Das Dokument ist auch im PDF und Word Format verfügbar.

Landtag

https://www.landtag.nrw.de/portal/Grafiken/Logos/pp_wappen.jpg

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/26

17. Wahlperiode

16.05.2018

 

26. Sitzung

Düsseldorf, Mittwoch, 16. Mai 2018

Mitteilungen des Präsidenten. 7

Vor Eintritt in die Tagesordnung. 7

Verpflichtung     
des Abgeordneten Stefan Engstfeld

(Bündnis 90/Die Grünen)
7

1   Landtag und Landesregierung müssen jetzt bei der Datenschutzgrundverordnung Korrekturen anmahnen: Bundesregierung bei der besseren Umsetzung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unterstützen!

Aktuelle Stunde
auf Antrag

der Fraktion der CDU und

der Fraktion der FDP

Drucksache 17/2604
. 7

Olaf Lehne (CDU) 7

Angela Freimuth (FDP) 9

Michael Hübner (SPD) 10

Nichtförmliche Rüge  
des Abgeordneten Michael Hübner
s. Protokoll der 27. Plenarsitzung unter
Vor Eintritt in die Tagesordnung. 10

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE) 11

Sven Werner Tritschler (AfD) 13

Nichtförmliche Rüge  
des Abgeordneten Sven Werner Trischler
s. Protokoll der 27. Plenarsitzung unter
Vor Eintritt in die Tagesordnung. 13

Marcus Pretzell (fraktionslos) 14

Minister Herbert Reul 14

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD) 15

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 16

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE) 18

Ralph Bombis (FDP) 19

Christian Loose (AfD) 20

2   Impfen schützt – Kampagne zur Verbesserung des Impfschutzes in Nordrhein-Westfalen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2563. 21

Peter Preuß (CDU) 21

Susanne Schneider (FDP) 22

Angela Lück (SPD) 23

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 24

Dr. Martin Vincentz (AfD) 25

Minister Karl-Josef Laumann. 26

Ergebnis. 26

3   Landesregierung muss kurzfristig ein Konzept zur digitalen Ausstattung von Lehrerinnen und Lehrern vorlegen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2560. 27

Jochen Ott (SPD) 27

Florian Braun (CDU) 27

Franziska Müller-Rech (FDP) 28

Sigrid Beer (GRÜNE) 30

Helmut Seifen (AfD) 31

Ministerin Yvonne Gebauer 32

Jochen Ott (SPD) 33

Ergebnis. 33

4   Land muss Verantwortung für Geduldete übernehmen und die Kommunen dauerhaft finanziell entlasten

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 17/2550
. 33

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 34

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU) 35

Hans-Willi Körfges (SPD) 36

Stefan Lenzen (FDP) 38

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 40

Minister Dr. Joachim Stamp. 41

Marc Blondin (CDU) 43

Ibrahim Yetim (SPD) 44

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 45

Stefan Lenzen (FDP) 46

Herbert Strotebeck (AfD) 47

Hans-Willi Körfges (SPD) 47

Minister Dr. Joachim Stamp. 48

Ergebnis. 49

5   Deutsche Leitkultur statt Islamisierung – Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen muss ein tragfähiges Heimatkonzept als Grundlage eines kohärenten Regierungshandelns vorlegen!

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2554. 50

Roger Beckamp (AfD) 50

Claudia Schlottmann (CDU) 51

Stefan Kämmerling (SPD) 52

Stephen Paul (FDP) 55

Verena Schäffer (GRÜNE) 57

Ministerin Ina Scharrenbach. 59

Ergebnis. 61

6   Fragestunde

Drucksache 17/2602. 61

Mündliche Anfrage 15

des Abgeordneten Mehrdad Mostofizadeh (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Wie stellt die Landesregierung die Einnahmen aus der Grundsteuer sicher?“ 61

Wie plant die Landesregierung sicherzustellen, dass den Kommunen auch dauerhaft die Einnahmen aus der Grundsteuer zur Verfügung stehen?. 61

(Schriftliche Beantwortung  
s.
Vorlage 17/787)

Mündliche Anfrage 16

der Abgeordneten
Sigrid Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kopftuchverbot für Grundschülerinnen? Welche Erkenntnisse hat die Schulministerin?  61

Plant die Ministerin für Schule und Bildung, Yvonne Gebauer, einen Gesetzentwurf, um Schülerinnen das Tragen des Kopftuchs an Grundschulen zu verbieten?. 61

(Schriftliche Beantwortung  
s.
Vorlage 17/789)

Mündliche Anfrage 17

des Abgeordneten Christian Dahm (SPD)

1. Aufgrund welcher Faktenlage hat Regierungssprecher Christian Wiermer am 16. März 2018 die Öffentlichkeit über vermeintliche Erkenntnisse von Ermittlern, die auf einen Hackerangriff auf die Familie Schulze Föcking hinweisen sollten, informiert?. 61

2. Wie und wann wurde der Ministerpräsident durch Ministerin Schule Föcking über die vorläufigen Ermittlungsergebnisse der StA Köln informiert?. 62

Zur Geschäftsordnung

Thomas Kutschaty (SPD)(zur GeschO) 62

Matthias Kerkhoff (CDU)(zur GeschO) 62

Ergebnis. 62

Mündliche Anfrage 17

des Abgeordneten Christian Dahm (SPD)

1. Aufgrund welcher Faktenlage hat Regierungssprecher Christian Wiermer am 16. März 2018 die Öffentlichkeit über vermeintliche Erkenntnisse von Ermittlern, die auf einen Hackerangriff auf die Familie Schulze Föcking hinweisen sollten, informiert?. 63

2. Wie und wann wurde der Ministerpräsident durch Ministerin Schule Föcking über die vorläufigen Ermittlungsergebnisse der StA Köln informiert?. 63

Minister Lutz Lienenkämper 63

Zur Geschäftsordnung

Verena Schäffer (GRÜNE)(zur GeschO) 79

Ergebnis. 79

Minister Lutz Lienenkämper 80

7   Die Kraft-Wärme-Kopplung braucht stabile, rechtssichere und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen – Umlagebefreiung für effiziente und umweltfreundliche Anlagen erhalten

Antrag
der Fraktion der CDU und

der Fraktion der FDP

Drucksache 17/1988

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Wirtschaft, Energie und Landesplanung
Drucksache 17/2601. 82

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2619

Dr. Christian Untrieser (CDU) 82

Dietmar Brockes (FDP) 83

Frank Sundermann (SPD) 84

Wibke Brems (GRÜNE) 85

Christian Loose (AfD) 86

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 86

Ergebnis. 87

8   Wer A sagt muss auch B sagen: Eine nachhaltige Verkehrswende erfordert auch ganzheitliches Denken und umfassende Maßnahmen für den Nahverkehr

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2557. 88

Carsten Löcker (SPD) 88

Klaus Voussem (CDU) 89

Bodo Middeldorf (FDP) 90

Arndt Klocke (GRÜNE) 91

Nic Peter Vogel (AfD) 92

Minister Hendrik Wüst 93

Ergebnis. 94

9   Fachkraftoffensive in NRW starten! Qualität in der frühkindlichen Bildung steigern!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2549. 95

Josefine Paul (GRÜNE) 95

Jens Kamieth (CDU) 96

Dr. Dennis Maelzer (SPD) 97

Marcel Hafke (FDP) 98

Iris Dworeck-Danielowski (AfD) 99

Minister Dr. Joachim Stamp. 100

Ergebnis. 101

10 Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des allgemeinen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Nordrhein-Westfälisches Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU-NRWDSAnpUG-EU)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/1981

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 17/2574

Änderungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2615

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2620

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2629

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2631

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2616

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2630

zweite Lesung. 102

Dr. Jörg Geerlings (CDU) 102

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD) 103

Angela Freimuth (FDP) 104

Verena Schäffer (GRÜNE) 105

Sven Werner Tritschler (AfD) 106

Marcus Pretzell (fraktionslos) 107

Minister Herbert Reul 108

Florian Braun (CDU) 109

Ergebnis. 111

11 Mehr Biss für den zahnlosen Tiger: Bundesnetzagentur braucht Sanktionsmöglichkeiten

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2559. 112

René Schneider (SPD) 112

Guido Déus (CDU) 113

Ralph Bombis (FDP) 114

Horst Becker (GRÜNE) 115

Herbert Strotebeck (AfD) 116

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 117

Ergebnis. 118

12 Masterplan für die Elektrifizierung von Bahnstrecken in NRW

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2547. 118

Johannes Remmel (GRÜNE) 119

Henning Rehbaum (CDU) 120

Gordan Dudas (SPD) 121

Ulrich Reuter (FDP) 122

Nic Peter Vogel (AfD) 123

Minister Hendrik Wüst 123

Ergebnis. 124

13 Gesetz zur Änderung des Polizeiorganisationsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2114

Beschlussempfehlung
des Innenausschusses
Drucksache 17/2477

zweite Lesung. 124

Gregor Golland (CDU) 124

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD) 125

Marc Lürbke (FDP) 125

Verena Schäffer (GRÜNE) 126

Thomas Röckemann (AfD) 127

Minister Herbert Reul 128

Ergebnis. 128

14 Gesetz zur Änderung des EA-Gesetzes NRW

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2410

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Wirtschaft, Energie und Landesplanung
Drucksache 17/2542

zweite Lesung. 129

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Anke Fuchs-Dreisbach (CDU)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Frank Sundermann (SPD)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Ralph Bombis (FDP)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Horst Becker  (GRÜNE)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Christian Loose (AfD)
zu Protokoll (s. Anlage 1)

Ergebnis. 129

15 Gesetz zur Anpassung des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen und des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2576

erste Lesung. 129

Minister Herbert Reul 129

Minister Herbert Reul
zu Protokoll (s. Anlage 2)

Ergebnis. 129

16 Mitteilung nach § 15 des Abgeordnetengesetzes NRW

Unterrichtung
durch den Präsidenten
des Landtags
Drucksache 17/2592. 129

Ergebnis. 129

17 Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Beirats der NRW.BANK

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2618. 129

Ergebnis. 129

18 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 7
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/2603. 130

Ergebnis. 130

19 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/12
gemäß § 97 Abs. 8
der Geschäftsordnung. 130

Ergebnis. 130

Anlage 1. 131

Zu TOP 14 – „Gesetz zur Änderung des EA-Gesetzes NRW“ – zu Protokoll gegebene Reden

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 131

Anke Fuchs-Dreisbach (CDU) 131

Frank Sundermann (SPD) 132

Ralph Bombis (FDP) 132

Horst Becker (GRÜNE) 132

Christian Loose (AfD) 132

Anlage 2. 133

Zu TOP 15 – „Gesetz zur Anpassung des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen und des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Herbert Reul 133

Entschuldigt waren:

Minister Peter Biesenbach

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen      
(ab 16:30 Uhr)

Angela Erwin (CDU)

Heike Gebhard (SPD)  
(bis 11 Uhr)

Armin Jahl (SPD)

Andreas Kossiski (SPD)          
(ab 16 Uhr)

Hannelore Kraft (SPD) 
(ab 16 Uhr)

Norbert Römer (SPD)   
(bis 13:30 Uhr)

Prof. Dr. Karsten Rudolph (SPD)

Sven Wolf (SPD)         
(12:30 bis 16 Uhr)

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE)   
(ab 13 Uhr)

 

 

Beginn: 10:04 Uhr

Präsident André Kuper: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 26. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen sehr herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich vier Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung dürfen wir ein neues Mitglied des Landtags verpflichten. Der Landeswahlleiter des Landes Nordrhein-Westfalen hat mir mit Schreiben vom 9. Mai 2018 mitgeteilt, dass mit Wirkung vom 12. Mai 2018 Herr Stefan Engstfeld für Bündnis 90/Die Grünen für die ausgeschiedene Abgeordnete Frau Barbara Steffens, Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Landtags geworden ist.

Ich darf Herrn Engstfeld zu mir bitten, damit ich die nach § 2 unserer Geschäftsordnung vorgesehene Verpflichtung vornehmen kann. – Ich bitte alle Anwesenden, soweit es Ihnen möglich ist, sich für die Verpflichtung von ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Sehr geehrter Herr Engstfeld, ich bitte Sie, die folgenden Worte der Verpflichtungserklärung anzuhören und anschließend durch Handschlag zu bekräftigen:

„Die Mitglieder des Landtags von Nordrhein-Westfalen bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des Landes Nordrhein-Westfalen widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegenüber jedem Menschen dem Frieden dienen werden.“

Lieber Herr Kollege, herzlich willkommen. Ich heiße Sie als Mitglied des Landtags in dieser Runde willkommen, wünsche Ihnen alles Gute und hoffe auf gute, konstruktive Zusammenarbeit.

(Beifall von allen Fraktionen und von der Regierungsbank – Stefan Engstfeld [GRÜNE]: Vielen Dank!)

Wir treten in die heutige Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1   Landtag und Landesregierung müssen jetzt bei der Datenschutzgrundverordnung Korrekturen anmahnen: Bundesregierung bei der besseren Umsetzung der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unterstützen!

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2604

Die Fraktionen von CDU und FDP haben mit Schreiben vom 14. Mai 2018 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Abgeordnetenkollegen Lehne von der CDU das Wort. Bitte schön.

Olaf Lehne (CDU): Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, meine sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie werden sich eventuell fragen, warum wir diese Aktuelle Stunde beantragt haben.

(Michael Hübner [SPD]: Richtig!)

Das Europäische Parlament hat am 24. Mai 2016 die Datenschutz-Grundverordnung beschlossen. Der Deutsche Bundestag hatte zwei Jahre Zeit, innerdeutsches Recht an die Verordnung anzupassen, was mit der Neukonzeption des Bundesdatenschutzgesetzes erfolgt ist. – Aber Änderungen sind erforderlich.

Am 25. Mai 2018 tritt die Datenschutz-Grundverordnung europaweit in Kraft. Die Datenschutz-Grundverordnung ist ein wichtiger Schritt für den Schutz der persönlichen Daten. Die Datenskandale zeigen, wie dringend notwendig eine Verordnung ist, die das Datenschutzrecht innerhalb der Mitgliedsstaaten Europas harmonisiert. Aber das, was jetzt in Kraft tritt, bedarf wesentlicher Änderungen.

Die CDU-Fraktion will den Mehraufwand bei der Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben für die betroffenen kleineren und mittleren Unternehmen, Freiberufler und Vereine erträglich halten. Wir halten eine Entbürokratisierung und Vereinfachung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen für die Anwender für dringend geboten.

Auch die Handlungsspielräume, die die Datenschutz-Grundverordnung den EU-Mitgliedsstaa-ten durch Öffnungsklauseln gewährt, müssen auf Bundesebene ausgeschöpft werden. Mittelständler, Vereine und im Übrigen auch wir Politiker stehen vor massiven Schwierigkeiten bei der Umsetzung und Anwendung der EU-Verordnung, weil ohne die Genehmigung der zu schützenden Dritten etwa kaum noch Datenbilder erfasst werden können.

Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in der vergangenen Woche betont, dass die Richtlinie nicht dazu führen dürfe, dass der Umgang mit Daten nicht mehr praktikabel sei. Gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium wolle sie die Richtlinie erneut prüfen und die Regeln im möglichen Rahmen lockern. Genauso ist es richtig.

(Unruhe)

Wir werden unsere Möglichkeiten auf Bundesebene nutzen, um die Kanzlerin bei ihrem Ziel, die Betroffenen zu entlasten, zu unterstützen. Das brauchen die Freiberufler, Handwerksbetriebe, Vereinsvertreter und Ehrenamtlichen in unserem Land.

Zahlreiche schriftliche Anfragen und Gespräche vor Ort haben uns dazu veranlasst, diese Aktuelle Stunde zu beantragen. Die Verunsicherung ist groß. Selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages vertritt zur Datenschutz-Grundverordnung eine andere Auffassung als der Wissenschaftliche Dienst des Landtags Nordrhein-Westfalen.

Der Aufwand für die Betroffenen steigt erheblich. Verstöße können ernsthafte rechtliche Folgen nach sich ziehen wie zum Beispiel erhebliche Geldbußen, Schadensersatz- und eventuell sogar Schmerzensgeldansprüche.

Ein Empfehlungslink auf der Homepage eines Heimatvereins, eines Handwerksbetriebs oder auch einer Rechtsanwaltskanzlei an der falschen Stelle beispielsweise kann zu großen Problemen führen. Ordner mit Adressverzeichnissen von Sportvereinen können unter bestimmten Voraussetzungen bereits zu Strafen führen.

Wir wollen Unternehmen, Vereine, Handwerker, Freiberufler und Ehrenamtler bei der Umsetzung und Einhaltung der datenschutzrechtlichen Neuregelungen unterstützen.

(Anhaltende Unruhe)

In den Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes fallen alle nichtöffentlichen Stellen, das heißt: Unternehmen, Privatpersonen, Ehrenamtler, Vereine und die öffentlichen Behörden des Bundes.

Den Umgang mit personenbezogenen Daten für nichtöffentliche Stellen und die öffentlichen Stellen des Bundes regelt das Bundesdatenschutzgesetz. Das heißt, für die Bereiche des Ehrenamts, der Vereine, der Unternehmen und der Freiberufler ist der rechtliche Rahmen daher abschließend auf europäischer Ebene geregelt und auf Bundesebene zu schaffen.

Der Familienbetrieb um die Ecke ist nicht vergleichbar mit den Großbetrieben wie Amazon oder Google. Die Regeln zur Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung müssen wie von der Kanzlerin gefordert gelockert werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Österreich schöpft einige Öffnungsklauseln aus. Zum Beispiel gibt es in aller Regel Strafen nur für Wiederholungstäter. Die betroffenen Unternehmen, Vereine oder auch Einzelpersonen dürfen nicht Opfer einer Abmahnindustrie werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der Mittelstand und das Ehrenamt sind das Rückgrat unserer Gesellschaft. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 15. April 2018 schreibt in einem Interview über den Berichterstatter des EU-Parlaments Jan Philipp Albrecht von den Grünen, dass er Europas Unternehmen mit seinem Datenschutzrecht überfordere – Zitat: „Der Überzeugungstäter sieht das als Dienst am Menschen.“

Hier ist stattdessen Augenmaß gefordert. Die Politik muss ein Auge darauf haben, dass hier nicht durch europäische Vorgaben alles noch komplizierter wird.

Eine Studie zeigt, dass gerade die kleineren und mittleren Unternehmen, die Freiberufler und Handwerker bei der Umsetzung der datenschutzrechtlichen Regeln vor erhebliche Herausforderungen gestellt werden und schlichtweg überfordert sind. Es droht, dass viele kleinere und mittlere Unternehmen es nicht schaffen, die Vorgaben der EU-Datenschutz-Grund-verordnung rechtzeitig zu erfüllen.

Eine aktuelle Umfrage von eco – Verband der Internetwirtschaft – und Absolutconsulting unter 600 Marketingentscheidern zeigt beispielsweise, dass es zu knapp einem Viertel der E-Mail-Adressen, die regelmäßig angeschrieben würden, keine oder nur eine rechtlich unzureichende Einwilligung gebe. Das macht immerhin 22 % aus.

(Anhaltende Unruhe)

47 % der Beauftragten wollen sich noch eine geeignete Vorgehensweise überlegen. – Heute haben wir den 16. Mai. Die Datenschutz-Grundverordnung tritt am 25. Mai in Kraft.

Daten sind der Treibstoff der Wirtschaft und eine stetig nachwachsende Ressource, mit der wir verantwortungsvoll umgehen müssen. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung muss gewährleistet werden. Die Chancen einer modernen Datenverarbeitung müssen gleichzeitig ermöglicht werden.

Trotzdem gilt hier: Der Staat muss das richtige Maß wahren im Sinne der Menschen für unser Land. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Lehne. – Ich darf nun der Kollegin Freimuth für die FDP das Wort erteilen, möchte Sie allerdings alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitten – es herrscht eine relativ große Unruhe im Saal –, dem Redner oder der Rednerin etwas mehr Aufmerksamkeit entgegenzubringen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Angela Freimuth (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die europäische Datenschutz-Grundverordnung wurde lange diskutiert. Sie wurde vor zwei Jahren beschlossen und wird in wenigen Tagen in Kraft treten.

Die europäische Harmonisierung des Datenschutzrechts ist sinnvoll, ganz ohne jeden Zweifel. Insbesondere unterstützen wir Freien Demokraten uneingeschränkt den Ansatz, den Menschen die Kontrolle über ihre Daten wieder zurückzugeben.

Das Internet hat zu umfassenden Veränderungen in fast allen Lebensbereichen geführt. Die kulturelle Bedeutung wird manchmal mit der Erfindung des Buchdrucks verglichen. Daten entwickeln sich zunehmend zum Rohstoff, zum Wertstoff, manchmal zur Währung unseres Jahrhunderts. Wenn wir den einzelnen Menschen und sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung stärken wollen, brauchen wir klare Regeln zum Umgang mit den Daten und zum Schutz der persönlichen Daten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den vergangenen Wochen wurden wir alle wahrscheinlich von zahlreichen Anrufen und Zuschriften von Vereinen, Handwerkern und Mittelständlern auf die Konsequenzen für Wirtschaft und Ehrenamt aufmerksam gemacht. In Zeitungen und sozialen Netzwerken werden die neuen Datenschutzregelungen sehr engagiert diskutiert. Sehr deutlich werden die Sorgen der Unternehmer, ob sie zukünftig noch ihre Kunden über neue Angebote informieren dürfen, oder der Vereine, ob sie zukünftig für ihre Mitgliederverwaltung extra einen gesicherten Raum anmieten müssen. All diese Sorgen werden in den Zuschriften mehr als deutlich, und sie sind auch nachvollziehbar.

Ab dem 25. Mai muss jede für private Zwecke genutzte Website an die datenschutzrechtlichen Regelungen angepasst werden. Der Umgang mit Kontaktdaten, Adressen und Newslettern wird sich massiv verändern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Idee der Datenschutz-Grundverordnung war und ist, die Privatsphäre von Internetnutzern besser zu schützen und ein nicht autorisiertes Abfischen von Daten zu unterbinden. Datenschutz schützt nicht nur die Daten, sondern insbesondere den Menschen in seiner Freiheit. Wenn alle Daten allgemein zugänglich sind, wenn alle Daten zum Wirtschaftsgut erklärt werden, meine Damen und Herren, und es keine private Sphäre mehr für den Einzelnen gibt, dann gibt es auch keine Freiheit des Einzelnen mehr.

Das kann man alles – wenn auch in einer Fiktion – im Roman „The Circle“ von Dave Eggers gut nachlesen. Es ist dort, wie ich finde, sehr abschreckend beschrieben, weshalb es uns ein Anliegen sein muss, die Privatsphäre und den Datenschutz in besonderer Weise in den Blick zu nehmen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Datenschutzregeln dürfen aber nicht als Schikane empfunden werden. Datenschutzregeln sollen idealerweise als Verbesserung und nicht als Zumutung empfunden werden, und sie dürfen die Chancen einer modernen Datenverarbeitung nicht ersticken und Innovation und Fortschritt nicht verhindern.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das Ehrenamt und die mittelständische Wirtschaft fühlen sich zum Teil nicht richtig vorbereitet und fürchten, falls sie bei der datenschutzrechtlichen Umsetzung etwas vergessen, datenschutzrechtliche Schadenersatzforderungen und Bußgelder in nahezu existenzgefährdender Art und Weise. Wenn die Datenschutz-Grundverordnung Bußgelder in Höhe von 4 % des globalen Jahresumsatzes vorsieht, kann ich auch diese Existenzsorgen mehr als nachvollziehen.

Die vorgesehenen Dokumentationspflichten sind umfassend und insofern mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden. Gleichzeitig kann man jedem nur raten, diese Dokumentation zu führen, um sich gegebenenfalls auch gegen drohende Klagen wehren zu können. Auch Verletzungen der Melde- und Benachrichtigungs- sowie der Löschverpflichtung sind als Schadenersatzgründe vorgesehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bisher galten für Datenschutzverletzungen die deutschen Beweislastregeln, wodurch der Anspruchsteller einen Verstoß beweisen musste. Das war mitunter für den Einzelnen sehr schwierig.

Mit der Datenschutz-Grundverordnung wird nunmehr aber das Rechenschaftsprinzip eingeführt. Dieses führt zu einer erheblichen Veränderung für den Datenverarbeitenden, denn er bzw. sie muss nun nachweisen, die Vorgaben der Verordnung und der entsprechenden Ausführungsgesetze eingehalten zu haben.

Ob und wie diese Beweislastregel dann im Zivilverfahren gegebenenfalls angewandt und ausgelegt wird, ist eine Frage, bei der wir sehr sorgsam nachschauen müssen, wie dies gehandhabt werden soll.

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann die Sorgen beim Ehrenamt und in den Unternehmen nachvollziehen. Nicht alle Regelungen erschließen sich mir persönlich in der Verhältnismäßigkeit.

Leider können wir aber als Landesgesetzgeber keine unmittelbaren Entlastungen für die Vereine und das Ehrenamt vornehmen. Wir können informieren und unterstützen, aber wir können als Gesetzgeber keine Entlastung vorsehen, denn die Datenschutz-Grundverordnung lässt uns als Mitgliedsstaaten nur an einigen Stellen Handlungsspielräume durch Öffnungsklauseln, und im Übrigen sind die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung abschließend. Der Umgang mit personenbezogenen Daten für nichtöffentliche Stellen wird zudem im Bundesdatenschutzgesetz geregelt. Für den Bereich des Ehrenamtes, für die Vereine, die Freiberufler, die Unternehmen und die Handwerker ist eben die bundesgesetzliche Regelung entscheidend.

Deshalb kann ich nur sagen: Wir unterstützen als NRW-Koalition auch die Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag als Bundesgesetzgeber und die Bundesregierung. Die Äußerungen der Frau Bundeskanzlerin lassen darauf schließen, dass dort die Unverhältnismäßigkeit bereits gesehen wird, dass wir unser engagiertes Ehrenamt im Land sowie unsere erfolgreiche Wirtschaft erhalten müssen und sie nicht durch findige Abmahnvereine und deren Geschäftsmodelle ersetzen dürfen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen das Ehrenamt und unsere mittelständische Wirtschaft nicht im Stich lassen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die SPD hat nun der Abgeordnetenkollege Hübner das Wort.

Michael Hübner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lehne, Sie stellen die Frage in den Raum: Warum bedarf es einer Aktuellen Stunde zu diesem Thema? – Ich stimme Ihnen zu und will das später auch begründen: Warum bedarf es dieser Aktuellen Stunde?

Die Datenschutz-Grundverordnung – das haben Sie, Herr Kollege Lehne, und auch Frau Freimuth dankenswerterweise ausgeführt – steht zwei Jahre lang auf unserer Agenda. In der Tat haben wir nicht ausreichend darauf geachtet, die kleinen Unternehmen, die mittelständischen Unternehmen, die ehrenamtlichen Vereine, die Vereine, auch die Parteien – das will ich hier durchaus einflechten – darauf vorzubereiten, wie damit umzugehen ist.

Ganz viele von uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, bekommen auch gerade E-Mails von Verteilern, von denen man wahrscheinlich gar nicht wusste, dass man noch in dem Verteiler ist, und wird vor dem Hintergrund der Datenschutz-Grundverordnung gefragt: Willst du weiter dabeibleiben? Wollen Sie weiter dabeibleiben? – Dieser Frage muss man zustimmen, wenn man es will. Das ist eine der Folgen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mir Ihren Antrag auf Durchführung der Aktuellen Stunde angeschaut. Darin geht es ganz wesentlich darum, dass die NRW-Koalition die Einschätzung der Bundeskanzlerin teilt, dass es noch zu Veränderungen kommen soll. Das ist auch der Grund dieser Aktuellen Stunde, weil Sie sagen: Die kleinen Unternehmen, die mittelständischen Unternehmen – das ist übrigens auch das, was ich zuletzt im Digitalausschuss mit Minister Pinkwart diskutiert habe – sind darauf nicht ausreichend vorbereitet.

Ja, Sie haben recht. Ich glaube auch, dass der Handwerkerbetrieb um die Ecke – um einmal das Bild zu zeichnen – aus seinen Daten, die er beispielsweise für Rechnungen gespeichert hat, nicht automatisch Grußkarten zu Weihnachten oder zum Geburtstag schicken kann, weil ihm keine automatische Zustimmung des Betroffenen vorliegt, aber das weiß der Handwerksbetrieb um die Ecke nicht einmal.

Sie kündigen an, dass die Bundeskanzlerin Veränderungen auf den Weg bringen will. Ich habe mir das auch angesehen. Sie führen die „Berliner Zeitung“ an: „Merkel will Datenschutzverordnung in letzter Sekunde lockern!“ Sie hat auch angekündigt, was gerade auch Frau Freimuth gesagt hat: Entscheidend sei nicht zuletzt das deutsche Recht; und da gebe es entsprechende Öffnungsklauseln; und sie verweist auf Österreich.

Das hat sie in der letzten Woche gemacht. Am Montag stellt der Regierungssprecher Steffen Seibert fest: Wir planen als Bundesregierung keine kurzfristigen Änderungen – das ist ja schon im allgemeinen Datenschutzrecht beschlossen – und auch keine EU-Initiative.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz ehrlich, man kann Frau Merkel da ja unterstützen, und man kann versuchen, es über eine Aktuelle Stunde auf den Weg zu bringen. Aber dann hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie wenigstens seit der letzten Woche Aktivität in Richtung der Frau Bundeskanzlerin auf den Weg gebracht hätten,

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

so, wie wir es auf den Weg gebracht haben, und sich nicht darauf beschränken, hier aus fadenscheinigen Gründen eine Aktuelle Stunde zu beantragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist wirklich schofelig, was Sie hier betreiben. Die Aktuelle Stunde ist es, ehrlich gesagt, nicht wert, dass wir darüber diskutieren.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Ein zweiter Punkt, warum es der Aktuellen Stunde nicht bedurft hätte – das will ich Ihnen von der CDU, insbesondere der Geschäftsführung, deutlich sagen –: Wir haben das Thema im späteren Verlauf heute auf der Tagesordnung.

(Bodo Löttgen [CDU]: Nein!)

Da hätten Sie die Chance gehabt, einen Änderungsantrag zu stellen.

(Dr. Marcus Optendrenk [CDU]: Nein!)

– Hätten Sie gehabt, haben Sie aber bis Stand heute zehn Uhr nicht vorgelegt, weshalb es – ich wiederhole es – mehr als schofelig ist, das heute Morgen über eine Aktuelle Stunde in der entsprechenden Intonation hier auf den Weg zu bringen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht, ehrlich gesagt, nicht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zwei Jahre Vorlauf. Seit letzter Woche haben Sie die Chance gehabt, bei Frau Bundeskanzlerin Ihre Interessen auf den Weg zu bringen. Sie haben all das nicht getan.

Ich muss noch etwas ansprechen, und das betrifft auch den Präsidenten. Sie kennen mich dafür – ich habe das am 18. Dezember schon einmal gemacht, als es um die Industriepolitik in diesem Lande ging, um die Industriepolitik bei thyssenkrupp –: Heute findet eine Betriebsversammlung bei ZF in Gelsenkirchen statt, und das war das Thema unseres Antrag auf eine Aktuelle Stunde.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Dieses Thema und die Frage, liebe NRW-Koalition oder liebe Mitte-rechts-Koalition, warum Sie sich nicht entsprechend industriepolitisch positionieren wollen, hatte natürlich Relevanz in einer Art und Weise, die landesweit von Interesse ist. Das hat landesweite Relevanz. Dem sind Sie nicht nachgekommen – mit Hilfe Ihres Präsidenten.

(Bodo Löttgen [CDU]: Wir? – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das betrifft auch die Firma GHH RAND in Oberhausen. Das betrifft die Firma thyssenkrupp, wo Sie sich nicht engagiert haben. Das betrifft die Firmen Siemens General Electric in Mönchengladbach, Dura und viele andere Unternehmen mehr.

Eines macht Ihre Aktuelle Stunde deutlich: Sie wollen sich nicht mit den wesentlichen Themen dieses Landes auseinandersetzen,

(Beifall von der SPD)

sondern hier nur mit altbekannten Phrasendreschereien antreten.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist letztlich nicht in Ordnung – wobei das Thema der Datenschutz-Grundverordnung natürlich ein wichtiges Thema ist;

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

im späteren Verlauf der Sitzung haben wir auch die Möglichkeit, darüber zu beraten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Für die Grünen hat nun der Abgeordnete Bolte-Richter das Wort.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist schon eine bemerkenswerte Aktuelle Stunde, die wir heute haben. Es ist schon eine berechtigte Frage, warum diese Aktuelle Stunde eigentlich aktuell ist. Zu der Datenschutz-Grundverordnung wurde der erste Entwurf vor sechs Jahren vorgelegt. Die Verordnung wurde vor zwei Jahren beschlossen.

Wenn zwei Jahre für Sie von CDU und FDP „aktuell“ bedeutet, dann habe ich keine weiteren Fragen, höchstens die, warum diese Aktuelle Stunde zugelassen wird, obwohl wir einen wichtigen Teil für uns als Landesgesetzgeber heute Abend noch regulär auf der Tagesordnung haben.

(Zurufe von Bodo Löttgen [CDU] und Angela Freimuth [FDP])

Meine Damen und Herren, es sollte Ihnen schon ein Stück weit peinlich sein, wie Sie hier vor der Verantwortung fliehen. Die Bundeskanzlerin ist – völlig zu Recht – jahrelang dafür kritisiert worden, dass sie dieses wichtige Anliegen, einen Datenschutz für ganz Europa für das digitale Zeitalter zu schaffen, hintertrieben und sabotiert hat, wo es nur ging. Doch am Ende hat die Bundesregierung zugestimmt. Am Ende haben die EVP und die Liberalen im Europäischen Parlament zugestimmt.

(Beifall von Christian Loose [AfD])

Jetzt, neun Tage vor Inkrafttreten dieser Regelung, hier mit allem nichts zu tun haben zu wollen, das muss Ihnen wirklich peinlich sein.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Christian Loose [AfD])

Meine Damen und Herren, mir ist noch gut in Erinnerung, wie sich Herr Laschet zu seiner Zeit als Oppositionsführer hier immer aufgeplustert hat, wenn es um den Einfluss Nordrhein-Westfalens in Berlin ging. – Herr Ministerpräsident, … – Gerade saß er noch da; dies scheint irgendwie kein relevantes Thema für ihn zu sein.

(Zurufe von der CDU: Oooh!)

Offenbar hat Ihr Ministerpräsident festgestellt, dass Selbstverzwergung eine Frage der Perspektive ist.

Der Ministerpräsident war doch das ganze Jahr über in Berlin. Deshalb frage ich mich schon: Hatte er da keine Möglichkeit, mit der Bundeskanzlerin über die Datenschutzreform zu sprechen? Hat er die ganze Zeit nur in Talkshows gesessen? Muss er sich wirklich von seinen Fraktionen hier im Haus dazu auffordern lassen?

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber angesichts der Posse um Tihange muss man ja fast froh sein, wenn Herr Laschet nach der heutigen Landtagsdebatte nicht wieder einen Bus voller Pressevertreter nach Belgien schickt, nur um nach wenigen Stunden mitzuteilen, dass die böse und gemeine EU nicht auf ihn hört und die Datenschutz-Grundverordnung jetzt nicht zurücknimmt.

Meine Damen und Herren, sogar die Bundeskanzlerin – Herr Kollege Hübner hat es gerade angemerkt – ist inzwischen weiter. Frau Merkel hat vorgestern bekanntgegeben, dass sie nicht mehr an das Gesetz herangehen, sondern für eine gute Umsetzung sorgen wird. Das muss eigentlich die Linie sein, die wir hier gemeinsam vertreten. Schwarz-Gelb will heute ein Zeichen setzen, und zwar ein Zeichen gegen den Datenschutz, aber da machen wir nicht mit.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Gerade CDU und FDP, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen sich fragen lassen: Was haben Sie hier in NRW bisher eigentlich konkret getan? – Nicht viel.

Gestern ist noch von führenden Industrievertretern angemahnt worden, dass es mehr politische Unterstützung bei der Umsetzung und Aufklärung in der Wirtschaft braucht, um diese Reform zu einem Erfolg werden zu lassen.

Genau das haben wir Grüne hier im Oktober mit genügend Vorlauf beantragt. Aber Sie haben das abgelehnt. Jetzt sind Sie dran. Jetzt müssen Sie den Unternehmen erklären, warum Sie sie nicht unterstützen wollten. Sie müssen den Unternehmen erklären, dass in Ihrer Koalition nicht nur der Datenschutz nicht viel zählt, sondern auch die Wirtschaft und das Ehrenamt in diesem Land.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Denn, meine Damen und Herren, nicht nur für die Verbraucher, auch für die Wirtschaft ist diese Reform ein Quantensprung. Ein einheitlicher Rechtsrahmen bedeutet weniger Bürokratie. Es gibt einen einzigen Standard, an den man sich in ganz Europa halten muss. Unternehmen müssen sich jetzt nicht mehr an 28 verschiedene Gesetze halten. Die Reform bringt für sie einheitliche Ansprechpartner, und sie bringt eine einheitliche Rechtsdurchsetzung. Sie bringt Vorteile für die Unternehmen. Das muss man an dieser Stelle ganz klar sagen.

Die Beispiele, die Sie in Ihrem Antrag aufführen, sind wirklich hanebüchen. Es ist selbstverständlich heute schon unzulässig, Mitgliedsdaten von Vereinen auszuspionieren. Schon die Wortwahl in Ihrem Text ist verräterisch. Auch nach dem heute geltenden Datenschutzrecht darf man mit personenbezogenen Daten nicht einfach das machen, was man will. Tun Sie nicht so, als sei Europa an allem schuld, nur weil sich jetzt endlich alle einmal mit Datenschutz beschäftigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine rechtmäßige Datenschutzerklärung auf eine Webseite zu stellen kostet den Betreiber vielleicht einen Nachmittag, wodurch die Seite aber nicht teurer wird. Diese Aufzählung ließe sich jetzt beliebig fortsetzen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Meine Damen und Herren, wir haben – das sage ich insbesondere vor dem Hintergrund des Wortbeitrags des Kollegen Lehne – in diesem Parlament eine Verantwortung, die zahllosen Falschbehauptungen,

(Zuruf von der CDU: Die nehmen Sie nicht wahr!)

die im Moment im Zuge der Datenschutz-Grundverordnung kursieren, nicht einfach nachzuplappern, sondern hier richtigzustellen. Aber das haben Sie heute nicht hinbekommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ja, es mag eine Herausforderung sein, die neuen Standards umzusetzen. Das stimmt. Die Konsequenz kann dann aber doch nicht sein, jetzt, kurz vor Toresschluss, hinzugehen und die Standards aufzuweichen. Die Konsequenz muss vielmehr sein, diejenigen, die diese Standards im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher umsetzen müssen, bestmöglich zu unterstützen. Das haben Sie abgelehnt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Koalition vergibt heute die Chance, an diesem historischen Wendepunkt für den Datenschutz auch Impulse für Nordrhein-Westfalen zu setzen.

Insbesondere die FDP muss sich fragen lassen, was von der vermeintlichen Bürgerrechtspartei eigentlich noch übrig ist. Beim Datenschutz-Anpassungsgesetz, das wir heute Abend beraten werden, hat Ihr Koalitionspartner Sie nach Strich und Faden hinter die Fichte geführt. Sollten Sie das alles jedoch bewusst mitgemacht haben, dann sollten Sie sich schämen. Schließlich ist es nicht liberal, Wildpinkler mit Videokameras zu jagen und dafür Hunderttausende unbescholtene Bürger zu überwachen.

(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: In welcher Realität leben Sie eigentlich?)

Das alles passt zu einer Politik, bei der Sie mit dem neuen Polizeigesetz der unverhältnismäßigen und uferlosen Ausweitung der Videoüberwachung ohnehin Raubbau an den Freiheitsrechten betreiben.

(Zuruf: Genau!)

Die aktuellen Proteste in Bayern, meine Damen und Herren, zeigen:

(Zuruf von der CDU)

Es gibt eine Zivilgesellschaft, der Datenschutz wichtig ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie von CDU und FDP stellen sich heute gegen diese Menschen.

Wer in Nordrhein-Westfalen für die Freiheit eintritt, der hat uns Grüne an seiner Seite. Wir sagen klar Nein zu Ihrem Datenschutzgesetz ohne Datenschutz. Wir sagen klar Nein zu Ihrer Polemik gegen die Datenschutzreform.

(Zuruf von der CDU)

Aber wir sagen eindeutig Ja zu mehr Datenschutz für alle Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Für die AfD hat der Abgeordnete Herr Tritschler das Wort. Bitte.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganze neun Tage vor dem Wirksamwerden der zwei Jahre alten EU-Datenschutz-Grundverordnung beantragen CDU und FDP eine sogenannte Aktuelle Stunde zum Thema.

Es braucht wenig Phantasie, um die Ursache für diese blitzartige Reaktion zu ergründen. Vereine, Verbände sowie kleine und mittelständische Unternehmen ächzen unter der Umsetzung dieses Regulierungsmonstrums. Weil Sie eigentlich nichts mehr machen können, außer zu springen, wenn in Brüssel jemand pfeift, simulieren Sie jetzt Politik.

(Beifall von der AfD)

Dann macht man eben eine Aktuelle Stunde, empört sich ein bisschen und sendet die Nachricht an die Bürger: Wir kümmern uns. – Dabei ist nichts weiter von der Wahrheit entfernt.

Ihre Parteifreunde in Brüssel und Berlin laufen seit Jahren beherzt auf diese Wand zu, und jetzt ist es eben so weit: Das bewährte und im Weltmaßstab strenge deutsche Datenschutzrecht wird auf dem Altar der Harmonisierung geopfert, geopfert für ein von Lobbyisten diktiertes Flickwerk, das gewaltige Bürokratiekosten verursacht und Rechtsunsicherheiten schafft, ohne dabei die Daten der Bürger wirklich sicherer zu machen.

(Beifall von der AfD)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, dann brauchen Sie auch keine Krokodiltränen zu vergießen. Ihre eigene Ohnmacht, die diese Aktuelle Stunde versinnbildlicht, haben Sie selbst gewählt. Es vergeht kaum ein Plenum, bei dem wir nicht hören dürfen, wie großartig und wichtig die EU ist, wie viel mehr wir davon brauchen und welche Kompetenzen wir als Nächstes an Brüssel abgeben dürfen.

(Beifall von der AfD)

Genau das haben wir jetzt davon. Wir alle sind in vielen Bereichen nur noch eine Art überbezahltes Studentenparlament, das umsetzen darf, was in Brüssel diktiert wird. Dort fallen Entscheidungen wie diese nicht einmal mehr im semidemokratischen Parlament, sondern gleich ganz unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne demokratische Legitimation im sogenannten Trilogverfahren.

Wäre bei den vermeintlich demokratischen Parteien auch nur ein Funke Demokratieverständnis übrig – sie würden sich gegen diese ständige Entmachtung nationaler Parlamente und der Landtage wehren.

(Beifall von der AfD und Marcus Pretzell [fraktionslos])

Doch weit gefehlt: Anstatt die Macht wieder dorthin zu holen, wo sie hingehört, nämlich möglichst nah an den Bürger, singt der politische Kastratenchor ein paar Klagelieder. In feinster DDR-Manier schreibt man Eingaben an Genossin Merkel im Kanzleramt – wohl wissend, dass sie weder willens noch in der Lage sein wird, am Status quo etwas zu ändern. Der große Bruder in Brüssel hat längst diktiert.

(Beifall von der AfD)

Und so machen Sie Politik auf Landes- und auf Bundesebene mehr und mehr zu einem kläglichen Schmierentheater, das die eigene Existenz noch irgendwie rechtfertigen soll, auch wenn Sie längst nur noch Erfüllungsgehilfen und Statisten sind.

Die Bürger draußen, die in ihren Vereinen, Verbänden, Unternehmen und sogar als Privatleute schon jetzt unter der Umsetzung dieser Verordnung zu leiden haben, gewinnen durch dieses Politik-Laienschauspiel freilich nichts – außer der Gewissheit, dass wie immer niemand bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Ihre Freunde im Rat, im Parlament und in der Kommission hätten sich gegen diese Verordnung wehren sollen, als noch Zeit dafür war. Die Kollegen im EU-Parlament haben allerdings zugestimmt.

(Minister Herbert Reul: Nein! Das stimmt ja nun gar nicht!)

Auch in Berlin, wo die CDU ja nun eine gefühlte Ewigkeit regiert, war Funkstille, als man noch etwas hätte machen können. Wenn Sie deshalb heute, kurz vor Toresschluss, mit einer solchen Initiative kommen, dann ist das nichts anderes als zynisch und bürgerverachtend.

(Beifall von der AfD)

Übernehmen Sie Verantwortung für Ihre eigenen Fehlleistungen, und verschwenden Sie nicht unsere Zeit mit solchem Geplänkel.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Es spricht nun als Nächster der fraktionslose Abgeordnete Pretzell.

Marcus Pretzell (fraktionslos): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Diese Aktuelle Stunde zeigt nur eines: Sie haben zwei Jahre lang geschlafen.

Was mit der Datenschutz-Grundverordnung insbesondere auf kleine und mittelständische Unternehmen zukommt, wird sicherlich an mancher Stelle dramatisiert, weil die Lage jetzt schon für diese Unternehmen nicht ganz einfach ist und manchem wohl nun aufgeht, was da alles an Pflichten auf ihn zukommt. Das macht die Sache aber nicht besser.

Fakt ist, meine Damen und Herren von der CDU: Im Rat hat Ihre Bundeskanzlerin bzw. Ihre Bundesregierung der Sache zugestimmt.

(Minister Herbert Reul: Nein!)

Im Parlament haben Ihre Kollegen der Sache zugestimmt, und, meine Damen und Herren von der FDP, Ihre Kollegen haben dem auch zugestimmt. Da nützt es überhaupt nichts, jetzt Krokodilstränen über Ihre eigene Ohnmacht zu vergießen.

Gerade kleinere und mittelständische Unternehmen haben – nicht nur durch diese Datenschutz-Grundverordnung, aber eben leider auch dadurch – einige Pflichten aufgebürdet bekommen, die es für sie schwierig machen. Es ist völlig richtig, dass die Daten Privater – Privatdaten – geschützt werden, aber es ist an dieser Stelle völlig überreguliert, wenn insbesondere auch unternehmerische Daten in einer Art und Weise geschützt werden, wie es nicht notwendig ist.

Das führt nämlich dazu, dass der kleine Handwerker, der möglicherweise einen Lieferanten oder einen Kunden hat, der ihm vor zehn Jahren mal eine Handynummer gegeben hat und wozu er sich später die passende E-Mail-Adresse von einer Homepage gezogen und vielleicht auch noch von einem Kollegen die Festnetznummern erhalten hat, nach zehn Jahren darstellen muss, woher er denn diese Daten hat. Es ist natürlich völliger Unfug, dass er das machen muss, und das wird er im Zweifelsfall am Ende auch nicht tun können. Das führt zu Schulungsaufwand in kleinen und mittelständischen Unternehmen, den diese eigentlich gar nicht darstellen können.

Es ist leider das, was ich seit vielen Jahren beklage: Die Europäische Union schafft Regularien, die kleinere und mittlere Unternehmen strukturell im Wettbewerb benachteiligen. Gehen Sie endlich da ran! Sprechen Sie mit Ihren Abgeordneten im Europäischen Parlament, meine Damen und Herren von der CDU – und insbesondere von der FDP; denn da sitzen leider die größten Fanatiker, was diese ständige Überregulierung betrifft. Sie sind es mit Ihren Leuten, die am allermeisten an dieser Überregulierung teilhaben, und Sie machen das – nach Mindestlohn, nach Gewerbeabfallverordnung usw. – fleißig auf allen Ebenen weiter.

Deshalb: Hören Sie auf, den Leuten hier Sand in die Augen zu streuen! Sie sind es, die diese Politik im Wesentlichen mit zu verantworten haben. – Vielen Dank.

(Beifall von Alexander Langguth und Frank Neppe [fraktionslos])

Präsident André Kuper: Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Minister Reul das Wort.

Herbert Reul, Minister des Innern: Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Das neue Datenschutzrecht ist ein sehr komplexes neues Gesetzeswerk – das stimmt. Es stimmt auch, dass sich viele kleine und mittlere Betriebe und auch ehrenamtlich geführte Vereine wirklich überfordert fühlen. Und manche meinen auch, dass sie damit überfordert sind.

Der erste Hinweis, der in der Debatte schon gegeben wurde, stimmt auch: Grundlage ist die europäische Datenschutz-Grundverordnung, die im Parlament beschlossen und vom Rat auch akzeptiert worden ist. Das war der Anfang. Es stimmt allerdings nicht, dass das nicht strittig war, sondern im Europäischen Parlament gab es dazu durchaus unterschiedliche Meinungen, und da wurde auch sehr unterschiedlich abgestimmt. Mehr will ich dazu nicht sagen. Vieles von dem, was hier eben dazu vorgetragen worden ist, ist also falsch.

(Andreas Keith [AfD]: Ach!)

Es gab Widerstand gegen diese Verordnung.

(Beifall von der CDU und Dietmar Brockes [FDP])

Das ist der eine Teil. – Der zweite Teil ist allerdings, dass viele Inhalte strittig waren, weil in manchen Inhalten zu deutliche Verschärfungen stattgefunden haben. In einem waren sich viele aber einig – und das ist auch richtig –: Dass wir in Europa nun ein gemeinsames Datenschutzrecht haben, ist ein riesiger Wert, und den darf man auch nicht unterschätzen.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ich bitte also darum, zu unterscheiden: Es ist gut, dass wir ein gemeinsames europäisches Datenschutzrecht haben – selbst wenn man zu einigen Teilen der Meinung ist, dass es kritisch, überzogen und übertrieben ist.

Und das Dritte: Die Datenschutz-Grundverordnung gilt jetzt nun mal, und damit müssen wir umgehen. Das heißt, es stellt sich die Frage – deswegen ist diese Aktuelle Stunde und die Debatte auch berechtigt –:

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Nein!)

Wie kann man damit nun klug umgehen?

(Michael Hübner [SPD]: Für die Aussage gibt es ja noch nicht mal Applaus für Sie!)

An welchen Stellen kann man wie noch Spielraum schaffen, um den Bedenken, die geäußert werden, auch entgegentreten zu können?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zur Wahrheit gehört auch – das macht es leider noch komplizierter –, dass es einige Verordnungen oder Regelungen, die jetzt in Kraft treten, schon vorher gab. Es wird also heute einiges beklagt, was immer schon galt. Vielleicht haben es nicht alle angewandt, aber es galt schon. Einen rechtlichen Standard gab es in bestimmten Teilen schon. Manchmal ist es eben nichts Neues. Beispielsweise mussten schon bislang Personendaten nicht für jedermann zugänglich aufbewahrt werden. Es gab auch Informationspflichten und Bußgeldparagrafen.

Lassen Sie uns daher darauf konzentrieren – das ist auch berechtigt –, dass die EU bei den Informationspflichten und Bußgeldhöhen Verschärfungen eingeführt hat und es einen Spielraum in den Bereichen nur begrenzt gibt.

Rechtlich ist die Sache klar; da soll man sich nichts vormachen. So gehe ich davon aus, dass die LDI genauso wie früher bei der Festlegung von Bußgeldern den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einhält. Das wäre ja ein Punkt, wo man ganz konkret helfen kann.

Ich glaube auch, dass es in dem engen Rahmen, den der Bundesgesetzgeber zur Verfügung hat, Handlungsspielräume gibt. Insofern finde ich es gut, dass von der Bundesregierung Signale kommen, man wolle die Handlungsspielräume nutzen, um zum Beispiel den bürokratischen Aufwand in Grenzen zu halten. Um so etwas geht es jetzt und nicht um Grundsatzdebatten. Diese sind durch.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Es geht um praktische Hilfen für Ehrenamtler, mittelständische Organisationen und Wirtschaftsbetriebe.

Deshalb finde ich es gut, dass heute darauf aufmerksam gemacht wird. Ich bin auch dankbar dafür, dass die Bundesregierung deutlich macht, dass sie bereit ist, diese Handlungsspielräume auszunutzen, zu prüfen und zu klären. In dem Maße müssen wir uns auch darum bemühen, und zwar da, wo wir jeweils zuständig sind. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die SPD hat die Kollegin Kapteinat das Wort.

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Nach der bisherigen Debatte frage ich mich mehr denn je, was wir hier heute tun. Seit ziemlich genau zwei Jahren steht fest, dass am 25. Mai 2018 die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft tritt. Parallel zu Ihrer Amtsübernahme wurde die neue Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes verabschiedet. Der Gesetzentwurf zur Anpassung hier vor Ort ist erst im März ins Plenum eingebracht worden, im April haben wir hoppladihopp eine Anhörung gemacht, und heute Nachmittag – ein Blick in die Tagesordnung hilft – führen wir die Debatte zum Gesetzentwurf hier vor Ort.

Die Dringlichkeit ist also überhaupt nicht zu erkennen. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Sie oder Frau Merkel glauben, dass sich die EU-Datenschutz-Grundverordnung innerhalb von wenigen Tagen ändern wird, wenn es zuvor in der EU Jahre gebraucht hat.

In diesem Zusammenhang ist mir aber auch nicht ganz klar, welche Einschätzung der Bundeskanzlerin hier geteilt wird. Aber dazu hat ja bereits mein Kollege Hübner ausgeführt. Denn das, was heute Vormittag hier geführt wird, ist eine Scheindebatte.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Heute Nachmittag gibt es die Möglichkeit, tatsächlich etwas zu tun. Heute Nachmittag haben Sie die Möglichkeit, Einfluss auszuüben. Heute Nachmittag können Sie zugunsten der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen etwas tun. Die Anhörung hat Ihnen genug Hinweise gegeben, was dringend notwendig wäre und was man ändern sollte. Wenn ich sehe, dass heute, am Tag der Entscheidung, um 10 Uhr noch kein Änderungsantrag vorgelegen hat und im Laufe der Aktuellen Stunde ein Änderungsantrag vorgelegt wird, dann ist das schon ein Unding und eine Unverschämtheit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vom zeitlichen Rahmen einmal abgesehen, geht es aber auch um die Örtlichkeit und die Frage, was wir hier tun. Ihr Bundesminister von der CSU, Herr Seehofer, hätte Zeit gehabt, die Bürgerinnen und Bürger zu informieren und ihnen Ratschläge und Hinweise an die Hand zu geben, wie sie damit umgehen können, sie zu unterstützen. Was macht er stattdessen? – Irgendwelche anderen populistischen Debatten zu sachfremden Themen führen. Danke dafür!

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Wie eben Frau Freimuth richtig festgestellt hat, ist die Datenschutz-Grundverordnung nicht schlecht. Vielmehr ist sie ein wichtiger Baustein zum Schutz der persönlichen Daten eines jeden Einzelnen. Aufgabe von Seehofer wäre es gewesen, dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger gut informiert werden, dass eine verbraucherfreundliche Anwendung erfolgt, dass insbesondere Ehrenamtliche, Vereine und kleine Unternehmen die notwendige Unterstützung erhalten. Passiert ist allerdings nichts.

Was will Frau Merkel, was wollen Sie denn jetzt tun? Was ist eilbedürftig? Und ist das von Ihnen im Antrag zitierte geöffnete Fenster nach den letzten Äußerungen des Regierungssprechers eigentlich noch offen? Ich habe es nicht verstanden. Bei einer zweijährigen Planungsphase wird kaum die nahende Inkraftsetzung Grund für die Dringlichkeit sein.

In der Debatte ist deutlich geworden, dass wir offensichtlich noch einmal klären müssen, was die Datenschutz-Grundverordnung europarechtlich eigentlich bedeutet. Eine Verordnung gilt grundsätzlich unmittelbar. Im Übrigen ist es eine Verordnung und keine Richtlinie.

Gleichzeitig gibt es aber Verordnungen, die einzelne Artikel haben, die eben die Anpassung an nationales Recht vorsehen oder zumindest ermöglichen. Das bedeutet, dass die Nationalstaaten einen Gestaltungsspielraum haben, der im Rahmen der europarechtlichen Verordnung gegeben wird und den man kennen und nutzen sollte oder nutzen muss.

Deshalb sprechen wir sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene von Öffnungsklauseln. Aber auch eine deutsche Bundeskanzlerin kann nur im Rahmen dieser bestehenden Verordnung agieren. In Bereichen, in denen die Verordnung keinerlei Öffnungsklausel vorsieht, hilft auch keine angstmachende Stellungnahme der deutschen Bundekanzlerin. Sie zaubert auch bestimmt keine zusätzlichen Öffnungsklauseln hervor. Aber das scheint ja bei der Bundesregierung selbst angekommen zu sein.

Ich persönlich finde es sehr bedenklich, wenn die Kanzlerin lieber Panik vor der Datenschutzverordnung schürt, als konkret zu helfen versucht.

(Zurufe von der CDU)

Ist Frau Merkel etwa nicht von der Kompetenz und dem Augenmaß der Datenschutz- und Aufsichtsbehörden überzeugt? – Vielleicht, liebe CDU-Kollegen, klären Sie einmal parteiintern, was Sie eigentlich wollen. Hier und heute ist der falsche Zeitpunkt.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Für die CDU hat Herr Dr. Optendrenk das Wort.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Ausführungen der Kolleginnen und Kollegen der SPD mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen. Herr Hübner, Sie sagten, die Sorgen der Menschen in diesem Land seien ganz andere, als sich zur Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung zu positionieren. Das hat mich schon sehr erstaunt. Ich weiß, dass es Hunderttausende Menschen gibt, die in Vereinen, Organisationen, Verbänden, kleinen und mittelständischen Unternehmen große Sorgen haben, ob das, was da geregelt wird …

(Michael Hübner [SPD]: Genau das habe ich gesagt, Herr Kollege!)

– Dann ist es aber tatsächlich so, Herr Kollege Hübner, dass das sehr wohl ein wichtiges Problem in Nordrhein-Westfalen und für die Menschen ist.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn wir hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen dieses Thema, das viele Hunderttausend Menschen in Nordrhein-Westfalen gerade beschäftigt, ernst nehmen und ihre Sorgen zum Thema machen, dann ist damit die Erwartung auch an eine Partei verknüpft, die in Berlin mit Regierungsverantwortung trägt, dass sie möglicherweise ein gemeinsames Signal an unsere gemeinsamen Koalitionskollegen in Berlin gibt, damit sie etwas ändern.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Der Bundestag hat – auch jetzt und in Zukunft – die Möglichkeit, die Öffnungsklauseln, von denen die Kollegin Kapteinat eben gesprochen hat, zu nutzen.

(Michael Hübner [SPD]: Was ändern Sie denn jetzt? Schlagen Sie doch mal vor!)

Wenn man zu dieser Veränderung kommen möchte, dann ist es gerade angesichts der Debatten in Berlin ein wesentlicher Impuls, aus dem größten Bundesland ein Signal der Geschlossenheit zu geben.

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie hier durch die Art und Weise, wie Sie mit den Sorgen der Menschen und dem Anliegen dieser Aktuellen Stunde umgehen, ein solches Signal einfach kaputt machen, dann ist das unverantwortlich und nicht bürgernah.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Ich möchte Ihnen gerne Folgendes sagen: Wir haben hier im Landtag im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, von dem eben die Rede war, heute Abend zu der Frage zu entscheiden, was öffentliche Stellen in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Datenschutz-Grundverordnung zu regeln haben.

(Zuruf von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

– All das, was aber hier in der Aktuellen Stunde in Rede steht, können wir als Landesgesetzgeber nicht regeln. Und, Frau Kapteinat, ich hätte erwartet, dass Sie die Zuständigkeitsordnung im Föderalismus nicht verhohnepipeln!

(Beifall von der CDU)

Ich muss davon ausgehen, dass Sie persönlich wissen, dass wir es hier alleine nicht regeln können.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Das habe ich doch gesagt!)

Wenn Sie hier trotzdem den Eindruck erzeugen, dass wir das hier heute Abend regeln könnten, dann ist das schlicht eine Irreführung der Bevölkerung!

(Beifall von der CDU)

Wir würden gerne ein Signal aus Nordrhein-Westfalen geben, dass manches, was vor zwei Jahren auf Bundesebene verabschiedet worden ist, in der Praxis Probleme macht, welche die Kolleginnen und Kollegen in Berlin damals offensichtlich so nicht erkannt haben. Wenn man das weiß und die Rückmeldungen bei Ihnen genauso sind wie die bei uns, dann ist es die Aufgabe eines Gesetzgebers und Aufgabe guter Politik, die Korrekturen durchzuführen, bei denen man sieht, dass man sie durchführen kann.

(Michael Hübner [SPD]: Bundesratsinitiative!)

Und die Öffnungsklauseln, die Sie eben genannt haben, sind genau diejenigen, die beispielsweise Österreich angewendet hat. Genau darum geht es in Nordrhein-Westfalen. Es geht darum, dass wir ein Signal nach Berlin geben: Das, was die EU vorgegeben hat, ermöglicht euch das. Bitte, macht es auch!

(Beifall von der CDU)

Zurück zu dem Ziel der Regelung. Der Innenminister hat das genauso dargestellt wie die Kollegin Freimuth. Ein gemeinsamer europäischer Datenschutzstandard ist etwas Sinnvolles, etwas Gutes. Er dient – auch gerade in Zeiten von Facebook, Amazon, Google und Big Data – natürlich dem Schutz individueller Rechte, auch unserer eigenen Daten. Deshalb ist eine solche Rechtsvereinheitlichung ein guter Beitrag Europas dazu, die Menschen und die Unternehmen hier in Europa zu schützen.

Es geht auch darum, dass wir einen verantwortlichen Umgang mit Digitalisierung lernen und dass andere ihn auch wahrnehmen müssen. Denn Datenschutz soll das Recht der Menschen an ihren eigenen Daten sichern.

Wir wollen aber nicht nur einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen Daten, sondern auch einen verhältnismäßigen. Eine Regelung ist aber dann unverhältnismäßig, wenn sie zum Beispiel indirekt zum Ausbau einer regelrechten Abmahnindustrie beiträgt. Niemand sollte Sorgen haben, dass die Homepage seines Vereins bzw. seiner kleinen Firma möglicherweise ein Anknüpfungspunkt dafür ist, dass sich ein Abmahnanwalt damit schön die Taschen vollmacht.

Wenn wir das wollen, dann ist es unsere Aufgabe, Datenschutz nicht zu diskreditieren, indem wir so etwas zulassen, sondern vielmehr die Öffnungsklauseln, die uns Europa gibt, anzuwenden und auch gerade in Berlin darauf hinzuwirken.

(Beifall von der CDU – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Aber das wissen Sie doch nicht erst seit heute! – Zuruf von der SPD: In Berlin regiert ihr!)

Sie sprechen diesen Punkt vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes an. Wir wissen aber, dass es möglich ist, dieses Bundesgesetz zu ändern. Sie tun aber die ganze Zeit so, als wäre das ein riesengroßer Popanz.

(Michael Hübner [SPD]: Nein!)

Damit vergehen Sie sich an denjenigen, die nachher die Leidtragenden dieser Regelungen sind.

Natürlich hätte mancher in Berlin und Brüssel und vielleicht auch in Düsseldorf das früher sehen können. Dann hätte man auch die Frage stellen können, ob Ihre frühere Landesregierung über die Bundesratsbeteiligung nicht auch hätte sorgfältiger hätte hingucken können. Es gab damals einen Justiz- und einen Verbraucherschutzminister, die dafür zuständig waren.

(Beifall von der CDU)

Die haben das offensichtlich nicht getan. Wir tun das jetzt hier mit dem Signal, das wir auch unserer Landesregierung mitgeben, sich im Bundesrat entsprechend zu engagieren. Das ist übrigens der Unterschied zwischen Ihnen und uns.

Am Schluss möchte ich noch einer Legende den Boden entziehen: Diejenigen, die – wie das eben Herr Hübner und Herr Bolte getan haben – behaupten, die EVP-Fraktion sei dafür gewesen, diese Verordnung so zu verabschieden, der sollte sich einmal die Protokolle anschauen. Die EVP-Fraktion war nicht dafür. Es ist mit Stimmen anderer eine Parlamentsmehrheit herbeigeführt worden. Die EVP-Fraktion hat einen Teil der Bedenken – gerade was die kleinen und mittleren Unternehmen angeht – im Europäischen Parlament vorgetragen. Sie tun jetzt aber so, als hätte alle die gleiche Meinung vertreten und hätten das nicht gesehen. Das ist nicht der Fall.

Bleiben Sie bitte redlich und bilden Sie keinen Legenden! Wir sollten den Menschen helfen und sie nicht verhohnepipeln. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Für die Grünen hat noch einmal Herr Bolte das Wort.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Optendrenk, Sie haben jetzt gerade noch einmal die Frage aufgeworfen: Wie ist das denn eigentlich alles entstanden?

Ich glaube, das, was uns an dieser Stelle definitiv trennt, betrifft die Frage, ob man neun Tage vor Inkrafttreten einer solchen Regelung – von der wir seit zwei Jahren wissen, dass sie in Kraft treten wird – hier mit großem Brimborium diese Plenardebatte führen muss. Darum geht es uns. Sie hätten Ihre Hausaufgaben längst machen können.

Wir haben Ihnen im Oktober letzten Jahres dazu sogar Hinweise gegeben, wie Sie diese hätten machen können. Das ist der Punkt, weshalb wir uns hier definitiv nicht einig sind.

Was das Differenzieren angeht: Sie haben gerade zwischen Bundesdatenschutzgesetz und Datenschutzgesetz NRW differenziert. Das stimmt so weit. Es ist aber – man muss das fairerweise sagen – in der Anhörung auch nicht allen Kolleginnen und Kollegen gelungen.

Jetzt zu der Frage, meine Damen und Herren, wie strittig oder unstrittig eigentlich im Europäischen Parlament diskutiert wurde. Ich habe mir gerade noch einmal das Abstimmungsergebnis aus dem Ausschuss rausgesucht. Es lautet 51 zu eins bei drei Enthaltungen. Viel einmütiger geht es im Europäischen Parlament nicht.

Herr Minister Reul, Sie hatten an einer Stelle – das will ich ganz deutlich sagen –, nämlich da, wo Sie Ihren Fraktionen widersprochen haben, recht: Vieles gab es schon. Viele der Regelungen, die jetzt mit der Datenschutz-Grundverordnung eingeführt werden, gab es schon in Deutschland. Daten dürfen zum Beispiel – das haben Sie herausgehoben – nicht allgemein zugänglich gelagert werden.

In diesem Zusammenhang widersprechen Sie eindeutig dem, was der Kollege Lehne vorhin erzählt hat und was in dem Antrag der regierungstragenden Fraktionen steht. Dort wird genau das behauptet: Es handele sich um eine neue Verpflichtung, eine jetzt dazugekommene Drangsalierung aus Europa. Darüber sollten Sie sich möglicherweise einmal unterhalten und Ihren Fraktionen ein bisschen Nachhilfe geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es durchaus mit einer sehr komplexen rechtlichen Materie zu tun. An diesem Beispiel zeigt sich, dass sich die Begrifflichkeiten verändert haben, womit möglicherweise jetzt neue Fragestellungen einhergehen. Was bisher im deutschen Recht „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ hieß, heißt jetzt „informierte Einwilligung“. Und es gibt ja auch einzelne Angebote – das will ich an dieser Stelle durchaus einmal hervorheben.

Deswegen zitiere ich jetzt etwas zu dieser Frage. Auf Ihrer Internetplattform „engagiert in NRW“ heißt es:

„Vorhandene Strukturen und Prozesse in Vereinen, die sich an dem geltenden Datenschutzrecht ausrichten, machen sich jetzt also bezahlt. … Vereine hingegen, die das Thema Datenschutz bislang vernachlässigt haben, haben viel nachzuholen um ihre Organisation datenschutzgerecht zu gestalten.“

Ja, das stimmt. Ich will an dieser Stelle – es ist mir wichtig, das zu sagen – den Engagierten und Ehrenamtlichen keinen Vorwurf machen, wenn bisher nicht alles datenschutzkonform gelaufen ist. Wenn sie sich jetzt Gedanken machen, wie sie zu einem hohen Datenschutzstandard kommen, dann ist das ein großer Fortschritt. – Aber ich sage Ihnen von CDU und FDP noch einmal: Tun Sie nicht so, als sei Europa jetzt an allem schuld.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist an dieser Stelle ganz wichtig, noch einmal genau hinzuschauen, welche neuen Verpflichtungen es gibt und wo möglicherweise auch etwas in die Datenschutz-Grundverordnung hineininterpretiert wird, was offensichtlich nicht zutreffend ist.

Ich erwähne jetzt einfach mal als Beispiel – auch in den Reden der regierungstragenden Fraktionen ist es gefallen – die Frage nach Fotos von größeren Menschenmengen.

Natürlich sind Fotos von größeren Menschenmengen auch in Zukunft zulässig. Das ist selbstverständlich. Da besteht ein bereichsspezifischer Datenschutz im KUG. Er ging bisher dem BDSG vor, und er wird auch in Zukunft dem BDSG vorgehen. Das haben alle, die sich mit dieser Rechtsmaterie beschäftigen, inzwischen klargestellt, inklusive der Datenschutzaufsichtsbehörden.

Es wird auch kein Blog-Sterben geben. Auch dazu gibt es genügend rechtliche Einschätzungen, die ganz klar aufzeigen, warum dieser Vorwurf gegenüber der europäischen Verordnung unzutreffend ist.

Und es gibt auch klare Ankündigungen der Aufsichtsbehörden, mit Augenmaß vorzugehen. Gerade in dem Umstellungszeitraum ist das wichtig, weil wir natürlich die Engagierten fördern und unterstützen wollen und weil wir hier die Verantwortung tragen, nicht alles nachzuplappern, was es an Polemik gibt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt konkrete Hilfestellungen. Wir brauchen keine Polemik und auch keine Signale gegen den Datenschutz, so wie Sie das eingefordert haben, sondern wir brauchen hier von diesem Ort aus ein Signal für den Datenschutz.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Wir brauchen ein eindeutiges Signal, dass wir die Ehrenamtlichen, die Zivilgesellschaft und die Unternehmen und die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen bei der Umsetzung dieses wichtigen Fortschritts, also bei der Einführung von mehr Datenschutz in Europa, unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bolte-Richter. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Bombis.

Ralph Bombis (FDP): Guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Lieber Michael Hübner, direkt zum Einstieg hatten Sie gesagt, dass wir vielleicht vor anderthalb bzw. einem Jahr alle gemeinsam nicht aufmerksam gewesen sind, dass wir alle gemeinsam sowohl im Bund – meine Partei hat zu dem Zeitpunkt in Berlin bekanntermaßen noch eine gewisse Denkpause eingelegt – als auch im Land vielleicht hätten aufmerksamer sein und stärker darauf einwirken müssen und dass übrigens auch – und das gehört zur Wahrheit dazu – Vereine und Verbände sowie Unternehmen nicht das Problembewusstsein hatten.

Bei diesem Einstieg habe ich noch gedacht: Jetzt kann daraus etwas werden, jetzt kann hier von diesem Tag und diesem Landtag aus ein gutes Signal auf andere Ebenen, nach Berlin und auch in Richtung EU gehen. – Aber dass es Ihnen dann wirklich gelingt, hier einen solchen Dissens zu konstruieren, dass dieses Signal schon jetzt völlig ad absurdum geführt wird, das hätte ich wirklich nicht erwartet, lieber Kollege Michael Hübner.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es stellt doch niemand infrage, dass es natürlich auch der NRW-Koalition und den sie tragenden Parteien – insbesondere auch meiner Partei, den Freien Demokraten – hier Nordrhein-Westfalen um die Wichtigkeit des Datenschutzes geht, und dass, Matti Bolte-Richter, die Datenhoheit grundsätzlich bei den Bürgern liegen muss. Es stellt auch niemand infrage, dass es gut ist, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen in der ganzen EU angepasst werden.

Aber wir müssen uns nun einmal mit den Fakten auseinandersetzen. Und die Fakten sind, dass diese Datenschutzverordnung in ihrer konkreten Ausgestaltung leider eine Belastung insbesondere auch für die kleinen und mittleren Betriebe in unserem Land zu werden droht. Drei Punkte werden von ihnen immer wieder genannt.

Erstens beklagen viele Betriebe jetzt schon die sehr umfassende und hohe Regelungsdichte. Die Einhaltung der Pflichten wird sich sehr aufwendig ausgestalten. Es kommt neue Bürokratie hinzu, und hier müssen wir reagieren.

Zweitens sind schon bei kleinen Verstößen erhebliche Bußgelder möglich, und zwar nicht bei gewollten, sondern eben auch bei versehentlichen Verstößen gegen den Datenschutz.

Drittens treibt in diesem Zusammenhang natürlich die Drohung einer riesigen Abmahnwelle gerade viele kleinere und mittlere Betriebe und Handwerksunternehmen um. Auch wenn hier nur kleine Fehler zum Beispiel in Datenschutzerklärungen auf Homepages gemacht werden, drohen hohe Kosten.

Unsere gemeinsame Aufgabe in diesem Haus ist es doch, die Einhaltung des Datenschutzrechts so anwendungsfreundlich wie nur irgend möglich zu machen. Dafür müssen wir ein gemeinsames Signal setzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Drei Punkte möchte ich in aller Kürze dazu noch nennen.

Erstens ist auch das Land Nordrhein-Westfalen – dafür ist das Signal wichtig – gefordert, den Betrieben in Nordrhein-Westfalen bei der Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung Hilfestellung zu leisten. Es ist deshalb gut und richtig, dass die Landesregierung bereits jetzt Leitfäden erarbeitet hat, Ratgeber für Betriebe und Vereine zur Verfügung stellt, wie eine solche rechtssichere Ausgestaltung aussehen kann.

Wir werden hier als Parlament, wie auch am heutigen Tage, permanent darauf zu achten haben, dass dies dauerhaft weiterentwickelt wird, um auch den weiteren Herausforderungen in Zusammenarbeit mit IHKen, Kammern, Handwerkskammern gerecht zu werden, die hier bereits ebenfalls sehr gute Arbeit geleistet haben. Aber wir müssen mit ihnen im Gespräch bleiben, um die Signale aufzunehmen, um hier ständig weiterzuhelfen und zu verbessern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der FDP)

Zweitens müssen wir über diesen Punkt hinaus auch die Anwenderfreundlichkeit der Verordnung in den Blick nehmen. Wir müssen darüber reden, dass wir auf den Bund einwirken müssen, alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Die EU-Regeln müssen so einfach und bürokratiearm wie möglich umgesetzt werden. Sie müssen genau eins zu eins umgesetzt werden. Es darf hier nicht wieder durch einen deutschen Sonderweg noch etwas draufgepackt werden.

(Beifall von der FDP)

Es muss letztlich auch geprüft werden, ob noch einmal auf EU-Ebene zu handeln ist. Hier muss von Nordrhein-Westfalen ein Signal ausgehen. Das ist in der Vergangenheit versäumt worden. Es hätte auch hierfür unter Rot-Grün bereits Möglichkeiten gegeben. Es kann aber nicht sein, dass einmal getroffene Entscheidungen auf der europäischen Ebene – und ich weise …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Ralph Bombis (FDP): … die Schuld ausdrücklich nicht der europäischen Ebene zu – für immer zementiert sind. Auch hier müssen Evaluierungen möglich sein. Hier müssen auch schnelle Evaluierungen möglich sein. Das müssen wir einfordern.

Deswegen wäre ein stärkeres Signal als das, was die Oppositionsfraktion hier möglich gemacht haben, am heutigen Tage wichtig gewesen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bombis. – Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Loose.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ist eigentlich mit der Kanzlerin los? Nach zwei Jahren Übergangszeit gelten in neun Tagen die Regeln der europäischen Datenschutz-Grundverordnung. Und was sagt eine Frau Merkel vor nicht einmal einer Woche dazu? Zitat: Es müsse aber aufgepasst werden, dass die Regeln nicht unpraktikabel ausfielen.

Meine Damen und Herren, wir wissen ja von der Kanzlerin, dass diese lange braucht, um etwas in diesem Land zu begreifen. Aber das hier ist wirklich absurd. Wo war Frau Merkel eigentlich die letzten sechs Jahre? Da tut diese Dame so, als sei diese Verordnung einfach so vom Himmel gefallen. Dabei hatte die Kanzlerin seit spätestens 2012, also seit sechs Jahren, die Zeit und die Möglichkeit, in das Verfahren einzugreifen und die Interessen der Deutschen zu vertreten. Aber was interessieren Frau Merkel schon noch die Interessen der Deutschen? Wir erkennen das auf jeden Fall nicht.

(Beifall von der AfD)

Auch in diesem Parlament sehen wir bei vielen Abgeordneten dieses Interesse leider nicht mehr. Schließlich haben die Parteien des letzten Jahrtausends, also SPD, Grüne, FDP und CDU, zu Beginn dieser Legislaturperiode unseren Amtseid geändert, wie wir es heute mal wieder gehört haben. Damit muss nun kein Abgeordneter mehr zum Wohle des deutschen Volkes schwören. Sie alle seien nur noch Europäer und tilgen in ihrem Amtseid das deutsche Volk. Und jetzt war es mal wieder die böse EU, und jemand muss kommen, um zu helfen.

