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Landtag

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Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/25

17. Wahlperiode

26.04.2018

 

25. Sitzung

Düsseldorf, Donnerstag, 26. April 2018

Mitteilungen des Präsidenten. 5

1   Hat Ministerin Schulze Föcking den Landtag getäuscht?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2456

In Verbindung mit:

Auflösung der Stabsstelle für Umwelt-
kriminalität – Verstößt Ministerin Schulze
Föcking gegen den Geist des Parlaments?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2457. 5

Monika Düker (GRÜNE) 5

Helmut Seifen (AfD) 7

Nichtförmliche Rüge  
des Abgeordneten Dr. Christian Blex. 8

Thorsten Schick (CDU) 9

André Stinka (SPD) 10

Markus Diekhoff (FDP) 12

Marcus Pretzell (fraktionslos) 13

Ministerin Christina Schulze Föcking. 14

Christian Dahm (SPD) 16

Josef Hovenjürgen (CDU) 18

Norwich Rüße (GRÜNE) 19

Henning Höne (FDP) 21

Markus Wagner (AfD) 22

André Stinka (SPD) 23

2   Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen – Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2351

erste Lesung. 24

Minister Herbert Reul 24

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU) 25

Hartmut Ganzke (SPD) 27

Marc Lürbke (FDP) 28

Verena Schäffer (GRÜNE) 29

Thomas Röckemann (AfD) 31

Minister Herbert Reul 33

Ergebnis. 33

3   Einsetzung einer Enquetekommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen“

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2405 – Neudruck. 33

Dietmar Bell (SPD) 33

Marco Schmitz (CDU) 34

Markus Diekhoff (FDP) 35

Horst Becker (GRÜNE) 36

Sven Werner Tritschler (AfD) 37

Minister Karl-Josef Laumann. 37

Ergebnis. 38

4   Freiheit, Recht und Verantwortung im digitalen Zeitalter sichern – Konsequenzen aus dem Facebook-Datenskandal ziehen!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2390. 38

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE) 38

Dr. Jörg Geerlings (CDU) 39

Dr. Nadja Büteführ (SPD) 40

Marcel Hafke (FDP) 41

Sven Werner Tritschler (AfD) 42

Marcus Pretzell (fraktionslos) 43

Minister Herbert Reul 44

Ergebnis. 44

5   Kinderbetreuung – echte Wahlfreiheit für Eltern durch Einführung eines alternativen Elterngeldes

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2396. 44

Iris Dworeck-Danielowski (AfD) 44

Katharina Gebauer (CDU) 45

Dr. Nadja Büteführ (SPD) 47

Jörn Freynick (FDP) 49

Josefine Paul (GRÜNE) 49

Minister Dr. Joachim Stamp. 50

Ergebnis. 50

6   Praxiserfahrung von Feuerwehrangehörigen stärken – dezentrale Übungsgelände bereitstellen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2398. 50

Thomas Schnelle (CDU) 50

Dr. Werner Pfeil (FDP) 51

Sonja Bongers (SPD) 52

Verena Schäffer (GRÜNE) 53

Roger Beckamp (AfD) 54

Minister Herbert Reul 54

Ergebnis. 54

7   Sicherheit von Großveranstaltungen gewährleisten – Landesregierung muss Veranstaltungsgesetz vorlegen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2406. 55

Christina Weng (SPD) 55

Daniel Sieveke (CDU) 55

Alexander Brockmeier (FDP) 56

Verena Schäffer (GRÜNE) 57

Markus Wagner (AfD) 58

Minister Herbert Reul 59

Ergebnis. 59

8   Keine Entscheidung über eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung für den Flughafen Köln/Bonn vor Abschluss des laufenden Planfeststellungsverfahrens!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2387. 59

Horst Becker (GRÜNE) 60

Olaf Lehne (CDU) 60

Susana Dos Santos Herrmann (SPD) 61

Bodo Middeldorf (FDP) 63

Nic Peter Vogel (AfD) 64

Minister Hendrik Wüst 64

Horst Becker (GRÜNE) 65

Ergebnis. 66

9   Keine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Ahmadiyya Muslim Jamaat-Gemeinde in Nordrhein-Westfalen

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2392. 67

Ergebnis. 67

10 „Dritte Orte“ – Pilotprojekte für kulturelle Aktivitäten erarbeiten

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2402

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2467. 67

Bernd Petelkau (CDU) 67

Lorenz Deutsch (FDP) 68

Andreas Bialas (SPD) 68

Oliver Keymis (GRÜNE) 70

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 71

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 71

Ergebnis. 72

11 Nordrhein-Westfalen kooperiert im Gesundheitsbereich mit Partnerland Ghana

Antrag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2400. 72

Josef Neumann (SPD) 72

Oliver Krauß (CDU) 73

Thomas Nückel (FDP) 74

Berivan Aymaz (GRÜNE) 75

Dr. Martin Vincentz (AfD) 76

Minister Herbert Reul 77

Ergebnis. 77

12 Die Kosten der Umweltregulierung und GAP-Bürokratie – ein Wettbewerbsnachteil für deutsche Landwirte

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2395. 78

Dr. Christian Blex (AfD) 78

Nichtförmliche Rüge  
des Abgeordneten Dr. Christian Blex
s. nach Abstimmung über TOP 15. 78

Bianca Winkelmann (CDU) 79

Annette Watermann-Krass (SPD) 79

Markus Diekhoff (FDP) 80

Norwich Rüße (GRÜNE) 81

Ministerin Ina Scharrenbach. 81

Ergebnis. 82

13 Kommunale Theater und Orchester in Nordrhein-Westfalen sowie die freie Szene stärken – Weiterentwicklung von Strukturen ermöglichen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/524

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Kultur und Medien
Drucksache 17/2384. 83

Bernd Petelkau (CDU) 83

Andreas Bialas (SPD) 83

Lorenz Deutsch (FDP) 84

Oliver Keymis (GRÜNE) 85

Gabriele Walger-Demolsky (AfD) 86

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 87

Ergebnis. 89

14 Gesetz zur Umsetzung des bereichsspezifischen Datenschutzes im Bereich der Justiz (Justizdatenschutz-Anpassungsgesetz – JustDSAnpG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2350 – Neudruck

erste Lesung. 89

Minister Herbert Reul 89

Ergebnis. 90

15 Rechtssicherheit im Klimaschutz wiederherstellen und nordrhein-westfälische Unternehmen vor unberechtigten Klagen schützen

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/1445

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 17/2117. 90

Oliver Kehrl (CDU) 90

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD) 92

Christian Mangen (FDP) 93

Wibke Brems (GRÜNE) 94

Christian Loose (AfD) 95

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 96

Ergebnis. 96

Nichtförmliche Rüge  
des Abgeordneten Dr. Christian Blex
betreffend TOP 12 dieser Plenarsitzung. 96

16 NRW muss auf Bundesebene Impulsgeber für eine Neuausrichtung der Energieeinsparverordnung werden

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/1112

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen
Drucksache 17/2437

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2474. 97

Jochen Ritter (CDU) 97

Hans-Willi Körfges (SPD) 98

Stephen Paul (FDP) 99

Wibke Brems (GRÜNE) 100

Roger Beckamp (AfD) 101

Ministerin Ina Scharrenbach. 101

Ergebnis. 102

17 Konsultation der Monitoring-Stelle der UN-BRK in NRW zur Weiterentwicklung der Inklusion unmittelbar in der parlamentarischen Arbeit nutzen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2388. 102

