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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/30

17. Wahlperiode

15.06.2018

 

30. Sitzung

Düsseldorf, Freitag, 15. Juni 2018

Mitteilungen des Präsidenten. 3

1   Prävention und Repression – Für eine stimmige Gesamtstrategie gegen Salafismus in Nordrhein-Westfalen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2750. 3

Dietmar Panske (CDU) 3

Marc Lürbke (FDP) 4

Ibrahim Yetim (SPD) 6

Verena Schäffer (GRÜNE) 7

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 9

Marcus Pretzell (fraktionslos) 10

Minister Herbert Reul 11

Jens Kamieth (CDU) 14

Sonja Bongers (SPD) 16

Marc Lürbke (FDP) 17

Thomas Röckemann (AfD) 17

Ergebnis. 18

2   Nachhaltige Planungssicherheit bei der Schulsozialarbeit nach dem Bildungs- und Teilhabepaket für Kommunen, Träger und Beschäftigte schaffen!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2757. 18

Josef Neumann (SPD) 18

Frank Rock (CDU) 19

Stefan Lenzen (FDP) 20

Sigrid Beer (GRÜNE) 21

Helmut Seifen (AfD) 22

Minister Karl-Josef Laumann. 23

Josef Neumann (SPD) 26

Sigrid Beer (GRÜNE) 26

Minister Karl-Josef Laumann. 27

Ergebnis. 28

3   Abschiebungen endlich starten, statt sie durch einen „Spurwechsel“ zu verhindern!

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2764. 28

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 29

Heike Wermer (CDU) 29

Eva Lux (SPD) 32

Stefan Lenzen (FDP) 33

Berivan Aymaz (GRÜNE) 34

Minister Dr. Joachim Stamp. 35

Markus Wagner (AfD) 37

Sigrid Beer (GRÜNE) 37

Markus Wagner (AfD) 38

Ergebnis. 38

Entschuldigt waren:

Ministerin Yvonne Gebauer

Ministerin Ursula Heinen-Esser 

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen

Angela Erwin (CDU)

Charlotte Quik (CDU)

Andreas Becker (SPD)

Guido van den Berg (SPD)

Wolfgang Jörg (SPD)

Serdar Yüksel (SPD)

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE)

Monika Düker (GRÜNE)           
(ab 10:30 Uhr)

Johannes Remmel (GRÜNE)


Beginn: 10:01 Uhr

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle zu unserer 30. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich neun Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Ich rufe auf:

1  Prävention und Repression – Für eine stimmige Gesamtstrategie gegen Salafismus in Nordrhein-Westfalen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2750

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Kollegen Panske das Wort.

(Unruhe – Glocke)

Dietmar Panske (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Salafismus nimmt zahlenmäßig immer mehr zu. Radikalisierung, Verblendung und Instrumentalisierung werden immer hasserfüllter und leider auch immer jünger. Gefährder werden in ihrer Form immer vielschichtiger und sind damit nur mit wachsendem Aufwand zu beobachten – technisch, personell, aber auch rechtlich. Terrorismus wird in seinen Waffen immer einfacher und damit auch immer erschreckender, unberechenbarer und kaltblütiger.

Ja, die Bedrohungslage in unserem Land hat sich in den letzten Jahren verändert, meine Damen und Herren. Wir müssen, wollen und werden auf diese Veränderungen die richtigen Antworten geben:

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

eine Antwort auf eine komplexe Situation; eine Antwort, die nicht einfach ist und nur in einer Gesamtstrategie erfolgen kann. Stückwerk schafft keine Sicherheit. Wirkung wird nur ein abgestimmtes Paket von Strategie und konkreten Handlungen zeigen.

Damit, genau diese Strategie und genau diese konkreten Handlungsstränge und Maßnahmen zu entwickeln, wollen wir unsere Landesregierung mit dem vorliegenden Antrag ebenso konkret beauftragen. Denn Zielsetzung muss doch sein: Unser Land NRW muss sicher bleiben – sicher auch mit der Vielfalt der Religionen, sicher auch unter Wahrung aller Rechtsstaatsprinzipien und sicher auch unter Wahrung von echter und gut verstandener Toleranz.

Lassen Sie mich an dieser Stelle zwei Abgrenzungen vornehmen.

Erstens. Sicher machen unser Land nicht die Hasspredigten, die Verunglimpfung und die Hetze, mit denen so mancher dieses Land spalten will. Lassen Sie mich feststellen: Spalten hilft nicht.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Spalten trägt nicht zu mehr Sicherheit bei. Spalten sorgt lediglich für mehr Unsicherheit in diesem Land.

Zweitens. Der Islam ist doch nicht gleich Salafismus. Millionen friedlicher Muslime in unserem Land müssen genauso vor Salafismus, Radikalisierung und Terrorismus geschützt werden wie Christen, Juden, Andersgläubige und Nichtgläubige – oder auch Irrgläubige.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Vielmehr müssen wir doch dafür sorgen, dass Salafisten nicht weiter Anhänger in ihre Fänge und Abhängigkeit bekommen. Wir müssen und werden dafür sorgen, dass nicht schon Jugendliche und erst recht nicht Kinder Opfer werden können – Kinder, die schon im Kindergartenalter zu Hass erzogen werden, die schon im Grundschulalter zu Gewaltverherrlichung aufgestachelt werden und die dann im frühen Jugendlichenalter zu echten Gewalttätern werden können. Nein, das wollen und werden wir an dieser Stelle verhindern.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kopp-Herr?

Dietmar Panske (CDU): Ich möchte fortfahren. – Dazu brauchen auch die Schulen, sowohl die Schulleitungen als auch die Lehrerinnen und Lehrer, für ihre Präventionsarbeit eine landesweite Unterstützung und Beratungskompetenz.

Genau an dieser Stelle muss auch Jugendhilfe ansetzen, und zwar aufmerksam, sehr konsequent und im Notfall – das sage ich ganz deutlich – auch gegen den Willen verblendeter Eltern. Die Erziehung zu Hass und Gewalt ist für mich eine hochgradige Kindeswohlgefährdung mit gemeingefährlicher Langzeitwirkung.

Wir brauchen eine stärkere Vernetzung – zum einen innerhalb Nordrhein-Westfalens, zum anderen aber auch mit den anderen Ländern und mit dem Bund.

Wir müssen Radikalisierungsprävention als Daueraufgabe verstehen. Damit meine ich nicht nur die Anstrengungen der Innenbehörden wie der Polizei, der Justiz, der Jugendämter, der staatlichen Institutionen und Ebenen. Wir brauchen auch eine konsequente Haltung und die Bereitschaft in der gesamten Gesellschaft, dafür einzustehen.

Wir sind ein tolerantes Land, lassen andere Meinungen und Ansichten zu und respektieren Widerspruch und andere Denkweisen, Empfindungen und Anschauungen. Aber das Ganze hat Grenzen. Radikalisierung, Hass, Gewalt, das Nichtbeachten oder gar Verachten unserer Werte sind die Grenzen. Das sind die roten Linien in unserem Land, die niemand überschreiten darf.

Das fängt schon bei banalen Alltagssituationen an und geht bis zum Missbrauch von Kindern durch Salafisten als künftigen Gotteskriegern weiter. Ja, es beginnt für mich bereits mit den verstörenden Bildern eines Märtyrerspiels kindlicher Soldatendarsteller in einigen türkischen Gemeinden in unserem Land.

Da muss Politik, da muss aber auch Gesellschaft, jeder Einzelne von uns, Stopp sagen und auch im Alltag auf diese roten Linien hinweisen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Und es muss möglich sein, die Gefährderansprache taktisch und rechtlich noch konsequenter anzuwenden. Die Beobachtungen der gefährlichen Szene und von Einzelpersonen muss effektiver in der Handhabung wie auch in der Wirkung für diesen Kreis werden.

Meine Damen und Herren, wir, die NRW-Koalition, werben für mehr Sicherheit, für mehr Prävention und Repression sowie für eine bessere Verzahnung dieser beiden zentralen Elemente einer klugen, wehrhaften und rechtsstaatlichen Sicherheitspolitik. Wir werben für einen klaren Kurs gegen Radikalisierung, Salafismus und Terror.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Dann macht doch einmal konkrete Vorschläge!)

Wir werben für Schutz gefährdeter Kinder und Jugendlicher sowie für Schutz und Hilfestellung für Frauen, die immer häufiger in die Radikalisierung gedrängt werden.

Wir als NRW-Koalition werben nicht nur dafür, sondern handeln auch: mit diesem Antrag und am Ende mit einer Gesamtstrategie und einem Handlungskonzept durch die Landesregierung.

Unser Land soll sicher bleiben. Dafür sind wir angetreten. Dafür haben die Menschen uns das Vertrauen ausgesprochen. Das setzen wir um. Helfen Sie dabei mit. Die Sicherheit in unserem Land geht uns alle an. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von den GRÜNEN und der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Panske. – Für die FDP hat nun der Kollege Lürbke das Wort.

Marc Lürbke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Nordrhein-Westfalen leben mitten unter uns aktuell etwa 3.000 den Sicherheitsbehörden bekannte Salafisten – mehr als in jedem anderen Bundesland. Über 800 von ihnen gelten als gewaltbereit, mehr als 250 sind als Gefährder eingestuft. Schlimmer noch: Die Radikalisierung geschieht immer schneller, und die Attraktivität des extremistischen Salafismus – gerade für junge Menschen – ist weiterhin ungebrochen.

Dem müssen wir entschlossen entgegentreten. Die unmissverständliche Botschaft muss lauten: Für die menschenverachtende Ideologie des extremistischen Salafismus ist in Nordrhein-Westfalen kein Millimeter Platz.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die aktive Verführung gerade junger Menschen zu dieser kruden Gesinnung nehmen wir in Nordrhein-Westfalen nicht hin. Genau deshalb geht die NRW-Koalition aus CDU und FDP mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entschieden gegen diese geistigen Brandstifter, gegen diese Extremisten, die unsere Verfassung und unsere Werte mit Füßen treten, vor.

Meine Damen und Herren, der Kampf gegen den Salafismus ist aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Er wird auch in den Schulen, in den Jugendzentren und in den Moscheen geführt. Deshalb brauchen wir ein umfassendes Angebot an Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen. Wir brauchen gezielte Unterstützung für die Akteure vor Ort, für unsere Jugendämter, für unsere Schulen. Deshalb braucht es auch genau diese Gesamtstrategie aus vielen ineinandergreifenden Rädern und eben nicht viele völlig unabhängige Bausteine. Wir müssen im Idealfall ansetzen, bevor die Radikalisierung überhaupt greift.

Es ist doch klar, dass wir beides brauchen. Wir brauchen Repression, und wir brauchen Prävention; denn es gibt Wölfe, und es gibt Schafe. Um es klar zu sagen: Die Wölfe unter den extremistischen Salafisten kriegen wir nicht mit Kaffeekränzchen, sondern nur, wenn wir clever agieren und auch ein Stück weit unbequem sind. Das ist das Wort: unbequem. Ich möchte, dass Nordrhein-Westfalen für extremistische Salafisten auch unbequem ist.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Nordrhein-Westfalen darf keine Wohlfühlzone für radikale Islamisten sein, sondern muss ein Ort sein, an dem man ihnen tagtäglich konsequent auf den Füßen steht, und zwar mit der ganzen Palette behördlicher Maßnahmen. Deswegen ist der Antrag auch genau richtig.

Deshalb ist es im Übrigen auch richtig, dass wir unsere Sicherheitsbehörden mit gezielter Unterstützung beim Personal, mit modernerer Ausstattung und mit einem punktgenauen rechtlichen Handwerkszeug auf Höhe der Zeit den Rücken im Kampf gegen diese Verfassungsfeinde und radikalen Islamisten stärken.

Meine Damen und Herren, wir verschließen nicht die Augen vor dem, was in salafistischen Familien passiert. Was dort passiert, erfüllt mich wirklich mit Sorge. Immer mehr Frauen geraten in den geistigen Bann der Extremisten und spielen auch eine immer wichtiger werdende Rolle in der salafistischen Szene.

Das Perfide daran ist, dass die strategische Rolle der Frauen gerade deshalb wächst, weil unsere Sicherheitsbehörden immer mehr Männer konsequent in den Blick nehmen und diese so dem Treiben der Szene entziehen.

Dass sich immer mehr Mütter radikalisieren, birgt gleichzeitig erhebliche andere Gefahren, beispielsweise für deren Kinder.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es klar zu sagen: Salafistisches, extremistisches Gedankengut darf nicht über radikale Eltern in unsere Kinderzimmer in Nordrhein-Westfalen einziehen. Einer Bedrohung des Kindeswohls wird die Nordrhein-Westfalen-Koalition nicht tatenlos zusehen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deshalb muss ein behördlicher Austausch zwischen den beteiligten Ämtern noch viel stärker umgesetzt werden, damit einer Schädigung Minderjähriger durch elterlich-salafistische Bestrebungen frühzeitig entgegengetreten werden kann.

Wir wollen Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen stark gegen religiös getarnten Extremismus machen. Das ist auch ein Ziel des heutigen Antrags. Es gilt, unsere Jugendämter oder die Träger der offenen Kinder- und Jugendarbeit beispielsweise durch effektive Schulungen und Handlungsleitfäden bestmöglich zu unterstützen.

Natürlich macht das Problem nicht vor dem Schulhof halt. Auch hier muss die klare Ansage gelten: Wenn versucht wird, die Radikalisierung in unsere Klassenzimmer zu tragen, lassen wir das nicht zu.

Wichtig ist, dass wir diese Herausforderung nicht bei unseren Lehrerinnen und Lehrern im Land abladen. Wir dürfen sie nicht damit alleine lassen. Vielmehr müssen wir ihnen helfen, um beginnende Radikalisierungstendenzen oder Veränderungen im Verhalten von Schülerinnen und Schülern besser einschätzen und bewerten zu können.

Deshalb werden wir unseren Schulleitungen und unseren Lehrkräften mit der Einrichtung einer regional zur Verfügung stehenden Taskforce sowie Handlungsleitfäden und flächendeckenden Informationsveranstaltungen zur Seite stehen.

In vielen Lehrerzimmern ist oftmals noch gar nicht richtig bekannt, wie die Präventionsmaßnahmen des Landes eigentlich aussehen, welche Partner vor Ort im Boot sind, wer denn der passende Ansprechpartner ist oder wer konkret Auskunft und Hilfestellung geben kann. Genau dagegen wollen wir etwas tun und vor allem die Vernetzung sicherstellen. Das alles muss besser verzahnt werden und besser ineinandergreifen.

Diese Verzahnung fehlte mir beispielsweise in dem vor einiger Zeit gestellten Antrag der Grünen.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Denn wir brauchen keine Flickschusterei und kein Stückwerk aus unzähligen Projekten, sondern ein strategisches Vorgehen aller Partner aus einem Guss.

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

– Frau Schäffer, ich bin auch nicht so vermessen, zu sagen, dass wir das alles allein erfunden hätten. So sind beispielsweise die Erkenntnisse und Ergebnisse der IMAG durchaus lohnenswert. Es ist ja auch wertvolle Vorarbeit geleistet worden. Ich glaube aber, dass wir gemeinsame Anstrengungen brauchen.

Ich will nicht verschweigen, dass wir auch Projekte der alten Landesregierung fortführen, beispielsweise „Wegweiser“ – aber nicht so, wie Sie das gemacht haben, sondern, indem wir einheitliche Standards bei der Präventionsarbeit bewerten, damit wir das insgesamt bewerten können und die Wirksamkeit der Präventionsarbeit in den Blick nehmen können.

(Christian Dahm [SPD]: Da bin ich aber gespannt!)

Meine Damen und Herren, klar ist: Effektive Radikalisierungsprävention macht man nicht im Vorbeigehen. Sie ist und bleibt eine Daueraufgabe.

(Zuruf von Sven Wolf [SPD])

Wir können das auch nicht alleine, sondern nur im Zusammenspiel aller Partner – vom Bund, vom Land, von Kommunen, von zivilgesellschaftlichen Akteuren. Darüber sollten wir uns im Ausschuss weiter verständigen, glaube ich.

Ich freue mich auf jeden Fall sehr auf die weiteren Beratungen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die SPD erteile ich dem Abgeordnetenkollegen Herrn Yetim das Wort.

Ibrahim Yetim (SPD): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal bin ich sehr dankbar dafür, dass der Kollege von der CDU, Herr Panske, noch einmal ausgeführt hat, dass Nordrhein-Westfalen sicher bleiben soll. Das bedeutet, dass Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren sicher war; denn sonst könnte es nicht sicher bleiben. Ich bin ich erst einmal sehr dankbar dafür, dass Sie diese Einsicht haben.

Kolleginnen und Kollegen, ich habe bereits bei der letzten Debatte zu diesem Thema gesagt, dass wir – damit meine ich insbesondere die überwiegende Mehrheit in diesem Haus – uns gegen jede Form von Extremismus positionieren müssen und auch jede Form von Extremismus bekämpfen müssen. Das gelingt – das ist etwas, was wir schon in der letzten Legislaturperiode sehr deutlich gesagt haben – mit einem Dreiklang, der aus Prävention, Repression und Ausstiegsmöglichkeiten besteht. Das ist genau der Kurs, den wir in Nordrhein-Westfalen seit einigen Jahren verfolgen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Mitte-rechts-Koalition, als SPD-Landtagsfraktion begrüßen wir es natürlich, dass Sie genau diesen rot-grünen Kurs beim Kampf gegen den Extremismus und den extremen Salafismus fortsetzen wollen. Das ist erst einmal lobenswert. Dafür ganz herzlichen Dank!

(Beifall von Sven Wolf [SPD])

Die damals unter Rot-Grün eingerichtete interministerielle Arbeitsgruppe hat ein ganzheitliches Handlungskonzept zur Bekämpfung des gewaltbereiten verfassungsfeindlichen Salafismus erarbeitet. Das war damals richtig und ist heute richtig. Heute ist es sogar noch wichtiger als damals. Dabei handelt es sich um eine Gesamtstrategie.

Das sehen Sie einfach nicht. Sie wollen es nicht anerkennen. Ich habe den Eindruck, dass Sie alles das, was Rot-Grün erarbeitet hat – und Sie haben gerade noch einmal gesagt, dass es gut war –, erst einmal verändern wollen. Das ist der völlig falsche Ansatz – gerade in Bezug auf den Salafismus.

Ihr Antrag ist deswegen zwar nicht falsch. Wenn Sie hineinschauen, werden Sie aber feststellen, dass darin nichts Neues steht.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Darin steht nichts Neues. Das gibt es alles bereits. Wir haben das bereits auf den Weg gebracht.

Als Sie im März 2018 – ich kann mich an diese Debatte sehr gut erinnern – zum Antrag der Grünen „Präventionsmaßnahmen gegen Neosalafismus in Nordrhein-Westfalen nachhaltig verankern und ausbauen“ gesprochen und ihn abgelehnt haben, haben Sie damals auf ein von Ihnen für notwendig erachtetes Gesamtkonzept verwiesen. Das war im März dieses Jahres.

Ich hätte gedacht, bei diesem sehr wichtigen Thema würden Sie uns heute zu diesem TOP etwas vorlegen. Das ist nicht passiert. Dieser Antrag enthält nichts dergleichen. In seinem Forderungsteil stehen acht Punkte, wobei die allermeisten dieser Punkte bereits in dem eben genannten Handlungskonzept auftauchen, zum Beispiel die Unterstützung der Jugendämter und die Taskforce für die Schulen. Das haben wir alles in dieser IMAG bereits verhandelt. Das ist alles darin enthalten. Das haben wir alles beschlossen.

Trotzdem, Kollegen von der CDU und der FDP, begrüße ich es, dass Sie endlich einsehen – ich zitiere einmal aus Ihrem Antrag –,

„dass Prävention und Repression die beiden Merkmale einer kohärenten Gesamtstrategie gegen religiös getarnten Extremismus sind.“

Ich bin froh darüber, dass diese Erkenntnis bei Ihnen angekommen ist. Das war nämlich nicht immer so.

(Zuruf von der FDP: Das war bei Ihnen auch nicht immer so!)

Schauen wir jetzt einmal in die letzte Legislaturperiode zurück. Ich will Sie nur an zwei Anträge erinnern.

Im ersten Antrag hat die CDU-Fraktion die Wirksamkeit von „Wegweiser“ angezweifelt. Sie wollten dieses Programm abschaffen. Heute höre ich dann vom Innenminister, aber auch von Ihnen, wie toll „Wegweiser“ doch ist.

(Marc Lürbke [FDP]: „Toll“ habe ich nicht gesagt!)

– Herr Lürbke, genau so ist es. Die CDU hat damals „Wegweiser“ abschaffen wollen. Unterzeichnet war dieser Antrag unter anderem von Armin Laschet, Lutz Lienenkämper und Peter Biesenbach. Sie wollten „Wegweiser“ abschaffen – nicht Sie, Herr Lürbke, aber die Kollegen von der CDU.

