der Presse erfahren.

Aus diesem Grund und im Interesse unseres demokratischen Gemeinwesens haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt. Das ist eine gute Gelegenheit für Sie, uns heute Morgen über Ihr weiteres Vorhaben zu informieren. Denn Wahlrechtsfragen sind grundsätzlich Parlamentsfragen und sollten auch von einer breiten Mehrheit aus diesem Hohen Hause getragen werden. Sie eignen sich nicht für ein politisches Pingpongspiel.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Je nach Regierungswechsel sollten sich sowohl die jeweiligen Amtsinhaber als auch die zukünftigen Kandidatinnen und Kandidaten auf ein bewährtes System verlassen können. Das sollte Bestand haben.

Als im Mai 2011 die Stichwahl in Nordrhein-Westfalen von einer breiten Mehrheit hier im Landtag wieder eingeführt wurde, war das erklärte Ziel: Mehr Demokratie wagen und diese auf kommunaler Ebene stärken; mehr Legitimation für die gewählten Hauptverwaltungsbeamten, also Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister.

(Unruhe – Glocke)

Für die Wiedereinführung der Stichwahl im Jahr 2011 gab es eine deutliche parlamentarische Mehrheit der Abgeordneten in diesem Haus, bestehend aus den damaligen regierungstragenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie zwei Oppositionsfraktionen, darunter erfreulicherweise die FDP. Das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen. Schließlich hatten die Liberalen seinerzeit in Regierungsverantwortung gemeinsam mit der CDU die Stichwahlen im Jahr 2007 wieder abgeschafft.

Ich möchte hier den ehemaligen FDP-Abgeordneten Horst Engel zitieren, der im September 2011 im Landtag Nordrhein-Westfalen sagte: Nach den vorliegenden Erfahrungen und Abstimmungen mit unserer kommunalen Ebene halten wir die Einführung der Stichwahl sehr wohl für wünschenswert. – Hört! Hört!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion, es war noch nie Ihr ausdrücklicher Wunsch, die Stichwahl abzuschaffen. Ich frage Sie: Was wird Sie erneut dazu bewegen? Was war denn diesmal der politische Preis dafür?

Mit Ihrer gleichgültigen und sprunghaften Haltung nehmen Sie bewusst in Kauf, dass gerade die FDP auf kommunaler Ebene künftig kaum noch eigene Kandidaten für die Wahlen der Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte aufstellen wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP)

Die CDU-Fraktion wird hier gleich die mangelnde Wahlbeteiligung bei den Stichwahlen darstellen. Wir konnten kürzlich im Kommunalausschuss schon einen kleinen Eindruck davon gewinnen.

Überwiegend ist aber das Gegenteil der Fall. Schauen Sie sich einmal die absoluten Zahlen an, und nicht nur die Wahlbeteiligung in Prozent. Über 70 % der bei einer Stichwahl angetretenen Kandidatinnen und Kandidaten haben dort deutlich mehr Stimmen als im ersten Wahlgang erhalten, also eine höhere Legitimation durch die Bürgerinnen und Bürger der Stadt als im ersten Wahlgang.

(Bodo Löttgen [CDU]: Nein! Nein!)

– So ist es, auch wenn Sie das bestreiten, Herr Kollege Löttgen. Ich will Ihnen gern einige Beispiele nennen. Das macht mir eine große Freude.

Ich nenne Oberbürgermeister Thomas Geisel, Düsseldorf. Im zweiten Wahlgang hat er 30.000 Stimmen mehr erhalten als im ersten Wahlgang.

Oberbürgermeister Thomas Kufen von der CDU hat 12.000 Stimmen mehr als im ersten Wahlgang bekommen.

Oberbürgermeister Thomas Eiskirch hat in Bochum 7.000 Stimmen mehr erhalten.

Sie werden jetzt sagen: Das sind ja nur die Großstädte. – Ich nenne Ihnen gerne auch Beispiele aus kleineren Städten.

Schauen wir einmal nach Waltrop. Bürgermeisterin Nicole Moenikes von der CDU hat 800 Stimmen mehr erhalten als im ersten Wahlgang.

Auch Dr. Rüdiger Storch von der FDP hat in Eitorf 600 Stimmen mehr als im ersten Wahlgang bekommen.

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass es eine hohe Legitimation für die Bewerberinnen und Bewerber gab. Diese muss es auch weiterhin geben.

Doch Ihnen, der CDU-Fraktion, geht es in Wahrheit nicht um Demokratie. Es geht Ihnen nicht um Effizienz oder Kosten.

(Daniel Sieveke [CDU]: Vorsicht! Vorsicht!)

– Ja, Herr Sieveke, das ist hart, und das tut weh. Das glaube ich. – Es geht Ihnen im Kern doch nur darum, künftig – koste es, was es wolle – CDU-Kandidaten, die den ersten Wahlgang noch gewonnen haben, dann aber in der Stichwahl unterlegen sind, ins Amt zu heben. Das ist doch die Wahrheit, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Denn aufgrund der Stichwahlen hat die CDU zuletzt wichtige Bürgermeisterwahlen – wie hier in Düsseldorf – verloren. Ja, das schmerzt. Das kann ich mir durchaus vorstellen. Sie sind ja häufiger in Stichwahlen unterlegen. Dafür sind Sie bereit, das bewährte demokratische Wahlsystem zu verbiegen – aus purer Wahltaktik und politischem Kalkül.

Die Stichwahl muss für Sie deswegen weichen, weil sie Ihnen parteipolitisch eher schadet als nutzt, obwohl sie nachweislich die Wahlbeteiligung eher belebt, und die Personen, welche den zweiten Wahlgang für sich entscheiden, tendenziell deutlich mehr Stimmen auf sich vereinen können als diejenigen, die im ersten Wahlgang noch vorne lagen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Bitte?)

Ihr Vorhaben, die Stichwahl wieder abzuschaffen, geht völlig gegen den Trend. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land wollen mehr mitbestimmen und nicht weniger.

Sie verkennen auch die derzeitige politische Situation. Wenn sich mehrere Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl stellen, kann es durchaus passieren, dass Personen ins Amt kommen, die von einer Minderheit gewählt werden und möglicherweise mit unserem gemeinsamen demokratischen Verständnis nicht vereinbar sind. Das schwächt die demokratische Legitimation doch deutlich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren insbesondere der CDU-Fraktion, Ihr Vorhaben ist mehr als durchsichtig und ein Frontalangriff auf unsere gut gelebte Demokratie. Sie stellen Parteiinteressen über das Wohl unserer Demokratie in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir brauchen Verlässlichkeit für unser Staatswesen und für die Hauptverwaltungsbeamtinnen und ‑beamten, die derzeit im Amt sind, aber auch für die zukünftigen Kandidatinnen und Kandidaten, die für das Amt der Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister antreten wollen. Ich kann Sie nur auffordern: Sehen Sie von diesem Unsinn, von diesem politischen Irrsinn ab! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Herr Frieling das Wort.

Heinrich Frieling (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute ist bundesweiter Vorlesetag. Dass die SPD sich mal wieder für die Kategorie „Märchen“ entschieden hat, haben wir gerade von Herrn Dahm deutlich gehört.

(Beifall von der CDU)

Als Lehrbeauftragter für Kommunalrecht beschäftige ich mich seit einigen Jahren auch mit Fragen des Kommunalwahlrechts und damit auch regelmäßig mit der Stichwahl in Nordrhein-Westfalen, die natürlich immer in der Diskussion ist.

Während Sie den Bürger zitieren, machen Sie alles – nur auf ihn hören tun Sie nicht.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Wie bei den Straßenausbaubeiträgen!)

Die Stichwahl für kommunale Hauptverwaltungsbeamte hat sich längst selbst überlebt.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

– Schreien Sie ruhig rum. Sie können ja gleich auf meine Rede erwidern.

Hören wir doch einmal auf den Bürger, der durch seine geringe Wahlbeteiligung bei den Stichwahlen bereits klargemacht hat, wie er zum doppelten Urnengang steht! Er hält die Stichwahl für überflüssig. Sie war auch nie eine Stärkung der Demokratie, sondern schon immer ein Beitrag zur Wahlmüdigkeit.

(Beifall von der CDU)

Sie bringt weder besonders Spannendes für den Bürger noch neue Ergebnisse.

Ich erinnere mich noch gut an meine erste Kommunalwahl im Jahr 2004. Damals durfte ich zum ersten Mal selbst mitbestimmen, wer bei uns das höchste Amt im Kreis und in der Heimatgemeinde ausüben sollte.

(Zuruf von der SPD: Welchen Studenten erzählen Sie das? Es ist gut, dass Sie es uns und nicht den Studenten erzählen!)

Bei der damaligen Kommunalwahl lag die Wahlbeteiligung der Bürgerinnen und Bürger NRW-weit bei 54,4 %. In gut einem Viertel der Kommunen wurde eine Stichwahl notwendig. Im zweiten Wahlgang lag die Wahlbeteiligung nur noch bei 38 %. Fast ein Drittel weniger Bürgerinnen und Bürger entschieden sich dafür, zur Urne zu gehen.

Damit haben die Wähler bereits 2004 deutlich gemacht, dass sie die Stichwahl nicht schätzen. Es war also folgerichtig, dass die schwarz-gelbe Landesregierung den Doppelurnengang im Jahr 2007 abschaffte.

Völlig uninteressiert, am Willen des Bürgers vorbei, führte die rot-grüne Minderheitsregierung 2011 die Stichwahl dann wieder ein. Es kam, wie es kommen musste: Bei den Wahlen der Bürgermeister und Landräte im Jahr 2014 beteiligten sich 51,9 % der Wahlberechtigten. Bei der Stichwahl waren es wiederum nur 36,7 %. Somit ging da ein Drittel weniger zur Urne.

Wir halten also fest: Sie stellen uns vor das gleiche Problem und haben selbst keinen Beitrag geleistet, um die Stichwahl irgendwie attraktiver zu machen oder die Wahlbeteiligung zu stärken. Die SPD verfährt anscheinend lieber nach dem Motto: Hauptsache, das Etikett sieht gut aus – wen interessiert schon der Inhalt?

(Beifall von der CDU und Henning Höne [FDP])

Anders als beim Alkohol ist es aber so, dass die reine Prozentzahl nichts über die Stärke einer Wahlentscheidung aussagt.

(Christian Dahm [SPD]: Stimmt!)

Viel wichtiger als die reine Prozentzahl ist die Frage, wie viele Stimmen sich hinter denjenigen, die unseren Verwaltungen vorstehen, verbergen. Herr Dahm, Ihre Zahlen sind so nicht richtig. Oft führt die geringere Wahlbeteiligung dazu, dass auch die absoluten Stimmenzahlen für die Kandidaten in der Stichwahl deutlich niedriger sind.

Ich nenne nur ein Beispiel aus meinem Wahlkreis. Bei einer Wahl in der Hansestadt Soest erhielt der Bürgermeister im ersten Wahlgang 9.653 Stimmen. Ihm fehlten lediglich 25 Stimmen zur absoluten Mehrheit. Im zweiten Wahlgang – da hat er die 50‑%-Hürde natürlich überschritten – waren es ein Fünftel weniger Stimmen, nämlich nur noch 7.825. Das ist keine stärkere demokratische Legimitation.

(Beifall von der CDU)

Wir könnten jetzt noch einige Beispiele hin und her schieben – aber vielleicht reicht Ihnen das als SPD auch –, um den Unterschied zwischen dem Stimmenanteil und der sich dahinter verbergenden Stimmenanzahl deutlich zu machen.

Aber dass Sie beim Thema „Prozentrechnung“ Nachhilfe benötigen, zeigt bereits Ihr Antrag. Sie behaupten, dass – ich darf einmal zitieren – „ohne Stichwahlen wiederum Kandidaten ins Amt kämen, die nur eine sehr geringe Stimmenanzahl auf sich vereinigen“. Das Beispiel von gerade zeigt aber: Der Stimmenanteil, also die Prozentzahl, ist gewachsen, die Stimmenanzahl jedoch möglicherweise gleichzeitig gesunken.

(Beifall von der CDU)

Entweder wissen Sie nicht, was Sie wollen, oder Ihr Antrag enthält handwerkliche und logische Fehler. Er birgt im Übrigen noch viel mehr sozialdemokratischen Sprengstoff.

Jetzt gibt es schlechte Nachrichten für Sie, liebe Frau Dos Santos Herrmann,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

und für Sie, Frau Hammelrath, falls anwesend,

(Zuruf von der SPD: Was heißt „falls anwesend“? Natürlich anwesend!)

von der SPD-Fraktion. Nimmt man den Antrag Ihrer Fraktion ernst, dürften Sie gar nicht hier sitzen und über Gesetze abstimmen, zum Beispiel über das Kommunalwahlgesetz, wenn es denn ansteht. Schließlich haben Sie Ihr Direktmandat mit weniger als einem Drittel der Wählerstimmen gewonnen. Auch über die Landesliste säßen Sie heute nicht hier.

(Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD – Christian Dahm [SPD]: Geben Sie Ihren Lehrauftrag zurück!)

Dazu sagt Ihre Fraktion wörtlich: „zu niedrig, um einen ausreichenden Rückhalt in der Wählerschaft zu gewährleisten.“

(Weitere Zurufe von der SPD)

Ich kann Sie aber beruhigen. Der Landesverfassungsgerichtshof sieht Sie ausreichend legitimiert. Er hat die Rechtmäßigkeit der relativen Mehrheitswahl bereits bestätigt. Denn was Sie als einen Angriff auf die Demokratie bezeichnen, trägt nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs NRW – Zitat – „dem verfassungsrechtlichen Erfordernis demokratischer Legitimation von Staatsgewalt ausreichend Rechnung“. Das stellte das Gericht bereits 2009 klar, als Sie sich mit Ihrer Klage gegen die Abschaffung der Stichwahl die Finger verbrannten.

Ich frage mich, warum die SPD überhaupt Angst vor der Abschaffung der Stichwahl hat. Entweder fürchten Sie, dass die Grünen Sie bei dem Rennen um die Hauptverwaltungsbeamten überholen und Sie keine Rolle mehr spielen ...

(Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD)

– Ja, man greift immer nur den an, der den Ball hat, und wenn ich sehe, wie unruhig Sie sind, habe ich hier offenbar einen Punkt angesprochen, der Sie hart trifft –,

(Beifall von der CDU und Henning Höne [FDP])

... oder Sie vermissen einfach nur die Möglichkeit des politischen Taktierens; denn ohne Stichwahl muss man dem Bürger vorher sagen, wie die Allianzen sind, wer wen unterstützt und wer mit wem zusammenarbeitet.

(Zurufe von der SPD)

Am kommenden Sonntag findet in Schleiden eine Stichwahl statt. Auch dort fehlten nur 35 Stimmen. Der eine Kandidat, der dort in die Stichwahl geht, tritt gegen einen anderen Kandidaten an, der nicht einmal halb so viele Stimmen bekam. Da wundere ich mich nicht, wenn der Bürger nach einer Rechtfertigung für diesen Aufwand fragt. Ohne neue Erkenntnisse zu bekommen, werden ehrenamtliche Wahlvorstände, Wahlkämpfer, Kandidaten und kommunale Haushalte in Anspruch genommen.

Ich komme zum Ende und stelle fest: Der Bürger hat längst mit den Füßen entschieden. Für den Bürger ist es ein unnötiger Aufwand, der abgeschafft gehört. Das Verfassungsgericht hat seinen Segen gegeben. Hören wir doch einfach einmal auf den Bürger! – Danke.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Grünen erteile ich nun der Abgeordneten Frau Düker das Wort.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der CDU, lieber Kollege Frieling, Demokratie ist manchmal schwer auszuhalten. Das gestehe ich Ihnen zu; denn bei Ihnen war die Bilanz bei den Stichwahlen besonders bitter – sowohl vor der Abschaffung der Stichwahl durch Sie als auch nach Wiedereinführung der Stichwahl durch uns im Jahr 2015.

Denn – das sieht man in den Statistiken gut – die allermeisten CDU-Kandidaten, die in die Stichwahl mussten und im ersten Wahlgang oft eine relative Mehrheit hatten, haben dann in der Stichwahl verloren. Beispiele wurden vom Kollegen Dahm genannt: Düsseldorf, Wuppertal. Besonders bitter war es im Kreis Lippe; das kann ich verstehen. Ihr Kandidat hatte dort im ersten Wahlgang knapp unter 50 % der Stimmen erreicht und hat dann im zweiten Wahlgang, in der Stichwahl, verloren.

(Beifall von Christian Dahm [SPD] und Michael Hübner [SPD])

Als Konsequenz daraus zu sagen: „Dann schaffen wir die Stichwahl ab“, ist aber doch absurd, Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Sie sollten sich vielleicht einmal fragen, warum Sie denn Ihre Wählerinnen und Wähler im Kreis Lippe nicht für die Stichwahl mobilisieren konnten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das wäre doch die richtige Überlegung für eine Partei.

Deswegen ist Ihre Begründung von der niedrigen Wahlbeteiligung durchschaubar. Das ist ein missglückter Versuch, Ihren rein interessengeleiteten Demokratieabbau hier zu verschleiern.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist auch ein untauglicher Fehlschluss. Sie haben die geringe Wahlbeteiligung aufgrund eines fehlenden Interesses an der Kommunalpolitik als Problem identifiziert. Mit der Abschaffung der Stichwahl wird dieses Problem aber doch nicht beseitigt, sondern nur verdeckt.

(Beifall von den GRÜNEN)

An der Ursache, dem offenbar fehlenden Interesse an der Kommunalwahl, ändert das nichts. Sehen Sie lieber zu, dass Sie Ihre Wähler an die Urne kriegen und die Kommunalpolitik dort attraktiver machen, wo die Wahlbeteiligung gering ist.

Die Auswirkungen der Abschaffung der Stichwahl sind hinlänglich bekannt. Die Erfahrungen aus 2009 will ich noch einmal in Erinnerung rufen. Über 30 Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte sind damals mit relativen Mehrheiten von unter 40 % in die Ämter gekommen: Wülfrath 27 %, Marl 32,4 %, Grevenbroich 33,7 %, Monheim 30,4 % usw. usf.

Der Verein „Mehr Demokratie“ sprach damals von „Minderheitenbürgermeistern“ mit schwacher demokratischer Legitimierung. Genau diese Problematik, dass Kandidaten mit einer schwachen demokratischen Legitimierung in Ämter kommen, wird durch die aktuelle Entwicklung der sich weiter zersplitterten Parteienlandschaft noch verschärft. Stichwahlen hingegen stellen im Ergebnis mit einer absoluten Mehrheit der Gewählten sicher, dass sich diejenigen, die ins Amt kommen, auf eine breite demokratische Legitimierung stützen können. Damit sind sie auch denjenigen verpflichtet, die nicht zu ihrer originären Parteienwählerschaft gehören.

Das weit größere Demokratiedefizit sehe ich in den zwangsläufigen Reaktionen der Parteien. Das konnten wir 2009 auch beobachten. Denn klar ist, dass es wieder mehr taktische, strategische Bündnisse im Vorfeld der Wahlen geben wird. Das wird selbstverständlich genauso wie in der Vergangenheit passieren. Kleinere Parteien werden sich künftig genau überlegen, ob sie eigene Kandidatinnen oder Kandidaten aufstellen. Dann kommt es zu Deals in den Hinterzimmern.

Damit erhalten die Parteien größeren und die Wählerinnen und Wähler geringeren Einfluss auf das Wahlergebnis. Das Wort „Wahl“ kommt nämlich von „Auswahl“. Die Auswahl wird eingeschränkt. Damit nehmen Sie einen klaren Abbau von Demokratie vor.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Hier wende ich mich an den Kollegen Höne, der gleich reden wird. Mit genau dieser Argumentation, die ich gerade vorgetragen habe, hat auch mein geschätzter ehemaliger Kollege Horst Engel von der FDP im Jahr 2011 der Wiedereinführung der Stichwahl zugestimmt. Denn auch er hat anerkannt, dass diese Entwicklung 2009 demokratieschädlich war. Deswegen hat die FDP die Wiedereinführung nicht nur ins Wahlprogramm übernommen, sondern ihr damals auch zugestimmt. Ich weiß nicht, was sich inzwischen an diesen Argumenten geändert hat. Da höre ich Ihnen gerne gleich zu.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Daher komme ich zu der Analyse: Was Sie hier machen, ist – das ist offenkundig – interessengeleitete Politik, die unsere kommunale Demokratie demontiert.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

Denn nach meinem Demokratieverständnis darf man sich das Wahlrecht nicht so zurechtbiegen, dass man am Ende den größten Profit daraus zieht. Genau das tun Sie aber.

Wir wollen nicht, dass mit Kungeleien in Hinterzimmern vor Wahlen die Auswahlmöglichkeiten der Wählerinnen und Wähler eingeschränkt werden, sondern wir wollen die größtmögliche Auswahl für die Wählerinnen und Wähler bei ihrer Entscheidung. Wir wollen starke, demokratisch legitimierte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister sowie Landrätinnen und Landräte. Die werden Sie hiermit schwächen und verhindern. Deswegen werden wir diese Politik nicht mittragen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Danke, Frau Kollegin Düker. – Für die FDP spricht unser Abgeordnetenkollege Höne.