Sigrid Beer (GRÜNE) 102

Frank Rock (CDU) 103

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) 104

Stefan Lenzen (FDP) 104

Helmut Seifen (AfD) 105

Minister Karl-Josef Laumann. 106

Sigrid Beer (GRÜNE) 107

Ergebnis. 108

Anlage  109

Namentliche Abstimmung zu TOP 8 – Keine Entscheidung über eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung für den Flughafen Köln/Bonn vor Abschluss des laufen Planfeststellungsverfahrens! – Drucksache 17/2387

Entschuldigt waren:

Minister Peter Biesenbach

Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen      
(ab 18:30 Uhr)

Ministerin Christina Schulze Föcking     
(ab TOP 2)

Angela Erwin (CDU)

Armin Jahl (SPD)

Wolfgang Jörg (SPD)

René Schneider (SPD)

Ina Spanier-Oppermann (SPD)

Arndt Klocke (GRÜNE) 
(ab 18 Uhr)

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE)         
(ab 15:30 Uhr)

Johannes Remmel (GRÜNE)    
(von 12 bis 15:30 Uhr)

Frank Neppe (fraktionslos)

 

 

Beginn: 10:04 Uhr

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich zu unserer heutigen, 25. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir treten in die heutige Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1   Hat Ministerin Schulze Föcking den Landtag getäuscht?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2456

In Verbindung mit:

Auflösung der Stabsstelle für Umwelt-
kriminalität – Verstößt Ministerin Schulze
Föcking gegen den Geist des Parlaments?

Aktuelle Stunde
auf Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2457

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Schreiben vom 18. April 2018 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der gerade genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt. Die Fraktion der AfD hat mit Schreiben vom 23. April 2018 hierzu ebenfalls eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin vonseiten der antragstellenden Fraktion zu Drucksache 17/2456 der Abgeordneten Frau Düker von den Grünen das Wort, bevor anschließend der Vertreter der Antragstellerin zu Drucksache 17/2457, Herr Seifen, für die AfD das Wort erhält. – Frau Düker, bitte.

Monika Düker (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, in der parlamentarischen Auseinandersetzung gelten Regeln für uns. Das möchte ich vorab hier noch einmal sehr deutlich klarstellen.

Für uns als Opposition ist dabei klar, dass der Hackerangriff auf Ihre privaten Geräte zu Hause einen kriminellen Eingriff in Ihre Privatsphäre und damit eine inakzeptable Grenzüberschreitung dargestellt hat. Das haben wir gemeinsam mit SPD, CDU und FDP zum Ausdruck gebracht. Da haben Sie weiter unsere volle Solidarität.

Auf der anderen Seite, Frau Ministerin, gelten in einem Parlament aber auch für die jeweilige Regierung demokratisch verfasste Regeln. Sie beinhalten, dass Sie Ihr Handeln dem Parlament gegenüber transparent und nachvollziehbar erläutern müssen. Und genau das, Frau Ministerin, haben Sie in der Fragestunde gestern einmal mehr nicht getan.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind ausgewichen. Sie haben offensichtliche Widersprüche nicht auflösen können. Sie haben Fragen nicht beantwortet. Sie haben darüber hinaus Nebelkerzen geworfen und Unterstellungen in den Raum gestellt.

Ich will diese Fragestellung heute an drei Punkten deutlich machen.

Erstens. Womit war die Stabsstelle eigentlich beschäftigt? In der Fragestunde am 21. März 2018 fragte das auch der Kollege Deppe. Ihn interessierte das auch. Er fragte zu den Verfahren in Sachen Envio und Shell nach der Beteiligung der Stabsstelle. Wörtlich fragte er, welchen Beitrag die Stabstelle in diesem Fällen geliefert hat.

Sie antworteten zum Teil Envio – genauso klar aus meiner Sicht –:

„Auch für das gesamte weitere Verfahren gab es nach Angaben des LANUV in der gesamten Zeit keine Kontaktaufnahme zur und durch die Stabsstelle Umweltkriminalität.“

Ein paar Wochen später erfuhr man im WDR – nach Aktenstudium durch dessen Mitarbeiter –, dass dies offensichtlich nicht so war. „WESTPOL“ berichtete, dass die Stabsstelle beim Fall Envio in einer Projektgruppe mitgearbeitet hat. Die Staatsanwaltschaft Köln hat – ebenfalls bei „WESTPOL“ – klargemacht, dass eine Stellungnahme der Stabsstelle im Fall Shell letztlich zur Bewertung der Strafbarkeit beigetragen hat.

Solch einen Beitrag, Frau Ministerin, kann man ja schlechterdings –jedenfalls kann ich mir das in meiner Fantasie nicht vorstellen – nicht leisten, wenn es überhaupt keine Kontaktaufnahme gegeben hat.

Auf diesen Widerspruch angesprochen, behaupteten Sie gestern – warum auch immer –, dass Sie eigentlich ja nie bestritten hätten, dass die Stabsstelle selbstverständlich auch Fälle wie Shell und Envio begleitet habe und Einschätzungen abgegeben habe.

Dies, Frau Ministerin, ist allerdings das genaue Gegenteil Ihrer Feststellungen vom 21. März 2018. Ja, Sie haben das bestritten.

Sie sollten heute dann doch einmal offenlegen, wie es zu diesen widersprüchlichen Antworten kommen konnte. Also fragen wir Sie heute erneut: Warum haben Sie die Beteiligung der Stabsstelle am Envio- sowie am Shell-Skandal zunächst geleugnet und gestern eine Begleitung zugestanden?

(Beifall von den GRÜNEN)

Zweitens: zur Frage der neuen Aufgaben der Stabsstelle Umweltkriminalität in Ihrem Ministerium. Mehr denn je ist seit gestern unklar: Wieso wurde diese Stabsstelle eigentlich aufgelöst? Auch hier Widersprüche! Sie behaupten, dass mit der Neuorganisation die Aufgaben besser und effektiver erledigt werden können, sagen uns aber nicht, wie.

In der Fragestunde vom 21. März 2018 führten Sie dazu aus:

„Der Geschäftsverteilungsplan benennt künftig“

– und jetzt kommt es –

„ausdrücklich Grundsatzfragen der Umweltkriminalität und des Umweltstrafrechts sowie die Unterstützung der Fachabteilung bei Straftaten gegen die Umwelt.“

Nun kommt im aktuellen Geschäftsverteilungsplan der Begriff „Umweltkriminalität“ kein einziges Mal vor.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

– Er ist öffentlich, Herr Kollege Löttgen.

(Lachen von Bodo Löttgen [CDU])

Ich habe den Begriff nicht gefunden. Auf diese Frage sagten Sie gestern: Es gibt gleich mehrere Referate, die mit dem Thema befasst sind. – Da ist von spezifischen Rechtsfragen oder Grundsatzfragen die Rede. Aber das ist nicht das, was Sie am 21. März 2018 gesagt haben.