Zweitens. Die FDP hat in der letzten Legislaturperiode einen Antrag mit dem Titel „Salafismus konsequent mit den Mitteln des Rechtsstaats bekämpfen!“ gestellt. Das Wort „Prävention“ – Prävention ist ja das Allerwichtigste – haben Sie in diesem Antrag nicht ein einziges Mal erwähnt. Das war Ihnen völlig egal. Ihnen ging es nur darum, die harte Keule herauszuholen und Sicherheit vorzuspiegeln. Es ging Ihnen niemals darum, direkt bei den Kleinsten anzufangen und Prävention zu betreiben – um das einmal ganz deutlich zu sagen.

(Marc Lürbke [FDP]: Dafür haben Sie etwas anderes vergessen! – Gegenruf von Sven Wolf [SPD]: Nein, nein, Herr Lürbke, so nicht!)

Ich will Ihnen auch ganz deutlich Folgendes sagen, Herr Lürbke: Nach den großen Ankündigungen, die Sie im März-Plenum hier getätigt haben – nämlich, dass Sie ein Gesamtkonzept erarbeiten wollten, weil wir eine Gesamtstrategie bräuchten –, ist dieser Antrag heute eine einzige Enttäuschung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ganz unabhängig von dieser Tatenlosigkeit fehlen bei diesem Antrag aber auch ganz wichtige Aspekte, die bei der Bekämpfung des Extremismus nicht fehlen dürfen.

Sie haben gerade das Thema „Frauen“ angesprochen. In dem Antrag finde ich dazu aber nichts.

(Sven Wolf [SPD]: Vielleicht haben sie es ja vergessen!)

Sie haben gerade darüber gesprochen, wie wichtig es ist, insbesondere die Mütter und die Frauen in den Blick zu nehmen. In dem Antrag ist nichts darüber zu finden.

Allerdings hat der Bericht der Landesregierung im Ausschuss für Gleichstellung und Frauen gezeigt, wie wichtig dieses Thema ist. Übrigens betonen auch ganz viele andere Expertinnen und Experten immer wieder, dass es ganz wichtig ist, bei den Müttern anzusetzen.

Als SPD-Fraktion sind wir von dem Dreiklang bei der Extremismusbekämpfung überzeugt. Prävention, repressive Maßnahmen – zum Beispiel Vereinsverbote – sowie Ausstiegsmaßnahmen müssen vorhanden sein und sind wichtig.

Das, was die Mitte-rechts-Koalition heute vorgelegt hat, bringt uns da kein Stück mehr an Sicherheit; denn wir sind bereits viel weiter.

(Marc Lürbke [FDP]: Immer dieses Mitte-rechts-Gedöns!)

Ganz deutlich möchte ich gegenüber den Kollegen der Mitte-rechts-Koalition aber die große Bedeutung des Kampfes gegen den Salafismus und gegen die Extreme betonen. Wir haben noch gestern gesehen, wie wichtig es ist, dass wir da beieinanderbleiben.

Wir wissen alle, dass es eine Fraktion gibt, die wir bei diesem Thema nicht dabeihaben wollen, weil sie uns nicht weiterbringt. Gerade nach der Debatte von gestern muss man das sehr deutlich sagen.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD] – Zurufe von der AfD: Spalter!)

– Ich rede jetzt gerade. Hören Sie mir am besten zu. Dann lernen Sie vielleicht auch noch etwas.

Sie haben gestern sehr deutlich gezeigt, wo Sie stehen und dass Sie zu denjenigen gehören, die wir als demokratische Parteien bzw. Fraktionen ganz deutlich bekämpfen wollen.

(Andreas Keith [AfD]: Das hat nichts mit Demokratie zu tun!)

Liebe Kollegen der Mitte-rechts-Koalition, ich glaube, dass wir beim Kampf gegen den Salafismus und den Extremismus beieinanderbleiben sollten.

(Zuruf von Dr. Martin Vincentz [AfD])

Vielleicht schaffen wir es, diesen Antrag noch einmal gemeinsam zu überarbeiten und auch die Ideen, die Rot-Grün dazu hat, einzubauen. Ich glaube, dass wir dann zu einer Position kommen können, die dieses Land noch ein Stück weit sicherer macht, als es bereits ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Yetim. – Für die Grünen erteile ich nun der Kollegin Schäffer das Wort.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, gerade bei diesem wichtigen Thema den konstruktiven Austausch mit Ihnen zu suchen. Das habe ich anhand des Antrags der Grünen ja auch getan. Ehrlich gesagt, machen mich Ihr Antrag und diese Debatte aber einfach fassungslos und sprachlos.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wie sagte meine Mitarbeiterin so schön in der Vorbesprechung, als sie den Antrag gelesen hatte? Das ist der Diskussionsstand von 2012!

Wir sind aber im Jahr 2018 angekommen. Wir sind sechs Jahre weiter. Es gibt ganz viele Debatten und Fachbeiträge darüber. Das, was Sie in dem Antrag produziert haben, ist alles nichts Neues. Das wissen wir seit Jahren. Wir sind doch in der Diskussion eigentlich schon viel weiter. Deshalb macht mich das sprachlos.

Das einzige Thema, das in dem Antrag vielleicht neu aufgeführt wird, ist die Kindeswohlgefährdung. Darüber muss man diskutieren. Dazu komme ich später auch noch. Der Punkt ist aber, dass Sie keine einzige konkrete Antwort auf diese Frage liefern.

(Beifall von den GRÜNEN – Beifall von Marc Herter [SPD] und Sarah Philipp [SPD])

Sie bringen hier eine Problembeschreibung ohne Antworten ein. Ich muss ehrlich sagen, dass ich das für eine Regierungskoalition sehr schwach finde.

Sie hätten es so einfach haben können. Wir haben doch einen Antrag hier eingebracht. Nach einer sehr guten Anhörung – Herr Lübke hat im Plenum im März dieses Jahres ebenfalls bestätigt, dass die Anhörung sehr gut war – bin ich auf Sie zugekommen und habe gesagt: Lassen Sie uns gemeinsam einen Entschließungsantrag stellen. Ich bin bereit, viele Teile unseres Antrags herauszustreichen; Hauptsache, wir bekommen bei diesem wichtigen Thema der Präventionsarbeit gegen Salafismus einen Konsens hin. – Nein, das wollten Sie nicht.

Stattdessen schreiben Sie weniger als drei Monate später einen dermaßen dünnen Antrag. Ich finde es beschämend, dass Sie hier nicht mehr vorlegen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Panske, ich würde Sie gerne zitieren. In der Debatte im März 2018, als Sie unseren Antrag abgelehnt haben, haben Sie hier im Plenum gesagt:

„Ein intelligentes, abgestimmtes Zusammenspiel von Aufklärung, von Ermittlung von Strafverfolgung, von Prävention und verlässlicher und nachhaltiger Ausstiegshilfe orientiert an praktischer Arbeit: Genau das ist der Ansatz der CDU, und das sind die Ziele der NRW-Koalition.“

Da würde ich Ihnen sogar zustimmen. Nur: Warum schreiben Sie das nicht auch in Ihren Antrag hinein?

(Beifall von den GRÜNEN und Sarah Philipp [SPD])

Sie schreiben fett über Ihren Antrag: „Prävention und Repression … Gesamtstrategie“. Das, was Sie hier vorlegen, ist aber keine Gesamtstrategie.

Im Übrigen steht in dem Antrag auch nichts zum Thema „Repression“. Das Einzige, was darin zur Repression steht, sind die Gefährderansprachen seitens der Polizei. Die gibt es doch schon längst. Es ist Aufgabe der Polizei, Gefährderansprachen durchzuführen.

Wenn Sie dies als Gesamtstrategie bezeichnen, ist das – Entschuldigung – wirklich ein schlechter Witz.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich schwanke im Hinblick auf diesen Antrag zwischen Resignation und Fassungslosigkeit. Das tue ich auch deshalb – und deshalb rege ich mich so auf –, weil mir dieses Thema immens wichtig ist; denn wir haben eine Bedrohungslage durch den Salafismus und wissen alle, dass wir mehr Präventionsarbeit brauchen. Aber dann muss man eben auch etwas dafür tun und darf nicht solche Anträge schreiben.

Ich gehe gerne auf die einzelnen Inhalte ein, um meine Meinung zu verdeutlichen.

Zum Thema „Frauen“: Ja, es stimmt, Herr Lürbke; das ist ein wichtiges Thema. Sie sprechen es in dem Antrag sogar an. Sie reduzieren aber hier die Rolle der Frauen komplett auf die Mutterrolle und stellen sie als diejenigen dar, die für die Erziehung zuständig sind. Das stimmt auch. Aber es stimmt eben nur zum Teil.

Wir wissen, dass der Anteil der Frauen an den Gefährdern zwar nur bei 4 % liegt. Das ist total wenig. Aber an den relevanten Personen, also denjenigen, die zum Umfeld der Gefährder gehören, haben sie einen Anteil von 25 %. Jede vierte in Bezug auf die Salafisten relevante Person ist in Nordrhein-Westfalen eine Frau.

Angesichts dessen muss man sich doch Gedanken darüber machen, wie man diese Frauen ansprechen und aus der Szene herausholen kann. Es handelt sich immerhin um diejenigen, die rekrutieren und netzwerken. Also muss man doch gezielt Maßnahmen auf Frauen und Mädchen zuschneiden.

Davon ist in Ihrem Antrag überhaupt nicht die Rede. So weit denken Sie überhaupt nicht. Das finde ich fatal.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Nun zum Thema „ Kindeswohlgefährdung“: Ich finde es begrüßenswert, dass wir hier nicht darüber diskutieren, ob wir die Altersgrenze im Verfassungsschutzgesetz, ab der der Verfassungsschutz Personen beobachten darf, auf null absenken sollte. Immerhin führen wir die Diskussion darüber parallel zu dieser Debatte bereits. Ich finde es schon einmal gut, dass das in diesem Antrag nicht vorkommt und wir jetzt über die Frage der Kindeswohlgefährdung sprechen.

Wir als Grüne sehen auch, dass dahin gehend Handlungsbedarf besteht. Man muss aber wissen, dass es in Deutschland sehr schwierig ist, Kinder aus Familien herauszuholen, wenn nicht Gewalt oder Missbrauch im Spiel ist, sondern es – ich sage das wirklich in Anführungsstrichen – „nur“ um die Ideologie geht. Es hat in Deutschland historische Gründe, warum das schwierig ist.

Ich bin offen dafür, diese Diskussion zu führen. Der Punkt ist aber, dass Sie lediglich eine Problembeschreibung vornehmen, ohne eine konkrete Antwort darauf zu geben. Sie sagen nur, dass wir die Jugendamtsmitarbeiter schulen müssen. Das ist sicherlich richtig, aber was heißt das denn in Bezug auf die Kindeswohlgefährdung?

Man muss noch einen Schritt weitergehen. Es geht nicht nur um den Salafismus. Eine Frage ist zum Beispiel auch: Wie geht man mit Kindern aus rechtsextremistischen Familien um? – Auch diese Debatte führen wir seit Jahren, im Prinzip seit Jahrzehnten.

Wir führen also gern eine Diskussion darüber. Wir Grüne sind durchaus offen dafür. Man muss wissen, dass das in Deutschland schwierig ist – zu Recht. Lassen Sie uns also eine Diskussion darüber führen; aber dann lassen Sie uns auch zu konkreten Ergebnissen kommen.

Der dritte Punkt ist das Thema „Jugend und Schule“. Das sprechen Sie in Ihrem Antrag auch an; das finde ich richtig. Das ist ein wichtiges Thema, aber auch hier fehlen die konkreten Vorschläge. Das Einzige, was Sie anführen, ist die Einführung einer Taskforce an Schulen. Das ist nichts Neues. Das steht in dem Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe, die vor drei oder vier Jahren von Rot-Grün gegründet wurde. Das ist also nichts Neues.

Wir haben einen eigenen Antrag vorgelegt. Ich kann Ihnen sagen: Wir haben vier ganz konkrete Vorschläge gemacht. Wir haben erstens gesagt, wir brauchen die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit und in der Jugendsozialarbeit.

Wir haben zweitens gesagt, das Thema „Neosalafismus“ muss in der Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer und andere pädagogische Fachkräfte verankert sein. Da ist beispielsweise die Schulministerin in der Pflicht.

Drittens. Wir haben gesagt, wir brauchen eine flächendeckende Sozialarbeit an den Schulen und die Qualifizierung der Fachkräfte.

Und viertens haben wir gesagt, wir brauchen Streetworker. Wir brauchen für die Jugendlichen, die in Gegenden wohnen, wo sie besonders gefährdet sind, von Salafisten angesprochen zu werden, Streetworker, die konkret auf sie zugehen.

Diese vier Punkte sind in der Anhörung von den Expertinnen und Experten bestätigt und begrüßt worden. Davon findet sich nichts in Ihrem Antrag. Auch hier sind wir in der Debatte wesentlich weiter.

(Marc Lürbke [FDP]: Das steht doch drin!)

– Nein, es steht nicht drin. Es steht etwas über das Thema „Taskforce“ drin. Ja, es stimmt, Sie haben auch etwas zu dem Thema „Wir müssen jetzt mehr Angebote machen“ geschrieben. Das ist aber etwas anderes als eine verpflichtende Verankerung in dem Fortbildungsprogramm für Lehrerinnen und Lehrer. Das ist doch ein Unterschied, Herr Lürbke.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

– Ja, Ihnen ist immer alles zu kleinteilig. „Kleinteilig“ kann man es nennen, wenn man zwar zu Problemen konkrete Vorschläge hat, aber stattdessen irgendeine Soße auskippt – etwas, in dem nichts Konkretes steht, aber alles Mögliche angesprochen wird, ohne eine Lösung zu suchen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will es zum Schluss noch einmal sagen – ich glaube, das ist jetzt auch deutlich geworden –: Mir ist das Thema wichtig. Deshalb besteht mein Angebot und das meiner Fraktion weiterhin: Lassen Sie uns gemeinsam an dem Thema „Salafismus“ arbeiten. Wir haben viel Streit, was Repression und polizeiliche Befugnisse angeht. Es ist auch richtig, diesen Streit auszutragen und die politische Diskussion darüber zu führen. Aber lassen Sie uns im Sinne der Sache doch wenigstens bei dem Punkt Präventionsarbeit versuchen, zusammenzukommen; denn es ist wichtig für die Sicherheit der Menschen in diesem Land, dass wir gemeinsam an diesen Themen arbeiten.

Noch einmal das Angebot – auch von mir –: Setzen wir uns zusammen und lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir weitergehen und gemeinsam zu einer Gesamtstrategie kommen können, die auch wir wollen. Ich glaube, damit wäre vieles gewonnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die AfD erteile ich der Frau Kollegin Walger-Demolsky das Wort.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich ist der traditionell gelebte Islam mit einer aufgeklärten westlichen Gesellschaft nicht sehr kompatibel. Es bedarf in einer islamischen Welt, in der vieles, was bei uns als Ausdruck von Freiheit und Gleichberechtigung gilt, in „halal“ und „haram“ eingeteilt wird, großer Anstrengungen und viel Flexibilität eines jeden gläubigen Moslems, um die Regeln des Koran und der Scharia zum Beispiel mit den Vorgaben aus den Artikeln 2 und 3 des Grundgesetzes in Einklang zu bringen.

Eine umfassende Befragung der türkischstämmigen Einwanderer ergab 2016, dass radikal-islamische und fundamentale Einstellungen unter den Befragten weit verbreitet sind. Der Aussage – ich zitiere – „Die Befolgung der Gebote meiner Religion ist für mich grundsätzlich wichtiger als die Gesetze des Staates, in dem ich lebe“, stimmten 47 % zu.

(Zuruf von der AfD: Hört, hört!)

Schade, dass es keine neuere Studie gibt, in die Muslime aus anderen Herkunftsländern einbezogen sind. Unter den Gläubigen sind wirklich liberale Muslime, die zum Beispiel einen sogenannten „Euro-Islam“ favorisieren, eine eher kleine Minderheit. Das bestätigt auch Lale Akgün von der SPD in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

Bei dieser Betrachtung sind wir aber bei der sich selbst als „rein“ bezeichnenden Form des Islams, dem Salafismus, noch gar nicht angekommen. Wer den Salafismus vor diesem Hintergrund als „scheinreligiös“ bezeichnet, verleugnet die Tatsachen. Auch der Dschihad ist kein Schein, sondern ein Teil des Islams und wird von radikalen Fanatischen auch so gelebt. Hier andauernd von „Missbrauch“ zu sprechen, ist Realitätsverweigerung. Es ist kein Missbrauch, sondern schlicht eine Ausprägung, die ihren Ursprung sowohl in der Sunna als auch im Koran findet.

Ich bin sicher, man könnte mehr Muslime von einem liberalen Islam überzeugen. Diese Hoffnung richtet sich natürlich besonders an junge Menschen. Ich bin auch davon überzeugt, dass dies nicht von außen bewirkt werden kann, sondern von innen passieren muss. Diese Hoffnung bezieht sich weniger auf die, die längst zu den Salafisten tendieren, als auf die, die noch in einer religiösen Findungsphase sind. Wer zum Beispiel an dieser Stelle nicht begreift, dass das Kopftuch und auch der Burkini bei Kindern in die falsche Richtung weisen, wer Imame solche Traditionen weiter predigen lässt, handelt fahrlässig, meine Damen und Herren.

(Beifall von der AfD)

Die meisten Träger der offenen Kinder- und Jugendarbeit scheinen mir ganz und gar nicht die richtigen Partner zu sein; denn sie haben doch längst bewiesen, dass sie den Zugang zu sehr vielen jungen Muslimen verloren haben. Zu wenig religiöses Wissen gepaart mit unendlicher Toleranz werden von den jungen Menschen als Schwäche verstanden und als Ausdruck einer degenerierten Gesellschaft abgelehnt. Kuschel- und Beratungsprogramme werden daher auch nicht helfen, das Anwachsen des Salafismus zu verhindern – bei offenen Grenzen sowieso nicht.

(Beifall von der AfD)

Schon das viel gelobte „Wegweiser“-Programm kann nicht auf einen dezidierten Erfolg verweisen. Das Gegenteil ist der Fall, wie der Anschlag in Essen 2016 auf eine Sikh-Gemeinde gezeigt hat. Ich habe nach einzelnen Erfolgen gefragt; da kam nichts.

(Helmut Seifen [AfD]: Die reagieren nimmer nur fassungslos!)

Wir reden in NRW von mindestens 3.000 Salafisten, meine Damen und Herren. Welche Erfolgserwartungen stellen Sie an Ihre Maßnahmen – 1 %, 2 % oder 3 %? Und die übrigen? Für die gibt es dann das „scharfe“ Mittel der Gefährderansprache? – Zum Glück wird nicht jeder Salafist als Gefährder eingestuft.

Die gute Idee aus dem Koalitionsvertrag, entsprechende Vereine zu verbieten, findet sich in diesem Antrag nicht wieder. An dieser Stelle muss jetzt eine Ermahnung reichen. Ich habe so eine Ahnung, welche Durchschlagskraft das haben wird.

(Helmut Seifen [AfD]: Die zittern!)

Wir Christen, Juden oder Atheisten können den Islam und seine Ausprägungen nicht reformieren. Wir können diejenigen, die Reformen wollen und sich dafür stark machen, unterstützen. Da gibt es inzwischen eine knappe Handvoll Verbände und Einzelpersonen.

Dass Sozialarbeiter von außen etwas bewirken können, halte ich für eine Illusion. Hier werden wir erneut Geld in hilflose Programme stecken, und am Ende werden wir feststellen: Unsere Nachbarn in Österreich waren klüger. Sie weisen Imame aus, die nicht staats- und gesellschaftskonform predigen, statt in einen Wettstreit der Deutungshoheit mit denen zu treten. Sie verbieten fundamentalistische Vereine und halten nicht nur Gefährderansprachen. Das ist am Ende dann der Unterscheid zwischen gut gemacht und gut gemeint. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Als Nächstes erteile ich dem fraktionslosen Abgeordneten Herrn Pretzell das Wort.

Marcus Pretzell*) (fraktionslos): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wenn Ihnen die Rednerin der Grünen erklärt, dass sie eigentlich keine Kritik an den von Ihnen geforderten Maßnahmen hat bzw. die einzige Kritik eigentlich die ist, dass Sie keine Konzepte vorgelegt haben, die weitgehend genug sind, dann wissen Sie, dass Ihr Antrag bei Weitem nicht mutig genug war. Dann wissen Sie, dass Sie weit hinter den Notwendigkeiten zurückgeblieben sind. Jedenfalls sollten Sie das wissen.

Ich glaube, in der Tat ist es relativ simpel, sich gegen den Salafismus auszusprechen. Das ist Common Sense auch in dieser Gesellschaft. Aber es reicht eben bei Weitem nicht, den Salafismus zu adressieren, meine Damen und Herren.

Es geht darum – Herr Panske hat in seiner Rede ein Beispiel genannt –, dass es auch in anderen muslimischen Gemeinden durchaus Probleme gibt. Herr Panske, Sie haben ein Beispiel aus Herford genannt, aus einer DITIB-Moschee. Es war Ihr Ministerpräsident, der neulich den türkisch-nationalistischen Islam mit der serbischen oder griechischen Orthodoxie gleichsetzte oder zumindest verglich, was einigermaßen daneben ist.

(Helmut Seifen [AfD]: Völlig schräg!)