Sie alle hatten über Ihre Parteikollegen in der EU und auch im Bundestag und im Bundesrat das Heft in der Hand. Es ist Ihre Verantwortung, wenn unsere Unternehmen jetzt leiden müssen. So ist es schon irre, dass der kleine Bäcker um die Ecke, nur weil er Bestelllisten seiner Kunden entgegennimmt, demselben umfassenden Personendatenschutz unterworfen ist wie Großkonzerne wie Apple oder Amazon.

Aber schauen wir uns weitere Beispiele an, wie die DSGVO unsere deutschen Unternehmen leiden lässt.

Erstens: höhere Haftungsrisiken. Statt bisher bis zu 300.000 € werden jetzt bis zu 20 Millionen € oder bis zu 4 % ihres Umsatzes fällig – wohlgemerkt: Umsatz, nicht Gewinn. Und im Massengeschäft liegen die Gewinnspannen häufig im kleinen einstelligen Prozentbereich. Da kann eine solche Haftung das komplette Unternehmen zerstören.

Zweitens: Beweislastumkehr. Zukünftig müssen Unternehmen nachweisen, dass sie die Regeln ordnungsgemäß eingehalten haben. Bisher mussten die Behörden einen Verstoß nachweisen. Damit kommen massive Dokumentationspflichten auf unsere Bürger zu. Und das EU-Bürokratiemonster schlägt dank der Untätigkeit der deutschen Regierung und von Ihnen allen wieder einmal zu.

(Beifall von der AfD)

Drittens: enorme Dokumentationspflichten bei Werbemaßnahmen. Unternehmen müssen im Vorfeld jeder einzelnen Werbemaßnahme prüfen, ob diese Maßnahme noch dem ursprünglichen Zweck dient, zu dem der Kunde ihm die Daten gegeben hat. Und das muss natürlich auch für jede einzelne Werbemaßnahme dokumentiert werden.

Nehmen wir ein Beispiel: Sie haben ein Unternehmen, das Gartenmöbel verkauft. Der Kunde hat Ihnen die Erlaubnis gegeben, ihm Werbung zu schicken. Sie machen es auch eifrig. Jetzt erweitern Sie Ihr Geschäft um Blumen. Dürfen Sie jetzt diesem Kunden auch Werbung für Blumen schicken oder nur für Blumen, die draußen sind, aber nicht im Innenraum, weil das zu Gartenmöbeln passt? Und das alles müssen Sie dokumentieren, abwägen und dann entscheiden: Gehen Sie dieses Risiko ein, diesem Kunden noch eine Werbung zu schicken?

Während Sie früher dem Kunden im Sinne eines übergreifenden Geschäftes oder neudeutsch auch Cross-Selling einfach die Blumenwerbung geschickt hätten, wägen Sie jetzt das Risiko ab und lassen es doch lieber sein, denn die Abmahnindustrie steht schon in der Ecke und wird Ihr Geschäft dann eventuell ruinieren.

(Beifall von der AfD)

Andere Länder wie Österreich mit einer FPÖ- und ÖVP-Regierung machen es allerdings mal wieder besser als Deutschland. Tja, diese Länder sind auch nicht so naiv und EU-gläubig. Sie jedoch, liebe Vertreter der Parteien des letzten Jahrtausends, huldigen einem goldenen Kalb namens EU.

Sie ruinieren unser Land. Sie ruinieren unsere Arbeitnehmer, Arbeitsplätze und Unternehmen. Das geht zulasten unserer Malocher in unserem Land. – Den Zuhörern vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Das war der Abgeordnete Loose von der AfD-Fraktion. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Das bleibt auch so. Dann kann ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 1 – Aktuelle Stunde – schließen.

Ich rufe auf:

2   Impfen schützt – Kampagne zur Verbesserung des Impfschutzes in Nordrhein-Westfalen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2563

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion der CDU Herr Kollege Preuß das Wort.

Peter Preuß (CDU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Prävention ist das wirksamste Mittel, um gesund zu bleiben. Ich kann viel für meine Gesundheit tun: mich gesund ernähren, Sport treiben, nicht rauchen, weniger Alkohol trinken, dafür mehr Wasser trinken, zu allen Vorsorgeuntersuchungen gehen und so weiter und so fort.

Gegen Infektionskrankheiten wie Masern, Röteln, Grippe, Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten kann ich mich jedoch nur durch Impfungen schützen. Impfung ist die wichtigste präventive Maßnahme, die es gibt.

Beim Thema „Impfen“ geht es nicht nur um den Schutz der eigenen Person vor Infektionskrankheiten, es geht auch um Eigenverantwortung. Es geht um Herdenimmunität. Es gibt Menschen, die wir nicht impfen können, zum Beispiel Säuglinge oder chronisch erkrankte Menschen. Gerade diese Menschen sind darauf angewiesen, dass die Personen in ihrem Umfeld geimpft sind und sie so vor Ansteckung und Ausbreitung von Krankheiten schützen. Sich impfen zu lassen, ist sicherlich die freie Entscheidung eines jeden Einzelnen, es geht aber auch um die Eigenverantwortung. Jeder muss sich darüber im Klaren sein, dass er für den Schutz der Allgemeinheit eine Mitverantwortung trägt.

Politik muss diese Eigenverantwortung fördern; deshalb unser Antrag heute hier im Plenum.

(Beifall von der CDU und Susanne Schneider [FDP])

Die Impfquote ist in Deutschland mit etwas über 90 % für die erste Dosis im Alter von 15 Monaten relativ hoch, nimmt jedoch schon bei der zweiten Dosis, die für einen sicheren Impfschutz notwendig ist, rapide ab. Auch wenn die Impfbereitschaft grundsätzlich vorhanden ist, reicht sie nicht aus, um Infektionskrankheiten völlig zurückzudrängen. Die Übertragungswege müssen unterbrochen werden, und dafür braucht es eine Durchimpfungsquote von am besten 100 % mit zwei Impfdosen.

Noch mehr Aufklärung ist notwendig. Nur so können wir das Misstrauen gegen Impfungen reduzieren, die Impfbereitschaft erhöhen und das Bewusstsein für die Verantwortung eines jeden stärken.

Die NRW-Koalition strebt eine deutliche Verbesserung der Impfquoten an. Wir haben im Landeshaushalt für das laufende Jahr im Bereich des Gesundheitsschutzes und der Seuchenbekämpfung den Baransatz um 200.000 € erhöht zu dem Zweck, Aufklärungsmaßnahmen und eine landesweite Kampagne zur Erhöhung der Impfquote sowie für aufsuchende bzw. niedrigschwellige Impfaktionen zu unterstützen.

Die Fakten in unserem vorliegenden Antrag zeigen, wie wichtig es ist, zu handeln. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schneider.

Susanne Schneider (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam“ – einige von Ihnen erinnern sich sicher noch an diesen Slogan aus den 60er-Jahren. Inzwischen hat sich einiges geändert. Es wurde weiter geforscht. Impfstoffe wurden weiterentwickelt. Von einer oralen Impfgabe ist man inzwischen abgekommen. Aber diese beispiellose Kampagne eröffnete den Kampf gegen die Poliomyelitis. Deutschland war damals trauriger Spitzenreiter in Europa bei den Infektionen. Seit 2002 gilt Polio bei uns und in Europa als ausgerottet.

Heute kann in diversen sozialen Netzwerken regelmäßig die Diskussion „Impfung oder Masernpartys“ verfolgt werden. Letztere sind brandgefährlich und absolut verantwortungslos. Denn dabei wird häufig vergessen, dass einer von 1.000 Masernfällen noch immer tödlich verläuft. Deshalb müssen die Verbesserungen des Impfschutzes sowie eine Erhöhung der Impfraten ein vorrangiges Ziel der Gesundheitspolitik sein.

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie meine politische Arbeit im Landtag verfolgen, dann wissen Sie, dass ich mich schon in der letzten Legislaturperiode mehrmals mit meiner FDP-Fraktion für einen besseren Impfschutz eingesetzt habe. Leider ist Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün aber hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben. Die NRW-Koalition hat sich hingegen bereits im Koalitionsvertrag die Verbesserung der Impfquoten zum Ziel gesetzt.

Ich persönlich bin ein großer Fan des Impfens. Meine drei Kinder und ich haben alle sinnvollen Impfungen erhalten. Was sinnvoll ist, entscheidet die STIKO, die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts.

Deren Experten mussten leider wieder feststellen, dass im vergangenen Jahr in Deutschland 929 Menschen an Masern erkrankt sind, 520 davon hier bei uns in NRW.

Diese Experten mahnen auch immer wieder, dass wir eine Impfquote von über 95 % benötigen, um die Übertragungswege zu unterbrechen und alle Menschen vor dieser gefährlichen Infektionskrankheit zu schützen.

Bei den Einschulungsuntersuchungen zeigte sich aber wieder, dass diese Quote verfehlt wird, und dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass für rund 9 % der Kinder gar kein Impfbuch vorgelegt wurde. Ich vermute, dass in diesen Fällen der Impfpass nicht einfach nur vergessen wurde, sondern dass genau diese Kinder wahrscheinlich gar nicht oder nicht ausreichend geimpft sind.

Christdemokraten und FDP haben bereits im Haushalt zusätzliche Mittel für 2018 eingestellt. Wir werden jetzt mit der Landesregierung und mit Unterstützung von Experten aus Wissenschaft und Gesundheitswesen eine landesweite Impfkampagne entwickeln. Wir wollen an Impfungen erinnern, um die Eigenverantwortung der Menschen zu fördern. Wir werden informieren, um Wissenslücken zu schließen und das Misstrauen gegenüber Impfungen zu reduzieren, und so hoffentlich die Motivation zum Impfen steigern.

(Beifall von der FDP)

Wer Impfungen ablehnt, weil er sehr seltene mögliche Impfschäden befürchtet, verkennt, dass die Vorteile einer Impfung deutlich überwiegen. Das sollten auch die „Impfschmarotzer“ akzeptieren. Das sind diejenigen, die aus ideologischen Gründen Impfungen ablehnen und darauf setzen, dass ihren Kindern schon nichts passieren wird, wenn alle anderen geimpft sind.

Gerade wir als verantwortliche Gesundheitspolitiker dürfen hier keine Zweifel aufkommen lassen und sollten vielmehr Vorbild für einen umfassenden Impfschutz sein. Wir Freien Demokraten haben letztes Jahr sogar auf unserem Bundesparteitag eine allgemeine Impfpflicht beschlossen, auch wenn wir sonst vorrangig auf Eigenverantwortung und Freiheit setzen. Denn die persönliche Freiheit endet dort, wo die Gesundheit anderer gefährdet wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, seit einigen Jahren beschäftigen wir uns hier im Haus mit dem Thema Inklusion. Eltern aber, deren Kinder zum Beispiel immunsupprimiert sind, werden ihre Kinder sicherlich nicht in eine Kita oder in eine Schule geben, wenn sie sich nicht sicher sein können, dass dort alle Kinder ausreichend geimpft sind. So werden diese Kinder mit einem unterdrückten Immunsystem vom Besuch einer Kita oder einer Schule ausgeschlossen, wenn sie dort auf andere Kinder ohne Impfschutz treffen könnten. Das aber widerspricht dem Gedanken der Inklusion.

Mehr Aufklärung stärkt das Bewusstsein der Menschen für die Bedeutung von Impfmaßnahmen für die eigene Gesundheit und die der Mitmenschen. Höhere Impfquoten retten schließlich Menschenleben.

Ich würde mich sehr freuen, werte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie diesem Antrag zustimmten. Ersparen Sie mir auch bitte das Argument, dass eine Diskussion im Ausschuss nötig sei. In der letzten Legislaturperiode fanden zwei Expertenanhörungen statt mit dem Ergebnis, dass dringender Handlungsbedarf besteht.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Susanne Schneider (FDP): Deshalb handelt die NRW-Koalition jetzt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Lück das Wort.

Angela Lück (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen haben in ihrem Antrag bereits richtig erkannt: Die Impfquoten in Nordrhein-Westfalen sind erschreckend niedrig. Infektionskrankheiten, die wir als hochentwickeltes Land längst ausgerottet haben sollten, sind wieder auf dem Vormarsch.

Noch vor ein oder zwei Generationen spukten Schreckgespenster nachts durch die Baby- und Kinderbetten. Sie hießen Keuchhusten, Diphtherie oder Kinderlähmung. Die Sterblichkeit allein im ersten Lebensjahr war immens: Scharlach, Masern, Keuchhusten, Tuberkulose, Diphtherie rissen viele Säuglinge und Kleinkinder ins Grab. Es ist noch keine hundert Jahre her, da starben in Deutschland jedes Jahr rund 10.000 Säuglinge allein an Keuchhusten.

Welch ein Segen und welch eine Erleichterung bedeutete es für die Menschheit, als der erste Medizin-Nobelpreisträger Emil von Behring – bekannt als „Retter der Kinder“ – den ersten Impfstoff gegen Diphtherie und Tetanus entwickelte. Auch danach haben viele seiner Kolleginnen und Kollegen die Immunisierung gegen tödliche Krankheiten vorangebracht und damit Millionen von Menschen das Leben gerettet.

Vor diesem Hintergrund erscheint es nahezu unerklärlich, dass heutzutage vermehrt Eltern bei ihren Kindern und Erwachsene bei sich selbst auf die empfohlenen Schutzimpfungen verzichten. Die tödlichen Krankheiten von einst haben augenscheinlich ihren Schrecken verloren. Das ist fatal. So kommt es, dass beispielsweise die potenziell tödliche Diphtherie in Europa wieder umgehen kann.

Um die Zirkulation des Erregers zu unterbrechen, empfiehlt die WHO Impfraten von mindestens 90 % bei Kindern und 75 % bei Erwachsenen. Diese Raten werden aber in Deutschland nicht erfüllt. Zwar gab es 2014 bei Erstklässlern eine hohe Impfquote von über 95 %. Aber nur 81 % der Erwachsenen gaben laut einem Bericht der „Ärzte Zeitung“ an, mindestens einmal im Leben gegen Diphtherie geimpft zu sein. Nur 57 % von ihnen haben einen sicheren Schutz, weil sie in den letzten zehn Jahren geimpft worden sind.

Auch Keuchhusten ist wieder auf dem Vormarsch. Im Jahre 2016 registrierte das Robert Koch-Institut insgesamt 22.119 Fälle – mit Abstand die meisten seit dem Beginn der bundesweiten Meldepflicht im Jahr 2013. Damals waren es nur 12.000 Fälle.

Den Medizinern, die sagen, dass der Erfolg der Impfungen die Impfung selbst überflüssig mache, kann man nicht folgen. Wir haben bereits mehrmals erlebt, dass ausgestorben geglaubte Krankheiten zurückkehren. Ein Grund dafür ist neben der hohen Mobilität der Menschen die Impfmüdigkeit, die sich insbesondere in Deutschland eingeschlichen hat. Die Erklärungen hierfür sind sicherlich so vielfältig wie die Maßnahmen, die die Politik dagegen ergreifen kann.

Gut zu erreichen mit einer Aufklärungskampagne sind sicherlich diejenigen Menschen, die einfach im Trubel des Lebens aus Bequemlichkeit und vermeintlich fern der Gefahr nicht mehr an einen Impfschutz denken. Sie können durch groß angelegte Aufklärung und niederschwellige Angebote auf die Bedeutung des Immunschutzes hingewiesen werden. Deshalb ist es eine wichtige und richtige Maßnahme.

Schwieriger ist es aber mit denjenigen, die sich bereits intensiv mit der Frage nach einer Impfung auseinandergesetzt und sich dagegen entschieden haben. Die Psychologin Dr. Cornelia Betsch von der Universität Erfurt hat die Gründe für die Impfmüdigkeit erforscht und dabei herausgefunden, dass sich oftmals hochgebildete Menschen einer Impfung verweigern. Sie halten sich für kompetent genug, selbst zu beurteilen, wie gefährlich ein Impfstoff ist.

Wer aber den Nutzen der Immunisierung leugnet und vielleicht obendrein Anhänger einer Big-Pharma-Verschwörungstheorie ist, der ist durch bloße Aufklärungskampagnen sicherlich nur schwer zu überzeugen. Ich denke daher, dass mehr Maßnahmen erforderlich sind, um die Menschen wieder zum Impfen zu bewegen. Allerdings vermute ich, dass man mit bloßer Aufklärungsarbeit nur einen Teil der ungeimpften Bevölkerung erreicht.

Wir stimmen dem Antrag zwar zu, halten es aber für notwendig, dieses Thema in Zukunft noch intensiver zu betrachten.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Angela Lück (SPD): Wir müssen über Maßnahmen reden, die jenseits von Aufklärungskampagnen geeignet sind, die Bevölkerung vor der Rückkehr längst vergessener Krankheiten zu schützen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Lück. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Wir stimmen Ihrem Antrag selbstverständlich zu. Was kann man schon dagegen haben, dass die Landesregierung beauftragt wird, eine Kampagne für den Impfschutz durchzuführen?

Ich möchte jedoch an das anknüpfen, was die Kollegin Lück gerade ausgeführt hat: Es wäre durchaus sinnvoll gewesen, diesen Antrag in die Ausschüsse zu verweisen, um dort über die konkreten Maßnahmen zu diskutieren und sich vom Minister ein Konzept vorlegen zu lassen, worum es genau geht.

Lassen Sie mich die Kategorien aufgreifen, die Frau Lück vorhin angesprochen hat. Sie haben zu Recht eine große Kategorie genannt, nämlich Menschen, durchaus in meinem Alter oder ein paar Jahre jünger, die beim Arzt daran erinnert werden, ihren Tetanus-Impfschutz aufzufrischen – oder andere Impfungen, die in fortgeschrittenem Alter immer wieder aufgefrischt werden müssen.

Der Arzt fragt auch, wenn beispielsweise eine Polio-Impfung für Kinder ansteht: „Haben auch Sie den Polio-Schutz?“, damit nicht aufgrund der Impfung der Kinder die Gefahr besteht, dass sich die Eltern infizieren. Ärztinnen und Ärzte weisen immer wieder auf so etwas hin. – Diese Kategorie von Menschen könnte man durch solche Maßnahmen sehr gut erreichen.

Ich habe mir einmal die Debatte zu diesem Thema aus dem Jahr 2016 angeschaut. Diese Debatte ist sehr spannend. Die FDP hat damals einen sehr ausführlichen Maßnahmenkatalog vorgelegt und dabei auf § 20i des SGB V als Grundlage für Impfschutzkampagnen seitens der Landesregierung hingewiesen. Seinerzeit wurde die Landesregierung ausdrücklich aufgefordert, eine Rahmenvereinbarung mit den Krankenkassen abzuschließen.

Ich wundere mich ein wenig darüber, dass dieser Punkt in Ihrem heutigen Antrag nicht mehr vorkommt. Sind Sie inzwischen anderer Meinung, oder konnten Sie die CDU nicht überzeugen?

Sie haben in Ihrem damaligen Antrag weitere konkrete Maßnahmen angeregt. Ich möchte zwei, drei dieser Punkte nennen, die ich für richtig halte und die wir heute beschließen bzw. die wir im Ausschuss beraten könnten.

Es gibt zahlreiche Gesundheitsberufe, mit denen wir immer wieder in Kontakt kommen; ich nenne nur Hebammen oder Kinderärztinnen und -ärzte. In den Kitas wird für Vorsorgemaßnahmen geworben, und auch in den Schulen wird immer wieder darauf hingewiesen.

Eines finde ich falsch, Frau Kollegin Schneider.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Mostofizadeh, Entschuldigung, dass ich Sie an dieser Stelle unterbreche. Da Sie Frau Kollegin Schneider gerade ansprechen: Sie würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Ach. Bitte.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Bitte schön.

Susanne Schneider (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Mostofizadeh, herzlichen Dank, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen. Ich freue mich sehr darüber, in welchem Maße Sie meinem Antrag aus der letzten Legislaturperiode nachtrauern und die vielen Punkte hervorheben, die darin besonders gut waren. Erklären Sie mir aber bitte: Warum hat denn Ihre Fraktion in der letzten Legislaturperiode alle Anträge zur Verbesserung des Impfschutzes abgelehnt?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Das kann ich Ihnen relativ einfach erklären: weil wir bessere Vorschläge beschlossen haben, die die Gesundheitsministerin auch umgesetzt hat.

(Zuruf: Gar nichts haben Sie!)

Dazu gehört unter anderem das, was ich sowieso gerade ausführen wollte, nämlich dass die unterschiedlichen Berufe darauf hingewiesen werden sollten, entsprechend tätig zu werden.

Ich möchte noch einen Punkt nennen, bei dem ich dezidiert anderer Auffassung bin als Sie. Sie haben vorhin das Wort „Impfschmarotzer“ in den Mund genommen. Wenn Sie glauben, die Menschen mit Beschimpfungen dazu zu bringen, eine Entscheidung zu treffen, die aus meiner Sicht richtig wäre, nämlich für einen umfassenden Impfschutz zu sorgen, dann sind Sie aus meiner Sicht auf dem völlig falschen Dampfer.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn wir nicht mit Sachlichkeit an dieses Problem herangehen, werden wir es nicht lösen können. Wir werden auch niemanden in Ketten gelegt dem Richter vorführen und ihn zwangsimpfen lassen.

Liebe Kollegin von der FDP, es ist schon einigermaßen gewöhnungsbedürftig – nicht bei Ihnen persönlich; das habe ich immer wieder erlebt –, dass die FDP solche Thesen in den Landtag hineinträgt. Das finde ich ziemlich merkwürdig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich komme zu der Konsequenz, die sich aus Ihrem Antrag ergibt: Wir Grünen halten einen umfassenden Impfschutz nicht nur für richtig und notwendig, sondern wir meinen auch, dass wir eine ganze Menge dafür tun müssen, dass er tatsächlich durchgesetzt wird. Wie gesagt, wir hätten uns sehr gerne im Ausschuss an einer solchen Diskussion beteiligt.

Sie haben auch die Menschen angesprochen, die vielleicht nicht oder nicht mehr über ein besonders gutes Immunsystem verfügen. In den Pflegeeinrichtungen, den Schulen und Kindertagesstätten wird sehr wohl nach diesen Dingen gefragt. Wenn wir das systematisieren und für eine höhere Impfbereitschaft werben, wird sich die Situation auch verbessern.

Es führt jedoch zu nichts, liebe Kollegin Schneider, die Menschen zu beschimpfen und sie zum Impfen zwingen zu wollen.

Frau Lück hat vorhin darauf hingewiesen: Das betrifft nicht diejenigen, die besonders dumm oder ignorant sind – zumindest nicht auf den ersten Blick –, sondern es sind hochqualifizierte Menschen, die glauben, dass manche Impfungen für sie nicht sinnvoll seien. Da kann ich nur sagen: Um diese Menschen müssen wir kämpfen! Wir müssen für die Sache werben und gute Argumente ins Feld führen, damit sie sich eben doch einer Impfung unterziehen.

Insbesondere müssen wir dafür sorgen, dass die Kinder umfassend geschützt werden. Sie sind am stärksten betroffen. Hier hat die Forschung eine Menge dafür getan, dass die Sache durch Kombinationsimpfungen und seltener notwendige Impfvorgänge deutlich erleichtert wird. Darauf müssen wir uns in positiver Weise beziehen. Ein Vorgehen nach dem Motto „Wenn du nicht hören willst, musst du fühlen“ ist nicht die Politik, die wir verfolgen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Vincentz.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Manchmal passiert in der Wissenschaft etwas ganz Seltsames: Die Impfungen sind ein Stück weit Opfer ihrer eigenen enormen Wirksamkeit geworden.

Die älteren Semester werden sich vielleicht noch daran erinnern: Früher hatte man gelegentlich das eine oder andere Kind in der Schulklasse, das noch an der Kinderlähmung erkrankt war. Daher ist es den Älteren immer noch ein Begriff, was es im Alltag bedeutet, an Polio erkrankt zu sein, und was das mit den Menschen anstellt. Seitdem wir seit den 1950er-Jahren über den guten Impfschutz verfügen, ist die Kinderlähmung fast vom gesamten Erdball verschwunden und damit ihres Schreckens beraubt.

Ein anderes Beispiel ist der Wundstarrkrampf, das sogenannte Clostridium tetani, ein Keim, der überall in der Erde vorkommt. Wenn man auch nur kleinere Arbeiten im Garten verrichtet und sich vielleicht am Zaun oder an der Wildrose sticht, könnte man potenziell jederzeit an Wundstarrkrampf erkranken. Heute ist es so, dass wir durch die umfangreichen Impfkampagnen in der Vergangenheit in Deutschland weniger als fünf Todesfälle bzw. fünf Erkrankte pro Jahr zu verzeichnen haben. Das ist eine gute Entwicklung.

Heute hat in Deutschland nur noch der kunstgeneigte Mensch einen Eindruck vom Wundstarrkrampf, vor allen Dingen durch die Bildnisse des Anatomen Charles Bell, der um das Leben ringende Soldaten gezeichnet hatte, die mit grimassiertem Gesicht und durchgedrückten Rückenmuskeln das typische Bild des voll ausgeprägten Wundstarrkrampfs illustrierten.

Ein kleiner Piks in den Oberarm, und diese vormals tödlichen Erkrankungen verlieren völlig ihren Schrecken.

Auf der anderen Seite geraten sie – das ist wiederum der Nachteil, den ich eingangs beschrieb – dadurch auch in Vergessenheit. In Vergessenheit gerät der große Schrecken, der mit diesen Krankheitsbildern verbunden war, und es erheben sich dann tatsächlich Zweifel an den Impfungen.

Gewisse Dinge, die mit der Impfung verbunden sind – dieser kleine Piks in den Oberarm, der geschädigte Nerv bei einer falsch gesetzten Spritze oder die Nebenwirkungen bei einem Fall von einer Million Fälle bei einem Lebendimpfstoff –, geraten auf einmal in den Vordergrund gegenüber diesen sehr schlimmen Erkrankungen, die wir damals so erfolgreich bekämpft haben.

So stellt man fest, dass sich sogar einige Impfmythen entwickeln, zum Beispiel, dass es die in dem Antrag angesprochenen Masern gar nicht gebe oder die Erkrankung zumindest nicht in einem Kontext mit dem Masernvirus stünde. Da kann man ab und zu als Arzt tatsächlich nur den Kopf schütteln.

Von daher ist es absolut wichtig und begrüßenswert, an dieser Stelle über das beständig wichtige Thema Impfungen zu sprechen und nicht müde zu werden, für Impfungen zu werben, bis auch die letzte Erkrankung, gegen die wir tatsächlich impfen können, völlig irrelevant ist.

Der Vorstoß der regierungstragenden Parteien für eine landesweite Aufklärungskampagne ist daher nur zu begrüßen und hebt sich in erfreulicher Weise von anderen Bestrebungen auf Bundesebene ab, die de facto eine Impfpflicht implizieren. Es kann nicht Ziel sein, die Menschen dazu zu verpflichten, sich impfen zu lassen.

Da hätte ich von der FDP etwas völlig anderes erwartet; das hat mich gerade etwas verwundert. Ich dachte, das wäre eines der wenigen Dinge, die uns tatsächlich politisch verbinden: die Ansicht, dass wir die Menschen mit Informationen erreichen, sie aufklären und bilden können, indem wir darüber informieren, was Impfungen anstellen, statt sie mit einer Pflicht zu Dingen zu nötigen, die wir auf der anderen Seite als Staat gewährleisten müssen. Es ist zum Beispiel unter anderem das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das wir da als Staat verletzen.

(Beifall von der AfD)

In einer Demokratie – das ist mein Verständnis – muss am Ende immer die freie Wahl stehen, so sehr ich mich auf der anderen Seite für Impfungen starkmache. Wir sind dazu da, dass es eine gute Wahl wird. Wir werden daher hoffentlich noch oft über Impfungen sprechen, aber hoffentlich wenig über die alten Erkrankungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Dr. Vincentz. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Laumann.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens. Dass Schutzimpfungen eine wirkungsvolle Maßnahme sind, um Menschen effektiv und kostengünstig zu schützen, ist – das ist das Schöne an der heutigen Debatte – Auffassung aller Landtagsfraktionen. Ich kann mich noch erinnern, dass das früher nicht in vollem Umfang Auffassung aller Fraktionen im Landtag Nordrhein-Westfalen war.

Zweitens. Was die durch Durchimpfungsraten angeht, nehmen wir einmal das Beispiel Masern. Wir haben uns als Nationalstaat verpflichtet, sie auszurotten. Dafür brauchen wir laut Robert Koch-Institut eine Durchimpfungsrate von 95 %. An diesen 95 % sind wir in Nordrhein-Westfalen mit 94,1 % nahe dran.

Aber jetzt kommt unser Problem: Wir haben Städte, kreisfreie Städte und Landkreise, in denen die Durchimpfungsrate bei 97 % liegt, und wir haben in Nordrhein-Westfalen auch Regionen, in denen sie nur bei 88 % liegt. Deswegen glaube ich, dass wir unsere Kampagnen sehr viel mehr lokaler ausrichten müssen als bislang.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Da, wo wir eine Durchimpfungsrate von 97 % haben, ist die Welt aus Sicht des Impfens in Ordnung. Aber da, wo wir bei 88 % liegen, haben wir ein großes Problem.

Wenn man sich jetzt – das hat unser Haus gemacht – diese Frage genauer ansieht, kann man feststellen, dass die Rate in einem Landkreis oder in Stadtteilen einer kreisfreien Stadt völlig unterschiedlich ist. Manchmal ist die Durchimpfungsquote im Einzugsbereich eines bestimmten Kindergartens sehr hoch. Im Einzugsbereich eines anderen Kindergartens kann die Durchimpfungsquote sehr niedrig sein. Teilweise kann man das auch den Einzugsbereich von Arztpraxen beziehen. Die Durchimpfungsrate kann in Einzugsgebieten von Kinderärzten hoch oder niedrig sein.

Deswegen hat unser Ministerium gemeinsam mit Fachleuten das Konzept ausgearbeitet, dass wir die Impfkampagnen stark auf die Gebiete mit niedrigen Impfraten lokalisieren müssen. Das heißt, da müssen wir konkret auf die Arztpraxen, auf die Kitas und Kindergärten und auf die Bevölkerung zugehen.

Auf der anderen Seite werden wir natürlich weiterhin robust für Impfungen werben, etwa mit Impfmobilen, wie man das in breit angelegten Kampagnen macht.

Fazit: Die Arbeiten meines Ministeriums in den letzten Monaten haben als Ergebnis gebracht, die gesamte Kampagne nicht über das ganze Land zu ziehen, wofür die Mittel wohl auch nicht ausreichen, um eine durchschlagende Wirkung zu erreichen, sondern das Geld, das wir für Impfkampagnen zur Verfügung haben, äußerst differenziert und sehr lokal einzusetzen. Wir brauchen noch ein paar Wochen, um das genau auszuarbeiten.

Ich glaube, dass wir damit eine Lösung finden, die dem Wunsch aller Landtagsfraktionen gerecht wird, in Nordrhein-Westfalen bei der Impfquote das führende Land in Deutschland zu werden. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Da keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 2.

Wir kommen zur Abstimmung. Ursprünglich hatte der Ältestenrat, wie Sie wissen, eine Überweisung an die Fachausschüsse empfohlen. Zwischenzeitlich haben sich aber alle Fraktionen darauf verständigt, über den Antrag heute direkt abzustimmen. Diese direkte Abstimmung führen wir jetzt durch.

Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die AfD und die drei fraktionslosen Abgeordneten. Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2563 einstimmig vom Landtag von Nordrhein-Westfalen angenommen worden.

Ich rufe auf:

3   Landesregierung muss kurzfristig ein Konzept zur digitalen Ausstattung von Lehrerinnen und Lehrern vorlegen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2560

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Herr Kollege Ott das Wort.

Jochen Ott (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Themen Datenschutz und personenbezogene Daten – das haben wir heute Morgen auch schon diskutiert – sind rechtlich hoch brisant, da sie die fundamentalen Grundrechte eines jeden Menschen tangieren. Deshalb ist es natürlich einer besonderen Sensibilität unterstellt, sich mit diesen Themen zu beschäftigen.

Seit Januar 2018 liegt eine Dienstanweisung des Schulministeriums für die automatisierte Verarbeitung von personenbezogenen Daten in der Schule vor. Damit gehen eine Reihe von Problemen und Schwierigkeiten einher, die die Lehrerinnen und Lehrer vor Herausforderungen stellen. Wir müssen die Lehrerinnen und Lehrer dabei dringend unterstützen.

Folgende Fragen stellen sich die Lehrerinnen und Lehrer in unseren Schulen:

Wie kann man die Vorgaben einhalten? Wie kann ich das für mich lösen? Welche Möglichkeiten zum Schutz habe ich? Wie werde ich unterstützt? Warum werden andere umfänglich ausgestattet, und mir fehlt es an allem? Das geht bis hin zur Frage: Wie kann man Lehrerinnen und Lehrern die Arbeit in immer stärker digitalen Kontexten ermöglichen und erleichtern?

Diese Fragen, Kolleginnen und Kollegen, stellen wir stellvertretend für die Lehrerinnen und Lehrer dieses Landes hier im Parlament.

Ich habe mich sehr darüber gefreut – der Staatssekretär ist heute auch hier –, dass Staatssekretär Richter letzte Woche im Schulausschuss an verschiedenen Stellen deutlich gemacht hat, dass er das, was im Antrag formuliert ist, eigentlich auch unterstützt. Er sagte nämlich, dass er selbst Fragen hat, die zu klären sind:

Welche Bedingungen braucht es? Wie kann Digitalisierung Schulen besser machen? Wie kann sie auch für die Lehrerinnen und Lehrer einen schulpädagogischen Mehrwert schaffen?

Insofern sind wir sehr zuversichtlich und würden uns sehr wünschen, dass die Regierungsfraktionen unserem Antrag folgen. Sinnvollerweise sollten wir gemeinsam versuchen, die Lösung jetzt herbeizuführen.

Ich möchte mit Erlaubnis der Präsidentin aus der Mitschrift des Schulausschusses von letzter Woche zitieren. Da sagte nämlich Herr Richter Folgendes:

Es braucht pädagogische Konzepte zur Digitalisierung. Es braucht Betriebskonzepte, Datenschutzkonzepte und entsprechende Hinweise auf rechtliche Regelungen. Daher wurde diese Dienstanweisung formuliert. Sie beinhaltet eine Zusammenfassung der datenschutzrechtlichen Regelungen.

Folgende Fragen müssten darüber hinaus noch geklärt werden: Inwieweit ist das Land in der Verantwortung, digitale Endgeräte zur Verfügung zu stellen? Wie sieht die Mindestausstattung an Schulen aus? Und: Welche Arbeitsplätze für Lehrkräfte müssen eigentlich zur Verfügung gestellt werden?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, damit ist alles zu diesem Antrag gesagt. Die Landesregierung muss hier ein Konzept vorlegen. Deshalb hoffen wir auf breite Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Ott. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Braun.

Florian Braun (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie gute Schule im Digitalisierungszeitalter aussieht, wie sie funktioniert – sind die wesentlichsten Fragen der Bildungspolitik.

Dazu gehören die Fragen nach Anwendung von Endgeräten, Programmierung, Medienkompetenz. Dazu gehört die Qualifikation, die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften. Dazu gehört die Anpassung des Lehrplans. Dazu gehören die Fragen nach Infrastruktur, Software und Ausstattung mit digitalen Endgeräten von Schülern in den Klassenzimmern und natürlich auch von Lehrerinnen und Lehrern.

So weit, so gut, so einig. – Nun schaue ich mir den knappen Antrag der SPD-Fraktion an und stelle fest: reichlich Nebelkerzen, wenig Neues, nichts Zielführendes.

Die Dienstanweisung des Ministeriums für Schule und Bildung für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist der Aufhänger Ihres Antrags, weil sie für Unruhe in der Schullandschaft gesorgt hat. Das war zweifelsohne so. Unlängst sind allerdings weitere Gespräche des Ministeriums mit Schulverbänden geführt worden. Es sind weitere klarstellende Schulmails versandt worden, um offene Fragen zu klären und vermeintliche Missverständnisse auszuräumen.

Es ist festzuhalten, dass es sich eben um keine neue Richtlinie handelt, sondern um eine Zusammenfassung der bestehenden Regelungen von Landes-, Bundes- und Europarecht, wie Kollege Ott es gerade eben auch zugestanden hat. Eine solche Zusammenfassung gab es bislang nicht. Sie ist eine notwendige Hilfestellung für die Schulen.

Schaut man sich die Dienstanweisung und den Genehmigungsvordruck an, so handelt es sich um keine unüberwindbaren Hürden, sondern um völlig nachvollziehbare und handhabbare Sicherheitsanforderungen:

Einsatz eines aktuellen Betriebssystems. Check. – Einsatz einer Firewall und eines Virenschutzsystems. Check. – Einsatz eines sicheren Passworts. Check. – Verschlüsselung der Daten bei externen Datenträgern. Check. – Und fünftens: Automatische Sperre des Endgeräts nach 15 Minuten Inaktivität. Check.

Sehr geehrte Damen und Herren, das alles sind keine Anforderungen, für die man IT-Spezialist sein muss. Vor allem sind es Anforderungen, die der Großteil der Privatpersonen schon heute erfüllt. Wer sie nicht erfüllt, dem würde ich es empfehlen. Sollte gerade jemand im Saal merken, vielleicht noch nicht ganz up to date zu sein, rate ich, selbst dieses Einmaleins der Datensicherheit anzuwenden.

Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, darf auch ich vom Tonbandmitschnitt den Kollegen Ott aus der letzten Schulausschusssitzung zitieren, wo er sagte, das sei alles inhaltlich nachvollziehbar; er hätte dort nichts zu kritisieren.

Wenn also Lehrer ihren eigenen PC nutzen oder nutzen wollen, um Noten zu speichern, Adresslisten zu führen und Unterrichtsdokumente zu verarbeiten, ist das weiterhin möglich. Ich finde, das ist auch die wesentliche Botschaft an alle Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen: Die Nutzung des eigenen PC, des Laptops, des Tablets, des Smartphones ist weiterhin möglich.

Eine relevante, davon aber völlig unabhängige Frage bleibt: Wie sieht zukünftig die Ausstattung von Lehrkräften aus?

Liebe SPD, Sie zünden Nebelkerzen, wenn Sie mit Kritik an notwendigen, hilfreichen Datenschutzhinweisen das Versäumnis eines Digitalkonzepts in Ihren vergangenen Regierungsjahren übertünchen wollen.

Natürlich müssen wir uns Gedanken machen, welche Endgeräte wir in den Klassenzimmern den Schülern und Lehrern zur Verfügung stellen, genauso wie wir klären müssen, was im Verantwortungsbereich des Landes und der Schulträger liegt. Das haben wir uns mit dem Koalitionsvertrag vorgenommen, und ich verrate Ihnen eines: Da sind wir als regierungstragende Faktion längst dran.

Sie waren vielleicht teilweise selbst bei der Auftaktkonferenz „Digitaloffensive Schule NRW“ dabei. Darüber hinaus war das Ministerium nicht untätig, sondern hat, wie wir in der letzten Sitzung des Ausschusses für Schule und Bildung erfahren haben, bereits sehr genau diskutiert, auch mit Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, welche Geräte welchen Zwecken dienlich sind und wie die Kompatibilität gewährleistet werden kann.

Das sind keine einfachen Fragen, aber es ist der richtige Weg, um diese Fragen zu klären. Deshalb sind kurzfristige Schnellschüsse, wie sie die SPD im Antrag fordert, nicht hilfreich.

Dies gilt – das möchte ich abschließend erwähnen – ebenso für die Forderung einer kurzfristig einzuführenden Verarbeitungsplattform. Bei so etwas wie LOGINEO, was Rot-Grün schon zu seiner Regierungszeit auf den Weg brachte, mussten wir leider im letzten Jahr schon erfahren, wohin uns Schnellschüsse führen können: massive technische Fehler, fehlende Funktonalität.

Mit der NRW-Koalition wird es jedenfalls keine „Weiße Salbe“ geben. Unsere Wähler haben uns das Vertrauen geschenkt, damit wir sauber und gründlich arbeiten. Daran halten wir uns. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön, Herr Kollege Braun. – Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Müller-Rech jetzt das Wort.

Franziska Müller-Rech (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute debattieren wir über einen Antrag der SPD-Fraktion, der die Landesregierung dazu auffordert, kurzfristig ein Konzept zur digitalen Ausstattung von Lehrerinnen und Lehrern vorzulegen.

Bevor ich auf den Antrag eingehe, möchte ich kurz von der letzten Schulausschusssitzung vor einer Woche berichten. Zu der dort unter Tagungsordnungspunkt 10 aufgeführten Auftaktkonferenz „Digitaloffensive Schule NRW“ haben wir bereits über die vielfältigen Herausforderungen diskutiert, die uns die Vorgängerregierung unerledigt hinterlassen hat. Im Zuge der Diskussion haben die Ministerin und der Staatssekretär bestätigt, dass es noch Baustellen gibt, die es zu beseitigen gilt.

Heute befassen wir uns erneut mit diesem Thema, und Sie fordern auch heute wieder die Landesregierung dazu auf, kurzfristig Konzepte zu erstellen und sie schnellstmöglich umzusetzen. Konzepte, Konzepte, Konzepte – die fordern Sie auffallend oft, ausgerechnet bei den Themen, die Sie selbst hätten angehen können und die überhaupt nicht neu sind. Wieder einmal bekommt man einen Eindruck davon, wie Sie die letzten Jahre hier anscheinend ohne Konzepte gearbeitet haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir sollen und werden nun Ihre nicht gemachten Hausaufgaben erledigen. Ich gehe jetzt auf Ihren Antrag ein.

Erstens. Sie schreiben – ich zitiere –, Lehrerinnen und Lehrer sollten eine Richtlinie unterzeichnen, wenn sie ihren privaten Rechner nutzen, um Schülerdaten zu verarbeiten.

Da Ihr Antrag bereits vor der letzten Schulausschusssitzung geschrieben wurde, gehe ich davon aus, dass Ihnen mittlerweile klar ist, dass die Dienstanweisung, die Sie bestimmt meinten, lediglich die aktuelle Rechtslage wiedergibt.

Eine von Lehrern zu unterschreibende Richtlinie gibt es diesbezüglich nicht. Vielmehr ist es so, dass die Nutzung privater Geräte zur Verarbeitung personenbezogener Schülerdaten der Genehmigung der Schulleitung bedarf – mehr nicht. Diese Genehmigungspflicht haben Sie als SPD-Regierung 1995 selbst eingeführt.

Jetzt wurden keine Neuerungen vorgenommen, sondern bereits bestehende Nachweispflichten nutzerfreundlich zusammengefasst und klargestellt oder, wie Staatssekretär Richter im Schulausschuss sagte, damit wurde Licht ins Dunkle gebracht.

Zweitens. Die SPD-Fraktion fordert in ihrem Antrag ein kurzfristiges Konzept zur digitalen Ausstattung von Lehrerinnen und Lehrern.

Wir haben in dieser Sitzung auch gehört, dass das Ministerium dabei ist, diesen wichtigen Punkt abzuarbeiten. Auch hierzu hat sich Staatssekretär Richter hinreichend geäußert. Es muss die Frage geklärt werden, wo die Zuständigkeit des Schulträgers vor Ort aufhört und wo die Verantwortung des Landes als Dienstherr beginnt, wenn es um die Ausstattung der Lehrerinnen und Lehrer mit digitalen Endgeräten geht. Dazu führt das Ministerium aktuell Gespräche, wie wir in der Ausschusssitzung gehört haben.

Punkt 2 Ihres Beschlussvorschlages ist also schon in Arbeit, ohne dass es Ihres Tätigwerdens bedurfte, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Ziel, dass die Lehrerinnen und Lehrer unseres Landes verlässlich mit personenbezogenen Daten umgehen können, eint uns.

Drittens. Sie verlangen von der Landesregierung, kurzfristig eine Plattform zur Verarbeitung der sensiblen Daten von Schülerinnen und Schülern zur Verfügung zu stellen, Stichwort LOGINEO. Es ist schon echt ein dickes Ei, dass Sie das hier und heute aufs Tapet bringen, und ich kann ein Schmunzeln nicht verbergen. Seit 2015 wird an diese Software gearbeitet. LOGINEO war bis zum Regierungswechsel im letzten Jahr nicht fertiggestellt. Die neue Landesregierung konnte das Programm nicht ausrollen, da es massive Lücken aufwies; dies wurde auch gutachterlich festgestellt.

Lieber Herr Ott, fragen Sie doch bitte einmal an den Schulen, wer LOGINEO verbockt hat. Die Schulen können Sie durch solche Anträge nicht täuschen, denn sie wissen, dass es die rot-grüne Landesregierung war, die LOGINEO nicht ans Laufen bekommen hat. Es war Aufgabe der alten Landesregierung, dafür zu sorgen, dass das Programm in angemessenem Funktions- und Zeitumfang auf die Schulen ausgerollt wird. Wie hätten Sie den Schulen damit geholfen! Sie wären unter anderem wesentlich weiter in der Frage, die Sie heute aufwerfen: wo Sie die sensiblen Daten von Schülerinnen und Schülern sicher speichern können. Diese Chance haben Sie nicht genutzt, meine Damen und Herren.

Was macht die neue Landesregierung nun mit dem Sorgenkind LOGINEO? – Staatssekretär Richter hat in der nun schon so oft zitierten Ausschusssitzung deutlich gemacht, dass es eine Software für Schulen geben wird, aber erst dann, wenn das Ministerium die Gewissheit hat, dass sie keine Sicherheitslücken aufweist und in der täglichen Praxis stabil anwendbar ist, damit – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin – „die Digitalisierung an den Schulen nicht mit Misserfolgserlebnissen anfängt“.

Meine Damen und Herren, wir sind uns bewusst, dass wir bei der Digitalisierung an den Schulen noch viel mehr zu tun haben, als uns lieb ist. Aber noch einmal: Wir werden die Dinge nicht übers Knie brechen, sondern sorgfältig, strukturiert und schrittweise die digitale Schule schaffen. Die NRW-Koalition setzt auf Gründlichkeit vor Schnelligkeit. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Rech. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, Frau Müller-Rech, Sie waren in der letzten Legislaturperiode noch nicht im Parlament. Es ist in der Tat bedauerlich, dass LOGINEO noch nicht fertiggestellt wurde, dass es nicht funktioniert hat. Wir haben als schulpolitische Sprecherinnen oft genug zusammengesessen.

Ich hätte auch erwartet – das will ich noch einmal sehr deutlich sagen –, dass die potenten Partner, die eigentlich im Auftrag diese Softwareplattform erarbeiten sollten, wirklich so potent und kompetent wären, das ohne Lücken hinzubekommen. Ich bin auch sehr darüber entsetzt, dass das nicht funktioniert hat. Das teilen wir. Dass es nicht kurzfristig funktionieren kann, es neu aufzusetzen, da bin ich Ihrer Meinung. Aber wir müssen trotzdem daran arbeiten, etwas Belastbares zu haben. Denn das ist eine gemeinsame Anstrengung, und ich finde, das sollten wir nicht gegeneinander schieben.

Aber, Herr Kollege Braun, wenn Sie so tun, als ob dieser Antrag der SPD quasi die Zuschriften der Personalräte und aller Lehrer und Lehrerinnen, die sich an uns wenden, provoziert hat, dann ist das eine Verkehrung. Denn diese Zuschriften kommen jetzt schon eine ganze Weile.

(Zuruf von Florian Braun [CDU])

Auch wenn weiter für Klarstellung gesorgt wird – die Unruhe ist da, und es gibt die Rückfragen aus den Kollegien. Es ist klar, überall gibt es die Anforderungen der Digitalisierung, die Verwaltungsvorgänge, die Dokumentationen, die Lehrerinnen und Lehrer zu machen haben, die Frage der Umstellung des Unterrichtens, vom Lernen her Digitalisierung zu denken. – Ich denke, da haben wir auch einen gemeinsamen Ansatz.

Doch das sind Anforderungen, und das verlangt Klärungen rechtlicherseits. Es ist schon angesprochen worden. Ich glaube, dass es nicht damit getan ist, jetzt Gespräche zu führen, wer was macht.

Ich will von dem Beispiel meiner Heimatkommune Paderborn erzählen. Das ist eben nicht die Realität in anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Die Kommune Paderborn nimmt bis 2020 knapp 8 Millionen € in die Hand, stattet unter anderem alle Kollegen und Kolleginnen mit Tablets, mit dienstlichen Endgeräten, aus und gibt sie ihnen quasi dann an die Hand, wenn sie die gemeinsame Schulung gemacht haben, die von der Universität Paderborn und dem Kompetenzzentrum der Bezirksregierung begleitet wird. Das ist ein Konzept, das man sich anschauen sollte.

Aber der Arbeitsplatz von Kolleginnen und Kollegen kann nicht von der Potenz einer Kommune und dem Engagement abhängen, sondern die Qualität von Schule hat sehr viel auch mit diesem Ausbau von Digitalisierung und der Frage der Gestaltung der Arbeitsplätze von Kolleginnen und Kollegen zu tun.

So kommen wir zu den grundlegenden rechtlichen Fragen. Ich glaube nicht, dass das mit einer schnellen Befassung mit diesem Antrag hier jetzt erledigt ist. Daher habe ich ein rechtliches Gutachten in Auftrag gegeben, um bestimmte Dinge zu klären. Denn egal, wer regiert, wir stehen vor dieser Frage: Wer ist eigentlich für die Ausstattung und die Anforderung im Lehrerberuf für die Kollegen und Kolleginnen zuständig? Die Fragen zur Datenschutzverordnung bringen das Ganze noch einmal in die Zuspitzung.

Die Anforderungen an die Digitalisierung, wie Kollegen und Kolleginnen ihre Arbeit verändern müssen, sind eine Vorgabe des Landes. Wie wird das umgesetzt? Wie verhält sich das in der Konnexität? Wie sieht das mit dem Zyklus von Geräten aus? Wo muss das Land, wo muss die Kommune tätig werden? Was gibt es da für finanzielle Regelungen untereinander?

Deswegen bin ich froh, dass dieses Gutachten hoffentlich bald vorliegen wird und wir das in den Diskussionsprozess im Schulausschuss dann auch einspeisen können. Denn wir brauchen rechtliche Sicherheit. Die Kollegen und Kolleginnen warten auch darauf, dass es diese rechtliche Sicherheit gibt und es nicht von wohlwollenden Gesprächen auf der einen oder anderen Seite abhängt, die sich auch noch sehr lange ziehen können, wann es endlich diese Klärung gibt: Wer ist verantwortlich für die Arbeitsausstattung von Lehrerinnen und Lehrern in Nordrhein-Westfalen, vor allen Dingen in diesem Bereich der digitalen Endgeräte?

Das werden wir in aller Sorgfalt miteinander diskutieren, aber auch in der nötigen Konsequenz, so schnell wie möglich zu einem Ergebnis zu kommen, damit diese Klarheit im nächsten Schuljahr dann auch Raum greifen kann.

Das hat für uns als Haushaltsgesetzgeber eventuell ganz enorme Folgen. Deswegen möchte ich es einmal grundsätzlich geklärt haben. Denn dann müssten zum kommenden Haushalt auch die entsprechenden Mittel bereitgestellt sein. Daher liegt mir daran, dass wir das nicht verschieben, sondern einmal grundsätzlich diese Frage stellen und wir hoffentlich mit dieser Klärung auch zu einer Bereitschaft kommen, wenn das Land in die Verantwortung genommen werden muss, diese digitalen Endgeräte zu stellen, dass hier wirklich die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden und es gemeinsam getragen wird.

Das ist die Initiative, die ich in diesen Prozess einbringen möchte, damit wir wirklich zu einer Lösung kommen. Das ist nichts, woraus jemand Honig saugen kann, sondern wir müssen dafür sorgen, dass unsere Schulen gut ausgestattet sind und die Kolleginnen und Kollegen den Dienst bestens versehen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Seifen das Wort. Bitte schön.

Helmut Seifen (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der SPD ist wieder einmal überflüssig und lediglich fürsorgepopulistisch, wie man das von der SPD oftmals kennt.

Nun wird die neue Datenschutz-Grundverordnung zum Anlass genommen, um einen Alarm auszulösen, der vor dem Hintergrund der Schulwirklichkeit nicht gerechtfertigt ist und auch dem geneigten Leser des Antrags verdeutlicht, dass die Verfasser Schulwirklichkeit kaum kennen können, oder sie verheimlichen es.

Da sollen also alle Lehrer und Lehrerinnen, die das fordern, die das möchten, mit Dienstrechnern ausgestattet werden. Dann empört man sich, dass es auf Dauer nicht angehen könne, dass die Lehrkräfte für die Erledigung ihrer Dienstgeschäfte auf private Rechner zurückgreifen müssen. Lieber Herr Ott, seit Mitte der 80er-Jahre arbeiten Lehrkräfte mit Rechnern, und selbstverständlich haben die Lehrkräfte ihre Rechner immer selbst angeschafft und finanziert, wie sie das mit allen Materialien und Büchern machen müssen.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass eine frühere SPD-Regierung oder überhaupt eine Regierung hier in NRW sich jemals in dieser Hinsicht um die Lehrkräfte gekümmert hätte. Jetzt kommt also von den bequemen Sitzen der Opposition aus die Forderung nach Ausstattung der Lehrkräfte mit Rechnern wegen der europäischen Datenschutz-Grundverordnung.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Ein Konzept!)

– Aber die Rechner sind auch dabei, das Konzept auch. Konzept ist so ein diffuser Begriff. Da kann man immer alles reinpacken: „Konzept“.

(Zuruf von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Den anwesenden SPD-Abgeordneten sei gesagt, dass es bereits seit Langem Datenschutzbeauftragte an den Schulen gibt – es sei denn, Sie kennen Schulen, wo das nicht der Fall ist. Dann würde ich allerdings an Ihrer Stelle mal mit dem Schulleiter sprechen, dass er bereits seit Langem da etwas versäumt.

Möglicherweise – das will ich nicht in Abrede stellen – muss die Verpflichtung jetzt vielleicht erneut erfolgen. Es ist vielleicht noch einmal ein Bewusstwerdungsprozess, der in diesem Zusammenhang erfolgen kann. Aber dass das eine große Neuerung ist – ich bitte Sie wirklich.

Ich glaube, Sie halten die Schulen, die Schulleiter und die Lehrkräfte für hinterwäldlerische Leute, die unbedingt der Aufklärung durch Landtagsabgeordnete bedürfen. Das ist aber nicht der Fall. Das kann ich Ihnen versichern.

In den Schulen ist das Verwaltungsnetz bereits strikt vom pädagogischen Netz getrennt. Es gibt auch Kommunen, in denen die städtische IT-Abteilung die Betreuung der Netzwerke übernommen hat. Da wird Datensicherheit auf höchstem Niveau betrieben.

Was jedoch bleibt, ist die Problematik personenbezogener Datenverarbeitung auf privaten Rechnern im häuslichen Arbeitszimmer; das ist wohl wahr. Es gibt zwar immer noch viele Kolleginnen und Kollegen, die Bleistift und Notenbögen benutzen und nicht digital arbeiten, es gibt aber eben auch Kolleginnen und Kollegen, die das digital machen. Spätestens bei den Zeugniskonferenzen werden die Daten sowieso auf digitale Träger übertragen, damit die Noten in SchILD eingepflegt werden können.

Auch bisher mussten die Lehrkräfte strenge Sicherheitsbestimmungen einhalten und hatten ihre Rechner zu schützen. Das ist gerade bereits gesagt worden. Dies ändert sich auch dann nicht, wenn sie einen Rechner erhalten, der ihnen vom Dienstherrn gestellt würde. Denn diesen nehmen sie auch mit nach Hause, und was ist dann mit dem Schutz? Dort müssen sie ihn genauso schützen. Die Problematik bliebe doch die gleiche.

Sicherheit in höherem Maße wäre nur gewährleistet, wenn die Lehrer verpflichtet würden, ausschließlich in der Schule an Rechnern zu arbeiten, die am Verwaltungsnetzwerk angeschlossen sind.

Das wäre möglicherweise für die Kollegen möglich, die nur Ziffernnoten geben müssen. Für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die Gutachten schreiben, bedeutet es aber im Grunde genommen eine Erschwernis. Die schreiben sie natürlich am Nachmittag oder Abend zu Hause, und das ist auch so gewollt. Das heißt, es würde sich gar nichts ändern.

Auch wenn sie einen Dienstrechner erhielten, müssten sie alles tun, um die Sicherheit zu gewährleisten. Möglicherweise könnte der Schulleiter sie verpflichten, eine externe Festplatte zu benutzen, den Computer offline zu stellen und die Notenbearbeitung dann auf der externen Festplatte zu machen. Das wäre möglich. So werden auch Abiturthemen heruntergeladen, vervielfältigt und dann erst entschlüsselt.

Sehr geehrter Herr Ott, Sie haben gerade Fragen formuliert, die sich die Lehrer angeblich stellen. Ich sage Ihnen: Diese Fragen stellen sie sich schon lange nicht mehr. Sie sind bereits wesentlich weiter als Sie. Das muss ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen.

Ein Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden sollte tatsächlich stattfinden, aber einen anderen Zweck verfolgen, Herr Ott, als Sie es hier dargestellt haben.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Die Schulen einer Gemeinde durch die IT-Abteilung der Städte verwalten und betreuen zu lassen, ist eine wirklich zielführende Anregung. Dies entlastet nämlich die Schulen und die Lehrkräfte auf entscheidende Weise. Das habe ich sowohl in Münster als auch in Gronau selbst erlebt. Dort werden die Netzwerke von der Stadt betreut. Das ist eine unglaubliche Erleichterung und bewirkt übrigens auch eine Sicherheitserhöhung von unglaublichem Ausmaß.

(Horst Becker [GRÜNE]: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben?)

Wenn dann vielleicht auch einmal LOGINEO einsatzbereit ist, wird sich das Problem weiter entschärfen. Der Antrag der SPD ist also völlig substanzlos und wirklichkeitsfremd, ebenso wie die Schulpolitik der SPD in den letzten Jahren. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Seifen. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Gebauer das Wort.

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Ott, die Fragen, die Sie heute hier aufgeworfen haben und die Herr Staatssekretär Richter bereits im Ausschuss genannt hat, sind richtig. Allerdings hätte es Ihres Antrags heute nicht bedurft, weil wir bereits im Ministerium systematisch an den Lösungen zu den genannten Fragen arbeiten.

Zu diesen Lösungen zählen auch unsere Digitalkonferenzen, die wir in allen Regierungsbezirken in Nordrhein-Westfalen abhalten. Die erste Konferenz hat bereits in Düsseldorf stattgefunden. Eine der nächsten Konferenzen wird am 28. Juni im Regierungsbezirk Köln stattfinden. Ich würde mich natürlich sehr freuen, Sie als Kölner Abgeordneten auf dieser Digitalkonferenz begrüßen zu dürfen.

Frau Müller-Rech hat bereits die Genehmigungspflicht erwähnt, auf die in der Dienstanweisung Bezug genommen wird. Diese stammt aus dem Jahr 1995, und es war die SPD, die sie zum damaligen Zeitpunkt eingeführt hat. Mit dieser Genehmigungspflicht wurde den Lehrkräften die Möglichkeit angeboten, mit Genehmigung der Schulleitung ihre privaten ADV-Anlagen zur Verarbeitung von personenbezogenen Schülerdaten zu nutzen. Das heißt im Klartext, die jetzige Dienstanweisung, um die es geht, begründet weder neue rechtliche Verpflichtungen noch Verschärfungen im Datenschutz. Es ist wichtig, auch das zu erwähnen.

Für die eingangs genannte Genehmigung wird nun ein Vordruck als Hilfestellung gegeben. Abgebildet wird darin ein Datenschutzstandard wie zum Beispiel die Einrichtung eines Passwortschutzes oder der Einsatz eines aktuellen Virenscanners; Herr Braun hatte das alles schon erwähnt. Das sind, so denke ich, Maßnahmen, die jeder vornehmen können muss, der ein internetfähiges privates Gerät verwendet.

Richtig ist: Die Dienstanweisung hat zu einem Gesprächsbedarf geführt. Dazu hat es im Schulministerium am 24. April einen intensiven Austausch mit den Gewerkschaften und den Schulleitungsvereinigungen gegeben. Im Anschluss an diesen Austausch gab es dann eine Schulmail, in der klarstellende Informationen zu Entstehung, Zweck und Inhalt dieser Dienstanweisung an die Schulen gegeben wurden.

Frau Beer, natürlich freue ich mich über Paderborn. Wenn Sie dort schon in der Hinsicht unterwegs sind, kann das eine Ministerin nur erfreuen. Das heißt für uns auch – das ist richtig –, dass wir es im Kontext der dienstlichen Nutzung privater Endgeräte bei der Verarbeitung sensibler persönlicher Daten auch für richtig und notwendig erachten, eine erweiterte Ausstattung mit Dienstgeräten zur prüfen. Eine solche Option ist jedoch fachlich sorgfältig zu klären. Dazu sind auch bestehende Ausstattungsszenarien zu berücksichtigen. Das heißt, die Endgeräte für die Lehrkräfte müssen sorgfältig mit der vorhandenen Infrastruktur der jeweiligen Schulträger abgestimmt werden. Es geht um die wichtige Frage des Supports und natürlich auch um die Frage, die Sie jetzt gutachterlich klären lassen, nämlich die wichtige Frage nach der rechtlichen Zuständigkeit von Land oder Schulträger.

Die SPD fordert in diesem Zusammenhang dazu auf, schnellstmöglich in den Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden zu kommen. Dieser Aufforderung sind wir bereits in den vergangenen Wochen nachgekommen. Wir haben uns das letzte Mal am 10. April mit den kommunalen Spitzenverbänden getroffen und dort explizit auch über Endgeräte für die Lehrkräfte gesprochen. Und ja, auch diese Gespräche werden wir weiterführen.

Zum neuen Schuljahr werde ich neben den bereits in kurzer Zeit auf den Weg gebrachten, vielfältigen, systematischen Maßnahmen eine Gesamtstrategie für die digitale Bildung vorstellen. Zu einer solchen umfassenden Strategie zählt selbstverständlich auch eine Arbeitsplattform für sensible Daten.

Dazu ist bereits alles ausgeführt worden. Es waren nicht wir, die diese Verzögerung zu verantworten haben. Es mussten und müssen immer noch Fehler repariert werden. Wir konnten dieses Produkt nicht abnehmen und haben entsprechend die Notbremse gezogen. Wir arbeiten zurzeit an den technischen Nachbesserungen, aber auch an besseren Vereinbarungen mit den Projektpartnern.

Alles in allem würde ich mir wünschen, dass solche Anträge in Zukunft überflüssig sind

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

und wir viel mehr gemeinsam daran arbeiten, unsere Schulen, unsere Schülerinnen und Schüler, aber auch unsere Lehrerinnen und Lehrer bestmöglich auf das digitale Zeitalter vorzubereiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat ihre Redezeit um 48 Sekunden überzogen. Für die Fraktion der SPD hat sich noch einmal der Abgeordnete Ott gemeldet. Er hat hiermit auch das Wort. Bitte schön.

Jochen Ott (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst: Die Personalversammlungen, die Resolutionen aus dem ganzen Land schicken, sind keine SPD-Verschwörung, sondern Realität.

Zweitens. Die Dienstanweisung, sagt die Ministerin, hat Gesprächsbedarf ausgelöst – in der Tat. Und die von Herrn Braun genannte Hilfestellung hat vor allen Dingen zu Verärgerung geführt. Das muss man zunächst festhalten. Ich will, auch für die Besucher, sagen: Am Ende des Tages geht es doch nicht darum, wer schuld ist – die Schuldfrage haben wir in unserem Antrag gar nicht beschrieben –, sondern es geht um die Frage, wie wir das Problem angehen.

Ich möchte noch mal auf den Staatssekretär und die Vorredner eingehen. Wer das Licht anmacht, der muss auch davon ausgehen, dass man Sachen sieht, die man ohne Licht nicht gesehen hat. Jeder, der schon mal bis nachts auf einer Party gewesen ist, weiß: Wenn das Licht angemacht wird, sieht es anders aus als kurz vorher.

Und wenn man das Licht anmacht, dann sorgt man dafür, dass im ganzen Land die Lehrerinnen und Lehrer – auch wegen Fehlern von uns aus der Vergangenheit – immer wieder fragen: Was macht ihr denn da eigentlich? Schon wieder kommt irgendetwas, ihr gebt uns aber keine Hilfestellung! Und ob ihr wollt oder nicht: Diese Frage nach Endgeräten wird jetzt zu stellen sein, und sie wird auch gestellt, weil kein Mensch auf Dauer nachvollziehen kann, dass man bestimmte Datenschutzbestimmungen einhalten will, gleichzeitig der Arbeitgeber aber kein Gerät zur Verfügung stellt. Oder ist das doch etwas, was die Kommunen bezahlen müssen? – Die Kommunen werden vor Begeisterung klatschen. Also muss man es doch klären!

Wir haben versucht, mit dem Antrag deutlich zu machen, dass es jetzt darum geht, den Fehler, der passiert ist – nämlich eine übereilte Dienstanweisung zu schreiben, ohne die Konsequenzen zu bedenken –, zu korrigieren. Das ist nämlich das eigentliche Problem. Man hätte das vorher bedenken müssen; dann hätte man keine Unruhe erzeugt.

Aber wenn man eine solche Dienstanweisung rausschickt, dann darf man sich nicht wundern, dass anschließend Diskussionen losbrechen. Die Kolleginnen und Kollegen in diesem Land haben einen Anspruch darauf, dass die Landesregierung die Fragen beantwortet. Nicht nur G9 ist wichtig, sondern alle Kolleginnen und Kollegen haben Anspruch darauf, hierzu eine vernünftige Hilfestellung zu bekommen.

Wir wollten dazu beitragen, das gemeinsam zu machen, indem wir einen Antrag gestellt haben, der wirklich keine nicht erfüllbaren Forderungen enthält. Wir werden die Debatte im Ausschuss fortsetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ott. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Beim Blick in die Runde bleibt das auch so, sodass wir am Schluss der Aussprache angelangt sind.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2560 an den Ausschuss für Schule und Bildung – federführend –, an den Ausschuss für Digitalisierung und Innovation sowie an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Gibt es hierzu Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann stelle ich die Zustimmung des Hohen Hauses zu dieser Überweisungsempfehlung fest.

Ich rufe auf:

4   Land muss Verantwortung für Geduldete übernehmen und die Kommunen dauerhaft finanziell entlasten

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2550

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Abgeordneten Mostofizadeh das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nordrhein-Westfalen hat, wie viele andere Bundesländer, einen großen Zuzug aus Syrien, Afghanistan und vielen anderen Ländern dieser Erde erlebt.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Infolge dieser Zuwanderung haben viele Menschen, die zu uns gekommen sind, Asylanträge in Nordrhein-Westfalen gestellt. Viele dieser Asylanträge werden jetzt sukzessive abgearbeitet; die Zustimmungsquote zu diesen Anträgen liegt je nach Herkunftsland um die 50 %. Somit kann man leicht ausrechnen, dass eine ganze Menge Anträge auch abgelehnt wird.

Allerdings werden diese Personen aus unterschiedlichen guten Gründen oftmals nicht abgeschoben. Es sind oft humanitäre Gründe – die Genfer Konvention oder andere Dinge –, die dazu führen, dass diese Menschen sich zu Recht länger in Nordrhein-Westfalen aufhalten dürfen.

Allerdings stellt sich dann schon die Frage, wer die Kosten für die Unterbringung und Integration dieser Menschen übernimmt. Wir haben 2017 in unserer Regierungszeit in ganz erheblichem Maße die Kosten für die Unterbringung von geflüchteten Menschen übernommen. Mittlerweile ist es so, dass Nordrhein-Westfalen 1,7 Milliarden € – ich wiederhole: 1,7 Milliarden € – weniger für geflüchtete Menschen ausgibt als im Jahr 2016.

Die Zahl der Geduldeten wird sich in Nordrhein-Westfalen noch deutlich erhöhen. Dennoch ist diese Landesregierung der Auffassung, dass die Kosten für die Geduldeten weiterhin ausschließlich von den Kommunen übernommen werden sollten.

Wir halten das für grundfalsch. Wir meinen, dass die Landesregierung, dass das Land Nordrhein-Westfalen hier einspringen und Verantwortung für die Kosten der Geduldeten übernehmen muss, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist schon bezeichnend – Herr Kollege Stamp, ich freue mich sehr, dass der stellvertretende Ministerpräsident zu diesem Tagesordnungspunkt redet –, dass die Kollegin Scharrenbach offensichtlich an dieser Debatte kein Interesse hat. Ich kann Ihnen auch sagen, warum ich das meine: Wir haben seit Regierungsantritt von CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen eine deutliche Mehrbelastung der Kommunen zu verzeichnen – oftmals gut gemeint, aber oft eben auch schlecht gemacht.

Bei den Krankenhäusern kommt eine halbe Milliarde Euro zusätzliche Beteiligung auf die Kommunen zu.

Bei den Geduldeten, nach den Zahlen, die wir von den Städten Dortmund, Hagen und Wuppertal haben, ist davon auszugehen, dass bereits jetzt die Kommunen 600 Millionen € pro Jahr übernehmen. Das wird in sehr wenigen Monaten in den Milliardenbereich ansteigen.

Sie werden sukzessive 450 Millionen € beim Stärkungspakt einsparen. Das ist die bedeutendste Nummer, die ich hier vortragen will. Sie haben Monheim entlastet, Essen und andere Städte mehr belastet und keinen Cent aus dem Landeshaushalt gegeben, um Ihr Wahlversprechen einzuhalten.

Diese Landesregierung ist alles andere als kommunalfreundlich. Sie belasten die Kommunen zusätzlich, wo es nur geht, wo es Ihnen gerade passt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deswegen stellen wir nach der Beratung in den Ausschüssen drei Punkte zur Abstimmung, wobei wir, wenn Sie den Punkten nicht nachkommen, auch das Instrument der namentlichen Abstimmung anwenden werden, um deutlich zu machen, wo diese Landesregierung ganz bewusst und ganz entschieden gegen die Interessen der Kommunen entscheidet.

Erstens. Wir möchten sehr gerne von Ihnen wissen, wie hoch die Zahl der Geduldeten ist. Das muss doch zu ermitteln sein. Wie Christian Lindner immer sagt: Die Menschen müssen doch wissen, wie die Verwaltung reagiert; wir sind doch keine Bananenrepublik. – Wir möchten gerne diese Zahlen trennscharf von Ihnen auf den Tisch gelegt bekommen. Das ist Punkt eins.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Zweitens. Wir möchten, dass diese Landesregierung, Herr Fraktionsvorsitzender Löttgen, endlich eine Perspektive auf den Tisch legt, wie für die Finanzierung der Menschen in Nordrhein-Westfalen, die aufgrund von Gerichtsentscheidungen oder anderen Gründen zu Recht – das betone ich – hierbleiben dürfen, gesorgt wird und wie verhindert wird, dass die Kommunen nicht immer weiter in die Pleite reiten, weil diese Landesregierung nicht handeln will.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Natürlich, Herr Kollege Löttgen, ist es so, dass Sie …

(Bodo Löttgen [CDU]: Sie haben die Mittel nicht weitergeleitet!)

– Herr Kollege Löttgen, das meinen Sie jetzt nicht im Ernst. Ich habe es Ihnen eben vorgerechnet. 1,7 Milliarden € Entlastung alleine bei den Kommunen, jetzt noch einmal 750 Millionen € Mehreinnahmen bei der Steuerschätzung, und Sie wollen den Kommunen erklären, dass Sie kein Geld in der Tasche haben? Das ist doch lächerlich!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Beim dritten Punkt haben Sie uns ganz an Ihrer Seite. Sie müssen die Große Koalition natürlich auf ihre Verantwortung hinweisen. Sie sollten sich beim Bund dafür einsetzen, dass die Kosten für die Geduldeten selbstverständlich vom Bund übernommen werden.

Herr Minister Stamp, ich achte Ihre Arbeit sehr, frage mich aber – vielleicht erklären Sie das für die Kommunalministerin –, warum die Kommunalministerin nicht bereit ist, für die Kommunen einzustehen und hier heute zu erklären, warum sie der Meinung ist, dass es eine Fachfrage aus dem familienpolitischen Bereich ist und nicht eine Frage der Trennung zwischen Landesregierung und den Kommunen und des Einstehens einer Kommunalministerin für ihre Kommunen, für die sie da sein sollte. Das ist aus meiner Sicht die Aufgabe, die diese Ministerin wahrnehmen müsste, die sie aber fortwährend nicht wahrnimmt.

Dieser Antrag ist so zwingend, dass wir ihm zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mostofizadeh. – Für die Fraktion der CDU hat Herr Hoppe-Biermeyer das Wort. Bitte schön.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Um es kurz zu machen: Dieses Antrags von Bündnis 90/Die Grünen bedurfte es nicht. Wenn man den Antrag etwas genauer liest, bekommt man auch nicht den Eindruck, dass es Ihnen damit besonders ernst ist. Der Antrag ist offensichtlich mal eben schnell zwischen Tür und Angel geschrieben worden, reflexartig, ohne groß nachzudenken. Sowohl in der Form – denn dann hätte sicher noch jemand Korrektur gelesen oder das Textverarbeitungsprogramm mittels Autokorrektur hätte angewandt werden können, bevor er in Umlauf gegangen ist – als auch in der Sache ist dieser Antrag einfach nur peinlich.

(Horst Becker [GRÜNE]: Wer einen Druckfehler findet, darf ihn behalten!)

Dieser Landesregierung zu unterstellen, dass sie nicht kommunalfreundlich sei, ist schlicht falsch.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ist die Wahrheit!)

Das Gegenteil ist der Fall.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Beweise!)

– Sehr gerne, im weiteren Verlauf. – Das bestätigen die Bürgermeister, egal welcher Partei sie angehören. Die hier zuständigen Ministerien stehen im ständigen Kontakt sowohl mit den kommunalen Spitzenverbänden als auch mit den Kommunen.

(Zurufe)

Wenn es irgendwo ein Problem gibt, sind die Kommunikationswege kurz, direkt und unbürokratisch. Das war man anders gewohnt.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Das gilt sowohl für das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung von Ina Scharrenbach als auch für das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration von Dr. Joachim Stamp.

Wir wissen sehr wohl um die Verdienste der Kommunen gerade in den ersten Monaten der Flüchtlingskrise. Es waren die Mitarbeiter der Städte und Gemeinden, die in der Krise vor Ort scheinbar Unmögliches möglich gemacht haben. Es waren die Mitarbeiter der Städte und Gemeinden, die zahllose Ehrenamtliche motivierten und auch immer noch motivieren.

Ja, es war und ist auch ein finanzieller Kraftakt sowohl für die Kommunen als auch für das Land. Natürlich ist es für die Kommunen eine enorme finanzielle Belastung, wenn sie für Geduldete nach dem dritten Monat alleine aufkommen müssen. Genau darum muss man sich aber das Gesamtpaket ansehen, das wir in den ersten Monaten unserer Regierungszeit für alle Kommunen geschnürt haben. Die Städte und Gemeinden spüren bereits jetzt, nach nur einem Jahr, die positive Wirkung der neuen Regierungspolitik.

Starke Kommunen sind das Fundament für Erfolg und Zusammenhalt im ganzen Land. Die finanzielle Stärkung der Kommunen hat deshalb für uns eine hohe Priorität. Wir sind Partner der Kommunen und werden sie stärken.

Mit 11,7 Milliarden € enthält das GFG 2018 die höchste Zuweisung, die es je in NRW gegeben hat.

(Beifall von der CDU)

Das ist über 1 Milliarde € mehr als 2017. Wir haben, wie versprochen, den Kommunal-Soli gestrichen. 2018 bleiben nun knapp 91 Millionen € in den Kommunen.

(Zuruf von der SPD: Herr Kollege, wer bezahlt das denn?)

Außerdem erhält Nordrhein-Westfalen aus der zweiten Tranche des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes vom Bund mehr als 1,1 Milliarden €.

(Zuruf von der SPD: Wie war das mit der Krankenhausinvestitionsumlage?)

Für die Jahre 2016 bis 2018 stellte bzw. stellt der Bund den Ländern jährlich eine Integrationspauschale in Höhe von 2 Milliarden € zur Verfügung. Nach dem Königsteiner Schlüssel entfielen 2016 genau 434 Millionen € auf Nordrhein-Westfalen. Die Vorgängerregierung hat davon keinen einzigen Euro an die Kommunen weitergegeben.

(Beifall von der CDU)

2017 gab es das gleiche Spiel. Das Land erhielt 434 Millionen €. Nichts davon wurde weitergegeben. Die kommunale Familie hat das – genauso wie wir von der Opposition – völlig zu Recht kritisiert. Wäre Rot-Grün vor einem Jahr nicht abgewählt worden, hätte sich 2018 alles genauso wiederholt. Solidarität gegenüber den Kommunen ist Ihnen genauso fremd wie eine solide Haushaltsführung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zum Glück kam 2017 alles anders. Diese NRW-Koalition misst dem Thema Integration einen deutlich höheren Stellenwert bei. Am Wichtigsten aber ist: Diese NRW-Koalition kann mit Geld umgehen. Jeder Euro wurde zweimal umgedreht, bevor er verplant wurde.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Nein.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Keine Zwischenfrage? – Gut.