Vor allem sind Sie die Antwort schuldig geblieben, ob in Ihrem Hause unter diesen relativ diffus beschriebenen Zuständigkeiten weiterhin eine weisungsunabhängige Arbeit – das ist doch der Punkt – in diesem wichtigen Bereich möglich ist. Denn klar ist: Eine solche Arbeit kann eben nicht weisungsunabhängig in einer Fachabteilung geleistet werden, weil diese strukturell immer Weisungen unterliegt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die zweite Frage lautet also erneut: Wie, von wem und wo werden die Aufgabe der Stabsstelle weisungsunabhängig weiter wahrgenommen?

Hierzu noch eine Bemerkung: Sie haben gestern behauptet, es habe schon unter ihrem Vorgänger Überlegungen zur Auflösung der Stabsstelle gegeben, ohne dass Sie dies belegen konnten. Und mit Nebelkerzen umwölkt verweisen Sie auf eine Personalakte, aus der Sie nicht zitieren können.

Wenn Sie diese Behauptung weiter vorschieben wollen, Frau Ministerin, fordere ich Sie auf, sie hier und heute zu belegen. Sagen Sie doch einmal, welche Hinweise Ihnen denn darauf vorliegen, dass die Vorgängerregierung Überlegungen angestellt hat, eine strukturelle Veränderung vorzunehmen – und das hat nichts mit Personalakten zu tun – oder die Stabsstelle gar abzuschaffen.

Das können Sie nicht; denn diese Vorüberlegung hat es nie gegeben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie diese Behauptung in den Raum stellen, sind Sie auch heute aufgefordert, hier klar zu benennen, woher Sie diese Idee überhaupt haben.

Drittens. Haben Sie persönlich entschieden, die Stabsstelle Umweltkriminalität abzuschaffen? Eigentlich war das ja eine rein rhetorische Frage. Denn jede Organisationsentscheidung bezüglich einer Umorganisation in einem Haus trifft die Ministerin oder der Minister und eben nicht der Staatssekretär. Merkwürdigerweise geben Sie auf diese Frage aber keine Antwort, obwohl sie einfach mit Ja oder Nein hätte beantwortet werden können.

So fragt man sich: Warum beantworten Sie diese Frage eigentlich nicht? Sie verweisen auf den Staatssekretär und bleiben bei Ihrer Nichtantwort.

Frau Ministerin, Ihnen muss doch klar sein, dass Sie mit dem hartnäckigen Nichtbeantworten dieser Frage dem Verdacht weiter Nahrung geben, dass letztendlich Ihre Entscheidung zur Auflösung dieser Stabsstelle im Zusammenhang mit einer der letzten Akten der Stabsstelle mit dem Titel „Schweinehaltung Betrieb Schulze Föcking“ steht.

(Beifall von den GRÜNEN und Christian Dahm [SPD])

Auch hier erwarten wir von Ihnen heute eine Antwort. Haben Sie nun diese Entscheidung zur Auflösung getroffen? Wenn ja: Warum? Mit welcher Begründung?

Stehlen Sie sich nicht immer wieder aus der Verantwortung, indem Sie auf Ihren Staatssekretär und das LANUV verweisen und sagen: Wer will, kann ja selber in die Akten gucken.

Ich fasse zusammen: Sie haben Fragen des Parlaments hartnäckig und wiederholt nicht beantwortet. Sie haben Ihren eigenen Antworten der vergangenen Fragestunde widersprochen und nicht erklären können, warum. Sie haben Abgeordnetenfragen uminterpretiert, um Ihre widersprüchlichen Aussagen zurechtzubiegen.

Ihr Auftritt gestern hat unser Vertrauen in Ihre Amtsführung erneut erschüttert, Frau Ministerin. Mit Ihrem Auftritt haben Sie weiter an Glaubwürdigkeit verloren.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, die Redezeit.

Monika Düker (GRÜNE): Ihr Auftritt hat gezeigt, dass Ihnen offenbar der nötige Respekt vor dem Parlament fehlt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Die Redezeit ist überschritten.

Monika Düker (GRÜNE): Letzter Satz. – Wenn Sie heute entscheiden, diese Fragen weiterhin nicht zu beantworten, werden wir unseren parlamentarischen Anspruch auf Transparenz und Information in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss durchsetzen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die AfD erteile ich dem Abgeordneten Herrn Seifen das Wort.

Helmut Seifen (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, liebe Frau Düker, was Sie hier gerade vorgetragen haben, war eigentlich nichts anderes als Erbsenzählerei, als das, was wir bisher aus den Fragestunden kannten. Ich denke, Sie haben gar nicht erkannt, dass die „Causa Schulze Föcking“ ein Symptom ist, was man viel tiefer beleuchten muss.

Da ist die neue Regierung vor fast einem Jahr mit einem Strahlemann Laschet gestartet und hat vollmundig allen im Lande eine „wahre Entfesselung“ versprochen und eine ganz neue Welt. Es sollte sozusagen die Runderneuerung von NRW angegangen werden.

Bereits mehrfach in diesem ersten Regierungsjahr beweist die schwarz-gelbe Regierung ihre Unfähigkeit, eine Neuorientierung auf der Grundlage bewährter bürgerlicher, demokratischer Werte für das Land einzuleiten und durchzuführen.

Da musste gleich zu Anfang der Medienfunktionär Holthoff-Pförtner aus seinem Verantwortungsbereich der Medien entlassen werden. Zu auffällig dann doch die Verquickung von Ministeramt und Eigentumsverhältnissen über einen großen Teil der Medien, die dem Minister eine unerhörte Lenkungsmacht über die Berichterstattung verliehen hätte – mehr noch als heute möglich.

Da haben Sie doch den gleichen Hang zur Vetternwirtschaft und zum Nepotismus, zum Filz gezeigt wie Ihre rot-grünen Brüder und Schwestern im Geiste.

(Beifall von der AfD)

Und nun die widersprüchlichen Aussagen der Ministerin Schulze Föcking über die Schließung der Stabsstelle Umweltkriminalität in ihrem Ministerium. Da werden im Betrieb der Ministerin durch kriminelle Machenschaften von sogenannten Tierschützern unliebsame Bilder einer Tierhaltung gemacht, die auf das Wahlvolk ja vielleicht verstörend wirken könnten.

Wie kann man jetzt als Ministerin den Schein wahren? Wie kann man weiterhin seine moralische Vollkommenheit als Monstranz vor sich hertragen? – Naja, da hilft eben nichts anderes als der Bau eines Potemkinschen Hauses, in das man dann auch Unwahrheiten und Lügen einbaut. Der Schein muss gewahrt, das Wahlvolk eben auch durch Täuschung ruhiggestellt werden,

(Bodo Löttgen [CDU]: Können Sie das auch beweisen, was Sie sagen?)

der politische Gegner seiner Waffen beraubt werden.

(Beifall von der AfD – Bodo Löttgen [CDU]: Können Sie das auch beweisen, was Sie sagen?)

Und im Verdrehen der Tatsachen, im Vortäuschen von Wirklichkeit, Herr Löttgen, haben Sie ja in den letzten Jahren auf der großen politischen Bühne viel Erfahrung sammeln können.