Es geht darum, dass es eben nicht nur 3.000 Salafisten sind, die zu einem sehr hohen Prozentsatz radikal, extremistisch sind; es geht darum, dass wir eine ausländische Finanzierung vor allem radikal-nationalistischer, mit dem Label des Islam versehenen Organisationen haben, nämlich den Salafismus, finanziert von der saudischen Halbinsel, und den türkisch-nationalistischen Islam, finanziert aus der Türkei über die DITIB. Da geht es darum, dass man diese Finanzierungsquellen endlich trockenlegt.

Wenn Sie richtig erkennen, dass es liberale Bestrebungen auch im Islam gibt, gleichzeitig aber dulden, dass aus dem Ausland finanziert die Extremisten und die Radikalen unterstützt werden, während wir hier im Inland gemütlich zusehen, wer sich denn am Ende durchsetzt, dann werden Sie feststellen, dass sich natürlich diejenigen durchsetzen, die mit Millionen Euro aus dem Ausland gepampert werden.

Bevor Sie diese Finanzierungsquellen nicht endlich trockenlegen und entschieden dagegen vorgehen, … – Ja, Herr Kurz in Österreich zeigt gerade, dass es funktioniert; er zeigt auch, dass das Gegenwind gibt. Umso mehr gibt es einen guten Grund, das endlich zu tun. Denn wenn Erdogan droht, dann liegt man ziemlich richtig.

Fangen Sie endlich an, diese ausländischen Finanzierungsquellen für die radikalsten muslimischen Gemeinden in Deutschland zu beenden, trockenzulegen! Dann erreichen Sie wirklich etwas in dieser Hinsicht. – Vielen Dank.

(Beifall von Frank Neppe [fraktionslos] und Alexander Langguth [fraktionslos])

Präsident André Kuper: Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Reul das Wort.

Herbert Reul, Minister des Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Salafismus – das sagen alle hier – ist ein großes Problem, keine Modeerscheinung. Auseinandersetzen heißt, längerfristig daran arbeiten, heißt kontinuierlich arbeiten. Aber so simple Antworten: alle Muslime, alle Flüchtlinge, Grenzen zumachen –

(Helmut Seifen [AfD]: Hat kein Mensch gesagt! Hören Sie einfach zu!)

die Nummer geht auch nicht mehr. Damit kommen wir keinen Millimeter weiter.

Das heißt übrigens zweitens, wir müssen gemeinsam an die Aufgabe rangehen, das kann einer alleine nicht machen. 11.000 Salafisten in Deutschland, 3.000 in NRW, 840 gewaltbereit – es ist übrigens, auch das sei hinzugefügt, nicht nur eine Aufgabe für Sicherheitsbehörden, Polizei, Justiz und Verfassungsschutz, sondern: Wir müssen uns nicht nur um Symptome kümmern, wir müssen auch den Schulterschluss vieler Institutionen und Behörden in unserem Lande nutzen, um wirkungsvoll zu sein.

Deshalb finde ich den Antrag hilfreich. Er zeigt klar auf, dass alle Demokraten diese menschenfeindliche und hasserfüllte Ideologie gemeinsam bekämpfen müssen,

(Helmut Seifen [AfD]: Das tun Sie ja eben nicht!)

und zwar mit Polizei, Verfassungsschutz und auch präventiv. Prävention und Repression gehören zusammen. Das ist das Spannende.

Die Ursachen, warum solche Menschen zu Extremisten werden, sind vielfältig. Deswegen braucht es eine ganzheitliche Strategie. Das ist nicht so einfach. Da gibt es nicht eine Antwort und eine Ursache.

Es gibt auch keine einfachen Antworten, warum sich plötzlich ein 16-jähriges Mädchen komplett verschleiert oder nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen will oder warum sich ein 20-Jähriger für dschihadistische Propaganda interessiert, sein persönliches Umfeld in Gläubige und Ungläubige einteilt.

Da gibt es nicht so etwas wie eine Checkliste: Wenn A, B, C zutrifft, dann ist das einer, der einen bewaffneten Kampf gegen alle Ungläubigen will. Oder: Eine Person wandert aus, um sich dem bewaffneten Kampf anzuschließen. So einfach ist es leider nicht. Die Welt ist kompliziert. Das macht es anstrengend. Und jeder Radikalisierungsfall ist individuell vielschichtig.

Deswegen gibt es bei uns in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ein Präventionsprogramm gegen Salafismus, das auf den Dreiklang von Ganzheitlichkeit, Zusammenarbeit und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Es sind ganz unterschiedliche Projekte und Maßnahmen. Bewährte Projekte werden wir weiterentwickeln und neue hinzufügen.

Ich will vielleicht auf zwei Säulen hinweisen, auf denen dieses Konzept basiert: Nachhaltigkeit, also die Schaffung eines fortwährenden Netzwerks aller Beteiligten in den Ministerien und Orientierung an der gesamten biografischen Entwicklung eines Menschen. Das ist das Fundament. Damit sind wir weitergekommen.

Ständiges Weiterarbeiten ist angesagt. Aber wir brauchen da nicht jeden Tag ein neues Programm; das ist auch Quatsch. Konsequent sein und verstetigt arbeiten – wir packen das ressortübergreifend an und passen es auch an neue Entwicklungen kontinuierlich an. Es werden bereits 27 Einzelprojekte in den jeweiligen Ressorts umgesetzt.

Um aus meinem nur ein Projekt zu nennen, was schon vorgetragen worden ist: Wegweiser – viel beachtet, nicht von uns erfunden, aber trotzdem gut. Deswegen haben wir damit auch kein Problem.

Wo ist die Dame, die eben gesagt hat, es gäbe keine Erfolge? – In fast 700 Fällen ist es gelungen, betroffene Jugendliche zu erreichen. In 300 komplexen Fällen wurden langfristige Beratungsprozesse initiiert. Es ist sehr davon auszugehen, dass die überwiegende Anzahl der Beratungsfälle einen positiven Verlauf nimmt. Das heißt, es gelingt offensichtlich, extremistische Verhaltensweisen und Einstellungen zu verändern. Durch die Wegweiser-Beratungsstellen sind fast 12.000 Umfeldberatungen und nahezu 2.000 Sensibilisierungsveranstaltungen durchgeführt worden.

Die Zahlen alleine reichen nicht; das weiß ich. Aber drei Viertel davon sind Jugendliche und Kinder, die sich in einer schwierigen Altersphase befinden, die für radikale Verführer ganz besonders von Interesse sind.

Damit Sie es endlich mal hören: 80 bis 90 % sind erfolgreich. Ob das jede Maßnahme von sich sagen kann, weiß ich nicht. Ich finde jedenfalls, das ist nicht so schlecht. Dafür gibt es dieses Programm.

Im Übrigen, Frau Schäffer, noch eine kleine Ergänzung – wir machen nicht jeden Tag für jede Maßnahme eine einzelne Presseshow –: Wir haben längst Streetworker im Einsatz, und zwar nicht nur auf den Straßen, sondern auch im Internet, die dafür da sind, Jugendliche anzusprechen. Das klappt, und zwar seit geraumer Zeit.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Das ist doch etwas völlig anderes, Herr Reul!)

Also: Es funktioniert. Es geht. Es wird gemacht. Dafür brauchen wir Ihren Vorschlag nicht, aber es ist trotzdem gut, dass wir darin übereinstimmen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Oh je!)

Dass der Fokus auf Familien, auf die Rolle von Müttern, auf Kinder gelegt wird, ist richtig und unstrittig. Genau deshalb geht es auch darum, mit Jugendämtern, Kindergärten und Schulen zusammenzuarbeiten. Da müssen auch Sicherheitsbehörden helfen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Was heißt das denn konkret?)

Ich bin relativ sicher, dass wir da vorankommen. Wir sind im Übrigen auch dabei, Handlungsempfehlungen zu erstellen. Das ist also nicht nur l‘art pour l‘art, sondern es handelt sich um ganz konkrete Handlungsempfehlungen.

Zum Beispiel wurde vor Kurzem auf Initiative des Verfassungsschutzes ein Facharbeitskreis gegründet, der die wichtigen Akteure an einen Tisch bringt, denn es stimmt: Diejenigen, die in den Jugendämtern und Schulen unterwegs sind, kennen die Sachverhalte nicht zwingend alle – der eine mehr, der andere weniger. Im Verfassungsschutz gibt es eine Menge an Informationen, die genutzt werden müssen.

Der sogenannte Islamistische Staat ist zurückgedrängt worden. Jetzt kommen viele ehemals Ausgereiste wieder zurück. Wir haben damit eine neue Aufgabe, über die noch nicht so sehr geredet worden ist: die Rückkehrer, insbesondere die Kinder. Was machen wir mit denen eigentlich?

(Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht neu!)

Aus Nordrhein-Westfalen sind 260 ausgereist. Es gibt 72 Rückkehrer – im letzten halben Jahr acht Frauen mit 20 Kindern. – Frau Schäffer, damit Sie es von mir noch einmal hören: Wir müssen über die Frage reden, wie wir auch die Daten und Informationen über diese Kinder bekommen. Ich bin kein Datensammelwutexperte, aber wir müssen wissen, was mit diesen Kindern passiert.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Schon! Das ist ja das Problem!)

– Passen Sie mal auf, können wir so etwas nicht einmal sachlich pragmatisch angehen?

(Zuruf von der CDU: Nein, das können die nicht!)

Es laufen immer mehr Kinder herum, die sind extremistisch,

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

die sind hoch radikalisiert, die haben nichts anderes gelernt. Sie kommen in eine freiheitliche Gesellschaft und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Und was passiert denn dann?)

Man kümmert sich zuerst darum, sie in ein normales Leben zurückzuführen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Dafür hat man aber die Jugendhilfe und nicht den Verfassungsschutz!)

– Das ist doch unstrittig. Aber bis sie so weit sind, dass sie wirklich integriert sind, was Zeit braucht, müssen wir doch wenigstens wissen, was da läuft. Oder wollen Sie die einfach herumlaufen lassen?

(Beifall von der CDU und der FDP – Josefine Paul [GRÜNE]: Unglaublich!)

Ich glaube, das ist der kleine Unterschied: Man muss beides machen. Der Antrag lautet: „Prävention und Repression“. Beides muss man machen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Natürlich!)

Man darf nicht zwischendurch die Augen zumachen, sonst rennt man nämlich vor die Wand.

(Beifall von der CDU – Widerspruch von Josefine Paul [GRÜNE])

Dazu gehören übrigens auch Transparenz und Ehrlichkeit. Natürlich gibt es das Problem auch bei unbegleiteten und auch begleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Das ist so. Die kommen indoktriniert hier an. Das ist doch klar. Deswegen ist der Facharbeitskreis auf Landesebene, von dem ich geredet habe, bei dem es einen fachlichen Austausch gibt, natürlich ungeheuer bedeutungsvoll, damit einer vom anderen lernt.

Übrigens wird ein Bundesland das alleine nicht lösen können, weil es ein bundesweites Thema ist. Deswegen haben wir darüber auch in der letzten Innenministerkonferenz geredet, wie man intensiver zusammenarbeiten kann. – Gab es eine Meldung? Das habe ich nicht gesehen.

Präsident André Kuper: Nein, eine Kurzintervention zum Schluss.

Herbert Reul, Minister des Innern: Trotz aller präventiven Anstrengungen werden wir aber nicht verhindern können, dass es Menschen gibt, die entweder im Salafismus sind und bleiben oder auch abrutschen. Dabei kann man eben auch nicht tatenlos zusehen. Darauf habe ich immer schon hingewiesen.

Die Sicherheitsbehörden beobachten deshalb, bewerten und treffen dann Entscheidungen. Gott sei Dank tun sie das. Ich kann Ihnen zum Kölner Vorgang vor Kurzem sagen: Ich bin froh, dass wir einen aktiven Verfassungsschutz und eine aktive Polizei haben, die entscheiden, beobachten und wissen, was los ist. Gott sei Dank!

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Übrigens brauchen wir auch keine Hinweise aus Österreich. Dass Moscheen bei uns beobachtet werden, ist auch keine Neuigkeit. Wir plappern darüber nur nicht jeden Tag in der Öffentlichkeit, weil das nichts bringt.

(Zuruf von der AfD)

Man muss sich das anschauen, und wenn es Vorgänge gibt, die einem die Chance geben zuzugreifen, garantiere ich, dass auch zugegriffen wird.

(Helmut Seifen [AfD]: Dazu sind Sie zu feige! – Andreas Keith [AfD]: Erst mal beim Chef nachfragen!)

Aber wir machen doch nicht vorher die Öffentlichkeit jeck mit allgemeinem Gerede. Das hilft uns doch nichts.

Mit dem Verfassungsschutz haben wir ein Instrument, extremistische Bestrebungen, Organisationen und Netzwerke aufzuklären und zu analysieren. Dann werden die Informationen auch anderen Behörden zur Verfügung gestellt. Das ist wichtig. Das ist bedeutsam. Denn die Übergänge vom missionierenden politischen zum dschihadorientierten und damit gewalttätigen Extremismus sind fließend.

Wenn das zur Gewalt führt und wenn die Begehung von Straftaten droht, ist die Polizei dran. Dann ist, wie ich eben zum Beispiel Köln gesagt habe, auch konsequentes Handeln erforderlich. Auch hier gibt es mehreres: Präventive polizeiliche Mittel der direkten Ansprache von Gefährdern und relevanten Personen ist zielführend. Die Gefährderansprachen, ein umfassendes Gefährdermanagement und die konsequente strafrechtliche Verfolgung sind wichtige Teile dieser Sicherheitsstrategie.

Wir lassen aber auch diejenigen nicht im Regen stehen bzw. im Stich, die bereit sind, der Szene den Rücken zu kehren. Wir geben im Aussteigerprogramm Islamismus des Verfassungsschutzes Hilfestellungen. Hören Sie zu, denn dann wissen Sie, dass die nicht ergebnislos sind. Inzwischen sind 143 Fälle intensiv bearbeitet worden. 46 befinden sich im Moment in der Beratung. Wir sind da auf einem sehr guten Weg. Das sind keine Riesenzahlen; das ist mühsame Arbeit.

Das ist der Unterschied zwischen einer Politik, die sich auf den Weg macht und konsequent handelt – die braucht Zeit; da hat man auch nicht jeden Tag ein Erfolgserlebnis –, und denjenigen, die nur Sprüche machen und Erfolge versprechen, die sie aber nicht einlösen können.

(Beifall von der CDU)

Diesen Weg werden wir weitergehen. Es gibt nur ein einziges Ziel: Die Menschen in Nordrhein-Westfalen zu schützen und für ihre Sicherheit zu sorgen und möglichst viele Menschen, die auf dem falschen Weg sind, zurückzuholen auf den Weg der Integration in diese Gesellschaft. Leicht ist das nicht – es ist schwierig und anstrengend –, aber es ist möglich. Es werden neue Mittel eingeführt, wo man konsequent sein muss und man bisher nicht konsequent war; da wird sich etwas ändern oder hat sich schon geändert. Soweit bewährte Mittel vorhanden sind, werden sie fortgeführt, egal, von wem sie eingeführt worden sind. Denn wir wollen den Erfolg; dabei ist es mir völlig egal, wer diesen Weg begonnen hat.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Herr Minister, bleiben Sie bitte am Pult stehen. Es gibt eine Kurzintervention der AfD. Ich erteile das Wort der Abgeordneten Frau Walger-Demolsky. Bitte drücken Sie sich einmal ein.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Reul, es liegt mir fern, irgendein Programm pauschal zu diskreditieren. Das kommt von ganz allein, und zwar durch die Antwort auf meine Anfrage zu den Erfolgen. Die war dergestalt, dass ich dem, was Sie gerade vorgetragen haben, das ganz und gar nicht habe entnehmen können. Zu einer anderen Anfrage aus Ihrem Haus habe ich ja eine Nachlieferung bekommen. Vielleicht erhalte ich auch dieses Mal eine solche Nachlieferung. Ansonsten stelle ich die Anfrage gern noch einmal.

Ich möchte auf Folgendes hinaus: Bochum ist eine Stadt, die gleich beim Start des Präventionsprogramms „Wegweiser“ mitgemacht hat. Gleichzeitig standen die Salafisten in der Fußgängerzone und haben noch jahrelang Bücher verteilt und junge Menschen angesprochen, doch mit ihnen und anderen in die Ferne zu reisen. Das war aber keine Reiseveranstaltung.

Das passt nicht zusammen. Was ist denn das für ein Programm, wenn man gleichzeitig die Leute draußen in der Stadt stehen und reden lässt? Das hat sich jetzt erledigt, das wissen wir.

Aber genauso wichtig finde ich es, diese 60 bis 80 salafistischen Moscheen, die es in NRW gibt, nicht nur zu beobachten, sondern nach Möglichkeit zu schließen, wie es auch in Österreich gemacht wird. Imame, die dort die falschen Dinge predigen, die mit unserer Gesellschaftsordnung nichts zu tun haben, gehen am besten gleich mit. Das ist meine Meinung dazu.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Herr Minister.

Herbert Reul, Minister des Innern: Erstens. Ich bedanke mich dafür, dass Sie von uns ordentliche Antworten bekommen.

Zweitens. Das Beispiel Bochum zeigt, dass die Probleme noch nicht total, aber zumindest teilweise gelöst sind.

Drittens. Moscheen werden von uns beobachtet. Aber in einem Rechtsstaat kann man nur dann handeln, wenn man auch entsprechende Instrumente in der Hand hat. So ist das in einem Rechtsstaat.

Sie haben den Vorteil, dass Sie jetzt irgendetwas Schlaues fordern können – Sie müssen es ja nicht einlösen.

(Roger Beckamp [AfD]: Sie aber! Das fordern wir!)

– Ja, und ich tue es auch. Haben Sie das noch nicht gemerkt?

(Helmut Seifen [AfD]: Nein! – Roger Beckamp [AfD]: Nein, haben wir noch nicht gemerkt!)

– Das haben Sie noch nicht gemerkt?

(Roger Beckamp [AfD]: Nein!)

– Aber ich kann doch keine Einrichtung schließen, wenn es dafür keine Rechtsgrundlage gibt. Wir leben in einem Rechtsstaat. Das ist so.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Das heißt übrigens nicht, dass man schlafmützig ist. Sie können davon ausgehen, dass die Behörden hellwach sind.

(Helmut Seifen [AfD]: Wehrhafte Demokratie!)

– Genau, wehrhafte Demokratie. In dieser Hinsicht brauche ich sicher keinen Nachhilfeunterricht. Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie jetzt sagen. Ich brauche keinen Nachhilfeunterricht in wehrhafter Demokratie.

(Zurufe von der AfD)

Aber wehrhafte Demokratie heißt nicht, flotte Sprüche zu klopfen und einfach zuzuschlagen, sondern auf der Grundlage der Verfassung dieses Rechtsstaates diejenigen zu verfolgen, die sich nicht an die Regeln halten!

(Zurufe von der CDU: Jawohl! – Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU erteile ich dem Abgeordneten Kamieth das Wort.

Jens Kamieth (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schön, dass wir uns heute diesem wichtigen Thema in einer ausführlichen Debatte widmen. Als Redner aus dem Jugendbereich habe ich vielleicht per se, ohne etwas gesagt zu haben, schon einen gewissen Vorsprung. Das werden Sie dadurch erkennen, dass wir den Fokus in dieser Diskussion auf etwas anderes richten.

Schaut man sich die Redner auf der Liste an, handelt es sich tatsächlich um dieselben wie vor rund drei Monaten. – Wir sehen die Sache nicht nur aus Sicht des Innenpolitikers, sondern auch aus der Sicht eines Jugendpolitikers. Das ist schon der erste Unterschied zu dem, was wir bisher gehört haben.

(Zuruf von Frank Müller [SPD])

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf die ersten Redner eingehen und fange bei Ihnen an, Herr Yetim. Ihre Enttäuschung kann ich Ihnen nicht nehmen. Die Enttäuschung liegt meines Erachtens darin, dass Sie nur auf die Vergangenheit geschaut haben. Wenn man nur nach hinten schaut, sieht man die Fehler, die man gemacht hat. Dann erkennen Sie die Fehler, die Sie in rot-grüner Regierungsverantwortung gemacht haben.

(Zuruf von Ibrahim Yetim [SPD])

Wenn Sie damals bessere Arbeit geleistet hätten, wären wir heute nicht in der Situation, so viele Salafisten in unserem Land zu haben.

(Sven Wolf [SPD]: Jetzt widersprechen Sie Ihrem eigenen Minister! Was soll das denn? Das ist aber auch nicht kollegial!)

Auf die unwahren Angaben zum Projekt „Wegweiser“ komme ich gleich noch zu sprechen.

Sie von Rot-Grün haben einerseits gesagt, der Antrag beinhalte nichts Neues und sei zu dünn. Andererseits heißt es, wir hätten Ihren alten Antrag mehr oder weniger nur umgeschrieben. – Sie müssen sich einmal entscheiden. Was stimmt denn nun?

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Nein, das hat keiner gesagt! – Josefine Paul [GRÜNE]: Das haben wir nicht gesagt!)

Ist es ein dünner Antrag, oder ist es das, was Sie selbst auf den Weg gebracht haben?

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

Was Sie hier von sich gegeben haben, ist nicht sehr überzeugend.