Bernhard Hoppe-Biermeyer (CDU): Herausgekommen ist für 2018 ein Haushalt mit einer schwarzen Null – der erste seit 1973. Das ist ein Haushalt, der den Spagat zwischen Solidarität und Solidität schafft. Für 2018 stehen 100 Millionen € an zusätzlichen Mitteln im Haushalt, mit denen die Kommunen jetzt Integrationsaufgaben erfüllen können. Dieser Beitrag entspricht 23 % der 434 Millionen € an Bundesmitteln – also genau dem Verbundsatz im Gemeindefinanzierungsgesetz.

(Michael Hübner [SPD]: Was haben Sie denn vorher versprochen?)

Die 100 Millionen € sind also nicht nur eine spürbare finanzielle Hilfe für die Kommunen. Die 23 % haben darüber hinaus auch einen hohen symbolischen Wert. So wie das Land die Kommunen mit 23 % am Steueraufkommen beteiligt, so beteiligen wir die Städte und Gemeinden jetzt auch mit 23 % an der Integrationspauschale des Bundes.

Die Zeiten, in denen die Lasten der Integration auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen wurden, sind endgültig vorbei, auch wenn Ihr Antrag das Gegenteil suggerieren will. Die aktuelle Erstattungsregelung bezüglich der drei Monate haben wir im Flüchtlingsaufnahmegesetz so vorgefunden. Daran sind wir jetzt erst einmal gebunden. Wie Sie wissen, ist ein Anspruch auf Vollkostenerstattung nicht vorgesehen.

Die Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, die Kommunen in NRW zu entlasten. Ich habe die direkten finanziellen Hilfen schon angesprochen.

Zu einer weiteren spürbaren Entlastung der Kommunen wird der im April beschlossene Asylstufenplan führen. Die Asylverfahren werden beschleunigt. Bei offensichtlich unbegründeten und unzulässigen Asylanträgen kann die Aufenthaltszeit für Asylsuchende in Landeseinrichtungen verlängert werden. Die Zahl der Rückführungen aus den Landeseinrichtungen soll erhöht werden.

Wir arbeiten – eng mit den Kommunen zusammen – an einer Weiterentwicklung des FlüAGs. Auf der Basis einer Istkostenerhebung in allen 396 Städten und Gemeinden schauen wir uns an, ob die 866 € ausreichen, die die Kommunen derzeit pro Monat und Flüchtling erhalten. Die Ergebnisse des Gutachtens werden in diesem Sommer vorliegen. Auf dieser Basis kann man dann das FlüAG überarbeiten.

Wir begrüßen ausdrücklich die Bemühungen der Kommunen um eine konsequente Rückführungspraxis. Die Kommunen haben es so ein Stück weit selbst in der Hand, die Zahl der Geduldeten zu verringern.

Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, zu sagen, dass Land und Kommunen mit der Tatsache klarkommen müssen, dass viele abgelehnte Asylbewerber aus Herkunftsländern kommen, in die faktisch nicht zurückgeführt werden kann.

Land und Kommunen tragen für die internationale Lage und die auswärtigen Beziehungen keine Verantwortung. Wir haben das gemeinsame Interesse, dass der Bund hier einen größeren Beitrag leistet. Hierfür setzt sich das Land auf Bundesebene ein.

Sie sehen, diese NRW-Koalition ist kommunalfreundlich. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoppe-Biermeyer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Kollege Körfges das Wort. Bitte schön.

Hans-Willi Körfges (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hoppe-Biermeyer, ich würde Sie, wenn Sie hier anderen Fraktionen vorwerfen, da sei schnell etwas zusammengeschrieben worden, darum bitten, sich einmal um die Quellen zu bemühen.

Ich habe mir zur Vorbereitung auf die heutige Debatte einmal alle Zuschriften der kommunalen Spitzenverbände zum Thema FlüAG und Erstattung für Geduldete angeguckt und finde – das ist jetzt kein Plagiatsvorwurf an die Antragsteller – wortgetreu Passagen in Ihrem Antrag wieder. Insoweit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und anderen, müssen Sie sich, was die Kommunalfreundlichkeit angeht, zumindest an der Stelle wohl ein bisschen vertan haben.

(Beifall von der SPD)

Der Wortbeitrag – er stand unter dem Motto „Schnell vorgetragen ist die halbe Wahrheit“ – war aber ohnehin ein bisschen konstruiert: Das mit der schwarzen Null muss ich noch schnell sagen. – Ich bedanke mich nach wie vor bei Norbert-Walter Borjans. Von dem haben wir die schwarze Null geerbt. Daran haben Sie selbst nichts gebastelt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Sie haben eben die Arbeit der Vorgängerregierung beschrieben und von den 866 € im Rahmen des FlüAGs gesprochen. Wir haben das in der letzten Wahlperiode gemacht. Da haben wir das FlüAG an ein paar Stellen grundsätzlich überarbeitet.

Ich erinnere mich daran – das alles können Sie nachlesen –, dass das schon damals der seinerzeitigen Opposition nicht so richtig genügt hat. Ich erinnere an die fiskalischen Zwänge, die es damals gab. Da ging es immer nach dem Motto: „Höher, schneller, weiter – darf es nicht ein bisschen mehr sein?“ Mit dem Entschließungsantrag am 14.12.2016 forderte die CDU zum Beispiel, dass eine stärkere Berücksichtigung von Ausweisepflichtigen und Geduldeten erfolgen solle.

Und heute? Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute haben wir – Herr Mostofizadeh hat darauf hingewiesen – eine etwas andere Situation. Wir haben eine verbesserte Haushaltssituation.

Die haben wir nicht zuletzt auch, weil zum Beispiel in dem Kapitel „Unterbringung“ erhebliche Minderausgaben stehen. Und wir haben – auch das war wieder ein richtiger rhetorischer Höhepunkt – natürlich die Integrationspauschale.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie uns in dem Zusammenhang etwas vorwerfen, dann möchte ich Sie an Ihre Äußerungen im Wahlkampf erinnern, wo Sie immer wieder versichert haben: Alles eins zu eins, hundert Prozent! – Versprochen, gebrochen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Horst Becker [GRÜNE]: Genau!)

Darüber hinaus folgen Sie bezogen auf das FlüAG und auf Geduldete dieser alten Spruchweisheit von Konrad Adenauer: „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an?“

Wir als SPD-Landtagsfraktion haben schon zum Nachtragshaushalt 2017 und zum Haushalt 2018 – das gehört auch zur Wahrheit – Anträge gestellt, den Zeitraum, in dem das Land für Geduldete aufkommt, von drei auf maximal sieben Monate zu verlängern. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, den Kommunen zu helfen, wenn Sie es gewollt hätten. Aber Sie haben es nicht gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen. So einfach ist das.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Jetzt schon!)

Darüber hinaus haben sich die Zahlen geändert. Wir gehen heute von deutlich mehr als 50.000 betroffenen Personen aus.

Die kommunalen Spitzenverbände haben mehrfach eindringlich auf die Situation hingewiesen und Sie spannenderweise dazu aufgefordert, sich doch bitte an Ihren alten Antrag aus 2016 zu erinnern, den ich eben zitiert habe. Und die frei werdenden Mittel – jetzt zitiere ich wörtlich – sollen nach Meinung der kommunalen Spitzenverbände

„jetzt dafür genutzt werden, die Erstattungssystematik so anzupassen, dass die Kommunen Erstattung nach FlüAG erhalten, solange Ansprüche der Flüchtlinge nach AsylbLG gegenüber den Kommunen bestehen.“

Das ist der Originaltext der kommunalen Spitzenverbände, liebe Kolleginnen und Kollegen. Da können Sie sich nicht verstecken und so tun, als gebe es das nicht. Wir wollen, dass das Land deshalb die Kommunen noch stärker bei der Finanzierung dieser Personengruppe unterstützt, weil sich das zunehmend auch als neuer Risikofaktor für die Kommunalfinanzen erweist. Da stehen wir an der Seite der Kommunen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der Antrag, über den wir heute reden, verlangt dankenswerterweise eine neue Systematik. Wir haben mit dem Haushaltsantrag versucht, in eine Systematik hineinzukommen. Wir sind von Ihrer Systematik nicht weit entfernt. Dieser Antrag hat aber noch eine Reihe von anderen Komponenten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Zum Beispiel haben wir als SPD am 16. März 2018 im Kommunalausschuss ein paar Fragen gestellt: Wie hoch ist die aktualisierte Anzahl der geduldeten Flüchtlinge in den Kommunen? Wie hoch ist aktuell der jeweilige Betrag, der den Kommunen zur Verfügung gestellt wird? Wir wollten dazu eine kommunalscharfe Ausweisung haben. Wir haben eben in einem anderen Zusammenhang über Datenverarbeitung gesprochen. Welchen Spielraum – das haben wir dann gefragt; ich habe gerade ein paar Spielräume angedeutet – sieht das Land, um den Kommunen genau an dieser Stelle zu helfen?

Man kann es sich mit Antworten leicht machen. Die Frage, wie groß die Gruppe der Geduldeten pro Kommune ausfällt, besitzt – wörtliches Zitat aus der Antwort auf unsere Anfrage vom Februar – für die Steuerung des Auszahlungsprozesses keine unmittelbare Bedeutung.

Nein, nicht für die Steuerung des Auszahlungsprozesses, aber dafür, was die Kommunen aufgrund der konkreten Anzahl der geduldeten Menschen in ihren Bereichen tatsächlich für Ansprüche formulieren könnten.

Deshalb halten wir es für nötig, dass es dazu kommunalscharfe Zahlen gibt. Ich freue mich, dass das zugesagt worden ist. Dann kann man sich mit den unterschiedlichen Situationen vor Ort auseinandersetzen.

Wir alle bewegen uns in einem nordrhein-westfälischen Gesamtzusammenhang. Auch wir halten es für richtig, den Bund hinsichtlich der Kosten stärker in die Pflicht zu nehmen.

Aber – das sage ich an dieser Stelle einmal relativ deutlich –, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können auf polemische, populistische Phrasen von einer Anti-Abschiebe-Industrie verzichten. Ich kann Ihnen das jetzt nicht ersparen: Es ist ein wesentliches Merkmal eines Rechtsstaats, dass Behördenentscheidungen von unabhängigen Gerichten überprüft werden können. Wer das infrage stellt, zeigt meiner Meinung nach nur eins: Ihm ist im Wahlkampf die Lufthoheit über bayrischen Stammtischen wichtiger als sachgerechte Lösungen für Menschen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Stamp, Sie haben durchaus meine Sympathien, wenn Sie sich kritisch mit Ankerzentren auseinandersetzen. Die Frage, ob wir solche Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen brauchen oder nicht, muss diskutiert werden. Ich glaube aber – da bin ich ganz nah bei Ihnen –, dass reine Abschiebeeinrichtungen von enormer Größe niemandem in Nordrhein-Westfalen helfen. Es ist schwierig für die Menschen, die da leben, und darüber hinaus ist es auch schwierig für die betroffenen Kommunen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christian Dahm [SPD]: So ist es!)

Wir teilen den Eindruck, dass sich im Augenblick starke Wahlkampfsprüche, um Konkurrenz am rechten Rand zu verdrängen, zumindest bei der CSU als Wesensmerkmal der Politik über geflüchtete Menschen herausstellen.

Folgendes kann in dem Zusammenhang nicht fehlen: Herr Rainer Wendt, der in NRW sattsam bekannt ist, hat im Zusammenhang mit den Ankerzentren davon gesprochen, dass er mit dem Schlimmsten rechnet und insoweit – Zitat nach der Osnabrücker Zeitung – eine festungsähnliche Einrichtung für diese Ankerzentren vorsieht.

Ich bin dafür, dass jeder seinen Job macht. Ich glaube, dass in Berlin dafür gesorgt werden muss, dass die Asylverfahren zügig, aber auch fachlich auf dem angemessen hohen Niveau entschieden werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Christian Dahm [SPD]: So ist es!)

Es muss allerdings auch zur Kenntnis genommen werden, dass entgegen aller bayrischen Wahlkampfsprüche viele Menschen, die genau zu diesem Personenkreis gehören, einen Anspruch darauf haben, sich weiterhin bei uns aufzuhalten.

Es ist meine ausdrückliche Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir gemeinsam Schulter an Schulter – egal ob an der GroKo in Berlin beteiligt oder nicht – dafür kämpfen, dass der Bund an der Stelle unseren Kommunen mehr und deutlicher Unterstützung zuteilwerden lässt. Das Thema ist zu ernst, um es abzutun. Deshalb bin ich froh, dass wir heute nicht direkt abstimmen.

Ich denke – die Landesregierung hat da ja was angekündigt –, dass wir uns sowohl im Kommunalausschuss als auch im Integrationsbereich damit auseinandersetzen müssen, was für die Kommunen und was für die betroffenen Menschen gut ist. Das ist Maßstab für sachgerechte Politik. Dafür stehen wir zur Verfügung, für billige Wahlkampfscharmützel nicht. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die Fraktion der FDP hat nun der Abgeordnete Lenzen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Stefan Lenzen (FDP): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen!

(Zurufe von den GRÜNEN)

Vielleicht will ja wenigstens der Antragsteller noch zuhören – doch, ah, gut.

Die Grünen fordern hier eine dauerhafte und umfassende Entlastung der Kommunen bei den Aufwendungen für Geduldete. Das mag zunächst als einfache Lösung erscheinen; doch wir sollten alle Aspekte der Situation einmal beleuchten. Vor allem dürfen wir nicht vergessen, dass es sich eigentlich um Menschen ohne Schutzstatus handelt, die nach dem Asylverfahren ausreisepflichtig sind und deren Abschiebung aus diversen Gründen ausgesetzt wurde.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Eine dauerhafte und umfassende Finanzierung für diese Personen wäre also ein völlig falsches Signal. Vielmehr wollen wir Rückführung erleichtern, Geduldete mit geringer Bleibeperspektive in Landeseinrichtungen unterbringen und gar nicht erst auf die Kommunen verteilen, hingegen bereits längere Zeit Geduldete mit Bleibeperspektive möglichst in einen gesicherten Aufenthaltsstatus überführen.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen!

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Über welches Thema reden Sie, Herr Kollege?)

Wenn Flüchtlinge einer Kommune zur Unterbringung zugewiesen werden, ist diese für deren Versorgung zuständig. Das Land erstattet aber über eine monatliche Pro-Kopf-Pauschale einen wesentlichen Teil der entstehenden Kosten. Die gesetzliche Grundlage hierzu finden Sie im Flüchtlingsaufnahmegesetz, dem FlüAG. Dabei werden die Pauschalen für die Dauer des Asylverfahrens gezahlt, bei einer Anerkennung erfolgt dann der Leistungswechsel ins SGB.

Für die hier angesprochene Personengruppe der Geduldeten, deren Asylverfahren negativ endete und die Deutschland nicht freiwillig verlassen oder die nicht zurückgeführt werden können, erstattet das Land die Kosten für bis zu drei Monate über den Abschluss des Asylverfahrens hinaus.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das steht schon im Antrag, Herr Kollege!)

Das ist schon länger als die Regelung des Bundes. Der beteiligt sich über die Länder nur für einen einzigen Monat an den Kosten für die Geduldeten. Die Erstattung für drei Monate beruht auf der gesetzlichen Grundlage der vorherigen rot-grünen Landesregierung. Sie hatten also selbst bis 2017 keinen Anlass gesehen, für einen längeren Zeitraum Kosten für geduldete Personen zu übernehmen. Das gehört zur Wahrheit auch dazu.

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, die NRW-Koalition hat sich eine Entlastung der Kommunen zum Ziel gesetzt. Dazu werden wir die Finanzierung – ich glaube, das hat unser Minister, Dr. Stamp, schon mehrfach im Integrationsausschuss ausgeführt – der flüchtlingsbedingten Aufwendungen der Kommunen neu regeln.

Im Jahr 2017 haben wir das ganze Jahr hinweg die tatsächlichen Kosten erhoben, auch mit entsprechender Unterstützung der Uni Leipzig. Der Minister hat schon zugesagt, dass das wissenschaftliche Gutachten in den nächsten Monaten mit den entsprechenden Ergebnissen vorliegen wird. Wenn wir die haben, dann werden wir auf dieser Grundlage schauen, wie wir über die künftige Unterstützungsleistung des Landes für die Kommunen entscheiden und das FlüAG entsprechend anpassen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Dazu hat zwar Ihre Kollegin mehrfach nachgefragt; wir haben es im Ausschuss aber immer wieder betont. Ich vermute, dass dabei auch die monatlichen Pauschalen erhöht werden.

Wir brauchen aber – das ist ganz wichtig – ein Gesamtpaket und keine isolierte Lösung nur für die Personengruppe der Geduldeten.

Darüber hinaus – das hat zwar der Kollege Hoppe-Biermeyer erwähnt, aber ich denke, man darf es ruhig noch einmal sagen – unterstützen die NRW-Koalition wie auch die jetzige schwarz-gelbe Landesregierung sehr wohl die Kommunen bei der Integrationsarbeit. So haben wir zum Beispiel bei der Finanzierung der Kommunalen Integrationszentren für eine Absicherung bis 2022 gesorgt.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Oooh!)

– Ich weiß, das wollen Sie wahrscheinlich nicht hören. Aber als Schaltstellen für die Integration vor Ort haben wir sie abgesichert. Genauso – das haben wir schon von unserem Kollegen von der CDU gehört – haben wir auch die zusätzlichen Spielräume bei der Haushaltsaufstellung genutzt, um 100 Millionen € aus der Integrationspauschaule an die Kommunen für entsprechende Maßnahmen für die Integration von Asylsuchenden, anerkannten Schutzberechtigten und Geduldeten auszuzahlen.

Minister Stamp hat vor kurzer Zeit klar zum Ausdruck gebracht, mit welchem Stufenplan die Landesregierung die Kommunen gerade hinsichtlich der Verteilung und Unterbringung von Flüchtlingen weiter entlasten möchte. So – das haben gerade die Grünen vehement kritisiert – werden wir die Aufenthaltszeiten in Landeseinrichtungen für Asylsuchende mit geringer Bleibeperspektive verlängern und diese Menschen eben nicht auf die Kommunen verteilen. Das haben Sie doch vonseiten der Grünen heftigst kritisiert. Aber es gehört mit dazu, zu erwähnen, dass das auch eine ganz klare Maßnahme ist, um die Kommunen zu entlasten.

Wir werden auch die Rückführungen direkt aus den Landeseinrichtungen intensivieren. Damit werden wir die Zahl der Geduldeten ohne Perspektive deutlich reduzieren, die von den Kommunen dann nicht mehr versorgt werden müssen.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine Verlängerung der Finanzierung für Geduldete könnte allerdings auch zu Fehlanreizen führen, zum Beispiel, wenn es darum geht: Wie intensiv möchte ich Rückführung betreiben? Aber auch wir sehen den Bund in der Verantwortung für die Beseitigung von Rückführungshindernissen, die nicht in der Person des abgelehnten Asylbewerbers liegen. Ein großer Teil der geduldeten Menschen kommt aus Herkunftsländern, in die faktisch nicht zurückgeführt werden kann. Hier sollte sich der Bund länger als nur einen Monat an den Kosten beteiligen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ja!)

Wir brauchen auch endlich eine Regelung für diejenigen Menschen, die schon lange mit einer Duldung hier leben und sich gut integriert haben. Deshalb kann ich unsere Forderung nur wieder erneuern – unser Minister Dr. Stamp sagt es zu Recht immer wieder –, dass wir ein Einwanderungsgesetz fordern, in dem klar unterschieden wird zwischen Asyl, Flüchtlingsschutz, dem vorübergehenden humanitären Schutz sowie einer qualifizierten Einwanderung von Fachkräften, das aber auch Geflüchteten den Spurwechsel ermöglicht. Wer über eine Arbeitsstelle verfügt oder sich selbstständig gemacht hat, dem wollen wir einen gesicherten Aufenthaltsstatus mit einer langfristigen Perspektive bieten.

Mit dieser klar strukturierten Politik werden wir am Ende auch die Kommunen bei den Aufwendungen für Geduldete entlasten. Ihre einfache Lösung, hier einfach nur länger Geld zu zahlen, ist hingegen der falsche Weg. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Für die Fraktion der AfD hat Frau Walger-Demolsky das Wort. Bitte schön.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion zugrunde legt, hat man sogar neuere Zahlen als die dem Antrag der Grünen zugrunde liegenden.

Demnach lebten am 31.12. nicht mehr 52.365, sondern nur noch 52.071 Geduldete in Nordrhein-Westfalen. Hätten wir nun auch noch Zahlen aus 2018, könnte man vielleicht sogar eine Tendenz erkennen.

0,5 % weniger ist natürlich kein bemerkenswerter Rückgang. 67 % der Geduldeten sind bislang zwischen einem und drei Jahren in Deutschland, aber über 10 % sind schon über zehn Jahre in Deutschland. Das wird ein Problem werden.

Worauf Sie in Ihrem Antrag natürlich nicht hinweisen, ist, dass es sich dabei aktuell um einen Anteil von 31 % aller im Bundesgebiet lebenden Geduldeten handelt. Hätte also NRW in der Vergangenheit ähnliche Anstrengungen bei der Rückführung unternommen wie andere Bundesländer, lebten nach dem Königsteiner Schlüssel wahrscheinlich so um die 32.000 Geduldete in NRW und nicht 52.000.

Bei diesen Versäumnissen insbesondere der alten Landesregierung, aber natürlich auch vieler kommunaler Behörden jetzt nach Umfinanzierung zu rufen, ist billig, meine Damen und Herren.

(Beifall von der AfD)

Das Konnexitätsprinzip besagt, dass Aufgaben- und Finanzverantwortung jeweils zusammengehören. Dass also die Kosten ab dem dritten Monat zu 100 % alleine von den Kommunen getragen werden, ist durchaus falsch. Denn die Frage muss doch zunächst einmal lauten: Wer ist jeweils verantwortlich?

Auch hier hilft ein Blick in die Antwort auf die Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion. Die Zahlen für Nordrhein-Westfalen: Für 1.239 Menschen gibt es einen Abschiebestopp, den die Bundesregierung erlassen hat. 17.270 haben keine Reisedokumente.

Auch hier kann man also eindeutig von einem Verschulden der Bundesregierung ausgehen, meine Damen und Herren, denn ohne die immer noch gültige mündliche Anordnung, von einer Einreiseverweigerung für Menschen ohne Ausweisdokumente abzusehen, sowie den Verzicht auf regelmäßige Grenzkontrollen wären diese Menschen gar nicht erst illegal eingereist.

(Beifall von der AfD)

Die weitaus größere Gruppe sind aber die Geduldeten ohne nähere Angaben und aus sonstigen Gründen Geduldete sowie deren Angehörige. Das waren am 31. Dezember 2017 in NRW immerhin fast 30.000 Menschen.

An den Entscheidungen, die auch nicht näher erklärt sind, sind die unterschiedlichsten Behörden beteiligt, insbesondere natürlich die Ausländerbehörden der Kommunen, die Abschiebungen nur ungern in Betracht ziehen, unter anderem, weil Druck aus Verbänden, Kirchen und Parteien kommt.

(Beifall von der AfD)

Dennoch entlässt sie das nicht aus ihrer Verantwortung.

Wir unterstützen ausdrücklich die erste Forderung nach regelmäßiger Information, würden uns aber noch sehr viel mehr regelmäßige Informationen wünschen, zum Beispiel zu folgenden Fragen: Wie lange ist die Aufenthaltsdauer bislang? Aus welchen Ländern kommen die Geduldeten? In welchen Kommunen leben wie viele geduldete Menschen?

Die Punkte 2 und 3 sehen wir sehr viel differenzierter als die Antragsteller, die ja vor allem über das bisherige Versagen bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber, also ausreisepflichtiger Ausländer, die noch zu einem großen Teil auf Kosten der Haushalte leben, hinwegtäuschen wollen.

Und, Herr Körfges: Weiter so mit dem SPD-Projekt „Kleiner 10 %“. – Glück auf!

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Das war Frau Abgeordnete Walger-Demolsky. – Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Stamp das Wort.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, was der Kollege Körfges eben angesprochen hat: dass wir uns grundsätzlich darüber unterhalten müssen, wie wir mit der Frage von Geduldeten im Bund insgesamt umgehen.

Ich glaube, dass es nach dem, was 2015/2016 gewesen ist, was wir erlebt haben an Menschen, die zu uns gekommen sind, heute die große Herausforderung gibt, wie wir mit denen umgehen, die im Land sind, und dass wir vor allem nach wie vor keine wirklich strukturierte Einwanderung nach Deutschland haben, weder bei denjenigen, die aus Gründen der Arbeit kommen wollen, noch bei denjenigen, die aus Gründen der Verfolgung kommen.

Deswegen kann ich nur wiederholen: Ich fordere vom Bundesinnenminister endlich einen Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen, bei dem die Dinge, die eigentlich klar sind, zu denen es Verabredungen im Vertrag der Großen Koalition gegeben hat, die auch klar waren bei den Jamaika-Verhandlungen und zu denen es im Grunde genommen einen Konsens von CSU bis zu Grünen, Freien Demokraten und Sozialdemokraten gibt, endlich auf die Schiene gebracht werden, statt mit immer neuen Parolen den bayerischen Landtagswahlkampf anzuheizen. Das ist hochgradig unseriös. Wir wollen handeln und nicht dummes Gequatsche.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich bin der Opposition aber auch dankbar dafür, dass sie heute diesen Antrag gestellt hat, denn es geht natürlich auch um die Verantwortung des Landes. Ich bin Ihnen insofern dankbar, als Sie uns noch einmal die Gelegenheit geben, klarzustellen, wie viel besser die Kommunen durch die NRW-Koalition finanziell ausgestattet werden als unter der abgewählten Landesregierung von Rot-Grün.

Eine Milliarde mehr bekommen sie alleine über das Gemeindefinanzierungsgesetz. Dann haben wir den Kommunal-Soli abgeschafft. In meinem Haus wurden die Kommunen beim Unterhaltsvorschuss und mittelbar auch durch das Kita-Rettungspaket entlastet. Wir haben die Finanzierung der Kommunalen Integrationszentren verstetigt und das Ehrenamtsprogramm KOMM-AN gesichert. Das alles war bei Ihnen nicht vorgesehen. Wir werden außerdem erstmals 100 Millionen € aus der Integrationspauschale des Landes an die Kommunen ausschütten für selbstinitiierte Integrationsmaßnahmen vor Ort. Auch das war unter Rot-Grün nicht vorgesehen.

Die Kommunen sind also heute wahrlich besser aufgestellt als unter der alten, von Ihnen getragenen Landesregierung, Herr Mostofizadeh.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Der Abgeordnete Dahm von der Fraktion …

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Nein, ich würde jetzt gerne weiter ausführen.

Ich darf daran erinnern, dass auch die derzeitige Rechtslage beim FlüAG, die Sie beklagen, aus Ihrer Feder stammt. Sie waren diejenigen, die – wie Sie heute meinen – zu wenig Geld vorgesehen haben. Insofern zeigt der Finger, den Sie auf uns richten, mit vier Fingern auf Sie zurück. Sie kritisieren ein Gesetz, das Sie selber zu verantworten haben.

Die Nordrhein-Westfalen-Koalition dagegen hat sich im Koalitionsvertrag klar dazu bekannt, die Kommunen zu entlasten. Das setzen wir jetzt um. Wir werden die Kommunen entlasten, indem wir die Rückführung verbessern und im rechtlich möglichen Rahmen nur anerkannte Flüchtlinge bzw. solche, die auf längere Zeit im Land bleiben, auf die Kommunen verteilen.

Dafür haben wir einen Stufenplan beschlossen, der unter anderem vorsieht: die Einführung und den sukzessiven Ausbau beschleunigter Asylverfahren direkt aus den Landeseinrichtungen, die Rücküberstellung von Asylsuchenden im Dublin-Verfahren aus den Landeseinrichtungen in einzelne Mitgliedsstaaten der EU, die Verlängerung der Aufenthaltszeiten für Asylsuchende mit ungeklärter Bleibeperspektive oder mit offensichtlich unbegründeten bzw. unzulässigen Asylanträgen und den Aufbau weiterer Kapazitäten Zentraler Ausländerbehörden in allen Regierungsbezirken.

Ich möchte ganz deutlich an die Adresse von Sozialdemokraten und Grünen gerichtet sagen: In Münster sind es Ihre Fraktionen gewesen, die die Schaffung einer Zentralen Ausländerbehörde in Münster verhindert haben. Das ist unverantwortlich. Sie können sich nicht auf der einen Seite hinstellen und sagen, es gibt zu viele Geduldete, die nicht zurückgeführt werden, und es auf der anderen Seite torpedieren, wenn wir die Kommunen vor Ort unterstützen wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist lächerlich!)

Das ist nicht in Ordnung. Das ist eine Bigotterie, die wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, …

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Zudem haben wir auch den Ausbau der Rücküberstellungen und Rückführungen aus den Landeseinrichtungen in unserem Stufenplan vorgesehen. Wir erwarten, dass mit diesen Maßnahmen bereits eine deutliche zusätzliche Entlastung der Kommunen stattfindet.

Das derzeitige Flüchtlingsaufnahmegesetz zur Finanzierung der flüchtlingsbedingten Aufwendungen der Kommunen werden wir in der zweiten Jahreshälfte neu regeln und es im Parlament gemeinsam miteinander besprechen. Ich darf aber daran erinnern, dass Sie es geplant und mit den kommunalen Spitzenverbänden vereinbart haben.

Im Rahmen der Kontinuität der Regierungsführung werden wir die Vereinbarung, die Sie eingegangen sind, einhalten. Sie haben mit den kommunalen Spitzenverbänden vereinbart, dass eine Weiterentwicklung des FlüAG nach Überprüfung der Auskömmlichkeit der Flüchtlingspauschale erfolgen soll.

Die Ergebnisse der Istkostenrechnung werden in der zweiten Jahreshälfte 2018 vorliegen. Wir werden dann die Finanzierung der Kommunen für ihnen zugewiesene Flüchtlinge neu regeln. Dann wird auch über Grund und Höhe der künftigen Unterstützungsleistungen des Landes für die Kommunen zu entscheiden sein. Ich sage Ihnen: Wir werden eine faire Lösung finden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Der Kollege Klocke hatte sich zu einer Zwischenfrage gemeldet. Ich habe aber Herrn Minister Dr. Stamp so verstanden, dass er insgesamt im Zusammenhang vortragen will.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Vor fünf Minuten!)

Ich frage Sie, Herr Minister, ob Sie dem Kollegen Klocke noch eine Zwischenfrage erlauben. – Das ist der Fall. Dann haben Sie, Herr Kollege Klocke, selbstverständlich dazu die Gelegenheit.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Frau Präsidentin, ich dachte, wir sind im Block II, wo es die Möglichkeit gibt zu erwidern. Deswegen wollte ich zunächst im Zusammenhang ausführen. Wenn Herrn Klocke das aber so wichtig ist, dann wollen wir dem nicht im Wege stehen.

Arndt Klocke (GRÜNE): Danke, Frau Präsidentin. Herr Minister, Sie haben danach weiter ausgeführt. Mich irritierte der von Ihnen hergestellte Zusammenhang – das wäre auch meine Frage an Sie – zwischen der hier geführten Debatte und der Diskussion in Münster um die Einrichtung eines sogenannten Ankerzentrums, also einer Zentralen Ausländerbehörde. Ich erkenne keinen Sachzusammenhang zwischen den beiden Tatsachen. Mich interessiert, warum Sie das in einen kausalen Zusammenhang stellen.

Und, lieber Kollege Höne, welche Zwischenfragen ich stelle, kann gerne die Präsidentin beurteilen und tadeln, aber nicht der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Klocke, Ihre Fragen an Herrn Minister sind im Rahmen der Zwischenfrage selbstverständlich von der Geschäftsordnung gedeckt. Die zweite Bemerkung – aber das wissen Sie selbst auch – ging darüber hinaus. – Herr Minister, bitte.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Herr Kollege Klocke, Sie wissen, dass ich Sie eigentlich sehr schätze. Aber das war gerade ein fachpolitischer Offenbarungseid. Wenn Sie sagen, eine Zentrale Ausländerbehörde sei ein Ankerzentrum, dann haben Sie nun wirklich etwas völlig falsch verstanden. Ich kann Ihnen das gerne im persönlichen Gespräch noch einmal erläutern:

Es ging um die Zentrale Ausländerbehörde in Münster, die dazu da ist, die kommunalen Ausländerbehörden bei ausländerrechtlichen Fragen sowie bei freiwilligen Ausreisen und Rückführungen zu unterstützen. Die Ansiedlung in Münster ist von Sozialdemokraten und Grünen torpediert worden.

Die Diskussion über die zentrale Unterkunft ist eine völlig andere Diskussion.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das ist eine andere Frage!)

Da haben Sie etwas durcheinandergeworfen. Das kann aber im Eifer des Gefechtes immer mal passieren. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Herr Blondin erhält das Wort für die CDU-Fraktion.

Marc Blondin (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Mitglied im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen und Mitglied des Integrationsausschusses bin ich über den vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen doch verwundert. Sowohl im Bericht des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration vom 11. Dezember als auch in der Sitzung des Ausschusses für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen Ende Februar ist deutlich erkennbar geworden, welche Position die Landesregierung und die NRW-Koalition aus CDU und FDP bei diesem Thema einnehmen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Deshalb haben wir den Antrag auch gestellt!)

Der Bericht der Landesregierung, Drucksache 17/437, zeigt, dass sich diese der im vorliegenden Antrag zugrunde gelegten Problematik bewusst ist. Gerne fasse ich den Bericht des MKFFI noch einmal zusammen.

Erstens. Die Landesregierung setzt sich für die Fortführung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Integration ein und wird den auf Nordrhein-Westfalen entfallenden Anteil an die Kommunen weiterleiten.

Zweitens. Das Ziel, den Kommunen bei der Aufnahme, der Unterbringung, der Integration und der Versorgung von Asylsuchenden zur Seite zu stehen, bleibt nach wie vor Anspruch dieser schwarz-gelben Landesregierung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Drittens. Die Landesregierung plant, die FlüAG-Pauschale zu überarbeiten, sobald die Überprüfung der Angemessenheit der aktuellen Pauschale durch die Universität Leipzig abgeschlossen ist.

Dies alles wurde bereits zu Beginn dieses Jahres mitgeteilt. Heute, gut fünf Monate später, reden wir über einen Antrag, der im Kern das aufgreift, was die Landesregierung schon längst angekündigt hat: die Entlastung der Kommunen bei den Kosten für geduldete Flüchtlinge und die Verhandlungen über eine Kostenübernahme durch den Bund.

Aus Perspektive der CDU-Landtagsfraktion muss ich daher feststellen, dass sich der Antrag der Grünen einer sachdienlichen Notwendigkeit entzieht. Dennoch freue ich mich darüber, dass Sie als ehemalige Regierungspartei, nachdem die Städte und Gemeinden bei der finanziellen Unterstützung durch die ehemalige rot-grüne Landesregierung massiv im Regen stehen gelassen wurden, die Notwendigkeit einsehen, die fast 400 Kommunen in NRW bei der Integrationsarbeit effektiv zu unterstützen.

Das sah im Jahr 2016 noch ganz anders aus; denn unter der rot-grünen Landesregierung ist von der Integrationspauschale des Bundes bei den Kommunen nicht viel bzw. gar nichts angekommen.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Lassen Sie sich daher eines sagen: Was Ihre Partei versprochen, aber nie eingehalten hat, nämlich für eine angemessene finanzielle Unterstützung der Kommunen bei der Integrationsarbeit durch die Landesregierung zu sorgen, hält die NRW-Koalition nun ein.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir schaffen die Grundlage dafür, dass Integration funktionieren kann und die Kommunen dabei nicht überfordert werden. Der Antrag, über den wir nun sprechen, ist für mich daher lediglich der Versuch, die engagierte und erfolgreiche Integrationspolitik von CDU und FDP zu kaschieren und sich auf die eigene Fahne zu schreiben.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Düker?

Marc Blondin (CDU): Ja, bitte.

Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte schön, Frau Düker.

Monika Düker (GRÜNE): Herr Kollege, danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Stichwort „Äpfel und Birnen“ – Ihnen ist schon klar, dass wir hier über zwei verschiedene Sachen reden? Die Integrationspauschale des Bundes, die für die Integrationskosten gedacht ist, betonen Sie die ganze Zeit.

Uns aber geht es um die Flüchtlingspauschale, die damals in den Verhandlungen mit dem Bund erreicht wurde. Danach wird das, was vom Bund kommt – von der Vorgängerregierung so gehandhabt, von Ihnen dankenswerterweise auch –, eins zu eins an die Kommunen weitergegeben. Wir reden hier über das Flüchtlingsaufnahmegesetz, und darin geht es um eine Flüchtlingspauschale.

Die Frage ist, ob Ihnen der Unterschied zwischen den beiden Instrumenten bekannt ist und ob Ihnen auch bekannt ist, dass die CDU in der Opposition vehement gefordert hat, dass die Flüchtlingspauschale weit über die drei Monate hinaus für die Geduldeten vom Land finanziert werden müsse? Ist Ihnen dieser Sachverhalt bekannt?

Marc Blondin (CDU): Dieser Sachverhalt ist mir durchaus bekannt, Frau Kollegin.

(Monika Düker [GRÜNE]: Dann würde ich mich freuen, wenn Sie das entsprechend trennen!)

Ich werde im Folgenden noch auf den Aspekt eingehen, den Sie gerade angesprochen haben.

Statt neue Lösungskonzepte und Ideen zu entwickeln und anzubieten – jetzt bin ich wieder im Kontext –, werden die angekündigten Pläne der Landesregierung in Anträge umgeschrieben und Forderungen formuliert, an deren Umsetzung bereits gearbeitet wird.

Das Wort „Opposition“ stammt bekanntlich vom lateinischen „opponere“ und bedeutet so viel wie „sich entgegenstellen“. Dieser Antrag stellt jedoch nichts entgegen; er enthält lediglich einen einzigen Lösungsansatz: Das Land NRW muss sich beim Bund für die Übernahme der Kosten einsetzen. – Danke für den Hinweis, den wir nicht gebraucht hätten, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Völlig klar ist, dass geprüft werden muss, ob die Zuweisungen an Kommunen für geduldete Flüchtlinge in der bisherigen Form adäquat sind. Um jedoch präzise und effektive Maßnahmen in Angriff zu nehmen und die Pauschale für geduldete Flüchtlinge anzupassen, müssen wir auf die Ergebnisse der Untersuchung der Uni Leipzig warten. Anschließend können wir die richtigen Schlüsse aus dieser Untersuchung ziehen.

Für die NRW-Koalition gilt in dieser Angelegenheit: Sorgfalt und Gründlichkeit gehen vor Schnellschüssen und Leichtsinn. Finanzielle Unterstützungen allein sind dabei nur eine Stellschraube, an der wir ansetzen müssen, um eine funktionierende Integrationsarbeit zu leisten und die Kommunen zugleich zu entlasten.

Mit mehr als 50.000 geduldeten Asylbewerbern in NRW ist aktuell ein historischer Höchststand erreicht. Dass Personen, die aus religiösen oder politischen Gründen aus ihrem Heimatland flüchten mussten und müssen, weiterhin Schutz bei uns in NRW finden, steht völlig außer Frage. Asylbewerber jedoch, die nicht schutzberechtigt sind, müssen unser Land schnellstmöglich wieder verlassen.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Die Zentrale Aufnahmeeinrichtung in Bochum sowie die übrigen Erstaufnahmeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen tragen genau dazu bei. Sie ermöglichen eine zügige Ausreise, ohne die Geflüchteten zunächst auf die Kommunen unseres Landes zu verteilen. Diese können sich dann auf die eigentliche Integrationsarbeit fokussieren. Anders als im Antrag der Grünen beschrieben, wird dies dazu führen, dass den Kommunen weniger Flüchtlinge zugewiesen werden.

Warten wir also die wissenschaftliche Untersuchung sowie deren Auswertung ab. Im Anschluss werden wir anhand dieser Informationen Überarbeitungsmöglichkeiten des Flüchtlingsaufnahmegesetzes erörtern und umsetzen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Amen!)

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen in den zuständigen Ausschüssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Blondin. – Für die SPD spricht nun Herr Kollege Yetim.

Ibrahim Yetim (SPD): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst mit einer Mär aufräumen, die immer wieder durch den Plenarsaal geistert. Vonseiten der Mitte-rechts-Koalition wird immer so getan, als würde sie mit dem Füllhorn durchs Land ziehen, seitdem sie regiert.

Dem ist überhaupt nicht so. Das Geld, das jetzt zur Verfügung steht, stammt aus größeren Steuereinnahmen. Die Politik der rot-grünen Landesregierung hat dafür gesorgt, dass mehr Geld ins Land kommt, und nicht Ihre, um das mal ganz deutlich zu machen!

(Lachen von der CDU)

Dafür haben Sie gar nichts getan. Die Steuereinnahmen haben nicht Sie generiert. Das ist Ihnen sicher auch selber klar, und wenn Sie ehrlich wären, würden Sie das auch zugeben.

Ich möchte gerne auf einige meiner Vorredner eingehen. Der Kollege Lenzen spricht davon, es sei fatal, die Geduldeten zu finanzieren.

Nein, Herr Lenzen, da haben Sie das Problem nicht erkannt. Wir finanzieren nicht Geduldete, sondern wir finanzieren die Kommunen. Wir helfen den Kommunen dabei, die ihnen übertragene Aufgabe wahrzunehmen, nämlich den Geduldeten, die wir in die Kommunen abgeben, die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie benötigen. Darum geht es dabei. Die Kommunen brauchen jetzt Hilfe, Herr Lenzen, wenn ich das so deutlich sagen darf, und nicht erst irgendwann, wenn Sie mal so weit sind.

Herr Minister Stamp hat einen Stufenplan auf den Weg gebracht. Ich bin gespannt, wann der kommt. Wir warten auch schon seit einem Jahr auf ein Integrationskonzept – so, wie wir auch auf alles andere warten, was Sie angekündigt haben und was immer noch nicht da ist.

So lange können die Kommunen aber nicht waren. Sie brauchen jetzt die Unterstützung. Wenn der Präsident des Städtetags, Pit Clausen, das sehr deutlich macht und Sie, die Mitte-rechts-Koalition, noch mal daran erinnert, dass die Kommunen eine angemessene Finanzierung der gesamten Flüchtlingskosten brauchen, dann kommt das nicht von irgendwoher, sondern aus den Kommunen, aus der Praxis. Herr Minister Stamp hat das an der Stelle auch sehr deutlich gemacht und gesagt, er nimmt die Sorgen der Kommunen ernst.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Dann erwarte ich auch, dass Sie diese Sorgen ernst nehmen und veranlassen, dass die Kommunen eine angemessene Ausstattung bekommen, damit sie an der Stelle ihren Aufgaben gerecht werden können. – Und das tun Sie nicht. Sie vertrösten und sagen immer wieder: irgendwann, wenn mal alles steht. Das hat Kollege Blondin von der CDU gerade auch gesagt.

Sie haben eben wiederholt, Sie hätten die Kommunalen Integrationszentren finanziert. Sie tun dabei so, als wenn wir als rot-grüne Landesregierung vorgehabt hätten, diese Kommunalen Integrationszentren abzuschaffen. Minister Stamp tut so, als hätten wir das Programm „KOMM-AN NRW“ einstampfen wollen. Das stimmt überhaupt nicht. Dort werden die Projekte finanziert, die Rot-Grün auf den Weg gebracht hat. Dafür bin ich Ihnen dankbar; das ist auch gut so. Aber das zeigt mal wieder, dass Sie an der Stelle keine eigenen Ideen haben.

Kollege Blondin spricht davon, dass diese Mitte-rechts-Koalition Versprechen einhält.

(Daniel Sieveke [CDU]: Das hat er nicht gesagt! „NRW-Koalition“ hat er gesagt!)

Nicht ein einziges Versprechen haben Sie eingehalten. Sie haben getönt, dass Sie die Integrationspauschale eins zu eins weiterleiten wollen. Das haben Sie im Wahlkampf getan; das haben Sie auch vorher getan; hier als Opposition haben Sie das immer wieder getan. Die Landesregierung, Rot-Grün, Hannelore Kraft hätte klebrige Finger, so Ihr Vorwurf damals.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sie haben Sekundenkleber an den Händen. So schnell, wie Sie die Integrationspauschale einkassiert haben, das habe ich noch nie erlebt. Das zeigt sehr deutlich, wie Sie an der Stelle Politik machen – sehr unseriös. Das will ich ganz deutlich sagen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben die Mittel, um die Kommunen zu unterstützen – auch aufgrund der erfolgreichen rot-grünen Landesregierung. Sie haben sprudelnde Steuereinnahmen, und Sie haben die Integrationspauschale in Höhe von 434 Millionen. Davon haben Sie den Kommunen nur 100 Millionen gegeben. Die anderen 334 Millionen können sie doch sofort freimachen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Was haben Sie den Kommunen gegeben? Null haben Sie ihnen gegeben!)

Tun Sie das! Helfen Sie den Kommunen! Tun Sie nicht so, als wenn Sie irgendwann mal etwas auf den Weg bringen würden! Das werden Sie nicht tun. Tun Sie es jetzt! Denn die Kommunen brauchen jetzt die Hilfe. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Christian Dahm [SPD]: Von null auf 100 Millionen ist nicht 100 %!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Yetim. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der stellvertretende Ministerpräsident hat vorhin erklärt – das müssen wir sportlich so zur Kenntnis nehmen –, dass wir vielleicht nicht alles verstanden haben. Aber das Problem ist ja: Die kommunalen Spitzenverbände sagen exakt eins zu eins das, was wir in dem Antrag aufgeschrieben haben. Vielleicht nutzen Sie mal die Kontakte, um denen das zu erklären. Die verstehen nämlich auch nichts von dem, was Sie in diesem Landtag predigen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Erstens. Sie haben bei dieser Landtagswahl offensichtlich mit hohlen Versprechungen Stimmen geholt. Sie haben versprochen, die Integrationspauschale eins zu eins weiterzuleiten.

(Beifall von den GRÜNEN – Horst Becker [GRÜNE]: So ist das!)

Sie haben erst auf Druck der Opposition 100 Millionen von 434 Millionen weitergeleitet. Das ist die Wahrheit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zweitens. Herr stellvertretender Ministerpräsident, wenn Sie doch hier einen so tollen Stufenplan auflegen, mit Abschiebungen usw., dann haben Sie doch kein Finanzrisiko, wenn das alles so super klappt. Dann können Sie doch den Kommunen heute sagen: Wir geben den Kommunen das, was zur Entlastung nötig ist, und wir machen unsere Hausaufgaben.

Andererseits: Sie haben doch gar kein Vertrauen in Ihre eigene Arbeit.

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

Sonst müssten Sie sich doch nicht wehren, dass dieser Antrag hier durchkommt. Und – das muss ich an der Stelle mal richtig klarrücken – Sie haben 1,7 Milliarden € Minderausgaben bei der Unterbringung von Geflüchteten

(Christian Dahm [SPD]: So ist das!)

und 3 Milliarden € Steuermehreinnahmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer dann noch sagt: „100 Millionen an die Kommunen sind eine Meisterleistung“, der macht sich doch lächerlich. Dazu brauche ich gar nichts weiter zu sagen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Zu einer weiteren Nebelkerze, die Sie hier werfen, und die ich fast schon unverschämt finde: Sie erzählen immer, Sie würden die Kommunen, Monheim zum Beispiel, vom Kommunal-Soli entlasten. – Nicht einen Cent gibt Finanzminister Lienenkämper in den Landeshaushalt, um diese Entlastung möglich zu machen, sondern Hagen, Essen und andere arme Städte haben bereits Geld eingezahlt und entlasten jetzt Monheim. Das stellt doch gute Politik auf den Kopf, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Eines, Herr Kollege Hoppe-Biermeyer, möchte ich Ihnen auch noch mal ins Stammbuch schreiben. Sie haben allen Ernstes neben vielen anderen aus meiner Sicht unvernünftigen Dingen ausgeführt, dass die Kommunen letztlich an ihrer Misere selber schuld seien, weil sie nicht genug abschieben.

Ich kann Ihnen nur sagen: Ich finde das fast schon infam. Die Kommunen machen ihre Arbeit, und sie entscheiden aufgrund von Gesetzen und richterlichen Urteilen. Wenn Sie den Eindruck haben, dass das nicht so ist, haben Sie sowohl das Innenministerium als auch die Kommunalaufsicht und andere Instrumente, um dort einzugreifen. Machen Sie da Ihre Hausaufgaben!

Aber mit den heutigen Nebelkerzenwerfereien machen Sie nur eines deutlich: Sie wollen die Kommunen nicht entlasten. Deswegen ist es so wichtig, dass der Antrag durchkommt. Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von der CDU: Nein!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Als Nächster redet für die FDP-Fraktion Herr Lenzen. Dann haben Sie das Wort, Herr Strotebeck. Wir arbeiten nach dem Prinzip „Rede – Gegenrede“.

(Zuruf von Minister Dr. Joachim Stamp)

– Oh, das nehmen wir zur Kenntnis. Gern.

(Weiterer Zuruf von Minister Dr. Joachim Stamp)

– Zum Abschluss, wie wir das hier auch sonst halten. Danke schön, Herr Minister, klar, das nehmen wir schon auf. – Herr Lenzen, Sie haben das Wort.

Stefan Lenzen (FDP): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob Kollege Yetim gerade anderweitig beschäftigt war oder vielleicht nicht ganz zugehört hatte. Ich habe extra noch mal in mein Manuskript geschaut, weil Sie behauptet haben, ich hätte gesagt, es wäre fatal, die Finanzierung der Geduldeten entsprechend länger zu ziehen.

Meine Äußerungen waren doch ganz klar: dass nämlich die dauerhafte, umfassende Finanzierung allein für diese Personen ein völlig falsches Signal wäre und auch zu Fehlanreizen führen könnte. Da war nicht von „fatal“ die Rede.

Genauso zum zweiten Punkt: Was haben Sie denn beim Thema „KOMM-AN NRW“ und bei den Kommunalen Integrationszentren für ein Signal abgegeben? – Sie sagen einfach, Sie wollten sie nicht einstellen, Sie hätten das schon gemacht. – Wenn Sie es so hätten machen wollen, hätten Sie doch in der mittelfristigen Finanzplanung das entsprechende Geld hinterlegen können.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Da war doch nichts hinterlegt. Sie haben gar keine Mittel hinterlegt.

(Zurufe von den GRÜNEN)

– Natürlich, wir haben doch mit der Staatssekretärin und dem Minister die Kommunalen Integrationszentren landauf, landab besucht. Da haben sich die Menschen doch gesorgt und nachgefragt: Wird das Ganze eingestellt? – Sie haben doch dafür nicht gesorgt.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Körfges?

Stefan Lenzen (FDP): Nein.

In Richtung der Kollegen von den Grünen: Das ist natürlich wieder eine bezeichnende Doppelmoral, wenn man kritisiert, dass wir in unserem Stufenplan die Menschen ohne Bleibeperspektive länger in den Landeseinrichtungen behalten wollen, um sie eben nicht auf die Kommunen zu verteilen, und dass wir bei den Rückführungen konsequenter vorgehen, als Sie es getan haben.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sie glauben das wirklich, Herr Kollege, was Sie da sagen, oder?)

Es ist doch wirklich ein schlechter Witz, den Kommunen zu sagen, Sie wollten im Endeffekt die Geduldeten länger finanzieren. Wir wollen sie direkt und indirekt entlasten, und da wollen Sie auf einmal nicht mitmachen und kritisieren es.

Zur Ehrlichkeit gehört es doch auch zu akzeptieren, dass wir die Kommunen in einem Stufenplan mit einem klaren Konzept direkt und auch indirekt entlasten. Ob Sie das jetzt hören wollen oder nicht: Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Lenzen. – Nun hat für die AfD-Fraktion Herr Strotebeck das Wort.

Herbert Strotebeck (AfD): Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Im Antrag der Grünen heißt es: „Land muss Verantwortung für Geduldete übernehmen und die Kommunen dauerhaft finanziell entlasten“.

Das Land muss Verantwortung übernehmen, aber in der Form, dafür zu sorgen, dass hier wieder geordnete Verhältnisse einkehren,

(Beifall von der AfD)

dass also Rückführungspflichtige auch zurückgeführt werden. – Dies noch einmal vorab klar und deutlich.

Die Landesregierung hat und muss Verantwortung übernehmen für die Finanzen des Landes, für den Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen. Das spielt im Antrag der Grünen aber erwartungsgemäß keine Rolle. Hier soll ganz einfach das Geld vom Bund gefordert werden – was auch richtig ist, da Frau Merkel für diesen unsäglichen Zustand verantwortlich ist und entsprechend der Konnexität auch dafür zu zahlen hat.

(Beifall von der AfD)

Die Grünen schreiben in ihrem Antrag von 52.365 geduldeten ausreisepflichtigen Menschen mit Stand vom 30. November 2017. Herr Hahn vom Städtetag Nordrhein-Westfalen sprach bei der Anhörung im letzten September von ca. 220.000 Rückführungspflichtigen in Deutschland, und davon ca. 60.000 in NRW. Er führte weiter aus, dass sich die Anzahl täglich erhöht und damit auch die Kosten stetig und dynamisch steigen: 2017 rund 600 Millionen €.

Wenn Sie laut Ihrem Antrag jetzt in den nächsten Wochen und Monaten mit weiteren deutlichen Steigerungen der Kosten für die Kommunen rechnen, da die Zahl der Geduldeten deutlich steigen wird, bedeutet das nichts anderes, als dass endlich und dringend konsequenter zurückgeführt werden muss.

(Beifall von der AfD)

Aber davon entfernen wir uns aktuell immer mehr, wenn unser NRW-Integrationsminister, Herr Stamp, den Ausreisepflichtigen bei genügend lange verzögerter Ausreisepflicht und guter Führung ein dauerhaftes Bleiberecht in Aussicht stellt.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Wir sind nicht immer einer Meinung, Herr Stamp, aber in dem Fall schon!)

Dann belastet allerdings dieser Personenkreis auch direkt den Landeshaushalt. Er wird das stetig anschwellende Gesamtkostenpaket auf Dauer nicht verkraften. Mag es im Haushaltsjahr 2018 eventuell aufgrund von Steuermehreinnahmen noch gut gehen – auf die nächsten Jahre werden wir es nicht verkraften können. Die Steuereinnahmen werden nicht weiter so steigen, auch wenn das zurzeit noch überall propagiert wird. Der ifo-Geschäftsklimaindex fällt seit November 2017, und der Einkaufsmanagerindex seit Dezember 2017 Monat für Monat.

Man mag in diesem Jahr eventuell noch anfallende Überschüsse verwenden. Die kann man aber beispielsweise auch nehmen, um sie in den Pensionsfonds zu zahlen oder eventuell sogar Schulden zurückzuzahlen. Nur, das ist wohl mittlerweile total in Vergessenheit geraten. Aber bei 170 Milliarden € Schulden macht das anscheinend für die Landesregierung auch keinen Sinn mehr.

Wir werden natürlich der Überweisung zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Strotebeck. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Körfges.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zwischenfrage ist nicht zugelassen worden; deshalb will ich mich ganz kurz auf eine Einlassung des verehrten Kollegen Lenzen zu Wort melden und auch zu einer anderen Äußerung, die danach gefallen ist, noch ein bisschen sagen.

Ich hätte eben gerne gefragt, was Sie unter „Fehlanreizen“ verstehen, wenn es darum geht, dass wir den Kommunen das geben wollen, was ihnen zusteht, um vernünftige Integrationsarbeit zu machen.

(Beifall von der SPD – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Allerdings!)

Dieser Terminus in diesem Zusammenhang führt mich zu den Abschiebeexperten ganz rechts von mir: Gut, dass wir in einem Rechtsstaat leben und dass „Duldung“ nicht rechtsfreier Raum bedeutet, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Gut, dass wir es hier in diesem Parlament überwiegend mit Menschen zu tun haben, die keine als Bildungsreise getarnten Betriebsausflüge nach Syrien unternehmen, um sich dort bei Machthabern und Hasspredigern danach zu erkundigen, wie sicher dieses Herkunftsland ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte vieles von dem, was da gesagt worden ist, für parlamentarisch kaum argumentierbar.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aber das müssen dann die Verwender schon selbst wissen. Nur ein kleiner Hinweis: Wenn Sie über Konnexität schwadronieren – ich gebe jetzt einen Grundkurs in Verfassungsrecht –, darf ich Sie darauf hinweisen, dass es dieses Rechtsinstitut im Zusammenhang zwischen den Kommunen und dem Bund leider nicht gibt. Das ist ein Punkt, den wir beklagen, aber Sie haben das als gegeben vorausgesetzt. Auch das zeugt von einer tiefen Sachkunde. – Ich habe dazu nicht mehr zu sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Körfges. – Für die Landesregierung hat nun das Wort Herr Minister Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf zwei Aspekte eingehen. Das ist ja das Schöne, dass wir das hier dialogisch machen; deshalb muss nicht gleich immer eine Zwischenfrage gestellt werden. Man kann sich ja auch so austauschen.

Der Kollege Lenzen hat darauf hingewiesen, dass es natürlich schwierig ist, weil Rückführungen, die für alle Beteiligten eine sehr komplizierte Angelegenheit sind, bei den Kommunen natürlich auch kein besonders beliebter Vorgang sind. Das kann man nachvollziehen, da es häufig mit menschlichen Härten verbunden ist. Aber im Rechtsstaat gibt es auch eine gewisse Notwendigkeit, dass diejenigen, die kein Bleiberecht haben, das Land verlassen.

Kommunen, die für Geduldete bis Sankt Nimmerlein von Land oder Bund alimentiert werden würden, hätten natürlich weniger Anreize, die Rückführung durchzuführen. Das ist nur nachvollziehbar. – Das ist der eine Punkt.

Aber worüber ich eigentlich noch kurz sprechen wollte, ist die Aufforderung des Kollegen Mostofizadeh an uns, die kommunalen Spitzenverbände zu fragen, wie sie das mit den 100 Millionen € Integrationspauschale einschätzen. Deshalb möchte ich die Homepage des Städtetags Nordrhein-Westfalen zitieren,

(Christian Dahm [SPD]: Das ist aber gemein!)

auf der es heißt:

„Es ist für uns auch ein wichtiges Zeichen des Respekts und der Anerkennung der kommunalen Integrationsarbeit. Denn alle wissen: Integration findet vor Ort in den Kommunen statt.“

Dies erklärten die Hauptgeschäftsführer von Städtetag NRW, Helmut Dedy, Landkreistag Nordrhein-Westfalen, Dr. Martin Klein, sowie Städte- und Gemeindebund NRW, Dr. Bernd Jürgen Schneider. – Also volle Zustimmung der kommunalen Spitzenverbände.

Im Übrigen entsprechen die 100 Millionen € in etwa dem Verbundanteil. Sie behaupten, ich hätte immer gesagt, man hätte 100 % auskehren müssen. Schauen Sie sich bitte die Plenarreden an, die ich als Oppositionspolitiker in der letzten Legislaturperiode gehalten habe.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, …

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Dort werden Sie das mit Sicherheit nicht finden, sondern ich habe immer davon gesprochen, dass es den fairen Anteil für die Kommunen geben muss. Wir geben ihnen den fairen Anteil, den Sie ihnen verweigert haben.

(Beifall von der FDP – Monika Düker [GRÜNE]: Aber darüber reden wir doch gar nicht! Das ist doch nicht das Thema!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Mostofizadeh?

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Wenn es der Wahrheitsfindung dient.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist hier fast immer der Fall. – Bitte schön, Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Herr Minister, herzlichen Dank. – Erstens. Sie haben mich zweimal falsch zitiert. Ich habe nicht gesagt, dass Sie die kommunalen Spitzenverbände zur Integrationspauschale befragen sollen, sondern ganz konkret zur Frage des Flüchtlingsaufnahmegesetzes.

Zweitens. Ich habe Ihnen nicht persönlich vorgeworfen, dass Sie Komplettdurchleitung gefordert hätten, sondern ich habe das in Richtung der CDU gesagt. Das können Sie gern im Protokoll nachlesen.

Ich würde Sie gern fragen, warum Sie erneut eine Nebelkerze werfen, um von Ihrer Verantwortung beim Flüchtlingsaufnahmegesetz ablenken zu wollen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, bitte.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Herr Mostofizadeh, ich wiederhole es – vielen Dank, dass Sie mir nochmals die Gelegenheit geben, es hier auszuführen –: Das FlüAG war Ihr Gesetz, und mit den kommunalen Spitzenverbänden waren die Istkostenermittlung und das Verfahren verabredet. Genau dieses Verfahren führen wir durch, und dann werden uns darüber unterhalten, wie wir das FlüAG entsprechend anpassen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, es gibt noch eine Frage, die ich noch gestatten werde, aber nur, weil ich heute so nett bin. Es ist eigentlich nicht üblich, sich mit Fragen zu melden, wenn die Rede schon zu Ende ist. Wir müssen das wieder etwas eindämmen, sonst kommt das zu oft vor. Aber heute sind wir als Präsidium lieb und genehmigen die Zwischenfrage – wenn Sie sie zulassen.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Ja.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege Dahm, Sie haben das Wort; bitte schön.

Christian Dahm (SPD): Vielen Dank, Herr Minister, und vielen Dank an das Präsidium, dass Sie die Frage noch zulassen. – Herr Minister, Ihr letzter Satz veranlasst mich dazu, noch eine Frage zu stellen. Sie sagten: „Wir geben den Kommunen das, was sie verdienen.“ Halten Sie daher die 100 Millionen € für die Integrationspauschale für ausreichend, wenn Sie sie weiterleiten?

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Herr Kollege Dahm, es ist so, dass wir uns insgesamt über die großen Blöcke der Finanzierung von Projekten unterhalten müssen, die Land und Kommunen gemeinsam gestalten werden.

Dazu gehört beispielsweise auch die Reform des Kinderbildungsgesetzes; es wird Herrn Maelzer freuen, dass wir eine gute Lösung hinbekommen werden.

(Christian Dahm [SPD]: Ah! Jetzt wird es spannend!)

Dazu gehören natürlich auch die Fragen der Flüchtlingsfinanzierung sowie die Frage: Wie gehen wir mit den Geduldeten um? Es wird, was speziell den Komplex „Geduldete“ betrifft, eine Verhandlung sein, bei der wir gemeinsam verabreden müssen – deshalb fordere ich den gemeinsamen Migrationsgipfel von Bund, Land und Kommunen –, wie wir das insgesamt schaffen.

Im Übrigen ist es selbstverständlich so – das haben die Kollegen von der AfD natürlich nicht verstanden –, dass sich, wenn Geduldete einen rechtssicheren Aufenthaltstitel haben, auch die Finanzierung verändert. Insofern sind das Aspekte, die wir klar verabreden müssen, und ich hoffe, dass Herr Seehofer irgendwann einmal über seinen Schatten springt.

(Helmut Seifen [AfD]: Sie tun einfach nicht Ihre Pflicht, das ist das Problem! Sie reden sich einfach nur heraus!)

– Ich habe mich am Anfang noch über all das, was ich auf der Regierungsbank an Zwischenrufen hören musste, aufgeregt; aber ich kann Ihnen sagen: Das ist das Schöne am menschlichen Dasein:

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Man gewöhnt sich an alles. Insofern habe ich auch die Gelassenheit.

(Christian Loose [AfD]: Ich zitiere Sie ja bloß!)

– Sie können hier dazwischenrufen, wie Sie möchten. Es wird die Politik nicht verändern. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Wir sind am Ende der Beratung zu diesem Punkt und kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2550 an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen – federführend –, an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Integrationsausschuss. Abschließende Abstimmung im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung. Wer stimmt dem zu? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Diese sehe ich nicht. Alle sind der Meinung, dies soll so passieren. Das war anzunehmen. Somit ist der Antrag zu TOP 4 überwiesen.

Ich rufe auf:

5   Deutsche Leitkultur statt Islamisierung – Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen muss ein tragfähiges Heimatkonzept als Grundlage eines kohärenten Regierungshandelns vorlegen!

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2554

Herr Beckamp, Sie ahnen, dass ich Sie aufrufe. So ist es vereinbart. Sie haben das Wort; bitte schön.

Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wir fördern Heimat in Respekt vor ihrer Vielfalt. Heimat schließt Menschen ein, weil Heimat Menschen verbindet. Heimat ist kein ausgrenzender Begriff.“ So spricht die Heimatministerin Ina Scharrenbach – und sagt damit alles und nichts. Alles ist Heimat für sie; jeder hat seine eigene irgendwie.

Erfreulicherweise – da blicke ich in Richtung CDU und ihrer Schwesterpartei CSU – hat sich der neue Heimatminister im Bund, Horst Seehofer – gegebenenfalls versehentlich – offener zum Begriff „Heimat“ geäußert. Er sagt Folgendes: „Für mich ist der Begriff der Heimat eben zentral, weil er in seiner Vielfältigkeit weniger streitbelastet ist als Leitkultur oder Nation.“

Welchem Mitarbeiter des Ministers auch immer diese Formulierung zu verdanken ist, der Mann ist sein Geld wert. Denn unter dem Allzweckbegriff „Heimat“ kann künftig das linksgrüne Hauptziel „Vielfalt“ ebenso beflissen wie geschickt weiterverfolgt werden, was ja auch das Hauptziel des progressiven Parteienbogens aller linksgrünen Parteien hier im Parlament ist, voran Frau Ministerin. Ein geschickter Schachzug?

Aber wir haben uns gefragt: Was ist denn nun Heimat? Was ist denn Heimat? Ist Heimat nicht da, wo eine Lebenswelt besteht, die man nicht erklären muss, wo es große gemeinsame Schnittmengen gibt im Verhalten, im Wiedererkennen, im Tun und Nichttun?

Waren Sie mal in einer Schulklasse mit über 90 % Migrantenanteil? Ist das Heimat? Ist Heimat nicht da, wo ein freies, selbstbestimmtes Leben möglich ist und sich jeder im öffentlichen Raum sicher bewegen kann? Fahren Sie mal mit der Straßenbahn. Ist das noch Heimat? Ist Heimat nicht da, wo sich die Menschen von repressiven Weltanschauungen befreit haben und Frauen selbstverständlich gleichberechtigt sind? Waren Sie mal in einer Moschee? Ist das Heimat?

Heimat wird von Ihnen tatsächlich entweder als überlebte Kategorie verworfen, oder Sie nutzen das ganze Wort nur ironisch; Sie machen es lächerlich. Aber Sie haben ein Problem. Denn Sie kommen an dem Begriff nicht vorbei. Denn bei den meisten Menschen – mit Ausnahme von diesem progressiven Parteienbogen hier im Landtag – ist der Begriff Heimat positiv und tief verwurzelt. Deswegen versuchen Sie, sich dessen zu bemächtigen und ihn umzudeuten. Sie wollen ihn in einem anderen Sinn nutzen, im Sinne von sogenannter Vielfalt, und letztlich mit dem Ziel massenhafter Einwanderung.

Nur so lässt sich erklären, dass nach Meinung der Ministerin und unwidersprochen seitens der Regierung und der sie tragenden Fraktionen Heimat auch die Arbeit von Moscheeverbänden sein soll und Sie das finanziell fördern möchten. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Was sagt die Union denn dazu?

Jeder, der das auch nur hinterfragt – das sind aktuell wir und vielleicht ein paar Spurenelemente der Konservativen in der CDU –, ist für Sie rückwärtsgewandt, menschenfeindlich und zum Diskurs nicht zugelassen.

(Helmut Seifen [AfD]: Islamophob!)

– Islamophob. Geschenkt. Das auch, natürlich. – Aber die Agenda, die Sie verfolgen, hat nichts mit den Deutschen, hat auch nichts mit den Inländern zu tun, die übrigens Teil der Lösung, nicht Teil des Problems sind, und auch nicht mit den vielen Fremden, die immer mehr zu uns kommen. Diese Agenda hat nur mit Ihnen selbst zu tun. Es geht Ihnen im Verbund mit der veröffentlichten Meinung um nichts anderes als um Ihre moralische und finanzielle Wohlfühlzone.

Dann überlegen Sie mal, gerade Sie von der CDU und auch der FDP: Wenn Sie auf jedem Schützenfest, auf jedem Treffen mit Leuten das Wort Heimat benutzen, spielen Sie mit gezinkten Karten. Das ist Heuchelei. Sie hier wissen es, wir merken es, und die Menschen draußen merken es auch. Denn sie haben keine Heimat mehr; sie wollen auch gar keine Heimat mehr. Sie denken, sie wären besser, sie wären klüger, sie wären entwickelter. Sie brauchen keinen überschaubaren sicheren Lebensraum, keine Lebenswelt, keine Heimat. Es geht um all die Postboten, Hausmeister, die viel zitierten Arbeiter, Angestellten, Handwerker, die kleinen Leute, die früher mal SPD gewählt haben oder auch mal CDU wie mein Vater.

(Lachen von Alexander Vogt [SPD])

Diese Leute merken, wie weit sie sich als Klasse von Ihnen entfernt haben, wie wenig Lebenswirklichkeit und Erfahrung … – Sie lachen darüber, ganz zu Recht, denn das ist Ihr Habitus. Sie lachen über die kleinen Leute. Das ist Ihr Problem. Sie haben sich entfernt von den ganz normalen kleinen Leuten, nicht nur im Ruhrgebiet.

(Beifall von der AfD)

Das Lachen sollte Ihnen im Halse stecken bleiben, weil, es ist wirklich Heuchelei. Denn Sie wissen nicht, was die Lebenswirklichkeit anbelangt. Fahren Sie mit der Bahn? Ich hoffe es. Machen Sie das mal; fahren Sie gerade im Ruhrgebiet!

Wissen Sie, wir haben diese Heimat mit den Menschen noch. Wir zahlen diese Heimat. Glauben Sie es, oder lassen Sie es. Diese Menschen sehen auch, dass Sie und Ihre Politik Heimat zerstört. Sie machen Heimat kaputt. Sie versuchen, es umzudeuten in irgendwas mit Vielfalt, was alles sein kann. Sie zerstören Heimat durch Masseneinwanderung, durch Kulturrelativismus und immer wieder durch Umdeutung dieses Begriffs. Heimat kann alles sein, Beliebigkeit.

Was passiert denn, wenn Heimaten – das gibt es bei Ihnen ja auch mittlerweile –, also Lebenswelten, verschiedene Lebenswelten aufeinandertreffen, die sich stark unterscheiden? Genau das erleben wir doch seit Langem, seit Ende 2015, in einem nicht gekannten Ausmaß. Da treffen Lebenswelten aufeinander. Ist Ihre Antwort darauf tatsächlich, dass Heimat, dass Kultur, dass eine Gesellschaft niemanden ausschließen darf? Ist dann zulässig – wie jetzt gerade in Holland geschehen –, dass Muslime irgendwelche Holländer verprügeln, weil sie Alkohol trinken? Ist das Ihr Ziel? Soll das so sein?

(Ibrahim Yetim [SPD]: Ist mir schlecht!)

Warum weichen Sie als Ministerin – die Regierung und die sie tragenden Fraktionen genauso – der entscheidenden Frage aus, Herr Löttgen, der entscheidenden Frage, die seit Jahren besteht und unsere Gesellschaft spaltet: Wie viel Einwanderung und welche Art von Einwanderung verträgt denn unser Land, ohne als Heimat Schaden zu nehmen?

Wissen Sie, diese Spaltung ist schon da, und zwar durch Sie und durch Ihre Politik. Dadurch machen Sie die Menschen heimatlos. Noch einmal ganz deutlich: Es geht nicht um eine vorübergehende Erscheinung, dass da irgendwelche Leute kommen, dass es jetzt nicht mehr so wäre. Diese Menschen sind da, und sie kommen immer weiter. Es ist keineswegs vorbei.

(Carsten Löcker [SPD]: Seit 200 Jahren ist das so! Nicht erst seit gestern!)

– Wenn Sie Polen im Ruhrgebiet meinen, dann können wir gern darüber reden. Wenn wir 500.000 Polen vor der Tür hätten, würde ich sagen: Willkommen! Genau richtig. Das war Integration, die funktioniert hat. Wir reden heute über ganz andere Massen und über ganz andere Leute. Das ist Ihr Problem. Das verstehen Sie nicht.

(Beifall von der AfD)

Sie scheren alles über einen großen Kamm. Das haben Sie nicht verstanden. – Wenn Sie wüssten, wie wir mit Leuten umgehen, die hier Inländer sind, die Leute, die ein Teil der Lösung sind, nicht des Problems. Wunderbar! Aber Sie lassen die Falschen rein, und zwar in rauen Mengen.

Wenn Sie die Frage nicht beantworten, wie viel Einwanderung und welche Einwanderung,

(Carsten Löcker [SPD]: Die Frage ist gerade beantwortet!)

wenn Sie diese Frage nicht richtig beantworten – und das unterstelle ich, Sie beantworten es nicht richtig –  dann gibt es keine Integration. Dann wird es auch bald kein Deutschland mehr geben und keine deutsche Kultur und keine Heimat mehr, in die man irgendjemanden integrieren könnte, und auch kein deutsches Volk.

Herr Habeck, der neue Obergrüne, hat es ja schon festgestellt: Es gibt kein deutsches Volk. – Herzlichen Glückwunsch, Sie gehen voran, Avantgarde.

(Beifall von der AfD – Helmut Seifen [AfD]: Das ist wenigstens etwas!)

Aber die Menschen in unserem Land wissen, was Heimat ist. Die Ministerin für Heimat in NRW weiß es bis heute leider nicht.

Routiniert verweisen Sie auf das Grundgesetz, von dem allerdings kaum ein Einwanderer jemals gehört hat, geschweige denn es gelesen oder verstanden hat. Mehr als ein abstrakter Verfassungspatriotismus à la Habermas ist in Ihrem bunten Deutschland nicht zu haben. Das ausdrücklich Eigene, die eigene Kultur, die Tradition und die Heimat, sehen Sie als ausgrenzend an. Die kulturelle Prägung und die Heimatbindung haben für Sie nur die Fremden. Das sind Reflexe einer Ministerin, einer Regierung und dieser Fraktionen, die sich selber exklusiv als demokratisch sehen.

Dem äußerst bescheidenen Niveau der Auseinandersetzung bisher mit dem Begriff „Heimat“ im Ministerium entsprechen Drei- bis Fünfwortsätze, von denen die berühmtesten lauten: „Wir schaffen das“ und „Der Islam gehört zu Deutschland“.

Wir geben den Begriff „Heimat“ nicht her. Jedenfalls lassen wir ihn uns nicht von Ihnen nehmen, denn Sie sind Heimatverächter.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Für die CDU-Fraktion hat nun Frau Kollegin Schlottmann das Wort.

Claudia Schlottmann (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wieder einmal beschäftigen wir uns hier im Plenum mit einem Antrag der AfD zu ihrem Lieblingsthema „Heimat“.

(Andreas Keith [AfD]: Sie haben doch ein Ministerium gegründet!)

Es ist natürlich klar, dass eine Partei, die den Wahlkampf mit Slogans wie „Hol dir dein Land zurück“

(Andreas Keith [AfD]: Ja, genau!)

dieses Thema um jeden Preis weiter ausschlachten will. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte hier einmal sehr deutlich sagen: Wir brauchen uns unser Land nicht zurückzuholen,

(Zuruf von der AfD: Doch!)

denn wir haben es nie verloren.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der AfD: Wir werden es aber verlieren!)

Wie wichtig der NRW-Koalition das Thema „Heimat“ ist, zeigt doch die Tatsache, dass wir uns dieses Themas durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung angenommen haben und es nicht den Rechtspopulisten überlassen.

Dabei haben wir dem Heimatministerium für die Heimatförderung bis 2021 eine Summe von 113 Millionen € zur Verfügung gestellt. Damit sollen ganz unbürokratisch Projekte lokaler Vereine und Initiativen, die sich mit Heimat beschäftigen, gefördert werden. In Nordrhein-Westfalen – und ich finde, das ist eine große Zahl – sind etwa 160.000 Menschen in über 900 Heimatvereinen organisiert. Darüber hinaus sollen auch größere Projekte gefördert werden, wie zum Beispiel ein Heimat-Preis oder eine Heimat-Werkstatt, in denen die konkrete Arbeit der überwiegend ehrenamtlich Engagierten belohnt und gefördert werden soll.

Damit hat die Ministerin, meine Damen und Herren, schon ein sehr genaues Konzept zur Heimatförderung vorgelegt und ist ganz und gar nicht widersprüchlich, konzeptionslos oder dissonant.

Ich finde es sehr interessant, dass Sie, meine Damen und Herren der AfD, derart daran interessiert sind und in Ihrem Antrag seitenweise ausführen, wie sich jeder einzelne Unionspolitiker zum Begriff „Heimat“ äußert. Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren der AfD, die immer sofort alles wissen, die wissen, wie etwas sein muss, und die Meinungsvielfalt für nicht nötig erachten, um Ihre Gedanken zu veröffentlichen, bin ich froh, dass ich einer Partei angehöre, die die Meinungsvielfalt und die Diskussionskultur in der Partei schätzt.

(Beifall von der CDU – Lachen von der AfD – Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Daraus einen Meinungsstreit in unserer Partei zu schlussfolgern, ist schlichtweg falsch. Es gibt ihn nämlich nicht.

(Andreas Keith [AfD]: Hat doch keiner was zu sagen bei Ihnen!)

Heimat bedeutet für jeden etwas anderes, und das ist gut so. Wir wollen Heimat gerade im Respekt vor ihrer Vielfalt fördern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden im Ausschuss noch reichlich über die Zielführung und die Sinnhaftigkeit dieses Antrages diskutieren.