(Beifall von der AfD)

Lügen und Verleumdungen gehören offensichtlich zu Ihrem politischen Repertoire.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unglaublich!)

Und Schulze Föcking ist ja nur ein Symptom. Frau Düker arbeitet sich an diesem Symptom ab. Wir müssen viel grundsätzlicher sehen, tiefer in die politische Kultur dieses Landes.

(Beifall von der AfD – Widerspruch von der CDU)

Da gaukeln Sie den Menschen vor, Sie seien Demokraten, und beschimpfen gleichzeitig vom Volk gewählte demokratische Abgeordnete als Rassisten, rücken diese in die Nähe von Nazis mit deren verbrecherischem Gedankengut, obwohl sich im gesamten Partei- und Wahlprogramm nicht auch nur ansatzweise etwas finden lässt, das den Welteroberungsplänen und den sozialdarwinistischen Wahnsinnsideen der Nazis nahekommen würde. Welch eine ungeheure Diffamierung der stärksten Oppositionspartei in Deutschland, die wir bislang nur aus Diktaturen gekannt haben, und zugleich eine ungeheuerliche Unkenntnis des historischen Faschismus!

(Beifall von der AfD)

Indem Sie jedwede Kritik an Ihrer völlig verfehlten Politik delegitimieren und zugleich dämonisieren, haben Sie ein semiautoritäres Regime errichtet, eine wahre Meinungsdiktatur,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unglaublich!)

die eines demokratischen Staatswesens unwürdig ist. – Und wenn Sie sagen „unglaublich“, dann waren Sie vielleicht gestern nicht hier im Parlament, als Frau Steffens bei ihrer Verabschiedung noch Kübel von übler Verleumdung über uns ausgegossen hat.

(Beifall von der AfD)

Da reden Sie von Vielfalt und schließen Ihnen missliebige Abgeordnete von wichtigen Ämtern und anderen im Parlament üblichen Absprachen oder Übereinkünften aus. Da stellen sich im Straßenkampf gegen unsere Parteiveranstaltungen Vertreter Ihrer Parteien neben hasserfüllte Schlägertrupps der selbsternannten Antifa.

(Zuruf von der SPD: Thema! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Und gleichzeitig bezeichnen Repräsentanten Ihrer Parteien friedlich demonstrierende Bürgerinnen und Bürger in Dresden als „Pack“. Wissen Sie, was „Pack“ auf Französisch heißt? Kanaille. Genau so hat der Adel gesprochen vor 1789.

(Zuruf von der CDU: Unfassbar! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Sie gerieren sich als Speerspitze im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus, lassen aber Hunderttausende von Menschen in unser Land, die im Hass gegen Juden und Israel aufgewachsen und sozialisiert sind. Und dann wundern Sie sich, dass es in unserem Land auf den Straßen wieder zu Zuständen kommt, wie wir sie seit 1945 nicht mehr beklagen konnten.

(Vereinzelt Beifall von der AfD – Zuruf von der SPD: Thema! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Und Sie, Herr Laschet, stellen sich im Dezember hier ans Rednerpult und widersprechen meiner Aussage, dass der Antisemitismus von heute auch importiert sei.

(Zahlreiche Zurufe – Unruhe)

Ihre Chefin, Frau Merkel, hat Ihnen übrigens vor einiger Zeit widersprochen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wann reagiert der Präsident? – Weitere Zurufe – Unruhe)

Aber es kommt noch schlimmer. Während Sie hier den eifrigen Kämpfer gegen Rassismus und Antisemitismus mimen, verleiht Ihr Parteifreund Wolfgang Börnsen den Rappern Kollegah und Farid Bang mit ihrem unsäglichen Antisemitismus den Echopreis.

(Zahlreiche Zurufe – Unruhe)

Präsident André Kuper: Herr Kollege Seifen, bitte stoppen Sie gerade und überdenken Sie noch einmal Ihre Wortwahl.

Helmut Seifen (AfD): Ich komme jetzt dazu.

Präsident André Kuper: Diese Wortwahl, die Sie eben verwendet haben…

Helmut Seifen (AfD): Welche Wortwahl habe ich verwendet, Herr Präsident?

Präsident André Kuper: Es ist vorgesehen in der Geschäftsordnung, dass ich die Wortwahl an dieser Stelle nicht wiederhole.

Helmut Seifen (AfD): Welche Wortwahl?

Präsident André Kuper: Aber ich rüge Ihr Verhalten an der Stelle. Überdenken Sie es, und setzen Sie Ihre Rede dann fort!

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Helmut Seifen (AfD): Herr Präsident! Bei aller Wertschätzung, ich kann nicht erkennen, dass ich eine Wortwahl gegenüber meinen Kollegen

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Das ist doch keine Vorlesung hier! – Weitere Zurufe)

geäußert habe, die anstößig wäre.

Ich komme ja zum Schluss.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Christian Dahm [SPD]: Bravo! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Richtig! – Weitere Zurufe)

Es ist das, was ich gerade der Kollegin Düker mit auf den Weg gegeben habe. Sie stellen sich selbst gerne auf das hohe Podest der moralischen Vollkommenheit. Was für ein Pech aber auch, wenn man Ihre Vertreter dann doch als Menschen entlarvt, denen allzu Menschliches nicht fremd ist und die moralisch auch partiell versagen.

Aber letztlich sind Sie auch nur Untertanen der politischen Korrektheit, die Sie gleichwohl als Instrument nutzen, um die Meinungsfreiheit in diesem Land zu unterdrücken und Ihre feindselige Politik gegenüber diesem Land und den Bewohnern zu kaschieren.

(Vereinzelt Beifall von der AfD)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ist Ihnen klar, dass die Menschen im Land diese Bigotterie durchschauen

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Ihre Bigotterie!)

und sich angewidert vom Politikgeschehen abwenden, wenn verantwortliche Politiker so handeln wie Sie und viele andere Politiker das hier tun?

Ich kann nur dringend an Sie und alle hier im Plenum appellieren, auch an die Ministerin, an alle hier, die redlich und aufrichtig für dieses Land arbeiten und unsere schwer erkämpfte Demokratie bewahren wollen:

Kehren Sie zurück zu Ehrlichkeit und Wahrheit! Stellen Sie sich ohne Lug und Trug den Problemen, die wir in unserem Land, in Deutschland und in Europa lösen müssen, und verharren Sie nicht im Trotz der eigenen Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit.

Das rate ich auch der Ministerin Schulze Föcking. Kehren Sie zur Ehrlichkeit zurück. Legen Sie alles offen. Sagen Sie, wie es wirklich gewesen ist. Fangen Sie nicht an, zu tricksen, um etwas zu verschleiern, was eh nicht zu verschleiern ist. – Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Für die CDU hat nun der Abgeordnete Herr Schick das Wort.