Herr Yetim, Sie sagten, die Frauen würden in diesem Antrag nicht erwähnt. – Gucken Sie sich bitte einmal Ziffer 3 an! Da sprechen wir von Familien. Spielen die Frauen in den Familien bei der SPD heute keine Rolle mehr?

(Zuruf von Ibrahim Yetim [SPD] – Verena Schäffer [GRÜNE]: Das hat keiner gesagt!)

Frau Schäffer, auch Sie haben etwas dahin gehend gesagt, die Frauen würden sich im Antrag nicht wiederfinden.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Das habe ich nicht gesagt!)

Schauen Sie sich doch bitte einmal Ziffer 5 an.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Was erzählen Sie denn?)

Darin steht, dass wir Vertreterinnen und Vertretern des extremistischen Salafismus Konsequenzen aufzeigen, diese durchsetzen und ihnen klare Grenzen setzen wollen.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE] – Ibrahim Yetim [SPD]: Jetzt sagen Sie doch mal, was Sie wollen!)

Wir wollen eine verstärkte Beobachtung. Wir wollen die konsequente Prüfung und Einleitung strafrechtlicher Maßnahmen. Das ist weit mehr als eine Gefährderansprache, und es ist auch weit mehr als das, was Sie in Ihrem damaligen Antrag gefordert haben.

(Sarah Philipp [SPD]: Wir haben das doch gelesen!)

Frau Paul, vielleicht gehen Sie gleich auch noch einmal ans Rednerpult. Ich freue mich schon auf Ihre Ausführungen.

Frau Schäffer, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir die elterliche Sorge in den Blick nehmen. Ich möchte Sie auf Ziffer 6 hinweisen. Darin haben wir auf die Möglichkeiten aufmerksam gemacht, die wir auf der Bundesebene haben. Wenn wir über elterliche Sorge im Zusammenhang mit einer Situation sprechen, in der Eltern womöglich ihre minderjährigen Kinder radikalisieren, dann müssen wir vielleicht auch über den Entzug der elterlichen Sorge nachdenken. Da bietet Ziffer 6 unseres Antrages die Möglichkeit, auf Bundesebene aktiv zu werden.

Sie haben unseren Antrag offensichtlich nicht sorgfältig gelesen,

(Sarah Philipp [SPD]: Sie haben nicht zugehört!)

sonst hätten Sie nicht so platt gesagt, dass er nichts Neues enthielte.

Noch einmal: Uns geht es darum, dass hier ein gut abgestimmtes, geschlossenes, konsequentes System von Maßnahmen auf den Weg gebracht wird.

Uns als NRW-Koalition ist es besonders wichtig, die jungen Menschen in den Blick zu nehmen. Wir wollen gerade die jungen Menschen gezielt vor Radikalisierung schützen.

Da haben wir schon einiges hier auf den Weg gebracht. Natürlich wollen wir Prävention. Das sage ich als Jugendpolitiker, und das ist mir eine Herzensangelegenheit. Repressionen sind jedoch genauso wichtig. Darauf haben die Vorredner aus dem Innenbereich und gerade auch der Minister deutlich hingewiesen.

Wir müssen uns der Situation stellen, dass wir es, nachdem der IS zusammengebrochen ist, mit unheimlich vielen Rückkehrern zu tun haben. Zu einem Teil sind das Witwen von gefallenen oder Frauen von inhaftierten Kriegern, die häufig selbst noch minderjährig sind und oftmals schon minderjährige Kinder haben.

An diese Kinder müssen wir vor allen Dingen heran. Deswegen wollen wir die Träger der offenen Kinder- und Jugendarbeit motivieren, verstärkt Projekte zur interreligiösen Jugendverständigung und Aufklärung aufzulegen. Wir wollen die Akteure im Bereich Kindergarten und Schule weiter sensibilisieren und stärken.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

– Hören Sie gut zu! – Wir brauchen einen Behördenaustausch, und zwar zwischen Jugendamt, Einwohnermeldeamt und den Sicherheitsbehörden. Es geht darum, schon frühzeitig zu erfahren, dass Familien oder Frauen mit ihren Kindern aus Syrien, aus den Kriegsgebieten zurückkommen und wohin sie hier gehen. So kann man frühzeitig intervenieren, um festzustellen, ob eine Islamisierung bzw. eine Radikalisierung stattfindet.

Wir müssen die zuständigen Jugendämter schulen und sensibilisieren. Sie müssen handlungsfähig sein, um salafistische Neigungen und Tendenzen erkennen und ihnen angemessen begegnen zu können.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Was heißt denn „angemessen zu begegnen“?)

Da spielt natürlich auch das Aussteigerprogramm „Wegweiser“ eine wichtige Rolle. Wir wollen es aber vervollständigen, damit die wichtige Arbeit weiterhin geleistet und noch verbessert werden kann.

Es wäre vermessen, zu glauben, man könnte in nur wenigen Jahren eine intensive Radikalisierungsprävention betreiben und dann sagen: Jetzt haben wir es geschafft. – Das ist eine Daueraufgabe. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass wir eine Stabsstelle auf Bundesebene einrichten, an die sich alle Akteure wenden können – Kommunen, Länder, Bund, private und zivilgesellschaftliche Akteure –,

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Macht das doch erst mal auf Landesebene!)

um gebündelt und konzentriert den Herausforderungen zu begegnen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Schieben Sie die Verantwortung doch nicht weg!)

Bei all unseren Bemühungen – egal ob im Bereich Prävention, Stabilisierung, Repression oder Ausstieg – sind zwei Dinge ganz besonders wichtig:

Erstens muss sich die Strategie an der Realität ausrichten. Wir müssen immer wieder auf Veränderungen reagieren und konkrete Hilfen anbieten können. Sie müssen vor Ort praktikabel sein, damit Kommunen unsere Strategie letztendlich umsetzen und die Zielpersonen tatsächlich erreichen können.

Zweitens – das hat es bisher auch noch nicht gegeben – treten wir dafür ein, dass die Wege, die wir finden, überall begangen werden können und nicht nur in den Salafismus-Hochburgen, in den Ballungszentren. Nein, wir brauchen Konzepte, die auch im ländlichen Raum wirken.

Ein intelligentes, abgestimmtes Zusammenspiel von Prävention, Aufklärung, Ermittlung, Strafverfolgung und verlässlicher, nachhaltiger Ausstiegshilfe, orientiert an praktischer Arbeit – genau das ist der Ansatz der CDU; das ist das Ziel der NRW-Koalition. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Kamieth. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Bongers.

Sonja Bongers (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir eine kurze Vorabbemerkung, bevor ich mit meiner Rede starten werde. Nach einem Jahr Mitgliedschaft im Landtag bin ich gelegentlich immer noch verwundert, welche Debattenkultur hier herrscht.

(Helmut Seifen [AfD]: Ich auch!)

Ich finde, bei einem solch wichtigen Thema sollten sich alle mal zusammenreißen. Alle sollten ihre guten Ideen einbringen, und alle sollten genau zuhören.

Daher möchte ich mich, auch wenn er nicht zu meiner Fraktion gehört, bei Herrn Minister Reul für die klaren Worte bedanken; denn bei einem solch wichtigen Thema müssen wir als demokratische Fraktionen zusammenhalten, da wir nur so dieses Problem in den Griff bekommen können.

(Beifall von der SPD und von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, bereits in der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-Fraktion für eine Gesamtstrategie eingesetzt, in der Präventionsarbeit in der Verhinderung von extremistischem und gewaltbereitem Salafismus eine wichtige Rolle spielt.

Deshalb begrüßen wir es, dass dieser Ansatz nun auch von den Fraktionen der CDU und FDP unterstützt wird. Beispielhaft sei noch einmal das Programm „Wegweiser“ genannt. Gezielte Projekte in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, die auf eine verstärkte interreligiöse Verständigung abzielen, sind ein guter Ansatz, um Radikalisierung entgegenzuwirken.

Da ich nicht nur Landtagsabgeordnete, sondern auch lokalpolitisch aktiv bin, weiß ich auch, dass solche Projekte auf kommunaler Ebene oftmals an Unterfinanzierung leiden oder aufgrund mangelnder Finanzierung gar nicht stattfinden können.

Wir fordern deshalb, dass die Landesregierung Träger der Kinder- und Jugendhilfe nicht nur nominell, sondern auch finanziell besser unterstützt.

Wir halten außerdem die Schulung von Jugendamtsmitarbeitern im Umgang mit Familien, in denen sich Radikalisierungsprozesse vollziehen, für notwendig. Auch dafür muss die Landesregierung weiter zusätzliche finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen.

In dem vorliegenden Antrag schreiben Sie – ich zitiere mit Erlaubnis –, dass eine herausragende Problemgruppe innerhalb der Salafistenszene der rund 12%ige Anteil der Frauen ist, weil sie ihre menschenverachtende Doktrin in den Köpfen ihrer Kinder verankern.

Ich möchte mich trotz aller Probleme allerdings dagegen verwahren, dass durch Ihren Antrag muslimische Mütter zu den Hauptschuldigen in diesem Radikalisierungsprozess stilisiert werden.

(Beifall von Stefan Zimkeit [SPD])

Folgt man einer Studie des BKA zu Faktoren, die dazu führen, dass sich Menschen radikalisieren oder gar nach Syrien oder in den Irak ausreisen, so stellt sich ein komplexeres Bild dar, als Sie es hier zeichnen möchten. Die Welt ist nicht einfach, sie verlangt komplexe Antworten.

So spielt beispielsweise das Internet im Radikalisierungsprozess zu 42 % eine Rolle. Andere Radikalisierungsfaktoren sind Verteilaktionen auf der Straße, Kontakte zu Mitschülern in der Schule oder sogenannte Islamseminare.

Auch wenn es Fälle gibt, in denen familiäre Umstände zur Radikalisierung beitragen, so gibt es noch mehr Fälle, in denen Mütter und auch Väter hilflos danebenstehen, wenn sie beobachten müssen, dass ihre Kinder auf einem falschen Weg sind. Auch für diese Familien muss das Jugendamt eine qualifizierte Beratung und Hilfe anbieten, damit genau diese Eltern wiederum ihren Kindern helfen können.

Mein Kollege Yetim hat es vorhin ausführlich geschildert: Weil wir in dem vorliegenden Antrag trotz aller Schwächen einen Dreiklang aus Prävention, Repression und Ausstiegsmöglichkeiten wiederfinden, erkennen wir in diesem Konzept ein Grundpotenzial, über das sich in den Ausschüssen weiter diskutieren lässt. Aus diesem Grunde stimmen wir der Überweisung in die Ausschüsse zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und Verena Schäffer [GRÜNE])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Bongers. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Lürbke das Wort.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Nur mal kurz zur Klarstellung: Ich habe vorhin zwar gesagt, dass wir uns gemeinsam auf den Weg begeben wollen; es geht aber nicht, dass sich die SPD jetzt für Präventionsmaßnahmen in der Vergangenheit abfeiert.

Ich habe gesagt, dass „Wegweiser“ ein Projekt ist, das wir durchaus weiterführen wollen. Aber die Wahrheit ist doch: Es war in den letzten Jahre auch über lange Zeit ein Feigenblatt. Wir haben nie gesagt, „Wegweiser“ sei per se schlecht; vielmehr ist es qualitativ und quantitativ einfach nicht ausreichend unterfüttert.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Das ist jetzt erst in Gang gekommen. Wir bringen es jetzt auf den nötigen Stand.

Herr Yetim, ich habe leider keine Zeit mehr, darum nur ganz kurz: Sie haben vorhin gesagt, wir hätten nur Wert auf die Repression gelegt. – Diese haben Sie in den letzten Jahren leider sehr stark aus dem Blick verloren. Ich bin froh, dass sich das jetzt wandelt. Das zeigt sich in dem Antrag, so wie wir ihn auf den Weg bringen: unter Berücksichtigung von Repression und Prävention. Beides gehört in einer gesunden Mischung zusammen. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Röckemann das Wort.

Thomas Röckemann (AfD): Salafisten stellen eine existenzielle Gefahr für unsere demokratische Ordnung dar. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte zeigt, dass Sie das Problem, das dem Antrag zugrunde liegt, gar nicht verstanden haben.

Die Antragsteller möchten Jugendämter unterstützen und Gefährderansprachen verstärken, heißt es. Aber niemand von Ihnen wagt sich an die Wurzeln des Problems heran, nämlich an den Islam als solchen. Sie schreiben: Die meisten Muslime wollen mit uns Deutschen verfassungskonform leben. – Dort liegt bereits ein Denkfehler; denn der Islam an sich ist bereits verfassungsfeindlich. Da werden mir die Kolleginnen aus dem Frauen- und Gleichstellungsausschuss sicher recht geben.

(Vereinzelt Beifall von der AfD)

Ich höre gar keinen Applaus von Ihnen. Was ist bloß los? – Wir alle wollen für unsere Frauen doch keine saudi-arabischen Verhältnisse.

(Beifall von der AfD)

Eine wissenschaftliche Studie kam schon vor einem Jahrzehnt zu folgendem Ergebnis – ich zitiere –:

„Religiöser Fundamentalismus unter Muslimen ist in Westeuropa kein Randphänomen.“

Der Islam hat eine Radikalisierung nämlich gar nicht nötig; er ist in seinem Wesen fundamental. Sie aber weigern sich, zu erkennen, dass der Islam einen Herrschaftsanspruch über andere Religionen erhebt, und Sie leugnen das faschistisch-verführerische Potenzial in seinen Schriften. Dieses Potenzial wird in den Moscheen in Deutschland den Muslimen von Imamen in der Muttersprache der jeweiligen muslimischen Gemeinde tagtäglich eingeimpft.

Ich war in Syrien, einem säkularen Staat. Die Menschen dort können überhaupt nicht nachvollziehen, was hier in Deutschland los ist.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Der Freund des Assad-Regimes! – Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Sie möchten Salafismus bekämpfen? – Dann kappen Sie doch seine Blutzufuhr, indem Sie endlich die Moscheen kontrollieren! Österreich hat doch gezeigt, dass es geht. Darüber hinaus gilt es, in Moscheen nur noch auf Deutsch predigen zu lassen. Potenzielle Salafisten dürfen selbstverständlich

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE] – Weitere Zurufe)

gar nicht erst ins Land gelassen werden. Bekannte ausländische Salafisten müssen konsequent abgeschoben werden.

(Beifall von der AfD)

Wer unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen einen archaischen Religionsfaschismus austauschen will, den muss die volle Härte des Rechtsstaats treffen.

Nur weil Sie in all diesen Punkten versagt haben und immer noch versagen, haben wir es inzwischen auch mit einer wachsenden Anzahl deutschstämmiger Fundamentalisten wie Sven Lau und Pierre Vogel zu tun.

(Zuruf von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Das ist Ihr Versagen!

(Unruhe – Glocke)

Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Das war der Abgeordnete Röckemann von der AfD-Fraktion. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen im Moment nicht vor. – Das bleibt auch so. Dann schließe ich an dieser Stelle die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 1.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 17/2750 an den Innenausschuss. Der bekommt die Federführung. Die Mitberatungen gehen an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen, an den Hauptausschuss, an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend, an den Ausschuss für Schule und Bildung sowie an den Integrationsausschuss. Die abschließende Beratung soll dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.

Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf:


2  Nachhaltige Planungssicherheit bei der Schulsozialarbeit nach dem Bildungs- und Teilhabepaket für Kommunen, Träger und Beschäftigte schaffen!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2757

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion der SPD Herr Kollege Neumann das Wort.

Josef Neumann (SPD): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wenn in vier Wochen die Sommerferien beginnen, auf die sich gewiss viele Schülerinnen und Schüler – und nicht nur die – freuen, dann wird bei einer Gruppe von Beschäftigten im Bildungsbereich die Freude nicht ganz ungetrübt sein: nämlich bei den Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern.

Wir haben es in Nordrhein-Westfalen mittlerweile geschafft, dass die Finanzierung der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter aus dem BuT auch für das Jahr 2018 und darüber hinaus sichergestellt ist.

Wir müssen aber feststellen, dass bei vielen Kommunen und Trägern eine nachhaltige Weiterbeschäftigung oder eine Entfristung der befristeten Beschäftigungsverhältnisse nicht möglich ist, weil klare und deutliche Förderhinweise seitens der Bezirksregierung fehlen, die den Kommunen deutlich erklären, wie über den Zeitraum der Sommerferien 2018 hinaus die Weiterbeschäftigung gesichert werden soll.

Wir brauchen insbesondere für diejenigen Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, die in einer Trägerschaft beschäftigt sind – also nicht nur die in einer kommunalen Beschäftigung Tätigen –, eine klare Richtlinie und einen klaren Hinweis darauf, dass die Finanzierung auch weiterhin gesichert ist.

(Beifall von der SPD)

Ansonsten stehen wir vor dem Problem, dass diejenigen, die sich schon jetzt beim Arbeitsamt melden mussten, nach den Sommerferien in den Schulen nicht mehr zur Verfügung stehen werden. Wir alle wissen, dass die Berufsgruppe der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sehr gefragt und am Markt heiß begehrt ist. Sie werden dann für den Schulbetrieb verloren gehen.

Das darf nicht geschehen – weder mit Blick auf die betroffenen Kinder noch die Lehrerinnen und Lehrer, die Schulen oder die Eltern. Deshalb ist es notwendig, dass die Landesregierung und der zuständige Minister die Bezirksregierungen in die Lage versetzen, entsprechende Hinweise zu den Förderrichtlinien und Fördermöglichkeiten zu geben. Nur das wird sicherstellen, dass eine nachhaltige unbefristete Beschäftigung dieser Berufsgruppe möglich ist. Das wollen wir mit diesem Antrag erreichen.

Wir haben hier im Hohen Hause und in den Ausschüssen viel über das Thema „Schulsozialarbeit“ gesprochen. Wir alle sind uns einig, dass dieses Thema sehr wichtig ist; in dieser Einigkeit sollten wir aber auch dafür sorgen, dass diejenigen, die diesen Job machen, ihn auch unbefristet und nachhaltig

(Beifall von der SPD)

im Sinne der Kinder in Nordrhein-Westfalen ausüben können. Deshalb ist es notwendig, dass hierzu ein klares Signal seitens der Landesregierung erfolgt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Neumann. – Für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Rock.

Frank Rock (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Angesichts der Antragsflut zum Thema „Schulsozialarbeit“ seit Beginn dieser Legislaturperiode fällt mir eigentlich nur der Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit Bill Murray ein. Ein Kollege von der FDP hat den Film gestern auch schon angesprochen.

(Zuruf von der SPD: Das ist ja besonders innovativ!)

In dieser Kultkomödie spielt Murray einen egozentrischen Wetteransager.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist ja mal eine Filmbesprechung hier!)

Apropos egozentrisch: Egozentrische Personen stellen sich selbst in den Mittelpunkt, und sie sind selbstverliebt.

(Dietmar Bell [SPD]: Schau an! – Michael Hübner [SPD]: Welches Radio hört der denn? – Weitere Zurufe von der SPD)

Überträgt man dies auf die sehr vielfältigen Anträge des letzten Jahres,

(Nadja Lüders [SPD]: Und brauchen wir keine Sozialarbeiter, oder was? – Michael Hübner [SPD]: Wie heißt denn der Radiosender, den Sie immer spielen?)

kann man den Eindruck gewinnen, dass diese Anträge nur noch dem Selbstgefallen der SPD dienen.

Bei der Suche in den Parlamentsunterlagen der letzten Legislaturperiode – ich kenne die Abläufe ja auch – habe ich unter dem Begriff „Schulsozialarbeit“ nur einen einzigen Antrag der SPD gefunden, lieber Herr Neumann.

(Sven Wolf [SPD]: Das war vielleicht ein Tippfehler!)

Die Überschrift lautete „Schulsozialarbeit weiterführen – Befristung der Finanzierung aufheben“. – Einen einzigen Antrag habe ich gefunden! Ich muss zugeben: Die Piraten waren da sehr aktiv; sie haben dazu sehr viele Anträge gestellt – nicht so die SPD.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Vielleicht sollten Sie mal nach dem Haushaltsanträgen gucken!)

Ich erinnere mich hingegen schon an insgesamt drei Anträge allein in den letzten Monaten. Das lässt den Schluss zu, dass sich entweder die Problemsituation verändert hat – aber das ist mitnichten so – oder dass die Antragsteller endlich Sonne – um dieses Bild zu bemühen – in ihre eigene dunkle und regnerische Vergangenheit bringen wollen.

(Angela Lück [SPD]: Gibt es auch mal einen Beitrag zum Inhalt?)

Meine Damen und Herren, Selbstgefallen ist nicht das Ziel der neuen NRW-Koalition. Unser Ziel ist es, die Entwicklung, die Sicherung und die Festigung der Schulsozialarbeit zu gewährleisten.

(Zuruf von der SPD)

Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger und vor allem die Schülerinnen und Schüler von uns.

(Christian Dahm [SPD]: Jetzt bin ich aber gespannt!)

