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Landtag

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Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/28

17. Wahlperiode

13.06.2018

 

28. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 13. Juni 2018

Mitteilungen des Präsidenten. 7

Vor Eintritt in die Tagesordnung. 7

Gedenken aus Anlass des Anschlags in
Solingen vor 25 Jahren. 7

1   Vorstellung und Vereidigung eines neuen Mitglieds der Landesregierung  8

Ministerpräsident Armin Laschet 8

Ministerin Ursula Heinen-Esser 9

2   Wahl und Vereidigung von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2818. 9

Ergebnis. 10

3   Zukunft der Kohleverstromung ökonomisch und sozial verantwortbar gestalten – Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ muss Interessen des Industrie- und Energielandes Nordrhein-Westfalen im Blick haben

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2800. 12

Bodo Löttgen (CDU) 12

Christof Rasche (FDP) 14

Thomas Kutschaty (SPD) 15

Wibke Brems (GRÜNE) 16

Christian Loose (AfD) 18

Ministerpräsident Armin Laschet 20

Stefan Kämmerling (SPD) 21

Dr. Patricia Peill (CDU) 23

Wibke Brems (GRÜNE) 24

Dietmar Brockes (FDP) 25

Dr. Christian Blex (AfD) 26

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 27

4   Eltern, Lehrkräften und Schulträgern Planungssicherheit geben – äußere Differenzierung an Realschulen gestalten und einen Hauptschulbildungsgang ab Klasse 5 ermöglichen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2748. 29

Rüdiger Scholz (CDU) 29

Franziska Müller-Rech (FDP) 30

Jochen Ott (SPD) 31

Sigrid Beer (GRÜNE) 33

Helmut Seifen (AfD) 34

Ministerin Yvonne Gebauer 35

Ergebnis. 36

5   Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen zur Prüfung der Vorwürfe möglicher Vertuschungen und wahrheitswidrigen Erklärungen der Landesregierung im Zusammenhang mit dem angeblichen Hacker-Angriff auf Frau Staatsministerin a. D. Christina Schulze Föcking und zur Prüfung der Vorwürfe, ob durch falsche Information über die Auflösung der Stabsstelle Umweltkriminalität im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Parlament und Öffentlichkeit über die Schlagkraft bei der Bekämpfung der Umweltkriminalität getäuscht wurde

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2753

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2829. 36

Hans-Willi Körfges (SPD) 37

Norwich Rüße (GRÜNE) 39

Matthias Kerkhoff (CDU) 40

Ralph Bombis (FDP) 41

Nic Peter Vogel (AfD) 42

Olaf Lehne (CDU) 44

Andreas Bialas (SPD) 45

Henning Höne (FDP) 46

Monika Düker (GRÜNE) 47

Markus Wagner (AfD) 49

Ergebnis. 49

6   Personalrat des BAMF ernstnehmen – Forderungen der Praktiker beachten – Mitarbeiter nicht weiter im Stich lassen. 50

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2765. 50

Markus Wagner (AfD) 50

Björn Franken (CDU) 51

Ellen Stock (SPD) 53

Stefan Lenzen (FDP) 55

Berivan Aymaz (GRÜNE) 56

Minister Dr. Joachim Stamp. 57

Ergebnis. 58

7   Herr Laschet muss liefern: Die nächste Maritime Konferenz gehört nach Duisburg!

Eilantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2802. 58

Frank Börner (SPD) 58

Roger Beckamp (AfD) 59

Josef Hovenjürgen (CDU) 60

Ulrich Reuter (FDP) 60

Horst Becker (GRÜNE) 61

Herbert Strotebeck (AfD) 62

Minister Hendrik Wüst 63

Ergebnis. 64

8   Fragestunde

Drucksache 17/2804. 64

Mündliche Anfrage 18

der Abgeordneten Monika Düker (GRÜNE)

Was will die Landesregierung für eine zügige Reform und den Erhalt der Grundsteuer in den NRW-Kommunen tun?. 64

Was unternimmt die Landesregierung, damit es möglichst bald zu einer Lösung im Konflikt um die Grundsteuerreform kommt und die NRW-Kommunen Sicherheit zum Fortbestand einer ihrer wichtigsten Einnahmequellen erlangen?. 64

Minister Lutz Lienenkämper 65

9   Willkommenskultur für gute Ideen – Initiative ergreifen für das Gründerland NRW

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2153

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Digitalisierung und Innovation
Drucksache 17/2795

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2809. 70

Oliver Kehrl (CDU) 70

Christina Kampmann (SPD) 71

Rainer Matheisen (FDP) 72

Wibke Brems (GRÜNE) 74

Sven Werner Tritschler (AfD) 75

Minister Karl-Josef Laumann. 75

Ergebnis. 76

10 Land muss Mittel aus aktueller EU-Förder-periode vollends ausschöpfen!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2755

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2820. 77

Rüdiger Weiß (SPD) 77

Dr. Günther Bergmann (CDU) 78

Bodo Middeldorf (FDP) 79

Johannes Remmel (GRÜNE) 80

Christian Loose (AfD) 81

Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner 82

Ergebnis. 83

11 Kommunen nicht im Regen stehen lassen – Dauerhafte Einrichtung eines NRW-Unwetterfonds

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 17/2766
. 83

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 83

Thomas Schnelle (CDU) 85

Andreas Bialas (SPD) 87

Marc Lürbke (FDP) 88

Dr. Christian Blex (AfD) 90

Minister Herbert Reul 91

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 92

Roger Beckamp (AfD) 93

Ministerin Ursula Heinen-Esser 94

Ergebnis. 95

12 Gesetz zur Verbesserung der Transparenz und Staatsferne der Landesanstalt für Medien (LfM) Nordrhein-Westfalen und des Westdeutschen Rundfunks Köln (WDR)

Gesetzentwurf
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2759

erste Lesung. 95

Sven Werner Tritschler (AfD) 95

Thorsten Schick (CDU) 96

Alexander Vogt (SPD) 97

Thomas Nückel (FDP) 98

Arndt Klocke (GRÜNE) 99

Minister Herbert Reul 100

Sven Werner Tritschler (AfD) 100

Ergebnis. 101

13 Zufriedenheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst stärken und hohe Krankenstände in der Landesverwaltung durch ein aktives behördliches Gesundheitsmanagement senken

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2160

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/2796. 101

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2789

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 101

Stefan Zimkeit (SPD) 102

Ralf Witzel (FDP) 103

Monika Düker (GRÜNE) 104

Dr. Martin Vincentz (AfD) 105

Minister Herbert Reul 106

Ergebnis. 106

14 Die Adipositas-Prävalenz steigt – NRW muss die Schulen stärker unterstützen!

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2761. 107

Dr. Martin Vincentz (AfD) 107

Andrea Stullich (CDU) 107

Christina Weng (SPD) 108

Susanne Schneider (FDP) 109

Josefine Paul (GRÜNE) 110

Ministerin Ursula Heinen-Esser 111

Ergebnis. 112

15 Gesetz zur Änderung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2659

erste Lesung. 112

Minister Dr. Joachim Stamp
zu Protokoll (siehe Anlage)

Ergebnis. 112

16 Wahl der Mitglieder und Wahl des/der Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses II (Drucksache 17/2753)

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2806 – Neudruck

Ergebnis. 112

Wahlvorschlag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2812

Ergebnis. 112

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2821

Ergebnis. 112

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU
Drucksache 17/2822

Ergebnis. 112

Wahlvorschlag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2824. 112

Ergebnis. 112

17 Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Kontrollgremiums gemäß § 23 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2775. 113

18 Benennung eines stellvertretenden Mitglieds für den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE)

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2751. 113

Ergebnis. 113

19 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 8
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/2803 – Neudruck. 113

Ergebnis. 114

20 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/13
gemäß § 97 Abs. 8 GO.. 114

Ergebnis. 114

Anlage  115

Zu TOP 15 – „Gesetz zur Änderung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Dr. Joachim Stamp. 115

Entschuldigt waren:

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen      
(ab 12:30 Uhr)

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart      
(ab 14:30 Uhr)

Minister Herbert Reul    
(10:45 bis 13:15 Uhr)

Angela Erwin (CDU)

Charlotte Quik (CDU)

Guido van den Berg (SPD)

Hannelore Kraft (SPD) 
(ab 16 Uhr)

Norbert Römer (SPD)   
(bis 16 Uhr)

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE)   
(ab 13 Uhr)

Sigrid Beer (GRÜNE)   
(ab 15 Uhr)

Marcus Pretzell (fraktionslos)

 

 

Beginn: 10:06 Uhr

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich zu unserer heutigen, 28. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Geburtstag feiert heute Herr André Stinka von der Fraktion der SPD. Er wird 53 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch Ihnen! Alles Gute im Namen der Kolleginnen und Kollegen!

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Familie Genç! Dem Präsidium, den Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten und auch mir persönlich ist es ein Anliegen, dass wir in der ersten Plenarsitzung nach dem 25. Jahrestag des schrecklichen Anschlags von Solingen nicht einfach zur Tagesordnung schreiten, sondern aus diesem Anlass kurz innehalten.

Dabei geht es nicht darum, das zu wiederholen, was vor zwei Wochen im Umfeld der zentralen Gedenkfeiern bereits gesagt oder geschrieben worden ist. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass dieser Ort und auch der heutige Tag uns dieses Tun nahelegen.

Ich bin dankbar dafür, sehr geehrte, liebe Familie Genç, dass Sie aus diesem Anlass erneut den schweren Weg der Erinnerung an das Geschehene auf sich genommen haben und heute hier sind. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Demokratie basiert auf und lebt von der Gewaltenteilung. Da ist es von besonderer Strahlkraft, dass sich am heutigen Tage Vertreterinnen und Vertreter aller drei Staatsgewalten hier versammelt haben: das Parlament als Gesetzgeber, die Landesregierung als Exekutive und Vertreter des Verfassungsgerichtshofes einschließlich dessen Präsidentin. Letztere sind heute bei uns, weil wir gleich Richter vereidigen werden.

Bei aller Verschiedenheit der Aufgaben gibt es an dieser Stelle keinen Unterschied im Blick auf den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat. Keine dieser Gewalten duldet Terroranschläge. Und der fürchterliche, in der Dunkelheit der Nacht ausgeführte Anschlag von Solingen war ein Terroranschlag. Er war eine politisch motivierte Straftat. Er hat unser Land und viele Menschen hier in Schrecken versetzt. Unschuldige Menschen wurden aus fremdenfeindlichem Hass zu Opfern.

Meine Damen und Herren, als Präsident bin ich von einer Fraktion dieses Hauses darum gebeten worden, im Rahmen dieses Gedenkens auch an weitere Opfer von Gewaltverbrechen in unserem Land zu erinnern.

Verstehen Sie mich recht: Wer um einen Menschen trauert, dessen Leben abgebrochen wurde – durch welche Gewalt auch immer –, der weiß um „den schweren Kelch, den bittern, des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand“, wie Dietrich Bonhoeffer es formuliert hat. Solch schlimmstes Leid lässt sich für Betroffene nicht skalieren, und von Außenstehenden lässt es sich nicht ermessen.

Der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat mit seinen ihn bestimmenden und zugleich begrenzenden Gewalten wird nicht ruhen, bis in jedem einzelnen Fall Aufklärung erreicht und Recht gesprochen ist. – Das ist das eine.

Das andere ist, dass wir Deutsche aus den schrecklichen Erfahrungen der Jahre 1933 bis1945 – die eben alles andere sind als nur eine kleine, unbedeutende Fußnote unserer Geschichte – wissen, dass politisch motiviertem Terror, Rassenwahn und Fremdenhass mit der Klarheit, Härte und Entschlossenheit des Gesetzes begegnet werden muss.

Niemand zündet in diesem Land Häuser oder Menschen aufgrund ihrer Herkunft an! Deshalb legen wir diese Gedenkminute ein.

Ihre Familie, liebe Frau Genç, ist besonders hart getroffen. Es ist keine Selbstverständlichkeit für mich und uns alle in diesem Haus, dass Sie heute hier bei uns sind und den Schmerz der Erinnerung in Stunden wie diesen auf sich nehmen. Wir haben gerade vor Beginn dieser Sitzung darüber gesprochen, dass das, was als Würdigung und Innehalten gemeint ist, auch Schmerz und Aufwühlen mit sich bringt.

Wir alle hier sind auch nach all den Jahren noch beschämt und erschüttert über das Geschehene, über das Leid und den Schmerz, der über so viele Menschen – über Ihre Familien – gekommen ist. Wir sind erschüttert über den Geist, der hinter dieser Tat erkennbar wird.

Wir sind aber auch dankbar und angerührt von der Weise, in der Sie uns trotz und alledem durch Ihre Haltung auf einen Weg des Friedens und der Verständigung verpflichten und mitnehmen.

Immer wieder gibt es politisch motivierte Anschläge oder Terroranschläge, die den Rechtsstaat und seine Bürgerinnen und Bürger treffen. Das haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder erfahren müssen. Aber der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat findet sich nicht damit ab. Sein Arm und seine Kräfte sind stark genug, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Menschen wie Sie, Frau Genç, tragen mehr, als zumutbar ist. Sie tragen es als Aufruf zur Versöhnung unter den Völkern und unter den Religionen. Sie sind eine Botschafterin des Friedens.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte erheben Sie sich zu Ehren und im Gedenken an die Opfer des Brandanschlags von Solingen vor 25 Jahren von Ihren Plätzen. Stehen Sie auf für unsere Demokratie.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Ich danke Ihnen.

Ich rufe auf:

1   Vorstellung und Vereidigung eines neuen Mitglieds der Landesregierung

Herr Ministerpräsident Armin Laschet hat mir mit Schreiben vom 29. Mai 2018 Folgendes mitgeteilt – ich zitiere –:

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

nachdem Frau Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Christina Schulze Föcking am 15. Mai 2018 den Rücktritt von ihrem Amt als Ministerin erklärt hat, habe ich am 29. Mai 2018 gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 der Landesverfassung Frau Ursula Heinen-Esser als Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz ernannt.

Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie in der nächsten Landtagsplenarsitzung die Vereidigung des neu ernannten Mitglieds der Landesregierung vorsehen und mir die Gelegenheit geben würden, Frau Ministerin Heinen-Esser dem Landtag vorzustellen.

– Zitat Ende. –

Diesem Wunsch entsprechend, erteile ich nun Herrn Ministerpräsidenten Armin Laschet das Wort.

Armin Laschet, Ministerpräsident: Sehr geehrter Herr Präsident, es ist mir eine große Freude, Ihnen von dieser Stelle aus noch einmal mitteilen zu dürfen, dass ich am 29. Mai 2018 Frau Ursula Heinen-Esser zur Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen ernannt habe. Sie hat damit das Ministerium in einem unveränderten Ressortzuschnitt von Frau Ministerin a. D. Christina Schulze Föcking übernommen.

Frau Schulze Föcking, ich möchte Ihnen an dieser Stelle noch einmal für Ihre geleisteten Dienste in diesem politisch, aber auch persönlich herausfordernden Amt ganz herzlich danken.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP – Lebhafter Beifall von der Regierungsbank)

Frau Heinen-Esser hat ihre Wurzeln in Nordrhein-Westfalen. Sie wurde in Köln geboren und hat auch ihr Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln absolviert.

Frau Ministerin Heinen-Esser war in der Zeit von 1998 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages.

2007 berief Bundeskanzlerin Angela Merkel sie als Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Von 2009 bis 2013 war sie Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Im April 2014 wurde sie zur Co-Vorsitzenden der von Bundestag und Bundesrat eingesetzten Kommission zur Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe ernannt.

Ferner berief Frau Bundesministerin Hendricks sie im Juli 2016 zur Vorsitzenden der Geschäftsführung der Bundesgesellschaft für Endlagerung.

Frau Ministerin Heinen-Esser hat nicht zuletzt durch diese Tätigkeiten und Funktionen den Beweis angetreten, dass sie in vorzüglicher Weise geeignet ist, dieses sehr herausfordernde und verantwortungsvolle Amt für unser Land Nordrhein-Westfalen zu übernehmen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Beifall von der Regierungsbank)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Sehr geehrte Damen und Herren, nach Art. 53 unserer Landesverfassung leisten die Mitglieder der Landesregierung bei ihrem Amtsantritt vor dem Landtag den in dieser Vorschrift formulierten Amtseid.

Zu diesem Zweck bitte ich Frau Ministerin Ursula Heinen-Esser, in die Mitte des Plenarsaals zu kommen, um dort den Amtseid zu leisten. Die übrigen Anwesenden bitte ich, soweit es ihnen möglich ist, sich von ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Sehr geehrte Frau Ministerin, der gemäß Art. 53 der Landesverfassung zu leistende Amtseid lautet:

„Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle des Landes Nordrhein-Westfalen widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten, Verfassung und Gesetz wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Gemäß Art. 53 Abs. 3 der Landesverfassung kann der Eid auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.

Sehr geehrte Frau Ministerin, bitte heben Sie die Schwurhand und leisten den in der Landesverfassung vorgesehenen Amtseid, indem Sie die Worte „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe“ sprechen.

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Präsident André Kuper: Sehr geehrte Frau Ministerin, ich darf Ihnen im Namen des Hohen Hauses herzlich gratulieren. Ich wünsche Ihnen eine glückliche und gute Hand zum Wohle der Menschen in Nordrhein-Westfalen!

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herzlichen Dank, Herr Präsident.

Präsident André Kuper: Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute!

(Allgemeiner Beifall – Beifall von der Regierungsbank)

Damit sind wir am Ende des Tagesordnungspunktes 1 angekommen.

Ich rufe auf:

2   Wahl und Vereidigung von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2818

Zu diesem Tagesordnungspunkt darf ich die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Frau Dr. Ricarda Brandts, und die Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Frau Margarete Gräfin von Schwerin, sowie weitere Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs herzlich begrüßen.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2018 hat der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen mitgeteilt, dass die Wahlperiode der amtierenden Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen und ihrer Stellvertreter am 21. Juni 2018 abläuft. Betroffen von der endenden Wahlperiode sind die Wahlmitglieder Frau Professor Dr. Barbara Dauner-Lieb, Herr Dr. Andreas Heusch, Herr Dr. Claudio Nedden-Boeger und Herr Professor Dr. Joachim Wieland sowie deren Stellvertreter.

Gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen werden die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs vom Landtag in geheimer Wahl ohne Aussprache mit Zweidrittelmehrheit für die Dauer von zehn Jahren gewählt. Für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter zu wählen.

Mit Drucksache 17/2818 liegt Ihnen ein Wahlvorschlag vor, der zur Wahl als ordentliche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen Frau Professor Dr. Barbara Dauner-Lieb, Herrn Dr. Andreas Heusch, Herrn Dr. Claudio Nedden-Boeger und Herrn Professor Dr. Joachim Wieland sowie als Stellvertreter Herrn Professor Dr. Christian Hillgruber – für Frau Professor Dr. Barbara Dauner-Lieb –, Herrn Professor Dr. Klaus-Ferdinand Gärditz – für Herrn Dr. Andreas Heusch –, Herrn Professor Dr. Christoph Gusy – für Herrn Dr. Claudio Nedden-Boeger – und Herrn Professor Gereon Wolters – für Herrn Professor Dr. Joachim Wieland – vorsieht.

Eine Aussprache ist nach dem Gesetz ausgeschlossen, sodass wir unmittelbar zur geheimen Wahl kommen.

Der Ältestenrat hat sich einvernehmlich darauf verständigt, die Wahl als verbundene Einzelwahl im Rahmen eines Wahlvorganges durchzuführen. – Ich sehe, dass es hiergegen keine Bedenken gibt. Dann verfahren wir so.

Zu dem Wahlvorschlag gebe ich noch folgende Hinweise:

Die Ausgabe der Wahlunterlagen erfolgt an den hierfür vorgesehenen Tischen. Nach Aufruf Ihres Namens erhalten Sie dort einen Stimmzettel, auf dem Sie insgesamt acht Wahlentscheidungen zu treffen haben. Sie können jeweils mit Ja, Nein oder Enthaltung stimmen.

Für die Stimmabgabe benutzen Sie bitte die hinten links und rechts aufgestellten Wahlkabinen, die so platziert worden sind, dass die Durchführung einer geheimen Wahl sichergestellt ist. Bitte werfen Sie den Stimmzettel einmal gefaltet in eine der beiden Wahlurnen.

Beim Ausfüllen des Stimmzettels bitte ich Sie, nur die in den Wahlkabinen ausliegenden Dokumentenstifte zu benutzen. Bei einer anderweitigen Kennzeichnung mit Tinte, Kugelschreiber oder Farbstift ist die Geheimhaltung der Wahl nicht gewährleistet, da in einem solchen Fall die Stimmabgabe dem Wahlberechtigten zugeordnet werden könnte. Ein derart gekennzeichneter Stimmzettel müsste deshalb als ungültig gewertet werden.

Gibt es noch Fragen oder Anmerkungen? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist.

Dann bitte ich die eingeteilten Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Positionen an den Tischen zur Ausgabe der Wahlunterlagen und an den Wahlkabinen sowie Wahlurnen einzunehmen, damit wir mit der geheimen Wahl beginnen können.

Ich eröffne die Wahlhandlung und bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt.)

Meine Damen und Herren, der Namensaufruf ist damit abgeschlossen. Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Stimmen abzugeben.

(Die Schriftführerinnen und Schriftführer geben ihre Stimme ab.)

Nachdem auch die Schriftführerinnen und Schriftführer gewählt haben, frage ich: Haben alle Abgeordneten ihre Stimme abgegeben? – Das ist offenbar der Fall. Ich schließe damit die Wahlhandlung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen.

Ich unterbreche die Sitzung für kurze Zeit bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Da die Auszählung vermutlich nicht allzu lange dauern wird, halten Sie sich bitte während der Unterbrechung hier im Plenarsaal oder zumindest in benachbarten Bereichen auf.

(Die Stimmen werden ausgezählt.)

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe Ihnen die Ergebnisse der insgesamt acht Einzelwahlen bekannt. – Dem Landtag gehören 199 Abgeordnete an; fünf Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt.

a) Ich stelle das Ergebnis der Wahl des ordentlichen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Frau Professor Dr. Barbara Dauner-Lieb fest. Gültige Stimmen: 191; ungültige Stimmen: 0. Von den gültigen Stimmen entfielen auf Ja 183, auf Nein 3, auf Enthaltung 5. Nach dem vorliegenden Ergebnis entfallen auf den Wahlvorschlag Frau Professor Dr. Barbara Dauner-Lieb mehr als zwei Drittel der Stimmen. Dies stelle ich ausdrücklich gemäß Art. 44 Abs. 2 der Landesverfassung in Verbindung mit § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung fest. Damit ist Frau Professor Dr. Barbara Dauner-Lieb zum ordentlichen Mitglied des Verfassungsgerichtshofs gewählt.

b) Feststellung des Ergebnisses der Wahl des ordentlichen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Herrn Dr. Andreas Heusch. Gültige Stimmen: 190; ungültige Stimmen: 1. Von den gültigen Stimmen entfielen auf Ja 153, auf Nein 19, auf Enthaltung 18. Nach dem vorliegenden Ergebnis entfallen auf den Wahlvorschlag Herr Dr. Andreas Heusch mehr als zwei Drittel der Stimmen. Dies stelle ich ausdrücklich gemäß Art. 44 Abs. 2 der Landesverfassung in Verbindung mit § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung fest. Damit ist Herr Dr. Andreas Heusch zum ordentlichen Mitglied des Verfassungsgerichtshofs gewählt.

c) Feststellung des Ergebnisses der Wahl des ordentlichen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Herrn Dr. Claudio Nedden-Boeger. Gültige Stimmen: 191; ungültige Stimmen: 0. Von den gültigen Stimmen entfielen auf Ja 180, auf Nein 4, auf Enthaltung 7. Nach dem vorliegenden Ergebnis entfallen auf den Wahlvorschlag Herr Dr. Claudio Nedden-Boeger mehr als zwei Drittel der Stimmen. Dies stelle ich ausdrücklich gemäß Art. 44 Abs. 2 der Landesverfassung in Verbindung mit § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung fest. Damit ist Herr Dr. Claudio Nedden-Boeger zum ordentlichen Mitglied des Verfassungsgerichtshofs gewählt.

d) Feststellung des Ergebnisses der Wahl des ordentlichen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Herrn Professor Dr. Joachim Wieland. Gültige Stimmen: 191; ungültige Stimmen: 0. Von den gültigen Stimmen entfielen auf Ja 170, auf Nein 16, auf Enthaltung 5. Nach dem vorliegenden Ergebnis entfallen auf den Wahlvorschlag Herr Professor Dr. Joachim Wieland mehr als zwei Drittel der Stimmen. Dies stelle ich ausdrücklich gemäß Art. 44 Abs. 2 der Landesverfassung in Verbindung mit § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung fest. Damit ist Herr Professor Dr. Joachim Wieland zum ordentlichen Mitglied des Verfassungsgerichtshofs gewählt.

e) Feststellung des Ergebnisses der Wahl des stellvertretenden Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Herrn Professor Dr. Christian Hillgruber. Gültige Stimmen: 191; ungültige Stimmen: 0. Von den gültigen Stimmen entfielen auf Ja 184, auf Nein 3, auf Enthaltung 4. Nach dem vorliegenden Ergebnis entfallen auf den Wahlvorschlag Herr Professor Dr. Christian Hillgruber mehr als zwei Drittel der Stimmen. Dies stelle ich ausdrücklich gemäß Art. 44 Abs. 2 der Landesverfassung in Verbindung mit § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung fest. Damit ist Herr Professor Dr. Christian Hillgruber zum Stellvertreter von Frau Professor Dr. Barbara Dauner-Lieb gewählt.

f) Feststellung des Ergebnisses der Wahl des stellvertretenden Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Herrn Professor Dr. Klaus-Ferdinand Gärditz. Gültige Stimmen: 191; ungültige Stimmen: 0. Von den gültigen Stimmen entfielen auf Ja 184, auf Nein 2, auf Enthaltung 5. Nach dem vorliegenden Ergebnis entfallen auf den Wahlvorschlag Herr Professor Dr. Klaus-Ferdinand Gärditz mehr als zwei Drittel der Stimmen. Dies stelle ich ausdrücklich gemäß Art. 44 Abs. 2 der Landesverfassung in Verbindung mit § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung fest. Damit ist Herr Professor Dr. Klaus-Ferdinand Gärditz zum Stellvertreter von Herrn Dr. Andreas Heusch gewählt.

g) Feststellung des Ergebnisses der Wahl des stellvertretenden Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Herrn Professor Dr. Christoph Gusy. Gültige Stimmen: 191; ungültige Stimmen: 0. Auf Ja entfielen 167, auf Nein 17, auf Enthaltung 7. Nach dem vorliegenden Ergebnis entfallen auf den Wahlvorschlag Herr Professor Dr. Christoph Gusy mehr als zwei Drittel der Stimmen. Dies stelle ich ausdrücklich gemäß Art. 44 Abs. 2 der Landesverfassung in Verbindung mit § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung fest. Damit ist Herr Professor Dr. Christoph Gusy zum Stellvertreter von Herrn Dr. Claudio Nedden-Boeger gewählt.

h) Feststellung des Ergebnisses der Wahl des stellvertretenden Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Herrn Professor Dr. Gereon Wolters. Gültige Stimmen: 191; ungültige Stimmen: 0. Von den gültigen Stimmen entfielen auf Ja 182, auf Nein 3, auf Enthaltung 6. Nach dem vorliegenden Ergebnis entfallen auf den Wahlvorschlag Herr Professor Dr. Gereon Wolters mehr als zwei Drittel der Stimmen. Dies stelle ich ausdrücklich gemäß Art. 44 Abs. 2 der Landesverfassung in Verbindung mit § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung fest. Damit ist Herr Professor Dr. Gereon Wolters zum Stellvertreter von Herrn Professor Dr. Joachim Wieland gewählt.

Ich frage nun der Reihe nach, zunächst einmal Frau Professor Dr. Dauner-Lieb: Nehmen Sie die Wahl an?

Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb: Ja.

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Ich frage Herrn Dr. Heusch: Nehmen Sie die Wahl an?

Dr. Andreas Heusch: Ja.

Präsident André Kuper: Ich frage Herrn Dr. Nedden-Boeger: Nehmen Sie die Wahl an?

Dr. Claudio Nedden-Boeger: Ich nehme die Wahl an, ja.

Präsident André Kuper: Ich frage Herrn Professor Dr. Wieland: Nehmen Sie die Wahl an?

Prof. Dr. Joachim Wieland: Ja.

Präsident André Kuper: Ich frage Herrn Professor Dr. Hillgruber: Nehmen Sie die Wahl an?

Prof. Dr. Christian Hillgruber: Ich nehme die Wahl an.

Präsident André Kuper: Ich frage Herrn Professor Dr. Gärditz: Nehmen Sie die Wahl an?

Prof. Dr. Klaus-Ferdinand Gärditz: Ich nehme die Wahl an.

Präsident André Kuper: Ich frage Herrn Professor Dr. Gusy: Nehmen Sie die Wahl an?

Prof. Dr. Christoph Gusy: Ich nehme die Wahl an.

Präsident André Kuper: Ich frage Herrn Professor Dr. Wolters: Nehmen Sie die Wahl an?

Prof. Dr. Gereon Wolters: Ich nehme die Wahl an.

Präsident André Kuper: Dann gratuliere ich Ihnen allen im Namen des Hohen Hauses und bitte Sie, zur Vereidigung nach vorne zum Mikrofon zu kommen. Ich bitte die Anwesenden, sich, soweit möglich, für die Vereidigung von ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen. Präsident Kuper und die Gewählten begeben sich in die Mitte des Saales.)

Nach § 5 Satz 2 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen leisten sämtliche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und ihre Vertreter, bevor sie ihr Amt antreten, vor dem Landtag den in dieser Vorschrift formulierten Eid:

„Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren, ich werde Sie nun namentlich aufrufen und bitte Sie, dann einzeln zu mir zu treten. Danach heben Sie bitte die Schwurhand und leisten den gerade vorgetragenen Amtseid, indem Sie die Worte „Ich schwöre es. So wahr mir Gott helfe“ sprechen. Sollten Sie den Eid ohne religiöse Beteuerung leisten wollen, sprechen Sie bitte nur die Worte „Ich schwöre es“.

Ich darf zuerst Frau Professor Dr. Barbara Dauner-Lieb zu mir bitten, um den Amtseid zu leisten.

Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb: Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Präsident André Kuper: Herzlichen Glückwunsch. – Ich darf Herrn Dr. Andreas Heusch bitten.

Dr. Andreas Heusch: Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Präsident André Kuper: Herzlichen Glückwunsch. – Herr Dr. Claudio Nedden-Boeger.

Dr. Claudio Nedden-Boeger: Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Präsident André Kuper: Herzlichen Glückwunsch. – Herr Professor Dr. Joachim Wieland.

Prof. Dr. Joachim Wieland: Ich schwöre es.

Präsident André Kuper: Herzlichen Glückwunsch. – Herr Professor Dr. Christian Hillgruber.

Prof. Dr. Christian Hillgruber: Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Präsident André Kuper: Herzlichen Glückwunsch. – Herr Professor Dr. Klaus-Ferdinand Gärditz.

Prof. Dr. Klaus-Ferdinand Gärditz: Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.

Präsident André Kuper: Herzlichen Glückwunsch. – Herr Professor Dr. Christoph Gusy.

Prof. Dr. Christoph Gusy: Ich schwöre es.

Präsident André Kuper: Herzlichen Glückwunsch  – Herr Professor Dr. Gereon Wolters.

Prof. Dr. Gereon Wolters: Ich schwöre es.

Präsident André Kuper: Herzlichen Glückwunsch! – Damit darf ich Ihnen allen noch einmal im Namen des Hohen Hauses gratulieren und wünsche Ihnen eine gute und erfolgreiche Arbeit.

(Langanhaltender allgemeiner Beifall – Vertreter der Fraktionen sprechen den Gewählten Glückwünsche aus und überreichen Blumensträuße.)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann fahren wir jetzt in der Tagesordnung fort.

Ich rufe auf:

3   Zukunft der Kohleverstromung ökonomisch und sozial verantwortbar gestalten – Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ muss Interessen des Industrie- und Energielandes Nordrhein-Westfalen im Blick haben

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2800

Die Fraktionen der CDU und der FDP haben mit Schreiben vom 11. Juni 2018 gem. § 95 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung zu der oben genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion der CDU Herr Kollege Löttgen das Wort.

(Beifall von der CDU)

Bodo Löttgen (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! CDU und FDP haben eine Aktuelle Stunde beantragt, um über eine gute Zukunft für unser Land zu diskutieren – eine Zukunft, die ohne gute und kluge Entscheidungen der am 6. Juni 2018 durch das Bundeskabinett eingesetzten Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ – verkürzt oft leider nur „Kohlekommission“ genannt – schwerer zu gestalten ist.

Unsere gemeinsame Intention muss es sein, diese Kommission bei der Erarbeitung von Lösungen darin zu unterstützen, die vitalen Interessen unseres Landes Nordrhein-Westfalen in den Bereichen Strukturwandel, zukunftssichere Arbeitsplätze, Erhalt des Industriestandortes durch sichere Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen und – nicht oder! – Klimaschutz durch schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung nicht nur zu berücksichtigen, sondern so gut wie irgend möglich umzusetzen.

Miteinander zu sprechen ist besser als gegeneinander zu schweigen.

Deshalb ist es gut und richtig, dass von Gewerkschaften bis hin zu Umweltschützern, von Arbeitgebern und Industrievertretern bis hin zu Vertretern aus der Politik alle gemeinsam an einem Tisch sitzen. Für uns ist es aber von besonderer Bedeutung, dass sich der Ministerpräsident, der Wirtschaftsminister, Ronald Pofalla als Vorsitzender und die Vertreter aus den betroffenen Regionen für die Wahrung der Interessen Nordrhein-Westfalens einbringen.

(Beifall von der CDU)

Drei wichtige Aufträge kennzeichnen die Arbeit der Kommission.

Der erste Auftrag ist die Schaffung einer konkreten Perspektive für neue, zukunftssichere Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen. Ja, Nordrhein-Westfalen hat betroffene Regionen. Mit dem Ende des Steinkohlebergbaus in Bottrop und Ibbenbüren verschwindet am 21. Dezember 2018 eine stolze und traditionsreiche Industriebranche aus Nordrhein-Westfalen. Von mehr als 600.000 Menschen, die Ende der 50er-Jahre in dieser Branche Arbeit fanden, ist die Zahl der Beschäftigten heute auf rund 5.000 Menschen gesunken.

In der „Welt“ vom 15. Dezember 2017 wird die Kollegin der Grünen Wibke Brems mit dem vorangestellten Satz, Bergbaukritiker warnten vor historischer Verklärung, wie folgt zitiert:

„Die Steinkohleverstromung hat ganze Landstriche verrußt, das Klima massiv geschädigt und ist über viele Jahre teuer subventioniert worden.“

Ich möchte Ihnen, Frau Brems, gar nicht widersprechen. Ihre eindimensionale Sicht der Dinge jedoch, Ihre Regenbogenbrille, die Sie tragen, blendet eine zweite, gewichtige Seite des Steinkohlebergbaus vollkommen aus: die Kohle fördernden und sie weiterverarbeitenden Unternehmen. Die Menschen, die dort unter schwierigsten Bedingungen gearbeitet haben, haben über Jahrzehnte die Energieversorgung gesichert, Arbeitsplätze gerade in unserem Land geschaffen und Nordrhein-Westfalen überhaupt erst zum Industrieland gemacht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb, sehr geehrte Frau Brems, stelle ich neben Ihre historische Verklärung auch einmal die historische Leistung, die dort erbracht worden ist. Diese Leistung ist für uns heute Verpflichtung – Verpflichtung, sich um die Nutzung der riesigen freien Bergwerksflächen zu kümmern, Entwicklung zu ermöglichen, Neuansiedlungen von Unternehmen zuzulassen, statt sie zu erschweren, Verantwortung zu übernehmen, und zwar nicht nur für die 5.000 Kumpel, die auf zukunftssichere Arbeitsplätze angewiesen sind, sondern für alle im Revier.

Diese Landesregierung stellt sich der Verantwortung, nämlich mit der Ruhrkonferenz und der aktiven Platzierung des Ruhrgebietes als Thema der Kommission. Gleiches gilt für das Rheinische Braunkohlerevier in der Kölner Bucht.

Menschen, Kommunen, Landschaften, die betroffen sind, werden durch ihre Leistung für uns alle – insofern sind sie betroffen – in Mitleidenschaft gezogen; sie wurden und werden noch heute in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb muss der Grundsatz gelten: zuerst die Perspektive für die Menschen und dann der Ausstieg aus der Kohle.

Jetzt gilt es, stabile rechtliche und politische Rahmenbedingungen für das Rheinische Braunkohlerevier zu schaffen. Wir stehen zur Leitentscheidung, die hier getroffen worden ist.

(Beifall von der CDU)

Die Grünen haben sie aufgekündigt. Wir stehen für Planungssicherheit in der Region. – Die Grünen haben sie aufgekündigt! So geht man nicht mit Menschen um, die für unsere Energiesicherheit arbeiten!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Statt sich aber über die personelle Zusammensetzung der Kommission zu mokieren, sollten Sie, liebe Grüne, lieber Ihren Einfluss auf die neue Co-Vorsitzende Frau Baerbock geltend machen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wer regiert denn in Berlin? Das ist ja lustig hier!)

– Ja, nun warten Sie erst mal ab; Sie wissen ja gar nicht, was Ihre Co-Vorsitzende gesagt hat. – Sie hat in einem „taz“-Interview am 6. Juni 2018 auf die Frage, wie denn die 1,5 Milliarden €, die der Bund zur Verfügung stellen will, ihrer Meinung nach eingesetzt werden sollen, geantwortet: „Es sollte in die Regionen gehen, vor allem in die Lausitz (…)“.

Das, meine Damen und Herren, müssen Sie ändern! Wir in Nordrhein-Westfalen brauchen den Hauptanteil, und nicht andere Bundesländer. Setzen Sie sich dafür ein, dann tun Sie ein gutes Werk.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die zweite zentrale Aufgabe ist die Entwicklung eines Instrumentenmixes, der wirtschaftliche Entwicklung, Strukturwandel, Sozialverträglichkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Klimaschutz zusammenbringt und zeitgleich Perspektiven für zukunftsfähige Energieregionen im Rahmen der Energiewende eröffnet.

Dieses Hexagon ist eine Herausforderung, die es zu erfüllen gilt, aber bei weitem keine Hexerei, wenn man eine simple Regel der Mathematik für reguläre Sechsecke berücksichtigt: Alle Seiten sind gleich, alle Winkel gleich groß: Wirtschaftliche Entwicklung, Strukturwandel, Sozialverträglichkeit, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Klimaschutz und zukunftsfähige Energieregionen sind alle unter dem gleichen Blickwinkel zu betrachten. Sie sind für uns alle von gleicher Wertigkeit.

Aus der Atomindustrie kann man aussteigen, aus der Chemieindustrie nicht. – Das sagte 1993 der damalige hessische Umweltminister Joschka Fischer. Er hatte damals recht, und er hat auch heute recht. Es ist geradezu ein Appell an uns und an die Kommission, bestehende Wertschöpfungsketten in den Blick zu nehmen, die Abhängigkeit zwischen den Beteiligten zu beachten und jedem der sechs Themenfelder die eigene herausgehobene Bedeutung zukommen zu lassen.

Drittens: Vorlage eines Plans zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung. Ich will es kurz machen: Diese Landesregierung steht zu den vereinbarten klimapolitischen Zielen. Das Ende des Steinkohlebergbaus steht bevor. Das Ende der Braunkohleverstromung ist vereinbart und nach heutigen, auch technologischen, Maßstäben – so sah es auch die alte rot-grüne Landesregierung – für 2045 vorgesehen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit!

Bodo Löttgen (CDU): Ändern sich die Möglichkeiten, kann es in der Abwägung von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten auch gelingen, bezahlbare Versorgungssicherheit mit einem früheren Abbauende zu verbinden.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Interessen des Industrie- und Energielandes Nordrhein-Westfalen auch in dieser Kommission gewahrt werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Löttgen. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Rasche.

Christof Rasche (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ werden insbesondere Nordrhein-Westfalen betreffen. Es geht um die Zukunft und die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Industrie- und Energielandes Nummer eins in Deutschland.

Es geht um 1,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Industrie. Es geht um 17.000 Industrieunternehmen in Nordrhein-Westfalen. Es geht um 250.000 Beschäftigte in der energieintensiven Industrie in Nordrhein-Westfalen. Es geht um ca. 9 Millionen Privathaushalte. Natürlich stehen auch und gerade die Zukunft und der Strukturwandel des Rheinischen Reviers und des Ruhrgebiets im Blickpunkt. Dazu wird gleich der Kollege Brockes noch mehr sagen.

Wer nur von einer „Kohleausstiegskommission“ redet und immer die Frage nach dem Zeitpunkt des Ausstiegs aus der Kohleverstromung in den Mittelpunkt stellt, der hat die Aufgabe nicht verstanden, oder aber er verfolgt andere Interessen für das Land Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deutschland hat sich sehr viel vorgenommen: Atomausstieg, Pariser Klimaschutzziele, Ausbau der erneuerbaren Energien und Mobilitätswende. Wenn wir nur einzelne Aspekte betrachten, werden wir unser Ziel niemals erreichen; denn teilweise widersprechen sich die Lösungsansätze total. Ersetze ich einen Diesel durch einen Benzinmotor, sinkt der Ausstoß von Stickoxiden. Ersetze ich einen Benziner durch einen Diesel, sinkt der CO2-Ausstoß. Welchen Weg sollen wir gehen? Auch darauf muss die Kommission eine Antwort geben.

Außerdem sollten wir andere Industriestaaten nicht ignorieren. Manche setzen auf Kohle, manche auf Atomstrom. Eine ganze Reihe von großen Industriestaaten setzt sogar auf beide Energieträger. Kein einziger Industriestaat kommt auf die Idee, heute oder morgen beide Energieträger zusammen abzuschalten.

Ein Ergebnis der deutschen Energiepolitik hat uns über „FAZ-Online“ am 9. Juni 2018 erreicht: Deutschland hat mittlerweile die höchsten Strompreise innerhalb der EU. Das Ziel der Kommission muss sein, sichere, bezahlbare und umweltfreundliche Energie zu sichern. Ein zu früher Ausstieg aus der Kohleverstromung widerspricht diesem Ziel.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deshalb benötigt die Kommission Klugheit, Vernunft, Expertise und vor allem endlich Realismus in der Energiepolitik. Deshalb ist es sehr gut, dass Minister Pinkwart in der Kommission die Regierung vertritt und zudem die Interessen in Nordrhein-Westfalen bündelt. Ein breites NRW-Bündnis ist notwendig, um die energiepolitischen Ziele Nordrhein-Westfalens zu erreichen. Zu diesem Bündnis gehört sicherlich auch der IG BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Kutschaty, eine besondere Verantwortung liegt bei der nordrhein-westfälischen Sozialdemokratie. Wir erwarten, dass die SPD einen klaren Kompass hat und diesem auch folgt. Die damalige NRW-Ministerin Svenja Schulze hat 2016 mit der Regierung und der Koalition von SPD und Grünen die Nutzung der Braunkohle bis 2045 beschlossen, ohne Wenn und Aber.

Als Bundesumweltministerin verfolgt sie aktuell andere Ziele. Diese sind aber frei aus der Luft gegriffen und haben keinen sachlichen Hintergrund. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land erwarten von der Kommission Realismus und Verlässlichkeit. Diese Erwartung übertragen Sie auch auf die Kolleginnen und Kollegen der SPD.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Kommission muss ihrem Namen gerecht werden. Sie muss Wachstum und Beschäftigung stärken und den Strukturwandel gestalten, und zwar durch Investitionen in neue Technologien, Digitalisierung und Infrastruktur, durch den Abbau von Bürokratie – Nordrhein-Westfalen ist hier vorangeschritten – sowie die Gestaltung des freien Handels, des Freihandels, trotz Brexit, G7 und Trump.

Die Kommission muss energiepolitische Rahmenbedingungen verbessern und die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele ermöglichen: durch Wettbewerb statt Subventionen, durch realistische Zwischenziele – das ist besser als durch parteipolitisch motivierte Jahreszahlen –, durch Forschung und Entwicklung sowie Technologieoffenheit statt ideologischer Vorgaben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kommission ist vielfältig besetzt. Die Interessen sind unterschiedlich. Es gibt zum Teil übermotivierte politische Ziele. Die Aufgaben sind gewaltig. Die Menschen in unserem Land erwarten Vorschläge für die ganz konkreten Fragen und Probleme von heute.

Dazu gehören die Fragen: Wie sichern wir Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung in der nordrhein-westfälischen Industrie und im gesamten Mittelstand? Was unternimmt die Bundesregierung dagegen, dass Deutschland mittlerweile die höchsten Strompreise in der EU hat? Wie schaffen wir Beschäftigungs- und Wachstumschancen für die Zukunft? Wie erreichen wir – das gehört natürlich dazu – die ökologischen Ziele?

Ich persönlich habe großen Zweifel daran, dass wir bis Ende 2018 wesentliche Ziele erreichen können. Im Interesse der Menschen, der Beschäftigten und der Unternehmen in Nordrhein-Westfalen, übrigens auch in ganz Deutschland, ist es wichtiger, diesen Interessen zu folgen, als einen selbst gesetzten und sehr fragwürdigen Zeitplan einzuhalten.

Wir stehen vor gewaltigen Aufgaben. Es wäre gut für Nordrhein-Westfalen, wenn die wesentlichen Player in diesem Hohen Hause gemeinsam – und zwar in die richtige Richtung – an einem Strick ziehen würden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Kutschaty das Wort.

Thomas Kutschaty (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben in diesem Lande viele Jahre, ja sogar Jahrzehnte, Verantwortung getragen, wenn es um die Frage des Strukturwandels ging.

Ich darf Ihnen auch sagen: Wir sind gerne bereit, diese Verantwortung weiterhin zu tragen, und bieten Ihnen ausdrücklich unsere Unterstützung an. Das setzt allerdings auch voraus, sehr geehrter Herr Kollege Rasche, sehr geehrter Herr Kollege Löttgen, dass Sie einen erkennbaren Kurs in der Energiepolitik dieses Landes haben. Dann sind wir gerne bereit, gegebenenfalls Positionen zu unterstützen.

(Beifall von der SPD)

Ihre beiden Redebeiträge heute haben wieder einmal deutlich gemacht, dass die Industrie- und Energiepolitik offensichtlich nicht zu Ihren Kernkompetenzen gehört. Sie reden – das muss man hier auch einmal festhalten – seit Jahren über Energiepolitik wie Pinguine über den Nordpol. Der amateurhafte Versuch Ihres Ministerpräsidenten, die belgische Regierung dazu zu bewegen, die Atomkraftwerke stillzulegen, zeigt schon, wie wenig Konzept hinter einzelnen Aktionen dieser Landesregierung steht. Das ist in dem Zusammenhang noch einmal sehr deutlich geworden.

(Beifall von der SPD)

Nun beantragen Sie diese Aktuelle Stunde. Da haben wir uns gefreut und gesagt: Jetzt hören wir etwas Neues; jetzt kommen neue Impulse von CDU und FDP, wie sie den Strukturwandel gerade auch im Rheinischen Revier gestalten wollen. Aber schon wenn man sich den Antragstext durchliest, erkennt man, dass er die völlige Konzeptlosigkeit und Bigotterie Ihrer Energiepolitik widerspiegelt. Dort heißt es nämlich:

Bund und Länder müssten im Rahmen der Kommissionsarbeit dafür kämpfen, dass die Zukunft der Kohleverstromung ökonomisch und sozial verantwortbar gestaltet werde. Die Landesregierung wolle Strukturbrüche vermeiden und Impulse setzen, und zwar nicht irgendwelche Impulse, sondern entscheidende.

Welche das sein sollen, das deuten Sie aber noch nicht einmal an, genauso wenig wie Ihr Ministerpräsident, dessen energiepolitische Plattitüden Sie in Ihrem Antragstext rauf und runter zitieren: Für Strukturwandel im Rheinischen Revier müsse man etwas tun. Unsere energieintensiven Industrien müssten zu jeder Zeit über bezahlbaren Strom verfügen können. Das Ende der Braunkohleverstromung vor 2045 sei denkbar, aber nur unter verschiedenen Abwägungsinteressen.

Welche süße Säuselei! Leider steckt aber auch viel Heuchelei dahinter.

(Beifall von der SPD)

Die Wahrheit ist doch: Es war Ihr Ministerpräsident Armin Laschet, der sich im vergangenen Herbst bei einem Glas Rotwein im Kanzleramt bereit erklärte, die Braunkohleverstromung bis zum Jahr 2030 um 7 GW zu reduzieren – und zwar ohne jeden Plan für die soziale Abfederung und ohne jedes Konzept für die Versorgungssicherheit!

(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD)

Es war Armin Laschet, der diesen Abwägungsprozess als unnötige Zeitverschwendung gesehen hat. Es war Armin Laschet, der die ökonomische und die soziale Planungssicherheit im Rheinischen Revier für eine neue Machtoption im Bund opfern wollte. So schnell haben Sie Ihre Meinung damals geändert, Herr Laschet!

(Beifall von der SPD)

Das ging selbst der FDP zu weit. Christian Lindner erklärte damals nach den Jamaika-Sondierungen, ganz NRW wäre von dieser Politik betroffen gewesen; die 7 GW weniger Kohlestrom hätten im Rheinischen Revier zu echten Strukturbrüchen und sozialen Verwerfungen geführt. Das ist das vernichtende Urteil Ihres heutigen Koalitionspartners, Herr Ministerpräsident.

Glauben Sie allen Ernstes, die Menschen im Rheinischen Revier hätten Ihr Verhalten in Berlin schon vergessen? Glauben Sie wirklich, dass man die Menschen hier verarschen und veräppeln kann? Das ist wirklich nicht das, was ein Ministerpräsident tun sollte.

(Beifall von der SPD – Widerspruch von der CDU und der FDP – Zuruf von der CDU: Spitzenrede!)

Was sollen wir von einer Landesregierung halten, deren Ministerpräsident sagt, der Ausstieg aus der Kohle komme vielleicht 2045, vielleicht aber auch schon 2030, vielleicht aber auch irgendwann, möglicherweise dazwischen? Herr Ministerpräsident, der Energiesektor ist kein Freibad, das man abhängig von der politischen Wetterlage öffnen oder schließen kann.

(Beifall von der SPD)

Hier braucht es vernünftige, verlässliche Planungen. Wir warten einmal ab, wann und ob die Strukturwandelkommission einen Ausstiegszeitpunkt vorschlagen wird. Wir erwarten von dieser Landesregierung aber, dass sie sich keinen Ausstiegsbescheid zustellen lässt, sondern selbst eine begründete Position entwickelt, um überhaupt verhandlungsfähig zu sein.

(Beifall von der SPD)

Wir erwarten von einer nordrhein-westfälischen Landesregierung zudem, dass sie nicht sämtliche Verantwortung auf eine Berliner Kommission überträgt, sondern selbst bereit ist, Verantwortung für das Rheinische Revier und für die Zukunft der Menschen in unserem Bundesland zu übernehmen. Eine nordrhein-westfälische Landesregierung muss selbst einen Zukunftsplan für das Rheinische Revier entwickeln und ihn auch durchsetzen.

Es geht hier um Vernetzung von Wissenschaft und mittelständischen Unternehmen. Es geht um moderne Infrastruktur. Es geht um digitale Kommunikationstechnologien. Es geht um den Ausbau regenerativer Energien und zuletzt auch um gutes Wohnen. Diese Ideen und Konzepte erwarten die Menschen von der Landesregierung. Das haben sich die Menschen aus den Braunkohlerevieren auch verdient. Niemand darf ins Bergfreie fallen.

(Beifall von der SPD)

Kinder und Enkelkinder der heutigen Bergleute können Ingenieurinnen und Wissenschaftler sein, Facharbeiter und Unternehmerinnen. Sie können gute und sichere Einkommen haben, wenn eine Fülle neuer Unternehmen in ihrer Region produzieren, Handel treiben und forschen möchte. Aber all das setzt voraus, dass die Politik und eben auch die Landespolitik Planungssicherheit schafft und auf eine aktive Strukturpolitik setzt.

Nordrhein-Westfalen hat der Kohle und der Braunkohle – ich glaube, da sind wir uns einig – viel zu verdanken. Braunkohle werden wir noch für eine gewisse Zeit als Geleitschutz brauchen, um den Weg zur klimaneutralen Energieversorgung hinzubekommen. Bis dahin haben die Menschen dort in der Region aber ein Recht auf Anerkennung ihrer Leistungen, die sie für unser Land erbracht haben. Sie haben ein Recht auf gute Arbeit und soziale Sicherheit. Sie haben ein Recht auf aktive Strukturpolitik hier in Nordrhein-Westfalen. Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. Herr Kollege Kutschaty, auch in einer passivischen Formulierungsvariante sind bestimmte Ausdrücke eher dem unparlamentarischen Bereich zuzuordnen. Ich sehe, Sie überdenken das; damit sind dann unsere Verhältnisse klar.

(Zurufe von der SPD und der CDU)

Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Brems.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Manchmal sitzt man da und macht sich im Vorfeld Gedanken, wie solch eine Debatte laufen kann, was man sagen kann. Und dann sitze ich hier und höre meinen Vorrednern zu – und dann werde ich einfach nur noch wütend.

Wenn ich mir anhöre, was Sie hier für scheinheilige Bekenntnisse zum Klimaschutz machen,

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

wie Sie Teile des Bergbaus derart verklären, wie Sie einfach nur noch rückwärtsgewandt sind, und wenn ich dann feststelle, dass von einem Erneuern der SPD überhaupt nichts zu sehen ist – dann macht mich das einfach nur noch wütend!

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der SPD und der FDP)

Sie meinen, Sie müssten sich hier zu einem Klimaschutz bekennen, weil es die Öffentlichkeit so erwartet; aber eigentlich wollen Sie alle nur business as usual.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie wollen einfach weitermachen wie bisher, ganz nach dem rheinischen Motto: „Et hätt noch emmer joot jejange.“ Aber beim Klimaschutz geht gar nichts mehr gut! Alle reden vom Klimaschutz, außer ein paar Verschwörungstheoretikern da ganz rechts außen. Alle applaudieren, wenn der frühere UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon sagt, die Erwärmung der Erde sei so gefährlich wie Kriege, oder wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel die Klima- und Energiefrage die Überlebensfrage der Menschheit nennt.

Tja, das hörte sich mal gut an.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Diese Zitate sind mehr als zehn Jahre alt. Sie stammen aus 2007. Und was ist seitdem passiert? – Deutschlands Treibhausgasemissionen stagnieren seit Jahren; deshalb verpasst Deutschland die eigenen Ziele meilenweit. Deutschland bremst den Ausbau der Erneuerbaren mit Deckeln und Ausbaukorridoren und verweigert sich wirksamen Maßnahmen für den Klimaschutz – aus Angst vor Industrie- und Kohlelobby.

Fleißig wird auf andere Nationen gezeigt, die ja noch viel schlimmer oder langsamer seien. Ganz aktuell hat jetzt Energieminister Altmaier die ambitionierteren Ziele für Erneuerbare in ganz Europa torpediert.

Insofern sind Sie alle jetzt in ganz guter Gesellschaft, wenn Sie davon schwafeln – ich kann es leider nicht anders ausdrücken –, dass Sie das Pariser Klimaabkommen begrüßen, und dann einfach nichts tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zwar reden alle ganz anders als Klimaleugner Trump. Aber in diesem Fall handeln alle genauso wie Trump.

(Zurufe von der SPD)

Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich kann gar nicht zum Ausdruck bringen, wie sehr mich die Scheinheiligkeit in dieser Debatte – auch heute – wirklich ankotzt.

(Zurufe von der FDP und der AfD: Oh!)

Der einzige positive Aspekt, den ich dem Ganzen abgewinnen kann, ist, dass die SPD sich in den letzten Wochen und Monaten zu Lobeshymnen für Windenergie und Fotovoltaik versteigt, die in den vergangenen Jahren – auch nach langen Verhandlungen – überhaupt nicht möglich waren. Ich hoffe, dass dies auch die Oppositionszeit überdauert.

Herr Kutschaty, ich muss einfach sagen: Ihre gerade gehaltene Rede war viel alte Kohle und kein bisschen #SPDerneuern. Ich bin da sehr enttäuscht.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Helmut Seifen [AfD] – Weitere Zurufe von der AfD)

Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Das Pariser Klimaabkommen war historisch und wichtig. Aber schon da war es fünf vor zwölf und höchste Zeit, zu handeln. Viel zu viel Zeit wurde seitdem verplempert – so viel, dass die Bundesregierung ihre selbst gesteckten Ziele wieder streicht. Im Einsetzungsbeschluss der Kohlekommission heißt es, die Lücke zur Erreichung des Reduktionsziels bis 2020 solle „so weit wie möglich“ verringert werden.

Das ist doch purer Hohn. Dabei war schon seit Jahren absehbar, dass die Emissionen nicht schnell genug sinken und weitere Maßnahmen notwendig würden. Dazu haben aber CDU und SPD im Bund genauso wenig Rückgrat wie CDU und FDP hier im Land.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der SPD)

Nun gut; jetzt kommt die Kohlekommission, die ja nicht Kohlekommission heißen darf. Sie kann nun endlich ihre Arbeit beginnen – höchste Zeit –, nach langem Hin und Her und großem Zuständigkeitsgerangel.

Dann schaut man sich schon an: Was kommt da aus Nordrhein-Westfalen? Was macht diese schwarz-gelbe Landesregierung? – Ich muss sagen: Sie verweigert sich der Realität.

Der Ministerpräsident sagt, die Kohlekommission dürfe keine Kohleausstiegskommission sein. Ich möchte noch einmal aus dem Einsetzungsbeschluss der Kommission zitieren. Dort heißt es, sie solle einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung erarbeiten. Was ist das anderes als ein Kohleausstieg, Herr Ministerpräsident?

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Sie verweigern sich der Realität, weil beispielsweise namhafte Wirtschaftsunternehmen schon vor Monaten ein geordnetes Verfahren und Planungssicherheit für einen Kohleausstieg gefordert haben, während sich hier im Hause alle anderen – außer uns Grünen – dieser Debatte verweigert haben.

Auch zu Ihren Aussagen, wir hätten längst das Jahr 2045 als Datum für den Kohleausstieg beschlossen, muss ich Ihnen ganz klar sagen: Nein, das steht schon viel länger fest. Wir haben immer gefordert, dass wir früher aus der Kohle raus müssen. Das war immer unser Ziel. Daran arbeiten wir auch weiter.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie verweigern sich auch beispielsweise dem BDEW – er ist ja nicht gerade grün-nahen Positionen verdächtig –, der heute in der „FAZ“ einen schnellen Kohleausstieg fordert.

Da frage ich mich schon, welche Interessen Sie mit Ihrer Politik eigentlich vertreten. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland und selbst im Kohleland Nordrhein-Westfalen wünscht sich einen früheren Kohleausstieg.

(Zuruf von der FDP)

Bei allen Vorrednern konnte man der Meinung sein, dass Sie gar nicht mitbekommen, was da draußen los ist. Ich sage Ihnen: Erkennen Sie alle endlich diese Realitäten an, und handeln Sie danach!

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Klimaveränderungen, die wir in den letzten Wochen schon beobachten konnten, werden in den nächsten Jahren noch viel drastischere Folgen haben. Bei dem, was wir hier an Unwettern und Starkregen hatten, haben wir im Verhältnis noch Glück. Für Millionen von Menschen in Inselstaaten oder für Millionenstädte an den Küsten ist das Erreichen des Pariser Klimaziels existenziell.

(Zuruf von der AfD)

Aber was macht Schwarz-Gelb? Hier redet man viel, bekennt sich lediglich oder zuckt gar mit den Schultern. In bekannter Manier läuft Schwarz-Gelb dann mal wieder planlos durch die Gegend.

Wo ist Ihre Energiestrategie für NRW, die Sie seit Monaten ankündigen, Herr Ministerpräsident? Womit wollen Sie die von Ihnen gefesselte Windenergie ersetzen? Mit noch nicht marktreifer Tiefengeothermie? Sie haben einfach keinerlei energiepolitische Maßnahmen, über die es sich hier zu sprechen lohnt. Ich finde das wirklich fatal.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alles das sind Fragen, die Sie nicht beantworten können. Dabei ist es dringend Zeit, zu handeln. Ich möchte Ihnen hier etwas sagen. Im Namen Ihrer zukünftigen Enkel und Urenkel verlange ich von Ihnen: Seien Sie mutig! Trauen Sie sich und NRW einen schnelleren Kohleausstieg zu! Nehmen Sie endlich Ihre Verantwortung ernst, und handeln Sie! – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Auch Sie werden sicherlich die eine oder andere Formulierung noch einmal überdenken. Bei einem Begriff würde es sich für den parlamentarischen Sprachgebrauch sicherlich empfehlen, ihn anderweitig zu ersetzen, Frau Kollegin. Vielen lieben Dank im Übrigen. – Für die Fraktion der AfD hat der Abgeordnete Loose das Wort. Bitte schön.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Tod der Kernenergie geht es heute um den Tod der Kohleverstromung.

Eine günstige Energieversorgung ist eine wesentliche Voraussetzung für Wohlstand und Wachstum in der gesamten Welt. Diese günstige Energieerzeugung haben Sie, liebe Parteien des letzten Jahrtausends, bereits durch Ihre Entscheidungen in den vergangenen Jahren aufs Spiel gesetzt.

(Zuruf von der SPD)

Noch im letzten Jahr wollte Ihr Ministerpräsident Laschet für eine Jamaika-Koalition umgerechnet sieben Großkraftwerke in NRW opfern. Daran hängen direkt und indirekt Tausende von Arbeitsplätzen. Und jetzt sorgt sich plötzlich die sozialistische Koalition um die Arbeitsplätze in NRW.

Herr Löttgen, Sie sagten richtig: Aus der chemischen Industrie kann man nicht aussteigen.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

– Richtig! Die chemische Industrie steigt selber aus, und zwar aus Deutschland, wenn Sie Ihre Politik nicht ändern.

(Beifall von der AfD)

In Ihrem Antrag beschreiben Sie, wie Sie sich das Ganze jetzt vorstellen. So wird dort Herr Laschet zitiert:

„Wenn wir technologische Fortschritte machen und erneuerbare Energien speichern können, dann können wir auch über ein früheres Datum reden, …“

Dieses Zitat offenbart in drei Punkten, dass der Tod der Kohleverstromung in Ihren Köpfen bereits beschlossen ist und Sie den Arbeitern nicht einmal eine realistische Chance für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze geben möchten.

Denn Sie reden – erstens – schon von einem früheren Datum für den Kohletod. Sie fassen ihn, wenn denn die Rahmenbedingungen stimmen, ins Auge. Ihnen ist anscheinend völlig egal, wie viele Arbeitsplätze Sie dabei auf Ihr Gewissen laden.

Sie geben der Kohleverstromung keine Chance mehr; denn – zweitens – technische Fortschritte wollen Sie bei der Kohleverstromung anscheinend gar nicht wahrnehmen und können Sie sich nur außerhalb des Kohlebereichs vorstellen.

Dabei gab es doch gerade bei der Kohleverstromung in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte. Statt 30 % Wirkungsgrad bei Braunkohlekraftwerken sind es nun bis zu 45 %. Das heißt: Um eine Kilowattstunde Strom zu produzieren, brauchen Sie jetzt ein Drittel weniger Kohle. Auch bei den Steinkohlekraftwerken wurde in Deutschland der Sprung von etwa 38 % Wirkungsgrad auf fast 45 % geschafft. Das heißt: Diese Kraftwerke verbrauchen 15 % weniger Kohle. Akzeptieren Sie diese technischen Fortschritte doch einmal!

Doch diese neuen Kraftwerke werden dank Ihrer Politik nicht mehr gebaut; denn Sie haben den Markt dafür zerstört. Stattdessen laufen jetzt die alten Kraftwerke, bis sie auseinanderfallen, sich nicht mehr reparieren lassen oder eine Revision sich nicht mehr lohnt. Sie, Herr Laschet, fokussieren sich beim technischen Fortschritt nur auf die sogenannten erneuerbaren Energien.

Als dritten Punkt setzen Sie den Menschen auch noch den Floh von der möglichen Speicherung der Energie ins Ohr. Doch die wirtschaftlichen Möglichkeiten dafür sind in Deutschland und speziell in NRW bereits erschöpft. Sie jedoch verschleudern jetzt Gelder für die Erforschung von Pumpspeicherkraftwerken in NRW: 6,5 Millionen €! Wir werden diese Verschwendung nicht vergessen – und die Bürger auch nicht.

Wo aber waren Sie, als es um den planwirtschaftlichen Eingriff in den Markt ging? Wo waren Sie, als über 100 GW Leistung an Wind- und Solarkraftwerken in den Markt gedrückt wurden? Damit haben Sie und alle Ihre Kollegen aus den anderen sozialistischen Parteien auch zu verantworten, dass ein funktionierendes Marktdesign zerstört wurde.