Henning Höne (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann grundsätzlich – insbesondere nach den ersten knapp 25 Minuten Debatte am heutigen Plenartag – nur darauf hinweisen, dass ich es für richtig halte, Fragen des Wahlrechts mit großer Vorsicht und mit angemessener Tonalität zu diskutieren, weil man sonst das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in unser System riskiert.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dazu gehören eine angemessene Lautstärke und Ruhe.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

– Ich wusste, dass der Kollege Mostofizadeh der Erste ist, der sich meldet.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich habe Sie quasi schon auf dem Zettel stehen. Lassen Sie sich einmal von Frau Düker erklären, Herr Kollege Mostofizadeh, was mit gebotener Lautstärke, Ruhe und Zurückhaltung gemeint ist.

Man muss die Fragen doch inhaltlich neutral mit einem starken fachlichen Bezug diskutieren – und eben nicht, wie wir es bei dem Kollegen Dahm und bei der Kollegin Düker gehört haben, mit der strategischen Frage obendrüber.

Genau das passiert jetzt. Hier wird strategisch diskutiert und argumentiert. Die SPD spricht in ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde von einem Angriff auf die Demokratie. Herr Kutschaty, Sie haben sich mit dem Satz zitieren lassen, das sei weniger Demokratie, um schwarze Bürgermeister zu retten.

(Zuruf von der SPD: Das ist ja auch so!)

Ich frage mich, ob Sie gar nicht merken, wie entlarvend ein solches Argumentationsmuster ist. Denn es lässt nur den Umkehrschluss zu, dass Sie an der Stichwahl festhalten wollen, um rote Bürgermeister zu retten. Das ist der einzig mögliche Umkehrschluss.

(Beifall von der FDP und der CDU – Jochen Ott [SPD]: Das ist doch Unsinn!)

Insofern kann ich uns allen nur zu verbaler Abrüstung raten.

Meine Damen und Herren, die Wahlsysteme in Deutschland stehen immer auch im Kontext zur politischen Kultur. Wenn man sich das ganz nüchtern anschaut, kann man feststellen – unabhängig von der Ebene –: Die Stichwahl ist im deutschen Wahlsystem die Ausnahme und nicht die Regel.

Wir haben hier im Landtag 199 Kolleginnen und Kollegen; 128 sind in den Wahlkreisen direkt gewählt. Wir haben 64 Bundestagswahlkreise in Nordrhein-Westfalen. Wir haben – ich habe es heute Morgen noch einmal nachgeschaut – 14.954 gewählte Vertreter in den Räten und Kreistagen. Das heißt, dass – lassen wir Überhang- und Ausgleichsmandate einmal außen vor –

(Zurufe von der SPD)

7.477 Vertreter in den kommunalen Wahlkreisen gewählt wurden.

Das heißt: Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es 7.669 Vertreter, die mit relativer Mehrheitswahl gewählt wurden – ohne eine Stichwahl.

Eine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang brauchten hingegen 373 Bürgermeister, 30 Landräte, 23 Oberbürgermeister und übrigens auch – ganz aktuell – ein Städteregionsrat.

(Zuruf von der SPD)

Das Verhältnis von 7.669 zu 427 bestätigt erstens, dass es sich um Ausnahme und Regel handelt.

Ich meine darüber hinaus übrigens, dass alle Mandatsträger, die darunterfallen, demokratisch legitimiert sind und dass die Demokratie auf keiner dieser Ebenen deshalb abgeschafft wurde oder in Gefahr ist.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von der SPD)

Herr Kollege Kutschaty ist mit 45,4 % der Erststimmen gewählt worden – ohne Stichwahl. Herr Kollege Dahm ist eben schon angesprochen worden: 39,4 % der Erststimmen – keine Stichwahl. Frau Kollegin Dos Santos Herrmann: 32,1 % der Erststimmen – keine Stichwahl. Trotzdem sind sie alle …

(Stefan Zimkeit [SPD]: Wie viele Erststimmen haben Sie denn gekriegt?)

– Mein Gott, muss das wehtun! Das muss wirklich wehtun, wenn sich jetzt auch wieder der Oberhausener Kollege aus der letzten Reihe meldet. Auch darauf freue ich mich bei jeder Rede.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Alles das zeigt übrigens noch einmal: Sie wollen in dieser gesamten Debatte Lautstärke und Klamauk. Sie wollen sich mit den fachlichen Fragen überhaupt nicht auseinandersetzen. Das kann ich nur bedauern.

(Beifall von der FDP und der CDU – Christian Dahm [SPD]: Wenn man Landtagswahlen mit Bürgermeisterwahlen vergleicht, geht das am Thema vorbei!)

– Wir arbeiten hier in diesem Hause, Herr Kollege Dahm, mit einer Einstimmenmehrheit. Dieses Haus, ohne Stichwahl gewählt, entscheidet über 78 Euro Milliarden Steuergeld. Wir entscheiden über die innere Sicherheit und die Bildung, kontrollieren die Exekutive

(Zuruf von der SPD: Sie vergleichen Abgeordnete mit Bürgermeistern! Was soll das denn? Das geht an der Sache vorbei!)

und tragen Verantwortung für 18 Millionen Menschen – das alles ohne Stichwahl.

(Unruhe – Glocke)

Da frage ich Sie einfach mal ganz offen und ganz nüchtern: Der Job eines Bürgermeisters ist extrem wichtig – aber ist er für die Antragsteller denn so viel wichtiger als die Arbeit hier, dass es dort nur mit Stichwahl geht und nicht ohne?

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Ich meine, nicht.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

– Was wollte er? Noch einmal lauter, bitte. Dann höre ich es auch, Herr Kollege Zimkeit.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Parlament und einem einzelnen gewählten Stadtverordneten überhaupt?)

– Herr Kollege Zimkeit, also …

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Herr Kollege Zimkeit, wenn Sie intellektuell nicht in der Lage sind, Dinge auch mal voneinander zu abstrahieren und sich unterschiedliche Ebenen im Vergleich anzuschauen, dann klären Sie das doch bitte mit sich selbst und machen es nicht mit mir hier über die Zwischenrufe aus.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Machen Sie sich ehrlich!

(Lachen von der SPD – Michael Hübner [SPD]: Vorsicht an der Bahnsteigkante!)

Das passiert hier immer noch nicht. Sie argumentieren rein strategisch. Ich meine, strategische Überlegungen muss man außen vor lassen. Ich meine auch – das sage ich ganz deutlich für den Fall, dass das gleich noch angesprochen werden sollte –, man sollte die Kosten außen vor lassen. Das ist für mich auch kein entscheidendes Argument.

Die Befürworter der Stichwahl wollen eine höhere politische Legitimation der Gewählten. Ich sage Ihnen ganz offen: Auf den ersten Blick erscheint das auch logisch. Aber wenn man sich das Ganze genauer anschaut, dann sind schon ernsthafte Zweifel angebracht, ob diese höhere Legitimation wirklich erreicht wird.

Die Wahlbeteiligung – das haben wir eben schon gehört – ist bei den Stichwahlen im Jahr 2015 gesunken. Bielefeld liegt mit einem Rückgang um 20 Prozentpunkte an der traurigen Spitze.

Wir kommen dann zu Ergebnissen wie in Mönchengladbach: Dort lag der Kandidat Bude von der SPD im ersten Wahlgang mit 40,6 % und 35.600 Stimmen leicht vor dem CDU-Kandidaten mit 34.000 Stimmen. Im zweiten Wahlgang hat der CDU-Kandidat gewonnen, er hatte aber 5.000 Stimmen weniger als der SPD-Kandidat im ersten Wahlgang. Wenn so etwas passiert, kommen bei mir – das sage ich ganz offen – Zweifel auf, ob das wirklich zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung führt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Führt es zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung, wenn, wie im Fall Korschenbroich,

(Zurufe von der SPD)

ein Bürgermeisterkandidat im ersten Wahlgang 50,0 % der Stimmen erhält, drei Stimmen – in absoluten Zahlen – an 50,1 % fehlen und es dann 14 Tage später zu einer neuen Wahl kommt?

(Michael Hübner [SPD]: Absolute Mehrheit ist absolute Mehrheit!)

Ich stelle Ihnen diese Frage ganz offen. Im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern habe ich nicht das Gefühl und bekomme nicht die Rückmeldung, dass das die Akzeptanz für die Kommunalwahlen erhöht. Insofern stellen wir uns einer inhaltlichen Diskussion. Schade, dass die inhaltliche Diskussion hier bisher viel zu kurz gekommen ist.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist doch unterirdisch, Herr Höne!)

Ich hoffe vor allem, dass diese Diskussion in dem gebotenen Stil, in der gebotenen Lautstärke für das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in unsere Wahlen geführt wird. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die AfD spricht nun der Abgeordnete Herr Strotebeck.

Herbert Strotebeck (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es gerade von Herrn Höne gehört: Die SPD-Fraktion im Landtag NRW erhebt den schweren Vorwurf, die CDU würde einen Angriff auf die Demokratie planen. – Was ist geschehen?

Die CDU-Fraktion will laut Zeitungsberichten das Instrument der Stichwahl bei den Kommunalwahlen wieder abschaffen und damit einen Zustand herstellen, wie er bereits unter Jürgen Rüttgers gegeben war. Dies war ein Zeitraum, in dem es zwar keine Stichwahl gab, aber sehr wohl kommunale Demokratie. Daher distanziere ich von der AfD mich von solchen populistischen Attacken wie im vorliegenden SPD-Text.

Der Verfassungsgerichtshof befand im Jahr 2009: Der Wegfall der Stichwahl ist mit der Landesverfassung vereinbar und trägt dem Erfordernis demokratischer Legitimation ausreichend Rechnung.

Lassen Sie uns daher bitte differenzierter über das Thema „Stichwahl“ sprechen. Um es klarzustellen: Dem Kern des Anliegens, dem Erhalt der Stichwahl bei den Kommunalwahlen, schließen wir uns an. Die Argumente für eine Stichwahl überwiegen gegenüber den Argumenten, die gegen eine Stichwahl sprechen.

Daher hoffe ich auch für meinen Kreis Mettmann, dass bei der Kommunalwahl 2020 jeder Bürgermeister und der Landrat weiterhin mindestens die Hälfte der Wähler auf sich vereinen müssen.

(Beifall von der AfD)

Die AfD ist bundesweit dafür bekannt, sich für mehr Demokratie, insbesondere für mehr direkte Demokratie einzusetzen und ein Garant für hohe Wahlbeteiligungen zu sein.

Das erste Kapitel im Wahlprogramm zur letzten Bundestagswahl trägt die Überschrift „Verteidigung der Demokratie in Deutschland“. Dieses Kapitel ist gefüttert mit zahlreichen konkreten Forderungen, zum Beispiel zur Direktwahl des Bundespräsidenten und zur freien Listenwahl.

Auch im AfD-Programm zur Landtagswahl spielte das Thema „direkte Demokratie“ eine Rolle. Die Bürgermeister- und Landratswahlen in Nordrhein-Westfalen sind hervorragende Beispiele für direkte Demokratie in unserem Land. Was spricht eigentlich dagegen, auch den Ministerpräsidenten vom Volk wählen zu lassen oder die Bürger bei Fragen auf kommunaler Ebene unmittelbar mitentscheiden zu lassen?

Die AfD nutzt direkte Demokratie auch innerhalb der Partei. Bis vor wenigen Tagen hatte jedes AfD-Mitglied die Möglichkeit, auf einer geschützten Internetseite an Abstimmungen zu diversen Themenkomplexen des EU-Wahlprogramms teilzunehmen.

Des Weiteren müssen unsere Abgeordneten, um einen Platz auf der Liste für staatliche Wahlen zu erhalten, mindestens 50 % der Stimmen erlangen. Sofern dies kein Bewerber schafft, kommt es zu einer Stichwahl. Jeder Abgeordnete hat also mindestens die Hälfte der Delegierten oder Mitglieder hinter sich und ist damit demokratisch legitimiert.

(Lachen von der SPD)

Diese besondere demokratische Legitimation sollten wir nicht nur von Abgeordneten verlangen, sondern auch weiterhin von unseren Bürgermeistern und von jedem Landrat. Ein guter und beliebter Bürgermeisterkandidat hat immer die Möglichkeit, im ersten Wahlgang die 50 % zu übertreffen. Bei mehreren guten Kandidaten bieten die zwei Wochen bis zur Stichwahl die Möglichkeit, das Profil zu schärfen und noch einmal intensiv für die eigenen Standpunkte zu werben.

Für die AfD ist das System der Stichwahl vermutlich von Nachteil, da wir davon ausgehen können, dass sich bei einer Stichwahl mit einem AfD-Vertreter alle anderen Parteien wie üblich gegen uns zusammenschließen würden.

Dies ist zum Beispiel in Österreich bei der letzten Bundespräsidentenwahl geschehen. Dort lag der FPÖ-Kandidat mit 35 % im ersten Wahlgang deutlich in Führung. Bei der Stichwahl unterstützten die anderen Parteien dann den Kandidaten aus dem grünen Establishment. Demokratisch ist dies völlig legitim, es benachteiligt in einer Stichwahl aber tendenziell Parteien und Gruppen, die nicht zum Establishment gehören.

Stichwahlen mögen uns als Parteien nicht dienlich sein, allerdings dienen sie der direkten Demokratie. Deswegen ist die AfD für die Stichwahl.

Im Übrigen sind wir genauso dafür, dass jede Partei im Präsidium eines Landtages vertreten sein sollte, und zwar unabhängig davon, ob uns die jeweilige Partei gefällt oder nicht. Vom Volk in ein Parlament gewählte Parteien nicht in die Gremien des entsprechenden Parlaments zu lassen, ist ähnlich fragwürdig wie die Abschaffung der Wahl.

Warum will die CDU die Stichwahl eigentlich abschaffen? In einem Artikel der „Rheinischen Post“ werden Argumente für die Abschaffung merkwürdigerweise nur in einem Halbsatz angesprochen. Zum einen wird die geringe Wahlbeteiligung bei Stichwahlen eingeräumt, zum anderen werden die Kosten genannt.

Die geringe Wahlbeteiligung lässt sich in Zahlen nachweisen. Eine geringe Wahlbeteiligung sollte allerdings kein Argument gegen eine Wahl sein; denn sonst hätten wir die EU-Wahl schon vor langer Zeit abschaffen müssen. Seit 1999 hatte jede EU-Wahl in Deutschland eine Wahlbeteiligung von unter 50 %.

Das Kostenargument lässt sich offensichtlich nicht mit genauen Daten belegen. Laut Presseberichten gibt es keine aktuellen Zahlen. Experten sehen die Kosten im einstelligen Millionenbereich; rund 40 Stichwahlen gab es in den Städten und Kreisen 2014. Die Legitimation von Wahlen von ihren Kosten abhängig zu machen, halte ich für falsch; da bin ich voll und ganz bei Herrn Höne.

Es bleibt die Frage: Warum will die CDU die Stichwahl abschaffen? Die „Rheinische Post“ berichtet ausführlich über eine These, welche vermutlich kein CDU-Vertreter offiziell äußern würde. Die CDU hatte in der Vergangenheit Nachteile durch die Stichwahl. In der Landeshauptstadt Düsseldorf beispielsweise wäre heute sonst Herr Elbers Oberbürgermeister. In der Stichwahl ist es dann Herr Geisel geworden. Nehmen wir beides zusammen, stellen wir fest, dass Herr Geisel auch mit der Stichwahl in absoluten Zahlen mehr Stimmen hatte. Damit hat er auch die größere Legitimation.

Für die CDU mögen Stichwahlen häufiger von Nachteil sein, für die SPD häufiger von Vorteil. Alle Abgeordneten sollten sich jedoch immer daran orientieren, was für die direkte Demokratie von Vorteil ist – egal, welches Parteibuch ein Kandidat in der Tasche hat, oder ob er überhaupt eines hat. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich erteile nun dem fraktionslosen Abgeordneten Herrn Pretzell das Wort.

Marcus Pretzell (fraktionslos): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Bedauerlicherweise werfen sich hier wieder mal alle Seiten vor, bessere bzw. schlechtere Demokraten zu sein. Ich denke, das ist an dieser Stelle nicht die Frage. Sowohl das Prinzip der Stichwahl als auch das Prinzip einer Entscheidung im ersten Wahlgang ist demokratisch, es sind bloß andere demokratische Systeme.

Wir haben in Deutschland traditionell ein Mehrparteiensystem. Wir haben ein System, das alle Parteien in den Parlamenten repräsentativ abbildet. Das ist anders, als wir es aus den USA oder Großbritannien kennen. Bei den Wahlen von Oberbürgermeistern hingegen laufen wir genau auf dieses System zu, nämlich letztlich auf ein Entweder-oder –The winner takes it all.

Wenn wir in Deutschland aber ein Mehrparteiensystem und kein Zweiparteiensystem haben, wird ein System, das bei dieser Wahl ohne Stichwahl auskommt, dazu führen, dass sich Blöcke bilden werden. Es wird eine Weile dauern, aber das wird automatisch passieren. Wir werden hier einen Block sehen, wir werden dort einen Block sehen, und dann werden wir vielleicht noch unabhängige Kandidaten sehen. Erst einmal ist das scheinbar völlig unkritisch.

Ich sage Ihnen aber voraus, dass etwas passieren wird, was Sie jetzt schon beobachten können – und deswegen wird es Ihnen allen schaden –: Es wird die Auswahlmöglichkeit für den Wähler reduzieren. Es wird die niedrige Wahlbeteiligung bereits in den ersten Wahlgang transportieren, weil Sie am Ende nur noch zwei Kandidaten mit Aussicht auf Erfolg präsentieren werden. Das wird zulasten von Ihnen allen passieren.

Irgendwann wird auch Folgendes geschehen – da können Sie sich alle zusammentun, bereits heute können Sie das in einzelnen Landstrichen in Deutschland beobachten –: Kandidaten haben nur noch dann eine Chance, wenn sie von keiner Partei vorgeschlagen werden. Das wird auf Dauer – das sage ich Ihnen voraus – der Effekt sein.

Auf lange Sicht wird das für die Demokratie gerade auf kommunaler Ebene gar nicht schädlich sein; es wird aber insgesamt die Parteiendemokratie, die wir in Deutschland haben, weiter beschädigen, weil wir eben kein Zweiparteiensystem haben. Das kann eigentlich in niemandes Interesse sein.

Egal welche taktischen Überlegungen dahinterstehen – und es ist ja relativ offenkundig, dass dahinter taktische Überlegungen stehen, auch wenn das gerne geleugnet wird –: Überlegen Sie sich, was Sie damit langfristig in dieser Republik anrichten. Sie werden den Verdruss mit den Parteien weiter steigern. Ich denke, das sollten wir unterlassen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von Frank Neppe [fraktionslos] und Alexander Langguth [fraktionslos])

Präsident André Kuper: Danke schön. – Für die Landesregierung redet nun Herr Minister Reul.

Herbert Reul, Minister des Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht darf ich mit einer persönlichen Vorbemerkung starten – das lädt mich ein, weil ich bei diesem Thema auch eine eigene politische Vergangenheit habe –: Wenn ich heute solche Formulierungen höre wie „die einzige Möglichkeit, mehr Demokratie zu wagen“ oder „die Demokratie ist gefährdet, wenn man A oder B macht“, dann erinnere ich mich noch gut daran, wie hier die Abschaffung der Doppelspitze behandelt wurde und wie es war, als die Direktwahl eingeführt wurde. Damals war ich Generalsekretär der CDU.

Die regierende Mehrheitspartei war absolut dagegen, dass so etwas wie Direktwahlen überhaupt in Gang kommt. Damals hatte der Generalsekretär einer Oppositionspartei ein Volksbegehren angedroht. Erst dann kam die Mehrheitspartei in die Gänge.

Es hat sich dann ein System entwickelt, weil ich und viele andere davon überzeugt waren, dass man mit diesem System mehr Bürgerbeteiligung hinbekommen kann. Mich erschreckt heute außerordentlich – das ist für mich das Motiv, darüber nachzudenken –, wie es sich entwickelt hat. Es hat sich leider nicht so entwickelt, wie wir uns das alle erhofft hatten. Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Jochen Ott [SPD]: Abschaffung der deutschen …)

Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei diesen Wahlen ist …

(Jochen Ott [SPD]: Abschaffung der deutschen …)

– Sie sollten einfach mal ruhig und nüchtern versuchen, darüber zu reden. Dann kommt man in der Sache vielleicht auch weiter.

Ein Rückgang der Wahlbeteiligung insbesondere bei Stichwahlen ist doch zumindest ein Grund, darüber nachzudenken, ob das System klug und vernünftig ist und ob es das gebracht hat, was wir alle am Ende gewollt haben, nämlich dafür zu sorgen, dass mehr Bürgerbeteiligung in der Politik, im kommunalpolitischen Rahmen stattfindet.

Deswegen nur ein paar Argumente – einige sind hier auch genannt worden –:

Erstens. Eine rechtliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Stichwahl besteht nicht. Das heißt, wir sind nicht dazu gezwungen, sondern es ist eine politische Entscheidung. Die kann man so oder so treffen. Das Verfassungsgericht hat 2009 eine Entscheidung getroffen. Ich will das nicht wiederholen, weil es schon vorgetragen worden ist; die Zeit können wir uns sparen. Also, das ist durchaus denkbar.

Zweitens. Es gibt natürlich ernsthafte Argumente – dabei habe ich auch zugehört –, denen zufolge die Stichwahl die Legitimation eines Bürgermeisters, Oberbürgermeisters oder Landrats stärken kann. Man darf aber doch nachdenklich werden, wenn man sich die Ergebnisse von Kommunalwahlen ansieht.