Dieser Erwartung hat unser Minister direkt entsprochen und hat die Ausfinanzierung in Höhe von 48 Millionen € bis einschließlich 2020 festgesetzt. Er hat dabei nicht – wie die Vorgängerregierung zumeist – nur auf den lauten Ruf nach Berlin gesetzt, sondern er hat hingesehen, entschieden und gehandelt. Dafür gilt unserem Minister ein großer Dank.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das MSB hat für den Sommer dieses Jahres weitere 330 Stellen aus dem Ministerium heraus finanziert. Das zeigt, dass wir handeln und nicht nur reden.

(Beifall von der CDU und Franziska Müller-Rech [FDP])

Lieber Herr Neumann, bei der Gesamtbetrachtung der Weiterfinanzierung der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter bedarf es auch eines Blicks in die Vergangenheit; denn unsere Landesregierung hat vor allem die Instrumente der letzten Landesregierung übernommen

(Zuruf von Frank Müller [SPD])

und die Bezirksregierungen aufgefordert, die Verantwortung zu übernehmen und für die Verteilung der Gelder zu sorgen. Die von Ihnen angesprochene Systematik lag doch auch in den letzten fünf Jahren zugrunde, und Sie verlangen nun Dinge, die Sie selber nicht eingeführt haben.

(Angela Lück [SPD]: Ist doch gar nicht wahr!)

Vielleicht liegt das aber auch daran, dass sich die politische Wetterlage verändert hat und Sie nun eine andere Funktion haben.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Rock, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Frau Kollegin Müller-Witt würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Frank Rock (CDU): Jetzt nicht. – Sie sprechen in Ihrem Antrag von verschiedenen Kommunen, in denen die Träger sich nicht in der Lage sehen oder sahen, die Arbeitsverhältnisse über den Sommer hinaus zu verlängern. – Da stellt sich meiner Ansicht nach die Frage, welche Kommunen Sie gefragt haben. Eine Rücksprache mit meiner Heimatkommune ergab, dass die Finanzierung dort auch für die freien Träger bis 2019 gesichert ist.

Bleiben Sie doch ehrlich: Sie wissen ganz genau, dass erstens das Geld zur Verfügung steht und zweitens Verwaltungswege und Ministerialwege leider oft sehr komplex sind – auch wenn das sehr zu bedauern ist.

Eine Evaluation im Ministerium über den Förderablauf hat ergeben, dass Handlungsbedarf existiert. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus dieser Evaluation werden uns zeitnah zur Verfügung gestellt, und das ist auch gut so.

Meinen Ausführungen können Sie entnehmen,

(Zuruf von der SPD: Dass nicht viel läuft!)

dass der SPD der Boden fehlt und, um im Bild zu bleiben, die SPD mit ihrem Antrag im Regen steht.

Wirft man einen Blick auf die Berichterstattung von heute, dann liest man, dass Bundessozialminister Hubertus Heil die Verantwortung für diesen Bereich abgegeben und gesagt hat, dass es sich dabei um eine Bildungs- und damit um eine Landesaufgabe handele. Es ist Ihr Sozialminister in Berlin, der sich aus der Verantwortung stiehlt, und das ist schade genug.

(Beifall von der CDU und Franziska Müller-Rech [FDP])

In NRW ist die Schulsozialarbeit in vollem Umfang gesichert. Aus diesem Grunde werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lenzen.

Stefan Lenzen (FDP): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute nicht zum ersten Mal über das Thema „Schulsozialarbeit“. Der politische Wille der NRW-Koalition ist eindeutig: Wir wollen die fachlich immens wichtige Arbeit der Schulsozialarbeit in den Kommunen erhalten.

Die Finanzierung, gerade für die laufende Legislaturperiode, haben doch wir, die NRW-Koalition von CDU und FDP, über die mittelfristige Finanzplanung sowie über die Verpflichtungsermächtigung abgesichert. Das ist vonseiten CDU und FDP ein klares Signal der Wertschätzung an die Kommunen für die Schulsozialarbeit, die sie vor Ort leisten.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das von der damaligen CDU/CSU-FDP-Bundes-regierung auf den Weg gebrachte Bildungs- und Teilhabepaket war ein wichtiger Schritt, um dem Ausschluss von Kindern aus finanziell benachteiligten Familien vorzubeugen. Beispielsweise werden davon Ausflüge, Klassenfahrten, Mittagsverpflegung in Schule und Kita bezuschusst; bei der Lernförderung durch Nachhilfestunden werden die Kosten übernommen.

Das Bildungs- und Teilhabepaket unterstützt gezielt die Teilhabe von rund zweieinhalb Millionen Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Die Zielsetzung wird von einer breiten Mehrheit getragen und anerkannt. Dabei ist die Schulsozialarbeit ein wesentliches Instrument, damit die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets auch bei denen ankommen, die auf sie angewiesen sind. So können zum Beispiel die Eltern bei der Antragstellung unterstützt werden. Die 1.800 Berater in den Kommunen leisten bis heute gute Arbeit, um möglichst viele Kinder zu erreichen.

Die soziale Arbeit an unseren Schulen leistet einen unverzichtbaren Beitrag, um Bildungs- und Zukunftschancen für alle Kinder zu verbessern. Wir wissen um die gestiegenen Herausforderungen angesichts sich wandelnder Familienstrukturen, der Integration von Kindern aus Zuwandererfamilien und des Ziels der Inklusion von Kindern mit Behinderungen.

Wir stehen zur Verantwortung des Landes für eine verlässliche Absicherung, aber wir setzen uns auch weiterhin dafür ein – das ist ganz entscheidend –, dass sich auch der Bund seiner Verantwortung nicht entzieht. Es ist wichtig, dass er sich mit einer dauerhaften Finanzierung an der Umsetzung beteiligt und dieser Pflicht nachkommt. Wir wollen auch in Zukunft die entsprechenden Voraussetzungen für ein Mindestmaß gesellschaftlicher Teilhabe für Kinder und Jugendliche schaffen. Allerdings – das muss ich leider feststellen – hat die Große Koalition in Berlin diesen Punkt im Koalitionsvertrag nicht berücksichtigt.

Hingegen haben wir in NRW einen einstimmigen Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz zum Bildungs- und Teilhabepaket initiiert, der auch die Finanzierung der Schulsozialarbeit durch den Bund beinhaltet. Dies werden wir im Zusammenhang mit den anstehenden Gesetzesvorhaben auch im Bundesrat einbringen.

Verehrte SPD, im Gegensatz zu Ihrem Bundesminister Heil – der Kollege Rock hat es bereits ausgeführt – handeln wir in NRW. Was soll denn jetzt dieser Antrag?

(Zuruf von der SPD)

Die Fortführung der Beschäftigungsverhältnisse liegt in der Verantwortung der Kommunen bzw. der beauftragten Träger. Das politische Signal für die Finanzierung der Schulsozialarbeit war mit der Verabschiedung des Landeshaushalts vonseiten der CDU und der FDP eindeutig.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Lenzen, Entschuldigung, dass ich Sie jetzt unterbreche. – Frau Kollegin Müller-Witt versucht …

Stefan Lenzen (FDP): Jetzt nicht!

(Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

Welche Bedeutung das Thema für die NRW-Koalition hat, zeigt sich auch darin – wie der Kollege Frank Rock bereits ausführte –, dass wir durch das Schulministerium 330 zusätzliche Stellen im Bereich der Schulsozialarbeit zur Verfügung stellen.

Im Gegensatz zu Ihnen hat die NRW-Koalition von CDU und FDP gehandelt, und sie handelt weiter. Wir haben die Finanzierung abgesichert. Wir stärken die Schulsozialarbeit sogar. Im Gegensatz zu Ihnen lamentieren wir hier nicht rum, sondern wir handeln weiter. Ihr Antrag ist überflüssig, und wir werden ihn deshalb ablehnen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Kollege Lenzen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was mögen die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter im Land eigentlich denken? Sie haben auf die Frage, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen, geantwortet: „Jetzt nicht“. Das bezieht sich auch auf die Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse genau dieser Personen. Das scheint Sie jetzt nicht zu interessieren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Leider haben Sie das Thema verfehlt, Herr Rock. In der Tat beschäftigen wir uns jetzt zum dritten Mal mit Anträgen der SPD zum Thema „Schulsozialarbeit“. Ich hätte gedacht, dass Sie bemerkt haben, dass es um unterschiedliche Themen geht.

Ich erinnere an die Anhörung. Vielleicht haben Sie heute noch nicht die Gelegenheit gehabt, in die „Presseschau“ zu blicken. Der Artikel in der „WAZ“ macht doch das Problem deutlich. Bereits in der Anhörung ist die Frage nach der Befristung der Beschäftigung in den Kommunen und die Frage des Konkurrenzkampfes um die Stellen aufgeworfen worden.

Es ist gut, dass die Landesregierung das weiterführt, was Rot-Grün angefangen hat, zum Beispiel mit den multiprofessionellen Teams weitere Stellen auszubringen. Ich sage ausdrücklich: Prima! – Aber das betrifft die unbefristeten Stellen. Diese werden die Kolleginnen und Kollegen natürlich ansteuern, weil sie eine solche Sicherheit bei den Stellen aus dem BuT-Programm nicht haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es dürfen keine Lücken gerissen werden. Haben Sie das denn nicht verstanden? Dass Sie es nicht verstanden haben, ist der Eindruck, der hier entsteht. Dass Sie auf völlig andere Felder verweisen, stellt Ihnen wirklich kein gutes Zeugnis über den Umgang mit der Sachlage aus.

Ich habe eine Frage an den Minister. Das ist mir ein wichtiges Anliegen. Herr Kollege Neumann hat eine Kleine Anfrage gestellt. Diese ist am 4. Juni 2018 beantwortet worden. Dieser Antwort ist zu entnehmen, dass die Bezirksregierungen ihre Hausaufgaben offensichtlich noch nicht gemacht haben und dass die Landesregierung hierzu keine Hinweise gegeben hat. Wenn ich als Minister so etwas aufgrund einer Kleinen Anfrage feststellte, dann würde ich doch sagen: Jetzt mache ich mich mal auf die Socken. Das darf nicht passieren.

Jetzt frage ich Karl-Josef Laumann: Bitte sagen Sie als Minister uns, ob Sie das gemacht haben. Ist nach der Beantwortung der Kleinen Anfrage inzwischen etwas passiert? Das wollen die Beschäftigten wissen. Das wollen die Schulen wissen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie wollen wissen, ob jetzt arbeitsgerichtsfeste Beschäftigungsverhältnisse möglich sind. Das ist die einzige Frage.

Ferner würde ich uns empfehlen, generös zwei Stellen der Schulsozialarbeit abzutreten und diese in den Bundestagsfraktionen von CDU und CSU zu stationieren; denn der Zustand dort macht mir schon Sorgen. Dann geht es da vielleicht auch besser.

Das braucht dieses Land, damit wir uns nicht mit solch unnützen Diskussionen herumärgern müssen. Wir brauchen eine stabile Regierung. Wir brauchen auch die Initiativen.

(Zurufe von der SPD)

Ich bin genauso enttäuscht darüber, dass die Große Koalition da offensichtlich nicht liefert. Aber vielleicht wird Mediation gebraucht. Wir stellen uns zur Verfügung. Es muss etwas für die Menschen hier im Land passieren. Das ist wirklich wichtig.

Jetzt frage ich aber erst einmal Karl-Josef Laumann: Wie steht es um die Sache? Wie ist die Botschaft? Dass das rüberkommt, ist mir heute wichtig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Vor dem Minister hat aber für die AfD Herr Abgeordneter Seifen das Wort.

(Zuruf)

– Nein, nein. Die Reihenfolge halten wir schon ein.

Helmut Seifen (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Vehemenz, mit der Frau Beer die Dinge hier immer vorträgt, verhält sich manchmal umgekehrt proportional zum Sinngehalt dessen, was sie sagt. Das ist sehr schade.

(Zurufe von der SPD: Och! – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

– Frau Beer, so mögen wir uns.

(Zuruf von Frank Müller [SPD])

– Herr Müller, bleiben Sie ruhig. – Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion

(Zurufe von der SPD)

nimmt wieder einmal ein Thema auf, das sich aus dem Fürsorgepopulismus der SPD speist.

(Jochen Ott [SPD]: Fürsorgepopulismus?)

– Ja, Herr Ott, Fürsorgepopulismus – hören Sie einmal zu –,

(Zuruf: Schulsozialarbeit!)

weil Ihr Antrag lediglich darauf abgestellt ist, an den Symptomen der Erziehungsmisere herumzudoktern. Geld auszugeben, um Missstände zu beseitigen: Das ist Ihre Idee von Politikgestaltung.

Und das ist nur einer der vielen Anträge zur Schulsozialpolitik, die Sie hier stellen. Anträge zur Sozialpolitik stellen Sie doch ständig. Das tun Sie dauernd. Sie reden nur davon. Sie glauben, damit die verlorenen Wähler zurückzugewinnen – in der Hoffnung, man nimmt Ihnen die Besorgnis um Lehrer und Schüler ab.

Aber weit gefehlt! Sie müssen jetzt die Misere, die Sie durch Ihre unverantwortliche Schulpolitik mit zu verantworten haben, mit Geld lindern.

Ja, natürlich; Sie haben recht: Sozialarbeit ist in der augenblicklichen Situation an den Schulen unabdingbar. Aber das ist Ihr Verdienst. Deshalb sollte die Landesregierung in der Tat die Finanzierung von Schulsozialarbeit absichern. Das ist ganz klar.

Aber das reicht doch nicht, um für eine grundlegende Verbesserung der Atmosphäre an den Schulen zu sorgen. Daran können – leider Gottes – Sozialarbeiter allein nichts ändern. Eigentlich hätten Sie auf die Ursachen der Misere hinweisen müssen. Aber das wollen Sie natürlich nicht. Denn dann müssten Sie auf das eingehen, was Sie zu verantworten haben.

Es waren vor allen Dingen Ihre Entscheidungen – das ist durch Studien abgesichert –, das mehrgliedrige Schulsystem mit seinem begabungsgerechten Angebot umzubauen und Schulen des gemeinsamen Lernens gründen zu lassen. Nicht umsonst sind es vor allem die Schulen des gemeinsamen Lernens, in denen schon ganz am Anfang die ersten Sozialarbeiter eingestellt wurden.

Das kann man auch verstehen. In Gesamtschulen laufen gruppendynamische Prozesse völlig anders ab – zum Teil lebendiger, zum Teil ungeordneter und manchmal sogar zum Teil aggressiver.

Das liegt nicht etwa an den Schülern und Lehrern, sondern daran,

(Lachen von Sigrid Beer [GRÜNE])

dass dort manchmal besonders häufig der Erziehungsstil des Laisser-faire ausgeübt wird.

Das liegt daran, dass die Schüler nicht in stabilen Klassen unterrichtet werden, sondern durch G- und E-Kurse ständig durcheinandergewirbelt werden.

Das liegt daran, dass auch in den integrativen Klassen die Begabungsschere so weit auseinandergeht, dass ein gemeinsames geistiges Arbeiten nur schwer möglich ist und ständig Sondergruppen gebildet werden müssen, in denen die Schüler relativ isoliert sitzen.

Wenn Sie eine Gemeinschaft haben wollen, brauchen Sie aber eine Lerngemeinschaft, in der 25 oder 28 Schüler gemeinsam an einem geistigen Prozess arbeiten und sich als Leistungsgemeinschaft verstehen, um zusammen mit dem Lehrer, der Lehrerin diesen Unterrichtsprozess, diesen geistigen Prozess voranzutreiben.

(Zuruf von der SPD: Quatsch!)

Dann ist das so wie ein sportlicher Wettkampf, in dem die Schüler gemeinsam arbeiten. Dann haben Sie weniger – nicht keine, aber weniger – soziale Verwerfungen und weniger gruppendynamische Prozesse, als es üblich ist.

(Beifall von der AfD)

Hinzu kommt neuerdings seit acht Jahren die Idee der totalen Inklusion, die von den Lehrkräften verlangt, Kinder mit besonderem Förderbedarf durch Binnendifferenzierung jeweils singulär zu fördern und zu unterrichten. Das ist eine Forderung, die den Lernerfolg der Klasse verringert, vor allem aber auch der Lerndisziplin der Schülerinnen und Schüler schadet.

Fragen Sie doch einmal die Grundschullehrerinnen! Sie kommen damit nicht zurecht. Obwohl sie sich hart dafür einsetzen und sich die größte Mühe geben, kommen sie damit nicht zurecht. Lesen Sie doch einfach einmal die Brandbriefe, Frau Beer, statt hier immer Ihre schlauen Expertisen abzugeben.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Genau! Schlaue Expertisen!)

– Ja, schlaue Expertisen. – Nein, jetzt einmal ernsthaft, Frau Beer: Ich finde das unerträglich, wenn ich mir anhöre, was Sie hier reden, und daran denke, wie die Schulen in den letzten acht Jahren unter Ihrer Regierung zu leiden hatten. Das ist eine Katastrophe.

(Beifall von der AfD)

Jetzt, wo die Lehrkräfte aufgrund dieser verqueren Situation nicht mehr alleine zurechtkommen, fordern Sie Multiprofessionalität.

(Jochen Ott [SPD]: In der Abiturprüfung wären Sie durchgefallen! – Gegenruf von Markus Wagner [AfD]: Sie haben versagt! Sie haben doch keine Ahnung! – Gegenruf von Michael Hübner [SPD]: Die Lautstärke ist kein Argument!)

– Nein, Herr Ott. Sie reden dazwischen. Aber Sie haben wirklich keine Ahnung.

(Weitere Zurufe und Gegenrufe von der SPD und der AfD – Unruhe – Glocke)

Das, was Sie von den Lehrern verlangen, ist an Ignoranz nicht mehr zu überbieten.

(Zuruf von der SPD)

– Ja, das ist das Thema. – Zum Antrag selbst …

(Fortgesetzt Zurufe und Gegenrufe von der SPD und der AfD)

– Das ist jetzt wohl ein Dialog. – Zum Antrag selbst: Sie haben auch einen Antrag gestellt. Das Ministerium soll ein Konzept vorlegen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit, Herr Seifen.

Helmut Seifen (AfD): Wenn Sie diesem Antrag noch einen Sinn geben wollen, dann denken Sie darüber nach, die Finanzierung der Schulsozialarbeit anders zu ordnen.

Herr Laumann, ich bin dafür, dass Schulsozialarbeit in den Bereich des Ministeriums fällt …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Helmut Seifen (AfD): … und dass das Ganze dort geregelt wird, weil von dort aus besser überblickt werden kann, welche Schule das braucht und welche nicht. Das ist keine Missachtung, sondern eher eine Sache der Effizienz.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Seifen, die Redezeit!

Helmut Seifen (AfD): Vielen Dank.

(Beifall von der AfD – Michael Hübner [SPD]: Spalter! Thema verfehlt! – Gegenruf von Markus Wagner [AfD]: „Primitiv“ ist Ihr zweiter Vorname!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Für die Landesregierung hat der Minister das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sehr geehrte Frau Präsidentin!

(Unruhe – Glocke)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt hat der Minister das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesregierung hat, was den Bereich des Arbeitsministeriums angeht, von Anfang an, seit ich Sozialminister bin, dafür gesorgt, der Schulsozialarbeit möglichst viel Kontinuität zu geben.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Deswegen haben wir die 48 Millionen € bis zum Ende der Wahlperiode durchgeplant, was vor uns keiner getan hat.

(Beifall von der CDU, der SPD und der FDP – Zuruf von der SPD: Gut so!)

Der zweite Punkt ist: Wir haben am 6. Juni 2018 die gesamten Unterlagen an die Bezirksregierung gegeben, die die Kommunen benötigen, um für ihre Schulen die Mittel zu beantragen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister, Entschuldigung, dass ich Sie …

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Noch einmal: Am 6. Juni 2018 sind die Unterlagen an die Bezirksregierung gegangen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Darf ich Sie jetzt unterbrechen?

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Am 6. Juni 2018.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Darf ich Sie jetzt unterbrechen?

(Allgemeine Heiterkeit)

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Der dritte Punkt ist – das ist der entscheidende Punkt, finde ich –: Die Systematik ist natürlich so, dass dieses Geld an die Schulträger geht und die Schulträger dann die Schulsozialarbeit zusammen mit den Schulen organisieren.

Da bedienen sich Kommunen zum Teil freier Träger. Andere machen es selber. Aber auf einem muss ich hier bestehen: Für die Arbeitsverträge, die die Kommunen oder die freien Träger abschließen, ist nicht das Ministerium verantwortlich. Dafür sind die Kommunen verantwortlich. Ich schließe diese Arbeitsverträge nicht ab.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister, darf ich Sie jetzt unterbrechen?

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sofort. Ich möchte das noch kurz ausführen. Dann können wir auch Fragen zulassen.

Der weitere Punkt ist: In der Systematik, in der wir hier nun einmal sind, haben wir natürlich die Jährlichkeit des Haushalts. Das kann ich als Minister nicht ändern. Ich kann zwar den Vorschlag machen, dass die 48 Millionen € bis 2022 durchfinanziert sind. Das steht aber natürlich unter der Maßgabe des Haushaltsgesetzgebers. Mehr, als dieses in der mittelfristigen Finanzplanung sauber durchzufinanzieren, kann eine Landesregierung nicht machen. Über die Frage der Jährlichkeit des Haushalts kommt eine Landesregierung nicht hinweg. Denn das Haushaltsrecht ist das höchste Parlamentsrecht, das ich zu akzeptieren habe und auch akzeptieren will.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen kann ich natürlich niemanden sagen: Ich garantiere dir bis 2022 dieses Geld. – Das kann ich nicht. Aber ich finde, dass man schon denken könnte, wenn man Verantwortung in einer Kommune hat, dass man die Arbeitsverträge durchfinanzieren kann.