(Beifall von der AfD)

Die konventionellen Kraftwerke – seien es Steinkohle-, Gas- oder Braunkohlekraftwerke – wurden durch diese Planwirtschaft systematisch aus dem Markt gedrängt. Der Preis für den produzierten Strom ist an der Börse inzwischen auf 3 Cent/kWh gedrückt worden. Damit lassen sich bei den Kohlekraftwerken aber nur die Brennstoffe bezahlen; der Mitarbeiterlohn ist in diesem Preis nicht enthalten. Das heißt: Die Kraftwerke werden über das Gesamtjahr betrachtet unwirtschaftlich.

Genau deshalb mussten die Energieerzeuger in den letzten Jahren auch zig Kraftwerke schließen. Tausende Mitarbeiter, Zehntausende gar bei den Zulieferfirmen, haben dadurch ihren Job verloren.

Wo waren Sie denn, Herr Laschet, als E.ON und RWE Zehntausende von Arbeitnehmern entlassen mussten? Haben Sie da auf Ihre Kanzlerin eingewirkt, damit sie den planwirtschaftlichen Irrweg der sogenannten Energiewende verlässt? Nein, das haben Sie nicht getan. Sie arbeiten sogar noch weiter an der Vernichtung der Arbeitsplätze im konventionellen Sektor. So fordern Sie Subventionen für teure Alternativen wie sogenannte KWK-Kraftwerke und Tiefengeothermie in NRW.

Mit solchen Anträgen, wie wir sie beim letzten Plenum gesehen haben, verspotten Sie all die Malocher, die dafür sorgen, dass wir jederzeit genügend Strom in NRW haben.

(Beifall von der AfD)

Stellen Sie sich einmal vor, was passieren würde, wenn all diese Menschen, die Mitarbeiter der Kraftwerke, in einen Generalstreik träten! Dann würden Sie sehen, wie gut Ihre sogenannten erneuerbaren Energien und Ihre tollen Speicher funktionieren. Dann hätten wir das Chaos – einschließlich Unruhen auf den Straßen und Plünderungen.

(Beifall von Herbert Strotebeck [AfD])

Diese Kommission ist ein lächerlicher Arbeitskreis aus gescheiterten Politikern, der jetzt darüber diskutieren möchte, wie man das Desaster Ihrer industriefeindlichen Politik hübsch verpacken kann.

Fangen Sie endlich an, den wirtschaftlichen Untergang, den Sie mit der sogenannten Energiewende eingeläutet haben, aufzuhalten! Die Unternehmer in der Industrie mit all ihren Malochern haben den Wohlstand in Deutschland geschaffen. Sie aber, liebe Kollegen der sozialistischen Parteien, zerstören ihn.

Der Strompreis hat sich für den Endkunden seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Der Börsenpreis für die Kohleverstromung hat sich jedoch im selben Zeitraum halbiert. Davon kann kein Energieerzeuger existieren. So werden keine neuen Kraftwerke mehr gebaut – es sei denn, sie werden massiv subventioniert.

Die Industrie wandert aufgrund der hohen Strompreise ab oder geht pleite, wie wir dies aktuell bei einigen Automobilzulieferern, zum Beispiel in Gelsenkirchen und im Sauerland, erleben mussten. Das Investitionsklima hat sich allein durch Ihre industriefeindlichen Diskussionen weiter massiv verschlechtert. Sorgen Sie, anstatt sich die Welt in Arbeitskreisen schönzureden, lieber dafür, dass unsere Kinder auch in 20 Jahren noch einen Arbeitsplatz haben. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Loose. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Ministerpräsident Laschet das Wort.

Armin Laschet, Ministerpräsident: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt kaum ein aktuelleres Thema als das von den Koalitionsfraktionen für die heutige Aktuelle Stunde beantragte Thema; denn am 26. Juni 2018, also in wenigen Tagen, startet die Arbeit der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“.

Wie groß die Spanne der Positionen ist, hat man am heutigen Morgen erlebt. Vom Beitrag der Grünen bis hin zum letzten Beitrag wurden einander um 180 Grad widersprechende Positionen vertreten. Deshalb ist das Entscheidende, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine Position finden, die mehrere Dinge miteinander vereinbart. Genau das erwarten wir auch von dieser Bundeskommission.

Minister Andreas Pinkwart wird der Vertreter unserer Landesregierung in der Kommission sein. Auf Ebene der Ministerpräsidenten wird ein regelmäßiger Austausch mit den Bundesministern der Steuerungsgruppe stattfinden, ebenso mit den Chefs der Staatskanzleien.

Wir werden uns nach Kräften dafür einsetzen, dass am Ende ein Ergebnis steht, das möglichst alle mittragen, denen das wirtschaftliche, soziale und ökologische Wohlergehen unseres Landes am Herzen liegt.

Es wäre deshalb hilfreich, wenn wir im Hinblick auf die Erwartungen und Zielsetzungen – auch wenn das extrem schwierig ist – zu gemeinsamen Positionen des Landes Nordrhein-Westfalen kämen.

Im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte steht ein Teil des Auftrags, der den Beitrag der Energiewirtschaft zur Erreichung der Klimaziele von Paris im Jahre 2030 sichern soll.

Frau Brems, bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin war aber allen klar, dass es um mehr geht – das sage ich immer wieder – als um eine Kohleausstiegskommission. Dass den Grünen nur dieses eine Thema wichtig ist, konnten wir den Wortbeiträgen entnehmen.

Als führende Industrienation müssen wir aber daneben auch unseren Charakter als Industrieland im Blick haben. Deshalb kann man nicht ein einziges Ziel herausgreifen und die anderen vergessen, wenn man an einem Ergebnis arbeiten will.

Daher ist neben dem Klimaschutz – einem wichtigen Ziel mit klaren völkerrechtlichen Vereinbarungen für das Jahr 2030 – die Versorgungssicherheit das zweite wichtige Ziel; denn die Versorgungssicherheit ist das Rückgrat des Industrielandes Deutschland und des Industrielandes Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir sind das Land der energieintensiven Grundstoffindustrien. In der Lausitz mag das anders diskutiert werden. Dort stehen vor allem die Arbeitsplätze im Mittelpunkt. Bei uns sind die Anforderungen der energieintensiven Betriebe – die Stahlindustrie, die Aluminiumindustrie und die Chemieindustrie brauchen in jeder Sekunde verfügbaren Strom – mindestens genauso wichtig wie die Anliegen der Beschäftigten im Rheinischen Revier.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir sind Ausgangspunkt bedeutender Wertschöpfungsketten. In den nächsten Jahren stehen Investitionen in Milliardenhöhe an. Es gibt Hunderttausende gut bezahlter Arbeitsplätze. Insofern müssen wir auch gemeinsam erklären, dass es nicht nur darum geht, einige Beschäftigte im Rheinischen Revier sozial aufzufangen – das ist natürlich auch wichtig –, sondern auch darum, die anderen Arbeitsplätze, die davon abhängig sind, zu sichern.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist nicht zu vernachlässigen, dass durch den Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahre 2022, über den in diesem Hause auch – mit Ausnahme einer Fraktion – großer Konsens herrscht,

(Zuruf von der AfD)

und die in diesem Zusammenhang in den nächsten Jahren erforderlichen Maßnahmen das Problem Jahr für Jahr noch gravierender werden wird, weil wir Gigawatt um Gigawatt aus dem gesamten Markt herausnehmen. Insofern stehen diejenigen, die jetzt in der Kommission arbeiten, vor einer höchst anspruchsvollen Aufgabe. Im Hinblick auf das Rheinische Revier gilt, dass landesseitig erst vor Kurzem die energiewirtschaftliche Notwendigkeit der Tagebaue in der Region bestätigt worden ist.

Frau Brems, es mag ja sein, dass Sie sich hier empören, worüber auch immer. Aber es ist doch nicht Ewigkeiten her, sondern es war im Jahr 2016, dass Sie gesagt haben: Wir brauchen aus energiewirtschaftlicher Sicht Braunkohle bis zum Jahre 2045. – Nicht nur die SPD hat das beschlossen, sondern Sie haben das mitbeschlossen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Denn sonst wären die Umsiedlungen und anderen Dinge rechtlich gar nicht verantwortbar, wenn Sie nicht die energiewirtschaftliche Notwendigkeit dazu gesehen hätten. Holzweiler, Dackweiler und den Hauerhof haben Sie dann herausgenommen. Aber den Hambacher Forst haben Sie beschlossen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Ja!)

Wenn der Hambacher Forst demnächst abgebaggert wird, erfolgt das auf Beschluss von SPD und Grünen. Das möchte ich einmal zur Klarstellung sagen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der Öffentlichkeit können Sie nicht so leicht erklären, dass sich am 14. Mai 2017 um 18 Uhr plötzlich die energiewirtschaftliche Notwendigkeit verändert hat.

In dieser Kommission sind längerfristige Prozesse in den Blick zu nehmen. Dazu gehört, die Klimaziele trotz des Ausstiegs aus der Kernenergie zu erreichen, gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu garantieren und die soziale Abfederung der Region sowie die Begleitung des Strukturwandels zu gewährleisten. Das ist eine höchst ambitiöse Aufgabe.

Wenn es uns gelingt, hier mit der SPD und anderen zusammenzuarbeiten, und wenn es gelingt, Bundesministerin Schulze und Bundesminister Altmaier, also die Ressorts für Umwelt und für Wirtschaft, für unsere Anliegen zu gewinnen, dann haben wir eine Chance, dass der Ausstieg aus dieser Form der Energiegewinnung bis zum Jahre 2045 – auch das habe ich gesagt – vielleicht etwas schneller gehen könnte – aber nur, wenn die Bedingungen stimmen.

Herr Kutschaty, Sie sehen oder nuancieren das jetzt anscheinend anders als bisher. Frau Hendricks hatte mal die Absicht, plötzlich an irgendeinem Tag 20 Kraftwerke durch eine Braunkohlesteuer herauszunehmen. An diesem Tag war ich zufällig im Rheinischen Revier und habe dort vor den Bergleuten gesprochen. Als ich ins Auto stieg, kam die Mitteilung, entgegen dem damaligen Koalitionsvertrag mal eben eine Braunkohlesteuer einführen zu wollen. Das konnte dann – auch dank Ihrer Hilfe, der Hilfe der SPD – verhindert werden.

Wenn wir anstelle solcher Schnellschüsse versuchen, Ergebnisse zu erzielen, die auch auf Dauer tragen – beispielsweise in Bezug auf Klimaschutz, energieintensive Betriebe und soziale Abfederung –, und neue Ideen zu entwickeln, wie neue Arbeitsplätze in der Region entstehen können, dann kann die Kommission ein Erfolg werden. Diesen Erfolg sollten wir uns alle wünschen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Kämmerling das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Stefan Kämmerling (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Laschet, Sie können Herrn Kutschaty natürlich Worte in den Mund legen, die er nicht gesagt hat. Sie können sich auch den Rest Ihrer Zeit, in der Sie hier Ministerpräsident sind,

(Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU])

an Frau Hendricks abarbeiten. Das ändert aber nichts daran, dass wir von Ihnen auch eigene Positionen erwarten.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, in Berlin kommt am 26. Juni 2018 eine aus 31 Personen bestehende Kommission zusammen, deren Beschlüsse von enormer Bedeutung für unser Bundesland sind. Die einen nennen sie Kohlekommission; die anderen nennen sie schon Kohleausstiegskommission.

Keines von beidem ist richtig. So lohnt ein Blick in den Einsetzungsbeschluss der Bundesregierung. Es wurde keine Kohlekommission und auch keine Kohleausstiegskommission eingesetzt. Eingesetzt wurde vielmehr die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“.

Diese Bezeichnung bzw. diese Aufgabenbeschreibung im Titel gibt vor, woran wir die Kommission und die Bundesregierung messen dürfen. Sie gibt meines Erachtens sogar vor, woran wir sie messen müssen.

Wenn wir die Kommission an ihrem Titel messen wollen, dann müssen wir auch definieren, was wir fordern und was wir erwarten. Ich will ganz offen sagen: Diese Positionierung habe ich bei einigen meiner Vorredner ausdrücklich vermisst.

Ich habe Verständnis dafür, dass jeder Beteiligte einen ganz individuellen Blick auf das Spannungsfeld von Klimawandel und Versorgungssicherheit hat. Auch ich persönlich habe meinen ganz individuellen Blick. Sehen Sie mir bitte nach, dass ich mich im weiteren Verlauf meiner Rede ein wenig auf das Rheinische Braunkohlerevier konzentrieren möchte.

Ich bin in unmittelbarer Nähe zum damaligen Tagebau Zukunft-West aufgewachsen. Der Tagebau war einfach da und gehörte zum Leben dazu. Es war greifbar, dass dort Menschen mit ihrer Hände Arbeit Lohn und Brot verdienten. Heute – als Erwachsener bin ich immer noch dort zu Hause – sind es für mich der Tagebau Inden und das Kraftwerk Weisweiler, die einen prägenden Anteil am Leben meiner Stadt haben.

Vielen anderen Menschen im Rheinischen Revier geht es ähnlich. Für Beschäftigte, deren Familienangehörige, Zulieferer und Dienstleister sind Braunkohleförderung und deren Verstromung Garant für Arbeit, Einkommen und Sicherheit.

Aber ein Tagebau schlägt auch Wunden. So haben beispielsweise von Umsiedlung betroffene Menschen wiederum einen ganz anderen und naturgemäß viel kritischeren Blick auf das Thema. Nicht zuletzt kann zudem niemand leugnen, dass es einen von Menschen verursachten Klimawandel gibt. Bei diesem spielt die Emission von CO2 eine nicht von der Hand zu weisende Rolle.

Die Aufgabe der nun eingesetzten Kommission ist gewaltig. Dabei steht sie auch unter Zeitdruck. Sie soll bis Oktober dieses Jahres Perspektiven für neue Jobs schaffen. Bis zum Beginn der UN-Klima-konferenz in Polen am 3. Dezember 2018 soll sie Vorschläge unterbreiten, wie Deutschland möglichst nah an die Erreichung seiner Klimaziele herankommen kann. Sie soll Strukturwandel sozial verträglich gestalten und gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Die Mitglieder der Kommission sind also um ihre Aufgabe und vor allem auch um den Zeitplan nicht zu beneiden.

Auch für unser Bundesland und seine Menschen wird es jetzt ernst. Wir alle gemeinsam – so ist mein Eindruck – erkennen die Aufgaben der Kommission für die gesamte Bundesrepublik. Aber unsere Aufgabe in Nordrhein-Westfalen ist es jetzt, konkrete Unterstützung für Strukturwandel in unserem Bundesland einzufordern.

Es gibt einiges, was wir berechtigterweise einfordern dürfen. Im Schaffensbereich der Innovationsregion Rheinisches Revier leben 2,1 Millionen Menschen und damit 12 % der NRW-Bevölkerung. Die Arbeitslosenquote liegt unterhalb der Durchschnittsquote des Landes.

Die Verfügbarkeit großer Strommengen hat zu einer überdurchschnittlichen Ansiedlung energieintensiver Unternehmen geführt. Allein rund 90 dieser Unternehmen sind aufgrund ihrer Energieintensität von der EEG-Umlage befreit. Es handelt sich bei ihnen um regelrechte Wachstums- und Beschäftigungsmotoren für Nordrhein-Westfalen.

Ich frage mich: Wie will man diese Unternehmen mit Strom versorgen, wenn man panikartig aus der Braunkohle aussteigt? Es ist im Interesse des gesamten Bundeslandes, dass diese wirtschaftliche Kraft im Revier erhalten bleibt und nicht künstlich geschwächt wird.

Meine Damen und Herren, Braunkohleverstromung muss immer auch im Kontext mit dem Atomausstieg diskutiert werden. Wer – aus meiner Sicht völlig zu Recht – den stufenweisen Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022 mitträgt, kann nicht gleichzeitig den Ad-hoc-Ausstieg aus der Braunkohle fordern. Herr Kollege Rasche, bei diesem Punkt – das haben Sie in Ihrer Rede eben auch ausgeführt – bin ich ganz bei Ihnen. Beide Ausstiege zugleich sind meines Erachtens schlicht und ergreifend nicht möglich.

(Beifall von der SPD und Josef Hovenjürgen [CDU] – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist ja einmal eine Aussage!)

Die Verbrennungsemissionen gehen ohnehin bis 2030 um 40 % bis 50 % zurück.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ich denke, wir sind die Einzigen, die geklatscht haben!)

Es ist längst beschlossen, dass ältere Kraftwerke abgeschaltet werden und weitere in die Sicherheitsreserve gehen. Die Braunkohle leistet also bereits ihren Beitrag. Dieser Beitrag, Frau Brems, ist ein signifikanter.

Ich will aber auch nicht die negativen Folgen von Bergbau außen vor lassen. Es darf nicht ignoriert werden, dass der Braunkohletagebau über Jahrzehnte die Kommunen daran gehindert hat, Flächen für andere Wirtschaftszweige bereitzuhalten.

Eine wichtige Forderung an die Kommission muss darum sein, dass der Bund nach Kräften Flächenaktivierungen für neue Jobs im Rheinischen Revier unterstützt.

Auch müssen wir auf die langfristige ökologische Stabilität von Renaturierungsflächen und Tagebauseen blicken. Wer ruck, zuck aus der Braunkohle raus will, setzt nicht weniger aufs Spiel als die ökologische Ertüchtigung und Rekultivierung der Braunkohlelandschaften. Auch das muss man dieser Kommission von Nordrhein-Westfalen aus in aller Deutlichkeit vor Augen führen.

Noch einmal zum Thema „Chancen“: Herr Löttgen, Sie haben eben gesagt, wir würden hier keine Chancen und keine Ideen formulieren. – Schauen wir doch einmal auf die Option Kohlenstoff. Statt ihn zu verbrennen, kann man ihn als Chemierohstoff in chemischen Produkten nutzen. Nicht zu vergessen ist ferner das Potenzial in der Huminstoffgewinnung. Nehmen wir auch einmal die extrem steigenden Logistikströme aus den belgischen und niederländischen Seehäfen in den Blick. Die Kommission des Bundes kann befördern, dass sich die Region zu einem Top-Standort für Mehrwertlogistik entwickelt. Alle Voraussetzungen dafür sind vor Ort gegeben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Rheinische Revier hat enormes Potenzial. Seine Menschen sind stark und leistungsfähig. Der Bergbau hat in den vergangenen Jahren gegeben, und er hat genommen. Die Abraumregionen haben verlässlich und subventionsfrei ihren Beitrag zur Energiesicherheit des Landes und der Bundesrepublik geleistet. Es ist jetzt an der Zeit, dass der Bund etwas zurückgibt.

Die Menschen im Rheinischen Revier blicken auf die Kommission. Sie blicken aber auch auf das, was wir hier im Landtag beraten. Bitte lassen Sie uns hier gemeinsam dafür sorgen, dass wir diese Menschen nicht enttäuschen. Lassen Sie uns für einen geordneten Strukturwandel im Rheinischen Revier kämpfen, der keine Strukturbrüche kennt. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Glück auf!

(Beifall von der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kämmerling. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU Frau Kollegin Dr. Peill das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Dr. Patricia Peill (CDU): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Um was geht es heute wirklich? Es geht nicht darum, in der Aktuellen Stunde aktuelle Presseartikel zu zitieren, sondern darum, die ganz große Linie im Auge zu haben.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Die Strukturwandel-Kommission hat einen doppelten Auftrag und soll zwei Blickachsen verbinden: zum einen die Energieversorgung der Zukunft im Hinblick auf die Beendigung der Kohleverstromung und zum anderen Arbeitsplatzerhalt und ‑aufbau ohne große Strukturbrüche.

Diese beiden Dinge sind eine kommunizierende Röhre. Wir schaffen diesen Strukturwandel nur, wenn beide gelöst sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist eine Mammutaufgabe, und die gilt es natürlich zu unterstützen. Das ist jetzt die Metaebene.

Wie sehen die konkreten Fragen aus? Was passiert mit den Menschen, die ihre Arbeit verlieren? Wie wird die Stromerzeugung in der energieintensiven Industrie gesichert, wie wird der Strom gespeichert? Was passiert mit den Tagebaunachfolgelandschaften? Wie definieren sie sich neu? Welche Arbeitsplätze sind in der Region zu entwickeln, in der es 30 bis 40 Jahre braucht, bis aus einem riesigen Loch – so groß wie der Tegernsee und so tief wie der Bodensee – eine attraktive Seenlandschaft werden kann?

Es stellen sich aber auch Fragen wie: Müssen die Energiekonzerne, wenn wir frühzeitig aussteigen, entschädigt werden und, wenn ja, wie? Welche neuen Technologien brauchen wir, um den Kohleausstieg zu kompensieren? Wie werden die Mittel des Strukturfonds von 1,5 Milliarden € im Detail wirklich aufgeteilt? Wie schaffen wir es, dass NRW einen großen Teil davon bekommt?

Für die Beantwortung all dieser Fragen brauchen wir enorm viel Fachwissen, und es müssen alle betroffenen Gruppen beteiligt sein, um einen Konsens zu erreichen. Diese sind in dieser Kommission abgebildet. Ansonsten gäbe es große Strukturbrüche statt des notwendigen organischen Strukturwandels, wie gerade gesagt.

Ich muss aber auch sagen: Der Zeitplan für solch ein weitreichendes Aufgabenspektrum ist sehr sportlich; denn es geht um das Gelingen des Strukturwandels in den Kohlerevieren von der Lausitz bis zum Rheinischen Revier. Hier gilt es, nach dem Kompass „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ zu handeln.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich einmal ganz konkret die Zeitspanne eines so notwendigen Strukturwandels anhand eines Beispiels aus meinem Wahlkreis beleuchten. Herr Kämmerling hat bereits den Tagebau Inden im Rheinischen Revier angesprochen. Der Bergbau begann 1957. Die Entwicklungsgesellschaft indeland GmbH wurde im Jahr 2007 zum Zweck der Vorbereitung auf die Zeit nach der Braunkohle gegründet. Sie arbeitet auf extrem hohem Kompetenzniveau an Konzepten, Vernetzung und Zukunftsplänen. Der Bergbau endet voraussichtlich 2030.

Was haben wir hieraus gelernt? – Wir brauchen Zeit für die Planung und Entwicklung. Wir müssen den Strukturwandel von den Menschen her denken, die Menschen mitnehmen, die Regionen vorbereiten und vor allem Brüche vermeiden. Sie brauchen keine weiteren Abbruchkanten im Prozess; daran haben sie schon lange gelebt. Sie brauchen einen ausgestalteten Wandel mit viel Weitblick. Das schulden wir den Familien, die schon lange in diesen Regionen arbeiten, die schon lange dort leben, die ihre Dörfer zum Teil verlassen haben, ihre Kirchen neu bauen mussten. All das ist Realität. Sie brauchen unsere Unterstützung, und da sehen wir die Strukturkommission mit einem großen Handlungsbeitrag.

(Beifall von der CDU und Christof Rasche [FDP])

Für die vielen bestehenden, auch energieintensiven Unternehmen brauchen wir eine sichere Stromversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen, natürlich in einem ökologischen Korridor. Auf der anderen Seite müssen wir den Wandel so unterstützen, dass neue Arbeitsplätze entstehen. Es ist also eine doppelte Aufgabenstellung, wie Herr Laschet es gerade betont hat.

Ich gehe jetzt nicht auf die Arbeitsplätze ein – dazu wurde bereits ausgeführt –, sondern ich möchte vor allem aufzeigen, dass die Impulse aus der Kommission für Strukturwandel von vitalem Interesse für unsere Industrie- und Energieregion NRW sind, so wie Bodo Löttgen es gerade formulierte.

Denn jetzt kommen wir zu der wichtigen Frage: Wie kommt das Neue in die Welt, wie Professor Baumann der FH Aachen es immer sagt? Wie schaffen wir neue Arbeitsplätze in diesen Regionen? Wichtig dabei ist, an den langen industriellen Traditionen der Region innovativ anzuknüpfen, Perspektiven für die Strukturprogramme darzustellen, die kurzfristig, mittelfristig und langfristig tragen können.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben große Ziele. Die Ergebnisse der Kommission können uns hier wie ein Beschleunigungsmittel auf dem Weg dorthin dienen. Es geht aber auch darum, dass die Regionen selber Gestaltungskraft bekommen. Wir müssen die Regionen in ihrer Innovationskraft, in ihren Projekten, in ihren Schwerpunkträumen, in ihrem Flächenbedarf mit Blick auf die Zukunft wirklich nachhaltig unterstützen.

Leuchtturmprojekte können zu Schaufenstern unserer Innovationspotenziale werden, woraus sich neue Wertschöpfungsketten bilden können. Es gibt ja schon Beispielprojekte für ein regionales Ressourcensystem, das Wohnen und Leben verbessert. Auch Stichworte wie „regionale Kreislaufwirtschaft“ oder „das Dorf der Zukunft im Rheinischen Revier“ sind zu nennen. Zu einem besseren Leben in den Tagebauregionen gehört aber auch, dass wir die Landschaft kultivieren, zum Beispiel durch grüne Infrastruktur, hin zu einer Agrobusinessregion.

Wichtig für uns ist, dass die Maßnahmen, die unterstützt werden, die Regionen und Kommunen befähigen, die Herausforderungen des Strukturwandels eigenständig zu meistern. Hierzu dienen auf der einen Seite die Masterpläne und Umsetzungskonzepte für die Innovationsräume wie Garzweiler, indeland, Hambach, das Aachener Revier, aber ganz besonders auch Leuchtturmprojekte, die das Potenzial der wirtschaftlichen Regionen multiplizieren.

So wurden mit dem Brainergy-Park, :terra nova und dem Innovation Valley-Garzweiler Konzepte für interkommunale Gewerbegebiete und Initiativen entwickelt, die nun auf die Unterstützung der Strukturfonds warten. Dann erhalten sie endlich die Freiräume, die sie für die Gestaltung brauchen.

Von diesen Beispielen gibt es noch viele mehr, ob es um die Modellregion für die Wasserstoffmobilität oder um regionale Energiemanagementsysteme geht. Es sind alles gute Beispiele, wie wir durch Fördermittel die Region und die Wirtschaftsfähigkeit wieder erneut zum Leuchten bringen können. Das alles braucht einen guten Fahrplan, Zeit zur Umsetzung und das Mitnehmen aller Betroffenen. Keine Schnellschüsse, keine Abbruchkanten, sondern ein Gemeinsam!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb unterstützen wir natürlich die Landesregierung, dass sie mit klarer Stimme für die Kommission für nachhaltiges Wachstum, strukturellen Wandel und die Schaffung von Arbeitsplätzen wegweisend für NRW vorangehen kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Peill. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch einmal Frau Abgeordnete Brems das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Ihre Angriffe auf uns Grüne waren doch eher ein billiges Ablenkungsmanöver dessen, was Sie hier eigentlich vertuschen wollen,

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU)

dass Sie einfach keinen vorhandenen Gestaltungswillen beim Klimaschutz haben. Das zeigt das ganz deutlich.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist schade, dass man es immer wieder machen muss, aber gerne erkläre ich noch einmal, wie Koalitionen funktionieren und wie auch unsere rot-grüne Koalition hier in den letzten Jahren funktioniert hat:

Man erreicht nicht all das, was man gerne möchte.

(Daniel Sieveke [CDU]: Gar nichts haben Sie erreicht!)

Man muss ganz klar sagen: Ohne uns Grüne würden mehr als 1.000 Menschen umgesiedelt werden, würden Millionen Tonnen Braunkohle weiter abgebaggert werden. Das haben wir erreicht.

Ja, wir haben nicht erreicht, den Hambacher Wald zu retten. Es war aber trotzdem richtig zu der Zeit, genau das zu machen, was wir gemacht haben: Garzweiler zu verkleinern. – Das war genau das Richtige. Das hält uns aber nicht davon ab – und das hat uns auch damals nicht davon abgehalten –, mehr zu fordern, auch wenn wir in der Koalition nicht mehr erreicht haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich muss ganz klar sagen: Seit Jahren fordern gerade wir Grünen, dass wir Planungssicherheit für die Region, für die Menschen und für die Unternehmen brauchen.

(Christof Rasche [FDP]: Aber es kommt nichts!)

Wir müssen genau wissen, wie ein solcher Ausstieg, der insgesamt Jahrzehnte dauern wird, gelingen kann. Alle anderen in diesem Hause haben sich genau dieser Debatte immer verweigert. Es ist schön, dass das jetzt anders ist. Umso mehr drängt jetzt die Zeit.

Herr Ministerpräsident, dass Sie keine eigene Strategie für das Energieland Nordrhein-Westfalen haben, ist wirklich fatal. Sie können und wollen nicht genau sagen, wie das funktionieren kann.

Sie hätten auch bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin längst erreichen müssen, dass wir beispielsweise mehr Gaskraftwerke bekommen. Sie müssten in Nordrhein-Westfalen die erneuerbaren Energien ausbauen, anstatt die Windenergie zu fesseln. An diese Sachen müssen Sie rangehen, und Sie dürfen sich nicht immer weiter verweigern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Natürlich gehört zum Kohleausstieg mehr, als Kohlekraftwerke stillzulegen. Natürlich muss man sich anschauen, wie das in der Region gelingen kann. Darum ging es uns immer und geht es uns auch weiterhin. Es geht uns darum, welche Perspektive die Menschen in diesen Regionen haben, und darum, wie sich Stromkosten für die Industrie entwickeln.

In aktuellen Berichten lese ich, dass dieser Bereich angeblich sehr bedroht ist. Man muss aber sehen, dass die Strompreise für die Industrie in den letzten sechs Jahren wesentlich höher waren, als es jetzt der Fall ist. Diese Bedrohung haben wir so also nicht. In den letzten Jahren sind keine Industriearbeitsplätze weggefallen. Das sind alles Nebelkerzen, die hier gezündet werden.

Das gilt auch für das Thema „Versorgungssicherheit“. Ja, das ist wichtig. Auch mir als Ingenieurin ist es wichtig, dass wir hier auch weiterhin Lösungen haben.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Welche haben Sie denn?)

Sie können das nicht immer wie eine Monstranz vor sich her tragen. Wir brauchen hier mehr erneuerbare Energien und Gaskraftwerke. Dafür sollte sich auch der Ministerpräsident einsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte noch einmal ganz klar sagen: Der Klimaschutz ist für uns der wichtigste Aspekt, aber er ist nicht der einzige; das habe ich gerade gesagt.

Wir müssen die Herausforderungen des Klimaschutzes ernst nehmen, denn wenn wir das nicht tun, werden uns die folgenden Generationen sagen: Schön, dass ihr über Arbeitsplätze geredet habt, dass ihr über den Strukturwandel geredet habt, aber ihr habt die Probleme eurer Zeit nicht richtig angepackt. – Das will ich mir nicht vorwerfen lassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde, Sie müssen mit der Zukunftsverweigerung aufhören. Sie müssen damit aufhören, die Vergangenheit verlängern zu wollen. Sie müssen anfangen, sich mit dem Kohleausstieg auseinanderzusetzen und ihn auch wirklich umzusetzen: für uns, für den Klimaschutz und für zukünftige Generationen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die Fraktion der FDP hat nun Herr Abgeordneter Brockes das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Dietmar Brockes (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Brems, das war wieder ein Beispiel dafür, wie man Klimapolitik über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg macht.

(Widerspruch von den GRÜNEN)

Das war wieder ein Beispiel für Ihren Weg des radikalen Ausstiegs, dem, wenn wir ihm folgen würden, kein anderes Land der Welt folgen wird. Damit wäre dem Klimaschutz insgesamt nicht geholfen.

Herr Kollege Kämmerling, ich möchte Ihnen ganz herzlich für Ihre Ausführungen danken, denn Sie haben wirklich sehr gut beschrieben, wie die ...

(Stefan Kämmerling [SPD]: Bitte nicht! – Weitere Zurufe)

– Keine Sorge, ich gehe ganz sorgsam mit Lob um. Die Kolleginnen und Kollegen werden es auch verstehen.

(Zuruf von der SPD: Das Ende deiner Karriere! – Heiterkeit)

Sie haben sehr gut beschrieben, wie die Situation im Revier empfunden wird, mit den Vor‑ und Nachteilen, die die Braunkohle in der Vergangenheit mit sich gebracht hat.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Meine Damen und Herren, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, brauchen wir – um das so deutlich zu sagen – innovative und CO2-sparende Produkte, die gerade unserem Industrieland Nordrhein-Westfalen entspringen. Deshalb müssen wir sehr genau hinschauen, welche Auswirkungen die Maßnahmen haben, die in Berlin für unseren Standort getroffen werden.

Denn es geht hierbei eben nicht nur um die 10.000 Beschäftigten in der Braunkohle und in den Kraftwerken. Es geht auch nicht nur um die über 21.000 Beschäftigten in der Zuliefererindustrie. Es geht aber auch nicht nur um die über 1.000 Menschen, die noch umgesiedelt werden. Nein, bei der Kommission geht es um den Industriestandort Nordrhein-Westfalen, um das Industrieland Deutschland. Denn wenn wir hier voreilig ein Datum wählen, sind wir weltweit das einzige Industrieland, das gleichzeitig aus der Kernenergie und der Kohleverstromung aussteigt.

Wir würden über 50 % unserer bisherigen Energieerzeugung aufgeben. Wenn wir das nicht intelligent angehen, würden wir massive Auswirkungen beim Strompreis und der Versorgungssicherheit erzeugen. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen.

Pünktlich zu unserer Debatte haben gestern die Industrie- und Handelskammern Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein eine Studie von Frontier Economics vorgestellt über die Bedeutung des Wertschöpfungsfaktors Energie in den Regionen Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein.

Laut dieser Frontier-Studie liegt der Anteil der energieintensiven Industrie an der Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes im Raum Mittlerer Niederrhein, Köln und Aachen bei über 29 %. Also ein Drittel des Gewerbes in der Region ist energieintensiv. Das ist sehr beachtlich. Im Land sind es 21 % und bundesweit 15 %.

Es geht hierbei in dieser Region eben nicht nur um die Arbeitsplätze in der Energieproduktion, sondern auch um die Arbeitsplätze in der Chemieindustrie, Nahrungsmittel- und Futtermittelindustrie, in der Nichteisenmetallindustrie und in der Papierindustrie. In dieser Studie wird deutlich, dass wir hier über Umsätze dieser Unternehmen von 39 Milliarden € pro Jahr in der Region reden. Und durch die Wertschöpfungsketten führt dies letzten Endes zu Umsätzen von über 81 Milliarden € bundesweit.

Es geht darum, ob wir diese Wertschöpfung in Zukunft noch haben wollen. Es geht um 125.000 Arbeitsplätze in der Region und 250.000 Arbeitsplätze in ganz Nordrhein-Westfalen,

(Beifall von der FDP und der CDU)

die von den Entscheidungen dieser Kommission in Berlin abhängig sind. Vor diesem Hintergrund möchte ich den Appell, den gestern der Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein, Herr Jürgen Steinmetz, an die Politik gerichtet hat, einmal vorlesen:

„Bei den jetzt anstehenden Weichenstellungen der Kohlekommission geht es nicht nur um die Abschaltung einiger Kraftwerke. Es geht um diejenigen, die den dort erzeugten Strom dringend benötigen, um damit Güter, Wertschöpfung und schließlich Arbeitsplätze zu schaffen. Das sind bei uns besonders viele, und sie sind zu jeder Zeit auf eine sichere und bezahlbare Stromversorgung angewiesen. Bevor man Kraftwerke in großem Stil vom Netz nehme, müsse man mit Blick auf die Versorgungssicherheit und auf bezahlbare Preise eine gleichwertige Alternative bieten, um die unmittelbar und mittelbar von energieabhängigen Unternehmen nicht zu gefährden.“

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Das ist genau der Punkt, um den es in der Kommission geht. Und da muss ich sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie:

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Die Redezeit.

Dietmar Brockes (FDP): Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Es ist für mich unverständlich, dass Ihre derzeit noch tätige Generalsekretärin und ehemalige Bundesumweltministerin dafür gesorgt hat, dass die energieintensiven Unternehmen nicht mit in der Kommission sitzen.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Dietmar Brockes (FDP): Das halte ich für den falschen Weg.

Meine Damen und Herren, ich erwarte, dass die Kommission sich ihrer Verantwortung …

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

… für die Arbeitsplätze in unserer Region in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus bewusst ist.

(Michael Hübner [SPD]: Die sitzt da drin, und das ist gut für Nordrhein-Westfalen!)

Insofern werden wir uns gerne in die weitere Debatte einbringen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Als nächster Redner hat das Wort für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Dr. Blex.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Was haben die Altparteien nur aus unserem Land gemacht! Sie haben aus einem Land der Wissenschaft und der Vernunft ein Land des ökoradikalen Populismus gemacht, einen üblen Gesinnungsstaat.

(Beifall von der AfD)

Genauso wie man es in einem Gesinnungsstaat macht, haben Sie es mit der sogenannten Kohlekommission gemacht. Wie es üblich ist, wie es Frau Merkel auch schon bei der Ethik-Kommission gemacht hat, haben Sie nämlich eines gemacht: Sie haben keinen einzigen Fachmann – es mag auch Fachfrauen geben, aber auch die sind nicht dabei – für Energieversorgung oder Kraftwerkssicherheit in die Kommission berufen, keinen einzigen Fachmann, nichts.

Stattdessen tummeln sich dort abgehalfterte Politiker, Umweltverbände und Gewerkschaften. Und diese sollen über die technische Zukunft, über ein technisches Problem, das die Versorgungssicherheit unseres Landes und die Zukunftsfähigkeit unserer Energie betrifft, entscheiden. Na, Prost Mahlzeit! Es ist eine Schande und eines Industrielandes unwürdig, was Sie gemacht haben.

(Beifall von der AfD)

Herr Pinkwart mag die Lastkurven kennen, aber er ist sicher kein Fachmann für Energieversorgung. Sie werden nicht wissen – und Frau Brems wird es auch nicht wissen –, wie Sie überhaupt die Grundversorgung in unserem Land gewährleisten wollen. Wie kriegen Sie die 84 GW hin, die Sie brauchen? Wo kriegen Sie die her, wenn Sie Kohle und Kernkraft abschalten? Niemand von Ihnen weiß das. Und was Sie hier von sich geben, ist, gelinde gesagt, schäbige, heiße Luft.

(Beifall von der AfD)

Ganz egal, wie sich Frau Brems hier in ihrer gekünstelten Empörung hervortut, Sie alle sind doch über das gleiche Stöckchen gesprungen. Sie alle sind über das Stöckchen der Church of Global Warming gesprungen. Sie alle sind nicht bereit – manche vielleicht, weil sie daran glauben, andere eher aus Feigheit –, die Wahrheit zu sagen; Sie sind bereit, unser Industrieland dafür zu vernichten.

Niemand außerhalb Deutschlands – nicht ganz –, niemand außerhalb der EU glaubt noch an die Mär von CO2. Niemand! Paris ist tot, mausetot! China darf – das wissen Sie; das gehört zur Wahrheit dazu, und das sollten Sie unserer Bevölkerung auch mal sagen – unbegrenzt weiter CO2 emittieren. Sie glauben daran, ich nicht. Aber wenn Sie wirklich daran glauben, dann müsste Ihnen das doch zu denken geben. Was China in zwei Jahren an Neuzuwächsen im CO2-Bereich hat, ist das, was Deutschland maximal einsparen kann. Dafür sind Sie bereit, unser Land zu vernichten. Das ist eine Schande.

(Beifall von der AfD)

Damit Sie mal Zahlen haben – manche von Ihnen können vielleicht damit umgehen –: China stößt über 10 Milliarden t CO2 aus – 10 Milliarden t! –, die USA 5,5 Milliarden t. Beide werden das munter weiter steigern. Es juckt Sie nicht. Die Welt stößt 35 Milliarden t CO2 aus, massiv steigend. Es interessiert keinen. Deutschland stößt 800 Millionen t CO2 aus. Das sind 2,4 %. Und das große NRW, das weltweit bedeutende NRW stößt 260 Millionen t CO2 aus. Das sind 0,7 %. Sie streuen den Leuten ganz bewusst Sand in die Augen, und das ist schäbig.

(Beifall von der AfD)

Sie haben eben über Kohle geredet. Noch einmal, damit die Bürger wissen, warum es der Kohle an den Kragen geht: weil es die günstigste konventionelle Stromversorgungsart ist. Genau aus dem Grund soll sie jetzt aus ökoideologischen Gründen kaputt gemacht werden.

(Beifall von der AfD)

Lassen Sie mich zum Abschluss kommen.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Die Debatte lohnt eigentlich gar nicht, wenn man sieht, wie Sie sich dieses Themas annehmen, das für die Zukunft unseres Industrielandes wichtig ist. Aber wenn Sie wirklich Angst vor Klimaveränderungen hätten, dann sollten Sie vor allem eines nicht machen: hier sinnlos heiße Luft produzieren.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Blex. – Als nächster Redner hat nun für die Landesregierung Herr Minister Professor Dr. Pinkwart das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Genehmigung der Präsidentin möchte ich gerne aus einer Presseerklärung der Grünen zum Anlass der Garzweiler-Entscheidung zitieren. Sie datiert vom 22. September 2015; Sie können sie im Internet nachlesen.

Ich darf zitieren:

„Es ist ein guter Tag für die Menschen in den betroffenen Regionen, aber auch ein guter Tag für die Klimaschutzpolitik in unserem Land. Damit ist auch die Braunkohleförderung in NRW endlich. Mit der Leitentscheidung schaffen wir langfristige Perspektiven und Planungssicherheiten für alle Beteiligten.“

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Ja, das haben Sie als Grüne seinerzeit zur Erläuterung Ihrer Mitwirkung an dieser Entscheidung veröffentlicht, und das teilen Sie der Öffentlichkeit auch nach wie vor mit. Ich finde, das haben Sie sehr klug formuliert. Sie haben damals gemeinsam mit der SPD – das möchte ich auch sagen – in der Abwägung eine sehr kluge Entscheidung getroffen.

Ich will aber auch hinzufügen: Sie haben damals kein Ausstiegsdatum formuliert. Sie haben das Feld „Tagebau“ eingeengt, und Sie haben damit eine Perspektive bis mindestens 2045 – möglicherweise aber auch länger – in den Blick genommen. Sie haben außerdem gesagt, dass wir uns parallel dazu darum bemühen müssten, die Erneuerbaren mit der Zeit verantwortlich,

(Daniel Sieveke [CDU]: Hört, hört!)

bezahlbar und versorgungssicher auszubauen.

Das war sehr klug, und auf dieser Entscheidung, die noch nicht einmal drei Jahre alt ist,

(Monika Düker [GRÜNE]: Kann man auch schneller machen!)

bauen wir auch unsere Energiepolitik für Nordrhein-Westfalen auf.

(Beifall von der CDU und der FDP – Monika Düker [GRÜNE]: Das ist aber kein Zwang, es nicht schneller zu machen!)

Denn Sie haben damals gesagt – auch die Grünen; ich finde das sehr richtig –, dass wir langfristige Perspektiven und Planungssicherheit brauchen. Warum brauchen wir das? – Weil wir es gerade im Energiesektor mit sehr langfristig ausgerichteten Investitionsentscheidungen zu tun haben. Und wir haben es damit zu tun, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kontext von energiepolitischen Entscheidungen auch ihre Zukunft in den Unternehmen sehen.

Es ist nun einmal so, dass Nordrhein-Westfalen das Energieland Nummer eins ist – nicht nur für die eigene Wirtschaft, sondern für die Wirtschaft in Deutschland insgesamt. Annähernd 40 % der Energie werden hier umgewandelt. Da macht es schon einen Unterschied, ob diese Energieumwandlung mit einer hohen Sicherheit und auch mit einer hohen Wettbewerbsfähigkeit bezogen auf den Preis erfolgen kann oder nicht.

Denn es hängen nicht nur in Nordrhein-Westfalen 250.000 Arbeitsplätze in der energieintensiven Wirtschaft am Strompreis, sondern es sind eine Dreiviertelmillion in ganz Deutschland. Und es handelt sich um Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung und hohem Einkommen. Wir diskutieren in Deutschland über Mindestrenten und über Mindesteinkommen – hier geht es um Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung und hohen Gehältern. Wir sollten alles dafür tun, dass diese in Deutschland weiterhin eine Zukunft haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zum Thema „Versorgungssicherheit“: Da geht es auch um Physik. Da geht es auch um die Frage, ob Strom tatsächlich über den Tag hinweg in der notwendigen Intensität verfügbar ist. Deshalb unterscheiden wir in der Energiepolitik bewusst zwischen Bruttokapazität und gesicherter Leistung. Was ist also tatsächlich als gesichert anzunehmen?

Grundannahmen, die dazu getroffen werden, gehen bei Kohlekraftwerken bei der Berechnung der gesicherten Leistung von 90 % und mehr der Bruttokraftwerkskapazität des jeweiligen Kraftwerks aus. Bei einer Windkraftanlage sind es aber gerade einmal 6 % der Bruttokapazität und bei fotovoltaischen Anlagen sind es 0 %.

Man kann und muss die Erneuerbaren ausbauen. Das wollen wir auch in einem breiten Mix – das ist völlig unbestritten – tun. Das ergibt sich allein aus der Notwendigkeit des Ausstiegs aus der Kernenergie. Man könnte dann natürlich eine riesige Bruttokapazität aufbauen, aber wenn man sicherstellen möchte, zu jeder Zeit lieferfähig zu sein – im Interesse der Unternehmen, aber auch im Interesse der privaten Verbraucherinnen und Verbraucher –, dann benötigt man gesicherte Leistung.

Heute, im Jahre 2018, macht die Kohleverstromung – Braunkohle und Steinkohle gemeinsam – in Deutschland mehr als die Hälfte der gesicherten Kapazität aus. Dann zu meinen, man könne mal eben, by the way, eine Kommission einrichten, in der man sagt, 2025 oder 2030 könne man doch mal aussteigen, halte ich schlichtweg für naiv.

(Beifall von der CDU und der FDP – Helmut Seifen [AfD]: Ja, genau!)

Wir brauchen einen Fahrplan, und wir müssen den Fahrplan so organisieren, dass die drei zentralen Ziele, die der Ministerpräsident in seinem Beitrag markiert hat, auch eingehalten werden.

Dabei geht es um die Versorgungssicherheit, aber es geht auch um die Bezahlbarkeit, und zwar nicht nur des Börsenstrompreises bezogen auf die energieintensiven Unternehmen, weil wir diese Unternehmen von der EEG-Umlage ausgenommen haben, was immer wieder neu verteidigt werden muss und immer als eine Art Damoklesschwert über dieser Industrie schwebt.

96 % unserer Betriebe zahlen vollständig EEG-Umlage und Netzentgelt. Das macht mittlerweile schon 75 % des Strompreises aus, weil die Erneuerbaren spezifische Anforderungen sowohl an ihre Subventionierung als auch an ihren Transport stellen. 96 % unserer Betriebe und Arbeitsplätze werden zu drei Vierteln mit Zusatzlasten auf den Börsenpreis belastet, damit wir die Energiewende überhaupt einigermaßen hinbekommen.

Wollen wir das in den nächsten Jahren noch einmal dramatisch steigern, oder wollen wir einem Plan folgen, der vernunftgeleitet ist und Klimaschutz mit wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Aspekten zusammenbringt?

Ich meine, Letzteres ist der einzige Weg, wenn wir den Menschen im Lande ehrlich ins Gesicht schauen wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dies gilt es in der Kommission zu bearbeiten. Das sind große Themen. Ich wünsche mir, dass wir das hier auch in aller Sachlichkeit weiter austauschen können, dass wir uns natürlich auch Gedanken machen, was mit dem Rheinischen Revier passiert. Daran arbeiten wir auch.

Frau Kollegin Brems, Sie haben die Leitentscheidung getroffen. Ich habe mich noch einmal erkundigt. Das, was bisher geschehen ist, ging über einzelne Projekte von wenigen Hunderttausend Euro nicht hinaus. Hier werden wir mehr tun müssen. Hier werden wir auch mehr tun als Land, aber sicherlich auch hoffentlich als Ergebnis einer verantwortlichen Grundsatzentscheidung mit dem Bund und den Ländern.

Aber es ist eben nicht so, dass Sie an der Stelle schon Großartiges vorgelegt hätten. Hier gilt es noch manches aufzuholen.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Aber noch einmal: Es geht nicht nur um diese Region, es geht um eine kluge Wirtschafts- und Energiepolitik für Nordrhein-Westfalen und für Deutschland. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Pinkwart. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Somit sind wir am Schluss der Aussprache, und ich schließe die Aktuelle Stunde.

Wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt:

4   Eltern, Lehrkräften und Schulträgern Planungssicherheit geben – äußere Differenzierung an Realschulen gestalten und einen Hauptschulbildungsgang ab Klasse 5 ermöglichen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2748

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der CDU dem Abgeordneten Rüdiger Scholz das Wort. Bitte schön.

Rüdiger Scholz (CDU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die NRW-Koalition hat in der Bildung wieder die Belange der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt der Politik gerückt. Ihnen müssen wir die besten Bedingungen für den bestmöglichen Schulabschluss geben.

In Art. 10 unserer Landesverfassung ist das gegliederte Schulsystem festgeschrieben. Dazu gehören auch die Haupt- und die Realschulen. Dies hat die rot-grüne Vorgängerregierung bewusst aus dem Blickfeld genommen. Durch jahrelange Vernachlässigung und Benachteiligung dieser beiden Schulformen hat man die Haupt- und Realschulen absichtlich geschwächt. Als Ergebnis der Benachteiligung dieser beiden Schulformen sind die Anmeldezahlen vor allem bei den Hauptschulen zurückgegangen. Viele werden deshalb in den kommenden Jahren auslaufen.

Was aber nicht verschwindet, sind die Hauptschülerinnen und die Hauptschüler. Viele von ihnen finden dort Aufnahme, wo Hauptschulgänge angeboten werden, also auch an Gesamtschulen und an Sekundarschulen.

Leider gibt es jedoch eine zunehmende Anzahl von Fällen, in denen Schülerinnen und Schülern, die lediglich über eine Hauptschulempfehlung verfügen, der Zugang zu Schulen mit einem Hauptschulbildungsgang verwehrt bleibt, sei es, weil kein wohnortnahes Hauptschulangebot existiert, oder eben, weil Gesamtschulen vor allem die Anmeldungen von diesen Schülerinnen und Schülern zur Klasse 5 negativ bescheiden.

Was heißt das in der Folge? – Für diese Schülerinnen und Schüler steht kein wohnortnaher Hauptschulbildungsgang zur Verfügung. Stattdessen sollen sie – beispielsweise wie in Wesel nach dem Willen der dortigen Links-Koalition – in einer zusätzlichen Klasse der örtlichen Realschule in der Klasse 5 starten, und das, obwohl diese Schule natürlich nach dem aktuell geltenden Schulrecht überhaupt keinen Hauptschulbildungsgang ab Klasse 5 anbieten darf.

Der Verweis, dass an der Realschule die Genehmigung für einen Hauptschulbildungsgang ab Klasse 7 eingegangen sei, hilft diesen Schülerinnen und Schülern, die im kommenden Schuljahr die Klasse 5 besuchen werden, offensichtlich nicht weiter. Genau hier setzt unser Antrag an.

Wir werden den Hauptschulbildungsgang ab Klas-se 5 an Realschulen sichern und zukunftsfähig machen, allerdings nur dort, wo Bedarf besteht. Das kann überall der Fall sein, wo es Schülerinnen und Schüler gibt, die auf eine Hauptschule gehen wollen, aber ein Angebot für diesen Bildungsgang nicht ausreichend oder gar nicht vorhanden ist.

Diese Maßnahme zielt nicht darauf ab, integrierte Schulen zu schwächen oder besserzustellen. Wir wollen alle Schulformen in ihren Möglichkeiten stärken. Dabei haben wir immer die Schülerinnen und Schüler im Blick. Jeder und jede hat den Anspruch auf eine ihren Leistungsmöglichkeiten entsprechende Förderung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Hauptschulen waren stark, und sie sind stark. Sie bilden ein wichtiges Rückgrat des dualen Ausbildungssystems in unserem Land. Die Lehrerinnen und Lehrer dort leisten unter oftmals nicht leichten Bedingungen eine hervorragende und eine erfolgreiche Arbeit, und das in einem Rahmen, der vielfach mit größeren Belastungen als bei anderen Kolleginnen und Kollegen in der Sekundarstufe I verbunden ist. Dieses Engagement wurde von der früheren Landesregierung leider nicht gewürdigt.

Grundsätzlich sollen alle Schulformen, die den Hauptschulbildungsgang anbieten, auch Kinder mit Hauptschulempfehlung aufnehmen. Dies geschieht nicht überall. Es muss deshalb sichergestellt werden, dass die Schülerinnen und Schüler auch künftig die Möglichkeit haben, eine ihren Empfehlungen entsprechende Schule besuchen zu können. Das wird mit der Schaffung eines dauerhaft gesicherten Hauptschulbildungsgangs an den Realschulen erreicht.

Die Möglichkeit der Einrichtung eines Hauptschulbildungsgangs ist bereits im Schulgesetz in § 132c verankert. Der Sinn dieses Paragrafen ist aber durch § 47 Abs. 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Sekundarstufe I zum Schaden der Schülerinnen und Schüler von der rot-grünen Landesregierung ins Gegenteil verkehrt worden. Mit der APO-SI wird quasi die innere Differenzierung festgeschrieben. Lediglich ein Drittel der Stundentafel darf bisher nach äußerer Differenzierung unterrichtet werden.

Auch diese Entscheidung diente nur dazu, Haupt- und Realschulen weiter zu schwächen, und sie beschneidet die Gestaltungsmöglichkeiten für eine individuell optimale Förderung jeder Schülerin und jedes Schülers. Im Ergebnis haben bisher nur wenige Schulen von der Möglichkeit des § 132c Gebrauch gemacht.

Um vor allem ein wohnortnahes Angebot für den Hauptschulbildungsgang zu sichern, wollen wir die Möglichkeit seiner Einrichtung an Realschulen verbessern. Die Realschulen sollen mehr freie Gestaltungsmöglichkeiten erhalten. Damit können sie selbst über Art und Umfang der Differenzierung entscheiden. Wir wissen um die Fachlichkeit und das Verantwortungsbewusstsein der dortigen Lehrkräfte, und wir vertrauen den Lehrerinnen und Lehrern.

Die Beschränkungen in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Sekundarstufe I sollen aufgehoben werden. Schließlich soll der Hauptschulbildungsgang an Realschulen künftig schon ab Klasse 5 möglich werden. Damit erhalten auch die Schulträger mehr Gestaltungsmöglichkeiten, um die Angebote im Hauptschulbildungsgang zu sichern.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, „Stärken stärken“ bedeutet für uns, jeder Schülerin und jedem Schüler eine ihren und seinen Leistungsfähigkeiten entsprechende Förderung zu ermöglichen. Mit der Reform des Hauptschulbildungsgangs an Realschulen kommen wir auf diesem Weg in Nordrhein-Westfalen wieder einen ordentlichen Schritt voran.

Zum Schluss noch einige Worte zu dem, was wir gestern in einer Pressemitteilung von Herrn Ott und der SPD zur Kenntnis nehmen mussten: Herr Ott, in Ihrer Pressemitteilung sprechen Sie wieder von „Restschulen“. Ich sage Ihnen: An den Schulen in Nordrhein-Westfalen werden keine Reste unterrichtet, sondern Schülerinnen und Schüler,

(Beifall von der CDU und der FDP)

junge Menschen, die einen Anspruch darauf haben, die bestmögliche Ausbildung für den bestmöglichen Abschluss zu erhalten.

Was Sie vorhaben, würde dazu führen, dass Nordrhein-Westfalen in den Bildungsrankings weiterhin auf den hinteren Plätzen liegen würde. Wir als NRW-Koalition werden dafür sorgen, dass wir mit unseren Schülerinnen und Schülern wieder nach vorne kommen.

(Christian Dahm [SPD]: Dass man dazu keinen Applaus von euch hört!)

Ihr Vokabular, Herr Ott, ist leider unsäglich, und es zeigt, dass Ihre Denke nur ideologisch geleitet ist. Wir hingegen denken an die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Scholz. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Müller-Rech.

Franziska Müller-Rech (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landtagswahl ist nun ein Jahr her. Seitdem hat die NRW-Koalition schon viele Änderungen in der Schulpolitik umgesetzt oder angestoßen.

Es schmerzt uns sehr, dass wir an manchen Stellen leider zu spät gekommen sind; denn unter der vorherigen rot-grünen Politik haben die Schulstrukturen nachhaltigen Schaden erlitten. So werden von den 311 Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen in den nächsten zwei Jahren 151 auslaufen. Oft führen die Schließungen dazu, dass für Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulempfehlung vor Ort kein flächendeckendes, adäquates Schulangebot mehr vorhanden ist. Das führt zu Verunsicherungen, Hilflosigkeit und Frust bei den Schülerinnen und Schülern, den Eltern, den Lehrern und den Schulträgern.

Die Situation der Hauptschulen hat zwei Faktoren als Ursache. Zum einen folgt sie dem gesellschaftlichen Trend zu hohen Bildungsabschlüssen, also dem Gefühl vieler Eltern, allein das Abitur und ein Studium versetzten ihr Kind in die Lage, sein oder ihr Leben selbstbestimmt zu führen und auf eigenen Beinen zu stehen.

Dieses Gefühl müssen wir dringend auflösen; denn der Fachkräftemangel bezieht sich doch nicht allein auf Berufe mit akademischer Bildung. Uns werden ganz besonders Handwerker, Techniker und andere Facharbeiter fehlen, und ich bin fest davon überzeugt, dass es jeder gute Handwerker in den kommenden Jahren deutlich besser haben wird als jeder mittelmäßige Akademiker.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Daher wollen wir das Profil der Hauptschulen und den Hauptschulabschluss stärken, indem wir die praktische Begabungsförderung wieder mehr in den Fokus rücken.

Zum anderen hatte die rot-grüne Vorgängerregierung der Hauptschule den schleichenden, qualvollen Tod verordnet.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das stimmt überhaupt nicht! Das ist unglaublich!)

Sie hat das gegliederte Schulsystem austrocknen lassen, um das Ziel von Einheitsschulen im ganzen Land voranzutreiben.

(Widerspruch von der SPD – Helmut Seifen [AfD]: Unverantwortlich war das!)

Dabei ist die Schulvielfalt enorm wichtig; denn nicht jedes Kind ist gleich, sondern eben individuell talentiert und begabt.

Wir Freie Demokraten sehen ein vielfältiges Schulangebot als Voraussetzung für individuelle Bildungschancen. Die Hauptschule war dabei immer ein wichtiger Bestandteil.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die Schließung von 151 Hauptschulen in den kommenden zwei Jahren müssen wir zeitnah handeln. In vielen Kommunen wird es keine Hauptschulen mehr geben, die Kinder mit Hauptschulempfehlung aber sehr wohl noch. In diesen Kommunen melden viele Eltern ihre Kinder mit Hauptschulempfehlung an einer Realschule an, die diese Kinder dann auch aufnehmen und ihnen nach § 132c des Schulgesetzes einen Hauptschulbildungsgang anbieten.

Damit wird Schülerinnen und Schülern ermöglicht, einen Hauptschulabschluss an Realschulen zu erlangen. Sie werden in einem Klassenverband unterrichtet, und ab Klasse 7 sind dann Formen der inneren und äußeren Differenzierung möglich.

Aktuell bieten in Nordrhein-Westfalen zehn Realschulen einen solchen Bildungsgang an. Drei weitere Schulen haben dazu eine Genehmigung erhalten. An diesen Zahlen sehen Sie, dass es sich hierbei ausdrücklich um kein Standardprogramm der Realschulen handelt, sondern um eine Notlösung, um den Kindern mit Hauptschulempfehlung vor Ort den Bildungsgang anzubieten.

Die alte Landesregierung hat leider die Möglichkeiten äußerer Differenzierung stark eingeschränkt und somit die Gestaltungsmöglichkeiten der Realschulen sowie der Förderung der Schülerinnen und Schüler erschwert. Nach § 47 Abs. 2 APO-SI ist die äußere Differenzierung nämlich nur bis zu maximal einem Drittel der Stundentafel möglich, und dadurch sind nicht einmal die Hauptfächer abgedeckt.

Wir wollen mit diesem Antrag den Realschulen, die diesen Paragrafen anwenden, die passgenaue Arbeit vor Ort erleichtern. Die Realschulen sollen mehr Gestaltungsmöglichkeiten erhalten und selbst über Art und Umfang der inneren und äußeren Differenzierung entscheiden können. Wir wollen, dass die Beschränkungen der äußeren Differenzierung in diesem Paragrafen auf bis zu ein Drittel der Stundentafel aufgehoben werden, damit eine vollständige Differenzierung möglich ist.

Durch eine Änderung des Schulgesetzes soll zudem die Möglichkeit eröffnet werden, an Realschulen einen solchen Bildungsgang bereits ab Klasse 5 einzurichten. Dabei werden wir alle Potenziale ausschöpfen, um die für eine qualitative Ausgestaltung des Hauptschulbildungsgangs an Realschulen auch in äußerer Differenzierung notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Zum Schluss möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, dass wir mit diesem Antrag die Realschulen stärken wollen, die jetzt schon Kinder mit einer Hauptschulempfehlung beschulen oder in Zukunft dazu bereit sind. Es geht uns ausdrücklich nur um die Kommunen im Land, in denen es leider keine Hauptschule mehr gibt. Wir werden damit keine Anreize schaffen, bestehende Hauptschulen zu schwächen, sondern wir wollen weiterhin an ihrer Stärkung arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Müller-Rech. – Für die SPD-Fraktion tritt nun Herr Ott ans Pult.

Jochen Ott (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag ist eine offene Kampfansage an die Eltern in Nordrhein-Westfalen und an die Kinder in unserem Land.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unglaublich!)

Anstatt den Schulfrieden, den Schulkonsens weiterzuentwickeln und die sich zunehmend entwickelnden Probleme in den Blick zu nehmen, kündigen Sie den Schulfrieden auf und springen zurück in die Gräben des letzten Jahrzehnts.

(Beifall von der SPD – Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie verwandeln die Schulen in eine Trümmerlandschaft!)

Der Schulkonsens – und das ist heute deutlich geworden – ist den Rednern der CDU nicht einmal bekannt. Der Schulfrieden von 2011/2012 war ein großer Wert.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Er hat Ruhe an die Schulen gebracht, und er hat dafür gesorgt, dass man sich an den Schulen wieder mit Bildung beschäftigt hat.

(Helmut Seifen [AfD]: Von wegen!)

Das war ein großer Verdienst von Herrn Röttgen, Frau Kraft und Frau Löhrmann.

(Franziska Müller-Rech [FDP]: Unfassbar!)

Seitdem ist aber viel passiert,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Eben!)

und wer mit offenen Augen durch unser Land geht, der spürt, dass man sich damit beschäftigen muss; zumal es in NRW kein Schulsystem mehr gibt, sondern 27 mögliche Kombinationen der unterschiedlichen Schulformmodelle in den einzelnen Kommunen. Das versteht kein Mensch mehr.

Die Sozialdemokratie entwickelt auch deshalb ein Bildungsprogramm für die nächsten Wahlen 2022. Der Schulfrieden geht bis 2023, und da streiten und ringen wir über Vorschläge, wie wir vorgehen wollen, und das offen, transparent und vor allen Dingen auch provokativ. Unsere Entscheidungen werden Sie auch öffentlich verfolgen können.

(Zuruf von Petra Vogt [CDU])

Was aber macht die Mitte-rechts-Regierung, meine sehr verehrten Damen und Herren? Handstreichartig, überfallartig im Stile eines amerikanischen Präsidenten bringen Sie einen Antrag ein,

(Lachen und Zurufe von der CDU und der FDP)

indem Sie in die Gräben zum Anfang des Jahrtausends zurückfliegen. So ist das!

(Widerspruch von der CDU und der FDP)

Und jetzt erkläre ich Ihnen das mal. Der Kompromiss, den Rot-Grün mit der CDU verhandelt hatte, war wie folgt:

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Rot-Grün verzichtet auf die …

(Erneut Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

– Bleib doch ganz ruhig! Dass dich das aufregt, ist klar. Aber wer den Frieden aufkündigt, der muss damit leben. – Rot-Grün verzichtet auf die Gemeinschaftsschule, Schwarz auf die Rettung der sterbenden Hauptschule

(Zuruf von der AfD)

und auf die Verbundschule, und dafür ist der Kompromiss die Sekundarschule. Und das Beste daran ist: Die wird besser ausgestattet, hat eine bessere Lehrer-Schüler-Relation, eine bessere Arbeitszeit für die Lehrerinnen und Lehrer, hat eine andere Klassengröße, und sie ermöglicht den Kommunen den Erhalt von Schulen vor Ort. Das war der Konsens. Die FDP hat sich daran nicht beteiligt, aber die CDU hat es sehr wohl.

Und jetzt sage ich Ihnen, was heute mit diesem Antrag passiert, und zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten die Gewerkschaft VBE, die Folgendes zu diesem Antrag sagt: Der Antrag liest sich wie die Wiedereinführung der Verbundschule durch die Hintertür. Das ist alter Wein in alten Schläuchen und bedeutet: Mit Volldampf in die Vergangenheit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht noch weiter. Der VBE sagt – zweites Zitat, Herr Präsident –: Der § 132c ist nur eine Krücke, zumal das nicht einmal mit den notwendigen Ressourcen untermauert ist. Die Realschule wird dadurch zur Auffangschule gemacht. Der aktuelle Antrag verschärft die Problematik eher.