Drittens. Eine Auswertung der kommunalen Direktwahlen von 2014/2015 zeigt, dass die Wahlbeteiligung bei einer Stichwahl in der Regel geringer ist als bei der Ausgangswahl. Wo ist das Problem, darüber nachzudenken, dass dies ein Problem ist, ohne dass die Demokratie direkt in Gefahr ist? Das kann man sich ganz nüchtern anschauen. Man kann doch wirklich in Zweifel ziehen, ob bei einer erheblich geringeren Wahlbeteiligung immer ein nennenswerter Zuwachs an demokratischer Legitimation für den jeweiligen Sieger gegeben ist.

Es kann auch festgestellt werden, dass bei den Wahlen 2009 lediglich ein geringer Teil der Gewählten ein Wahlergebnis unterhalb von 40 % vorzuweisen hatte. Diese Wahlen haben ohne Stichwahl stattgefunden.

Viertens. Ein wichtiger Aspekt ist der mit den Stichwahlen verbundene erhebliche organisatorische und finanzielle Aufwand. Das darf man schon benennen. Wir alle, die in Parteien engagiert sind, wissen doch, welchen Kostenaufwand das bedeutet. Es ist ein Organisationsaufwand bei Kreisen und Kommunen, für die Bewerberinnen und Bewerber, aber auch für Wählergruppen, für Parteien und für alle anderen. Denn es muss in kürzester Frist ein weiterer Wahltermin einschließlich des Briefwahlverfahrens organisiert werden. Ich finde es einfach vernünftig und klug, darüber einmal in Ruhe nachzudenken.

Die Landesregierung hat Ihnen einen Vorschlag zur Novellierung des Kommunalwahlgesetzes vorgelegt, der die Möglichkeit offenhält, die Stichwahl abzuschaffen oder nicht. Ich werbe jetzt dafür, die Argumente, die heute sehr sachlich vorgetragen worden sind, zu werten und zu würdigen und nicht direkt wieder in den Krieg über mehr oder weniger Demokratie bzw. die Abschaffung der Demokratie zu verfallen. So kompliziert ist es nicht.

(Nadja Lüders [SPD]: Doch! Das ist der Kern!)

Es ist eigentlich ein einfacher Sachverhalt, den man nüchtern miteinander besprechen sollte, dem vielleicht sogar die große Mehrheit des Hauses zustimmen könnte. Ich werbe dafür – das sage ich als jemand, der wirklich mit aller Macht dafür gekämpft hat, dieses System so einzuführen –,

(Christian Dahm [SPD]: Aha!)

weil auch ich erkenne: Leider ist es nicht ganz so ausgegangen, wie wir uns das gewünscht hatten.

(Beifall von der CDU und der FDP – Christian Dahm [SPD]: Ich hätte mir einen Beitrag der Landesregierung gewünscht, nicht des Generalsekretärs! – Michael Hübner [SPD]: Die Doppelspitze abzuschaffen, war falsch!)

– Das glaube ich nicht!

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Für die SPD hat nun der Abgeordnete Kämmerling das Wort.

Stefan Kämmerling (SPD): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Reul, ich bin in einem Punkt ganz Ihrer Meinung: Wir müssen uns das in aller Ruhe anschauen und die Argumente ganz nüchtern und sachlich austauschen. – Aber sagen Sie das bitte freundlicherweise auch den Vertretern der Fraktion, der Partei, der Sie angehören.

Mein Kollege Christian Dahm hat doch hier in aller Ruhe unsere Position und seine Sorgen dargestellt. Als Antwort kam von Herrn Frieling zu Beginn seiner Rede: Heute ist Vorlesetag.

(Minister Herbert Reul: Der hat von Demokratie gesprochen!)

Sie haben weiterhin gesagt: Das war eine Märchenstunde. Hauptsache, das Etikett sieht gut aus, der Inhalt ist egal. – Auf diese Art und Weise reagieren Sie auf einen sehr vernünftigen und sachlichen Vortrag meines Kollegen Christian Dahm.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Das ist aus meiner Sicht bei diesem Thema nicht in Ordnung.

(Beifall von der SPD)

Wenn Sie den Ton so vorgeben, dann will ich wie folgt erwidern, Herr Kollege: Ich weiß nicht, wie morgen die Überschriften in den Zeitungen lauten werden. Ziemlich sicher aber bin ich, dass eine Überschrift fehlen wird. Es wird nirgendwo stehen: Mehr Lehrbeauftragte in die Parlamente! – Denn das hat Ihr Vortrag hier wirklich nicht hergegeben.

(Beifall von der SPD)

Herr Höne, sich hier mehrere Minuten am Vergleich der Wahlsysteme von Landtagswahlen und Bürgermeisterwahlen abzuarbeiten und das direkt miteinander zu vergleichen – wir wissen alle, das hat nicht viel miteinander zu tun –,

(Nadja Lüders [SPD]: Gar nichts!)

das lässt nur folgenden Schluss zu: Offensichtlich waren Sie als Student in sehr vielen Vorlesungen des Lehrbeauftragten Frieling, Herr Kollege.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD – Zuruf von Henning Höne [FDP])

Jetzt will ich noch mal zu dem Beispiel Düsseldorf kommen. Eigentlich hatte ich nicht vor, das zu nennen, einige haben es jedoch schon angesprochen. Ich will noch ein paar Zahlen sprechen lassen.

Wie war das denn in Düsseldorf? – In Düsseldorf sah die Oberbürgermeisterwahl wie folgt aus: Im ersten Wahlgang setzte sich der CDU-Kandidat mit 46 Prozentpunkten durch. Das waren 104.000 Stimmen. Dann kam ein zweiter Wahlgang. Im zweiten Wahlgang lag ein anderer Kandidat vorn. Der hatte aber nicht mehr 104.000 Stimmen, sondern der hatte 116.000 Stimmen, wohingegen der Kandidat, der unterlag, 80.000 Stimmen hatte.

Jetzt müssen Sie mir noch einmal erklären – rechnerisch konnte ich Ihnen da ja folgen –: Wieso sind 116.000 Stimmen eine geringere Legitimation als 104.000 Stimmen? Das können Sie niemandem erklären. Das ist nicht logisch.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Es gibt noch ein paar andere Beispiele. Ganz rechnerisch trocken nenne ich Wuppertal. In Wuppertal ging die Wahl zwischen zwei Kandidaten, die die meisten Stimmen hatten, so aus: 38 Prozentpunkte zu 36 Prozentpunkten. Oder anders gesagt: 37.000 Stimmen zu 35.000 Stimmen. Dann kam ein zweiter Wahlgang, der so ausging: 60 Prozentpunkte zu 40 Prozentpunkten; 54.000 Stimmen zu 36.000 Stimmen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum das eine geringere Legitimation sein soll. Das Gegenteil ist der Fall!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wie war es denn, als es noch keine Stichwahl gab? Schauen wir uns einmal Beispiele aus der Bürgermeisterwahl im Jahr 2009 an. Da gewann ein Bürgermeisterkandidat in Krefeld mit 39,6 Prozentpunkten zu 39,1 Prozentpunkten. Das ist eine ziemlich große Stadt. Mit 400 Stimmen hat der Mann gewonnen, demokratisch legitim.

Warum ist das eine höhere Legitimation als das, was ich Ihnen eben zu den Ergebnissen aus zwei Wahlgängen ausgeführt habe? Das ist nicht logisch, was Sie hier vortragen.

Leverkusen: 39,9 Prozentpunkte zu 39 Prozentpunkten. Mit 550 Stimmen ist auch das eine im Verhältnis zu dem, was ich eben an Ergebnissen von Stichwahlen vortrug, relativ geringere Legitimation – in einer Großstadt wie Leverkusen.

Wir können unterschiedlicher Meinung sein; das ist im Parlament in Ordnung. Aber es so darzustellen, als seien Stichwahlen automatisch immer mit einer anschließend schlechteren Legitimation für die Bürgermeisterkandidaten, die sich durchsetzen, verbunden, geht am Thema vorbei.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In der Sitzung des Ausschusses für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen am 25. Juni 2018 haben wir einen Bericht der Landesregierung beantragt: Wir wollten wissen, was an den Gerüchten dran ist, dass Sie sich mit der Stichwahl beschäftigen.

Seitdem Sie die Mehrheit haben, ist es ja Mode in Nordrhein-Westfalen, mal hier was der Presse durchzustechen und sich mal dort auf dem Flur mit jemandem zu unterhalten. Das Parlament erfährt die Dinge dann ganz zum Schluss.

So war auch hier wieder das Verfahren. Am 29. Juni 2018 teilte uns die Landesregierung mit – ich zitiere –:

„Ob und inwieweit eine erneute Änderung der Regelungen über die Wahl der kommunalen Hauptverwaltungsbeamten geboten ist bzw. an den gegenwärtigen Regelungen festgehalten werden kann, prüft die Landesregierung unabhängig von Parteitagsbeschlüssen und ergebnisoffen.“

Dann wird ausgeführt, dass man effektive Wahlverfahren sicherstellen will. – Das ist bisher die einzige konkrete Aussage zu dem, was die Landesregierung hier vorhat.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE: Ganz genau!)

Nach dem 29.06.2018: Schweigen im Walde.

Am 5. Oktober 2018 fand eine Anhörung zum Gesetz zur Stärkung des Kreistages statt. Jetzt schauen einige verwundert. Das haben wir damals auch getan. Das hat relativ wenig mit dem Thema „Wahlen und Stichwahlen“ zu tun.

Als Sachverständiger trat ein Landrat aus Paderborn auf, der geschätzte Kommunalpolitiker Herr Müller, der auf einmal Stellung zum Thema „Stichwahl“ nahm. Danach hatte keiner gefragt, aber er gab eine Stellungnahme zur Stichwahl ab.

Der geschätzte Kollege Hoppe-Biermeyer von der CDU machte das dann auch ganz geschickt und stellte folgende Frage:

„Meine zweite Frage geht an Herrn Conradi: Wie sind Ihre Erfahrungen in Bezug auf die Stichwahl bzw. auf die Abschaffung der Stichwahl?“

Ich habe erwidert: Bin ich in der falschen Anhörung oder Sie gegebenenfalls? Wir unterhalten uns über das Gesetz zur Stärkung des Kreistages! – Dann kamen ein paar Zwischenrufe, das sei zwar nicht auf der Tagesordnung, aber das könne man doch einfach mal fragen.

Daraufhin habe ich die kommunalen Spitzenverbände gefragt: Sind Sie denn auf diese Zwischenfrage vorbereitet? Haben Sie sich, bezogen auf die innerverbandliche Willensbildung, überhaupt damit beschäftigen können, was Sie zum Thema „Stichwahl“ sagen möchten?

Aus dem Raum kam unisono: Nein, wir wollten uns heute mit dem Kreistag beschäftigen, aber doch nicht mit der Stichwahl.

An dem Punkt – das will ich Ihnen ganz offen sagen – habe ich Angst davor, zumindest einen gewissen Respekt, was für ein Verfahren Sie uns hier in den nächsten Monaten präsentieren werden.

Dazu kam heute vom Vertreter der Landesregierung kein Wort. Der zuständige Minister hat eben gesprochen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Vom Vertreter der CDU: kein Wort. Sie haben zwar Ihren Vorredner beschimpft und ein paar Rechenbeispiele gebracht, Sie haben auch Ihre Meinung zum Thema ausgeführt – alles legitim –, aber zum Verfahren: kein Wort.

(Bodo Löttgen [CDU]: Welches Verfahren?)

Vom Redner der FDP, der im Gegensatz zu anderen wirklich im Thema ist:

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

zum Verfahren kein Wort.

Darum will ich mich jetzt ausdrücklich nicht an die CDU und die Koalition in Gänze richten, sondern nur an die FDP.

Meine Damen und Herren von der FDP, der Rechtsstaatspartei, Sie wissen, über welches Thema ich gerade spreche und was ich mit „Verfahren“ meine. Ich bitte Sie herzlich: Denken Sie daran, dass hier Oppositionsrechte zu wahren sind.

In der Opposition können wir unseren Job nur machen, wenn wir auch die Expertise von Sachverständigen einbeziehen können. Es sieht alles danach aus, dass Sie sich hier auf einen anderen Weg begeben haben.

(Zuruf von der SPD: Im Hinterzimmer!)

Ich fordere Sie auf: Denken Sie an das, was ich Ihnen gerade gesagt habe! Wahren Sie die Oppositionsrechte! Beschädigen Sie nicht das demokratische Verfahren, das hier einzuhalten ist! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU hat nun unser Abgeordneter Herr Löttgen das Wort.

Bodo Löttgen (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kämmerling, ich habe mich gerade gefragt, ob ich hier auf der richtigen Veranstaltung bin, denn soweit ich weiß, haben Sie doch diese Aktuelle Stunde beantragt.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Weil Sie nichts machen!)

Allerdings stand der Erkenntnisgewinn aus Ihrer Rede im reziproken Verhältnis zu deren Länge.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Vorsichtig! – Weitere Zurufe)

– Das muss erst einmal bei denjenigen wirken, die sich hier über Lehrbeauftragte beschweren.

Die CDU-Fraktion hat vor Kurzem in diesem Parlament eine Enquetekommission beantragt, die sich mit der Attraktivität von repräsentativer Demokratie beschäftigen soll. Das haben wir auch getan, weil Sie mitgestimmt haben und weil ich glaube, dass uns allen dieses Thema am Herzen liegt.

Deshalb bin ich mir sicher, dass wir nicht darüber reden sollten, ob die Stichwahl für uns als Abgeordnete interessant ist; vielmehr müssen wir uns doch die Frage stellen: Ist sie für die Wählerinnen und Wähler bei der Kommunalwahl, bei der Wahl der Bürgermeisterinnen und Oberbürgermeister und Landräte attraktiv?

(Beifall von der CDU)

Hier hat eine Abstimmung mit den Füßen stattgefunden, meine Damen und Herren.

Sie haben eben die Frage gestellt, warum wir die Abschaffung der Stichwahl wollen. Sie sind doch, so glauben Sie zumindest, die Parteien, die immer auf Urteile hinweisen. Sie sagen: Urteile muss man ernst nehmen. – Hier gibt es sogar Urteile eines Verfassungsgerichts, die im Übrigen jedes Mal mit dem Satz „Im Namen des Volkes“. überschrieben sind.

Ich will noch einmal die vier Leitsätze zitieren, die uns unser Verfassungsgerichtshof am 26. Mai 2009 zum Thema „Stichwahl“ im Namen des Volkes mit auf den Weg gegeben hat.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

– Frau Düker, dazu zählt insbesondere der vierte Leitsatz. Warum machen wir das? Weil uns das Verfassungsgericht vorgegeben hat:

„Der Gesetzgeber ist gehalten, die Wahlverhältnisse daraufhin im Blick zu behalten, ob das bestehende Wahlsystem ...“

– also das geänderte mit Stichwahl –

„... den erforderlichen Gehalt an demokratischer Legitimation auch zukünftig zu vermitteln vermag.“

Ich will Ihnen mal zwei andere Beispiele nennen. Wir haben alle Stichwahlen ausgewertet, und bei rund 60 % der Stichwahlen ist die Anzahl der Stimmen im zweiten Wahlgang geringer als die Anzahl der Stimmen im ersten Wahlgang. Das hat gar nichts mit Parteipolitik zu tun.

Zwei Beispiele – eines für die SPD, eines für die CDU – sollen verdeutlichen, wie eklatant die Auswirkungen sein können. Zunächst geht es um den Kreis Wesel und die Wahl des Landrates. Im ersten Wahlgang fielen auf Dr. Ansgar Müller 92.954 Stimmen. Das sind 48,5 %. Im zweiten Wahlgang gab es ein fast halbiertes Ergebnis, minus 45.427 Stimmen! Ist das die größere Legitimation, von der Sie sprechen?

(Monika Düker [GRÜNE]: Wenn sich der Kandidat mal fragen würde, warum das so ist!)

Zweites Beispiel: In der Städteregion Aachen fielen im ersten Wahlgang rund 95.000 Stimmen auf Helmut Etschenberg von der CDU. Im zweiten Wahlgang – wieder eine Halbierung – sind es nur noch rund 50.000 Stimmen. Ist das die größere Legitimation?

Frau Düker, Sie sagen, die kommunale Demokratie werde demontiert. Ich finde, das ist ein starkes Stück, was Sie sich da heute geleistet haben.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist aber die Wahrheit!)

Denn der Verfassungsgerichtshof sagt:

„Die … Direktwahl der Bürgermeister und Landräte in einem Wahlgang ...“

– ohne Stichwahl –

„… trägt … dem Erfordernis demokratischer Legitimation ausreichend Rechnung.“

(Beifall von der CDU – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das bestreitet doch keiner! – Michael Hübner [SPD]: Darum geht es doch nicht in der Debatte!)

Ich möchte auch noch den dritten Leitsatz des Verfassungsgerichtshofs anführen, der besagt: Die Stichwahl

„… verletzt weder den Grundsatz der Wahlgleichheit noch den Grundsatz der Chancengleichheit … und verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der unmittelbaren Wahl.“

Alles das, was Sie heute gegen die Abschaffung der Stichwahl ins Feld geführt haben, hat das Landesverfassungsgericht bereits in den Grundsätzen anders entschieden. Wenn Sie den Grundsätzen nicht glauben, lesen Sie das Urteil. In diesem Urteil wird klar gesagt, dass es nur in die Obliegenheit eines Gesetzgebers gestellt ist, wie der Innenminister bereits richtig ausführte.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Im Gegensatz zu Ihnen sind wir jedoch unserer Pflicht nachgekommen und haben geprüft: Ist die Abstimmung mit den Füßen bei der Stichwahl ein Beleg dafür, dass die ausreichende Legitimation gegeben ist? Wenn sie aber in 60 % der Fälle nicht mehr gegeben ist, dann muss der Gesetzgeber handeln.

(Nadja Lüders [SPD]: Wieso das denn?)

Wenn Sie nicht auf uns hören wollen, sehr geehrte Damen und Herren der Opposition, hören Sie wenigstens auf das, was der Verfassungsgerichtshof Ihnen und uns ins Stammbuch diktiert hat.

(Beifall von der CDU – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ei, ei, ei!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Löttgen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Mostofizadeh das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Löttgen, niemand hat bestritten, dass eine Stichwahl verfassungsrechtlich zulässig ist. Das ist uns ganz klar erklärt worden.

(Monika Düker [GRÜNE]: Die Abschaffung!)

Die Einkommensteuersätze in Deutschland sind auch zulässig und verfassungskonform, trotzdem würden wir sie anders gestalten. Wir diskutieren heute eine rein rechtspolitische Frage, und es geht nicht darum, ob sie verfassungsrechtlich zulässig ist. Das hat hier niemand in den Raum gestellt, und es ist schon einigermaßen abenteuerlich, dass Sie als einziges Argument anführen, dass sie überhaupt zulässig ist, Herr Kollege.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Heinrich Frieling [CDU]: Lesen Sie mal die Überschrift des Antrags, Herr Kollege! – Bodo Löttgen [CDU]: Zitieren Sie die Überschrift des Antrags!)

Ich möchte einmal auf den Kollegen Frieling zu sprechen kommen. Sie haben gesagt, wir wollten nicht auf die Bürger hören. Wie ist das denn in den anderen 15 Bundesländern? In allen anderen Bundesländern, in denen es eine Direktwahl des Bürgermeisters gibt, gibt es auch eine Stichwahl.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Nordrhein-Westfalen wäre das einzige deutsche Bundesland ohne Stichwahl, wenn es nach Ihnen geht.

(Christian Dahm [SPD]: So ist es!)

Haben alle anderen Kolleginnen und Kollegen, beispielsweise in Bayern, Baden-Württemberg und weiß der Kuckuck wo, nicht auf ihre Bürgerinnen und Bürger gehört?

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Haben die CDU-Mehrheiten dort nicht auf ihre Bürgerinnen und Bürger gehört? Sind dort die Ergebnisse andere? Das könnten wir ja mal durchgehen. Ich kann nur sagen: Was Sie hier machen, ist vom Verfahren und vom Inhalt her völlig inakzeptabel.

Herr Kollege Höne, auch Ihr Argument ist geradezu abenteuerlich und überhaupt nicht zu verwenden. In Deutschland gilt das Verhältniswahlrecht. Durch das Verhältniswahlrecht wird doch gerade die aus meiner Sicht mögliche Ungerechtigkeit, dass nur ein in seinem Wahlkreis in relativer Mehrheit gewählter Direktkandidat hier in den Landtag kommt, zu 100 % ausgeglichen. Damit haben wir doch gar kein Problem. Dieser Vergleich ist doch völlig fehl am Platz, Herr Kollege Höne.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte noch etwas hinzufügen: Wenn der Ministerpräsident tatsächlich direkt gewählt werden würde, dann würden wir selbstverständlich darauf bestehen, dass es dabei eine Stichwahl gibt. Und dass die Beträge, die Sie hier genannt haben, die 77 Milliarden Euro, die einschlägig werden, selbstverständlich im Rahmen einer Stichwahl geklärt werden sollen, steht doch außer Frage. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Was Sie hier vorgetragen haben, hat mit dem Thema relativ wenig zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber das entscheidendste Argument – und das finde ich abenteuerlich und krass; das sucht wirklich seinesgleichen – hat der Kollege Kämmerling bereits angedeutet. In einer Anhörung, in der es um das Thema „Kreisordnung“ ging, hat der aus Paderborn stammende Landtagsabgeordnete Hoppe-Biermeyer dem zufällig auch aus Paderborn stammenden Landrat Müller die Frage gestellt, was er denn von Stichwahlen halte. Das hat Herr Kämmerling eben bereits geschildert. Ich habe damals schon in der Anhörung prophezeit, dass CDU und FDP dies im Rahmen eines Änderungsantrags im Verfahren ändern wollen.