Jetzt möchte ich einen letzten Punkt ansprechen. Ich bin ein Mensch, der will, dass die Leute unbefristete Arbeitsverträge haben und möglichst viel Stabilität in den Arbeitsverträgen haben. Ich glaube, keiner, der mich kennt, würde mir unterstellen, dass ich das nicht will. Aber wir sind hier eben in einer solchen Systematik. Wenn man das ändern will, hat man natürlich rein theoretisch gesetzgeberische Möglichkeiten. Dann müssen Sie aus dieser freiwilligen Aufgabe eine gesetzliche Aufgabe machen.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Das kann man machen. Das kann aber nur der Landtag Nordrhein-Westfalen tun.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Ich kann Sie ja nur fragen: Warum haben Sie es denn nicht zur gesetzlichen Aufgabe gemacht?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dieser Bereich, der mir untersteht, ist in einer ganz anderen Zeit entstanden, nämlich in der Zeit des Schulbedarfspaketes und dessen Umsetzung. Da habe ich – das muss ich Ihnen jetzt auch sagen – in diesem einen Jahr, das ich da bin, schon eine Menge erreicht. Es ist abgemacht, wie das Schulbedarfspaket entbürokratisiert und in der Anwendung einfacher wird.

Damit wird natürlich auch Zeit frei, die in der Schulsozialarbeit meiner Meinung nach für sinnvollere Dinge genutzt werden kann als dafür, sich um die Bürokratie des Schulbedarfspaketes zu kümmern. Auch da sind wir weiter.

(Beifall von der CDU)

Da bleibe ich natürlich am Ball, auch zusammen mit den Kollegen der ASMK. Es ist wahr, dass wir diese Finanzierung gerne wieder dem Bund zuweisen würden. Jeder Euro Bundesgeld, der nach Nordrhein-Westfalen geht, ist erst einmal grundsätzlich ein sehr guter Euro. Wenn er dann auch noch in der Verteilungsmasse des Arbeitsministeriums liegt, ist er ein besonders guter Euro.

(Heiterkeit von der CDU)

Aber das habe ich eben nicht in der Hand. Sie wissen, dass auch das SPD-geführte Bundesministerium hier sagt: Dafür haben wir keine finanziellen Mittel eingeplant; wir machen das nicht.

Deswegen ein Tipp – ich bin auch schon lange dabei –: Stellen Sie doch diesen Antrag, den Sie heute gestellt haben, demnächst auf Ihrem Bundesparteitag der SPD.

(Christina Schulze Föcking [CDU]: Juhu!)

Dann wäre die SPD schon einmal in der Richtung unterwegs, dass der Bundesparteitag der SPD sagt: Jawohl, das ist eine Bundesaufgabe. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Wenn es jetzt noch Fragen gibt, können wir das gerne machen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Wir werten das einmal so, dass ich Sie habe unterbrechen können. Es ist der Kollege Zimkeit, der Ihnen jetzt eine abschließende Zwischenfrage stellt.

Stefan Zimkeit*) (SPD): Mein Wunsch nach einer Zwischenfrage ist schon ein bisschen her, weil es nicht gelungen ist, Ihren Redefluss zu unterbrechen.

Ich will jetzt nur die Zwischenbemerkung machen, dass es entsprechende Bundesparteitagsbeschlüsse gibt und dass die Frage der Schulsozialarbeit in den Koalitionsverhandlungen nicht an der SPD gescheitert ist.

(Beifall von der SPD)

Die Frage, um die es geht, ist aber eine andere. Sie sprachen darüber, dass es keine anderen Instrumente gebe. – Es gibt ja durchaus ein Instrument. Das ist die Verpflichtungsermächtigung. Sie haben gesagt, Sie hätten von Anfang an alles getan.

(Zuruf: Frage!)

– Haben Sie doch etwas Geduld. Dann hören Sie die Frage auch.

(Zurufe von der CDU, der FDP und der AfD)

Die SPD-Fraktion hat in den Nachtragsverhandlungen 2017 eine Verpflichtungsermächtigung beantragt, um die Schulsozialarbeit für die gesamte Legislaturperiode abzusichern. Das haben CDU und FDP abgelehnt.

Stimmen Sie mir zu, dass dann, wenn man 2017 schon solche Entscheidungen getroffen hätte, nicht erst am 6. Juni dieses Jahres, sondern schon viel früher den Kommunen hätte mitgeteilt werden können, dass das Geld frühzeitig zur Verfügung steht?

(Beifall von der SPD)

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Herr Kollege Zimkeit, die Wahrheit ist, dass Sie wohl eine andere Wahrnehmung von den Koalitionsverhandlungen haben als ich, der ich dabei war.

In meinem Bereich war es nicht möglich, dieses im Koalitionsvertrag abzusichern. Das hing mit den Finanzierungsströmen zusammen, die man nicht zur Verfügung stellen wollte. Das war also nicht eine Frage von CDU und SPD.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD)

Vielmehr hat die Bundesebene ganz klar darauf bestanden, dass sie seinerzeit eine Anschubfinanzierung gemacht hat und die Aufgabe jetzt den Ländern zugeschoben hat.

(Zurufe von der SPD)

Nun kommen wir zu der anderen Frage, warum das nicht möglicherweise schneller ging. Durch die Landtagswahl ist der Haushalt erst spät verabschiedet worden. Die Wahrheit ist auch, dass Behörden sich natürlich erst dann mit einem Haushalt beschäftigen und Vermerke erarbeiten können, wenn der Haushalt Rechtskraft erlangt hat. Deswegen kann ich auch niemanden dafür kritisieren, dass das bis zum 6. Juni 2018 gedauert hat – Punkt.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

– Es ist jetzt ja entschieden.

(Zurufe von der SPD)

Herr Zimkeit, nehmen Sie einfach einmal eines zur Kenntnis: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht anfangen, herumzupokern.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie haben in all den sieben Jahren die Schulsozialarbeit nur Stück für Stück genehmigt. Sie haben in all den sieben Jahren – anders als ich – keine Kontinuität hineingebracht.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Das ist nicht wahr! – Weitere Zurufe von der SPD)

Deswegen sollten Sie mit dem, was Sie mir hier unterstellen, ein bisschen vorsichtig sein.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Es gibt zwei weitere Wortmeldungen.

(Unruhe – Glocke)

Der nächste Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege Neumann.

Josef Neumann (SPD): Sehr geehrter Herr Laumann, es mag zwar sein, dass auf den Parteitagen der CSU gefasste Beschlüsse unverzüglich von bayerischen Bezirksregierungen umgesetzt werden. Es ist aber gut, dass das in NRW nicht so ist.

(Beifall von der SPD – Christian Dahm [SPD]: So ist das!)

Wir haben mit der Kleinen Anfrage und mit diesem Antrag offensichtlich etwas bewirkt. Ich freue mich darüber, dass Sie am 6. Juni 2018 dieses Thema an die Bezirksregierungen auf den Weg gebracht haben, nachdem unser Antrag vom 5. Juni 2018 anscheinend auf Ihrem Tisch gelegen hat.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Oh! Oh!)

Insofern haben wir dafür gesorgt, dass das Thema jetzt endlich vorankommt.

(Zuruf von der FDP: Sie überschätzen sich maßlos!)

– Davon bin ich überzeugt.

(Heiterkeit von der SPD)

Die Problematik, die wir hier diskutieren, bei der wir zu Recht die eine oder andere Frage des Haushaltsrechts zu beachten haben, macht deutlich, wie wichtig es ist, dass wir beim Thema „Schulsozialarbeit“ ein Gesamtkonzept für Nordrhein-Westfalen bekommen, und zwar ein Gesamtkonzept,

(Beifall von der SPD)

das nicht nur auf den BuT-Mitteln basiert, sondern insgesamt auf allen Bereichen, aus denen die Schulsozialarbeit in Nordrhein-Westfalen gespeist wird.

Wir müssen zukünftig sicherstellen, dass diese Frage sich nicht alljährlich wiederholt. Deshalb ist es notwendig, darüber zu sprechen – entgegen dem, Kollege Rock, was Sie gesagt haben. Ja, wir werden hier noch mehrfach über das Thema „Schulsozialarbeit“ sprechen –

(Beifall von der SPD)

so lange, bis in diesem Lande ein Gesamtkonzept vorliegt, aus dem klar hervorgeht, wie Schulsozialarbeit finanziert wird.

Kollege Seifen, es mag sein, dass man über das eine oder andere in der Bildungspolitik der letzten acht Jahre diskutieren kann. Wenn ich mir Ihre Aussagen hier anhöre, muss ich aber feststellen, dass man in den Jahrzehnten davor in der Bildungspolitik völlig versagt hat. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Neumann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Seifen, ich bin Ihnen ja dankbar für Ihren Beitrag. Das muss ich sagen. Wir werden ihn jetzt einmal an die Gesamtschulen und Sekundarschulen im Land schicken, damit er zur politischen Bildung beiträgt.

(Zuruf von Prof. Dr. Rainer Bovermann [SPD])

– Genau, Kollege Bovermann.

Im Übrigen halte ich es da mit Goethe: „Getretener Quark wird breit, nicht stark.“ Das haben wir ja nun häufiger gehört.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt will ich mich aber Herrn Minister Laumann zuwenden. Was hat sich eigentlich haushälterisch in der Zeit zwischen der Haushaltsverabschiedung am 6. März und dem 6. Juni 2018 getan? Warum konnte das nicht vorher erfolgen? Es drängt sich doch der Verdacht auf, dass durch die Kleine Anfrage und den Antrag …

(Minister Karl-Josef Laumann: Nein! Vielleicht war das nur Zufall!)

– Nein? Vielleicht war es eine zufällige Verquickung. Dann war es ein segensreiches Zusammenwirken.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Zurufe von der SPD)

Es kam aber für einige Kolleginnen und Kollegen schon zu spät, die sich wegbeworben haben, weil die Verlässlichkeit nicht gesichert war.

(Beifall von der SPD)

Das darf nicht passieren.

(Unruhe)

Die interessante Perspektive ist ja das, was Herr Minister Laumann gesagt hat.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Beer, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Hovenjürgen würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Sigrid Beer (GRÜNE): Nichts lieber als das. Ich warte schon die ganze Zeit darauf.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN)

Josef Hovenjürgen (CDU): Liebe Frau Beer, herzlichen Dank dafür, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Halten Sie diesen Vorwurf nicht für überzogen aus Ihrer Sicht derjenigen, die sieben Jahre nichts für die Verlässlichkeit für Schulsozialarbeiter getan haben?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sigrid Beer (GRÜNE): Ich habe manchmal das Gefühl, wir müssten einmal ein kleines Kompendium machen. Wo waren Sie die letzten sieben Jahre eigentlich, Herr Hovenjürgen? Wer hat denn genau diese Frage der Sicherstellung aufgeworfen, weil die Große Koalition im Bund nicht geliefert hat?

Wir haben da leider keine veränderte Situation. Deswegen haben wir die 47 Millionen € eingestellt, nachdem das BuT nicht mehr vom Bund finanziert wurde.

Dankenswerterweise ist das fortgeführt worden. Das lobe ich ausdrücklich. Ich sehe niemanden hier im Haus – in eine Ecke gucke ich erst gar nicht –, der die Verlässlichkeit in der Schulsozialarbeit nicht sicherstellen möchte.

(Helmut Seifen [AfD]: Wir auch!)

Deswegen frage ich den Minister jetzt einmal direkt. Er hat gesagt, dann müssten wir parlamentarisch für eine Pflichtaufgabe sorgen. Ich sage: Lassen Sie uns das machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sind Sie dann auch bereit, dabei mitzumachen? Dann haben Sie diesen Antrag zu den Haushaltsberatungen auf dem Tisch liegen. Ich freue mich sehr, wenn wir diese Gemeinsamkeit haben. Dann gehen Sie auf Ihren Bundesparteitag; die SPD geht auf ihren Bundesparteitag; wir werden das auch unterstützen. Dann kann es richtig etwas werden für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Beer, ich muss Sie noch einmal unterbrechen. Es gibt ein zweites Mal den Wunsch nach einer Zwischenfrage, diesmal von Herrn Kollegen Ott.

Sigrid Beer (GRÜNE): Aber klar doch.

Jochen Ott (SPD): Frau Kollegin Beer, herzlichen Dank dafür, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Erinnern Sie sich mit mir gemeinsam daran, dass im letzten Schulausschuss bei der Debatte um die Frage eines Gesamtkonzepts die Regierungskoalition uns erklärt hat, dass das überhaupt nicht nötig sei, was doch im Widerspruch zu dem steht, was der Minister gerade gesagt hat?

(Zuruf von der SPD: So sieht es aus, jawohl!)

Sigrid Beer (GRÜNE): Ja. Jetzt bin ich 62 Lenze alt. Das Gedächtnis funktioniert. Ich erinnere mich.

(Heiterkeit von den GRÜNEN und der SPD)

Aber in allem Ernst – und das meine ich jetzt positiv –: Ich finde, das war heute ein Punkt, den wir ernst nehmen wollen. Die Definition als Pflichtaufgabe ist das, was den Kommunen hilft. Denn wir wissen um die unterschiedlichen Bedingungen und um die unterschiedliche Ausgestaltung. Aber die Not der Kolleginnen und Kollegen müssen wir lösen. Sie dürfen nicht in Kettenverträge geraten. Das muss arbeitsrechtlich sauber gemacht werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deswegen war die Debatte heute gut. Ich freue mich, dass Sie sich einen Ruck gegeben haben und das auch an die Bezirksregierungen weitergeleitet haben – warum auch immer, ob als nächtliche Eingebung oder nach dem Lesen des Antrags.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Wenn die Antwort beendet ist, ist auch die Redezeit beendet.

Sigrid Beer (GRÜNE): Lassen Sie uns das zum Anlass nehmen, konstruktiv Schulsozialarbeit in Nordrhein-Westfalen zu sichern.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Frau Kollegin Beer. – Für die Landesregierung hat jetzt noch einmal Herr Minister Laumann das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will – damit das auch für das Protokoll dieser Landtagsdebatte klar ist – noch einmal ganz deutlich betonen: Ich habe nicht gesagt, dass ich der Meinung bin, dass wir einen gesetzlichen Anspruch schaffen sollen.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Ich habe nur gesagt: Wenn Sie aus der Jährlichkeit und aus der Haushaltsfalle herauswollen,

(Inge Blask [SPD]: Das wollen wir!)

dann geht das nicht anders.

(Marlies Stotz [SPD]: Dann machen wir es doch zusammen!)

Dann muss man sich darüber unterhalten.

(Michael Hübner [SPD]: Die Pirouette ist etwas unelegant geraten!)

Ich persönlich glaube, dass man nicht alles in gesetzlichen Aufgaben zementieren muss, sodass man gar keine Gestaltungsspielräume mehr hat.

(Zuruf von der SPD: Ah!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister Laumann …

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Jetzt kommt der weitere Punkt. Der Grund dafür, dass wir bis 2022 nicht mit Verpflichtungsermächtigungen gearbeitet haben, ist, dass es bislang im Landtag noch einen Konsens darüber gab, dass wir in dieser Frage den Bund nicht aus der Verantwortung entlassen wollen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

An dem Tag, an dem das größte Land eine Verpflichtungsermächtigung einführt, werden wir in dieser Frage beim Bund nie mehr etwas erreichen.

(Zurufe von der SPD: Ach so!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister …

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Und wenn wir das gemacht hätten, hätten Sie hier Anträge gestellt und hätten gesagt, wir hätten aufgegeben,

(Zuruf von der SPD)

mit dem Bund zu kämpfen, weil wir eine Verpflichtungsermächtigung gemacht haben.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister Laumann, darf ich Sie unterbrechen?

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD)

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Ich kann Ihnen eines sagen: Ich habe es aufgegeben, es Ihnen recht zu machen. Daran haben Sie ja überhaupt kein Interesse.

(Marc Herter [SPD]: Erklären Sie das bitte einmal den Kollegen der CDU!)

Ich weiß nur, dass die Schulsozialarbeiter in Nordrhein-Westfalen sehr wohl wissen, dass sich ihre Arbeit durch diese Landesregierung verstetigt hat und nicht noch flexibler geworden ist, als sie unter Ihnen ohnehin schon war.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister Laumann, ich muss Sie einmal unterbrechen.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Das wissen die Leute in ganz Nordrhein-Westfalen, die diese Arbeit tun.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Frank Müller [SPD])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben versucht, die Zwischenfrage zu platzieren. Das tut mir leid. Wir können von hier oben aus aber nicht eine Zwischenfrage in eine Kurzintervention ummünzen. Dafür gibt es bekannte Spielregeln.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Nein, alles gut!)

Sie müssten künftig etwas schneller regieren – reagieren; Entschuldigung.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD – Markus Wagner [AfD]: Keine Horrorphantasien!)

Vielleicht Ersteres auch. Aber die Mehrheiten im Land sind gerade andere.

(Jochen Ott [SPD]: Sehr katholische Argumentation! Wie in der katholischen Kirche!)

Sie haben ja bemerkt, dass der Minister so im Redefluss war, dass er mich wahrscheinlich gar nicht bemerkt hat.

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Das bleibt auch so. Dann schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der SPD hat, wie Sie wissen, direkte Abstimmung beantragt. Wer also dem Inhalt des Antrags Drucksache 17/2757 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die drei fraktionslosen Abgeordneten. Demzufolge enthält sich die AfD-Fraktion. – Ja. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2757 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt worden.

Ich rufe auf:

3  Abschiebungen endlich starten, statt sie durch einen „Spurwechsel“ zu verhindern!

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2764

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat für die AfD-Fraktion die Abgeordnete Walger-Demolsky das Wort.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Asylrecht und Zuwanderung in der Bevölkerung dauerhaft eine große Akzeptanz behalten sollen, müssen Regierungen für klare Regeln sorgen. Eine klare Trennung zwischen Asyl- und Arbeitsmigration ist notwendig. Eine diffuse Grauzone wie die Duldung ist dazu nicht geeignet. Daher sollte sie auch nicht zu groß werden.

(Beifall von der AfD)

In Deutschland lebten am 31. Dezember 2017 mehr als 166.000 geduldete Ausländer. In NRW waren es etwas mehr als 52.000 Personen. Das entspricht einem Anteil von über 31 %. In NRW lebten also fast 50 % mehr Personen, als es der Königsteiner Schlüssel erwarten ließe.

In NRW wurden demnach Duldungen offensichtlich großzügiger erteilt als zum Beispiel in Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen. Warum ist das wohl so? Hat es mit dem politischen Willen zu tun? Oder halten Sie das für Zufall?

Duldungen werden von kommunalen Ausländerbehörden ausgesprochen und zum Teil anscheinend über viele Jahre hinweg einfach regelmäßig verlängert. Tatsächlich sind viele Geduldeten seit über zehn Jahren in Deutschland. Da stellt sich durchaus die Frage, ob es in dieser Zeit wirklich keine Möglichkeit zur Rückführung gab, insbesondere wenn doch klar ist, dass viele von ihnen aus den Balkanländern stammen.

Natürlich ist die Quote nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern auch in den Städten und Gemeinden innerhalb von NRW sehr unterschiedlich. Dies lässt vermuten, dass genau diese verantwortlichen Ämter bei ihren Entscheidungen – wie auch die einzelnen Außenstellen des BAMF – einem sehr unterschiedlichen Druck zum Beispiel durch Verbände oder durch die Politik vor Ort ausgesetzt sind.

Die Entscheidungen des BAMF sollen überprüft werden. Die Entscheidungen der Ausländerbehörden hingegen werden aber wohl nicht überprüft, sondern diejenigen, die schon länger her sind, sollen einfach die Spur wechseln können. „Ja, wo gibt es denn so etwas?“, könnte man fragen.

(Andreas Keith [AfD]: Bei Herrn Stamp!)

„In einem schwarz-gelb regierten NRW“, ist die verblüffende Antwort.

(Andreas Keith [AfD]: Ist das mit Herrn Söder abgesprochen?)

Wer sich an das Wahlprogramm der FDP erinnert, ist erstaunt; denn darin war von solchen rot-grünen Ideen nicht die Rede. Herr Lindner hatte im Wahlkampf versprochen, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die Deutschland gemäß Rechtslage verlassen müssen, dies auch tun werden. Aber niemals war von Alt- und Neufällen die Rede. Hier wurden von Ihnen oder, besser gesagt, Ihrem Zugpferd die Wähler getäuscht.

(Beifall von der AfD)

Es ist natürlich richtig, dass insbesondere diejenigen, die erst seit kurzer Zeit bei uns sind, zügig erfahren müssen, ob sie einen Asylstatus bekommen oder nicht. Wenn diese Menschen den Asylstatus dann nicht bekommen, sollen sie auch kurzfristig unser Land verlassen. Aber das kann doch nicht bedeuten, dass man die Altfälle nicht einmal prüft und nicht entsprechend den sich daraus ergebenden Verpflichtungen handelt, sondern stattdessen einen Spurwechsel einleitet.