Thorsten Schick (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der gestrigen Fragestunde und dem ersten Redebeitrag der Grünen heute stellt sich mir folgende Frage: Um was geht es hier in dieser Debatte? Geht es um die Bekämpfung von Umweltstraftätern, oder geht es um die Bekämpfung der Umweltministerin?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Verfolgung von Umweltstraftätern scheint politisch in den letzten Jahren unter Rot-Grün keine Priorität mehr gehabt zu haben. Anders lässt sich das Schattendasein der zuletzt als Ein-Mann-Stabsstelle existierenden Einheit ja kaum erklären. Die Neuausrichtung war also dringend geboten, weil wir die Bekämpfung der Umweltkriminalität stärken wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Bekämpfung von Straftaten ist in unserem Rechtsstaat Sache der Staatsanwaltschaften. Das schien der ehemalige Justizminister Kutschaty ja früher auch so gesehen zu haben. Die „Rheinische Post“ berichtet in ihrer heutigen Ausgabe, dass ein internes Schreiben aus der Feder des ehemaligen Justizministers Kutschaty vom 7. Oktober 2011 an den damaligen Umweltminister Remmel geschickt wurde. In diesem Schreiben ging es um den Envio-Skandal, den Sie von SPD und Grünen ja gestern auch in der Fragestunde besonders herausgestellt haben.

Mit der Genehmigung des Präsidenten möchte ich gern aus dem Artikel zitieren. Der damalige Minister Kutschaty schrieb an seinen Ministerkollegen Remmel – Zitat –:

„Ich wäre Ihnen daher sehr verbunden, wenn Sie sicherstellen könnten, dass weitere Versuche derartiger Einflussnahmen unterbleiben.“

(Zurufe von der CDU: Ah! – Oh! – Minister Karl-Josef Laumann: Gewaltenteilung! Gewaltenteilung!)

Herr Kutschaty, Sie haben die ganze Zeit geschwiegen. Sie wussten, was in der Stabsstelle Umweltkriminalität abgelaufen ist. Haben Sie Ihre Fraktion – Sie sind ja gerade frisch gewählt – völlig in Unkenntnis gelassen? Was heißt denn „derartiger Einflussnahmen“? Hat die Stabsstelle ihre Kompetenzen überschritten? Hat sie vielleicht die Gewaltenteilung missachtet? Könnte sie damit gegen das demokratische Grundprinzip verstoßen haben?

(Zuruf von der FDP: Viele Fragen!)

Und was heißt, „dass weitere Versuche derartiger Einflussnahmen unterbleiben“ müssen? Hat es vorher schon Versuche gegeben? Wollte die Stabsstelle auch andere Ermittlungsergebnisse abgreifen?

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Welche Rolle hat die Stabsstelle Umweltkriminalität in diesem Verfahren wirklich gehabt?

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wissen Sie, das ist wie beim Zahnarzt: Je mehr ich bohre und je lauter Sie schreien, desto mehr weiß ich, dass ich den Nerv getroffen habe. – Deswegen glaube ich, dass man an dieser Stelle weitermachen muss.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Sind in der Stabsstelle also vielleicht nur Artikel gesammelt worden, während andere tatkräftig recherchiert haben? Seit ich von diesem Schreiben Kenntnis habe, das in der „Rheinischen Post“ zitiert worden ist, kann ich verstehen, dass das Umweltministerium darangeht, die Aufgabe neu zu organisieren.

Sie selbst, Herr Kutschaty, haben doch offenbar in dem Schreiben 2011 deutlich gemacht, dass Handlungsbedarf besteht.

Herr Minister Remmel, warum haben Sie die ganzen Jahre nichts unternommen?

(Beifall von der CDU und der FDP)

In der gestrigen Fragestunde waren Sie anfangs noch sehr aktiv. Sie sind mehrfach nach vorne gelaufen und haben Zwischenrufe geäußert. Hinterher wurde es dann etwas stiller. Was haben Sie unternommen? Was haben Sie Ihrem Mitarbeiter gesagt? Was war Ihre Funktion, um sicherzustellen, dass die Aufgabe entsprechend wahrgenommen wurde?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird immer gesagt, welche großartige Rolle die Stabsstelle gespielt hat. Wenn man sich auf die letzten Veröffentlichungen konzentriert, die man im Internet finden kann, stellt man fest: „Finkenfreunde ohne Einsicht“ war eine Schlagzeile bei „CORRECTIV“. Im Dezember 2015 gab es die Schlagzeile der „Bild“: „500 Piepmätze bei einem illegalen Vogelhändler beschlagnahmt“. Es lassen sich weitere Schlagzeilen in dieser Art finden.

Deshalb denke ich, dass die Aussage der Ministerin in der Fragestunde zu den Schwerpunkten völlig korrekt war. Wir brauchen in Nordrhein-Westfalen eine starke Stabsstelle. Wir haben jedes Jahr 1.500 Strafanzeigen.

(Christian Dahm [SPD]: Aha!)

Sie müssen in ihrer ganzen Breite abgearbeitet werden,

(Zuruf von der SPD: Die ist doch abgeschafft worden! – Christian Dahm [SPD]: Die ist abgeschafft!)

statt Schlagzeilen zu produzieren, wie wir es gerade in der entsprechenden Presseveröffentlichung gesehen haben.

Ich komme zum letzten Punkt, den auch Frau Düker angesprochen hat. Es geht um die Pressemitteilung des WDR, die Anlass für diese Fragestunde war.

Dort heißt es, dass eine der letzten Akten der Stabsstelle den Titel „Schweinehaltungsbetrieb Schulze Föcking – ,stern-TV‘ am 12. Juli 2017“ trage. Darin enthalten sei eine Mail vom 25. Juli 2017 vom Leiter der Stabsstelle an den Staatssekretär des Umweltministeriums. Angehängt soll der Kommentar eines Strafrechtsexperten zur Einstellung der Ermittlungen wegen Tierschutzverstößen gegen den Hof Schulze Föcking in Steinfurt gewesen sein. Einen knappen Monat nach dieser Mail soll die Stabsstelle laut WDR-Pressemitteilung aufgelöst worden sein.

Ich habe die Ankündigung der Ministerin gehört, dass absolute Transparenz besteht und man Akteneinsicht nehmen kann. Ich habe die Akteneinsicht gestern beantragt und heute Morgen die Chance genutzt und mir diese Akte angesehen.

Meine Frage: Wer von Ihnen war im Ministerium? Hatten Sie ein Interesse an der Aufklärung? Sind Sie vorbeigefahren und haben einmal geschaut, ob die Grundlage für Ihre Beantragung der Fragestunde gerechtfertigt war?

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Lachen von Monika Düker [GRÜNE])

– Frau Düker, Lachen ersetzt keine Antwort. Sie haben also nicht nachgeschaut. Sie hatten gar kein Interesse daran, die Wahrheit zu entdecken.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der CDU: Jawohl!)

Ich verstehe das. Ihre Argumentation wäre ja auch wie ein Kartenhaus zusammengebrochen; denn die Aussage der Ministerin stimmt.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Die Mail des Leiters der Stabsstelle ist nicht am 25. Juli 2017, sondern am 28. August 2017 an den Staatssekretär versandt worden. Das bedeutet: Die Entscheidung zur Neuorganisation war vor der Mail gefallen.

Der Zusammenhang, den Sie konstruiert haben, existiert also nicht. Das muss an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich betont werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die von Ihnen geäußerten Vorwürfe sind haltlos. Alle Informationen sind verfügbar. Man muss sie nur nutzen wollen. Aber Sie haben kein Interesse daran. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP – Arndt Klocke [GRÜNE]: Das ist eine Frechheit!)