Ich kann Ihnen sagen: Dazu werden wir alle verfassungsrechtlichen Fragen klären. Sie können nicht allen Ernstes 18 Monate vor einer Kommunalwahl noch das Wahlrecht ändern wollen. Sie können auch nicht wollen, dass wir keine Anhörungsrechte haben, dass keine Expertise von Sachverständigen eingefordert wird und dass die kommunalen Spitzenverbände nicht angehört werden.

(Bodo Löttgen [CDU]: Lesen Sie den Antrag!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Frieling, wenn Sie sich ernst nehmen und auf die Bürger hören wollen, dann machen Sie doch eine Volksbefragung. Fragen Sie die Bürgerinnen und Bürger, ob sie dafür sind, die Stichwahl in Nordrhein-Westfalen abzuschaffen. Das wäre ein konsequenter Weg, mit der Demokratie umzugehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte Ihnen eines sehr klar sagen: Herr Kollege Engel – ich habe noch einmal in das Protokoll geschaut – hat die Position der FDP damals, wie eigentlich auch heute, treffend beschrieben: Es gibt ein bisschen was, was dafür sprechen kann, und ein bisschen was, was dagegen sprechen kann, und wenn wir in der Koalition sind, dann müssen wir uns halt der Mehrheit in der Koalition beugen und mit der CDU die Stichwahl abschaffen. Und wenn wir alleine und frei in der Entscheidung sind, dann sind wir für die Stichwahl.

Ich will noch einmal – da schließe ich mich dem Kollegen Kämmerling an – deutlich auf das Rechtsstaatsprinzip abstellen: Machen Sie nicht den Fehler, eine Wahlrechtsänderung mit derart großen Auswirkungen im Hopplahopp-Verfahren vor der Kommunalwahl durchzuziehen. Davor kann ich Sie nur warnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Minister Reul, bis heute hat die Landesregierung nicht Stellung zu diesem Punkt bezogen. Wenn wir dann in einer Aktuellen Stunde darüber reden müssen, um überhaupt etwas zu dem Thema zu erfahren, dann finde ich das völlig unangemessen für den Landtag Nordrhein-Westfalen.

(Christian Dahm [SPD]: So ist das!)

Wir lehnen strikt ab, wie Sie hier vorgehen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Fragen Sie mal Herrn Dr. Bertrams, was der dazu sagt! – Nadja Lüders [SPD]: Der ist aber nicht die Regierung!)

– Herr Dr. Bertrams sagt dazu – Herr Kollege Löttgen, um es Ihnen noch mal zu sagen –, dass eine Stichwahl zulässig ist, dass es ebenfalls zulässig ist, keine Stichwahl zu machen, und dass der Landtag souverän ist, darüber zu entscheiden. – Nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Bodo Löttgen [CDU]: Lesen Sie doch einfach mal das Urteil!)

Diese Aktuelle Stunde hat gezeigt: Die CDU will die Stichwahl, die FDP hat offensichtlich einen politischen Preis für die Stichwahl bekommen. Die Landesregierung hat keinen Vorschlag vorgelegt; bis heute liegt kein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen vor. Ich finde das sehr abenteuerlich und nicht akzeptabel. Wir werden uns dem sehr deutlich entgegenstellen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mostofizadeh. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Höne das Wort.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Jetzt zum Preis!)

Henning Höne (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Zwischenruf zur Frage des Preises offenbart ja,

(Monika Düker [GRÜNE]: Jetzt sind wir mal gespannt!)

wie SPD und Grüne in der Koalition zusammengearbeitet haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dinge, von denen man fachlich nicht überzeugt ist, müssen nur einen Preis haben, der hoch genug ist, und dann gilt die eigene Überzeugung nichts mehr.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ja, das konnte man doch gerade so verstehen!)

Ich kann Ihnen sagen: Die Arbeitsweise in der NRW-Koalition ist eine etwas andere.

(Beifall von der FDP und der CDU – Michael Hübner [SPD]: Wenn Sie das ohne Preis gemacht haben, dann wird es eher ein Problem! – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Michael Hübner [SPD]: Lieber Henning Höne, wenn du da keinen Preis drangemacht hast, dann wird es jetzt echt gefährlich!)

Diese Koalition nimmt sich der Themen erst einmal an und überlegt dann, was fachlich machbar, vernünftig und inhaltlich richtig ist. In genau diesem Prozess befinden wir uns aktuell.

Was in einem solchen Prozess nicht sinnvoll ist – unter anderem deshalb habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet –: Herr Kollege Kämmerling, Sie fordern eine fachliche Debatte ein, und zu Beginn verwenden Sie die Hälfte Ihrer Redezeit auf persönliche Beleidigungen und Herabwürdigungen von Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Michael Hübner [SPD]: Was?! – Thorsten Schick [CDU]: Einfach mal zuhören!)

Das kann man so machen, das wird aber der Debatte nicht gerecht.

(Christian Dahm [SPD]: Hat er doch gar nicht gemacht!)

– Herr Kollege Dahm, sowohl zu Ihrer Rede als auch zu Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde, in dem Sie schreiben: „Angriff auf die Demokratie in den Kommunen“, die

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

„Ämter der Bürgermeister und Landräte“ würden „entwertet“,

(Christian Dahm [SPD]: Stimmt doch!)

„beschädigen … in erheblichem Maße demokratische Grundstrukturen“, da kann ich nur fragen: Können Sie eigentlich noch sachlich und fachlich nüchtern? Oder können Sie nur noch laut, schrill und Panikmache? Das ist doch nicht mehr für voll zu nehmen!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben hier jegliches Maß und jegliche Mitte verloren, sich einem solchen Thema einfach einmal sachlich zu nähern.

Zum Kollegen Mostofizadeh: Vielen Dank für die Nachhilfe, aber mir sind die Unterschiede zwischen Hauptverwaltungsbeamten und Landes- und Bundesebene durchaus bekannt. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass man durchaus auch mal Vergleiche anstellen kann, wenn man denn in der Lage und auch willens ist, zu abstrahieren. Das waren Sie leider nicht.

Ich will noch einen Hinweis geben: Ich weiß nicht, wie Sie es in Essen handhaben, aber meines Wissens hat ein Bürgermeister zwar eine hervorgehobene Rolle in der Kommune, aber ohne den Stadtrat, der nach entsprechendem Verhältniswahlrecht – unter anderem im Mischwahlrecht – gewählt wird, handelt er auch nicht. Zwischen „hervorgehoben“ und „königlichen Vollmachten“ gibt es ja noch etwas Raum. Das lassen Sie komplett untergehen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Michael Hübner [SPD]: Lass uns doch mal Kommunalpolitik machen! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Der hat aber weitere Eingriffsrechte, der Oberbürgermeister!)

Zur fachlichen Debatte gehört übrigens auch: Ja, deutschlandweit werden die Hauptverwaltungsbeamten direkt gewählt, aber – Herr Mostofizadeh, das ist jetzt wichtig für Sie, weil Sie auf dieses Detail vorhin entweder bewusst nicht hingewiesen haben oder es einfach nicht wissen – wie die zweiten Wahlgänge gestaltet sind, ist höchst unterschiedlich.

In Baden-Württemberg findet zum Beispiel keine Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Bewerbern statt, sondern zwischen allen Bewerbern. In manchen Bundesländern können sogar noch neue Kandidaten für den zweiten Wahlgang hinzukommen. Es gibt andere Bundesländer, in denen es eine absolute Mehrheitswahl

(Nadja Lüders [SPD]: Und seitdem ist da Chaos, oder was? Wo ist da jetzt das Argument?)

mit einem entsprechenden Quorum gibt. Also, zu behaupten, dass 15 Bundesländer dieselbe Regelung hätten und nur Nordrhein-Westfalen …

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Habe ich nicht gesagt, Herr Kollege! Falsche Unterstellung!)

– Ich habe auch nicht gesagt, dass Sie das gesagt haben, Herr Mostofizadeh, Sie haben vorhin aber diesen Eindruck erweckt. Das wissen Sie, und deshalb reagieren Sie jetzt auch entsprechend.

(Beifall von der FDP und der CDU – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Nein, das ist Ihr Eindruck! – Nadja Lüders [SPD]: Bei Ihnen vielleicht! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist schlicht erfunden, was Sie sagen!)

Ich bin der Meinung, dass es ganz viele Bereiche gibt, in denen kommunale Demokratie gestärkt werden kann. Ich halte zum Beispiel die Direktwahl der Hauptverwaltungsbeamten für ein ganz wichtiges Element. Ich sage Ihnen auch ganz offen: Ich habe mich etwas darüber gewundert, dass plötzlich die Diskussion um die Abschaffung der Doppelspitze in einer Debatte wie der heutigen aufkommt.

(Michael Hübner [SPD]: Das war der Innenminister! – Nadja Lüders [SPD]: Vielleicht haben Sie das nicht mitbekommen!)

Bei vielen Dingen tun wir aktuell schon etwas, zum Beispiel bei Fragen der direktdemokratischen Elemente auf kommunaler Ebene. Es gibt viele Bereiche, in denen man etwas tun kann.

Es gibt übrigens noch einen anderen Aspekt. Die Wahlen der Hauptverwaltungsbeamten waren auch mal entkoppelt von den regulären Kommunalwahlen. Sie sollten das mit dem Hintergedanken sein, dass dies die Einzelpersonen, die Kandidaten stärkt – starke Persönlichkeiten,

(Michael Hübner [SPD]: Aha!)

unabhängig von dem Wahlkampf um den Rat, bei denen es auf ihre Fachlichkeit und Persönlichkeit ankommt.

Das war damals durchaus eine Stärkung der Kandidaten, allerdings haben sich, offen gesagt, auch dort Probleme bei der Wahlbeteiligung ergeben. Insofern ist es nicht ganz so einfach, wie Sie es sich machen, sondern das Thema hat zahlreiche Aspekte. Ich empfehle noch einmal, dass wir es deutlich nüchterner und sachlicher diskutieren sollten, als wir es heute Morgen erlebt haben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wie Sie, ne?)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Strotebeck das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herbert Strotebeck (AfD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt gab es vor vier Jahren eine ähnliche Diskussion über die Stichwahl. Auch dort verliefen die Gegensätze wie bei uns in Nordrhein-Westfalen: Die SPD war dafür, die CDU war gegen die Stichwahl.

Der dortige Landeswahlleiter stellte sich gegen die CDU-Pläne und sagte, dass auch bei geringer Wahlbeteiligung die Legitimierung der Landräte und Bürgermeister gegeben sei. Das Demokratieprinzip kenne keine Mindestbeteiligungen für die Wahlen von Bürgermeistern und Landräten. Die freie Wahl lasse den Menschen auch die Möglichkeit, nicht wählen zu gehen; denn anders als andere Staaten hat die Bundesrepublik keine Wahlpflicht.

Ich bin gespannt, wie sich die FDP verhalten wird, wenn die CDU einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegt. Schließlich hat die FDP 2011 dem Gesetz zur Wiedereinführung der Stichwahl zugestimmt. Der FDP-Abgeordnete machte damals in der zweiten Lesung darauf aufmerksam, dass NRW – wir haben es gerade auch gehört –, das einzige Bundesland ohne Stichwahl sei.

Er sagte – ich zitiere –: Nach den vorliegenden Erfahrungen, nach Rückkopplung mit der kommunalen Ebene, halten wir die Wiedereinführung der Stichwahl sehr wohl für wünschenswert. Diese Aussage findet sich auch in unserem Kommunalwahlprogramm 2010. Insofern stimmen wir diesem Gesetzentwurf zu. – Zitat Ende.

Die FDP bekam damals sogar Lob von der SPD dafür, dass sie sich für stärkere Bürgerbeteiligung einsetze. Da sich an den Pro- und Kontra-Argumenten zur Stichwahl nichts geändert hat, überrascht es, dass in einem aktuellen Zeitungsbericht eine Zustimmung der FDP-Fraktion zur Abschaffung der Stichwahl angedeutet wird. Die FDP ist offenbar sehr flexibel.

Das erklärt auch, warum sich die FDP in der Opposition noch für eine weitergehende Verkleinerung des Landtags aussprach, den AfD-Antrag zu einer Verkleinerung im letzten Jahr allerdings ablehnte. Damals warf Herr Höne von der FDP uns vor, mit dem Antrag zur Verkleinerung des Landtags parteitaktischen Geländegewinn erzielen zu wollen.

Der SPD-Abgeordnete Herr Hübner rechnete der CDU vor, dass diese im Jahr 2004 bei den Stichwahlen in 23 von 28 Fällen verloren habe und die Stichwahl daher 2005 aus parteitaktischen Überlegungen abgeschafft habe.

(Michael Hübner [SPD]: Richtig!)

Ich kann Ihnen versprechen: Die AfD-Fraktion wird nicht wanken. Wir kämpfen auch in Zukunft gegen niedrige Wahlbeteiligung, gegen einen aufgeblähten Landtag und für direkte Demokratie und die Stichwahl.

Überall dort, wo wir die direkte Demokratie in all ihren Facetten fördern können, werden wir es tun. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Strotebeck. – Für diese Runde gibt es keine Wortmeldungen mehr, allerdings liegt für die nächste Runde eine Wortmeldung der Fraktion der SPD vor; der Kollege Kämmerling hat das Wort.

Stefan Kämmerling (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Ich brauche nicht lange, ich möchte nur kurz zwei oder drei Punkte aufgreifen und damit auf Redner, die nach mir gesprochen haben, reagieren.

Stichwahl oder nicht? Selbstverständlich entscheidet das der Gesetzgeber, Herr Löttgen. Eben haben Sie das so dargestellt, als würde irgendjemand im Saal das infrage stellen. Natürlich ist es das Recht des Gesetzgebers, festzustellen, ob er Stichwahlen will oder ob er sie nicht will; abschließend entscheidet das eine Mehrheit.

Es ist aber unser Recht, zu diesem im Land offensichtlich wichtigen Thema eine Aktuelle Stunde zu beantragen und unsere Position darzustellen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Von uns haben Sie heute gehört, wo wir stehen. Von Ihnen haben wir nichts gehört.

(Beifall von Christian Dahm [SPD] und Arndt Klocke [GRÜNE])

Herr Höne, Sie werfen mir vor, ich wäre eben nicht sachlich, sondern unsachlich gewesen. Aber was hat denn Herr Reul als Vertreter der Landesregierung eben gemacht? Er hat uns einen Einblick in seine Zeit als CDU-Generalsekretär gewährt. Wenn das der Stil ist, mit dem man sich seitens der Landesregierung in eine Aktuelle Stunde zum Thema „Stichwahlen, ja oder nein?“ einbringt, sagt das eine Menge aus.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Gerichtet an Herrn Kollegen Höne und Herrn Kollegen Löttgen möchte ich damit aufräumen, dass wir mehr oder weniger die Einzigen seien, die überhaupt noch der Meinung wären, dass Stichwahlen in diesem Land Sinn ergeben würden.

Ich finde, Sie haben sich mit dem Thema nicht ausreichend befasst. Die allseits bekannte Initiative „Mehr Demokratie“ kritisiert die Abschaffung von Stichwahlen durchaus. Die Damen und Herren dieses Vereins sind der Ansicht, dass ohne Stichwahlen Bürgermeister ins Amt kämen, die nicht einmal ein Drittel aller Stimmen auf sich vereinigen würden. Zwar halten auch sie eine Vereinfachung des Wahlsystems für richtig, sie sind aber gegen eine schlichte Abschaffung der Stichwahlen.

Herr Trennheuser von „Mehr Demokratie“ sagt, dass man nicht weniger, sondern mehr Demokratie wolle. Deshalb schlägt der Verein ein System der Zustimmungswahl vor, bei dem die Wähler die Möglichkeit haben, für beliebig viele Kandidaten zu stimmen.

(Rainer Deppe [CDU]: Ist die SPD auch dafür? Sind Sie auch für dieses Wahlverfahren?)

Es kann also nicht nur der in der Gunst der einzelnen Wähler vorne liegende Kandidat gewählt werden, sondern alle Kandidaten, die akzeptabel erscheinen. Ich betone ausdrücklich, dass ich mir die von „Mehr Demokratie“ vertretene Meinung nicht zu eigen mache.

Bezüglich Ihrer öffentlichen Äußerungen, dass Sie darüber nachdenken würden, die Stichwahlen abzuschaffen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, schreibt „Mehr Demokratie e. V.“ Ihnen sehr deutlich ins Stammbuch, dass eine Abschaffung der Stichwahl ohne erweiterndes Instrument als undemokratische Lösung gesehen werde.

Von daher stehen wir nicht allein. Wir haben unsere Position in aller Klarheit dargestellt, auch in aller Sachlichkeit, wie ich noch einmal ausdrücklich betone, Herr Höne. Herr Dahm hat keinen reißerischen Vortrag gehalten, sondern die Dinge sachlich dargestellt. Ihre Reaktion darauf verstehe ich deshalb nicht.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Sie wissen, wo wir stehen. Wo die CDU steht, können wir mittlerweile erahnen; wo die FDP steht, können wir ein bisschen weniger erahnen; und wo die Landesregierung steht, weiß kein Mensch.

Auch wenn wir in der Sache unterschiedlicher Meinung sind, ist es fraglich, ob es ein gutes Signal ins Land ist, nach einer Aktuellen Stunde im größten Landesparlament der Bundesrepublik Deutschland keine Ahnung zu haben, was die Mehrheit machen wird, wie das Verfahren aussehen wird und was die Landesregierung will.

Wenn das Ihr Anspruch daran ist, wie Sie Mehrheit in diesem Parlament umsetzen, spricht das für sich. Ich hätte mir etwas anderes gewünscht, und ich glaube, die Menschen im Land auch. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kämmerling. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen zu dieser Aktuellen Stunde nicht vor. Das bleibt auch beim Blick in die Runde so, sodass ich die Aktuelle Stunde schließe.

Ich rufe auf:

2   Fit für die Zukunft kultureller Zusammenarbeit

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/4116

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD dem Abgeordneten Kollegen Weiß das Wort. Bitte schön.

Rüdiger Weiß (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir blicken in NRW auf ein reiches und lebendiges kulturelles Leben und können uns diesbezüglich unglaublich glücklich schätzen. Das bietet sicherlich Anlass zu Stolz. Zuallererst ist es aber auch eine Verpflichtung. Dass Kunst- und Kulturschaffende unverzichtbarer Bestandteil einer lebendigen Demokratie und einer diversen Gesellschaft sind, muss ich Ihnen, glaube ich, nicht erklären.

Wie wir unsere Gesellschaft und europäische Identität ausgestalten und definieren, hängt auch davon ab, wie wir in der Gegenwart das Fundament für kulturelles Leben in NRW legen. Wir haben jetzt die Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen, wie auf europäischer Ebene Kulturpolitik für die Zeit nach 2020 gestaltet wird.

Die Verabschiedung der Kulturagenda findet voraussichtlich Ende November unter österreichischem Vorsitz statt. In NRW wurden beispielsweise in der Förderperiode 2014 bis 2020 im Bereich Kreatives Europa Kultur bisher über 24 Millionen Euro für den Förderfokus „Kooperationsprojekte“ und im Bereich Kreatives Europa MEDIA über 6 Millionen Euro zur Förderung der Filmbranche ausgegeben.

Kulturschaffende und im Kulturbetrieb Tätige haben in den letzten Jahren von den Fördermitteln in hohem Maße profitiert. Dieser positive Nebeneffekt fließt sofort in die Gesellschaft zurück. Dabei gilt jedoch: Nur wenn wir uns jetzt für Kultur in NRW starkmachen, vermeiden wir, dass wertvolle und gute Projekte in Zukunft verkümmern.

Wir in NRW dürfen nicht die Chance vorbeiziehen lassen, uns einzubringen und unsere Vorstellungen für den Zeitraum nach 2020 selbstbewusst zu äußern. Dabei geht es keineswegs nur um Fördermittel und deren Verteilung, sondern es geht um ganz zentrale inhaltliche Fragen, beispielsweise: Wie machen wir den Kulturbetrieb für das neue, digitale Zeitalter fit, und wie ermöglichen wir ökonomische Weiterentwicklung? Wie können wir neue mediale Möglichkeiten einbauen?

Teilhabe an inhaltlichem und technischem Fortschritt ist der eine Aspekt. Wir müssen aber auch eine andere, soziale Dimension in die Verhandlungen einbringen. Wie können wir beispielsweise Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im kreativen Bereich sozial- und arbeitsrechtlich besser schützen? Diese Fragen muss die Landesregierung beantworten. Ziel ist es, so gut wie möglich die Rahmenbedingungen für kreatives Arbeiten neu abzustecken und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Sicherheit und Zukunftsperspektiven anzubieten.

Nur wenn beide Komponenten erfolgreich miteinander verknüpft werden, entsteht für die Gesellschaft ein positiver Mehrwert. Und nur dann schaffen wir die Grundlage für einen produktiven Kulturbetrieb bei uns vor Ort. Kreatives Leben ist unmittelbarer Ausdruck für gelebte europäische Identität und liefert direkten sozialen Mehrwert. Die Notwendigkeit eines vielfältigen kulturellen Angebots, im großen und im kleinen Rahmen gestaltet, ist höher denn je.

Meine Damen und Herren, unsere Gesellschaft und unsere Demokratie stehen vor großen Aufgaben. Als selbstverständlich begriffene Werte und die Deutungshoheit über das, was Demokratie, was europäisches Leben ist, stehen plötzlich wieder zur Debatte. Schmerzgrenzen werden verschoben, verzerrt und neu definiert.