(Zurufe von der CDU und der FDP – Beifall von der SPD und den Grünen)

Das sind die Fachleute, und das ist der Grund, warum Sie überfallartig handeln und nicht in die Anhörung gehen, weil Sie Sorge haben, kein Fachmann werde Ihren Antrag unterstützen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dieser Antrag ist ein Rückschritt, und dieser Antrag missachtet die Lehrerinnen und Lehrer an den Realschulen. Er missachtet den Willen von Tausenden von Eltern in Nordrhein-Westfalen, die ihre Kinder an der Gesamtschule anmelden wollen und nicht können, weil das Platzangebot nicht ausreicht. Sie missachten mit Ihrer Politik die Kinder und die Menschen in diesem Land.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie tun so, als seien Sie dazu gezwungen, als retteten Sie die Kommunen vor Ort. Aber das ist Quatsch. Es gibt eine Lösung. Wir haben eine gemeinsame Lösung im Schulkonsens verabredet, und die heißt Sekundarschule.

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Die ist auch besser ausgestattet. Das Problem ist nur, es ist Ihnen schlicht zu teuer.

(Franziska Müller-Rech [FDP]: Nein!)

Es ist Ihnen schlicht zu teuer, diesen Kindern den Standard der Sekundarschule zur Verfügung zu stellen. Das ist der eigentliche Skandal dahinter. Dabei wäre es unsere Aufgabe, für jedes Kind eine gute Lösung zu finden. Also: Umwandlung der Sekundarschule jetzt, sofort, mit diesem Konzept. Das hätten Sie gemeinsam mit uns verabreden können – und vieles andere mehr. Aber Sie wollten den Bruch des Schulfriedens. Das ist der eigentliche Skandal des heutigen Tages.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Den haben Sie doch angefangen!)

Ein Wort noch zu Frau Müller-Rech. Um das klar zu sagen: Wenn die Wirtschaft weiterhin die Ausbildungsplätze überwiegend mit Abiturienten besetzt, und wir von allen hören, dass diejenigen, die einen ehrlichen Hauptschulabschluss erlangen, aber gar keinen Ausbildungsplatz bekommen, weil sie nämlich anschließend nicht genommen werden, weil sie das Abitur dafür brauchen, dann muss sich die Wirtschaft auch einmal die Frage stellen, welche Standards sie eigentlich bei der Einstellung ihrer Azubis setzt.

(Beifall von der SPD)

Last but not least: Kolleginnen und Kollegen, die Hauptschullehrer, die Realschullehrer, die Gesamtschullehrer – jeden Tag, Tag für Tag arbeiten viele von denen für Inklusion und Integration, an vielen Stellen an der Grenze zur Überforderung. Großartiges wird vor Ort geleistet, und wir haben verdammt noch mal die Verantwortung, uns um darum zu kümmern.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben die Verantwortung, das stimmt!)

Deshalb kann man nicht, indem man Probleme verlängert und nicht mutig angeht, solche Politik machen. Wir müssen uns dazu bekennen: offensive Wertschätzung für die Kolleginnen und Kollegen in diesem Land, die für uns die Arbeit leisten, die viele von ihnen gar nicht leisten wollen.

(Petra Vogt [CDU]: Genau deshalb haben sie Sie abgewählt!)

Die müssen wir mit wirklich breitem Rücken unterstützen, damit Aufstieg weiter gefördert und Abstieg verhindert wird, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Ott. – Für die grüne Fraktion spricht nun Frau Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Anfang eine Bemerkung machen. Ich versuche, das von der Stimmlage her etwas anders zu machen. Aber was ich wirklich putzig finde, ist, dass Sie in Ihrem Antrag davon sprechen, dass die Ausbildungs- und Prüfungsordnung ideologischen Beschränkungen unterliegt. So viel Geschichtsklitterung und – was ist das? – böswillige Verdrehung oder einfach Unkenntnis habe ich hier in dieser Sache noch nicht erlebt.

Vielleicht laden wir einmal – und da frage ich mal Klaus Kaiser – zu einem Kaffee ein und erzählen noch einmal vom Schulkonsens und wie damals, 2010, die Ausgangslage war, als der CDU die Kommunen von der Fahne gegangen sind,

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

weil sie über Jahre die Schulentwicklung blockiert hatte. Deshalb ist es dazu gekommen. Ich will nicht nur Norbert Röttgen loben,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

ich will auch Karl-Josef Laumann loben, der ebenfalls in den Verhandlungen war und das sehr konsequent und konstruktiv gemacht hat.

Ausgerechnet von den Protagonisten der Retrokoalition wird über verschiedene Wege und Stellschrauben versucht, der Chimäre vom begabungsgerechten Schulsystem wieder in den Sattel zu helfen, dem eine Homogenisierungsfantasie zugrunde liegt – wir haben es gerade wieder gehört – , und die meilenweit weg ist von konsequenter individueller Förderung, wie wir sie, lieber Klaus Kaiser, einmal angedacht haben.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das ist auch meilenweit weg von einer Pädagogik der Vielfalt, die in allen Schulen und Schulformen notwendig ist. Sie machen das unter anderem mit der ausgerufenen Sonderrolle des Gymnasiums in der Inklusion, und auch in dieser Antragsvorlage versuchen Sie heute, sich aus den gemeinsamen Beschlüssen und damit aus dem Schulkonsens herauszuschleichen.

Es ist richtig, was VBE und GEW anmahnen: Wir brauchen eine zukunftsorientierte Steuerung im Bildungssystem, und darum müssen wir in der Tat gemeinsam daran arbeiten. Und Sie kommen wieder mit dem gescheiterten Modell der Verbundschule um die Ecke. Diese Retro-Koalition versucht in der Tat die Wiederbelebung einer Schulpolitik des gegliederten Schulsystems aus dem letzten Jahrtausend.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das sagen Sie angesichts Ihrer Bildungspolitik!)

Sie versuchen eine Wiederbelebung der Hauptschule, die schon unter Frau Sommer gescheitert ist – unter Frau Sommer gescheitert!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von den GRÜNEN: So ist es! So sieht es aus!)

Das war genau dieser Punkt. Die Hauptschule arbeitet engagiert mit den Kolleginnen und Kollegen; das ist überhaupt keine Frage. Aber längst wurden die Weichen anders gestellt, und zwar von den Eltern und von den Schülerströmen aus. Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis Das, was Sie hier machen, wird zum Scheitern verurteilt sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen im Gegenteil eine Stärkung der Sekundarschulen. Es ist notwendig, dass nicht nur Hauptschulen umgewandelt werden, sondern auch Realschulen und Hauptschulen gemeinsam. Wichtig sind auch das Andocken als Teilstandort an Gesamtschulen und die Weiterentwicklung von Sekundarschulen zu Gesamtschulen an den starken Standorten.

Wir brauchen auch die direkte Umwandlung von Realschulen und Hauptschulen in Sekundarschulen bzw. Gesamtschulen mit allen Möglichkeiten der Abschlüsse und Beschulung ohne künstlich hergestellte Hauptschulzweige, ohne dass Kinder in gegliederten Schulsystemen wieder mehr aussortiert werden.

Es ist bedauerlich, dass Sie im Vorfeld nicht das Gespräch gesucht haben.

(Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Mit den Schulkonsens-Fraktionen haben wir zum Beispiel – auch da schaue ich zu Petra Vogt, zu Klaus Kaiser – die Frage des § 132c, dieser Vorschrift, die jetzt verändert werden soll, vor der Gestaltung intensiv miteinander besprochen.

Daher verdichtet sich der Eindruck des Ausstiegs aus dem Schulkonsens. Sie sind dafür verantwortlich, wenn die alten Grabenkämpfe wieder aufbrechen,

(Jochen Ott [SPD]: So ist es! Genauso ist es!)

und wenn sich Eltern, Schüler und Schülerinnen darüber beklagen, dass die Energie nicht dahin geht, wo sie hingehört, nämlich in guten Unterricht und in gute Bildung.

Frau Minister, Sie haben weltbeste Bildung versprochen. Und was ist? Alte ideologische Grabenkämpfe aus dem letzten Jahrtausend werden ausgegraben, und Schulmodelle des letzten Jahrtausends versuchen Sie wiederzubeleben. Das wird Ihnen nicht gelingen. Nur, es sind vergeudete Zeiten für die Schulen in Nordrhein-Westfalen mit dem, was Sie hier tun.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das heißt alles nicht, dass wir nicht um die Weiterentwicklung des Schulsystems ringen und streiten müssen. Aber es muss eine zukunftsfähige Weiterentwicklung sein und kein Karussell, das sich rückwärts dreht – eine Weiterentwicklung, die übrigens inklusive Bildung voranbringt, umfassende Teilhabe ermöglicht und Segregation überwindet. Sie ziehen neue Zäune in dieser Gesellschaft hoch.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Beer. – Für die Fraktion der AfD spricht nun Herr Seifen.

Helmut Seifen (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag von CDU und FDP leitet Maßnahmen ein, welche damit beginnen, die schlimmsten Verwerfungen der Vorgängerregierung im Schulbereich zu beseitigen. Viele Kommunen haben aufgrund eines subtilen Drucks der alten Landesregierung und ihres verlängerten Armes der jeweiligen Bezirksregierung und ihrer Dezernenten ihre Hauptschulen, sogar ihre Realschulen geschlossen und Gesamtschulen sowie Sekundarschulen gegründet.

Nun haben wir die Misere: Schülerinnen und Schüler, denen ein Schulwechsel empfohlen werden muss, die am Gymnasium oder an der Realschule überfordert sind, finden in einigen Orten keine Hauptschule mehr, in der sie gemäß ihren intellektuellen Begabungen unterrichtet werden und einen Abschluss erwerben können, der ihnen den Einstieg in die Berufswelt ermöglicht.

(Zuruf von der SPD: Wie schrecklich!)

Die jeweiligen Realschulen – wenn es sie denn gibt – laufen über. Die Sekundarschulen können die Schüler auch nicht mehr nehmen.

(Zuruf von der SPD: Ich fange an zu weinen!)

Ich habe das in Gronau erlebt, wo es keine Hauptschule mehr gibt. Es war eine Katastrophe, und zwar für die Eltern.

(Beifall von der AfD)

Dieses unsinnige Diskriminierungsgeschwafel vor allen Dingen von rot-grünen Bildungsideologen im Zusammenhang mit der Zuweisung von Schülern und Schülerinnen zu unterschiedlichen Schulformen – Frau Beer hat es gerade wieder vorgemacht – und die Favorisierung von Gesamtschulen haben der Hauptschule stark zugesetzt, sodass viele Hauptschulen aufgrund fehlender Schüleranmeldungen schließen mussten.

In Realschulen und Gymnasien werden zum Teil Schülerinnen und Schüler unterrichtet, die mit dem Niveau dieser Schulform entweder überfordert sind oder kein Interesse haben, zu lernen bzw. viel Energie ins Lernen zu stecken. Das gibt es auch. Diese Idee von der Binnendifferenzierung und der individuellen Förderung ist einfach eine Mogelpackung.

(Beifall von der AfD)

Das haben aber diejenigen nicht berücksichtigt, die ihrer Ideologie gemäß jegliche äußere Differenzierung durch verschiedene Schulformen als Akte der Selektion und der Diskriminierung verunglimpft haben. So haben diese Gleichheitsideologen von Rot-Grün sogar im Schulgesetz und in der APO-SI die Möglichkeiten äußerer Differenzierung stark eingeschränkt.

Ich frage mich, welche Obsession diese Ideologen antreibt, um die Kinder in diese Form der Nivellierung zu zwingen. Das Diskriminierungsgerede linksideologischer Bildungspolitiker ignoriert aus einer falsch verstandenen Vorstellung von Chancengleichheit die Vielfalt menschlicher Lebensformen mit eigenen Werten, Normen, Einstellungen, Überzeugungen, Interessen und Begabungen.

(Beifall von der AfD)

Auch der Bildungsweg ist immer einer der Differenzierung mit Verzweigungen, Ab- und Umwegen, mit Rückkehrmöglichkeiten, Auf- und Abstiegen.

Das Entscheidende in unserem Land ist, dass das Schulsystem durchlässig ist. So kann sich jeder Schüler und jede Schülerin je nach Lebenssituation und augenblicklicher Begabung den Schulweg aussuchen, den er oder sie braucht.

(Zuruf von der SPD: Deshalb haben wir jetzt Abstieg statt Aufstieg!)

Dazu braucht es ein differenziertes Bildungsangebot mit unterschiedlichen Schulformen so, wie wir es zum Teil im Bereich der Hochschulen vorfinden, wo verschiedene Angebote vorhanden sind.

Differenzierung ist nur dann problematisch, wenn sie auf Selektion verkürzt wird und wenn Chancen durch unüberwindliche Hürden verbaut werden. Das geschieht zum Beispiel in den Staaten, in denen die Qualität der Schulbildung vom Geldbeutel der Eltern abhängt – nicht in unserem Land!

Bildung soll nicht selektieren, sondern befähigen, ein Leben nach eigenen Vorstellungen zu leben, Autor oder Autorin des eigenen Lebens zu sein. Der falsche Weg ist es jedoch, jegliche äußere Differenzierung aus Angst vor Selektionswirkungen abzuschaffen. Die Vorstellung, dass der Selektionsmechanismus von Bildung abgeschafft sei, wenn nur alle das Gleiche lernen, ist ein Irrweg, weil das an der Widerständigkeit des Einzelnen scheitert, der seine jeweils eigenen Begabungen ausleben will. Da hilft auch keine Binnendifferenzierung.

(Beifall von der AfD)

Das ist eine einzige Mogelpackung, mit der die Eltern beruhigt werden sollen. Der Unterricht hyperheterogener Klassen überfordert die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte und führt zu einer unseligen Verflachung der Lernergebnisse.

Nordrhein-Westfalen steht nicht umsonst am Ende des Leistungsrankings bei nationalen und internationalen Lerntests. Das hängt ganz eng mit der Zerstörung des mehrgliedrigen Schulsystems zusammen.

(Jochen Ott [SPD]: Schwachsinn!)

– Das ist kein Schwachsinn, Herr Ott! Sie haben keine Ahnung, das ist das Problem! Das Problem ist, dass hier Leute sitzen, die keine Ahnung haben, aber über Schulpolitik bestimmen!

(Beifall von der AfD)

Humanisierung des Bildungswesens lässt sich nicht durch Entdifferenzierung und Nivellierung erreichen, sondern durch eine Kultur gleicher Anerkennung unterschiedlicher Leistungen, Fertigkeiten und Fähigkeiten. Der Akademiker ist eben nicht mehr wert als der Nichtakademiker, Herr Ott.

(Jochen Ott [SPD] schüttelt den Kopf.)

– Da müssen Sie nicht den Kopf schütteln. Ich weiß, Sie achten die Leute nicht!

(Beifall von der AfD – Zuruf von der SPD: Unverschämt!)

Insofern repariert der vorliegende Antrag ein wenig das, was an Zerstörung angerichtet worden ist.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP und der CDU, sehen Sie es mir aber nach: Ich bin froh, dass Sie diesen Antrag gestellt haben – aber Sie haben ihn halbherzig gestellt. Sie haben immer noch zu viel Angst vor den linksideologischen Nackenschlägen, die Sie bekommen.

Sie haben doch gerade Herrn Ott gehört, wie er hier in gespielter Empörung den „Kreuz-Krieg“ wieder ausgerufen hat. Sie sind jetzt eh bei denen verrufen. Ich würde daher vorschlagen: Machen Sie keine halben Sachen, nehmen Sie sich auch der Sekundarschule an. Richten Sie Sekundarschulen ein, in denen es kooperative Formen des Lernens gibt: Hauptschulzweige, Realschulzweige. Dann werden die Kinder dort vernünftig betreut. Sie nähern sich im Schneckentempo der Bildungspolitik der AfD an. Vielleicht kann es etwas schneller gehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Das war Herr Seifen für die AfD-Fraktion. – Und nun spricht für die Landesregierung Ministerin Frau Gebauer.

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Ott, lassen Sie mich bitte zu Beginn doch eines richtigstellen; ich hoffe, das tue ich auch in Ihrem Sinne: Alle Lehrerinnen und Lehrer an allen Schulformen hier in Nordrhein-Westfalen leisten jeden Tag hervorragende Arbeit, auch in den Bereichen, die Sie genannt haben: Inklusion und Integration.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der vorliegende Antrag greift drei Aspekte auf: die Sicherung von Schullaufbahnen, vielfältige Angebote und mehr pädagogische Gestaltungsmöglichkeiten für die Schulen vor Ort.

Die Schulform „Hauptschule“ wird ungeachtet der sehr engagierten pädagogischen Arbeit ihrer Lehrkräfte mangels Nachfrage der Eltern in vielen Regionen nicht mehr in erreichbarer Nähe angeboten. Die Zahl von 152 auslaufenden Hauptschulen – insgesamt gibt es noch 318 – zeigt mehr als deutlich, dass hier Handlungsbedarf besteht. Dieser Handlungsdruck wird dem Ministerium verstärkt auch aus den Kommunen zurückgespiegelt.

Ein zukünftiges Handeln muss die unterschiedlichen Schulformen im Blick haben. Zum einen ist sicherzustellen, dass nachgefragte Hauptschulen nicht beschädigt werden. Integrierte Schulen zum Beispiel wären in ihrer pädagogischen Konzeption stark tangiert, wenn ausschließlich diese Schulform durch ihren integrierten Hauptschulbildungsgang vorrangig alle Kinder mit Hauptschulempfehlung aufzunehmen hätte. Auch bei den Realschulen geht es um die Frage, wie die von Eltern anerkannte Qualität weiter gesichert werden kann.

Das heißt, wir müssen gleichzeitig qualitätssichernd und pragmatisch handeln, ohne Unruhe ins Schulsystem zu bringen.

Bereits im Jahr 2015 wurde noch unter der Vorgängerregierung der § 132c Schulgesetz eingeführt, der ab Klasse 7 den Verbleib in einem Hauptschulbildungsgang ermöglicht. Diese Regelung stößt jedoch dort an ihre Grenzen, wo sich Eltern für ihr Kind den Besuch eines differenzierten Hauptschulbildungsganges bereits ab Klasse 5 wünschen, ein entsprechend erreichbares Angebot aber nicht vorhanden ist.

Gleichzeitig wurden beim bestehenden § 132c die pädagogischen Möglichkeiten der Realschule untergesetzlich dahin gehend stark beschnitten, zwischen Formen der inneren und der äußeren Differenzierung entscheiden zu können. Dabei wurden den Realschulen unter der Vorgängerregierung unzulängliche Ressourcen bereitgestellt, was dazu führte, dass sie de facto einer nahezu ausschließlich inneren Differenzierung folgen mussten.

Von Realschulseite aus wurde wiederholt die Kritik geäußert, dass dieses enge pädagogische Korsett und eine unzureichende personelle Unterstützung die bestmögliche individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen einschränke. Die Landesregierung begrüßt daher, dass der vorliegende Antrag die pädagogische Freiheit der Schulen stärken will, indem er die Entscheidung über die innere und äußere Differenzierung verstärkt in die Hände der Schulen legen möchte.

Gleichzeitig fordert der Antrag die Möglichkeit der Einrichtung eines Hauptschulbildungsgangs an der Schulform Realschule ab der Klasse 5. Verbunden ist dies mit der Forderung, solche Erweiterungen in einem abgewogenen Rahmen umzusetzen. Dieses Handeln erfordert eine sorgfältige Vorbereitung. Dabei geht es um eine auf Fakten gestützte Analyse des Bedarfs. Es geht um die schulfachlichen Rahmenbedingungen, und es geht um die personelle Absicherung einer bestmöglichen Förderung aller Kinder – ich betone explizit: aller Kinder – in allen Schulformen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Gebauer. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Inhalt des Antrags zu? – CDU, FDP und AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD und Grüne stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Zwei Enthaltungen unserer beiden heute anwesenden fraktionslosen Abgeordneten Herrn Neppe und Herrn Langguth. – Weitere Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2748 mit den Stimmen der Mehrheit des Hohen Hauses angenommen.

Ich rufe auf:

5   Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen zur Prüfung der Vorwürfe möglicher Vertuschungen und wahrheitswidrigen Erklärungen der Landesregierung im Zusammenhang mit dem angeblichen Hacker-Angriff auf Frau Staatsministerin a. D. Christina Schulze Föcking und zur Prüfung der Vorwürfe, ob durch falsche Information über die Auflösung der Stabsstelle Umweltkriminalität im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Parlament und Öffentlichkeit über die Schlagkraft bei der Bekämpfung der Umweltkriminalität getäuscht wurde

Antrag
der Fraktion der SPD und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2753

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2829

Nun ist die Aussprache eröffnet. Für die antragstellende Fraktion der SPD hat zunächst Herr Kollege Körfges das Wort.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Abgeordneten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen beantragen gemeinsam einen Untersuchungsausschuss, der die Frage klären soll, ob die Regierung Laschet oder Teile dieser Landesregierung die Öffentlichkeit und das Parlament teilweise falsch oder zumindest unzureichend informiert haben.

Wir wollen wissen, ob der angebliche Hackerangriff instrumentalisiert wurde und wir und die Öffentlichkeit über die dahinterstehenden Tatsachen getäuscht worden sind.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

In einem zweiten Komplex wollen wir, dass sich der Untersuchungsausschuss mit der Frage beschäftigt, warum und vor welchem Hintergrund die Stabsstelle Umweltkriminalität aufgelöst wurde.

Lassen Sie mich zunächst zum ersten Untersuchungskomplex etwas sagen. Erst durch unsere Berichtsanforderungen im Rechtsausschuss ist die Tatsache offenbar geworden, dass ein angeblicher Hackerangriff niemals stattgefunden hat, dass noch nicht einmal ein Anfangsverdacht – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! – vorgelegen hat und dass die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen nicht auf objektiven Erkenntnissen, sondern lediglich auf einer Anzeige der vermeintlich Geschädigten beruhten.

Das ist erst durch unsere Berichtsanforderung im Rechtsausschuss offenbar geworden. Das alles war den Beteiligten zumindest seit dem 18. April 2018 bekannt – Bedienungsfehler inklusive.

Herr Laschet, der jetzt leider nicht persönlich anwesend ist, hat einen Tag nach der Anzeige durch die Geschädigte in der Gegend herumgetwittert, und zwar in Sachen Solidarität, aber auch in Sachen Zuordnung. Ich zitiere: „Alle Achtung! CDU, SPD, FDP und Grüne gemeinsam gegen den unerträglichen Eingriff in die Privatsphäre der Landwirtschaftsministerin.“ Und – ich zitiere weiter wörtlich –: „Manche politischen Aktivisten überschreiten jede Grenze des Anstands.“

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Das hätte spätestens ab dem 18. April – liebe Kolleginnen und Kollegen, da nutzt Ihnen auch Ihr Mosern nichts – den Anstand und die Courage des Ministerpräsidenten erfordert, hier dem Parlament zu sagen: Das war ein Irrtum; das war ein Bedienungsfehler, und das war kein strafrechtlich bewehrter Eingriff.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ihr Regierungssprecher Herr Wiermer hat am 16. März 2018 in einer – wie ich finde, auch von der Geschwindigkeit her – ungewöhnlichen Solidaritätserklärung – ich zitiere wieder wörtlich – „offenkundig kriminelle Eingriffe in die Privatsphäre der Ministerin a. D. Schulze Föcking“ öffentlich gemacht.

Am besten finde ich in dem Zitat, wenn er von „mindestens teilweise erfolgreichen Versuchen der Hacker“ spricht. Wir und die Öffentlichkeit fragen uns: Wer hat denn wann diese „teilweise erfolgreichen Versuche“ festgestellt? Etwa der Regierungssprecher in persona als Sonderermittler? – Ich glaube, da sind Sie dem Parlament gegenüber Rechenschaft schuldig.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das sehen auch die Medien so. Ich zitiere die „WAZ“ vom 17. Mai 2018.:

„Bislang vorgelegte Dokumente von Polizei und Innenministerium boten jedoch gar keine Basis für eine solch zugespitzte Erklärung des Regierungssprechers zum damaligen Zeitpunkt. Nach knapp zwei Wochen stellten die IT-Experten von Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft bereits fest, dass sich die vermeintliche Hackerattacke als Bedienungsfehler im WLAN-Netz durch ein Mitglied der Familie Schulze Föcking entpuppt hatte.“

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fragen uns, wie der Herr Ministerpräsident und sein Pressesprecher einen Tag nach Erheben der Vorwürfe auf den Gedanken kommen, hier seien politische Aktivisten – wer auch immer gemeint sein mag – am Werk. Und sein Pressesprecher konstatiert auch noch „zumindest teilweise erfolgreiche Versuche“. Wie kommen die Herrschaften zu diesen Überlegungen? Fakten hierzu gab es zu dem Zeitpunkt garantiert noch nicht.

Ich kann nur sagen: Wer hier vor dem Hintergrund fehlender Fakten Erklärungen in einem laufenden Ermittlungsverfahren abgibt, der muss sich fragen lassen, welchen Hintergrund diese Erklärungen gehabt haben. Wir werden den Untersuchungsausschuss dazu nutzen, diese Frage zu stellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir wollen auf jeden Fall herausfinden, ob diese Reaktion am Tag nach dem vermeintlichen Hackerangriff abgestimmt war oder ob es eine Entlastungsstrategie gab, die womöglich nicht so erfolgreich war.

Meiner Meinung nach – ich schließe mal aus, dass der Herr Regierungssprecher aufgrund eigenen Antriebes etwas veröffentlicht hat – sind nur zwei vernünftige Ansätze denkbar. Nach der Anzeige ist eine WE-Meldung – das spielt in Untersuchungsausschüssen immer wieder eine Rolle; wir werden dem nachgehen – abgesetzt worden. Deren Inhalt gibt zwar nur den angezeigten Verdacht wieder, aber vielleicht hat diese WE-Meldung dazu geführt, den Sachverhalt als bestätigt zu empfinden.

Das wäre dann ein Zirkelschluss – ziemlich dämlich, aber immerhin einigermaßen harmlos.

Es gibt aber auch noch eine andere Erklärungsmöglichkeit. Dazu muss man sich noch mal die Wortwahl vor Augen führen. War nicht in vielen Äußerungen, auch als es um die aktuelle Frage ging, was im Bereich der Schweinemast passiert war, von „Tierschutzaktivisten“ oder „Ökoaktivisten“ die Rede?

Man kann dem Herrn Ministerpräsidenten vieles vorwerfen – das muss ich auch in seiner Abwesenheit konstatieren –, aber mit Worten kann der Mann schon umgehen. Auch dem Regierungssprecher, der mit der Kunst großer Überschriften durchaus vertraut ist, ist sicherlich Wortgewandtheit nicht abzusprechen.

Wenn die Herrschaften sich dann so gezielt ausdrücken, kann man zumindest die Vermutung äußern, dies habe den Hintergrund gehabt, den gesamten Sachverhalt unter dem Motto: „Ökoaktivisten, Politikaktivisten“ in einen Zusammenhang zu bringen, der die dahinter liegenden Vorwürfe irgendwie mit beseitigt.

Wir wollen wissen, ob das eine bewusste Strategie war, um von den Vorwürfen gegenüber der damaligen Umweltministerin abzulenken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Man kann nun eine Art Ballonverteidigung machen: Man kann in der Fragestunde nach dem Motto: „Sei nicht feige, lass mich hinter den Baum!“ den Finanzminister für sich antworten lassen oder aber in einer Aktuellen Stunde mit wahnsinnigen Umschreibungen nichts einräumen. Deshalb hat sich Herr Laschet diesen Untersuchungsausschuss mehr als verdient.

Nur eines kann man nicht machen: in einem Untersuchungsausschuss Antworten auf diese Fragen schuldig bleiben. Und da dürfen Sie uns beim Wort nehmen: Wir werden die Fragen stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ich sage es deutlich: Ja, es ist schrecklich und unerträglich, wie in den sozialen Medien mit Menschen umgegangen wird. Wir verurteilen ausdrücklich Drohungen, Beschimpfungen und Hass im Netz. Über alle Fraktionen hinweg gelten unser Mitgefühl und unsere Solidarität allen betroffenen Kolleginnen und Kollegen, natürlich auch Frau Schulze Föcking.

Insoweit können wir allerdings nicht verstehen, dass Sie nicht mit uns gemeinsam den von Ihnen eingebrachten Änderungswunsch in Form eines Änderungsantrags beschlossen haben. Damit hätten wir Gemeinsamkeit herstellen, unsere gemeinsame Haltung gegenüber diesen Auswüchsen artikulieren und das Ganze untersuchen können. Das haben Sie offensichtlich nicht gewollt, meine Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Wir wollten nicht, dass Sie, Herr Löttgen, weiter billige Ablenkungsmanöver fahren und dann seitenweise irgendwelche Binsenweisheiten des Herrn Finanzministers aus der Fragestunde zitieren. Deshalb ist das nicht zustande gekommen, wenn ich Sie da korrigieren darf.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ich darf auch noch mal auf die Parallelen hinweisen. Leider ist Herr Laschet nicht da. – Ach, jetzt ist er da. Herzlich willkommen! Sie kommen nämlich gerade zum richtigen Stichwort, Herr Ministerpräsident. – Es drängt sich ja – ich will das hier nicht vertiefen – eine gewisse parallele Grundeinstellung bei der Frage auf: Wie geht man mit schwierigen Sachverhalten um? Ich erinnere da nur an Noten, abhanden gekommene Klausuren und dergleichen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU: Ohh!)

Die Tatsache, wie Sie jetzt reagieren, zeigt, dass ich offensichtlich einen wunden Punkt getroffen habe.

Apropos billige Ausreden: Wie dreist und rechtsirrig war denn die Antwort auf das Schweigen des Ministerpräsidenten durch Herrn Lienenkämper, nach dem Motto: „Ich äußere mich nicht zu laufenden Verfahren“?

Zum einen – kleiner Literaturhinweis – gibt es zur Frage nach den rechtlichen Grenzen für die Äußerungen zu Gerichtsverfahren eine wunderbare Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags.

Zum andern reicht allein von der inneren Logik ein Blick auf die Chronologie zu diesem angeblichen Vorfall: zuerst, nachdem noch gar nichts feststand, in einem laufenden Verfahren zu twittern und Presserklärungen abzugeben, um dann, als die Sache in sich zusammenbricht, Herr Laschet, sich auf den Standpunkt zu stellen: Das ist ein laufendes Verfahren, jetzt sage ich nichts mehr. – Dazu kann ich nur sagen: Das ist wirklich billig!

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen Dinge klären, die sich auch im Vorfeld hätten klären lassen. Man hätte nur Fakten zu den Fragen, die wir gestellt haben, liefern müssen. Das haben Sie unterlassen. Sie haben sich – das habe ich eben schon gesagt – diesen Untersuchungsausschuss redlich verdient.

Zum Abschluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren von der Regierung: Das Krisenmanagement dieser Regierung, ihre Öffentlichkeitsarbeit und der fehlende Mut, Klarheit zu schaffen, wirft weit über diesen Untersuchungsausschuss hinaus Fragen auf, unter anderem die Frage danach, ob Sie in dieser Verfassung tatsächlich regierungsfähig sind. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Körfges. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Rüße.

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute überhaupt über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses diskutieren – das will ich ganz am Anfang festhalten –, hängt damit zusammen, dass die Landesregierung und der Ministerpräsident sich verweigert haben, die Sachverhalte rund um die Auflösung der Stabstelle und rund um den vermeintlichen Hackerangriff aufzuklären. Sie sind dafür verantwortlich, dass das Parlament, dass die Parlamentarier dieses scharfe Schwert ziehen. Sie hätten das durchaus verhindern können.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Viele hier im Raum und auch draußen im ganzen Land fühlen sich in diesen beiden Punkten von der Landesregierung überhaupt nicht rechtzeitig und ausreichend informiert. Schlimmer noch, es steht der Verdacht im Raum, dass Sie gerade, was die Frage des Hackerangriffs angeht, die Gelegenheit genutzt haben, eine angeschlagene Ministerin gezielt zu stützen, anstatt die Wahrheit zu sagen.

Mit dieser Politik von Fehlinformation, von Desinformation haben Sie als Landesregierung, Sie als Ministerpräsident, Herr Laschet, unser Vertrauen in Sie beschädigt. Man kann sagen: Wir glauben Ihnen eigentlich nichts mehr.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das wiegt aus meiner Sicht besonders schwer, da Sie für den Hackerangriff völlig zu Recht – wenn es denn so gewesen wäre – die Solidarität von uns allen eingefordert haben.

Von daher, so glaube ich, wäre es an der Zeit gewesen, rechtzeitig zu informieren und sich auch dafür zu entschuldigen, dass der Sachverhalt ganz anders dargestellt worden ist, als er war.

Wie aus einer kleinen WE-Meldung über diesen Hackerangriff am Ende ein umfassender krimineller Akt wurde, wie das vom Pressesprecher der Staatskanzlei aufgeblasen wurde und dann wie ein Soufflé in sich zusammensackte, ist schon eine bemerkenswerte Geschichte.

Ich will noch einmal Herrn Regierungssprecher Wiermer zitieren:

„Nach Informationen der nordrhein-westfälischen Ermittlungsbehörden hat es von bisher unbekannter Seite Versuche gegeben, auf persönliche Daten der Ministerin … zuzugreifen. Mindestens teilweise waren die Versuche demnach auch erfolgreich.“

Wie man auf die Idee kommen kann, aus dem Abspielen eines Videos das Hacken, das Abgreifen persönlicher Daten zu schlussfolgern, ist mir unbegreiflich.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Sorgfaltspflicht hätte doch – bevor man die Meldung an der Stelle so aufbauscht – geboten, vorsichtig zu sein und wirklich nur das herauszugeben, was man aktuell weiß, und nicht noch irgendwelche Mutmaßungen zu ergänzen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident, Ihre Staatskanzlei hat an dieser Stelle die Öffentlichkeit, den Landtag, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes getäuscht. So zu agieren, ist einer Landesregierung unwürdig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir werden diesen Hackerangriff deshalb in den Mittelpunkt des Untersuchungsausschusses stellen.

Aber auch an anderer Stelle ist es zu Fehlverhalten der Landesregierung, zu Fehlinformationen rund um die Auflösung der Stabsstelle gekommen. Auch hier stand ganz am Anfang eine Behauptung: Nur ein geringer Prozentteil der Arbeit würde sich mit anderen Dingen beschäftigen; ganz überwiegend wäre es ja die illegale Greifvogeljagd, um die sich die Stabsstelle kümmere.

Durch die Arbeit eines Journalisten stellte sich dann jedoch heraus, dass der Sachverhalt ganz anders ist. Auch hier – wie beim Hackerangriff – war das eine sehr kreative Art und Weise, mit der Wahrheit umzugehen. Man hat schon das Gefühl, dass diese Landesregierung dazu neigt, die Wahrheit so lange zu verbiegen, bis sie passt.

Der Kollege Deppe hat die Frage gestellt, ob denn die Stabsstelle an den ganz großen Umweltskandalen – Envio, Shell – beteiligt gewesen sei. Da kam die Antwort: Nein, damit hat die Stabsstelle garantiert gar nichts zu tun gehabt! Schaute man dann in die Akten – was wir gemacht haben –, stellte man fest: Umfangreiche Bestände der Stabsstellenakten beschäftigen sich genau damit: mit Envio und Shell. Das Verfahren gegen Shell hätte es gar nicht gegeben, wenn die Stabsstelle nicht aktiv geworden wäre.

Wir waren auch hier überrascht, wie viel Unwahrheit man uns erzählt hat, um immer wieder das eigene Handeln zu erklären – wahrscheinlich, um nicht die wahren Ursachen offenlegen zu müssen, aus denen man diese Stabsstelle angegriffen hat.

Wer hier im Landtag – wir haben das ja alle erlebt – eine Filibuster-Rede hält wie der Verkehrsminister, wer auf jede Nachfrage so unkonkret antwortet, wie es hier passiert ist, und wer dann als Ministerpräsident – Herr Laschet, das war eigentlich der Höhepunkt – nicht einmal den Anstand hat, sich für diese Aneinanderreihung von Fehlern zu entschuldigen,

(Beifall von den GRÜNEN)

der handelt sich geradezu zwangsläufig einen Untersuchungsausschuss ein.

Wir wollen jetzt die offenen Fragen klären: Wer war für welche Fehlinformation zuständig? Warum wurde die Stabsstelle wirklich abgeschafft? Und – das ist auch wichtig –: Hat die Auflösung der Stabsstelle die Bekämpfung der Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen geschwächt? – Das alles wollen wir von Ihnen wissen.

Dass es heute keinen gemeinsamen Änderungsantrag gibt, enttäuscht mich auch persönlich. Es wäre gut möglich gewesen, das gemeinsam zu bewerkstelligen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP: Was auch immer!)

Ich glaube, dass wir als SPD und Grüne hinreichend Kompromissbereitschaft gezeigt haben. Da sollten Sie sich mal daran erinnern, wie Sie sich bei Einsetzungsverfahren anderer Untersuchungsausschüsse verhalten haben – nämlich genau umgekehrt!

Zum Schluss appelliere ich noch einmal an die Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich dann gemeinsam im Untersuchungsausschuss tätig werden kann, dass wir intensiv versuchen, dieses Dickicht aus Flunkereien und Fehlinformationen zu durchdringen und die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rüße. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kerkhoff.

Matthias Kerkhoff (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mag ja an mir und meiner mangelnden Auffassungsgabe liegen, dass ich in weiten Teilen Schwierigkeiten hatte, Herrn Körfgens Ausführungen zu folgen.

(Zurufe von der SPD: Das liegt an Ihnen! – Sie müssen mal zuhören!)

Aber vielleicht erfahren wir noch etwas mehr dazu.

Ich will voranstellen, dass es diesen Untersuchungsausschuss aus unserer Sicht nicht braucht,

(Zuruf von der SPD: Ihr habt doch darum gebettelt!)

weil die Landesregierung bereits in der Vergangenheit umfassend, detailliert und transparent gehandelt und informiert hat – zuletzt in der Fragestunde und Mitte Mai in der Aktuellen Stunde hier im Parlament.

Die Fraktionen von SPD und Grünen haben dennoch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen. Das ist ihr gutes Recht, das respektieren wir. Es gehört im Übrigen auch zur guten Tradition dieses Parlaments, solche Untersuchungsausschüsse im Einvernehmen auf den Weg zu bringen, und das war auch bei diesem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss unser ausdrückliches Ziel. Ich bedauere, dass SPD und Grüne dies heute durch ihr Verhalten aufkündigen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben unsere konstruktive Mitarbeit nicht nur angeboten, sondern das durch konkrete Änderungshinweise, die – und das ist jetzt entscheidend – den Wesenskern Ihres Textes überhaupt nicht verändert hätten, deutlich gemacht.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das kann man unterschiedlich beurteilen!)

Wir haben etwa an Ihrem Fragenkatalog überhaupt keine Veränderungen vorgenommen.

Wir hätten Ihnen zugestanden, dass im Einsetzungsantrag die Reihenfolge der Beratungsgegenstände festgelegt wird, was im Übrigen nicht Teil Ihres Minderheitenrechts ist, sondern dem Mehrheitsprinzip unterliegt. Und wir hätten auch Ihren Wunsch nach einem Teilbericht mitgetragen, was auch nicht in den Einsetzungsantrag zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss gehören würde.

Unsere Änderungshinweise haben wir Ihnen zukommen lassen und der Öffentlichkeit am Montag vorgestellt. Unsere Botschaft war und ist noch immer: Wir wollen Transparenz, und wir wollen konstruktiv mitarbeiten.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Die Transparenz hättet ihr doch längst herstellen können!)

Ihre Botschaft hingegen lautet: Sie bleiben im vorliegenden Antrag beim unvollständigen Zitieren. – Und ich stelle fest: Herr Körfges setzt das an diesem Rednerpult fort.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie bleiben dabei, Zitate im falschen Zusammenhang darzustellen,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Hört! Hört!)

Sie bleiben dabei, Wertungen vorzunehmen, die erst durch den Untersuchungsausschuss vorgenommen werden können, und Sie weigern sich, Wertungen als Wertungen von SPD und Grünen zu kennzeichnen. Auch das hat Herr Rüße gerade am Rednerpult wieder deutlich gemacht.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der CDU: Unseriös!)

Sie weigern sich, zu begründen, was Sie davon abhält, vollständig und im Sachzusammenhang zu zitieren. Sie weigern sich, Ihren Antrag neutral und auf der Grundlage von Fakten zu formulieren.

Heute weigern Sie sich zudem, die uns noch am gestrigen Tage zugestandenen wenigen Änderungen umzusetzen. Sie lassen Ihren Antrag völlig unverändert.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht! – Gegenruf von der CDU: Das stimmt! Nur Lug und Trug!)

Sie weigern sich sogar, eine Reduzierung der Zahl der Stellen, die der Landtag den Fraktionen vorschlägt, mitzutragen, obwohl doch offenkundig ist, dass der Arbeitsaufwand dieses PUAs nicht an den vorangegangener PUAs heranreichen wird. Bei Mord, sexueller Belästigung und Milliardendesastern reichten Ihnen 1,5 Stellen. Wenn es hingegen um das Kommunikationsverhalten der Landesregierung geht, müssen es zwei Stellen sein. Auch das können Sie niemandem erklären.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, weil SPD und Grüne sich so verhalten, liegt der Verdacht nahe, dass sie bewusst einen falschen Eindruck erzeugen wollen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das hat wohl der Ministerpräsident gemacht!)

Nur der Untersuchungsausschuss darf eine abschließende Bewertung vornehmen. Wenn er aber auf der Grundlage klar widerlegter Behauptungen und Vorverurteilungen eingesetzt wird und unvollständig oder falsch zitiert wird, steht seine Arbeit von Anfang an unter dem Verdacht parteipolitischer Motive. Dafür tragen Sie die Verantwortung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Christof Rasche [FDP]: Null Kooperation!)

Das ist aus meiner Sicht sehr bedauerlich, weil die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ja darauf achten, wie dieses Parlament seine Ressourcen einsetzt und welcher zeitliche Aufwand betrieben wird.

Ihnen geht es nicht um Aufklärung. Ihnen geht es um das Erwecken falscher Eindrücke. Damit beschädigt Ihr Verhalten auch die politische Kultur. Deshalb werden wir dem nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kerkhoff. – Jetzt spricht für die FDP-Fraktion Herr Bombis.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Ich möchte aus unserer Sicht in dieser Debatte um den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf drei entscheidende Aspekte eingehen.

Da wäre erstens der Umstand, dass wir in der letzten Legislaturperiode mehrere Parlamentarische Untersuchungsausschüsse hatten. Das Thema eines Untersuchungsausschusses war eine so noch nie dagewesene massenhafte sexuelle Attacke bis hin zur Vergewaltigung von Frauen und Mädchen in der Kölner Silvesternacht.

Der nächste Untersuchungsausschuss beschäftigte sich mit einer in der Geschichte der Bundesrepublik in der Form noch nie dagewesenen Mordserie aus dem rechtsradikalen Spektrum.

Ein weiterer Untersuchungsausschuss thematisierte – er wurde in der laufenden Wahlperiode erneut eingesetzt – einen schrecklichen islamistischen Terroranschlag, wie es ihn auf deutschem Boden vorher noch nie gegeben hat.

Und jetzt debattieren wir über einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss – das schärfste Schwert, das ein Parlament hat – wegen eines Bedienfehlers und einer Umorganisation in einem Ministerium!

(Widerspruch von der SPD – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Das war nicht das Problem!)

Seien Sie mir nicht böse: Ich halte das nach wie vor für unverhältnismäßig.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich halte das übrigens – das ist insbesondere an die Adresse der Grünen gerichtet;

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Warum ist denn die Ministerin zurückgetreten?)

bei der SPD habe ich aufgrund der Situation in Berlin noch ein gewisses Restverständnis – insbesondere deshalb für unverhältnismäßig, meine liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, weil Ihnen in Berlin offenbar der Mut fehlt, bei einem wirklichen Behördenversagen die entscheidenden Schritte in Richtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu gehen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Jochen Ott [SPD] – Dietmar Brockes [FDP]: Guckt mal auf euch selbst! Voll getroffen! Voll getroffen! – Gegenruf von Jochen Ott [SPD]: Sensationell! – Unruhe)

– Regen Sie sich nicht auf.

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Das sei aber nur am Rande erwähnt.

Ich will noch einen zweiten Aspekt deutlich machen. Diese von mir immer noch als unverhältnismäßig angesehene Vorgehensweise paart sich mit der Frage eines Aufklärungsinteresses. Ich will deutlich sagen: Einem Aufklärungsinteresse werden wir selbstverständlich nicht im Wege stehen. Ich darf aber aus persönlicher Sicht auch klar sagen: Ich fühle mich von der Landesregierung gut und umfassend über den Sachverhalt informiert.

(Beifall von der FDP und der CDU – Lachen von der SPD und den GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Ihre Ansprüche hätte ich höher angesiedelt!)

Es hat wiederholte Stellungnahmen zu dem Sachverhalt gegeben.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Sogar ein Fehler wurde eingeräumt. Das, was Sie hier verlangt haben, ist doch bereits im Ausschuss passiert. Es hat zudem ein fortdauerndes Angebot für umfassende Akteneinsicht gegeben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Hier ist das Parlament, Herr Kollege, hier!)

Was wollen Sie denn noch? Zudem ist die weitreichendste politische Konsequenz seitens der damaligen Umweltministerin gezogen worden.

Meine Damen und Herren, ein echtes Aufklärungsinteresse kann ich hier nach wie vor nicht erkennen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Aber wenn es so ist, dass Sie ein solches Interesse haben und tatsächlich noch Zweifel hegen, hätte ich doch zumindest erwartet, dass in einem Einsetzungsbeschluss eine umfassende Sachdarstellung erfolgt. Wir haben angeboten, dass wir sogar bereit sind, den Einsetzungsbeschluss mitzutragen, wenn Sie dieses Interesse noch haben. Ich hätte erwartet, dass gründlich gearbeitet wird. Ich hätte erwartet, dass – wenigstens nach einem Hinweis darauf – vollständige und nicht aus dem Zusammenhang gerissene oder gar völlig falsch zugeordnete Zitate verwendet werden.

All dies haben Sie nicht gemacht, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

All dies, besonders das Letztere, deutet darauf hin, dass es Ihnen eben nicht um Aufklärung geht. Es geht Ihnen um eine politische Skandalisierung. Es geht Ihnen um politische Geländegewinne.

Lieber Herr Körfges, lieber Herr Rüße, das haben Sie hier eben wieder unter Beweis gestellt. Sie haben den Ministerpräsidenten in einem völlig anderen Sachzusammenhang direkt angegriffen. Sie haben die Regierungsfähigkeit thematisiert – völlig krude hergeholt. Und Sie haben bereits gewertet, Herr Rüße.

All dies sind Dinge, die nach meinem Verständnis in einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss entweder nicht hineingehören oder dort erst im Ablauf der Arbeit zu erfolgen haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das führt mich zum dritten und letzten Punkt. Wir werden uns einer konstruktiven Mitarbeit in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss selbstverständlich nicht verweigern. Aber wir werden mit unserem Entschließungsantrag, den wir Ihnen vorgelegt haben, noch einmal für eine Klarstellung der Punkte sorgen, die Sie in Ihrem Einsetzungsbeschluss nicht formuliert haben. Das ist auch deswegen wichtig, weil es nur fair ist. Denn wir werden uns auf dieser Grundlage an dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss beteiligen.

Wir wollen alle Sachverhalte aufklären, bei denen Sie das noch für nötig halten. Wir fühlen uns umfassend informiert.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Vielleicht brauchen Sie dafür ein klein wenig länger. Wir wollen, dass die Sachverhalte auch allen und jedem verständlich werden. Wir wollen alle Fragen in der gesamten Historie beleuchten. Wir wollen alles in den Kontext der Ereignisse stellen. Das bezieht sich dann ausdrücklich nicht nur auf diese Legislaturperiode. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bombis. – Für die AfD-Fraktion spricht nun Herr Vogel.

Nic Peter Vogel (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erinnere mich noch gut an letztes Jahr, als ein strahlender Ministerpräsident Armin Laschet sein neues Kabinett vorgestellt hatte: Lächeln für die Kameras, Hände schütteln, Sektkorken, Glanz und Gloria.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Keine Sektkorken!)

Nach einem Jahr frage ich mich nun: Wo ist dieser Glanz hin? An dem Lack gibt es schon die ersten Kratzer und an der Karosserie vermutlich Dellen.

Aber der Reihe nach: Als ich das erste Mal diese Bilder in „sternTV“ gesehen habe, war ich – das muss ich ehrlich sagen – sehr betroffen. Ich unterstelle, dass es den meisten Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause ebenso gegangen ist.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Sehr oft werden nun in Zukunft Leute, die den Namen Schulze Föcking hören, diesen mit den Bildern von kranken Tieren assoziieren.

Auch wenn ich nach Eintauchen in die ganze Materie überhaupt kein menschliches Versagen unterstelle, habe ich mir damals dennoch gesagt: Oha! Der Ruf unserer Ministerin ist bereits jetzt angeschlagen. – Das Ganze war ein PR-Desaster, das man eigentlich nur noch mit absoluter Offenheit und Transparenz kontern konnte.

(Beifall von der AfD)

Was wir die nächsten Wochen und Monate darauf allerdings erleben mussten, war ein absoluter Zickzackkurs. Es wurden Fragen nicht beantwortet, die konkret wurden. Das Herumgeeiere über Besitzverhältnisse oder auch über das Gutachten aus dem eigenen Hause, das viele Kollegen hier als Gefälligkeitsgutachten bezeichnet haben, haben bei mir nicht den Eindruck erweckt, die Ministerin würde jetzt auf den Pfad der Glaubwürdigkeit zurückkehren.

Es wurde etwas ruhiger. Dann wurden wir alle wieder aufgeweckt durch die Sektkorken, die allerdings jetzt aus der anderen Richtung kamen, nämlich von der Opposition, und zwar, als wir erfahren hatten, dass die Stabsstelle für Umweltkriminalität aufgelöst wurde. Frau Ministerin, das war Ihr gutes Recht. Das stellt keiner infrage. Aber die Kommunikation konnte man schon als sehr dürftig bezeichnen: keine Vermerke, keine Stellungnahmen, nichts im Ausschuss. Wir wurden überrascht.

Dann erfolgten die Versuche, die Arbeit dieser Stabsstelle zu diskreditieren bzw. zu bagatellisieren. Kein Wort zu Envio; kein Wort zu Shell; kein Wort zur Akte Schulze Föcking!

Es hätte Ihnen doch klar sein müssen: Bei dieser ganzen Schlammschlacht, die wir hier erlebt haben, geht es der Opposition nicht wirklich um Aufklärung. Es geht darum, ein bisschen Dreck zu werfen. Davon wird sicherlich etwas übrig bleiben.

Ich frage mich, warum Sie da nicht proaktiv an die Öffentlichkeit gegangen sind. Das wäre wahrscheinlich vorteilhafter gewesen. So mussten wir nachher dank der Recherchen des WDR erfahren, dass auch hier teilweise nicht die Wahrheit gesagt wurde.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat sich wahrscheinlich das ganze Parlament gefragt: Ist diese Ministerin überhaupt noch haltbar? Welche Rückendeckung hat sie? Man ging zum Gegenangriff über. Die Schlammschlacht hatte nun ihren Höhepunkt erreicht, konnte man meinen.

Jetzt sind Sie gleich alle wieder gefordert, mir ein despektierliches Raunen zuzuwerfen. Denn es geht um Hassmails. Ich werde erneut erwähnen, dass wir von der AfD uns gut damit auskennen. Es gibt wohl kaum einen Politiker von uns,

(Zuruf von der SPD)

der diese Art von Mails noch nicht erhalten hat. Sie stammen von irgendwelchen gescheiterten Individuen, die im vermeintlichen Schutz der Anonymität Unverschämtheiten und Beleidigungen bis hin zu massiven Bedrohungen absondern.

Es wurde natürlich von jedem klar und empathisch denkenden Menschen und auch von allen Fraktionen hier Solidarität gezeigt, ob gefragt oder ungefragt.

Aber ein Hackerangriff ist noch einmal eine Ecke mehr. Wir sind von der PR-Aktion, die damals daraus konstruiert wurde, schon sehr verwundert gewesen. Natürlich musste man den Habitus der Ministerin jetzt umdrehen – von der vermeintlichen Täterin zum Opfer.

Herr Ministerpräsident und sein Pressesprecher haben dies auch eifrig in den Medien lanciert. Umso erstaunter waren wir, als wir erfahren haben, dass nicht proaktiv auf uns eingegangen wurde, dass es diesen vermeintlichen Hackerangriff nicht gegeben hat. Das ist – entschuldigen Sie die Wortwahl – schon ein dicker Hund. Das ist auch schon empörenswert.

Damit wir uns hier nicht falsch verstehen: Genauso empörenswert finde ich das Verhalten der sogenannten Opposition.

(Zuruf von der SPD: Von Ihnen!)

Ihnen ging es auch nie um Aufklärung. Man könnte schon fast sauer werden, wenn man sich vor Augen führt, was wir hier im Parlament an Ressourcen, an Arbeitskraft und auch an Steuergeldern zur Causa Schulze Föcking verbraucht haben.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber unsere Wähler haben uns damit beauftragt, Sachpolitik zu machen. Es brennt nämlich in diesem Lande an allen Ecken und Enden,

(Zurufe von der CDU und der SPD)

ob es nun die Bildung, die innere Sicherheit oder die Verkehrsinfrastruktur ist: Wir sollten ein bisschen konstruktiver daran arbeiten. Aber ich sehe: Ein PUA wird kommen, und diese Schlammschlacht wird weitergehen.

Wir haben das Ganze stets mit Augenmaß und mit Abstand betrachtet. Wir werden sicherlich bei einem PUA genauso weiterarbeiten. Dieses unrühmliche Schauspiel ist für dieses Hohe Hause nicht angemessen. Trotzdem werden wir in dem PUA auf jeden Fall sachdienlich und konstruktiv mitarbeiten.

Gegen ein positives Votum für diesen PUA werden wir uns auch verwehren. Wir werden uns der Stimme enthalten. – Schönen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Vogel. – Für die CDU erteile ich dem Abgeordnetenkollegen Lehne das Wort.

Olaf Lehne (CDU): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr verehrte Zuschauer! Zunächst möchte ich auf die kurzen Äußerungen von Herrn Körfges eingehen. Ich bin direkt gewählter Abgeordneter des Düsseldorfer Nordens und habe einen sehr engen Draht zur Bevölkerung. Ich muss sagen: Die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen merkt, dass hier regiert wird und dass gut regiert wird. – Das ist die erste Feststellung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zu Herrn Rüße und Herrn Vogel nur einen Satz: Ihre Art der Darstellung zeigt deutlich, wie Sie mit dem Thema umzugehen gedenken, nämlich unsachlich. Wenn Herr Rüße sagt, die Ministerin hätte sich entschuldigen müssen, dann müsste er wissen, dass sie es bereits getan hat. Wenn Herr Vogel ausführt, was angeblich Tatsache sein soll, dann ist das eine Art Vorverurteilung. Für Vorverurteilungen stehen wir nicht.

Wir sprechen hier über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Art. 41 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen. Ich will ihn einmal „Hacker-PUA“ nennen. Die Einrichtung eines PUA ist ein Minderheitenrecht. Dies steht der Opposition selbstverständlich zu.

Das Verfahren ist in einem eigenen Gesetz geregelt. § 1 dieses Gesetzes regelt die Aufgabe des Untersuchungsausschusses. Er hat nämlich die Aufgabe, Sachverhalte, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, zu untersuchen und dem Landtag darüber Bericht zu erstatten.

Damit der „Hacker-PUA“ überhaupt seine Arbeit ordnungsgemäß aufnehmen kann, ist Voraussetzung, dass dem Ausschuss auch ein entsprechend sachlich und objektiv geschilderter Sachverhalt zur Verfügung gestellt wird. Aus diesem Grunde ist es unerlässlich, dass bereits die Grundlage für die weitere parlamentarische Untersuchung objektiv geschildert wird und ausdrücklich zwischen Fakten und Behauptungen unterschieden wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meinungsmache oder Vorverurteilungen haben in der Auftragserteilung und Definition des Auftrages nichts zu suchen – und, wenn Sie mich fragen, auch nicht in der Begründung für einen Ausschuss. Wertungen und Behauptungen in der Sachdarstellung der Auftragserteilung belasten die Arbeit des PUA von Anfang an.

Ich schildere Ihnen dies einleitend, da es bisher geübte parlamentarische Praxis war und es den politischen Gepflogenheiten dieses Hauses entsprach, in Hinsicht auf die Formulierung des Untersuchungsauftrages fraktionsübergreifend Gespräche zu führen, wie wir es zum Beispiel auch beim „Siegburg-Ausschuss“ gemacht haben, um dann zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen.

SPD und Grüne wurden vom Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion mit Schreiben vom 28. Mai 2018 aufgefordert, diese Gespräche zu führen. Ohne dass es tatsächlich zu den Gesprächen gekommen ist, wurde dann am 5. Juni 2018 der Einsetzungsantrag von den Abgeordneten von Rot-Grün vorgelegt.

Leider müssen wir feststellen, dass der von Rot-Grün vorgelegte Einsetzungsantrag eine Vielzahl von Behauptungen, behaupteten Folgerungen, verdrehten Sachverhalten und Unrichtigkeiten beinhaltet. Detaillierter werden wir hierauf noch in dem später folgenden Entschließungsantrag, der vorhin verteilt worden ist, eingehen.

Ich nenne Ihnen deshalb lediglich ein paar Beispiele, da es zu aufwendig und zu lang wäre, den gesamten Einsetzungsantrag mit seinen groben Fehlern hier detailliert darzulegen. So sind unter anderem Sätze wie „Statt über die Wahrheit aufzuklären, …“ aufgeführt oder Folgerungen enthalten, indem behauptet wird, die Ministerin habe „die Verbrechensbekämpfung in diesem Bereich geschwächt“.

Solche Behauptungen und Folgerungen haben in einem Untersuchungsausschussauftrag nichts verloren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Wahrheit soll ja gerade im Zuge eines PUA aufgeklärt werden.

Offensichtlich bewusst und an falscher Stelle wird auch der Ministerpräsident zitiert. So heißt es in dem PUA-Einsetzungsantrag zum Beispiel:

„Am 4. Mai 2018 beantwortete der Ministerpräsident im Rahmen einer Pressekonferenz u. a. Fragen zu Frau Staatsministerin a. D. Schulze Föcking. In diesem Zusammenhang lässt er sich am 5. Mai 2018 mit dem Satz zitieren:

‚Ich denke, sie hat alles aufgeklärt.‘„

Dieser Satz ist völlig aus dem Zusammenhang gegriffen. Die tatsächliche Aussage bezog sich ausschließlich auf die Auflösung der Stabsstelle Umweltkriminalität. Hätten Grüne und SPD sich die Aufzeichnung noch einmal angehört, so wüssten sie dies auch. Auf den Hackerangriff konnte sich die Aussage jedenfalls deshalb nicht beziehen, da die persönliche Erklärung der seinerzeitigen Ministerin erst am 7. Mai 2018 erfolgte und die Erklärung des Ministerpräsidenten schon am 4. Mai 2018.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dies sind nur einige wenige Beispiele, die verdeutlichen, dass entweder die Opposition oberflächlich gearbeitet hat oder bewusst bereits durch die Art und Weise der Beschreibung Meinungsmache und Vorverurteilung wünscht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Den Fraktionen von CDU und FDP hingegen ist im Sinne der Transparenz an der Darstellung der Gesamtschau der Sachverhalte gelegen. Aus diesem Grunde ist es unerlässlich, dass bereits die Grundlage für die weitere parlamentarische Untersuchung den Tatsachen so objektiv wie möglich entspricht, zwischen Fakten und Behauptungen unterschieden wird und die Regeln der korrekten Wiedergabe von Zitaten unzweifelhaft erfüllt sind.

Grüne und SPD haben ihren Antrag bis heute nicht geändert, obwohl sie zunächst minimale, unwesentliche Änderungen zugestanden hatten. Dieses Verhalten von SPD und Grünen lehnen wir ab.

CDU und FDP werden sich daher enthalten. Wir halten den PUA für überflüssig, weil der Sachverhalt bereits vollständig geklärt ist.

Im PUA selbst werden wir selbstverständlich konstruktiv mitarbeiten.

Durch den später folgenden Entschließungsantrag wollen wir gewährleisten, dass die – vom Ministerpräsidenten noch am letzten Samstag auf dem CDU-Parteitag zugesagte – vollständige Transparenz erreicht wird. Nur so kann für jeden einzelnen Abgeordneten und die Öffentlichkeit eine vernünftige Entscheidungsgrundlage geschaffen werden.

Ich weise nochmals darauf hin, dass die Entscheidungsgrundlage für jeden einzelnen Abgeordneten und die Öffentlichkeit die vollständige Transparenz sein soll. Aus den genannten Gründen dürfen eben keine Bewertungen und keine Vorwegnahme von Ergebnissen aufgeführt werden. Sie sind an dieser Stelle schlicht fehl am Platz.

Wir lehnen also die Art Ihrer Darstellung ab, Herr Kutschaty. Wir wünschen objektive und transparente PUAs und keine verklemmten Scheindiskussionen.

Einen PUA für einen solchen Vorgang einzusetzen, steht in keinem Verhältnis zu den bisherigen PUAs wie „BLB“, „Siegburg“, „Silvester“, „Amri“ oder „NSU“.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Warten Sie es doch einmal ab!)

Die Menschen erwarten zu Recht, dass Politik die ihr anvertrauten Steuergelder verantwortungsvoll einsetzt.

Bisher ging es bei den PUAs um terroristische Anschläge, Morde, massenhafte Belästigung und Milliardenverschwendung. Worum geht es SPD und Grünen heute? – Ich behaupte: nicht um Aufklärung und nicht um Transparenz.

(Zuruf von Sven Wolf [SPD])

Herrn Kutschaty geht es offensichtlich nur um eines: Er will sich als neuer Fraktionsvorsitzender auf Kosten der Steuerzahler profilieren,

(Widerspruch von der SPD)

da ihn draußen niemand mehr kennt und kaum noch jemand seine Partei wählen will.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Kämmerling [SPD]: Das ist aber weit hergeholt!)

Nach diesem Strohhalm „Hacker-PUA“ zu greifen, wird Ihnen nicht helfen. Dieser „Hacker-PUA“ ist völlig unverhältnismäßig.

Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit im Ausschuss.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Lehne. – Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Bialas das Wort.

Andreas Bialas (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluss konnten Sie sich nicht zurückhalten, wieder Klamauk hineinzubringen. Sie versuchen schon die ganze Zeit, den Untersuchungsausschuss durch Klamauk zu diskreditieren.

Ich darf zunächst einmal auf zwei Zitate eingehen. Ich werde ein Stück weit darstellen, warum es schon sehr bedeutsam ist, dass wir hier etwas untersuchen, das die Allgemeinheit interessiert.

Falls mir nachgewiesen wird, dass ich falsch zitiere, sagen Sie sofort Bescheid. – Das erste Zitat stammt aus der „WAZ“ vom 4. Juni 2018:

„Es entspricht nicht meinem Amtsverständnis, dass der Ministerpräsident öffentlich über den Stand von Ermittlungen spricht, …“

Das haben wir übrigens häufig hier in der Aktuellen Stunde gehört.

Zweites Zitat: Kollege Löttgen hat bei der letzten Aktuellen Stunde hier im Haus auf seine liebreizende und charmante Art und Weise wörtlich gesagt:

„Wissen Sie, dass das Hinfahren zum Ort und die anschließende Zeugenvernehmung schon Ermittlungen sind? Wissen Sie, dass die Inaugenscheinnahme schon Ermittlung ist? Wissen Sie eigentlich, dass die Übermittlung dieser Ermittlungsergebnisse in einer WE-Meldung die Zusammenfassung der Ergebnisse ist? – Nein, das wissen Sie nicht. Deshalb behaupten Sie exakt das Gegenteil.“

Das haben Sie gesagt. Richtig zitiert?

(Bodo Löttgen [CDU]: Richtig zitiert!)

– Danke schön.

Ich muss schon sagen, Kollege Löttgen: Auf Sie ist Verlass. Sie sind und bleiben ein Steinbruch an Zitaten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber wen meinten Sie eigentlich damit? Den Ministerpräsidenten? Und dann frage ich mich: Wie reden Sie denn mit ihm? Denn mit Ihrer Aussage, dass es von Anfang an Ermittlungen waren, haben Sie vollkommen recht. Wir sind da völlig einer Meinung.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Aber der Ministerpräsident hatte eine andere Meinung; denn sonst hätte er keinen Tweet abgeschickt. Sonst hätte auch der Pressesprecher nicht eine entsprechende Pressemitteilung herausgegeben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das heißt: Das fand erst statt, nachdem bereits die Ermittlungen aufgenommen worden sind. Der Ministerpräsident hat also während der laufenden Ermittlungen von sich gegeben: Vorsicht; hier ist Kriminalität; hier ist ein Angriff.