Präsident André Kuper: Für die SPD hat Herr Kollege Stinka das Wort.

André Stinka (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schick, es wird Ihnen nicht gelingen, die schlechte Amtsführung, die Belastung dieser Landesregierung, Frau Schulze Föcking, hier kleinzureden. Frau Schulze Föcking ist für Nordrhein-Westfalen, das Verbraucherschutzland, Umweltschutzland und Landwirtschaftsland Nummer eins, eine Belastung. Und das hat mit ihrer Amtsführung zu tun.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

Sie kommen heute Morgen mit einem Brief an, in dem der Justizminister in seiner Funktion dargestellt hat, wie hier zu arbeiten ist. Wenn Sie gestern zugehört hätten

(Lachen und Zurufe von der CDU und der FDP)

und Ihrer Ministerin gelauscht hätten, dann hätten Sie die Belehrung, die die Ministerin dem Parlament mal wieder über Gebühr zugeführt hat, mitbekommen.

Wir wissen, wie die Stabsstelle funktioniert. Die Stabsstelle koordiniert. Wir haben niemals gesagt, dass hier recherchiert wird, sondern es wird koordiniert, und Arbeiten werden aufgenommen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Die gestrigen Ausführungen von Frau Schulze Föcking haben noch einmal unzweifelhaft klargemacht: Seit dem Skandal auf ihrem Hof …

(Zurufe von der CDU und der FDP)

– Wer schreit, hat immer unrecht, meine Herren. – Seit dem Skandal auf ihrem Hof ist klar, dass die Ministerin mit der Amtsführung völlig überfordert ist.

Wir erinnern uns noch sehr gut daran, dass sie als Ministerin im Ausschuss aus einem Brief ihres Mannes vorgelesen hat.

Wir erinnern uns daran, dass sie gestern nicht die Frage beantworten konnte, inwieweit mit einer Personalakte Leitungsentscheidungen der Landesregierung getroffen werden.

Für wie dumm halten Sie eigentlich die SPD-Fraktion, meine Damen und Herren?

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Frau Ministerin Schulze Föcking hatte gestern die Chance, aufzuklären, die Wahrheit zu sagen und viele Widersprüche vom Tisch zu wischen. Sie hat diese Hoffnung, die wir alle hatten, enttäuscht. Sie hat deutlich gemacht, dass es im Ministerium keine politische Führung gibt. Sie hat noch einmal ganz klargestellt, dass sie keinen Überblick über die Aktenverläufe und über Beteiligungen bei Envio und Shell hat.

(Bodo Löttgen [CDU]: Wie war denn die Beteiligung bei Envio? Zitieren Sie einmal aus dem Schreiben!)

Sie hat sich in Interviews und Interviewanfragen verstrickt. Das ist doch hier gestern ganz klar festgestellt worden.

Uns als Sozialdemokraten geht es darum, noch einmal ganz deutlich zu machen, welches Amtsverständnis dahintersteckt. Welches Amtsverständnis hat eine Ministerin, die gestern auf die Frage, wie sie denn plötzlich behaupten kann, dass bereits die Grünen vorhatten, die Umweltstabsstelle aufzulösen, dargestellt hat, dass die Grundlage dafür eine Personalakte ist? Es lernt jeder in der Beamtenausbildung im ersten Semester, dass das nicht geht, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Für uns stellt sich ganz klar die Frage – auch vor dem Hintergrund der Personalstellen, die dort gebunden sind –: Was ist eigentlich der politische Hintergrund der Auflösung dieser Stelle,

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

und was ist der politische Hintergrund, dass die Ministerin von dem Mann, der heute Staatssekretär ist, über Vorgänge im LANUV nicht informiert worden ist, nämlich darüber, dass Envio und Shell beteiligt waren? Denn das war alles beim LANUV organisiert. Herr Bottermann hätte sie informieren müssen.

Auf der einen Seite sagt sie: Ja, ich werde immer informiert, und bin für einen breiten Informationsfluss zu haben. – Auf der anderen Seite kann sie sich an nichts erinnern und schiebt die Verantwortung, wie wir gestern gehört haben, immer auf den Amtschef ab. Entweder leitet eine Ministerin ein Ministerium, oder sie leitet es nicht. Sie tut es nicht und schadet damit dem Standort Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Zu den Besitzverhältnissen ihrer Höfe haben wir sie im Ausschuss mehrfach gefragt. Ich sage Ihnen auch hier, weil uns ja sicher vorgeworfen wird, wir wollten eine Ministerin bekämpfen:

(Zurufe von der CDU und der FDP: Ja!)

Es geht darum, dass die Opposition das Recht hat, Nachfragen zu stellen, wenn die Ministerin nach den Vorfällen auf ihrem Hof sagt: Ich habe damit nichts zu tun – einen Tag, nachdem sie hier ins Amt gekommen ist. Da würden Sie als Opposition genauso nachhaken und genauso die Besitzverhältnisse wissen wollen, die sie hier in der Fragestunde nicht klar darstellen konnte.

Diese Vernebelungstaktik, dieses Verschleiern schadet dem Standort Nordrhein-Westfalen in der Landwirtschaft, im Verbraucherschutz und im Umweltschutz.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Im Übrigen, Kolleginnen und Kollegen: Es schadet letztendlich auch den Landwirten, die sich nämlich auf den Weg machen, eine andere Landwirtschaft zu organisieren.

Wir Sozialdemokraten werden nicht zulassen, dass diejenigen, die in die Zukunft gucken und am Fortschritt teilhaben wollen, von dieser Ministerin mit alten Klischees behaftet in die Vergangenheit zurückgeworfen werden. So ist das, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

– Sie können schreien und toben, wie Sie wollen. Für uns sind Umweltschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz immer im Gesamten zu sehen.

Diese Ministerin ist mit einem schweren Mühlstein ins Amt gekommen. Diesen trägt sie weiter. Wir Sozialdemokraten werden alle parlamentarischen Mittel nutzen, um hier Licht ins Dunkel zu bringen; denn es geht um das Amt und um das Regierungsverständnis. Wenn der Ministerpräsident nicht dazu beiträgt, Klarheit in die Angelegenheit zu bringen, werden wir das parlamentarisch verfolgen – bis zur letzten Zeile. – Danke.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Für die FDP spricht nun Herr Abgeordneter Diekhoff.

Markus Diekhoff*) (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worüber reden wir hier eigentlich? – Wir diskutieren mit großem Eifer über einen völlig normalen Vorgang:

(Lachen und Zurufe von der SPD)

Eine neue Ministerin hat im Zuge der Übernahme der Amtsgeschäfte ihr Haus umstrukturiert, und das völlig zu Recht. Dafür haben wir ja Minister. Nach dem Ressortprinzip der Verfassung ist das die Aufgabe der demokratisch legitimierten Spitze der Häuser.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Bürgerinnen und Bürger warten, dass die Ministerin ihr Haus effektiv und gut führt, und eine Veränderung des Orgaplans oder des Geschäftsverteilungsplans ist bei so etwas die Regel.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, wo kommen wir denn da hin? Wer soll denn darüber bestimmen, wer im Haus seine Aufgaben effektiv wahrnehmen kann? – Die Opposition, die Mitarbeiter dort selbst, einzelne Journalisten, Lobbyverbände?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Damit kennen Sie sich ja gut aus!)