Sie sehen: Wir brauchen in NRW künstlerische und kreative Arbeit, die am offenen Herzen operiert und mit kritischem Kommentar Politik, Gesellschaft und die Menschen in Europa herausfordert und dazu zwingt, Position zu beziehen. Wir haben es in der Hand, dafür die besten Voraussetzungen zu schaffen.

Lassen Sie uns gemeinsam kulturelles Leben mit den bestmöglichen Bedingungen ausstatten, sodass es uneingeschränkt seinen unersetzlichen Beitrag leisten kann. Das funktioniert allerdings nur, wenn die Politik die Kulturbranche auf wirtschaftlich festen Boden stellt und die im Kulturbereich tätigen Menschen sozial- und arbeitsrechtlich absichert.

Noch einmal: Wir können stolz sein. Damit wir die gleiche Aussage aber auch in 20 Jahren noch guten Gewissens formulieren können, ist jetzt kontinuierlicher Einsatz vonnöten. Den Herausforderungen der Gegenwart hier bei uns in NRW und in Europa können wir nur gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn begegnen. Wir haben jetzt, Ende November, die Möglichkeit, aktiv mitzugestalten und unsere kulturellen Projekte und kreativen Akteure im europäischen Rahmen zu stärken.

Das Zeitfenster ist jetzt offen, unsere Ansprüche und unsere Ziele dabei in den Topf zu werfen. Nur wenn wir diese nämlich deutlich artikulieren, können wir guten Gewissens auch in Zukunft Heimat für ein mitreißendes und leidenschaftliches kulturelles Leben sein, das zum europäischen Projekt beiträgt.

Ich bitte sehr herzlich um Unterstützung unseres Antrags und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Kollege Petelkau das Wort.

Bernd Petelkau (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Lesen des vorliegenden Antrags drängt sich sofort die Frage auf, ob dieses Papier die inoffizielle Eröffnung des SPD-Europawahlkampfs darstellt; denn nur so lässt es sich erklären, warum hier und heute ein so absolut überflüssiger und schlecht recherchierter Antrag im Plenum gestellt wird.

Hätte man den Antrag nämlich sauber recherchiert, hätte man sofort herausgefunden, dass die Kulturverwaltung unseres schönen Bundeslandes bereits sehr intensiv in die Diskussion um die überarbeitete europäische Kulturagenda eingebunden ist.

Gleiches gilt auch für die nationale Ebene. So hat sich beispielsweise der Bundesrat im Juli und im September dieses Jahres sehr intensiv mit den Ideen aus Brüssel auseinandergesetzt und zwei richtungsweisende Beschlüsse hierzu gefasst. Diesen beiden Beschlüssen hat Nordrhein-Westfalen im Bundesrat jeweils zugestimmt, und unsere Kulturverwaltung war auch aktiv in die Vorbereitungen eingebunden.

Dies war auch notwendig; denn aus Sicht der Kulturpolitik ist es zwar begrüßenswert, dass die europäische Initiative für Kunst und Kultur mit einer Erhöhung der Finanzmittel für das Programm Creative Europe einhergeht und die europäische Kulturförderung einen höheren Stellenwert bekommen soll. Kritisch zu sehen ist allerdings, dass die europäische Initiative Kultur und Kunst zunehmend zu einem Instrument für andere Politikbereiche entwickeln möchte.

Ja, Kunst und Kultur bilden zwar einen wichtigen Baustein für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, aber dies darf nicht dazu führen, dass Kunst- und Kulturpolitik ausschließlich als Zweck zur Erreichung eines anderen Ziels betrachtet werden.

Gerade die von der Kommission unterbreiteten künftigen Schwerpunkte der europäischen Kulturförderung, nämlich die Fokussierung auf ökonomische, soziale und außenpolitische Aspekte, lässt befürchten, dass der innere Kern der Kultur künftig alleine eine untergeordnete Rolle spielen soll. Dies kann und darf nicht sein. Es muss auch künftig beispielsweise möglich sein, kulturelle Vielfalt und den interkulturellen Dialog per se zu fördern. Wenn wir dies aufgeben, dann geben wir unseren gemeinsamen überparteilichen Anspruch auf eine nachhaltige Kulturpolitik auf.

Es wundert mich sehr, dass die Kulturpolitiker der SPD diesem Antrag folgen. Oder mussten sie sich der Parteiräson unterordnen?

Wir als CDU-Fraktion lehnen diesen Antrag jedenfalls ab, weil er in weiten Teilen überflüssig und in einigen Teilen sogar fehlleitend ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Petelkau. – Für die Fraktion der FDP hat Herr Abgeordneter Kollege Deutsch das Wort. Bitte schön.

Lorenz Deutsch (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unseren Tagen lohnt es sich, über Europa nachzudenken, und es lohnt sich immer, über Kultur und ihre Zukunft nachzudenken. Wenn man über beides gleichzeitig nachdenkt, umso besser – eigentlich.

Es kommt nämlich darauf an, wie man über Kultur und über ihre Förderung denkt und welche Ziele man dabei verfolgt. Kultur kann wunderbare Dinge bewirken. Die Produktion von und die Beschäftigung mit Kultur bereichern jeden Einzelnen. Das bereichert unsere Gesellschaft als Ganze. Kultur reflektiert soziale Bedingungen. Sie ist in der Lage, dem Einzelnen zu erklären, was es noch mehr gibt als diese sozialen Bedingungen.

Leider atmet der Vorschlag der EU zur Zukunft der Kultur diesen Geist überhaupt nicht. Das zu sagen, ist bitter, aber das, was man dort lesen kann über die Bedeutung der Kultur und darüber, was man mit Kulturförderung eigentlich bewirken will, ist ausgesprochen ernüchternd.

Drei strategische Ziele werden dort genannt: Eine soziale Dimension solle bearbeitet werden sowie eine wirtschaftliche Dimension und eine außenpolitische Dimension. Wenn man in dem Papier jedoch nach Stellen sucht, in denen es um Kunst geht und um Künstlerinnen und Künstler: Fehlanzeige!

Wenn man jedoch ein Beispiel dafür suchen wollte, was gemeint ist, wenn kritisch von der „Verzweckung der Kultur“ die Rede ist, dann bietet dieses EU-Papier leider reiches Anschauungsmaterial.

Das verschlimmert sich noch, wenn man weiß, wie sich die vorgeschlagene Agenda zu der vorangegangenen Agenda für Kultur der EU verändert. Dort gab es vier Ziele. Da gab es sinnvollerweise etwas, wobei es tatsächlich um Kultur als solche ging, und zwar unter der großen Überschrift „Kulturaustausch“: Werke und Künstlerinnen und Künstler – die Begriffe tauchen jetzt gar nicht erst auf – sollen in Kontakt kommen. Das wurde gestrichen. Übrig bleiben: Soziales, Wirtschaft, Außenpolitik.

Leider atmet auch der Antrag der SPD diesen Geist. Ich muss es sagen: Es ist der Geist der Kulturverzweckung. Es wundert mich nicht, dass der Kollege Bialas der Debatte hier nicht folgen will; denn das ist kein Ruhmesblatt für das, was Kulturpolitik eigentlich bewirken soll.

Ich bin sehr froh, dass wir in unserem Koalitionsvertrag deutlich formuliert haben, dass dieser Zugang zu Kultur – sie auf ihre Zwecke und ihre Nützlichkeit hin zu betrachten – das ist, was wir hier in Nordrhein-Westfalen gerade nicht machen wollen. Wir wollen Kultur um ihren eigenen Wert fördern. Es soll um ihre Eigenlogik gehen. Wenn man das ernst nimmt, dann wird man die Zwecke, die da genannt werden, in der Folge auch erreichen.

Sie gehen das von der falschen Seite an. So wird man keine Kulturpolitik machen können.

(Beifall von der FDP)

Der Bundesrat – Herr Petelkau hat schon darauf aufmerksam gemacht – hat unter aktiver Beteiligung von NRW sehr deutliche Worte zu diesem Papier gefunden, genau in dem Sinne, wie ich das gerade kritisiert habe. Der Wegfall dieses vierten Ziels wird kritisiert, und es wird von einer zu kurz greifenden Schwerpunktsetzung gesprochen.

Dass Sie hier beantragen, die nordrhein-westfälische Kulturpolitik solle sich diese vom Bundesrat unter Beteiligung von NRW schon sehr gut kritisierte Politik zu eigen machen, lehnen wir vollständig ab. Wir sind hier auf einem deutlich anderen, einem deutlich besseren Weg, einem kulturpolitischen Weg. Damit wollen wir weitermachen.

Noch eine kleine Anmerkung dazu, dass Sie zweimal in Ihrem Antrag schreiben, die NRW-Regierung solle sich um die Interessen von Nordrhein-Westfalen kümmern: Wenn Sie demnächst wieder ähnliche Anträge schreiben, streichen Sie doch bitte diesen Satz. Das ist sozusagen das Wesen einer Landesregierung, dass sie sich um die Interessen ihres Landes kümmert.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Sie können da ein einfaches Testverfahren anwenden. Wäre es überhaupt sinnvoll, das Gegenteil zu beantragen? – Nein. Daran merkt man: Es handelt sich um eine schlichte Selbstverständlichkeit, der diese Landesregierung natürlich nachkommt.

Inhaltlich habe ich zu Ihrem Antrag Ausreichendes gesagt. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Deutsch. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Remmel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gerade wieder ein beredtes Schauspiel mitbekommen, wie europäische Politik zerredet werden kann: zum einen ein meines Erachtens guter Antrag, in dem nichts Falsches steht, dem man zustimmen kann – das werden wir als Fraktion auch tun –, zum anderen die Regierungsparteien, die auf ihr konkretes Handeln verweisen, in der eigentlichen Frage aber, was der Kern europäischer Kulturpolitik ist, keinen wirklich wegweisenden Vorschlag machen, wie wir zu mehr Gemeinsamkeit und zu mehr Initiativen kommen.

Ich darf das Votum des Bundesrates vom 21. September zitieren:

„Kultureller Reichtum und kulturelle Vielfalt definieren Europa. Interkultureller Austausch und Dialog zwischen den Gesellschaften sind sowohl alltägliche Selbstverständlichkeit als auch weiter förderwürdige Ziele. Gerade in Zeiten neu aufkommender Nationalismen müssen Europas Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützt werden, kulturelle Unterschiede als etwas Bereicherndes und nicht als etwas Trennendes wahrzunehmen sowie die Vielfalt der Kulturen in Europa schätzen zu lernen. Es sind vor allem diese Vielfalt und die Qualität künstlerischen Schaffens, die es zu fördern und zu unterstützen gilt.“

Das ist eine Stellungnahme, die wir nur unterschreiben können. Wenn wir uns auf diese Gemeinsamkeit verständigen könnten, wäre viel gewonnen.

In der Tat geht es bei europäischer Kulturpflege nicht darum, nur über Förderung zu sprechen, nicht darum, beispielsweise Urheberrechte zu schützen – was sinnvollerweise passiert –, nicht nur darum, ökonomische Fragen der Kultur- und Medienpolitik zu klären oder sich über das Arbeitsrecht zu unterhalten. – Nein, europäische Kulturpolitik ist sehr viel mehr und für mich ein Schlüssel, zu einer vertieften europäischen Verständigung zu kommen.

Wir in Europa haben miteinander ein zentrales Problem: Wir haben keine gemeinsame Sprache, aber sehr wohl gemeinsame kulturelle Wurzeln. Wir haben keine Leitkultur – wollen wir auch gar nicht –, aber wir haben vielfältigen kulturellen Reichtum in unserem Europa.

Es wäre aller Mühen wert, sich im Dialog darüber zu unterhalten, wie wir das Miteinander verbinden und am besten gestalten, und zu überlegen, was wir pflegen wollen – das ist der eigentliche Kern von Kultur: Pflege – und was wir nicht pflegen wollen.

Wir müssen in den Blick nehmen, dass wir in Europa keine Kommunikationsplattform haben, auf der wir miteinander in Kommunikation über Kultur und über das treten können, was wir pflegen wollen. Was weiß ich von Menschen, die im Südosten von Rumänien kulturell unterwegs sind, oder von deren kulturellen Wurzeln? Manchmal weiß ich auch nicht, was in Spanien passiert, weil wir eben keine gemeinsame Sprache haben.

Da bin ich bei einer Frage, die jedenfalls für mich von entscheidender Bedeutung für europäische Kulturpolitik und für den kulturellen Austausch in Europa ist: Wie schaffen wir eine Plattform, um über kulturellen Austausch und Austausch überhaupt zu reden?

Ich bin darauf durch ein Ereignis der jüngeren Vergangenheit gestoßen. In der Schweiz hat es eine Volksabstimmung über die Frage gegeben, ob es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben soll. Das entscheidende Argument, das die Schweizer Bevölkerung offensichtlich überzeugt hat, für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Schweiz zu stimmen, war: Wenn es diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Plattform der Kommunikation in der Schweiz nicht geben würde, dann würde es wahrscheinlich die Schweiz nicht geben. Denn in der Schweiz leben Menschen zusammen, die unterschiedliche Sprachen sprechen, und können sich dennoch austauschen.

Deshalb ist für mich entscheidend, als Schlüssel für die europäische Kulturpolitik eine öffentlich-rechtliche Plattform des Austausches zu haben, um über das zu sprechen, was wir pflegen wollen. Das ist der Kern von Kulturpolitik.

Es würde mich freuen, wenn wir in dieser Frage weiterhin gut miteinander unterwegs wären. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Remmel. – Als nächster Redner erhält für die Fraktion der AfD Herr Abgeordnete Dr. Vincentz das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Philosophie ist in einigen Bereichen der Politik ab und an voraus. Wenn es zum Beispiel darum geht, bestimmte Texte zu behandeln, ist es in der Philosophie üblich, die Begrifflichkeiten zuerst zu definieren, sodass jeder weiß, was hinter dem Begriff oder dem Wort steht, wenn man es dann benutzt.

Das ist in der Politik manchmal etwas anders. Da liest sich ein Antrag erst einmal ganz gut. Dann muss man sich die SPD-Brille aufziehen, um zu verstehen, was überhaupt damit gemeint ist.

Die heutigen Reden waren sehr aufschlussreich. Wenn zum Beispiel in der Kulturagenda 2007 steht: „Förderung kultureller Vielfalt und der Schutz des Kulturerbes“, dann wird das widergespiegelt mit den Worten: Wir sollen eine europäische Identität herstellen. Oder: Dass in Europa verschiedene Sprachen gesprochen werden, ist ein Problem.

Was wollen Sie machen? Wollen Sie eine DIN-Norm für europäische Völker, damit sie alle irgendwie gleich sind? Das kann wirklich nicht die Aufgabe sein, die hinter der Förderung kultureller Vielfalt und dem Schutz des Kulturerbes steht. Verschiedene europäische Völker werden meines Erachtens eine ganz andere Einstellung zum Thema „Schutz des kulturellen Erbes“ haben.

Auch die Identität verschiedener kultureller Völker spielt eine ganz andere Rolle als in Deutschland. Wenn Sie von Identität sprechen, haben Sie häufig eine sehr negative Konnotation. Aussagen verschiedener prominenter Parteivorsitzender und Parteigenossen von Ihnen kann man in den Medien entnehmen, dass sie eine sehr negative Beziehung zu kultureller Identität haben.

Sprechen Sie aber mal mit einem Polen oder einem Iren. Wenn es nicht diese kulturelle, diese nationale Identität von Iren und Polen gäbe und gegeben hätte, würde es heute wahrscheinlich diese Länder nicht mehr geben. Kulturelle Vielfalt macht gerade aus, dass es diese unterschiedlichen Länder, Nationen und Kulturen gibt.

So ist es wie immer eine Frage des Standpunktes. Wenn ich durch die SPD-Brille sehe, dann stelle ich fest, dass kulturelle Vielfalt aus SPD-Perspektive bedeutet: Ich habe in Gelsenkirchen oder in Bottrop-Boy zum Beispiel möglichst viele Restaurants unterschiedlicher Nationen. Das betrachte ich dann als kulturelle Vielfalt.

Denken und handeln Sie doch mal global und nicht lokal. Europa macht gerade da kulturelle Vielfalt aus, wo es viele kleine unterschiedliche Nationen und viele unterschiedliche Identitäten gibt. Aufgabe der Kulturförderung sollte sein, gerade das in den Fokus zu stellen und nicht alles in eine kulturelle europäische Identität zu gießen.

Sie geben sich ein Stück weit mit den Globalisierungsbefürwortern die Hand. Ich verstehe an der modernen Linken überhaupt nicht, wie Sie da zusammenkommen: Sie kraxeln irgendwo durch das nepalesische Hochgebirge zum nächsten buddhistischen Kloster und freuen sich dann darüber, dass Sie bei Starbucks erst mal einen Kaffee trinken und sich bei Jack Wolfskin neue Schuhe besorgen können denn die letzte Bergetappe war ganz schön heftig.

Sie mögen unter kultureller Vielfalt verstehen, dass wir überall dieselbe Sprache sprechen und überall dasselbe haben. Das verstehe ich nicht als kulturelle Vielfalt.

Wenn wir über Kulturförderung sprechen, hoffe ich, dass wir damit nicht den Zweck verfolgen, eine europäische Identität herzustellen, sondern dass wir das kulturelle Erbe auch mal für sich sprechen lassen, dass wir die verschiedenen kulturellen Ansichten akzeptieren und dass wir Kultur vor allen Dingen nicht instrumentalisieren, um diese Ideologie, die Sie haben, durchzudrücken. Lassen Sie doch den Künstlern den Raum, lassen Sie der Kultur den Raum. Das Beste entsteht manchmal, wenn die Politik es nicht regelt. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Vincentz. – Für die Landesregierung hat nun in Vertretung von Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen Herr Minister Dr. Holthoff-Pförtner das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Abgeordnete! Herr Kollege Weiß, es wird Sie nicht wundern, dass die Landesregierung die gleiche Auffassung vertritt wie die Kollegen Petelkau und Deutsch. Von Ihrer Auffassung, Herr Remmel, sind wir nicht so weit entfernt. Ich denke, wenn man in Europa viel mehr ARTE hätte, dann hätten wir eine Basis, unsere gemeinsame Kultur kennenzulernen.

Die SPD-Fraktion möchte mit ihrem Antrag die Neuformulierung der europäischen Kulturpolitik unterstützen, die mit einer Erhöhung der Mittel für das Programm Creative Europe und der Zuschreibung eines höheren Stellenwertes für die europäische Kulturförderung einhergeht. Das Anliegen befürwortet die Landesregierung ausdrücklich. Auch wir sind der Meinung, dass es notwendig ist, dass Kunst und Kultur in das Zentrum der zukünftigen europäischen Agenda gerückt werden.

Insbesondere begrüßen wir den Vorschlag der Kommission, die Mittel für die Kulturförderung auf 1,85 Milliarden Euro zu erhöhen.

Wir lehnen den SPD-Antrag dennoch ab, aber aus etwas anderen Gründen: nicht nur weil die meisten Punkte bereits Gegenstand der Arbeit der Landesregierung sind, sondern vor allem deshalb, weil Sie sich die problematische Sichtweise der EU-Kommission auf die Rolle der Kunst und Kultur zu eigen machen.

Die SPD fordert die Landesregierung auf, sie möge die Mitteilung der Kommission – eine neue europäische Agenda für Kultur – zur Grundlage ihres zukünftigen Handelns machen, insbesondere die von der Kommission vorgeschlagene Schwerpunktsetzung auf ökonomische und soziale Aspekte der europäischen Kulturförderung. Diese Stoßrichtung lehnt die Landesregierung ab; denn sie würde auf eine Instrumentalisierung von Kunst und Kultur für andere Politikbereiche, gewissenmaßen als Reparaturbetrieb für gesellschaftliche Probleme, hinauslaufen.

Der Bundesrat hat in seinem Beschluss vom 6. Juli 2018 genau aus den Gründen, die der Kollege Petelkau genannt hat, mit den Stimmen von Nordrhein-Westfalen die neuen Schwerpunktsetzungen der Kommission auf ökonomische, soziale und außenpolitische Aspekte der Kulturförderung kritisiert und hat das der Kommission auch genauso übermittelt.

In diesem Beschluss bedauert der Bundesrat ausdrücklich, dass die inhaltliche Ausrichtung der Kulturpolitik im Zuge der neuen europäischen Agenda für Kultur noch stärker als bisher Nützlichkeitserwägungen untergeordnet sein soll. Der Bundesrat lehnt diese Neuausrichtung auf die strategischen Ziele der Agenda – ökonomisch, sozial und außenpolitisch – ab. Insbesondere lehnt er es ab, das bisherige Ziel der Förderung der kulturellen Vielfalt und des intellektuellen Dialogs auf die soziale Dimension von Kultur zu verkürzen oder sogar zu reduzieren.

Der Bundesrat betont mit den Stimmen von Nordrhein-Westfalen: Selbstverständlich trägt ein reichhaltiges Kulturangebot essenziell zum gesellschaftlichen und sozialen Leben bei. Dies ist aber nicht Zweck der Kultur, sondern es muss ihre Folge sein. – Aus Sicht der Landesregierung ist dem nichts hinzuzufügen.

Die SPD fordert die Landesregierung auf, sich in den Prozess zur Neuformulierung einzubringen. Das tut die Landesregierung bereits seit Langem. – Recht herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Holthoff-Pförtner. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor.