Er hat dann allerdings nicht mehr von sich gegeben: Doch nicht Vorsicht; hier ist keine Kriminalität; hier ist doch kein Angriff; wir können beruhigt sein.

Der Ministerpräsident schreit laut: Feuer! Feuer! – Als die Feuerwehr kommt und sagt, dass da nichts ist, sagt der Ministerpräsident nicht: Oh, prima; was für ein Glück; nichts passiert; Entwarnung. – Gar nichts! Die Botschaft des Schreckens kam. Aber die Botschaft der Freude und der Entwarnung kam nicht. Da fragen wir uns schon: Warum?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Kollege Kerkhoff, eine vermeintliche Antwort wird übrigens nicht zur Antwort, nur weil man behauptet, man habe sie schon lange gegeben. Diese Haltung führt zwingend zu der Frage: Was wird da vertuscht?

Sie haben sich in einer Presseerklärung, liebe Kollegen von der CDU, auch wieder sehr niveauvoll über die Anzahl der Fragen lustig gemacht: 23 Fragen; das wäre doch nichts; da habe der Untersuchungsausschuss doch gar keine Bedeutung; man müsse sich fragen, was man denn da eigentlich wolle.

(Bodo Löttgen [CDU]: Zitieren Sie doch!)

Ich kann Ihnen die Fragen auf eine reduzieren. Die zentrale Frage, die hier zur Beantwortung steht, lautet: Gehört es zum System Laschet, Kriminalität zu instrumentalisieren, um Macht zu bekommen oder Macht zu erhalten? Das ist die zentrale Frage.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich kann Ihnen nur sagen: Nehmen Sie diese Frage ernst. Nehmen Sie die Bürgerinnen und Bürger ernst, die darauf eine Antwort haben wollen. Denn eigentlich schließt sich daran die Frage an: Von wem werden wir hier eigentlich regiert?

Kollege Bombis, das ist schon eine schwerwiegende Frage. Ich habe allerdings durchaus viel Verständnis dafür, dass es der FDP nicht gefällt, dass sie in dieses Schlamassel der Kommunikation und der sonstigen Vorgänge in dieser Art und Weise mit hineingezogen wird.

Ich kann Ihnen meine Meinung dazu bereits jetzt abgeben – auch schon vor dem PUA –:

(Ralph Bombis [FDP]: Dann brauchen wir keinen PUA mehr! – Zuruf von Angela Freimuth [FDP])

Unsere Aufgabe als Politiker ist es, Menschen die Angst zu nehmen, und nicht, ihnen Angst zu machen, um dann wider besseres Wissen zu schweigen. Und genau damit werden wir uns beschäftigen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Für die FDP erteile ich dem Kollegen Höne das Wort.

Henning Höne (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss ist kein Ausschuss wie jeder andere, sondern es ist ein besonderer Ausschuss mit zahlreichen gerichtsähnlichen Sonderrechten. Und diese Sonderrechte und die gesamte Arbeit dieses Untersuchungsausschusses fußen unter anderem auch auf dem Einsetzungsbeschluss, über den wir heute und gerade diskutieren.

Darum ist es von ganz zentraler und elementarer Bedeutung, was in einem solchen Einsetzungsbeschluss steht. CDU und FDP haben Änderungen angeregt, haben dabei bewusst nicht den Fragenkatalog geändert oder versucht, Minderheitenrechte zu schneiden, sondern – im Gegenteil – wir haben sogar signalisiert, dass wir Ihnen entgegenkommen wollen über das hinaus, was die Minderheitenrechte hier vorsehen, auch über das hinaus, was der Ausschuss in seiner Selbstorganisation eigentlich hätte selber entscheiden müssen. Das haben wir zugestanden.

Wer ein ehrliches Aufklärungsinteresse hat, der kann, nein, der muss unseren Änderungsvorschlägen zustimmen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie haben sich dem jedoch verweigert. Das sagt mehr über Ihre eigentlichen Ziele aus, die Sie mit diesem PUA verbinden, als Ihnen eigentlich lieb ist.

Wer ein ehrliches Aufklärungsinteresse hat, der überlässt Wertungen und Bewertungen dem Ausschuss und der Arbeit des Ausschusses. Sie gehören nicht in einen Einsetzungsbeschluss. Wenn alles schon feststeht, dann bräuchte es ja diesen PUA gar nicht. Wer ein ehrliches Aufklärungsinteresse hat, der kennzeichnet eigene Vermutungen als solche und nicht als Tatsache. Wer ein ehrliches Aufklärungsinteresse hat, liebe Kolleginnen und Kollegen, der kann auch nichts gegen die vollständige Wiedergabe von Zitaten haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Am offensichtlichsten ist das bei dem Zitat des Ministerpräsidenten, das auch Kollege Lehne gerade angesprochen hat. Um es an diesem Beispiel noch mal deutlich zu machen: Sie zitieren hier den Ministerpräsidenten, ordnen dieses Zitat dann dem Hackerangriff zu, obwohl die Diskussion zum Hackerangriff erst drei oder vier Tage später startete. Wenn Sie nach einer solch offensichtlichen Falschbehauptung, die Sie auch nach unserem Hinweis nicht korrigieren wollen, noch ernsthaft glauben, dass wir diesem Antrag zustimmen können, dann habe ich keinerlei Verständnis mehr für Ihre Art, politische Arbeit zu betreiben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ihr Verhalten ist verantwortungslos und wird weder diesem Parlament noch dem Instrument des Untersuchungsausschusses gerecht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die Grünen hat nun die Kollegin Düker das Wort.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser Debatte möchte ich für meine Fraktion hier noch einmal die zentrale Frage, warum wir einen PUA brauchen, beantworten. Die Antwort ist ganz einfach: Weil die Öffentlichkeit, weil das Parlament einen Anspruch darauf haben, von der Regierung, hier von der Staatskanzlei – Herr Laschet ist schon wieder gegangen –, von dem Ministerpräsidenten dieser Regierung korrekt informiert zu werden, und weil sie einen Anspruch darauf haben, dass alle Informationen, die von dieser Regierung herausgegeben werden, den Tatsachen entsprechen.

Denn nur dann ist diese Regierung glaubwürdig. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um Glaubwürdigkeit und Integrität dieser Regierung, und die ist mit diesen Vorfällen angeschlagen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Denn es hat eben nicht alles den Tatsachen entsprochen. Da stehen schwerwiegende Vorwürfe im Raum. Die erste Presseerklärung am 16. März entsprach offenbar nicht tatsachengestützten Informationen, wie Herr Lienenkämper uns in der Fragestunde immer wieder glauben machen wollte. Denn all diese Informationen, die angeblich vorlagen, gab es ja nicht.

Auch bezüglich des Tweets des Ministerpräsidenten gibt es große Zweifel, dass dieser von Tatsachen und nicht nur von Möglichkeiten gestützt war. Anfang Mai, als klar war, dass es gar keinen Hackerangriff gab, fabuliert der Regierungssprecher darüber: Na ja, wir haben es zwar am 16. März so gesagt, weil weitere Informationen vorlagen. – Diese weiteren Informationen gab es nicht.

Wenn solche Vorwürfe im Raum stehen, dann kann man als Regierung zweifach darauf reagieren: Erstens. Man gesteht Fehler ein; denn die passieren im Regierungshandeln. Das ist auch völlig in Ordnung; aber man sollte sie auch eingestehen. Dann klärt man auf und geht in die Offensive. Das nennt man Krisenmanagement.

Oder zweitens: Man baut eine Wagenburg um sich auf, lässt Kritik nicht mehr an sich ran und verschanzt sich hinter Abwimmelfloskeln. Denn mehr ist das doch nicht: Ein Ministerpräsident äußert sich zu staatanwaltlichen Ermittlungen nicht. – Das ist Abwimmeln.

Leider hat sich der Ministerpräsident für den zweiten Weg entschieden.

(Christian Dahm [SPD]: So ist das!)

Im Übrigen ist das genau das Verhalten, das der Ministerpräident der damaligen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vor anderthalb Jahren im Wahlkampf noch vorgeworfen hat. Es ist genau das Verhalten, das er hier und heute an den Tag legt. Und das ging mit der Arroganz der Macht, Herr Lienenkämper, besorgniserregend schnell in dieser Staatskanzlei. Auch das haben Sie uns hier in der Fragestunde gezeigt.

(Beifall von der FDP und der SPD)

Von der Demut, von der der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung vom September letzten Jahres noch gesprochen hat, haben wir in dieser Angelegenheit nichts gemerkt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Bombis, Herr Kerkhoff, Herr Lehne und Herr Höne, Ihr kleinkariertes Gezänk, das Sie hier heute an den Tag gelegt haben,

(Lachen bei CDU und FDP)

nämlich über nicht übernommene Formulierungsvorschläge – im Übrigen haben wir sehr viel übernommen; das können wir Ihnen nachweisen –, ...

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss. Ihre Redezeit ist um eine Minute und 30 Sekunden überzogen.

Monika Düker (GRÜNE): ... oder darüber, wie lang Zitate sein dürfen usw., soll offensichtlich davon ablenken, dass Sie hier kein Aufklärungsinteresse haben. Wie groß muss die Not sein, dass man sich auf solche Dinge hier zurückzieht. – Danke für die Aufmerksamkeit.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, es gibt eine Zwischenfrage. Würden Sie die zulassen?

Monika Düker (GRÜNE): Ja, immer gerne.

Präsident André Kuper: Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Frau Kollegin Düker, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Mich würde interessieren, ob Sie es wirklich – vielleicht möchten Sie das ja noch einmal überdenken – für kleinkariert halten, wenn wir Sie darauf hinweisen, dass Sie ein Zitat, das Sie für diesen Untersuchungsausschuss benutzen wollen, in den falschen Zusammenhang stellen, weil die Aussage 72 Stunden vor dem Ereignis getätigt wurde, dem Sie das jetzt hier zuordnen.

Warum haben Sie nicht die Größe, das zu korrigieren und das Zitat einfach nur an eine andere Stelle des Dokuments zu schieben?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Monika Düker (GRÜNE): Kleinkariert nenne ich es, wenn Sie meinen,

(Christof Rasche [FDP]: Wie groß muss die Not sein? – Gegenrufe von den GRÜNEN)

ein Zitat aus der Fragestunde zu unserer mündlichen Anfrage abdrucken zu müssen, und Sie nur – ich betone: nur – das Eingangsstatement des Finanzministers abdrucken wollen, aber nicht all die anderen Fragen und die danach gegebenen Antworten.

(Ralph Bombis [FDP]: Wer ist jetzt kleinkariert?

– Wie interessensgeleitet ist denn so was? Herr Höne, wir haben …

(Beifall von den GRÜNEN – Christof Rasche [FDP]: Das nennen Sie glaubwürdig? Das Gegenteil! – Weitere Zurufe von der FDP)

Ich empfehle Ihnen – auch das wurde schon mal gesagt – …

(Fortgesetzt Zurufe von der FDP)

– Lösen Sie sich mal von dem Schaum vor Ihrem Mund.

(Lachen von der FDP)

Ich empfehle Ihnen in aller Ruhe die Lektüre der Einsetzungsbeschlüsse zum PUA „Anis Amri“,

(Christian Dahm [SPD]: Bodo, was ist denn da los? Muss die FDP schon eine Lieferung für euch machen?)

zum PUA „Silvester“ und dessen, was wir an Änderungsanträgen dazu vorgestellt haben. Sie haben sie alle abgelehnt. Ich empfehle Ihnen das zur Lektüre, und dann können Sie sich noch mal hier ans Redepult stellen. Lassen Sie also mal schön die Kirche im Dorf.

(Henning Höne [FDP]: Das ist keine Antwort!)

Hier ging es darum, dass wir ungefähr – sagen wir mal – 80 %

(Christof Rasche [FDP]: Keine Antwort!)

Ihrer Formulierungsvorschläge angenommen haben.

(Henning Höne [FDP]: Was, 80? 8 %!)

Einen Teil haben wir abgelehnt. Ich halte es für ein einziges Ablenkungsmanöver, wenn Sie sich hier – ich behaupte: kleinkariert – darüber auslassen,

(Henning Höne [FDP]: 8 statt 80 %!)

wie lang Formulierungen hier oder da sein dürfen.

(Beifall von den GRÜNEN – Ralph Bombis [FDP]: Das sind Tatsachen, Frau Düker! – Weitere Zurufe von der FDP)

Präsident André Kuper: Kollegin Düker, jetzt gibt es eine weitere Zwischenfrage. Möchten Sie die auch noch zulassen?

Monika Düker (GRÜNE): Gerne.

(Fortgesetzt Zurufe von der FDP – Dietmar Brockes [FDP]: Schränken Sie doch Ihr eigenes Zitat ein! – Arndt Klocke [GRÜNE]: Ich verstehe überhaupt nichts mehr bei den ganzen Zwischenrufen!)

Olaf Lehne (CDU): Frau Düker, meine Frage kann man sehr leicht beantworten. Ist es richtig, dass die Ministerin sich im Ausschuss entschuldigt hat, Sie auch persönlich kontaktiert und sich bei Ihnen entschuldigt hat? – Sie haben eben das Gegenteil behauptet.

Monika Düker (GRÜNE): Genau das haben wir ja auf Ihren Hinweis hin zugestanden und zugestimmt, dies genau so in unserem Einsetzungsbeschluss abzudrucken. Herr Höne, es war zum Beispiel eines der Angebote an Sie, das zu übernehmen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Ja, haben wir es gestrichen? – Nein!)

Genau das haben wir zugestanden, aber das hat Ihnen offenbar nicht gereicht.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wir haben es doch gar nicht getan! Was soll das denn? – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Die Antwort lautet: Ja.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wir haben es doch nicht getan!)

Präsident André Kuper: Vielen Dank.

Monika Düker (GRÜNE): Entschuldigung, wir haben es Ihnen angeboten. Man kann Angebote annehmen, man kann sie aber auch ablehnen. So einfach ist das.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Düker. – Für die AfD hat der Kollege Wagner das Wort.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Zuruf von der SPD: Jetzt wird es wieder ganz peinlich!)

Markus Wagner (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, während Sie hier im Parlament zu einer vergleichsweise politischen Petitesse einen Untersuchungsausschuss beantragen, sind es die gleichen Parteien, SPD und Grüne im Verbund mit der CDU, die in Berlin einem Untersuchungsausschuss von staatstragender Bedeutung, in dem es um das totale Staatsversagen in Deutschland geht, die Zustimmung verweigern.

(Beifall von der AfD – Zuruf von Klaus Voussem [CDU])

Während Sie hier die Begriffe „Aufklärung“ und „Transparenz“ wie eine Monstranz vor sich hertragen,

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

stehen die gleichen Parteien in Berlin für genau drei Wörter: verschweigen, vertuschen und verschleiern.

(Beifall von der AfD)

Sie können von uns kaum erwarten,

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE] – Zuruf von der SPD)

dass wir als Opposition Ihrem Antrag, der dazu bestimmt ist, Ihren Fraktionsvorsitzenden Kutschaty mal ein wenig mehr ins Licht der Öffentlichkeit zu hieven, und der damit verbundenen Heuchelei im Vergleich zu dem, was Sie in Berlin veranstalten, auch nur ansatzweise zustimmen.

Wir werden uns dennoch enthalten. Dann haben Sie ihren Untersuchungsausschuss und können das Steuergeld zum Fenster rauswerfen. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Ich lasse erstens abstimmen über den Antrag der Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2753. Wir kommen zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Das sind SPD und Grüne. Wer ist dagegen? – Das sind die beiden fraktionslosen Abgeordneten Neppe und Langguth. Wer enthält sich? – Das sind CDU, FDP und die AfD.

(Michael Hübner [SPD]: Ja, die Mitte-rechts-Regierung! – Zuruf von der SPD: Rechts!)

Damit ist der Antrag Drucksache 17/2753 angenommen.

Ich lasse zweitens abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/2829. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Das sind SPD und Grüne. Wer enthält sich? – Das sind die AfD und die beiden anwesenden fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/2829 angenommen.

Ich rufe auf:

6   Personalrat des BAMF ernstnehmen – Forderungen der Praktiker beachten – Mitarbeiter nicht weiter im Stich lassen

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2765

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die AfD Herrn Wagner das Wort.

Markus Wagner (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie bei Google News nach dem Stichwort „BAMF“, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, suchen, dann lauten die Schlagzeilen: Asylskandal – Innenausschuss offenbart weitere Mängel.

Aber CDU, SPD und ihre ideologischen Stichwortgeber, die Grünen, wollen natürlich keinen Untersuchungsausschuss. Es wäre ja auch noch schöner, wenn man die ganze Migrationskatastrophe mal richtig aufklären würde. Wir bieten Ihnen mit unserem Antrag die Möglichkeit, dem Bundestag einen solchen Ausschuss zu empfehlen, und ich bin gespannt, was der FDP hier im Hause einfallen wird, um dagegen zu stimmen; denn im Bundestag ist sie ja dafür.

Ich fahre fort mit einer kurzen Presseschau. „Merkels Nichtstun ist ein politischer Offenbarungseid“, schreibt Stefan Aust in der „WELT“. Oder: „BAMF-Mitarbeiter sehen sich als ,Opfer politischer Untätigkeit‘„ – die Grundlage unseres heutigen Antrags; dazu komme ich noch.

Die „WELT“ schreibt auch: „Wie das BAMF der Kanzlerin den Wahlsieg sichern sollte“. Ich zitiere:

„Das BAMF sollte dafür sorgen, dass die Flüchtlingskrise bei der Bundestagswahl 2017 für die Kanzlerin Merkel keine Gefahr mehr darstellt. … Man habe es nicht zulassen dürfen, ,ins Wahljahr mit Bildern von Zuständen zu gehen, die nach Überflutung, Unordnung und fehlender Rechtmäßigkeit aussehen und manchen in die Hände spielen‘„.

– Gemeint ist die AfD –.

Das sagte Ex-Amtschef Weise dem „SPIEGEL“.

„Der Auftrag habe gelautet: ,Weise, stellen Sie das ab, die unendlichen Wartezeiten und die schlimmen Bilder.‘„

Der „stern“ schreibt – laut „WELT“ –, Weise habe dafür sorgen sollen, dass sich Bilder des Kontrollverlusts nicht wiederholten, die Merkel im Bundestagswahlkampf 2017 auf keinen Fall gebrauchen konnte.

Fazit des Blattes: Frank-Jürgen Weise sollte die Kanzlerin retten. Die Bevölkerung sollte noch vor der Wahl überzeugt werden, die Regierung habe die Krise angeblich in den Griff bekommen.

Merkel und ihre Helfershelfer haben also den Rechtsstaat nicht nur an den Grenzen, sondern auch im BAMF bewusst außer Kraft gesetzt. Aus Angst vor noch größeren Erfolgen der AfD nutzten die alten Pseudoeliten staatliche Behörden für schöne Bilder und Fake News.

Jeden Tag treten neue Skandale zutage – ich kann sie in den fünf Minuten Redezeit gar nicht alle aufzählen –: Wer aufklärt, wird strafversetzt. In Mails heißt es, bei Missständen bitte nicht so genau hinzusehen. Franco A. konnte sich als deutscher Bundeswehrsoldat als syrischer Flüchtling anmelden. – So geht das in einer Tour.

Erst diese Woche zeigt sich, wie überfordert die BAMF-Außenstelle in Bielefeld ist. Es sind die Mitarbeiter des BAMF, die hängengelassen werden. Die alten Parteien verheizen auch sie gnadenlos.

Deshalb haben wir den Brandbrief des Gesamtpersonalrats des BAMF als Antrag eingebracht. Der Brief hat es in sich. So berichtet der Gesamtpersonalrat: Hunderttausende von Verfahren, in denen mutmaßlich die Identität nicht belegt wurde, könnten im Rücknahmeverfahren rechtsstaatlich überprüft werden, was aber mittels Dienstanweisungen verhindert wird. So sollen Flüchtlinge zweimal zum Gespräch geladen werden, das jedoch ausdrücklich freiwillig. Wer zweimal dem Gesprächsangebot nicht nachkommt, bekommt einen positiven Vermerk. Es gibt die ausdrückliche Anweisung, Papiere nicht anzufordern. Meine Damen und Herren, das ist unfassbar!

Ich bin ein bürgerlicher Mensch, und als solcher habe ich eigentlich ein Grundvertrauen in die staatliche Ordnung. Die staatlichen Institutionen sollten uns heilig sein und nicht missbraucht werden. Aber das, was wir mittlerweile an Verkommenheit der abgewirtschafteten Pseudoeliten feststellen, sprengt jede Vorstellungskraft.

(Beifall von der AfD)

Sie haben uns Mörder, Terroristen und Vergewaltiger ins Land geholt. Sie haben sie gerufen. Sie halten ihnen die Tür sperrangelweit offen. Sie bauen denen auch noch Häuser, füttern sie und geben ihnen Taschengeld. Dafür ziehen wir Sie zur Rechenschaft.

(Beifall von der AfD)

Zur Rechenschaft ziehen – das will auch der Gesamtpersonalrat des BAMF, nämlich alle Führungskräfte, die, wie er schreibt, ein rechtsstaatliches Asylverfahren mittels entsprechender Vorgaben verhindert haben, die seit den Zeiten von Herrn Weise bis heute fehlerhafte Bescheide durchgewinkt haben, die bis heute ein rechtsstaatliches Verfahren im Zusammenhang mit der Prüfung und Rücknahme und Widerrufverfahren verhindern.

Meine Damen und Herren, ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich mit den berechtigten Forderungen der Belegschaft endlich solidarisieren. Natürlich werden Sie das nicht tun. Der Antrag kommt ja von der AfD, und die darf natürlich nicht recht haben, weil Sie damit Ihre eigenen Fehler eingestehen müssten.

(Helmut Seifen [AfD]: So ist es!)

Dabei geht es uns um die Sache, also um die Beschäftigten, die nichts für Ihr politisches Unvermögen können.

(Helmut Seifen [AfD]: Genauso!)

Wir haben Ihnen daher extra angeboten, dass wir den Antrag zurückziehen, wenn sich eine andere Fraktion findet, die sich mit den Beschäftigten solidarisch erklärt. Keine Fraktion fand sich bereit – ob CDU, SPD, Grüne oder FDP, Fehlanzeige! Sie lassen die Mitarbeiter im Stich.

(Helmut Seifen [AfD]: So ist es!)

Aber klar: Wer den Rechtsstaat im Stich lässt, die Grenzen offenlässt und unser Land Stück für Stück abschafft, den kümmern natürlich auch die paar Tausend Mitarbeiter des BAMF nicht. Uns als AfD jedoch kümmert das. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Für die CDU erteile ich nun dem Kollegen Franken das Wort.

Björn Franken (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Immer wenn man denkt, schlimmer geht es nicht mehr, kommt irgendwo Herr Wagner her.

In Ihrem Antrag, liebe Fraktion der AfD, machen Sie das Angebot – Sie haben es gerade ausgeführt –, Ihren eigenen Antrag zurückzuziehen. Da sieht man mal, wie ausweglos Ihre Situation schon ist, dass Sie solche Angebote machen müssen. Ich nehme es vorweg: Wir nehmen Ihr Angebot nicht an. Inhaltlich lehnen wir Ihren Antrag ab. Der Überweisung in den Fachausschuss werden wir natürlich nachkommen.

Denn dort können wir uns intensiver mit den Inhalten aus Ihrem Antrag auseinandersetzen, und das scheint in der Tat bitter nötig. In diesem Antrag vergleichen Sie mal wieder Äpfel mit Birnen, und die Themen gehen mal wieder wild durcheinander. Damit machen Sie erneut deutlich, dass Sie die Zuständigkeiten dieses Landtages einfach nicht verstanden haben.

(Beifall von der CDU)

Für Nordrhein-Westfalen hat die NRW-Koalition zum Thema „Asylverfahren“ bereits einen guten Weg eingeschlagen. Wir werden nur noch Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in die Kommunen schicken, um die Kommunen vor Ort zu entlasten und auch um die Ehrenamtler vor Ort zu entlasten. In Nordrhein-Westfalen muss jeder neuankommende Flüchtling bei der LEA in Bochum seine Identität nachweisen und Fingerabdrücke hinterlassen, wenn er einen Antrag stellen will.

Wir führen diejenigen konsequent zurück oder fördern deren freiwillige Rückreise, deren Asylantrag abgelehnt wurde, und zwar bei allen Widrigkeiten, die daraus entstehen. Wer im Asylverfahren vorsätzlich falsche Angaben macht oder eine ausreichende Mitwirkung unterlässt, muss spürbare Sanktionen erfahren. Dafür setzen wir uns auf allen Ebenen ein.

Auch die Situation im BAMF ist seit einigen Jahren klar. Das BAMF steht vor großen Herausforderungen. Über Nacht kam deutlich mehr Arbeit auf die Schreibtische. Strukturen mussten schneller wachsen, als dies handhabbar war. In jedem privaten Unternehmen, das so schnell wächst, kennt man diese Probleme.

Präsident André Kuper: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wagner?

Björn Franken (CDU): Gerne.

Markus Wagner (AfD): Vielen Dank, Herr Kollege. Sie sprachen eben davon, dass man abgelehnte Asylbewerber schneller abschieben wolle etc. Das ist ja alles schön und gut; es stellt sich mir nur die Frage, wie wir abgelehnte Asylbewerber haben sollen, wenn Mitarbeiter des BAMF angewiesen werden, nicht so genau hinzuschauen – angewiesen werden wohlgemerkt! –, und das nicht aus eigenem Antrieb tun. Das würde mich doch mal sehr interessieren.

Björn Franken (CDU): Über die Anweisungen, die gemacht wurden oder nicht gemacht wurden, wird zu sprechen sein. Darauf gehe ich gleich noch kurz ein.

Fakt ist natürlich, dass die Abschiebungen mit einem großen rechtsstaatlichen Akt, der auch richtig ist, mit einer Überprüfung einhergehen. Da muss tatsächlich alles sauber laufen. Dafür setzen wir uns auch ein. Da sind aber verschiedene Parteien am Tisch, sodass dort natürlich auch andere Meinungen mit einfließen müssen, die man nicht immer beeinflussen kann.

Die Vorgänge, die aktuell beim BAMF zu klären sind, müssen innerhalb der Behörde aufgeklärt werden. Da komme ich zu Ihrem Punkt. Ob und welche Versäumnisse es von einzelnen Mitarbeitern gab, und welche strukturellen Probleme akut sind, wird konsequent benannt und analysiert werden. Das hat der zuständige Bundesinnenminister bereits angekündigt. Ihr Antrag wird dazu nichts mehr beitragen können.

Sie machen allerdings in erster Linie deutlich, dass Sie an echter Aufklärung und an sinnvollen Lösungen für die strukturellen Probleme gar kein Interesse haben. Ihnen geht es vielmehr um eine Plattform für Ihre ideologisierte Flüchtlingspolitik und um unqualifizierte Fundamentalkritik. Vereinfachungen und Verallgemeinerungen, die Sie in diesem Antrag darstellen, sind in keiner Weise geeignet, positiv zu gestalten und die Realität sinnvoll zu verändern.

Sie nähren sich am Blut der Unzufriedenen und erhalten Ihr eigenes Dasein nur noch mit Halbwahrheiten und mit Hetze am Leben. Doch diesen Mummenschanz – lassen Sie sich das klar gesagt sein – machen wir nicht mit!

(Beifall von der CDU und der FDP – Helmut Seifen [AfD]: Wo ist denn in dem Antrag Hetze? Fragen Sie mal Herrn Seehofer!)

Sie schrecken nicht einmal davor zurück, die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem BAMF für Ihre populistische Politik zu instrumentalisieren. Sie spielen sich allen Ernstes als deren Beschützer auf und benutzen die Mitarbeiter für Ihre spalterischen Forderungen und Theorien auf Bundesebene.

(Helmut Seifen [AfD]: Ach, mein Gott!)

Spätestens jetzt offenbart sich Ihre Gleichgültigkeit gegenüber den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BAMF.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Christian Loose [AfD])

Ich möchte auch noch einen Satz zum Thema „Zuständigkeit“ und zu Ihrer Forderung nach einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss sagen. Ein Untersuchungsausschuss auf Bundesebene kann nur von Mitgliedern des Deutschen Bundestages eingesetzt werden.

(Zuruf von Roger Beckamp [AfD])

Sie können nicht die Landesregierung oder diesen Landtag dafür heranziehen, dass Ihre Kollegen in Berlin keine gute Arbeit machen und keine Mehrheit zusammenbekommen. Das werden wir nicht auslöffeln.

Präsident André Kuper: Herr Kollege, es gibt eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Wagner.

Björn Franken (CDU): Wenn der Bedarf besteht, gerne.

Markus Wagner (AfD): Herr Kollege, ist Ihnen möglicherweise aufgefallen, dass ich in meiner Rede zu unserem Antrag die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss gar nicht gestellt habe, sondern unter dem letzten Tagesordnungspunkt, als es um die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Landtag ging, einen Vergleich zwischen der Petitesse des Themas, um das es hier geht, und der Bedeutung des Themas, um das es in Berlin gegangen ist, gezogen habe?

Ich habe zu keiner Zeit gefordert – weder in unserem Antrag noch in meiner Rede zu dem Antrag –, in Berlin einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Björn Franken (CDU): Lieber Herr Abgeordneter Wagner, ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Zwischenfrage; denn sie gibt mir Gelegenheit, Sie über einen Sachverhalt aufzuklären, über den Sie sich schon hätten informieren müssen, bevor Sie sich in den Landtag haben wählen lassen. Der Landtag kann über landespolitische Themen entscheiden, aber nicht über bundespolitische Themen. Wenn Sie sich die Abkürzung „BAMF“ einmal anschauen, werden Sie merken, dass das „B“ für „Bundesamt“ steht. Wir reden über eine Bundesbehörde, und dementsprechend muss die Aufklärung auch auf Bundesebene stattfinden.

Lassen Sie mich bitte noch ein Wort zur Lage in 2015 verlieren; denn Sie kreisen immer wieder wie eine Motte ums Licht, nämlich um die Lage in besagtem Jahr. Es ist wahr: Die große Anzahl an Flüchtlingen, die im Jahr 2015 nach Deutschland kam, stellt die Bundesrepublik noch heute vor vielfältige Herausforderungen. In Ihrem Antrag kritisieren Sie wieder einmal die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Diesen Bogen spannen Sie ja im Grunde bei jedem Antrag zu jedem Thema. Immer wieder kommen Sie auf diesen Kern zurück.

Hier wird der Unterschied zwischen der AfD und dem Rest der Welt klar deutlich. Für uns sind Flüchtlinge Menschen, die vor Terror, vor Krieg und vor Tod flüchten. Und diesen Menschen müssen und wollen wir helfen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Christian Loose [AfD]: Aus Tunesien? Warum flieht man denn aus Tunesien?)

Ihr einziges Tun besteht darin, Menschen zu verunsichern, indem Sie alle Flüchtlinge kategorisch zu Terroristen und Verbrechern machen.

(Helmut Seifen [AfD]: Das ist doch Quatsch!)

Sie hetzen, Sie überziehen, wo es nur geht. Dafür sollten Sie sich wirklich schämen.

(Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Loose [AfD])

– Ich weiß ja, dass das alles wehtut. In den sozialen Medien kocht man seine eigene Suppe mit seinen eigenen Leuten, aber hier …

Präsident André Kuper: Lieber Kollege, bitte die Redezeit beachten.

Björn Franken (CDU): Ich komme zum Schluss.

… im Parlament sind Sie in der Realität angelangt. Hier sind Sie in der Minderheit, und hier Sie sind die Täter und nicht das Opfer.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Es bleibt festzuhalten, dass Sie in Ihrer einjährigen Zeit hier im Hause Ihr inhaltliches Pulver längst verschossen und hinsichtlich der Durchführung der parlamentarischen Arbeit noch reichlich aufzuholen haben.

(Zuruf von Roger Beckamp [AfD])

Diesen Prozess werden wir sehr gerne begleiten. – Danke.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Lieber Kollege, bleiben Sie bitte stehen. Es gibt eine Kurzintervention der AfD. Ich erteile Herrn Wagner das Wort.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Schon wieder!)

Markus Wagner (AfD): Tut mir leid, aber das lässt sich leider nicht verhindern. Sie haben offensichtlich nach wie vor nicht begriffen, was der Antrag beinhaltet.

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Er wird wohl schlecht geschrieben sein!)

Sie sprechen nach wie vor davon, dass wir aus dem Landtag heraus einen Untersuchungsausschuss in Berlin fordern. In unserem Antrag steht unter II./3.: „Der Landtag beschließt: Dem Deutschen Bundestag wird empfohlen, einen Untersuchungsausschuss ‚Asyl- und Migrationspolitik‘ einzusetzen.“

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Das ist doch hier keine Lesestunde! – Christian Dahm [SPD]: Das haben wir auch gelesen!)

Nicht mehr und nicht weniger.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Frage! – Widerspruch von der AfD)

– Das ist eine Kurzintervention und keine Frage. Wenn Sie den Unterschied nicht kennen, erkläre ich ihn Ihnen gerne.

Es wäre mir völlig neu, dass der Landtag von Nordrhein-Westfalen dem Deutschen Bundestag nicht etwas empfehlen kann. Oder sind wir jetzt inzwischen so klein, dass das nicht mehr geht?

Das war übrigens eine Frage.

(Zuruf von der AfD: Extra für Sie! Geschenkt! – Verena Schäffer [GRÜNE]: Ich habe Ihnen nicht zugehört, tut mir leid!)

Präsident André Kuper: Bitte schön.

Björn Franken (CDU): Ich mache es kurz. Nach § 1 Abs. 1 Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestags – Sie haben ja auch zitiert – hat der Bundestag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen – unabhängig davon, wer ihm das von außen empfiehlt oder nicht. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages haben ihr Stimmrecht. Organisieren Sie dort Ihre Mehrheit, aber hören Sie auf, in den Landtagen unsere Zeit in Anspruch zu nehmen. – Danke.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Präsident André Kuper: Für die SPD spricht nun unsere Kollegin Stock.

Ellen Stock (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal haben wir es mit einem AfD-Antrag zu tun, der strotzend vor Selbstmitleid am Thema und am Ziel vorbeiläuft.

(Beifall von der SPD)

Ihr Antrag ist nicht nur redundant, sondern auch fehladressiert. Ein bundespolitisches Thema, welches seit Tagen intensiv auf der Bundesebene diskutiert wird, wird an den Landtag gerichtet. Und zu welchem Zweck? – Sie wollen mit diesem Antrag nur Stimmung machen. Ihre Fraktion beklagt tagaus tagein, wir würden Sie nicht ernst nehmen und Ihre Anträge nicht mit dem gebührenden Respekt behandeln.

(Roger Beckamp [AfD]: Das machen wir gar nicht!)

Wie sollen wir das denn auch? Es kommt vor, dass die Antragsteller bei der Debatte selbst nicht einmal anwesend sind. Das zeigt doch, welchen Stellenwert Sie den eigenen Anträgen zubilligen. Und Sie bringen darüber hinaus Anträge ein, die völlig überflüssig und eine reine Stimmungsmache sind, wie zum Beispiel der vorliegende.

(Helmut Seifen [AfD]: Kommen Sie doch mal zu Sache!)

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, es gibt Zwischenfragen, gleich zwei …

Ellen Stock (SPD): Nein, ich möchte in einem Rutsch vortragen.

Präsident André Kuper: Gut.

Ellen Stock (SPD): Wir stellen immer wieder fest: Sie haben gar kein Interesse an einer sachlichen politischen Auseinandersetzung.

(Helmut Seifen [AfD]: Sehr sogar!)

Sie möchten sich als Opfer inszenieren.

(Helmut Seifen [AfD]: Quatsch!)

Sie möchten die anderen Parteien und unser etabliertes System mit allen Mitteln in Verruf bringen.

(Zuruf von der AfD: Völliger Quatsch!)

Für Ihre gezielte gespielte Empörung und Ihre Skandale ist Ihnen jedes Mittel recht und kein Thema heilig.

(Beifall von der SPD – Helmut Seifen [AfD]: Sie hetzen ganz schön!)

Und was noch viel schlimmer ist: Ich kann bei Ihnen kein echtes Interesse an den Menschen und ihren Sorgen erkennen.

(Zuruf von der AfD: Was?)

Sie haben kein Interesse daran, hier politisch zu gestalten. Ihre Rhetorik und Ihre Programmatik zeigen Verachtung für die kleinen Leute und keinerlei wahres Interesse an ihrem Wohlergehen.

(Helmut Seifen [AfD]: Das sehen die aber anders!)

Das im vorliegenden Antrag vorgeschobene Mitgefühl für angeblich – ich zitiere – „von der Politik im Stich gelassene Mitarbeiter des BAMF“ mit dem gleichzeitigen fadenscheinigen Angriff auf die anderen Parteien ist doch das beste Beispiel dafür.

(Zuruf von der AfD)

Sie sind nicht solidarisch. Sie benutzen Schicksale von anderen Menschen, um zu spalten.

(Beifall von der SPD)

Die Menschen sind Ihnen doch völlig egal. Sie schreiben, dass Sie Ihren Antrag zurückziehen wollen, wenn eine andere Partei die Mitarbeiter des BAMF unterstütze.

(Helmut Seifen [AfD]: Genau!)

Damit verhöhnen Sie die Betroffenen auch noch.

(Helmut Seifen [AfD]: Wieso das denn?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Sozialdemokraten stehen selbstverständlich solidarisch an der Seite der Beschäftigten,

(Zuruf von Roger Beckamp [AfD])

die im Rahmen einer einzigartigen Situation unter starkem Druck arbeiten mussten. Sie haben auch unseren Respekt verdient für die Leistung, die sie erbracht haben. Ebenso respektieren wir die Bedeutung und die Arbeit der Personalvertretung im öffentlichen Dienst und in den Betrieben. Dies infrage zu stellen, insbesondere einer Partei wie der SPD gegenüber, deren einzigartige Historie überhaupt erst Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte möglich gemacht hat,

(Zurufe von der AfD)

ist eine Unverfrorenheit.

(Beifall von der SPD – Helmut Seifen [AfD]: Sachsen 9 %!)

Ich stelle also fest: Die Diskussion gehört nicht hierher.

(Helmut Seifen [AfD]: Nächstes Mal sind Sie gar nicht mehr dabei!)

Sie wird sicher in den entsprechenden Gremien im Bundestag geführt werden. Eine Befassung hier im Landtag halten wir eigentlich für überflüssig, dennoch stimmen wir aus guter parlamentarischer Tradition dieser Überweisung zu.

(Helmut Seifen [AfD]: Sehr gnädig!)

Vielen Dank.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Stock. Sie haben gesehen, dass eine Kurzintervention angemeldet worden ist von Herrn Wagner von der AfD-Fraktion. Das Mikro ist freigeschaltet.

Markus Wagner (AfD): Liebe Frau Kollegin, man kann jetzt wirklich nicht auf alles eingehen, was Sie von sich gegeben haben. Aber Sie sprechen davon, dass es ein rein bundespolitisches Thema ist. Es dürfte Ihnen aufgefallen sein, dass auch die BAMF-Außenstellen in Düsseldorf und Bielefeld – hier in Nordrhein-Westfalen also – von der Problematik in besonderer Weise betroffen sind, und dies damit ohnehin in das Forum des Landtags gehört. Das ist das eine.

(Zurufe von der SPD: Nein! Bundesbehörde!)

Das Zweite ist: Wenn es fehlerhafte Asylbescheide gibt, und das offensichtlich massenweise, dann ist das Land Nordrhein-Westfalen als das Land, das nach dem Königsteiner Schlüssel die meisten aufzunehmen hat, in besonderer Weise – auch finanziell – davon betroffen. Also, auch das ist ein Punkt für die Landesebene.

Und das Dritte sagte mir mein Kollege gerade, weil Sie von der Überweisung nach Berlin sprechen:

(Zuruf von der SPD)

Wir hatten hier einmal einen Antrag zur Kraft-Wärme-Kopplung. Da wurde beantragt, dass der Landtag dem Bundestag empfehlen sollte, sich in Brüssel für etwas im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung einzusetzen. Und hier regen Sie sich auf, weil in unserem Antrag vorgeschlagen wird, denen in Berlin zu empfehlen, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. – Ich glaube, das ist völlig fehl am Platze.

(Beifall von der AfD)

Ellen Stock (SPD): Sie haben die Außenstelle Düsseldorf erwähnt. Da ist immer noch zu klären, ob diese Etage angemietet wurde, ja oder nein. Das wird in den entsprechenden Gremien bearbeitet. Das geht an den Bundestag. Ich kann mich da nur wiederholen und auch meinen Vorrednern anschließen. Ihr Antrag ist fehladressiert, er geht an den Bundestag.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herzlichen Dank, Frau Stock. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lenzen.

Stefan Lenzen (FDP): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mir scheint, die antragstellende Fraktion traut ihrer eigenen Bundestagsfraktion nicht wirklich viel zu.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Die Vorredner haben schon versucht, Ihnen zu erklären, dass der Antrag eigentlich in den Bundestag und nicht in den Landtag gehört. Und die Verantwortung für das BAMF und seine Führung liegt alleine beim Bund. Ich glaube, der Kollege Franken hat es auch noch einmal versucht, Ihnen detailliert näherzubringen, dass allein mit einem Viertel der Abgeordneten im Bundestag Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden können, und die Beschlüsse, die wir hier fassen würden, völlig irrelevant wären.

Aber – das sei geschenkt, Sie sind ja beratungsresistent – Sie fordern auch die Solidarität mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BAMF. Ich glaube, sagen zu können: Das Allerletzte, das die Mitarbeiter jetzt brauchen, ist die Unterstützung der AfD.

(Helmut Seifen [AfD]: Im Gegenteil! Von Ihnen haben sie sie gar nicht! – Weiterer Zuruf von der AfD)

Die meisten Mitarbeiter besitzen etwas, das Ihnen völlig fehlt. Das sind interkulturelle Kompetenz und asylrechtliche Kenntnisse. Die Mitarbeiter haben unter schwierigen Bedingungen Enormes leisten müssen, und den Versuch, Sie für Ihre politischen Zwecke zu missbrauchen, haben sie einfach nicht verdient.

(Zuruf von Iris Dworeck-Danielowski [AfD])

Frau Präsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, im BAMF hat es sicher auch systemische Mängel gegeben. Eine drohende Überlastung wurde nicht rechtzeitig erkannt; ebenso kann das Fehlverhalten einzelner Personen nach den aktuellen Berichten keineswegs ausgeschlossen werden. In laufende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft werden wir uns jedoch nicht einmischen, weder durch Solidarisierung noch durch irgendwelche Vorverurteilungen.

Für uns ist klar: Qualität geht eben vor Quantität. Unter der reinen Fixierung auf konkrete Fallzahlen und den möglichst schnellen Abbau des Rückstaus von Anträgen hat eben die Sorgfalt bei den Anhörungen und Entscheidungen gelitten – auch aufgrund von Vorgaben der Bundesregierung an die Führung des BAMF.

Aber die politische Entscheidung, innerhalb eines Jahres etwa eine Million Verfahren abzuarbeiten, ist ein zentraler Punkt in dem Antrag der FDP-Bundestagsfraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Hier ist der Deutsche Bundestag gefordert, politische Versäumnisse und Fehler aufzuklären. Das ist der richtige Ort – und nicht hier.

Sorgfalt sollte vor Eile gehen. Dabei müssen der einzelne Mensch und sein individuelles Schicksal im Mittelpunkt des Asylverfahrens stehen. Nur so können Schutzbedürftige von Nichtschutzbedürftigen unterschieden werden, Identitätsverschleierung und potenzielle Gefährder früher und besser erkannt und somit Fehler vermieden werden.

Das, was wir hier unternehmen, ist der richtige Weg. Es ist sachdienlich, vonseiten der NRW-Koalition und der Partner von CDU und FDP, mit ihrer Landesregierung einen eigenen Gesetzentwurf für ein Einwanderungsgesetz unter Federführung unseres Integrationsministers Dr. Joachim Stamp zu erarbeiten.

Damit werden wir einen sinnvollen Beitrag leisten, die Migrationspolitik in Deutschland neu zu ordnen. Für uns gelten Rechtsstaatlichkeit, Humanität und Leistungsgerechtigkeit auf der einen Seite genauso wie ein konsequentes Vorgehen gegen Gefährder und Kriminelle auf der anderen Seite. Das sollte im Mittelpunkt stehen.

Wir werden natürlich der Überweisung an den Fachausschuss zustimmen, aber den Antrag dort ablehnen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Aymaz.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!

(Zuruf von Stefan Lenzen [FDP])

Ja, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kommt bei der Bearbeitung von Asylanträgen eine zentrale Rolle zu. Wenn das BAMF funktioniert, können Flüchtlingsaufnahme, die Durchführung von Asylverfahren und die Integration auch gelingen. Daher besteht für uns Grüne unmittelbarer Handlungsdruck für eine umfassende Reform des BAMF; denn jeden Tag entscheidet diese Behörde weiter über das Schicksal von Schutzsuchenden.

Die erheblichen Mängel und das Fehlen eines ausreichenden Qualitätssicherungs- und Kontrollsystems beim BAMF sind nicht erst seit den Vorwürfen gegen die Bremer Außenstelle, sondern schon seit Langem bekannt.

Um einmal einige Vorfälle in Erinnerung zu rufen: Der Fall des Bundeswehrangehörigen Franco A., der sich als syrischer Asylsuchender ausgegeben hatte, die Verwicklung von BAMF-Bediensteten in den Entführungsfall eines vietnamesischen Asylsuchenden, Probleme bei der Nachregistrierung, zahlreiche Berichte über miserable Qualität der Anhörungsprotokolle und Asylbescheide, und auch das zerrüttete Verhältnis zwischen Gesamtpersonalrat und Amtsleitung, das sich in ständigen Arbeitsgerichtsverfahren niederschlägt, waren immer wieder Gegenstand öffentlicher Debatten.

Um ernsthaft auf die Defizite dieser Bundesbehörde hinzuweisen und echte Lösungsvorschläge zu machen, bedarf es wirklich nicht eines populistischen Schaufensterantrages der AfD-Fraktion.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die grüne Bundestagsfraktion hat in der 18. und 19. Legislaturperiode über 20 parlamentarische Initiativen zu den Missständen im BAMF ergriffen, um die Qualität der Asylverfahren und die Organisationsstrukturen zu verbessern.

(Zuruf von der AfD)

Auch noch zu Ihrer Erinnerung: Bereits 2014 hat sie 30 Millionen € für zusätzliches und qualifiziertes Personal des BAMF gefordert. Aber daran wollen sich die Damen und Herren der AfD-Fraktion natürlich nicht erinnern; denn sie nutzen die Affäre rund um die Vorwürfe der zu Unrecht bewilligten Asylanträge in der Bremer Außenstelle des BAMF für ihre rassistischen Verschwörungstheorien

(Zurufe von der AfD: Oh! Oh!)

und wollen diese im Bundestag nun auch in einen Untersuchungsausschuss gießen. – Ich finde: Wer die Kontrollfunktion von Parlamenten ernst nimmt, der darf nicht zulassen, dass dieser demokratische und rechtsstaatliche Auftrag durch rassistische Verschwörungstheorien mit Füßen getreten wird, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Der AfD geht es also wieder einmal gar nicht um Aufklärung in einem Untersuchungsausschuss, sondern um einen öffentlich zelebrierten Angriff auf die Menschlichkeit.

Wir Grüne wollen eine wirkliche und allumfassende Aufklärung der Missstände. Statt – das sage ich auch in Richtung der Kollegen der FDP-Fraktion – nur in großen Buchstaben zu debattieren und die Aufklärung zu den Vorgängen im BAMF im Rahmen eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf die lange Bank zu schieben, hat unsere grüne Bundestagsfraktion längst mit der Aufklärung und mit der Arbeit begonnen.

(Zurufe von der AfD)

Mit umfangreichen Fragenkatalogen treiben unsere Kolleginnen und Kollegen in Berlin den Prozess voran. Jetzt ist natürlich auch Bundesinnenminister Seehofer gefordert, alle Fakten auf den Tisch zu legen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle in aller Deutlichkeit sagen: Wer jetzt die Vorwürfe gegen die Bremer Außenstelle des BAMF zum Anlass nimmt, um ausschließlich eine Überprüfung von positiven Asylbescheiden vorzunehmen, der verabschiedet sich vom Rechtsstaatsprinzip. Zu einer fairen Aufklärung gehört die Überprüfung sowohl von positiven als auch von negativen Asylbescheiden. Bundesweit endeten in den ersten drei Quartalen des Jahres 2017 etwa 44 % aller Klagen gegen negative Asylbescheide zugunsten der Flüchtlinge.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Aymaz, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage bei Herrn Abgeordneten Beckamp von der AfD-Fraktion.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Nein. – Es ist ein Skandal, dass viele Tausend Flüchtlinge nicht durch Asylentscheide des BAMF zu ihrem Recht kommen, sondern nur dann, wenn sie sich mühsam durch alle Instanzen kämpfen. Die aktuelle, mit Halbwahrheiten gespickte Debatte, die Sie führen, diskreditiert die Schutzsuchenden und ihre Fluchtgründe. Das machen wir so nicht mit. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Aymaz, Entschuldigung, das war noch rechtzeitig angemeldet, Sie konnten es aber wahrscheinlich nicht sehen. Bleiben Sie bitte am Rednerpult stehen, denn es gibt eine Kurzintervention des Kollegen Beckamp.

Roger Beckamp (AfD): Frau Aymaz, ich habe für mich verstanden, dass Sie unseren Antrag nicht so gut finden. Das ist Ihnen unbenommen. Was ich nicht verstanden habe, ist, dass Sie uns jetzt mehrfach Verschwörungstheorien vorgeworfen haben. Da bin ich nicht ganz bei Ihnen. Was ist denn bei Ihnen los? Was meinen Sie? Was ist denn der Punkt? Können Sie es erklären? Wenn Sie so etwas einfach raushauen, können Sie dann auch sagen, was Sie meinen? Das wäre toll.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Dann haben Sie meine Rede doch nicht verstanden. Außerdem müssten Sie klären, was bei Ihnen los ist, glaube ich – nicht ich.

(Beifall von den GRÜNEN – Roger Beckamp [AfD]: Das war die Antwort?)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Frau Kollegin Aymaz. – Für die Landesregierung erhält jetzt Herr Minister Dr. Stamp das Wort.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antragsteller sollte wissen, dass Ansprechpartner für den Gesamtpersonalrat des BAMF allein die Leitung des BAMF ist. Er sollte eigentlich auch wissen, dass die Aufsicht über das BAMF allein beim Bund liegt.

Auf das Schreiben des Gesamtpersonalrats zu reagieren, welches sich weder an die Landesregierung richtet noch Forderungen ihr gegenüber erhebt, ist also nicht Sache der nordrhein-westfälischen Landesregierung.

Genauso wenig ist es Sache des nordrhein-westfälischen Landtags, über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Bundestages zu entscheiden. Dies obliegt alleine dem Bundestag selbst. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister, Entschuldigung, dass ich Sie nicht sofort darauf aufmerksam gemacht habe. Ich dachte, Sie hätten es gesehen. Es gibt auch hier eine angemeldete Kurzintervention. Deshalb muss ich auch Sie an das Redepult zurück bitten, um die Kurzintervention entgegenzunehmen. Herr Wagner hat sie angemeldet, und ich schalte das Mikro frei.

Markus Wagner (AfD): Schönen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Minister, Sie haben darauf hingewiesen, der Bund sei zuständig. In unserem Antrag weisen wir darauf hin, dass der Landtag den Bund quasi darum bitten soll, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Jetzt habe ich hier Anträge der Fraktionen der CDU und der FDP vorliegen. Einer trägt beispielsweise den Titel „Stärkung der Möglichkeiten zur Strafverfolgung von Straftaten im Cyberraum“. Da heißt es unter „II. Beschlussfassung“: „Der Landtag beauftragt die Landesregierung, sich auf Bundesebene für folgende gesetzliche Neuregelungen einzusetzen: …“ – Das ist nichts anderes als das, was wir gemacht haben.

Oder es wurde in einer Aktuellen Stunde von CDU und FDP Folgendes beantragt: „Landtag und Landesregierung müssen bei der Datenschutzgrundverordnung Korrekturen anmahnen: Bundesregierung bei der besseren Umsetzung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung unterstützen!“ – Das können wir als Landtag scheinbar schon.

Auch bei der SPD gibt es solche Dinge. Ein Vertreter der SPD steht jetzt aber nicht im Mikro. Falls Ihnen das noch irgendetwas sagt: Beim Antrag „Raus aus der Teilzeitfalle – … Rückkehrrecht in Vollzeit ermöglichen!“ heißt es unter III: „Das anstehende Gesetzgebungsverfahren zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts mit allen Möglichkeiten auf Bundesebene zu unterstützen.“

Oder in Ihrem Antrag „Mehr Biss für den zahnlosen Tiger: Bundesnetzagentur braucht Sanktionsmöglichkeiten“ heißt es unter III: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass …“

Jetzt frage ich mich, warum Sie die Bundesregierung auffordern können, das alles zu machen, die AfD-Fraktion aber nicht. Ich glaube, hier ist Waffengleichheit herzustellen.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister, wenn Sie mögen, haben Sie jetzt Gelegenheit, zu antworten.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe meinen Ausführungen nichts hinzuzufügen. – Danke schön.

(Zuruf von der AfD: Das müssen Sie einmal den Bürgerinnen und Bürgern erklären, so etwas aufzustellen und dann wegzulaufen!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir, da keine Wortmeldungen mehr vorliegen – es bleibt so –, am Schluss der Aussprache zu Tagesordnungspunkt 6.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 17/2765 an den Integrationsausschuss – er bekommt die Federführung – sowie an den Innenausschuss, der dann in die Mitberatung geht. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Sich enthalten? – Das ist beides nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf:

7   Herr Laschet muss liefern: Die nächste Maritime Konferenz gehört nach Duisburg!

Eilantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2802

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat vonseiten der SPD-Fraktion Herr Kollege Börner das Wort.

Frank Börner (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Nationale Maritime Konferenz ist eine Veranstaltungsreihe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zu maritimen Fragen und den Interessen Deutschlands. Themen wie Schiffbau, Hafenwirtschaft, Seeschifffahrt, Meerestechnik und Offshore-Themen stehen dabei im Fokus. Die Konferenz befasst sich auch mit den dazugehörenden Fragen von Umwelt und Klimaschutz. Auch das sind für unser Land ganz wichtige Themen; denn Nordrhein-Westfalen ist das Binnenschifffahrtsland Nummer eins in Deutschland.

Nordrhein-Westfalen verfügt über ein gut ausgebautes Binnenwasserstraßennetz mit insgesamt 720 km Länge. An diesen Wasserwegen liegen 120 Häfen. Ein Viertel des gesamten Warenumschlags entfällt auf die Rheinhäfen. Der größte Hafenkomplex in diesem Zusammenhang ist Duisburg. Hier werden etwa 40 % des gesamten Güteraufkommens umgesetzt. Duisburg ist zugleich der größte Binnenhafen Europas. Mit den Duisburg anfahrenden Küstenmotorschiffen haben wir so quasi auch den südlichsten Seehafen Deutschlands mit direkten Verbindungen zu allen Seehäfen in Europa.

Die erste Nationale Maritime Konferenz wurde am 13. Juni 2000 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder in Emden eröffnet. Die nächste Nationale Maritime Konferenz ist für 2019 geplant. Sie soll erstmals im Binnenland stattfinden. Das hat gute Gründe, denn die Schifffahrt findet auch im Binnenland statt. In der globalisierten Welt kommt dem termingerechten Transport und der verlässlichen Verteilung von Gütern aller Art immer mehr Bedeutung zu – auch und gerade über die Küstenstädte hinaus.

Leistungsstark und leise werden viele Güter über unsere Binnenwasserstraßen transportiert. Dabei entlastet die Binnenschifffahrt als Verkehrsträger unsere Straßen erheblich. Jedes Binnenschiff ersetzt eine Vielzahl von Lkws. Die Kapazitätsreserven dieses Verkehrsträgers sind immens.

Wo stünde Nordrhein-Westfalen ohne seine Binnenschifffahrt? Es würde den bedeutenden europäischen Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen so nicht geben. Seine Entwicklung wäre ohne Binnenschifffahrt nicht möglich gewesen. Viel wichtiger aber sind die Fragen: Was kann die Binnenschifffahrt zukünftig leisten? Welche Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten bietet sie im Interesse unseres Landes und seiner Menschen? Wie können wir ihre Entwicklung heute und zukünftig wirkungsvoll befördern?

Die Schifffahrt macht nicht an den Küstenhäfen halt – weder in Norddeutschland noch in Belgien und den Niederlanden. Deswegen darf es auch kein Gegeneinander von Küste und Binnenland bzw. von Belgien und den Niederlanden auf der einen Seite und Deutschland auf der anderen Seite geben.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Börner, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Auch hier gibt es den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus den Reihen der AfD, und zwar von Herrn Abgeordneten Beckkamp.

Frank Börner (SPD): Danke, nein.

Es macht so auch keinen Sinn, die ZARA-Häfen gegen die deutschen Häfen auszuspielen. Das sind unglückliche Attitüden eines Ministerpräsidenten. Es ist ein Irrweg von Herrn Laschet.

Die Nationale Maritime Konferenz 2019 in Duisburg abzuhalten, ist die ideale Gelegenheit, am richtigen Ort die zentralen Themen der Binnenschifffahrt mit ihren Herausforderungen zu diskutieren und Wege aufzuzeigen. Stichworte hierzu sind „Digitalisierung maritimer Transportketten“, „autonome Steuerung von Binnenschiffen“, „Ökologisierung von Binnenschifffahrt“, „Landstromversorgung“ sowie „Weiterentwicklung von Offshore-Technologien zur Energie- und Rohstoffgewinnung“.

Natürlich gehören im Wasserstraßen- und Hafenland NRW auch die Überwindung des Investitionsstaus bei den Binnenwasserstraßen, der Kapazitätsausbau der Binnenschifffahrtswege und die geplanten Abladeverbesserungen für den Rhein auf die Agenda.

Als Standort für die Nationale Maritime Konferenz 2019 hat sich jedoch die Stadt Friedrichshafen am Bodensee beworben. Wie man hört, hat sie relativ gute Chancen. Hier, meine Damen und Herren, kommt die Landesregierung ins Spiel. Was haben Sie, Herr Laschet oder Herr Wüst, bisher in Berlin unternommen, um für den Veranstaltungsort Duisburg zu werben? Haben Sie gegenüber dem Bundeswirtschaftsminister in Berlin für Duisburg als Veranstaltungsort für die nächste Maritime Konferenz geworben? Welche Ergebnisse hatten diese Gespräche?

Oder liegt die fehlende Motivation für dieses Thema vielleicht ganz woanders? Welcher Kurs der Landesregierung gilt für die Landesanteile am Hafen Duisburg? Hü oder hott? Verkauf oder Erhalt der Beteiligung? Nach der Vorlage des Finanzministers für den HFA vom 5. Juni 2018 ist es ja wieder offen, ob Sie eine Privatisierung der öffentlichen Anteile am Hafen Duisburg vorantreiben wollen oder nicht. Mit der Ankündigung, die Beteiligungsportfolios dieses Landes überprüfen zu wollen, haben Sie erneut Verunsicherung statt Zuversicht geschaffen.

Wie wir aus Ihren Ankündigungen zum Dienstantritt als Regierungschef gelernt haben, Herr Laschet, wollten Sie als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen den Blick über den Tellerrand schweifen lassen. Diese Aussage betraf den Einfluss des Landes in Berlin und international. Das wäre jetzt eine Gelegenheit, die Sie nutzen können, um die Stimme in Berlin für NRW zu erheben. Viel war da ja bisher nicht, wenn man an den Dieselgipfel oder an den belgischen Atommeiler denkt.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Frank Börner (SPD): Ich komme sofort zum Ende.

Ich meine, dass es nicht nur ein selbst erteilter Auftrag eines Ministerpräsidenten, sondern die Pflicht des Ministerpräsidenten dieses Landes ist, sich vehement für den Standort Duisburg einzusetzen. Wir fordern die Landesregierung im Interesse dieses Landes, seiner Menschen und seiner Wirtschaft nachdrücklich auf, sich gegenüber der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass die Maritime Konferenz im kommenden Jahr in Duisburg stattfinden kann. – Glückauf.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Börner. Bleiben Sie bitte gleich am Rednerpult, weil eine Kurzintervention von Herrn Abgeordneten Beckamp aus den Reihen der AfD-Fraktion angemeldet wurde. – Wenn Sie sich bitte noch einmal einwählen, dann kann ich Ihnen das Mikro freischalten. – Mikro ist frei.

Roger Beckamp*) (AfD): Vielen Dank. – Herr Börner, jetzt haben wir gerade beim letzten Antrag von allen Rednern – außer von uns – gelernt, dass Landessachen zum Landtag gehören und Bundessachen zum Bundestag. Der Minister war da besonders streng mit uns, dass man sich mit bestimmten Dingen eben nur auf Landesebene befassen kann und mit anderen eben auf Bundesebene.

Jetzt schreiben Sie in Ihrem Antrag:

„Der Landtag fordert die Landesregierung und insbesondere Ministerpräsident Laschet auf, sich gegenüber der Bundesregierung und insbesondere Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) und Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) massiv dafür einzusetzen, dass die Maritime Konferenz 2019 in Duisburg stattfindet.“

Nach der Logik des Vorredners aus Ihrer Partei und aller anderen Vorredner ist Ihr Antrag ja dann Quatsch. Kann das sein?

Frank Börner (SPD): Es macht einen Unterschied, ob ein demokratisch gewähltes Gremium wie der Bundestag für sich selber entscheidet, ob es einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen will oder nicht, ähnlich wie es auch für unser Parlament gilt. In unserem Antrag geht es um die Interessen Nordrhein-Westfalens, die Interessen der Wirtschaft und der Logistik in Nordrhein-Westfalen. Das ist ein Thema, das für unseren Standort, für die Zukunft unseres Standortes wichtig ist. Deshalb ist das ein deutlich anderes Thema.

(Beifall von der SPD – Zurufe von Roger Beckamp [AfD] und Michael Hübner [SPD])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Börner. – Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Hovenjürgen.

Josef Hovenjürgen (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Börner, wir sind natürlich einig in der Bewertung der Bedeutung des Hafens in Duisburg für die Binnenschifffahrt. Er kann sich sehen lassen, er ist wettbewerbsfähig. Das alles ist sicherlich richtig.

Aber wenn Ihr Antrag „Laschet muss liefern“ heißt, lieber Herr Börner, dann darf ich feststellen, dass Rot-Grün die maritime Infrastruktur und ihre Befähigung, die Verkehre, die heute notwendig sind, aufzunehmen, sträflich vernachlässigt hat. Insofern wäre das Interesse, das Sie heute an den Tag legen, in den sieben Jahren Ihrer Regierung sehr vonnöten gewesen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Auf der letzten Maritimen Konferenz am 4. April 2017 in Hamburg wurde im Übrigen festgelegt, dass die Konferenz erstmals im Hinterland abzuhalten sei und welchen Schwerpunkt man verfolgt. Das ist nämlich der Schwerpunkt „Green Shipping und maritime Mobilitätswende“. Das sind zum Beispiel alternative Antriebe.

Wenn man fair und ehrlich miteinander umgeht, dann muss man sagen, dass unsere Wirtschaft da noch nicht so gut aufgestellt ist wie die Wirtschaft anderer Länder. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum unsere Aussichten nicht so gut sind, obwohl wir uns natürlich dafür einsetzen werden, dass wir 2019 Austragungsort werden. Wir werden uns auch dafür einsetzen, falls es 2019 nicht klappen würde, dass wir zu einem anderen Zeitpunkt Austragungsort werden.

Aber ich glaube, darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, dass die Menschen, die in diesem Bereich Beschäftigung haben, wissen, dass sie sich auf die neue Landesregierung verlassen können, dass wir die marode Infrastruktur Schritt für Schritt verbessern werden und dass wir alles dafür tun, dass wir das, was wir auf den NRW-Straßen erleben – nämlich die maroden Brücken und damit Verkehrsinfarkte in verschiedensten Regionen unseres Landes –, nicht auch noch auf den Wasserstraßen erleben. Dafür wird diese Regierung handeln, dafür werden wir anpacken.

(Beifall von Matthias Kerkhoff [CDU] und Henning Höne [FDP])

Das ist unser Versprechen an die maritime Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Abgeordneter Hovenjürgen. – Für die FDP spricht Herr Abgeordneter Reuter.

Ulrich Reuter (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Nationalen Maritimen Konferenzen, die seit 2000 regelmäßig stattfinden, erfüllen eine wichtige Funktion. Sie rücken die Themen Schiffbau, Hafenwirtschaft, Seeschifffahrt, Meerestechnik, aber auch den Klima- und Umweltschutz in das öffentliche Interesse, wie Sie in Ihrem Antrag aus Wikipedia richtig zitiert haben, liebe Kollegen der SPD.