(Christian Dahm [SPD]: Ich hoffe nicht!)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zurufe von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, es gibt noch eine Zwischenfrage. Wollen Sie die zulassen?

Claudia Schlottmann (CDU): Natürlich.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Beckamp, Ihre Zwischenfrage wird noch zugelassen. Bitte schön.

Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank, Frau Schlottmann, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Frau Schlottmann, gehört für Sie die Arbeit eines Moscheevereins zur Heimat in NRW?

(Sigrid Beer und Verena Schäffer [GRÜNE]: Natürlich! Selbstverständlich!)

Claudia Schlottmann (CDU): Wir können darüber gerne trefflich diskutieren, Herr Beckamp. Wenn jemand in Deutschland bzw. in Nordrhein-Westfalen lebt und sich engagiert, auch wenn das in einem Moscheeverein geschieht, dann gehört das natürlich zum Thema „Heimat“. Es ist Heimat, weil sich jemand vor Ort engagiert und für die Menschen arbeitet.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN – Andreas Keith [AfD]: Das werden alle Konservativen gerne hören!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schlottmann. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Kämmerling.

Stefan Kämmerling (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor etwas mehr als einem Jahr befanden wir uns in der heißen Phase der Landtagswahl 2017. Die CDU führte, wie wir heute wissen, erfolgreich, einen Wahlkampf, in dem sie das Land schlechtredete. Sie sprach von No-go-Areas, die es laut Herrn Minister Reul auf einmal gar nicht gibt.

(Lachen von der AfD – Andreas Keith [AfD]: Er weiß nicht, wo sie sind!)

Sie erklärte den Rechtsstaat für handlungsunfähig und zeichnete ein Zerrbild von der inneren Sicherheit in Nordrhein-Westfalen. Die CDU machte den Menschen im Land wider besseres Wissen und in hysterischer Weise vor, in NRW sei niemand mehr sicher. Das, meine Damen und Herren, hat die Menschen zur AfD getrieben und ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass diese Spalter und Vereinfacher jetzt ihren Platz im Parlament haben.

(Andreas Keith [AfD]: Wenn einer spaltet, sind Sie das!)

Das wiederum führt dazu, dass eben diese Spalter und Vereinfacher dazu kommen, uns hier ihre braune Suppe in Form solcher Plenaranträge aufzutischen.

(Beifall von der SPD – Josef Hovenjürgen [CDU]: Schauen Sie sich einmal die Ergebnisse aus dem Ruhrgebiet an!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP – und nach Ihrer Wortmeldung möchte ich mich auch an Sie wenden, Frau Kollegin Schlottmann –, ich muss Ihnen vorhalten, dass Sie hier Krokodilstränen weinen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Bitte?)

Ihr maßloser Wahlkampf der falschen Versprechungen hat einen gewaltigen Anteil daran, dass heute auf der ganz rechten Seite des Hauses Abgeordnete der AfD überhaupt erst in der Lage sind, Anträge wie diesen zu stellen.

(Zurufe von der CDU – Daniel Sieveke [CDU]: Unglaublich! – Zuruf von der AfD – Andreas Keith [AfD]: Wie verzweifelt muss man sein!)

Ja, ich habe diese deutliche Kritik an CDU und FDP. Aber nein, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten denken überhaupt nicht daran, mit in das Horn dieses miesen Papieres zu stoßen, das die AfD dem Parlament hier zumutet.

(Beifall von der SPD)

Darum will ich an die AfD gerichtet klar und deutlich feststellen: Ihre Deutschtümelei widert mich an. Ihre Definition von Heimat,

(Beifall von der SPD)

die nach Ihrer Auffassung das Eigentum von Menschen einer jeweils autochthonen Kultur sind, wie Sie es nennen, lässt Ihre hässliche politische Fratze durchblicken und entlarvt Sie nicht zuletzt.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der AfD: Oh! – Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Damit, meine Damen und Herren, habe ich mich auch genug mit der AfD befasst.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Beckamp?

Stefan Kämmerling (SPD): Ja.

Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank, Herr Kämmerling. Sie werfen uns eine hässliche Fratze vor. Was ist denn Ihr schönes Heimatgesicht? Was ist denn Heimat für Sie? Können Sie es definieren oder vielleicht negativ abgrenzen? Geht das? Wissen Sie das?

Stefan Kämmerling (SPD): Vielen Dank für Ihre Frage – sie ist nicht viel besser als Ihre Beiträge im Ausschuss.

(Heiterkeit von der SPD – Zuruf von Roger Beckamp [AfD])

Ich komme gleich gerne dazu. Ich muss das jetzt nicht beantworten; es kommt in meinem Redetext gleich an zwei Beispielen. Ich werde das am Beispiel eines Programms unseres früheren Ministers Herrn Groschek mit dem Titel „Heimat im Quartier“ erläutern, zudem werde ich gleich unseren Heimatbegriff,

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

denjenigen der nordrhein-westfälischen SPD, mit unserem Wahlprogramm begründen. Da gibt es mehrere Fundstellen – ich werde Sie gleich daran teilhaben lassen.

Jetzt will ich mich an Frau Ministerin Scharrenbach richten. Frau Ministerin, ich ging eingangs meines Wortbeitrages bereits darauf ein: Sie und Ihre CDU haben einen Wahlkampf der Verunsicherung geführt. Dann kamen Sie ins Amt, und Sie und Ihre Mitstreiter entschieden, dass Nordrhein-Westfalen ein Heimatministerium bräuchte.

Und während Frau Staatsministerin a. D. Schulze Föcking im Umweltministerium eine Stabsstelle abgeschafft hat, die nachweislich erfolgreich kriminelle Umweltdelikte verfolgte, haben Sie in Ihrem Haus eine neue Stabsstelle eingerichtet.

Da haben Sie, wie wir alle wissen, nicht gekleckert, sondern geklotzt. Allein mit dem Nachtragshaushalt 2017 haben Sie sich neun neue Ministerialstellen und davon fünf für die sogenannte Stabsstelle Heimat gegönnt. Kostenpunkt: sage und schreibe 500.000 € pro Haushaltsjahr – Tendenz steigend.

Und was kommt dabei heraus? – Ein Heimatskongress mit Heino, und dann bringt der Ihnen auch noch eine Schallplatte mit. Und Ihre hoch dotierte Stabsstelle ist nicht in der Lage, das vorher mal zu prüfen und vorzubereiten? – Aber Sie haben ja unlängst erklärt, dass sie zu Prüfungen gar keine Zeit gehabt hätte.

Frau Ministerin, das glaube ich Ihnen sogar. – Wie denn auch? Auf Fotos beim Heimatkongress posieren Sie mit Heino und Hannelore. Ihr Staatssekretär posiert mit Heino und Hannelore. Der Pressesprecher Ihres Hauses posiert mit Heino und Hannelore. Gott und die Welt aus Ihrem Ministerium posieren mit Heino und Hannelore und lassen sich ablichten. Man kann den Eindruck gewinnen, Ihre halbe Stabsstelle Heimat hat da mit Heino und Hannelore Selfies gemacht.

Natürlich hat da dann keiner Zeit, nachzugucken, welche Lieder auf einer solchen Schallplatte waren. Ihr stellvertretender Pressesprecher bekam sich gar nicht mehr ein, so begeistert war er, und er twitterte vom Heimatkongress ein Foto nach dem anderen unter den Hashtags

(Zuruf von Iris Dworeck-Danielowski [AfD])

„#nrwheimat“ und „#nrwhk18“.

Und als dann plötzlich die Schallplatte mit der Bezeichnung „Die schönsten deutschen Heimat- und Vaterlandslieder“ erstmals am 23. März kritisch von nordrhein-westfälischen Medien thematisiert wurde, beließ Ihr Pressesprecher das Schallplattenbild von Ihnen und Heino auf der Website des Ministeriums.

Währenddessen hat aber Ihr stellvertretender Pressesprecher am 24. März bei Twitter das Foto gelöscht, auf dem Sie mit Ihrem Staatssekretär und mit Heino und Hannelore in Pose standen und die überreichten Schallplatten bewunderten. Frau Ministerin, das ist unprofessionell, und das zeigt, wie uneins man bezüglich des Umgangs mit dieser Peinlichkeit selbst in Ihrem eigenen Haus war.

Uneins sind Sie auch in Ihrer eigenen Koalition. Zu Ihrer undefinierten Heimathantiererei hört man von Ihrem Koalitionspartner wenig bis gar nichts. Einige sagen, den Kollegen der FDP sei diese von der Ministerin zelebrierte Sauerkraut-Dialektik sogar in höchstem Maße peinlich, so aufgesetzt, so künstlich, so undefiniert, so wenig liberal sei sie.

Auch Journalisten beobachten Ihr Tun mehr und mehr irritiert. So schreibt die „Westdeutsche Zeitung“ über Sie – ich zitiere –:

„Dass Ina Scharrenbach unwillig oder unfähig ist, dem absichtlich undefinierten Heimatbegriff ihres Ministeriums wenigstens eine Grenze zum enthistorisierenden Musik-Missbrauch zu ziehen, zeigt, wie dünn das Eis ist, auf dem ihr Geschäftsbereich ,Heimat‘ steht.“

Das trifft es auf den Punkt, Frau Ministerin.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sie haben Tür und Tor dafür geöffnet, dass der Begriff „Heimat“ von jedem und für alles gebraucht und auch missbraucht werden kann.

(Helmut Seifen [AfD]: Haben wir doch gerade gesagt!)

Das ist Ihr persönlicher Fehler. Im Ausschuss erklären Sie uns auf Nachfrage immer mal wieder, dass Sie selber nicht wissen, was Sie eigentlich unter Heimat verstehen. Sie sagen dann immer: Das ist offen, das kann man nicht verordnen, das darf man nicht vorschreiben.

Was, Frau Ministerin, glauben Sie eigentlich, ist Ihr Auftrag – möglichst viele Fragen zu produzieren? Auf der Internetseite Ihres Hauses widmen Sie der Beschreibung des Geschäftsbereichs „Heimat“ ganze fünf Sätze – kein Witz: ganze fünf Sätze zur Beschreibung eines ganzen Geschäftsbereichs.

Dort, auf Ihrer Internetseite, erklären Sie, dass Sie Heimat stärken würden. Das begründen Sie dort damit – ich zitiere –:

„Denn wo das Heimatgefühl stark ist, fühlen sich Menschen wohl und sicher.“

Ich frage Sie: Was ist das für eine Wortakrobatik, und was hat das bitte in der Beschreibung des Geschäftsbereichs eines nordrhein-westfälischen Ministeriums zu suchen? Sie, Frau Ministerin, fabulieren wortreich um die Tatsache herum, dass Sie, Ihr Haus und die Koalition, die Sie trägt, keine, aber auch gar keine Ahnung haben, was Sie eigentlich selber unter Heimat verstehen.

Dabei wäre es doch so einfach. Sie könnten zum Beispiel mal auf den früheren Minister Herrn Groschek und sein Programm „Heimat im Quartier“ blicken. Da war glasklar definiert, was unter Heimat verstanden wird. Hier wurden ganz konkret Verbesserungen bei der interkommunalen und ämterübergreifenden Zusammenarbeit von Kommunalverwaltungen weiterentwickelt – und das zum Wohle aller Menschen innerhalb eines Stadtquartiers, egal, wo sie herkommen, die gemeinsam ihre Heimat gestalten.

Oder werfen Sie mal einen Blick auf das Wahlprogramm der NRW-SPD. Wir definieren Heimat mit: Lebensqualität, bezahlbarem Wohnraum, gut ausgebauten ÖPNV, guter Infrastruktur,

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Das gehört aber nicht mehr zu Heimat! – Roger Beckamp [AfD]: Kabelfernsehen!)

medizinischer Versorgung und mehr. Da finden Sie auf zwei Seiten mehr Inhalt zu „Heimat“, als Sie in den vergangenen elf Monaten mit Ihrem ganzen Ministerium zustande gebracht haben.

(Beifall von der SPD – Helmut Seifen [AfD]: Das ist eine technokratische Auffassung von Heimat!)

Sie, Frau Ministerin Scharrenbach, können es nicht, oder Sie wollen es nicht. Da hat die „Westdeutsche Zeitung“ völlig recht. Und wenn Sie es nicht wollen, dann ist es meines Erachtens sogar noch schlimmer; denn dann nehmen Sie nicht arglos, sondern mit voller Absicht in Kauf, dass Ihr undefinierter Heimatbegriff missbraucht wird.

Dass dann so niveaulose Anträge wie derjenige der AfD auf den Tisch flattern, ist dann vielleicht in Zukunft noch unser kleinstes Problem. Sie, Frau Ministerin, haben die Wundertüte „Heimat“ aufgemacht, ohne zu definieren, was drin ist. Jetzt sehen Sie bitte auch zu, dass Sie sie wieder zubekommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Daniel Sieveke [CDU]: Unglaublich!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Kämmerling. Sie haben vielleicht gesehen, dass uns noch eine Kurzintervention angemeldet wurde. Für die AfD hat sich Herr Beckamp gemeldet; er hat die Kurzintervention angemeldet. – Drücken Sie bitte den Knopf Ihres Mikrofons, dann können Sie Ihre 1:30 Minuten nutzen. Bitte schön.

Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. – Herr Kämmerling, wie soll ich es Ihnen sagen? Sie haben eben recht ausgeschmückt dargestellt, dass die Ministerin auf einem Kongress eine Schallplatte von Heino erhalten hat. Auf dieser Schallplatte war auch das Lied „Wenn alle untreu werden“. Das war Teil eines SS-Liederbuches. Das haben Sie sehr bemängelt. Ich muss sagen, die Ministerin – gegen dieses Lob kann sie sich jetzt nicht wehren – ist sehr souverän damit umgegangen, hat nämlich daraus keinen Popanz gemacht.

Herr Kämmerling, Sie sind Mitglied einer Partei, die, glaube ich, bei jedem Parteitag das Lied „Wenn wir schreiten Seit‘ an Seit‘„ singt. Ist das richtig? Dieses Lied „Wenn wir schreiten Seit‘ an Seit‘„ stand im Liederbuch „Blut und Ehre“ von Baldur von Schirach, dem Reichsjugendführer, das im Liederbuch der NSDAP, im Liederbuch der SA und der NS-Frauenschaft stand. Mit Verlaub, wie können Sie sich herausnehmen, andere damit zu konfrontieren? Seien Sie doch froh, dass solche Lieder diesen Zusammenhängen entwunden werden. Räumen Sie doch erst einmal bei sich auf!

(Beifall von der AfD)

Stefan Kämmerling (SPD): Das war eine Kurzintervention, die auch eine Frage beinhaltete. Mit der Beantwortung dieser Frage möchte ich anfangen. Ihre Frage lautete, ob mir bewusst ist, dass in der SPD das Lied „Wenn wir schreiten Seit‘ an Seit‘„ gesungen würde. – Nein, das ist mir nicht bewusst. Das Lied heißt: „Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘„. Ich bitte, im Detail sauber zu bleiben.

(Beifall von der SPD – Andreas Keith [AfD]: Sie verwenden Nazi-Liedgut! – Weitere Zurufe von der AfD)

Ich will Ihnen nun etwas zu unserem Lied sagen; ich erkläre Ihnen das einmal. Das Lied „Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘„ nimmt die Situation einer Wanderfahrt auf und kritisiert negative Begleiterscheinungen von Industrialisierung für Arbeiter. Das Stück wird seit dem Jahre 1916 von SPD-Gliederungen gesungen, erstmals von einer Jugendorganisation innerhalb der Hamburger SPD. Ab 1933 wurde das Lied auch von den Nationalsozialisten missbraucht.

(Zurufe von der AfD)

Es ergibt sich aber sowohl textlich als auch bezogen auf den Stellenwert im Dritten Reich eine klare Abstufung zu den Stücken, die wir im Zusammenhang mit der Heimat-Platte thematisiert haben.

(Beifall von der SPD)

Wollen Sie den Text von „Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘„ tatsächlich vergleichen mit dem, was ich jetzt von der Schallplatte zitiere?

„Wir wollen heute Mann für Mann mit Blut das Eisen röten,
mit Henker- und mit Knechteblut, o süßer Tag der Rache!
Das klinget allen Deutschen gut, das ist die große Sache.“

Das wollen Sie vergleichen?

(Beifall von der SPD – Zurufe von der AfD)

Und dann habe ich noch eins für Sie:

„Wir woll‘n das Wort nicht brechen und Buben werden gleich,
woll‘n predigen und sprechen vom heil‘gen Deutschen Reich.“

Ob das zu vergleichen ist mit „Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘„? – Nein!

(Beifall von der SPD – Andreas Keith [AfD]: Trennen Sie sich von NSDAP-Liedgut! Ganz schlimm! – Weitere Zurufe von der AfD)

Präsident André Kuper: Für die FDP erteile ich dem Kollegen Paul das Wort.

Stephen Paul (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ja mal wieder ein Tagesordnungspunkt, der unser Land so richtig voranbringt, ist mein Gefühl.

(Beifall von der FDP, der CDU und der SPD – Andreas Keith [AfD]: In der Tat!)

Der Tonfall mancher Wortbeiträge lässt einen wundern, gelegentlich auch erschrecken.

Ich möchte zunächst zurückweisen, dass wir in diesem Parlament von „kleinen Leuten“ sprechen. Wir Freie Demokraten sprechen nicht von kleinen Leuten. Es sind unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Kleine Leute und große Leute gibt es nicht in diesem Land, es sind alles Bürgerinnen und Bürger. Wir sind Menschen auf Augenhöhe.

Auf Seite 1, auf Seite 2, auf Seite 3, auf Seite 4 dieses Antrags arbeiten Sie sich mit vielen Fußnoten an der Union, an unserer Ministerin ab.

(Christian Loose [AfD]: Wir arbeiten halt gründlich!)

Sie wollen damit wohl aufzeigen, was vermeintlich in der Heimatpolitik noch geklärt werden muss. Aber unser Eindruck ist, dass Sie damit – wohl eher unfreiwillig – lediglich dokumentieren, dass Sie unsere neue NRW-Heimatförderung noch nicht verstanden haben.

Und dann gibt es eine weitere Seite und noch eine Seite, und dann folgt noch eine Seite mit vielen weiteren Fußnoten. Da können wir ganz viel aus Ihrem Grundsatzprogramm und vermeintlich bedeutsame, tiefschürfende Aussagen Ihres verehrten Vordenkers Alexander Gauland – das muss ja ein Heiliger sein – lesen.

(Zuruf von der AfD: War mal CDU-Abgeordneter!)

Das gipfelt dann in der Empfehlung an uns, der Landtag möge feststellen, dass die deutsche Sprache und Kultur reichhaltig und wertvoll seien. – Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, was denn sonst? Ja und? Klar!

Ferner wird uns empfohlen, die Finanzierung von Islamverbänden nicht zu einer Aufgabe des Heimatministeriums zu machen. Wenn man sich unsere neue Heimatförderung ansieht, dann stellt man fest, dass die Finanzierung von Vereinen und Verbänden als Institutionen ohnehin nicht vorgesehen ist.

Dann soll der Landtag die Landesregierung auffordern, das Miteinander, die Traditionen, Kunst- und Bauwerke, Denkmäler, Liedgut, die aus der jahrhundertalten deutschen Kultur hervorgegangen sind, zu bewahren und zu fördern.

Ich erinnere mich an die Parlamentariergruppe Osteuropa von heute Morgen, wo wir gemeinsam gesessen und einiges über die Tradition der polnischen Bergarbeiter an der Ruhr gehört haben. Ich frage mich, wir Freien Demokraten fragen uns: Soll denn ein förderungswürdiges Projekt, ein Straßenfest oder eine andere Begegnungsmaßnahme nicht gefördert werden, nur weil dort ein spanischer oder türkischer Kulturverein im Quartier daran mitwirkt? Wollen wir als Landtag das ernsthaft aus der Förderung ausschließen?

Solche Forderungen führen nur in die Irre. In Deutschland hat jede fünfte Person einen Migrationshintergrund. Bezogen auf die Bundesländer leben die meisten Personen mit ausländischer Abstammung sogar in Nordrhein-Westfalen, nämlich 26 %, also über ein Viertel ist ausländischer Herkunft.

Worum geht es denn bei unserer NRW-Heimat-förderung?

Wir wollen Verbundenheit in Zeiten fördern, wo uns vieles zu trennen scheint. Ich zitiere weiter:

„Wir fördern Initiativen und Projekte, die lokale und regionale Identität und Gemeinschaft und damit Heimat stärken.“

Das ist ein modernes, freiheitliches Verständnis von Heimatförderung. Es ist ein gemeinsames Verständnis von Heimatförderung. Wir lassen hier auch nichts zwischen uns und der CDU – den Partnern in der Koalition – und unserer Ministerin kommen. Dieses Verständnis von Heimatförderung bzw. die politische Grundüberzeugung, die dahintersteht, ist gemeinsame Überzeugung von Freien Demokraten und Christlichen Demokraten in Nordrhein-Westfalen. – Das sage ich auch zu dem Redebeitrag von Stefan Kämmerling eben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Was soll denn da gefördert werden? Vielleicht muss man das vor der Öffentlichkeit im Lande noch einmal in Erinnerung rufen. Die Förderrichtlinien werden ja auch erst im Sommer im Einzelnen veröffentlicht. Dann können Sie sich daran vielleicht politisch noch weiter abarbeiten.

Wir wollen – das ist die erste Säule – Heimat-Schecks als Möglichmacher für kleine, sinnvolle Projekte herausgeben. Damit wollen wir ehrenamtlich tätigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern unter die Arme greifen, wenn sie etwas für unsere Gesellschaft tun wollen.

Zweite Säule ist der Heimat-Preis. Damit unterstützen wir die kommunale Selbstverwaltung, indem wir den Städten und Gemeinden Preisgelder zur Verfügung stellen.

Als dritte Säule soll die Heimat-Werkstatt den Dialog ermöglichen. Sie soll Heimatgestalter, Bürger, Kreative, Künstler zusammenbringen. Das werden wir unterstützen.

Mit dem Heimat-Fonds, der vierten Fördersäule, unterstützen wir Initiativen, die weiteres finanzielles Engagement von Bürgerinnen und Bürgern für gesellschaftliche Projekte mobilisieren soll.

Mit dem fünften Förderstrang – das ist das Heimat-Zeugnis – wollen wir prägende Bauwerke, Lernorte und Wege in den Städten, aber auch draußen in den Dörfern bzw. in der Landschaft, mit einem Volumen von über 100.000 € unterstützen, großzügig fördern. Sie sehen also auch daran – jetzt können sich, glaube ich, auch die Kolleginnen und Kollegen der AfD entspannen –, dass es meistens um Projekte und Orte geht, die es schon lange gibt, also Bezüge zu unserer hergebrachten deutschen Kultur haben.

Sie sehen daran, unsere neue Heimatförderung – das ist auch unser liberales Verständnis der neuen Heimatförderung – veranstaltet hier keine neuen staatlichen oder politisch verordneten Maßnahmen, sondern setzt auf das bürgerschaftliche Engagement in Nordrhein-Westfalen. Sie wertschätzt das im Lande vorhandene Potenzial an Kulturgut, und das ist doch zumeist auch das deutsche. Bleiben Sie also ganz entspannt. Ich freue mich, dass Sie mittlerweile meinem Redebeitrag ganz unaufgeregt folgen.

Eines dürfte doch jedem kulturell Bewussten, Heimatliebenden oder Patrioten – es gibt davon so viele hier in der Runde – klar sein: Wenn wir unsere Gesellschaft zusammenhalten und Identitätsstiftendes fördern wollen, wäre es falsch, zu engstirnig zu denken.

(Beifall von der FDP)

Nur wer großzügig, also liberal, denkt und die Gesellschaft auch dynamisch begreift, wer zeitgemäße Neuinterpretationen kulturellen Bestands zulässt – und diese damit auch wieder für neue Generationen interessant macht – und wer den Zusammenhalt sichern möchte, der ist, wenn er auf diese Art und Weise vorgeht, auf dem richtigen Weg.

Ich möchte abschließend – vielleicht gibt das jedem aufrechten Konservativen zu denken – Gustav Heinemann, unseren dritten Bundespräsidenten, zitieren:

„Leben ist Veränderung. Wer sich nicht verändert, wird auch verlieren, was er bewahren möchte.“

Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die Grünen hat nun die Kollegin Schäffer das Wort.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass dieser Antrag der AfD eines mal wieder ganz deutlich zeigt, und zwar, dass das Gesellschaftsbild dieser Partei ganz offensichtlich nicht die Realität in diesem Lande widerspiegelt. Sie machen „Heimat“ bzw. den Heimatbegriff hier zu einer Abstimmungsfrage. Ihr Kultur- und Heimatbegriff grenzt ganz gezielt Menschen aus, die seit Jahrzehnten bzw. Generationen hier leben und längst Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sind. Wenn Sie Heimat als „kollektives, materielles und immaterielles Erbe, das Orientierung, Halt, Identität und Stärke verleiht“ bezeichnen, dann ist auch klar, dass Sie Muslimas und Muslime, die seit Generationen in Deutschland bzw. in Nordrhein-Westfalen leben, ganz offensichtlich hiervon ausgrenzen. Für Sie gehören diese Menschen nicht dazu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das wurde, wie ich finde, gerade in Ihrer Rede auch noch einmal sehr deutlich. Man muss hier auch deutlich sagen, dass in dieser Rede der offene Rassismus, den es in der AfD gibt, noch einmal sehr stark zutage getreten ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich meine, Sie sollten endlich anerkennen, dass sich diese Gesellschaft laufend verändert, dass Minderheiten einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten und im Übrigen auch maßgeblich zum Wohlstand unserer Gesellschaft beitragen.

(Zuruf von der AfD: Sie kennen wohl die Zahlen nicht!)

Natürlich verdient das Anerkennung. Dazu gehört auch staatliche Förderung von muslimischen Vereinen.

Man könnte ja fast Mitleid mit der AfD haben, weil sie sich so verzweifelt an der Vorstellung einer vermeintlich guten alten Zeit klammert, weil sie sich an Bräuche und Traditionen, die unverändert bleiben sollen, klammert und weil sie eine völlig eindimensionale Definition von kollektiver Identität hat. Man könnte also fast Mitleid mit Ihnen haben, wenn Sie nicht so feindselig und menschenverachtend wären. Ich glaube, man kann die Formulierung von einer staatlich finanzierten Islamisierung gar nicht anders verstehen.

Es geht hier aber lediglich darum, dass muslimische Vereine natürlich auch das Recht auf eine staatliche Förderung haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist schon interessant, wenn Sie in Ihrem Antrag eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach umdeuten.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Beckamp?

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Klar.

Roger Beckamp (AfD): Vielen Dank, Frau Schäffer, für das Zulassen der Frage. Vielen Dank auch für Ihr Mitleid in unsere Richtung. Ihren Rassismus-Vorwurf weisen wir zurück.

Mich würde aber Folgendes interessieren: Im Rahmen einer in letzter Zeit durchgeführten Allensbach-Umfrage sagen 70 % der Menschen, dass sie ihre Heimat durch Zuwanderung als bedroht ansehen. Finden Sie das wichtig, und berücksichtigen Sie das irgendwie bei Ihren Überlegungen zum Begriff „Heimat“?

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Auf genau diese Umfrage, die Sie auch n Ihrem Antrag zitieren, wollte ich gerade in meiner Rede zu sprechen kommen. – Eines ist aber auch ganz klar: Sie deuten hier die Zahlen ein Stück weit um. Die „FAZ“, die diese Studie in Auftrag gegeben hat, stellt fest, dass 78 % der Befragten die größte Gefahr für die Heimat darin sehen, dass alteingesessene Geschäfte schließen und große Ketten ihre Filialen eröffnen. Erst danach kommt der Wert der Ängste aufgrund von Zuwanderung.

Und ja, es stimmt, es ist keine kleine Zahl, wenn 69 % der Befragten Angst vor Zuwanderung angeben. Das ist nichts, worüber Politik hinweggehen kann. Damit muss man sich auseinandersetzen, das ist völlig klar. In Ihrem Antrag erwecken Sie aber ganz bewusst den Eindruck, dass Migration die größte Sorge der Menschen sei.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Sie ist es!)

Das mag auf Sie zutreffen, das mag auf die AfD und ihr Klientel zutreffen, aber das trifft eben nicht auf die gesamte Gesellschaft zu.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es ist der typische Umgang der AfD mit Studien und mit Fakten, dass Sie für Ihre Zwecke alles umdeuten und instrumentalisieren und dass Sie Studien umbiegen.

(Roger Beckamp [AfD]: Nur 70 %!)

Das finde ich gerade in diesem Kontext fatal, weil Sie damit Ängste und Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren. Dazu werden Sie von uns als demokratische Abgeordnete in diesem Hause immer wieder deutlichen Widerspruch hören.

(Beifall von den GRÜNEN – Dr. Christian Blex [AfD]: In vier Jahren nicht mehr!)

Aber, Frau Scharrenbach und liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich kann auch Ihnen ein paar Sätze zu Ihrer Heimatpolitik nicht ersparen. Ja – das sage ich offen und deutlich –, ich finde es redlich, dass Sie einen so offenen, integrativen und solidarischen Heimatbegriff vertreten wollen.

Aber ich finde, dass diese Debatte auch zeigt, welche Auswirkungen eine solche kopflose Einrichtung eines Heimatressorts hat. Die Idee aus Bayern, mit einem Heimatministerium auf eine Diskursverschiebung nach rechts zu reagieren, um Teile der Wählerklientel zurückzugewinnen, funktioniert aus meiner Sicht so nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben sowohl im Bund als auch hier in Nordrhein-Westfalen ein Ressort geschaffen, von dem Sie überhaupt nicht wissen, was es eigentlich tun soll.

Ich habe mir die Vorlage aus dem Ausschuss vom 15. März 2018 noch einmal durchgelesen. Darin finden sich eine Menge Maßnahmen, die ich gar nicht schlecht finde.

Zum Beispiel ist es eine gute Sache, dass man das Ehrenamt fördern will. Aber diese geplanten Förderprojekte haben doch mit Heimat in dem Sinne nichts zu tun. Dieses Förderprojekt könnte genauso gut in den Bereichen „Kultur“, „politische Bildung“, „Integration“ oder „Kommunales“ angesiedelt werden. Dafür, Frau Scharrenbach, braucht man doch kein Heimatministerium.

(Beifall von den GRÜNEN und Carina Gödecke [SPD] – Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Ich will für meine Fraktion auch klar sagen, dass Sie in Ihren anderen Zuständigkeitsbereichen, Frau Scharrenbach, Heimat zerstören, zum Beispiel im Hinblick auf die Heimat für Menschen mit Behinderung

(Daniel Sieveke [CDU]: Bitte?)

oder auch im Zusammenhang mit dem Kiesabbau, der durch den LEP bald wieder verschärft werden soll; auch da werden Natur und Heimat zerstört. Ich finde, dass Ihre Politik, Frau Scharrenbach, hier nicht konsistent ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Um noch einmal auf das Heimatressort zurückzukommen: Sie haben es eben nicht geschafft, ein Querschnittsthema daraus zu machen, es klar zu definieren und Maßnahmen zu bündeln. Sie haben mit diesem Ressort letztendlich ein diffuses Gefühl von Heimat geschaffen, das Sie jetzt krampfhaft zu füllen versuchen. Offenbar erweckt genau das bei den Falschen Erwartungen. Ehrlich gesagt, ich glaube, dass man damit hätte rechnen können. Ich finde es fatal, dass Sie ein Ministerium mit diesem Titel einrichten, Sie es aber nicht schaffen, den Begriff auszufüllen. Es ist klar, dass andere versuchen, das für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

(Beifall von den GRÜNEN, Carina Gödecke [SPD] und Stefan Kämmerling [SPD])

Präsident André Kuper: Für die Landesregierung spricht nun die Ministerin Scharrenbach.

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! An vielen Orten und in vielen Sprachen erschallt der Ruf nach Partizipation, nach Grundrechten, nach Freiheit. Es weht der Wind eines Wandels, der die Völker Europas nicht nur verändert, sondern auch auf neue Weise miteinander verbindet.

Da gibt es Unzufriedenheiten der geistigen Eliten mit Zensur, Bevormundung und Unterdrückung, Halt und Kerker für freie Gedanken und öffentliche Artikulation. Da gibt es vor dem Hintergrund des herannahenden Industriezeitalters die soziale Frage. Es gibt das allgemeine Gefühl, dass alte Strukturen nicht mehr der Zeit gewachsen sind. Und es gibt die mächtige Idee, nur ein einiges Deutschland könnte Freiheit und Demokratie schaffen und garantieren.

Übermorgen vor 170 Jahren tagte zum ersten Mal das Paulskirchenparlament, die Sternstunde deutscher Geschichte, das große Symbol für das Streben der Deutschen nach Einigkeit und Recht und Freiheit.

Damals, vor 170 Jahren, gab es gesellschaftliche Veränderungen und Umbrüche, die die Gesellschaft und die Politik bewegt haben, in ein neues Zeitalter hinein, das bis heute die staatliche Existenz in der Bundesrepublik trägt. Wir können heute – und das ist das Entscheidende – für die Identität unseres Gemeinwesens auswählen, auf welchen Traditionen wir bauen und an welche Traditionen wir anknüpfen. 1848 ist dafür der Schlüssel.

Die Prinzipien, die damals formuliert worden sind, tragen bis heute: das Bekenntnis zu Menschenrechten und Demokratie sowie der gemeinsame Wille, die verschiedenen Regionen und Strömungen in unserem Land zu einem freien Gemeinwesen zu vereinigen. Deshalb gibt uns 1848 das Recht, mit Selbstbewusstsein zu sagen: Die demokratische Idee, die Ideen der Freiheit, der Menschen und Bürgerrechte sind Teil der deutschen Tradition und Teil der deutschen Heimat.

(Beifall von der CDU, der FDP und Johannes Remmel [GRÜNE])

Hinzu kommt: Diese deutsche Urverfassung mit diesen tragenden Gedanken – Freiheit und Gleichheit, Gewährung der bürgerlichen Rechte, Presse- und Versammlungsfreiheit aber auch Gewaltenteilung – ist in einem Dialog quer durch Europa entstanden. Ohne Amerika – mit Blick über den Teich – Frankreich, England, Belgien, Schweiz, Polen ist die Freiheitsgeschichte des 19. Jahrhunderts nicht zu schreiben, aber eben auch nicht ohne Deutschland.

Die gemeinsame Tradition der Freiheitsbewegung, die seit 1848 die europäischen Staaten verbindet, war und ist das geistige Fundament des vereinten Europas und die geistige Heimat Europas. Nicht umsonst ist das Jahr 2018 Europäisches Kulturerbejahr. Und nicht umsonst haben wir als Landesregierung dieses Jahr unter das Motto „Heimat Europa – Entdecke, was uns verbindet“ gestellt. Es kommt darauf an, das zu fördern, was Menschen miteinander verbindet, Gemeinschaft und Gemeinsinn schafft.

(Beifall von der CDU, der FDP und Johannes Remmel [GRÜNE])

Sie kennen die Präambel des Grundgesetzes, meine Damen und Herren Abgeordnete:

„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“

Und das deutsche Grundgesetz ist mehr als eine Verfahrensordnung.

Die Artikel 1 bis 19 sind eine Werteordnung für dieses Land. Sie alle kennen den Artikel 1 zur Genüge. Ich werde aber nicht müde, ihn zu zitieren:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Der Mensch steht im Mittelpunkt dieses Grundgesetzes – im Wissen gemacht von Müttern und Vätern, die wir nächstes Jahr anlässlich „70 Jahre Grundgesetz“ feiern werden, im Wissen um über 60 Millionen Tote aus zwei Weltkriegen, um mit diesen Erfahrungen zu sagen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – unabhängig davon, welche Religion ein Mensch hat, welches Geschlecht, welches Alter, welche Hautfarbe, welche Herkunft.

Wenn Sie diese deutsche Werteordnung angreifen – und das tun Sie –, dann spalten Sie dieses Land.

(Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Wir arbeiten daran, denn die geistige Heimat der Demokraten ist die demokratische Freiheit. Und die gilt es zu verteidigen und immer wieder zu erkämpfen und

(Zuruf von der AfD)

deutlich zu machen, was demokratische Freiheit für Bürgerinnen und Bürger in diesem Land bedeutet.

Präsident André Kuper: Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Nein.

Deswegen ist Demokratie gewiss eine Sache der Vernunft. Wir diskutieren viele Sachen sehr vernünftig. Aber Demokratie ist auch eine Sache des Herzens. Und das wichtigste Erbe von 1848 ist dieser unbändige Wille zur Freiheit, zur Demokratie und zur politischen Mitverantwortung. Das ist das, was Heimat ausmacht. Wir verordnen als Landesregierung Heimat nicht von oben. Diese Zeit hat es gegeben. Die haben wir Gott sei Dank hinter uns.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der AfD)

Heimat wächst von unten. Wir haben zigtausend ehrenamtliche Frauen und Männer, jung und alt, in diesem Land, die der Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik mit das Wichtigste schenken, was sie haben, nämlich ihre Zeit. Sie setzen Zeit ein in und für diese Gesellschaft, für den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft, auf demokratischer Freiheit und demokratischen Rechten beruhend. Das ist das, was wir fördern. Ich finde es schade, dass wir das heute in diesem Parlament verteidigen müssen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich betone noch einmal: Heimat – das sind unsichtbare Wurzeln, die jeder Mensch, egal welcher Religion, welcher Hautfarbe, welches Geschlecht, welches Alter, welcher Herkunft, in sich trägt, weil jeder Mensch Heimat in sich trägt. Und das ist nichts Verhandelbares. Heimat stiftet Identität.

Wenn Sie diesen offenen Heimatbegriff wählen, den wir als Landesregierung auf den Weg gebracht haben, dann respektieren Sie die Geschichte jedes einzelnen Menschen. – Sie wählen in dieser Fragestellung einen völlig anderen Ansatz. Sie trennen die Gesellschaft in diesem Land.

(Beifall von der CDU und der FDP)

In diesem Sinne führt Heimat nicht zur Bevormundung der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen, sondern befähigt sie dazu, teilzuhaben, diese Heimat mitzugestalten für die Zukunft ihrer Regionen, ihrer Städte und Gemeinden, vom kleinen Dorf bis zur Großstadt, bis zum Stadtquartier.

Deshalb ist dieses Landesförderprogramm „Heimat“, das in Zusammenarbeit mit den vielen Ehrenamtlichen gewachsen ist, ein Zugeständnis, ein Befähigen, ein Vertrauen in die Bürgerschaft dieses Landes, demokratische Freiheiten, Rechte, Zukunft, Einigkeit in Nordrhein-Westfalen zu gestalten – im besten Sinne der Pauluskirchen-Tradition von vor 170 Jahren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb gestatten Sie mir: Wir haben als Landesregierung Nordrhein-Westfalen einen Heimatkongress in Münster veranstaltet, den ersten übrigens bundesweit. Wir hatten über 500 Ehrenamtliche an diesem Samstag in Münster. Wir haben Münster bewusst gewählt, in diesem Jahr „370 Jahre Westfälischer Friede“ –

(Michael Hübner [SPD]: Die Musik war spitze!)

Pax universalis, der allgemeine Friede, der heute immer noch Pate für Einigungsprozesse zwischen den Völkern auf dieser Welt ist. Deshalb haben wir Münster bewusst gewählt. Über 500 Ehrenamtliche haben sich engagiert mit Fragen auseinandergesetzt, wie wir gemeinsam Heimat in Nordrhein-Westfalen gestalten, wie wir Kinder und Jugendliche in Traditionen, in Werten mitnehmen, es an die nächste Generation weitergeben, wie es gelingt, das historisch-kulturelle Erbe zu erhalten, wie es gelingt, auf der Basis – das ist immer wichtig, das wissen Sie – des Wissens um die Vergangenheit Gegenwart und Zukunft zu gestalten.

Deshalb, meine Damen und Herren der SPD, so wie Sie sich heute eingelassen haben, treten Sie a) die Arbeit dieser Ehrenamtlichen mit den Füßen und b) die Ergebnisse des Heimatkongresses mit den Füßen. So geht man mit den Menschen, die in diesem Land Zeit in diese Gesellschaft investieren, nicht um, wie Sie es heute in diesem Parlament getan haben!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vor diesem Hintergrund darf ich dann für diesen Block zum Ende kommen.

Wir bewegen uns auf den demokratischen Prinzipien seit über 170 Jahren, die die staatliche Existenz der Bundesrepublik und des Landes Nordrhein-Westfalen im Ausdruck der Landesverfassung zum Ausdruck bringen.

Es ist unsere Aufgabe, Einigkeit und Recht und Freiheit zu verteidigen und zu erkämpfen und immer wieder deutlich zu machen, was das für den einzelnen Bürger, für die einzelne Bürgerin bedeutet und wie wichtig es ist, dass die Menschen mit uns das Land gestalten, mit uns die Städte und Gemeinden gestalten. Deswegen ist das Ministerium für Heimat ein richtiges. Deswegen werden wir das Landesförderprogramm umsetzen.

Sie wissen selber aus Ihren Gesprächen vor Ort, wie viele Menschen sich positiv damit auseinandersetzen, denn Heimat ist ein urpositiver Begriff, ein urmenschlicher Begriff. Deswegen ist es richtig, dass wir ihn so ausgestalten, wie wir es tun.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Frau Ministerin, bleiben Sie bitte stehen. Es gibt eine Kurzintervention von Herrn Beckamp.

Roger Beckamp (AfD): Frau Ministerin, jetzt haben Sie in langen Ausführungen noch einmal dargelegt, dass Ihr Begriff von Heimat – so habe ich es verstanden – mit dem Grundgesetz gleichzusetzen ist. Also, der rechtliche Rahmen ist die Heimat.

Dann frage ich mich bei diesem Verfassungspatriotismus à la Habermas: Wofür in aller Welt braucht es denn dann ein Ministerium? Das Grundgesetz ist doch die Grundlage allen staatlichen Handelns. Es ist doch wohl eher so, dass Sie, so wie auch Ihr Kollege im Bund, Herr Seehofer, einfach nur einen Nebelbegriff nutzen, um nicht „Leitkultur“ oder „Nation“ sagen zu müssen, um die aufkeimende AfD vielleicht irgendwie ihrer Begriffe zu berauben. Machen Sie sich doch bitte ehrlich und sagen Sie: Was ist der Zweck von Heimat für Sie? Mit dem Grundgesetz zu kommen – mit Verlaub –, das zu zitieren, das wirkt langsam müde.

(Beifall von der AfD)

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter, ich mache mich ehrlich. Für Abgeordnete der CDU, der SPD, der FDP und der Grünen muss ich die geistige Heimat der demokratischen Freiheiten von Einigkeit und Recht nicht erklären, weil sie verinnerlicht haben, dass der Mensch im Mittelpunkt steht,

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD)

weil es für die Abgeordneten dieser Fraktionen völlig egal ist, woher ein Mensch kommt, welche Religion er hat, welche Hautfarbe er hat, welches Alter und welches Geschlecht er hat, sondern es für sie darauf ankommt, welchen Beitrag jemand innerhalb einer Gesellschaft leistet und wie sich jemand an diesem Gemeinwesen beteiligt.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Deswegen erkläre ich das nur für Sie. Nur!

(Andreas Keith [AfD]: Sie spalten!)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Es liegen mir dann keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Ich komme zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2554 an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen – federführend – sowie an den Integrationsausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich ums Handzeichen. – Das sind SPD, Grüne, CDU, FDP, AfD und die drei Fraktionslosen. Gibt es jemanden, der dagegen ist? – Gibt es Enthaltungen? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

6   Fragestunde

Drucksache 17/2602

Mit dieser Drucksache liegen Ihnen die Mündlichen Anfragen 15 bis 17 vor.

Der Abgeordnete Mehrdad Mostofizadeh von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat am 15. Mai mitgeteilt, dass seine

Mündliche Anfrage 15 

„Wie stellt die Landesregierung die Einnahmen aus der Grundsteuer sicher?“

Wie plant die Landesregierung sicherzustellen, dass den Kommunen auch dauerhaft die Einnahmen aus der Grundsteuer zur Verfügung stehen?

heute nicht in der Fragestunde mündlich beantwortet werden soll. Gleichzeitig bittet er um schriftliche Beantwortung.

Ebenso hat die Abgeordnete Sigrid Beer von der Fraktion Die Grünen mit Schreiben vom 15. Mai mitgeteilt, dass ihre

Mündliche Anfrage 16

Kopftuchverbot für Grundschülerinnen? Welche Erkenntnisse hat die Schulministerin?

Plant die Ministerin für Schule und Bildung, Yvonne Gebauer, einen Gesetzentwurf, um Schülerinnen das Tragen des Kopftuchs an Grundschulen zu verbieten?

heute nicht in der Fragestunde mündlich beantwortet werden soll und gleichzeitig um schriftliche Beantwortung gebeten.

Daher würde ich nun die

Mündliche Anfrage 17

des Herrn Abgeordneten Christian Dahm von der Fraktion der SPD aufrufen:

1. Aufgrund welcher Faktenlage hat Regierungssprecher Christian Wiermer am 16. März 2018 die Öffentlichkeit über vermeintliche Erkenntnisse von Ermittlern, die auf einen Hackerangriff auf die Familie Schulze Föcking hinweisen sollten, informiert?

2. Wie und wann wurde der Ministerpräsident durch Ministerin Schule Föcking über die vorläufigen Ermittlungsergebnisse der StA Köln informiert?

Ich habe aber gesehen, dass der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kutschaty, das Wort wünscht. Ich vermute, es geht um eine Angelegenheit der Geschäftsordnung.

Zur Geschäftsordnung

Thomas Kutschaty (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Abgeordneten nicht entscheiden können, welches Mitglied der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage antwortet. Gleichwohl halten wir es für notwendig, weil die jetzt zu behandelnde Anfrage direkt an den Ministerpräsidenten gerichtet ist, dass der Ministerpräsident zumindest bei dieser Beantwortung anwesend ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich beantrage daher für meine Fraktion nach Art. 45 der Landesverfassung bzw. § 65 unserer Geschäftsordnung, den Ministerpräsidenten zur Sitzung herbeizuzitieren.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Roger Beckamp [AfD])

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die CDU hat der Abgeordnete Herr Kerkhoff das Wort.

Matthias Kerkhoff (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir treten jetzt in die Fragestunde ein. Die Frage des Abgeordneten Christian Dahm

(Christian Dahm [SPD]: Anwesend!)

betreffend den Geschäftsbereich der Staatskanzlei liegt uns vor. § 94 unserer Geschäftsordnung sagt, dass jedes Mitglied des Landtags berechtigt ist, bis zu zwei kurze Fragen zur mündlichen Beantwortung an die Landesregierung zu richten, die in einer Fragestunde beantwortet werden. Ich gehe davon aus, dass das in dieser Fragestunde durch die Landesregierung geschieht. Die Teilnahme des Ministerpräsidenten an dieser Fragestunde ist in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen. Die Frage wird durch die Landesregierung beantwortet,

(Zuruf: Hat der Schiss oder was?)

und damit ist unserer Geschäftsordnung Genüge getan. Insofern lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall von der CDU – Zurufe: Lächerlich! Das ist ja unglaublich! Unverschämt! – Christian Dahm [SPD]: Es ist kein Aufklärungswille bei Ihnen vorhanden! So ist das! Hoch peinlich! – Monika Düker [GRÜNE]: Er wird allen Grund dafür haben! – Zuruf: Zu feige!)

Präsident André Kuper: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Dann lasse ich über diesen Antrag von Herrn Kutschaty abstimmen. Wer diesem Antrag von Herrn Kutschaty und der SPD zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Grüne und AfD.

(Christian Dahm [SPD]: Das war die Mehrheit!)

Wer ist dagegen? – Das sind die CDU und die FDP. Wer enthält sich? – Das sind die drei fraktionslosen Abgeordneten.

(Christian Dahm [SPD]: Hammelsprung!)

Damit ist der Antrag, den Ministerpräsidenten herbeizuzitieren, mehrheitlich abgelehnt.

Meine Damen und Herren, damit rufe ich nun die

Mündliche Anfrage 17

des Herrn Abgeordneten Dahm von der Fraktion der SPD auf:

Die Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Christina Schulze Föcking, hat am 7. Mai 2018 in einer persönlichen Erklärung über die Einstellung der Ermittlungen über den angeblichen Hackerangriff auf ihren privaten Fernseher berichtet. Damit korrigierte sie ihre bisherige Darstellung vom März 2018, ihre Familie sei Ziel eines kriminellen Eingriffs in die Privatsphäre geworden.

Ihre damalige Darstellung über die Ausspähung ihrer Privatsphäre, die der Regierungssprecher der Landesregierung aufgriff und verstärkte, war Grundlage einer fraktionsübergreifenden Solidaritätsadresse des Parlaments:

„Fraktionen des Landtags verurteilen massiven Eingriff in Privatsphäre der Abgeordneten Schulze Föcking.

Unbekannte Täter haben sich gestern offenbar Zugriff auf das W-LAN-Netzwerk im Privathaus der Familie Schulze Föcking verschafft und den daran angeschlossenen Fernseher manipuliert. Die Täter spielten eine Aufnahme der ersten Fragestunde des Landtags zu den Vorkommnissen im privaten landwirtschaftlichen Betrieb der Familie ab. Dazu erklären die Vorsitzenden der Fraktionen im Landtag Nordrhein-Westfalen:

Unsere Demokratie lebt von leidenschaftlichen Debatten und engagiertem Streit in der Sache – ob in den Parlamenten, in Diskussionsforen oder auf der Straße. Gerade bei emotionaleren Themen gehören besondere Formen des Protests oftmals dazu. Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn Beleidigungen, Drohungen oder gar Gewalt zum Mittel der Auseinandersetzung werden. Diese Grenze wurde gestern Abend weit überschritten. Kollegin Schulze Föcking und ihre Familie sind Opfer einer massiven Verletzung ihrer Privatsphäre geworden. Das Vorgehen der Täter ist abstoßend. Wir verurteilen diesen Akt psychologischer Gewalt auf das Schärfste und versichern unserer Kollegin Schulze Föcking unsere Solidarität.“

Das Eingeständnis der Ministerin brüskiert nicht nur alle damals ihre Solidarität bekundenden Fraktionen, sondern belegt die Missachtung des Parlaments und seiner Rechte. Vor diesem Hintergrund stelle ich folgende Fragen:

1. Aufgrund welcher Faktenlage hat Regierungssprecher Christian Wiermer am 16. März 2018 die Öffentlichkeit über vermeintliche Erkenntnisse von Ermittlern, die auf einen Hackerangriff auf die Familie Schulze Föcking hinweisen sollten, informiert?

2. Wie und wann wurde der Ministerpräsident durch Ministerin Schule Föcking über die vorläufigen Ermittlungsergebnisse der StA Köln informiert?

Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Lutz Lienenkämper die vorliegende Mündliche Anfrage beantworten wird. Der Minister hat nun das Wort.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Unruhe)

– Ich versuche, einen Überblick darüber zu gewinnen, ob an der Sachaufklärung Interesse besteht.

(Zuruf von der SPD: Herr Laschet, Sie haben sich aber verändert!)

Die Frage lautet:

„Aufgrund welcher Faktenlage hat Regierungssprecher Christian Wiermer am 16. März 2018 die Öffentlichkeit über vermeintliche Erkenntnisse von Ermittlern, die auf einen Hackerangriff auf die Familie Schulze Föcking hinweisen sollten, informiert?“

Diese Frage beantworte ich gerne auf einer reichhaltigen Faktenbasis wie folgt:

Der Staatskanzlei war und ist bekannt, dass Ministerin Christina Schulze Föcking Opfer von Schmähungen, Beleidigungen und Bedrohungen unterschiedlicher Art, vor allem in digitalen Netzwerken, geworden war.

Der Staatskanzlei war auch bekannt, dass Ministerin Christina Schulze Föcking Mitte März unmittelbar vor dem in Rede stehenden Sachverhalt am 15. März einer konkreten Bedrohung über die sozialen Medien ausgesetzt war, in der ihr ein, jetzt zitiere ich, „vielleicht auch qualvolles“ Ableben gewünscht wurde.

Am 16. März – einen Tag später – um 1:34 Uhr steuerte das Lagezentrum des Ministeriums des Innern eine sogenannte WE-Meldung – „WE“ gleich „Wichtiges Ereignis“ – mit dem Titel „Ausspähen von Daten bei MdL Schulze Föcking“ an die Staatskanzlei, das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, das Ministerium der Justiz und an den Landtag. Darin wurde folgender Sachverhalt beschrieben – ich zitiere aus der WE-Meldung –:

„Unbekannte Tatverdächtige griffen auf bisher unbekannte Weise auf den Fernseher der Geschädigten im privaten Wohnhaus zu. Es wurde eine Aufnahme aus dem Landtag zu einer Fragestunde – hier erste Befragung der MdL in Bezug auf die Vorkommnisse im Schweinemastbetrieb ihres Mannes – abgespielt.

Unbekannte Tatverdächtige verschafften sich vermutlich über das WLAN-Netz des Hauses Zugriff auf das Netzwerk. Inwieweit auf Computer oder andere Kommunikationsgeräte, wie das Handy der Ministerin, in dem WLAN-Netz zugegriffen wurde, ist Gegenstand der Ermittlungen. Es wird nachberichtet.“

Zitatende aus dem WE-Bericht. – Insbesondere die darin enthaltene Möglichkeit, dass unbekannte Tatverdächtige auf Arbeitsgeräte wie den Computer oder das Mobiltelefon der Ministerin – mithin auf persönliche oder vertrauliche Daten – von außen zugegriffen haben könnten, erschien als schwerwiegender Verdacht.

Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung im Zuge der andauernden Ermittlungen erkundigte sich der Regierungssprecher daher am frühen Morgen des 16. März beim Ministerium des Innern, ob und inwiefern dort zwischenzeitlich möglicherweise ein vertiefter Sachstand vorliege. Er erbat über den Sprecher eine vertiefte Sachverhaltsdarstellung samt möglicher neuer Erkenntnisse.

Um 9:51 Uhr übermittelte das Ministerium des Innern dem Regierungssprecher zunächst eine Korrespondenz zwischen dem Polizeipräsidium Düsseldorf – dort genauer der Direktion Gefahrenabwehr Einsatz – und dem Leiter des Ministerbüros im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz vom 1. März, 9:12 Uhr, bzw. 15. März, 9:41 Uhr, worin die Polizei um Übermittlung von – Zitat – Drohschreiben oder Ähnliches zum Nachteil der Ministerin – Zitatende – gebeten hat.

Am 15. März wurde demnach vom Leiter des Ministerbüros folgende aktuelle Bedrohungsnachricht aus einem Massenger-Dienst übermittelt. Text:

„Hallo Frau …,“

 – Das Wort spreche ich nicht aus. Ich buchstabiere es: F-u-c-k-i-n-g. –

„schöne Tierschutz Agenda haben se da. Gibt‘s die auch in Tierlieb? Meine Meinung? Du bist ne …“

– Das spreche ich nun wirklich nicht aus. –

„und ich wünsche mir von Herzen du stirbst... vielleicht auch qualvoll.

Mit freundlichem Gruß
Ein Fuchs

P.S.: Tritt mal zurück, besser isses.“

Zitatende. – Um 10:45 Uhr erhielt der Regierungssprecher die Nachricht des Ministeriums des Innern, dass das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen am Morgen die Ermittlungen in dem beanzeigten Sachverhalt übertragen bekommen habe. Das Dokument hat den Titel:

„Aufgabenübertragung: Datenausspähung zum Nachteil von Frau Ministerin Christina Schulze Föcking vom 15.03.2018“

Um 11:01 Uhr erhielt er den vom Ministerium des Innern erbetenen vertiefenden Sachstandsbericht des Referates 423 – das ist der Polizeiliche Staatsschutz – von 11:00 Uhr, in dem die bereits in der WE-Meldung genannten Verdachtsmomente wiederholt und teilweise konkretisiert wurden.

Danach stellte sich der Fall so dar, dass der Verdacht auf einen Eingriff in die Privatsphäre der Familie Schulze Föcking vorlag. In dem Sachstandsbericht wurde neben der Schilderung der Angaben der Geschädigten, ersten Aufklärungsmaßnahmen am Abend des 15. März und Darstellungen der technischen Gegebenheiten ein Ablauf beschrieben, wie sich der vermutete Ausspähungsangriff möglicherweise abgespielt haben könnte. Wörtlich heißt es dazu – ich zitiere aus dem genannten Bericht –:

„Für die Fütterungsanlage des Schweinemastbetriebes Schulze Föcking wird die Fernwartungssoftware ‚TeamViewer‘ eingesetzt. Über diese verschafften sich der oder die Täter vermutlich Zugang zum Heimnetzwerk der Familie. Diese Fernwartungssoftware kann möglicherweise schon bei dem bekannten Eindringen 2017 von Tierrechtlern zur Aufnahme eines Videos der Verhältnisse in dem Betrieb kompromittiert worden sein. Der Rechner, über den die Fütterung mit dieser Software gesteuert wird, läuft durchgehend. Möglicherweise haben sich die Täter durch das Eindringen das Passwort und die Zugriffs-ID für die Fernwartung verschafft. Dann ist es möglich, von jedem Ort mit Internetzugang auf diesen Rechner wieder zuzugreifen sowie dann vermutlich auch über dieses WLAN auf weitere im WLAN befindliche Geräte der Familie Schulze Föcking.“

Zitatende aus dem eben genannten Bericht. – Abschließend wurde erwähnt, dass eine Aktualisierung der Beurteilung der Gefährdungslage bezüglich Frau Ministerin Schulze Föcking veranlasst wurde.

Der Bericht wurde aus Gründen der Transparenz auf Wunsch von Staatskanzlei und der Hausleitung des Innenministeriums bereits in der 19. Kalenderwoche – also in der vergangenen Woche – aus dem Verschlusssachegrad „Nur für den Dienstgebrauch“ ausgestuft und bereits in derselben Woche anfragenden Medienvertretern umgehend und unter Berücksichtigung der rechtlichen Stellung von personenbezogenen Daten vollständig zugeleitet. Die Landesregierung stellt diesen Bericht selbstverständlich auch gerne vollständig dem Landtag zur Verfügung.

Während ein Abfluss von Daten an Unbefugte zumindest nach dem Bericht möglich erschien, wenn auch nicht erwiesen, so gingen die Ermittlungsbehörden mithin von einem mutmaßlich externen Zugriff auf das Heimnetzwerk vermutlich über die Software „TeamViewer“ aus. Insbesondere vor dem Hintergrund der Risiken der durch die Ermittlungsbehörden geschilderten Verdachtsmomente sowie dem seinerzeit angenommenen tiefen Eingriff in die Privatsphäre der Ministerin erschien es der Landesregierung dringend geboten, den angezeigten Sachverhalt neben einer Solidaritätsadresse aktiv und transparent zu veröffentlichen.

Da jedoch noch nicht festgestellt werden konnte, ob die auf dem Heim-TV abgespielte Sequenz der einzige mutmaßliche Eingriff in das Heimnetzwerk darstellte oder ob weitere Vorfälle vorlagen, wählte der Regierungssprecher in der um 12:29 Uhr veröffentlichten Erklärung der Landesregierung die einschränkende Formulierung, dass die Versuche nach Informationen der nordrhein-westfälischen Ermittlungsbehörden wegen des geschilderten Zugangs über das Heimnetzwerk und das Abspielen auf dem Fernsehgerät – ich zitiere aus der Mitteilung – „mindestens teilweise auch erfolgreich“ – Zitatende – gewesen seien.

Am 17. März, dem Folgetag, teilten die Staatsanwaltschaft Köln und das Landeskriminalamt NRW mit, dass die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen der Staatsanwaltschaft Köln das justizielle Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Datenausspähung zum Nachteil von Ministerin Schulze Föcking übernommen habe.

Grundlage war laut Staatsanwaltschaft Köln weiterhin der Verdacht eines Hackerangriffs auf das private IT-Netzwerk eines Mitglieds der Landesregierung. Wörtlich heißt es dazu in der Pressemitteilung – ich zitiere –:

„Die Ermittlungen werden wegen Ausspähens von Daten (§ 202a Strafgesetzbuch) und weiterer Delikt geführt. § 202a Strafgesetzbuch sieht Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen vor.

Das LKA NRW hat bereits gestern unter der Leitung eines erfahrenen Kriminalbeamten eine Ermittlungskommission (EK) im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes eingesetzt. In der EK ermitteln auch Experten des Cybercrime Kompetenzzentrums des LKA NRW und der Polizei Münster.

Die Ermittlungen werden mit Hochdruck in alle Richtungen geführt.

Aus ermittlungstaktischen Gründen können derzeit keine weiteren Auskünfte erteilt werden.“

Ende des Zitates aus dieser Pressemitteilung.

Am selben Tag, dem 17. März, um 19:23 Uhr, wurde die Fortschreibung der zuvor genannten WE-Meldung, Ausspähen von Daten bei MdL Schulze Föcking, durch das Lagezentrum an die Staatskanzlei, das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, das Ministerium der Justiz und an den Landtag gesteuert.

Darin wird mitgeteilt, dass das LKA eine Ermittlungskommission namens Forte eingerichtet habe. Zudem werden die ersten Ermittlungsergebnisse weiter konkretisiert, wonach erste Datenauswertungen darauf hindeuten, dass sich über eine Fernwartungssoftware Zugriff auf das Heimnetzwerk verschafft wurde.

Wörtlich hieß es in der Fortschreibung der WE-Meldung – ich zitiere wieder daraus –:

„Der Grundsachverhalt wird als bekannt vorausgesetzt. Eine Ermittlungskommission wurde im LKA NRW eingerichtet. Digitale Datenträger wurden bei der Geschädigten durch Fachkräfte der Kreispolizeibehörde Steinfurt und durch Spezialisten der Zentralen Ansprechstelle Cybercrime des LKA sichergestellt. Erste Datenauswertungen deuten darauf hin, dass sich über eine Fernwartungssoftware Zugriff auf das Heimnetzwerk verschafft wurde. Die genaue Analyse dauert noch an. Die KI ST Münster wurde in die Ermittlungen einbezogen.

Das Verfahren wurde in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Münster durch die Schwerpunktstaatsanwaltschaft ZAC NRW in Köln übernommen. Parallel dazu wurden erste Ermittlungen bezüglich eines ‚Hasspostings‘ in Form einer Messengernachricht zum Nachteil der Ministerin veranlasst. Die Ermittlungen dazu werden in die EK Forte einbezogen. Anhaltspunkte für eine Verbindung zwischen beiden Taten ergaben sich bisher noch nicht, sodass beide Taten in Absprache mit der ZAC NRW gesondert verfolgt werden. Eine mit der ZAC NRW abgestimmte Presseerklärung wurde heute veröffentlicht. Die Pressehoheit liegt bei der Staatsanwaltschaft Köln.“

Ende des Zitates. – Ich denke, damit wird deutlich, dass es eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Äußerungen der Landesregierung gab.

(Eine Pause tritt ein. – Thomas Kutschaty [SPD]: War es das jetzt? – Heiterkeit)

War das die erste Frage? – Ja!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Thomas Kutschaty (SPD): Wenn ich jetzt dran bin, Herr Präsident ...

(Zurufe von der CDU und den GRÜNEN)

Lassen Sie mich vorweg sagen: Wer Angriffe auf seine Privatsphäre erleidet – und das gilt heute nach wie vor –, hat die volle Solidarität aller Abgeordneten verdient. Das ist deutlich klarzustellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Insofern haben wir uns alle solidarisch mit Frau Schulze Föcking gezeigt. Das setzt aber im Umkehrschluss auch voraus, dass wir Ehrlichkeit und Offenheit erwarten, wenn sich dann die Sachverhalte plötzlich anders darstellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Frage lautet daher: Wann ist der Ministerpräsident darüber informiert worden, dass es keinen Hackerangriff auf die Fernseh- bzw. Heimanlage von Frau Schulze Föcking gegeben hat?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Damit wären wir im Grunde im Rahmen der Beantwortung von Frage 2, sodass ich den Präsidenten frage, ob wir beide Antworten zusammenlegen sollen. Dann können wir möglicherweise beide Fragen zusammen behandeln. Ich würde dann, anders als normalerweise, direkt auch die zweite Frage beantworten.

(Zurufe von der SPD)

– Normalerweise ist es üblich, zunächst eine Frage zu beantworten, dann die Nachfragen zu behandeln und danach zur nächsten Frage zu kommen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen frage ich den Präsidenten, wie wir verfahren sollen.

Präsident André Kuper: Herr Minister, bitte gehen Sie zur zweiten Frage über. Dann können Sie das insgesamt beantworten.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Dann können wir gerne auch die zweite Frage beantworten, nämlich:

„Wie und wann wurde der Ministerpräsident durch Ministerin Schulze Föcking über die vorläufigen Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft Köln informiert?“

Seit Beginn der Ermittlungen zum damals vermuteten Zugriff unbekannter Täter auf das Heimnetzwerk eines Mitglieds der Landesregierung wurde die Staatskanzlei zeitnah über neue Ermittlungsansätze oder Zwischenergebnisse informiert.

Mutmaßliche Ergebnisse der Untersuchungen gaben neben der betroffenen Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz sowohl der Minister der Justiz als auch der Minister des Inneren an die Staatskanzlei weiter mit dem Ziel, den Ministerpräsidenten über den Stand der Untersuchungen zu den Angriffen über das Internet und zu den vermeintlichen Übergriffen auf das Heimnetzwerk bei einem Mitglied seines Kabinetts zu informieren.

Das gilt auch für den Zwischenstand, der Frau Schulze Föcking am 29. März 2018 durch Vertreter der Staatsanwaltschaft übermittelt wurde. Dass Frau Schulze Föcking die Staatskanzlei über vorläufige Ergebnisse, die ihr am 18. April durch die Staatsanwaltschaft mitgeteilt wurden, zeitnah im April informiert hat, ist bereits in einer Pressekonferenz durch den Regierungssprecher erläutert worden und wurde auch gegenüber anfragenden Medien erklärt.

Zu laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften des Landes äußert sich der Ministerpräsidenten prinzipiell nicht. Über den Abschluss von Ermittlungsverfahren informiert die Staatsanwaltschaft unmittelbar die Öffentlichkeit.

Bevor Sie jetzt noch einmal fragen – das war’s!

(Vereinzelt Heiterkeit)

Präsident André Kuper: Zu einer ersten Nachfrage erteile ich dem Abgeordneten Dahm das Wort.

Christian Dahm (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Lienenkämper, ich finde es schon bemerkenswert, dass der Ministerpräsident nicht selbst im Haus Stellung nimmt. Das entspricht unmittelbar seinem Aufgabenbereich, und er entzieht sich offenbar den Fragen des Parlaments und der Opposition.

Ich will direkt zu den Punkten, die Sie gerade genannt haben, nachfragen, nach denen Ministerin Schulze Föcking a. D. am 18. April durch die Generalstaatsanwaltschaft informiert worden ist. Nach den Erkenntnissen im Rechtsausschuss aus der vergangenen Woche hat es am 29. März einen Ortstermin auf dem Hof gegeben, bei dem die ermittelnde Staatsanwaltschaft bereits mitgeteilt hat, dass kein Anfangsverdacht vorliegt. Zwischen dem 29. März und dem 18. April war also bereits bekannt, dass den Ermittlungsbehörden keinerlei strafrechtliche Hinweise vorlagen. – Von daher die konkrete Frage: War das auch dem Kabinett bekannt?

Präsident André Kuper: Herr Minister.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Zunächst einmal haben Sie der Frage eine Vorbemerkung vorangestellt, die mich wiederum zu einer Vorbemerkung veranlasst. Wenn es Ihnen um die Sachaufklärung und die Beantwortung der Fragen geht, dürfte es eigentlich egal sein, welches Mitglied der Landesregierung die vollständige Sachaufklärung leistet.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Das ist erbärmlich! – Weitere Zurufe von der SPD)

Da es Ihnen offenbar darum geht, die Fragen direkt an den Ministerpräsidenten zu stellen, drängt sich ein politischer Zusammenhang geradezu auf.

(Zuruf von der SPD: Ja! – Christian Dahm [SPD]: Da gebe ich Ihnen recht! – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

– Können wir weitermachen?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Haben Sie jetzt die Sitzungsleitung?)

– Deswegen frage ich doch, ob wir weitermachen können.

(Weitere Zurufe von der SPD – Zuruf von der CDU – Unruhe)

– Also, ganz in Ruhe: Die Antwort war eben bereits gegeben worden. Die Staatskanzlei ist jeweils zeitnah über die neuen Ermittlungsansätze und Zwischenergebnisse informiert worden. Das gilt sowohl für den Zwischenstand vom 29. März als auch für den vom 18. April.

(Zuruf von der SPD: 29.03.!)

Präsident André Kuper: Zu einer ersten Nachfrage hat der Abgeordnete Herr Klocke das Wort.

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Minister, bei den zahlreichen Fragen, die noch offen sind, würde mich sehr interessieren, ob Sie uns zum heutigen Zeitpunkt Auskunft geben können, dass aus computerforensischer Sicht oder aus den Ermittlungen belegt werden kann, ob das besage Video, das in Ihren Aussagen zahlreich eine Rolle spielte, tatsächlich auf diesem privaten Fernsehgerät abgespielt worden ist?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Klocke, ich kann Ihnen mitteilen, dass nach Auskunft des Ministeriums der Justiz von heute, 16. Mai 2018, der Sachstand nach Mitteilung des Generalstaatsanwalts in Köln unverändert ist. Zur Vorbereitung der Abschlussentscheidung wird derzeit die technische Ermittlungsdokumentation erstellt. Anschließend wird die Ermittlungsakte durch das Landeskriminalamt der Staatsanwaltschaft vorgelegt. Das Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Zu einer ersten weiteren Nachfrage erteile ich Kollegin Düker das Wort.

Monika Düker (GRÜNE): Gestatten Sie mir doch eine kleine Vorbemerkung. Ich glaube, dass der Ministerpräsident hier heute eine große Chance vergibt, verlorene Glaubwürdigkeit wiederzugewinnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich finde das dem Parlament gegenüber unwürdig. Denn, Herr Lienenkämper, es war nicht Ihr Pressesprecher, sondern der Regierungssprecher, der am 7. Mai auf Nachfrage folgende Aussage tätigte – ich zitiere aus der Berichterstattung der „NRZ“ vom 8. Mai –:

„Es gab weitere Erkenntnisse über diese WE-Meldung hinaus, die dem Innenministerium“

– und jetzt kommt es –

„und der gesamten Landesregierung vorlagen.“

Diese weiteren Erkenntnisse, die der Regierungssprecher hier erwähnt, waren offenbar all das, was Sie zitiert haben.

Deswegen lautet meine Frage: Auf welcher der von Ihnen zitierten Informationen – Sachstandsberichte, Korrespondenz mit dem Innenministerium, was auch immer – beruht diese Aussage? Und in welchem Zusammenhang stehen diese Informationen dann mit der Feststellung vom 16. März, dass mindestens teilweise die Versuche erfolgreich waren. – Es hieß nicht „erfolgreich hätten sein können“, sondern „erfolgreich waren“.

Auf welche weiteren Informationen bezieht sich also der Regierungssprecher hier?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Düker, der Regierungssprecher hat sich auf alle über die WE-Mitteilung hinausgehenden Informationen, die ich gerade vorgetragen habe, bezogen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Wo stand das drin? – Zuruf von der CDU: Das hat er doch vorgelesen! – Gegenruf: Das hat er nicht vorgelesen!)

Präsident André Kuper: Eine weitere Frage von Herrn Kollegen Körfges.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Minister Lienenkämper, ich hake genau an der Stelle nach. Wir sind bei der Pressekonferenz des Regierungssprechers vom 16.03.2018. Ich zitiere wörtlich: „Mindestens teilweise waren die Versuche … erfolgreich.“ Und darüber hinaus hat es „Versuche gegeben, auf persönliche Daten“ von Ministerin Schulze Föcking zuzugreifen.

Das ist sehr detailliert, Herr Minister. Wo ist die Quelle? Und woher nimmt der Regierungssprecher diese Kenntnis? Ich bitte um eine Antwort – nicht allgemein, sondern ausnahmsweise mal konkreter, Herr Lienenkämper.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Körfges, ich habe Ihnen die zitierten Textstellen, auf die sich diese Informationen beziehen, eben wörtlich vorgelesen. Ich könnte das gerne wiederholen, will das aber aus Effizienzgründen nicht tun.

(Zuruf von der SPD)

Sie haben selbst mitbekommen, dass es über die ursprüngliche WE-Mitteilung hinaus eine Reihe weiterer ergänzender Informationen waren. Der Regierungssprecher hat sich selbstverständlich auf alle bezogen.

Präsident André Kuper: Eine erste Frage der Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Herr Minister, danke für Ihre bisherigen Ausführungen. – Ich habe aber immer noch nicht verstanden: Warum nimmt der Ministerpräsident nicht an dieser Fragestunde teil, obwohl er für die heutige Sitzung nicht abgemeldet ist?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Beer, der Ministerpräsident hat dienstliche Gespräche am Rande des Plenums.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Präsident André Kuper: Die nächste Wortmeldung ist von der Kollegin Lüders.

Nadja Lüders (SPD): Herr Minister Lienenkämper, Sie haben gerade ausgeführt, dass der Ministerpräsident zeitnah informiert worden sei. Ich hätte gerne eine Konkretisierung möglichst mit Datum, was Sie unter „zeitnah“ verstehen.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Lüders, ich habe gesagt: Der Ministerpräsident bzw. die Staatskanzlei ist regelmäßig über alle Ermittlungsstände zeitnah informiert worden. Das heißt, die Botschaft ist sehr klar: Über den Fortgang der Ermittlungen war die Staatskanzlei fortlaufend und immer im Bilde. Es hat keine Ausfälle bei den Erkenntnissen gegeben, sodass es auf die Daten in diesem Zusammenhang gar nicht ankommt.

(Widerspruch von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Herr Kollege Hübner.

Michael Hübner (SPD): Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, dass der Regierungssprecher ausdrücklich alle Akteure der Landesregierung, sprich: alle Minister, im Rahmen einer Kabinettssitzung informiert habe. Wie zeitnah sind diese Informationen allen beteiligten Ministerien zugegangen?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Hübner, ich habe nicht gesagt, dass der Regierungssprecher alle Mitglieder des Kabinetts in dieser Weise informiert habe, sondern ich habe gesagt, was ich gesagt habe.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die nächste Frage stellt Herr Klocke; das ist seine zweite Frage.

Arndt Klocke (GRÜNE): Danke, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ich habe folgende Nachfrage, ob ich Sie richtig verstanden habe: Wir hatten ja nachgefragt. Die Aussage von Herrn Wiermer, dass die Versuche teilweise erfolgreich waren, bezog sich das auf den Hackerangriff oder auf das, was Sie ausgeführt haben – darauf haben Sie jedenfalls eben rekurriert –, nämlich die Schmähungen und Verunglimpfungen gegenüber der Ministerin im Internet, die natürlich schlimm sind, die auch viele Kollegen von uns hier im Raum sicherlich auch schon ähnlich erlebt haben.

(Widerspruch von der CDU)

– Ich habe jedenfalls Ähnliches schon erlebt und habe es auch bei der Polizei angezeigt.

Meine Frage lautet: Habe ich Sie richtig verstanden, dass das, was Regierungssprecher Wiermer ausgeführt hat, dass diese Versuche erfolgreich waren, dass sie sich auf die Ermittlungen bezüglich des Hackerangriffs beziehen, also des abgespielten Videos im Privathaus von Frau Schulze Föcking, oder auf das, was Sie eben – jedenfalls habe ich es so verstanden – uns vorgetragen haben, nämlich die Schmähungen und Verunglimpfungen in sozialen Netzwerken über Messenger?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Klocke, die Äußerungen beziehen sich auf den Vorfall auf dem Heim-TV im Haus der Familie Schulze Föcking.

Weil zum Zeitpunkt der Erklärung des Regierungssprechers noch nicht festgestellt werden konnte, ob die dort abgespielte Sequenz den einzigen mutmaßlichen Eingriff in das Heimnetzwerk darstellte oder ob weitere Vorfälle vorlagen, hat der Regierungssprecher in der um 12:29 Uhr veröffentlichten Erklärung die einschränkende Formulierung gewählt: „Mindestens teilweise … auch erfolgreich.“

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Die nächste Frage stellt Ihnen, Herr Minister, Herr Kutschaty. Das ist dann auch seine zweite und letzte Fragemöglichkeit.

(Christian Dahm [SPD]: Das kann man auch anders sehen!)

Thomas Kutschaty (SPD): Vielen Dank. – Herr Minister Lienenkämper, Sie haben vorhin gesagt, dass die Staatskanzlei, der Ministerpräsident, immer zeitnah über den Ermittlungsstand informiert worden sei. Deswegen gehe ich auch davon aus, dass der Ministerpräsident darüber informiert war, dass am 29. März die Staatsanwaltschaft Frau Schulze Föcking mitgeteilt hat, dass ein Hackerangriff unwahrscheinlich ist, und dass am 18. April die Staatsanwaltschaft der Ministerin a. D. mitgeteilt hat, dass der vermeintliche Hackerangriff aus einer Fehlbedienung, einer Fehlfunktion des internen Netzwerkes heraus resultiert.