Nein. Die legitimierte Hausspitze entscheidet, und das ist auch gut so.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist ein Sturm im Wasserglas, hochgespielt durch interessierte Kreise, die eine mit einer Person besetzte Stabsstelle zur effektivsten Waffe gegen Umweltkriminalität in NRW hochstilisieren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ging schon damit los, dass die Vorwürfe auf einer völlig falschen Faktenlage erhoben wurden.

Wir haben es gerade schon gehört – ich wiederhole es gern noch einmal; dann muss es sich einprägen –: Herr Groschek sagte am 18. April in der „Aktuellen Stunde“ im WDR:

„Es ist natürlich befremdlich, wenn die Stabsstelle im eigenen Haus eine letzte Akte anfertigt und dann aufgelöst wird und die letzte Akte ausgerechnet die Ministerin selbst betrifft.“

Frau Düker fragte am gleichen Tag bei Twitter:

„Wurde die Stabsstelle Umweltkriminalität aufgelöst, weil sie sich mit den skandalösen Zuständen auf dem Hof der Familie Schulze Föcking befasste?“

(Jochen Ott [SPD]: Gute Frage! – Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Unabhängig von dem bemerkenswerten Verhältnis zum Rechtsstaat, Frau Kollegin Düker, das Sie hier noch mal offenbaren:

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Führen Sie sich doch noch einmal die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft zu Gemüte, wo Frau Schulze Föcking, wo das ganze Ding vollumfänglich freigesprochen wurde. Dort steht, es sei kein ansatzweises Fehlverhalten zu erkennen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Trotzdem nutzen Sie skandalisierende Floskeln weiter und tun so, als sei irgendetwas passiert. Aber das kennen wir ja. Hier wird jemand freigesprochen, Sie skandalisieren weiter.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Bei der Braunkohle im Hambacher Forst sind wirkliche Kriminelle am Werk, und die verteidigen Sie von diesem Rednerpult aus.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Beide Vorwürfe, die dort sowohl von Herrn Groschek als auch von den Grünen vorgetragen wurden, sind inhaltlich nicht haltbar, weil die Stabsstelle am 14. August – nachweislich vor der Mail mit dem bekannten Editorial an den Staatssekretär am 28. August – darüber informiert wurde. Das hat die Ministerin gestern in der Fragestunde auch ausgeführt. Sie hat ausgeführt, dass die Stabsstelle unter ihrer Sollstärke lag,

(Christian Dahm [SPD]: Interessant! Sehr interessant!)

weil ihr von Minister Remmel nur eine Vollzeitstelle dafür übergeben wurde.

Auch zu dieser Aktuellen Stunde wurden im Vorfeld unter anderem, verehrte Frau Kollegin Düker, reichlich Unterstellungen verbreitet. Einer der haltlosen Vorwürfe lautet, dass die Ministerin im Landtag falsch informiert habe.

Meine Damen und Herren, worauf fußt denn dieser Vorwurf? – Auf einem WDR-Bericht.

(Marc Herter [SPD]: Das sind die interessierten Kreise, oder wie?)

Dann wird noch zitiert, dass die Ministerin eingeräumt habe, falsch informiert zu sein.

Worauf fußt das? – Alles auf einer Aussage im Rahmen eines Pressegesprächs, wonach die Ministerin ihr Haus noch einmal angewiesen habe, noch einmal in die Akten zu schauen. Wo ist der Punkt? Was ist denn daran „einräumen“?

Die Ministerin hat mehrfach klargemacht, dass sie das im Griff hat und sie zu dem Kampf gegen die Umwelt- und Verbraucherkriminalität steht und ihn unterstützt. Das ist uns genauso wichtig wie der Ministerin.

Diese Stabsstelle, wie wir sie vorgefunden haben, war nicht mehr arbeitsfähig, hat sich – wie wir gerade schon gehört haben – vorsorglich und fast nur noch um Artenschutzkriminalität gekümmert.

Wir haben in Nordrhein-Westfalen ganz andere Herausforderungen. Deshalb ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Stabsstelle diese Aufgaben wieder effektiv und gestärkt wahrnehmen kann.

(Beifall von der FDP und der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Doch! Ja! – Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Das geschieht jetzt durch die Verteilung der Arbeit auf mehrere Schultern und die Einbindung von Spezialisten aus den verschiedenen Abteilungen des Hauses, die am Ende eine wesentlich größere Durchschlagskraft haben werden als eine Ein-Mann-Stabsstelle.

Dann kommen wir noch einmal zu der interessanten Berichterstattung des heutigen Tages. Der Leiter der Stabsstelle, der Kronzeuge der Medienberichterstattung ist,

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

dieser Leiter der Stabsstelle, der zufällig wohl auch SPD-Funktionär ist,

(Zuruf von der FDP und der CDU: Oh!)

hat, wie wir jetzt wissen, in der Vergangenheit wohl massiv

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: So läuft das im Prinzip jetzt!)

seine Kompetenzen überschritten, so weit, dass in einem wohl einmaligen Vorgang der damalige Justizminister, seit zwei Tagen Vorsitzender der SPD-Fraktion, Herr Kutschaty, seinem Kollegen im Umweltministerium, Herrn Remmel, einen bemerkenswerten Brief schreiben musste, wie man wohl in der Zeitung liest.

Dieser Leiter der Stabsstelle, ohne den – dieser Eindruck sollte ja hier in den letzten Wochen erweckt werden – NRW schutzlos kriminellen Umweltmachenschaften ausgeliefert sei, steht dadurch in einem ganz anderen Licht.

Herr Kutschaty hat in einem offiziellen Schreiben gegenüber dem damaligen Umweltminister angegeben, dass der Leiter der Stabsstelle wohl in unzulässiger Weise versucht hat, die Arbeit der Justiz zu beeinflussen. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Gewaltenteilung, ein Verhalten am Rande der Legalität, das Ihnen und den Justizbehörden so negativ aufgestoßen ist, dass Sie diesen bemerkenswerten Brief schreiben mussten.

Ich frage Sie, Herr Kutschaty: Wollen Sie – und auch die Grünen – Ihren politischen Feldzug gegen die Ministerin auf den Aussagen und den Gefühlen dieses Leiters der Stabsstelle gründen?

(Beifall von der FDP und der CDU – Norwich Rüße [GRÜNE]: Das ist ja übel!)

Ist Ihnen wohl dabei, als Minister die Vorgänge gekannt zu haben

(Zuruf von Guido van den Berg [SPD])

und jetzt als Opposition den Bürgern in diesem Land weismachen zu wollen, die Ministerin gefährde durch die Umstrukturierung der Stabsstelle die Sicherheit der Menschen in unserem Land?