Da die antragstellende Fraktion der SPD direkte Abstimmung beantragt hat, komme ich nun zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/4116.  Wer dem Inhalt zustimmen möchte, den darf ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD. Gibt es Enthaltungen? – Keine Enthaltung. Dann ist der Antrag Drucksache 17/4116 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen dann zu:

3   Nächtliche Lärmbelastungen durch Verspätungen am Flughafen Düsseldorf wirksam reduzieren

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4105

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion dem Kollegen Klocke das Wort. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Arndt Klocke (GRÜNE): Danke. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie dürfen gerne im Saal bleiben; wir besprechen nun ein nicht minder wichtiges Thema. Wir reden über Gesundheits- und Lärmschutz im Umfeld des größten nordrhein-westfälischen Flughafens, dem Flughafen in Düsseldorf.

Der Flughafen Düsseldorf unterscheidet sich von dem zweiten Großflughafen, den wir in Nordrhein-Westfalen haben, nämlich in Köln, in der Hinsicht, dass wir eine klare, jedenfalls gesetzlich klare Nachtflugregelung haben. Es gibt eine verbindliche Lärmpause zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr.

Seit einigen Jahren ist jedoch festzustellen, dass die Verspätungsflüge dramatisch zunehmen. Hatten wir im Jahr 2013 im ganzen Jahr – in Anführungszeichen – „nur“ 807 verspätete Landungen, also solche nach 23:00 Uhr, waren es 2017 schon über 2.000, nämlich genau 2.032. Im Jahr 2018 zeichnet sich ein neuer Negativrekord ab. Von Januar bis September, also in den Monaten eins bis neun dieses Jahres, waren es schon 1.955 verspätete Starts und Landungen.

Sie müssen sich das so vorstellen: Für verspätete Landungen gilt eine Ausnahmeregelung, dass in besonderen Ausnahmefällen bei Verspätungen dort noch gelandet werden kann. Wenn aber in jedem Monat an 22 oder gar 25 Tagen verspätet gelandet wird, und das über das ganze Jahr hinweg, dann braucht man nicht besonders intelligent zu sein, um darauf zu kommen, dass es sich dabei offensichtlich um eine Strategie der Fluggesellschaften, um eine entsprechende Planung der sogenannten Umläufe handelt und es nicht zufällig verspätete Landungen sind, zum Beispiel aufgrund eines Unwetters oder anderer Ereignisse.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es drängt sich sehr der Eindruck auf, dass Fluggesellschaften mit diesen Ausnahmeregelungen planen. Jetzt ist nicht jeder ein Experte im Flugrecht. Es ist so, dass Airlines wie Eurowings oder Easyjet damit planen, wie viele Umläufe man am Tag fliegen kann, also ob man ab Düsseldorf drei oder vier Mal Mallorca, Rom oder andere Flughäfen hin und zurück anfliegen kann.

Unsere Vermutung ist, dass man mit dieser Ausnahmeregelung – auch nach 23:00 Uhr noch verspätet landen zu dürfen – offensichtlich plant. Das ist eine schwerwiegende Gesundheitsbelastung für alle Anwohner rund um den Düsseldorfer Flughafen. Hier muss dringend gehandelt werden, um die Menschen im Düsseldorfer Umland zu schützen.

Es handelt sich um einen stadtnahen Flughafen. Jeder, der den Flughafen kennt und von dort schon geflogen ist, weiß, wie schnell man von der Innenstadt zum Flughafen kommt. Der Einzugsradius des Düsseldorfer Flughafens umfasst über 1,5 Millionen Menschen, die hier leben. Diese Menschen werden nicht nur tagtäglich – tagsüber ist uns das ja bekannt –, sondern vor allen Dingen in der Nacht massiv von Fluglärm belastet.

Unser Antrag ist ein Aufschlag, um mit der Landesregierung in die Debatte zu gehen. Man muss klar sagen, dass unser Landesverkehrsminister sich in dieser Frage zumindest öffentlich deutlich vernünftiger positioniert als sein Vorgänger. Mit Herrn Groschek konnte man über dieses Thema überhaupt nicht reden. Hendrik Wüst hat in diesem Bereich zumindest in der Öffentlichkeit und in der Presse einige vernünftige Sätze gesagt. Aber es geht nicht nur darum, Dinge zu monieren und zu kritisieren, sondern es geht darum, entsprechend klar zu handeln.

Wenn man sich die Airports in Hamburg und Frankfurt ansieht, dann stellt man deutliche Unterschiede zum Düsseldorfer Airport fest. Dort gibt es massive Zuschläge bei verspäteten Flügen. In Hamburg sind die Zuschläge, die von den Airlines gefordert wurden, um 700 % höher als die in Düsseldorf.

Die Landesregierung sollte prüfen, ob man das nicht auch in Düsseldorf einführen kann. Wir brauchen längere Pufferzeiten für verspätete Maschinen, wir brauchen quartalsmäßige Berichte, und wir brauchen vor allen Dingen eine unabhängige Prüfkommission, die diese verspäteten Starts und Landungen entsprechend überprüft. Wir werden diesen Antrag in den Verkehrsausschuss überweisen und wollen mit einer Anhörung etwas mehr Licht ins Dunkel bringen.

Unsere Bitte, unser Auftrag an den Verkehrsminister lautet: Reden Sie Klartext mit dem Flughafen, damit diesen Flügen nachgegangen und das Ganze öffentlich kritisiert wird. Da muss dringend gehandelt werden. Es ist klar, dass es sich hier um eine Strategie der Airlines handelt. Es kann kein Zufall sein, dass an so vielen Tagen verspätet gelandet wird. Das ist eine massive Gesundheitsbelastung.

Unsere Bitte und unser Auftrag an den Verkehrsminister: Handeln Sie! Stellen Sie das ab! Sichern Sie den Lärmschutz! Sichern Sie die Gesundheit der Menschen im Düsseldorfer Flughafen-Umfeld! Das wäre ein klarer Fortschritt für all die Menschen, die in jeder Nacht massiv von Fluglärm belastet sind. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Lehne das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Olaf Lehne (CDU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Selbstverständlich ist die Situation am Flughafen Düsseldorf verbesserungsbedürftig. Dies ist allen Beteiligten klar, und mir als dort direkt gewähltem Landtagsabgeordneten umso mehr.

Der Flughafen liegt in meinem Wahlkreis. Mit den Anwohnern und dem Flughafen stehe ich in regelmäßigem Kontakt. Die Anwohner wissen, dass der Flughafen der größte Jobmotor ist. Sie respektieren ihn, wollen aber zu Recht Verbesserungen. Aus diesem Grund hat der Flughafen Düsseldorf zur Reduzierung von Verspätungen und nächtlicher Lärmbelastung bereits seit 2017 mehr als 3 Millionen Euro in zusätzliche Ressourcen und 1,5 Millionen Euro in neue Infrastrukturen investiert.

Die ergriffenen Maßnahmen sehen unter anderem den Einsatz von zusätzlichem Servicepersonal in allen Passagierbereichen, die Unterstützung der Bundespolizei bei der Personal- und Kontrollstundenplanung und die Optimierung des Sicherheitskontrollprozesses vor. Weiterhin ist geplant, die Flugpläne anzupassen und weitere Verbesserungen der Prozessabläufe am Flughafen zu erreichen.

Für die Probleme der Vergangenheit in punkto Sicherheitskontrollen kann der Flughafen nichts. Dies ist Aufgabe des Bundes.

Bereits seit Herbst 2016 befasst sich der Flughafen Düsseldorf mit der Einrichtung der Projektgruppe „Pünktlichkeitsoffensive“, gemeinsam mit der Bundespolizei, dem Sicherheitsdienstleister, den Fluggesellschaften und den Verbänden, mit der Optimierung der Abläufe. Diese Tätigkeiten wurden allerdings erheblich konterkariert: durch Streiks innerhalb der Flugsicherheit, durch andere Streiks innerhalb Europas, durch die Pleite von Air Berlin und durch die Übernahme von Flügen durch andere Gesellschaften, die erhebliche Anfangsschwierigkeiten mit ihrer Organisation hatten und leider immer noch haben. Die personellen wie auch materiellen Abläufe werden sich bei den neuen Fluggesellschaften hoffentlich kurzfristig ändern; sie sind jedenfalls eingefordert.

Einen von Ihnen geforderten qualitätsmäßigen Bericht, der die Verspätungen in den Abendstunden dokumentiert, gibt es bereits mit dem Pünktlichkeits- und Nachtflugreport. Eine gründliche Recherche Ihrerseits, Herr Klocke, hätte hier mit Sicherheit geholfen. Dann hätten Sie den Antrag besser gestalten können.

Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, werden CDU und FDP auf eine Verbesserung des Lärmschutzes hinwirken, sodass der rechtliche Rahmen für die Spreizung lärmabhängiger Start- und Landeentgelte ausgeschöpft wird. Um die Lärmzuschläge in den Nachtstunden weiter zu erhöhen, ist eine Änderung der Entgeltordnung notwendig.

Das haben Sie, Herr Klocke, angesprochen. Nicht angesprochen haben Sie, dass die Entgeltordnung bis 2020 verbindlich geregelt ist. Der Flughafen Düsseldorf, das Verkehrsministerium Nordrhein-Westfalen und die Luftverkehrsgesellschaften sind im ständigen Austausch über eine Anpassung dieser Entgeltordnung nach 2020.

Bereits beim Luftverkehrsgipfel im Oktober dieses Jahres in Hamburg haben Bund, Länder, Fluggesellschaften, Flughäfen, Flugsicherheitsorganisationen und Verbände gemeinsam Maßnahmen vereinbart, um für den deutschen Luftverkehr unter anderem verbesserte Pünktlichkeit und eine Steigerung der Leistungsfähigkeit zu erreichen.

Somit ist die Forderung unnötig, auf den Flughafenkoordinator des Bundes einzuwirken, um längere Pufferzeiten bei der Flugplanung zu erzielen. Dies findet bereits statt. Die Entzerrung der Flugpläne ist Teil des Maßnahmenpakets. Auch hier empfehle ich eine bessere Recherche vor Antragstellung.

Erst vor einigen Tagen hat Eurowings erklärt, den Sommerflugplan 2019 radikal zu ändern. Längere Flugzeiten und Flugplanpuffer werden einkalkuliert. Keine Landung am Hauptflughafen Düsseldorf soll für später als 22:15 Uhr eingeplant werden.

Herr Klocke, obwohl Sie das alles wissen, stellen Sie diesen Antrag. Bereits in der Antwort vom 3. Mai 2018 auf Ihre Kleine Anfrage zum Slot Performance Monitoring Committee – SPMC – am Düsseldorfer Flughafen sind viele Ihrer Mutmaßungen vom NRW-Verkehrsministerium entkräftet worden und ist Ihren unrealistischen Verbesserungsvorschlägen der Wind aus den Segeln genommen worden. Zur Dokumentierung der Arbeit des SPMC, zur Vertraulichkeit der Protokolle und zur Zusammensetzung der Einrichtung ist dort bereits ausführlich Stellung genommen worden.

Dieser Antrag trägt also zu keinen neuen Erkenntnissen oder Lösungsvorschlägen bei. Die Grünen wollen sich als Kümmerer darstellen, kümmern sich tatsächlich jedoch offensichtlich nur um sich.

Sieben Jahre lang trugen Sie bekanntlich gemeinsam mit der SPD Regierungsverantwortung. Sieben Jahre hatten Sie Zeit, Verbesserungen im Luftverkehr zu bewirken und Entgelte zu erhöhen. Sie hatten Zeit, sich für die Menschen einzusetzen. Getan haben Sie nichts.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Stopp! Sie haben doch etwas getan. Gemeinsam mit der SPD haben Sie die Verträge für den Hambacher Forst unterzeichnet, von denen Sie heute nichts mehr wissen wollen und jetzt das Gegenteil behaupten. Ihre politischen Loopings erklären Sie in Zukunft bitte den nordrhein-westfälischen Wählern. Hier sehen Ihre Wahlergebnisse Gott sei Dank noch anders aus als anderswo.

Sie vergessen auch, dass eine grüne Regierungspräsidentin fleißig Ausnahmegenehmigungen für Nachtflüge am Düsseldorfer Flughafen erteilt hat.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Längst haben die Bürgerinnen und Bürger in NRW verstanden, dass Sie die Verantwortung für Ihr Regierungshandeln nicht übernehmen wollen.

Bei den Grünen gibt es gute und schlechte Castor-Transporte. Die guten sind die, die Ihre Umweltminister genehmigt haben. Die schlechten sind die, bei denen Sie selber vor Zügen demonstrieren und versuchen, die Fahrten zu verhindern.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Olaf Lehne (CDU): Dieses inzwischen geregelte unehrliche Chamäleonauftreten …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Lehne, darf ich Sie trotzdem unterbrechen? Um die Redezeit geht es im Moment gar nicht. Kollege Mostofizadeh würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Olaf Lehne (CDU): Ich habe noch einen Satz. Danach höre ich mir gern die Zwischenfrage an. – Dieses inzwischen geregelte unehrliche Chamäleonverhalten, bei dem Sie Ihre Farbe permanent wechseln, wird der Wähler dauerhaft nicht tolerieren. Ihren Antrag werden wir daher im Ausschuss später ablehnen.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Das heißt, dass ich jetzt die Zwischenfrage zulassen soll?

Olaf Lehne (CDU): Bitte schön.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Okay. – Das Mikrofon ist offen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin, vielen Dank. – Herr Kollege Lehne, es ist nicht so, dass ich von Ihnen Inhalte erwartet hätte. Aber mich würde schon interessieren, ob Sie sich für den Nachtschutz am Flughafen Düsseldorf einsetzen oder sich nur um die grüne Partei kümmern wollen.

Olaf Lehne (CDU): Es wird Sie vielleicht nicht wundern, dass derjenige, der vor Ort direkt gewählt worden ist, natürlich die Interessen der Bürgerschaft vor Ort vertritt – und damit auch das Interesse an nächtlicher Ruhe.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist nicht deutlich geworden! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist doch keine Antwort!)

– Das entscheide ich; das entscheiden doch nicht Sie. Was für eine Antwort ich gebe, müssen Sie schon mir überlassen – und die Bewertung dem Bürger. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lehne. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Dos Santos Herrmann.

Susana Dos Santos Herrmann (SPD): Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir, vorab meinen Dank an die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion dafür auszusprechen, dass Sie mir gegenüber eine so hohe Wertschätzung haben und offenbar meine Arbeit sehr genau beobachten – schon im Wahlkampf. Das freut mich sehr. Wir werden auch noch eine Menge miteinander zu tun haben, und Sie werden noch viel von mir hören. Vielen Dank schon einmal!

(Beifall von der SPD)

Zum Thema: Die Kolleginnen und Kollegen der Grünen haben mit ihrem Antrag ein Problem angesprochen, das man auf keinen Fall wegdiskutieren kann. Das Problem ist existent. Das wissen wir, und das sehen wir auch. Wir glauben ähnlich wie die Grünen, dass wir mit einer Gebührenordnung an den Flughäfen einiges bewegen und Anreize setzen können, damit die Fluggesellschaften leisere und modernere Maschinen einsetzen.

Wir setzen ebenfalls sehr darauf, dass Flughäfen in die Lage versetzt werden, ihre Abläufe effizient zu organisieren, damit Verspätungen an den Flughäfen gar nicht erst entstehen und sich erst recht nicht im Zuge der Umläufe kumulieren.

Es ist also klar, dass der Schutz vor Lärmbelastung bei unserer Luftverkehrspolitik an erster Stelle steht. Als SPD-Fraktion bekennen wir uns selbstverständlich dazu, dass der Luftverkehr in Nordrhein-Westfalen sich entwickeln können muss. Das geht aber nicht ohne eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Diese wiederum setzt voraus, dass die Bevölkerung weiß: Wir achten in allererster Linie darauf, dass die Menschen auch rund um einen Flughafen eine ordentliche Lebensqualität haben und insbesondere ihre gesundheitlichen Belange berücksichtigt werden.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das haben wir, die SPD-Fraktion und ich persönlich, im Übrigen schon im April dieses Jahres hier diskutiert und vorgestellt, als wir zu einem Antrag der Grünen zum Flughafen Köln/Bonn gesprochen haben. Es geht ja um Folgendes: Wie schaffen wir ein leiseres Umfeld? Wie schaffen wir Lärmschutz rund um die Flughäfen?

Wie ich schon gesagt habe, können wir mit Gebühren die entsprechenden Anreize setzen. Da gibt es am Düsseldorfer Flughafen mit Sicherheit noch eine Menge Luft nach oben. Ich erwarte ebenso, wie es Herr Klocke dargestellt hat, dass die Regierung handelt. Insofern werden wir Ihrem Antrag gerne zustimmen.

Allerdings – das vermisse ich, ehrlich gesagt, ein bisschen – geht es nicht allein um die Gebühren und auch nicht allein um den Blick auf einen Flughafen. Am Ende muss es immer um den Luftverkehr in ganz Nordrhein-Westfalen gehen. Er braucht gleiche oder ähnliche Rahmenbedingungen.

Am Flughafen Düsseldorf kommt noch hinzu, dass zurzeit ein Planfeststellungsverfahren läuft, das die Regierung offensichtlich aufzuhalten versucht. Zumindest hat Herr Staatssekretär Schulte im Sommer angekündigt, dass das Planverfahren kaum vor dem Jahr 2022 zu Ende sei.

Mir ist bewusst, dass Planverfahren nach klaren Regeln ablaufen. Das will auch niemand ändern. Allerdings muss man schon darauf achten, dass ein Unternehmen wie der Flughafen Düsseldorf eine gewisse Planungssicherheit und Handlungsfähigkeit braucht.

In diesem Planverfahren sind auch Punkte enthalten, die es dem Flughafen ermöglichen würden, so zu handeln, dass Verspätungen zumindest in Ansätzen aufgefangen werden können. Wenn das so ist, muss die Regierung doch dafür sorgen, dass dieses Planverfahren so schnell vorankommt, wie es eben geht, ohne auf Gründlichkeit zu verzichten.

Mir drängt sich der Verdacht auf – Herr Lehne hat das in seinem Wortbeitrag implizit schon angedeutet –, dass es Ihnen darum geht, die Kommunalwahl 2020, wahrscheinlich auch die Bundestagswahl und die Landtagswahl 2022 abzuwarten und am Ende etwas zu beschließen und voranzubringen, sofern Sie dafür noch die Mehrheit haben sollten, das gegen die Interessen der Menschen rund um den Flughafen läuft.

Das wollen wir nicht. Wir erwarten also eine zügige Bearbeitung der laufenden Verfahren. Das alles muss unter folgenden Kriterien erfolgen: Die Menschen rund um den Flughafen brauchen gesundheitlichen Schutz; klar. Sie brauchen aber auch, sofern sie dort arbeiten und sofern sie von dort abfliegen wollen, die Sicherheit, dass das dort gut, effizient und sicher möglich ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Dos Santos Hermann. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Middeldorf.

Bodo Middeldorf (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn etwas zur Bedeutung des Düsseldorfer Flughafens sagen. Er ist ein internationales Luftdrehkreuz, von dem Menschen aus unserem Land in alle Welt fliegen. Durchschnittlich nutzen pro Monat etwa 2 Millionen Passagiere die Möglichkeit, ab Düsseldorf zu fliegen oder in Düsseldorf zu landen.

Erst einmal sind wir froh darüber, dass es möglich ist, den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land so nah vor ihrer Haustür ein solches Angebot zu machen.

(Beifall von der FDP)

Die Nähe – das ist unbestreitbar – bringt zugleich Belastungen mit sich. Die Abflug- und Anflugkorridore befinden sich über dicht besiedeltem Gebiet. Besonders betroffen sind die Bereiche des südlichen Ruhrgebiets und des Niederrheins. Wir nehmen die berechtigten Lärmschutzbelange der dort lebenden Menschen sehr ernst. Das heißt vor allem, dass wir sie vor einer unberechtigten Nutzung des Flughafens in den Nachtstunden schützen wollen.

Es ist richtig, wenn im vorliegenden Antrag davon gesprochen wird, dass insgesamt eine Zunahme nächtlicher Starts und Landungen zu verzeichnen ist. Jeder Start und jede Landung in der nächtlichen Kernzeit zwischen 23 Uhr abends und 6 Uhr morgens ist eine Flugbewegung zu viel. Die Akzeptanz für den Flughafen hängt auch aus unserer Sicht wesentlich davon ab, ob das Nachtflugverbot eingehalten wird. Insofern ist das in dem Antrag enthaltene Anliegen einer Reduzierung aus unserer Sicht grundsätzlich richtig und nachvollziehbar.

(Beifall von der FDP, der CDU und den GRÜNEN)

Was im Antrag aber nicht erwähnt wird – und das gehört zur Vollständigkeit dazu –, ist die Tatsache, dass die Zahl der Starts nach 22 Uhr in der Regel bei weniger als zehn im Monat liegt und dass der Anteil der Landungen zwischen 23 Uhr und 24 Uhr sowie zwischen 5 Uhr und 6 Uhr in der Regel zwischen 1 % bis 2 % der gesamten Flugbewegungen ausmacht.

Die Flugbewegungen, die einer Genehmigung bedürfen, lassen sich in einem Monat an einer Hand abzählen. Nächtliche Landungen infolge von Verspätungen sind daher immer noch Ausnahmen.

Es ist im Übrigen mitnichten so, wie Ihr Antrag das an einigen Stellen suggeriert, dass es sich in allen Fällen um formal unberechtigte Flugbewegungen handelt, die geahndet werden könnten. Erstens sind nächtliche Verspätungen rechtlich zulässig, wenn sie sich im Rahmen der Betriebserlaubnis bewegen; das wissen Sie. Zweitens obliegt die Verhängung etwaiger Bußgelder allein dem Bund und nicht dem Land.