Als Binnenschifffahrtsland Nummer eins wissen wir in Nordrhein-Westfalen, dass es neben einer leistungsstarken Seeschifffahrt auch eine ausgeprägte und bedeutende Binnenschifffahrt in Deutschland und insbesondere in NRW gibt. So verfügt NRW über mehr als 700 km Binnenwasserstraßen, über mehr als 120 Häfen und über ein umfassendes Netz aus Industrie- und Technologieunternehmen, die in der Schifffahrtsbranche tätig sind.

Das Wasserstraßensystem erfüllt eine nicht ersetzbare Rolle für unsere Industrie und ist ein zentraler Faktor für unsere weltweiten Logistikaktivitäten. Damit verbunden sind Zigtausende Arbeitsplätze. Die herausragende Bedeutung des Duisburger Hafens muss ich in diesem Hohen Hause nicht besonders betonen.

Für uns in Nordrhein-Westfalen ist klar: Wenn man das Forum der Nationalen Maritimen Konferenz dafür nutzen will, das Thema „Binnenschifffahrt“ in den Mittelpunkt zu rücken, ist es folgerichtig, eine solche Konferenz in NRW, und dort in Duisburg, zu platzieren. Dafür wirbt die Landesregierung im Bund. Dafür hat sich insbesondere immer auch die FDP eingesetzt. So kommt es nicht von ungefähr, dass die SPD in ihrem hier zu debattierenden Antrag meinen Namensvetter aus dem Bundestag, den Abgeordneten Bernd Reuther aus Wesel, zitiert.

Wir als FDP setzen uns auch als Oppositionspartei im Bund für eine solche Konferenz in Duisburg ein. Vor allen Dingen hat aber auch unser Fraktionsvorsitzender Christof Rasche bereits am 2. Juni 2018 in einem Presseartikel der „WAZ“ die Diskussion losgetreten und befeuert.

Sie von der SPD sind jetzt auf diesen Zug aufgesprungen. Das ist nicht verkehrt. Sich für die Sache einzusetzen, ist richtig und lohnt sich. Allerdings entsteht bei mir nach mehrmaliger Lektüre Ihres Antrags der Eindruck, als ginge es vor allen Dingen darum, hier eine alleinige Verantwortung des Ministerpräsidenten unseres Landes zu konstruieren. Hätten Sie Ihre Verantwortung wahrgenommen und uns einen gedeckten Tisch hinterlassen, so hätte der Ministerpräsident nur noch zugreifen müssen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Fragen, die ich an Sie richte, lauten: Was tun denn Ihre Genossen im Bundestag, um die Konferenz nach Duisburg zu holen? Hat die NRW-Landesgruppe der SPD im Bund selber so wenig Gewicht, dass Ihrer Partei nichts anderes einfällt, als auf den CDU-Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen zu verweisen?

Hat etwa während der Amtszeit Ihres Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel sowie Ihrer Landesminister Garrelt Duin und Michael Groschek der Einsatz für Duisburg für die Nationalen Maritimen Konferenzen 2015 und 2017 zum Erfolg geführt? – Nein, hat er nicht. Noch ist die Entscheidung nicht endgültig gefallen. Deshalb sind Sie aufgerufen, die Aktivitäten dieser Landesregierung durch Aktivitäten Ihrer Partei im Bundestag zu flankieren.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch ein paar persönliche Anregungen:

Zum einen möchte ich gern für einen Vorschlag unseres Fraktionsvorsitzenden werben, dessen Tragweite weit über eine einzelne Konferenz hinausgeht. Der Bund sollte ein Kompetenzcenter Binnenschifffahrt gründen und dieses in NRW ansiedeln. Dann können langfristig wesentliche Probleme – zum Beispiel die der überfälligen Ertüchtigung der Infrastruktur, aber auch die der Zukunft, wie autonom fahrende Schiffe – diskutiert und vorangetrieben werden.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zum andern müssen wir sehen, dass die Nationale Maritime Konferenz nie eine Veranstaltung sein wird, die die Probleme von NRW lösen kann. Deren Stoßrichtung geht gleich zweifach nicht mit unserer Interessenlage konform. Wir haben keine Seehäfen, und unsere Industrie und unsere Logistiker denken und handeln nicht national, sondern global. Die Berichte über die Reaktivierung der historischen Seidenstraße, an deren einem Ende NRW und an deren anderem Ende China liegt, verdeutlichen dies.

Wir sollten – das ist meine persönliche Anregung – in NRW darüber nachdenken, ob wir nicht selber eine europäische Logistikkonferenz einberufen, in der Binnenschiff und Schiene neben nationalen und internationalen Seehäfen eine gleichberechtigte Rolle spielen, und die die Entscheidung einer global agierenden Wirtschaft, ihre Warenströme zu organisieren, akzeptiert und darauf aufbauend die Kompetenz der Zukunft entwickelt. Das wäre eine lohnende Perspektive. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Reuter. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Horst Becker.

Horst Becker (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst vorneweg das, was uns in diesem Hause eint oder einen müsste: Wir setzen uns selbstverständlich alle dafür ein, dass die Maritime Konferenz nach Duisburg kommt. Denn in der Tat ist Duisburg mit Abstand der größte Binnenhafen der Welt. Er zählt zu den 100 größten Häfen weltweit. Das ist für einen Binnenhafen ein Phänomen, weil unter den größten Häfen weltweit kaum Binnenhäfen vertreten sind.

Außerdem ist der Duisburger Hafen für viele Arbeitsplätze verantwortlich. Bei der Hafengesellschaft selber gibt es über 1.200 Beschäftigte; bei den im Hafen ansässigen Unternehmen arbeiten insgesamt 45.000 Menschen. Das sind 20.000 Arbeitsplätze mehr als noch vor 15 Jahren. Das sind eindrucksvolle Zahlen.

Lassen Sie mich aber, bevor es mit der Einigkeit zu viel wird, einige korrigierende Sätze sagen.

Herr Kollege Reuter, die Vorgängerregierung konnte kaum etwas für die Ansiedlung 2019 tun, weil erst 2017 eine Neuerung eintrat. Die Bundeskanzlerin hat da nämlich gesagt, nunmehr solle das erste Mal ein Binnenhafen in der Bundesrepublik Ausrichter werden. – Das war bis dato nicht üblich. Insofern gab es einen Anlass, in NRW darüber nachzudenken. Dann hat das Bewerbungsrennen – wenn man es überhaupt ein Rennen nennen kann – angefangen.

Herr Hovenjürgen, mir sei noch eine zweite Bemerkung erlaubt. Als wir 2010 die Regierung – zunächst als Minderheitsregierung – übernommen haben, sollten die Bundesanteile am Hafen Duisburg verkauft werden. Das war mit der schwarz-gelben Vorgängerregierung und dem Bund vorbesprochen. Wir haben es mit sehr viel Mühe hinbekommen, dass die Bundesanteile eben nicht nach Rotterdam oder an andere Stellen verkauft wurden, womit der Standort geschwächt worden wäre.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Das wäre nämlich passiert, wenn diese Anteile verkauft worden wären. Das will ich nur zur Behebung der Geschichtsklitterung gesagt haben.

Zurück zum eigentlichen Thema. Ja, wir sollten uns bemühen, diese Konferenz zu bekommen. Denn Duisburg ist nicht nur ein besonders wichtiger Hafen, sondern wir haben auch entsprechende Themen. Herr Reuter, an einem Punkt gebe ich Ihnen recht: Nicht alle Themen, die einen Binnenhafen und die Binnenhäfen insgesamt betreffen, gehen auch die anderen Häfen an. Sie werden nicht alle mit dem gleichen Engagement an diesen Themen arbeiten.

Trotzdem will ich einige Themen nennen, deren Behandlung gerade für Duisburg wichtig wäre, weil eben Duisburg so ein großer und wichtiger Standort für das Land Nordrhein-Westfalen ist:

Da geht es zunächst um die ökologische Modernisierung der Binnenschiffe mit modernen Dieselmotoren, die NOx-ärmer und feinstaubärmer sind. Sie alle wissen: Das ist ein riesiges Thema. Wir diskutieren immer wieder über die NOx- und Feinstaubbelastung.

Es geht zudem um die Verpflichtung zur Landstromversorgung an den Anlegeplätzen.

Zu nennen ist auch die effektive Nutzung vorhandener Hafengelände und Infrastrukturen. Da fällt mir beispielsweise eine Diskussion ein, die ich immer wieder mit dem Kollegen Börschel und anderen geführt habe, nämlich über den Standort Godorf. Inzwischen werden 40 % der Liegenschaften von nichthafenaffinen Gewerbebetrieben genutzt. Das ist für das Betreiben von Binnenhäfen ein außerordentlich schädlicher Umstand.

Es ist auch wichtig, über die Verlagerung von Kapazitäten von der Straße hin zum Hafen zu reden. Ich gebe Ihnen ausdrücklich recht, dass auch der Ausbau des Bahnverkehrs zum Hafen Duisburg eine wichtige Zukunftsfrage ist. Diesen Ausbau haben wir vor einigen Jahren angefangen: zunächst mit einem Zug pro Woche, inzwischen mit deutlich mehr Zügen.

Auch da möchte ich eine Korrektur anbringen: Die Seidenstraße, die die Chinesen jetzt anstreben, geht eben nicht nach Duisburg. Wir haben zwar Duisburg-Verkehre, aber die Seidenstraße geht nach Polen. Sie soll auch nach Österreich gehen. Ich will jetzt keine Namensstreiterei anzetteln, teile jedoch ausdrücklich die Auffassung, dass wir uns darum bemühen müssen, an diesen Strecken zu liegen, dass wir sie zu unseren Drehscheiben holen müssen, weil dies in der Tat ein wichtiger Punkt in der internationalen Logistik ist. Und es ist wichtig, dass wir sie umwelt- und arbeitnehmergerecht gestalten – hier bei uns im Land. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Becker. – Für die AfD spricht der Abgeordnete Strotebeck.

Herbert Strotebeck (AfD): Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Duisburg ist sicher eine der Städte mit dem negativsten Image. Ihr Image ist schon seit Jahrzehnten nicht mit dem anderer Städte zu vergleichen.

Die Gründe für den Imageverlust sind vielfältig. Ein federführender Grund liegt im allmählichen Niedergang der Stahlindustrie – der Industrie, die zusammen mit der Kohle unser Land groß und stark gemacht hat.

Das fürchterliche Loveparade-Unglück vom Juli 2010 ist uns noch im Gedächtnis, als ob es gestern gewesen wäre.

Der immer höher werdende Ausländeranteil von aktuell über 20 % ist alarmierend, und über den Ausländeranteil, den wir in den Schulen haben, wollen wir heute gar nicht sprechen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Vielleicht sollten Sie überprüfen, zu welchem TOP er redet, Frau Präsidentin!)

Die Arbeitslosenquote liegt bei 11,5 %.

Es gibt eine hohe Kriminalitätsrate. Wenn Sie heute Morgen die „Rheinische Post“ gelesen haben, so konnten Sie erfahren, dass in der Zeit von September 2017 bis März 2018 in Duisburg 44 Messerattacken von der Polizei erfasst wurden. Es folgen Köln, Essen und – Sie hören richtig – Bonn.

(Zuruf von den GRÜNEN: Zum Thema reden! – Horst Becker [GRÜNE]: Haben Sie schon mal die Zeitung der Binnenschiffer gelesen?)

Der einzige Bundesligaverein, der MSV Duisburg, feiert die Meisterschaft in der 3. Liga und betrachtet dies als großen Erfolg.

No-go-Areas gibt es offiziell zwar keine, aber jedem ist bekannt, dass sie da sind.

1996 wurde das Theater am Marientor extra für das Musical „Les Miserables“ gebaut – sicher eines der besonderen Musicals, da sehr ausdrucksstark –, an das angesichts der literarischen Vorlage sehr hohe Erwartungen geknüpft worden waren. Es lief nur wenige Jahre: von 1996 bis 1999 und nochmals von 2003 bis 2004. Es war also nicht so erfolgreich wie das große Vorbild „Starlight Express Theater“ in Bochum, das zurzeit bekanntlich sein dreißigjähriges Jubiläum feiert.

Als Grund für den Misserfolg wurde damals unter anderem das Image der Stadt angeführt. So wurde auch darüber geschrieben: Es ist das Image der Stadt. Selbst eine Show der damaligen Superstars Siegfried und Roy könnte nicht dauerhaft in Duisburg etabliert werden, hieß es.

Aber wir haben in Duisburg ja glücklicherweise den Hafen. Ist Duisburg jetzt der größte Binnenhafen Europas oder gar der Welt?

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Abgeordneter Strotebeck, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Kollege Börner von der SPD-Fraktion würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Herbert Strotebeck (AfD): Ja, gern, Herr Börner.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Das Mikro ist frei.

Frank Börner (SPD): Jetzt haben Sie überraschend doch das Wort „Hafen“ in den Mund genommen. Ich wollte fragen, ob Sie wissen, zu welchem Tagesordnungspunkt Sie gerade sprechen. Ich bin mal gespannt, ob Sie den Bogen noch hinbekommen.

Herbert Strotebeck (AfD): Es freut mich sehr, dass das gerade noch geklappt hat. Es wäre ganz gut gewesen, wenn Sie bis zum Schluss gewartet hätten. Dann hätten Sie die Lösung gehabt; denn am Ansatz war ich schon. Also, vielen Dank für die Frage.

Ich wiederhole es noch einmal, weil ich es gern deutlich sagen möchte: Glücklicherweise haben wir in Duisburg den Hafen. Und ob er jetzt der größte Hafen Europas oder Welt ist? – Wollen wir uns einfach darauf einigen: Duisburg ist Europas größter Binnenhafen mit weltweiter und weiter steigender Bedeutung. Das gilt vor allem, wenn wir an die gerade erwähnte und funktionierende Seidenstraße denken. Hier ist der Duisburger Hafen nämlich von ganz großer, von entscheidender Bedeutung. Von existenzieller Bedeutung ist der Hafen mit über 40.000 Arbeitsplätzen und über 20 % aller Arbeitsplätze zweifelsfrei für die Stadt Duisburg.

Der Duisburger Innenhafen ist schlicht und ergreifend ein eindrucksvolles, gelungenes Projekt und mit Recht auch ein beliebtes Ausflugsziel. Der Duisburger Hafen ist ein ausgesprochen positiver Faktor und die Lebensader der Stadt. Dort ist Leben; dort sind Optimismus und Engagement. Ich habe es selbst erfahren dürfen. Während meiner beruflichen Zeit war ich häufig im Hafengebiet, da dort Geschäftspartner – Versicherungsmakler – ihren Sitz hatten und natürlich auch noch haben.

Ich will Ihnen damit nur sagen: Wir sollten alles tun, um die Nationale Maritime Konferenz nach Duisburg zu holen. Die Voraussetzungen könnten nicht besser sein. Wenn nicht jetzt, wann dann? Und wenn nicht wir, wer sonst? – Wir werden mit dieser Konferenz das Image der Stadt natürlich nicht direkt positiv verändern, aber es ist ein Schritt, es ist ein positives Zeichen auf einem längeren Weg.

Herr Laschet ist jetzt leider nicht da, aber: Unser Ministerpräsident ist gefordert. Er ist gefordert, sich auch für die schwächeren Städte des Landes einzusetzen. Auch wenn wir jetzt gehört haben, dass das Land nicht aufgefordert werden könne, Einfluss auf den Bund zu nehmen: Wir werden uns trotzdem anschließen und sind dafür, dass man sich beim Bund dafür einsetzt, dass die Maritime Konferenz nach Duisburg kommt.

Ich kann nur sagen, Herr Laschet – auch, wenn er nicht da ist –: Wir verlassen uns auf Ihren Einfluss in Berlin und sind hoffentlich nicht verlassen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Abgeordneter Strotebeck. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Wüst das Wort.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nordrhein-Westfalen ist unbestritten das Binnenschifffahrtsland Nummer eins mit dem weltweit größten Binnenhafen in Duisburg, mit Europas größtem Kanalhafen in Dortmund und dem bundesweit größten Wasserstraßennetz.

Die Landesregierung will die Binnenschifffahrt auch weiter stärken. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass Duisburg Austragungsort der Nationalen Maritimen Konferenz wird. Daher hat der Ministerpräsident die Kanzlerin in dieser Sache schon im März und den Bundeswirtschaftsminister im April dieses Jahres angeschrieben. Es hat daraufhin direkte Gespräche zwischen der Leitungsebene der Staatskanzlei und dem BMWi und im späteren Verlauf auch ein persönliches Gespräch des Ministerpräsidenten mit dem Bundeswirtschaftsminister gegeben.

Wir werben weiterhin intensiv dafür, dass diese Konferenz in Duisburg stattfindet, und haben es überhaupt nicht nötig, uns da irgendwelche Nachhilfe abzuholen. Gleichwohl wissen wir, dass auch die Wettbewerbsbewerbung aus Friedrichshafen starke Argumente vorträgt, denn die Themen der nächsten Nationalen Maritimen Konferenz liegen schon fest.

Man kann sich zudem weitere Themen wünschen. Herr Becker hat einige genannt, die es sicher wert wären, diskutiert zu werden. Festgelegte Themen gehen leicht in diese Richtung. „Green Shipping“ und „maritime Mobilitätswende“ sind Themen, die bereits festliegen. Leider muss man konstatieren, dass die Zuliefererindustrie in diesem Bereich im Süden mit einem Marktanteil von 40 % ein deutliches Pfund in die Waagschale wirft und stärker ist als bei uns.

Die Binnenschifffahrt im Allgemeinen ist bei dieser Konferenz nicht das Thema. Deswegen sind unsere Argumente nicht schlecht. Wir bleiben weiter am Ball, aber wir sollten mehr tun, als nur über diese Konferenz zu sprechen, wenn es um die Stärkung der Binnenschifffahrt geht.

Alle fordern immer den Umstieg auf Schiene und Binnenschiff und weg vom Lkw. Wenn man sich anschaut, was bereits getan wurde, muss man sagen, dass es in der Vergangenheit zu wenig war. Die Verantwortung liegt bei einer Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung, die in einer langjährigen Reform begriffen ist.

Bundesverkehrsminister Andi Scheuer macht jetzt Druck, und vor dem Hintergrund der derzeitigen Lage ist das meiner Meinung nach auch nötig und richtig. Überall gibt es veraltete und kaputte Schleusen, wo die Schiffsanleger nicht funktionieren, oder zu niedrige Kanalbrücken. Die Rheinvertiefung kommt nicht voran. Die Schiffsanleger entlang des Rheins – in diesem Zusammenhang sei nur Köln erwähnt – sind in einem desolaten Zustand. Die in Aussicht gestellten Reparaturen sind mit einem viel zu langen Horizont versehen.

Es wird Zeit, dass Nordrhein-Westfalen eine bessere Lobbyarbeit beim Bund und bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung betreibt.

(Jochen Ott [SPD]: Wer ist eigentlich noch mal Verkehrsminister in Berlin?)

Deswegen tun wir das jetzt auch. Wir putzen mit Nachdruck Klinken. Herr Ott, Sie könnten das auch tun. Sie hätten es sogar schon längst tun können.

(Jochen Ott [SPD]: Das ist das, was wir gemacht haben!)

Ich mache das jetzt. Ich putze Klinken in Berlin für die Binnenschifffahrt in Nordrhein-Westfalen,

(Beifall von der CDU und der FDP)

gemeinsam mit allen anderen, aber leider ohne Sie.

(Jochen Ott [SPD]: Sie versenken doch den Duisburger Hafen! Sie versenken ihn doch!)

– Sie schreien hier dazwischen! Sie hätten lieber früher in Berlin schreien sollen!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Jetzt tun Sie es hier. Das ist doch alles für die Katz!

(Zuruf von der SPD)

Ich habe für Ende September zu einer Veranstaltung in Berlin eingeladen, gemeinsam mit der IHK, bei der es unter anderem um die Binnenschifffahrt geht. Andi Scheuer hat zugesagt, dazuzukommen. Das ist das erste Mal überhaupt, dass man auf dieser Ebene mit dem BMVI über die Binnenschifffahrt in Nordrhein-Westfalen spricht. Das ist doch zu Ihrer Regierungszeit alles überhaupt nicht passiert.

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Wir haben das Schifffahrtsreferat mit neuen Stellen gestärkt, damit man die Defizite angehen kann und die Kollegen unterstützt, die viel zu lange im Regen gestanden haben. Das ist es, was wir im Rahmen der Initiative, die wir gemeinsam tragen, über die Maritime Konferenz hinaus tun. Unabhängig davon werden wir das auch fortsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Jochen Ott [SPD]: Ich stelle fest, das entspricht nicht der Wahrheit!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Wüst. – An dieser Stelle liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 7 schließe.

Wir kommen zur Abstimmung. Über einen Eilantrag ist, wie Sie wissen, direkt abzustimmen. Wer also dem Inhalt des Eilantrages Drucksache 17/2802 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und AfD. Wer stimmt dagegen? – Die CDU und die FDP-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Eilantrag Drucksache 17/2802 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe auf:

8   Fragestunde

Drucksache 17/2804

Ich rufe die

Mündliche Anfrage 18

der Abgeordneten Monika Düker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf:

Was will die Landesregierung für eine zügige Reform und den Erhalt der Grundsteuer in den NRW-Kommunen tun?

Was unternimmt die Landesregierung, damit es möglichst bald zu einer Lösung im Konflikt um die Grundsteuerreform kommt und die NRW-Kommunen Sicherheit zum Fortbestand einer ihrer wichtigsten Einnahmequellen erlangen?

Mit der Entscheidung vom 10.04.2018 hat das Bundesverfassungsgericht die aktuelle Gestaltung der Grundsteuer samt Jahrzehnte alter Berechnungsgrundlagen für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende 2019 eingeräumt, um eine Neuregelung zu schaffen. Diese Neuregelung ist für die Kommunen in NRW unbedingt notwendig, da die Grundsteuer sonst als eine der wichtigsten kommunalen Einnahmequellen wegbricht und tiefe Löcher in die Haushalte reißt. Aktuell erhalten Kommunen bundesweit rund 14 Milliarden Euro aus dieser Steuerart. Etwa 3,6 Milliarden Euro erhalten die Kommunen in NRW.

Trotz unmittelbarer Ankündigung des NRW-Finanzministers, mit seinen Amtskolleginnen und -kollegen in Bund und Ländern „zeitnah eine zukunftsfeste Lösung zu erarbeiten“ (Pressemitteilung des Ministeriums der Finanzen NRW vom 10.04.2018), sind bis heute keine entsprechenden Bemühungen oder gar Ergebnisse erkennbar. Während sich zahlreiche kommunale Vertreterinnen und Vertreter, Initiativen und Verbände etwa hinter einem Modell der Bodenwertsteuer versammeln und sich 14 der 16 Bundesländer in der Vergangenheit bereits für ein Kostenwertmodell ausgesprochen haben, ist aus den Beratungen der Finanzministerinnen und -minister im Rahmen der diesjährigen Jahresfinanzministerkonferenz am 25. Mai 2018 in Goslar keine zielführende Initiative oder Entscheidung bekannt.

Ich darf vorsorglich darauf hinweisen, dass die Landesregierung in eigener Zuständigkeit entscheidet, welches Mitglied der Landesregierung eine Mündliche Anfrage im Plenum beantwortet.

Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Lienenkämper antworten wird, dessen Mikrofon ich jetzt freischalte. Das würde ich zumindest gern. Ich kann es nicht freischalten. Es tut mir leid. – Jetzt klappt es. Von hier oben konnte ich es leider nicht freischalten.

Herr Minister Lienenkämper, ich lasse das Mikro vorsorglich die ganze Zeit angeschaltet. Mit einer kleinen Verzögerung folgt nun die Antwort des Ministers.

(Marc Herter [SPD]: Nicht wie das letzte Mal!)

Lutz Lienenkämper*), Minister der Finanzen: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das mit dem Mikrofon ist nicht schlimm. Im Moment sitzt niemanden neben mir, mit dem ich sprechen könnte, und kann mich somit ganz der Antwort widmen.

Auf die Frage darf ich wie folgt antworten:

Sie wissen, dass das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber am 10. April dieses Jahres zwei verschiedene Fristen für eine gesetzliche Neuordnung der Grundsteuer eingeräumt hat. Eine Frist läuft Ende 2019 ab. Das ist die Frist für die Schaffung einer neuen gesetzlichen Grundlage; es geht also darum, ein neues Gesetz zu verabschieden.

Dann gibt es noch eine zweite Frist, die am 31. Dezember 2024 abläuft. Das ist die Frist für die verwaltungstechnische Umsetzung dessen, was auch immer in dem neuen Gesetz beschlossen werden wird. Deswegen sind Bund und Länder aufgerufen, zeitnah eine zukunftsfeste Lösung zu finden.

Mir ist wichtig, dass die Grundsteuer erhalten bleibt; denn sie stellt eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen dar. Ich will außerdem, dass das rechtssicher, fair und aufkommensneutral passiert. Die Kommunen haben 2017 bundesweit immerhin rund 14 Milliarden € aus dieser Steuerart erhalten. Auf Nordrhein-Westfalen sind davon rund 3,7 Milliarden € entfallen.

Es handelt sich um eine bundesgesetzliche Regelung. Deswegen haben Bund und Länder in einem ersten Gespräch der Finanzminister mit Bundesminister Scholz verabredet, dass die notwendige Reform gemeinsam auf den Weg gebracht werden muss und wird.

Der Bundesminister der Finanzen ist dankenswerterweise bereit – jedenfalls hat er das angekündigt –, zum Ende des Jahres einen Gesetzentwurf vorzulegen. Ihm ist wichtig – und Gleiches gilt für uns als Länderfinanzminister –, dass es ein so einfaches Modell gibt, dass sichergestellt werden kann, dass auch die verwaltungsmäßige Umsetzung innerhalb der relativ kurzen Frist bis 2024 erledigt werden kann.

Warum ist das eine relativ kurze Frist? So etwas erschließt sich am Anfang nicht. Der Grund ist, dass jedes einzelne Grundstück in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Schlüssel, den das neue Gesetz festlegen wird, neu betrachtet werden muss, und zwar unabhängig davon, wie dieser genau aussehen wird. Bislang sind keinerlei IT-technische Vorbereitungen dafür getroffen, dass das Ganze auch erfolgen kann. Das heißt, wir müssen die komplette IT-Infrastruktur aufbauen, unabhängig davon, was genau Inhalt der Regelungen sein wird.

Deswegen ist die Frist so verhältnismäßig kurz. Es ist notwendig, das Gesetz klugerweise so einfach zu halten, dass sichergestellt wird, dass es auch verwaltungstechnisch umgesetzt werden kann.

Wir beteiligen uns an der Erarbeitung des Prozesses. Es gibt eine länderoffene Arbeitsgruppe, an der wir selbstverständlich mitwirken, und an der wir uns beteiligen. Es bleibt abzuwarten, wie die Ergebnisse dieses Verfahrens aussehen werden.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Lienenkämper. – Ich habe die erste Nachfrage, und zwar von der Fragestellerin Frau Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Danke, Herr Finanzminister. Sie haben mal wieder – wie so oft – unsere Frage nicht wirklich beantwortet, weswegen ich die Gelegenheit zur Nachfrage nutze.

Wir sind schon ein bisschen weiter; wir fangen hier nicht bei null an. Es gibt im Wesentlichen drei Modelle, die hier zur Auswahl stehen: das sogenannte Kostenwertmodell, das Bodenwertmodell oder die Flächensteuer. Dazu hat sich der Bundesrat schon 2016 mit großer Mehrheit geäußert. 14 von 16 Bundesländer haben damals im Wesentlichen das Kostenwertmodell präjudiziert.

Vor diesem Hintergrund lag dieses Modell jetzt auch bei Ihrer Finanzministerkonferenz auf dem Tisch. Dem Vernehmen nach – das sollten Sie vielleicht bestätigen – hat sich NRW dagegen ausgesprochen, sich entlang dieses alten mehrheitlichen Bundesratsmodells zu orientieren. Meine Frage: Warum hat sich NRW gegen diesen alten Bundesratsbeschluss gestellt?

Lutz Lienenkämper*), Minister der Finanzen: So ist das manchmal mit „dem Vernehmen nach“. Das kommt nicht immer richtig an. Deswegen bin ich froh, dass ich Ihre Frage direkt beantworten kann.

Zunächst zur politischen Ausgangslage. Die ist interessanterweise dadurch geprägt, dass seinerzeit 14 Länder eine Position vertreten haben und zwei Länder eine jeweils andere. Das war Bayern, und das war Hamburg unter dem damals Regierenden Bürgermeister Olaf Scholz, der das auch im Bundesrat und öffentlich mit großer Vehemenz vertont hat. Nunmehr hat er in neuer Rolle den Auftrag, eine neue Vorlage zu erarbeiten.

Sie können sich also mit der gemeinsamen politischen Erfahrung ausrechnen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Bundesminister der Finanzen einen der beiden damals auf dem Tisch liegenden Vorschläge unverändert wieder machen wird, relativ gering ist. Er wird sich im Zweifel – und verständlicherweise – kaum völlig gegen seine damalige Position wenden können. Umgekehrt wird er aber auch die seinerzeitige Mehrheitslage der Bundesländer und deren Interessen außer Acht lassen können.

Insofern hat er jetzt eine durchaus spannende Aufgabe bei der Erarbeitung dieses Vorschlags vor sich. Deswegen hat sich auch niemand gegen oder für irgendetwas ausgesprochen, sondern wir sind im Moment in dem Stadium, in dem sich die Steuerabteilungsleiter intensiv mit der Frage beschäftigen, ob die vorliegenden Modelle so, wie sie vorliegen, nach dem neuen Urteil wirklich verfassungsgemäß und innerhalb der neuen Frist umsetzbar wären. Das kannte man damals beides noch nicht. Das wir derzeit geprüft.

Eingedenk meiner Eingangsbemerkungen kann ich nicht erwarten, dass der Bundesminister der Finanzen tatsächlich in Reinform irgendeines der beiden Modelle vorschlagen wird.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Remmel von den Grünen.

Johannes Remmel (GRÜNE): Schönen Dank. Kann ich Ihre Ausführungen, Herr Minister, so verstehen, dass Sie von der bisherigen Position der nordrhein-westfälischen Landesregierung, das Kostenwertmodell zu favorisieren, abgerückt sind?

Lutz Lienenkämper*), Minister der Finanzen: Ich habe das Gleiche getan, was dankenswerterweise die 15 anderen Kollegen in unserer Besprechung mit Bundesminister Scholz auch gemacht haben. Wir alle haben gesagt, dass wir eingedenk der Tatsache, dass unverändert keines der Modelle realistisch erscheint, bereit sind, uns auf eine vernünftige, faire aufkommensneutrale Lösung zuzubewegen, damit das Ziel erreicht werden kann, die Vorgaben des Verfassungsgerichts einzuhalten.

(Sven Wolf [SPD]: Die Zeit läuft ab!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Mostofi-zadeh von den Grünen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herzlichen Dank! – Herr Minister, vielen Dank, dass Sie in Ihrer Eingangsbemerkung deutlich gemacht haben, dass Sie der Auffassung sind, dass die Grundsteuer mindestens in dem Aufkommen erhalten bleiben muss, wie es jetzt der Fall ist.

Deswegen möchte ich die Gelegenheit nutzen, den Rahmen abzustecken, worüber wir reden. Sie haben das Bundesverfassungsgerichtsurteil angesprochen. Das ist, wenn man ehrlich ist, die logische Konsequenz aus dem Verhalten in den vergangenen Jahren. Bereits 2006 – daran kann ich mich noch gut erinnern – hat Ihr Vorvorgänger Herr Linssen entsprechende Arbeitsgruppen eingerichtet, um weitere Bewertungen vorzunehmen, weil das Bundesverfassungsgericht nicht zum ersten Mal entschieden hat, dass die Einheitswerte so nicht mehr akzeptabel sind. Ich erspare mir jetzt die Erläuterungen. Wir müssen uns nicht gegenseitig schlauer machen, als wir es schon sind.

Wir befinden uns in einer Situation – Sie haben die Zeiträume beschrieben –, dass eine Steuer, die zentral für die Finanzierung der Kommunen ist, ersatzlos fallen könnte. Wir reden über 120 Millionen € – in Essen, in Bielefeld und in anderen Städten. Das wäre der Zusammenbruch der nordrhein-westfälischen kommunalen Selbstverwaltung, wie wir sie kennen, wenn diese Steuer ersatzlos fallen würde. Deswegen haben wir Alarmstufe Rot.

Ich frage Sie nun als Finanzmister. Ich will nicht Ihre Einschätzung dazu wissen, wie sich Herr Scholz verhält, sondern wir reden hier im Landtag darüber, was das größte Bundesland mit der größten Steuerverwaltung macht, um die Rechte der Kommunen – um die geht es nämlich – zu erhalten.

Deswegen meine konkrete Frage: Was tut das Land Nordrhein-Westfalen, um den Finanzminister des Bundes und die anderen Länderfinanzminister dazu zu bringen, über den Zeitraum der nächsten sechs bis zehn Monate – viel länger darf das Gesetzgebungsverfahren inklusive verfassungsrechtlicher Prüfung nicht dauern – tatsächlich etwas zu tun? Was tun Sie konkret, nach welchen Schritten handeln Sie, was arbeiten Sie wann ab, um zu erreichen, dass die Grundsteuer zumindest in diesem Aufkommen erhalten bleibt?

Lutz Lienenkämper*), Minister der Finanzen: Herr Kollege Mostofizadeh, vielen Dank für die Frage. Wir haben – wie ich das schon beschrieben habe – mit allen 16 Länderfinanzministern und mit dem Bundesminister der Finanzen Scholz im Mai eine gemeinsame Besprechung durchgeführt, bei der wir verabredet haben, dass bis zum Ende dieses Jahres der von mir zitierte Vorschlag aus dem Bundesministerium der Finanzen vorliegen soll.

Wir haben beschlossen, dass es eine länderoffene Arbeitsgruppe geben soll, an der sich alle Länder beteiligen können, um an der Erarbeitung dieser Vorschläge mitzuwirken. Nordrhein-Westfalen wirkt selbstverständlich in dieser länderoffenen Arbeitsgruppe mit.

Ich habe vorhin den Status quo beschrieben: Derzeit werden die vorhandenen Modelle auf Verfassungsgemäßheit und vor allen Dingen auf verwaltungstechnische Umsetzbarkeit nach dem vorliegenden Urteil überprüft. Denn wir haben nichts davon, dass wir alle irgendeinen uns genehmen politischen Kompromiss verhandeln und beschließen, der dann am 31. Dezember 2024 nicht in IT umgesetzt ist. Dann dürften wir nämlich danach ab dem 1. Januar diesen schönen Beschluss nicht mehr umsetzen. Das Ergebnis wäre ein Ausfall bei der Grundsteuer, den wir nicht wollen.

Insofern sind wir gehalten, sowohl die verwaltungstechnischen Aspekte als auch die politischen Aspekte gleichermaßen im Blick zu halten. Das tun wir gerade in dieser Arbeitsgruppe. Wir wirken mit.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt Ihnen Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Minister, ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie das hier einmal dementiert haben und gesagt haben, dass Sie sich unter den Finanzministern nicht grundsätzlich gegen dieses Kostenwertmodell ausgesprochen haben. Ich entnehme aber Ihren Ausführungen, dass Sie da verfassungsrechtlich zumindest so viele Probleme sehen, dass das noch einmal geprüft werden soll.

Können Sie uns bitte einmal im Lichte des Urteils des Bundesverfassungsgerichtsurteils erläutern, welche verfassungsrechtlichen Bedenken es an dem Kostenmodell denn nun gibt, sodass man jetzt nicht anhand des alten Beschlusses ein neues Modell entwerfen kann?

Lutz Lienenkämper*), Minister der Finanzen: Kollegin Düker, ich habe nicht die Prüfung mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen ein Modell begründet,

(Monika Düker [GRÜNE]: So habe ich es verstanden!)

sondern ich habe gesagt, dass es seinerzeit frei von einem Urteil des Verfassungsgerichts mehrere Modelle gab, die auf dem Tisch gewesen sind.

Danach kam das Urteil des Verfassungsgerichts, das rechtliche Anforderungen aufgestellt hat und zeitliche Vorgaben gemacht hat.

Natürlich müssen jetzt all diese Modelle anhand des später ergangenen Urteils geprüft werden. Denn als die Modelle auf den Tisch gelegt worden sind, wusste niemand um diese Vorgaben. Genau das ist das, was jetzt weiter gemacht wird und auch gemacht werden …

(Monika Düker [GRÜNE]: Alle Modelle, alle drei?)

– Die auf dem Tisch liegenden Modelle. Ich glaube nicht mehr, dass das Hamburger Modell noch ernsthaft auf dem Tisch liegt, weil Olaf Scholz sicherlich viel zu klug ist, dieses Modell eins zu eins noch einmal vorzuschlagen. Ich kann das aber nicht abschließend bewerten.

Jedenfalls werden alle Modelle, die damals auf dem Tisch lagen, also auch das Hamburger Modell, jetzt von der länderoffenen Arbeitsgruppe der Steuerabteilungsleiter überprüft, die sich damit befasst. Das ist aber nur ein Schritt auf dem Weg zur Erarbeitung eines Kompromisses.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Remmel, der seine zweite Fragemöglichkeit nutzt und damit seine Fragemöglichkeiten generell ausgeschöpft hat.

Johannes Remmel (GRÜNE): Schönen Dank. – Herr Minister, es tut mir leid; aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie sich heute hier im Parlament mit Ihrer Position kleiner präsentieren, als das Finanzministerium und die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen eigentlich sind. Sie verstecken sich ein wenig hinter der Beschlusslage oder der Initiative der Finanzministerkonferenz und hinter den Bund.

Ich kenne das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen jedenfalls lange genug, um zu wissen, dass es sich neben dem Finanzministerium in Bayern als, ich will nicht sagen, Kontrollinstanz, aber zumindest Initiativinstanz und Überprüfungsinstanz bestimmter Vorhaben auch gegenüber dem Bundesfinanzministerium verstanden hat.

Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass das Landesfinanzministerium und der Landesfinanzminister NRW nicht eigene Initiativen, eigene Prüfungen, eigene Gutachten in Auftrag geben, um den Gesetzgebungsprozess auch mit nordrhein-westfälischen Interessen gebündelt zu begleiten.

Daher lautet meine konkrete Frage: Welche eigenen Initiativen haben Sie bislang ergriffen, um beispielsweise die Verfassungsmäßigkeit von verschiedenen Modellen zu prüfen und mit Expertinnen und Experten, gegebenenfalls aus der Wissenschaft, Initiativen zu entwickeln?

(Zuruf von der CDU – Gegenruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Lutz Lienenkämper*), Minister der Finanzen: Herr Kollege, nicht immer so laut. Ich will die Frage doch auch beantworten. – Herr Kollege Remmel, Sie haben zu Recht die hohe Qualifikation und Qualität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesministeriums der Finanzen beschrieben. Diese Beschreibung teile ich ausdrücklich. Deswegen bringen wir all die vorhandenen Kompetenzen in die länderoffene Arbeitsgruppe ein.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Kutschaty von der SPD-Fraktion.

Thomas Kutschaty (SPD): Herr Minister, ich würde gerne an das anknüpfen, was Herr Kollege Remmel gerade gefragt hat. Bei allen Bedenken, die die drei Grundmodelle offensichtlich beinhalten, wie ich das bei Ihnen herausgehört habe, wüsste ich gerne, was denn Ihr Haus Ihnen empfiehlt oder rät, welches Modell denn am leichtesten umsetzbar ist oder am zweckmäßigsten ist. Oder haben Sie auch schon entsprechende Modellrechnungen vorliegen, welche Auswirkungen auf die einzelnen Kommunen sich je nach entsprechendem Modell ergeben werden?

Lutz Lienenkämper*), Minister der Finanzen: Herr Kollege Kutschaty, es ist, wie ich gerade schon ausgeführt habe, nach den politischen Ausgangssituationen davon auszugehen, dass keines der Modelle nachher in unveränderter Form beschlossen werden wird. Insofern wird es sowieso ein geändertes Modell geben. Deswegen können auch noch keine Auswirkungsbetrachtungen vorliegen, weil Sie erst die Messbeträge ermittelt haben müssen, um nachher überhaupt konkrete Rechnungen anstellen zu können. Wenn wir aber nicht wissen, wie wir sie ermitteln, können wir auch keine Berechnungen anstellen. Das ist völlig klar.

Wie gesagt, befinden wir uns in einem Prozess, in dem wir zwischen 16 Bundesländern – übrigens anders als in der Vergangenheit – jetzt wirklich eine Vereinbarung brauchen. Es ist nicht klug, dies durch erhöhte Bedingungen oder erhöhte Forderungen zu erschweren, sondern es ist klug, dass sich alle 16 Länder bereit erklärt haben – ich begrüße es, dass sie das getan haben –, ihre Positionen auf einen gemeinsamen Kompromiss hin weiterzuentwickeln.

Daran halten wir uns selbstverständlich klugerweise auch; denn nichts wäre schlimmer als der Fall, dass wir keine Lösung fänden. Es ist nämlich sehr zu bedauern, dass das, was der Bundesrat mit Mehrheit beschlossen hatte, seinerzeit beim Bundestag liegen geblieben ist. Sonst hätten wir ja schon eine Regelung, und das Verfassungsgericht hätte gar nicht urteilen müssen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Nun hat Herr Abgeordneter Mostofizadeh das Wort zu seiner zweiten und letzten Nachfrage. Bitte schön.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Danke schön. – Herr Minister der Finanzen, an den letzten Punkt würde ich gerne anknüpfen. Sie haben richtig dargestellt, dass der Bundestag letztlich die Gesetzesinitiative nicht aufgegriffen hat. Sie haben auch dargestellt, wie das zustande gekommen ist. Deswegen möchte ich da noch einmal ansetzen.

Es geht schon darum, die Interessen der Kommunen in Nordrhein-Westfalen auch gegenüber anderen möglicherweise zu wahren; denn die Motivlage sowohl von Bayern als auch von Hamburg – das will ich an dieser Stelle ziemlich deutlich sagen; es sind ja auch die unterschiedlichen Parteien, die jetzt in der Bundesregierung sind, angesprochen –, war dadurch geprägt, dass insbesondere besonders teure Immobilien geschützt werden sollten. Wir haben immer scherzeshalber gesagt: Da hat sich der Starnberger See mit der Elbchaussee vereinigt – zulasten der anderen Bundesländer, auch was den Länderfinanzausgleich betrifft.

Diese Egoismen, die ja bei Hafenwettbewerben oder Ähnlichem noch spaßig sein können, können wir uns bei der Grundsteuer deswegen nicht leisten, weil dann das eintritt, was Sie gesagt haben: Dann gibt es sie nicht mehr.

Deswegen würde ich schon ganz gerne fragen: Ist die Landesregierung bereit, heute zu erklären, dass sie für den Anteil, den die NRW-Kommunen bekommen, also 3,5 Milliarden € plus Indexierung, geradesteht und sie im Zweifel auch den Kommunen zur Verfügung stellt, wenn ein solches Modell nicht zustande kommt? Oder welche Pläne haben Sie?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh, auch für die Frage. – Nun hat der Minister die Gelegenheit zur Beantwortung.

Lutz Lienenkämper*), Minister der Finanzen: Kollege Mostofizadeh, auch für diese Frage danke ich. Wir werden als Landesregierung die drei Ziele „rechtssicher“, „fair“ und „aufkommensneutral“ weiterhin verfolgen. Das „fair“ habe ich immer mit genannt, auch in der Beantwortung der Frage. Das heißt: Wir schauen uns natürlich die Auswirkungen auf die Struktur unseres Landes an und nicht so sehr die Auswirkungen auf Hamburg oder die Gegend des Starnberger Sees. Das ist ja völlig klar.

Trotzdem muss es dann eine Kompromisslösung geben. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir eine insgesamt faire Lösung erreichen können, weil das von allen Länderkollegen übereinstimmend als Zielsetzung genannt worden ist.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Abgeordnete Düker, bitte.

Monika Düker (GRÜNE): Danke schön. – Herr Minister, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das nun genug erwähnt worden ist, stammt vom 10. April 2018. Heute haben wir den 13. Juni 2018, also zwei Monate später. Sie erzählen uns jetzt, dass es eine Arbeitsgruppe gibt.

Für NRW nehmen Sie Folgendes mit – so habe ich es mitgeschrieben –: zum einen Kompetenzen und zum anderen, dass es rechtssicher, fair und aufkommensneutral sein soll.

Ich kann daraus also schließen – das ist meine Frage –: Nordrhein-Westfalen hat kein eigenes Konzept, hat keine Haltung und vertritt keine eigene Position zu der Frage, wie es mit der Grundsteuer weitergehen soll?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister.

Lutz Lienenkämper*), Minister der Finanzen: Frau Kollegin Düker, Nordrhein-Westfalen wird sich wie die 15 anderen Länder auch gemäß der Bereiterklärung im Gespräch mit Olaf Scholz am 2. Mai 2018 auf eine Kompromisslösung zubewegen, die aufkommensneutral und fair sein soll.

(Monika Düker [GRÜNE]: Sagen Sie doch einmal, wie!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Als nächster Fragesteller hat der Abgeordnete Rüße das Wort. Bitte schön.

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Finanzminister, ich bin einigermaßen überrascht. Nordrhein-Westfalen ist ein großes Bundesland und hat an dieser Stelle natürlich auch eigene Interessen. Andere Bundesländer artikulieren ihre Interessen etwas intensiver.

Mich interessiert, ob Sie im Rahmen des Prozesses, eine eigene Position zu finden, eigentlich eigene Gutachten zur Grundsteuer in Auftrag gegeben haben und juristische Bewertungen eingeholt haben.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister.

Lutz Lienenkämper*), Minister der Finanzen: Kollege Rüße, diese Bewertung findet ja auf der Ebene der länderoffenen Arbeitsgruppe statt. Deswegen ist es nicht notwendig, dass wir eigene juristische Bewertungen in Auftrag geben. Die 16 Steuerabteilungsleiter, die nun alle wirklich über große Kompetenzen verfügen, werden am Ende eine sehr rechtssichere und sehr gute Prognose abgeben.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: So rechtssicher, dass wir das Urteil bekommen haben!)

– Das Urteil hatte ja nichts damit zu tun, dass keine Rechtssicherheit in den Vorschlägen des Bundesrates enthalten gewesen wäre, sondern damit, dass der Bundestag die Vorschläge nicht aufgegriffen hat.

Entschuldigung; jetzt habe ich eine Frage beantwortet, die durch einen Zwischenruf gestellt worden ist. Sorry!

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Vielen Dank!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Ich bin sicher, dass der Kollege Rüße keine weitere Frage stellt, sondern dass das quasi auf das Kontingent angerechnet wird. – Als Nächster hat sich für eine Fragestellung der Abgeordnete Jörg eingedrückt. Das ist aber gar nicht der Abgeordnete Jörg, sondern der Abgeordnete Wolf. Bitte schön.

Sven Wolf (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, vielleicht können Sie uns noch einmal erläutern, wie Sie bei dem ganzen Prozess der Kompromisslösung, auf die Sie sich zubewegen wollen, wie Sie uns gerade geschildert haben, die kommunalen Spitzenverbände einbinden wollen. Wie gedenken Sie, diese Interessen, die ja sehr wichtig sind, wie die Kollegen in ihren Fragen schon formuliert haben, mitzunehmen?

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte.

Lutz Lienenkämper*), Minister der Finanzen: Kollege Wolf, wir haben alle berechtigten Interessen immer im Auge.

(Sven Wolf [SPD]: Da geht aber mehr!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Fragen werden mir nicht angezeigt. – Das bleibt auch beim Blick in die Runde und aufs Display so.

Damit sind wir am Ende der Fragestunde. – Ich bedanke mich bei Herrn Minister Lienenkämper für die Beantwortung.

Ich rufe auf:

9   Willkommenskultur für gute Ideen – Initiative ergreifen für das Gründerland NRW

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2153

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Digitalisierung und Innovation
Drucksache 17/2795

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2809

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Kehrl das Wort. Bitte schön.

Oliver Kehrl (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!

„Gründer ist keine Berufsbezeichnung. Es ist die Geisteshaltung von Menschen, die die Zukunft verändern möchten.“

So sagte es Guy Kawasaki zu Recht. – In diesem Zitat liegt ein Stück der Wahrheit, was Gründen, Unternehmergeist und das damit verbundene stete Klima des Scheiterns bedeuten.

Eine Willkommenskultur, die Gründern den Einstieg in das neue Leben erleichtert, ist für den Standort Deutschland und auch gerade Nordrhein-Westfalen unerlässlich. Unternehmensgründungen tragen entscheidend zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes bei.

Unternehmensgründer bringen wichtige Innovationen voran, schaffen Arbeitsplätze und tragen zum Bruttoinlandsprodukt bei. Damit fördern Neugründungen nicht nur die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Deutschland, sondern auch unsere zukünftige internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Gründer sind Treiber der Innovation. Start-ups sind per Definition schon innovativ. Der Anteil von Marktneuheiten im Bereich Produkt liegt bei Start-ups bei ca. 84 %. Somit können Gründer im Vergleich zu klassischen Unternehmen ein Vielfaches an Wachstum und Beschäftigung entfalten.

Start-ups sind der Nährboden, aus dem sich der Mittelstand von morgen und die globalen Konzerne von übermorgen erheben. Aber: Deutsche Gründer müssen auch noch besser werden. Wir brauchen mehr Lösungen für Endverbraucher, wir müssen noch globaler denken, und wir brauchen vor allem im technologisch-service-basierten Bereich mehr Start-ups und erfolgreichere Start-ups.

Die erste Phase in Nordrhein-Westfalen und auch in Deutschland scheint ganz gut finanziert. In Wachstumsphasen fehlt oft Geld. Hierzu gibt es steuerliche Abschreibungsverbesserungsmöglichkeiten für Venturecapital. Das wird in Berlin gerade diskutiert. Wir wollen die Möglichkeit für Pensionsfonds und Versicherungen verbessern, stärker in Wagniskapital zu investieren.

Das deutsche Start-up-Ökosystem braucht gut ausgebildete IT-Spezialisten, um weiter wachsen und im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Es gibt Schwierigkeiten bei der Neueinstellung ausländischer Mitarbeiter, insbesondere aufgrund von bürokratischen Hürden.

Dies wollen und müssen wir ändern. Die Nordrhein-Westfalen-Koalition will neue Unternehmen und Start-ups für unser Land zur Entwicklung neuer Ideen begeistern, sie mit befördernden Rahmenbedingungen willkommen heißen und von und mit ihren Erfahrungen lernen.

Als Träger und Motor von Innovation sind Start-ups ein zunehmend wichtiger Wirtschaftszweig. Ziel muss es auch sein, zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen, welche Rahmenbedingungen für eine neue Gründerzeit in Nordrhein-Westfalen zu gestalten sind.

Sicher ist: Die Bürokratie muss abgebaut werden, und die Finanzierungsmöglichkeiten müssen ausgebaut werden. Erste Maßnahmen hierzu haben die Regierung und die sie tragenden Fraktionen bereits eingeleitet. Die elektronische Gewerbeanmeldung ist mit dem Entfesselungspaket I auf den Weg gebracht worden. Im Entfesselungspaket II wird nun über die Beantragung hinaus auch die Erteilung der Steuernummer über das Onlineportal ELSTER beschleunigt.

Über ELSTER gibt es demnächst auch die Möglichkeit, den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung für alle Gründer online auszufüllen. Das gilt inzwischen ebenso für die Beantragung der Umsatzsteuer-Identnummer. Das ELSTER-Portal ist damit ein weiter Meilenstein bei der Beschleunigung unserer Verbesserungen des Gründungsprozesses.

Diese Angebote werden jetzt durch dieses STARTERCENTER NRW und Digital Hubs im Rahmen der Gründungsunterstützung landesweit bekannt gemacht, angewandt und beworben.

Einer der Hauptkernpunkte unserer Politik im Digitalministerium ist das Gründer-Stipendium. Dieses Gründer-Stipendium soll Gründerinnen und Gründern in der Pre-Seed- und Seed-Phase mit jeweils 1.000 € monatlich unterstützen und ihnen damit die Möglichkeit geben, ihre Ideen auszuarbeiten und ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Das Stipendium soll ihnen die kreative Ruhe und die finanzielle Unabhängigkeit geben, eine Firma zu gründen.

Ja, liebe SPD und liebe Grünen, das Gründer-Stipendium kommt im Sommer. – Das ist in unseren Ausschüssen ein Running Gag. – Die Stipendien werden dezentral und unbürokratisch erfolgen, ausgegeben und verteilt. Und ja, auch an Nachhaltigkeit orientierte Start-ups werden mit Sicherheit unter die Kriterien fallen, wie in Ihrem Änderungsantrag angefragt.

Dazu hat die Landesregierung über die NRW.BANK Venturecapital-Engagement erheblich ausgeweitet. Wir haben zusätzliche Mittel von über 214 Millionen € bei Tech-Start-ups in die Planung der NRW.BANK eingestellt. Mit Herrn Velling haben wir einen neuen Mann im Ministerium, der eine hohe Expertise aus dem Bund mitbringt, was Gründungen angeht, um auch hier unbürokratischer und erreichbarer für Gründer zu werden.

Zusätzlich haben wir heute – das haben Sie sicher gelesen – als Landesregierung einen NRW-Gründer-preis in Höhe von 60.000 € ausgelobt.

Nordrhein-Westfalen bietet alles: große Städte als lebenswerte Biotope für Gründer, Möglichkeiten für Start-ups, Hochschulen, RWTH Aachen usw. Wir haben zwischen Rhein/Ruhr und Westfalen eigentlich das perfekte Ökosystem für Start-ups und Gründer.

Wir brauchen aber noch mehr Gründer und Ideen von außerhalb von Nordrhein-Westfalen, die wir hier für Nordrhein-Westfalen anwerben möchten.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Wir brauchen eine größere kritische Masse an Gründungen.

Wir werden natürlich auch weiterhin die Digitalen Hubs weiterentwickeln. Hier müssen wir das Matchmaking allerdings noch verbessern. Das sind lauter Spezialthemen; darüber können wir später sprechen.

Existenzgründer sorgen für lebendigen Mittelstand und neue Jobs. Sie sind uns besonders willkommen. Wir brauchen gerade jetzt, auch in Zeiten robuster Arbeitsmärkte, eine neue Gründungskultur und ‑offensive. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Kehrl. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Kampmann das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Christina Kampmann (SPD): Vielen Dank! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Minister Laumann! Eine Willkommenskultur für gute Ideen zu schaffen, klingt erst einmal so, als könne eine Opposition dagegen gar nichts haben. Schaut man sich den Antrag dann etwas genauer an – das werden Sie sicher getan haben, Herr Laumann –, sieht man aber: An der einen oder anderen Stelle ist doch noch einiges nachzubessern.

Beim Thema „Forschung“ sind wir uns, glaube ich, einig. Die Forschungsbemühungen im Start-up-Bereich müssen unbedingt verstärkt werden.

Wir sind uns auch einig, wenn es darum geht, dass ein besserer Zugang zu Wagniskapital geschaffen werden muss. Ich frage mich allerdings, wie Sie das auch ganz konkret umsetzen wollen. Wenn Sie davon sprechen, dass die steuerlichen und die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert werden wollen, frage ich mich nämlich: Wie soll das denn ganz konkret in die politische Praxis umgesetzt werden?

Wenn wir in den Koalitionsvertrag auf Bundesebene schauen, finden wir darin Antworten, die Sie in diesem Antrag an keiner Stelle liefern. Zum Beispiel findet man, was die steuerlichen Rahmenbedingungen angeht, zum Beispiel eine Antwort dahin gehend, dass Start-ups in den ersten zwei Jahren von der Umsatzsteuer befreit werden sollen.

Was rechtliche Anreize angeht, sollen Anreize für Investoren geschaffen werden, sowohl für private als auch für institutionelle, damit sie insgesamt mehr und in höheren Summen in Start-ups investieren.

Ich finde, das sind schon einmal gute Angebote. Auf diesen sollten wir aufbauen.

Bei Ihnen kritisiere ich, dass Sie zwar die richtigen Forderungen in den Raum stellen, dass in Ihrem Antrag aber nichts dazu steht, wie das auch ganz konkret umgesetzt werden soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen wir uns einfach einmal an, was inzwischen schon passiert ist. Sie sind ja jetzt seit gut einem Jahr an der Regierung. Es wurde gerade schon die elektronische Gewerbeanmeldung erwähnt. Sie ist ein Schritt in die richtige Richtung. Was mir da aber fehlt, ist Folgendes: Wo ist das Gesamtkonzept dahinter?

Wir haben inzwischen einige gute Einzelmaßnahmen. Wenn Sie aber eine wirkliche Trendwende, eine wirkliche Willkommenskultur für Start-ups schaffen wollen, brauchen Sie auch eine Konzeption dahinter. Dann nützt es eben nichts, wenn Sie eine Maßnahme nach der anderen ankündigen. Auf die Umsetzung muss man an vielen Stellen nämlich noch warten.

Dazu gehört auch das Gründerstipendium. Man könnte meinen, es sei ein guter Anfang. Aber eine Obergrenze für gute Ideen? Ich bitte Sie! So etwas gibt es noch nicht einmal in Bayern.

Das kann nicht mehr als ein Anfang sein. Wir brauchen strukturelle Hilfen und strukturelle Unterstützung für Gründerinnen und Gründer, nämlich für ihren Lebensunterhalt, wenn Sie es wirklich ernst damit meinen, dass Gründungen unabhängig vom Einkommen der Eltern erfolgen sollen.

Herr Laumann, ich mache Ihnen dazu einen Vorschlag, weil es in Ihrem Bereich liegt. Vielleicht können Sie gleich etwas dazu sagen. Wenn man heute als Gründerin oder Gründer zur Bundesagentur für Arbeit geht, bekommt man den Gründungszuschuss nur dann, wenn man anders nicht vermittelbar ist. So können wir in Nordrhein-Westfalen aber keine Gründerkultur schaffen. Ich möchte Sie bitten, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass tatsächlich eine strukturelle Unterstützung stattfinden kann.

Komplett fehlen – und da scheint die CDU schon mehr zu wissen als die SPD – eine Unterstützung für das Thema „Social Entrepreneurship“, eine ganz konkrete Unterstützung für Gründerinnen – denn Frauen sind im Start-up-Bereich immer noch unterrepräsentiert – und eine Unterstützung für ältere Gründerinnen und Gründer, die oft über sehr viel Fachwissen in ihrem Bereich verfügen, das sie gern in konkrete Ideen umwandeln würden. Häufig fehlt Letzteren aber die Unterstützung der Politik.

Ihr Antrag enthält viele leere Worthülsen und viele Floskeln. Es fehlt aber vor allem eine konkrete Idee dazu, wie eine Willkommenskultur tatsächlich geschaffen werden kann. Es fehlen konkrete Umsetzungsschritte.

Wir können daher mit Ihrem Antrag leider nichts anfangen. Wer von anderen Innovation fordert, sollte auch selbst eine innovative Wirtschaftspolitik machen. Da hätte ich mir von CDU und FDP, ehrlich gesagt, wesentlich mehr gewünscht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Kampmann. – Für die Fraktion der FDP hat nun Herr Kollege Rainer Matheisen das Wort. Bitte schön, Herr Matheisen.

Rainer Matheisen (FDP): Herzlichen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kampmann, ich spreche Sie einmal direkt an. Es ist natürlich richtig, dass die Opposition kritisieren muss. Sie sollten aber vielleicht auch ein wenig das im Blick behalten, was man in der Vergangenheit in der Regierung getan hat.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie haben gerade von einer Trendwende gesprochen. – Eine Trendwende ist ja wohl dann nötig, wenn in der Vergangenheit zu wenig passiert ist, wenn man sozusagen der lahme Kahn in Deutschland war und jetzt zum Schnellboot werden möchte.

(Beifall von Bodo Löttgen [CDU])

Das werden wir gerade. Die Zahl der Gründungen geht bundesweit zurück. In NRW gibt es aber einen Zuwachs von 4 %. Es gibt hier einen neuen Gründergeist. Wir sind auf einem richtig guten Weg dazu, das Gründerland Nummer eins zu werden. Wir haben innerhalb kürzester Zeit das Ruder herumgerissen. Deshalb kann ich überhaupt nicht verstehen, woher Ihre Kritik kommt. Sie war jetzt auch nicht sonderlich substanziell.

Der Antrag geht auf entscheidende Punkte wie beispielsweise das von Ihnen schon angesprochene Venturecapital ein, also das Wagniskapital, das gerade in den Fällen notwendig ist, in denen jemand eine neue Idee entwickelt, und zwar etwas Revolutionäres, von dem man immer sagt, dass so etwas nur im Silicon Valley entwickelt wird.

Warum wird es denn im Moment noch im Silicon Valley entwickelt? Weil es dort andere steuerliche Voraussetzungen gibt. Dort sagt man: Wenn jemand etwas wagt, geht ein Unternehmen auch schon mal pleite. – Dort kann man diesen Verlust aber auch abschreiben. Das geht in diesem Maße in Deutschland im Moment nicht. Genau das wollen wir verändern. Genau dafür werden wir uns einsetzen.

(Beifall von der FDP und Bodo Löttgen [CDU])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Matheisen, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Frau Kollegin Kampmann hat sich zu einer Zwischenfrage gemeldet.

Rainer Matheisen (FDP): Sehr gerne.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Christina Kampmann (SPD): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Wenn Sie sagen, dass wir zu wenig getan haben, frage ich mich, warum sowohl die FDP als auch Ihr Vorredner von der CDU sich immer wieder auf die Hubs berufen, die wir in unserer Regierungszeit geschaffen haben.

Was mich aber ganz konkret interessiert, ist Folgendes: Sie haben das Thema „Wagniskapital“ eben noch einmal angesprochen. Welche steuerlichen Rahmenbedingungen wollen Sie nun tatsächlich verändern, um einen besseren Zugang zu mehr Wagniskapital zu eröffnen?

Rainer Matheisen (FDP): Zum einen: Ich habe mich in erster Linie auf Ihre Anmerkungen zur Trendumkehr bezogen. Die Digi-Hubs leisten eine gute Arbeit. Herzlichen Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – das kann man im Namen aller sagen, denke ich –, die sich dort Tag für Tag für Gründerinnen und Gründer engagieren!

Das war aber nur eine Maßnahme. Wir haben jetzt ein ganzes Bündel an Maßnahmen auf den Weg gebracht, mit denen wir in der Tat eine Trendwende geschafft haben. Sie sehen das nicht so. Die Zahlen und die steuerlichen Rahmenbedingungen sprechen aber eine andere Sprache.

(Inge Blask [SPD]: Und die Steuer?)

– Wie gesagt: Es geht um bessere steuerliche Absetzbarkeit von Wagniskapital, wenn es denn verloren geht. Das ist genau das Thema. Wenn man in zehn Unternehmen investiert und acht davon pleitegehen, zwei aber das neue Google und das neue Facebook werden, hat man zwar bei acht Unternehmen einen Verlust gemacht, aber bei zwei Unternehmen einen super Ertrag.

(Sven Wolf [SPD]: Von Steuerrecht habt ihr auch keine Ahnung!)

Das muss man entsprechend steuerlich verrechnen können. Das ist ganz klar.

Insofern gilt: Wenn wir hier etwas gewinnen wollen, dann müssen wir auch etwas wagen. Das ist zumindest die Haltung der Freien Demokraten und dieser NRW-Koalition.

Zum Gründer-Stipendium: Sie haben gerade gesagt, dass man das dann für den Bund machen müsste. Ich bin auch der Meinung, dass man es für den Bund machen müsste. Die SPD ist Teil der Bundesregierung. Insofern können Sie dort gern beginnen.

Wir haben aber gesagt: Wir werden nicht lange darüber reden. Wir werden nicht einfach nur von Nordrhein-Westfalen aus eine Bundesratsinitiative machen. Vielmehr packen wir es an.

Wir werden ab diesem Jahr 1.000 Gründerinnen und Gründer für jeweils zwölf Monate mit einem Betrag von 1.000 € pro Monat unterstützen. Das tun wir nicht, um die Geschäftsidee zu finanzieren, sondern, damit jeder und jede unabhängig vom sozialen Hintergrund, unabhängig davon, ob er oder sie reiche Eltern hat, oder davon, ob er oder sie vorher schon Geld verdient hat, eine gute Idee umsetzen kann, ohne hungern zu müssen und die Miete nicht bezahlen zu können. Das ist das Ziel dieses Gründer-Stipendiums.

Ich komme aktuell viel im Land herum und spreche mit vielen Start-ups und Gründern. Die Leute sind von dieser Idee begeistert. An die SPD gerichtet, kann ich da nur sagen: Das ist eine gute Idee; sprechen Sie in der Bundesregierung mit Ihren Kolleginnen und Kollegen.

Wir machen es hier in Nordrhein-Westfalen einfach. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist. Wir stehen für einen unkomplizierten Staat. Die elektronische Gewerbeanmeldung und die vereinfachte Vergabe der Steuernummer sind eben schon als Beispiele genannt worden. Da war die Situation bisher teilweise so, dass Unternehmen vier Monate lang warten mussten.

Das heißt, man hat ein Unternehmen gegründet, hat eine Dienstleistung erbracht und konnte vier Monate lang keine Rechnung schreiben. Das ist natürlich ein No-Go. Das ist völlig unmöglich. Das verändern wir jetzt. Die Steuernummer kommt in Zukunft sofort.