Warum – das interessiert uns alle sehr – hat der Ministerpräsident nicht die Chance genutzt, in der Landtagssitzung am 26. April, als das hier Thema war, und in seiner Pressekonferenz am 4. Mai – also viele Tage danach, nachdem die Erkenntnisse bei Frau Schulze Föcking und dem Ministerpräsidenten vorlagen –, wo er viele Nachfragen zu Frau Schulze Föcking bekommen hat, diesen Sachverhalt aufzuklären und die Wahrheit zu sagen?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Kutschaty, zum ersten Teil der Frage: Die beiden zitierten Informationen haben dem Ministerpräsidenten beide zeitnah vorgelegen; das hatte ich bereits gesagt.

Die zweite Nachricht ist deutlich geworden durch den Schluss meiner Beantwortung der Frage zwei: Es ist nicht Aufgabe des Ministerpräsidenten, sich zu laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften des Landes zu äußern.

(Lachen von der SPD und den GRÜNEN)

Das tut der Ministerpräsident prinzipiell nicht.

(Zuruf von der SPD: Die liefen doch gar nicht mehr!)

Ich habe Ihnen mitgeteilt, dass dieses Ermittlungsverfahren bis heute nicht abgeschlossen ist.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Dahm.

(Zurufe)

Christian Dahm (SPD): Vielen Dank. – Herr Minister, der Regierungssprecher hat seinerzeit ausgeführt, dass sich Frau Schulze Föcking der vollen Solidarität der Landesregierung und des Kabinetts sicher sein darf. Daher meine konkrete Frage: Seit wann wusste das gesamte Kabinett davon, dass es hier keinen Anfangsverdacht mehr gibt?

(Zurufe von der SPD: Zeitnah und fortlaufend! Und alle!)

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Ich bin ausgesprochen dankbar, dass die Antwortversuche schon zugerufen werden,

(Christian Dahm [SPD]: So helfen wir Ihnen!)

will aber doch gerne selbst antworten: Über die näheren Inhalte des Verfahrens wird die Landesregierung vermutlich durch den Bericht des Justizministers an den Rechtsausschuss des Landtages vollständig informiert worden sein.

Über den Vorfall selbst war natürlich die gesamte Landesregierung unmittelbar durch das Statement des Regierungssprechers direkt am Tag danach informiert – das ist ja klar –, so wie die restliche Öffentlichkeit des Landes Nordrhein-Westfalen auch.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Die nächste Frage stellt Ihnen Kollege Rüße von den Grünen.

Norwich Rüße*) (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Lienenkämper, ich möchte an die Frage von Herrn Klocke anschließen. Sie haben eben auf seine Frage gesagt, dass sich der Satz von Herrn Wiermer auf das Heimnetzwerk bezieht. Wenn denn dann die Versuche tatsächlich teilweise erfolgreich waren, auf das Heimnetzwerk zuzugreifen, möchte ich gerne von Ihnen präzise die Antwort haben, worin dieser teilweise Erfolg bestand.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Rüße, ich habe ausgeführt und wiederhole das gerne, dass der Regierungssprecher seine einschränkende Formulierung vor dem Hintergrund gewählt hat, dass seinerzeit zu dem Zeitpunkt noch nicht festgestellt werden konnte, ob die abgespielte Sequenz den einzigen mutmaßlichen Eingriff in das Heimnetzwerk darstellte oder ob weitere Vorfälle vorlagen. Das hat den Regierungssprecher zu der zitierten einschränkenden Formulierung veranlasst.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Kollegin Schäffer von den Grünen ist die nächste Fragestellerin.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Lienenkämper, dann bleibe ich doch direkt bei der Erklärung der Landesregierung vom 16. März von Herrn Wiermer, der in seiner Erklärung auch geschrieben hat, dass man die offenkundig kriminellen Eingriffe in die Privatsphäre verurteilt. Wie kam denn Herr Wiermer zu der Einschätzung, dass es offenkundig kriminelle Eingriffe gegeben habe?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Schäffer, ich habe Ihnen dazu die Bedrohungslage geschildert, die gegenüber der Kollegin Schulze Föcking sowohl im Internet als auch in anderen sozialen Netzwerken bestanden hat.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Das ist natürlich ein schwerwiegender Angriff auf die Person und die Integrität der Ministerin, den man jedenfalls als unmittelbar bevorstehend annehmen kann, wenn man diese konkreten Morddrohungen liest. Ich kann gern noch einige davon vorlesen. Das war die allgemeine Gefährdungssituation.

Daraufhin habe ich Ihnen weiterhin erklärt, dass nach der Nacht, in der die Anzeige erstattet worden ist und in der um ein Uhr irgendwas die WE-Mitteilung erfolgte, weitere, sehr konkrete Berichte über den möglichen Weg des Eindringens etwaiger Unbefugter in das WLAN der Familie Schulze Föcking beschrieben worden sind. Das war ein Teil der Informationen – die anderen habe ich Ihnen vorgelesen –, die den Regierungssprecher veranlasst haben, davon auszugehen, dass er seine Formulierung anhand des Tatbestands dieser Fakten so treffen konnte, und das war auch richtig so.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Beer von den Grünen, die damit ihre Fragemöglichkeiten ausgeschöpft hat.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Minister Lienenkämper, Sie haben mir eben auf meine Frage, warum eigentlich der Ministerpräsident nicht im Saal ist, obwohl er nicht abgemeldet ist, geantwortet, er führe am Rande des Plenums Gespräche. Nun war aber öffentlich wahrnehmbar, dass Ministerpräsident Laschet um 14:18 Uhr den Landtag verlassen hat. Wie ist dann der Informationsgehalt der Äußerungen und der Antworten, die Sie uns geben, zu bewerten?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Der Informationsgehalt der Äußerung ist so zu verstehen, wie ich es Ihnen gesagt habe: Der Ministerpräsident führt am Rande des Plenums Gespräche.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Frau Kollegin Düker von den Grünen ist die nächste Fragestellerin und hat mit der zweiten Frage auch ihre Fragemöglichkeiten erschöpft.

Monika Düker (GRÜNE): Danke schön. – In dem Bericht des Justizministeriums an den Rechtsausschuss am 9. Mai 2018 wird ausgeführt, dass auch – ich zitiere aus dem Bericht – „umfangreiche Analysen sozialer Medien und offener Internetquellen durch das Cyber-Recherche- und Fahndungszentrum des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen durchgeführt“ wurden, „die indes ein in Bezug auf das Tatgestehen verdichtetes Motivationsbündel einzelner Personen oder von Personengruppen nicht haben erkennen lassen.“ Jetzt kommt es:

„Auch im Zuge der weiteren Ermittlungen konnten Anhaltspunkte für eine technische Kompromittierung des Smart-TVs oder anderer IT-Geräte im Haushalt der Familie auch nach mehrfacher umfänglicher Prüfung nicht erlangt werden.“

So weit der Bericht an den Rechtsausschuss des Landtags.

Herr Minister, Sie haben gerade ausgeführt, dass die Staatskanzlei vollumfänglich und laufend über die Ermittlungsergebnisse informiert war. So müssen wir davon ausgehen, dass diese Ergebnisse der Staatskanzlei bereits am 18. April oder auch schon vorher vorlagen.

Am 26. April habe ich persönlich in der Aktuellen Stunde des Landtags in einer Vorbemerkung meiner Rede der Ministerin noch einmal meine volle Solidarität und Unterstützung – ich habe es auch als Tatsachenbehauptung durch die Staatskanzlei so in Erinnerung gehabt – nach diesem Hackerangriff bekundet. Ich muss davon ausgehen, dass zu diesem Zeitpunkt dem Ministerpräsidenten der Sachverhalt so klar war, dass er wusste, dass dies nicht zutrifft.

Sie sagen: Das hätte er ja nicht machen müssen. – Ich frage Sie einmal ganz persönlich: Finden Sie es angemessen, dass nach einer solchen Solidaritätsbekundung hier nicht ein aufklärendes Wort durch den Ministerpräsidenten an die Fraktionsvorsitzenden der Fraktionen ergangen ist? Ich sage ausdrücklich: auch an die Fraktionsvorsitzenden Herrn Rasche, Herrn Löttgen, Herrn Kutschaty – damals noch Herr Römer – und an uns, die wir bis dato diese Solidaritätserklärung aufrechterhalten haben. Finden Sie es angemessen, dass es zu diesem Zeitpunkt keine Information an die Fraktionsvorsitzenden gab?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Düker, ich habe Ihnen mitgeteilt, dass der Ministerpräsident zu den laufenden Ermittlungen nicht Stellung nimmt.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Ha, ha! Das ist eine Stilfrage! Mut und Anstand!)

Frau Christina Schulze Föcking, die mutmaßlich die Geschädigte gewesen ist, die die Anzeigeerstatterin war, die bedroht worden ist und noch bedroht wird im Internet und in den sozialen Medien, hat inzwischen ausdrücklich bedauert, dass sie informell die Information vom 18. April 2018 nicht vorher weitergegeben hat.

(Monika Düker [GRÜNE]: Darum geht es doch gar nicht! Ich frage aber Sie, nicht die Ministerin!)

Deshalb ist die Frage damit meines Erachtens auch beantwortet.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Der nächste Fragesteller ist Herr Kollege Mostofizadeh von den Grünen.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin, vielen Dank. – Herr Minister, ich kann unmittelbar daran anschließen. Der Sachverhalt wurde jetzt mehrfach geschildert. Regierungssprecher Wiermer hat am 16. März die Ausführung gemacht, es habe nach Informationen der nordrhein-westfälischen Ermittlungsbehörden von bisher unbekannter Seite Versuche gegeben, auf persönliche Daten der Ministerin Christina Schulze Föcking zuzugreifen. Zumindest teilweise seien die Versuche erfolgreich gewesen.

Basierend auf dieser Information hat nicht Frau Schulze Föcking, sondern die Staatskanzlei als Vertretung des Ministerpräsidenten bei den Faktionsvorsitzenden um eine Solidaritätserklärung gebeten. Also ist es aus meiner Sicht nicht Aufgabe von Frau Schulze Föcking, das zurückzunehmen, sondern Aufgabe des Ministerpräsidenten.

Wie erklären Sie sich, Herr Minister Lienenkämper, dass sich der Ministerpräsident dazu nicht in der Lage sieht?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Mostofizadeh, nach meiner Erinnerung war es nicht die Staatskanzlei, die um diese Solidaritätsadresse gebeten hat, sondern der Fraktionsvorsitzende der CDU-Landtagsfraktion.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich!)

Deshalb scheint die Frage schon auf einer falschen Informationsbasis zu beruhen. Falls es anders gewesen sein sollte, werden wir das selbstverständlich noch nachreichen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Ihnen, Herr Minister, der Abgeordnete Körfges von der SPD-Fraktion, der damit auch seine zweite Frage stellt.

Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Minister Lienenkämper, ich habe eine Nachfrage, bezogen auf diesen famosen Bericht, den wir im Rechtsausschuss bekommen haben. Das hat mich dazu veranlasst, im Rechtsausschuss nachzufragen, ob der Justizminister oder ein anderes Kabinettsmitglied mit ermittelnden Beamtinnen oder Beamten persönlich Kontakt gehabt hat. Ich erlaube mir, die Frage zu wiederholen.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Diese Antwort kann ich Ihnen naturgemäß nicht geben, weil ich die beiden Minister nicht 24 Stunden an den jeweiligen Tagen begleitet habe. Wir werden die Frage aber selbstverständlich gerne schriftlich nachbeantworten.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Die nächste Frage stellt Ihnen Frau Kollegin Kap-teinat von der SPD-Fraktion.

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, wann, an welchem Tag, wurde nach Anzeigenerstattung mit den tatsächlichen Ermittlungsarbeiten begonnen?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Mit den Ermittlungsarbeiten ist unmittelbar am Abend bzw. am Tag des 15. März begonnen worden. Anders kann ich mir nicht erklären, dass am 16. März um 01:34 Uhr die WE-Mitteilung bereits abgesendet werden konnte. Es wird also sicherlich am 15. März gewesen sein.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Altenkamp von der SPD-Fraktion.

Britta Altenkamp (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, können Sie die Daten der Kabinettssitzungen bitte genau nennen, zum einen die Kabinettssitzung, in der das Kabinett informiert worden ist und dann in der Folge Solidaritätsbekundungen abgegeben hat, zum anderen das Datum der Kabinettssitzung, wann das Kabinett darüber informiert worden ist, dass es eben keinen Hackerangriff gegeben hat?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Altenkamp, beides hat nicht im Rahmen einer Kabinettssitzung stattgefunden. Die Termine der Kabinettssitzungen im zuständigen Zeitraum kann ich Ihnen selbstverständlich trotzdem nennen.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

– Jedenfalls nachnennen. Ich könnte jetzt in den Kalender schauen. Ich weiß jetzt nicht auswendig, wann genau Kabinett war. Aber das lässt sich relativ leicht nachschauen, und das werden wir Ihnen selbstverständlich schicken.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Dann ist der nächste Fragesteller der Kollege Dahm von der SPD-Fraktion, der seine dritte Frage stellt und damit auch keine Fragemöglichkeit mehr hat.

Christian Dahm (SPD): Herr Minister, wann ist das JM über den Sachstand der Ermittlungen informiert worden, und in welchem Zuge ist dann die Staatskanzlei informiert worden?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Dahm, diese Frage werden wir Ihnen nachbeantworten. Das muss natürlich das JM zuliefern. Das kann ich jetzt aus eigener Zuständigkeit nicht sofort sagen. Wir werden Ihnen das aber gern genauso detailliert und genauso faktenreich wie die übrigen Antworten geben.

(Martin Börschel [SPD]: Das kann ja heiter werden!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Frau Kollegin Schäffer ist die nächste Fragestellerin und hat damit auch ihre Fragemöglichkeiten erschöpft.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Vielen Dank. – Ich möchte gern noch einmal klarstellen, dass es sich hier um unterschiedliche Sachverhalte handelt, einmal die Drohungen, die ohne Frage schlimm sind und wo es nach wie vor unsererseits auch eine Solidarität gibt, zum anderen der Hackerangriff. Darüber reden wir, auch wenn wir über diese Presseerklärung von Herrn Wiermer sprechen; denn um nichts anderes ging es in dieser Presseerklärung.

Um es für Sie vielleicht einmal einzuordnen, wie man polizeiliche WE-Meldungen zu beurteilen hat: Es gibt einen Erlass dazu vom 1. Juli 2008. Dort steht eindeutig unter Punkt 5, dass Schnelligkeit vor Vollständigkeit geht. Also wenn Sie von WE-Meldungen sprechen – das sage ich für Sie für den Hinterkopf –, kann man nicht davon ausgehen, dass es schon Ermittlungsergebnisse sind, sondern es ist eine Kurznachricht, sozusagen eine schnelle Information an die Behörden nach oben, nicht mehr und nicht weniger.

(Zuruf von der CDU – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Beruhigt euch mal wieder! Schön ruhig sein da drüben!)

Herr Lienenkämper, stimmen Sie mir zu, dass es zum Zeitpunkt der Presseerklärung von Herrn Wiermer noch gar keine polizeilichen Ermittlungsergebnisse zum Hackerangriff geben konnte, weil ja erst am Morgen des 16. März die Ermittlungen auf das LKA, auf diese Cybercrime-Kompetenzstelle, übermittelt wurden? Stimmen Sie mir zu, dass zu diesem Zeitpunkt des Herausschickens der Erklärung noch gar keine Ergebnisse vorliegen konnten?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Schäffer, zuerst einmal bedanke ich mich sehr für die Ausleuchtung der rechtlichen Hintergründe einer WE-Mitteilung.

(Beifall von der CDU)

Es ist immer hilfreich, auch noch einmal über die Grundlagen der WE-Mitteilungen zu reden. Ich glaube, ich habe Ihnen jedoch relativ deutlich gemacht, dass bereits die erste WE-Mitteilung unmittelbar in der Nacht des 16. März einen hohen Detaillierungsgrad hat

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

und sogar einen sehr konkreten, technisch begründeten Verdacht dargelegt hat, auf welche Art und Weise möglicherweise dieser Hackerangriff gemacht worden sein könnte, sodass ich in diesem Fall den Behörden sehr danke, dass sowohl Schnelligkeit als auch Gründlichkeit Inhalt dieser WE-Mitteilung waren.

Zur zweiten Frage: Ich stimme Ihnen natürlich zu, dass es damals noch keine abgeschlossenen Ermittlungsergebnisse gab. Das Ermittlungsverfahren ist schließlich bis heute auch noch nicht abgeschlossen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Der nächste Fragesteller ist Kollege Rüße von den Grünen, der damit auch seine zweite Fragemöglichkeit hat.

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Lienenkämper, die Aussage von Herrn Wiermer beruhte ja ausschließlich auf der WE-Meldung. Die WE-Meldung ist wiederum aufgebaut auf den Zeugenaussagen der Geschädigten. Würden Sie – man wird ja immer schlauer mit der Zeit – es aus heutiger Sicht noch für gerechtfertigt halten, dass Herr Wiermer diese Erklärung abgegeben hat?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Rüße, die Frage basiert schon auf einer falschen Sachverhaltsannahme. Die Erklärung basierte auf der WE-Meldung vom 16. März, 1:34 Uhr, auf der Korrespondenz, die ich Ihnen zitiert habe, vom gleichen Morgen um 9:51 Uhr, auf der Nachricht des Ministeriums des Innern von 10:45 Uhr, die ich Ihnen auszugsweise geschildert habe,

(Monika Düker [GRÜNE]: Aber da stand ja nichts drin!)

auf dem Bericht des polizeilichen Staatsschutzes von 11:00 Uhr.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sie machen sich echt lächerlich, Herr Minister! – Gegenruf von Daniel Sieveke [CDU])

Damit ist offenkundig schon die Tatsachenannahme, die Sie Ihrer Frage zugrunde legen, falsch.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Der nächste Fragesteller ist Kollege Bialas von der SPD-Fraktion.

Andreas Bialas (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Lienenkämper, Sie sagten gerade, dass der Ministerpräsident sich nicht zu laufenden Ermittlungen äußert. Wir haben gerade auch schon herausgearbeitet, dass es doch deutliche Unterschiede gibt zwischen Bedrohung und Nötigung, aber auch zwischen einem Eindringen in das Netzwerk und dem Hackerangriff.

Jetzt ist es ja so, dass bezüglich des Hackerangriffs mitgeteilt worden ist, dass da scheinbar kein Anfangsverdacht vorliegt, was dann im Grunde genommen auch die Beendigung der Ermittlungen an dieser Stelle bzw. noch nicht einmal das Einleiten von Ermittlungen bedeutet. Jetzt sage ich: Das ist doch dann keine Äußerung mehr zu laufenden Ermittlungen. Da muss man doch froh sein, da muss doch jemand erleichtert sein. Da muss doch jemand sagen: Mensch, da war nichts;

(Beifall von der SPD und Arndt Klocke [GRÜNE])

es war ein Bedienungsfehler; NRW ist doch nicht so kriminell, wie wir dachten! – Da muss man doch hingehen und sagen: Mensch, damit dränge ich jetzt nach draußen!

Jetzt ist der Herr Ministerpräsident nicht da. Sie können an dieser Stelle nur vermuten. Noch einmal die Frage: Warum sagt er da nichts? Es ist doch eine Info zur Freude für alle.

(Beifall von der SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Da freut sich sogar Herr Hovenjürgen!)

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Bialas, anders als Sie kann ich an diesem Tatbestand überhaupt keinen Anlass zur Freude empfinden. Da ist jemand Opfer geworden, und das ist kein Anlass zur Freude.

(Angela Lück [SPD]: Lieber Hackerangriff!)

Das Zweite: Herr Kollege Bialas, ich habe Ihnen eben bereits gesagt, dass bis heute das Ermittlungsverfahren zum Thema „Hackerangriff“ noch nicht abgeschlossen ist. Die Mitteilung des Justizministeriums habe ich Ihnen eben auszugsweise zitiert.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Brems von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ich habe eine Nachfrage zu dem Satz, den Herr Wiermer sagte, den wir jetzt schon mehrmals gehört haben und bald auch alle auswendig kennen: „Mindestens teilweise waren die Versuche demnach auch erfolgreich.“

Ich habe Ihren Ausführungen eben entnommen, dass dieser Satz auf Vermutungen basierte. Natürlich ist so kurz nach einer vermuteten Tat auch nachvollziehbar, dass es zunächst Vermutungen sind. Aus Ihren Ausführungen ist für mich aber nicht deutlich geworden, wessen Vermutungen das waren. Waren das Vermutungen der Ministerin, oder waren es Vermutungen der Ermittler?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Brems, die Grundlage waren Sachverhaltsdarstellungen vom 16. März um 1:34 Uhr, um 9:51 Uhr, um 10:45 Uhr und um 11:01 Uhr. Es waren also keine reinen Vermutungen, sondern faktenbasierte Vorlagen, die ich eben auszugsweise zitiert habe.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wenn Ihnen nicht klar geworden ist, dass man daraus ablesen kann, was der Regierungssprecher gesagt hat, dann kann ich diese Frage, warum Ihnen das nicht klar geworden ist, nicht beantworten.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Der nächste Fragesteller ist Herr Kollege Schmeltzer von der SPD-Fraktion.

Rainer Schmeltzer (SPD): Herr Minister, meine Frage geht in die gleiche Richtung. Sie wiederholen auf Basis möglicher Fakten permanent Sachverhaltsdarstellungen mit den drei Daten, die Sie immer wieder angesprochen haben. Fakt bleibt: Es hat keine Fakten gegeben. Das ist mittlerweile erwiesen. Fakt ist aber auch, dass der Regierungssprecher – ich zitiere es noch einmal – einen Fakt geschaffen hat, indem er gesagt hat: „Mindestens teilweise waren die Versuche … auch erfolgreich.“ – Das sind Fakten, die er geschaffen hat. Er hat nicht gesagt, die Versuche könnten auch erfolgreich gewesen sein.

Der Regierungssprecher spricht für die Landesregierung. Der Regierungssprecher ist dem Ministerpräsidenten direkt unterstellt. Jetzt frage ich Sie: Spricht hier der Regierungssprecher trotz laufender Ermittlungen ohne Abstimmung seines weisungsbefugten Ministerpräsidenten? Gibt es hier keine Kommunikation, oder wie ist das organisiert?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Schmeltzer, wie Sie aus eigener vorangegangener Tätigkeit wissen, ist der Regierungssprecher mit dem Ministerpräsidenten, dem Chef der Staatskanzlei und den anderen dienstlichen Stellen der Staatskanzlei bestens vernetzt, und die Arbeit ist gut organisiert.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Davon gehen Sie aus!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Fragestellerin ist Frau Kapteinat von der SPD-Fraktion. Das ist Ihre zweite und letzte Fragemöglichkeit.

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, wir haben im Rechtsausschuss erfahren, dass am 29.03. bei der Ministerin a. D. zu Hause ein Ortsbesuch mit den sonstigen Mitgliedern des Haushaltes stattgefunden hat, wo die Ministerin darüber informiert worden ist, dass kein Anfangsverdacht zu erkennen ist. Darüber hinaus wurde uns im Rechtsausschuss mitgeteilt, dass das Kabinett vorab auch über diesen Termin informiert wurde.

Daher frage ich nach: Hat sich, nachdem eine Welle der Fürsorge vonseiten aller Fraktionen, insbesondere natürlich vonseiten der Regierungsmitglieder, zunächst – wie wir dachten, völlig zu Recht – über Christina Schulze Föcking geschwappt ist, niemand aus dem Kabinett danach erkundigt was es gegeben hat?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin, das Kabinett in Gänze ist über diese Details nicht informiert worden. Das Kabinett hält sich daran, dass der Minister der Justiz für die Ermittlungsverfahren und die damit in Zusammenhang stehenden Informationen zuständig ist und dass die Pressezuständigkeit bei der Staatsanwaltschaft in Köln lag. Deswegen hatte das Kabinett keine Veranlassung, über die Pressearbeit der Polizei oder der Staatsanwaltschaft in Köln nachzudenken.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Die nächste Frage stellt Ihnen Frau Kollegin Altenkamp von der SPD-Fraktion. Das ist auch ihre zweite Fragemöglichkeit.

Britta Altenkamp (SPD): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, nachdem Sie mir vorhin geantwortet haben, dass es keine Informationen im Kabinett gegeben hat, wüsste ich gerne von Ihnen: Wann haben Sie persönlich erfahren, dass es einen Hackerangriff gegeben haben soll, in dessen Folge Sie wohl auch persönlich – schließlich hat es das ganze Kabinett getan – eine Solidaritätsadresse gegenüber Ihrer Kollegin abgegeben haben? Und wann haben Sie persönlich erfahren, dass es keinen Hackerangriff gegeben hat?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Altenkamp, auch ich habe die Presseerklärung gelesen, die der Regierungssprecher am 16. März gemacht hat. Darüber bin ich dann natürlich auch informiert worden.

Ihre zweite Frage lautete, wann ich darüber informiert worden sei, dass es keinen Hackerangriff gegeben hat. Ehrlich gesagt ist noch niemand abschließend darüber informiert worden, weil das Ermittlungsverfahren ja noch gar nicht beendet ist.

(Zurufe von SPD und GRÜNEN: Oh!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Kollege Horst Becker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Horst Becker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Minister Lienenkämper, vorab möchte ich anmerken, dass ich mich noch sehr wohl an die Zeiten erinnere, als Sie in der Opposition waren, und ich frage mich die ganze Zeit, was Sie wohl als Politiker der Opposition zu einem solchen Verhalten gesagt hätten, hätten wir uns als Regierungspartei jemals so verhalten. Ich glaube, Sie hätten von sachgrundlos erheischter Solidarität gesprochen.

In diesem Zusammenhang hätte ich gern von Ihnen eine Antwort auf die Frage, ob Sie es nicht als einen Widerspruch empfinden, wenn man als Landesregierung und als Ministerpräsident sehr wohl von einem Anfangsverdacht berichtet, dann aber, wenn dieser sich nicht erhärtet und als gegenstandslos erwiesen hat, mit dem Hinweis auf ein laufendes Ermittlungsverfahren nicht mehr davon berichten will. Sehen Sie das nicht als Widerspruch an?

(Zuruf: Ja!)

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Becker, Frau Schulze Föcking hat bereits ausdrücklich bedauert, dass sie über die zwischenzeitlichen Ergebnisse, die ihr persönliches Verfahren betreffen, zumindest nicht früher informell informiert hat. Dieses öffentliche Bedauern steht im Raum, und jedes Mitglied der Landesregierung nimmt dieses öffentliche Bedauern sehr ernst. Punkt.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Kollege Dudas von der SPD-Fraktion ist der nächste Fragesteller.

Gordan Dudas (SPD): Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, dass sich der Regierungssprecher in seiner Aussage ausschließlich auf die WE-Meldung bezogen hat. Vergangene Woche, als schon klar war, dass es keinen Hackerangriff gegeben hat, hat er laut „RP“ weiterhin gesagt, dass der Staatskanzlei und der Landesregierung neben der WE-Meldung weitere Informationen vorgelegen hätten, die die damalige Bewertung nahegelegt hätten, dass es kriminelle Attacken gegen die Privatsphäre der Ministerin gegeben habe. Von wem kommen diese Informationen?

Darüber hinaus hat der Minister noch gesagt, er müsse allerdings erst einmal abwarten, bis die Geheimhaltung dieser Papiere aufgehoben werde. Wann wird die Geheimhaltung der Papiere aufgehoben?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Ich habe Ihnen eben nicht gesagt, dass sich der Regierungssprecher ausschließlich auf die WE-Meldung bezogen hat, sondern ich habe Ihnen gesagt, dass er sich auf die WE-Meldung vom 16. März um 1:34 Uhr, auf die Korrespondenz zwischen dem Polizeipräsidium Düsseldorf und dem Leiter des Ministerbüros, die um 9:51 Uhr am gleichen Tag übermittelt worden ist, auf die Nachricht des Ministeriums des Innern von 10:45 Uhr und auf den Sachstandsbericht von 11:01 Uhr aus dem Referat „Polizeilicher Staatsschutz“ bezogen hat. Er hat sich auf diese Fülle von Informationen und Sachberichten bezogen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Frau Kollegin Lüders von der SPD-Fraktion stellt Ihnen jetzt ihre zweite Frage.

Nadja Lüders (SPD): Herr Minister Lienenkämper, Sie konnten gerade die Freude von Herrn Bialas, dass es kein Hackerangriff war, nicht teilen und verweisen gleichzeitig auf das laufende Ermittlungsverfahren, das derzeit trotz eines nicht vorliegenden Anfangsverdachts noch weitergeführt wird. Gehen Sie denn davon aus, dass es tatsächlich ein Hackerangriff war?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Oder freuen Sie sich dann mehr?)

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin, dass es keinen Hackerangriff gegeben hat, ist ehrlich gesagt … Oder, wenn es so gewesen sein sollte, wäre es das Normalste der Welt. Darüber kann ich mich nicht freuen. Im Gegenteil: Das Bedrohungsumfeld, das bis heute gegen Frau Schulze Föcking anhält, gibt mir unverändert Anlass zu großer Sorge in diesem Zusammenhang und nicht zur Freude darüber, dass möglicherweise ein Teil einer Straftat nicht stattgefunden hat, über den wir hier reden.

Ich habe mir als Mitglied der Landesregierung nicht anzumaßen, vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens präzise vorauszusagen, wie dieses Ermittlungsverfahren abgeschlossen werden wird. Ich wäre aber nicht überrascht, wenn das Ergebnis, wie Sie es insinuiert haben, herauskommen würde.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Der nächste Fragesteller ist Herr Kollege Watermeier von der SPD-Fraktion.

Sebastian Watermeier (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, Sie haben vorhin auf die Frage meiner Kollegin Altenkamp ausgeführt, dass Sie von dem Umstand, dass es diesen Hackerangriff gegeben haben soll, aus der Presse bzw. durch die Pressekonferenz erfahren haben. Auf der Pressekonferenz hat der Regierungssprecher aber ausdrücklich die Solidarität des Kabinetts betont. Sie sind Angehöriger des Kabinetts.

(Das Mikrofon des Abgeordneten fällt aus.)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Watermeier, wir haben hier nichts unternommen, um Ihnen den Saft abzudrehen.

(Marlies Stotz [SPD]: Hackerangriff! – Weitere Zurufe von der SPD)

Das Problem besteht nun darin, dass die Reihenfolge völlig durcheinanderkommt, wenn ich versuche, Sie jetzt einzuschalten. Ich probiere es noch einmal. – Sie sind leider nicht zu verstehen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Sebastian Watermeier (SPD): Ah, ein Wackelkontakt.

Herr Minister, Sie sind Angehöriger des Kabinetts. Ist im Vorfeld eine Konsultation der Kabinettsmitglieder in irgendeiner Art und Weise dazu durchgeführt worden, ob Sie Ihre Solidarität erklären wollen, oder hat der Regierungssprecher das vorausgesetzt? Sind Sie nachrichtlich darüber informiert worden?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege, ich habe eben bereits ausgeführt, dass eine Befassung des gesamten Kabinetts in einer Präsenzsitzung nicht stattgefunden hat. Sie kennen den Umstand, dass der Sprecher der Landesregierung für die gesamte Regierung spricht. Und richtig: Ich gehöre ihr an.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Ihnen Frau Kollegin Müller-Witt von der SPD-Fraktion.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, Sie sprechen immer davon, dass es sich um ein noch laufendes Verfahren handeln würde. Kann man davon ausgehen, dass es sich möglicherweise deshalb um ein noch laufendes Verfahren handelt, weil der potenziell Geschädigten bis heute noch nicht die übliche schriftliche Mitteilung zugegangen ist, in der mitgeteilt wird, dass das Verfahren eingestellt worden ist?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Nein.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Oh, das war die Antwort. Vielen Dank. – Kollege Zimkeit von der SPD-Fraktion stellt Ihnen die nächste Frage.

Stefan Zimkeit (SPD): Herr Ministerpräsident!

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Oh, Entschuldigung! Herr Minister, zunächst möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie trotz des laufenden Ermittlungsverfahrens zum Hackerangriff schon Fragen dazu beantwortet haben.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nachfragen: Hat Herr Ministerpräsident Laschet, der sich ja Ihren Ausführungen zufolge nicht dazu äußern wollte, weil noch ein Ermittlungsverfahren läuft, seiner Umweltministerin, Frau Schulze Föcking, empfohlen, die anderen Fraktionen darüber zu informieren, dass es keinen Anfangsverdacht für einen Hackerangriff gibt?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Zimkeit, über die Gespräche des Ministerpräsidenten mit Frau Kollegin Schulze Föcking kann ich Ihnen mangels meiner Anwesenheit nicht vollständig Auskunft geben.

(Zurufe von Stefan Zimkeit [SPD] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Weitere Zurufe)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Paul von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, Sie haben nun schon mehrfach auf die weiteren Erkenntnisse abgehoben, die in der Erklärung der Landesregierung vom 16. März den Regierungssprecher zu den Aussagen „Mindestens teilweise waren die Versuche demnach auch erfolgreich“ und „Die Landesregierung verurteilt die offenkundig kriminellen Eingriffe“ gebracht haben.

Nun gab es in der WDR-Sendung „Westpol“ vom vergangenen Sonntag, also dem 13.05., eine Äußerung von Sebastian Fiedler, der in diesem Beitrag, der sich um diese ganze Geschichte drehte, sehr deutlich gemacht hat, dass zum Zeitpunkt der Stellungnahme der Staatskanzlei – also um 12:29 Uhr am 16. März – noch keine Ermittlungen stattgefunden haben.

Herr Minister, Sie haben gerade auch ausgeführt, dass es sich jeweils um Sachverhaltsdarstellungen gehandelt hat, die die weiteren Erkenntnisse untermauert haben. Würden Sie mir noch mal bestätigen, dass diese Sachverhaltsdarstellungen rein auf der Basis der Aussagen der Geschädigten, also nicht auf Ermittlungen, fußen?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Paul, ich zitiere gerne aus der WE-Mitteilung vom 16. März um 1:34 Uhr:

(Monika Düker [GRÜNE]: Ja, das ist die WE-Meldung! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist keine Ermittlung!)

„Unbekannte Tatverdächtige verschafften sich vermutlich über das WLAN-Netz des Hauses, Zugriff auf das Netzwerk. Inwieweit auf Computer oder andere Kommunikationsgeräte, wie das Handy der Ministerin, in dem WLAN-Netz zugegriffen wurde, ist Gegenstand der Ermittlungen.“

Damit beantwortet sich diese Frage.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Der nächste Fragesteller ist Herr Kollege Stinka von der SPD-Fraktion.

André Stinka (SPD): Herr Minister, Sie haben in Ihren Ausführungen auf die hohe Belastung der damaligen Umwelt- und Landwirtschaftsministerin und auf die Schmähungen abgestellt. Haben Sie vielleicht einmal mit ihr darüber gesprochen, warum sie beim ersten Eindringen auf ihren Hof auf eine Anzeige verzichtet hat und jetzt eine Anzeige durch ihren Mann erstattet worden ist?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Stinka, ich habe nicht die Absicht, auf eine Frage zur Faktenlage der Erklärung des Regierungssprechers Christian Wiermer am 16. März 2018

(Bodo Löttgen [CDU]: Genau!)

zu den Beweggründen der unter schweren öffentlichen Schmähungen leidenden Ministerin a. D. Schulze Föcking Stellung zu nehmen – nicht noch einmal.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Der nächste Fragesteller ist der Kollege Baran von der SPD-Fraktion.

Volkan Baran (SPD): Frau Präsidentin! – Herr Minister, Sie haben mehrfach geäußert, dass sich der Ministerpräsident und, wie ich herausgehört habe, auch Teile der Landesregierung nicht zu laufenden Ermittlungen äußern. Aber der Regierungssprecher tut das, auch am 16. März. Und wenn er das tut, dann tut er das doch für die Landesregierung, oder?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Ja.

(Heiterkeit von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Die nächste Fragestellerin ist Frau Abgeordnete Kraft von der SPD-Fraktion.

Hannelore Kraft (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Frage richtet sich an den stellvertretenden Ministerpräsidenten. Herr Kollege Stamp, können Sie uns sagen, wann Sie über den vermeintlichen Hackerangriff informiert wurden und wann Sie über den aktualisierten Ermittlungsstand „Fehlfunktion des internen Netzwerks“ informiert worden sind?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Frau Kollegin Kraft, die …

(Hannelore Kraft [SPD]: Ich habe Herrn Kollegen Stamp gefragt! Der sitzt da, der kann doch antworten, oder? Wissen Sie, wann er Informationen bekommen hat? Das finde ich interessant! – Zurufe von der CDU)

Frau Ministerpräsidentin a. D. Kraft, Sie wissen aus Ihrer eigenen Tätigkeit in verschiedenen Funktionen der Landesregierung ganz genau, dass die Landesregierung darüber entscheidet, wer Fragenkomplexe beantwortet.

(Christian Dahm [SPD]: Können wir in vier Wochen wiederholen!)

In diesem Fall hat sich die Landesregierung dafür entschieden, dass der Minister der Finanzen das tut. Da bin ich gerade sehr intensiv dabei unter Nennung aller Sachverhalte.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Schmeltzer von der SPD-Fraktion. Das ist auch seine zweite und letzte Frage.

Rainer Schmeltzer (SPD): Herr Minister Lienenkämper, vielen Dank für den Hinweis in der Beantwortung meiner ersten Frage, dass ich weiß, wie eine Regierung funktioniert. Ja, ich weiß das. Deswegen haben wir heute hier eine Fragestunde. Sie haben in der Beantwortung darauf hingewiesen, dass der Regierungssprecher natürlich in engster Abstimmung mit dem Ministerpräsidenten und dem Chef der Staatskanzlei agiert. Demnach meine Frage: Auch der Auftritt, auch inhaltlicher Art, am 16. März war demnach eng abgestimmt mit dem Ministerpräsidenten und dem Chef der Staatskanzlei?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Der Auftritt am 16. März ist in Zuständigkeit des Regierungssprechers für die gesamte Regierung aufgrund der beschriebenen Faktenlage erfolgt.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Widerspruch zur ersten Antwort!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Horst Becker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das ist auch seine zweite und letzte Frage.

Horst Becker (GRÜNE): Herr Minister, ich habe eben die Frage gestellt, ob Sie es nicht als einen Widerspruch empfinden, wenn von einem Anfangsverdacht gesprochen und dies öffentlich gemacht wird und gleichzeitig bei offensichtlich nicht zum Erfolg geführten, möglicherweise gar schon eingestellten Ermittlungen dann aber gesagt wird, dazu wolle man sich nicht äußern. Sie haben dann so getan, als hätte ich nach der Ministerin Schulze Föcking gefragt. Ich habe aber ausdrücklich die Frage auf das Verhalten des Ministerpräsidenten bezogen. Deshalb noch einmal die Bitte, darauf zu antworten.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Becker, der Ministerpräsident äußert sich prinzipiell nicht zu laufenden Ermittlungsverfahren.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Herr Kollege Hübner von der SPD-Fraktion stellt Ihnen die nächste Frage. Damit hat auch er seine Fragemöglichkeiten erschöpft.

Michael Hübner (SPD): Vielen Dank für die Worterteilung, Frau Präsidentin. – Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, als Sie insinuierten, dass Sie nicht immer tagesaktuell informiert worden sind, dass Sie am 18. April nicht erfahren haben, dass die Staatsanwaltschaft Frau Ministerin Schulze Föcking a. D. darüber informiert hat, dass es nur ein vermeintlicher Hackerangriff war, der sich aus einer Fehlbedienung oder Fehlfunktion des internen Netzwerks der Familie Schulze Föcking ergeben hat?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Ja.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Herr Kollege Börschel von der SPD-Fraktion wird Ihnen die nächste Frage stellen.

Martin Börschel (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ich kann direkt daran anschließen: Wann und von wem wurden Sie persönlich darüber informiert, dass es keinen Hackerangriff gab?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Herr Kollege Börschel, das gesamte Kabinett ist vor allen Dingen mit dem Bericht des Ministers der Justiz an den Rechtsausschuss des Landtags informiert worden. Das hatte ich bereits gesagt. Diesem Kabinett gehöre ich unverändert an.

(Martin Börschel [SPD]: Was heißt „vor allen Dingen“?)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Der nächste Fragesteller ist der fraktionslose Abgeordnete Pretzell.

Marcus Pretzell (fraktionslos): Herr Minister Lienenkämper, eigentlich ist es irre, dass wir uns mit dieser ganzen Geschichte befassen. Aber Sie haben vorhin ausgeführt, der Ministerpräsident äußere sich nicht zu laufenden Ermittlungsverfahren.

Nun habe ich Sie folgendermaßen verstanden: Es hat die Mitteilung gegeben, dass es keinen Anfangsverdacht gibt. – Ohne einen Anfangsverdacht gibt es nur Vorermittlungen. Mit Anfangsverdacht verbunden ist dann die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens. Wenn aber die Staatsanwaltschaft mitteilt, dass es keinen Anfangsverdacht gibt, dann beendet das natürlich kein Ermittlungsverfahren, weil das noch gar nicht eröffnet ist. Das heißt aber gleichzeitig, dass sie gar nicht beabsichtigt, ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen.

Jetzt muss ich mich schon fragen: Wie kann ein Verfahren laufen – das ist hier schon an mehreren Stellen angeklungen, aber die Begriffsverwirrung geht munter weiter, auch in den Fragen – … Ich verstehe nicht, sofern ich Sie richtig verstanden habe, wie ein Ermittlungsverfahren laufen kann, wenn es keinen Anfangsverdacht gibt. Vielleicht können Sie mir diese Frage auch als Finanzminister beantworten.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Diese auf mich in Teilen etwas wirre wirkende Rechtsexegese habe ich jetzt nicht vollständig nachvollziehen können.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie sind doch Jurist!)

Ich kann Ihnen aber sagen, wie nach Auskunft der Generalstaatsanwaltschaft Köln der Sachstand zum heutigen Tage ist. Ich zitiere aus der Mitteilung des Generalstaatsanwalts in Köln, die er dem Ministerium der Justiz heute, am 16. Mai, gegeben hat. Zitat:

„Zur Vorbereitung der Abschlussentscheidung wird derzeit die technische Ermittlungsdokumentation erstellt und anschließend die Ermittlungsakte durch das Landeskriminalamt der Staatsanwaltschaft vorgelegt“.

Zitatende. – Das hatte ich aber bereits zu Beginn meiner Ausführungen gesagt.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Der Kollege Ganzke von der SPD-Fraktion ist der nächste Fragesteller.

Hartmut Ganzke (SPD): Und der bedankt sich bei der Frau Präsidentin für die Erteilung des Wortes. – Herr Minister, ich habe eine Frage. Der Regierungssprecher hat in seiner Pressekonferenz am 16. März wortwörtlich mitgeteilt, als es um die Frage von mutmaßlichen Hackerangriffen ging: „Mindestens teilweise waren die Versuche … auch erfolgreich.“ Das ist ein wortwörtliches Zitat.

Ich frage Sie, weil Sie uns gerade dreimal die WE-Meldung vorgelesen haben. Aus dieser WE-Meldung lassen sich diese erfolgreichen Versuche nicht herauslesen. Deshalb frage ich ganz konkret: Aufgrund welcher jetzt noch nicht bekannten oder noch nicht vorgelegten Dokumente bzw. Gespräche hat der Herr Regierungssprecher seine Meinung am 16. März kundgetan?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Der Regierungssprecher hat sich am 16. März auf alle von mir zitierten Informationen bezogen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Lück von der SPD-Fraktion.

Angela Lück (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Lienenkämper, Sie haben ausgeführt: Der Ministerpräsident äußert sich nicht zu laufenden Ermittlungen. – Gilt das auch für den Regierungssprecher?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Nein.

(Heiterkeit)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will aus gegebenem Anlass auf § 94 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung – der beschäftigt sich mit der Fragestunde – aufmerksam machen und den letzten Satz daraus zitieren:

„Die Dauer der Fragestunde soll 60 Minuten nicht überschreiten.“

Wir sind bereits bei einer Überschreitung von 13 Minuten. – Es sind hier unter anderem noch – ich muss jetzt einmal schauen – die Kollegen Herter, Dudas, Börschel, Bialas und Ganzke angemeldet. Es gibt insgesamt sieben Anmeldungen. Die weiteren können wir nicht sehen. Trifft es Ihre Zustimmung, wenn wir an dieser Stelle einfach sagen, die sieben nehmen wir noch, und dann ist die Fragestunde an der Stelle auch beendet?

(Zurufe)

– Es ist zwar ein unterschiedliches Gemurmel, was nicht alles akustisch bei mir oder hier oben ankommt, aber wir werten das jetzt einfach als eine Zustimmung.

(Zurufe: Nein!)

– Nein? Dann mache ich Folgendes: Wir lassen jetzt eben den Kollegen Herter die nächste Frage stellen, und ich berate mich hier oben mit den beiden Schriftführern.

Marc Herter (SPD): Danke, Frau Präsidentin. – Herr Minister der Finanzen, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass jedenfalls das gesamte Kabinett spätestens durch den Bericht des Justizministers informiert worden ist. Sind Sie denn persönlich früher informiert worden? Und wenn ja, wann?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Nein.

(Marc Herter [SPD]: Gut!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Wir haben eine Verständigung in dem Sinne erzielt, dass die Mehrheit derjenigen, die das sitzungsleitende Präsidium sind, an dieser Stelle für den Abbruch sind. Da die Mehrheitsentscheidung so getroffen worden ist, hätten wir jetzt zwar noch Fragen, aber ich erkläre damit die Fragestunde für beendet.

(Zurufe)

– Ich kann ja nachvollziehen, dass Sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind. Wir werden das sicherlich an anderer Stelle auch noch klären. Dafür gibt es aber das sitzungsleitende Präsidium, das in Fällen, in denen es keine ganz klaren Regelungen oder Interpretationsspielräume gibt und in denen das Parlament offensichtlich nicht einheitlich signalisiert, dass ein Vorschlag angenommen wird, an der Stelle auch entscheidet.

(Zurufe – Verena Schäffer [GRÜNE] meldet sich zu Wort.)

– Zur Geschäftsordnung? – Bitte schön.

(Zurufe – Unruhe – Glocke)

Ich bitte die Kollegen einen Moment lang um Ruhe, weil Frau Kollegin Schäffer von Bündnis 90/Die Grünen sich zur Geschäftsordnung gemeldet hat; und Geschäftsordnungsanträge gehen vor.

Zur Geschäftsordnung

Verena Schäffer (GRÜNE):*) (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Aus unserer Sicht ist das so nicht zulässig, denn in der Geschäftsordnung ist eindeutig geregelt, dass die Fragestunde eine Stunde betragen soll. Es ist eine Sollvorschrift, aber keine Mussvorschrift. Wir befinden uns noch immer bei derselben Frage. Es liegen noch Fragen vor, und es sind auch noch Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion eingedrückt.

Insofern beantragen wir als grüne Fraktion, dass die Fragestunde so lange fortgeführt wird, bis hier alle Fragen entsprechend gestellt werden konnten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Wir werde diesen Antrag zur Geschäftsordnung selbstverständlich zur Abstimmung stellen. Ich will aber darauf aufmerksam machen, dass der genaue Wortlaut des § 94 Abs. 2, in dem es um die Fragestunde geht, lautet:

„Grundsätzlich findet in jeder ersten Plenarsitzung im Monat eine Fragestunde statt. In weiteren Plenarsitzungen kann je eine Fragestunde stattfinden.“

Und jetzt kommt es:

„Die Dauer der Fragestunde soll 60 Minuten nicht überschreiten.“

– Das ist ein etwas anderer Wortlaut, und damit gibt es auch eine Interpretationsmöglichkeit der Geschäftsordnung.

(Zurufe)

Wir waren, als ich deutlich gemacht habe, dass die Überschreitung bereits im Rahmen des sonst Üblichen gelaufen ist, bei 13 oder 14 Minuten. In Zweifelsfällen – wenn die Ermessensentscheidung der sitzungsleitenden Präsidentin im sitzungsleitenden Präsidium nicht auf Zustimmung bzw. Einhelligkeit trifft – muss man sich beraten. Das haben wir durchgeführt. Von daher sind wir, glaube ich, vom Verfahren her bis dahin klar.

Jetzt gibt es einen Geschäftsordnungsantrag. Über den lasse ich jetzt abstimmen. Frau Kollegin Schäffer hat beantragt, dass die Fragestunde fortgeführt wird. Wer diesem Geschäftsordnungsantrag zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Dagegen stimmt die AfD. Wer enthält sich? – Das sind CDU und FDP.

(Zurufe)

– Kein Problem! Damit ist eine Veränderung in der von uns wahrgenommenen Situation eingetreten. Vielen Dank, dass wir die Klarheit über den Geschäftsordnungsantrag hergestellt haben.

Wir sind jetzt an der Stelle, dass Herr Kollege Dudas von der SPD-Fraktion seine zweite und damit letzte Frage stellen kann.

Gordan Dudas (SPD): Wenn die Lautstärke so ist, dass man auch reden kann, dann will ich das gerne machen. – Herr Minister, Sie haben vorhin ausgeführt, dass Ihnen die Gespräche zwischen dem Herrn Ministerpräsidenten und Frau Schulze Föcking nicht immer bekannt waren. Das kann ich nachvollziehen. Sie können ja auch nicht immer dabei sein. Allerdings sitzen Sie jetzt hier auf der Bank und müssen für die Regierung antworten. Der Herr neben Ihnen darf das ja offensichtlich nicht.

Deswegen frage ich Sie: Herr Minister, können Sie ausschließen, dass Herr Ministerpräsident über weitere Informationen verfügt, die Ihnen nicht bekannt sind? Hat der Ministerpräsident Sie umfangreich und vollumfänglich zu der Sache informiert?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Ich kann ausschließen, dass die Staatskanzlei und der Ministerpräsident nicht fortlaufend über die Ermittlungsergebnisse informiert worden sind. Das habe ich bereits ausführlich beschrieben.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Der nächste Fragesteller ist Herr Kollege Börschel von der SPD-Fraktion.

Martin Börschel (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, von mir noch eine Frage zur Information vom 29. März dieses Jahres. Wie bewerten Sie den Umstand, dass die Information, dass ein Hackerangriff unwahrscheinlich war, nicht das Parlament und die Öffentlichkeit erreicht hat? Erfolgte das Ihrer Einschätzung nach deswegen, um die massiv in die Kritik geratene Ministerin Schulze Föcking zu schützen?

(Bodo Löttgen [CDU]: Das ist unverschämt!)

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Kollege Börschel, ich habe dazu eben beschrieben, dass Christina Schulze Föcking öffentlich bedauert hat, dass die Zwischenergebnisse vom 29. März und vom 18. April 2018 nicht mindestens informell mit den Fraktionen abgestimmt und den Fraktionen zur Kenntnis gegeben worden sind. Dem schließe ich mich natürlich ausdrücklich an.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. Das war auch beim Kollegen Börschel die zweite Fragemöglichkeit um damit seine letzte. – Jetzt hat Herr Kollege Ganzke von der SPD-Fraktion ebenfalls für seine zweite Frage das Wort.

Hartmut Ganzke (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Lienenkämper, Sie haben gerade zum dritten Mal gesagt, dass Herr Ministerpräsident Armin Laschet sich grundsätzlich nicht zu laufenden Ermittlungsverfahren äußert. Ich frage: Warum hat der Ministerpräsident gerade am 16. März eine Ausnahme davon gemacht?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Der Ministerpräsident hat am 16. März davon keine Ausnahme gemacht, sondern der Regierungssprecher hat am 16. März eine Erklärung für die gesamte Landesregierung abgegeben und hat sich im Übrigen mehrfach auf Nachfragen der Presse, auf die auch Sie sich zum Teil bezogen haben, über die zwischenzeitlichen Faktenentwicklungen geäußert. Das ist selbstverständlich.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Der nächste Fragesteller ist der Kollege Mostofizadeh von den Grünen. Es ist seine zweite Frage.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Lienenkämper, Sie haben vorhin ausgeführt, dass sich der Regierungssprecher sehr wohl zu laufenden Ermittlungen äußert, aber nicht der Ministerpräsident. Ich glaube, es ist Unterrichtsstoff der Mittelstufe, wie der Staatsaufbau in Deutschland funktioniert, nämlich, dass alle, die dem Ministerpräsidenten zugeordnet sind, für den Ministerpräsidenten sprechen. Ich frage Sie: Hat es in Nordrhein-Westfalen eine Änderung der Verfassung gegeben, sodass dieser Staatsaufbau hier nicht mehr gegeben ist?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: In Nordrhein-Westfalen hat es keine diesbezügliche Änderung der Verfassung gegeben.

(Heiterkeit von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Kollege Bialas von der SPD-Fraktion. Es ist seine zweite Frage.

Andreas Bialas (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Lienenkämper, ich konnte dem WDR entnehmen, dass Herr Ministerpräsident Laschet eine Stellungnahme abgegeben hat, nämlich zu den Vorfällen „Bedrohung“ und „Nötigung“. Er sagte, so etwas habe er selbst noch nie erlebt. Stimmen Sie mit mir überein, dass das eine persönliche Äußerung in einem laufenden Ermittlungsverfahren ist, und …

(Bodo Löttgen [CDU]: Nein!)

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Nein.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Bitte noch mal eindrücken. Mir war gerade nicht klar, dass noch ein zweiter Teil der Frage kommt.

(Daniel Sieveke [CDU]: Das war schon eine Frage! Es gibt nur eine Frage!)

Herr Bialas.

Andreas Bialas (SPD): Es war ein Komma: … dass damit eine Äußerung zu einem laufenden Ermittlungsverfahren einhergegangen ist und auf der anderen Seite anscheinend keine Aussage getroffen worden ist in einem Bereich, wo Zugriff auf das Internet vermutet wurde, was sich dann hinterher als nicht existent herausgestellt hat, aber wo auch ein Ausspähen von Daten möglich ist, wo auch möglicherweise ein Zugriff auf regierungsinterne Datensätze im Raum steht? Darüber wurde nicht geredet, darüber wurde intern nicht Entwarnung gegeben?

(Bodo Löttgen [CDU]: Die Frage habe ich nicht verstanden!)

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Auf den ersten Teil habe ich bereits mit Nein geantwortet. Es war erkennbar kein Kommentar zu einem laufenden Ermittlungsverfahren, sondern mehrfach ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es hierbei um die Bedrohungen geht, die übrigens bis heute ständig gegen Christina Schulze Föcking auf verschiedensten Kanälen erhoben worden sind. Zu diesen Bedrohungen hat der Ministerpräsident – ich glaube, für uns alle nachvollziehbar – erläutert, dass er das in diesem Ausmaß so noch nicht erlebt hat. Ich glaube, die Wenigsten von uns haben das so erlebt. Ich könnte die ganzen Tweets hier vorlesen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Müller von der SPD-Fraktion.

Frank Müller (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Lienenkämper Sie haben gerade ausgeführt, dass der Herr Ministerpräsident sich grundsätzlich nicht zu laufenden Ermittlungsverfahren äußert. Er hat aber eine Ausnahme gemacht für den Regierungssprecher, der sich sehr wohl zu laufenden Ermittlungsverfahren äußern konnte und geäußert hat. Vielleicht können Sie mir erklären, warum der Regierungssprecher nicht zeitnah nach Bekanntwerden dieser Informationen von dieser Ausnahme Gebrauch gemacht hat und uns erklärt hat, dass es offenkundig keinen Hackerangriff gegeben hat.

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Der Regierungssprecher hat sich erstmals am 16. März dieses Jahres in der Öffentlichkeit zu diesem Vorgang geäußert. Wie und auf welcher Basis, haben wir ausführlich besprochen. Er hat sich zwischenzeitlich auf vielfältige Nachfragen verschiedenster Presseorgane und in Pressekonferenzen mehrfach weiter zu diesem Vorgang geäußert. Das ist zum Teil zitiert worden.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage stellt Ihnen Kollege Herter von der SPD-Fraktion.

(Bodo Löttgen [CDU]: Das ist auch die letzte, die siebte! – Zuruf von der SPD: Nein, danach gab es eine Abstimmung!)

Marc Herter (SPD): Es gab doch eine Abstimmung, Herr Löttgen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Das haben Sie eben angekündigt! – Zuruf von der SPD: Das ist die zweite!)

Wenn ich jetzt darf, Frau Präsidentin? Oder ist erst Herr Löttgen dran? – Ist er nicht. Gut.

Herr Minister der Finanzen, nun haben Sie des Öfteren darauf hingewiesen, dass die Frage der öffentlichen Stellungnahmen unterschiedlich gehandhabt wird. Ich will mich dann mal der ersten öffentlichen Stellungnahme widmen, nämlich der vom 16. März. Normalerweise ist es ja so, dass gerade bei Cyberattacken keine Öffentlichkeit hergestellt wird, um die Ermittlungsergebnisse nicht zu gefährden. So habe ich Sie zumindest verstanden, als Sie auf die laufenden Ermittlungsverfahren hingewiesen haben. Ist denn die davon abweichende Handlung durch den Regierungssprecher am 16. März dieses Jahres mit den Ermittlungsbehörden abgestimmt gewesen?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Herr Kollege Herter, bereits daraus, dass am 17. März, dem Folgetag, die Staatsanwaltschaft Köln und das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen mitgeteilt haben, dass das justizielle Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Datenausspähung zum Nachteil von Ministerin Schulze Föcking von ihnen übernommen worden ist, und ich dazu bereits eine Pressemitteilung zitiert habe, können Sie schon feststellen, dass es in diesem Fall überhaupt nicht unüblich war, dass sich die Ermittlungsbehörde dazu geäußert hat.

(Rüdiger Weiß [SPD]: Das war überhaupt nicht die Frage!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön. – Die nächste Frage stellt der Kollege Jäger von der SPD-Fraktion.

Ralf Jäger (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister Lienenkämper, auf Nachfrage des WDR hat die Staatsanwaltschaft Köln erklärt, dass Frau Schulze Föcking zu jeder Zeit den Sachstand, den Ermittlungsstand in ihrem Verfahren öffentlich machen darf. Durch Ihre Antworten wissen wir, dass der Ministerpräsident seit dem 29.03. darüber informiert war, dass es offensichtlich keinen Hackerangriff bei der Familie Schulze Föcking gegeben hat.

Deshalb meine Frage, Herr Minister Lienenkämper: Warum hat der Ministerpräsident, wenn er selbst keine öffentliche Stellungnahme zu Ermittlungsverfahren abgibt, nicht selbst die Frau Ministerin Schulze Föcking aufgefordert, die Öffentlichkeit zu unterrichten?

Lutz Lienenkämper, Minister der Finanzen: Herr Abgeordneter Jäger, es ist zutreffend, dass Frau Schulze Föcking als Betroffene die Öffentlichkeit über den Stand des Verfahrens hätte informieren können. Frau Schulze Föcking hat öffentlich ihr Bedauern darüber erklärt, dass sie das, bezogen auf die neuen Erkenntnisse vom 29. März und vom 18. April 2018, nicht getan hat. Diesem Bedauern habe ich mich ausdrücklich angeschlossen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich an dieser Stelle die Fragestunde und erkläre, dass die Mündliche Anfrage 17 des Herrn Abgeordneten Christian Dahm von der Fraktion der SPD-Fraktion damit beantwortet ist.

(Christian Dahm [SPD]: Na ja!)

Wir verlassen damit den Tagesordnungspunkt 6.

Ich rufe auf:

7   Die Kraft-Wärme-Kopplung braucht stabile, rechtssichere und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen – Umlagebefreiung für effiziente und umweltfreundliche Anlagen erhalten

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/1988

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Wirtschaft, Energie und Landesplanung
Drucksache 17/2601

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2619

Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion der CDU Herr Dr. Untrieser das Wort.

Dr. Christian Untrieser (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kraft-Wärme-Kopplung braucht stabile, rechtssichere und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen. Das ist der Antrag, den wir heute vorlegen und den wir nicht zum ersten Mal in diesem Haus besprechen.

KWK, Kraft-Wärme-Kopplung, ein etwas technischer Begriff, meint die gleichzeitige Umwandlung von eingesetzter Energie in Strom und Wärme. Letztlich kennen wir das alles. Wenn wir zum Beispiel Auto fahren, wird dort Kraft in Bewegung umgesetzt, und gleichzeitig fällt Wärme als Abfallprodukt an. Auch diese Wärme kann genutzt werden, bei uns im Auto ganz natürlich als Heizung. Und dieses Prinzip, das die Kraft-Wärme-Kopplung beschreibt, lässt sich in vielerlei Hinsicht auch umsetzen.

Im Herbst 2017 haben die Energiewirtschaft, die Kommunalwirtschaft, die Industrie, Maschinenbau und Wohnungswirtschaft in Zusammenarbeit mit der Energieagentur NRW ein gemeinsames Positionspapier herausgegeben. Anhand der großen Anzahl der Player sehen wir schon, dass es ein großer Konsens ist, dass die KWK weiter gefördert werden soll.

Wenn wir uns das anschauen, dann kann man fast sagen: Die KWK-Technologie ist sozusagen die „eierlegende Wollmilchsau“, die wir sonst in vielen Dingen suchen. Warum ist das so?

KWK-Technologie ist effizient, denn die Primärenergieeinsparung gegenüber ungekoppelter Einspeisung beträgt, abhängig vom Wirkungsgrad, circa 50 %. Das bedeutet: Wenn ich Strom und Wärme nutze, brauche ich weniger Brennstoffe, ich brauche weniger CO2, und andere Emissionen wie Feinstaub, Stickoxide werden auch weniger freigesetzt.

KWK nutzt vielfältige Energieträger. Wir können hier Kohle, Gas, Biogas, Biomasse, Müll usw. verwenden. Wasserstoff oder andere synthetische Kraftstoffe, die in der Zukunft noch stärker in den Vordergrund treten werden, sind dabei. Die KWK ist flexibel. Wir können sie nutzen für Fernwärmenetze, für Fernwärmespeicher, für Power-to-Heat. Das Ganze ist netzstabilisierend, kostendämpfend, auch beim Netzausbau.

Und wir sind sehr vielfältig unterwegs. Wir sprechen von ganz kleinen Anlagen, etwa im Einfamilienhaus, bis zu Quartierslösungen oder ganz großen Anlagen, die ganze Städte versorgen können. Wichtiger Punkt in dem Zusammenhang ist auch die industrielle KWK, denn gerade in industriellen Produktionsprozessen fällt eine ganze Menge Abwärme an. Die kann in den Betrieben wiederum, in den Unternehmen genutzt werden, und die Eigenversorgung von Strom ist ein wichtiger Bestandteil für die Industrie geworden.

KWK ist letztlich auch erzeuger- und verbrauchsnah. Das hilft, die Stromkosten zu senken, denn wir müssen nicht große Netzausbauvorhaben machen, die zu weiteren Kostensteigerungen führen.

Deswegen ist es insgesamt schon immer politischer Konsens gewesen – nicht nur in diesem Haus, sondern auch unter den Akteuren –, dass wir die KWK fördern müssen. Es gibt auch vielfältige Fördermechanismen. Eines davon ist das KWKG, das Gesetz zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung.

Aber ein wichtiger Baustein war auch das EEG. KWK-Anlagen waren von der Zahlung der EEG-Umlage anteilig befreit auf eigenverbrauchten Strom, und zwar bis zu 40 %. Das macht bei einer EEG-Umlage von rund 6,8 Cent derzeit ungefähr 4 Cent pro Kilowattstunde aus. Nicht nur Industrie, Handel und Gewerbe, sondern auch Kommunen, Schulen, Hotels, Krankenhäuser und Schwimmbäder haben in den letzten Jahren KWK-Anlagen erbaut und haben vertraut, dass diese Förderung weiter Bestand hat.

Die Förderung bei der Zahlung der EEG-Umlage ist zum 01.01.2018 allerdings weggefallen für Anlagen, die nach Juli 2014 in Betrieb gegangen sind. Darauf hat das Bundeswirtschaftsministerium erst am 6. Dezember letzten Jahres hingewiesen.

Das, meine Damen und Herren, war ein böses Erwachen für diejenigen, die in Effizienz und moderne Anlagen in den letzten Jahren investiert hatten. Wenn wir uns mal die Beispiele ansehen: Bei einer Anlage, die ungefähr 600 MW thermisch wie auch elektrisch produziert, komme ich auf eine Mehrbelastung von 100.000 € im Jahr. Wir sprechen von ganz unterschiedlichen Unternehmen: Brauereien in Köln, einer Molkerei in Bissingen, einem Motorenhersteller in Viersen.

CDU und FDP haben sich daher frühzeitig dafür eingesetzt, dass wir hier eine Lösung herbeiführen, dass die Regelung, die in den letzten Jahren galt, auch wieder eingeführt werden muss, und zwar rückwirkend zum 1. Januar 2018. Auch der Bundesrat hat sich in dieser Richtung positioniert.

Nun hat erst kürzlich, vor zwei Wochen, Herr Altmaier, Bundeswirtschaftsminister, einen Kompromiss herbeigeführt mit der EU-Wettbewerbskom-missarin Vestager. Insofern ist das, was wir in unserem Antrag geschrieben haben, schon ein bisschen auf der politischen Bühne in Berlin angekommen.

Es ist trotzdem wichtig, dass wir diesen Antrag stellen. Ich möchte hier betonen, dass ich es erfreulich finde, dass uns auch die Fraktionen von Grünen und SPD bei diesem Antrag unterstützen und dass wir gemeinsam ein sehr starkes Zeichen in Richtung Berlin und Brüssel senden. Es ist ein wichtiges Signal heute aus Nordrhein-Westfalen, das für die Kraft-Wärme-Kopplung nach Berlin und Brüssel geht. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Ich bitte alle Kollegen um die Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Untrieser. – Für die Fraktion der FDP hat nun Herr Abgeordneter Brockes das Wort. Bitte schön.

Dietmar Brockes (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es freut mich auch, dass wir heute hier im Landtag über die Kraft-Wärme-Kopplung, eine hocheffiziente und klimaschonende Energieform, sprechen. Es freut mich ganz besonders, dass wir bei diesem für Nordrhein-Westfalen wichtigen Thema großes Einvernehmen haben, was auch an dem bereits erwähnten Änderungsantrag, den wir sicherlich gleich auch beschließen werden, deutlich wird.

Meine Damen und Herren, CDU und FDP haben bereits frühzeitig, noch vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages in Berlin, ein wichtiges erstes Signal mit diesem Antrag gesetzt und bewusst damals das umgekehrte Beratungsverfahren für diesen Antrag gewählt, um die Zeit zu gewinnen, hier eine gemeinsame Position zu finden, die dann auch im Plenum beschlossen wird und nicht – wie es sonst üblich ist – im Ausschuss, um damit auch eine deutlich stärkere Öffentlichkeit zu erreichen.

Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich mich an dieser Stelle auch bei allen bedanken, die daran mitgewirkt haben, dass wir heute hier gemeinsam den Änderungsantrag beschließen werden und damit ein starkes gemeinsames Signal nach Berlin senden. Wenn wir die Energiewende effizient und nicht ideologisch umsetzen wollen, brauchen wir genau solche Technologien.

Dass unser gemeinsames Handeln hier bereits erste Früchte zeigt, ist ja bereits bei den Gesprächen deutlich geworden, die Bundeswirtschaftsminister Altmaier mit der EU-Wettbewerbskommissarin Frau Vestager am 8. Mai in Berlin geführt hat. Wir würden es daher auch sehr begrüßen, wenn dies auch in unserem Sinne so umgesetzt wird.

Gleichzeitig, meine Damen und Herren, möchte ich aber auch deutlich machen, dass die Vereinbarungen, die die Bundesregierung mit der EU-Kommission trifft, alleine nicht ausreichen, sondern wir dringend und eben auch zeitnah eine grundlegende Novelle des KWK-Gesetzes benötigen.

Einen wichtigen Punkt möchte ich an dieser Stelle auch noch deutlich machen. Denn dieser Kampf um die Ausnahmen für die KWK – für eine Technik, die effizient und klimaschonend ist – macht ja einmal mehr deutlich, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz mittlerweile seinem eigenen Ziel mehr im Wege steht als es ihm nutzt.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist weder effektiv noch zeitgemäß noch technologieoffen noch klimaschonend. Deshalb gehört es abgeschafft.

Wir müssen die Energiewende endlich technologieoffen angehen, sodass solche Techniken, die besonders effizient sind, auch wettbewerbsfähig sind.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und freue mich auf den gemeinsamen Beschluss. –Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Fraktion der SPD hat nun Herr Kollege Sundermann das Wort. Bitte schön.

Frank Sundermann (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auslöser für diesen Antrag war ja eine Beihilfeproblematik bei der EU. Meine Vorredner sind schon darauf eingegangen. Es geht darum, dass in KWK-Anlagen gewonnener Strom, gewonnene Energie, nicht auch noch mit dem vollen EEG-Satz belegt werden soll, weil diese Maßnahme die entsprechenden Anlagen – wie man so schön sagt – aus dem Geld getrieben hätten und die Anlagen nicht mehr effektiv hätten betrieben werden können.

Es scheint ja nun so zu sein – auch das haben meine Vorredner ja schon angemerkt –, dass die Bundesregierung hier Erfolg gehabt hat, vielleicht nicht zu 100 % so, wie wir es wollten, aber dieser Erfolg entspricht sicherlich der Intention unseres Antrages, und er ist – das ist vielleicht mindestens genauso wichtig – im Interesse der Unternehmen und der Kommunen und insofern auch im Interesse unseres gesamten Landes.

Meine Damen und Herren, es ist richtig und wichtig, dass diese Technologie nicht benachteiligt wird und weiter so unterstützt wird. Denn KWK-Anlagen sind eben effizient, weil sie die Wärme und den Strom nutzen. Sie führen so zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen. Sie entlasten, weil sie eben häufig einen dezentralen Charakter haben, die Netze. Sie leisten so einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und leisten auch einen Beitrag dazu, dass Energie auch zukünftig bezahlbar und sicher ist.

Folgerichtig hat sich ja auch die vormalige, rot-grüne Landesregierung sehr intensiv mit dieser Problematik beschäftigt und die Kraft-Wärme-Kopplung in den Fokus ihrer energiepolitischen Maßnahmen gestellt. Es freut uns sehr – das steht auch so im Antrag –, dass das weitergeführt werden soll. Auch deshalb unterstützen wir diesen Antrag sehr gerne. Dieser KWK-Antrag steht ja auch ein Stück weit in einer Tradition vieler anderer KWK-Anträge, die wir hier gestellt und konsensual verabschiedet haben, um deutlich zu machen, wie wichtig diese Technologie für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen ist.

Ich prophezeie uns allerdings – darauf hat der Kollege Brockes schon hingewiesen –: Es wird nicht der letzte KWK-Antrag sein, mit dem wir uns im Landtag beschäftigen müssen. Ich verweise zum einen auf das Hundert-Tage-Gesetz, das der Bundeswirtschaftsminister eingebracht hat. Danach soll unter anderem die Förderung von KWK-Anlagen von 1,5 Cent auf 0,7 Cent abgesenkt werden. Zum anderen verweise ich auf die Novelle – auf das sogenannte große KWK-Gesetz –, die für 2020 angesetzt worden ist und auf die auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD auf Bundesebene Bezug genommen wird.

Wichtig im Zuge dieser großen KWK-Novelle erscheint uns das, was wir in die Überschrift dieses Antrages geschrieben haben: Wir brauchen stabile und rechtssichere Rahmenbedingungen, und zwar für eine längere Zeit.

Wir haben für die KWK-Anlagen sicherlich dadurch etwas erreicht, dass sie beim Eigenstromverbrauch von den hohen EEG-Umlagen befreit werden. Wie aber stellt es sich langfristig dar? Wenn wir über Investitionen sprechen, brauchen die Unternehmen Planungssicherheit – und nicht nur die Unternehmen. Auch viele Stadtwerke kommen sicherlich auf Sie, meine lieben Kollegen, und auf den Minister zu und sagen: Wir brauchen für anstehende Investitionen sichere Rahmenbedingungen.

Es reicht nicht, wenn wir mit bloßer Kurzatmigkeit vorangehen. Wir freuen uns zwar, wenn wir alle drei Jahre einen Antrag stellen können, keine Frage. Aber ein Unternehmen braucht natürlich Planungssicherheit für Investitionen. Die Stadt Münster überlegt im Moment zum Beispiel, wie sie mit ihren Stadtwerken in diesem Bereich investiert. Es geht um ein Volumen in der Höhe zwischen 80 und 120 Millionen €. Da braucht man auch Investitionssicherheit. Die Rahmenbedingungen müssen längerfristig fixiert werden.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Insofern ist dieser KWK-Antrag sicherlich ein Anfang. Ich bin mir sicher: Wir werden uns noch häufiger damit beschäftigen. Wir würden uns freuen, wenn wir diesen gemeinsamen Pfad, den wir in diesem Bereich eingeschlagen haben, in nächster Zeit im Plenum weiter begleiten könnten. In diesem Sinne freue ich mich, dass wir das zwischen den vier Parteien hinbekommen haben. Natürlich stimmen wir dem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Sundermann. – Als nächste Rednerin erhält Frau Abgeordnete Brems für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon viel darüber gehört, welche Vorteile die Kraft-Wärme-Kopplung hat und wie wichtig sie für dieses dichtbesiedelte Land Nordrhein-Westfalen ist. Wir haben auch von den Vorteilen der Effizienz gehört.

Deswegen sind wir froh, dass die Programme beispielsweise für die Kommunen, die von der letzten Landesregierung angefangen wurden, oder die Unterstützung der Fernwärmeschiene Rhein-Ruhr von dieser Landesregierung fortgeführt werden. Das ist sehr gut und sollte fortgesetzt werden.

Wir merken allerdings zu unserem Bedauern, und zwar nicht erst jetzt, sondern leider schon seit einiger Zeit, dass die Kraft-Wärme-Kopplung in der Bundesregierung in Berlin nicht diesen Stellenwert wie bei uns in Nordrhein-Westfalen hat. Deshalb ist es immer wieder wichtig, diese Signale gemeinsam zu senden, wie wir es in den letzten Jahren schon an vielen Stellen gemeinsam getan haben.

Ich muss aber auch klar sagen, sehr geehrter Kolleginnen und Kollegen – und deswegen ist es gut, dass wir Änderungen an dem ersten Entwurf des Antrags vorgenommen haben –: Die Kraft-Wärme-Kopplung kann nicht einfach da aufhören kann, wo sie heute steht. Wir müssen dafür sorgen, dass beispielsweise industrielle Abwärme stärker genutzt werden kann und diese Potenziale, die gerade in unserem Industrieland Nordrhein-Westfalen massiv vorhanden sind, einbezogen werden. Auch der vermehrte Einsatz erneuerbarer Energien bei der Kraft-Wärme-Kopplung ist ein ganz wichtiger Aspekt.

Lieber Herr Brockes, ich wollte meine Ausführungen eigentlich mit dem Satz anfangen: Wenn Grüne und FDP gemeinsam unter einem Energieantrag stehen, dann muss die KWK anscheinend oben drüber stehen. Sie können es offenbar nicht gut ertragen, wenn wir im Energiebereich einmal einer Meinung sind, und müssen das EEG aufrufen. Daher kann ich Ihnen meine Aspekte leider auch nicht ersparen:

(Heiterkeit von Dietmar Brockes [FDP])

Wenn wir aus der Kohle aussteigen, können wir die Kraft-Wärme-Kopplung davon nicht ausnehmen. Wir müssen darauf hinwirken, dass auch hier der Umstieg auf erneuerbare Energien vonstattengeht und die Kraft-Wärme-Kopplung nicht nur die jetzigen Effizienzen aufweist, sondern weitere Potenziale für den Klimaschutz liefern kann.

Für uns war als weiterer Aspekt wichtig, auch kommunale Wärmekonzepte aufzunehmen, weil die Besonderheit jeder einzelnen Kommune einen Stellenwert hat. Man kann nicht von oben, von Landesebene etwas drüberstülpen, sondern muss diese Besonderheiten berücksichtigen und fragen: In welchen Kommunen gibt es bestehende Netze? Wo kann man wie erneuerbare Energien einbeziehen? Wo und wie kann man energetische Sanierungen im Quartier weiter unterstützen? Wo und wie kann beispielsweise industrielle Abwärme noch weiter eingebunden werden?

Diese kommunalen Wärmekonzepte sind neben den Punkten, die ich genannt habe, in diesem gemeinsamen Antrag enthalten. Ich danke Ihnen herzlich, dass wir zu dieser gemeinsamen Linie haben finden können.

Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen: Es ist gut und richtig, dass wir dieses starke Signal gemeinsam nach Berlin senden. Ich habe die Hoffnung, sehr geehrter Herr Kollege, dass wir uns nicht jedes Jahr damit beschäftigen und in Berlin anklopfen müssen, um zu verdeutlichen, wie wichtig dieses Thema ist, sondern dass es irgendwann auch ankommt. Deswegen der ganz klare Appell an die beiden Parteien, die in Berlin an der Regierung beteiligt sind: Setzen Sie sich für diese Aspekte ein, damit gerade auch in Nordrhein-Westfalen dieser Bereich weiter ausgebaut werden kann! – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die AfD-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Loose das Wort. Bitte schön.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich richtig, dass es hier eine Einheitsmeinung gibt, denn dann braucht man auch einmal eine zweite. Die Parteien des letzten Jahrtausends haben sich zusammengeschlossen, um einen gemeinsamen Antrag zu stellen. Wir als Partei der Zukunft – Partei des 21. Jahrhunderts –, wir, die AfD, werden Ihnen erklären, was daran nicht stimmt. Sie graben alte sozialistische Rezepte heraus, und wir müssen die Marktwirtschaft bewahren.