Im Antrag wird auch nicht erwähnt, dass die Landesregierung bereits vielfältige Anstrengungen unternimmt, um diese relativ niedrigen Zahlen noch weiter zu reduzieren bzw. einer Zunahme entgegenzuwirken. Auf dem letzten Luftverkehrsgipfel – das hat Herr Kollege Lehne schon angesprochen –, an dem auch Herr Ministerpräsident Laschet teilgenommen hat, wurden zahlreiche Maßnahmen beschlossen, die auf eine Optimierung der Pünktlichkeit gerichtet sind. Der Verkehrsminister hat sich dieses Themas in Gesprächen mit den Fluggesellschaften ebenfalls bereits angenommen.

Aber noch einmal: Weil wir das Thema so ernst nehmen, begrüßen wir ausdrücklich die Überweisung des Antrags in den Fachausschuss. Dort sollten wir sehr genau und sehr gewissenhaft prüfen, was Vermutung und was Fakt ist.

Aber ich sage auch sehr deutlich: Sollten sich die Hinweise verdichten, dass Verspätungen von den Fluggesellschaften tatsächlich bewusst in Kauf genommen werden, werden wir uns auch weitergehenden Maßnahmen nicht verschließen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Middeldorf. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Vogel.

Nic Peter Vogel (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ein kleines bisschen überrascht, weil ich nach den Nachrichten der letzten Tage über Eurowings angenommen hatte, dass Sie diesen Antrag zurückziehen. Denn der Hauptverursacher bzw. Hauptschuldige, in unserem Fall Eurowings, hat schon vor einigen Tagen neue Pläne herausgegeben. Dementsprechend könnte sich ein großes Problem bereits erledigt haben.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Könnte, genau!)

An dem Antrag stört mich ein wenig, dass mal wieder Zahlen etwas willkürlich durcheinandergeworfen werden. Das heißt, dass etwas zu undifferenziert argumentiert wird. Man unterscheidet nicht zwischen Landungen und Abflügen.

Das können wir auch mal anders machen. Im Pünktlichkeits- und Nachtflugreport des Flughafens Düsseldorf für die Monate August und September dieses Jahres – warum gerade diese beiden Monate? Weil sie topaktuell sind, und weil sie noch in diesen Chaossommer hineinspielen – könnte man sich die Flugbewegungen in der Kernnacht von 0 Uhr bis 5 Uhr einmal genauer anschauen. Da haben wir im August sechs Flugbewegungen gehabt und im September nur drei, nämlich zwei Landungen und einen Abflug.

Herr Middeldorf hat es gerade schon angesprochen: Wenn wir diese drei Flugbewegungen in der Kernnacht in Relation zur Gesamtzahl der Flugbewegungen im September setzen, sind wir bei 0,01 %. Das ist ein Hundertstel Prozent, ein Zehntel Promille oder ein Zehntausendstel, wenn Sie so wollen. Das nimmt die Dramatik aus diesen Zahlen vielleicht ein kleines bisschen heraus.

Wir wollen aber fair bleiben. Sehen wir uns einmal die Landeanflüge im September in der Zeit zwischen 23 Uhr und 0 Uhr oder in der Zeit von 5 Uhr bis 6 Uhr an: Da kommen wir auf 263 Landungen. Das ist – mit Verlaub – einfach zu viel. Da muss natürlich Besserung erfolgen.

Wie gesagt, ich habe große Zuversicht in die Pläne von Eurowings. Herr Dirks hat gesagt, er wolle diese Brandmauer – oder wie er es bezeichnet hat – einführen. Damit ist schon einmal ein Baustein gelegt, um das Ganze zu entschärfen.

Das ist aber nur ein Baustein. Verspätungen können wir manchmal einfach nicht verplanen. Es gibt so etwas wie Wetterturbulenzen, Unwetter oder sonst etwas. Da kann die Politik überhaupt nichts regeln bzw. kein Antrag der Welt vermag dies zu ändern.

Es gibt auch andere Ursachen, bei denen die Fluggesellschaften sicherlich überhaupt keine Schuld trifft. Das sind die eben schon zitierten Streiks. Es können auch Brände, Unfälle, ein Absturz des Check-in-Systems, Terrorismusalarm oder sonst etwas sein.

Ein großes Problem sind auch die Sicherheitskontrollen. Seit die Bundespolizei sie im letzten Jahr ein wenig ausgesourct hat, haben wir enorme Probleme bei der Rekrutierung neuer Sicherheitskräfte, und zwar explizit hier in Düsseldorf.

Es ist doch so: Wenn es tagsüber eine Verspätung gibt, zieht sich diese gerade bei einem so eng getakteten System wie am Flughafen Düsseldorf manchmal in die Nachmittags-, in die Abend- oder leider auch in die Nachtstunden. Dementsprechend sollten wir doch prüfen: Wo könnte man eventuell noch Kapazitäten schaffen?

Am Düsseldorfer Flughafen haben wir diese Kapazitäten – namentlich Slots –, die allerdings nicht genutzt werden können, weil wir noch eine Betriebsgenehmigung haben, die wirklich schon sehr kalter Kaffee ist. Sie ist eine der strengsten von allen Personenflughäfen in Deutschland. Das Verkehrsministerium – namentlich Herr Wüst – wäre gefordert, einmal mit Augenmaß darüberzuschauen und zu prüfen, ob wir da noch Kapazitäten schaffen können, um mögliche Verspätungen aufzufangen.

Insofern bin sehr dankbar für diesen Antrag und dafür, dass wir ihn in den Verkehrsausschuss überweisen können, weil wir hier noch eine Menge Gesprächsbedarf haben. Dementsprechend werden wir der Überweisung zustimmen. – Ich danke Ihnen vielmals.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Vogel. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Wüst.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Situation am Flughafen Düsseldorf in den letzten beiden Sommern war inakzeptabel und darf sich nicht wiederholen. Jeder, der dort abgeflogen ist, hat unter den langen Schlangen gelitten und zum Teil deshalb Flüge verpasst. Es gab eine enorm hohe Zahl von Flugausfällen und Verspätungen.

Flugverspätungen will niemand. Das ist völlig klar. Klar ist aber auch: Der Flugbetrieb des Flughafens Düsseldorf findet auf einer bestandskräftigen und gesicherten rechtlichen Basis statt. Alles wurde mehrfach beklagt und am Ende von den Gerichten bestätigt. Sämtliche Genehmigungen für den Betrieb sind also bestandskräftig. Darunter fallen auch die Genehmigungen für verspätete Landungen in den Abendstunden. Darauf wurde mehrfach hingewiesen.

Auch wenn diese rechtlich nicht zu beanstanden sind, betrachten wir die Entwicklung vor allem der letzten beiden Jahre mit großer Sorge – und hier wiederum insbesondere den Anstieg der Zahl der Landungen nach 23 Uhr. Ich halte noch einmal fest: Das will niemand: die Anwohner nicht, die Passagiere nicht und nach meinem Eindruck hier auch im Hohen Haus niemand.

Deswegen ist es durchaus ehrenwert, verehrte Kolleginnen und Kollegen Antragsteller von den Grünen, dass Sie sich nach sieben Jahren wieder um dieses Thema kümmern.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir sind allerdings auch dran, und zwar auf allen Ebenen – in zahlreichen Gesprächen mit dem Flughafen und insbesondere in diesem Sommer auch durch meine Person mit den Fluggesellschaften –, mit dem Ergebnis ganz konkreter Maßnahmen.

(Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Welche?)

Der Ministerpräsident hat persönlich am Fluggipfel teilgenommen, den Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer für den 5. Oktober 2018 einberufen hatte. Er hat dort die Interessen des Landes und der Anwohner vertreten. Bund, Länder, Fluggesellschaften und Verbände der Luftfahrt waren dabei.

Die Teilnehmer haben sich auf ein sehr konkretes Maßnahmenpaket geeinigt, um die Zuverlässigkeit des Luftverkehrs zu optimieren und die Pünktlichkeit wiederherzustellen. Hier nur einige Maßnahmen, die von Bund und Ländern ergriffen werden:

Einsatz auf europäischer Ebene zur besseren Personalplanung der Fluglotsen und für Verbesserungen der Flugsicherungskapazitäten.

Einsatz bei den Flughafenbetreibern für die verstärkte Nutzung lärmarmer Flugzeuge auch über die Entgeltordnung, was wir im Koalitionsvertrag so verabredet haben und umsetzen. Künftig sollen innerhalb der Entgeltordnung verspätete Starts und Landungen nicht mehr von Rabatt- und Förderprogrammen profitieren. Auch das zahlt voll auf das ein, was wir hier zur Grundlage unserer Arbeit gemacht haben.

Einsatz für die Verlagerung des Kurzstreckenzubringerverkehrs auf die Schiene – Stichwort „Deutschlandtakt“. Das ist keine einfache Geschichte, aber ein gutes Werk.

Die Flughäfen ihrerseits haben sich verpflichtet, für zügigere Sicherheitskontrollen zu sorgen. Ich setze mich sehr dafür ein, Easy Security überall möglich zu machen. Sie kennen den eingefrorenen Versuch am Flughafen Köln/Bonn.

Verstärkung des Flughafenpersonals, auch eine Zusicherung der zuständigen Flughäfen. Die Bundespolizei tut das ihrige, um die Prozesse, die sie verantwortet, zügiger zu machen.

Alles das erfolgt gemeinsam verabredet. Das wird noch von einem Monitoring begleitet, um zu sehen, ob die Maßnahmen wirklich funktionieren.

Zwei Drittel der Verspätungen in den letzten beiden Sommern stammen von Eurowings. Das ist kein Geheimnis. Entsprechendes hat jeder von uns erlebt, der im letzten Jahr geflogen ist.

Deswegen habe ich im Sommer Gespräche geführt und auch öffentlich gefordert, dass die Airlines an ihren Abläufen arbeiten und ihre Verantwortung wahrnehmen, wenn, wie am 5. Oktober dieses Jahres verabredet, alle staatlichen Seiten ihrerseits die Hausarbeiten erledigen.

Die Fluggesellschaft Eurowings hat in dieser Woche geliefert und ihre Vorstellungen beschrieben: Stabilisierung der Abläufe, mehr Puffer und längere Bodenstandzeiten. Auch das ist ein Puffer. Es soll keine Brandmauer, sondern ein Wellenbrecher werden – sehr prosaisch; wunderbar –, und zwar in der Mittagspause, damit sich die Verspätungen vom Morgen nicht bis in den Nachmittag und in den Abend hineinziehen.

Des Weiteren gibt es eine Slot-Bereinigung mit Ryanair, einen Umbau des Flugplans mit der letzten planmäßigen Landung um 22:15 Uhr – das bedeutet einen Puffer nach hinten heraus – und eine Trennung von innerdeutschen Businessflügen und Flügen zu Warmwasser-Destinationen.

Das ist konkret; das hilft. Ob der Antrag hilft, werden wir im Ausschuss diskutieren. Ich freue mich darauf. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 3.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung dieses Antrags Drucksache 17/4105 an den Verkehrsausschuss. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte jemand gegen diese Überweisungsempfehlung stimmen? – Möchte jemand sich enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Damit haben wir den Antrag entsprechend überwiesen.

Ich rufe auf:

4   NRW gibt Orientierung für kommunale Konzepte zur Digitalisierung in den Schulen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/4110

Ich eröffne die Aussprache. Frau Kollegin Beer hat für die antragstellende Fraktion als erste Rednerin das Wort.

Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben vor nicht allzu langer Zeit eine sehr interessante Anhörung im Plenarsaal gehabt. Grundlage war ein Antrag der SPD, bei dem es um die Ausstattung der Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten ging. Diese Anhörung ging aber noch viel weiter; denn dort haben wir uns mit Konzepten zur Unterstützung der Bildung im digitalen Zeitalter auseinandergesetzt.

Ganz besonders beeindruckend waren die Modelle, die schon sehr weit entwickelt sind. Ich habe dabei von der Stadt Köln und der Stadt Paderborn lernen können, wie die Dinge zusammengehen müssen. Wenn ein kommunaler Schulträger sich engagiert, nimmt er nicht nur die Landesmittel in Anspruch, sondern auch eigene Mittel in die Hand, um die Ausstattung der Schulen nicht nur zu garantieren, sondern auch eine Support-Infrastruktur auf die Beine zu stellen.

Begleitend dazu bringt er Fortbildung, vor allen Dingen in Abstimmung mit den Hochschulen, auf den Weg, damit die Medien dann auch immer mit dem Primat der Pädagogik eingesetzt werden und ihren Eingang in den schulischen Alltag finden. Außerdem werden Eltern sowie Schüler und Schülerinnen entsprechend in den Zugang einbezogen – über E-Mail-Accounts, über spezielle Plattformen. Das alles ist vorbildlich.

Es wird auch viel Geld in die Hand genommen. Wir haben über das Programm „Gute Schule 2020“ 2 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Die Bildungspauschale steht zur Verfügung. Wenn jetzt endlich auch das Geld vom Bund kommt, um den Ausbau der Infrastruktur zu unterstützen, sind alle wirklich froh. Es gibt also viel Geld im System.

Dieses Geld muss aber auch nachhaltig eingesetzt werden. Wir haben schon einmal bei der sogenannten E-Initiative erlebt, dass Geld in den Sand gesetzt worden ist, weil die Konzepte nicht nachhaltig waren und weil man sehr kurzfristig geplant hat.

Man kann von Köln und von Paderborn lernen. Deswegen ist unsere Bitte, dass die Landesregierung die Initiative ergreift und das Ganze in die Hand nimmt. Sie sollte Köln, Paderborn und möglicherweise weitere Kommunen an einen Tisch holen. Dann könnten mit Unterstützung durch QUA-LiS und den Gesamtverband der kommunalen Datenverarbeitungsträger sehr schnell übertragbare Konzepte für das Land und für die kommunalen Schulträger fruchtbar gemacht werden.

Wir wollen diesen Prozess unterstützen. Wir wollen das Ganze sinnvoll beschleunigen. Man muss nicht überall das Rad neu erfinden. Das betrifft zum Beispiel auch Fragen des Datenschutzes und vieler webbasierter Zugänge.

Auch wenn Köln und Paderborn hier sehr überzeugende Projekte vorgestellt haben und eine wirklich gut durchdachte Arbeit gemacht haben, heißt das noch nicht, dass überall schon das Paradies ausgebrochen ist. Mir haben gerade Lehrerinnen von einer Förderschule in Köln geschrieben, dass dort erst nach den Sekretariatszeiten Rechner aus dem Verwaltungsapparat zur Verfügung stehen. Das ist sehr schwierig, wenn die Aufgaben erledigt werden sollen. Dafür braucht man wirklich eine vernünftige Ausstattung. Das hat die Stadt Köln aber auch in ihren Plan aufgenommen.

Ich selbst habe beim Wissenschaftlichen Dienst ein Gutachten in Auftrag gegeben und erhoffe mir Auskunft und rechtliche Klarheit hinsichtlich der Frage, wer denn für die Finanzierung zuständig ist: das Land oder die kommunalen Schulträger. Über das Ergebnis werden wir sicherlich noch in diesem Jahr zu reden haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hier bitte ich jetzt aber um Ihre Unterstützung. Denn hier gilt es, den Mehrwert herzustellen und gute Konzepte ins Land zu tragen, damit möglichst alle Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer und vor allen Dingen Schulen davon profitieren und kommunale Schulträger im Austausch die richtigen Hinweise bekommen. Ich hoffe da auf Ihre Unterstützung. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Braun.

Florian Braun (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin Beer, es macht wenig Sinn, etwas zu fordern, was aktuell bereits geschieht. Das Bildungsministerium ist in intensiven Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit den Kommunen, um gemeinsam Antworten für die digitale Zukunft hinsichtlich Ausstattung und Administration der Schulen zu finden.

So zu tun, als würde das Ministerium nicht auch mit den vor- und nachgelagerten Dienstleistern sprechen, ist, ehrlich gesagt, nahezu lächerlich. Wir als Fraktionen führen diese Gespräche auch. Ich hoffe, Sie tun das ebenfalls, und zwar nicht nur in den Anhörungen. Ich verstehe zumindest den Job von uns Politikern so, Gespräche mit den Beteiligten zu führen und Fäden zusammenzubringen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie brauchen auch nicht QUA-LiS aufzufordern, sich endlich mit digitaler Bildung auseinanderzusetzen, wie es im Antrag zu lesen ist.

Ich habe einmal ganz digital für Sie gegoogelt. Auf der Homepage von QUA-LiS steht auf der Unterseite „Aufgabenfelder“ – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

„Die Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule berät das für Schule und Bildung zuständige Ministerium und ist die vom Ministerium beauftragte zentrale Einrichtung für pädagogische Dienstleistungen insbesondere zur Unterstützung der Schulen bei der Wahrnehmung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages. Es arbeitet in folgenden Aufgabenfeldern:

–   …

–   Lehren und Lernen im digitalen Wandel, soweit diese Aufgaben nicht von der Medienberatung NRW wahrgenommen werden (das Landesinstitut und die Medienberatung NRW stimmen sich hinsichtlich dieser Aufgaben jährlich ab),

–   …

Es wird also bereits getan, was Sie sich wünschen. Noch dazu wird es von der Medienberatung wesentlich unterstützt. Das wurde in Ihrem Antrag mal eben geschlabbert.

Natürlich liegt der Einsatz von Digitalisierung im Schulgebrauch und bei den Lerninhalten uns allesamt am Herzen. Bei einer Fraktion bin ich mir, ehrlich gesagt, nicht ganz sicher, ob sie die Zeichen der Zeit erkannt hat; aber sonst wähne ich uns beim Leitziel doch alle im selben Boot.

Die Ausgangslage ist aber: Die Entwicklung wurde viel zu lange verkannt. Während Arbeitsmarkt, Forschung, Mobilität und Gesellschaft vielfach Hightech sind, stecken die Schulen schon viel zu lange noch im Kreidezeitalter fest.

Die NRW-Koalition ist mit dem Anspruch angetreten, das zu ändern, und das passiert seit anderthalb Jahren. Es geschieht auch in diesem Moment mit einem aktuellen positiven Beitrag, der, wie Sie eben offen zugegeben haben, immerhin am Ende Ihrer rot-grünen Regierungszeit mit dem Projekt „Gute Schule 2020“ auf den Weg gebracht wurde.

Gute Beispiele sind in der Anhörung deutlich geworden, ich kenne sie aber auch selbst aus zahlreichen eigenen Schulbesuchen.

In meiner Heimatstadt Köln zum Beispiel haben wir für einen zweistelligen Millionenbetrag 2.000 Touchpanels genehmigt. Die Käthe-Kollwitz-Realschule – ich war noch vor zwei Wochen dort zu Besuch – wird damit jedes Klassenzimmer ausstatten. Sie ist heute schon Vorreiter in der Anwendung digitaler Endgeräte und digitaler Inhalte: Integration durch Deutschunterricht am Tablet, anschauliche Kurvendiskussion und vieles mehr.

Letzten Freitag war ich in Medebach im Hochsauerlandkreis. Bürgermeister Thomas Grosche hat mir stolz und zufrieden berichtet, dass er nun alle Klassenzimmer in allen Schulen seiner Gemeinde entsprechend ausgestattet bekommt, dass die Lehrer allesamt damit arbeiten können und durchdachte Konzepte dahinterliegen.

(Beifall von der CDU)

Das ist nämlich die Voraussetzung: durchdachte Medienkonzepte nach dem Medienkompetenzrahmen.

Glauben Sie denn, dass Schulen und Kommunen nicht untereinander darüber kommunizieren und Erfahrungen austauschen? Natürlich tun sie das, und zwar auch mit dem Ministerium. Das ist ein ständiger Austausch in beide Richtungen. Dazu braucht es doch keine auf einzelne Kommunen festgelegte Aufforderung. Es ist fast schon fahrlässig, das auf wenige einzelne Kommunen zu begrenzen.

Ich habe eine klare Vorstellung davon – und einen klaren Willen –, wie die digitale Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen aussehen soll: mit Programmieren in allen Fächern, mit dem Umgang mit Algorithmen, mit Datenanalyse, mit der Nutzung von Hightechgeräten.

Wir werden sicherlich noch einige spannende Debatten zu Ausstattung, Inhalten und Weiterbildung der Lehrkräfte sowie vielem mehr führen. Das wird auf uns zukommen.

Vielleicht werden wir auch kontrovers über Ideen und Vorschläge des Schulministeriums diskutieren; aber lassen Sie uns die Vorschläge doch abwarten. Das Schulministerium hat auch Ihnen gegenüber bereits angekündigt, die Pläne zeitnah zu veröffentlichen und im Ausschuss regelmäßig über die Fortschritte berichtet.

Ihr Antrag jedenfalls liefert keinen Anlass, um in dieser spannenden und notwendigen Debatte voranzukommen, er ist schlicht überflüssig. Die Empfehlung ist daher eindeutig: Die NRW-Koalition lehnt diesen Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Braun. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Spanier-Oppermann.

Ina Spanier-Oppermann (SPD): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Braun, bei allem Verständnis: Wenn Sie meiner Kollegin Beer unterstellen, sie hätte ihr Ohr nicht in der Schulfamilie, muss ich sagen – ich habe sie sechs Jahre lang beobachtet und mit großem Respekt immer wieder bewundert –: Wenn sie es nicht tut, dann weiß ich nicht, wer es tut, zumal in dieser Breite und Ausführlichkeit. Das möchte ich einmal mit großem Respekt meiner schulpolitischen Kollegin gegenüber sagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Florian Braun [CDU])

– Ich hielt den Satz einfach für überflüssig. Man kann doch so etwas auch einmal über eine Fraktionsgrenze hinweg anerkennen.