Wir wollen noch weiter schauen, wo den Gründerinnen und Gründern der Schuh drückt. Ohne bürokratische Verfahren, einfach auf der Basis der Daten, die ohnehin von verschiedenen Instituten erhoben werden, werden wir die Gründerforschung intensivieren. Das haben wir auch in diesem Antrag drin, dass wir intensiver hinschauen wollen, was eben für Gründerinnen und Gründer bürokratische Hürden sind und wie wir diese abbauen können.

Wir haben in diesem Antrag zentrale Punkte untergebracht, um die Landesregierung, die dort mit einem enormen Elan vorangeht, zu unterstützen.

Deswegen möchte ich Sie auch um Unterstützung für unseren Antrag bitten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Matheisen. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Brems das Wort. Bitte schön.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt viel Positives über Start-ups gehört. Ich glaube, an diesen Stellen sind wir uns auch sehr breit einig. Für uns sind es eben gerade Start-ups, die häufig eine hohe Sensibilität für aktuelle gesellschaftliche, ökologische und ökonomische Herausforderungen haben.

Durch ihre Organisationsform und ihre agilen Methoden sind sie in der Lage, schnell passgenaue, innovative, digitale Lösungen zu entwickeln, die die Märkte wirklich verändern können. Gleichzeitig tragen Start-ups über Kooperationen zur Digitalisierung mittelständischer Unternehmen bei.

Ich glaube, bis hierhin sind wir uns so weit einig. Aber dann kommen wir zu dem Punkt, an dem wir aus unserer Sicht einen grundlegenden Fehler bei Ihnen sehen, bei Schwarz-Gelb, nämlich Start-ups alleine auf ihre wirtschaftliche Skalierbarkeit oder Messbarkeit zu reduzieren. Start-ups dürfen nicht allein als Renditeobjekte gesehen werden, denn damit werden wichtige und auch gute Ideen ausgeschlossen.

Wir Grüne wollen die Ideen und die Teams, die dahinterstecken, in den Vordergrund der Start-up-Politik in Nordrhein-Westfalen rücken. Ideen sind so vielfältig wie die Menschen in unserem Land. Wir müssen in Zukunft also stärker in Ideen und Gründer-teams investieren als in Renditechancen.

Die schwarz-gelbe Entfesselungsrhetorik ist noch lange keine Start-up-Strategie, und die Begrüßung und die Prüfaufträge, die wir in diesem Antrag hier sehen, erst recht nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie eine solche Strategie suchen, dann schauen Sie doch einfach auch mal in unsere Grüne Agenda für mehr Innovation und Gründergeist in Nordrhein-Westfalen, die mein Kollege Matthi Bolte entwickelt hat. So geht eben Welt-bewegen. Er hat dafür sehr viele positive Rückmeldungen von Start-ups aus ganz Nordrhein-Westfalen erhalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber nun zum Gründerstipendium: Das ist schließlich neben all den Nebelkerzen, die es in den Ausschussdebatten gegeben hat, das einzig Konkrete in Ihrem Antrag. Das muss man ganz klar sagen. Die Landesregierung plant, mit einem Gründerstipendium 1.000 Gründerinnen und Gründer in der Pre-Seed- und Seed-Phase mit 1.000 € im Monat für ein Jahr zu unterstützen.

Das Ziel ist ja ehrenwert, junge und innovative Unternehmen in der Gründung zu fördern. Gründerinnen und Gründern soll mehr Freiraum ermöglicht werden, sich vollumfänglich auf die Entwicklung einer Idee zu einem Geschäftsmodell konzentrieren zu können.

Aus unserer Sicht muss ein solches Stipendium aber richtig gemacht werden, wenn es – wie allseits erhofft – wirklich innovative Start-ups erreichen soll. Nach den bisher vorliegenden Informationen ist dieser Gründungsbegriff für Sie so weit gefasst, dass die Gefahr von Doppelförderungen besteht.

Hier muss die Landesregierung aus unserer Sicht dringend nachschärfen und dafür Sorge tragen, dass ein Start-up-Stipendium auch tatsächlich Start-ups zugutekommt und nicht ein Instrument der allgemeinen Existenzgründungsförderung wird. Die Vergabe von Stipendien muss in einem transparenten und offenen Verfahren erfolgen.

Richtig wäre es dann auch, an dieser künstlichen Obergrenze von 1.000 Förderungen nicht weiter festzuhalten, denn das ist einfach nicht zielführend. In Nordrhein-Westfalen gibt es mehr gute und förderungsfähige Ideen. Was ist mit der tausendundersten guten Idee?

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

In einer Zeit sprudelnder Steuereinnahmen muss die Landesregierung Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts NRW tätigen.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie haben doch null gemacht! Null!)

Diese Punkte nennen wir in unserem Entschließungsantrag und sagen dann auch klar, was Sie darüber hinaus noch besser machen müssten. Erkennen Sie einfach an, dass Start-ups ein wesentlicher Baustein für die ökologische, industrielle und soziale Modernisierung des Wirtschaftsstandorts NRW sind! Fördern Sie eben auch soziale und nachhaltige Start-ups,

(Ralf Witzel [FDP]: Sie haben doch nichts gemacht! Nichts!)

die nicht skalierbar sind. Diese Start-ups haben es in der bisherigen Förderlandschaft schwer genug.

Das Wichtigste ist: Stellen Sie sicher, dass mit dem Gründerstipendium, das alle Start-up-Stipendien verstehen, auch tatsächlich Start-ups gefördert werden. Sie haben die Bedarfe geweckt, und dann stehen Sie auch in der Verantwortung, dass Start-ups von diesem Programm profitieren. Start-ups brauchen mehr als Entfesselungsrhetorik. Start-ups brauchen mehr als Ideologie.

(Ralf Witzel [FDP]: Was haben Sie denn gemacht? – Gegenruf von Sven Wolf [SPD]: Herr Witzel, es wird doch nicht besser!)

Start-ups brauchen konkrete Unterstützung. Wenn Sie es richtig machen, dann kann Ihr Gründerstipendium – so viel gestehen wir Ihnen natürlich zu – vielleicht ein Baustein sein, aber eine wirkliche Agenda, NRW zum Gründerland NRW zu machen, fehlt einfach immer noch. Daran sollten Sie dringend etwas ändern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Brems. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Tritschler das Wort. Bitte schön.

Sven Werner Tritschler (AfD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schaut man sich die Vergleichszahlen im Bund an, dann sieht NRW in der Tat ziemlich alt aus. Nach einer Erhebung im Deutschen Startup Monitor von 2017 stellen Gründer in NRW ihrer Landesregierung eine besonders schlechte Note aus. Nur zwei Länder schneiden schlechter ab.

Ernst & Young hat im letzten Jahr ermittelt, dass NRW beim Investitionsvolumen mit 96 Millionen € abgeschlagen hinter Berlin, Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg und sogar Thüringen landet.

Was aber sind die wichtigsten Wünsche und Anliegen von Gründern an die Politik? – Eine Befragung im Rahmen des Start-up Monitors ergab: Der mit Abstand wichtigste Wunsch ist der Abbau regulatorischer und bürokratischer Hürden. Auf Platz zwei landete der Abbau der Steuer- und Abgabenlast. Und erst danach kam die Frage nach Hilfen bei der Kapitalbeschaffung.

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, bohrt Ihr Antrag ausgesprochen dünne Bretter. Aber wenn man nur einen Hammer hat, dann sieht eben jedes Problem wie ein Nagel aus. Ein paar salbungsvolle Worte hier und da, ein bisschen Fördergeld – damit wird NRW sicher nicht zum Gründerland Nummer eins, wie Herr Minister Pinkwart es ständig als Ziel ausgibt.

Wenn Sie diesen Antrag im Juni 2017 gestellt hätten, dann wäre das vielleicht noch in Ordnung gewesen. Aber 2018, nach einem Jahr Regierungszeit, da muss schon ein bisschen mehr Butter bei die Fische! Weil aber auch ein Trippelschritt ein Schritt in die richtige Richtung ist, werden wir Ihrem Antrag gleichwohl zustimmen.

Noch ein Wort zum Antrag der Grünen, der vor planwirtschaftlicher Ideologie nur so trieft. Nachhaltig, sozial, ökologisch – so sollen die Start-ups sein. Wirtschaftliche Tragfähigkeit spielt bei der Vergabe von Fördermitteln nur eine untergeordnete Rolle. Selbstverständlich werden wir einem solchen sozialistischen Humbug nicht zustimmen.

NRW braucht spürbare Impulse, um national wie international nicht abgehängt zu werden und um nicht vom einstigen Wachstumsmotor der Republik zum Bremsklotz zu werden. Ich sehe hier aber leider nur blinde Hühner, die nicht einmal besonders viel Glück beim Finden von Körnern haben. Das ganze Land wird das in ein paar Jahren bezahlen müssen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tritschler. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann in Vertretung für Herrn Minister Professor Pinkwart das Wort. Bitte schön, Herr Minister Laumann.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ja schön, dass man in einer Debatte im Landtag Nordrhein-Westfalen bei jeder Fraktion zumindest den Eindruck hat, dass wir uns in einem Punkt einig sind:

Der Hauptschlüssel für die weitere Stärkung Nordrhein-Westfalens liegt in neuen Ideen und neuen Erfindungen als Voraussetzung für Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit. Wir alle spüren, dass das in einer digitalisierten Welt, in der alles noch stärker umkämpft ist, eine noch größere Rolle spielt.

Es ist natürlich ganz wichtig, dass die Politik Gründerinnen und Gründer unterstützt, weil natürlich die Gründergeneration immer diejenige ist, die mit neuen Ideen, Fleiß und einer hohen Kreativität ihre Ideen in Produkte und Dienstleistungen umsetzt, wodurch in einer Volkswirtschaft ein Innovationsschub erreicht wird. Deswegen ist es eine kluge Politik, Gründerinnen und Gründer zu unterstützen. Und da wir eine kluge Politik machen, machen wir das auch.

Es ist erst einmal wichtig, dass es in einem Land überhaupt eine Gründerkultur gibt und dass wir das Wissen der Gründer aufnehmen und politisch umsetzen. Weiterhin sind natürlich Entfesselung von unnötigen Regelungen für einen modernen und unkomplizierten Start, ein zügiger Ausbau zeitgemäßer digitaler Infrastruktur in unserem Land und ein dichtes Beratungsnetz von Stadtteilzentren und Innovationslabor ganz wichtig.

Es ist gut, dass es in diesem Bereich finanzielle Förderangebote wie etwa das Programm Hochschul-Start-up.NRW und das Förderprogramm der NRW.BANK gibt und dass wir in Nordrhein-Westfalen ab Sommer dieses Jahres mit dem Gründerstipendium einen neuen Meilenstein setzen.

Fest steht, dass die neue Landesregierung dem Thema „Gründungen“ einen neuen Stellenwert beigemessen und durch ihre Schwerpunktsetzung auf Digitalisierung und Innovation eine neue Gründerzeit in Nordrhein-Westfalen entfacht hat. Das belegt auch die aktuelle Initiative des Bundesverbands Deutsche Startups e.V., der Nordrhein-Westfalen nach Berlin als eines seiner Schwerpunktländer ausgewählt hat.

Wir stärken die Arbeit unserer STARTERCENTER und bauen das Netzwerk von Plattformen der digitalen Wirtschaft und Innovationslabore sowie zusätzliche Exzellenzzentren für Innovationen und Gründungen an den Hochschulen aus. Wir führen das Fach „Wirtschaft“ an unseren Schulen ein, um den jungen Menschen zu vermitteln, welche spannende Rolle das Unternehmertum in unserer sozialen Marktwirtschaft hat.

Fortschritte konnten ebenfalls durch die in den letzten Monaten verabschiedeten Entfesselungsmaßnahmen erzielt werden, auf die junge Unternehmer in Nordrhein-Westfalen, aber auch bundesweit zum Teil seit Jahren gewartet haben.

Von der elektronischen Gewerbeanmeldung über die neue, schnelle Erteilung einer Steuernummer bis hin zur Erleichterung bei der Wahl neuer Formen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung bei jungen Unternehmen helfen wir Gründerinnen und Gründern auf ihrem Weg zur Verwirklichung eigener Ideen und bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Diese Bemühungen setzen wir fort.

Ein flächendeckender Gigabit-Ausbau, die Profilierung der digitalen Wirtschaft und gezielte finanzielle Förderungen sind darüber hinaus weitere grundlegende Impulse, um Nordrhein-Westfalen zur ersten Adresse für Gründerinnen und Gründer in Deutschland zu machen. Hierzu zählt – das habe ich eben schon einmal ausgeführt – vor allem auch die Idee des Gründerstipendiums.

Aber es ist natürlich auch wichtig, dass es in einem Land wie Nordrhein-Westfalen auch für Gründerinnen und Gründer Wagniskapital gibt. Im Hinblick darauf ist die Situation in Nordrhein-Westfalen schlimm. Im letzten Jahr gab es in Nordrhein-Westfalen Investitionen von Wagniskapital lediglich in Höhe von 96 Millionen €; in Berlin waren es dagegen 3 Milliarden €. Wir müssen einmal überlegen, woran das liegt.

Das hat auch damit zu tun, dass Nordrhein-Westfalen bei der Entwicklung der digitalen Wirtschaft erst in den vergangenen beiden Jahren nennenswerte Anstrengungen unternommen hat, während die Entwicklung vorher schlichtweg verschlafen worden ist.

Man kann es auch deutlicher sagen: Im letzten Regierungsjahr hat Rot-Grün ohne Frage Akzente gesetzt. Aber in all den Jahren zuvor hat man an dem Thema nicht gearbeitet, und deswegen liegt in dieser Hinsicht eine große Aufholjagd vor uns.

(Beifall von der CDU)

Mir scheint auch wichtig zu sein, dass bekannt wird, was unsere Hochschulen alles anbieten. Wir müssen das stärker nutzen, um damit auch die Gründer in Nordrhein-Westfalen zu fördern.

Sie sehen, dass wir als Landesregierung viele Anstrengungen unternehmen, um Nordrhein-Westfalen auch in diesem Bereich nach vorne zu bringen. Wir finden, dass der Antrag der Regierungsfraktionen ein klares Zeichen ist, dass sie diese Politik unterstützen. Dafür will ich mich im Namen der Landesregierung bedanken. Wir begrüßen den Antrag von CDU und FDP zu diesem Thema. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weise darauf hin, dass die Landesregierung ihre Redezeit um eine Minute und zwei Sekunden überzogen hat. Ich frage, ob es vor diesem Hintergrund noch weitere Wortmeldungen gibt. – Das ist nicht der Fall.

Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/2153. Der Ausschuss für Digitalisierung und Innovation empfiehlt in Drucksache 17/2795, den Antrag unverändert anzunehmen, sodass wir zur Abstimmung über den Antrag selbst kommen und eben nicht über die Beschlussempfehlung.

Ich darf fragen, wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP, der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Keine Enthaltungen. Dann ist der Antrag Drucksache 17/2153 mit dem gerade festgestellten Abstimmungsverhalten der Fraktionen angenommen.

Ich lasse weiter abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2809. Ich darf auch hier fragen, wer dem Inhalt des Entschließungsantrags zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP, der Fraktion der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/2809  abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit können wir den Tagesordnungspunkt 9 verlassen. Ich rufe auf Tagesordnungspunkt

10 Land muss Mittel aus aktueller EU-Förder-periode vollends ausschöpfen!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2755

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2820

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD dem Abgeordneten Rüdiger Weiß das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Rüdiger Weiß (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen sicher nicht darüber streiten, ob die EU-Fördermittel aus den Struktur- und Investitionsfonds und ganz besonders aus dem EFRE und dem ESF einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung NRW leisten.

Die Menschen in NRW profitieren enorm von diesen Förderungen. Deshalb hat es für uns einen besonders hohen Stellenwert, dass diese Fördermittel bei den Menschen auch ankommen.

In der Debatte zur Zukunft der Strukturförderung hat sich die Landesregierung bisher sehr defensiv verhalten, um es einmal so auszudrücken. Es blieben einige Gelegenheiten ungenutzt, sich öffentlich für eine Stärkung der EU-Regionalfördermittel einzusetzen. Von daher darf man sich im Nachgang nicht wundern, dass Kohäsionsmittel um 10 % gekürzt werden, wenn große und einflussreiche Akteure wie das Land NRW sich nicht öffentlich für eine Stärkung der Förderprogramme einsetzen.

Hier und heute geht es um eine andere Seite desselben Phänomens. Die Fördermittel aus der aktuellen Förderperiode werden teilweise nicht ausgeschöpft, obwohl es an Bedarf und Interesse seitens der Menschen in NRW absolut nicht mangelt. Dass die Verteilung von EU-Fördermitteln mitunter eine knifflige Angelegenheit sein kann, das wissen wir aus unserer eigenen Regierungsverantwortung der vergangenen Jahre.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass wir die Komplexität der Lage durchaus verstehen und deshalb auch keine Schnellschüsse, keine Ad-hoc-Lösungen fordern und erwarten. Vielmehr geht es um den grundsätzlichen Umgang mit diesem Thema.

Um einem drohenden Mittelverfall entgegenzuwirken, brauchen wir Folgendes: Kontinuität, Sensibilität und Transparenz. – Was wir also fordern und erwarten, ist, dass die Landesregierung den Abfluss der Fördermittel nicht durch unnötige und obendrein unsoziale Verschiebungen von Prioritäten zusätzlich erschwert.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Was wir fordern und erwarten, ist, dass die Landesregierung dem drohenden Mittelverfall von Fördergeldern entgegenwirkt. Sie muss Maßnahmen ergreifen, damit die Zahl der Bewilligungen deutlich gesteigert werden kann.

Was wir fordern und erwarten, ist, dass die Landesregierung Planungssicherheit schafft, indem sie die von ihr anvisierten Ziele und Maßnahmen offenlegt und wichtige Informationen nicht nur tröpfchenweise nach außen sickern lässt.

Am Beispiel der Produktionsschulen kann man sehr gut nachzeichnen, dass bisher weder Kontinuität noch Transparenz und erst recht nicht Sensibilität zu den Leitsätzen der Landesregierung zu zählen sind. Herr Minister Laumann möchte dieses ESF-geförderte und in NRW vielgelobte Projekt noch in diesem Jahr abschaffen und durch die Wiedereinführung seines Werkstattjahres ersetzen.

Natürlich kann man das so machen, und es bleibt selbstverständlich jeder neuen Landesregierung unbenommen, neue Wege zu gehen. Kontinuität – das muss man sich dann aber vorhalten lassen – sieht eben anders aus.

(Christian Dahm [SPD]: So ist das!)

Welche Evaluierung dieser Entscheidung, Produktionsschulen abzuschaffen, zugrunde liegt und was im Detail daraus folgen soll, das erfahren wir, wenn überhaupt, nur Stück für Stück. Von einer Transparenzoffensive kann also auch hier keine Rede sein.

Dass mit dieser Entscheidung in NRW nicht nur Ausbildungsbetriebe und soziale Einrichtungen, sondern wohl auch Hunderte junger Erwachsener zwischen 19 und 25 Jahren hängengelassen werden, das ist nicht nur unsensibel, meine Damen und Herren, das ist auch unsozial.

Wir wissen, wie gesagt, aus eigener Erfahrung, dass sich die Ausschüttung und Verteilung von Fördermitteln mitunter als sehr herausfordernd gestaltet. Das liegt unter anderem an dem komplizierten Antragsverfahren und an der teilweise schwierigen Eigenmittelerbringung.

Die Hürden für eine erfolgreiche Bewerbung werden aber ganz sicher nicht dadurch sinken, dass zusätzlich zu diesen strukturell bedingten Herausforderungen Mittel in Höhe von 110 Millionen € von einem Topf in den nächsten – hier von der sogenannten Prioritätsachse B in die Achse A – verschoben werden. Im Gegenteil, die Unsicherheit wächst dadurch sowohl bei den aktuell als auch bei den zukünftig Begünstigten.

Sie haben, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, kurzfristig einen Entschließungsantrag eingebracht. Dazu möchte ich noch eine Bemerkung machen. Sich für Bürokratieabbau einzusetzen, ist gut; keine Frage. Gespräche mit relevanten Akteuren fortzuführen, ist auch gut, aber es ist eben nicht genug.

Damit die Menschen von den Fördermitteln profitieren können, muss man auf die Kommunen zugehen, den Antragstellenden Planungssicherheit verschaffen und die zwischengeschalteten Stellen dabei unterstützen, den großen Verwaltungsaufwand – und er ist sehr groß – zu bewältigen. Das alles muss transparent und in enger Absprache mit den Begünstigten geschehen.

Ihr Entschließungsantrag bleibt zu sehr im Ungefähren und verpasst es, ein starkes Signal an die Kommunen zu senden. Genau das ist aber nötig, und genau das wollen wir mit unserem Antrag erwirken. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Als nächster Redner erhält für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Dr. Bergmann das Wort. Bitte.

Dr. Günther Bergmann (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Schön, dass wir wieder einmal über Europa sprechen; schön, dass wir auch über die Fonds sprechen.

Es ist gerade gesagt worden: Es ist völlig unstrittig, dass der ESI – egal ob EFRE, ESF oder ELER – ein wichtiges Element für unser Bundesland ist. Ich möchte den Fokus auf EFRE richten, weil Herr Weiß gerade der Versuchung erlegen war, einige Dinge zu vermischen.

Wir im Begleitausschuss haben bei EFRE nicht nur die laufende Förderperiode von 2014 bis 2020, sondern natürlich auch schon die MFR-Periode 2021 bis 2027 im Auge. Beide Förderperioden sollten wir hier betrachten.

Den Mittelabruf müssen wir intensivieren. Das ist auch Ziel des Koalitionsvertrages. Wir wollen die Ziele des Koalitionsvertrages bei der Abrufung der Mittel gespiegelt wissen. Das ist ein legitimes politisches Ziel.

Wir müssen jetzt die Kräfte bündeln und wollen trotz Brexit – das wurde gerade leicht unter den Teppich gekehrt –, der natürlich immense Folgen für die Volumina der Zukunft haben wird, für Nordrhein-Westfalen das Optimum herausholen. Stichwort wäre zum Beispiel: keine Absenkung des EU-seitigen Anteils von 50 % auf 40 %.

Der Staatssekretär und auch der Minister haben in der Begleitausschusssitzung klar dazu Position bezogen und gesagt, dass sie beides im Auge haben, sowohl die laufende Förderperiode als auch die kommende Förderperiode.

Wir wollen die Attraktivität dieser Programme weiter stärken, weil sie für unser Land so wichtig sind. Wir wollen aber auch Kosten und Nutzen in eine gesunde Relation bringen. Herr Weiß, da ist der Bezug zum Abbau bürokratischer Hürden.

Die Landesregierung ist – anders als Sie gerade wider besseres Wissen behauptet haben; deswegen ist es keine Prosa, sondern Fakt, was wir in unserem Entschließungsantrag geschrieben haben – sehr aktiv sowohl bei den hiesigen Akteuren als auch in Europa unterwegs, um die Interessen von NRW nicht nur zu formulieren, sondern auch zu vertreten. Wir müssen darauf hinwirken, dass die Erschwernisse, die seit 2010 unter Ihrer Ägide eingebaut worden sind, nicht ab 2021 fortgeschrieben werden, sondern dass es wirkliche Erleichterungen gibt.

Ich kann nur sagen: Entweder ist Ihr Vertreter aus dem Begleitausschuss zu früh herausgegangen oder er hat nicht mehr zugehört, als über die Prioritätenachsen berichtet wurde. Die Prioritätenachse 4, die Sie meinen, die völlig leergelutscht dastand, ist bis jetzt zu 1 % abgerufen worden. Der zuständige Abteilungsleiter hat gesagt, dass es eine bis zu 120%ige Buchung geben wird.

Dass die EFRE-Verwaltung dies vorher anders dargestellt hat und erst ein Vertreter des Ministeriums aufstehen und sagen musste: „Ich habe da doch letzte Woche vertretungsweise gesprochen, ihr müsstest das doch wissen“, ist uns allen im EFRE-Begleitausschuss sehr wohl aufgefallen. Das war sehr bezeichnend für die Art, wie dort gearbeitet wurde. Sie haben unterstrichen, dass wir einen genauen Blick auf die Zahlen haben müssen. Auch das ist nicht sauber von Ihnen dargestellt worden; denn der Mittelabruf hat in der letzten Zeit zugenommen.

Die Zahlen, die uns im EFRE-Begleitausschuss für die letzten sechs Monate im Jahr 2017 vorgelegt worden sind, belegen, dass wir 113 Millionen € zusätzlich bewilligte Mittel allein beim EFRE hatten. Das bedeutet – wenn ich als Geisteswissenschaftler 113 Millionen € geteilt durch zehn Monate richtig dividiere – 11,3 Millionen € pro Monat. Ich glaube, mit dieser Zahl würde ich auch die Mehrheit dieses Plenums erreichen. Sie haben 39 Monate gehabt. Mittel-abruf: 8,9 Millionen € pro Monat. Jetzt frage ich Sie, in welcher Zeit mehr abgerufen worden ist.

Das heißt: Die jetzige NRW-Koalition hat die Mittelbewirtschaftung intensiviert. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie in Ihrem Antrag behaupten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich bin seit 2012 in dem EFRE-Begleitausschuss. Ich war beim letzten Programm auch am Schluss dabei und konnte ein Faszinosum feststellen: Die ganzen Projekte, die in der Pipeline waren, sind auf einmal zur Bewilligung gekommen. Gegen Ende wird es einen rapiden Anwuchs der Mittelbewirtschaftung geben.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, das, was die AfD – speziell Herr Loose – im Ausschuss gesagt hat, Revue passieren zu lassen; ich gebe Ihnen die Gelegenheit, den Ball gleich aufzunehmen. Sie bei der AfD sind programmatisch Dünnbrettbohrer, was Europa anbetrifft. In Ihren Wahlprogrammen im letzten Jahr stand zum Thema „Europa“ nichts.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Das Einzige, das Sie im Wahlprogramm stehen hatten, war die Reduzierung der Kosten für die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der EU von 4,5 Millionen € auf 1,5 Millionen €; sonst hatten Sie nichts dazu stehen.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Der große Vorteil, den Sie dadurch haben, ist Folgender: Sie können sich hierhin stellen, sich etwas ausdenken und dann einfach immer behaupten, das wäre programmatisch. Sie haben programmatisch aber nichts zu bieten. Das haben Sie auch in den Ausschusssitzungen deutlich gemacht. Inhaltlich ist das alles ganz dünn.

Dazu, dass Sie Herrn Becker vorschlugen, er könne doch einen nationalen Ansatz wählen – das war Ihre Wortwahl: nationaler Ansatz; da gehen bei mir schon alle Alarmanlagen an –, kann ich Ihnen nur eines sagen: Wenn Sie bis heute nicht verstanden haben, dass die Solidargemeinschaft Europas ähnlich wie der Länderfinanzausgleich in Deutschland funktioniert, dann sind Sie völlig …

(Christian Loose [AfD]: Völlig klar! – Beifall von der CDU)

– Jetzt schlucken Sie doch mal runter und versuchen Sie, nachzudenken. Wenn wir nicht Europa leben, lebt bald Europa hier.

(Beifall von der CDU)

Das, was Sie dort machen, ist in der Stringenz völlig falsch.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

– Ich habe es verstanden, Frau Präsidentin.

Wir wollen uns also bei der Bewirtschaftung der laufenden Periodegelder programmatisch ganz klar am Koalitionsvertrag orientieren. Wir vertreten die Interessen unseres Landes mit Blick auf den Mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027. Die Regierung arbeitet mit ganzer Stringenz daran. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bergmann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Middeldorf das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Bodo Middeldorf (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzunehmen: Die FDP-Fraktion steht heute und in Zukunft für den Einsatz europäischer Fördermittel in Nordrhein-Westfalen. Wir halten die Strukturfonds für einen unverzichtbaren Bestandteil einer Wirtschaftspolitik, die die Unterstützung kleinerer und mittlerer Unternehmen, städtebauliche Impulse und die Förderung von Bildung, Forschung und Entwicklung in den Blick nimmt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wir sind uns einig, dass die bisherige Inanspruchnahme der Finanzmittel in manchen Teilen des Operationellen Programms unbefriedigend ist. Sie selbst sprechen davon, dass aus der Förderachse 4 des EFRE noch gar keine Mittel verausgabt worden sind. Sie haben recht.

Es wäre aber wohl redlich gewesen, in dieser Frage vor allem auf Ihre eigene Verantwortung hinzuweisen. Das aktuelle Operationelle Programm enthält Ihre politische Schwerpunktsetzung, setzt auf Ihre Abwicklungsstrukturen. Der Versuch, die neue Landesregierung nun für die schlechten Zahlen, die aufgrund Ihrer Fehlplanung entstanden sind, verantwortlich zu machen, ist absurd und durchsichtig, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir werden es aber natürlich nicht bei dieser Kritik an der geerbten Situation belassen. Natürlich wollen auch wir jetzt noch einmal genauer hinschauen, wie wir auch in der laufenden Förderperiode die Abfluss- und Bewilligungsquoten noch verbessern können. Das ist eine klare Zielsetzung, die wir in unserem Entschließungsantrag formuliert haben. Ich weiß auch, dass das Wirtschaftsministerium an dieser Stelle bereits aktiv ist.

Wir werden bei dieser Beschäftigung vor allem an dem Thema „Bürokratieabbau“ weiterhin nicht vorbeikommen. Bewilligungszeiträume von teilweise bis zu zwei Jahren, unverhältnismäßige Nachweispflichten, Mehrfachprüfungen und Einzelnachweise sind ja nur einige wenige Stichworte. Das Schlimme daran ist, dass genau diese Rahmenbedingungen in den letzten Jahren nachhaltig für ein schlechtes Image der Förderzugänge gesorgt haben, und zwar bei privaten und öffentlichen Fördermittelnehmern gleichermaßen.

Die Anstrengungen – das will ich ausdrücklich sagen – der alten Landesregierung zur Beschleunigung der Verfahren und zum Abbau der bürokratischen Hürden sind anzuerkennen. Sie reichen aber bei Weitem nicht aus. Was wir brauchen, sind schlanke Strukturen, schnelle Verfahren und ein angemessenes Verhältnis zwischen Aufwand und Mitteleinsatz. Ich sage dazu auch: Auch auf EU-Ebene gibt es da noch viel zu tun. Die im Prinzip nach wie vor völlig ungeklärte Beihilfeproblematik etwa hemmt die Anreizwirkungen massiv.

In unserem Antrag haben wir diese Punkte klar benannt. Wir haben den Anspruch, noch im Laufe der aktuellen Förderperiode zu nachhaltigen Verbesserungen zu kommen. Außerdem gehen wir – das hat Kollege Dr. Bergmann bereits gesagt – noch einen Schritt weiter. Wir wollen uns schon jetzt schnellstmöglich auf die neue Förderperiode ab 2020/21 vorbereiten. Es ist schon bemerkenswert, dass im SPD-Antrag dazu gar nichts steht. Für die NRW-Koalition kann ich jedenfalls sagen, dass die zukünftige Ausstattung und vor allem die Ausrichtung der Fördermittel von zentraler Bedeutung für unser Land ist.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich will es hier ganz deutlich sagen: Die inhaltlichen Schwerpunkte müssen konsequent an Themen der Zukunft ausgerichtet sein. Wir brauchen eine klare Linie, die das fördert, was Wachstum und Arbeitsplätze schafft und hilft, unsere Wirtschaft und Gesellschaft in das digitale Zeitalter zu bringen, und was den Rahmen für erfolgreiches Wirken unserer Unternehmen setzt.

Ich bin unserem Wirtschaftsminister Professor Pinkwart für seine klare Positionierung hierzu im Ausschuss sehr dankbar. Sein Bericht hat gezeigt, dass sich die Landesregierung bereits auf den Weg gemacht hat, um mit allen relevanten Akteuren im Land in einen Dialog über die Ausgestaltung der künftigen Förderperiode zu treten. Der Verbund der regionalen Entwicklungsorganisationen hat diese Bemühungen im EFRE-Begleitausschuss jüngst auch noch einmal ausdrücklich gewürdigt.

Meine Damen und Herren, wir werden nicht auf der Ebene des SPD-Antrages stehenbleiben. Deswegen werden wir ihn auch ablehnen. Wir setzen auf schnelle und durchgreifende Verbesserungen in der aktuellen Förderperiode, vor allen Dingen aber auch auf eine inhaltlich und strukturell zukunftsweisende Ausgestaltung des europäischen Fördermitteleinsatzes im Rahmen des OP ab 2020/21. Daher werbe ich nachdrücklich für die Unterstützung unseres Entschließungsantrages. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Middeldorf. – Nun spricht für die grüne Fraktion Herr Remmel.

Johannes Remmel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Klar ist: Nachhaltige Entwicklung im ländlichen Raum, nachhaltige Landwirtschaft, die Themen Armut und Ausgrenzung, mangelnde Berufsqualifikation, fehlende berufliche Orientierung oder auch die städtebaulichen Entwicklungen von Stadtteilen und ganzen Quartieren bis hin zu der Jahrhundertaufgabe Klimaschutz – all das sind Bereiche, wo Menschen in Nordrhein-Westfalen, in der Bundesrepublik und in Europa mit Europa in Kontakt kommen und lernen, was Europa für gleiche Lebensverhältnisse in ihrem Bereich jeweils tun kann.

Gute und durchdachte Projekte brauchen Zeit, um erfolgreich beantragt und durchgeführt zu werden; aber wenn sie nicht mehr zur Realisierung kommen, lösen sie eben auch Enttäuschung aus. Deshalb kann es nicht sein, dass sinnvolle Programmlinien ins Leere laufen. Wenn es an dieser Stelle Schwierigkeiten gibt – dazu Stellung zu nehmen, hat die Landesregierung ja gleich Gelegenheit –, wäre es gut, das Parlament entsprechend zu unterrichten.

Es ist allerdings auch klar, was die Kolleginnen und Kollegen – so kenne ich das aus der letzten Förderperiode – beschrieben haben, dass es nämlich zum Ende der Förderperiode einen gewissen Aufwuchs an Mittelabfluss gibt. Das ist so, weil eben die Programmierung im Vorfeld laufen muss und weil die Antragstellung und die Wettbewerbe im Vorfeld laufen, auf deren Grundlage dann Förderanträge gestellt werden, um zu Bewilligungen zu kommen.

Insofern ist eine vergleichende Darstellung der vergangenen Jahre nicht hilfreich, um einen gesamten Förderzeitraum zu beurteilen. Erfahrungsgemäß kommen immer am Ende eines Förderzeitraums die Mittel besonders zur Verausgabung. Das ist eine gewisse Schwierigkeit, gar keine Frage, weil das nicht mit unserer Systematik der jährlichen Haushaltsbeschlussfassung und des jährlichen Haushaltes übereinstimmt.

Deshalb gibt es Mittel und Wege, durch entsprechende Verpflichtungsermächtigungen für einen Mittelabfluss zu sorgen. Da könnte es in der Tat zu Problemen kommen, wenn das in der Planung nicht miteinander abgeglichen ist. Es würde mich freuen, wenn die Landesregierung auch dazu Stellung nehmen könnte, ob die Probleme, die die sozialdemokratische Fraktion anspricht, tatsächlich existieren.

Insgesamt bedauere ich etwas, dass über den Antrag – auch über den Entschließungsantrag, der ja eine etwas andere Perspektive nach vorne einnimmt – hier direkt abgestimmt werden soll. Das sind fachliche Themen, die eigentlich im Ausschuss besprochen werden müssten: sowohl die Frage, was im Moment den Mittelabfluss hindert, als auch die Frage, wie wir die Dinge zukünftig für neue Förderperioden verbessern können.

Ein großes Thema ist da die Frage des Abbaus von bürokratischen Antragshürden, die viele Antragsteller vor Schwierigkeiten stellen. Aber es ist auch immer wieder in der Diskussion, dass selbst kleine Förderzusagen notifiziert werden müssen und dadurch Zeiträume entstehen und konkrete Investitionen nicht stattfinden.

Hier gibt es eine Diskrepanz zwischen Förderung beispielsweise der Europäischen Investitionsbank und Förderungen, die aus dem allgemeinen EU-Haushalt kommen. Bei dem einen ist eine Notifizierung nicht notwendig, bei dem anderen muss notifiziert werden – auch da könnte ich mir Verbesserungen vorstellen.

Klar ist, dass die Mittel in Zukunft konzentriert werden müssen. Klar ist auch, dass die großen Herausforderungen gerade im Klimaschutz weiter im Mittelpunkt stehen müssen. Spontane Rückabwicklungen oder Kurswechsel sind deshalb nicht hilfreich und kontraproduktiv. Diese habe ich bisher allerdings nicht feststellen können. Wenn es so ist, dass umprogrammiert worden ist, dann ist das in der Tat ein großes Hindernis für den weiteren Mittelabfluss. Dazu würde mich auch interessieren, was uns der Minister in seiner Gesamtbetrachtung dazu vortragen kann.

Also noch einmal die Bitte, die Sachverhalte vielleicht doch im Ausschuss ausführlicher zu diskutieren. Aber wenn denn abgestimmt werden soll, würden wir uns dem Anliegen der sozialdemokratischen Fraktion anschließen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Remmel. – Für die AfD-Fraktion hat nun Herr Loose das Wort.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrter Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bitte lassen Sie mich zunächst eines klarstellen: Wir sprechen heute nicht über EU-Fördergelder, wir sprechen auch nicht über Geld aus Brüssel, und wir sprechen auch nicht über Geschenke, die wir bekommen. Wir reden über Steuermittel, die den Malochern und Arbeitnehmern im Schweiße ihres Angesichts weggenommen werden. Wir alle sind gehalten, mit diesen Geldern, die uns anvertraut werden, verantwortungsvoll umzugehen.

Kurz zu Herrn Dr. Bergmann, der anscheinend nicht weiß, dass wir auch ein Europa-Wahlprogramm haben: Das können Sie im Internet finden.

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Wir sind hier im Landtag!)

– Sie machen hier einen Antrag für die EU, mit Entschließungsantrag, Herr Dr. Bergmann. Und Sie haben das angesprochen.

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Sie haben nichts in Ihrem Programm stehen, Herr Loose, nichts!)

Ein Strukturförderprogramm, wie Sie das fordern – wie Sie auch einen Länderfinanzausgleich fordern und fördern, und auch ein GFG –, soll doch dazu dienen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse angleichen. Aber das Gegenteil ist der Fall, und die Spaltung wird immer größer. Das scheinen Sie aber leider nicht zu verstehen, Herr Dr. Bergmann.

Wer morgens um halb sechs aufsteht, wer sich durch Stau und unpünktliche Bahnen zur Arbeit schafft, dort jeden Tag aufs Neue anständige Arbeit abliefert, der hat einen Anspruch darauf, was schon Friedrich der Große wusste. Ich zitiere:

„Eine Regierung muss sparsam sein, weil das Geld, das sie erhält, aus dem Blut und Schweiß ihres Volkes stammt. Es ist gerecht, dass jeder Einzelne dazu beiträgt, die Ausgaben des Staates tragen zu helfen. Aber es ist nicht gerecht, dass er die Hälfte seines jährlichen Einkommens mit dem Staate teilen muss.“

Zitat Ende. – Insofern kann ich Ihnen, liebe SPD,

(Zuruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])

nicht folgen. Es gibt keinen Zwang, diese Steuermittel, diese Geldmittel auszugeben, nur weil sie da sind. Das ist bei uns allen zu Hause so, das war offensichtlich bei Friedrich dem Großen so. Warum sollte es also bei dem Geld, das uns die Steuerzahler anvertraut haben, anders sein?

(Karl Schultheis [SPD]: Das sind Vergleichsgruppen!)

Eher ist Nachdenklichkeit angebracht. Von dem Nettobeitrag der Bundesrepublik an die EU entfallen rechnerisch 3 Milliarden € auf NRW, 3 Milliarden € pro Jahr; in sechs Jahren also 18 Milliarden € – und wir reden darüber, dass wir uns freuen können, 2,4 Milliarden € aus dem Strukturförderprogramm zu bekommen. 2,4 Milliarden €, die auch noch mit einem riesigen Bürokratieaufwand daherkommen: Anträge, Formulare und Prüfungen, die sich über Jahre ziehen, daneben Beiräte und Arbeitskreise, die die Verwendung akribisch überwachen.

Dabei wäre es doch viel einfacher, die Zahlung an die EU um mindestens 2,4 Milliarden € zu reduzieren. Dann hätten Sie das Geld selbst in der Hand und könnten aus dem Land selbst Förderprogramme direkt durchführen, ohne irgendjemanden fragen zu müssen und ohne große Bürokratie.

(Beifall von der AfD)

Dann sähen unsere Straßen vielleicht auch bald so gut aus wie in Spanien, Madeira oder auf den Kanarischen Inseln.

Wie wäre es denn, wenn wir einfach aufhörten, verzweifelt Möglichkeiten zu suchen, das Geld der Steuerzahler nur möglichst schnell unter die Leute zu bringen? Wir haben ja den wunderbaren Beirat zur Strukturförderung namens OP EFRE oder in Langform: Operationelles Programm Nordrhein-Westfalens für die Förderung von Investitionen in Wachstum und Beschäftigung aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Allein der Name bürgt für Bürokratie.

In diesem Beirat wurden uns dann seitens der Kommission tatsächlich zwei gelungene Strukturförderprojekte als Beispiele aufgetischt: einmal 400.000 € für die Verbraucherzentrale, damit diese die x-te Energiesparberatung durchführen kann; zum anderen 400.000 € für das Wuppertaler Klimainstitut, um noch mehr politisch einseitige Studien zum sogenannten Klimawandel zu erstellen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dafür erhält das Institut aber bereits jetzt 5 Millionen € aus Landesmitteln. Ich weiß, der SPD ist das nicht genug. Die will vielleicht 50 Millionen € oder 500 Millionen € ausgeben. Das können Sie ja beim nächsten Mal beantragen.

Doch was hat der Malocher, der bald aufgrund Ihrer Klimapolitik seinen Arbeitsplatz verliert, von Ihren Strukturförderprogrammen? – Nichts. Er darf lediglich jeden Tag arbeiten gehen, damit Sie das Geld mit vollen Händen ausgeben können.

Der Bürger möchte endlich eine Entlastung. Und Ihr Problem, liebe SPD, ist, dass das Geld nicht schnell genug ausgegeben wird. Wir sehen jedoch keinen Anlass für ein Dezemberfieber im Juni. Liebe SPD, wir wollen nicht, dass die Regierung das Geld heraushaut wie ein betrunkener Matrose an seinem letzten Tag Landurlaub. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Loose. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Holthoff-Pförtner.

Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Remmel, wenn ich mir das als Nichtparlamentarier erlauben darf: Sie haben vollkommen recht. Aber wir stimmen über den Antrag ab.

Lieber Herr Weiß, in einem Punkt unterstütze ich Ihren Antrag. Für Nordrhein-Westfalen haben die Fördermittel aus dem Europäischen Struktur- und Investitionsfonds einen enormen Wert. Die daraus zur Verfügung stehenden Mittel leisten in der Tat einen unverzichtbaren Beitrag zur wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Entwicklung des Landes. Damit, Herr Weiß, ist unsere Übereinstimmung aber auch zu Ende.

Denn Ihre Angaben beispielsweise zu den Abrufquoten oder der Programmgestaltung sind, wie wir finden, unpräzise und zum Teil auch nicht richtig. Es liegt in der Natur des Förderzyklus, dass der Großteil der Bewilligungen und ein substanzieller Anstieg der Auszahlungen erst in der Mitte und zum Ende der Förderperiode erfolgen.

Rund die Hälfte der zur Verfügung stehenden Mittel wurde bereits bewilligt. Die Verwaltungsbehörde regelt zeitnahe Auszahlungen in den bewilligten Projekten und überwacht die laufende Umsetzung des Programms. Kommunen und andere Zahlungsempfänger werden von der Landesregierung beraten und unterstützt. Die Zusammenarbeit mit zwischengeschalteten Stellen erfolgt in enger Abstimmung mit dem regelmäßigen Austausch.

Wie der Antrag selbst feststellt, wurde auch im Bereich der Vereinfachung sehr viel erreicht. Die Förderprozesse werden erleichtert und Vereinfachungen durch Pauschalabrechnungen eingeführt.

Entgegen der Aussage des Antrags wurden im Bereich Stadt- und Quartiersentwicklung bereits Mittel verausgabt. Bei insgesamt 33 angenommenen Integrierten Handlungskonzepten sind 32 Millionen € bewilligt. Aber aufgrund der aufgezeigten Abläufe sind bisher tatsächlich 1,6 Millionen € ausgezahlt. Außerdem mussten die Integrierten Konzepte der Kommunen nach Veröffentlichung der Aufrufe oft erst erarbeitet werden. Dies erklärt die zeitliche Verzögerung bei der Umsetzung.

Planungssicherheit ist und war für die Kommunen zu jedem Zeitpunkt gegeben. Jedes Projekt durchläuft ein transparentes Auswahlverfahren. Die Bewilligung der Vorhaben konnte in der Förderphase deutlich beschleunigt werden. In der Regel vergehen vom Antragseingang bis zum Bewilligungsbescheid 150 Tage. Auch das gehört zum Thema Entbürokratisierung und Vereinfachung.

Die im Antrag erwähnte Umschichtung von 55 Millionen € auf zwei verschiedene Programme haben Sie mit einer bestimmten Würdigung versehen. Die Landesregierung sieht das anders. Die Aufteilung der betreffenden Mittel nach einer Umschichtung für die Zielgruppe bleibt – die Zielgruppe von benachteiligten Jugendlichen.

Die Förderprogramme Produktionsschule haben das gleiche Volumen wie die Förderprogramme Werkstattjahr. Damit macht nach unserer Auffassung das Land jungen Menschen unter 19 Jahren ohne Ausbildungsreife ein gleichwertiges Angebot, das allerdings stärker betrieblich orientiert ist als die Produktionsschule, gleichzeitig aber mit der geförderten Betreuung der besonderen Zielgruppe …

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Da hat Ihnen jemand etwas falsch aufgeschrieben! Das geht an den Fakten vorbei!)

– Ich habe Ihre Auffassung aufmerksam verfolgt. Ich habe sie nur nicht übernommen. Das ist erlaubt.

Die Landesregierung begleitet die umgesetzten Programme stetig und wird sich selbstverständlich weiter dafür einsetzen, die in den europäischen Fördertöpfen vorhandenen Mittel zu verausgaben.

Ihr Hinweis und Ihr Antrag sind wichtig, um Aufmerksamkeit zu behalten. Aber die Landesregierung kann den von Ihnen aufgestellten Forderungen und den Vorstellungen der Änderung der Politik in diesem Punkt leider nicht zustimmen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Holthoff-Pförtner. – Weitere Sprecherinnen und Sprecher sind nicht gemeldet.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen erstens über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2755 ab. Die antragstellende Fraktion der SPD hat direkte Abstimmung beantragt. Wer also stimmt dem Inhalt des Antrags zu? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – CDU-Fraktion, FDP-Fraktion und AfD-Fraktion stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Von hier oben sind keine zu sehen. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2755 mit der Mehrheit des Hohen Hauses abgelehnt.

Wir stimmen zweitens über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/2820 ab. Wer stimmt dieser Entschließung zu? – CDU und FDP stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – SPD-Fraktion und AfD-Fraktion stimmen dagegen. Wer enthält sich? – Die grüne Fraktion enthält sich. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/2820 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.

Ich rufe auf:

11 Kommunen nicht im Regen stehen lassen – Dauerhafte Einrichtung eines NRW-Unwetterfonds

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2766

Für die antragstellende Fraktion hat Herr Mostofizadeh das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass André Kuper im Saal ist, da es um ein Thema geht, das er 2014 im Landtag sehr intensiv angesprochen hat.

Im Juni 2014, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat das Tiefdruckgebiet „Ela“ sein Unwesen in Nordrhein-Westfalen getrieben. Mit über 142 Stundenkilometern ist der Orkan über Nordrhein-Westfalen gefegt und hat tiefe Schneisen der Verwüstung in unserem Bundesland hinterlassen. Es gab sechs Tote und viele Verletzte. Der Schaden bei den Versicherern lag nach deren Angaben bei über 650 Millionen €.

Wenige Wochen später gab es im Münsterland erhebliche Regenfälle, und im Oktober 2017 hat der Sturm „Xavier“ hier in Nordrhein-Westfalen erheblichen Schaden hinterlassen. So könnte ich die Liste fortführen. Allein in diesem Jahr haben in Wuppertal, Remscheid, Essen und Leichlingen Starkregenereignisse dazu geführt, dass Kommunen und Privatpersonen massiv zu Schaden kamen.

Im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen waren sich alle Fraktionen einig: Diese Ereignisse werden immer wieder stattfinden und immer wieder dazu führen, dass Privatpersonen und ganz besonders auch die Kommunen zu Schaden kommen.

Ich freue mich deswegen, dass Herr Kuper hier im Raum ist, weil er 2014 für seine Landtagsfraktion einige – wie ich finde – bedenkenswerte Punkte vorgetragen hat. Nur wenn man den Maßstab, den er damals an die rot-grüne Landesregierung gepackt hat, heute an die schwarz-gelbe Landesregierung packt, muss man – fast mit seiner damaligen Wortwahl – sagen: Das, was bisher geleistet wurde, ist beschämend, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was dem Ganzen die Krone aufsetzt, ist eine Pressemitteilung der Landesregierung vom gestrigen Tage. In der Überschrift heißt es: „Landesregierung unterstützt Wuppertal nach Umweltschäden“. – Liest man dann den Text, stellt man fest, dass die Landesregierung tatsächlich den landeseigenen Bau an der Universität reparieren möchte und dass einzelnen Privatpersonen in Wuppertal geholfen wurde.

Ich stelle fest: Bis zum heutigen Tage ist nicht ein einziger Cent nach Remscheid oder Essen und schon gar nicht nach Wuppertal geflossen. Diese Landesregierung möchte die Menschen im Land hinter die Fichte führen!

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Daher möchte ich zu einem ganz konkreten Vorschlag kommen, den wir heute mit unserem Antrag hier vorlegen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir werden immer wieder Starkregenereignisse, Unwetterereignisse in diesem Land haben.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hafke?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Bitte.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist nett von Ihnen. – Bitte schön, Herr Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Mich würde interessieren, ob Sie mir die Frage beantworten können, wie lange die damalige Landesregierung bei dem Starkregenereignis in Münster gebraucht hat, um Mittel für Münster zuzuweisen, also bis Geld geflossen ist.

(Beifall von der FDP)

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) Ich danke Ihnen für diese Frage. Ich merke, dass sich wiederholt, was letzte Woche im Ausschuss gelaufen ist, Herr Kollege.

(Zuruf von der SPD: Genau! Genau so! – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

– Darf ich eben ausführen? Möchten Sie Antworten, oder wollen Sie pöbeln?

(Marcel Hafke [FDP]: Sie sollen die Frage beantworten!)

Letzte Woche hat Staatssekretär Heinisch im Ausschuss sehr ausführlich erklärt, dass noch geprüft werden muss usw. Ich kann Ihnen zum Beispiel sagen, dass für die Folgen von „Ela“ immerhin 30 Millionen € an die Kommunen geflossen sind

(Zuruf von der SPD: 5 Millionen für Private!)

und auch in Münster nach einigen Wochen Prüfung Geld geflossen ist.

Ich sage Ihnen heute auch: Ich finde es falsch, dass die Kommunen in Nordrhein-Westfalen jeweils von der Gnade der Staatskanzlei abhängig sind, ob sie Geld bekommen, wie viel Geld sie bekommen und nach welchem Muster sie Geld bekommen. Das halten wir ausdrücklich für falsch, Herr Kollege Hafke, und darauf werde ich im weiteren Verfahren noch einmal zu sprechen kommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zweiter Punkt: Es gibt jetzt drei Möglichkeiten, mit der Lage umzugehen. Ich rede jetzt erst einmal nur über die Versicherungsschäden, also das, was nach einem Unfall passiert. Man kann sich dagegen versichern; das ist unfassbar teuer und aus meiner Sicht nicht zu machen.

Da findet sich aber die FDP wieder. Die FDP hat damals wie auch heute argumentiert: Na ja, ihr könnt ja eine private Versicherung abschließen! – Dann soll halt eine Stadt wie Wuppertal, die topografisch und aus anderen Gründen viel stärker von Starkregenereignissen betroffen ist als andere Kommunen, mehr Geld bezahlen, hat also Pech.

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir schlagen eine andere Variante vor, die die CDU damals von der Struktur her auch vorgeschlagen hat. Wir gründen einen solidarischen Fonds, in den sowohl das Land Nordrhein-Westfalen als auch die Kommunen einzahlen, denn die Kommunen sind natürlich für den Hochwasserschutz und die Versicherung ihrer eigenen Anlagen zuständig. Aus dieser solidarischen Verantwortung dürfen sie auch nicht entlassen werden.

Weil mich die Landesregierung ertappt zu haben meinte, weil ich im Jahre 2014 einen Brief an den damaligen Innenminister Jäger geschrieben habe, möchte ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich sagen: Nein, wir sind der gleichen Auffassung wie damals. Wir glauben, dass die Städte und Gemeinden selbstverständlich auch selbst Vorsorge treffen müssen.

Sie müssen selbstverständlich Klimaschutzpolitik betreiben. Sie müssen ein Starkregenkonzept, wie Johannes Remmel und Michael Groschek es entwickelt haben, in die Tat umsetzen. Und sie müssen sich auch vorsorglich gegen solche Ereignisse versichern, also Geld in die Hand nehmen und Vorsorge betreiben. Aber sie dürfen nicht allein gelassen werden. Sie müssen die Unterstützung der Landesregierung erfahren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und Sie, Herr Hafke – Sie haben es ja schön angelegt, und ich weiß auch nicht, warum Sie grinsen –, machen wieder das, was ich für völlig falsch halte: Weil die Landesregierung noch nicht gehandelt hat, weil sie kein Konzept hat, sind Sie nicht bereit, auf gute Vorschläge der Opposition einzugehen. Sie reagieren nur mit Häme und sind nicht bereit, sich fachlich auseinanderzusetzen.

(Henning Höne [FDP]: Lauter!)

Das ist das, was wir heute hier erleben werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Und deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich bin mal gespannt, wie Sie sich gleich verhalten – ist das natürlich ein Stück Weiterentwicklung dessen, was wir und die SPD damals gesagt haben. Wir haben einerseits konkret geholfen – nicht nur den Personen, sondern auch den Kommunen –, haben aber andererseits noch keinen Unwetterfonds, den wir meines Erachtens zwingend brauchen, um sich auch gegen Versicherungsschäden wappnen zu können.

Deswegen – und ich sage damit auch, warum wir direkte Abstimmung beantragen – beauftragen wir die Landesregierung, genau hier einzusteigen, also dem Parlament ein solches Konzept vorzulegen. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich die CDU in dieser Situation verhalten wird.

Meine Bitte wäre: Nehmen Sie Ihre Argumente von damals ernst! Nehmen Sie auch Ihre Position ernst, und verstecken Sie sich nicht nach dem Motto: Na ja, die Frau Kraft war ja im Funkloch, und was die damals gemacht haben, war alles noch lächerlicher als heute.

(Zuruf von der FDP: Wer würde das schon sagen?)

Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie nicht bereit sind, sich heute einer fachlichen Lösung anzunähern und klar zu sagen, was für ein Konzept die Landesregierung erstens zum Schutz vor Unwetterschäden und zweitens zur Behebung von Unwetterschäden aufstellt, dann machen Sie sich gnadenlos unglaubwürdig. Deshalb bitte ich Sie eindringlich, unserem Antrag zuzustimmen,

(Henning Höne [FDP]: Das ist so wichtig, dass Sie erst darüber abstimmen müssen!)

und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Und nun spricht Thomas Schnelle für die CDU-Fraktion.

Thomas Schnelle (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal den Männern und Frauen der Feuerwehren und des THW sowie an alle sonstigen Helfern, die in der letzten Zeit in zahlreichen Unwettern im Einsatz waren, unseren Dank und unsere Anerkennung aussprechen. Sie haben sicherlich dazu beigetragen, dass wir nach dem Unwetter außer Sachschäden keine schlimmeren Folgen zu beklagen hatten. Dafür möchten wir uns noch einmal herzlich bedanken.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir erkennen wohl auch langsam, dass die Folgen des Klimawandels sich nicht mehr in schockierenden Zukunftsbeschreibungen erschöpfen, sondern bereits harte Realität für unser Land geworden sind.

(Zuruf von der AfD)

– Ja, ich weiß, Herr Dr. Blex.

Der April und der Mai 2018 waren die wärmsten seit 130 Jahren, und vergleichbare Wetterreaktionen wie der Starkregen in den letzten Wochen werden sicherlich noch zunehmen.

Nun fordern Sie in Ihrem Antrag eine deutliche Ausrichtung der Politik und entsprechende Anpassungsstrategien, um dem zu begegnen. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der Grünen, Sie haben gerade zu Recht darauf hingewiesen. Erklären Sie mir doch bitte, wie Sie diese Ihre Anpassungsstrategie ernsthaft vertreten wollen, wenn Sie in Zeiten der Vorgängerregierung den Antrag der CDU-Fraktion zu einem ebensolchen Unwetterfonds noch abgelehnt haben?

Eine Strategie erfordert, wie Sie womöglich wissen, langfristiges und vorausschauendes Denken. Hätten Sie damals, 2014, dem Antrag für einen Unwetterfonds zugestimmt, könnte man auch eher in Versuchung kommen, Ihnen ein solch vorausschauendes Denken im Hinblick auf den Klimawandel zu unterstellen. Sie haben gerade formuliert, wir würden die Bürger hinter die Fichte führen. Dann haben Sie das 2014 wohl auch getan.

Nun gebe ich Ihnen in einem Punkt recht: In der Vergangenheit sind solche Extremwetterereignisse seltener und in geringer Intensität aufgetreten. Gerade deshalb wäre Ihre Zustimmung zu dem damaligen Antrag doch wünschenswert gewesen, und gerade deshalb ist jetzt, vier Jahre später, ein Unwetterfonds keine angemessene Anpassungsstrategie mehr für unser Land, zumal inzwischen Hilfsmöglichkeiten geschaffen worden sind, auf die ich später noch eingehen werde.

Neben dem damals schon bemängelten, für die Kommunen unhaltbaren Finanzierungskonzept ist es vor dem Hintergrund der Realitäten unserer Zeit nicht mehr angemessen, den Fokus nur auf ein Beseitigen der Schäden im Nachhinein zu legen. Vielmehr muss verstärkt Prävention betrieben werden, auf dass wir die Folgen des Klimawandels nicht mehr nur als Ausnahme oder Extremfall betrachten, sondern als tägliche Wahrheit, mit der wir umzugehen haben, und auf die sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes einstellen müssen.

Wie Sie wissen, hat es beim Unwetter Ende Mai vermehrt Fälle gegeben, in denen zum Beispiel Autofahrer über überflutete Straßen gefahren sind und, anstatt das Auto stehen zu lassen oder abzuwarten, durch unachtsames Verhalten enorme Sachschäden in Kauf genommen haben.

Das Land kann nun nicht mit einem Unwetterfonds als Zahlmeister einspringen, wenn es zu solchen Vorfällen kommt. Auch dürfen wir durch einen solchen Fonds keine Anreize dafür schaffen, auf das Abschließen von Versicherungen zu verzichten. Wir wollen eine eigene Verantwortung unserer Bürgerinnen und Bürger, im Übrigen auch für die Kommunen, denen Sie mit Ihrem Finanzierungsplan eben jene nehmen würden.

Wenn wir die Kommunen, wie in Ihrem Antrag vorgesehen, nun zwingen, Teile der Gemeindefinanzierungsmittel abzugeben, wird das vor allem denjenigen schaden, denen wir hier zu helfen versuchen. Das aber ist keineswegs, wie Sie in Ihrem Antrag formulieren, solidarisch, sondern schlicht ein Zwangseinbehalt der GFG-Mittel und ein Eingriff in die Selbstverwaltung der Kommunen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Müller-Witt?

Thomas Schnelle (CDU): Bitte schön.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, bitte schön.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Herr Kollege, Sie sagen gerade, die Bürger sollen durch den Abschluss von Versicherungen privat vorsorgen. Können Sie den Bürgern empfehlen, wie sie an Elementarschadenversicherungen herankommen, wenn die Versicherungsgesellschaften dies zunehmend ablehnen, weil nämlich aufgrund des Kartenmaterials ersichtlich ist, dass sich das in manchen Gebieten, in denen Bürgerinnen und Bürger wohnen, für die Versicherungen nicht mehr rechnet?

Thomas Schnelle (CDU): Wir haben mit der Soforthilferichtlinie auch Vorsorge für solche Fälle getroffen, in denen Bürgerinnen und Bürger sich gerade nicht versichern können. Man sollte auch in Verhandlungen mit den Versicherungen eintreten, um weitere Möglichkeiten dafür zu eröffnen.

Abgesehen davon besitzen die Kommunen bereits die Möglichkeit zur Überwindung außergewöhnlicher oder unvorhersehbarer finanzieller Belastungssituationen. Sie bekommen Zuweisungen aus genau jenen Geldern des Gemeindefinanzierungsgesetzes. Dass dieses rechtliche Instrument auch greift, konnten wir 2014 feststellen, als Münster und Gronau nach vergleichbaren Starkregenfällen

(Michael Hübner [SPD]: Greven, Herr Kollege! Greven!)

solche Zuwendungen erhielten. – Bitte?

(Michael Hübner [SPD]: Greven war es! Münster und Greven!)

– Dann bitte ich, das zu entschuldigen.

(Michael Hübner [SPD]: Wir helfen gerne!)

– Okay.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Gronau ist schon richtig!)

Das wird auch in diesem Falle so gehandhabt werden.

Folgten wir nun Ihrem Finanzierungskonzept, würden wir von den Kommunen dringend benötigte Mittel für einen Notfall einbehalten,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das steht da nicht drin!)

für welchen jene Mittel bereits vorgesehen sind. Wir müssen also vorausschauender mit den Auswirkungen des Klimawandels umgehen.

Letztes Jahr wurde von der Landesregierung die für Naturkatastrophen vorgesehene Soforthilferichtlinie eingeführt. Die NRW-Koalition dankt daher ausdrücklich Innenminister Reul, dass er sich vor Ort ein Bild der Lage gemacht und klargestellt hat, dass die Soforthilfe für Privathaushalte, Kleingewerbetreibende und Landwirte auch in der jetzigen Situation greift.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Mostofizadeh?

Thomas Schnelle (CDU): Ich würde jetzt gern zu Ende sprechen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Sie möchten gern zu Ende sprechen. Bitte schön.

Thomas Schnelle (CDU): Danke. – Dies zeigt, dass unser Land sich bereits auf dem richtigen Weg befindet. Wir müssen zudem die Häufung vergleichbarer Extremwetterereignisse als Tatsache für unser Land akzeptieren.

Wir werden, wie auch Sie in Ihrem Antrag fordern, das Konzept „Starkregen Nordrhein-Westfalen“ überarbeiten und kontinuierlich weiterentwickeln, um unser Land und die Bevölkerung auf die Häufung solcher Unwetterereignisse vorzubereiten. Letztlich können wir es uns jedoch nicht erlauben, mit kurzfristigen Maßnahmen ein wenig nachhaltiges Flickwerk zu erschaffen, welches den durch den Klimawandel geschaffenen Realitäten nicht gerecht wird.

Zusammengefasst bedeutet das: Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten sind vorhanden, präventive Maßnahmen müssen jedoch noch verstärkt werden. Daher lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall von der CDU und der FDP – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das steht da alles nicht drin!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schnelle. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Bialas.

Andreas Bialas (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Allein in Wuppertal kamen über 100 l/m² Regen in etwas mehr als einer Stunde herunter, 5 Milliarden l Wasser auf einer sehr geringen Fläche der Stadtteile Barmen und Elberfeld, schlicht und ergreifend Regengüsse der Verwüstung.

Kurzfristig und kaum vorauszusehen, von kurzer Dauer, sehr punktuell, mit enormer Intensität und mit einem enormen Vernichtungspotenzial – was sich in Wuppertal ereignete, war nichts weniger als eine Katastrophe. Aufgrund jahrelanger Arbeiten und Ausbauten an den Entwässerungssystemen in Wuppertal, aufgrund jahrelanger kontinuierlicher Verbesserung des Katastrophenschutzes in Nordrhein-Westfalen, aufgrund herausragender Arbeit und Leistung der eingesetzten Kräfte des Zivilschutzes, der Polizei, der Feuerwehr, aber auch aufgrund der besonderen Handlungsweisen der Bürgerinnen und Bürger ist kein Leben zu Schaden gekommen – dies aufgrund einer enormen Leistung und auch aufgrund von Glück.

In einer Talstadt wie Wuppertal fließt Wasser von den Höhen hinab, sammelt sich unten und fließt dann entlang der Achse ab. Diese Logik scheint zunächst zum Schmunzeln anzuregen. Wenn Sie aber ein kleines Kind dort spielen sehen, wo in kürzester Zeit Sturzbäche entstehen, die alles mitreißen, wird das Bild grausam und gruselig, und zum Glück blieb uns dieses Leid erspart. Sogar als das Dach einer Tankstelle einbrach und Fahrzeuge darunter begrub; sogar als ein Dach des Universitätsgebäudes einbrach – kein Leben kam zu Schaden.