Denn wie läuft das ab bei der KWK? – Stellen Sie sich mal vor, Sie sind der Betreiber eines Schwimmbades. Die Menschen haben es gerne wohlig warm in einem Schwimmbad. Sie als Betreiber besorgen sich daher einen Kessel, der Wärme erzeugt. Dann schließen Sie für die Umwälzpumpen, für das Licht usw. Ihr Schwimmbad noch an das Stromnetz an. Sie haben also alles perfekt nach Ihrer Wahl gestaltet. Ihre Wärmeleistung wird so effizient produziert, wie Sie das brauchen.

Der Kessel hält etwa 15 bis 20 Jahre. Jetzt sind die Altparteien am Zug und werfen mit Subventionen um sich. Da kommt ein Berater um die Ecke und schaut sich Ihren Kessel an, der gerade einmal acht Jahre alt ist, und sagt: Hm, acht Jahre – da muss etwas Neues her. Sie wollen ja auch öko und trendy sein und mit der Zukunft gehen. Ich bastele da mal was für Sie.

Statt einfach den Kessel zu nehmen, bekommen Sie jetzt noch zusätzlich ein Gaskraftwerk dazu. Das produziert Strom, sodass Sie daraus nicht nur Wärme erhalten, sondern auch Strom. Der Betreiber fragt jetzt: Was soll das Ganze denn kosten? Bis jetzt habe ich bei etwa 100.000 € gelegen. – Der Berater nennt Ihnen dann eine Summe, die das Mehrfache von dem beträgt, was Sie bislang gezahlt haben. Dann fangen Sie an zu rechnen und überlegen, wie viel Hunderttausend Euro das alles wohl kostet. Ein kleines Gaskraftwerk ist ja im Vergleich zu großen Gaskraftwerken deutlich teurer, wenn man es pro Kilowatt berechnet.

Sie fragen dann den Berater: Wie soll ich das denn alles bezahlen? Das ist ja um ein Vielfaches teurer als die bisherige Anlage. – Da sagt Ihnen der Berater: Kein Problem, es gibt zinsgünstige Darlehen von der BAFA. Es gibt auch Investitionszuschüsse, nicht zu vergessen die KWK-Förderung. Sie bekommen zudem für den selbst verbrauchten Strom eine Befreiung von der EEG-Umlage in Höhe von 40 %. – Der Betreiber rechnet sich das durch und kommt zu dem Schluss, dass sich das Geschäft für alle lohnt. Wunderbar, wird gemacht!

Nach acht Jahren kommt der Berater wieder an, weil dann nämlich die Förderung ausgelaufen ist, und dreht Ihnen das nächste Projekt an.

(Zuruf von der SPD: Ist ja langweilig!)

Was ist passiert? – Rechnen wir das Ganze doch mal durch: Wir haben zinsgünstige Darlehen, Investitionskostenzuschüsse, die KWK-Förderung und die EEG-Befreiung.

Was macht jetzt die EU? – Sie streicht einen dieser vier Subventionstatbestände. Eine von vier Subventionen! Und was machen Sie? Sie heulen rum, weil es nun eine Subvention weniger gibt! Wo ist denn da noch die Marktwirtschaft? Das ist ganz erbärmlich für die FDP! Wir als freiheitliche Partei – als einzig verbliebene freiheitliche Partei – werden uns dagegen wehren.

(Lachen von der SPD)

Wir stehen für die soziale Marktwirtschaft ein, während Sie dem Sozialismus hinterherrennen. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Loose. – Für die Landesregierung hat nun Herr Professor Dr. Pinkwart das Wort. Bitte schön.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Energiewende in Deutschland war bisher im Wesentlichen eine Stromwende. Wir haben zwar Fortschritte zu verzeichnen, nun aber gilt es, den erneuerbaren Strom in alle Sektoren zu transformieren, die Sektorkopplung zu beschleunigen und die Einführungslasten zu reduzieren.

Die Kraft-Wärme-Kopplung ist in dieser Hinsicht bereits weiter, indem sie schon seit Jahren Strom- und Wärmeproduktion effizient kombiniert. Damit ist die Kraft-Wärme-Kopplung ein wichtiger Baustein der Energiewende und muss weiter ausgebaut werden.

Die Landesregierung füllt die im Koalitionsvertrag untermauerte Bedeutung des Wärmemarktes zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen aus und unterstützt hocheffiziente sowie klimafreundliche KWK-Anlagen als wesentliches Element einer zukunftsgerichteten Energiewende.

Mit Blick auf die ungeklärten Förderbedingungen bei der Eigenstromerzeugung von KWK-Neuanlagen hat die Landesregierung im Wirtschaftsausschuss des Bundesrats bereits am 15. Februar dieses Jahres einen Antrag zur Entschließung „Rechtssicherheit für KWK-Anlagen bei der Höhe der EEG-Umlage für Eigenstromnutzung gewährleisten“ erfolgreich mit eingebracht.

Der Bundesrat hat den Antrag am 2. März 2018 mit großer Mehrheit unterstützt – das zeigt, dass Nordrhein-Westfalen da nicht alleine steht, sondern im Bund Unterstützung dafür hat – und eine entsprechende Entschließung gefasst, die auch an die Bundesregierung übermittelt wurde.

In Berlin wurde in der vergangenen Woche zwischen Bundeswirtschaftsminister Altmaier und der EU-Wettbewerbskommissarin Vestager ein entscheidender Konsens zur EEG-Eigenversorgung erzielt. Nach unseren Kenntnissen wurde folgende Grundsatzeinigung erzielt:

KWK-Neuanlagen mit einer Größe unter 1 MW sowie über 10 MW zahlen auch künftig nur 40 % der EEG-Umlage. Auch alle KWK-Neuanlagen in der stromintensiven Industrie zahlen 40 % der EEG-Umlage. Für die übrigen KWK-Neuanlagen bleibt es bei 40 % EEG-Umlage, sofern die Anlagen weniger als 3.500 Vollbenutzungsstunden im Jahr laufen. Bei Anlagen mit höherer Auslastung steigt die durchschnittliche Umlage kontinuierlich an.

Für KWK-Anlagen, die zwischen dem 1. August 2014 und Ende 2017 errichtet wurden, gilt eine abgestufte Übergangsregelung bis zum Jahr 2019 bzw. 2020. Zudem gilt eine Rückwirkung der Einigung zum Januar dieses Jahres.

Grundsätzlich ist das ein wichtiges Ergebnis für die deutschen Unternehmen. Insbesondere mit Blick auf die notwendige Rechtssicherheit sind wir nun ein gutes Stück weiter. Abgewartet werden muss nun allerdings, wie die konkrete Ausgestaltung aussehen wird.

Aktuell arbeitet die Bundesregierung an einem Referentenentwurf zur Änderung unter anderem des EEG, des KWKG und des EnWG. Ziel dieses als Hundert-Tage-Gesetz betitelten Gesetzentwurfs ist es, möglichst noch vor der Sommerpause dringende Punkte aus dem Koalitionsvertrag in Berlin wie auch europarechtliche Vorgaben umzusetzen.

Dazu gehört auch die als Antrag der Fraktionen von CDU und FDP thematisierte Forderung, dass schnellstmöglich die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine rechtssichere und beihilfekonforme anteilige Befreiung von klimafreundlichen KWK-Anlagen von der EEG-Umlage geschaffen werden.

Darüber hinaus sind auch Änderungen vorgesehen, die es meines Erachtens als durchaus kritisch zu betrachten gilt. So sollen unter anderem die Fördergesetze für gasgefeuerte KWK-Bestandsanlagen reduziert werden. Hier sollte nach meinem Dafürhalten allerdings zunächst der schon längst fällige Evaluationsbericht der Bundesregierung abgewartet und mit den Betroffenen diskutiert werden, bevor über entsprechende Anpassungen entschieden wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in jedem Fall muss nun die Einigung mit der Europäischen Kommission zügig in deutsches Recht umgesetzt werden, damit die Betreiber von KWK-Neuanlagen die dringend benötigte Planungssicherheit erhalten.

Die Landesregierung wird sich in diesem Sinne in das erforderliche Gesetzgebungsverfahren zum EEG-/KWKG-Änderungsgesetz aktiv einbringen, um den weiteren Ausbau der KWK als ein wesentliches Element der Energiewende für die Zukunft sicherzustellen.

Vor diesem Hintergrund ist es ein gutes Signal, dass das Thema „KWK“ durch den nun vorliegenden fraktionsübergreifenden Antrag der Fraktionen CDU, FDP, SPD und Grünen gemeinsam unterstützt wird. Das ist ein ganz entscheidendes Signal aus dem nordrhein-westfälischen Landtag, und wir hoffen sehr, dass es auf die Fraktionen im Deutschen Bundestag ausstrahlt. Denn wir hören, dass dort auch der Bundeswirtschaftsminister durchaus Initiativen der Fraktionen benötigt, um seine Anliegen noch besser und schneller umsetzen zu können. In diesem Sinne bedanke ich mich herzlich für die Unterstützung durch die Fraktionen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Pinkwart. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weise darauf hin, dass die Landesregierung ihre Redezeit um 25 Sekunden überzogen hat.

(Zurufe von der SPD)

Es gibt aber keine weiteren Wortmeldungen. – Auch in Kenntnis dieses Sachverhaltes bleibt das so. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, damit sind wir am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2619. Ich frage, wer diesem Änderungsantrag folgen möchte, und darf um das Handzeichen bitten. – Die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Die Abgeordneten der AfD. Enthaltungen? – Der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 17/2619 mit dem gerade festgestellten Abstimmungsverhalten angenommen.

Ich lasse weiter über den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/1988 abstimmen. Der soeben angenommene Änderungsantrag wurde in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie und Landesplanung, vorgelegt mit Drucksache 17/2601, noch nicht berücksichtigt. Somit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 17/1988 in der soeben geänderten Fassung selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Ich darf fragen, wer dem Antrag in der geänderten Fassung zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Die Abgeordneten der AfD. Enthaltungen? – Der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Damit ist der Antrag Drucksache 17/1988 in der soeben geänderten Fassung angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zu:

8   Wer A sagt muss auch B sagen: Eine nachhaltige Verkehrswende erfordert auch ganzheitliches Denken und umfassende Maßnahmen für den Nahverkehr

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2557

Ich erteile für die antragstellende Fraktion dem Abgeordneten Löcker das Wort. Bitte schön.

Carsten Löcker (SPD): Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion bringt heute ihren Antrag zur Verkehrswende ein. Warum? – Meine Damen und Herren, Verkehrsminister Wüst hat in der jüngsten Vergangenheit im Verkehrsausschuss mehrfach darauf hingewiesen, dass es eine Aufgabe der SPD, der Opposition, sei, das Korrektiv zu bilden. Wir haben daher unsere Hausaufgaben gemacht und für die Landesregierung eine Liste mit den zu beseitigenden Defiziten erstellt. All das ist, wie wir meinen, im Antrag nachzulesen.

Wer in eine neue Mobilität starten will, soll endlich anfangen, Nägel mit Köpfen zu machen. Neue Mobilität braucht neue Regeln und mehr als nur technischen Fortschritt. So viel ist, denke ich, klar und bleibt festzuhalten.

Wir lassen uns auch nicht mehr auf weitere Ablenkungsmanöver ein, zum Beispiel seitens des Bundes in Sachen „ÖPNV für lau“. Das ist aus unserer Sicht eher eine Verzweiflungstat. Unser Blick in der Sache bleibt klar.

Deshalb weise ich gerne im zweiten Satz darauf hin, dass dieser bundespolitische Aufschlag dennoch einen wichtigen Nutzen gebracht hat. Der Druck auf den Bund, die Länder und die Kommunen für mehr Investitionen in den Umweltverbund ist immens gestiegen. Alle Verantwortlichen sind sich einig, dass die nächsten 15 Jahre mit darüber entscheiden werden, ob wir die Mobilitätswende zugunsten emissionsärmerer und staufreier Städte tatsächlich schaffen oder eben nicht.

Gestatten Sie mir deshalb, wesentliche Elemente einer Mobilitätswende kurz zu skizzieren. Dabei ist unser Blick klar und nach vorne orientiert. Ich bin davon überzeugt, dass eine signifikante Verbilligung der Fahrpreise einen richtigen Schub bringen würde. Denn in den letzten Jahren sind die Ticketpreise deutlich stärker als die Pkw-Betriebskosten gestiegen, was man festhalten muss. Die Idee eines Umwelttickets oder eines Azubitickets, gerade stark in der Diskussion, sind gute Beispiele dafür, wie man in Nordrhein-Westfalen weiter vorangehen will.

Ein wirksamer Hebel, dies umzusetzen und zu finanzieren, wäre aus unserer Sicht eine Absenkung der Mehrwertsteuer für öffentliche Verkehre – auch außerhalb des Systems. Das wäre nämlich mit Blick auf die heutigen Strukturen mehr als gerecht.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Neben den wichtigen Fragen der Beseitigung des Investitionsstaus, der Erneuerung und des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur und der Gewinnung neuer potentieller Kunden brauchen wir drittens einen mutigen Diskurs über die Frage einer effizienteren Organisations- und Kooperationsstruktur, die in der Lage ist, das Maß an Standardisierung im ÖPNV voranzutreiben, eher zu erhöhen und Entwicklungen einzuleiten, die für die Nutzbarmachung und die Nutzung des ÖPNV gewinnbringender sind. Seien wir also mutig in Nordrhein-Westfalen, und versuchen wir, uns aktiv einzubringen!

Eine verlässliche Neugliederung des Finanzierungssystems und der Finanzierungsverantwortung ist – viertens – vor dem Hintergrund der bestehenden Defizite in den Unternehmen und den Kommunen dringend nötig.

Gestatten Sie mir den Querverweis auf die sogenannte „Hessenstrategie Mobilität 2035“, die ich auch Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/FDP-Koalition, wärmstens empfehle. Ich habe sie vollumfänglich gelesen. Hessen hat unlängst ein 60-seitiges vollständiges Programm veröffentlicht, in dem dezidiert aufgegliedert wird, wie man mittels der Verkehrswende in eine neue Mobilitätswelt kommt. Dafür brauchte man in Hessen noch nicht einmal die FDP, meine Damen und Herren.

Ein weiterer Querverweis geht auf die zweijährige Arbeit der Enquetekommission der letzten Legislaturperiode zur Finanzierung des ÖPNV. Dort finden wir ebenfalls weitere Impulse – das muss man nur nachlesen – und wichtige Beiträge für unser Land.

Meine Damen und Herren, abschließend gestatten Sie mir noch ein Schlaglicht auf die Teilraumkonferenz vorgestern beim RVR. Dort hat der Kollege Mid-deldorf deutlich betont: Keinen Verkehrsträger will er in Zukunft bevorzugen. – So der O-Ton, wie auch im Wahlkampf versprochen. Wenn man das positiv auslegen will, muss man die nächsten 15 Jahre überproportional insbesondere in den Umweltverbund investieren, denn damit würde eine Benachteiligung dieser Systeme auf Dauer unterbunden. Damit ist die Aussage positiv besetzt.

Man könnte sie aber auch negativ besetzen und auslegen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das befürchte ich!)

Ich will das gar nicht missverstehen, aber klar ist auch: Wir brauchen den Mut für einen Umstieg und für klare Ansagen in dem Zusammenhang.

Gestatten Sie mir deshalb zum Schluss noch den Hinweis darauf, dass wir natürlich gerne darauf warten, Herr Minister Wüst, was das Land jetzt in der Sache einbringen will. Ein Jahr nach dem Regierungswechsel ist diese Frage aus meiner Sicht auch erlaubt.

Sehen Sie unseren Antrag als Beitrag für die kommende Diskussion in den Ausschüssen. Natürlich sind wir daran interessiert, dass wir dazu weiter politisch inhaltlich vorankommen. Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um die Überweisung in den Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Löcker. – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Voussem das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Klaus Voussem (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der durchaus bedeutungsschwangere Titel Ihres Antrags lautet: „Wer A sagt muss auch B sagen“. Anders gesagt: Wer eine Sache beginnt, muss sie auch zu Ende führen. Dafür haben wir die Regierungsverantwortung von den Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen bekommen – anders als die vor einem Jahr abgewählte rot-grüne Landesregierung.

Ihr heute dann doch eher recht unvertieft präsentierter Ideenreigen, ohne konkrete Beispiele zu nennen, erinnert dementsprechend auch an den Kehraus einer überholten rot-grünen Verkehrspolitik, die eben nicht zu Ende gedacht, geschweige denn zu Ende geführt worden ist. Bezeichnenderweise ist dann auch von einer Verkehrswende die Rede – ein eher ideologischer Kampfbegriff gegen das Auto.

Ich frage mich, wo die verehrten Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion in den vergangenen Wochen und Monaten bei den NOX-Debatten waren. Sie fordern Bundes- und Landesregierung auf, den Fokus des Handelns auf kurz- und mittelfristig realisierbare Maßnahmen zu richten.

Die Unterrichtung unseres Ministerpräsidenten Armin Laschet im März dieses Jahres sollte die angegangenen Maßnahmen doch auch Ihnen deutlich gemacht haben. Ich fasse das gerne noch einmal zusammen. Zur Luftreinhaltung sind für den ÖPNV beispielsweise folgende Maßnahmen von Bund und Land angestoßen worden:

Der Bund hat ein „Sofortprogramm Saubere Luft 2017–2020“ aufgelegt. Für Elektrifizierung werden zusammen 393 Millionen € in die Hand genommen. Darunter befinden sich auch die Elektrifizierung von Busflotten im ÖPNV sowie die Förderung der Ladeinfrastruktur für die beschafften Elektrofahrzeuge.

Für die Nachrüstung von Dieselbussen im ÖPNV mit Abgasnachbehandlungssystemen gibt es 107 Millionen €. Dieser Punkt ist übrigens von Nordrhein-Westfalen in die Debatte in Berlin eingebracht worden.

Für die Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme stellt der Bund weitere 500 Millionen € zur Verfügung.

Auch die Landesregierung hat eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität ergriffen. Gefördert werden unter anderem der Ausbau alternativer Antriebe sowie der entsprechenden Infrastruktur, neue Verkehrskonzepte für Städte und Gemeinden sowie für Wirtschaftsunternehmen, die Weiterentwicklung emissionsarmer konventioneller Antriebe – Alternativen sind unserem Antrag aus dem letzten Plenum, der sich mit den unterschiedlichen emissionsarmen Antrieben beschäftigt, zu entnehmen –, der Ausbau des ÖPNV und die Anschaffung von Elektro- und Wasserstofflinienbussen über eine erhöhte ÖPNV-Pauschale sowie der Aufbau multimodaler Mobilstationen.

Hinzu kommen 100 Millionen € im Programm KommunalerKlimaschutz.NRW, 40 Millionen € für das Sonderprogramm „Emissionsfreie Innenstadt“. Gleichzeitig wird an der Erhöhung von ÖPNV-Kapazitäten auch und gerade in besonders belasteten Gebieten, wie zum Beispiel mit dem Rhein-Ruhr-Express, gearbeitet.

Meine Damen und Herren, als NRW-Koalition setzen wir auf einen Neustart in der Verkehrspolitik

(Carsten Löcker [SPD]: Habt ihr alles erfunden! Alles die CDU!)

mit Rekordinvestitionen in Erhalt und Neubau unserer Verkehrsinfrastruktur auf Straße und Schiene.

Wir arbeiten auch bereits daran, die Zahl der Menschen zu erhöhen, für die es auch bequeme, schnelle und günstige Alternativen zum Auto gibt – sowohl in der Stadt als auch auf dem Land.

Wir arbeiten daran, dass die Momente, in denen Menschen auf ihr Auto angewiesen sind, seltener werden, eben weil es zum Beispiel einen attraktiven Nahverkehr gibt, und dass die Strecken, die sie mit dem Auto zurücklegen, kürzer werden, eben weil sich die Verkehrsträger vernetzen.

Wir arbeiten auch daran, dass es den Unternehmen leichter fällt, ihre Produkte mit der Bahn oder mit dem Schiff zu transportieren, statt mit dem Lkw.

Ich möchte daher, bevor ich schließe, durchaus bemerken, dass auch einige Punkte aus unseren Anträgen in dem wiederzufinden sind, was Sie heute vorgelegt haben. Daher freue ich mich auf die Debatte im Verkehrsausschuss, in dem wir uns dann mit Ihrem Antrag weiter befassen werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Voussem. – Für die Fraktion der FDP hat nun Herr Abgeordneter Middeldorf das Wort.

Bodo Middeldorf (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die NRW-Koalition und die Landesregierung jetzt die Weichen für den Aufbruch in eine zukünftige Mobilität stellen wollen – dieser Stachel scheint ja tief zu sitzen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.

Das konnten Sie natürlich nicht auf sich sitzen lassen; ist ja klar. Was macht man bei der SPD, wenn man keine echten Zukunftsideen hat? Man greift in die Mottenkiste alter Instrumente, rührt alles zu einem Brei zusammen – von selbst verursachtem Sanierungsstau bis hin zur Forderung nach der Verdoppelung der ÖPNV-Kapazitäten –, dann schreibt man „nachhaltige Verkehrswende“ drüber und garniert das Ganze noch mit einer schönen Eingangsfloskel „Wer A sagt muss auch B sagen“.

Das habe ich übrigens offen gestanden auch nach mehrmaligem Lesen nicht richtig verstanden.

(Carsten Löcker [SPD]: Das macht ja auch nichts! Das war aber mutwillig, Herr Kollege! Das hätten Sie verstehen können!)

Dann hat man einen Antrag, aber ich muss Ihnen sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Da muss auch in der Oppositionsrolle etwas mehr kommen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Schauen wir uns das doch einmal im Einzelnen an: Sie verweisen auf einen erheblichen Sanierungsstau. Das ist ja richtig. Wenn Ihnen der ÖPNV so wichtig ist, wie Sie sagen, warum haben Sie dann in Ihrer Regierungszeit nicht wenigstens die dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen vorgenommen?

(Carsten Löcker [SPD]: Das ist aber wirklich Mottenkiste!)

Erst mit dieser NRW-Koalition und mit der neuen Landesregierung wird ein massiver Mittelzuwachs auch eine solche Sanierung ermöglichen, und zwar – auch an dieser Stelle sage ich das noch einmal, Kollege Löcker – für alle Verkehrsträger und selbstverständlich auch für den ÖPNV.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Wer hat denn den Mittelzuwachs organisiert? Das war die rot-grüne Landesregierung, nicht Sie! – Carsten Löcker [SPD]: Das haben Sie aber letzte Woche anders gesagt!)

Außerdem wollen Sie die Kapazitäten verdoppeln. Sie sagen aber mit keinem Wort, wie Sie das machen wollen. Welche Kapazitäten meinen Sie denn außerdem? Fahrzeuge, Taktdichte, in welchem Raum? Kein Wort zur Finanzierung. Auch hier bleiben Sie einen Deckungsvorschlag schuldig.

Und was noch viel wichtiger ist, meine Damen und Herren: Sie fragen ja die Menschen erst gar nicht, ob sie auf den ÖPNV umsteigen wollen. Ihr ideologisch geprägtes Verständnis von Verkehrspolitik geht ja am Mobilitätsbedürfnis der Menschen und der Unternehmen in diesem Land komplett vorbei.

(Beifall von der FDP)

Das beweist auch Ihre Forderung nach einer Gesamtplanung. Das ist doch auch ein alter Hut, mit dem Sie schon in der Vergangenheit allein schon wegen der Überfrachtung komplett gescheitert sind. Angesichts mehrerer Verkehrsbünde, unzähliger Verkehrsbetriebe in unterschiedlichster Trägerschaft, vor allem aber angesichts regional völlig unterschiedlicher Anforderungen der Nutzer ist das aus unserer Sicht der völlig falsche Ansatz.

Aber vor allem, meine Damen und Herren: In einer Zeit, in der sich neue technologische Entwicklungen ergeben, in der wir Chancen der Digitalisierung und des autonomen Fahrens nutzen wollen und in der wir darüber sprechen, ob wir solche Technologien für eine Verbesserung des ÖPNV einsetzen wollen, in der neue Angebotsformen und Geschäftsmodelle auf den Markt drängen – in einer solchen Zeit ernsthaft noch die Forderung nach einer Gesamtplanung zu erheben, zeigt, dass Ihre Konzepte völlig veraltet sind.

(Beifall von der FDP und der CDU – Carsten Löcker [SPD]: Haben Sie mir gerade nicht zugehört, oder was? Allein mit technischem Fortschritt ist das doch nicht zu schaffen, das wissen Sie doch!)

Dann bringen Sie es noch fertig, den Ausbau der E-Mobilität im Land als realitätsfernes Szenario abzutun, obwohl wir gerade in diesem Bereich einen Markthochlauf erleben. Ich bin auch gespannt, was Herr Kollege Klocke von den Grünen dazu sagen wird.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Der sagt am liebsten gar nichts!)

Das Schlimme ist aber, dass die Verkehrsunternehmen im Augenblick massiv in diesen Bereich investieren und Sie massiv zu einer Verunsicherung beitragen werden. Das halten wir für völlig falsch. Sie sollten uns auch endlich einmal sagen, Kollege Löcker, wo Sie eigentlich stehen.

(Guido van den Berg [SPD]: Er sitzt!)

Schon bezogen auf das faktische Dieselfahrverbot durch die blaue Plakette sind Sie übrigens eine Aussage im Ausschuss schuldig geblieben. Jetzt beschreiben Sie lang und breit den Vorstoß der geschäftsführenden Bundesregierung zur Einführung eines kostenlosen ÖPNV, ohne aber auch hier wieder zu sagen, ob Sie nun dafür sind oder nicht.

(Carsten Löcker [SPD]: Das sind doch alte Kamellen, die Sie hier bemühen!)

Angesichts Ihrer Verantwortung auf Bundesebene ist das natürlich auch nicht ganz leicht; das kann ich schon nachvollziehen.

Meine Damen und Herren, der amorphe Begriff einer nachhaltigen Verkehrswende ist maximal geeignet, einen rot-grünen Mainstream zu bedienen; er hilft aber nicht, die anstehenden gravierenden Probleme in diesem Bereich zu lösen. Das, was Sie hier vorschlagen, sind allesamt Ansätze von vorgestern. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, es aber wirklich ernst meinen, wenn Sie von einer – ich zitiere – „neuen Mobilitätswelt mit mehr Mobilität, mehr Komfort und mehr Leistungsfähigkeit“ schreiben, dann sollten Sie sich, glaube ich, lieber unserem Antrag zum Neustart in der Verkehrspolitik anschließen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Middeldorf. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Klocke das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Arndt Klocke (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Voussem, lieber Kollege Middeldorf, wenn man sich am Sonntag das landespolitische Magazin „Westpol“ des WDR und die Noten für das erste Jahr schwarz-gelber Verkehrspolitik und für den Verkehrsminister angeschaut hat, wäre ich ein bisschen – wenigstens ein bisschen – zahmer, was die vollmundige Rhetorik heute betrifft, denn die Verkehrspolitik scheint so ziemlich mit auf dem letzten Platz zu liegen, was die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger nach einem Jahr Schwarz-Gelb betrifft.

(Zustimmung von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Zumindest beim nordrhein-westfälischen Bürger ist noch nicht angekommen, was Sie hier an tollen Projekten seit einem Jahr umsetzen.

(Bodo Middeldorf [FDP]: Besser als bei Ihnen!)

Mag sein, dass die Bürger das alles nur nicht verstanden haben, was Sie, Herr Middelhoff, hier verkünden. Die Umfragewerte waren auf jeden Fall ausgesprochen miserabel.

Jetzt aber zum Thema des SPD-Antrages, lieber Kollege Carsten Löcker. Die Kritik, die du dir eben anhören musstest, betrifft ja eigentlich nur die Grünen. Ansonsten, was ideologische Verkehrspolitik betrifft, muss ich sagen, wenn ich mir den Antrag ansehe: Darin stehen sehr viele Maßnahmen, die wir in der letzten Legislaturperiode in zweieinhalb Jahren sehr intensiver ÖPNV-Enquetekommissionsarbeit damals fraktionsübergreifend mit den Piraten zusammen verabredet haben.

(Guido van den Berg [SPD]: Das stimmt, das haben wir alles reingeschrieben!)

Das war vor der Zeit von Herrn Middeldorf; da hat er noch im Kreistag gesessen und dort seine vollmundigen Reden gehalten. Aber zumindest Kollege Voussem hätte noch wissen können, dass von den etwa 22 Maßnahmen, die …

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

– Also, ich bin beim Kollegen Höne heute ganz gespannt. Ich habe heute wenig gesprochen, aber es gelingt mir immer, ihn aus der Reserve zu locken. Damit muss mir heute ja ein Kunststück gelingen.

(Beifall von der FDP – Henning Höne [FDP]: In der Reserve bin ich nicht!)

Von den 22 Maßnahmen, die aufgeführt sind, sind mindestens 20 fraktionsübergreifend in der Enquetekommission verabredet worden. So ideologisch kann es ja nicht sein, jedenfalls war es in der letzten Legislaturperiode noch mit FDP und CDU common sense. Diejenigen, die in der Enquetekommission waren, wissen das auch.

Was mir in dem Antrag fehlt, liebe SPD und lieber Kollege Carsten Löcker – er ist mir dann doch etwas zu sehr SPNV- und ÖPNV-konzentriert.

(Carsten Löcker [SPD]: Das stimmt, das gebe ich zu!)

Vieles im Bereich Elektromobilität – die Fragen Verkehrsmix, Mobilitätsmix, Mobilitätsstationen, Verzahnung von Verkehrsträgern, Fahrrad, Elektromobilität auch beim Fahrrad, etc. – kommt leider überhaupt nicht vor. Wir werden das im Ausschuss beraten, aber unter der Überschrift „Nachhaltige Verkehrspolitik“ hätte ich mir schon einige Kapitel mehr erwartet, als auf zwei Seiten ÖPNV-Vorschläge zu machen. Sie sind zwar richtig, aber sie sind nicht hinreichend, wenn man den ganzen Bereich der Mobilitätswende diskutieren möchte.

(Guido van den Berg [SPD]: Wir wollten euch auch noch etwas übrig lassen!)

– Ja, es ist ja gut. Wir werden uns ja heute zur Überweisung verabreden.

Was mir ebenfalls nicht klar geworden ist – das ist das Einzige, bei dem ich dem Kollegen Middeldorf von der FDP recht geben würde –: Bei dem Vorstoß im kostenfreien ÖPNV, der auf der ersten Seite erwähnt wird, ist mir, ehrlich gesagt, nicht ganz klar, in welche Richtung ihr wollt: Ist das eine Unterstützung des Vorschlags der Bundesregierung, oder ist es eine Kritik? Ist es entsprechend aufgeführt?

Was mir an dem Antrag gut gefallen hat, ist, dass es eine klare Unterstützung für Hardware-Nachrüstungen gibt.

(Carsten Löcker [SPD]: Ich habe Kritik daran geübt!)

Wir hoffen, dass unsere neue Bundesumweltministerin, die lange diesem Haus angehört hat, dies in Berlin stärker zum Thema macht, denn wir hatten hier vor drei Wochen eine gemeinsame Anhörung zum Antrag der Grünen und der SPD zu den Themen Mobilität, Dieselfahrzeuge und saubere Innenstadtluft.

Hier saßen alle Expertinnen und Experten. Bis auf den VDA-Vertreter haben alle, die hier saßen – Städte- und Gemeindebund, ADAC, Industrie- und Handelskammern, VCD etc. –, die Frage der Hardware-Nachrüstung unterstützt. Der Ministerpräsident kneift in der Frage, weil er das nachplaudert, was hier die Automobilindustrie zum Besten gibt. Der VDA-Vertreter war der Einzige, der hier ausgeschert ist. Also, da klare Unterstützung von grüner Seite.

Fahrverbote verhindern zu wollen, das wird ja das große Thema sein, was hier demnächst ansteht. Lieber Herr Verkehrsminister Hendrik Wüst, wir sind aus der Debatte noch nicht heraus. Der Luftreinhalteplan Düsseldorf wird jetzt erarbeitet, und die große Frage wird doch sein: Wie kann verhindert werden, dass wir zu Fahrverboten kommen? Das wird die nächste große Debatte sein, die im Herbst hier ansteht.

Ich bin sehr gespannt nach dem, was die Kollegen von CDU und FDP hier eben angekündigt haben, große wolkige Maßnahmenpakete. Wenn ich mit unseren Kommunalvertretern in Köln, in Düsseldorf, in Wuppertal, in Essen spreche, dann wissen die aber noch nichts davon. Die Gelder sind in Berlin zur Verfügung gestellt, aber was davon abgerufen und vor Ort konkret eingesetzt wird, das ist eine ganz andere Melodie. Das wird eine Debatte, die wir hier im Landtag zu führen haben. Da muss der Verkehrsminister Farbe bekennen.

Ich habe mich heute Morgen gefreut, als ich aus meinem Bürofenster gesehen habe, dass er mit dem Fahrrad gekommen ist, auch mit Fahrradhelm.

(Carsten Löcker [SPD]: Er wollte den Stau umfahren!)

Das ist durchaus vorbildlich. Doch es wird nicht ausreichen, dass unser Verkehrsminister Fahrrad fährt,

(Zuruf von Minister Hendrik Wüst)

sondern es müssen viele andere Menschen motiviert werden, den Verkehrsträger zu wechseln. Das mögen Sie von der FDP ideologisch finden. Wir halten das für die logische Konsequenz.

Ich habe gestern noch mit CURRENTA zusammengesessen, einem der wirklich großen Unternehmen hier in diesem Land, und der Geschäftsführer sagte sehr klar: Wir wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren, das Auto stehen zu lassen. Wir werden alles tun, zum Beispiel über ein Jobticket und über mehr Fahrradmöglichkeiten, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Verkehrsträger wechseln. Da kann man das Unternehmen hier nur unterstützen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Bei der FDP, die angeblich so wirtschaftsnah ist, ist das noch nicht angekommen. Wir von grüner Seite unterstützen das. Ich bin gespannt auf die Debatte zu diesem Antrag im Ausschuss. Im Antrag steht nicht viel Falsches, aber es fehlt einiges. Vielleicht können wir helfen, dass noch ein paar Punkte aufgenommen werden.

(Carsten Löcker [SPD]: Ja, gern!)

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Carsten Löcker [SPD]: Aber Sie wissen ja schon alles!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Klocke. – Für die Fraktion der AfD hat nun Herr Abgeordneter Vogel das Wort. Bitte schön.

Nic Peter Vogel (AfD): Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gratis fahren mit Bus und Bahn – das ist natürlich ein sehr alter Hut, ein Evergreen, und der wird normalerweise immer bei Wahlkämpfen oder vermeintlichen Sommerlöchern von kleinen Parteien oder jetzt neuerdings kleineren Parteien hervorgeholt.

(Carsten Löcker [SPD]: Ich habe auch nicht davon gesprochen!)

Er ist aber nicht realisierbar, er ist nicht finanzierbar, und dementsprechend wurde er auch bisher noch nicht praktiziert.

Wir kommen auch bei diesem Antrag wieder einmal zu Dieselfahrverboten. Da kommt die Deutsche Umwelthilfe ins Spiel. Dazu möchte ich einen Satz sagen.

Die Deutsche Umwelthilfe ist ein Verein, der uns in letzter Zeit in den Medien und jetzt auch in der Politik öfter mal über den Weg läuft. Das muss natürlich eine Riesenorganisation sein. Zum Vergleich: Greenpeace hat 2,8 Millionen Mitglieder, der WWF 5 Millionen Mitglieder. Und die Deutsche Umwelthilfe kommt, glaube ich, aktuell auf 278 Mitglieder, bundesweit 80 bis 90 Mitarbeiter. Warum haben die denn so ein Gewicht bei der ganzen Sache?

Es ist manchmal interessant, wie sich eine NGO, eine Nichtregierungsorganisation, finanziert. Natürlich durch Spendengelder. Da haben wir Belege, dass durch die Ford Foundation und Toyota seit vielen Jahren millionenschwere Spenden an diese kleine Organisation gehen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das hat letztes Mal schon Herr Löttgen erzählt! – Gegenruf von Andreas Keith [AfD]: Haben Sie es auch veranlasst?)

– Ihr Lieben, könnte ihr das gleich machen?

Das Schöne an der ganzen Sache ist, dass beispielsweise Toyota die Zusammenarbeit überhaupt nicht leugnet. Seit 1998 haben die eine hervorragende Zusammenarbeit, machen zusammen Projekte. Es fließen jährlich die Großspenden. Es wird natürlich auch ein Hybridmotor beworben, wo ganz zufällig Toyota Marktführer ist, auch in diesem unserem Lande.

Ich komme noch einmal auf den Inhalt des Antrags zu. Wie eben schon realistisch gesagt wurde: Natürlich sind gute Sachen dabei. Aber es ist ein absolut bunter Strauß, irgendwo so ein Wunschkonzert, und man wird auch nicht konkret, was die Finanzierung angeht. Natürlich gibt es einen riesigen Investitionsstau. Wir brauchen uns auch nicht darüber zu unterhalten, wer das Ganze mit verursacht hat. Doch irgendwo ist mir das Ganze ein kleines bisschen zu beliebig, auch was die Finanzen und diesen Gratis-ÖPNV angeht.

Meine Güte, im Endeffekt bezahlt es nachher wieder der Steuerzahler, ob er will oder nicht, ob er dieses Angebot wahrnehmen möchte oder nicht.

(Carsten Löcker [SPD]: Könnten sie auch!)

Das kommt mir so ein bisschen GEZ-mäßig rüber. Viele Leute könnten es gar nicht. Selbst, wenn sie wollten, könnten sie dieses Angebot nicht in Anspruch nehmen, da sie – was weiß ich – Pendler sind, die beispielsweise nach Oberammergau und wieder zurück müssen. Das ist nicht despektierlich gegenüber Oberammergau gemeint.

Wir kommen hier in unseren Städten schon vielfach an unsere Kapazitäten. Wenn Sie mal ein bisschen Kommunalpolitik gemacht und nur rudimentär über den Verkehr geredet haben – es ist gar nicht so einfach, in Stoßzeiten, in Prime Times, von unseren Shoppingmeilen mal eben die Taktung zu erhöhen oder mal eben eine Bahn zusätzlich einzusetzen. Wir haben Regularien, die auch richtig sind. Es gibt Ampelzeiten, es gibt Taktungen, es gibt vorgeschriebene Größen für Haltestellen. Es gibt auch vorgeschriebene Längen für den Halt, und das ist gut und richtig, damit auch die Oma und der Rollstuhlfahrer bequem und sicher einsteigen können.

Wir finden in diesem Antrag einiges, was gut ist, es wird aber sehr viel ausgeklammert. Der Titel lässt es nicht vermuten. Wir vermissen beispielsweise nach wie vor das Thema Straßenausbau. Der Verkehr muss laufen, er muss rollen. Jeder Stau verursacht wieder NOx. Wir sollten uns vielleicht auch mehr den großen Sündern zuwenden, vielleicht auch der Binnenschifffahrt. Vielleicht kommt da mal was. Ich habe Ihnen schon mehrfach Stichworte gegeben.

Mit anderen Worten: Wir freuen uns sehr über die Überweisung. Aber wir werden noch viel daran zu arbeiten haben. – Trotzdem danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Wüst das Wort. Bitte schön.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Löcker für die antragstellende Fraktion, nachdem Herr Klocke Ihnen so huldvoll Kopfnoten – das klang wie zwischen vier plus und vier minus, je nach Gefühlslage – gegeben hat,

(Guido van den Berg [SPD]: Das ist eine Vier! – Gegenruf von Arndt Klocke [GRÜNE]: Versetzung nicht gefährdet!)

muss ich mich schon wundern, warum Sie sich ein Jahr nach dem Regierungswechsel noch immer nicht aus der Umklammerung der Grünen in der Verkehrspolitik losmachen konnten. Oder ist es, um mit den Worten von Mike Groschek zu sprechen, etwa die Durchgrünung inzwischen auch der SPD in der Verkehrspolitik, die Sie diese Umklammerung vielleicht wie eine Umarmung empfinden lässt?

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Eine rhetorische Frage!)

Schon der Titel des Antrags zur Verkehrswende lässt mich stutzig werden, ob das wirklich im Sinne sozialdemokratischer Wählerinnen und Wähler ist. Immer dann, wenn die Politik eine Wende verordnet, kostet es am Ende die kleinen Leute richtig viel Geld und

(Iris Dworeck-Danielowski [AfD]: Die kleinen Leute?)

endet in Umerziehung und Vorschriften. Der Teil, der das gut findet, wählt am Ende doch lieber das Original und landet dann eben bei 8 oder 9 %, Herr Kollege Klocke, wie die Grünen.

Der Antrag verkennt teilweise die Faktenlage. Auf Seite 2 in der Mitte heißt es beispielsweise, der Verbrennungsmotor sei nicht umweltfreundlicher geworden. Der Umweltbundesamt-Index beweist aber genau das Gegenteil. Die Schwefeldioxidemissionen sind gegenüber 1995 um 79 %, die Feinstaubemissionen um fast 50 % und die NOX-Emissionen um 46 % zurückgegangen. Sie sollten das zur Kenntnis nehmen; denn wenn Sie auf Grundlage solcher falschen Fakten operieren, landen Sie am Ende bei einer Grünen-Wende-Philosophie.

(Carsten Löcker [SPD]: Die Verkehrswende kommt auch ohne uns! Da können Sie sich drauf verlassen! – Arndt Klocke [GRÜNE]: Das steht im Koalitionsvertrag! Es steht in Berlin im Koalitionsvertrag!)

Ihre Forderungen sind schließlich realitätsfern, jedenfalls kurzfristig, wenn Sie eine Steigerung der ÖPNV-Verkehrsleistung von 50 bis 100 % fordern. Sie sagen weiter, die ambitionierte Erhöhung des ÖPNV-Anteils am Modal Split brauche erhebliche Kapazitätserweiterungen. – Schön, ich habe nichts dagegen. Aber das kann man hier nicht mal eben mit einer flotten Rede verordnen oder mit einem Federstrich umsetzen. Deswegen spricht Ihr Antragstitel auch Bände: Wer A sagt, muss auch B sagen.

Mit A und B ist es hier aber nicht getan. Man muss schon weiter durchbuchstabieren, um den Menschen gute Anreize zu geben, mit praktikablen Maßnahmen den ÖPNV unter anderem zu steigern. Ich nenne einige:

die Steigerung der Attraktivität des ÖPNV konkret, die Stärkung der Schiene beispielsweise durch eine Wiederaufnahme der Landesförderung für NE-Bahnen, die Sie abgeschafft haben, als Sie auf Kreditmodelle umgestellt haben, die nicht funktioniert haben, die Reaktivierung von Schienenstrecken – diese realisieren wir gerade – sowie die konkrete Förderung der Elektromobilität und des Radverkehrs. Sie haben viel von den Radschnellwegen gesprochen. Wir werden sie machen. Wir haben die Mittel erhöht. Dann kann vielleicht auch Arndt Klocke irgendwann einmal aus Köln mit dem Fahrrad in den Landtag kommen.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Der entscheidende Punkt aber ist: Sie haben nichts hinterlassen, um die Chancen der Digitalisierung in der Mobilität, sprich in der Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsträger, zu nutzen. Alles blank, da war nichts. Diese Kompetenz müssen wir jetzt erst aufbauen. Das tun wir auch. Ich bin in der privilegierten Situation, die einzige neue Fachabteilung der Landesregierung genau dafür aufzubauen, und das ist auch dringend nötig.

(Carsten Löcker [SPD]: Die Schubladen waren alle leer!)

Wir sind der Überzeugung, dass die Menschen entscheiden wollen und auch entscheiden sollen, wie Sie von A nach B kommen. Das kann im Übrigen tagesaktuell ganz unterschiedlich sein. Ich fahre viel mit dem Fahrrad, das stimmt. Aber wenn es plästert, dann nehme ich auch einen Schirm und laufe. Gelegentlich fahre ich auch mit dem Auto. Das ist, glaube ich, ganz normal.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Nette Anekdote! Sehr interessant!)

Wir sollten den Menschen diese Wahl lassen und sie nicht mit Verordnungen und Verkehrswendephilosophien in eine bestimmte Richtung drängen. Zu diesem Thema ist in den letzten Jahren viel zu wenig passiert.

Der Antrag ist zwar ziemlich ideen- und substanzlos, aber weil ich überzeugter Parlamentarier bin, bin ich ziemlich sicher, dass er durch die Ausschussberatung noch besser werden kann. – Vielen herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von der CDU und Bodo Middeldorf [FDP])

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke, Herr Minister Wüst. – Weitere Wortmeldungen haben wir nicht.

Deshalb stimmen wir ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2557 an den Verkehrsausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen, an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung sowie an den Ausschuss für Digitalisierung und Innovation. Die abschließende Abstimmung erfolgt im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung. Wer folgt dem so? – Alle. Gibt es Gegenstimmen? – Nein. Enthaltungen? – Nein. Dann bleibt es dabei, dass alle zugestimmt haben. Somit ist der Antrag überwiesen.

Ich rufe auf:

9   Fachkraftoffensive in NRW starten! Qualität in der frühkindlichen Bildung steigern!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2549

Das Wort hat Frau Paul für Bündnis 90/Die Grünen. Da ist sie schon.

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kindertageseinrichtungen legen den Grundstein für gelingende Bildungsbiografien. Das klingt ein bisschen wie eine Binsenweisheit, aber nichtsdestotrotz ist es so. Es gibt eine weitere Aussage, die auch schon fast wie eine Binsenweisheit klingt, aber genauso wahr ist: Qualitativ gute frühkindliche Bildung braucht gut ausgebildete Fachkräfte.

Jetzt komme ich auf den Teil zu sprechen, in dem es mit diesen Floskeln nicht mehr ganz so einfach ist. Es geht um die Frage, was wir mit dieser Feststellung machen.

Ich will klarstellen: In diesem Antrag, den wir heute vorlegen, geht es nicht um einen Beitrag zum allseits beliebten Kita-Schwarzer-Peter-Spiel, also darum, wer wann was hätte machen können, und warum wer was nicht gemacht hat. Ich hoffe, Marcel Hafke, deine Rede besteht nicht nur aus Textbausteinen, die dieses Schwarzer-Peter-Spiel widerspiegeln. Du guckst schon so.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich hoffe, darin ist ein bisschen mehr Substanzielles enthalten. Denn es geht darum, dass nicht zuletzt – das wissen wir alle – durch das Inkrafttreten des Rechtsanspruches ab dem ersten Lebensjahr ein höherer Fachkräftebedarf besteht. Es besteht auch deshalb ein höherer Fachkräftebedarf, weil dieses Angebot erfreulicherweise in einem höheren Maße von den Eltern angenommen wird, als dies vielleicht zunächst absehbar gewesen ist.

Neben dem Platzausbau konnten in den letzten zehn Jahren auch zusätzliche Beschäftigte, nämlich 34.000, gewonnen werden. Leider ist aber auch klar, dass das zwar gut, aber längst nicht ausreichend ist.

Wir haben schon vielfach über die unterschiedlichsten Rahmenbedingungen für eine gelungene und gute Kita gesprochen. Eine Zahl, die die Debatte immer wieder sehr stark befeuert, ist die Zahl von 16.000 Erzieherinnen und Erziehern, die wir zusätzlich allein in NRW bräuchten, legt man die Daten zugrunde, die die Bertelsmann Stiftung uns vorgelegt hat.

Dabei ist noch nicht mit eingepreist, dass wir auch einen wachsenden Fachkräftebedarf im Bereich der offenen Ganztagsschulen haben. Diesen haben wir ohnedies schon. „Verschärft“ wird die Situation noch einmal durch die Ankündigung der Großen Koalition, bis 2025 auch hier einen Rechtsanspruch umsetzen zu wollen. Auch hier ist der Bund gefordert, dies mit Mitteln zu hinterlegen und uns als Länder und Kommunen zum einen beim Ausbau – bei der dafür notwendigen Hardware sozusagen –, aber eben auch bei der Gewinnung von Fachkräften zu unterstützen.

Der Gradmesser – ich komme wieder zurück zu den Kitas – für qualitativ gute frühkindliche Bildung sind der Fachkraft-Kind-Schlüssel und ein neues Kita-Gesetz. Deshalb ist das an dieser Stelle natürlich auch ein Beitrag zur Debatte um ein neues Kita-Gesetz und die Parameter, die dieses neue Kita-Gesetz abdecken müssen. Ein neues Kita-Gesetz muss einen Personalschlüssel festschreiben, um die Qualität, aber eben auch die guten Arbeitsbedingungen von Erzieherinnen und Erziehern in Kitas sicherzustellen.

Und wie machen wir das? – Na ja: Fachkräfte gewinnen und vor allem auch Fachkräfte halten. Denn oftmals ist es so, dass wir zwar Erzieherinnen und Erzieher in Kitas haben, diese aber irgendwann sagen, dass sie sich eine andere berufliche Perspektive suchen – beispielsweise in anderen Teilen der Jugendhilfe. Wir wollen aber auch diese Fachkräfte im System der Kita halten, und dazu brauchen wir Arbeitsbedingungen, die das Berufsfeld der frühkindlichen Bildung attraktiver gestalten.

Das heißt, dass wir beim Fachkraft-Kind-Schlüssel eine Personalbemessungsgrundlage brauchen, in die auch die Zeiten mittelbarer pädagogischer Arbeit eingepreist sind, wir brauchen Leitungszeiten, die dort abgebildet werden, wir brauchen aber auch Zeiten der Fort- und Weiterbildung, und wir müssen auch Fehlzeiten durch Urlaub oder Krankheit abbilden. Das alles muss Eingang in die Personalbemessung und in einen Fachkraft-Kind-Schlüssel finden, der nicht nur für qualitativ gute frühkindliche Bildung sorgt, sondern auch dafür, das Berufsfeld der Erzieherinnen und Erzieher attraktiv zu gestalten.

Da geht es dann natürlich auch um die Frage einer besseren Bezahlung und um die Schaffung guter Arbeitsbedingungen und eben nicht prekärer Bedingungen, bei denen vielleicht nicht immer die Vollzeittätigkeit und vor allem nicht immer die unbefristete Tätigkeit die Norm ist. In Nordrhein-Westfalen sind wir in dieser Hinsicht schon besser als andere Bundesländer, immerhin sind ungefähr 60 % der in unseren Kitas Beschäftigten unbefristet angestellt, aber auch da ist natürlich noch Luft nach oben.

Auch wir wissen, dass es natürlich nicht die eine Lösung gibt, um mal eben die Frage des Fachkräftemangels in unseren Kitas zu beheben. Das sieht im Übrigen auch die Jugend- und Familienministerkonferenz so, die auch angemahnt hat, dass wir ein ganzes Maßnahmenbündel brauchen.

Es ist ja schön, dass immer so viele Männer im Familienausschuss sprechen, es wäre aber auch schön, wenn Sie sozusagen auch mal Ihre Geschlechtskollegen ansprechen würden; denn bislang haben wir nur 5 % männliche Erzieher in unseren Kitas. Auch da ist also noch deutlich Luft nach oben.

Natürlich braucht es auch noch andere Maßnahmen, beispielsweise eine Steigerung der Attraktivität unterschiedlichster Ausbildungsmöglichkeiten. Dafür ist die praxisintegrierte Ausbildung ein Beispiel. Wir brauchen aber auch gerade zur Erhöhung der Anzahl der Erzieherinnen und Erzieher eine Erhöhung der Ausbildungskapazitäten. Das bedeutet, dass wir nicht nur dort die Kapazitäten steigern, sondern vor allem diejenigen Lehrerinnen und Lehrer ausbilden müssen, die dann unsere Erzieherinnen und Erzieher ausbilden.

Zusammengefasst: Wir haben Ihnen ein Maßnahmenpaket auf den Tisch gelegt, in dem wir diverse Punkte angesprochen haben. Wir erheben damit keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit, wir freuen uns aber sehr darauf, das fachlich weiter zu diskutieren. Wir meinen: Gute Kitas brauchen gute Fachkräfte, und dementsprechend wäre es aus unserer Sicht sinnvoll, das Thema im Ausschuss auch durch eine Anhörung zu begleiten. Wir freuen uns auf die Diskussion. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Paul. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Kamieth.

Jens Kamieth (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Zukunft unserer Kinder entscheidet sich die Zukunft unseres Landes. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft unserer Kinder, für den Aufstieg unabhängig von der Herkunft und für beste Chancen im Leben ist eine gute Bildung – und zwar von Anfang an.

Mit diesem Wissen, mit dieser Überzeugung und in dem Bewusstsein, dass wir mit viel Herzblut an diese wichtige Frage herangehen müssen, macht die NRW-Koalition Landespolitik für eine gute gemeinsame Zukunft. Wie gesagt: Alles fängt mit guter Bildung an – schon bei den Kleinsten. Und zu einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung gehört natürlich auch eine den Bedarf deckende personelle Ausstattung mit Fachkräften. Einfach gesagt: ohne Erzieherinnen keine frühkindliche Bildung.

Insofern ist das, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, in Ihrem Antrag schreiben, grundsätzlich richtig. Wir brauchen und wir wollen genügend pädagogische Fachkräfte in der Kinderbetreuung, da sind wir absolut bei Ihnen. Der Unterschied ist: Wir werden auch dafür sorgen, dass wir sie bekommen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Da warten wir mal ab!)

Seit Jahren sind uns die vielfältigen Herausforderungen für frühkindliche Bildung – dazu gehört eben auch die personelle Ausstattung – bekannt. Da müssen Sie von den Grünen nicht so tun, als ob Sie das Rad neu erfunden hätten; so liest sich jedenfalls teilweise der Antrag. Wir lassen uns von Ihrem Antrag nicht blenden; denn wir haben die Herausforderungen der frühkindlichen Bildung erkannt.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Aha!)

Das, worauf Sie sich in Ihrem Antrag beziehen, ist schließlich nur ein Teilaspekt. Es gibt doch im Rahmen der KiBiz-Reform noch viel mehr zu tun, als – in Anführungszeichen – nur die ausreichende Personalausstattung herbeizuführen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Deshalb habe ich gesagt, dass das ein Debattenbeitrag ist und nicht das ganze KiBiz!)

Meine Damen und Herren, wir nehmen unsere Verantwortung wahr. Wir stehen in einem engen, intensiven, regelmäßigen Austausch mit den Praktikerinnen und Praktikern vor Ort. Wir haben den Handlungsbedarf erkannt, und wir packen es an. Wir nehmen das gesamte System in den Blick und sorgen mit der Verbesserung in allen Bereichen der frühkindlichen Bildung für ordentliche Voraussetzungen.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Fangt doch mal damit an!)

Dazu zählt unter anderem ein vereinfachtes, transparentes, auskömmliches und dauerhaft tragfähiges Finanzierungssystem.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Wie sieht das denn aus?)

Wir brauchen mehr Wertschätzung für die pädagogischen Fachkräfte, Anreize zur Weiterbildung der Fachkräfte, den Abbau von bürokratischen Hemmnissen und den Erhalt der Trägervielfalt. Viele Aspekte müssen in den Blick genommen werden, und am Ende steht dann ein gutes KiBiz. Das machen wir gerade.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Leider ist Ihr Redebeitrag wieder nur so ein Klein-Klein!)

Seit dem Regierungswechsel haben wir schon sehr viel für die frühkindliche Bildung getan. Wir haben Maßnahmen ergriffen und Weichen gestellt. Die Trägervielfalt habe ich vorhin in meiner Aufzählung genannt – ich erinnere noch mal an das Paket zur Rettung der Trägervielfalt in Höhe einer halben Milliarde €. Das hat Luft verschafft und zunächst mal für eine Finanzierungssicherheit der Träger gesorgt, die erforderlich ist, um tatsächlich auszubilden, dauerhaft Erzieherinnen einzustellen und den Beruf attraktiver zu machen. Weitere Schritte nach dem Trägerrettungspaket werden ein neues Finanzierungssystem, die Qualitätsverbesserung und die Flexibilisierung der Öffnungszeiten sein.

Daneben brauchen wir in der Tat neue Ideen, um Fachkräfte dauerhaft zu sichern. Ich muss feststellen, dass wir auch in diesem Bereich im Ministerium nichts vorgefunden haben. Es gibt unheimlich viele offene Fragen, die zu klären sind. Wie sieht es beispielsweise mit der Anerkennung ausländischer Abschlüsse aus?

Es gibt viele Fragen im Zusammenhang mit der praxisintegrierten Ausbildung: Was ist mit der Kranken- und Rentenversicherung der PIA-Auszubildenden? Haben sie Anspruch auf ein Schülerticket? Wie sieht es mit einer BAföG-Förderung aus? – Das alles sind Fragen, die Sie nicht geklärt haben. Wir fangen da bei null an.

Was ist mit Aus- und Weiterbildung? Wie können wir diese attraktiver machen? Wie sind die Zugangsvoraussetzungen für eine Externenprüfung? – Wir müssen neu überlegen, ob wir das als weiteres Instrument etablieren können.

Bevor die Redezeit zu Ende ist, möchte ich einen letzten Punkt ansprechen. Zur Frage, wie man Kinderpflegerinnen berufsbegleitend zu Erzieherinnen machen kann, gab es bereits Schulversuche. Der Schulversuch ist im Jahre 2009 genehmigt worden. Das war damals – Sie erinnern sich – die schwarz-gelbe Koalition. 2013/2014 endete der Schulversuch. Davon haben wir nie wieder etwas gehört. Sie hatten die Möglichkeit, in diesem Rahmen etwas zu machen. Nichts ist passiert.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das ist der gleiche Schwarzer-Peter-Kram, der den Leuten nicht hilft!)

In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Wir haben das Problem erkannt. Wir holen Experten ins Boot. Wir werden die Ärmel hochkrempeln und tatsächlich handeln. Wir werden die Gestaltungsspielräume, die wir haben, nutzen und ein neues KiBiz schaffen mit einer Fachkraftoffensive.

Der Überweisung stimmen wir natürlich zu. Ansonsten brauchen wir den Antrag der Grünen allerdings nicht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kamieth. – Für die SPD-Fraktion tritt nun Herr Kollege Dr. Maelzer ans Pult.

Dr. Dennis Maelzer (SPD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach diesem Debattenbeitrag ist man versucht, unmittelbar darauf einzugehen, aber ich will mich im Gegensatz zu meinem Vorredner stärker auf die Sache konzentrieren.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Fachkräfteversorgung zur entscheidenden Frage der frühkindlichen Bildung in den kommenden Jahren werden wird. Nordrhein-Westfalen braucht mehr Erzieherinnen und Erzieher, denn nur mit einer ausreichenden Zahl an gut qualifiziertem Personal wird es uns gelingen, die wachsenden Bedarfe und die wachsenden Ansprüche an frühkindliche Bildung und Erziehung zu erfüllen. Dafür müssen wir jetzt handeln. Denn es gibt aktuell drei Entwicklungen, die diese Dringlichkeit noch einmal erhöhen.

Erstens übersteigt der tatsächliche Bedarf an Kitaplätzen deutlich die wissenschaftlichen Erwartungen, auf denen die Planungen der vergangenen Jahre beruhten. Wir brauchen also mehr Betreuungsplätze und damit auch mehr Fachkräfte.

Zweitens. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsplätze in Grundschulen wird auch hier den Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern spürbar steigern. Es muss vergleichbare Standards geben, damit es nicht zu einem schädlichen Wettbewerb kommt.

Drittens. Wir wollen und müssen die Qualität in unseren Kitas weiter verbessern. Die entscheidende Stellschraube für Qualität ist ein guter Personalschlüssel. Wir brauchen eine verbesserte Erzieher-Kind-Relation, die sich an wissenschaftlichen Kriterien orientiert.

Was müssen wir also tun, damit sich mehr Frauen und Männer für den Erzieherberuf entscheiden? – Politiker sagen dann gerne und führen es wie mein Vorredner gerne wolkig aus: Wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern. – Was heißt das konkret?

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Fangen wir bei der Bezahlung an. Ich stimme Bundesfamilienministerin Franziska Giffey völlig zu, wenn sie sagt: Kitas sind Bildungseinrichtungen. Und aus diesem Grunde verdienen Erzieherinnen und Erzieher eine gleichwertige Vergütung wie Pädagoginnen und Pädagogen, die zum Beispiel in der Grundschule tätig sind. – Wenn wir das aber wollen, dann müssen wir dazu auch die gesetzlichen Grundlagen schaffen, damit die Träger gute Löhne finanzieren können.

Ich will Ihnen ein zweites Beispiel nennen. Wenn wir Menschen für den Erzieherberuf gewinnen wollen, dann muss die Ausbildung vom ersten Tag an vergütet sein. In der Regierungszeit der SPD wurden praxisintegrierte Ausbildungsgänge – kurz: PIA – ausgebaut. Hier erhalten die angehenden Erzieherinnen und Erzieher vom ersten Ausbildungsjahr an eine Bezahlung. Allerdings haben noch nicht alle Auszubildenden die Chance, sich für PIA zu entscheiden. So bieten im gesamten Regierungsbezirk Münster nur zwei Berufskollegs PIA an. Über alle drei Jahrgänge verteilt sind es gerade einmal 132 Plätze.

Vor einigen Wochen hatte ich eine Diskussion mit angehenden Erzieherinnen und Erziehern der AWO Mittelrhein. Eine junge Frau sagte mir, dass sie mehr als ein Jahr mit Praktika überbrücken musste, weil sie keinen PIA-Platz bekommen hat. Jetzt fährt sie täglich mehr als 50 km zu ihrer Ausbildungsstätte.

Ich habe die Landesregierung gefragt, ob sie plant, die praxisintegrierte Ausbildung auszuweiten. Zu einem klaren Bekenntnis sah sich Schwarz-Gelb nicht in der Lage.

Überhaupt – und das ist das Spannende, wenn man sich die Vorrede angehört hat – verweisen Sie bei Anfragen zum Thema „Fachkräftesicherung“ allein auf Maßnahmen aus der Regierungszeit von SPD und Grünen: neben PIA auch auf den Ausbau der Ausbildungskapazitäten, die Zertifizierung von Fachschulen oder die Entlastung der Fachkräfte durch Hauswirtschaftskräfte. Zu eigenen Ansätzen schweigen Sie sich konsequent aus.

Das Gleiche gilt für die aufgeschobene KiBiz-Revision. Sie sind weder hier im Hohen Hause noch im zuständigen Ausschuss bereit, zu sagen, was Ihre Ziele für eine Gesetzesänderung sind. Dabei müssen die Rahmenbedingungen für die Fachkräfte gerade auch gesetzlich verbessert werden. Wie soll sich der Betreuungsschlüssel verändern? Wie beenden wir die hohe Quote unfreiwilliger Teilzeit? Wie bilden wir die gewünschte Multiprofessionalität ab? An welcher Stelle schaffen wir Berufsbilder für die größer werdende Zahl an Akademikerinnen und Akademikern? Diese Fragen muss ein neues Kita-Gesetz beantworten.

Vor allem geht es aber um die grundsätzliche Ausrichtung. Die SPD hat eine Sockelfinanzierung für die Kitas vorgeschlagen. Damit sollen finanzielle Planungssicherheit und ein besserer Betreuungsschlüssel einhergehen. Wie steht die Landesregierung dazu? Dieser Fachdebatte verweigern Sie sich konsequent. Stattdessen verweisen Sie auf Hinterzimmergespräche.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Auch hier wäre ein klarer Kurs nötig, statt den Weg des geringstmöglichen Widerstandes zu suchen. Das wäre auch wichtig für die angehenden Erzieherinnen und Erzieher, denn ihnen müssen wir zeigen: Es lohnt sich, diesen Berufsweg einzuschlagen.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Maelzer. – Herr Hafke hat das Wort für die FDP-Fraktion.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Jetzt aber nach vorne, nicht immer Geschichtsaufarbeitung!)

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrte Frau Präsiden…! Sehr geehrter Herr Präsident!

Vizepräsident Oliver Keymis: Zumindest jetzt noch.

(Heiterkeit)

Marcel Hafke (FDP): Die Kollegin Frau Paul hat mich etwas aus dem Konzept gebracht. Entschuldigung!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte es abkürzen, aber ich muss es trotzdem noch einmal sagen: Es ist schon interessant, was die Grünen hier wieder beantragen. Es ist mal wieder so, dass die eigenen Versäumnisse in den letzten sieben Jahren …

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

– Ja, Sie wollten das doch!

Frau Paul, Sie haben doch quasi darum gebettelt, dass ich das noch einmal wiederhole. Ich mache das gerne für Sie. Es ist einfach so, dass Sie in den letzten sieben Jahren regiert haben. Und all das, was wir hier probieren, auf den Weg zu bringen, kann man nicht in sechs bis sieben Monaten schaffen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Hat ja auch niemand behauptet!)

– Frau Kollegin Paul, hören Sie mir einfach einmal zu. Als ich damals hier ins Parlament eingezogen bin, haben Sie gesagt, es würde keine Erkenntnisdefizite geben. Schon damals habe ich Ihnen gesagt, dass wir in Nordrhein-Westfalen einen Erziehermangel haben. Sie haben uns eine katastrophale Bilanz hinterlassen.

(Zuruf von der SPD: Warum sagt Ihre Landesregierung nicht, dass wir die Kapazitäten aufgebaut haben?)

Das ist einfach der Status quo, den wir hier vorgefunden haben. Deswegen ist das Thema Ihres Antrages richtig. Es ist aber viel zu kurz gegriffen, sich jetzt hier hinzustellen und zu sagen: Wir haben mal eben die Lösung, wir könnten das mal eben so machen.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

– Frau Kollegin Paul, Sie hätten das alles in den letzten sieben Jahren machen können. Sie sprechen in Ihrem Antrag davon, Kapazitäten auszubauen und nach vorne zu bringen. Mit dem, was Sie sagen, haben Sie völlig recht. Das Problem besteht aber darin, dass Ihre eigene Schulministerin uns noch nicht einmal ausreichend Lehrer hinterlassen hat, die dort an den Schulen unterrichten könnten. Das ist das große Problem.

(Beifall von der FDP – Zuruf von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen einmal – wenn Sie zuhören würden, wäre die Lage etwas einfacher – Folgendes sagen: Seitdem Minister Stamp und Ministerin Gebauer in der Regierung bzw. im Amt sind, arbeiten die daran.

(Zuruf von den GRÜNEN)

– Wissen Sie, der Unterschied besteht auch darin, dass wir Ergebnisse und nicht irgendwelche Wasserstandsmeldungen präsentieren. So haben wir das …

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

– Wissen Sie was? Ich glaube, wir müssen uns von einer abgewählten Regierung, die in diesem Fachbereich so gut wie nichts hinbekommen hat, keinen Zeitdruck machen lassen. Wir werden dann, wenn wir so weit sind, die Ergebnisse präsentieren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Minister Stamp hat im Ausschuss mehrfach erklärt, dass wir am Thema PIA und Erzieherausbildung dran sind. Wenn ich Ihren Antrag lese, Frau Paul, dann sehe ich, dass darin etwas von guten Arbeitsbedingungen steht. Damit haben Sie auch völlig recht. Dafür sind aber in unserem Land in erster Linie die Gewerkschaften und die Arbeitgeber zuständig. Deswegen erwarte ich von denen auch, dass sie sich in diese Debatte mit einbringen. Deswegen sind das Ministerium von Joachim Stamp und das Schulministerium diesbezüglich mit den Beteiligten im Gespräch.

Frau Paul und auch der Kollege Dennis Maelzer haben das Thema Finanzierung angesprochen; deswegen will ich es an der Stelle noch einmal wiederholen: Auch dort haben wir eine Mangelsituation vorgefunden. Wir befinden uns im Moment in Gesprächen, ein Kinderbildungsgesetz zu reformieren und auf den Weg zu bringen, das genau eine Auskömmlichkeit beschreibt und auch eine Situationsverbesserung für die Erzieherinnen und Erzieher sowie die Träger darstellen wird. Dazu sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wir werden uns die Zeit nehmen, ausführliche Gespräche auf den Weg zu bringen. Sie haben es noch nicht einmal geschafft, irgendwelche Eckpunkte zum KiBiz auf den Weg zu bringen.

(Zurufe von der SPD: Warum macht ihr konsequent überhaupt keine Angaben, was ihr machen wollt?)

Die SPD versucht, sich hier großartig mit irgendwelchen Anträgen und Konzepten zu profilieren. Die alle haben Sie nicht auf den Weg gebracht. In Ihrer Regierungszeit haben Sie noch nicht einmal ein Papier auf den Weg gebracht.

Wir werden das genau anders machen. Dieses Thema werden wir mit den Betroffenen vernünftig diskutieren.

Frau Paul, wir sind uns in einem Punkt völlig einig: Wenn wir das Thema „Erziehermangel“ nicht in den Griff bekommen bzw. nicht ausreichend Erzieherinnen und Erzieher ausbilden, können wir die besten Qualitätsstandards in ein KiBiz hineinschreiben, werden sie aber hinterher nicht erfüllen können. Deswegen werden wir um eine Diskussion über Erziehermangel bzw. zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher nicht herumkommen. Das ist uns vollkommen bewusst.

Ich betone noch einmal, was ich Ihnen schon damals, 2010, gesagt haben. Sie waren damals taub auf den Ohren. Ich bin froh und dankbar, dass Minister Stamp und Ministerin Gebauer das nicht sind, sondern dies eben aufgegriffen haben und dort ansetzen wollen.

(Beifall von der FDP)

Abschließend, meine Damen und Herren: Ich freue mich trotzdem sehr über den Antrag, auf die Diskussion und die Anhörung im Ausschuss. Dann werden Sie noch einmal hören, was Sie alles hätten machen können, dass wir heute nicht in der Situation wären, in der wir sind. Wir werden dann auch noch einmal aufzeigen, was die schwarz-gelbe Landesregierung dort auf den Weg bringt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hafke. – Für die AfD-Fraktion hat nun Frau Dworeck-Danielowski das Wort.

Iris Dworeck-Danielowski (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor uns liegt ein Antrag, der exakt den gleichen Missstand aufgreift wie der Antrag, den wir bei der letzten Plenarsitzung gestellt haben. Grundsätzlich freuen wir uns, dass zumindest eine weitere Partei Handlungsbedarf ob des eklatanten Mangels an Erzieherinnen und Erziehern feststellt. Allerdings – und das ist wenig überraschend – befürworten wir einen anderen Lösungsansatz.

Es ist hingegen schon erstaunlich, dass in der letzten Ausschusssitzung, in der unser Antrag zum alternativen Elterngeld beraten wurde, keine der anderen Fraktionen wirklich auf diese Problematik eingegangen ist. Ich erinnere mich daran, dass ich zweimal die Frage in den Raum gestellt habe, wie – eben unabhängig von der eigenen ideologischen Ausrichtung von Ihnen allesamt – das Problem des Fachkräftemangels im Kitabereich eingeschätzt wird. Inhaltlich darüber debattieren – wie wir es beispielsweise erst letzte Woche von der Jugend vorbildlich vorgeführt bekommen haben – wollte offensichtlich niemand. Im Ausschuss – es wird ja immer wieder betont, dass da angeblich die sachlich-fachliche Arbeit stattfindet – wurde diese Fragestellung mit allgemeinen Schmähungen umgangen.

(Frank Müller [SPD]: Das ist schlicht unwahr!)

– Das ist es nicht. Das Protokoll lag bei der Erstellung der Rede leider noch nicht vor. Ich bin mir aber sicher, dass ich ein gutes Gedächtnis habe.

Herr Kamieth von der CDU sprach sogar davon, dass unser Antrag, der den Eltern lediglich eine faktische Wahlfreiheit in Sachen Kinderbetreuung ermöglichen sollte, einen Geist atmen würde, den die CDU in NRW schon lange hinter sich gelassen hätte. Das sagt der familienpolitische Sprecher der Partei, die ihre Wähler immer wieder mit einem vermeintlich konservativen Profil täuscht und mit Phrasen – wie die, die Familie sei ein Wert an sich – in die Irre führt.

So viel zur inhaltlichen Arbeit in den Ausschüssen. Aber gut, jetzt haben wir ja einen Antrag, der zumindest die gleiche miserable Situation zur Ausgangslage nimmt und zum Handeln auffordert.

Liebe Grünen, eigentlich müsste ich Ihnen für diesen Antrag schon fast danken. Ihr Forderungskatalog ist vermutlich nicht einmal falsch, wenn man zum Ziel hat, die perfekte Rundumbetreuung auszurufen. Er macht aber auch deutlich, wie aberwitzig dieses Vorhaben ist. Wenn die Kinderbetreuung in unserem Land die einzige Baustelle wäre, könnte man vielleicht solche Geschütze auffahren. Wir brauchen aber auch in Bälde ca. 30.000 Handwerksmeister, die Betriebe übernehmen und fortführen wollen, Lehrer, Bäcker, Pflegepersonal und Ärzte.

Dieser Antrag beginnt also in der Realität und endet, wie so häufig, in Wolkenkuckucksheim. Wenn „Mut zur Wahrheit“ unser Slogan ist, dann ist Ihrer vermutlich „Mut zur Fantasie“.

(Beifall von der AfD – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Da hätten Sie beinah Ihren Einsatz verpasst!)

Unabhängig davon noch zwei Anmerkungen.

In Ihrem Antrag heißt es: Das durch den Rechtsanspruch entstandene zusätzliche Angebot wird stärker durch Eltern in Anspruch genommen, als dies zuerst angenommen wurde. – Das ist korrekt. Allerdings: Was sollen die Eltern auch sonst in Anspruch nehmen? Es gibt keine weitere Option, die man in Anspruch nehmen könnte. Entweder entscheide ich mich dafür, die Fremdbetreuung in Anspruch zu nehmen, oder ich betreue mein Kind in der Familie und bleibe auf dem Verdienstausfall ohne Förderung sitzen. Das bedeutet nicht nur höhere Ausgaben, sondern auch weniger Einkommen.

Da wundert es doch nicht, dass die Nachfrage nach der einzigen Förderung, die angeboten wird, permanent wächst.

Weiterhin heißt es: Erzieherinnen und Erzieher verdienen mehr Anerkennung, auch monetär, für ihre wichtige und wertvolle Arbeit. – Wenn also jemand beruflich freiwillig den ganzen Tag mit Kindern spielt, bastelt, ihnen die Welt erklärt und aufgeschlagene Knie versorgt, dann verdient das die gesamtgesellschaftliche Anerkennung. Wenn Eltern oder im Speziellen Mütter genau in diesen Aufgaben – und sei es auch nur für ein paar Jahre – ihre Erfüllung finden, dann ist das ein Indikator für ein verkrustetes Weltbild, und es bedarf erst mal ein paar gleichstellungspolitischer Maßnahmen.

Wer aber heute bereit ist, berufliche Nachteile in Kauf zu nehmen und sich selbst und sein berufliches Fortkommen zugunsten seiner Kinder hintenanzustellen, der- oder diejenige verdient ebenfalls sehr viel mehr Anerkennung und finanzielle Entlastung.

(Beifall von der AfD)

Wir halten Ihren Weg für grundsätzlich falsch. Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir natürlich zu.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Dworeck-Danielowski. – Als Nächster spricht für die Landesregierung der Minister Herr Dr. Stamp.

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass wir uns einig sind, wie wichtig das ist – Marcel Hafke hat das eben noch einmal betont – und dass wir für alles, was wir für das Fortkommen qualitativer Art brauchen, auf gute Fachkräfte angewiesen sind. Da sind wir uns einig.

Es ist schade, dass wir bei der Gewinnung solcher Fachkräfte sieben Jahre verloren haben.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir werden jetzt versuchen, das so gut es geht aufzufangen. Wir arbeiten intensiv und in enger Abstimmung mit dem Schulministerium und dem Wissenschaftsministerium daran, diesem Fachkräftemehrbedarf qualitativ und quantitativ zu begegnen.

Wir haben bereits im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir die Erzieherausbildung und die Umstellung auf eine dualisierte Ausbildung mit einem zertifizierten Fort- und Weiterbildungssystem überprüfen werden.

Darüber hinaus wollen wir in der Kindertagesbetreuung auch die Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen verbessern.

Und wir prüfen, welche Möglichkeiten es darüber hinaus noch gibt. Vor allem wollen wir auch die praxisintegrierte Ausbildung stärken.

Wir wissen aber auch, dass noch weitere Maßnahmen erforderlich sind. Wir schauen uns gemeinsam mit den beteiligten Akteuren alle infrage kommenden Stellschrauben an. Ich denke, es ist das Wichtigste, dass wir das in einem engen Dialog mit den entsprechenden Akteuren tun. Und das sind, meine Damen und Herren, keine Hinterzimmergespräche, sondern das ist notwendige Fachlichkeit.

Genauso werden wir es auch mit der Reform des Kinderbildungsgesetztes halten. Die haben wir im Übrigen nicht verschoben – Herr Kollege Maelzer, wenn Sie zuhören, dann brauchen Sie nachher nicht das zu kritisieren, was Sie wieder alles nicht mitbekommen haben –,

(Martin Börschel [SPD]: Er reflektiert gerade Ihre Rede, Herr Minister! – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Gegenruf von Martin Börschel [SPD] – Ralph Bombis [FDP]: Hören Sie doch mal zu!)

sondern wir sind bereits mittendrin. Und deswegen wird uns das auch gelingen.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Was war jetzt der Mehrwert für mich?)