Denn stattdessen kam noch der Erlass vom 17. Mai dieses Jahres. Herr Minister Dr. Stamp, Ihre Konkretisierung der Regelungen des Bundesgesetzes zur Ausbildungsduldung ist eine deutliche Ausweitung der Duldungsmöglichkeiten, die in § 60a des Aufenthaltsgesetzes eigentlich vorgesehen sind.

Dieser Erlass ist also der erste Schritt hin zu einem Spurwechsel, und dies sowohl für Alt- als auch für Neufälle. Es ist vollkommen egal, mit welcher Angabe von Gründen ein Mensch zu uns gekommen ist, und es ist völlig egal, ob diese Einreise legal oder illegal war. Das ist die Quintessenz. Das ist geradezu eine Einladung an die, die eigentlich schon vor ihrer Reise wissen sollten, dass ihr Antrag auf Asyl in Deutschland wahrscheinlich erfolglos sein wird, die sich aber aufgrund solcher falschen Anreize doch auf den Weg zu uns machen werden.

Wir fordern Sie auf: Setzen Sie das aktuelle Recht konsequent um und verwässern Sie die Rechtslage nicht durch den Ausbau von Grauzonen. Unterstützen Sie die Ausländerbehörden in den Kommunen nicht nur bei den sogenannten Neufällen. Beziehen Sie doch die Altfälle in gleicher Weise ein. Lösen Sie die Probleme, die Ihnen die alte Regierung hinterlassen hat, nicht dadurch, dass das Recht einfach passend gemacht wird! – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Walger-Demolsky. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Wermer.

Heike Wermer (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! „Täglich grüßt das Murmeltier“ könnte man angesichts der immer wiederkehrenden Anträge der AfD zu den Themen Integration und Zuwanderung in unser Land meinen.

(Zurufe von der AfD)

Die AfD sieht wiederholt vermeintliche Probleme, sieht wiederholt die angebliche Unfähigkeit unseres Rechtsstaats. Leider wiederholt es sich aber auch, dass Sie keine konkreten Lösungsvorschläge unterbreiten.

(Zuruf von der AfD)

Sie denken nämlich nicht darüber nach, wie man Probleme rational, realistisch, pragmatisch und vor allem menschenwürdig angehen kann.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der AfD – Gegenruf von der CDU: Hören Sie zu! Wir haben Ihnen doch auch zugehört!)

In dieses Schema passt leider auch der vorliegende Antrag. Hier ist allein schon die Überschrift fehlerhaft. Sie behaupten darin, dass Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen gar nicht stattfänden. Es heißt bei Ihnen: „Abschiebungen endlich starten, statt sie durch einen ‚Spurwechsel‘ zu verhindern!“ Das stimmt so nicht, das ist falsch, das kann man so nicht stehen lassen.

Die NRW-Koalition führt seit dem Regierungsbeginn vor einem Jahr Abschiebungen und freiwillige Rückreisen aus Deutschland fort. Wir führen die Abschiebungen fort, und zwar sogar konsequenter, als es die Vorgängerregierung getan hat. Wir haben das auch weiterhin so vor. Wenn Sie die Quartalsberichte aus dem Integrationsausschuss aufmerksam lesen würden, könnten Sie diesen – aber auch der Presse – regelmäßig entnehmen, dass NRW im Bundesvergleich prozentual die meisten Rückführungen und freiwilligen Rückreisen durchführt. Fast jede dritte Abschiebung aus Deutschland wird aus NRW durchgeführt.

Daher ist auch Ihre Forderung nach monatlichen Zahlen zu den Rückführungen obsolet. Genau diese Diskussion hatten wir schon mit den Grünen im Integrationsausschuss. Ich bin, offen gestanden, etwas verwundert, dass Sie von der AfD nun diese Forderung der Grünen teilen. Die CDU will an einem Quartalsbericht festhalten, denn nur so lassen sich die Tendenzen übersichtlich ablesen und auswerten.

(Beifall von der CDU)

So viel zu den Berichten über die Rückführung, die klar zeigen, dass konsequent zurückgeführt wird, wo dies möglich ist. Wir von der NRW-Koalition haben nämlich genaue Vorstellungen davon, wie Abschiebungen und freiwillige Rückreisen aussehen sollen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Von der Abgeordneten Walger-Demolsky gibt es den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Heike Wermer (CDU): Nein, danke.

Wir wollen nämlich, dass Abschiebungen – auch Rückreisen – konsequent und, wenn möglich, auf freiwilliger Basis erfolgen, anders als es beispielsweise bei der rot-grünen Vorgängerregierung der Fall war. Unsere Vorstellung ist hierbei folgende: Wer nach unseren Gesetzen ein Recht auf Schutz hat, bekommt ihn. Wer diesen aber nicht hat, muss das Land wieder verlassen.

(Zuruf von der AfD: Das ist doch gar nicht wahr!)

Aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland einzuwandern, ist zwar menschlich nachvollziehbar, höhlt aber unser Asylrecht aus.

(Helmut Seifen [AfD]: Aber das gestatten Sie!)

Und das minimiert langfristig das ehrenamtliche und das kommunale Engagement bei der Integration. Deshalb setzen wir hier den Rechtsstaat durch und müssen das auch genau so tun. Es kann nicht jeder in Deutschland eine neue Heimat finden.

(Zurufe von der AfD)

Neben der wichtigen humanitären Aufgabe des Asyls, an der wir auch in Zukunft festhalten, steht es dem Staat gleichwohl zu, selbst zu bestimmen, wem man die Einreise und den Aufenthalt gewährt. Deshalb wollen wir als NRW-Koalition ein Einwanderungsgesetz auf Bundesebene: für eine gesteuerte und vor allem qualifizierte Arbeitszuwanderung, damit Ausländer hier arbeiten und leben können, und zwar nach unseren Bedingungen und nach unseren Regeln.

Aber – es ist wichtig, das hier anzusprechen, denn darum geht es – es gibt auch Fälle, bei denen Rückreisen oder Rückführungen rein technisch und rechtlich nicht möglich sind, sei es, weil Papiere fehlen, sei es, weil das Heimatland die Personen nicht aufnehmen will. In diesen Fällen müssen wir uns doch fragen: Wie sollen wir damit umgehen? – Diese Frage muss man sich ernsthaft und gewissenhaft stellen.

(Markus Wagner [AfD]: Zurückweisen an der Grenze! – Gegenrufe von der CDU)

Wir müssen uns hier an den Menschen orientieren. Es ist klar: Straftäter und Gefährder haben in Deutschland – und hier in NRW – nichts verloren.

(Zurufe von der AfD)

Wer sich aber seit einigen Jahren straffrei hier aufhält, unsere Sprache spricht, seinen Lebensunterhalt verdient und unsere Werte akzeptiert und lebt, wer dazu vielleicht sogar seine Familie hier hat, die auch gesellschaftlich verwurzelt ist, diesen Menschen sollten wir dann auch eine Perspektive ermöglichen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der AfD)

Meine Damen und Herren, wir müssen hier realistisch sein. Wir müssen uns an den realen Verhältnissen orientieren.

(Zuruf von der AfD)

Vor allem müssen wir Integrationspolitik realistisch begreifen und umsetzen. Es reicht nicht, auf Abschiebung zu pochen, wenn die Instrumentarien nicht greifen können. Es heißt aber auch – das betone ich hier –, dass nicht jeder, der nach Deutschland kommt, automatisch ein Aufenthaltsrecht bekommt. Es muss immer eine rechtliche Prüfung geben, sei es bei einem Asylantrag, sei es bei der Erteilung eines Visums. Nach einem negativen Bescheid muss in der Regel die Ausreise stehen.

Abschieben klingt einfach, aber in der Realität kann es zu Hürden kommen, und diesem Problem wollen wir uns von der NRW-Koalition stellen.

Aber wie sieht die Realität aus? Wir haben es nun einmal mit sogenannten Altfällen zu tun, mit Menschen, die unter uns leben und die sich seit Jahren von Kettenduldung zu Kettenduldung hangeln – und das relativ unverschuldet. Diesen Menschen müssen wir begegnen, müssen wir ehrlich begegnen und die Ketten durchbrechen.

Auch aus den Kommunen und der Wirtschaft hören wir: Warum werden gut integrierte Familien abgeschoben, aber der straffällige Flüchtling darf bleiben? Hier müssen wir eine Wende hinbekommen. Diejenigen, die das Asyl nicht verdienen, sei es, weil sie das Recht dazu nicht haben oder weil sie Unrecht getan haben, gehören zurück in ihr Heimatland.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Und diejenigen, die sich tagtäglich bei der Integration anstrengen, brauchen eine Perspektive. Das sind diejenigen, die faktisch Integrationsleistungen vorweisen können. Nichts anderes meint ein Spurwechsel. In unserem Koalitionsvertrag stehen dazu einige Bedingungen aufgelistet. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Wermer, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Die Abgeordnete Walger-Demolsky hat eine Kurzintervention angemeldet und hat jetzt das Wort für 90 Sekunden. Bitte schön.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sie hätten es einfacher haben können, die Frage wäre kürzer gewesen.

(Heike Wermer [CDU]: Glaube ich nicht!)

Erstens. Wie kommen Sie auf die Idee, dass wir uns selbst aussuchen können, wer zu uns kommt? Die Grenzen sind offen. Es kommt jeder. Das ist erst einmal Fakt. Wir können zusätzlich über die Blue Card gegebenenfalls noch Menschen aussuchen oder Menschen zugestehen, dass sie zu uns kommen. Wir haben solch eine junge Dame bei uns in der Fraktion auch beschäftigt.

Die Altfälle, die benannt sind: Das hört sich so an, als wenn man die alle gar nicht wegkriegt. Ich nenne Ihnen jetzt mal von Bochum die Zahl: 18 % der untergebrachten Menschen sind aus sicheren Herkunftsländern, und die sind nicht gestern gekommen. Serbien, Montenegro, Mazedonien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Albanien: alles sichere Herkunftsländer. Das sind die, die von Ihrem Spurwechsel profitieren sollen. Da wollen wir nicht mitmachen.

Wir wissen, dass wir es als kleinste Fraktion hier nicht aufhalten werden. Wir werden aber deutlich machen, dass Sie Ihre Versprechen, die Sie im Wahlkampf gemacht haben, nicht einhalten. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön, Frau Kollegin.

Heike Wermer (CDU): Frau Walger-Demolsky, ich glaube nicht, dass eine Frage kürzer gewesen wäre. Im Zweifel hätten Sie zwei Fragen gestellt. Im Zweifel hätten Sie dann auch noch die Kurzintervention angemeldet. Es war offensichtlich, dass da was kommen würde.

Wir als NRW-Koalition bekennen uns zu dem Asylrecht in Deutschland, und wir ermöglichen denjenigen, die Schutz suchen, hier den Schutz zu bekommen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der AfD)

Als Deutschland können wir sehr wohl bestimmen, wer hier einreist. Das hatte ich Ihnen schon gesagt.

(Markus Wagner [AfD]: Das tun wir aber nicht!)

Ich hatte schon gesagt, dass wir da vor allen Dingen auf die qualifizierte Einwanderung und Arbeitsmigration setzen. Deswegen wollen wir uns im Bund dafür auch einsetzen. Aber das bedeutet auch, dass wir zu einer strengeren Regelung und Differenzierung bei dem Asylrecht und bei einem Zuwanderungsrecht kommen müssen. Und das wollen wir doch im Bund machen. Da haben Sie die letzten Monate anscheinend nicht aufgepasst und nicht zugehört.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wermer. – Für die Fraktion der SPD hat nun als nächste Rednerin Frau Abgeordnete Lux das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Eva Lux (SPD): Danke. – Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bemüht reißerisch überschreibt die AfD auch diesen ihrer Anträge, der sich auf einen Presseartikel über Herrn Minister Stamp bezieht. In diesem Artikel werden mal mehr, mal weniger konkrete Überlegungen des Herrn Ministers zitiert über mögliche Bleibeperspektiven für Menschen, die hier seit Jahren zwar gut integriert, aber ohne Aufenthaltstitel leben.

Verbunden mit der Forderung nach einem Migrationsgipfel lässt sich nur vermuten, dass der Minister eine Bunderatsinitiative anstoßen möchte. Mehr lässt sich dazu erst einmal nicht sagen. Ich bin durchaus gespannt, demnächst von Herrn Minister Stamp etwas Konkretes zu hören, was dann vielleicht auch in die Zuständigkeit des Landtags gehören könnte.

„Abschiebungen endlich starten“ – das klingt nach freudiger Erwartung und nach einem Missverständnis. Liebe AfD-Fraktion, Abschieben, das ist kein Volkssport, das ist kein Wettbewerb. Kein Richter, kein Verwaltungsbeamter, kein Polizist und auch kein Politiker bekommt eine Medaille mit der Aufschrift „Helden der Abschiebung“.

(Beifall von der SPD)

Abschiebungen, meine Damen und Herren, sind eine mögliche Konsequenz aus einem Rechtsverfahren, nicht mehr und nicht weniger. Abschiebungen sind natürlich selbst an rechtsstaatliche Kriterien gebunden. Sie fordern in Ihrem Antrag: „Jeder vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer ist unverzüglich nach geltendem Recht abzuschieben.“

Was glauben die Damen und Herren der AfD eigentlich, was unser Rechtsstaat die ganze Zeit so macht? Wenn abgelehnte Asylbewerber nicht auf dem Fuße abgeschoben werden, dann, weil sie nach unserem Recht und Gesetz eben nicht sofort abschiebbar sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Unser Rechtssystem, meine Damen und Herren, ist Gott sei Dank kein Wunschkonzert für Marktschreier. Nur weil Sie in der AfD gerne noch mehr Abschiebungen hätten – oder sollte ich besser sagen: wohl eher ein generelles „Ausländer raus“ –, ist das eben kein Rechtsgrundsatz.

(Widerspruch von der AfD)

Sie fordern: „Für die qualifizierte Zuwanderung nach Deutschland sind die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten zu beachten.“ Hallo, welche Möglichkeiten außer den geltenden gesetzlichen sollten denn sonst beachtet werden?

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Schließlich Ihre Forderung, Spurwechsel abzulehnen. – Meine Damen und Herren, wir reden hier von Menschen, die keinen Aufenthaltstitel erlangt haben, aber registriert sind, also ein asylrechtliches Verfahren durchlaufen haben. Sie leben hier in Duldung. Sie leben nicht illegal in Deutschland. Und eine Duldung – das muss ich offensichtlich besonders betonen – ist keine politische Willkür, sondern eine rechtliche Bestimmung.

Es geht hier um Menschen, um Familien, die oft seit vielen Jahren unter uns leben, rechtstreu und gut integriert sind, sich in unser Gemeinwesen einbringen – und das trotz aller Unsicherheit –, Menschen, die den Antragstellern allenfalls äußerlich auffallen und aufstoßen, weil sie vielleicht anders sind, als das ihrem homogenen Wunschbild entspricht.

Meine Damen und Herren von der AfD, Ihre ästhetischen Vorlieben zur Bevölkerung Deutschlands sind schon als Privatsache mehr als grenzwertig.

(Beifall von der SPD)

Zur Staatsräson dürfen sie in einem Rechtsstaat niemals erhoben werden. Ich persönlich empfehle Ihnen daher einen Spurwechsel: weg von Ihrer geradezu wahnhaften Besessenheit, jedes, aber auch jedes Thema hier mit Hass und Hetze zu besudeln,

(Helmut Seifen [AfD]: Wo war denn Hass drin? – Gabriele Walger-Demolsky [AfD]: Sie fantasieren!)

hin zu einem echten Bekenntnis zu unserem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

und vor allem zur Achtung von Grundgesetz und von Menschenrechten. Das ist abendländische Kultur, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich hoffe von ganzem Herzen, dass Ihnen der Wechsel von der rechten Spur auf die Spur des Rechts endlich gelingt.

(Beifall von der SPD – Markus Wagner [AfD]: Die haben Sie doch vor zwei Jahren verlassen! Sie sind doch die Fraktion der Rechtlosigkeit!)

Wir demokratischen Fraktionen werden Ihnen dann gerne auf dem Weg Ihrer Anträge durch die Ausschüsse behilflich sein. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zurufe von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Lux. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Lenzen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Lenzen.

Stefan Lenzen (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme das Beispiel der Kollegin Lux gerne noch einmal auf: Man hat beim Thema Spurwechsel eher den Eindruck, die AfD betreibt eine Geisterfahrt für sich.

Sie wechseln nicht nur einfach die Spur, etwa weiter nach rechts, nehmen vielleicht die Ausfahrt: Ich glaube, Sie fahren in die falsche Richtung. Dabei können wir Sie nicht aufhalten. Aber solange Sie sonst niemanden weiter gefährden und hier niemals in Verantwortung kommen, müssen wir damit schon irgendwie klarkommen.

(Zuruf von Iris Dworeck-Danielowski [AfD])

Genauso befremdlich war auch Ihre Intervention bei der Kollegin Wermer. Frau Walger-Demolsky, Sie sagen, Sie beschäftigen auch eine Mitarbeiterin mit Migrationshintergrund in der Fraktion. Was heißt das denn jetzt?

(Gabriele Walger-Demolsky [AfD]: Mit einer Burka!)

Erfüllen Sie da eine Quote, die eigentlich von Ihren Einstellungen ablenken soll?

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Was ist das denn für eine Aussage? Also wirklich!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das muss man nicht verstehen.

Ihr Antrag – das macht die Debatte deutlich – hat einen klaren Unterschied zur Migrationspolitik der NRW-Koalition. In Teilen nehme ich auch gerne die Fraktionen von SPD und Grünen mit hinein; es gibt ja auch einen Integrationskonsens unter den vier Fraktionen.

(Andreas Keith [AfD]: Das ist alles eine Soße!)

Es gibt einen klaren Unterschied zur AfD: Sie setzen auf Abschottung und Abschiebung. Wir wollen eben eine geordnete Migration. Wir brauchen ein schlüssiges Einwanderungsgesetzbuch, das klar unterscheidet zwischen humanitärer Verantwortung für Asyl- und Flüchtlingsschutz

(Zurufe von der AfD)

– hören Sie doch einfach mal zu; vielleicht hilft es ja! – und einer qualifizierten Einwanderung von Fachkräften. Nur so können wir verhindern, dass durch eine unkontrollierte Migration die gesellschaftliche Akzeptanz gerade für die Menschen gefährdet wird, die bereits gut integriert sind und hier leben oder auch als qualifizierte Einwanderer zu uns kommen möchten.

(Beifall von der FDP)

Deutschland braucht eine gesteuerte Einwanderung von Fachkräften, um auch langfristig unseren Wohlstand zu erhalten. Das mögen Sie vielleicht anders sehen, aber wir müssen doch um diese nötigen Talente werben. – Ich sehe schon: Eine Kurzintervention ist angemeldet. Ich freue mich schon.

Dafür brauchen wir aber eben über den eng begrenzten Rahmen im derzeitigen Aufenthaltsgesetz hinaus auch ein Angebot für qualifizierte Einwanderer. Dabei soll es eben auch eine jährlich festzulegende Anzahl geben: Neben einer Auswahl nach klaren Kriterien wie Alter, Sprachkenntnisse, Bildung, berufliche Qualifikationen muss es auch eine Möglichkeit geben, den Bedarf unseres Arbeitsmarktes damit zu decken und über die Aufenthaltsgenehmigungen hinaus die Arbeitsplatzsuche entsprechend zu unterstützen.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Möglichkeit zur qualifizierten Einwanderung in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt soll auch den Menschen offenstehen, die sich bereits aus anderen Gründen in Deutschland aufhalten. Unter Spurwechsel verstehen wir dabei einen Wechsel des jeweiligen Aufenthaltsstatus insbesondere für die Menschen, die schon lange mit einer Duldung hier leben, eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz gefunden haben und sich bereits gut in unsere Gesellschaft integriert haben.

Diese Menschen brauchen eine Perspektive. Das sehen Sie anders; das mag so sein. Aber wir sind der Meinung: Es ist geboten. Es ist humanitär zu verantworten. Es ist auch volkswirtschaftlich sinnvoll, diese gut integrierten Steuerzahler und ihre Familien nach vielen Jahren eben nicht abzuschieben, sondern ihnen hier eine Perspektive zu bieten.

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Dabei werden wir genauso darauf achten, eben nicht zu privilegieren und zu unterscheiden zwischen denjenigen, die bereits hier sind, und denjenigen, die noch als qualifizierte Einwanderer kommen wollen, die wir aus dem Ausland dann entsprechend anwerben werden und auch müssen. Das zeigen alle Prognosen. Auch das mögen Sie anders sehen.

Ein Aufweichen der Kriterien darf es beim Spurwechsel nicht geben. Wir wollen eben keine Fehlanreizes setzen zur Nutzung des Asylsystems ohne anerkannten Fluchtgrund. Wir wollen das nicht auslösen. Es ist aber wichtig, dort Perspektiven zu schaffen, nämlich bestehende gesetzliche Einzelregelungen für ein Bleiberecht wie die Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration stimmiger und praktikabler zu gestalten und mit dem Einwanderungsgesetzbuch in einen geordneten Rahmen zu überführen.