Unser besonderer Dank gilt den vielen, die im Dauereinsatz waren. Bemerkenswert ist hier die Solidarität der Städte untereinander gewesen. So fuhren zum Beispiel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Müllabfuhr aus ganz Nordrhein-Westfalen nach Wuppertal, um dort auch über das Wochenende und über den Feiertag hinweg beim Aufräumen und beim Abtransport der Schäden zu helfen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich darf im Namen der SPD-Fraktion, aber natürlich auch im Namen meines Oberbürgermeisters Andreas Mucke – und er wiederum im Namen der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Wuppertal – an dieser Stelle den über 1.000 Rettungskräften und Unterstützungskräften unseren enormen Dank und unsere hohe Achtung ausdrücken. Verdammt gut, dass ihr da wart, verdammt gut, sich auf euch verlassen zu können! Vielen Dank!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Als Folge dieses Monsterregens waren zahlreiche Straßen und Bürgersteige in der Stadt überflutet, unpassierbar, kaputt. Tausende Läden, Geschäftsräume, Wohnungen, auch städtische Einrichtungen, Keller und Garagen wurden überflutet. Dabei wurde oftmals auch die bauliche Substanz angegriffen, das sich darin befindliche Gut meist zerstört oder weitestgehend unbenutzbar hinterlassen.

Kurz darauf standen die Straßen voller Müll – Müll, der zuvor das Hab und Gut vieler Bürgerinnen und Bürger gewesen war, nun nichts mehr wert. Hatten die Menschen gerade Leib und Leben retten können, wurde ab da fraglich, inwieweit auch ihre finanzielle Existenz gerettet werden kann.

Viele Menschen, gerade auf der Talachse, traf dieses Unglück. Ich darf hinzufügen: Vielfach wohnen auf der Talachse in Wuppertal nicht die Reichen und gut Betuchten. Eine Diskussion über Privatversicherungen im Hinblick auf Sonderabsicherung bei Starkregen zu führen, ist angesichts der Beiträge der Versicherung und der Einkünfte der Betroffenen häufig geradezu obszön.

Umso unverständlicher ist die zögerliche Reaktion der Landesregierung im Hinblick auf Hilfen für die vom Unwetter betroffenen Kommunen und Privatpersonen. Auch gestern hieß es noch seitens der Landesregierung: Eine finanzielle Hilfe der Kommune ist nicht ausgeschlossen. Hier wünschten wir uns ein wenig mehr Entfesselung, ein wenig mehr Abbau von Bürokratie.

(Beifall von der SPD)

Entfesseln Sie Ihre Hilfsbereitschaft, und helfen Sie den Wuppertalerinnen und Wuppertalern!

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Loose?

Andreas Bialas (SPD): Ich möchte im Zusammenhang sprechen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte.

Andreas Bialas (SPD): Danke. – Am Dienstag, dem 29. Mai 2018, war das Unwetter. Erst am Freitag besuchte der Innenminister die Stadt. Vorausgegangen war eine Pressemeldung unsererseits mit der Frage, wo denn Vertreter der Landesregierung blieben und ob sie das Leid in den Städten nicht interessiere.

(Josef Hovenjürgen [CDU] und Matthias Kerkhoff [CDU]: Ha, ha!)

Sehr geehrte Frau Ministerin Scharrenbach, Heimat bewahren ist nicht Singen mit Heino, Grundlage von Heimat ist allzu oft und zuallererst der Erhalt des eigenen Hab und Guts.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wie tief wollen Sie noch?)

Heimat verlieren ist auch, wenn auf einmal alles in Regenfluten davongerissen oder irreparabel geschädigt wird.

Sie sind zuständig für die Kommunen und nennen sich Heimatministerin. Wir fragen Sie: Wo waren Sie?

(Beifall von der SPD)

Herr Innenminister Reul, wir Wuppertalerinnen und Wuppertaler bedanken uns ausdrücklich, dass Sie sich einen Überblick über die Situation verschafft haben. Sie waren der Einzige, der da war. Herzlichen Dank dafür! Ihre Botschaft über Hilfe macht uns Mut, hätte aber schon ein wenig – sage ich mal – konkreter ausfallen dürfen. Selbst Ihre gestrige Pressemitteilung verharrt noch im Nebulösen. Vielleicht klären Sie uns gleich etwas detaillierter auf.

Im Hinblick auf schnelle und unbürokratische Hilfe hält sich die Landesregierung bisher weitestgehend bedeckt, und das, obwohl es mittlerweile bereit konkrete Einschätzungen hinsichtlich der betroffenen Schäden gibt, so etwa aus Wuppertal mit Schäden in Höhe von insgesamt rund 10 Millionen €, nur seitens der Stadt, nicht privat.

Der von Finanzminister Lienenkämper ausgewiesene Beitrag zur Hilfe, nämlich der Stundungsmöglichkeit von Steuern, ist richtig und gut – vielen Dank auch an Sie von dieser Stelle –, aber er kann doch lediglich ein Baustein sein. Als ein Baustein in einem umfassenden Hilfskonzept betrifft er nur einen kleineren Personenkreis.

Dass das BLB das Gebäude der Universität wieder instand setzt, ist auch gut, aber – entschuldigen Sie bitte – doch wohl eher eine Selbstverständlichkeit.

Als das Unwetter Ela am 9. Juni 2014 in Nordrhein-Westfalen schwere Verwüstungen angerichtet hatte, beschloss die damalige Landesregierung bereits am 10. Juni – also nur einen Tag später, keine 24 Stunden später –, die vom Unwetter besonders betroffenen Kommunen mit einem Hilfsfonds zu unterstützen.

(Marc Lürbke [FDP]: Bei Ela?)

Die damalige CDU-Opposition hatte seinerzeit darüber hinaus mit Vehemenz die sofortige und unbürokratische Einrichtung eines permanenten Unwetterfonds gefordert. Offenkundig waren diese Forderungen nicht ernst gemeint; denn entsprechende Konzepte wurden von der schwarz-gelben Regierungskoalition bisher nicht vorgelegt, und schnelle Hilfen für die Unwetteropfer und die betroffenen Kommunen sind bis jetzt nicht dauerhaft in Sicht.

Es bleiben also viele Fragen offen und unbeantwortet. Für die SPD hingegen ist klar: Die vom Unwetter betroffenen Städte und Gemeinden sowie die dort lebenden Menschen dürfen jetzt nicht alleingelassen werden.

Zum Antrag. Dem zweiten Punkt des Beschlusses – auch der ist vollkommen richtig – sollten wir zustimmen. Was das Konzept eines Starkregens betrifft: Auch hier sind die Städte weitestgehend schon selbst auf dem Wege, brauchen aber mit Sicherheit noch Unterstützung. Und dort, wo die Städte noch nicht auf dem Weg sind, müssen wir sie bitten, sich auf diesen Weg zu machen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bialas. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Lürbke.

Marc Lürbke*) (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es vorweg zu sagen und auch Missverständnissen vorzubeugen, die gerade wieder von Herrn Mostofizadeh oder auch im vorliegenden Antrag suggeriert werden: Die Nordrhein-Westfalen-Koalition aus CDU und FDP lässt die betroffenen Kommunen bei den jüngsten Unwetterereignissen keinen Meter im Regen stehen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Im Gegenteil. Wir unterstützen, wo es nötig und wo es geboten ist, und wir helfen, wo wir gebraucht werden. Und das ist auch in Wuppertal der Fall, Herr Kollege Bialas. Der 29. Mai 2018 wird womöglich als schwarzer Tag in die Geschichte der Stadt Wuppertal eingehen. Innerhalb von 90 Minuten fielen mindestens 5 Milliarden Liter Regenwasser – die höchste Niederschlagsmenge, die je in Wuppertal gemessen wurde.

Das Unwetter erwischte die Stadt dabei an ihren empfindlichsten Stellen: auf der Talsohle in Elberfeld und Barmen sowie in Uellendahl. Wir alle haben die erschütternden Bilder von volllaufenden Einkaufszentren, Kellern und Gebäuden gesehen. Besonders schwer traf es auch die Universität Wuppertal, bei der am Gebäude am Haspel ein Dach einstürzte und schwere Schäden an Lehr- und Forschungsmaterialien entstanden.

Jetzt wird der BLB die entstandenen Gebäudeschäden beheben, und weitere Hilfen werden geprüft. Aber dennoch können wir froh und dankbar sein, dass kein Menschenleben zu Schaden gekommen ist.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es ist nur ansatzweise zu erahnen, wie lange die Aufräumarbeiten in der Stadt Wuppertal noch andauern werden. Deswegen möchte ich auch für die FDP-Fraktion die Gelegenheit nutzen, den unzähligen Helfern und den Einsatzkräften vor Ort zu danken. Der Katastrophenschutz, unsere Feuerwehr, die Hilfsdienste, die Polizei – alle haben großartige, professionelle Arbeit geleistet und in dieser besonderen, unvorhersehbaren Situation besonnen reagiert und zusammengehalten.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Darum einen ganz herzlichen Dank an unsere Helfer. Das war ein guter Job! Das zeigt, dass der Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen gut aufgestellt ist.

Wichtig ist – das kann man gar nicht genug betonen –, dass den betroffenen Menschen nun effektiv geholfen werden kann. Deswegen hat das Land Nordrhein-Westfalen umgehend finanzielle Unterstützung für Privathaushalte beschlossen, deren Hausstand oder Gebäude stark beschädigt wurden. Hier greift die Soforthilfe des Landes. Damit können die Bürger dringend notwendige Anschaffungen tätigen.

Das macht aber auch deutlich, dass die Nordrhein-Westfalen-Koalition schnell handelt. Sie handelt besonnen und geht auf die Betroffenen zu. Wir stehen an ihrer Seite und lassen sie mit ihren Sorgen nicht allein. Ebenso wichtig ist es, auch die Kommunen soweit wie möglich zu unterstützen.

In diesem Punkt wird es dann im Antrag der Grünen, wie ich finde, doch etwas konfus. Sie sagen, die damalige Landesregierung hätte ein Sofortprogramm für die Kommunen Münster und Greven aufgelegt. Ich weiß nicht – vielleicht bestehen da Erinnerungs- oder Wissenslücken. Aber am Ende ist es auch gleich; denn damals gab es kein Sonderprogramm der Landesregierung für diese damals vom Starkregen massiv betroffenen Städte oder eine Entschädigung für zerstörte kommunale Infrastruktur vor Ort.

(Marc Herter [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)

Stattdessen erhielten Münster und Greven damals Mittel aus dem GFG für akute Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, Verkehrssicherung und eigene Hilfszahlungen,

(Christian Dahm [SPD]: Das hat der Staatssekretär am Freitag auch gesagt, dass es aus dem GFG Mittel gibt!)

die in existenziellen Notfällen entstanden sind. Das ist im Übrigen genau das, wozu sich diese Landesregierung jetzt schon auf den Weg gemacht hat.

Das ist genau das: nämlich den Kontakt mit der Stadt Wuppertal zu suchen, um Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung nach dem GFG auszuloten, wie es bei außergewöhnlichen oder unvorhersehbaren finanziellen Belastungssituationen möglich ist. Wichtig ist uns in jedem Fall, dass Hilfen jederzeit auf rechtssicheren Füßen stehen.

Meine Damen und Herren, was nun zählt, ist Hilfe, die ankommt. Wenn Sie mir das gestatten: Ich möchte uns allen raten, gerade dieses Thema nicht für parteipolitische Geländegewinne zu nutzen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh!)

– Ja, ich schaue in Ihre Richtung.

Umso befremdlicher fand ich gestern nämlich die Pressemitteilung der SPD-Fraktion vom Kollegen Wolf mit der verräterischen Überschrift:

„Starkregen: Hilfe für Wuppertal ist unser Erfolg“.

Ich finde es schon abenteuerlich, ein Naturereignis dieser Größenordnung und das damit einhergehende Unglück vieler Menschen politisch so zu missbrauchen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Hilfen für Geschädigte eines Naturereignisses

(Sven Wolf [SPD]: Was ihr in der Oppositionszeit nie gemacht habt!)

dienen einzig und allein der Schadensbeseitigung oder zumindest der Schadensminderung der Betroffenen, sind aber nichts, was man als Erfolg verkaufen kann. Auf dieses Niveau sollten Sie sich nicht herablassen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das geht nicht!)

Und der Antrag der Grünen? Auch zu Ihrer Regierungszeit gab es Unwetterereignisse, die sogar vom Ausmaß her noch gravierender waren als das jetzige. Dennoch haben Sie sich damals vornehm zurückgehalten mit einer eigenen Initiative.

Sie haben damals keine Initiative ergriffen für die Einrichtung eines Unwetterfonds. Jetzt wollen Sie sich dafür einsetzen. Noch spannender: Damals haben Sie sogar die Initiative der CDU abgelehnt. Dann finde ich den Auftritt, den Sie hier eben abgeliefert haben, Herr Mostofizadeh, ziemlich scheinheilig.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Aber ich kann die SPD nicht ausnehmen: Herr Kollege Hübner hat unsere Initiative zur Gründung eines Unwetterfonds damals hier im Plenum als reinen PR-Gag bezeichnet.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Sachargumente!)

Ich bin gespannt, wie Sie sich gleich verhalten.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was machen Sie denn? Was macht denn die FDP?)

Ich bin noch nicht ganz schlau geworden aus den Worten von Herrn Bialas. Aber man stellt sich schon die Frage, wie so ein situativ wirkender Sinneswandel zustande kommt.

Meine Damen und Herren, Schnellschüsse, wie sie mit dem Antrag produziert werden, lehnen wir ab.

(Michael Hübner [SPD]: Wir sind gespannt!)

Es gilt vielmehr, sachgerechte zukunftsfeste Konzepte für zunehmende Wetterereignisse zu entwickeln.

(Sven Wolf [SPD]: Die liegen in der Schublade! Es gibt das Starkregenkonzept aus dem Jahr 2016!)

Sie dürfen dabei allerdings keinen Automatismus auslösen, sondern müssen immer die Gegebenheiten und Umstände des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigen.

Fassen wir also zusammen: Wir helfen geschädigten Bürgerinnen und Bürgern. Wir unterstützen unsere Kommunen.

(Christian Dahm [SPD]: Doch nicht mit frischem Geld, Herr Kollege!)

Diesen Weg sollten wir gemeinsam gehen. – Ganz herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Lürbke. – Für die AfD Fraktion spricht nun Herr Dr. Blex.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In den letzten Wochen sind die Bürger in Nordrhein-Westfalen, aber auch in den Nachbarländern und in ganz Deutschland durch heftige Unwetter mit Starkregen und den dadurch verursachten Überschwemmungen geschädigt worden.

(Michael Hübner [SPD]: Wirklich?)

Getroffen wurden nicht nur abgelegene Orte wie zum Beispiel in der Eifel, sondern auch ganze Stadtteile in Ballungszentren.

(Michael Hübner [SPD]: Wow!)

Die Überschwemmungen, wie bei Starkregen üblich, kamen plötzlich

(Michael Hübner [SPD]: Ja!)

und waren nicht etwa durch Hochwasser bedingt. Die Schäden sind ganz offensichtlich. Die Feuerwehren waren vielerorts im Dauereinsatz, um Menschen zu retten, Gebäude zu schützen und die Infrastruktur halbwegs funktionstüchtig zu halten. Viele dieser Unwetterschäden waren so groß, dass jeweils weit über 100 Feuerwehrleute zur Hilfe kommen mussten.

Die AfD-Fraktion möchte unseren Feuerwehrleuten und den weiteren Mitarbeitern des Katastrophenschutzes, den Kommunalverwaltungen sowie der Polizei für ihre Arbeit zum Schutze von Menschen und Bauten auch an dieser Stelle ganz herzlich danken.

(Beifall von der AfD – Michael Hübner [SPD]: Aber nur Ihren Feuerwehrleuten!)

Auch fordern wir die Landesregierung auf, das Ende 2016 vorgelegte Starkregenkonzept im Lichte der neuen Erfahrungen zu überarbeiten.

Aber darum geht es den Grüninnen hier überhaupt nicht. Sie wollen lediglich Öko-Effekthascherei.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Was?)

Als radikale Ökopopulisten scheuen Sie nicht davor zurück, in Ihrem Antrag die Unwahrheit zu behaupten. Ihre Behauptung, in Nordrhein-Westfalen hätte die Häufigkeit von Starkregenereignissen laut dem Klimafolgenmonitoring zugenommen, ist schlichtweg falsch.

Nach der sorgfältig geführten amtlichen Statistik der Starkniederschlagstage haben diese in den letzten 65 Jahren in unserem Land nicht zugenommen.

(Lachen von den GRÜNEN)

Obwohl man dem Bericht deutlich anmerkt, dass er unter Ihnen, Herr Remmel, erarbeitet wurde, heißt es dort:

(Zurufe von den GRÜNEN)

– Die Beamten lassen sich vielleicht in gewisser Weise beeinflussen, aber sie sind trotzdem noch der Wahrheit verpflichtet. – Zitat: –

„Die Anzahl der Starkniederschlagstage in den verschiedenen Intensitätsklassen zeigt jedoch hohe jährliche Schwankungen (Variabilität).“

Das wissen Sie nicht: Das ist ein Ausdruck der mathematischen Statistik.

„Über den Gesamtzeitraum seit 1951 weist keine der drei Starkniederschlagsklassen einen statistisch signifikanten Trend auf.“

Bezeichnend aber ist, dass das Klimafolgenmonitoring dabei sogar die Jahre ab 2010 außen vor lässt. Dort sinkt nämlich die Häufigkeit von Starkregenereignissen.

(Lachen von den GRÜNEN)

– Ja, ja, das ist Mathematik.

Fakt ist: Es gibt keinerlei mathematisch-statistisch nachgewiesenen Zusammenhang zwischen irgendeinem Klimawandel und der Häufigkeit von Starkregenereignissen.

(Beifall von der AfD – Zuruf von den GRÜNEN: Das sollten mal die Menschen in Wuppertal hören!)

Ich bedaure es manchmal sehr, solch eine Geringschätzung der Mathematik bei Ihnen zu erleben; aber es wundert mich eigentlich nicht.

Von Bertolt Brecht – den schätzen Sie doch sicher – stammt das Zitat:

„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“

Liebe Grüninnen, da es um Ihre mathematische Kompetenz, wie Sie eben bewiesen haben, sehr schlecht bestellt ist, mögen Sie noch in die erste Kategorie fallen. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Als Nächster spricht für die Landesregierung Herr Minister Reul.

Herbert Reul, Minister des Innern: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! 2014 gab es den schlimmsten jemals festgestellten Starkregen im Münsterland mit fast 300 l/m². Zwei Personen kamen damals beim Unwetter zu Tode. 2016 gab es ein Starkregen bei Bonn und am Niederrhein mit ca. 120 l/m². Bachläufe wurden zu reißenden Strömen. Wir erinnern uns auch noch an den großen Sturm „Ela“, der eine Schneise der Verwüstung vom Rheinland in das Ruhrgebiet gezogen hat.

Ich will gar nicht darüber diskutieren, ob und wie die Landesregierung damals reagiert hat, aber eines zur Wahrheit gehört: Die damalige Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben keinen Unwetterfonds zur Wiederherstellung kommunaler Infrastruktur angelegt. Sie haben damals auch keine generelle Bewältigungsstrategie bei Naturkatastrophen entwickelt. Sie haben auch kein Sonderprogramm und keine Entschädigung oder Soforthilfe für die zerstörte kommunale Infrastruktur aufgelegt.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Hört! Hört!)

Das ist ein Fakt. Wer diese Bilanz vorzuweisen hat, sollte andere nicht angreifen oder zumindest etwas behutsamer sein.

Nun zu dem, was wir gemacht haben: Wir haben am 30. Januar dieses Jahres eine Richtlinie über die Gewährung von Soforthilfen bei durch Naturkatastrophen hervorgerufenen Notständen veröffentlicht. Und das verpflichtet uns. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben nach den ersten Warnungen des Deutschen Wetterdienstes die Lageentwicklung systematisch beobachtet.

Am 30. Mai 2018, einen Tag nach dem Starkregenereignis, haben wir sofort die Schadensermittlung eingeleitet. Übrigens ist das die Voraussetzung dafür, dass Sie entscheiden können, wem Sie wie viel Unterstützung geben. Sie müssen erst einmal die Fakten kennen.

Wir haben bei der ersten Unwetterwarnung schon dafür gesorgt, dass die Lage beobachtet und ausgewertet wird, um die Anwendung der Soforthilferichtlinie zu prüfen. Bereits vor dem Unwetter haben wir die systematische Erfassung von Einsätzen veranlasst. Unmittelbar am Morgen nach dem Unwetter haben wir die Bezirksregierungen aufgefordert, die nach der Soforthilferichtlinie vorgesehenen Berichte über die Schadenslage zu liefern.

Eines ist klar – ich finde, das müsste inzwischen allen klar sein –: Wir dürfen nicht nach Gutsherrenart entscheiden, wo Soforthilfe gewährt werden kann und wo nicht. Deshalb haben wir die Richtlinie, die uns verpflichtet, die Lage genau zu prüfen und dann dort zu helfen, wo es extrem schlimm ist, wo man von einer Naturkatastrophe sprechen kann.

Das ist schlimm für diejenigen, die ihren Schaden bei sich privat auch als eine persönliche Katastrophe empfinden. Aber es ist so. Irgendwo muss dann die Grenze gezogen werden. Wir haben ein Konzept, wir haben eine Richtlinie, und danach wird gehandelt.

Ich habe mir selber – das ist schon gesagt worden – in Wuppertal die Situation angeschaut. Es ist schon extrem gewesen. Deshalb kommt Wuppertal auch in den Genuss dieser Soforthilfemaßnahme. Es gab Riesenschäden durch Wasser und Schlamm. Die Aufräumarbeiten dauern lange. Den Menschen, die davon betroffen sind, kann man nur sehr begrenzt helfen. Die verzweifelte Lage können Sie einfach nicht wegdiskutieren, wenn da alles kaputt ist. Wir wollen und werden Soforthilfe leisten und werden auch die Stadt unterstützen. Schnell handeln heißt aber: Voraussetzungen ordnen, gründlich handeln.

Ich darf Ihnen Folgendes berichten: Der Umweltdezernent der Stadt Wuppertal war heute bei der Landesregierung und hat bestätigt, dass er noch nicht einmal eine präzise Ermittlung der Kosten vorlegen kann. Das ist überhaupt kein Vorwurf. Es ist doch logisch, dass das Zeit braucht.

Anders als in Ihrem Antrag dargestellt, erhielten die Städte Greven und Münster 2014 keine Hilfe zur Wiederherstellung ihrer kommunalen Infrastruktur, sondern bekamen Zuweisungen aus Mitteln des kommunalen Finanzausgleichs für die außergewöhnlichen Belastungen, die sie hatten. Das waren Unterstützungen für akute Maßnahmen zu Gefahrenabwehr und Verkehrssicherung sowie für eigene Hilfszahlungen an von existenziellen Notfällen Betroffene.

Auch die jetzt von Starkregen stark betroffenen Kommunen können ihre außergewöhnlichen finanziellen Belastungen geltend machen. Sie werden dabei die notwendige Hilfe durch die Landesregierung erhalten. Mit Wuppertal sind wir bereits im Gespräch.

Zum Thema „Fonds“ nur wenige Sätze: Der Fonds ist hier bereits diskutiert worden. Damals ist schon darauf hingewiesen worden, dass das auch finanzwirtschaftlich keine kluge Lösung ist. Für einen solchen Fonds würden erhebliche Mittel des Landes und auch der Kommunen fest gebunden. Das macht keinen Sinn.

Wir wollen übrigens auch – das ist schon vorgetragen worden – keine Fehlanreize auslösen. Kommunen müssen genau wie Privatpersonen zuerst für den Schutz ihrer Häuser und ihrer Infrastruktur sorgen. Das ist wahr. Dafür gibt es zum Beispiel auch Elementarschadensversicherungen. Mit einem Fonds würde man Kommunen unterstützen, die sich möglicherweise nicht dagegen versichern. Auch das muss man immer bedenken. Will man wirklich diejenigen, die Vorsorge treffen, gegenüber denjenigen, die das nicht tun, benachteiligen?

Bei Starkregen können übrigens Kommunen eine Menge tun. Das ist bereits angesprochen worden. Sie schreiben das übrigens auch in Ihrem Antrag. Diesen Teil finde ich in Ordnung. Gegen Starkregenschäden können Kommunen auch eine Menge selber tun. Das sehen wir so. Die Umweltministerin berät die Kommunen aktiv – auch durch Beiträge bzw. durch Veranstaltungen.

Eben war von den 30 Millionen € die Rede, die damals zur Unterstützung der Gefahrenabwehr und zur Wiederherstellung städtischer Infrastruktur geleistet wurden, wie es in Ihrem Antrag formuliert wird. Grund dafür waren aber nicht die Hochwasserschäden; Grund dafür war der Sturm „Ela“.

Beim Sturm „Kyrill“ hat das Land damals gehandelt. Das war auch richtig; das sind aber ganz andere Sachverhalte. Das sind nämlich Sachverhalte, bei denen eine Kommune überhaupt keine Chance hat – null Möglichkeiten –, sich dagegen zu wappnen. Deshalb ist das Land damals auch völlig zu Recht eingetreten.

Noch einmal: Wir werden die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger nicht im Regen stehen lassen. Wir werden da helfen, wo es sachgerecht ist und möglich ist. Die dafür notwendigen finanziellen Mittel stehen zur Verfügung.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Es ist also alles gut, Herr Reul?)

Noch einige Worte zur Bewältigung der Krise – das haben viele vorgetragen; aber ich will es bestätigen –: Am 29. Mai 2018 waren landesweit rund 5.400 Menschen im Einsatz und haben alles getan, um den Schaden zu beseitigen oder in Grenzen zu halten.

Wenn man das sieht, muss man sagen: In Nordrhein-Westfalen haben wir schon eine verdammt professionelle Organisation von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Kräften, auf die man stolz sein kann. Die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Katastrophenschutz haben eine Riesenleistung vollbracht. Herzlichen Dank an alle, die dazu beigetragen haben!

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Last, but not least, herzlichen Dank auch an die vielen Menschen, die sich untereinander geholfen haben! Darüber wird nicht geredet. Das zeigt: Die Bereitschaft des ehrenamtlichen Engagements ist in unserem Lande stark ausgeprägt – Gott sei Dank!

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Nächster Redner für die grüne Fraktion ist Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Debatte sogar noch schlimmer gekommen, als ich befürchtet hatte. Wenn man den Beitrag von Minister Reul ernst nimmt, steht heute hier im Raum, dass die Landesregierung der Auffassung ist: Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Die Feuerwehr und die anderen Kräfte haben alles prima aufgeräumt.

Die Kommunen sollen sich, bitte schön, mit Elementarversicherungen selbst gegen diese Schäden wappnen und sich ansonsten von der Umweltministerin beraten lassen, was sie an Klimaschutzmaßnahmen machen können.

(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Zuhören, Herr Kollege! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Minister Reul, eines kann ich Ihnen sagen: Wenn das wirklich der Standpunkt dieser Landesregierung ist, dann bin ich fassungslos.

(Zurufe von der CDU)

Die CDU hat damals vor vier Jahren vorgetragen

(Marc Lürbke [FDP]: Sie haben das damals abgelehnt!)

– so viel zum Schnellschuss, Herr Kollege Lürbke –: Wir brauchen diesen Unwetterfonds. – Sie sagen heute: Wir brauchen ihn nicht. Wir brauchen keine Absicherung für die Kommunen,

(Minister Herbert Reul: Das ist etwas anderes! – Zurufe von der CDU)

sondern private Vorsorge der Städte und Gemeinden. – Das ist nicht unsere Position. Das werden wir auch sehr klar überall erzählen.

Eines möchte ich Ihnen noch sagen, Herr Kollege Lürbke: Wir wollen auch keine Versicherungslösung. Sie ist viel zu teuer, unangebracht und auch unsolidarisch. Denn natürlich gibt es in Nordrhein-Westfalen Städte, die von Unwetterfolgen sehr viel stärker betroffen sind als andere. Deswegen muss es eine solidarische Lösung geben.

Eigentlich – das will ich Ihnen noch sagen – hätten wir hier und heute namentlich abstimmen müssen. Denn diese Art der Arroganz,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das sagt der Richtige!)

die Sie nach einem Jahr Regierung an den Tag legen,

(Zurufe von der CDU und der FDP)

haben Sie uns auch nach sieben Jahren Regierung nicht vorwerfen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind nicht an der Sache orientiert, sondern sagen immer nur: Die anderen waren schlechter. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können gerne so weitermachen. Das ist aber nicht sachgerecht.

Wir haben Ihnen einen sehr konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt.

(Zurufe von Ralf Witzel [FDP] und Marc Lürbke [FDP])

Sie sind nicht bereit, auch nur einen Satz dazu zu sagen, was Sie besser machen wollen, sondern sagen nur, warum Sie der Auffassung sind …

(Ralf Witzel [FDP]: Was haben Sie denn jahrelang gemacht?)

– Herr Witzel, Sie wollen für alles „Privat vor Staat“, das habe ich verstanden, und alles in die Versicherungen schieben.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Wir wollen eine solidarische Lösung. Sie haben sie abgelehnt. Das werden wir vor Ort sehr klar erzählen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD] – Zurufe von der CDU und von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Als nächster Redner ist von der AfD-Fraktion Herr Beckamp angemeldet.

Roger Beckamp (AfD): Meine Damen und Herren! Ich bin nicht ganz so empört wie Herr Mostofizadeh – wahrscheinlich völlig zu Unrecht, weil Ihr Antrag eigentlich schlecht genug ist, um empört zu sein.

Der Starkregen ist in einigen Gemeinden noch gar nicht richtig getrocknet. Die Aufräumarbeiten sind noch im Gange. Die Ursachen sind noch gar nicht richtig geklärt. Trotzdem werden schon konkrete Forderungen in Millionenhöhe daraus abgeleitet.

Natürlich muss hier unbürokratisch ganz viel Geld bereitgestellt werden. Es liegen zwar noch gar keine Zahlen zu den Schäden vor. Sie wissen aber bereits: 200 Millionen € sollten es schon sein.

Bei der Abwicklung halten Sie sich auch nicht mit kleinlichen Fragen auf. Herr Mostofizadeh, apropos kleinliche Fragen: Wann liegt denn ein Extremwetterereignis vor? Reicht ein Sturm mit Windstärke 9 oder ein Orkan mit Windstärke 12? Reichen 100 l Regen pro Quadratmeter, oder müssen es mehr sein? War die Infrastruktur, die man mit Ihrem Geld erneuern muss, vielleicht schon längst baufällig und hätte ohnehin erneuert werden müssen?

All diese kleinlichen Fragen stellen Sie nicht. Sie wollen den großen Krug mit ganz viel Geld einfach ausschütten und wissen gar nicht genau, warum – wie auch manchmal sonst in diesem Hause, wenn es um irgendwelche Gelder geht, die nicht von Ihnen stammen, zum Beispiel Mitarbeiterbudgets.

(Andreas Bialas [SPD]: Das ist aber schon sehr weit von den Menschen entfernt! Sehr weit entfernt!)

Sie als Grüne – es könnte auch die SPD sein; ich spreche jetzt aber die Grünen an, weil Sie ständig dazwischenrufen – weisen selbst auf Ihr Konzept Starkregen NRW hin. Dann könnte man ja erst einmal überlegen, ob man die Vorschläge, die darin stehen, umsetzt. Es gibt dazu nämlich eine ganze Menge Vorschläge. Wir haben das recherchiert. Was Sie da gemacht haben, ist auch gar nicht verkehrt.

Es gibt so etwas wie resiliente Stadtentwicklung, also das Schaffen robuster und widerstandsfähiger Stadtstrukturen. Dazu liegt auch ein Gutachten vor – ganz aktuell aus 2017. Denn klar ist, dass dichte Bebauungsstrukturen, hohe Versiegelungsgrade und abnehmende Grün- und Erholungsflächen die Stadt anfällig für Starkregen machen. Diese Erkenntnis ist ja nicht neu.

Es gibt aber wohl ein Umsetzungsproblem bei all diesen Punkten, die Sie in der alten Regierung schon erarbeitet haben. Deshalb sollte man zunächst in den Ausschüssen für Umwelt und für Bauen und Wohnen den ganzen Werkzeugkasten einmal genau durchsehen und überlegen, was sinnvoll umgesetzt werden kann. Dazu zählen Maßnahmen von Eigentümern – Kellerfenster, Kellereingänge usw. sichern –, Maßnahmen von Kommunen – Wasserversickerung beibehalten – und die genaue Prüfung von Fördermöglichkeiten.

Wenn man das getan hat und weiß, welche Folgen der Starkregen überhaupt hatte, kann man vielleicht über andere Maßnahmen nachdenken. Bisher geht Ihr Konzept eines Unwetterfonds aber voll am Thema vorbei.

Deshalb: erst den Sachverhalt klären, dann bewerten und dann vielleicht Geld verteilen. – Empörung zu Ende.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Beckamp. – Ich darf nun für die Landesregierung zu ihrer ersten Rede hier im Plenum Frau Ministerin Heinen-Esser begrüßen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben jetzt schon sehr viel zum Thema „Soforthilfe“ gehört. Ich danke ausdrücklich meinen Vorrednern und insbesondere dem Kollegen Herbert Reul, der denjenigen gedankt hat, die jenseits aller Soforthilfe die Arbeit vor Ort gemacht haben, nämlich der Feuerwehr, der Polizei, dem Technischen Hilfswerk und allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Das sind diejenigen, die tatsächlich dafür gesorgt haben, dass die Schäden nicht noch größer geworden sind, als sie es bereits waren.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Es geht aber nicht nur um die Unterstützung bei der Beseitigung von bereits entstandenen Schäden. Deshalb stehe ich auch hier am Redepult und spreche für die Landesregierung. Es geht auch darum, dass wir wesentlich früher ansetzen müssen. Wir müssen sicherstellen, dass Nordrhein-Westfalen in Zukunft noch besser gegen Starkregen und andere Extremwetterereignisse gewappnet ist. Wir wollen Nordrhein-Westfalen tatsächlich klimawandelfest machen.

Lassen Sie mich, weil es eben schon an der einen oder anderen Stelle diskutiert wurde, auch noch etwas zum Thema „Klimawandel“ sagen. Die durchschnittliche Jahresmitteltemperatur hat sich in NRW seit Beginn der Messungen im Jahr 1881 um 1,4° C erhöht. Allein der Blick auf die Temperaturen des vergangenen Jahres zeigt, dass der Klimawandel tatsächlich hier und jetzt stattfindet. 2015 und 2017 waren weltweit die heißesten jemals gemessenen Jahre. Der März 2017 war in Deutschland der wärmste März seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Der darauf folgende Temperatursturz im April hatte katastrophale Auswirkungen auf die Natur und die Landwirtschaft.

Wie der März war auch der Oktober des letzten Jahres einer der heißesten seit 1881. Auch in diesem Jahr sind für April und Mai bereits wieder Rekordwerte gemessen worden.

Parallel dazu zeigen Klimaprojektionen bis zum Jahr 2050 einen deutlichen Anstieg von Extremwetterereignissen an.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Unglaublich!)

Vorhin wurde hier angezweifelt, dass es einen Zusammenhang zwischen diesem Anstieg der Temperaturen, dem Klimawandel und den Extremwetterereignissen gibt. Wir können aber einen leichten Anstieg feststellen – auch bei den lokalen Ereignissen.

Eine recht beeindruckende Zahl möchte ich Ihnen gern noch mitteilen. Sie stammt vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Demzufolge gab es im Jahr 2015 wetterbedingte Schäden in Höhe von 100 Millionen €. Nur zwei Jahre später, nämlich im Jahr 2017, hat sich diese Zahl bereits auf fast 1 Milliarde € verzehnfacht.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Wenn Sie sich diese Schäden angucken, werden Sie genau sehen, dass es dort klare Entwicklungen gegeben hat.

(Unruhe)

– Wenn Sie beide sich untereinander unterhalten wollen, können Sie das gerne tun.

(Beifall von der CDU und der FDP – Unruhe – Glocke)

Aber es ist wirklich nicht fair, nicht zuzuhören. Insofern wäre es schön, wenn Sie mir zuhören würden. Wir können ja hinterher noch weiter diskutieren.

Meine Damen und Herren, selbst durch eine ehrgeizige Klimapolitik können wir den Wandel des Klimas nicht mehr verhindern, sondern tatsächlich nur noch abmildern. Wir sind in Nordrhein-Westfalen auf einem guten Weg. Wir haben unsere Klimaziele schon erreicht. Wir haben die Treibhausgasemissionen um 22 % gesenkt. Das festgehaltene Klimaschutzziel von minus 25 % im Jahr 2020 wird eingehalten.

Aber jetzt müssen die Symptome behandelt werden. Wir müssen die Kommunen auf die Folgen von Klimaänderungen vorbereiten und geeignete Klimaanpassungsmaßnahmen entwickeln.

Aufgrund der großen regionalen Unterschiede – die Stadt Wuppertal hat andere Probleme als beispielsweise die Stadt Köln oder die Stadt Münster – müssen diese Unterstützungen auf lokaler und regionaler Ebene durchgeführt werden.

Die Landesregierung unterstützt die Kommunen mit Informationen und Beratungsangeboten. Im April dieses Jahres hat das Umweltministerium mit sehr großem Erfolg einen landesweiten Klimaanpassungskongress für Kommunen veranstaltet. 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben strategische Ansätze und konkrete Maßnahmen diskutiert und sich auf den Klimawandel vorbereitet.

Wir werden im Laufe dieses Jahres und im Laufe des nächsten Jahres noch einmal sechs regionale Foren zur Klimaanpassung in den Regierungsbezirken durchführen. Eine Vielzahl von Klimaanpassungsmaßnahmen kann vom Land gefördert werden, zum Beispiel über Projekte oder die Städtebauförderung.

Sie sehen also: Die Landesregierung steht den Kommunen auch mit Rat und Tat zur Seite, um präventiv vorzusorgen, damit sich Starkwetterereignisse und Extremwetterereignisse zukünftig nicht mehr so stark mit all ihren negativen Folgen auswirken werden.

Klimaanpassung bedeutet, für unser Leben von morgen zu sorgen. Dies ist unsere Verantwortung und unser Anspruch. Das werden wir auch weiter so tun.

Ich danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit – wenn auch nicht in jeder Sekunde; aber das wird schon werden. – Herzlichen Dank.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen damit zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/2766. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und Grüne. Wer ist dagegen? – Das sind CDU, FDP, AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten Neppe und Langguth. Gibt es Enthaltungen? – Damit ist der Antrag Drucksache 17/2766 mit dem festgestellten Votum abgelehnt.

Ich rufe auf:

12 Gesetz zur Verbesserung der Transparenz und Staatsferne der Landesanstalt für Medien (LfM) Nordrhein-Westfalen und des Westdeutschen Rundfunks Köln (WDR)

Gesetzentwurf
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2759

erste Lesung

Ich darf für die AfD Herrn Tritschler das Wort erteilen.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Rundfunk, der vom Staat geschaffen wird, bei dem der Staat über die Finanzierung entscheidet und dessen Kontrollgremien nach staatlichen Direktiven besetzt werden, wird dem neutralen und unvoreingenommenen Beobachter wohl kaum als staatsfern zu vermitteln sein. Aber gesunder Menschenverstand und Politik gehen ja nicht immer zusammen. Hier wird ein solcher Rundfunk betrieben, um angeblich – so heißt es – die Vielfalt in der Medienlandschaft zu sichern.

Um – so die Theorie – die Staatsferne sicherzustellen, werden die Kontrollorgane, die Rundfunkräte, mit nur einigen Vertretern der Politik besetzt; der Rest dagegen soll aus der Mitte der Gesellschaft von sogenannten gesellschaftlich relevanten Gruppen kommen.

Freilich entscheidet das Parlament, welche Gruppen als relevant zu gelten haben. Das ist schon der erste Knackpunkt. Die SPD platziert die Sozialverbände, die CDU platziert die Arbeitgeberverbände, die Grünen platzieren die Umweltverbände, die FDP platziert die Freiberufler usw. Als kleines Dankeschön benennen diese Verbände dann wiederum nicht irgendwen, sondern auffallend oft Leute mit Parteibuch – gerne Personen, die ihre Karriere schon hinter sich haben, aber vielleicht das Zubrot im Alter oder einen Auftrag noch gut gebrauchen können; Ex-Minister, Ex-Abgeordnete und andere, die man vielleicht überreden musste, an anderer Stelle Platz zu machen.

Auf jeden Fall kann man sich in den Parteizentralen der Loyalität der alten Kämpfer gewiss sein, selbst wenn sie nicht offiziell auf einem Parteiticket in den Rundfunkrat eingezogen sind.

Wir haben uns das beim WDR-Rundfunkrat einmal genauer angesehen. Sie können das Ergebnis im Antrag nachlesen. Nahezu die Hälfte seiner Mitglieder gehört zum Kartell der Altparteien. Meine Damen und Herren, wer hier noch von Staatsferne spricht, der heuchelt.

(Beifall von der AfD)

Nein, das ist auch keine böse Verschwörungstheorie der bösen Rechtspopulisten. Das Bundesverfassungsgericht hat das Problem erkannt. Es gibt umfängliche Literatur dazu. Auch hier im Haus war es schon öfter ein Thema.

Kollege Nückel von der FDP, der nach mir sprechen wird, hat diese Verhältnisse gleich mehrfach kritisiert. Er sprach – Zitat – von einem auf Rot-Grün gebürsteten und aufgeblähten Rundfunkrat und von der Versorgung der mit Rot-Grün befreundeten Organisationen. Im Hauptausschuss wurde er für seine Kritik an der mangelnden Staatsferne des ZDF wiederum vom Kollegen Keymis gleich als böser Rechtspopulist abgestempelt.

Kollege Schick von der CDU, der auch gleich spricht, wiederum nahm Herrn Nückel dafür in Schutz. Sein ehemaliger Kollege Professor Sternberg kritisierte ebenfalls die Zusammensetzung des WDR-Rundfunkrats.

Jetzt könnte ich ja hoffen, Herr Schick und Herr Nückel würden unseren Antrag unterstützen. Aber diese Naivität haben Sie uns im letzten Jahr schon abgewöhnt. Vielmehr steht zu befürchten, dass Sie jetzt, wo Sie die Mehrheit haben, wieder einmal Ihre Meinung wechseln und gleich das Hohelied auf unseren fantastischen, vielfältigen Staatsfunk singen. Schließlich können und werden Sie sich vermutlich bald daranmachen, meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, die Mehrheitsverhältnisse in den Rundfunkgremien zu Ihren Gunsten zu verschieben.

(Helmut Seifen [AfD]: So ist es!)

Dabei ist unser Antrag weder radikal noch populistisch, wie wir wahrscheinlich gleich hören werden. Im Gegenteil: Wir wollen nur Transparenz. Wir wollen, dass die Mitglieder der entsprechenden Gremien offenbaren müssen, ob sie einer Partei angehören und ob sie einmal Mitglied einer Regierung oder eines Parlaments waren – mehr nicht. Wir verwehren auch weiterhin niemandem den Zugang zum Rundfunkrat und schließen niemanden aus. Wir wollen nur, dass die Bürger unseres Landes auch wirklich wissen, wer sie dort vertritt bzw. vertreten soll.

Dagegen, gegen Transparenz, kann man eigentlich nichts haben – es sei denn, man hat etwas zu verbergen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Für die CDU erteile ich dem Abgeordneten Schick das Wort.

Thorsten Schick (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die AfD-Fraktion mehr Transparenz und Staatsferne in den Aufsichtsgremien der Landesanstalt für Medien und des WDR erreichen.

Ich sehe, ehrlich gesagt, das Problem nicht. Wir haben weder bei der Transparenz noch bei der Staatsferne ein Problem. Die Zahl der durch den Landtag entsandten Vertreter ist eng begrenzt und liegt deutlich – ich betone: ganz deutlich – unter den Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht definiert hat. Außerdem dürfen Verbände weder Abgeordnete noch Personen entsenden, die herausgehobene Ämter in Parteien bekleiden. Damit sind alle Vorgaben des ZDF-Urteils bezogen auf Transparenz und Staatsferne umgesetzt.

Sie gehen aber noch einen Schritt weiter und fordern, dass aktuelle und frühere Parteimitgliedschaften veröffentlicht werden sollen. Dieser Vorgang ist aus meiner Sicht einmalig. Denn eine einfache Parteimitgliedschaft ist in Deutschland Privatsache. Ich finde, dass das auch so bleiben sollte.

(Zuruf von Roger Beckamp [AfD])

Eine Verdächtigungspolitik, wie Sie sie hier einschlagen, ist keine Antwort auf diese Fragen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Wir können festhalten, dass die Arbeit in den Gremien funktioniert. Ich sitze – Sie haben es angesprochen – im Rundfunkrat. Herr Seifen sitzt mir gegenüber. Ich habe nicht das Gefühl, dass Herr Seifen sich dort besonders unwohl fühlt. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass er zu Entscheidungen genötigt wird, die ihm nicht gefallen. Er trägt fast alle Entscheidungen mit.

Ich könnte auch die Kollegen in der Medienkommission der Landesanstalt für Medien fragen. Herr Tritschler, Sie sind dort Mitglied und treffen auch alle Entscheidungen mit.

Hier tun Sie so, als handele es sich um eine Veranstaltung, bei der ausgekungelt werde und Parteien mit dem langen Arm bestimmten, was im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und in der Medienlandschaft passiert. Das kann doch nicht sein. In diesem Fall müssten Sie sich ja ganz anders verhalten. Ich habe das Gefühl, dass Sie die Bühne des Landtags nutzen, um populistische Medienpolitik zu betreiben, während Sie in den Gremien auf einmal als angepasste Vertreter auftreten und alles mittragen,

(Beifall von Kirstin Korte [CDU])

weil – das kann man wohl über die Parteigrenzen hinweg sagen – der öffentlich-rechtliche Rundfunk gute Arbeit leistet und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland sehr viel beiträgt. Ansonsten müssten Sie sich, wie gesagt, in den Gremien anders verhalten. Aber das tun Sie nur hier im Landtag, um damit Stimmung an der Basis zu machen.

Wir können gerne im Ausschuss über den Antrag diskutieren. Ich glaube aber, Ihnen geht es …

Präsident André Kuper: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seifen?

Thorsten Schick (CDU): Ich gestatte keine Zwischenfrage; denn ich glaube, dass die gerade getätigten Aussagen für sich stehen und nicht noch durch entsprechende Bemerkungen erweitert werden müssen. Wir werden ohnehin noch im Ausschuss darüber sprechen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Herr Kollege, bitte bleiben Sie am Redepult. Seitens der AfD ist eine Kurzintervention angemeldet worden. – Herr Seifen, bitte schön.

Helmut Seifen (AfD): Herr Kollege Schick, es ist sehr löblich, dass Sie wenigstens darauf hingewiesen haben, dass ich dort mitarbeite – anders als Herr Vogt, der seinerzeit behauptet hat, ich würde dort nur herumsitzen. Er hat meine Wortbeiträge wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen.

Haben Sie denn nicht wahrgenommen, dass Herr Tritschler gar nichts gegen den Rundfunkrat und gegen dessen Arbeit gesagt hat, und dass er auch nichts dagegen gesagt hat, dass dort Landtagsabgeordnete vertreten sind, deren Parteizugehörigkeit man identifizieren kann?

Es geht lediglich darum, dass auch die von den Verbänden entsandten Personen meistens eine Parteimitgliedschaft haben. Das ist aber intransparent. Man weiß zum Beispiel nicht, ob der Vertreter der Behinderten oder der Vertreter des Humanistischen Verbandes eventuell Mitglied der FDP, der CDU oder der Grünen ist. Das alles kann man nicht sehen.

Nur darum geht es, Herr Schick. Transparenz zu fordern, heißt doch nicht, die Arbeit eines solchen Gremiums zu verurteilen, sondern bedeutet im Gegenteil, sie noch besser zu machen.

(Beifall von der AfD)

Thorsten Schick (CDU): Herr Seifen, Sie sagen, dass die Gremien gute Arbeit leisten, wie auch ich es gerade betont habe. Das bedeutet aber aus meiner Sicht auch, dass die Gremien gut zusammengesetzt sind; denn ansonsten wäre es nicht möglich, die Arbeit entsprechend zu leisten.

(Lachen von Helmut Seifen [AfD])

Sie sagen außerdem, dass nur, weil ein Verband eine Person entsendet, die ein Parteibuch hat, automatisch der lange Arm des Gesetzgebers, des Parlaments …

(Zuruf von Roger Beckamp [AfD])

– Wenn Sie kein Interesse an meiner Antwort haben, warum machen Sie dann überhaupt eine Kurzintervention? Sie müssen mich dann schon ausreden lassen.

Wenn Verbände Personen schicken, gehe ich davon aus, dass diese Verbände das in erster Linie tun, weil sie ein gesellschaftliches Anliegen haben.

Die eigentliche Arbeit, die Verbände leisten, kann man wahrscheinlich nur dann nicht ernst nehmen, wenn man das AfD-Weltbild hat und sich nicht über lange Zeit mit Institutionen und Verbänden in diesem Land beschäftigt hat.

(Beifall von der CDU und der FDP – Roger Beckamp [AfD]: Das ist doch lächerlich!)

Präsident André Kuper: Für die SPD erteile ich nun Herrn Abgeordneten Vogt das Wort.

Alexander Vogt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein wichtiger Teil unserer Demokratie. Zu einer starken Demokratie gehören unabhängige Journalistinnen und Journalisten, die kritisch berichten – auch über Politikerinnen und Politiker, über Politik und über Parteien. Genau die gleichen Anforderungen werden an Journalistinnen und Journalisten privater Medien gestellt.

Die AfD kritisiert nun die Aufsichtsgremien beim WDR und die Medienkommission der Landesanstalt für Medien, die für die Aufsicht über die privaten Medien zuständig ist.

Sie ziehen dazu das Verfassungsgerichtsurteil vom 25. März 2014 zum ZDF-Staatsvertrag heran. Wenn Sie sich ein bisschen mit der Thematik beschäftigt hätten und mit dem, was in den vergangenen Jahren hier beschlossen wurde gerade mit Blick auf dieses Staatsvertragsurteil, dann hätten Sie festgestellt, dass wir im WDR-Gesetz und im Landesmediengesetz in der vergangenen Periode eine ganze Reihe an Anpassungen durchgeführt haben, die genau auf dieses Staatsvertragsurteil abzielen, die mehr Transparenz und mehr Offenheit bringen.

Wenn wir uns beispielsweise das WDR-Gesetz genauer ansehen, dann stellen wir fest, dass wir jetzt eben nicht die Situation haben, dass es weniger Transparenz und weniger Staatsferne gibt, sondern mehr. Wir haben 60 Mitglieder im Rundfunkrat. Davon entsendet der Landtag 13, maximal neun davon dürfen Abgeordnete sein. Wir haben auch festgeschrieben, dass es Männer und Frauen geben soll. Mit diesem Thema haben Sie ja meistens ein Problem.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Wenn wir uns die Zahlen ansehen, dann stellen wir fest, dass die Quote der Vertreter des Landtags im Rundfunkrat bei 22 % und in der Medienkommission bei 19,5 %, also acht von 41 Mitgliedern, liegt. Daran kann man sehen, wie ausgeprägt die Staatsferne dort ist.

Wir haben weiterhin beschlossen, dass es mehr Veröffentlichungspflichten gibt. Wir haben beschlossen, dass die Sitzungen generell öffentlich sind. Damit haben wir die Vorgaben des Verfassungsgerichts erfüllt.

Aber das eigentliche Ziel von Ihnen sind ja ausnahmsweise nicht – das hat Herr Seifen gerade schon angekündigt – die gewählten demokratischen Vertreter der anderen Parteien, sondern Sie zielen mit Ihren Vorwürfen auf die Vertreter der einzelnen Verbände. Sie unterstellen den Vertretern, die durch die Verbände in den Rundfunkrat und die Medienkommission gesetzt wurden, dass sie nicht unabhängig arbeiten können, wenn sie gleichzeitig Mitglied einer Partei sind.

Das ist schon eine Nummer, die es hier so bisher noch nicht gab. Den Vertreterinnen und Vertretern des DGB, der Arbeitgeberverbände, der Europa-Union, des Mieterbundes, der Religionsgemeinschaften, des Integrationsrats, der Familien- und Sozialverbände und anderen vorzuwerfen, dass sie, wenn sie von dort in ein Gremium entsandt wurden, nicht in der Lage sind, unabhängig zu agieren und vernünftige Entscheidungen zu treffen, nur weil sie einer demokratischen Partei angehören – das ist ein starkes Stück, und dagegen verwehren wir uns ganz klar.

Präsident André Kuper: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tritschler?

Alexander Vogt (SPD): Sehr gerne.

Sven Werner Tritschler (AfD): Wer entscheidet denn, welche Verbände in den Rundfunkrat kommen? Sind Sie mit mir der Meinung, dass die Politik einen sehr erheblichen Einfluss und auch Druckmittel auf die Verbände hat, die Vertreter entsenden?

Alexander Vogt (SPD): Gesetzlich festgelegt wird die Zusammenstellung der Verbände durch den Landtag, auch durch Sie. Sie waren in der letzten Periode noch nicht dabei. Durch diese Festlegung sitzt unter anderem auch Herr Seifen im Rundfunkrat. Und auch Sie haben einen Sitz in der Medienkommission.

(Zuruf von der SPD)

Wir haben jetzt die Situation, dass wir diese verschiedenen Verbandsvertreter in den Gremien haben, die dort ihre Arbeit machen. Wenn diese gleichzeitig Mitglied einer Partei sind, dann ist das nichts Schädliches; vielmehr ist die Tatsache, Mitglied einer demokratischen Partei in Deutschland zu sein und sich für die Demokratie zu engagieren, etwas höchst Anständiges.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wenn Ihnen das nicht passt, weil man nicht Mitglied Ihrer Partei ist, dann haben Sie ein Problem und nicht diejenigen, die Mitglied einer Partei sind und sich für Demokratie engagieren.

(Helmut Seifen [AfD]: Aber dann kann man sich doch dazu bekennen!)

Zuletzt noch eine Sache: Wenn Sie so ein großes Problem damit haben, dass man Mitglied einer demokratischen Partei

(Zuruf von der AfD)

oder überhaupt Mitglied einer Partei und gleichzeitig in einem Verband tätig ist, dann hätten Sie doch die Chance gehabt – weil die AfD doch die Möglichkeit hat –, Mitglieder in die verschiedenen Gremien zu entsenden, Menschen zu entsenden, die kein Parteimitglied oder zumindest kein Parteimitglied der AfD sind.

Die Piraten haben das vorgemacht. Sie haben in der letzten Legislaturperiode eine Ausschreibung gemacht und Menschen für den Rundfunkrat und die Medienkommission benannt, die mit der Piratenpartei nichts zu tun hatten oder zumindest kein Mitglied waren. Diese Chance hätten auch Sie gehabt. Das ist eben das Scheinheilige an Ihrem Gesetzentwurf und an Ihrem Antrag. Wenn Sie weniger Parteienvertreter im Rundfunkrat und in der Medienkommission haben wollen, dann geben Sie doch Ihre Sitze zurück und geben Sie diese an Menschen, die kein Parteimitglied sind.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der AfD)

Ich halte das grundsätzlich für falsch, aber wenn Sie ehrlich sein wollen, dann handeln Sie doch zumindest so. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die FDP hat der Kollege Nückel das Wort.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf soll – so hat es jedenfalls auf den ersten Blick den Anschein – auf dem ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts basieren. Wenn man aber genauer hinschaut, stellt man schnell fest, dass es sich bei dem Antrag aber doch eher um einen stummen Schrei nach Liebe handelt.

(Beifall von der FDP – Heiterkeit von der FDP und der SPD)

Denn der Antrag macht deutlich, dass die AfD darüber verärgert ist, dass sie bei den zumeist ehrenamtlichen gesellschaftlichen Organisationen keine Zärtlichkeit findet. Und kompensieren tun Sie das jetzt mit dieser Fleißarbeit, die Sie an den Tag gelegt haben. Sie haben Debattenbeiträge aus der letzten Legislaturperiode gesammelt und herausgefunden, wo welches Mitglied vielleicht noch weiterhin Mitglied ist, außer bei der Organisation, vielleicht bei einer Partei.

Verwunderlich war, dass Sie dabei aktive wie nichtaktive Mitglieder der Parteien sozusagen in Sippenhaft genommen haben und jemanden, der nur in einem Arbeitskreis einer Partei mitarbeitet, gleich zu einem Funktionär deklariert haben. Das zeigt die Absicht Ihres Vorstoßes.

Wenn wir noch einmal zurückkommen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Anteil der staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsratsgremien auf ein Drittel begrenzt, dann kann man nur sagen: Wir Nordrhein-Westfalen halten sämtliche Vorgaben ein.

Vielleicht hätten Sie aber das ZDF-Urteil mal in Ruhe lesen sollen und nicht bloß den Leitsatz. Bei einer tieferen Lektüre kann man sehr schnell feststellen, dass bei regulären Parteimitgliedern ohne Funktion oberhalb der Kreis- und Bezirksebene, die nicht direkt von einer Partei entsandt worden sind, das Bundesverfassungsgericht eben keine Inkompatibilität aufgrund ihrer Staatsnähe annimmt.

Das ist im WDR-Gesetz genauso geregelt. Deswegen sehe ich die von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen insgesamt als nicht notwendig an. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Grünen erhält nun der Kollege Klocke das Wort.

Arndt Klocke*) (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Mitglied des Kultur- und Medienausschusses habe ich mir natürlich den Gesetzentwurf der AfD-Fraktion durchgelesen. Die Vorredner haben es schon gesagt: In wesentlichen Punkten geht der Antrag an der Realität in den Rundfunkräten vorbei.

Sie suggerieren – das machen Sie als AfD ständig in dem, wie Sie öffentlich über öffentlich-rechtliche Medien reden –, dass es eine Staats- oder Parteiensteuerung bei diesen Medien gebe.

(Markus Wagner [AfD]: Das ist so!)

Die Mitgliedschaft in einer demokratischen Partei ist nichts, was man verschweigen muss, aber es ist auch nichts, was man bei jeder Gelegenheit angeben muss. Sie unterstellen den Verbänden, die im Rundfunkrat oder in der Medienkommission vertreten sind, dass die Mitglieder, die gleichzeitig ein Parteibuch haben oder Mitglied im Verband A oder B sind, von dieser Partei oder dem Verband gesteuert werden. Das ist eine pauschale Unterstellung. Auf dieser Unterstellung aufbauend legen Sie einen Gesetzentwurf vor.

(Markus Wagner [AfD]: Wir haben keine Unterstellungen getroffen!)

Das ist hochgradig unanständig.

Wir werden den Gesetzentwurf an den Ausschuss überweisen. Es wird eine Anhörung stattfinden, in der sich Expertinnen und Experten äußern werden.

Das, was Sie mit diesem Gesetzentwurf beabsichtigen, ist, in die Öffentlichkeit zu streuen, es gebe in Nordrhein-Westfalen ein parteienstaatlich gelenktes Medienmonopol. Das ist der eigentliche Hintergrund dieses Gesetzentwurfes.

Präsident André Kuper: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Arndt Klocke*) (GRÜNE): Nein, ich lasse weder eine Zwischenfrage noch sonst etwas zu.

Sie versuchen, über diesen Gesetzentwurf das als Thema in der Öffentlichkeit zu setzen. Dafür gibt es, wie wir Ihnen ganz klar sagen können, erstens keine Grundlage. Zweitens ist eine Parteimitgliedschaft nicht irgendetwas, das man zu jeder Zeit vor sich hertragen muss. Es gibt Mitglieder, die ruhende Mitglieder in Parteien sind und in Verbänden führende Positionen haben und dafür auch in Gremien sitzen.

Für das, was Sie damit suggerieren wollen, nämlich dass die Rundfunkräte staatlich gelenkt werden, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein sehr klares Medienrecht.

Wir werden das im Ausschuss mit den Expertinnen und Experten diskutieren. Ich kann Ihnen aber bereits jetzt sagen: Die Zustimmung der Grünen wird dieser Gesetzentwurf nicht finden. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Herr Kollege, bitte bleiben Sie am Redepult. – Für die AfD-Fraktion hat sich der Vorsitzende Herr Wagner zu Wort gemeldet. Bitte, Sie haben das Wort.

Markus Wagner (AfD): Herr Klocke, Sie haben eben behauptet, der Antrag der AfD unterstelle, Vertreter mit Parteibuch würden dort entsprechend parteiisch arbeiten. Leider haben Sie mir keine Quelle genannt, wo das in unserem Antrag stehen soll. Das steht nämlich nicht in unserem Antrag.

Ferner haben Sie gesagt, dass Vertreter mit Parteibuch keine schlechtere Arbeit machen. Das hat keiner behauptet. Das wird auch nicht in unserem Antrag behauptet.

Aber gerade wenn das so ist, erschließt sich mir nicht, warum Sie gegen Transparenz sind. Warum sollen die Menschen nicht wissen, welche Verbandsvertreter welcher Partei angehören, die dort im Rat sitzen? Sonst schreiben Sie sich immer Transparenz auf die Fahnen. Und wenn es jetzt einmal darum geht, Transparenz zu zeigen, blocken Sie ab. Das ist für mich nicht schlüssig.

Präsident André Kuper: Bitte schön.

Arndt Klocke*) (GRÜNE): Ich habe nicht gesagt, dass Sie eine schlechte Arbeit machen, ich sehe nur keinen Sinnzusammenhang. Ich bin auch in zahlreichen Verbänden und Organisationen Mitglied. Es gibt überhaupt keinen Zwang, dass ich als Landtagsabgeordneter ständig meine Haupttätigkeit und meinen Beruf nennen und angeben soll.

Ich habe auch noch nie mitbekommen, dass es irgendwelche Unterstellungen gibt, nur weil ich Mitglied bei Greenpeace, bei Amnesty International oder was auch immer bin, dass diese Organisationen meine politische Arbeit steuern und lenken. Das suggerieren Sie mit Ihrem Antrag.

(Markus Wagner [AfD]: Dann haben Sie es missverstanden!)

– Ja, so habe ich es aber verstanden, und ich bin Redner für meine Fraktion. Es mag sein, dass ich das missverstanden habe. Jedenfalls ist das der Eindruck nach Lektüre Ihres Gesetzentwurfes gewesen. Wir werden das im Fachausschuss diskutieren, Expertinnen und Experten dazu hören und erfahren, ob es dafür einen Resonanzboden gibt oder nicht. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Herbert Reul.

Herbert Reul, Minister des Innern: Dieser Gesetzentwurf ist rechtlich nicht geboten. Er ist überflüssig, weil er neue bürokratische Regelungen schafft. Er ist nicht notwendig, weil die Öffentlichkeit ausreichend hergestellt ist. So einfach kann man die Position beziehen.

Die AfD will, dass gegenwärtige und frühere Parteimitgliedschaften von Mitgliedern in Rundfunkrat und Medienkommission in Zukunft veröffentlicht werden. Dafür gibt es überhaupt keinen Anlass und gar keine Notwendigkeit – weder rechtlich noch politisch.

Das Verfassungsgericht hat übrigens deutlich gemacht, dass die einfache Parteimitgliedschaft in den Gremien überhaupt keine Bedeutung hat. Nur diejenigen, die herausragende Funktionen in Parteien haben, dürfen nicht von gesellschaftlich relevanten Gruppen vorgeschlagen werden. Das ist im geltenden WDR-Gesetz und im Landesmediengesetz ganz sauber geregelt.

Jeder Interessierte, der wissen will, welche Parteimitgliedschaft irgendjemand hat, der in einem Gremium sitzt, kann das herausbekommen. Das ist das Leichteste auf der Welt. Da gibt es keine Probleme. Öffentlichkeit ist immer hergestellt. Das heißt: Es besteht keine Notwendigkeit, sondern nur unnötiger Ärger.

Last but not least möchte ich Herrn Klocke gerne zustimmen: Mich stört am meisten diese üble Verdächtigung gegenüber Menschen, die in Parteien sind. Die Menschen, die in Parteien sind, sind keine üblen Menschen. Sie sind mindestens normale Menschen, meistens sogar extrem engagierte Menschen, die sich für die Demokratie extreme Verdienste erwerben.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Insofern muss ich sagen: Dieser ewige Verdacht geht mir langsam auf den Senkel. – Entschuldigung, ich nehme „Senkel“ zurück.

(Helmut Seifen [AfD]: Wo steht etwas von Verdacht? – Weitere Zurufe von der AfD)

– Wenn Sie so weitermachen: Ich komme jetzt so richtig in Form.

(Heiterkeit – Helmut Seifen [AfD]: Da bin ich aber gespannt!)

Das Zweite, was Sie als Verdächtigung äußern, ist, das sei ein parteipolitisch, staatlich irgendwie gelenkter Rundfunk in Deutschland, nach dem Motto: Leute, glaubt denen nur nicht. – Diese Misstrauenskultur ist auch kein Beitrag für eine offene Diskussionskultur, sondern das genaue Gegenteil. Hören Sie bitte damit auf!