Die Grünen haben eine riesige Herausforderung angesprochen, nämlich die Digitalisierung. Sie haben uns mit diesem Antrag ganz konzentriert eine Botschaft gesandt, die lautet: Es gibt bereits gute, ausgefeilte, nachhaltige Konzepte. Liebes Land, lass nicht zu, dass ein digitaler Flickenteppich entsteht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gib den Standard vor. Gib die Rahmenbedingungen vor, damit es nicht vom Glück und vom Zufall abhängt – je nachdem, in welcher Kommune ein Kind, ein junger Mensch groß wird –, mit welcher digitalen Infrastruktur man zu kämpfen hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist im Grunde genommen die Botschaft dieses Antrags; das haben wir mehrfach diskutiert. Es ist auch richtig, dass wir bei diesem Thema dranbleiben, immer wieder nachfragen und uns damit beschäftigen.

Wir haben bereits von beiden Rednern gehört, dass das Geld in den Kommunen vorhanden ist. Für das System stehen die Mittel aus dem Programm „Gute Schule 2020“ sowie hoffentlich auch bald aus dem DigitalPakt bereit.

Wir müssen nun dafür sorgen, dass dieses Geld effizient eingesetzt wird. Ich wiederhole mich – wir haben es auch in der Anhörung gehört –: Es gibt bereits sehr gute Konzepte. Die Verwaltung in Köln hat uns Politikern die Herausforderungen dargestellt: Sie hat 262 Schulen zu managen, und das möglichst auf einem adäquaten Stand. Wenn wir das sehen, dann wissen wir, dass wir aus anderen Kommunen wirklich etwas abschauen können.

Kurzum: Die SPD will eine digitale Chancengleichheit – wenn ich mir erlauben darf, es so zu sagen – und keinen digitalen Flickenteppich. Das Land möge bitte den Kommunen einen Rahmen präsentieren und digitale Konzepte anbieten.

Damit ist meine Rede auch schon beendet. In diesem Sinne unterstützen wir den Antrag. Noch einmal vielen Dank an die Kollegen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Spanier-Oppermann. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Freynick.

Jörn Freynick (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Beer, am Anfang möchte ich Folgendes auf Ihren Beitrag erwidern: Sie führten eben das Beispiel von der Lehrerin der Förderschule in Köln an. Ich glaube, diese Lehrerin ist vor allen Dingen froh, dass es ihre Förderschule überhaupt noch gibt.

(Beifall von der FDP und der CDU – Lachen von Sigrid Beer [GRÜNE] – Zurufe)

Wir debattieren hier einen Antrag der Grünen, mit dem Sie der Landesregierung einen Arbeitsauftrag erteilen wollen. Weder jedoch ist dieser Antrag in der Lage, die Digitalisierung an unseren Schulen voranzutreiben, noch haben Sie diesen Vorschlag zu Ende gedacht.

Es ist schon erstaunlich, wie die Kolleginnen und Kollegen der SPD in den letzten Monaten im Parlament hartnäckig das Thema der digitalen Ausstattung bespielt haben, ohne ein Konzept vorzulegen.

Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, schreien nun nach diesen Konzepten, ohne die Digitalisierung als Ganzes in den Blick zu nehmen.

(Zuruf)

Ja, die Digitalisierung an unseren Schulen muss vorangetrieben werden. Damit haben wir Freie Demokraten Wahlkampf betrieben,

(Lachen von der SPD)

und die NRW-Koalition hält Wort.

Die digitale Welt bietet große Chancen für die Entwicklung von Schulen und Unterricht. Wir sprechen hier aber von einem Prozess, der sorgfältig geplant, durchdacht und umgesetzt werden muss. Dass Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, ein anderes Vorgehen an den Tag legen, wissen wir bereits. Und wir wissen auch, wie das ausgegangen ist.

(Beifall von der FDP)

Das Schulministerium unter der Leitung von Ministerin Gebauer hat sich dieses Prozesses angenommen. Mit der „Digitaloffensive Schule NRW“ als Auftakt hat Ministerin Gebauer den Dialogprozess zur Entwicklung einer Digitalstrategie für die Schulen in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr gestartet. Land und Schulträger müssen gemeinsam an diesem Prozess arbeiten.

Als klare Orientierung für das Lernen in der digitalen Welt hat das Land Nordrhein-Westfalen den Medienkompetenzrahmen NRW erarbeitet. Der neue Medienkompetenzrahmen NRW beschreibt verbindlich für alle Schulformen und Schulstufen die wichtigsten Ziele für das Lernen mit digitalen Medien in sechs Kompetenzbereichen. Auf dieser Grundlage müssen die Schulen in NRW bis spätestens 2021 ein schulinternes Medienkonzept entwickeln.

In einem weiteren Schritt werden im Rahmen der Umstellung auf G9 die Kernlehrpläne überarbeitet. Das Thema „Digitalisierung“ wird Eingang in alle Fächer finden. Die pädagogische Einbettung der Digitalisierung muss aber, wie wir alle wissen, an eine entsprechende Infrastruktur geknüpft sein.

Zu der Frage nach der Verantwortung für die digitale Ausstattung befindet sich das Schulministerium in Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden; auch das dürfte Ihnen bekannt sein.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, der in die Überlegungen zur Digitalisierung unserer Schulen einfließen sollte: die Anstrengungen auf Bundesebene. Viel Geld wurde den Ländern im Rahmen des DigitalPakts zugesagt. Dazu wurde kürzlich in Berlin eine notwendige Bund-Länder-Vereinbarung geschlossen und weiter ausverhandelt. Die abschließende Entscheidung darüber ist dann für Anfang Dezember durch die KMK zu erwarten.

Die Mittel aus dem DigitalPakt werden den Schulen vor Ort für die Modernisierung und Ausstattung zugutekommen. Mit fast 1 Milliarde Euro nur für Nordrhein-Westfalen ist der DigitalPakt Schule eine notwendige Ergänzung zu den Bemühungen unseres Schulministeriums.

Sie sehen, wir sprechen hier über ein vielschichtiges Thema, in dem alle Aspekte berücksichtigt werden müssen. Ich bin mir sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und erkenne zum aktuellen Zeitpunkt keinen weiteren Handlungsbedarf. Ich vertraue vielmehr auf die Arbeit unserer Schulministerin. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Freynick. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Tritschler.

Sven Werner Tritschler (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der November ist mit Halloween, Allerheiligen, Allerseelen, Totensonntag usw. traditionell der Monat der Untoten und Toten. Vermutlich hat dieser Geist auch die grüne Fraktion ergriffen, als sie den Antrag gestellt hat.

Aus dem Reich der Toten ist nun die untote Löhrmann'sche Bildungspolitik entstanden und mit ihr der bildungspolitische Zombie unter dem schönen Namen QUA-LiS. Dieser lechzt nach frischem Blut, nach prall gefüllten Fördertöpfen. Das gibt es ja nun für alles, was irgendwie „Digitalisierung“ heißt.

Ansonsten haben Sie im Wesentlichen die Forderungen des Sachverständigen Professor Andreas Engel aus der Anhörung vom 5. September 2018 zitiert. Schön ist, dass Sie offenbar zugehört und auch etwas gelernt haben. Denn vieles von dem, was in Köln und Paderborn gemacht wird, erscheint tatsächlich sinnvoll und sollte Schule machen, beispielsweise standardisierte Hardware und Software oder ein niedrigschwelliger zentraler Support. Das sind Best-Practice-Beispiele, die im Land wirklich die Runde machen sollten. Dazu braucht es die Zusammenarbeit mit kommunalen IT-Dienstleistern und Spitzenverbänden. Insoweit haben Sie recht.

Was wir aber sicher nicht brauchen, ist eine weitere ABM-Maßnahme für QUA-LiS, nur damit niemandem auffällt, dass man es eigentlich nicht mehr braucht. In diesem Sinne lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Tritschler. – Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Gebauer das Wort.

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Richtig ist, dass auch ein Ministerium jeden Tag dazulernt, dass wir nicht allwissend sind und dass wir uns freuen, wenn sich die Fraktionen Gedanken über das eine oder andere machen.

In Bezug auf den Antrag ist aber auch richtig, dass wir schlicht und ergreifend nicht nur einen Schritt weiter sind, sondern gleich mehrere Schritte. Er verwundert mich daher schon ein wenig.

Ich war in der vergangenen Ausschusssitzung und auch in der Sitzung davor anwesend, und Herr Staatssekretär Richter hat in beiden Terminen ausführlich darüber informiert, wie die Digitalstrategie bzw. Digitaloffensive unseres Hauses voranschreitet.

Er hat über den jeweiligen Sachstand berichtet und auch darüber, dass wir mit den kommunalen Spitzenverbänden in einem sehr intensiven Austausch über die Frage sind: Was müssen die Kommunen leisten, und was muss das Land leisten? Dabei geht es natürlich auch um die Ausstattung der Lehrerinnen und Lehrer und darum, wie wir uns annähern können.

Es gibt das Programm „Gute Schule 2020“. Die Mittel für die Schul- und Bildungspauschale haben wir im Haushalt 2019 noch einmal um 50 Millionen Euro erhöht. Ich meine, wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir im engsten Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden stehen.

Wir haben die schon angesprochenen Regionalkonferenzen in den fünf Regierungsbezirken in Nordrhein-Westfalen abgehalten. Es hätte mich gefreut, wenn auch der eine oder andere Landtagsabgeordnete daran teilgenommen hätte. Dann hätten Sie nämlich sehen können, dass wir genau mit solchen Best-Practice-Beispielen, wie Sie sie anfragen, arbeiten.

Wir sammeln die Best-Practice-Beispiele, werten sie gemeinsam mit der Medienberatung aus und wollen sie dann den Schulträgern zur Verfügung stellen, wie Sie es vorschlagen. Wir sind schon sehr viele Schritte weiter, als Sie es in Ihrem Antrag beschreiben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Auch die Gigabit.NRW-Geschäftsstellen, die unter Beteiligung des Digitalministers eingerichtet worden sind, dienen den Kommunen als Support, um die notwendigen Antworten auf ihre wichtigen Fragen zu erhalten. Wir haben 180 Medienberaterinnen und Medienberater, die die Schulen unterstützen.

Und ja: Paderborn und Köln sind Vorzeigestädte, aber darüber hinaus gibt es auch Vorzeigeregionen und andere Städte. Genau das wird in unserem Haus schon seit Wochen zusammengestellt. Die Auswertung von IT.NRW und der Medienberatung werden wir den Schulträgern zur Verfügung stellen. Daher hätte es dieses Antrages heute nicht bedurft. Wir befinden uns, wie gesagt, nicht mehr im Anfangsstadium, sondern wir sind kurz vor der Vollendung.

Natürlich geht es auch darum, wie wir das viele Geld, welches wir aus Berlin bekommen, einsetzen; da ist die Nachfrage tatsächlich berechtigt. Berlin sieht ein reines Investitionsprogramm vor. Wir sind daran interessiert, dass den Schulen der notwendige Support nachhaltig zur Verfügung steht.

In den letzten Wochen haben wir hart mit Berlin und den anderen Ländern verhandelt, um zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, der sogenannten Bund-Länder-Vereinbarung. Ich hoffe, dass wir in diesem Jahr die – immerhin – 1 Milliarde Euro tatsächlich erhalten werden, die uns im Rahmen der Digitalisierung helfen wird.

Aber noch einmal: Dieser Antrag ist hier und heute überflüssig, weil wir schon etliche Schritte weiter sind. – Vielen lieben Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Beer noch einmal das Wort. Ich weise vorsorglich darauf hin: für 46 Sekunden.

Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Präsidentin! – „Digital first, Bedenken second“ – Sie haben schon „Verantwortung second“ gemacht. Ich würde dafür plädieren, dass Sie es in „Konstruktivität first, Unsouveränität second“ umwandeln. Das wäre doch mal ein Ansatz.

Denn, Frau Ministerin, zur Übertragung von Konzepten haben wir von Ihnen nichts gehört.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Redezeit!)

Wir haben einen Bericht über Konferenzen und über einzelne Bausteine erhalten.

Das, was die Kollegin gesagt hat, ist doch richtig: Es gibt eine Ungleichheit der kommunalen Ausgangslagen, eine Ungleichzeitigkeit in der Entwicklung; die Planungskapazitäten sind knapp, es gibt Engpässe in der Verwaltung. Es gibt aber Lösungen, und zwar Konzepte, die auf der kommunalen Ebene auch über die beiden genannten Kommunen hinaus entwickelt worden sind. Deshalb sollte man sie nutzen.

(Florian Braun [CDU]: Wieso haben Sie die denn nicht in Ihrer Regierungszeit entwickelt?)

Ein Effekt dieses Antrags ist da: Sie sagen, dass Sie kurz vor der Vollendung der Dinge stehen. Ich weiß, dass Sie den Antrag jetzt ablehnen werden, bin aber gespannt, was nun vollendet und vorgelegt wird – auch an Konzepten.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Ott das Wort.

(Jochen Ott [SPD]: Freut ihr euch schon, ne? – Florian Braun [CDU]: Und wie viele Sekunden?)

Jochen Ott (SPD): Ich habe genug Zeit, keine Sorge. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte eigentlich nicht noch einmal darauf eingehen und hätte, ehrlich gesagt, auch den Antrag in dieser Form nicht gestellt.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Aber diese Aggressivität bei einem sachlichen Antrag ist wirklich unglaublich. Vor allem: Auf die Anhörung ist überhaupt niemand eingegangen. Anscheinend hat sie niemand zur Kenntnis genommen.

(Florian Braun [CDU]: Es geht auch nicht um die Anhörung! – Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Und für diejenigen, die nicht aus der Schulpolitik kommen: Viele Lehrerinnen und Lehrern zweifeln tatsächlich daran und fragen sich, ob das Thema „Digitalisierung“ nicht genau wie das Thema „Inklusion“ im Grunde genommen vor Ort zur Exklusion führt, weil sie sich eben nicht mitgenommen fühlen.

(Zurufe von der FDP)

Dasselbe gilt für die Eltern: Die Elternvertreter diskutieren in Streitgesprächen – so zum Beispiel am vergangenen Samstag – über die Frage, ob es überhaupt digitale Bildung an Schulen geben soll. Und Sie tun so, als sei alles super, alles toll. Was ist das für ein Niveau?

(Florian Braun [CDU]: Das ist doch Quatsch!)

Das ist doch kein Niveau im Umgang mit einem solchen Thema! Darüber muss man reden.

(Florian Braun [CDU]: Reden Sie doch mal zum Thema!)

Da geht es um die Frage, wie die Technik eigentlich funktioniert. Das fragen die Lehrer. Wenn sie nämlich Serious Games einsetzen sollen und einmal erlebt haben, dass das nicht funktioniert, dann tun sie es nie wieder. Außerdem stellen sie sich die Frage: Welche Infrastruktur habe ich überhaupt?

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Hier wird so getan, als sei alles in Ordnung, aber wir haben doch die Auseinandersetzung dazu in der Anhörung miterlebt.

(Florian Braun [CDU]: Das hat kein Mensch gesagt! Haben Sie eigentlich nicht zugehört?)

Da hat der Städtetag gesagt: Das ist Landesaufgabe. Und die Landesregierung sagt im Ausschuss: Das ist Aufgabe der Kommunen. – Ja, was denn nun? Gespräche! Aus den Gesprächen wurde von den Spitzenverbänden nichts berichtet – zumindest keine Lösungen.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und Sigrid Beer [GRÜNE])

Weiter geht es damit, wer denn die Geräte pflegt. Alle Lehrerinnen und Lehrer sagen: Schön, wenn wir die Geräte bekommen. – Aber wer sorgt denn dafür, dass sie im nächsten Jahr auch noch nötig sind? Oder vernichten wir damit im Grunde Ressourcen und öffentliche Steuergelder?

Dann ist die Frage:

(Florian Braun [CDU]: Und wo sind Ihre Antworten?)

Mit welcher Infrastruktur pflegen wir die Geräte?

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Die Ministerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass über vieles berichtet wurde und ein paar Dinge angegangen worden sind.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Jochen Ott (SPD): Ja, ich komme zum Schluss. – Das ist völlig richtig. Es wäre aber vernünftig …

(Zurufe von der CDU und der FDP)

– Liebe Kolleginnen und Kollegen, ihr könnt euch ja das ganze Wochenende wieder darüber freuen, dass ihr gleich mit Mehrheit den Antrag ablehnen werdet, aber wenn es einen solchen Antrag gibt, dann setzt euch doch bitte fachlich damit auseinander und macht nicht so ein Gemurkse wie heute.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Jochen Ott (SPD): Das ist des letzten Tagesordnungspunktes unwürdig, und die Leute auf der Tribüne fragen sich, warum es bei einem solchen Thema eine derartige Aggressivität gibt. Das ist alberner Quatsch!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ott. – Jetzt hat für die Landesregierung Frau Ministerin Gebauer das Wort.

(Jochen Ott [SPD]: Dann kriegen wir ja wieder Redezeit!)

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Nein, Sie werden keine Redezeit bekommen, Herr Ott, weil ich noch Redezeit übrig hatte.

(Michael Hübner [SPD]: Mal gucken, wie lange Sie reden!)

Ganz kurz: Herr Ott, wenn Sie hier das Thema „Aggressivität“ ansprechen, würde ich Sie bitten, auch in Ihrem Redebeitrag zu versuchen, die Lautstärke ein wenig herunterzudrehen,

(Beifall von der CDU, der FDP, Herbert Strotebeck [AfD] und Alexander Langguth [fraktionslos])

weil auch das die Harmonie nicht fördert. Das muss ich in diesem Zusammenhang sagen.

(Jochen Ott [SPD]: Sie wissen doch, das Gemaule motiviert mich! – Unruhe – Glocke)

Frau Beer, wenn Sie sagen, dass Sie von den Regionalkonferenzen nichts hatten, dann tut mir das sehr leid. Wir hatten sehr viel davon. Diejenigen, welche die Regionalkonferenzen besucht haben, …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Gebauer …

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: … haben uns bestätigt, dass sie sehr dankbar für dafür waren, weil wir da Best-Practice-Beispiele aufgezeigt haben.

Nur weil Ihnen die Ergebnisse der Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden nicht bekannt sind, weil ich sie nicht im Einzelnen und zu jeder Zeit nach außen trage, heißt das nicht, dass wir noch keine Lösungen gefunden hätten. Sobald sie spruchreif sind, werde ich sie auch verkünden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der FDP und Alexander Langguth [fraktionslos])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Ministerin, entschuldigen Sie erstens bitte, dass ich Sie mit „Frau Kollegin“ angesprochen habe.

Zweitens würde Ihnen Herr Kollege Ott gerne eine Zwischenfrage stellen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Oh!)

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Ja, das kann er tun.

Jochen Ott (SPD): Abgesehen von der Frage, ob es der Regierung zusteht, die Reden von Abgeordneten zu bewerten, hätte ich noch eine Frage. Haben Sie das Protokoll …

(Zurufe von der CDU und der FDP)

– Ich bin frei gewählter Abgeordneter, und in der Gewaltenteilung ist das geregelt. Dass ihr das nicht kapiert, weiß ich.

(Unruhe – Glocke)

Ich empfehle Montesquieu! Der hat es klar aufgeschrieben; das ist schon ein paar Jahrhunderte her. Das ist Allgemeinbildung.

(Zurufe von Josef Hovenjürgen [CDU] und Thomas Nückel [FDP])

Jetzt zurück zu meiner Zwischenfrage. Ich habe nur eine Frage: Sehr geehrte Frau Ministerin, haben Sie das Protokoll der Anhörung, die wir durchgeführt haben, gelesen?

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Ja!

(Beifall von der CDU und der FDP – Frank Müller [SPD]: Echt jetzt? So gehen wir ins Wochenende, Frau Ministerin? – Unruhe – Glocke)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Jetzt habe ich das Wort! – Vielen Dank, Frau Ministerin.

(Frank Müller [SPD]: Für nichts!)

Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Wir sind am Ende der Debatte. Da die Landesregierung die Redezeit nicht überzogen hat, haben sich auch die Redezeiten für die Fraktionen nicht verlängert. Damit schließe ich die Debatte zum Tagesordnungspunkt 4.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Wer dem Inhalt des Antrags Drucksache 17/4110 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, FDP, AfD und die drei fraktionslosen Abgeordneten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall.

Damit ist der Antrag Drucksache 17/4110 mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen und Tagesordnungspunkt 4 beendet.

Wie Sie der allgemeinen Aufbruchsstimmung entnehmen können, sind wir damit ...

(Herr Dr. Kober vom Geschäftsordnungsdienst gibt Vizepräsidentin Carina Gödecke einen Hinweis.)

 – Entschuldigung – der Antrag Drucksache 17/4110 ist abgelehnt.

(Heiterkeit – Michael Hübner [SPD]: Wir hätten das auch anders genommen!)

Gut, dass Herr Dr. Kober aufgepasst hat. Aber wir hätten das auf jeden Fall aufgrund des festgestellten Abstimmungsergebnisses richtig vorliegen gehabt. Von daher – das war nur ein Versehen sprachlicher Art meinerseits.

Wir sind am Ende der heutigen Sitzung.

Ich berufe das Plenum für Mittwoch, den 28. November 2018 um 10 Uhr wieder ein. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen weiteren Arbeitstag und im Anschluss ein schönes Wochenende.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 12:54 Uhr

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*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.