So war es auch richtig, dass nicht nur die NRW-Koalition, sondern unser Integrationsminister Dr. Jo-achim Stamp in diesem Sinne Mitte Mai auch gehandelt hat. Sie mögen das kritisieren, Kollegin Walger-Demolsky, aber mit dem neuen Erlass gerade bei der 3+2-Regelung, der sogenannten Ausbildungsduldung, verbessern wir in NRW die Integration von Flüchtlingen in Arbeit und Ausbildung.

Wir setzen ein wichtiges Zeichen für Handwerk und Mittelstand, schaffen eine landeseinheitliche Entscheidungspraxis, sorgen für mehr Rechtssicherheit für Flüchtlinge in Ausbildung, für die ausbildenden Betriebe und werden auch mit einem eigenen Gesetzentwurf für ein Einwanderungsgesetz über den Bundesrat eigene Vorschläge für eine Neuordnung der Migrationspolitik in Deutschland einbringen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Lenzen, entschuldigen Sie, wenn ich ganz kurz unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage der Abgeordneten Walger-Demolsky.

Stefan Lenzen (FDP): Ich nehme doch schon ihre Kurzintervention. Ich glaube, das reicht.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Verehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu einer geordneten Migrationspolitik gehört auch die konsequente Rückführung abgelehnter Bewerber, die kein Bleiberecht in Deutschland haben. Gerade die Abschiebung von Gefährdern und Kriminellen muss oberste Priorität besitzen. Deshalb sind Ihre Vorwürfe völlig unangebracht. Die Kollegin Wermer hat es doch schon ausgeführt: Gerade bei der freiwilligen Ausreise waren es im Jahr 2017 über 14.500, davon 11.300 gefördert.

Entsprechend werden Abschiebungen in dem Bereich durchgeführt: mit Abstand im Vergleich wie auch in absoluten Zahlen bundesweit an der Spitze mit über 6.300 Abschiebungen alleine aus NRW. Das war mehr als ein Viertel aller Abschiebungen aus Deutschland.

Allein die Zahlen belegen doch, dass CDU und FDP darauf ihr klares Augenmerk gelegt haben: Man soll das eine nicht lassen, ohne das andere zu ermöglichen, dass wir ganz konsequent abschieben, auf freiwillige Ausreisen setzen, zuallererst bei Kriminellen und Gefährdern, und wir auf der anderen Seite den Menschen, die gut integriert sind, eine Perspektive geben.

Das ist der entscheidende Unterschied zur AfD. Das ist einfach so. Wir werden diese konsequente Politik auch fortsetzen. Mit der Einrichtung der sogenannten Zentralen Ausländerbehörden unterstützen wir die Kommunen bei den Rückführungen.

Unser Minister hat den Stufenplan der Landesregierung bereits vorgestellt, mit dem wir die Kommunen bei der Verteilung und Unterbringung der Flüchtlinge weiter entlasten werden. Wir werden die Aufenthaltszeit in der Landeseinrichtung für Asylsuchende mit einer geringen Bleibeperspektive entsprechend verlängern und diese Menschen nicht nur auf die Kommunen verteilen. Wir können dann Asylverfahren verkürzen und direkt aus den Landeseinrichtungen zurückführen.

Aber auch der Bund steht in der Verantwortung. Was die Beseitigung von Rückführungshindernissen angeht, ist er zu allererst gefordert. Ein großer Teil der heute geduldeten Menschen kommt aus Herkunftsländern, in die faktisch nicht abgeschoben werden kann. Wir brauchen hier eine entsprechende Praxis von funktionierenden Rückübernahmeabkommen. Das sind für uns Elemente einer geordneten Migrationspolitik. Ihr Antrag bringt uns jedoch in keiner Sache weiter. Ich freue mich nicht, bin jedoch gespannt auf die Kurzintervention. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Lieber Herr Kollege Lenzen, ich habe gerade gehört, dass die Kurzintervention zurückgezogen wurde.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Man mag mich korrigieren, sollte die Information, die mir vorliegt, falsch sein.

(Stefan Lenzen [FDP]: Mensch, dann hätte ich die Zwischenfrage doch zugelassen! – Heiterkeit von der SPD)

Herr Kollege Lenzen, vielen Dank für Ihren Redebeitrag. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Aymaz das Wort. Oder sollte ich es so verstanden wissen, dass es immer noch den Wunsch nach einer Zwischenfrage gibt?

(Andreas Keith [AfD]: Die Kurzintervention war von Herrn Wagner!)

– Okay. – Frau Kollegin Aymaz hat das Wort.

(Andreas Keith [AfD]: Sie hören ja nie zu! Deswegen kommt es zu Missverständnissen!)

– Wir handhaben das heute alles so, wie es sein muss. – Bitte schön.

Berivan Aymaz (GRÜNE):Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich mache es einmal ganz kurz. Ich finde, ein Antrag, in dem direkt am Anfang, noch nicht einmal im ersten vollständigen Satz, sondern bereits im ersten Halbsatz, drei Lügen auftauchen, taugt ganz sicher nicht für eine diesem Hohen Haus würdige Debatte.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Erstens. Zurzeit findet keine Massenzuwanderung statt, sondern es gibt einen starken Rückgang der Zuzugszahlen. Zweitens findet schon gar nichts Ungesteuertes statt, und drittens geschieht hier natürlich auch nichts unter Aussetzung des eigentlich geltenden Rechts.

(Andreas Keith [AfD]: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt! – Zuruf von der AfD: Das ist ja noch schlimmer!)

Wieder einmal haben Sie hier einen Antrag eingebracht, der nur aus Lügen besteht

(Zurufe von der AfD: Lügen! Lügen!)

und dieses Hauses absolut unwürdig ist. – Schönes Wochenende!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Andreas Keith [AfD]: Es ist ja auch schon spät! – Zurufe von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Aymaz. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Stamp das Wort. Bitte schön.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war jetzt etwas irritiert, weil ich noch Herrn Pretzell auf der Rednerliste gesehen habe. Aber vielleicht nimmt er gerade eines der anderen drei Mandate der Familie wahr;

(Heiterkeit und Beifall von der FDP)

ich will aber auch nicht spekulieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf der einen Seite sind Straftäter und Gefährder konsequenter abzuschieben, und auf der anderen Seite ist denjenigen, die gut integriert sind und die wir hier auch brauchen, eine Bleibeperspektive zu eröffnen. Das ist eine Haltung, die ich persönlich schon seit Langem vertrete, für die wir im Übrigen auch gewählt worden sind, die wir bei zahlreichen Wahlkampfveranstaltungen genau so intoniert haben und die wir auch im Koalitionsvertrag der Nordrhein-Westfalen-Koalition vereinbart haben. Genau das setzen wir jetzt um.

Ansonsten kann ich nur sagen: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Wir stellen quartalsweise entsprechende Zahlen zur Verfügung. Dort kann man ablesen, dass Nordrhein-Westfalen fast ein Drittel der Rückführungen der Bundesrepublik Deutschland verantwortet. Zudem sind die Zahlen in 2017 gegenüber 2016 bei uns im Vergleich zum Bundestrend und als einem von zwei oder drei Bundesländern überhaupt angestiegen.

Wir machen eine konsequente Politik, indem wir denjenigen, die sich gut integriert haben, eine dauerhafte Bleibeperspektive schaffen. Dazu hat es jetzt den Erlass der 3+2-Regelung gegeben.

Ich wünsche mir, dass wir auch auf Bundesebene weiterkommen. Deswegen erneuere ich auch meine Forderung nach einem nationalen Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen, auf dem wir die wesentlichen Aspekte besprechen können und sollten. Denn vieles ist zwischen den vernünftigen Parteien längst Konsens und müsste eigentlich auf die Schiene gebracht werden. Ich denke, es ist nicht gut für unser Land, wenn man über viele Punkte Einigkeit erzielt, ganz Deutschland aber nur darauf schaut, ob einer der 63 von Horst Seehofer geforderten Punkte umgesetzt wird oder nicht.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Ich wäre schon froh, wenn ich die anderen kennen würde!)

Ich glaube, wir brauchen einen Fortschritt in der Sache und weniger bayerischen Landtagswahlkampf an dieser Stelle.

(Beifall von der FDP – Andreas Keith [AfD]: Hat sich jetzt aber, glaube ich, erledigt!)

Meine Damen und Herren, wir senden mit unserer Haltung das klare Signal, dass sich Integration lohnt.

(Helmut Seifen [AfD]: Da haben Sie ja Erfolg!)

– Genau, damit haben wir Erfolg. Ich freue mich, dass Sie das anerkennen.

(Helmut Seifen [AfD]: Ich hätte meine Ironiekarte zeigen müssen!)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, ich darf Sie bitten, am Rednerpult stehen zu bleiben. Es gibt zum einen den Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Abgeordneten Yetim und zum anderen eine angemeldete Kurzintervention der Abgeordneten Walger-Demolsky. Zumindest für Letztere ist der Aufenthalt am Rednerpult zwingend vorgesehen. – Ob Sie die Frage des Abgeordneten Yetim zulassen, stelle ich Ihnen anheim.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Frau Präsidentin, Ersterer will ich mich nicht entziehen, Zweiter kann ich mich nicht entziehen.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU, der SPD und der FDP – Helmut Seifen [AfD]: Sie sind ein Held!)

Ibrahim Yetim (SPD): Herr Minister Stamp, herzlichen Dank. Sie haben mein Beileid, dass Sie sich nicht entziehen können. Das sei Ihnen an dieser Stelle zugesichert.

Sie haben gerade den Masterplan des Bundesinnenministers angesprochen. Kennen Sie die 62 oder 63 Punkte?

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Nein, ich kenne die 62 Punkte nicht im Einzelnen. Der Innenminister hat sie ja noch nicht vorgestellt. Ich habe ein zweistündiges Gespräch mit Horst Seehofer über viele unterschiedliche Fragen der Migration und auch der Integration geführt.

Aus dem, was an Ergebnissen zum Ende der Jamaika-Verhandlungen übrig geblieben ist, und dem, was die Verhandlungen mit der Großen Koalition ergeben haben, gibt es eine hohe Schnittmenge – zum Teil sind Formulierungen auch übernommen worden –, sodass ich der Meinung bin, dass all das, was konsensfähig ist, jetzt gemeinsam auf einem solchen Migrationsgipfel besprochen werden und auf die Schiene gebracht werden könnte. Die Punkte, die dann noch strittig bleiben, kann man auch im Nachgang behandeln. Das kann in verschiedenen Runden geschehen, in denen Kompromisse erarbeitet und die nächsten Schritte initiiert werden können.

Das Thema ist zu sensibel, als dass wir es den Krakeelern überlassen sollten. Wir sollten vielmehr vernünftig nach vorne blicken und entsprechend handeln.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Nun gibt es die Möglichkeit zur Kurzintervention. Frau Abgeordnete Walger-Demolsky.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Herr Dr. Stamp, Sie haben in der Vergangenheit festgestellt, dass wir jede Ihrer Taten unterstützt haben, die wir für richtig hielten, und das waren gar nicht wenige. Alles das, was Sie oder die regierungstragenden Fraktionen beantragt haben, und was wir für richtig hielten, haben wir auch unterstützt.

Einiges halten wir aber auch für falsch.

Zunächst: Einen Spurwechsel – so hätte ich es mir zumindest vorgestellt – beginnt man bei denjenigen, die qua rechtlicher Entscheidung eine sehr lange Bleibeperspektive haben, beispielsweise ein Aufenthaltsrecht aus § 16a Aufenthaltsgesetz oder aus der Genfer Flüchtlingskonvention. Da kann man sagen: Okay, ihr habt jetzt einen Aufenthaltsstatus, und wir wollen mal sehen, wie wir einen Spurwechsel bewerkstelligen können. – Das hätte ich verstanden.

Was ist mit denen, die man aus technischen Gründen möglicherweise nicht abschieben kann? – Ich weiß es nicht. Wie viele gibt es denn da? Wissen Sie das denn? Warum schiebt Bochum diejenigen aus Mazedonien, aus Serbien usw. nicht ab? Wie gesagt, 18 % sind doch kein Pappenstiel. Und dann einfach zu sagen: „Jeder, der jetzt schön ruhig war und nicht aufgefallen ist, macht jetzt am besten die ‚1+3+2-Geschichte‘ mit, macht eine Ausbildung, und dann macht er den Spurwechsel. Vielleicht braucht er noch nicht mal so viel; Hauptsache, er hat keine Straftaten begangen“, das geht doch nicht!

Die Altfälle sind die Hinterlassenschaft der Vorgängerregierung und die Hinterlassenschaft der Kommunen. Nicht jede Kommune hat gleich gehandelt; insbesondere rot-grüne Kommunen haben sich da hervorgetan.

Ich hätte erwartet, dass die FDP das tut, was sie im Wahlprogramm versprochen hat, nämlich an dieser Stelle konsequent durchzugreifen, selbst wenn man sich in dem einen oder anderen Fall für den einzelnen Menschen vielleicht etwas anderes gewünscht hätte.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, Sie haben 90 Sekunden zur Entgegnung.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Frau Walger-Demolksy, Sie geben mir noch einmal die Gelegenheit, unsere Haltung deutlich zu machen.

Diejenigen, die schon länger hier sind, bezeichnen Sie als „Hinterlassenschaft“.

(Gabriele Walger-Demolsky [AfD]: Nein, die Vorgänge!)

– Sie haben gerade von „Hinterlassenschaft“ gesprochen!

(Gabriele Walger-Demolsky [AfD]: Altfälle!)

Für mich sind das, unabhängig von den Biografien, in allererster Linie immer noch Menschen.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD)

Da gibt es einen Unterschied. Da sind denjenigen, die sich hier integrieren, die hier Fuß fassen und die wir willkommen heißen sollten. Die müssen wir ganz anders integrieren, damit wir nicht den gleichen Fehler machen wie damals bei denjenigen, von denen wir dachten, dass sie als Gastarbeiter nur für eine bestimmte Zeit hier sein würden, die aber als Menschen gekommen und hier heimisch geworden sind. Wir müssen von Anfang an die Integration derjenigen leisten, die sich integrieren wollen.

Bei denjenigen, die das nicht tun, setzen wir alles daran, sie auch wieder in ihre Heimatländer zu überführen.

Da ich möglicherweise der letzte Redner des heutigen Tages bin, wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. Ich persönliche wünsche mir, dass am Sonntag Ilkay Gündogan, Mesut Özil, Sami Khedira, Jérome Boateng, Thomas Müller und all die anderen deutschen Jungs gegen Mexiko gewinnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP, der CDU und der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Stamp. – Ich habe noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Wagner für die Fraktion der AfD. Insofern gebe ich jetzt dem Abgeordneten Wagner das Wort.

Markus Wagner (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was hat die FDP im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen nicht alles versprochen? – Poster-Boy Lindner hat die FDP quasi als eine AfD im Streberformat aufgebaut:

(Widerspruch von der FDP)

Abschiebungen, Zuwanderungen, Asylpolitik, innere Sicherheit. Bei Lindner hieß es: Höher, schneller, weiter; den Abschiebestau auflösen, Abschiebungen endlich konsequent und in deutlich höherer Anzahl umsetzen usw.

Dann kamen ganz überraschend CDU und FDP an die Regierung. Diese Überraschung merkt man Ihrer Politik heute noch an. Da musste einer gefunden werden, der dieses Programm, das von Lindner so inszeniert worden ist, umsetzt. Dann fing der Berg Laschet an zu kreißen und gebar den politischen Zwerg Stamp.

Wissen Sie, meine Damen und Herren, die AfD fordert seit jeher die Zurückweisung an der Grenze. Die CSU tut das mittlerweile aus Wahlkampfgründen auch. Aber warum tun wir das? – Herr Stamp, Sie sind der lebende Beweis dafür, warum wir das tun. Sie sind organisatorisch unfähig und politisch ohne Willen, das zu tun, was Sie vorher versprochen haben.

(Beifall von der AfD)

Wenn 86 % der Deutschen für eine konsequente Abschiebung sind, dann sage ich Ihnen, Herr Stamp: Schieben Sie endlich ab, oder schieben Sie ab.

Eines möchte ich nicht vergessen, zu erwähnen. Es ist mit Händen zu greifen: Wir stehen am Beginn einer Zeitenwende. Es handelt sich vielleicht nur noch um Tage oder Wochen, Monate, schlimmstenfalls um Jahre, und dann ist die schlechteste Kanzlerin der Nachkriegsgeschichte Deutschlands Geschichte.

(Beifall von der AfD)

Mit ihr werden all ihre Helfershelfer, die dieses Land zutiefst gespalten haben, politisch zur Geschichte werden. Ihre Zeit läuft ab. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Jetzt hat sich Frau Abgeordnete Beer für die Fraktion der Grünen noch einmal zu Wort gemeldet. – Herr Minister Stamp, ich verstehe das so, dass Sie nach den Fraktionen sprechen wollen.

(Minister Dr. Joachim Stamp signalisiert Zustimmung.)

Bitte schön, Frau Abgeordnete Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zutiefst bestürzt

(Zurufe von der AfD)

über das, was sich heute zum wiederholten Mal wahrnehmbar hier abgespielt hat. Wenn meine Kollegin Aymaz hier redet, sind wiederholt sexistische, abfällige Äußerungen wahrzunehmen.

(Zuruf von der AfD: Watt? – Christian Loose [AfD]: Zitieren Sie das doch mal, Frau Beer, und lügen Sie nicht herum! Unverschämt ist das, so zu lügen!)

Das ist heute wiederum passiert.

Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, auch die Kabinettskollegen und die Mitarbeiterinnen aus den Häusern, da sehr aufmerksam hinzuhören und das Gehörte dem Präsidium dann bitte auch zu bestätigen.

Wir haben die Bestätigung von einer Kollegin für diesen unflätigen Ausdruck. Ich schäme mich – ich schäme mich, dass das hier in Nordrhein-Westfalen von dieser Fraktion immer wieder gemacht wird.

(Christian Loose [AfD]: Zitieren Sie, Frau Beer, und lügen Sie nicht rum! Das ist unverschämt! – Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Sie sind dieses Landtags nicht würdig!

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Beer. – Die Fraktionen haben noch weiteren Redebedarf angemeldet. Nach diesen Wortbeiträgen möchte ich dann selber noch etwas sagen.


Herr Wagner, Sie haben für die Fraktion der AfD das Wort.

(Roger Beckamp [AfD]: Worum geht es denn eigentlich?)

Markus Wagner (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Beer, Sie und Teile der von Ihnen immer so benannten demokratischen Fraktionen arbeiten seit Anbeginn dieser Legislaturperiode mit Diffamierungen, Unterstellungen und Verleumdungen. Die Verleumdungen, die Sie jetzt von sich gegeben haben, weise ich im Namen meiner Fraktion entschieden zurück. – Schönes Wochenende.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Das war der Abgeordnete Wagner für die Fraktion der AfD.

Bevor jetzt Minister Dr. Stamp für die Landesregierung das Wort bekommt, will ich auf eines hinweisen: In der Debatte vorhin, die ja durchaus erregt und hektisch war, sollen bestimmte Begrifflichkeiten gefallen sein. Jedenfalls haben Kolleginnen bestätigt, dass sie gefallen sind. Sie sind nicht stenografiert worden, und wir hier oben im Präsidium haben aufgrund der akustischen Einstellungen im Hause diese Begrifflichkeiten auch nicht gehört.

Ich will nur darauf hinweisen: Bei allen heftigen Diskussionen in der Sache, die auch in diesem Parlament zu Recht geführt werden können, auch kontrovers, sind jedoch Beleidigungen und ehrabschneidende Äußerungen – insbesondere wenn wir alle in den Debattenbeiträgen Wert darauf gelegt haben, das Frauenbild unseres Grundgesetzes als Basis unseres Verständnisses zu nehmen – nicht akzeptabel und sollten, für wen auch immer in diesem Haus, niemals die Grundlage der politischen und sachlichen Auseinandersetzung und Debatte sein.

(Anhaltender Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Worum geht es denn?)

– Ich will die Äußerungen im Einzelnen hier nicht wiederholen, weil ich sie wirklich nicht beispielgebend finde.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Ich kann gerne bilateral dazu Auskunft geben, was geäußert wurde. Ich bin mir aber sehr sicher, dass das jeder hier in diesem Hause auch so verstehen wird.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Dann könnte im Zweifel eine persönliche Entschuldigung angezeigt sein.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Dafür blicke ich alle hier in diesem Hause an.

Jetzt hat Herr Minister Dr. Stamp das Wort, wenn er es möchte. – Das ist nicht der Fall.

Dann, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen mir keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung, und zwar empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2764 an den Integrationsausschuss – federführend –, an den Innenausschuss sowie an den Rechtsausschuss. Die abschließende Abstimmung soll dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Ich darf fragen, wer dieser Überweisungsempfehlung folgen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Damit ist der Antrag überwiesen.

Ich darf damit das Ende der heutigen Plenarsitzung feststellen und das Plenum wieder einberufen für Mittwoch, 11. Juli 2018, 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen, arbeitsreichen und angenehmen Tag und ein angenehmes Wochenende.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 12:43 Uhr

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*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.