Wir werden jetzt gemeinsam im Hinblick auf die Fachkräfte sehen, wie wir den Zugang zur Ausbildung, aber auch die Verabredungen in den Personalvereinbarungen angehen. Ein ganz entscheidender Punkt ist dabei natürlich auch, dass die Träger Sicherheit bei der Kitafinanzierung haben. Leider mussten wir ja feststellen, dass das Kitasystem, wie wir es von Rot-Grün übernommen haben, völlig unterfinanziert gewesen ist.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Nein, wie Sie es eingeführt haben!)

– Ich spreche von dem Kindertagessystem, das wir vorgefunden haben, nachdem sieben Jahre lang Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen regiert hat. Das ist intellektuell nicht so schwer zu verstehen, finde ich.

(Beifall von der CDU und der FDP – Marcel Hafke [FDP]: Ja, so sieht es aus! – Josefine Paul [GRÜNE]: Nein, das KiBiz, das Sie eingeführt haben! – Gegenruf von Angela Freimuth [FDP] – Gegenruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Wir haben mit dem Kita-Träger-Rettungsprogramm von einer halben Milliarde € direkt dafür gesorgt, dass es die entsprechende Sicherheit gibt. An den nächsten Schritten arbeiten wir mit Hochdruck; das wissen Sie auch.

Wir brauchen gute Rahmenbedingungen für die Kindertagesbetreuung, für die Ausbildung der Fachkräfte von Morgen und für die Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten. Das ist einer der zentralen Punkte für diese Landesregierung, und das werden wir mit allen Partnern gemeinsam auf den Weg bringen. Wenn es der Opposition – anders als zu der Zeit, als sie noch in der Regierungsverantwortung war – jetzt auch so wichtig ist wie uns, dann werden wir das sicherlich gedeihlich gemeinsam auf den Weg bringen.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Sagen Sie doch mal was Konkretes!)

Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2549 an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend – federführend – sowie an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung. Die abschließende Abstimmung im federführenden Ausschuss soll in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer hat etwas dagegen? – Niemand. Enthält sich jemand? – Auch nicht. Dann ist einstimmig so überwiesen.

Wir rufen auf:

10 Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des allgemeinen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Nordrhein-Westfälisches Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU-NRWDSAnpUG-EU)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/1981

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 17/2574

Änderungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2615

Änderungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2620

Änderungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2629

Änderungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2631

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2616

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2630

zweite Lesung

Jetzt ist die Aussprache eröffnet. Ans Pult tritt Herr Dr. Geerlings für die CDU-Fraktion. Sie haben das Wort.

Dr. Jörg Geerlings (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, der Präsident hat schon mehr oder weniger alles zusammengefasst und die Abkürzung genannt. Genauso ist das Thema auch schon rauf und runter diskutiert worden und wird uns sicherlich noch weiter vielfach beschäftigen.

Heute Vormittag, heute Morgen haben wir eine entsprechende Aktuelle Stunde dazu gehört. Wir haben auch schon viel darüber diskutiert. Ich glaube, jeder von uns ist derzeit mit diesem Thema befasst – das klang schon an – durch Anschreiben, in Vereinen, von vielen Ehrenamtlern, von Unternehmern, die aufgrund der EU-Datenschutz-Grundverordnung stark verunsichert sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Landesgesetzgeber sind wir genauso befasst damit wie der Bundesgesetzgeber, aber natürlich mit anderen Schwerpunkten. Das ergibt sich allein schon aus der Kompetenzordnung des Grundgesetzes.

Datenschutz ist uns allen wichtig. Ich glaube, das klang heute Vormittag auch noch mal an. Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Entsprechend sensibel muss man natürlich damit umgehen.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil in den 80er- Jahren anerkannt hat, hat dazu eine Grundlage geschaffen. Aber wenn man zurückblendet, wird man schnell feststellen, dass die Grundlagen heute ganz anders sind, als sie es damals in den 80er-Jahren waren: Smartphones, E-Mails und vieles andere waren überhaupt noch nicht gang und gäbe. Sie haben sicherlich unsere heutige Welt revolutioniert und verändert. Deswegen muss man sicherlich noch sensibler damit umgehen.

Wenn man sich die EU-Datenschutz-Grundverord-nung anguckt, dann ist da sicherlich vieles gut gemeint und auch richtig. Es ist durchaus positiv, dass Europa hier zu einer gleichförmigen Bewertung des Ganzen kommt und entsprechend handelt.

Aber gut gemeint muss ja nicht immer heißen, dass es dann auch gut umgesetzt wird. Bei der einen oder anderen Sache müssen wir festhalten, dass der europäische Gesetzgeber über das Ziel hinausgeschossen ist.

Daher bin ich froh, dass die Landesregierung einen Gesetzentwurf, ein Paket vorgelegt hat, das nur das umsetzt und nicht Weiteres oben drauflegt und nicht weitere Bürokratie anwendet, sodass keine weitere Erschwernis eintritt.

Wir als CDU und FDP haben in einem Entschließungsantrag klargemacht, dass wir hier vor allen Dingen wünschen, dass von Landesseite, aber auch mit Blick auf die Bundesebene alles getan wird, dass der Bundesgesetzgeber, die Bundesregierung unterstützt wird, mögliche Erleichterungen und Ausnahmeregelungen zu nutzen, um den kleinen und mittelständischen Unternehmen einerseits, aber vor allen Dingen auch den vielen Millionen Ehrenamtlern, die wir in unserem Land haben, Hilfe zu leisten und nicht für weitere Verunsicherung zu sorgen.

Daher ist es richtig, dass wir nach der guten Anhörung, die wir hatten, noch einmal innegehalten und geprüft haben, wo Veränderungen notwendig sind. Wir haben das als NRW-Koalition aufgegriffen und einige Vorschläge gemacht. Ich hoffe und gehe davon aus, dass Sie dem natürlich auch folgen können. Aber es gibt noch viele weitere Vorschläge, die gleich gemacht werden.

Wir wollen nicht mehr draufpacken, als notwendig ist. Datenschutz ist kein Verhinderungsinstrument. Er ist wichtig für unsere Gesellschaft. Aber man muss auch praktikable Regelungen treffen. Dieser Tage traut man sich gar nicht mehr, eine Telefonnummer oder Ähnliches herauszugeben, ohne gleich daran zu denken, was kommt. Ich glaube, ein Kollege hat es heute Morgen auch gesagt: Derzeit kommen so viele Newsletter auf einen zu, die man gar nicht mehr kennt, die einen daran erinnern, dass man irgendwelche Daten preisgeben soll bzw. bestätigen soll.

Wir wollen keine Überregulierung haben. Wir wollen, dass die Gestaltungsräume, die da sind, genutzt werden. Sie sind jedoch – das muss man ehrlicherweise einräumen – recht eng. Denn eine europäische Verordnung – das wissen wir – hat keinen Umsetzungsspielraum wie eine Richtlinie. Sie gilt direkt und unmittelbar. Daher sind wir als Landesgesetzgeber auch gehalten, dies entsprechend anzuwenden.

Unsere Änderungsanträge greifen einige Dinge und Bedenken aus der Anhörung auf, sollen aber insgesamt nicht dazu führen, dass Überregulierung herrscht.

Unser Entschließungsantrag soll insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sowie das Ehrenamt mit seinen vielen Millionen Helferinnen und Helfern im Land stützen. Daher werbe ich hier noch einmal ausdrücklich für Unterstützung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Geerlings. – Die SPD-Fraktion wird nun vertreten von Frau Kollegin Kapteinat.

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Datenschutz-Grundverordnung – das zweite Mal, dass wir uns am heutigen Tage mit diesem sehr wichtigen Thema beschäftigen können. Diesmal sind wir auch an dem Punkt, dass wir tatsächlich Entscheidungsbefugnisse haben und keine Scheindebatte führen möchten.

Mit Scheindebatte meine ich nicht, dass ich, wie Sie mir eben schon unterstellen wollten, die Auswirkungen, die diese Datenschutz-Grundverordnung von der EU und der Bundesgesetzgebung auf die Menschen in Nordrhein-Westfalen hat, nicht ernst nehme. Mit Scheindebatte meine ich die Aktuelle Stunde, die nicht die Versäumnisse der Vergangenheit wettmachen kann, wozu eben schon die Frage gestellt wurde: Welche Substanz hatte der Beitrag, und was sind die konkreten Auswirkungen dieser Debatte? Hier hätte es nämlich auch für die Mitte-rechts-Koalition die Möglichkeit gegeben, tatsächlich etwas für die Bürgerinnen und Bürger zu tun.

Aber vorweg doch noch ein paar Sätze zum Verfahren: Trotz Kenntnis darüber, dass die Datenschutz-Grundverordnung am 25.05.2018 in Kraft tritt und dies seit zwei Jahren klar ist, hat die Mitte-rechts-Regierung erst im März den Gesetzentwurf ins Plenum gebracht. Im April haben wir dann eine schnelle Anhörung gehabt. Jetzt, hoppla-di-hopp, kurz vor Toresschluss soll entschieden werden.

Dabei hat die Anhörung sehr deutlich gemacht, dass der Gesetzentwurf so nicht verabschiedet werden kann. Deshalb haben wir auch einen Änderungsantrag frühzeitig eingebracht.

Der unstrukturierte Zeitplan, soweit man von einem Plan sprechen kann, geht aber weiter. Nachdem in der Anhörung schon sehr deutlich wurde, dass es Änderungsbedarf gab, und uns auch signalisiert wurde, dass Interesse an einem gemeinsamen Änderungsantrag besteht, ist keine weitere Reaktion erfolgt. Im Gegenteil: Erst heute Morgen, während der laufenden Aktuellen Stunde um 10:19 Uhr wurde der Änderungsantrag übersandt. Für einen ehrlichen parlamentarischen Diskurs ein Unding!

Ich mache Ihnen nicht zum Vorwurf, dass Sie die Änderungen einreichen. Im Gegenteil, ich freue mich, dass Sie auch Profil gegenüber Ihrer Exekutive zeigen und dass deutlich wird: Es wird nicht alles abgenickt, was die Regierung macht, sondern Sie haben durchaus als Parlament einen Anspruch, tätig zu werden. Das durften wir in den letzten Monaten nicht allzu oft bemerken.

Der Entschließungsantrag von heute Vormittag zeigt aber noch einmal sehr deutlich, dass kein wirkliches Interesse besteht, gemeinsam zu arbeiten. Auch im Hauptausschuss war noch einmal die Rede davon, dass sich die Koalition um eine fraktionsübergreifende Positionierung bemühen möchte, was aber wohl dann nachweislich nicht gelungen ist. Der Präsident hat eben aufgezeigt, wie viele Änderungsanträge wir haben.

Doch zurück zu unserem Änderungsantrag: Priorität hat für uns – das hat die Datenschutzbeauftragte sehr schön geschildert –, dass der Datenschutz in Nordrhein-Westfalen auf einem gesunden und sinnvollen Niveau erhalten bleiben muss. Das war im aktuellen Gesetzentwurf nicht so. Uns war es daher wichtig, besonders drei Punkte hervorzuheben.

Der erste Punkt betrifft Wissenschaft und Forschung. Wir sind stolz auf die Arbeit, die die Wissenschaftler und Forscher bei uns im Land machen, und wollen, dass diese gute Arbeit weiterhin fortgeführt werden kann.

Gleichzeitig wird aber – wie Sie alle wissen – insbesondere im Forschungsbereich mit zum Teil hochsensiblen Daten gearbeitet, die erhoben und verarbeitet werden. Uns ist es hier wichtig, dass die Betroffenen, mit deren Daten gearbeitet wird, weiterhin Herr oder Frau ihrer Datensätze bleiben.

Der aktuelle Gesetzentwurf sieht eine Beschränkung vor, die so weder notwendig noch nachvollziehbar ist und aus unserer Sicht auch nicht von der Datenschutz-Grundverordnung gedeckt ist.

Beim zweiten wesentlichen Punkt geht es um nichts weniger als um den Schutz vor unnötiger Videoüberwachung, also um unseren grundgesetzlichen Schutz, uns in Deutschland frei und ungezwungen bewegen zu dürfen. Wir sprechen also von einem hochsensiblen Bereich.

Umso notwendiger ist unser Änderungsantrag. Dort, wo bisher nur eine Überwachung zulässig war, nämlich zur Wahrnehmung des Hausrechts, sollte es nunmehr vier zulässige Überwachungszwecke geben. Dafür besteht keinerlei Notwendigkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Beim dritten und uns sehr wichtigen Punkt geht es um die Verwendung der erhobenen Daten. Es kann nicht angehen, dass diese Daten ohne zwingende Notwendigkeit länger gespeichert werden als notwendig. Mit der von uns vorgeschlagenen Änderung, die eine unverzügliche Löschung vorsieht, wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass die Videoüberwachung die eben geschilderte besondere Eingriffstiefe besitzt.

Eine Ausweitung der Videoüberwachung in Nordrhein-Westfalen unter Regierungsbeteiligung der FDP – wer hätte das noch vor zehn Jahren für möglich gehalten? Dass ein solcher Entwurf überhaupt durch das Kabinett kommt, wäre früher unvorstellbar gewesen.

Da kommt jetzt Ihr Änderungsantrag ins Spiel. Der Änderungsantrag nimmt zwar einerseits Unverhältnismäßigkeiten zurück, strotzt aber andererseits von zusätzlichen Einschränkungen.

Als Positivbeispiele will ich ausdrücklich die Videoüberwachung und die Speicherfristen nennen. Sie reagieren auf die vielen Klagen der Sachverständigen, dass die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt ist, und wir begrüßen es, dass Sie hier die Kehrtwende vollziehen und auch den Mut haben, die Reißleine zu ziehen. Allerdings ist unser Weg ein anderer, und, wie wir finden, deutlich klarer.

Leider nutzen Sie Ihren Antrag auch, um Spielräume dergestalt einzuschränken, dass sie nicht mehr mit dem Ursprungsgedanken der Verordnung übereinstimmen. Daher unterscheiden sich unsere Wege beispielsweise eben bei der Frage der Sicherung der Arbeit von Wissenschaft und Forschung auf dem aktuellen Niveau.

Oder auch Ihre Änderung unter § 12, was Betroffene an Informationen liefern müssen, um von ihrem Datenschutzrecht Gebrauch zu machen: Wir fürchten da einen zu großen Ermessensspielraum.

Bemerkenswert ist auch, dass in Ihrem Änderungsantrag Gesetzespassagen ohne jegliche Begründung herausgestrichen werden, so wie § 9 Abs. 6, der sachgrundlos gestrichen wird. Da geht es – nebenbei bemerkt – um die Übermittlung personenbezogener Daten an nichtöffentliche Stellen.

Neben den Änderungen möchte ich noch ein paar Worte zu Ihrem Entschließungsantrag formulieren. Dieser speist sich allein aus dem selbstverständlichen Sachverhalt, dass die regierungstragenden Fraktionen ihre Landesregierung unterstützen.

Das hilft den Menschen substanziell recht wenig. Hilfestellung und Aufklärung – das hätten Sie schon in den letzten Monaten geben können. Das haben Sie versäumt. Wir freuen uns aber ausdrücklich, wenn Sie jetzt aus Ihrem Dornröschenschlaf aufgewacht sind, und unterstützen Sie gerne, wenn wir dann auch mal Taten sehen.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Ich danke Ihnen, Frau Kollegin Kapteinat. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Freimuth.

Angela Freimuth (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen im parlamentarischen Beratungsverfahren bedanken, weil – Frau Kollegin Kapteinat hat es gesagt, und ich habe es in der letzten Hauptausschusssitzung ausdrücklich anerkannt – dies hier ein Gesetzgebungsverfahren ist, das von uns Parlamentariern ein hohes Maß an Disziplin und gutem Willen abverlangt hat. Ich habe es auch gerade im Interesse des Datenschutzes in unserem Land als ein gutes Zeichen empfunden, dass wir Abgeordnete uns über die Fraktionsgrenzen hinweg um eine zügige Beratung und ein gutes Ergebnis für den Datenschutz in Nordrhein-Westfalen bemüht haben. Insofern will ich das ausdrücklich auch an dieser Stelle anerkennen.

Ich möchte daran erinnern, dass wir bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfs gesagt haben, dass das eine Grundlage ist, auf der wir auch gut die Beratungen im Weiteren führen können.

Die Anhörung hat uns an einigen Stellen noch Änderungsbedarf aufgezeigt. Die Anregungen zu einigen Änderungen haben wir für sinnvoll erachtet. Deswegen haben wir Koalitionsfraktionen Ihnen heute auch einen Änderungsantrag vorgelegt.

Sie haben gerade zwei, drei Punkte an dem Gesetzentwurf kritisiert. Die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP haben einige Ihrer Bedenken geteilt. Beispielsweise wollten wir bei § 20 Abs. 1 die unbestimmte Grundlage in der Nummer 1 mit Blick auf die bereits erfolgte Rechtsprechung zu einer bayerischen Regelung nicht in dieser Unbestimmtheit stehen lassen. Deswegen haben wir hier die Streichung vorgeschlagen, sodass wir drei Voraussetzungen haben.

Ich komme zu einem weiteren, für uns wichtigen Punkt. Wir haben lange miteinander über eine geeignete Formulierung diskutiert, um die Abwägung zwischen dem hohen Gut Datenschutz, dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung, und einer praktikablen Vorgehensweise, wie wir zum Beispiel öffentliche Stellen in die Lage versetzen, Rechtsgutverletzungen verfolgen zu können, im Gesetz auszugestalten.

Im Ergebnis haben wir mit dem Änderungsantrag vorgeschlagen, bei der Videoüberwachung – oder Videobeobachtung, wie es in einigen Ausführungen heißt – eine unverzügliche Löschung vorzusehen – abgesehen von den Ausnahmen in § 20 Abs. 4 Satz 2. Diese Ausnahmen ermächtigen zu einer längeren Speicherung der Daten. Das wird von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ja zu Recht auch gar nicht angegriffen.

 

Ich möchte noch einen anderen Aspekt nennen: In der Anhörung wurde deutlich darauf hingewiesen, dass es weiterhin eine Öffentlichkeitsarbeit geben muss. Wir alle kennen die wunderbaren Aufnahmen von belebten Innenstädten mit Schwenkbildern, die wir als selbstverständlich hinnehmen, die aber eine gewisse Problematik mit Blick auf die datenschutzrechtlichen Bestimmungen gehabt hätten. Deswegen haben wir hier eine Klarstellung vorgenommen.

Wir haben im Rahmen des Beratungs- und Gesetzgebungsverfahrens auch eine Klarstellung insoweit vorgenommen, als wir die Regelung zur Verarbeitung personenbezogener Daten zu wissenschaftlichen Zwecken angepasst haben.

Ich verweise auch auf die Änderung zur Einbeziehung der sogenannten Beliehenen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben miteinander gerungen um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Interesse der öffentlichen Stellen an der Nutzung der Daten auf der einen Seite und dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung auf der anderen Seite. Das ist – ich sage das für mich ganz deutlich – ein hohes Gut, dem wir alle verpflichtet sind. Wir alle wissen, dass unsere Freiheit existenziell diese informationelle Selbstbestimmung braucht. Gerade in der Zeit, in der wir mit Digitalisierung, mit Internet, mit einer Fülle an Daten, Verknüpfungen und Komplexität von Daten leben dürfen, ist das eine besondere Herausforderung.

Wir werden uns immer wieder mit dem Datenschutz in diesem Hohen Hause befassen: Halten unsere Datenschutzbestimmungen mit der technologischen Entwicklung weiterhin Schritt? Sind sie noch geeignet, die informationelle Selbstbestimmung zu wahren und zu gewährleisten?

In diesem Sinne werden wir heute die Beratungen über den vorgelegten Gesetzentwurf abschließen. Wir als FDP-Fraktion werden diesem Gesetzentwurf mit den Änderungen, die wir Ihnen zur Beschlussfassung insgesamt vorschlagen, zustimmen können. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen, die wir an ganz vielen anderen Stellen zum Thema Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung haben werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Freimuth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Schäffer.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Vormittag haben wir schon über den bundesrechtlichen Rahmen diskutiert. Jetzt beschließt der Landtag in zweiter Lesung die Anpassung des Landesrechts an die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung.

Bei allem Verständnis für die Fleißarbeit, die in dem Gesetzentwurf ganz erkennbar steckt, ist mir wichtig, zu Beginn der Debatte zu sagen: Dieses Gesetzgebungsverfahren, das wir erlebt haben, wird diesem wichtigen Anliegen in keiner Weise gerecht. Die Landesregierung hat erst zehn Monate nach Regierungsantritt den Gesetzentwurf in das Parlament eingebracht. Der Gesetzentwurf wurde im Eilverfahren in den Ausschüssen des Landtags beraten und wird heute beschlossen.

Man kann bereits absehen, dass die Unsicherheiten, die bei der Umsetzung entstehen werden, auch einen Grund darin haben, dass es hoppla-hopp und schnell gemacht werden musste. Es wäre gut gewesen, man hätte sich für dieses wichtige Gesetzvorhaben auch als Parlament mehr Zeit nehmen können. –  So weit zum Verfahren.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Inhaltlich haben wir Grüne drei große Kritikpunkte. Erstens finden wir, dass dieser Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb sehr ambitionslos gemacht worden ist. Zweitens schwächt das Gesetz die Datenschutzaufsicht und den Grundrechtsschutz. Drittens ermöglicht es eine völlig unverhältnismäßige Ausweitung der Videobeobachtung. Das finden wir falsch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist zu Beginn meiner Rede sehr wichtig, eines zu sagen: Aus unserer Sicht ist die europäische Datenschutzreform ein Quantensprung für den Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger. Leider nimmt die Landesregierung genau diesen Impuls nicht auf, sondern schwächt das Datenschutzniveau insgesamt deutlich ab. Das haben in der Anhörung auch zahlreiche Sachverständige bestätigt.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Also wollt ihr es noch schärfer machen?)

Zur Datenschutz-Grundverordnung, Herr Dr. Geerlings, muss ich Ihnen ein Stück weit widersprechen. Sie haben gesagt, dass die Öffnungsklauseln und die Möglichkeiten der Landesgesetzgeber oder der nationalen Gesetzgeber nur sehr gering seien. – Das stimmt so nicht ganz. Es gibt durchaus Öffnungsklauseln und Möglichkeiten für die nationalen Gesetzgeber, eigene Akzente zu setzen. Es ist nur so, dass die Landesregierung keine einzige dieser Öffnungsklauseln im Sinne des Datenschutzes nutzt, sondern im Gegenteil den Datenschutz verschlechtert und Freiheitsrechte einschränkt. Das ist aus grüner Sicht eindeutig falsch.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich nenne Ihnen gerne ein konkretes Beispiel. Das, was dieser Gesetzentwurf nicht aufnimmt, sind konkrete Vorgaben zur datenschutzkonformen Systemgestaltung und zur datenschutzgerechten Voreinstellung. Das wäre im Rahmen der Datenschutzreform möglich gewesen. Das machen Sie nicht. Sie nehmen diese Chance nicht wahr. Das ist ein Punkt, an dem wir Grüne sagen: Daran kann man deutlich festmachen, dass Sie völlig ambitionslos ans Werk gegangen sind. Das ist bedauerlich für den Datenschutz, für die Bürgerinnen und Bürger. Sie nutzen ganz eindeutig die Chancen, die Sie gehabt hätten, nicht.

Es wird aber noch viel schlimmer, wenn man sich konkret die Konsequenzen des Datenschutzgesetzes anschaut. Es kommt zu einer erheblichen Schwächung der Datenschutzaufsicht. Wenn man berücksichtigt, dass Sie auf der einen Seite das Datenschutzniveau senken und auf der anderen Seite die Datenschutzaufsicht schwächen, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass Sie im Grunde einen doppelten Raubbau an den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger von Nordrhein-Westfalen betreiben.

So verliert die Datenschutzbeauftragte an Befugnissen. Sie darf künftig nicht mehr die Berufsgeheimnisträger beim Datenschutz kontrollieren. Gerade hier muss es doch einen sehr hohen Anspruch an den Datenschutz geben. In der Praxis existieren nicht wenige Fälle, wo Patientenakten verschwinden oder offen herumliegen. Das berücksichtigen Sie überhaupt nicht. Sie schwächen den Datenschutz, und das halten wir für falsch.

Ein weiteres Beispiel ist das Thema „Verfassungsschutz“. Dort werden Beschwerdewege abgeschafft und verbaut. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Diskussion, die wir nach der Selbstenttarnung des NSU geführt haben. Seinerzeit standen alle Fraktionen hier und haben gesagt: Wir müssen es schaffen, dass Sicherheitsbehörden wie der Verfassungsschutz das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wieder zurückgewinnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genau das, also die Möglichkeit, Vertrauen zurückzugewinnen und Beschwerdewege aufzuzeigen, verbauen Sie jedoch. Das halte ich als Konsequenz dessen, was wir den vergangenen Jahren erlebt haben, für falsch. Es ist schade, dass Sie so vorgehen. Wir haben einen entsprechenden Änderungsantrag gestellt. Ich hoffe, dass Sie sich diesem vielleicht noch anschließen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Für uns Grüne ist das Schlimmste an diesem Gesetzentwurf der § 20, die Videoüberwachung. Aus unserer Sicht ist die neue Regelung, die Sie hier schaffen, völlig unverhältnismäßig und uferlos. Die aufgenommenen Überwachungszwecke sind viel zu weit gefasst. Sie sind zudem zu unbestimmt gefasst, um eine verfassungsgemäße Grundlage darstellen zu können. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Punkte noch einmal vor Gericht geprüft werden müssen.

Im Übrigen ändert auch Ihr Änderungsantrag nicht wirklich etwas an der uferlosen Überwachungsmöglichkeit. Insofern werden wir ihm auch nicht zustimmen. Was Sie heute hier beschließen wollen, wird zu erheblich mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum führen: in Parks, in Freibädern, an Badeseen, auf Straßen und öffentlichen Plätzen. Wir finden es unverhältnismäßig, dass damit zahllose unbescholtene Bürgerinnen und Bürger in ihrer Freiheit eingeschränkt werden. Deshalb werden wir diesen Punkt selbstverständlich ablehnen.

Mein Fazit zu Ihrem Gesetzentwurf lautet: Schwarz-Gelb will heute keine substanziellen Verbesserungen für den Datenschutz beschließen – im Gegenteil. CDU und FDP vergeben heute eine wichtige Chance. Eigentlich ist heute ein historischer Tag, an dem man die EU-Datenschutzreform in Deutschland umsetzen könnte. Das hätte ein guter Tag werden können. Leider vergeben Sie diese Chance. Das ist schade.

Ich muss zudem sagen – da schließe ich mich der SPD an –: Dass die FDP hier alles so mitmacht und einfach so durchwinkt, das verwundert nach dem Polizeigesetz, das auch von der FDP im Kabinett beschlossen wurde, nicht mehr wirklich. Das macht es aber auch nicht besser. Vielmehr wäre es wichtig gewesen, auch im Kabinett eine bürgerrechtsfreundliche Korrektur vorzunehmen. Das ist leider nicht erfolgt. Aus diesem Grunde werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank. – Für die AfD hat nun der Abgeordnete Tritschler das Wort.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vom Bundesverfassungsgericht 1983 definierte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist das fundamentale Bürgerrecht im digitalen Zeitalter. Die Schöpfer unseres Grundgesetzes konnten kaum eine Ahnung davon haben, welche ungeheuren Möglichkeiten, aber auch welche Risiken mit digitalen Datenverarbeitungssystemen einhergehen.

In Deutschland wurden diese Risiken früh erkannt und durch ein vorbildliches Datenschutzrecht eingehegt. Insofern ist die Einführung der DSGVO eine Zäsur, aber nicht unbedingt ein Feiertag. Dem bewährten deutschen Datenschutzrecht wird eine europäische Glocke übergestülpt.

Über die grundsätzlichen Probleme haben wir uns bereits heute Morgen ausführlich ausgetauscht. Ganz konkret kommt nun auf kleine und mittelständische Unternehmen, auf Vereine, aber auch auf Kommunen, Universitäten und Behörden eine Menge zu, ohne dass sich für die Bürger damit signifikant etwas verbessern würde.

Das gilt beispielsweise für das E-Government, das sich die Landesregierung besonders auf die Fahne geschrieben hat. Hier ist nicht nur ein Stillstand auf niedrigem Niveau zu erwarten, sondern sogar ein Rückschritt absehbar. Nach Expertenmeinung wird die DSGVO nicht nur hier den Fortschritt verhindern, sondern auch in vielen anderen Bereichen wird sie zu einer regelrechten Innovationsbremse – und das, obwohl die Digitalisierung inzwischen das Thema ist.

Auf allen Ebenen müssen Personalressourcen massiv aufgestockt werden. Beispielsweise rechnet man in den Universitäten mit einem durchschnittlichen Mehraufwand in Höhe von 250.000 € jährlich pro Hochschule. Zugleich weiß man gar nicht, wo man die vielen qualifizierten Datenschutzbeauftragten hernehmen soll.

In der Forschung ist die Erhebung von Daten essenziell. Jetzt müssen alle Daten vorab auf Notwendigkeit geprüft werden. Auch das ist kaum zu bewältigen und wird den Forschungsstandort NRW schwächen.

Ein völlig ungeklärtes Problem – das klang gerade schon an – ist die Verwendung von Bildern mit dritten Personen darauf. Damit hat jede Stelle, jede Einrichtung zu tun, die in der Öffentlichkeitsarbeit tätig ist. – Die Mängelliste ließe sich noch beliebig verlängern.

Zu allem Überfluss fehlt es offenbar an allen Ecken und Enden an Beratungsangeboten für die Betroffenen. So schafft man ohne Not Unsicherheit und Chaos. Das ist das große Problem. Nichtsdestotrotz wird das Ganze jetzt durchgeprügelt. Es kommt ja aus Brüssel, und deshalb wird es auch nicht ernsthaft infrage gestellt.

SPD und Grüne bemängeln zu Recht an einigen Stellen handwerkliche Mängel bei der Umsetzung; aber auch sie lassen keinen Zweifel daran, dass sie die DSGVO grundsätzlich begrüßen. Wir lehnen das Gesetz jedoch nicht nur wegen seiner handwerklichen Umsetzungsfehler ab, sondern wir lehnen es ab, weil es unnötig und schädlich ist und einen neuerlichen Schritt in Richtung EU-Zentralismus bedeutet.

(Beifall von der AfD)

Zum Abschluss noch ein Wort zu unserem Änderungsantrag. Es geht dabei um die Speicherfristen für Überwachungsvideos. Bisher war es gestattet, die Videos zwei Wochen lang zu speichern.

Im Antrag von CDU und FDP stehen nun vier Wochen. Wir fordern nach bayerischem Vorbild acht Wochen. Wir wollen gerade in NRW, dem Schlusslicht bei vielen Kriminalitätsstatistiken, der Heimstätte von Terroristen wie Anis Amri, den Strafverfolgungsbehörden keine unverhältnismäßig hohen Schranken auferlegen.

Wenn Sie mit den Bürgern sprechen, fühlen sie sich durch so etwa kaum in ihrer Freiheit eingeschränkt. Da fallen den Menschen andere Dinge ein: Zensurgesetze, schnüffelnde Finanzbehörden, CD-Käufer oder einfach nur der Rundfunkbeitragsservice. Vielleicht kümmert sich da mal jemand um die Privatsphäre. Denn die gilt bekanntlich nicht nur für Terroristen und Verbrecher. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Danke sehr. – Als Nächstes hat der fraktionslose Abgeordnete Herr Pretzell das Wort.

Marcus Pretzell (fraktionslos): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Zu Recht ist hier darauf hingewiesen worden, dass das Gesetz mit recht heißer Nadel gestrickt worden ist. Aber, liebe Kollegen von Rot und Grün, sie haben zu Recht angemerkt: Zwei Jahre hat man Zeit gehabt, um etwas auf den Weg zu bringen. Ein Jahr davon haben Sie regiert, also ungefähr genauso lange wie die aktuelle Regierung.

Etwas Sorge muss der ursprünglich vorgelegte Gesetzentwurf bereiten. Sie haben jetzt als CDU/FDP-Fraktionen Änderungsvorschläge gemacht, die die größten Problemfälle beseitigen.

Aber ursprünglich hatten Sie mal eine Videoüberwachung mit längeren Speicherfristen geplant, die der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dienen sollte. Meine Damen und Herren, es handelt sich bei der Videoüberwachung um Grundrechtseingriffe. Wenn Sie mithilfe von Grundrechtseingriffen in Zukunft hoheitliche Aufgaben erfüllen wollen, muss das Anlass zur Sorge geben. Das kann sicherlich kein Grund für Videoüberwachung sein. Ich bin froh, dass Sie das jetzt ändern wollen.

Aber auch die Durchsetzung des Hausrechts wird wahrscheinlich einer juristischen Überprüfung nicht standhalten.

Etwas Sorge macht mir allerdings auch, dass ausgerechnet von der AfD-Fraktion eine Verlängerung der Speicherfristen auf zwei Monate kommt, weil insbesondere die Begründung meines Erachtens wenig schlüssig ist. Gerade wenn man auf den Terrorismus hinweist, wird man feststellen, dass man dadurch den Terrorismus selbstverständlich nicht verhindert – das steht auch nicht drin –, aber man wird auch die Unterstützernetzwerke zwei Monate später in Deutschland nicht mehr vorfinden, nachdem solche Anschläge passiert sind. Das zeigen jedenfalls die Erfahrungen aus den vergangenen Anschlägen in Europa. Üblicherweise sind solche Unterstützernetzwerke entweder schon im Vorfeld oder spätestens kurz nach der Tat aus dem Land verschwunden – dorthin, wo sie ursprünglich mal als Keimzelle entstanden sind.

Insofern wird die Videoüberwachung weder den Terrorismus in Deutschland verhindern noch wesentlich zu seiner Aufklärung beitragen können. Die Videoüberwachung ist aber ein Grundrechtseingriff, den wir nur äußerst dosiert anwenden sollten. Ich glaube, dass das in dem jetzigen Gesetzentwurf – auch mit den Änderungsanträgen von CDU und FDP – bis zur absoluten Grenze und in einigen Fällen darüber hinaus ausgereizt worden ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von Frank Neppe [fraktionslos])

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Pretzell. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Reul das Wort.

Herbert Reul, Minister des Innern: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der 25. Mai ist der Tag, an dem die Datenschutz-Grundverordnung umgesetzt in Wirkung tritt. Diese europäische Datenschutz-Grundverordnung lässt natürlich nur begrenzten Spielraum. Wir haben versucht, diesen Spielraum zu nutzen, um insbesondere die Interessen des nordrhein-westfälischen Datenschutzes zu berücksichtigen.

Um die Antwort auf den Hinweis zu geben, dass wir einen sehr engen Zeitplan gestrickt hätten und dass man zwei Jahre Zeit gehabt hätte: Ich finde es allerdings ein bisschen zu billig, das nur dieser Landesregierung anzulasten. Über ein Jahr lang hat die alte Landesregierung noch regiert. Die hätte sich auch schon darum kümmern können.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Wir konnten das erst in Gang setzen, als wir zuständig waren, als die Regierung im Amt war. Ich muss sagen, es ist eine gigantische Arbeit, die da geleistet worden ist, auch in meinem Haus. Ich will mich deswegen bei all denen, die das in der Zeit erarbeitet haben, sehr herzlich bedanken.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Ich bedanke mich auch bei Ihnen im Parlament für den guten Willen, für die Bereitschaft, mitzumachen und sich auf diesen Zeitplan einzulassen. Das ist zugegebenermaßen schon eine hohe Anstrengung gewesen; denn den Entwurf haben wir erst im März eingebracht.

Der Gesetzentwurf ist ein Schritt zur Harmonisierung des Datenschutzrechts in Europa. Wir müssen das Datenschutzrecht anpassen. Es gibt zwei wesentliche Aspekte:

Zum einen gibt es ergänzende Regelungen zu der künftig unmittelbar geltenden und gegenüber dem Recht der Mitgliedsstaaten vorrangigen EU-Daten-schutz-Grundverordnung.

Zum anderen gibt sie auch eigenständige Regelungen vor, die zum Beispiel die Richtlinien für Polizei und Justiz umsetzen. Wir haben noch eine gesonderte Debatte über die Polizei. Und die bereichsspezifischen Anpassungen in der Justiz habe ich stellvertretend für meinen Kollegen Minister Biesenbach im letzten Plenum eingebracht.

Das heißt, Sie sehen, wir versuchen, die Sachen Schritt für Schritt umzusetzen und möglichst im Terminplan zu bleiben.

Dass die Änderungen, die sich für unser nordrhein-westfälisches Datenschutzrecht ergeben, nicht ohne Debatte stattfinden und nicht nur Zustimmung finden, ist völlig klar. Das ist ein hochsensibles, politisch sehr umstrittenes Thema, insbesondere auf der Anwenderseite. Denn es wird immer komplexer. Bisher konnte man ein Gesetz zur Hand nehmen; in Zukunft muss man zwei Gesetze lesen. Aber dazu gibt es keine Alternative; wir müssen diese Umsetzung machen.

Das Datenschutzrecht in Nordrhein-Westfalen wird in Zukunft stark von europäischen Datenschutzregelungen bestimmt; das ist richtig vorgetragen worden. Das gilt allerdings auch für andere europäische Staaten. Deshalb – das ist das Gute daran – ist das ein Schritt auf dem Weg, zu einem einheitlichen europäischen Datenschutz zu kommen.

Bei dem fachlichen Austausch der Sachverständigen ist ein sehr unterschiedliches Meinungsbild entstanden. Das ist nicht überraschend. Unabhängig von vielen auch kritischen Anmerkungen hat dieser Gesetzentwurf aber im Grundsatz eine Unterstützung, eine Zustimmung oder, wie man auch sagen kann, eine hohe Akzeptanz erfahren.

Ich will noch einmal hervorheben, dass sich der Gesetzentwurf nur auf öffentliche Stellen bezieht. Das Datenschutzrecht von Unternehmen und Vereinen wird von diesem Gesetzentwurf nicht berührt.

In den Beratungen haben sich ganz gezielte Punkte herausgebildet, die besonders umstritten waren. In diesen Fragen zu Kompromissen zu kommen, mit denen am Ende alle einverstanden sind, geht nicht; das wird gar nicht gehen. Trotzdem haben wir uns alle darum bemüht, obwohl die Sichtweisen in Teilen sehr stark voneinander abweichen.

Ich will das an dem Beispiel der Videoüberwachung, was heute diskutiert worden ist, noch einmal verdeutlichen. Natürlich ist das intensiv diskutiert worden. Behörden, Kommunen, Gerichte und sonstige öffentliche Stellen im Land Nordrhein-Westfalen sollen ihre jeweilige Aufgabe ungestört und sachgerecht wahrnehmen können. Dazu soll die Möglichkeit der Videoüberwachung nach dem Datenschutzgesetz – neu – einen Beitrag leisten, zum Beispiel im Hinblick auf den Schutz von Eigentum oder auch die Kontrolle von Zugangsberechtigten.

Der Wortlaut, der die Voraussetzungen für den Einsatz einer Videobeobachtung bestimmt, ist übrigens von der Verbändeanhörung auch schon beeinflusst worden. Wie Sie wissen, gab es hier auch bei der Anhörung sehr unterschiedliche Einschätzungen. Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit empfand eine solche Regelung als zu weitgehend. Anders war die Einschätzung der Anwender, die sie praktikabel und vernünftig fanden. Die Vertreter der Kommunen und Hochschulen stimmten ausdrücklich zu, denn sie haben natürlich mit Vandalismus und Sachbeschädigung zu tun. Videokameras können diese Taten verhindern.

An dem Beispiel wird deutlich, dass die Suche nach der angemessenen Formulierung einer Rechtsvorschrift nicht einfach ist. Die Interessen des Einzelnen auf Schutz seiner Daten und die Interessen der Funktionsfähigkeit von öffentlichen Stellen sind zu berücksichtigen. Dazu gehört eben auch die öffentliche Sicherheit.

Wir haben Änderungen von den Fraktionen vorgelegt bekommen wie zum Beispiel den Hinweis bei den Fristen auf „unverzüglich“. Wir beziehen uns dabei auf einen Begriff, der durch einschlägige Gerichtsurteile definiert ist, sodass wir uns damit haben einverstanden erklären können.

Ich verstehe nicht, Frau Schäffer, dass Sie sagen, das sei uferlos. Ich finde, das ist wirklich ein Tick zu viel. Man kann sich streiten, ob das zu weit geht oder nicht zu weit geht, aber uferlos ist es nicht. Videoüberwachung muss erforderlich und nach dem allgemeinen Grundsatz verhältnismäßig sein. Das ist die Formulierung. Sie darf auf keinen Fall uferlos sein. Das ist überhaupt nicht vorgesehen. Beispielsweise werden auch die schützenswerten Interessen Betroffener formuliert, die nicht übersehen werden dürfen. Es gibt also sehr wohl auch die andere Seite.

„Uferlos“ ist wirklich ein bisschen billige Angstmache; das geht zu weit. Sie können sagen: Das geht uns zu weit. – Aber „uferlos“, sodass alle Leute in Panik geraten, dass wir jetzt überall überwachen, stimmt nicht. Das stimmte beim Entwurf nicht, und nach der Veränderung durch die Fraktionen jetzt erst recht nicht mehr.

Die Landesregierung hat es sich, wie Sie sehen, nicht leicht gemacht. Wir waren auch offen, etwas zu verändern und einzubringen, wenn es neue Erkenntnisse gab.

Wir haben es in einem frühen Stadium auch im Austausch mit der Datenschutzaufsichtsbehörde gemacht. Es gab kritische Positionen und manchmal auch Positionen, die unseren entgegenstanden, aber ich will schon sagen: Wir bedanken uns sehr bei Frau Block und ihrer Behörde für die konstruktive Zusammenarbeit.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Wir haben auf der Strecke auch Sachen übernommen. Es ist ja nicht so, dass wir in allen Punkten unterschiedlicher Meinung gewesen wären. Aber am Ende muss man sich eben für eine Meinung entscheiden.

Wir haben die Debatte mit hoher Aufmerksamkeit verfolgt und waren bereit, an mehreren Stellen anzupassen.

Ich will zum Beispiel nur daran erinnern, dass wir in § 5 klargestellt haben, dass für die parlamentarische Tätigkeit des Landtages sowie für die Prüftätigkeit des Landesrechnungshofes die Geltung der EU-Datenschutz-Grundverordnung und des Landesdatenschutzgesetzes nicht angeordnet wird. Wir finden, es handelt sich um eine besondere Stellung. Wir dürfen uns nicht in deren originäre Tätigkeiten einmischen. Diese beiden Institutionen müssen frei sein, um ihrer verfassungsrechtlichen Position gerecht zu werden.

Ich begrüße auch die Vermeidung einer Überbürokratisierung des Datenschutzes. So ist zum Beispiel in Art. 13 und 14 die Informationspflicht geregelt, dass Personen, die von einer Datenerhebung betroffen sind, informiert werden müssen. Das gibt den betroffenen Personen Sicherheit, kann aber auch einen ganz erheblichen Aufwand für öffentliche Stellen bedeuten. Das soll aber nur gelten, wo es der europäische Gesetzgeber will, und nicht darüber hinaus. Das wurde jetzt auch in § 5 neu geregelt.

Meine Damen und Herren, wir haben uns diese Anpassung nicht leicht gemacht. Wir haben auf der Strecke Veränderungen zugestimmt. Ich glaube, wir haben einen ausgewogenen Vorschlag vorliegen.

Ich bitte um Zustimmung und wäre sehr dankbar, wenn wir damit öffentlich zwar im Streit, aber durchaus fair umgehen. Für Verhetzung eignet sich das nun wirklich nicht mehr. Das ist ein sehr abgewogener Positionsvorschlag, den man parteipolitisch verschieden bewerten kann. Herzlichen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU erteile ich dem Abgeordneten Braun das Wort.

Florian Braun (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorweg zwei oder drei Sätze zum Verfahren, weil es von Frau Schäffer und von Frau Kapteinat angesprochen wurde.

Ich stimme ausdrücklich Frau Freimuth zu, dass das beschleunigte Beratungsverfahren ungewöhnlich ist und uns als Parlament besondere Eile abverlangt hat – und das weitestgehend durch ein Mitziehen der Opposition, was daher auch respektvoll anerkannt werden muss. Dafür bedanken wir uns.

Aber zur vollständigen Wahrheit gehört auch – wenn Sie das hier noch einmal so ausdrücklich kritisieren und sagen, dass sich das Ministerium dafür jetzt ein Dreivierteljahr Zeit gelassen hat –, dass Sie vorher ein ganzes Jahr dafür Zeit hatten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen bedanke ich mich ausdrücklich auch beim Minister, dass er hier Gründlichkeit und Sauberkeit hat walten lassen. Nicht nur das Parlament, das eine Anhörung mit Sachverständigen durchgeführt hat, sondern auch vorher schon das Ministerium hat die Möglichkeit eröffnet, dass sich die Interessensverbände, die Sachverständigen schon im Prozess beteiligen konnten.

Deswegen enthält der Gesetzentwurf zu dieser komplexen Materie entscheidende Regelungsaspekte und schafft im Wesentlichen einen angemessenen Ausgleich zwischen Persönlichkeitsrechten und den Herausforderungen der Digitalisierung.

Eben vor dem Hintergrund der Anhörung hat der Prozess mit den Sachverständigen in den vergangenen Monaten gezeigt, dass es sinnvoll ist, Anregungen aus der Anhörung und aus weiteren Stellungnahmen aufzugreifen, die wir über Änderungsanträge noch in das Gesetz einfließen lassen wollen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das haben wir uns nicht einfach gemacht, sondern intensiv in der gegebenen Zeit diskutiert. Dabei haben wir insbesondere auf die Äußerungen der Hochschulen und der kommunalen Familie gehört.

Ungemein wichtig war und ist uns der Grundsatz, nicht draufzusatteln, sondern die Handlungsspielräume zu nutzen, um möglichst einfache und handhabbare Regelungen zu schaffen und Innovation nicht zu behindern.

Deshalb möchte ich mich gern im Detail zu den Hochschulen äußern. Wir stellen mit § 5 Abs. 5 klar, dass der gesamte Bereich der Hochschulen – und damit auch privat finanzierte Forschung – unter das Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen fällt und so von den klaren Regelungen profitiert. Mit der Neufassung von § 17 geben wir den Hochschulen eine klare Formulierung zum Umgang mit personenbezogenen Daten zu wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken an die Hand und schaffen Rechtssicherheit.

Zum Bereich der kommunalen Familie möchte ich sagen, dass eine große Sorge der Beteiligten die Geltung des Kunsturhebergesetzes war. Mit der neuen Regelung in § 5 Abs. 7 stellen wir klar, dass das Kunsturhebergesetz eine speziellere Regelung im Vergleich zum Datenschutzgesetz ist, damit vorgeht und die Öffentlichkeitsarbeit der Kommunen nicht erschwert wird, sondern es bei den bisherigen Regelungen bleibt.

Auch in § 8 und § 12 nehmen wir Klarstellungen vor, damit das Arbeiten der Verwaltung vereinfacht wird, wenn es darum geht, Daten an nichtöffentliche Stellen zu leiten oder Auskunftsverlangen mit angemessenem Aufwand zu begegnen.

Als dritten Punkt möchte ich den Schutz der Systeme und der Bürger anführen. Mit § 3 Abs. 3 stellen wir sicher, dass alle technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Sicherheit der Verarbeitung nicht dem allgemeinen Informationszugangsgesetz unterliegen. Hiermit stellen wir die Sicherheit der Daten und der Datenverarbeitung im Sinne der Bürger her.

Mehrfach ist bereits auf § 20 eingegangen worden, Stichwort: Videobeobachtung. Mit den Änderungen, die wir in den Absätzen 1 und 4 vorgelegt haben, gewährleisten wir Verhältnismäßigkeit in der Abwägung von Sicherheitsbedürfnissen hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen und der damit einhergehenden Speicherfristen der erhobenen Daten.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammengefasst: Wenn wir also staatliche Dienstleistungen „vom Sofa aus“ konsequent möglich machen wollen, wenn wir die Sicherheit unserer Bürger stärken wollen, kann dies nur mit dem Vertrauen auf den Schutz unserer personenbezogenen Daten und gleichzeitig mit dem notwendigen handhabbaren Werkzeug für unsere Verwaltungsmitarbeiter gelingen.

Wir behalten dabei den Nutzen der Daten, die Daten als Rohstoff, ebenso im Blick. Dazu leisten unsere Änderungsanträge einen wesentlichen Beitrag und decken bereits vorgeschlagene Änderungen der Opposition mit ab, wie sie unter anderem Frau Kapteinat vorgetragen hat. Daher werbe ich ausdrücklich um Zustimmung zum Gesetzentwurf mit den vorgestellten Änderungsanträgen.

Abschließend möchte ich zum Entschließungsantrag der Grünen Stellung nehmen, denn bei aller Kritik, die geäußert wird und geäußert werden kann, hat die Datenschutz-Grundverordnung ihr Gutes, ja. Die EU-Datenschutzreform schafft Rahmenbedingungen zur Angleichung der Voraussetzungen in den Unternehmen und Verwaltungen.

Gleichzeitig hat das EU-Parlament gewisse Freiräume zur Ausgestaltung auf Bundes- und Landesebene ausdrücklich zugelassen. Kollege Bolte-Richter hat uns heute Morgen vorgeworfen, immer nur die grünen Europa-Abgeordneten für die vermeintlich scharfen Regeln aus Brüssel verantwortlich zu machen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Aber so ist es doch!)

Lassen wir das einmal dahingestellt. Denn dann müssen Sie ebenso aushalten, dass diese Grünen in ihrer Weisheit genauso den Freiräumen bzw. Spielräumen zugestimmt haben.

Wenn nun also die Grünen kritisieren, dass wir Handlungsspielräume ausnutzen, auch wenn sie noch so begrenzt sind, dann nehme ich das sehr gerne an, denn es zeigt und bestätigt mir, dass wir unser Ziel erreicht haben. Genau das war unser Plan.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Noch einmal: Natürlich brauchen wir einen hohen, standardisierten Datenschutz. Dafür sorgt die Verordnung zur Genüge. Aber an den wenigen Stellschrauben, an denen wir gestalten können, um unsere Verwaltung und öffentliche Einrichtungen wie Hochschulen zu entlasten, tun wir das. Da gestalten wir. Wo wir das Schutz- und Sicherheitsniveau der Menschen in unserem Land stärken können, tun wir das. Und wo wir die nutzvolle Datenverarbeitung vereinfachen können, tun wir das ebenso. Vielen Dank an die Grünen für diesen Beleg unserer Arbeit, dass wir einhalten, was wir versprechen.

(Beifall von der CDU)

Deshalb empfehle ich die Ablehnung der Entschließungs- und Änderungsanträge der Opposition.

Abschließend: Wo wir als Land keine Handlungsspielräume haben, um Dinge besser und einfacher zu machen – wie im Fall des Ehrenamts, wie wir es heute Morgen diskutiert haben –, machen wir uns für weitere Entbürokratisierung und gegebenenfalls notwendige Korrekturen auf Bundes- bzw. EU-Ebene stark; Kollege Geerlings führte es bereits aus. Deshalb empfehle ich Ihnen zuletzt die Annahme des Entschließungsantrags der NRW-Koalition. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Braun. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Wir haben insgesamt sieben Abstimmungen durchzuführen.

Erstens: Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2615. Wer möchte diesem Änderungsantrag folgen? – Das sind die Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind SPD, CDU, FDP, AfD und die drei Fraktionslosen. Wer enthält sich? – Damit ist dieser Änderungsantrag Drucksache 17/2615 in der eben festgestellten Art und Weise abgelehnt.

Zweitens: Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2620. Wer diesem Änderungsantrag der SPD folgen möchte, den bitte ich ums Handzeichen. – Das ist die SPD. Wer ist dagegen? – Die Grünen, die CDU, die FDP, die AfD und die drei Fraktionslosen. Enthält sich jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist auch der Änderungsantrag Drucksache 17/2620 wie festgestellt abgelehnt.

Drittens: Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drucksache 17/2629. Wer möchte dem folgen? – Das sind CDU und FDP und die drei fraktionslosen Abgeordneten. Wer ist dagegen? – Das sind SPD, Grüne und AfD. Wer enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 17/2629 angenommen.

Viertens stimmen wir ab über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/2631. Wer möchte dem zustimmen? – Das sind die Abgeordneten der AfD. Wer ist dagegen? – Das sind die SPD, die Grünen, die CDU, die FDP und die drei Fraktionslosen. Wer enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 17/2631 abgelehnt.

Fünftens stimmen wir ab über den Gesetzentwurf Drucksache 17/1981. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 17/2574, den Gesetzentwurf Drucksache 17/1981 unverändert anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 17/1981 selbst

(Angela Freimuth [FDP]: In der geänderten Fassung!)

– natürlich in der soeben geänderten Fassung –, und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer dem folgen möchte, den bitte ich ums Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD, Grüne, AfD und die drei Fraktionslosen. Wer enthält sich? – Damit ist dieser Gesetzentwurf Drucksache 17/1981 in der geänderten Fassung in zweiter Lesung angenommen und verabschiedet.

Sechstens stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2616. Wer möchte diesem Entschließungsantrag der Grünen folgen? – Das sind die Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind die CDU, die FDP, die AfD und die drei Fraktionslosen. Wer enthält sich? – Das ist die SPD. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/2616 wie festgestellt abgelehnt.

Siebtens stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drucksache 17/2630. Wer möchte dem zustimmen? – Das sind CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD, Grüne, AfD und die drei Fraktionslosen. Wer enthält sich? – Damit ist dieser Entschließungsantrag Drucksache 17/2630 wie gerade festgestellt angenommen.

Wir kommen zu:

11 Mehr Biss für den zahnlosen Tiger: Bundesnetzagentur braucht Sanktionsmöglichkeiten

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2559

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD dem Abgeordneten Schneider das Wort.

René Schneider (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag, zu dem ich heute spreche, hat eine Geschichte, und die beginnt in meinem Wahlkreis; sie könnte aber auch irgendwo anders in Deutschland und Nordrhein-Westfalen spielen.

Mehrmals bin ich in den vergangenen Monaten auf mangelnde Postdienstleistungen angesprochen worden.

Fall Nummer eins im vergangenen Herbst: Zwei Briefkästen in Kamp-Lintfort bleiben tage-, ja vielleicht sogar wochenlang ungeleert. Das fällt auf, nachdem die erste Post schon oben aus dem Schlitz quillt.

Fall Nummer zwei, der wesentlich bedauerlicher ist: Ein Witwer gibt die Einladungen zur Beisetzung seiner Frau in einen Briefkasten in Alpen. Auch da wird der Briefkasten nicht geleert, was auffällt, weil er in Rücksprache mit dem einen oder anderen Eingeladenen feststellt, dass die Einladungen zur Beisetzung seiner Frau nicht angekommen sind. Er muss sie händisch verteilen.

Fall Nummer drei ist wenige Wochen alt: In einem Neubaugebiet in Neukirchen-Vluyn stellt die Post dankenswerterweise einen Briefkasten auf und vergisst leider, ihn zu leeren. Auch das fällt erst nach vielen Tagen auf, nachdem die Post schon herausquillt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, drei Orte, drei Fälle. Ich glaube, das ist aber im Moment exemplarisch für die Situation in Nordrhein-Westfalen und auch in Deutschland, und das – so möchte ich ergänzen – liegt nicht an der Leistung der Postbotinnen und Postboten.

Allen Fällen gemein ist, dass sich die Kundinnen und Kunden, die Anwohnerinnen und Anwohner in den meisten Fällen an die Beschwerde-Hotline der Deutschen Post gewandt haben. Ergebnis: halbgare Auskünfte und das Versprechen „Wir kümmern uns.“ Doch meist passiert nichts – bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Presse, die Medien dieser Fälle annehmen und in der Pressestelle nachfragen.

Man könnte jetzt einwenden, dass der Markt es schon richten wird und sich jeder Postkunde alternativ auch einen anderen Anbieter aussuchen kann. Aber das ist einerseits nicht so leicht, weil das Angebot doch sehr überschaubar ist. Meine Damen und Herren, überlegen Sie nur einmal, wie viele Briefkästen Sie in Ihrer Stadt haben, die nicht das schwarze Posthorn auf gelbem Grund tragen.

Die Dominanz der Deutschen Post wäre auch kein Problem, wenn der Bund seiner besonderen Verantwortung gerecht würde. Die Bundesregierung muss eine ordentliche Versorgung mit Postdienstleistungen sicherstellen. Denn das garantiert das Grundgesetz. Laut Art. 87f – Zitat – „gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.“

Wochenlang nicht geleerte Briefkästen, tagelange Zustellwege, Briefkästen, die gleich ganz vergessen werden. Meine Damen und Herren, als angemessene und ausreichende Dienstleistungen würde ich das nicht gerade bezeichnen.

Die Bürgerinnen und Bürger haben aber – wie gesagt – ein Grundrecht auf diese Dienstleistungen. Der Bund steht in der Pflicht, dieses Recht zu erfüllen, und überlässt der Bundesnetzagentur, kurz BNetzA, die Überwachung. So weit, so gut.

Aber welche Möglichkeiten hat denn die BNetzA tatsächlich, um zu überprüfen, ob die Postdienstleister ausreichend gut arbeiten? Die Antwort ist: keine. Die Behörde kann einzelnen Beschwerden bei dem Unternehmen nachgehen. Die Fragen der Behörde müssen jedoch nicht beantwortet werden. An Schlichtungsverfahren, die die BNetzA anregt, müssen sich Unternehmen nicht beteiligen. So oder so gibt es null Sanktionsmöglichkeiten.

Das weiß die Behörde, und sie hat dies zuletzt bei der Vorstellung ihres Jahresberichts 2017 scharf kritisiert. Die Postdienstleister wissen um die Ohnmacht der BNetzA, und sie haben kein Interesse daran, dass der zahnlose Tiger jemals in die Lage versetzt wird, zuzubeißen. Aber das braucht es, damit die Dienstleistungen in Zukunft nicht noch schlechter werden und auf Kosten des Services gespart wird.

Wenn es der Bundesgesetzgeber so weiterlaufen lässt, ist es kein Wunder, wenn vor allem die Beförderung von Briefpost, aber auch die Qualität der Postpaketzustellung immer schlechter wird. Strafe muss schließlich kein Unternehmen befürchten, und für 70 Cent Porto wird wohl kaum jemand Schadenersatz einklagen.

Die ganze Hoffnung der Kundinnen und Kunden ruht also auf der BNetzA, die endlich mal dazwischenhauen muss. Das kann sie aber nicht mit Glacé-Handschuhen, die ihr zur Verfügung stehen; sie braucht mindestens ein paar Boxhandschuhe, um endlich mit Nachdruck tätig werden zu können.

So, wie es jetzt ist, macht es jedenfalls keinen Sinn, meine Damen und Herren. Das ist so, als wenn Sie eine Politesse losschicken und ihr sagen: Sorge mal dafür, dass keiner mehr falsch parkt. Aber du darfst keine Knöllchen schreiben, und eigentlich darfst du die Falschparker auch nicht ansprechen oder ihnen böse sein, wenn sie dich einfach ignorieren und ihr Auto im Parkverbot stehen lassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf diese Idee würde niemand kommen.

Sie brauchen Sanktionsmöglichkeiten und die Verpflichtung der Unternehmen, der Behörde Auskunft zu geben. Wenn es zu Schlichtungsverfahren kommen soll, müssen die Unternehmen gezwungen werden, diesen auch beizutreten. Und da rede ich nicht über die eben erwähnten 70-Cent-Verfahren.

Liebe schwarz-gelbe Regierungskoalition, wenn Sie mal wirklich etwas richtig entfesseln wollen, fangen Sie doch bitte bei der Bundesnetzagentur an! Helfen Sie mit, dem zahnlosen Tiger Biss zu geben und ihn anschließend von der Leine zu nehmen, damit Postkunden endlich wieder das bekommen, was ihnen von Rechts wegen zusteht, nämlich angemessene und ausreichende Dienstleistungen.

Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf die Diskussion im Ausschuss und wünsche dem Antrag viel Erfolg. Glück auf und Gottes Segen! – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die CDU hat nun der Kollege Déus das Wort.

Guido Déus (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute zum Antrag der SPD-Fraktion mit dem wirklich schönen Titel „Mehr Biss für den zahnlosen Tiger: Bundesnetzagentur braucht Sanktionsmöglichkeiten“ für die CDU Stellung nehmen zu können.

Das hat nicht nur damit zu tun, dass ich meinen eigenen Zahnarzt gestern Abend davon überzeugen musste, nichts zu tun, was der Rede heute entgegensteht – nein, die Bundesnetzagentur hat ihre Heimat als oberste Bundesbehörde zudem in meiner Heimatstadt Bonn.

Gestatten Sie mir, Ihnen einen kurzen Überblick über die wesentlichen Aufgabenbereiche der Bundesnetzagentur, aber auch einen Blick hinter die Kulissen der Behörde zu geben.

Die Bundesnetzagentur ist Regulierungsbehörde, sie ist wettbewerbliche und technische Aufsichtsbehörde für die fünf Netzmärkte Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnverkehr, und sie ist Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger. Die Aufgabenfülle der Bundesnetzagentur ist somit die eines Tigers.

Wir alle wissen aber, dass eine erfolgreiche Bewältigung von Aufgaben maßgeblich durch Organisation und Rahmenbedingungen bestimmt wird. Allein acht Abteilungen bzw. Beschlusskammern mischen mit, wenn es um die Belange des Verbraucherschutzes geht. Die Bundesnetzagentur ist auf etwa 45 Standorte verteilt, teils mit nur zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Ist die Behörde damit überhaupt organisatorisch richtig aufgestellt, um bei Bedarf durchgreifen und sanktionieren zu können? Das ist eine der Fragen, die man sicher diskutieren mag, wobei sich aber die antragstellende SPD nicht aus der Verantwortung stehlen kann. Schließlich unterstand sie, 1998 gegründet, die ersten sieben Jahre Bundeskanzler Gerhard Schröder, und auch heute wird die Postregulierung innerhalb der Bundesnetzagentur vollständig durch einen, sagen wir, der SPD zuzurechnenden Vizepräsidenten ausgeübt.

Die Postmärkte sind ein gewaltiger Wirtschafts- und Gesellschaftsfaktor mit einem Gesamtumsatz von über 31 Milliarden €. Besonders der lizenzfreie Paketmarkt mit einem Jahresumsatz von 21 Milliarden € gewinnt angesichts der rasanten Entwicklungen des Onlinehandels an Bedeutung. Eine große Anzahl von Paketdienstleistern konkurriert um die Gunst der Kunden.

Im Jahr 2017 gingen rund 6.100 Verbraucherbeschwerden bei der Bundesnetzagentur ein. Zustellmängel waren der Hauptgrund. Es folgten Verlust, Beschädigung von Sendungen, zu lange Laufzeiten und mangelnde Sendungsverfolgung im Paketbereich. Aber bei näherer Betrachtung der Menge von knapp 16 Milliarden Briefsendungen allein, also ohne Pakete, pro Jahr relativiert sich die Zahl der Beschwerden. Es handelt sich somit um 0,00004 % Beschwerdefälle. An dieser Relation ändert auch eine beschworene Dunkelziffer nichts Wesentliches. Von einem generellen flächendeckenden Problem kann hier wirklich nicht gesprochen werden. Eine Verbraucherumfrage der Bundesnetzagentur aus dem letzten Jahr ergab eine Kundenzufriedenheit von über 80 %.

Wir meinen daher, es bedarf keiner weiteren gesetzlichen Regelung bzw. weiterer Sanktionsmöglichkeiten. Der bestehende Rechtsrahmen, zum Beispiel die Kontrollmöglichkeit der Lizenznehmer auf Lizenztauglichkeit, die Erhebung von Zwangsgeldern bis hin zum Lizenzentzug sowie das Verhängen von Bußgeldern bei Verstößen, sollte zunächst konsequent angewandt werden. Die Bundesnetzagentur ist nicht zahnlos, wie es im SPD-Antrag heißt. Die Frage lautet eher, ob von den bestehenden Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten auch ausreichend Gebrauch gemacht wird.

Im nichtlizenzpflichtigen Bereich, im Bereich der Paketpost, hat der Verbraucher bereits eine starke Stellung, da er durch die Wahl des jeweiligen Dienstleisters eine Handhabe hat, um auf unzufriedene Dienstleistungen zu reagieren.

Bei der Schlichtungsstelle der Bundesnetzagentur sind im Jahr 2017 rund 1.000 Anträge auf Schlichtung eingegangen. In 25 % der Fälle konnte eine gütliche Einigung herbeigeführt werden, 10 % wurden von der Schlichtungsstelle abgelehnt, 7 % zurückgezogen, 17 % sind noch in Bearbeitung, und 41 % bekamen eine Ablehnung vom Postdienstleister. Die Behauptung des SPD- Antrags, dass „in fast allen Fällen“ die Postdienstleister die Teilnahme an diesem Verfahren ablehnten, ist somit falsch. 41 % ist richtig, und der Rechtsweg bleibt natürlich offen.

Sofern ein Schlichtungsverfahren zustande gekommen ist, erfolgt auch eine Einigung. Diese außergerichtlichen Verfahren sind übrigens im Jahr 2016 durch das sogenannte Verbraucherstreitbeilegungsgesetz geschaffen worden. Es ist somit viel zu früh, erneut gesetzgeberisch tätig zu werden. Eine Zwangsteilnahme würde zudem dem Wesen einer Schlichtung widersprechen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion der CDU nimmt Fragen des Verbraucherschutzes, aber auch des mündigen Verbrauchers sehr ernst. Daher blicke ich erwartungsvoll auf die zu führende Diskussion zu dem Thema im hierfür zuständigen Ausschuss. Vielleicht gelingt es uns ja, die von CDU und SPD gemeinsam getragene Bundesregierung zu einer Prüfung zu motivieren, ob die Bundesnetzagentur wirklich zum Zahnarzt muss und welche Behandlungsmethoden geboten wären. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Déus. – Nun hat für die FDP der Kollege Bombis das Wort.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Zum Einstieg möchte ich klarstellen, dass für uns als Freie Demokraten Verbraucherschutz durch Wettbewerb natürlich ein enorm wichtiges Thema ist. Das ist auch völlig logisch, denn es geht um faire Bedingungen für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber natürlich auch für Unternehmen. Denn wenn es keinen echten Wettbewerb gibt, dann ist das immer schlecht für die Kunden, weil sie keine Wahl haben, und wer keine Wahl hat, kann auch nicht frei entscheiden. Dann können sich Unternehmen Dinge erlauben, die sie sich im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern nicht erlauben könnten. Das ist übrigens auch die regulierende Wirkung des Wettbewerbs, die hier ansonsten so häufig infrage gestellt wird.

Deswegen muss zunächst einmal festgehalten werden, dass die Liberalisierung des Postmarktes und das damit einhergehende Ende eines Staatsmonopols der absolut richtige Weg war, und dass die Dienstleistungsqualität durch diesen Schritt besser und die Preise günstiger wurden.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Trotzdem ist es natürlich richtig, dass der Postmarkt von seiner Art und seiner Geschichte her weniger wettbewerblich ist als andere Märkte. Deswegen ist es ebenso richtig, dass mit der Bundesnetzagentur eine Regulierungsbehörde existiert. Klar ist auch, dass diese Behörde dann über Instrumente verfügen muss, um den Markt wirksam zu regulieren. Das ist das notwendige, ordnende Prinzip einer sozialen Marktwirtschaft, um Fairness zu erhalten oder zu erreichen.

Deswegen kann man die Debatte über vorhandene oder vielleicht auch neu zu schaffende Instrumente gerne führen, aber dann muss man sie eben auch richtig führen.

Richtig ist zunächst einmal, dass in 2017 bei einem Volumen von mindestens 19 Milliarden Briefen, Päckchen und Paketen 6.100 Beschwerden bei der Bundesnetzagentur eingegangen sind. Das heißt, eine Sendung unter 3,1 Millionen Sendungen wird beanstandet. Das Problem ist also zunächst einmal deutlich kleiner, als es hier von der SPD dargestellt worden ist.

Richtig ist auch, dass die Postdienstleister trotz einer sicherlich nicht perfekten Arbeitsweise doch ihrem Auftrag einer flächendeckenden und angemessenen Postdienstleistung nachkommen. Richtig ist vor allem – das ist auch der entscheidende Punkt –, dass wir zwar gerade die Debatte hier im Landtag führen, dieser aber mit Sicherheit nicht der richtige Ort dafür ist. Die Bundesnetzagentur liegt im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums; sie ist eine Bundesbehörde.

Eigentlich müsste die SPD diese Debatte also auf Bundesebene anstrengen. Nach meinem Kenntnisstand befasst sich weder die Bundestagsfraktion der SPD mit diesem Thema noch sind irgendwelche Initiativen in der Bundesregierung dazu bekannt. Auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene findet sich nichts dazu.

Offensichtlich ist die SPD also nur daran interessiert, das Thema hier plakativ im Landtag zu positionieren, wo man nichts umsetzen kann. Im Bund hingegen, wo man etwas tun könnte, schweigt die sozialdemokratische Fraktion.

(Marc Lürbke [FDP]: Hört, hört!)

Um in der Sprache Ihres Antrags zu bleiben, liebe SPD: In Wahrheit sind damit Sie der zahnlose Tiger, den Sie in der Bundesnetzagentur zu erkennen glauben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn Sie wirklich etwas tun wollten, wenn Sie wirklich etwas an den Regulierungs- und Sanktionsmöglichkeiten verändern möchten, überzeugen Sie doch erst mal Ihre eigenen Kollegen; überzeugen Sie doch erst mal Ihre Bundestagsfraktion! Dann können Sie es ja – ich glaube, Sie haben eine Regierungsbeteiligung in Berlin – in der Bundesregierung umsetzen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Nur kein Neid! Die hättet ihr haben können!)

Bis dahin bleibt dieser Antrag leider ein reiner Show-antrag. Ich freue mich nichtsdestotrotz natürlich darauf, das in der Ausschussberatung noch einmal herausarbeiten zu können. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Kollege Bombis. – Für die Grünen hat nun der Abgeordnete Herr Becker das Wort.

Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Unabhängig von der Frage, wer zahnloser Tiger ist oder für zahnlose Gebisse verantwortlich ist, möchte ich zunächst einmal feststellen, dass der Eindruck, der eben zu erwecken versucht wurde, dass es sich um eine Petitesse handle, fehlgeht.

Wenn wir die Zahlen betrachten, stellen wir fest, dass seit Dezember 2015 im Portal „Post-Ärger“ knapp 27.000 Beschwerden zu Paketdienstleistern eingegangen sind. Hauptbeschwerdegrund ist in der Regel das Problem der Zustellung, also der sogenannten letzten Meile zum Endverbraucher. Darunter fallen über 60 % aller Beschwerden.

Bei Briefen waren es im Dezember 2017 bereits über 600 Beschwerden aus einem ganz erheblichen Grund, nämlich dem Verschwinden von Briefen. Das muss man natürlich auch vor dem Hintergrund sehen, dass die Netzagentur tatsächlich nur relativ geringe Möglichkeiten hat, dem nachzugehen, und die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen das auch. Darüber hinaus gibt es Beschwerden zu Briefkästen, die nicht gelehrt werden, zu Schließungen von Filialen und zu vielem mehr.

Sehen wir uns das an, werden wir zunächst einmal feststellen müssen, dass die Bundesnetzagentur tatsächlich relativ wenige Möglichkeiten hat, einzugreifen. Es geht um das vorhin so gelobte freiwillige Schlichtungsverfahren, das aber insofern deutlich zu hinterfragen ist, als es in der Regel dazu führt, dass es zwar immer mehr Anträge gibt, aber immer weniger Entscheidungen.

So gab es 2016 235 Anträge auf ein solches freiwilliges Schlichtungsverfahren, und im Jahr 2017 gab es 732 solcher Anträge. Das Spannende ist nun: 2016 sind 48,5 % der Fälle tatsächlich zu einem Ergebnis geführt worden, 2017 waren es ganze 20 % – 19,7 %, um genau zu sein.

Das zeigt ganz deutlich, dass es ein systemisches Problem gibt. Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur selbst und übrigens auch des Projekts „Post-Ärger“ werden die Zahlen auch weiterhin rückläufig sein, weil zurzeit eigentlich nur bisher nicht bearbeitete Altfälle bearbeitet werden.

Letztlich hat das mit der Frage der Freiwilligkeit und darüber hinaus fehlender Sanktionsmöglichkeiten zu tun. Denn was die Bundesnetzagentur nicht kann: Sie kann nicht ein Ermittlungsverfahren starten und sie kann keine Bußgelder verhängen, sondern sie kann schlicht die Lizenz verweigern und für die sogenannten umfänglichen Netzdienste neu ausschreiben. Würde sie das tun, würde es natürlich einen Aufschrei wegen der Verhältnismäßigkeit geben, es würde Klagen geben etc.

Das heißt, dass es für die Bundesnetzagentur tatsächlich keine ordentliche Ausgangslage gibt. Das ist übrigens auch ein Grund dafür, warum nicht nur die Bundesnetzagentur das selbst beklagt, sondern auch die Verbraucherzentralen es beklagen. So haben zum Beispiel die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen und die Verbraucherzentrale in Thüringen seit 2015 eigene Beschwerdestellen und führen eigene Verfahren durch, um diesem Mangel wenigstens etwas abzuhelfen.

Wenn man nun also tatsächlich diese Situation beheben wollte, dann gäbe es aus unserer Sicht drei Dinge, die man tun müsste – ungeachtet der Frage, ob tatsächlich der Landtag diese Dinge erreichen kann; einsetzen könnte sich das Land Nordrhein-Westfalen aber allemal, zumal Bonn der Standort der Bundesnetzagentur ist.

Wir brauchen erstens die verbindliche Schlichtung. Das heißt: Eine Schlichtung muss stattfinden, wenn jemand dazu einberufen hat. Es kann nicht sein, dass das momentan nur noch die Firmen Hermes und Amazon Logistics tun.

Wir brauchen zweitens die Möglichkeit, tatsächlich Bußgelder zu verhängen und Ermittlungen einzuleiten.

Und wir brauchen drittens – übrigens gerade im Paketbereich – die Beweislastumkehr. Es muss so sein: Wenn ein Paket ordnungsgemäß eingeliefert worden ist und das auch auf dem Schein steht, muss die Regel sein, dass es auf dem Transportweg beschädigt wurde, wenn es kaputt ankommt, und nicht der Verbraucher nachweisen muss, dass er es bereits kaputt erhalten hat.

All das sind Maßnahmen, die man einführen könnte, um wenigstens etwas mehr Wettbewerbsgleichheit zu erreichen; denn „Wettbewerb“ heißt immer, sich im Wettbewerb als Verbraucherin oder Verbraucher auch wehren zu können. Wie alle anderen auch freuen wir uns auf die Beratungen, allerdings mit einem etwas anderen Zungenschlag als die beiden Redner von CDU und FDP. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD])

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die AfD hat der Kollege Strotebeck das Wort.

Herbert Strotebeck (AfD): Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der Onlinehandel mit seinen jährlich deutlich zunehmenden Steigerungsraten ist ohne Zweifel der primäre Grund für den immer schneller, größer werdenden Zustellungsbedarf. Die Dienstleister können ihren Verpflichtungen kaum noch nachkommen, und es kommt zu Verspätungen oder im Extremfall zu ausbleibenden Lieferungen und folglich zu Beschwerden. In dem Antrag schreiben Sie von einer Steigerung der Beschwerden im Jahr 2017 zu 2016 um 50 % auf 6.100 und fordern Sie die Möglichkeit von Sanktionsmaßnahmen für die Bundesnetzagentur. Sie nehmen hier Bezug auf Art. 87f Abs. 1 des Grundgesetzes. Sie hätten aber etwas weiter lesen sollen, denn in Abs. 2 steht:

„Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht.“

In den Verträgen mit den privaten Anbietern lassen sich klare Vereinbarungen treffen und auch Sanktionsmöglichkeiten vereinbaren.

Die privaten Anbieter, egal ob DHL, DPD, UPS und Hermes, um nur die Großen zu nennen, stehen in einem ständigen Wettbewerb, der in erster Linie über den Preis ausgetragen wird. Darunter leidet zwangsläufig der Service. Beides, günstiger Preis und guter Service, lässt sich kundenfreundlich nur schwer aufeinander abstimmen, zumal es häufig auch an den Kunden liegt, zum Beispiel aufgrund der schweren Erreichbarkeit durch die Berufstätigkeit. Es bedeutet für die Mitarbeiter der Auslieferer, dass teilweise bis in den Abend und bis in den späten Samstagnachmittag hinein ausgeliefert wird. Es hat irgendwie etwas von der Quadratur des Kreises.

Über die teilweise unzumutbaren Arbeitsbedingungen bei den privaten Auslieferern ist einiges publik geworden. Dort liegt bekanntlich sehr viel im Argen. Das ist hier heute zwar nicht das Thema, aber der Grund Nummer eins für die Missstände und damit die Unzufriedenheit der Kunden. Sie kennen doch die Themen: Unterlaufen des Mindestlohns, keine Arbeitszeitbegrenzung, schlechte Arbeitsbedingungen und mangelhafte Sozialleistungen. – Gerade in dieser Branche wird doch der Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Was nützen denn da Sanktionsmöglichkeiten der Bundesnetzagentur?

Der von der SPD gestellte Antrag wirkt etwas zynisch. Die Deutsche Post DHL Group muss sich diesem Wettbewerb natürlich auch stellen, und sie tut es auch – mit Erfolg. Dabei hat sie sicherlich noch die akzeptabelsten Arbeitsbedingungen. Sie nutzt teilweise auch die durchaus zu befürwortende Möglichkeit der befristeten Arbeitsverträge mit der konkreten Aussicht auf eine Festanstellung, also einen unbefristeten Arbeitsvertrag.