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Sie haben doch den WDR angegriffen! – Weitere Zurufe von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Für die AfD-Fraktion hat noch einmal Herr Tritschler um das Wort gebeten. Er nutzt seine verbliebenen 49 Sekunden.

Sven Werner Tritschler (AfD): Noch einmal ganz kurz, Herr Kollege Vogt. Wir können das jedes Mal durchexerzieren, wenn Sie möchten. Wenn Sie immer dieselbe Platte spielen, spiele ich sie auch.

Ja, Herr Seifen ist im Rundfunkrat, ja, ich bin in der Medienkommission – ganz transparent im Unterschied zu den vielen Parteienvertretern, bei denen es eben nicht transparent ist.

Offensichtlich halten Sie alle Bürger hier in unserem Land für zu blöd, zu unterscheiden, ob jemand parteiisch ist oder nicht, oder aber Sie glauben, dass sie einfach nicht vernünftig genug sind, mit dieser Information umzugehen. Deswegen möchten Sie es geheim halten.

Jeder Bürger kann doch für sich den Schluss ziehen: Parteimitgliedschaft heißt, dass sich jemand beeinflussen lässt – oder eben nicht. Sie aber haben offensichtlich Angst davor und möchten deshalb Geheim- und Herrschaftswissen wahren.

(Thomas Nückel [FDP]: Das ist doch nicht wahr!)

– Doch, genau das ist es, Herr Nückel. Herrschaftswissen und Geheimhaltung, darum geht es Ihnen.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren, ich habe keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen. Wir sind damit am Schluss der Aussprache.

Wir stimmen ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfes Drucksache 17/2759 an den Ausschuss für Kultur und Medien – federführend – sowie an den Rechtsausschuss. Wer möchte dieser Beschlussempfehlung folgen? – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Nein, das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung angenommen.

Ich rufe auf:

13 Zufriedenheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst stärken und hohe Krankenstände in der Landesverwaltung durch ein aktives behördliches Gesundheitsmanagement senken

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2160

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/2796

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2789

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU Herrn Dr. Optendrenk das Wort.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie gewinnen wir heute und morgen junge Menschen dafür, sich für einen Beruf im öffentlichen Dienst zu entscheiden? Wie gelingt es, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst trotz offensichtlicher Arbeitsverdichtung in vielen Bereichen möglichst lange gesund und zufrieden ihrer Arbeit nachgehen und für Staat und Bürger da sein können? Wie schaffen wir es, die Kosten für chronische Erkrankungen vieler Beschäftigter bei uns im Landesdienst zu senken oder zumindest nicht noch einmal deutlich steigen zu lassen?

Diese auf den ersten Blick sehr vielfältigen Fragen gehören sehr eng zusammen. Sie gehören zu den Fragen, die beantwortet werden müssen, wenn wir auch noch in einigen Jahren zum Beispiel genug Lehrerinnen und Lehrer, Polizistinnen und Polizisten, Richterinnen und Richter, Försterinnen und Förster sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen des Landes haben wollen.

Die öffentliche Hand steht vor der großen Aufgabe der Digitalisierung vieler Arbeitsbereiche. Der öffentliche Dienst steht vor der Herausforderung, in Zukunft überhaupt noch über ausreichend leistungsfähiges Personal zu verfügen. Die geburtenstarken Jahrgänge scheiden schrittweise aus dem Arbeitsleben aus. Es rücken weniger Menschen nach.

Um diese jungen Menschen besteht selbstverständlich ein Wettbewerb der verschiedenen Arbeitgeber in Deutschland. Der ausgeschiedene Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat dies im Januar auf der Jahrestagung des Deutschen Beamtenbundes für den Bund deutlich aufgezeigt. Das, was er dort geschildert hat, gilt aber in gleicher Weise für Länder und Kommunen.

Dabei fällt die Entscheidung darüber, ob wir junge Menschen für die Verwaltung, für die Beschäftigung im öffentlichen Dienst gewinnen können, nicht nur aufgrund reiner Gehaltsperspektiven. Wir wissen inzwischen, dass es ein Bündel von Motivationen gibt, sich für oder gegen eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst zu entscheiden. Es stellt sich immer mehr heraus, dass die Entscheidung für einen solchen beruflichen Weg ganz entscheidend auch von Faktoren wie Familienfreundlichkeit, Arbeitsbedingungen, persönlichen Entwicklungsperspektiven und Lebenschancen abhängt.

Zu den Arbeitsbedingungen gehören dabei nicht nur die Themen des klassischen Arbeitsschutzes. Es geht auch darum, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch sinnvolle Präventionsmaßnahmen gemeinsam dazu beitragen, die Zufriedenheit der Beschäftigten zu stärken und gleichzeitig die hohen Krankenstände zu senken.

Das spielt für junge Menschen bei der Frage mit, ob sie sich für den Eintritt in den öffentlichen Dienst entscheiden oder nicht. Es ist aber genauso wichtig für die Frage, ob sich ältere Beschäftigte von ihrem Dienstherrn vernünftig behandelt fühlen, ob sie sich verstanden fühlen und im Gegenzug ihr eigenes Engagement aufrechterhalten oder gar steigern. Sinnvolle Prävention, sinnvolles behördliches Gesundheitsmanagement nutzt deshalb beiden, Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

In der letzten Wahlperiode des Landtags hat die CDU-Fraktion den damals vergeblichen Versuch unternommen, eine fraktionsübergreifende Initiative für ein breiter aufgestelltes Gesundheitsmanagement des Landes zusammenzubringen. Wir haben dazu plenar diskutiert. Übrigens haben wir dazu auch in mehreren Ausschüssen intensiv beraten. Das Problem war damals allerdings durch die rot-grüne Regierung als weniger signifikant eingeschätzt worden. Der Antrag wurde abgelehnt. Das Problem ist geblieben. Das Problem war nicht dadurch weg, dass der Antrag abgelehnt worden ist.

Deshalb erneuern wir heute als NRW-Koalition das Angebot, gemeinsam über ein zukunftsfähiges öffentliches Gesundheitsmanagement in unserem Land zu sprechen und gemeinsam nach den besten Lösungen zu suchen. Klar ist dabei: Manche Maßnahme, die kurzfristig wenig zusätzliches Geld kostet, bringt schon sehr zeitnah zusätzlich deutlichen Ertrag sowohl für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch für das Land als Arbeitgeber und die Bürgerinnen und Bürger als diejenigen, die die Steuern zahlen und die Leistungen erhalten sollen.

So sind etwa die erstattungsfähigen Beihilfeaufwendungen für ambulante Physiotherapie oder Krankengymnastik vor der Umstellung auf den Euro an die tatsächlichen Kosten angepasst worden. Das ist inzwischen eine Weile her.

Wer eine attraktive öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen haben und behalten will, kommt an neuen Wegen des öffentlichen Gesundheitsmanagements nicht vorbei. Machen wir uns deshalb gemeinsam auf den Weg. Ich zähle auf Ihrer aller Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD hat nun der Abgeordnete Zimkeit das Wort.

Stefan Zimkeit (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Kollege Optendrenk, das war eine Menge wichtiger Anmerkungen, vor allen Dingen auch eine Menge richtiger Fragen. Leider geben Sie in dem von Ihnen vorgelegten Antrag nicht eine einzige Antwort auf diese Fragen, sondern Sie beschränken sich auf Allgemeinheiten.

Ich weiß nicht, Herr Optendrenk, wo und mit wem Sie die fraktionsübergreifende Initiative gestartet haben. Im Finanzausschuss, in dem wir im letzten Jahr zusammengearbeitet haben, bin ich zumindest nicht auf eine gemeinsame, fraktionsübergreifende Initiative in diesem Bereich von Ihnen angesprochen worden.

(Dr. Marcus Optendrenk [CDU]: Hier im Plenum!)

Deswegen überrascht mich diese Aussage sehr. Eine fraktionsübergreifende Initiative ist etwas anderes, als das hier im Plenum einmal angesprochen zu haben.

Da sind wir beim Verfahren. Auch jetzt hat Ihre Fraktion – Sie waren leider nicht dabei – ein fraktionsübergreifendes Vorgehen angeboten. Ich fand das gut. Ich dachte, wir können damit im Sinne der Beschäftigten an unsere gute Zusammenarbeit beim Thema „Finanzverwaltung der Zukunft“ anknüpfen und in dieser wichtigen Frage gemeinsam etwas auf den Weg bringen. Wir sind gebeten worden, Vorschläge zu machen. Die haben wir gemacht. Erst haben wir keine Antwort erhalten, dann haben wir die Antwort erhalten, sie werden abgelehnt. Eine inhaltliche Begründung, warum diese abgelehnt werden, steht bis heute aus.

Wer nach einem solchen Vorgehen, Herr Optendrenk, die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit fordert, macht sich nicht gerade glaubwürdig. Wir waren dazu bereit, das wurde jedoch inhaltlich vom Tisch gewischt nach dem Motto: Wir haben die Mehrheit. Da brauchen wir doch weder Argumente noch eine Diskussion. Da können wir einfach verabschieden. – Ich finde dieses Vorgehen sehr bedauerlich. Das bricht mit der guten Tradition, Dinge für die Beschäftigten hier gemeinsam zu regeln.

Präsident André Kuper: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Optendrenk?

Stefan Zimkeit (SPD): Aber sehr gerne doch.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Lieber Kollege Stefan Zimkeit, sind Sie mit mir der Meinung, dass es eine Reihe von Vorschlägen Ihrerseits gab, die eigentlich eher darauf abzielten, uns ein gemeinsames Vorgehen nicht möglich zu machen? Ich will insbesondere nennen, dass Sie wieder den Weg in die Bürgerversicherung zum verkappten Grundsatz eines Antrags zum Gesundheitsmanagement machen wollten, was natürlich evident dazu führt, dass unsere Kollegen das nicht akzeptieren können.

Stefan Zimkeit (SPD): Ich bin absolut nicht dieser Meinung. Von uns lagen zahlreiche inhaltliche Vorschläge vor. Wenn eine Zusammenarbeit gewollt gewesen wäre, hätte es ja Ihrerseits ein differenziertes Vorgehen geben können nach dem Motto: Das wollen wir nicht. Können wir das rausnehmen? Und das und das wollen wir. – Aber so sind Sie doch gar nicht vorgegangen. Sie haben auf Mitarbeiterebene mitgeteilt, dass Sie alles von uns ablehnen. Das war Ihr Vorgehen. Das ist wirklich nicht das, was Sie gesagt haben.

Ihr Hinweis auf die Bürgerversicherung ist vollkommener Unsinn. Wir bleiben dabei, dass es richtig und notwendig ist, schnellstmöglich die Zweiklassenmedizin abzuschaffen. Die ist ungerecht und benachteiligt viele Menschen. Die meisten, die hier darüber debattieren, sagen, dem sei nicht so.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Ich bin sicher, Herr Witzel, Sie sind privatversichert

(Ralf Witzel [FDP]: So ist es!)

und wissen relativ wenig über die Benachteiligung derer, die keine Privatversicherung haben. Das habe ich mir gedacht. Sie verteidigen nämlich hier in der Debatte Ihre eigenen Privilegien.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP: Ah!)

Deswegen sollten Sie das vielleicht mal sein lassen.

In diesem Antrag steht mitnichten – ich bin noch bei der Beantwortung der Frage –, dass wir die Bürgerversicherung einführen würden. Es steht dort allerdings ein sehr wichtiger Satz: Wir sind der Meinung, für die Beschäftigten des Landes, egal ob sie privatversichert sind oder als Angestellte staatlich versichert sind, muss die Möglichkeit bestehen, gleichermaßen von einem Gesundheitsmanagement zu profitieren.

Das halten wir für gerecht. Das ist unsere Forderung, und das haben Sie abgelehnt. Das Wort „Bürgerversicherung“ steht hier nicht drin und auch die Forderung danach nicht. Das ist ein Versuch, sich herauszureden, warum Sie unsere Vorschläge wegbügeln.

(Zuruf von Dr. Marcus Optendrenk [CDU])

Ich will die Vorschläge dann auch einmal nennen. Herr Optendrenk, Sie waren ja bei der Debatte im Ausschuss nicht dabei. Wir schlagen vor: Wir brauchen für die Beschäftigten eine Burnout-Prävention. Wir brauchen regelmäßige medizinische Check-ups. Wir wollen, dass die Suchtprävention gestärkt wird. Wir wollen Bewegungsangebote für die Beschäftigten, Ernährungsberatung. Das sind konkrete Vorschläge, die Sie hier ablehnen wollen.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Warum tun Sie das? Warum lehnen Sie das ab? – Weil das Ganze Ihrerseits ein Showantrag ist und weil es Ihnen überhaupt nicht um die Verbesserung der Situation geht. Sie stellen hier einen Antrag, in dem die Landesregierung lediglich dazu aufgefordert wird, etwas zu tun – ohne jegliche eigene Überlegungen, ohne jeglichen eigenen Vorschlag aus der Fraktion.

Das ist inhaltsleer, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Ihnen fehlt der Gestaltungswille, selbst etwas zu tun. Sie sagen der Landesregierung: Machen Sie da mal was, was, ist uns eigentlich egal.

Ich bitte Sie darum, sich unsere Änderungsvorschläge anzugucken. Wir haben noch einmal sehr deutlich darauf hingewiesen – das haben Sie ja gerade selbst gesagt –, und zwar in Absprache mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Gewerkschaft: Man kann ein Gesundheitsmanagement doch nicht betrachten ohne Ursachenforschung, ohne die Frage von Arbeitsverdichtung und Arbeitsdruck zu diskutieren.

Deswegen haben wir hier den Vorschlag gemacht, das aufzunehmen. Lassen Sie uns auch an die Ursachenforschung hergehen. Das lehnen Sie ebenfalls ab. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, solche inhaltlichen Vorschläge und solche Forderungen der Gewerkschaften einfach mit Mehrheit abzulehnen. Wenn Sie das tun, zeigt das nur eines: Es ist Ihnen nicht ernst mit Ihrem Anliegen.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Zimkeit. – Für die FDP hat Herr Kollege Witzel das Wort.

Ralf Witzel (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte hier für die FDP-Landtagsfraktion keine Rede zum Klassenkampf halten, sondern zum Thema „Attraktivitätsoffensive des öffentlichen Dienstes“ sprechen. Die halten wir ausdrücklich für notwendig. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels muss das Land ein attraktiver Arbeitgeber sein, wenn es uns in der Zukunft gelingen soll, die Bewerber in der nötigen Qualität und Quantität zu finden, die wir für den öffentlichen Dienst benötigen.

Die NRW-Koalition nimmt deshalb mit einer Reihe von Maßnahmen die Modernisierung des Dienstrechts in Nordrhein-Westfalen in den Blick. Dazu gehört unter anderem eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In diesem Zusammenhang müssen wir über neue Arbeitszeitmodelle diskutieren.

Dazu gehört des Weiteren ein Sicherheitskonzept für Landesbedienstete. Denn gerade die Zunahme von Gewalt in den letzten Jahren ist beängstigend und besorgniserregend, und ein Angriff auf Beamte ist ein Angriff auf uns alle.

Wir müssen über den Verfallschutz von Überstunden reden, wenn sie unvermeidbar sind. Wir wollen über die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten sprechen, die eine bessere Verteilung der Arbeitszeit über das gesamte Berufsleben ermöglichen. – All diese Maßnahmen haben zumindest indirekt Einfluss auf die Gesundheit unserer Bediensteten.

Es geht uns aber auch um unmittelbare Fragen eines proaktiven Gesundheitsmanagements, also prophylaktische Maßnahmen zur Vermeidung späterer Erkrankungen. Zu einem starken Gesundheitsmanagement gehören Mindeststandards, die regelmäßige Evaluation von Maßnahmen und die zentrale Koordination und Verantwortlichkeit in diesem Bereich, die es früher so nicht gab.

Das ist unser Ziel, weil wir zu einer Verringerung des Krankenstands im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen kommen wollen. Besonders wichtig ist die Perspektive für die Bediensteten: eine humane Arbeitsgestaltung mit wenig Krankheitsereignissen. Es liegt aber natürlich auch im Interesse des Dienstherrn, zur Aufrechterhaltung seiner Handlungsfähigkeit und öffentlichen Aufgabenerfüllung einen nicht allzu hohen Krankenstand zu haben. Schließlich ist es auch für die Bürger als Kunden öffentlicher Einrichtungen von großem Vorteil, wenn der Krankenstand sinkt, wenn es beispielweise durch weniger Lehrererkrankungen, also eine bessere Lehrergesundheit, auch weniger Stundenausfall in unseren Schulen gibt.

Die Krankenstandproblematik im öffentlichen Dienst ist relevant und ausgeprägter als in vielen Branchen der privaten Wirtschaft. Laut letztem Krankenstandsbericht gibt es eine offensichtliche Problemlage. Ich nenne Ihnen einige Beispiele dafür:

Wenn das für Arbeit und Soziales zuständige Ressort der alten rot-grünen Landesregierung, das MAIS, eine Krankenstandsquote von über 12 % hat, ist das eine Aussage. Wir haben einen hohen Prozentsatz von Langzeiterkrankungen. Wir stellen fest, dass Tarifbeschäftigte häufiger fehlen als Beamte, dass untere Besoldungsgruppen sich häufiger krankmelden als höhere, und dass Frauen eine höhere Krankheitsquote haben als Männer.

Diese Aufgabenstellungen erfordern ernsthafte und nachhaltige Lösungen.

Ich will die Frage von Herrn Kollegen Zimkeit ausdrücklich beantworten. Was spricht denn gegen Ihren Änderungsantrag? – Zum einen nehmen Sie in Ihrem Änderungsantrag eine Kritik wegen unbesetzter Stellen im öffentlichen Dienst vor. Sie wissen, dass wir diese Kritik teilen. Wir haben das in den letzten Jahren vorgetragen.

Das ist eine Entwicklung, die in der letzten Legislaturperiode unter Rot-Grün stattgefunden hat. Diese große Lücke, diese Schere, das Auseinanderklaffen zwischen formal im Haushalt ausgewiesenen Stellen und den besetzten Stellen, die Sie kritisieren und anmahnen, ist eine originäre rot-grüne Hinterlassenschaft. Damit hätten Sie etwas selbstkritischer umgehen können.

(Zuruf von der SPD)

Wir hätten uns gefreut, wenn wir eine bessere Personalsituation bei der Polizei und auch

(Zuruf von den GRÜNEN: Oh!)

eine bessere Personalsituation in den Schulen vorgefunden hätten. Wenn da mit einem mehrjährigen Ausbildungsvorlauf konzeptionell geplant worden wäre, hätte uns das viele Aufgaben erleichtert und erspart.

Zu Ihrer Stressthese, wie belastend all das sei: Wir haben immer die Zusage gegeben – auch früher zu Oppositionszeiten –, die natürlich auch heute noch gilt: Wir sind gegen eine allgemeine Arbeitsverdichtung. Dabei wirken immer zwei Dinge zusammen. Das eine ist die Frage: Wie entwickeln sich Beschäftigungszahlen quantitativ? Das andere ist die Frage: Wie entwickeln sich Aufgaben und Aufgabenfülle? – Wenn Sie 10 % mehr Beschäftigte haben, aber 50 % mehr Aufgaben, haben Sie zwar mehr eingestellt, aber trotzdem eine höhere Arbeitsbelastung. Umgekehrt heißt das: Entbürokratisierung …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Ralf Witzel (FDP): … führt auch mit der entsprechenden Aufgabenkritik und der Nutzung der Chancen von Digitalisierung zu Entlastungspotenzialen. Das sehen Sie in Ihrem Antrag nicht so ausgewogen, wie wir das Thema betrachten.

Deswegen lehnen wir Ihren Änderungsantrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Witzel, Herr Optendrenk, um Legendenbildung vorzubeugen, vorab eine Feststellung: Es war eine rot-grüne Regierung, die mit der Dienstrechtsreform 2016 das Gesundheitsmanagement erstmals gesetzlich verankert hat. Insofern finde ich es müßig, sich jetzt gegenseitig vorzuwerfen, wem das weniger oder mehr am Herzen liegt.

Ihre Feststellung ist richtig, dass sich seitdem durch die gesetzliche Normierung leider erst mal nichts signifikant verbessert hat. In der Analyse stimmen wir völlig überein. Wenn man sich die Krankenstände anschaut und das Ganze mit der GKV vergleicht, kann man nicht zufrieden sein, dass die Krankenstände in der Landesverwaltung in einigen Bereichen doppelt so hoch sind wie in der Privatwirtschaft. – Insofern ist die Analyse schon mal richtig. Die Ergebnisse können nicht zufriedenstellen.

Jetzt schauen wir aber nach vorne. Da finden wir bei Ihnen sehr viele richtige Zielbeschreibungen. Sie wollen das behördliche Gesundheitsmanagement stärken – prima –, Mindeststandards festlegen, regelmäßig evaluieren und prüfen, ob man das irgendwie in das Beihilferecht implementieren kann. All das ist gut und schön. Deswegen werden wir auch zustimmen, weil die Ziele richtig sind.

Aber es fehlt an Folgendem – das ist leider im Antrag eine größere Schwäche –: Wenn Sie das Gesundheitsmanagement stärken wollen, müssen Sie auch die Frage beantworten, wie Sie es stärken wollen. Wenn Sie Mindeststandards festlegen wollen, müssen Sie auch die Frage beantworten, welche Mindeststandards Sie wollen. Wenn Sie eine Implementierung in das Beihilferecht prüfen wollen, müssen Sie auch sagen, an welcher Stelle.

In der Sachverhaltsdarstellung vorne findet man Beispiele, wie etwa die Physiotherapie, die von der Beihilfe nicht abgedeckt ist, und dass man da nachbessern müsse. – Das findet sich aber nachher nicht mehr im Beschlusstext wieder, sondern da steht so ein windelweicher Prüfauftrag.

Richtig ist – Sie haben es selbst angesprochen, Herr Witzel –, dass man natürlich auf die Ursachen der hohen Krankenstände schauen muss. Die haben sehr viel mit den Arbeitsbedingungen zu tun. Da geht es nicht um die Frage: Bekommt der Kollege die Physiotherapie von der Beihilfe bezahlt? – Vielmehr geht es natürlich auch darum: Wie ist die Stellenbesetzungsquote?

Wir haben in einigen Bereichen eine sehr hohe Zahl nicht besetzter Stellen, in der Finanzverwaltung zum Beispiel, aber auch im Bereich Schule. Das sollte man hier nicht parteipolitisch ausschlachten, sondern es sich genauer anschauen und prüfen, wie man die Arbeitsbedingungen verbessern kann. Dazu gehören auch die Themen „Überstunden“ oder – Sie haben es angesprochen – „Lebensarbeitszeitkonten“.

Zusammengefasst: Die Ziele sind richtig, die Analyse ist es auch. Die Ergebnisse können nicht zufriedenstellen; hier müssen Dinge nach vorne entwickelt werden. Da bleibt der Antrag etwas dünn.

Dem Änderungsantrag der SPD stimmen wir selbstverständlich – wie im HFA auch – zu, weil er versucht, das Ganze zu verbessern. Aber das alles gehört auf die Wiedervorlage, Herr Optendrenk. Ich bin mal gespannt, was von dem, was Sie hier als Ziele definieren, in einem Jahr umgesetzt sein wird. Wir werden uns das genau ansehen und stehen für eine konstruktive Mitarbeit zur Verfügung. – Danke schön.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das sind Reflexe! – Sven Wolf [SPD]: Wieso? Weil der Antrag gut ist?)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Dr. Vincentz.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Spätestens seit dem Charlie-Chaplin-Film „Moderne Zeiten“ weiß jeder, dass die Arbeitswelt so ihre Tücken hat. Seitdem hat sich natürlich einiges geändert. Deutschland hat mit einem herausragenden Arbeitsschutzgesetz schon vieles für die Angestellten, für die Arbeitnehmer getan.

Trotzdem bringt der Wandel in allen Dingen auch immer neue Herausforderungen mit sich. So wird jetzt die schwere körperliche Arbeit in weiten Bereichen durch langes Sitzen ersetzt. So werden die Berentungen infolge Schäden des Bewegungsapparates weniger, dafür nehmen die Berentungen infolge psychischer Belastungen zu.

Eine zeitgemäße Anpassung auch des betrieblichen Gesundheitsmanagements scheint daher geradezu sinnvoll. Es darf allerdings nicht dabei bleiben, dass wir oberflächliche Goodwill-Bekundungen haben, wie wir sie leider in dem Antrag der CDU vorfinden, der die Landesregierung im Prinzip nur dazu auffordert, sich Gedanken zu machen.

In der Tat – und da bin ich ausnahmsweise bei Herrn Zimkeit – stehen in dem Entschließungsantrag der SPD viele gute Sachen. Lassen Sie es mich so sagen: In dem Antrag, der gleich folgt, und im morgigen sind einige Teilbereiche enthalten, die ich separat noch einmal aufgreifen werde. Wir wissen ja, wie das Spiel funktioniert: Ihr Entschließungsantrag wird wahrscheinlich keine Chance haben, hier und heute zu bestehen; dementsprechend könnten Sie ja unseren Anträgen zustimmen.

Unsere Befürchtung ging nicht etwa dahin, der CDU zu misstrauen, dass die Landesregierung unter Umständen gut prüft, sondern es darf schlichtweg einfach nicht dabei bleiben, dass in der Kantine ein Obstkorb aufgestellt wird oder freiwillige Laufgruppen nach Feierabend stattfinden. Sondern: Wer – auch in der öffentlichen Verwaltung, im öffentlichen Dienst – um die Besten wirbt, der muss für die Besten auch attraktiv sein. In diesem Sinne hoffe ich, dass dort einiges geschehen wird.

Wir werden dem Entschließungsantrag der SPD in dem Fall zustimmen, weil er einfach weiter geht und tatsächlich einige gute Dinge enthält. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Vincentz. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Reul.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist offensichtlich ein Anliegen aller Fraktionen, die Gesundheit und die Zufriedenheit unserer Beschäftigten zu steigern. Deswegen ist es gut, dass es diesen Antrag gibt. Deshalb ist es gut, dass um bestmögliche Lösungen gerungen wird.

Die Erwartungen an ein aktives Gesundheitsmanagement sind hoch, übrigens im öffentlichen Dienst genauso wie in der privaten Wirtschaft. Das ist auch vernünftig so, denn wir müssen offensichtlich mehr tun. Ich kann Ihnen sagen: Die Landesregierung ist mit ihrem betrieblichen Gesundheitsmanagement auf einem guten Weg. Das heißt, wir sind noch lange nicht fertig. Da kann man auch nicht Wunder erwarten; das wird nicht schnell gehen. Aber wir sind auf dem richtigen Weg, und wir arbeiten weiter.

Seit Jahren werden in den Ressorts Maßnahmen der behördlichen Gesundheitsförderung und Prävention umgesetzt. Außerdem gibt es regelmäßige Erhebungen zu Gesundheits- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Ende des letzten Jahres habe ich in meinem Haus eine Stabsstelle für die Landeskoordination des BGM eingerichtet, und mit dieser Stelle kann man in Zukunft auch besser erkennen, in welchen Bereichen wir noch besser werden müssen. Ein in unserem Haus erarbeiteter Bericht gibt einen guten Überblick, wo wir heute stehen. Er ist auch dem Haushalts- und Finanzausschuss vorgelegt worden.

Alle Behörden der Landesverwaltung sollten ihren Beschäftigten ein Gesundheitsmanagement anbieten, das zu ihren Bedürfnissen passt. Wir müssen unseren Beschäftigten einen gesunden Umgang mit ihrer Arbeit ermöglichen; das ist das Ziel. Zu diesem Zweck werden wir verbindliche Mindeststandards einführen. Wir werden die landesweite Umsetzung begleiten und – was genauso wichtig ist – evaluieren.

Uns ist besonders wichtig, das Wohlbefinden der Beschäftigten zu steigern. Wir wollen die Landesverwaltung – das ist eben mehrfach vorgetragen worden – als Arbeitgeberin noch attraktiver für motivierten Nachwuchs machen. Das müssen wir übrigens auch, denn der Wettbewerb ist groß. Wir müssen deshalb auch nach den Ursachen von Krankenständen forschen. Wir müssen herausfinden, was unsere Beschäftigten krank macht, und im Rahmen dieser Prozesse gilt es auch, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Das schadet übrigens nie.

Klar ist, dass sich die Ergebnisse bei den einzelnen Behörden und in der privaten Wirtschaft stark unterscheiden. Das liegt zum Teil daran, dass in der Privatwirtschaft in der Regel nur attestpflichtige Krankheitstage erhoben werden. Die Landesverwaltung erfasst Abwesenheiten bereits vom ersten Tag an. Diese unterschiedlichen Erhebungsmodi, das höhere Durchschnittsalter und spezifische Belastungen gilt es also zu beachten.

Unstreitig ist jedoch, dass wir versuchen müssen, dämpfend auf den Krankenstand in der Landesverwaltung hinzuwirken. Unsere Anstrengungen müssen darauf abzielen, langfristig wirksame und nachhaltige Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen. Das ist manchmal ganz schwierig. Wenn man zum Beispiel den aktuellen Bericht des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung liest, stellt man fest, dass die Grippewelle des vergangenen Jahres die Krankenstände hochgetrieben hat. Das heißt, solche Ereignisse können statistisch gesehen alle Anstrengungen zunichtemachen.

Deshalb gilt es, präzise zu arbeiten, ein aktives Gesundheitsmanagement zu betreiben, Mindeststandards einzuhalten und regelmäßige Evaluationen durchzuführen. Wir werden auf diese Weise versuchen, die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern. Des Weiteren werden wir einschlägige Bestimmungen, zum Beispiel im Beihilferecht – das habe ich schon angekündigt –, überprüfen.

Herzlichen Dank für die Beiträge! Herzlichen Dank für die Unterstützung! Der Weg ist noch lang.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, schließe ich an dieser Stelle die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 13.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen erstens über den vorliegenden Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2789 ab. Wer möchte diesem Änderungsantrag zustimmen? – Das sind die SPD-Fraktion, die grüne Fraktion und die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2789 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung, und zwar über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/2160. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/2796, den Antrag unverändert anzunehmen. Wir stimmen somit über den Inhalt des Antrages ab. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU, die FDP, die grüne Fraktion sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt dagegen? – Das ist die AfD-Fraktion. Demzufolge sind die Enthaltungen – bei der SPD-Fraktion. Mit diesem festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Antrag Drucksache 17/2160 angenommen.

Das waren die Abstimmungen zu Tagesordnungspunkt 13.

Wir kommen zu:

14 Die Adipositas-Prävalenz steigt – NRW muss die Schulen stärker unterstützen!

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2761

Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Herr Dr. Vincentz das Wort.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Adipositas ist ein Problem. Das Ausmaß wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass es seit 2012 weltweit konstant mehr Übergewichtige als Untergewichtige gibt. Das hat natürlich zum einen zum Glück damit zu tun, dass die Unterernährung global erfolgreich eingedämmt wird. Dem gegenüber steht aber eine ständig wachsende Zahl an adipösen Menschen.

Laut Bericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung waren in Deutschland zuletzt 59 % der Männer und 37 % der Frauen übergewichtig. Am Ende ihres Berufslebens sind 74 % der Männer und 56 % der Frauen übergewichtig. Übergewicht ist also fast schon die Regel und keine Ausnahme.

(Unruhe)

Gerade diese Zahlen verdeutlichen, dass Fettleibigkeit, sprich Adipositas, eben kein Versagen des Einzelnen darstellt. Wir haben es vielmehr mit einer Problemstellung von gesamtgesellschaftlicher Größe zu tun.

(Beifall von der AfD)

An dieser Stelle ist nun einmal die Politik gefragt, nicht nur, weil die Folgekosten von Übergewicht und Adipositas die Kosten von Alkoholmissbrauch und Tabakkonsum selbst zusammengerechnet noch übersteigen, sondern auch, weil wir die Betroffenen nicht mit ihrem Leidensdruck und der Diskriminierung im Stich lassen dürfen.

(Roger Beckamp [AfD]: Es ist sehr laut!)

Das Thema ist dabei genauso sensibel wie komplex. Die Gründe für Übergewicht sind tief in unserer Gesellschaft verankert. Sitzende Tätigkeiten, wenig Bewegung, Stress, verarbeitete Lebensmittel und ein Überangebot an hochkalorischen Speisen – die Vielzahl an Faktoren macht eine erfolgreiche Prävention so schwierig.

Trotzdem kann es nicht die Aufgabe des Staates sein, den Menschen vorzuschreiben, wie sie ihr Leben gestalten, wie es in einigen europäischen Nachbarländern bereits getan wird und auch in der politischen Diskussion auf Bundesebene und lokal tatsächlich häufig imaginiert wird.

Wir können aber sehr wohl die Begebenheiten so ändern, dass die Menschen überhaupt die Möglichkeit zu einer gesunden Lebensführung haben: Aufklärung über Zucker und Fett, das Erlernen von ernährungsphysiologischen Grundlagen, die Vermittlung eines aktiven sportlichen Lebensalltags und die Tatsache, dass dies tatsächlich auch Spaß machen kann, sind nur einige Bausteine, die wir mit diesem Antrag vorschlagen.

(Beifall von der AfD)

Wo fangen wir damit an? Natürlich in den Schulen, wo bislang häufig bereits die Grundlage für ein ungesundes Leben gelegt wird. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass wir mit diesem Antrag allein das Problem besiegen; das wäre vermessen. Aber es ist ein Schritt, den wir unseren Kindern einfach nicht verwehren können.

Der Antrag rückt Adipositas in den Fokus, und wir laden ausdrücklich alle dazu ein, mit uns über dieses Thema zu diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Vincentz. – Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Stullich.

Andrea Stullich (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was die Großen vormachen, das ahmen Kinder oft nach. Das können wir an den unterschiedlichsten Stellen beobachten: Kinder, die Feuerwehr spielen oder unbedingt Fahrradfahren lernen wollen, weil Mama und Papa es eben vormachen.

Bei der Ernährung ist das genauso. Wenn es zu Hause gesundes und ausgewogenes Essen gibt, dann spricht vieles dafür, dass sich die Kinder später als Erwachsene auch gesund ernähren. Die Kinder müssen es aber lernen. Da sind zunächst einmal die Eltern in der Pflicht, vorzuleben, wie man sich gesund und abwechslungsreich ernährt. Studien zeigen: Eltern sind maßgeblich dafür verantwortlich, ob ein Kind übergewichtig oder gar adipös wird.

Der vorliegende Antrag will aber vor allem die Schulen mehr in die Pflicht nehmen. Die Ursachen für Übergewicht sind jedoch vielfältig. Es gibt viel mehr Gründe, warum Kinder übergewichtig werden, als individuelle Ernährungsverhaltensweisen oder das Schulessen. Ein Monitoring des Robert Koch-Instituts zeigt: Übergewicht, Adipositas und deren Ursachen sind komplexer, als dieser Antrag es darstellt. Dazu gehört zum Beispiel auch das allgemeine Lebensumfeld, eben mit dem Elternhaus an erster Stelle.

Ob und wie Adipositas und Übergewicht entstehen, hängt schon mit dem Zeitraum rund um die Geburt zusammen, zum Beispiel damit, wie sich die Mutter während der Schwangerschaft ernährt und ob ein Kind gestillt wird. Die Lebensverhältnisse im Elternhaus, soziale und ökonomische Bedingungen und auch psychosoziale Faktoren spielen eine große Rolle beim Aufwachsen von Kindern. Bekommt ein Kind gesunde und ausgewogene Ernährung von den Eltern vorgelebt? Sorgen die Eltern dafür, dass sich das Kind ausreichend bewegt? Kann es ausreichend und ungestört schlafen? Ist es psychischen Belastungen wie zum Beispiel Stress ausgesetzt? Das sind alles Fragen, die in diesem Zusammenhang wichtig sind.

Das Robert Koch-Institut kommt außerdem zu dem Schluss, dass sich die Zahl der Adipositas-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zwar auf einem sehr hohen Niveau bewegt, aber seit zwölf Jahren nicht mehr ansteigt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es sind natürlich immer noch zu viele Kinder betroffen, aber es werden seit zwölf Jahren immerhin nicht mehr.

Ich finde, das ist schon erstaunlich. Denn eigentlich sorgen Spielekonsolen, Smartphones und Streaming-Dienste doch dafür, dass Kinder eher mehr Zeit im Haus als beim Draußen-Herumtoben verbringen. Deshalb reicht es eben nicht – wie im vorliegenden Antrag –, nur die Schulen in den Blick zu nehmen. Das ist wenig zielführend, wenn wir diese Zahlen dauerhaft senken wollen.

Deshalb gibt es bereits mehrere Programme auf Landesebene, die die gesunde Ernährung und übrigens auch mehr Bewegung in den Mittelpunkt stellen. Zum Beispiel unterstützen wir insbesondere Eltern in sozial schwierigen Lagen dabei, ihren Kindern bei der Erziehung auch ein Bewusstsein für gesunde Ernährung zu vermitteln. Denn ein Bewusstsein für Essen, das gesund und lecker ist, fängt schon bei den Kleinsten an.

Deshalb ermuntern wir auch Kindergärten, die ja von Kindern aus allen sozialen Schichten besucht werden, Kinder spielerisch an gesundes Essen und an Bewegung heranzuführen. Dieses Angebot „Bewegungskindergarten mit dem Pluspunkt Ernährung“ wird vom Verbraucherschutz- und vom Gesundheitsministerium ebenso mitgetragen wie vom Familienministerium und auch von mehreren Krankenkassen.

Für erfolgreiche Prävention ist es immer wichtig, alle Akteure einzubinden. Der vorliegende Antrag ist in seiner Fokussierung auf die Schule aber viel zu eindimensional. Trotzdem diskutieren wir das Thema natürlich gern in den Fachausschüssen weiter. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Stullich. – Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Weng jetzt das Wort.

Christina Weng (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dr. Vincentz ist ja stets bemüht zu zeigen, dass seine Partei auch Anträge ohne diffamierende, fremdenfeindliche und rassistische Inhalte stellen kann.

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Aber mit diesem Antrag zeigen Sie sogar, dass die eigene Partei sich ruhig mal selbst korrigiert, und das direkt im ersten Satz. Dort zitieren Sie eine Veröffentlichung aus dem englischsprachigen Fachblatt „The Lancet“. Gute Englischkenntnisse sind wirklich eine Bereicherung. Ich finde auch, man kann Englisch gar nicht früh genug lernen.

(Roger Beckamp [AfD]: Das ist ja erbärmlich!)

Eine weitere Besonderheit Ihrer Anträge, Dr. Vincentz, ist, dass Sie sehr gern Horrorszenarien, die gar keine sind, zeichnen. Im vorliegenden Antrag zur Adipositas-Prävalenz sprechen Sie von einer besorgniserregenden Entwicklung. Schließlich ist seit Mitte der 70er-Jahre weltweit ein Anstieg der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter zu beobachten. Dazu führen Sie unter anderem die KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts auf.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Weng, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Herr Röckemann würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Christina Weng (SPD): Ich würde gern weitermachen.

Allerdings steht genau in dieser Studie – wenn ich darf, zitiere ich –:

„Ungefähr seit Beginn der 2000er-Jahre zeigt sich jedoch für viele Länder mit hohem Einkommensniveau, dass sich der Trend zunehmender Übergewichts- und Adipositasprävalenzen nicht weiter fortsetzt. Auch für Deutschland gibt es Hinweise darauf, dass die Prävalenzen nicht weiter ansteigen beziehungsweise dass sich der Trend verlangsamt und sogar stagniert.“

Ich finde es sehr löblich von Ihnen, dass Sie sich ausnahmsweise auch mal um Menschen aus dem Ausland sorgen.

Auch der Sachverhalt ist selbstverständlich grundsätzlich wichtig. Hier in Deutschland aber – so steht es schwarz auf weiß in der Studie des Robert Koch-Instituts, die Sie hier anführen – gibt es die von Ihnen beschriebene besorgniserregende Entwicklung faktisch nicht.

Das alles ist natürlich kein Grund, sich entspannt zurückzulehnen. Doch Ihre Schlussfolgerungen in dem Antrag sind doch etwas verwunderlich. Erst zitieren Sie den Präsidenten des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Dr. Thomas Fischbach mit den Worten – ich zitiere, wenn ich darf –:

„Während zahlreiche andere Staaten in Europa im Kampf gegen Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen die Lebensmittelwirtschaft in die Pflicht nehmen, setzt die Bundesregierung weiterhin auf freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie und auf Programme für Ernährungsbildung. Das ist die falsche Strategie.“

Und was schlussfolgern Sie? – Sie fordern eine bessere Ernährungsbildung.

Ihre Forderungen sind tatsächlich ausnahmslos bildungs- und schulpolitisch. Auch wenn ich verstehen kann, dass Sie das Thema „Adipositas-Prävalenz“ fachlich im Gesundheitsausschuss sehen, leuchtet mir die Zuständigkeit des AGS für Lehrpläne und EU-Schulprogramme nicht so ganz ein. Wie dem auch sei, einer Debatte im Ausschuss wollen wir nicht im Wege stehen und stimmen einer Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Weng. – Für das Protokoll will ich gern klarstellen, dass ich mich eben ausschließlich auf die Anzeige im Monitor verlassen und nicht herübergeschaut habe. Es war nicht Herr Röckemann, der eine Zwischenfrage stellen wollte, sondern Herr Dr. Vincentz. Entschuldigung!

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Schneider das Wort.

Susanne Schneider (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Über Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen kann man sicher sprechen. Der vorliegende Antrag verkennt aber die zahlreichen konkreten Ansätze zur Prävention gerade auch hier bei uns in Nordrhein-Westfalen. Bei den Forderungen handelt es sich am Ende überwiegend nur um Allgemeinplätze bzw. um Aspekte, die bereits heute von den Schulen berücksichtigt werden.

Gesundheitsförderung ist nicht nur als Bildungsauftrag aller Schulen im Schulgesetz postuliert, sondern auch Bestandteil der Kernlehrpläne. So können Fragen der Ernährungsbildung zum Beispiel in Biologie und Sport angesprochen werden. Dies gilt es in der konkreten Gestaltung des Unterrichts umzusetzen. Das Land bietet dabei bereits vielfältige Unterstützung an, wie etwa mit dem „Landesprogramm Bildung und Gesundheit“ oder mit dem Leitprojekt „Verbraucherbildung an Schulen“. Die Forderungen des Antrags hinsichtlich Ernährungsbildung und Gesundheitsförderung werden also schon längst verwirklicht.

Die Verpflegung in Schul- und Kindertagesstätten liegt in der Verantwortung des jeweiligen Trägers, also zum Beispiel der Kommunen, der Kirchen oder auch von Vereinen. Das Land kann hier nicht direkten Einfluss auf eine gesunde Ernährung nehmen, sondern nur Hilfe anbieten. Dazu zählt die „Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung NRW“ bei der Verbraucherzentrale. Diese bietet im Auftrag des Landes den Trägern Beratungen und Fortbildungen zu Qualitätsstandards für eine gesundheitsfördernde Verpflegung.

So unterstützen wir die Träger dabei, angepasst an die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten eine qualitativ hochwertige, aber auch bezahlbare Verpflegung anbieten zu können.

Beim EU-Schulprogramm scheinen Sie den Sachverhalt nicht richtig einschätzen zu können. Dem Land stehen im laufenden Schuljahr für den Programmteil „Schulobst und Gemüse“ 6,2 Millionen € aus EU-Mitteln zur Verfügung. Dazu geben wir noch 2,5 Millionen € aus dem Landeshaushalt hinzu. Damit können über 1.000 Schulen im Primarbereich teilnehmen. Es geht hier eben nicht darum, über ein einfacheres Bewerbungsverfahren die Teilnahme zu erleichtern, da überhaupt nicht mehr EU-Mittel für zusätzliche Schulen verfügbar sind.

Vielmehr geht es darum, durch eine sorgfältige Auswahl sicherzustellen, dass die Schulen die Ausgabe von Obst und Gemüse auch mit entsprechenden pädagogischen Konzepten verbinden. Nur so können wir mit Hilfe des Programms das Ernährungsverhalten von Schulkindern nachhaltig beeinflussen. Wir wollen doch erreichen, dass Kinder auch ohne kostenlose Ausgabe zu Äpfeln, Birnen, Orangen und Zwetschgen greifen – einfach, weil sie es gelernt haben, auch schon im Englischunterricht in der Grundschule mit dem Satz: An apple a day keeps the doctor away.

Die NRW-Koalition aus FDP und Christdemokraten setzt hier aber auch nicht auf dirigistische Maßnahmen wie eine Zuckersteuer, die von SPD und Grünen gerne gesehen würde. Das ist doch wieder nur ein Versuch der Bevormundung und Umerziehung über den Geldbeutel.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dabei ist diese vermeintlich einfache Lösung nicht einmal zielführend, da sich die Steuer nur auf einen einzigen Nährstoff konzentriert. Wir wollen Essverhalten nicht mit einer Zusatzsteuer bestrafen. Wir setzen auf die Eigenverantwortung der Menschen. Dazu brauchen wir Bewusstsein für Lebensmittel, ihre Inhaltsstoffe und die Wechselwirkung von Ernährung, Lebenswandel sowie Sport und Bewegung.

Mit der Ernährungsbildung und Gesundheitsförderung an unseren Schulen ist NRW auf einem guten, auf einem richtigen Weg. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Abgeordnete Paul.

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kinder, die von Adipositas betroffen sind, tragen ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, und sie werden auch mit hoher Wahrscheinlichkeit als Erwachsene übergewichtig sein.

Das geht auch einher mit der Frage: Wie fühle ich mich eigentlich in meinem Körper? Wie sind meine Körperzufriedenheit und mein Selbstwertgefühl? – Auch das ist alles bei übergewichtigen Menschen in vielen Fällen beeinträchtigt. Damit geht auch eine niedrigere Lebensqualität einher.

Aber man muss auch sagen: Wir setzen ja nicht bei null an, und schon gar nicht setzen wir bei den Kindern bei null an; denn Kinder haben durchaus ein hohes Interesse an gesunder Ernährung und Bewegung, und es gilt, dieses intrinsische Interesse zu nutzen, es aufzugreifen und zu steigern, da sie auch mehr darüber erfahren wollen.

Wenn man sich verschiedene Studien anschaut, dann wird man finden, dass Kinder gerade im Grundschulalter mehr über gesunde Ernährung wissen wollen, dass sie auch schon ein Gesundheitsbewusstsein haben. Dort gilt es anzusetzen und auch mit den Kindern in diesem Alter zu arbeiten und das ernst zu nehmen, denn es kommt auf die intrinsische Motivation an. Wenn ich selber weiß, dass ich gerne einen Apfel essen möchte, weil ich gelernt habe, dass der gut schmeckt, dann bringt das sehr viel mehr, als wenn man es ihnen sozusagen oktroyiert.

Gesundes Aufwachsen durch gesunde Ernährung und Bewegung führt auch dazu, dass Kinder eben nicht übergewichtig oder adipös werden, sondern sich auch gesünder, glücklicher und im Ganzen wohler fühlen.

Der vorliegende Antrag – ich meine, darauf ist schon verschiedentlich hingewiesen worden – greift aus unserer Sicht zu kurz. Die Fokussierung allein auf Schule setzt hier unserer Meinung nach bei Weitem zu spät an; denn was Hänschen nicht lernt, wird Hänschen in der Grundschule noch schwerer lernen, und Hans lernt es nimmermehr.

Ich habe gerade gesagt: Wer als Kind schon diese Interessen hat, der wird auch als erwachsener Mensch diese eingeübten Ernährungs- und Verhaltensweisen weiter verfolgen. Das heißt, in Ihrem Antrag werden die Kitas beispielsweise gar nicht erwähnt. Aber bereits bei den Kitas müssen wir ansetzen; denn insbesondere in den Kitas ist Essen mehr als die reine Nahrungsaufnahme. Da sind alle Malzeiten auch Teil alltagsintegrierter Ernährungsbildung. Deswegen ist es so wichtig, insbesondere die Kitas in den Blick zu nehmen.

Mit dem Programm „Bewegungskindergärten mit dem Pluspunkt Ernährung“ gibt es sogar Projekte, die noch darüber hinausgehen. Die Erkenntnisse, die dort gewonnen werden, gilt es auch weiter in die Neukonzeptionierung auch der Kita-Gesetzgebung einzubringen.

Sie erwähnen auch nicht die außerschulischen Angebote, wie beispielsweise in Jugendtreffs. Da gibt es auch – gefördert zum Beispiel in Kooperation mit der Verbraucherzentrale im Rahmen des Programms „Mehrwert NRW“ – Programme, wie Lebensmittel aus der Region Kindern und Jugendlichen nähergebracht werden.

Ich habe es gerade schon erwähnt: Kinder und Jugendliche, die in diesem Alter ein gewisses Gesundheitsverhalten eingeübt haben, werden dies oftmals auch im Erwachsenenalter so beibehalten. Deshalb geht es darum, dass wir bei den Kleinsten ansetzen. Vor allem – das ist auch ein ganz wichtiger Bereich – müssen wir auch die Eltern aktiv in die Ernährungsbildung mit einbeziehen. Auch dieser Aspekt fehlt leider komplett in diesem Antrag.

Der Antrag greift auch deshalb zu kurz, weil er nur so spärlich einzelne Punkte herausgreift. Auch da ist kein Gesamtkonzept, kein Gesamtansatz formuliert, nicht einmal der Versuch, einen Gesamtansatz zu formulieren. Sie nehmen das EU-Schulprogramm heraus, aber das ist nur ein Baustein, wenn auch ein guter Baustein. Es ist ein Baustein, mit dem wir jährlich 250.000 Schülerinnen und Schüler erreichen können. Das ist auf jeden Fall schon mal gut, es ist eben nur ein kleiner Baustein.

Die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung – ich meine, Frau Schneider hat es gerade schon erwähnt – mit der landesweiten Beratung und Unterstützung rund um Fragen von Ernährungsbildung, Verpflegungsqualität und Organisation ist ein wichtiger Punkt. Dieses Programm weist darauf hin, dass es weit um mehr als um einzelne Programme geht. Es geht um eine gesunde Kultur des Aufwachsens. Dazu zählen mehr als die Aspekte, die Sie in Ihrem Antrag aufgeführt haben, und im Übrigen auch sehr viel mehr, als einfach nur auf die Schule zu schauen.

Eine bewegte und gesunde Alltagskultur verlangt auch, dass wir uns einmal anschauen, wie unsere Städte heute eigentlich aussehen. Wenn Kinder und Jugendliche keine Räume mehr haben, in denen sie sich frei bewegen können, wenn sie Angst haben müssen, von den SUVs ihrer Eltern auf dem Schulweg überfahren zu werden

(Zuruf von der FDP: Oh!)

und deswegen nicht mehr zu Fuß gehen, dann ist das ein Problem.

– Herr Witzel, ich weiß gar nicht, was Sie damit für ein Problem haben. Sie müssten sich einfach mal die Studien anschauen, dann wüssten Sie Bescheid.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen, dass die Kinder sich auch alltagsintegriert bewegen können. Dazu gehört eben auch die Frage von Stadtentwicklung, ob Ihnen das passt oder nicht.

Die WHO empfiehlt pro Tag 60 Minuten Bewegungszeit. Dazu gehört eben ein bewegter Schulweg, dazu gehört die Möglichkeit, draußen zu spielen, dazu gehört natürlich auch institutionalisiert der Schulsport, aber auch dort bewegte Pausen und unterrichtsintegrierte Bewegung.

Wenn man all das zusammennimmt, haben wir in Deutschland leider noch Luft nach oben; denn nur ungefähr ein Fünftel der Jugendlichen erreicht diese Bewegungszeit. – Dieser Antrag allein reicht bei Weitem nicht aus. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Paul. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Heinen-Esser.

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal bedanke ich mich für die eigentlich sehr klug geführte Debatte mit den spannenden Wortbeiträgen; denn ohne Zweifel ist die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ein ganz besonders schutzwürdiges Gut und liegt uns allen am Herzen – gleich welcher Fraktion wir angehören.

Ich möchte ein paar Zahlen nennen, um die Diskussion zurechtzurücken: Nach der aktuellen KiGGS-Studie ist kein weiterer Anstieg von übergewichtigen Kindern in Deutschland zu beobachten. Das sollten wir erst einmal zur Kenntnis nehmen.

Gleichwohl ist der Anteil immer noch zu hoch. – Sie schauen mich so skeptisch an: Ich weiß, auch ich müsste abnehmen. Deshalb liebe ich es so sehr, bei diesen Ernährungsreden dabei zu sein. Ich lerne auch für mich sehr viel daraus und könnte Ihnen lange Vorträge darüber halten, warum man übergewichtig wird. Aber ich merke schon: Sie ziehen zurück.

Die Zahlen sind auf einem leider hohen Niveau stabil geblieben. Darauf haben wir bereits im letzten Monat in der Antwort zu einer Kleinen Anfrage hingewiesen.

Was tun wir? Von meinen Vorrednerinnen ist schon alles gesagt worden, welche Maßnahmen es gibt, welche Ideen es schon seit vielen Jahren gerade hier in Nordrhein-Westfalen gibt. Ich darf Ihnen auch aus meiner Erfahrung aus Berlin sagen, dass Nordrhein-Westfalen wirklich ein führendes Land ist, was das Thema „Ernährung von Kindern und Jugendlichen“ betrifft.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Vielleicht!)

Die Schulverpflegung soll eine präventive, eine gesundheitsfördernde Funktion wahrnehmen. Deshalb verfolgen wir schon seit zehn Jahren konsequent das Ziel, sowohl das Verpflegungsangebot an Kitas und Schulen als auch die außerschulische Ernährungsbildung, Bewegung usw. voranzubringen.

Über die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung ist schon viel gesagt worden. Ich finde es hervorragend, dass es sie gibt, weil sie eben tatsächlich Beratungsleistung erbringt.

Wir müssen nur an einer Stelle aufpassen. Ich weiß nicht, wer von Ihnen Kinder im schulpflichtigen Alter hat, die zweimal pro Woche Ganztagsunterricht haben. Bei meiner Tochter ist das so. Wenn ich am Sonntagabend mit ihr zu Hause bin und wir uns den gesunden Ernährungsplan ansehen, den die Schule zu bieten hat, kreuzt meine Tochter, die im Gegensatz zu mir gertenschlank und eine supergute Sportlerin ist, zweimal die Woche mit echter Konsequenz „Nudelbar“ an. Das lieben die Kinder.

Dann sage ich: Mensch, willst du dich nicht ein bisschen ausgewogener ernähren? Willst du nicht ein bisschen mehr Gemüse essen? Sie müssen schon sehen, dass die Kinder so etwas und auch andere Dinge essen wollen. Dann bekommen sie einen Apfel; das ist dann schon wieder ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich möchte noch gerne etwas zum Schulprogramm sagen. Ich habe eben gesagt: Nordrhein-Westfalen ist seit vielen Jahren führend. Mich freut es besonders, dass dieses EU-Schulprogramm hier in Nordrhein-Westfalen überlebt hat. Es geht zurück auf die Initiative meines Vor-Vorgängers Eckhard Uhlenberg.

Ich habe mich gerade noch bei der Kollegin aus dem Haus erkundigt: Im Jahr 2008 hat er dieses Schulprogramm tatsächlich in der Form, wie wir es heute haben, eingeführt. Ich bin dankbar, dass er das damals getan hat. Ich war mit ihm damals an vielen Schulen in Nordrhein-Westfalen unterwegs.

Ich finde es richtig, dass es hier weiter fortgeführt wird und durch die jetzige Landesregierung mit entsprechendem Geld ausgestattet und weiter vorangebracht wird. Wir haben mittlerweile 1.100 Schulen, die an diesen Programmen teilnehmen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist eine sensationelle Zahl. Wir haben an ein paar wenigen Schulen in einigen wenigen Regierungsbezirken angefangen. Heute gibt es quasi eine flächendeckende Beteiligung.

Wenn Schulen Schwierigkeiten haben – vorhin wurde die Kompliziertheit angesprochen –, kann ich Ihnen sagen: Auch unser Haus berät die Schulen dabei, wie sie an dem Bewerbungsverfahren teilnehmen und dabei mitmachen können.

Ich sage Ihnen zu: Dieses Programm wird es jedenfalls in meiner Zeit, in der Zeit von Ministerpräsident Armin Laschet, auch weiterhin geben. Vielleicht schaffen wir es ja auch, vom Finanzminister in den nächsten Jahren noch ein Schnippchen obendrauf zu bekommen, um das Programm noch weiter ausdehnen zu können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2761 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales – federführend – sowie an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Auch nicht. Dann haben wir einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

15 Gesetz zur Änderung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2659

erste Lesung

Herr Minister Dr. Stamp hat angekündigt, seine Einbringungsrede zu Protokoll zu geben (siehe Anlage). Sie ist uns mit Sicherheit auch übergeben worden. Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Damit kommen wir sofort zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung. Der Ältestenrat empfiehlt uns die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 17/2659 an den Integrationsausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen. Möchte hier jemand widersprechen? – Oder sich enthalten? – Beides ist nicht der Fall. Dann haben wir einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

16 Wahl der Mitglieder und Wahl des/der Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses II (Drucksache 17/2753)

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2806 – Neudruck

Wahlvorschlag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2812 

Wahlvorschlag
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2821 

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU
Drucksache 17/2822 

Wahlvorschlag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2824

Eine Aussprache ist dazu nicht vorgesehen.

Wir stimmen als erstes über den Wahlvorschlag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2806 – Neudruck – ab. Wer möchte diesem Wahlvorschlag der SPD-Fraktion zustimmen? – Das sind die Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und AfD sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der Wahlvorschlag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2806Neudruckangenommen.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung, diesmal über den Wahlvorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2812. Wer stimmt hier zu? – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die FDP-Fraktion, die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist auch der Wahlvorschlag Drucksache 17/2812 einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Abstimmung, diesmal über den Wahlvorschlag der Fraktion der FDP Drucksache 17/2821. Wer stimmt hier zu? – Das sind die FDP-Fraktion, die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, die AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Stimmt jemand dagegen? – Nein. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Dann ist auch der Wahlvorschlag Drucksache 17/2821 einstimmig angenommen.

Wir kommen zur vierten Abstimmung, und zwar über den Wahlvorschlag der Fraktion der CDU Drucksache 17/2822. Wer stimmt hier zu? – Das sind die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die FDP-Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Dann ist auch der Wahlvorschlag Drucksache 17/2822 einstimmig angenommen.

Wir kommen fünftens zur Abstimmung über den Wahlvorschlag der Fraktion der AfD Drucksache 17/2824. Wer stimmt diesem Wahlvorschlag zu? – Das sind die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. – Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Wer möchte sich enthalten? – Das sind die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die FDP-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist der Wahlvorschlag der AfD-Fraktion Drucksache 17/2824 bei den Enthaltungen ebenfalls einstimmig angenommen.

Damit sind wir am Ende des Tagesordnungspunktes 16.

Ich rufe auf:

17 Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des Kontrollgremiums gemäß § 23 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2775

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Wir kommen direkt zur Abstimmung über den Wahlvorschlag Drucksache 17/2775. Ich will allerdings vor der Abstimmung noch einen Hinweis geben, nämlich dass gemäß § 24 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen für die Wahl die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich ist.

Mit diesem Hinweis lasse ich jetzt abstimmen über den Wahlvorschlag Drucksache 17/2775. Wer möchte diesem Wahlvorschlag zustimmen? – Das sind die SPD-Fraktion, die CDU-Fraktion, die FDP, Bündnis 90/Die Grünen, die AfD und der eine noch anwesende fraktionslose Abgeordnete Langguth. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? – Das ist auch nicht der Fall.

Dann kann ich feststellen, dass nicht nur die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht wurde, sondern sogar einstimmig der Wahlvorschlag in Drucksache 17/2775 angenommen wurde, und damit gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz die notwendige und erforderliche Mehrheit erreicht wurde.

Damit sind wir schon bei Tagesordnungspunkt

18 Benennung eines stellvertretenden Mitglieds für den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE)

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2751

Eine Aussprache ist hier ebenfalls nicht vorgesehen.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Wer dieser Benennung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion, die SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die AfD-Fraktion und der anwesende fraktionslose Abgeordnete Langguth. Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Auch nicht. Dann ist auch der Wahlvorschlag Drucksache 17/2751 angenommen und diese Benennung einstimmig vorgenommen worden.

19 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 8
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/2803 – Neudruck

Die Übersicht 8 enthält insgesamt neun Anträge, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung an einen Ausschuss zur abschließenden Erledigung

 

überwiesen wurden, sowie zwei Entschließungsanträge. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich.

Ich lasse nun über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den jeweiligen Ausschüssen entsprechend Übersicht 8 abstimmen. Möchte jemand dagegen stimmen? – Das ist nicht der Fall. Enthält sich jemand? – Das ist auch nicht der Fall. Damit haben wir das Abstimmungsverhalten in Übersicht 8 einstimmig bestätigt.

Ich rufe auf:

20 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/13
gemäß § 97 Abs. 8 GO

Uns liegt der Bericht zu den Beschlüssen des Petitionsausschusses vor, der gemäß § 97 Abs. 8 der Geschäftsordnung mindestens vierteljährlich dem Landtag zur Bestätigung vorzulegen ist.

In Übersicht 17/13 finden Sie die Übersicht über die Petitionen. Wir müssen die Beschlüsse nun bestätigen. Eine Aussprache dazu ist nicht vorgesehen – es sei denn, Sie wünschen etwas anderes. Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Möchte jemand sich gegen die in Übersicht 17/13 aufgeführten Petitionsentscheidungen aussprechen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Damit haben wir auch die Beschlüsse des Petitionsausschusses in Übersicht 17/13 einstimmig bestätigt.

Wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt.

Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Donnerstag, 14. Juni 2018, 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 19:51 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 

Anlage

Zu TOP 15 – „Gesetz zur Änderung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes – zu Protokoll gegebene Rede

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration:

Integration findet vor Ort in den Städten und Gemeinden unseres Landes statt. Die Kommunen haben es verdient, dass sie vom Land endlich die hierfür notwendige finanzielle Unterstützung erhalten. Genau das soll jetzt passieren – noch in diesem Jahr, so wie wir es gesagt haben.

Jahr für Jahr hat die rot-grüne Landesregierung die Integrationspauschale des Bundes komplett selbst verbraucht. Nun – im ersten Haushaltsjahr der NRW-Koalition – werden endlich auch die Kommunen von der Integrationspauschale profitieren können. Das haben CDU und FDP versprochen. Dieses Versprechen halten wir jetzt.

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes schaffen wir die Voraussetzung für eine Entlastung der Kommunen in Höhe von 100 Mio. Euro für Integrationsmaßnahmen. Alle 396 Städte und Gemeinden werden einen Anteil an den 100 Mio. Euro für Integrationsmaßnahmen erhalten.

Die Aufnahme in das Teilhabe- und Integrationsgesetz verdeutlicht auch symbolisch, welch große Bedeutung die erstmalige Auszahlung eines größeren Geldbetrages für Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge in den Kommunen innerhalb der NRW-Integrationspolitik hat.

Zwischen meiner Kollegin Ministerin Scharrenbach und mir bestand Einigkeit, den Verteilungsschlüssel belastungsorientiert und gemeindescharf auszugestalten anhand der Flüchtlinge, die sich tatsächlich vor Ort aufhalten. Dafür wurde die Summe der geflüchteten Personen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) und nach der Ausländer-Wohnsitzregelungsverordnung (AWoV) zugrunde gelegt.

Mit 60 % werden die Personen, die unter die Ausländer-Wohnsitzregelungs­verordnung fallen und damit ein Aufenthaltsrecht haben, höher gewichtet. Denn diese Personen mit Bleiberecht werden absehbar dauerhaft in den Kommunen verbleiben und dort einen längerfristigen Bedarf an Integrationsmaßnahmen haben.

Damit niemand leer ausgeht, wurde ein Mindestbetrag in Höhe von 50.000 Euro pro Kommune festgesetzt. Davon profitieren insbesondere kleinere Gemeinden, und zwar vor allem solche, die auch eine Landeseinrichtung beherbergen.

Allen Kommunen wurde die Möglichkeit eingeräumt, die Korrektheit der von ihnen gemeldeten Bestandszahlen zum Stichtag zu überprüfen. Uns ist es wichtig, die Kommunen bei ihrer Integrationsarbeit zielgerichtet und unbürokratisch zu unterstützen. Auf besondere Anforderungen an die Kommunen zur Mittelverwendung wird daher ver­zichtet.

Dadurch werden von der Landesregierung die großen Anstrengungen der Kommunen in der Flüchtlingskrise 2015/2016 noch einmal besonders gewürdigt.

Ich würde mir wünschen, dass der Landtag die Neuregelung noch vor der Sommerpause 2018 beschließen könnte, damit dann zeitnah die Bescheide und die Auszahlung an die Kommunen erfolgen können.

Ich versichere Ihnen außerdem, dass sich die Landesregierung weiterhin beim Bund nachdrücklich dafür einsetzen wird, dass dieser sich noch stärker finanziell an den Flüchtlingskosten beteiligt, um für zusätzliche Entlastung bei Ländern und Kommunen zu sorgen. Diese Haltung werden wir auch morgen auf der Ministerpräsidentenkonferenz erneut vortragen.