Natürlich müssen hierfür Voraussetzungen durch die Mitarbeiter erfüllt werden, zum Beispiel seine Zuverlässigkeit. Dazu gehört selbstverständlich auch das Thema der Fehltage aufgrund von Krankheit. 20 Tage in zwei Jahren – so stand es in der Presse – ist doch durchaus ein mitarbeiterfreundliches Maß. Nicht aber für die SPD! Der Aufschrei war groß. Und der neue SPD-Finanzminister des Bundes – wir hatten ja gerade gehört, eigentlich ist es eine Bundesangelegenheit –, Herr Scholz, mischte sich direkt ein, was nicht für seine Qualität spricht. Die kann man bei ihm aber auch nicht unbedingt erwarten, weil er immerhin mit für das HSH Nordbank-Debakel verantwortlich ist.

Warum können nicht erst die Regelungen geprüft werden? Gemeint ist doch hier sicher nicht eine schwere dreiwöchige Grippe oder Krankentage aufgrund eines Knochenbruchs, womöglich während der Arbeitszeit zugezogen. Gemeint sind doch hier die Fälle, in denen Mitarbeiter gelegentlich den Montag als verlängertes Wochenende hinzunehmen oder mit einem Krankentag am Freitag das Wochenende einen Tag früher einläuten. Da sind auch zwei Tage in zwei Jahren zu viel. Mit solchen Mitarbeitern können Sie im harten Wettbewerb nicht bestehen.

Ich freue mich auf die bestimmt interessanten Diskussionen im Ausschuss und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Professor Pinkwart das Wort.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Schlichtungen im Postbereich sind in Zeiten des boomenden E-Commerce und deutlich steigender Paketmengen ein verbraucherfreundliches Instrument zur außergerichtlichen Streitbeilegung. Das hat der Gesetzgeber mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz aus dem Jahre 2016 deutlich untermauert. Dieses Gesetz stärkt die Verbraucherrechte auch bei Postdienstleistungen und ermöglicht transparente und unparteiliche Schlichtungsverfahren auch bei der Bundesnetzagentur, die im Postbereich eine kostenfreie Alternative zu langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen sein können.

Das Sendungsaufkommen – das hat die Debatte schon gezeigt – ist hoch. Man muss dieses sicherlich ins Verhältnis zur Anzahl der Beschwerden stellen, wenngleich natürlich jede Beschwerde eine zu viel ist. Das ist völlig klar.

Ausweislich ihres Jahresberichts 2017 verzeichnet die Bundesnetzagentur rund 6.100 Beschwerden im Bereich Post. Diese Zahl steht in Relation zu der Zahl der Sendungen. Für den Briefbereich waren es 2017 15,7 Milliarden Stück. Im Paketbereich geht man von einer deutlichen Steigerung gegenüber 2016 aus. Im Jahr 2016 waren es über 3 Milliarden Pakete, die transportiert wurden.

Eine Verbraucherbefragung – das wurde bereits von Herrn Déus dargelegt – zeigt, dass wir insgesamt recht hohe Zufriedenheitswerte haben.

Aus der Sicht der Landesregierung bietet das Schlichtungsverfahren bei der Bundesnetzagentur durchaus die Möglichkeit, dem Schutz der Kundinnen und Kunden außergerichtlich Rechnung zu tragen.

Auch hier ist durchaus beachtlich, dass die durchgeführten Schlichtungsverfahren in einem hohen Maße erfolgreich waren. 2017 gingen 1.001 Schlichtungsanträge ein. In den meisten Fällen, in denen beide Parteien zu einem Schlichtungsverfahren bereit waren, konnte eine erfolgreiche Einigung erzielt werden. So gab es 249 gütliche Einigungen, 191 mit Verfahren, 58 ohne Verfahren. 168 Verfahren waren zum Berichtszeitpunkt noch nicht beendet. In 98 Fällen wurde die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens von der Schlichtungsstelle, in der Regel wegen mangelnder Zuständigkeit, abgelehnt. In 72 Fällen wurde der Antrag seitens der Antragsteller zurückgenommen. In 414 Fällen lehnte der jeweilige Postdienstleister eine Teilnahme an dem Schlichtungsverfahren ab.

Es ist also, wie schon angedeutet, nicht so, wie es im SPD-Antrag formuliert worden ist, dass in fast allen Fällen der Postdienstleister eine Teilnahme abgelehnt hat und sie nicht erfolgreich waren.

Präsident André Kuper: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schneider?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Aber bitte. Ja, gerne.

René Schneider (SPD): Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Herr Minister. – Sie sprechen über absolute Zahlen; das ist natürlich völlig richtig.

Haben Sie aber auch mitbekommen, dass sich die Bundesnetzagentur in ihrem Jahresbericht 2017 auch zu einem Trend geäußert hat? Der sieht nämlich so aus, dass wir zum Beispiel 2017 gegenüber 2016 viermal so viele Schlichtungsanträge hatten, dass es insgesamt eine steigende Beschwerdezahl gibt. Das stellt die BNetzA fest. Und sie stellt fest, dass die überwiegende Zahl der Schlichtungen schlichtweg abgelehnt wird. Auch das ist ein Trend, der sich verstärkt. Wir können also insgesamt von einem Trend sprechen.

Nehmen Sie auch solche Trends auf? Oder geht es Ihnen da nur um die absolute Zahl der Fälle, die natürlich im Vergleich zum Gesamtaufkommen gering ist?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ganz herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Schneider, für die Nachfrage. Ich hatte Ihnen ja die Zahlen für 2017 vorgetragen. Die Zahlen für 2018 kennen wir ja noch nicht. Bei den Zahlen für 2017 mag es – selbst wenn die Zahlen für die Jahre vorher geringer waren – einen Anstieg gegeben haben. Das ist ja auch insofern positiv, als dass erst seit 2016 diese Möglichkeit eingeräumt worden ist und jetzt auch mehr Schlichtungen in Anspruch genommen werden. Das ist ja eher ein Zeichen dafür, dass von dieser Möglichkeit, die der Gesetzgeber eröffnet hat, Gebrauch gemacht wird.

Ich habe Ihnen aber jetzt in absoluten Zahlen die Fälle aus dem Jahr 2017 vorgetragen. Neuere können wir noch nicht haben; das Jahr 2018 ist ja noch längst nicht abgeschlossen. Von 2017 wissen wir, dass der überwiegenden Zahl der 1.100 Schlichtungsanträge – in Ihrem Antrag steht das Gegenteil – stattgegeben wurde. Sie sind vielmehr angenommen worden. Von daher haben wir durchaus eine beachtliche Anzahl von Einigungen bzw. noch laufenden Verfahren.

Das würde ich erst einmal von der Systematik her als einen Regelungsansatz sehen, den wir doch auch zur Kenntnis nehmen müssen. Da müsste man vielleicht – das können wir ja im Ausschuss machen – noch ein bisschen tiefer hineingehen und uns mit der Frage beschäftigen, woran es da im Einzelnen liegt. Wir können uns das einmal vortragen lassen. Ich sehe das aber trotz der Tendenz nicht in der negativen Perspektive, wie Sie das im Antrag darstellen.

Wir meinen nach unserer Sicht auf die Dinge, dass sich die Schlichtungsstelle Post der Bundesnetzagentur in Konfliktfällen als erfolgreicher Vermittler zwischen den Kundinnen und Kunden und den Postdienstleistern erwiesen hat.

Inwieweit vor dem Hintergrund der von der Bundesnetzagentur aktuell vorgestellten Zahlen eine Stärkung der verbraucherschützenden Rechtsbestimmungen geboten ist, muss hier – auch das hat die Debatte gezeigt – zuvorderst von der Bundesregierung geprüft werden. Sie ist federführend zuständig.

Nichtsdestotrotz begleiten wir das hier natürlich – auch durch mein Haus – in den Beratungen gerne konstruktiv. Wenn wir darüber hinausgehende Empfehlungen entwickeln können, werden wir die natürlich auch weitergeben; das ist überhaupt keine Frage.

Das entbindet aber natürlich nicht die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen, ihrer Primärverantwortung – wenn sie denn dort gesehen wird – gerecht zu werden.

Nach Einschätzung der Landesregierung gehört zu einer Stärkung der Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern auch eine bessere Verbraucherinformation und Verbraucherberatung. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat hierzu das vom Bund geförderte Informations- und Beschwerdeportal „Post-Ärger.de“ entwickelt, um die Verbraucherposition am Brief- und Paketmarkt zu analysieren und zu stärken.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben die Möglichkeit, hier Beschwerden anzuführen und negative Erfahrungen zu schildern. Die Verbraucherzentrale analysiert diese Beschwerden. Sie wird bei eklatanten Verstößen gegen geltendes Recht im Marktgeschehen tätig und greift gegebenenfalls auf Instrumente der Abmahnung oder auch auf Klagen zurück, um die Verstöße konsequent zu verfolgen.

Des Weiteren werden die Verbraucherinnen und Verbraucher über ihre Rechte bei Vertragsstörungen informiert. Sie werden durch Beratung in Bezug auf den Brief- und Paketversand unterstützt. Mir ist also ganz wichtig: Der Verbraucher wird hier nicht alleine gelassen. Er hat Möglichkeiten, über die Schlichtungsstelle wie aber auch durch die Unterstützung, die er durch die Verbraucherzentrale erfährt, tätig zu werden.

Im Übrigen gestatten Sie mir einen Hinweis. Ich glaube, das müssen wir fairerweise in einer wirtschafts- und verbraucherpolitischen Debatte auch sagen können: Wir haben ja Gottlob mittlerweile mehrere Anbieter in einem sich dynamisch entwickelnden Markt. Neben allem, was rechtlich auch durch Sanktionsmöglichkeiten begleitet werden kann, muss die Dienstleistung im Wettbewerb beim Verbraucher natürlich im Blickpunkt stehen. Derjenige, der schlecht liefert, muss dann natürlich auch aus sich selbst heraus die Verantwortung tragen. Der Verbraucher muss sich dann für die Dienstleister entscheiden, die mit höherer Zuverlässigkeit bzw. pünktlicher ausliefern.

Diesem Wettbewerb sollten wir mehr Beachtung schenken. Das kann man auch durch Information machen. Auch die Verbraucherinformationsstellen können das tun, indem sie darauf aufmerksam machen, welche Lieferanten oder Dienstleister hier besonders erfolgreich sind und welche nicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich will aber vorsichtshalber darauf hinweisen, dass der Herr Minister die Redezeit für die Landesregierung um 55 Sekunden überzogen hat. Gibt es den Wunsch nach weiteren Redebeiträgen? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich an dieser Stelle die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages mit der Drucksachennummer 17/2559 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung. Er bekommt die Federführung. Es gibt aber auch die Mitberatung des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz. Wie immer soll die abschließende Abstimmung dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte jemand dagegen stimmen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Sehe ich auch keine. Dann haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf:

12 Masterplan für die Elektrifizierung von Bahnstrecken in NRW

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2547

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat Herr Kollege Remmel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

„Die Elektrifizierung von Schienenstrecken … kann vor dem aktuellen Hintergrund der Diskussion über Luftschadstoffe auch einen wichtigen Beitrag für eine bessere Luftqualität in unseren Ballungsräumen leisten.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken und sage Ihnen, wer das gesagt hat: Das war Minister Wüst, der das in einer Publikation der „Allianz pro Schiene“ veröffentlicht hat. Insofern gehe ich davon aus, dass wir uns mit unserem Antrag, den wir hier und heute stellen, in guter Allianz mit Ihnen und Ihrem Anliegen befinden und Sie das als Zeichen verstehen, unserem Antrag auch zuzustimmen. Wir wollen Ihnen also Unterstützung signalisieren – gar keine Frage – und etwas mehr Dynamik in die ganze Sache bringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will Ihnen nicht von einer Erscheinung erzählen, die ich hatte,

(Heiterkeit – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das wollen viele!)

aber ich weiß nicht, ob Sie dieses Gefühl auch kennen: Sie sitzen oder stehen irgendwo versonnen, diskutieren mit sich selbst und kommen dabei auf ganz erstaunliche Sachverhalte.

(Heiterkeit – Gordan Dudas [SPD]: Nein, das kenne ich nicht!)

Ich will Ihnen die Begebenheit durchaus nicht vorenthalten. Ich hatte einen längeren Aufenthalt an meinem Heimatbahnhof und wartete auf einen Zug. Am Nachbargleis stand ein längerer Zug mit Dieseltriebwagen. Es war heiß, und dieser Dieseltriebwagen ging immer wieder an, lief zehn Minuten, und dann ging er wieder aus.

Ich habe mich gefragt: Warum muss er immer wieder angeschaltet werden? – Die Antwort war: Es ist heiß, und die Klimaanlage muss betrieben werden. – Das war die erste Antwort in meinem Selbstgespräch. Aber die nächste Frage, die ich mir gestellt habe, lautete: Warum steht eigentlich in einem Bahnhof, wo Oberleitungen vorhanden sind und wo das gesamte Streckennetz im Umkreis aus Oberleitungen besteht, überhaupt ein Dieseltriebwagen?

Bei längerer Recherche habe ich in der Folge feststellen müssen: In Nordrhein-Westfalen sind nur 57 % der Strecken elektrifiziert, und der andere Teil muss noch elektrifiziert werden. Bei weiterer Recherche stellt man dann fest, dass wir in Nordrhein-Westfalen dahin gehend noch großen Nachholbedarf haben. Andere Länder, wie beispielsweise die Schweiz oder auch Österreich, haben in der Vergangenheit in einem ehrgeizigen Plan für einen größeren Anteil an Elektrifizierung gesorgt.

Das Phänomen, das ich beobachtet habe, ist insofern erstaunlich, weil es sich zum Beispiel bei der Stadt Siegen um eine Kommune handelt, die im Hinblick auf Luftschadstoffe unter Beobachtung ist. Die Grenzwerte sind überschritten. Warum, fragt man sich – in der Stadt wird heftig diskutiert über mögliche Dieselfahrverbote und andere verkehrslenkende Maßnahmen –, fahren Dieselloks auf diesen Strecken, obwohl die Strecken elektrifiziert sind, also Oberleitungen vorhanden sind. Das kann kein Mensch verstehen.

Und wenn wir noch etwas weiter schauen, stellen wir fest, dass in fast jeder von potenziellen Dieselfahrverboten betroffenen Stadt, also da, wo die NOX-Werte in den letzten Jahren den Grenzwert überschritten haben, in irgendeiner Weise auch mit Schienenfahrzeugen gefahren wird, die nicht elektrifiziert sind. Es gibt also Dieselloks in all unseren Städten.

Deshalb ist die Elektrifizierung der Strecken ein wichtiger Baustein zur Verbesserung der Luftqualität – so wie es auch der Minister ausgedrückt hat. Es ist also klar, dass wir auch aufgrund der aktuellen Entwicklung eine größere Dynamik brauchen. Das Land muss deshalb wissen, nach welcher Priorität Strecken entsprechend mit Oberleitungen versehen werden sollen. Deshalb – natürlich sind Bund und Bahn zuständig – braucht es einen Masterplan, in welcher Reihenfolge dieser Ausbau zu erfolgen hat.

Meine sehr geehrte Damen und Herren, diese Landesregierung stellt ja für alles einen Masterplan auf. Es wäre gerade für dieses wichtige Feld notwendig, neben dem Straßenbau – wir haben ja vernommen, in welcher Maßnahmenfolge die Bauarbeiten erfolgen sollen – auch für den Schienenpersonennahverkehr und für den Schienenverkehr eine solche gleiche Gewichtung vorzunehmen, was die Elektrifizierung angeht. Das ist Kern unserer Forderung bzw. unseres Antrags.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Johannes Remmel (GRÜNE): Wir fordern einen solchen Maßnahmenplan, mit dem möglichst schnell bis 2028 – schneller als die Große Koalition im Bund das plant – eine fast vollständige Elektrifizierung für Nordrhein-Westfalens Schienenstrecken erfolgen soll.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wenn Sie uns nicht so viele behindernde Gesetz hinterlassen hätten!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit ist beendet, Herr Kollege Remmel.

Johannes Remmel (GRÜNE): Dabei ist klar, dass die Vorteile zur Verbesserung eben nicht nur bei der Luftqualität liegen, sondern Elektrifizierung auch mehr Leistung, mehr Flexibilität, mehr Haltepunkte und deshalb besseren ÖPNV bedeutet. Wenn man mehr Menschen in Schienenfahrzeuge des öffentlichen Verkehrs bringen will, dann muss es eine flächendeckende Elektrifizierung geben.

(Vizepräsidentin Carina Gödecke weist erneut auf das Ende der Redezeit hin. – Josef Hovenjürgen [CDU]: Auch für Sie gilt die Redezeit!)

– Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank für Ihren Hinweis. Und jetzt beende ich meine Rede.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Ich danke Ihnen auch, Herr Kollege Remmel. – Der nächste Redner ist für die CDU-Fraktion Herr Kollege Rehbaum.

Henning Rehbaum (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt mir schon sehr zu denken, dass die Anträge der Grünen aufgrund von Selbstgesprächen von Johannes Remmel entstehen.

(Beifall von der CDU – Josef Hovenjürgen [CDU]: Klingt aber glaubhaft! – Heiterkeit von Gordan Dudas [SPD])

Die Grünen wünschen sich eine vollständige Elektrifizierung des nordrhein-westfälischen Schienennetzes bis 2028 und einen Ausschluss von Dieselschienenfahrzeugen unter Draht. Man sieht, dass es ein politischer Antrag ist, der nicht zu Ende gedacht ist und dem doch gehörig an Augenmaß fehlt.

Dieser Antrag der Grünen beinhaltet nichts anderes als ein komplettes Fahrverbot für dieselbetriebene Schienenfahrzeuge in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU – Carsten Löcker [SPD]: Das ist aber aus der Mottenkiste!)

Wenn sämtliche Strecken unter Draht sind und die Grünen die Dieselfahrzeuge unter Draht verbieten wollen, dann bedeutet das ein Dieselfahrverbot und damit eine Entwertung eines sehr großen dieselbetriebenen Schienenfuhrparks in Nordrhein-Westfalen.

(Carsten Löcker [SPD]: Mutwillige Interpretation!)

Millionen von Investitionen würden entwertet, Hunderte Triebwagen und Lokomotiven könnten direkt auf den Schrott gefahren werden. Das ist mit der CDU nicht zu machen.

(Beifall von der CDU – Arndt Klocke [GRÜNE]: Hört, hört!)

Die Grünen wollen die Revolution, sie wollen die Elektrifizierung mit der Brechstange.

Die NRW-Koalition möchte eine Elektrifizierung des Schienennetzes mit Sinn und Verstand. Der Bund hat bereits ein großes Elektrifizierungsprogramm angekündigt und mit dem Koalitionsvertrag auf den Weg gebracht. Damit entspricht er auch seinem Auftrag, den er aufgrund von Art. 87e des Grundgesetzes hat.

Nordrhein-Westfalen ist gut vorbereitet für das Thema Elektrifizierung und auch Reaktivierung von Schienenstrecken. § 13 Abs. 1 Ziffer 4 ÖPNV-Gesetz regelt das, und das ist gut so. Wir können also Elektrifizierung fördern.

Entscheidend ist die Verantwortung der Verbünde, aber auch der Bahninfrastrukturunternehmen, also der Deutschen Bahn und der NE-Bahnen. Und die müssen gemeinsam überlegen, welche Strecken wann mit einer Oberleitung ausgerüstet werden und welche Projekte man hier vorantreibt. Diese Spieler, also die Verbünde und die Bahnunternehmen, sind nahe dran am Thema. Die können am besten entscheiden, wo sinnvollerweise elektrifiziert wird.

Diese Projekte werden dann einer Kosten-Nutzen-Berechnung unterzogen. Und wenn sie sich volkswirtschaftlich rechnen, dann können sie auch gefördert werden.

Die Grünen – dieser Punkt ist interessant – wollen alle Strecken elektrifizieren. Das Problem ist aber, dass nicht alle Strecken geeignet sind. Sie sind, wirtschaftlich gesehen, nicht alle geeignet. Das zeigen die Kosten-Nutzen-Rechnungen dann. Sogar die „Allianz pro Schiene“, Kollege Remmel, die Sie zitiert haben, sagt selber: Wir können nicht alle Strecken elektrifizieren, weil nicht alle wirtschaftlich dazu geeignet sind.

Was es aber gibt – und das ist sicherlich eine gute Botschaft –, sind innovative Antriebe für Schienenfahrzeuge, ob das Wasserstoff ist oder Akku-Betrieb. Hier sind wir kurz vor der Serienreife. Und das ist sicherlich für Strecken mittlerer und kurzer Länge eine günstige Alternative zu einer kompletten Ausrüstung mit Oberleitungen.

Als Fazit kann man sagen: Die Grünen wollen Oberleitungsbau, koste es was es wolle, auf allen Strecken. Sie wollen Dieselfahrverbote für alle Triebwagen und Loks unter Draht, und das flächendeckend in Nordrhein-Westfalen. Sie wollen damit moderne Dieseltriebwagen-Fuhrparks entwerten und erzeugen damit einen millionenschweren Schaden für die Volkswirtschaft. Die Konnexität ist sicherlich auch eine große Frage, die davon betroffen wäre. Das ist also nicht der richtige Weg.

Wir als NRW-Koalition wollen Oberleitungen da, wo es sinnvoll ist, wo es volkswirtschaftlich angezeigt ist. Und wir wollen innovative Antriebe als günstige Alternative zu den Oberleitungen auf den kurzen und mittleren Strecken.

Das Ziel ist völlig klar: Wir wollen Emissionen reduzieren. Wir wollen Anwohner entlasten, und wir wollen den Betrieb der Eisenbahnen, vor allem im SPNV, noch günstiger machen. Ich denke, die Sache ist es wert, sich damit zu beschäftigen. Das werden wir im Ausschuss. Aber unsere grundsätzliche Meinung als CDU-Fraktion haben Sie hiermit gehört. – Ich danke für Ihr Zuhören.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Rehbaum. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Dudas das Wort.

Gordan Dudas (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den demokratischen Fraktionen! Lieber Kollege Remmel, die von Ihnen geforderte Reduzierung von Stickoxiden, von Feinstäuben und natürlich auch des CO2-Ausstoßes ist zu begrüßen.

Eine verantwortungsvolle Verkehrspolitik beinhaltet selbstredend auch Maßnahmen zur Reduzierung von gesundheits- und umweltschädlichen Emissionen. Daher ist es nur konsequent, auch auf den Schienen im Rahmen der Verkehrswende weitestgehend auf eine Elektrifizierung zu setzen und diese konsequent voranzutreiben.

Zwar sind Dieselloks auf einigen Strecken derzeit immer noch ohne Alternative; um aber eine langfristige Perspektive für die jeweiligen Strecken zu bieten und gleichzeitig die angestrebten Verbesserungen bei den Emissionen zu realisieren, ist der erkennbare und konsequente politische Wille notwendig, um das Ziel der möglichst umfassenden Elektrifizierung dann auch tatsächlich zu erreichen. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass die Elektrifizierung nur ein Baustein ist.

Wir haben schon heute Nachmittag unter Punkt 8 über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Verkehrswende diskutiert. Die Einbeziehung der Bahnstrecken ist dabei natürlich auch ein wichtiger Punkt. Hinzu kommen, wie bereits angesprochen, notwendige und realistische Maßnahmen für PKW und Busse, die nicht zu Lasten der Dieselfahrer gehen dürfen.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, neben den wünschenswerten Verbesserungen bei Feinstaub, Stickoxiden und CO2-Ausstoß ist natürlich auch die Steigerung der Attraktivität des SPNV anzustreben. Eine moderne elektrifizierte Strecke ist auch perspektivisch von Vorteil gegenüber einer derzeit nicht elektrifizierten Strecke, welche nur von Dieselloks befahren werden kann.

Daher ist es aus dieser Sicht für zahlreiche Bahnstrecken von großer Bedeutung, wenn die Elektrifizierung an dieser Stelle vorangetrieben wird. In meiner Heimatregion im Märkischen Kreis wurde zum Beispiel erst kürzlich ein Streckenabschnitt der Linie RB 25 reaktiviert. Im Dezember 2017 wurde der Bahnverkehr zwischen Meinerzhagen und Lüdenscheid wieder aufgenommen und wird derzeit durch Dieselfahrzeuge bedient.

Alle sind froh, dass hier nun erst einmal wieder Züge fahren und es dadurch wieder eine durchgehende Anbindung Richtung Köln gibt. Aber auch hier wäre eine Elektrifizierung mittel- bis langfristig natürlich wünschenswert, um die Verbindung weiter auszubauen und um den Märkischen Kreis wie auch Südwestfalen als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort nachhaltig zu stärken und die Lebensqualität der Region durch verbesserte SPNV-Angebote zu steigern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Antrag der Grünen ist daher aus unserer Sicht der SPD ein guter Baustein sowohl für einen zukunftsfähigen SPNV als auch ein Beitrag zur Senkung von Stickoxiden.

Gleichwohl gibt es noch Punkte, auf die man im Rahmen der weiteren Diskussion im Ausschuss eingehen muss. Denn auf einem solch ambitionierten Weg gibt es naturgemäß auch Hindernisse. So wird es einige Strecken geben – das haben wir gerade auch gehört –, auf denen eine Elektrifizierung kaum wirtschaftlich umsetzbar ist. Die Kosten-Nutzen-Relation wird daher sicherlich auch künftig eine Rolle spielen.

Darüber hinaus geht aus dem Antrag auch nicht hervor, wie ein landeseigenes Förderprogramm ausgestaltet sein soll, zumal dadurch das Land der Bundesebene finanziell unter die Arme greifen würde. Das wirft bei mir noch einige Fragen auf, die wir in den kommenden Debatten hoffentlich lösen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse an dieser Stelle zusammen: Eine Reduzierung der Dieselloks durch eine fortschreitende Elektrifizierung ist zu begrüßen, muss aber auch machbar sein. Zudem handelt es sich um einen Baustein der Verkehrswende insgesamt, weshalb entsprechende Ansätze in diese Überlegungen eingebettet werden müssen.

Ich bin sicher, dass es hierzu spannende und zielführende Diskussionen geben kann, freue mich auf die Weiterbehandlung dieses Antrags im Ausschuss und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht der Herr Kollege Reuter.

Ulrich Reuter (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Grundsätzlich kann natürlich niemand etwas gegen die Elektrifizierung von Bahnstrecken im Land haben. Ganz im Gegenteil: Das Ziel, unser Streckennetz möglichst weitgehend zu elektrifizieren, kann nur auf Sympathie stoßen. Elektrisch betriebene Züge bringen nämlich nicht nur etwas für die Umwelt, sie sind auch verkehrlich deutlich den dieselbetriebenen Loks überlegen: leiser, schneller, spurtstärker. So weit, so gut.

Aber das, was die Grünen uns hier mit ihrem Antrag vorlegen, ist leider nicht alles gut. Diese Beurteilung folgt aus der Faktenlage. Wenn Sie den Eindruck erwecken wollen, dass Deutschland im europäischen Vergleich in Sachen Elektrifizierung besonders schlecht dastehe, ist das so nicht richtig.

Der durchschnittliche Elektrifizierungsgrad in Westeuropa liegt bei 57 %. Das entspricht in etwa dem Niveau in Deutschland. Auch den weltweiten Vergleich brauchen wir hier nicht zu scheuen. In Nordamerika liegt der Elektrifizierungsgrad bei 1 %, in Asien bei 47 %. Weltweit sind von 1,3 Millionen km Fahrweg rund 344.000 km elektrifiziert. Das ist ungefähr ein Viertel.

Das bedeutet natürlich nicht, dass man jetzt keine Anstrengungen mehr zu unternehmen bräuchte, um auch bei uns in Nordrhein-Westfalen weiterzukommen. Aber genau da sind wir doch an dem Punkt, wo der Antrag der Grünen schlicht überflüssig ist.

Zunächst wird mit dem Antrag ignoriert, dass die Zuständigkeit für die Schienen der Eisenbahnen des Bundes klar nach Art. 87e Grundgesetz beim Bund liegt, und eben dieser wird gerade aktiv. Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Schienenstrecken in Deutschland bis zum Jahr 2025 zu 70 % zu elektrifizieren. Damit soll gegenüber einem Level von aktuell rund 60 % eine deutliche Steigerung erzielt werden.

Wenn Sie daneben das Land auffordern, selbst mehr für die Elektrifizierung zu tun, so gibt es zwar in der Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 ÖPNV-Gesetz eine Grundlage für diese Elektrifizierungsmaßnahmen. Aber ich muss Sie etwas korrigieren, Herr Remmel – vielleicht haben Sie bei Ihren seherischen oder nachdenkenden Fähigkeiten nicht genau genug hingeschaut –: Zumindest sagt das Statistische Jahrbuch, dass wir rund 10.000 km Gleislänge in Nordrhein-Westfalen haben, von denen etwas mehr als 3.000 km nicht elektrifiziert sind.

Wenn man jetzt mal die Überlegung ansetzt, 1 km Elektrifizierung kostet etwa 1 Million €, kommen wir auf einen Betrag von 3 Milliarden €, die es ungefähr kosten würde, alle Strecken in Nordrhein-Westfalen zu elektrifizieren. Das ist im Haushalt sicherlich nicht machbar.

Im Übrigen müsste man Sie und insbesondere Ihren ehemaligen Staatssekretär ja auch fragen dürfen, warum er damit nicht schon vorher begonnen hat und dieses Projekt in seiner Zeit umgesetzt hat.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist grüne Haushalts- und Finanzpolitik, meine Damen und Herren, und das ist unsolide und verdient keine Unterstützung.

(Beifall von der FDP)

Hier sehen Sie: Dieser Antrag ist nicht nur überflüssig, er ist auch falsch.

Er ist aber auch aus weiteren wichtigen Gründen zu kritisieren. So basiert der Antrag auf der Grundannahme, die Elektrifizierung helfe, die Dieselproblematik in Nordrhein-Westfalen in Ballungsräumen zu lösen. Dazu müssen wir aber erst einmal die genaue Faktenlage klären: Wie viel Anteil haben denn Dieselloks wo an welchen Schadstoffemissionen? Welche Kosten entstehen bei welcher Strecke? Es gibt Strecken im Land, auf denen vier Züge am Tag verkehren, zum Beispiel zwischen Essen-Katernberg Nord und Heßler und zwischen dem Abzweig Heßler und Wanne-Eickel.

Hier wird einfach ins Blaue hinein irgendetwas gefordert, was zunächst einmal solide aufbereitet werden muss.

Genau diese Aufbereitung hat ebenfalls der Bund begonnen. Das Bundesverkehrsministerium hat nämlich hierzu ein Gutachten beauftragt, das aktuell erarbeitet wird.

Schließlich will ich noch darauf hinweisen, dass dieser Antrag hinter dem zurückbleibt, was die Verkehrsministerkonferenz im April des Jahres einstimmig zu dem Thema beschlossen hat. Sie will nämlich den Ausbau der E-Mobilität auf der Schiene technologieoffen gestalten und auch andere Angebote fördern. Das ist kluge Politik, und daran, meine Damen und Herren, waren auch grüne Verkehrsminister beteiligt.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Ulrich Reuter (FDP): Wenn Sie unsere Aufgabenträger sehen: Der VRR arbeitet daran, auch auf teilelektrifizierten Strecken E-Loks einzusetzen. Neue Technik ermöglicht es nämlich, dass diese akkubetrieben über mehrere Kilometer ohne Oberleitung fahren können.

Sie sehen: Es gibt viele Dinge, die zu besprechen sind. Der Überweisung in den Verkehrsausschuss stimmen wir selbstverständlich zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Reuter. – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Vogel das Wort.

Nic Peter Vogel (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gut, ich habe jetzt keine Selbstdiskussion geführt wie der sehr verehrte Kollege Remmel. Aber als ich den Antrag gelesen habe, habe ich schon ein bisschen Kopfkino gehabt: Wir schreiben das Jahr 2028, und ganz Nordrhein-Westfalen ist, was die Schienennetze angeht, elektrifiziert. Wir sind Vorreiter. Wir retten die Polkappen. Ich bin stolz wie Bolle.

(Heiterkeit von der AfD)

Eine Woche später komme ich mit dem Zug aus Berlin. Leider sind noch nicht in allen Bundesländern alle Schienennetze komplett elektrifiziert. So muss ich aus technischen Gründen mit dem Dieselzug kommen. An der Landesgrenze beobachte ich voller Geduld und auch Faszination, wie die alte Diesellok abgekoppelt und mühsam eine neue E-Lok angekoppelt wird. Nach gefühlt anderthalb Stunden sage ich mir: Jetzt bin ich aber so was von entspannt und relaxt, dass ich aufgrund des neuen Zugs jetzt mit höherer Leistung und konstanter Beschleunigung ungefähr jeden Verkehrspunkt in Nordrhein-Westfalen punktgenau erreichen werde. Kopfkino!

Meine Damen und Herren, ich weiß, es sind schnelllebige Zeiten. Aber vielleicht können sich die einen oder anderen Kollegen oder Kolleginnen von Ihnen noch daran erinnern, dass die Deutsche Bahn einmal „Bundesbahn“ hieß. Dann spätestens hätte es klingeln müssen, dass das Ganze nämlich auch eine Bundesangelegenheit ist, weil sie dort Sinn macht.

Nach dem Koalitionsvertrag – es wurde gerade angesprochen – ist bis 2025 ist eine bundesweite Elektrifizierung von über 70 % überhaupt nicht realisierbar. Ich bezweifle, dass wir das erreichen könnten oder dass es für Nordrhein-Westfalen ganz allein irgendwelchen Sinn machen würde. Das Ganze muss einfach bundesweit durchgegangen werden.

Ich bin dann schon auf der Seite von CDU und FDP, dass wir uns nach Prioritäten umschauen sollten. Wie gerade erwähnt: Nicht jede Teilstrecke oder Betriebsstrecke macht Sinn. Natürlich ist der E-Zug der Diesellok noch überlegen, was die CO2-Emissionen angeht. Wenn man die Stromerzeugung einberechnet, kommen wir ungefähr auf 21 oder 22 Gramm CO2-Belastung versus 33 Gramm CO2-Belastung bei der Diesellok. Die Werte sind interessant, wenn auch nicht auf Teilstrecken, auf denen alle zwei Stunden oder viermal am Tag eine Bahn entlangtuckert.

Statt irgendwelche Planspielchen für die nächsten zehn Jahre zu machen, sollten wir uns ein klein wenig entspannen und von diesem Aktionismus weggehen. Immerhin beträgt der Anteil des gesamten Schienenverkehrs an der CO2-Belastung 1,1 %.

Das heißt nicht, dass wir das Ganze unter den Teppich kehren sollten. Allerdings – Zehnjahrespläne aufzustellen, dazu meine ich: Die Technik geht immer weiter. Wir in Deutschland haben immer noch sehr gute Ingenieure und Forscher. Da wird noch einiges passieren. Auch die Dieseltechnologie wird in den nächsten zehn Jahren noch Fortschritte erzielen, wie auch bei den Verbrennungsmotoren, beispielsweise Audi.

Mit anderen Worten: Wir sind aufgeschlossen der Technik gegenüber. Wir schauen uns das an. Wir gehen dahin. Wir priorisieren, wo es sich lohnt. Dort, wo die Infrastruktur, die Stromsicherung und der Bedarf vorhanden sind, sollten wir zuerst langgehen. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Natürlich ist eine Elektrifizierung interessant, aber nicht mit der Brechstange.

Ich freue mich auf die Besprechung im Ausschuss. Diese Art von Antrag würden wir ablehnen. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön, Herr Abgeordneter Vogel. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Wüst.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Werter Kollege Remmel, das mit den Selbstgesprächen ist eine feine Sache. Es gibt selten Widerspruch, meist Einigkeit. Aber die – vorsichtig ausgedrückt – limitierte diskursive Veranlagung solcher Gespräche mag gelegentlich auch in die Irre führen. Zu viel Selbstvergewisserung ist auch nicht gut.

(Beifall von der CDU – Zuruf: Das machen Sie doch auch heimlich, oder nicht?)

Als Landesregierung haben wir bereits am 5. April in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage von Ihnen Stellung zu dem Thema genommen. Jetzt haben Sie es als Antrag sozusagen recycelt – eine urgrüne Tugend. Wenn Sie demnächst eine Aktuelle Stunde beantragen, wird der Tenor aber kein anderer sein.

Wir haben aus guten Gründen festgestellt, dass eine zusätzliche landeseigene Förderung unnötig ist. Erstens gibt es bereits eine Fördermöglichkeit. Die haben Sie selber in Ihrer Regierungszeit mit der Novellierung des ÖPNV-Gesetzes eingeführt. Die will ich überhaupt nicht kritisieren, sie ist nämlich in Ordnung. Da ist also schon etwas gemacht worden. Nach unserer Auffassung gibt es keine Notwendigkeit, ein zusätzliches Förderprogramm aufzulegen.

Zweitens. Zuständigkeit und Verantwortung für den Ausbau der bundeseigenen Schienenwege liegen beim Bund, nicht bei den Ländern. Die unionsgeführte Große Koalition in Berlin hat in Anerkennung dieser Zuständigkeit im Koalitionsvertrag festgelegt, dass es ein Sonderprogramm „Elektrifizierung von Bahnstrecken“ geben solle. Darauf ist schon hingewiesen worden.

Die Verkehrsministerkonferenz hat – Herr Reuter hat es beschrieben – unter Beteiligung von Herrn Herrmann und Herrn Al-Wazir einstimmig begrüßt, dass es diese Verabredung im Koalitionsvertrag in Berlin gibt, und gebeten – der Bund hat zugestimmt –, dass es eine Arbeitsgruppe gemeinsam mit den Ländern geben soll, um zu überlegen, wo man in welcher Weise voranschreitet. Also: Alle, die am Ball sein müssen, sind am Ball. Wir machen Druck, die Elektrifizierung von Bahnstrecken gemeinsam mit dem Bund voranzubringen.

Dritter Punkt. Die NE-Bahn-Förderung haben wir – das haben wir bereits bei einem anderen Punkt besprochen – wieder eingeführt. Sie haben es damals erfolglos auf ein Kreditprogramm umgestellt. Dies ist auch ein Beitrag zur Stärkung der Schiene in Summe.

Vierter Punkt. Der Schienenpersonennahverkehr ist in Nordrhein-Westfalen kommunale Selbstverwaltungsaufgabe. Das heißt: Die kommunal verfassten SPNV-Zweckverbände entscheiden in eigener Zuständigkeit, auf welcher Strecke welche Fahrzeuge mit welcher Antriebstechnologie eingesetzt werden.

Es wäre falsch, ihnen diese Zuständigkeit auf welchem Wege auch immer streitig zu machen. Sie würden es zu Recht kritisieren, wenn wir das vorhaben sollten. Das können die kommunal geprägten Zweckverbände nach unserer Auffassung selber viel besser sachkundig vor Ort und mit dem Blick darauf, wie viele Züge dort unterwegs sind, entscheiden.

Herr Dudas hat eines ganz richtig beschrieben. Ein Teil meiner Familie wohnt in Meinerzhagen. Die sind froh, dass überhaupt wieder ein Zug fährt. Wenn überhaupt ein Diesel unterwegs ist, um ganze Regionen zu erschließen, ist das besser als gar kein Zug. Aktuell laufen Ausschreibungen bei VRR und NWL. Es hat einen Versuch gegeben, Wasserstoff auszuschreiben. Jetzt ist man mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen unterwegs, die teilweise Strecken ohne Oberleitung elektrisch überbrücken können. Das kann man heute leichter machen als früher. Die Chance sollten wir uns überall da, wo es möglich ist, nicht entgehen lassen.

Es passiert also eine ganze Menge im Land. Wir brauchen keinen zusätzlichen Fördertopf. Man kann sich immer darüber streiten, ob man mehr Geld ausgeben soll als bisher, okay. Aber da ist schon eine ganze Menge unterwegs von all denen, die dafür zuständig sind. Sie merken: Wir sind dran. Wir schauen nicht auf Bahnhöfen verträumt auf irgendwelche Lokomotiven, sondern wir handeln.

Trotzdem spricht nichts dagegen, diesen Antrag auch im Ausschuss ausgiebig zu beraten. Ich bin sehr interessiert, an diesen Beratungen teilzunehmen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Ende der Aussprache zu Tagesordnungspunkt 12.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung dieses Antrages Drucksache 17/2547 an den Verkehrsausschuss. Die abschließende Abstimmung wird dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? – Das ist auch nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen.

Ich rufe auf:

13 Gesetz zur Änderung des Polizeiorganisationsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2114

Beschlussempfehlung
des Innenausschusses
Drucksache 17/2477

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und danke Herrn Kollegen Golland, dass er bereits hier steht. Er hat jetzt auch das Wort.

Gregor Golland (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die allgemeine polizeiliche Gefahrenabwehr obliegt nach der föderalen Ordnung des Grundgesetzes den Ländern. Sie besitzen für diese Aufgabe sowohl die Gesetzgebungs- als auch die Verwaltungskompetenz, die sogenannte Polizeihoheit der Länder.

Die Regelungen der Zuständigkeiten und Befugnisse im Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr unterliegen demnach der alleinigen gesetzgeberischen Entscheidung der Länder. Durch bundesgesetzliche Regelung kann eine bundeseinheitliche Eilzuständigkeit der Zollbeamten im Aufgabenbereich der Länder daher nicht begründet werden. Entsprechende Regelungen in den Landespolizeigesetzen sind bislang nur in sieben Bundesländern getroffen worden. Es ist daher im Interesse des Bundesfinanzministeriums, dass auch die übrigen Bundesländer solche Regelungen für die Zollbediensteten schaffen.

Inhaltlich stellt sich die Thematik wie folgt dar: Im Rahmen von Eilzuständigkeiten können Zollbedienstete des Bundes Maßnahmen der Gefahrenabwehr treffen. Das Zollverwaltungsgesetz enthält hierzu eine Öffnungsklausel, auf die sich die Landesgesetzgeber berufen können, um eigene Landesregelungen für entsprechende Eilzuständigkeiten zu schaffen. Denn nach dem Zollverwaltungsgesetz dürfen Zollvollzugsbedienstete in Eilfällen polizeiliche Amtshandlungen vornehmen.

Der Grund für die Notwendigkeit dieser Regelung ergibt sich aus der Tatsache, dass Zollbedienstete immer wieder in Situationen geraten, in denen ein unmittelbares polizeiliches Handeln geboten erscheint. Bislang dürfen sie laut Gesetzeslage in NRW aber nicht handeln, sondern sie müssen ihre Kollegen von der Polizei hinzurufen. Durch die Änderung des Gesetzes wird mit der Erweiterung der Ermächtigungsgrundlage nunmehr eine Steigerung der Effektivität der inneren Sicherheit erreicht.

Diese Ermächtigungsgrundlage greift zugunsten einer Eilzuständigkeit von Zollbediensteten in den Vollzugsbereichen der Zollverwaltung des Bundes.

(Heftige Regen- und Hagelschauer prasseln auf das Dach des Plenarsaals. – Zurufe: Lauter! Man versteht nichts mehr!)

– Ich versuche gerade, gegen diesen Sturm anzusprechen, aber es fällt mir nicht leicht. Zum Glück ist es ja hier unten ruhig.

(Zuruf von der SPD: Da kriegen Sie auch mal tosenden Applaus! – Weitere Zurufe)

Damit wird eine Forderung des Koalitionsvertrages umgesetzt, der sich für eine Verstärkung der Zusammenarbeit der Landespolizei, der Bundespolizei und des Zolls ausspricht. Auch mit Blick auf die angrenzenden Bundesländer sowie die Nachbarstaaten Belgien und Niederlande und die grenzüberschreitende Kriminalität ist die Einführung der Eilzuständigkeit der Zollbediensteten nicht nur erforderlich, sondern auch dringend geboten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

– Danke schön. – Diese Regelung ist vor dem Hintergrund sämtlicher aktueller sicherheitspolitischer Diskussionen und der politisch allgemein anerkannten Notwendigkeit der verstärkten Zusammenarbeit aller Sicherheitsbehörden der notwendige Schritt in die richtige Richtung.

(Die Niederschläge lassen nach. – Zuruf: Sie brauchen jetzt nicht mehr so zu schreien!)

Warum dies unter Rot-Grün nicht längst umgesetzt worden ist, bleibt rätselhaft und ist ein weiterer Beweis für das sicherheitspolitische Versagen der abgewählten Landesregierung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit dieser im Grunde einfachen Maßnahme und kleinen gesetzlichen Änderungen gibt die neue Nordrhein-Westfalen-Koalition unseren Sicherheitsbehörden erneut mehr Kompetenzen und Möglichkeiten, die Sicherheit zu verbessern.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Das sind nicht unsere Behörden, das ist eine Bundesbehörde!)

Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft begrüßt dies ausdrücklich.

Auch dieses Gesetz ist damit ein Bestandteil unserer sicherheitspolitischen Wende in Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Golland. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kapteinat jetzt das Wort.

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Ich mache es heute kurz: Wir werden der Änderung des Polizeiorganisationsgesetzes zustimmen.

Die Regelung verschafft den Zollbeamten Rechtssicherheit, und das ist uns wichtig. Sie löst darüber hinaus eine Schnittstellenproblematik zwischen Bund und Land. In Eilfällen können künftig landesrechtliche Bestimmungen für diesen Personenkreis gelten. Das halten wir für sinnvoll.

Die bisherige Problematik mit dem Zuständigkeits-Hickhack ist dem einzelnen Bürger nicht zu erklären. Daher werden wir zustimmen. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der SPD, der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lürbke.

Marc Lürbke*) (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wichtig der NRW-Koalition das Thema „innere Sicherheit“ ist, zeigen wir bereits seit Beginn der Legislaturperiode: mehr Unterstützung für unsere Polizeibeamtinnen und -beamten, eine bessere, modernere Ausstattung und vor allem mehr Personal.

In weniger als zwölf Minuten haben wir mit der Einstellung zusätzlicher Polizisten, aber auch mit der Einstellung zusätzlicher Regierungsbeschäftiger schon wesentliche Maßnahmen auf den Weg gebracht und holen auf diese Weise die langjährigen Versäumnisse von Rot-Grün so schnell wie möglich auf.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir haben den Neustart in der inneren Sicherheit nicht nur versprochen, sondern wir halten ihn auch. Insofern passt auch die Änderung im Polizeiorganisationsgesetz konsequent zu diesem Neustart. Indem wir es Zollvollzugsbediensteten erlauben, in Eilfällen auch polizeiliche Amtshandlungen vorzunehmen, schließen wir eine bestehende Lücke.

Denn wenn gut ausgebildete Zollbeamte in Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer Zollkontrolle beispielsweise auf einen offensichtlich betrunkenen Autofahrer treffen oder auf einen gesuchten Straftäter stoßen, sind ihnen bisher weitestgehend die Hände gebunden. Im Zweifel kann der Betrunkene nicht an der Weiterfahrt gehindert werden; der gesuchte Straftäter muss laufen gelassen werden.

Es ist schwer zu vermitteln, dass gut ausgebildete Vollzugsbeamte bei ihrer täglichen Arbeit nur auf Jedermannrechte zurückgreifen dürfen, wenn sie im Ernstfall einen Kriminellen stellen oder bei Körperverletzungen einschreiten wollen. Das ist nicht nur schwer zu erklären, meine Damen und Herren, das ist auch gefährlich – vor allem im Hinblick auf die Eigensicherung der Zollbeamten.

Es ist zudem ein Bärendienst für den Rechtsstaat, wenn Vollzugsbeamte, die in der öffentlichen Wahrnehmung gar nicht von Polizeivollzugsbeamten des Landes unterschieden werden, so agieren müssen. Das ist nicht nur schlecht, das ist auch ein völlig falsches Signal, dass unsere Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen Recht und Gesetz womöglich nicht konsequent durchsetzen würden. Dem wollen als NRW-Koalition entschieden entgegentreten. Deswegen befürworten wir die vorgesehene Änderung ausdrücklich.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich freue mich natürlich darüber, meine Damen und Herren, dass das nun auch die SPD tut. Zustimmung ist schon ein Schritt weiter als im Innenausschuss, in dem sie sich noch enthalten haben. Ich freue mich, wenn die Grünen das auch noch machen, dann haben wir ein ganz deutliches Signal. Ich denke, dies ist in der Summe ein gutes Beispiel, wie man mit einer kleinen Veränderung zu deutlich mehr Sicherheit kommen kann. Das sollten wir machen, und das werden wir auch machen. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Schäffer das Wort.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Golland, das ist schlecht recherchiert. Es ist nicht an Rot-Grün gescheitert. Auch die FDP hat damals – 2013 – gegen den Gesetzentwurf der CDU gestimmt. Das sollte man vielleicht der Vollständigkeit halber erwähnen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Lürbke, so war es doch damals.

Das andere ist: Wir reden hier nicht über unsere Sicherheitsbehörden, sondern immerhin über eine Bundesbehörde, den Zoll, der dem Bundesfinanzministerium untersteht. Das sollte man eigentlich wissen, wenn man Innenpolitik macht. Insofern muss ich Sie da leider ein Stück weit korrigieren, Herr Golland.

Ich muss aber auch ehrlicherweise sagen, dass mich der Gesetzentwurf nach wie vor nicht komplett überzeugt. Ich habe mir noch mal meine Rede aus dem Jahr 2013 herausgesucht. Damals hatte ich mir die verschiedenen Kleinen Anfragen zu diesem Thema angeschaut. Über einen Zeitraum von fast vier Jahren wurde abgefragt – von 2008, als in Bayern Eilbefugnisse eingeführt wurden, bis 2011 –, wie oft Zollbeamte auf diese Eilbefugnisse nach dem Landespolizeigesetz zugegriffen haben. Das war kein einziges Mal der Fall.

Insofern überzeugt es mich, ehrlich gesagt, nach wie vor nicht wirklich. Aber ich sehe auch, dass wir gerade in der Innenpolitik über ein paar andere große Baustellen – ziemlich große Umwälzungsprozesse, große Linien – zu diskutieren haben.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Insofern muss ich sagen: Auch wenn ich nicht komplett überzeugt bin, werden wir Grüne uns gleich mit voller Überzeugung enthalten.

(Zuruf von der CDU)

Insofern werden wir nicht viel tun, um das Gesetz aufzuhalten.

Ich bin gespannt – das werden wir in den nächsten Jahren sehen –, wie oft die Eilbefugnisse nach dem Landespolizeigesetz durch Zollbeamte angewandt werden. Vielleicht können wir in ein paar Jahren weiterdiskutieren. Ich freue mich dann auf jeden Fall auf die Diskussion. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Röckemann das Wort.

Thomas Röckemann (AfD): Es freut uns stets, wenn die alten Parteien zur Einsicht kommen. Nur bei der Erkenntnis hapert es schon sehr. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Polizeiorganisationsgesetz soll also unter anderem dahin gehend erweitert werden, dass die Bediensteten der Zollverwaltung im Vollzugsbereich mit Eilzuständigkeiten ausgestattet werden.

Mir kam dieser Vorschlag bekannt vor. Ich nahm also das AfD-Parteiprogramm für die Landtagswahl zur Hand, und, siehe da, unter Punkt 14.08 forderten wir die Eilzuständigkeit für die Zollbediensteten. – Bravo, liebe Landesregierung, auch ein blindes Huhn findet gelegentlich ein Korn.

Aber leider haben Sie auch hier zu kurz gedacht. Fest steht, die Polizei ist nicht mehr in der Lage, die Sicherheit vollumfänglich zu gewährleisten. Inzwischen gibt es in NRW rechtsfreie Räume und Parallelgesellschaften. Eine Ursache ist natürlich die Sparpolitik sämtlicher alten Parteien in den letzten Jahrzehnten bei der Landespolizei. Die haben wir angeprangert. Sie haben reagiert und Mittel für mehr Personal und Ausrüstung bewilligt.

Nun erkennen Sie, dass das längst nicht ausreicht. Sie wollen jetzt den Zoll mit ins Boot nehmen, damit dieser polizeiliche Aufgaben übernimmt. Aber auch das ist zu kurz gedacht. An die Hauptproblematik haben Sie sich gar nicht herangetraut. Da hätten Sie unser Wahlprogramm besser lesen sollen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Herr Abgeordneter Röckemann, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Yüksel von der SPD-Fraktion würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Thomas Röckemann (AfD): Ich würde gern darauf verzichten.

Unter Punkt 6.02 unseres Wahlprogramms steht ganz eindeutig, dass die AfD die Zuwanderung regulieren und reduzieren will. Das macht Sinn. Viel mehr Ausländer bedeuten nämlich viel mehr Arbeit, insbesondere für die Polizei. Ihr Änderungsvorschlag, unsere Idee, macht nämlich nur im Gesamtpaket Sinn. Was passiert denn, wenn Sie unseren Vorschlag umsetzen, ohne sich gleichzeitig um den Stopp der unkontrollierten Zuwanderung und um die Abschiebung von Zehntausenden Nichtberechtigter zu kümmern?

Ich sage es Ihnen: Es wird zunächst noch mehr Arbeit auf Polizei und Zoll zukommen. Wenn der Zoll zusätzlich Aufgaben der Polizei übernimmt, kann er sich seinen Aufgaben nicht mehr in gewohntem Umfang widmen. Das dürfte einleuchten. Gingen Sie eigentlich davon aus, dass die Zollbeamten bislang nur auf der faulen Haut gelegen haben und nun gierig darauf warten, von Ihnen aus dem Dornröschenschlaf geweckt zu werden?

Dem ist ganz bestimmt nicht so. Der Personalfehlbestand beim Zoll beträgt etwa 14 % und damit ungefähr 6.000 Stellen bundesweit. Die damit verbundenen Lasten können bereits jetzt nicht mehr von den vorhandenen Kräften getragen werden. Und trotzdem sollen die Kollegen des Zolls noch mehr arbeiten und noch mehr Überstunden aufbauen. Darunter leidet die Qualität der Arbeit des Zolls.

Wie wollen Sie das ausgleichen? Wer übernimmt die Aufgaben des Zolls, wenn die Zollbediensteten mit der Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben betraut sind? Muss die Landespolizei NRW zum Ausgleich Aufgaben des Zolls übernehmen? Vielleicht planen Sie auch, beide Institutionen zu einer Superbehörde zusammenzuführen – mit der Einschränkung, dort Mitarbeiter zu haben, die alles können, jedoch nichts davon richtig.

Meine Damen und Herren, zudem haben die Väter des Grundgesetzes Deutschland den Föderalismus ins Stammbuch geschrieben; wir haben eben schon davon gehört. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist Landessache, der Zoll hingegen Bundesangelegenheit. Mit Ihrem Antrag betreiben Sie die Auflösung dieses Föderalismus. Da Sie ohnehin einen europäischen Superstaat anstreben, wird Ihnen diese Marginalität möglicherweise versehentlich entgangen sein, oder Sie handeln direkt mit Absicht, jedoch in jedem Fall gegen unsere Verfassung.

Wir als Rechtsstaatspartei

(Lachen von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

stellen uns gegen Ihr Vorhaben, da wir aus der Vergangenheit gelernt haben. Wir wollen keinen Superstaat, wir wollen die Selbstbestimmung der freien Völker in Europa, und wir wollen zurück zu mehr Eigenverantwortung.

Mit Ihrer Flickschusterei befinden Sie sich hier auf dem falschen Weg – und dies auf dem Rücken der Kollegen vom Zoll und der Polizei zulasten des Gemeinwohls. Schenken Sie unserem Volk endlich reinen Wein ein. Dem Michel wird nämlich spätestens dann ein Licht aufgehen, wenn polnische, bulgarische oder gar rumänische Polizei- bzw. Zolleinheiten in Nordrhein-Westfalen für Sicherheit und Ordnung sorgen.

Wir sehen den Beratungen im Ausschuss interessiert entgegen. – Schönen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Röckemann. Sie haben gesehen, dass es eine Kurzintervention gibt. Ich bitte Sie, am Redepult stehen zu bleiben. – Kollege Yüksel, das Mikrofon ist frei.

Serdar Yüksel (SPD): Frau Präsidentin, ganz herzlichen Dank. – Wir sind Vereinfachungen in Ihren Reden in diesem Hause durchaus gewöhnt. Ich erwarte von Ihnen auch gar nicht, Verantwortung für dieses Land, für die Verfassung und die rechtsstaatliche Ordnung zu übernehmen. Sie haben aber in Ihrer Rede wiederholt Behauptungen aufgestellt, die schlichtweg nicht stimmen und hier einfach nicht unkommentiert bleiben dürfen.

Sie sagen, viel mehr Ausländer machten der Polizei viel mehr Arbeit. Sie sprechen davon, dass es in Nordrhein-Westfalen rechtsfreie Räume gebe, die von der Polizei nicht mehr beherrscht werden könnten. Sie machen den Leuten Angst und verunsichern sie in einer plumpen Art und Weise, die auch eines Abgeordneten des nordrhein-westfälischen Landtages nicht angemessen ist.

Man kann in diesem Hohen Hause ruhig einer anderen Meinung sein. Wir können hier auch wirklich sehr differenziert und sehr strittig miteinander diskutieren. Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich sehr für eine lebhafte Diskussionskultur bin.

Aber wenn Sie anfangen, in diesem Land Menschen verächtlich zu machen, Menschen gegeneinander auszuspielen in „die da“ und „wir“ und Menschen schlechte Eigenschaften zuschreiben, weil sie eine bestimmte … – Ich habe auch einen Migrationshintergrund und sitze hier im nordrhein-westfälischen Landtag. So differenziert ist nämlich unsere Gesellschaft. Solch ein Selbstverständnis haben wir in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Wenn jemand der Polizei in Nordrhein-Westfalen mehr Arbeit macht, sind es die Rechtsbrecher in Ihren eigenen Reihen, die mit Volksverhetzung auf sich aufmerksam machen.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Abgeordneter Röckemann, Sie haben jetzt ebenfalls 90 Sekunden Zeit, zu antworten, wenn Sie möchten.

Thomas Röckemann (AfD): Schönen Dank. – Natürlich geht die Kurzintervention völlig am Thema vorbei. Sie versuchen zu suggerieren, wir würden hier hetzen.

(Zuruf von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

Wenn Sie meiner Rede richtig gefolgt wären, hätten Sie herausgefunden, dass das nicht der Fall ist. Es geht hier alleine darum, dass Polizei und Zoll genug zu tun haben. Es gibt zu wenig Polizei und zu wenig Zoll. Sie haben zu viele Überstunden. Wir versuchen eben, das Problem aufzuzeigen, Lösungen aufzuzeigen. Das ist die Aufgabe der Opposition. Das wäre eigentlich auch Ihre Aufgabe als Opposition.

Stattdessen heben Sie Ihren Migrationshintergrund heraus. Der spielt jedoch überhaupt gar keine Rolle. Wir haben nichts gegen gut integrierte, gut eingebürgerte Ausländer in Deutschland. Damit haben wir gar kein Problem. Es sind diejenigen, die von außen eindringen und uns mehr Arbeit bescheren. Darauf reagieren Sie einfach nicht. Die Regierung reagiert nicht. Die Opposition macht ihre Arbeit auch nicht. Wir sind hier die einzige Opposition, die das so zeigt. – Schönen Dank.

(Beifall von der AfD – Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Abgeordneter Röckemann. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Reul das Wort.

Herbert Reul, Minister des Innern: Meine Damen und Herren! Drei Anmerkungen:

Erstens. Ich habe den Eindruck, nicht die Kurzintervention ging am Thema vorbei, sondern die letzte Rede.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Zweitens. Dieses Gesetz wird die Möglichkeit geben, dass Zollbedienstete des Bundes in Nordrhein-Westfalen unsere Polizei im Eilfall unterstützen. Das ist ein Fortschritt für mehr Sicherheit. Es ist ein weiterer Baustein und nicht das Allheilmittel, damit das klar ist.

Drittens. Ich bedanke mich sehr, dass eine so große Mehrheit im Parlament das unterstützt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Das war zu diesem Tagesordnungspunkt die letzte Wortmeldung. Damit kann ich die Aussprache schließen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 17/2114. Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache 17/2477, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2114 unverändert anzunehmen. Deshalb kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer also dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP, SPD, AfD und die beiden anwesenden fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer möchte sich enthalten? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Gesetzentwurf Drucksache 17/2114 in zweiter Lesung angenommen und verabschiedet worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13 und rufe auf:

14 Gesetz zur Änderung des EA-Gesetzes NRW

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2410

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Wirtschaft, Energie und Landesplanung
Drucksache 17/2542

zweite Lesung

Alle Fraktionen haben sich inzwischen darauf verständigt, entgegen der ursprünglichen Planung keine Aussprache durchzuführen, sondern die Reden heute zu Protokoll zu geben.

Deshalb können wir unmittelbar zur Abstimmung kommen über den Gesetzentwurf Drucksache 17/2410. Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung empfiehlt in der Drucksache 17/2542, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Damit kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst und nicht etwa über die Beschlussempfehlung.

Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die AfD und die beiden anwesenden fraktionslosen Abgeordneten. Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/2410 in zweiter Lesung einstimmig angenommen und verabschiedet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 14 und rufe auf:

15 Gesetz zur Anpassung des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen und des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2576

erste Lesung

Zur Einbringung erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Reul das Wort.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da Sie mit breiter Mehrheit dem Gesetz der Landesregierung zum Thema Polizei zugestimmt haben, finde ich, dass ich meine Rede zu Protokoll geben sollte – als Dankeschön.

(Beifall von der CDU – Norbert Römer [SPD]: Guter Redenschreiber!)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. Aber man kann Reden auch einfach nur so zu Protokoll geben; man muss sich nicht zusätzlich damit für bereits erfolgte Abstimmungen bedanken. Wir nehmen die Rede entgegen, keine Frage.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 17/2576 an den Innenausschuss. Darf ich davon ausgehen, dass niemand gegen diese Überweisung stimmen möchte? – Das ist der Fall. Enthaltungen – sehe ich auch nicht. Damit haben wir so überwiesen, und der Fachausschuss wird sich weiter damit beschäftigen.

Ich rufe auf:

16 Mitteilung nach § 15 des Abgeordnetengesetzes NRW

Unterrichtung
durch den Präsidenten
des Landtags
Drucksache 17/2592

Der Präsident hat in der vorgenannten Drucksache die Daten zur Ermittlung eines Anpassungsbedarfs der Abgeordnetenbezüge veröffentlicht. Die Daten sind damit dem Landtag zugeleitet worden.

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.

Deshalb darf ich an dieser Stelle feststellen: Der Landtag hat sich mit der Unterrichtung Drucksache 17/2592 befasst. – Das ist so.

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 16 und rufe auf:

17 Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Beirats der NRW.BANK

Wahlvorschlag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2618

Eine Aussprache ist ebenfalls nicht vorgesehen.

Somit können wir sofort zur Abstimmung über den Wahlvorschlag Drucksache 17/2618 kommen. Wer diesem Wahlvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD, die CDU, die FDP, Bündnis 90/Die Grünen, die AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Auch nicht. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Wahlvorschlag Drucksache 17/2618 angenommen, und Frau Kollegin Lüders ist Mitglied im Parlamentarischen Beirat der NRW.BANK geworden.

Ich rufe auf:

18 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 7
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/2603

Hierzu liegen uns zwölf Anträge, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 an einen Ausschuss zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden, sowie ein Änderungsantrag vor. Sie können das Ganze in der Drucksache 17/2603 nachlesen, ebenso das Abstimmungsverhalten der Fraktionen, das aus der Übersicht ersichtlich wird.

Ich lasse nun abstimmen über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den jeweiligen Ausschüssen entsprechend der Ihnen vorliegenden Übersicht 7. Möchte jemand gegen die Bestätigung stimmen? – Das ist nicht der Fall. Sich enthalten? – Das ist ebenfalls nicht der Fall. Damit sind die in der Drucksache 17/2603 enthaltenen Abstimmungsergebnisse der diversen Ausschüsse von Ihnen einstimmig bestätigt worden.

Ich rufe auf:

19 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/12
gemäß § 97 Abs. 8
der Geschäftsordnung

Gemäß § 97 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung sind die Beschlüsse des Petitionsausschusses mindestens vierteljährlich dem Landtag zur Bestätigung vorzulegen. Ihnen liegen heute mit der Übersicht 12 die Beschlüsse zu verschiedenen Petitionen vor, über deren Bestätigung wir abstimmen.

Eine Aussprache ist ebenfalls nicht vorgesehen.

Wir kommen damit zur Abstimmung. Möchte jemand gegen die Bestätigung stimmen? – Sich enthalten? – Beides ist nicht der Fall, sodass ich auch hier feststellen kann, dass die Beschlüsse des Petitionsausschusses so, wie sie in Übersicht 12 aufgeführt sind, von Ihnen einstimmig bestätigt wurden.

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung und somit auch des Plenartages angekommen. Ich darf die Sitzung beenden.

Ich berufe das Plenum für morgen, Donnerstag, 17. Mai 2018, 10 Uhr, wieder ein.

Ich wünsche einen angenehmen Abend, auch beim Besuch des gerade stattfindenden Parlamentarischen Abends, und alles Gute.

Schluss: 20:05 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

     Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 

Anlage 1

Zu TOP 14 – „Gesetz zur Änderung des EA-Gesetzes NRW – zu Protokoll gegebene Reden

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie:

In zweiter Lesung liegt heute der Gesetzentwurf zur Änderung des EA-Gesetzes zur Beschlussfassung vor. Der Wirtschaftsausschuss hatte sich in seiner Sitzung am 26. April 2018 mit dem Gesetzentwurf befasst. Kurz zum Hintergrund:

Die EU-Dienstleistungs- sowie Berufsanerkennungsrichtlinie schreiben in den EU-Mitglieds-ländern einen Einheitlichen Ansprechpartner für Dienstleister und Fachkräfte in allen Fragen und Verwaltungsverfahren der Dienstleistungswirtschaft und Berufsanerkennung vor. Die Bezirksregierung Detmold ist seit dem 1. Januar 2016 zentraler Einheitlicher Ansprechpartner in Nordrhein-Westfalen mit einem modernen EA-Inter-netportal – www.nrw-ea.de. Hierüber werden für Dienstleister und Fachkräfte aus dem In- und Ausland durchgehend elektronisch Verwaltungsverfahren koordiniert.

Da beim zentralen Einheitlichen Ansprechpartner in Nordrhein-Westfalen personenbezogene Daten verarbeitet werden, ist eine Anpassung des Gesetzes an die Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bis zum 25. Mai 2018 erforderlich. Bei den vorgenommenen Änderungen handelt es sich lediglich um die Anpassung datenschutzspezifischer Begrifflichkeiten und Termini sowie die Einhaltung des Wiederholungsverbots. Darüber hinausgehende inhaltliche Änderungen wurden nicht vorgenommen.

Anke Fuchs-Dreisbach (CDU):

Bei dem uns vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Gesetzes zur Bildung Einheitlicher Ansprechpartner in Nordrhein-Westfalen (EA-Gesetz NRW) wurden lediglich Anpassungen datenschutzspezifischer Begrifflichkeiten und die Einhaltung des Wiederholungsverbots vorgenommen.

Dies war notwendig, da beim zentralen „Einheitlichen Ansprechpartner“ in NRW personenbezogene Daten verarbeitet werden und eine Anpassung des EA-Gesetzes NRW an die Vorgaben der EU-Datenschutz-Grundverordnung bis zum 25. Mai 2018 umgesetzt werden müssen.

Ich darf kurz noch einmal hervorrufen, worum es in dem EA-Gesetz inhaltlich geht und welche Bedeutung dem „Einheitlichen Ansprechpartner“ in Nordrhein-Westfalen zukommt:

Mit dem Gesetz zur Bildung Einheitlicher Ansprechpartner in Nordrhein-Westfalen wurden die EU-Dienstleistungsrichtlinie und die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie in nationales Recht in Nordrhein-Westfalen umgesetzt.

Zu den vielen Vereinfachungen dieser Richtlinie gehörte unter anderem die Einrichtung von „Einheitlichen Ansprechpartnern“ (EA).

„Einheitliche Ansprechpartner“ verstehen sich als „digitale Behördenlotsen“ für Dienstleister und Fachkräfte. Sie unterstützten in- und ausländische Dienstleister beispielsweise bei der Unternehmensgründung oder einer grenzüberschreitenden Tätigkeit.

Gleichzeitig hilft der EA bei Fragen rund um die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen.

„Einheitliche Ansprechpartner“ wickeln sämtliche Schritte aus einer Hand ab, die für die Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit im jeweiligen EU-Ausland erforderlich sind.

Im Mittelpunkt stehen also die Förderung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung sowie der Abbau von bürokratischen Hindernissen und zwischenstaatlichen Hemmnissen.

Mit den vorliegenden Änderungen am EA-Gesetz haben wir uns bereits am 26. April 2018 im Rahmen einer Sondersitzung im federführend zuständigen Wirtschaftsausschuss beschäftigt, da der Zeitablauf dies erforderlich gemacht hat.

Ich freue mich daher umso mehr, dass der Gesetzentwurf zur Änderung des EA-Gesetzes NRW der Landesregierung im Ausschuss einstimmig auf Zustimmung gestoßen ist.

An dieser Stelle möchte ich auch noch einmal der Landesregierung für den schnellen Vollzug der notwendig gewordenen Rechtsumsetzung danken.

Gerade vor dem Hintergrund, dass die EU-Datenschutz-Grundverordnung Ende Mai in Kraft tritt, wäre es daher sehr von Vorteil, wenn auch die Regelungen für den „Einheitlichen Ansprechpartner“ entsprechend angepasst werden könnten.

Aus diesem Grund darf ich Sie, – wie im Wirtschaftsausschuss – um Ihre Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf bitten.

Frank Sundermann (SPD):

Der hier vorliegende Gesetzentwurf enthält notwendige redaktionelle und begriffliche Anpassungen, die sich für uns als Landesgesetzgeber aus der Datenschutz-Grundverordnung der EU, die im Mai 2018 in Kraft tritt, ergeben. Wir unterstützen die rasche Anpassung des geltenden Rechts und haben dem auch in einer Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses am 26. April zugestimmt, damit eine möglichst rasche Umsetzung in Landesrecht erfolgt.

Ralph Bombis (FDP):

Wir debattieren hier heute in zweiter Lesung die Änderung des EA-Gesetzes NRW. Einheitliche Ansprechpartner – so ja die Langform – dienen nach der EU-Dienstleistungsrichtlinie der Vereinfachung und Förderung der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen in der Europäischen Union sowie dem Abbau bürokratischen Aufwands und zwischenstaatlicher Dienstleistungshemmnisse. Dieser Ansatz nützt den Unternehmen in der EU grenzüberschreitend, aber auch bei der Erbringung von Dienstleistungen deutscher Unternehmen im Inland.

Lassen Sie mich daher sagen, dass die FDP-Landtagsfraktion das Instrument des bei der Bezirksregierung Detmold zentralisierten Einheitlichen Ansprechpartners ausdrücklich begrüßt und unterstützt.

Aufgrund der neuen EU-Datenschutz-Grund-verordnung müssen nun einige kleine sprachliche und fachbegriffliche Änderungen am EA-Gesetz vorgenommen werden. Inhaltliche Änderungen sind damit nicht verbunden. Wir haben die Änderungen im Ausschuss beraten, die Fraktionen sind sich in der Bewertung ja auch einig. Meine Fraktion stimmt dem Änderungsgesetz selbstverständlich zu. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.“

Horst Becker (GRÜNE):

Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf handelt es sich laut Auskunft von Minister Pinkwart in der Wirtschaftsausschusssitzung vom 26. April um eine rein technische Anpassung des Gesetzes zur Bildung Einheitlicher Ansprechpartner in NRW. Die Anpassung sei aufgrund der EU-Datenschutz-Grundverordnung erforderlich, es würden nur Begrifflichkeiten angepasst und die Einhaltung des Wiederholungsverbots umgesetzt. Da keine weiteren inhaltlichen Änderungen an dem Gesetz vorgenommen werden, können wir GRÜNE dem heute so zustimmen.

Christian Loose (AfD):

Die Dienstleistungsfreiheit – als eine der vier Grundfreiheiten des Europäischen Binnenmarktes – ist eine Errungenschaft, hinter der auch die Alternative für Deutschland voll und ganz steht. Die Europäische Dienstleistungsrichtlinie, die 2009 von den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt wurde, beinhaltet auch die Schaffung sogenannter Einheitlicher Ansprechpartner in allen EU-Mit-gliedsstaaten.

Bis Ende 2017 gab es jedoch eine Zersplitterung auf ca. 200 Ansprechpartner in Deutschland. Der EU-Bürger konnte dieses undurchsichtige Geflecht nicht mehr durchschauen, und die Inanspruchnahme der Einheitlichen Ansprechpartner blieb weit hinter den Erwartungen zurück.

Mit der Ende 2017 abgeschlossenen Reform der Einheitlichen Ansprechpartner (EA) wurden diese erst arbeitsfähig gemacht. Die Zersplitterung wurde endlich aufgehoben, der gebündelte Vertrieb von Verwaltungsdienstleistungen wurde optimiert und wichtige geschäftsrelevante Onlineverfahren anderer Institutionen wurden bereitgestellt.

Die jetzt im Gesetzesentwurf formulierten Änderungen stehen im Kontext der ab 25.05.2018 geltenden Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Laut der Landesregierung werden nur sprachliche Änderungen im EA-Gesetz NRW beantragt, denen die AfD Fraktion zustimmen wird.

Jedoch ist zu befürchten, dass sich die DSGVO leider deutlich negativ auf die Arbeitsfähigkeit der Einheitlichen Ansprechpartner auswirken wird. Viele Ablaufprozesse innerhalb der EA-Portale, von Interessentenanfragen angefangen über Dokumentenaustausch oder behördliche Informationswege werden durch diverse DSGVO-bedingte datenschutzrechtliche Restriktionen und rechtliche Unsicherheiten im Umgang mit der DSGVO verkompliziert werden.

Hier wünschen wir der Landesregierung die Sensibilität und Tatkraft, auf diese kommenden Probleme schnellstmöglich und angemessen zu reagieren.

Lassen Sie die Wirtschaft und die Menschen in Nordrhein-Westfalen nicht wieder im Regen stehen, sondern gehen Sie hier die notwendigen Reformen des DSGVO schnellstmöglich an.

 

Anlage 2

Zu TOP 15 – „Gesetz zur Anpassung des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen und des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden – zu Protokoll gegebene Rede

Herbert Reul, Minister des Innern:

Vorhin sprachen wir ja schon über den Gesetzesentwurf zum neuen Landesdatenschutzgesetz.

Und vor einigen Wochen habe ich Ihnen den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen vorgestellt.

Heute möchte ich Ihnen einen weiteren Gesetzesentwurf präsentieren. Einen, der in gewisser Weise eine „Brücke“ zwischen den beiden gerade genannten Gesetzesentwürfen darstellt.

In Ergänzung zu den geplanten neuen Handlungsbefugnissen für die Polizei sollen hiermit wichtige Pflichten aus dem Datenschutz umgesetzt werden.

Aus der Konsequenz der Datenschutzreform muss nun der polizeiliche Datenschutz an das neue Landesdatenschutzgesetz angepasst werden. Dies wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umgesetzt.

Auch das Ordnungsbehördengesetz muss angepasst werden, da § 24 OBG auf das Polizeigesetz verweist.

Damit hat es aber nicht sein Bewenden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum BKA-Gesetz wichtige allgemeine Aussagen zum polizeilichen Datenschutz getroffen.

Die gemeinsame Umsetzung der EU-Vorgaben und der Datenschutzgrundsätze des BVerfG ist notwendig.

Die weiteren Vorgaben des BVerfG in Bezug auf die einzelnen Eingriffsbefugnisse werden demgegenüber in einer separaten Novelle eingebracht.

Die neue Rechtslage ermöglicht es jedem Polizeibeamten, schnell und gezielt beurteilen zu können, was bei der Datenverarbeitung zu berücksichtigen ist. Und das trotz der mittlerweile detailreichen Vorgaben im Bereich des polizeilichen Datenschutzes.

Ein paar ausgewählte Punkte möchte ich hervorheben.

Diese sind:

     Umsetzung der Vorgaben für zweckändernde Nutzungen von Daten, der sog. „hypothetischen Datenneuerhebung“,

     Einführung einer zentralen Vorschrift zur Benachrichtigung der Betroffenen über verdeckte und eingriffsintensive Maßnahmen,

     Einführung einer umfassenden sog. Protokollierungspflicht (wer hat wann welche Daten erhoben) für verdeckte und eingriffsintensive Maßnahmen,

     Einführung einer umfassenden Berichtspflicht gegenüber dem Landtag ebenfalls über verdeckte und eingriffsintensive Maßnahmen.

Ziel des Gesetzentwurf war es, die Themen Polizei und Datenschutz in Einklang zu bringen.

Jeder Seite gerecht zu werden und nachvollziehbar und verständlich für die Rechtsanwender zu sein, ist uns, denke ich, gelungen.

Die Umsetzung der EU-Datenschutzreform und der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts führen in weiten Teilen zu mehr Datenschutz bei der polizeilichen Datenverarbeitung.

Gleichzeitig wird mit dem Entwurf die Polizeiarbeit nicht übermäßig beschränkt, sondern der Polizei ein praxistaugliches Regelwerk an die Hand gegeben.