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich fordere Ehrlichkeit und Realitätssinn.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Bitte nehmen Sie zur Kenntnis – die Ministerin hat es mehrfach vorgetragen –, dass alle Aufgaben der ehemaligen Stabsstelle fortgeführt werden und zudem neue Aufgabenbereiche aufgebaut wurden. Aus diesem Grund war und ist die Umstrukturierung gut und richtig, und der eigentliche Skandal liegt nur darin, dass hier ein Vorgang skandalisiert und politisiert wird,

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das klären wir dann im Untersuchungsausschuss!)

der sich definitiv nicht dazu eignet und nur dem Zweck dient, die Menschen in Nordrhein-Westfalen zu täuschen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Als Nächstem erteile ich dem fraktionslosen Abgeordneten Herrn Pretzell das Wort.

Marcus Pretzell (fraktionslos): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Wir haben zu Beginn der Amtszeit dieser Landesregierung erlebt, wie es etwas holprig in die ersten Ministerbenennungen ging.

(Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU])

Wir haben die kurze Irritation um Herrn Holthoff-Pförtner erlebt. Wir haben auch ganz zu Beginn schon einige Fragen und Zweifel an der Benennung der Ministerin Schulze Föcking gehört. Das ist vonseiten der Opposition sehr früh kritisiert worden.

Herr Laschet, Sie haben sich in beiden Fällen durchgesetzt. Sie haben an beiden Ministern festgehalten, wenn Sie den einen auch immerhin schon kastriert haben.

(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)

– Wie würden Sie das sonst nennen? Im politischen Sinne ist das, denke ich, ein völlig korrekter Begriff.

Frau Schulze Föcking, dass es Fragen an Sie gibt, dass es Zweifel gibt und dass es dort ganz sicher einige Fälle gibt, die einen glauben lassen können, dass es Interessenskonflikte in Ihrem Hause gibt, ist relativ offenkundig.

Dass es jetzt heißt, irgendeine E-Mail sei etwas später geschickt worden als eigentlich gedacht, spielt letztlich überhaupt keine Rolle

(Bodo Löttgen [CDU]: Das spielt eine entscheidende Rolle, weil darauf die gesamte Aktuelle Stunde fußt!)

bei der Frage, ob es einen Interessenskonflikt gibt. Der Interessenskonflikt besteht eben trotzdem, weil es letztlich nicht auf den Zeitpunkt der Absendung der E-Mail ankommt, sondern auf die Frage, ob die Stabsstelle mit dem Hof befasst war oder nicht. Da kommt es eben nicht auf den Zeitpunkt der Absendung einer E-Mail an.

(Zuruf von Thorsten Schick [CDU])

– Tut es nicht. Aber …

(Zuruf von Thorsten Schick [CDU])

– Ja, ist in Ordnung. Pöbeln Sie ruhig weiter. Ich verstehe Sie ja, Sie sind unter Druck. Ich verstehe das.

Frau Schulze Föcking, es hat mindestens ein Geschmäckle, wie Sie Ihr Haus umstrukturiert haben. Das mag in der Sache völlig korrekt sein, aber dass das in der Öffentlichkeit keinen guten Eindruck hinterlässt, ist doch offenkundig, und einen solchen Eindruck sollte eine Ministerin vermeiden. Sie sollten alles tun, um diese Interessenskonflikte auszuräumen.

Dazu vielleicht, Herr Laschet, ein kleiner Hinweis – Sie haben das ja schon einmal gemacht –: Das Medienressort könnten Sie doch vielleicht an die Kollegin Schulze Föcking geben, und Sie kümmern sich in Zukunft um die Schweine.

(Heiterkeit von der SPD)

Dann ist das Thema auch durch. Ich würde sagen, das ist für alle Beteiligten die eleganteste Lösung. – Herzlichen Dank.

Präsident André Kuper: Als Nächste spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Schulze Föcking.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schutz von Umwelt und Natur, die Bekämpfung von Kriminalität gegenüber Umwelt und Verbrauchern haben für die Landesregierung und für mich persönlich eine sehr hohe Bedeutung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Heike Gebhard [SPD]: Das glaubt Ihnen nur keiner mehr!)

Es ist umso bedauerlicher, dass dieses wichtige Thema bei der aktuellen Debatte völlig untergeht. Wir müssen uns so aufstellen, dass wir die zuständigen Behörden noch besser bei der Aufklärung und Überwachung von kriminellen Machenschaften im Umwelt- und Verbraucherschutz unterstützen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einmal die Gründe für die Entscheidung erläutern, die Aufgaben der Stabsstelle Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität innerhalb des Hauses neu zu organisieren. Eine Stabsstelle hat die Funktion, Aufgaben zu bündeln oder ein neues Thema aufzugreifen und fortzuentwickeln. Je nach Anforderung können Stabsstellen auch wieder aufgelöst und die Aufgaben in die Abteilung verlagert werden, um sie thematisch breiter aufzustellen

(Guido van den Berg [SPD]: Kommt mir bekannt vor!)

und die vorhandenen Personalressourcen verstärkter und flexibler einzusetzen. Dadurch können die wahrgenommenen Aufgaben in die Fachabteilung integriert werden und so in die DNA des Hauses übergehen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Marc Herter [SPD]: So wird das nichts!)

Fazit: Mit der durchgeführten Umorganisation können wir die Bekämpfung der Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität in NRW entsprechend ausbauen. Wir haben die fachliche Anbindung gestärkt.

Die Aufgaben der Artenschutzkriminalität und insbesondere die Bekämpfung der illegalen Greifvogelverfolgung werden nach wie vor vom ehemaligen Stabsstellenleiter in der Naturschutzabteilung wahrgenommen.

Der Lebensmittelbetrug und die Bekämpfung betrügerischer Praktiken werden durch einen weiteren Mitarbeiter in der Verbraucherschutzabteilung bearbeitet.

Alle übrigen Fälle werden im Justiziariat behandelt oder von dort gegebenenfalls an die zuständigen Fachabteilungen weitergegeben. Also eine klassische Querschnittsaufgabe in einem klassischen Querschnittsreferat. Damit sichern wir fachliche Nähe und fachlichen Austausch.

Mit der Bekämpfung des Lebensmittelbetrugs haben wir ein hochaktuelles Thema gestärkt und einen wichtigen Akzent gesetzt; zugleich haben wir die personelle Ausstattung deutlich verstärkt und für eine höhere Schlagkraft gesorgt.

(Christian Dahm [SPD]: Entfesselt vielleicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich nun auf die Aspekte eingehen, die in den Anträgen der Grünen und der AfD zur Aktuellen Stunde aufgeworfen werden.

Durch die erstmalige Medienberichterstattung Anfang März wurde der Eindruck vermittelt, dass die Stabsstelle als Ermittlungseinheit mit quasi staatsanwaltschaftlichen bzw. polizeilichen Befugnissen tätig gewesen wäre, dass die Umweltskandale Shell und Envio ohne die Stabsstelle nicht entdeckt und aufgeklärt worden wären.

Die Fragen in der Fragestunde bezogen sich ausdrücklich auf diese Berichte – nach meinem Verständnis insbesondere darauf, welche Behörden und welche Bereiche für die Bekämpfung, Entdeckung und Aufklärung von Delikten zuständig sind. Dies sind – darauf hatte ich bereits am 21. März hingewiesen – mehrere Tausend Menschen auf verschiedenen Behördenebenen. Die Stabsstelle hatte ausweislich Ihres Einrichtungserlasses aus dem Jahr 2004 keine polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Befugnisse. Das hat die Behandlung der Frage in der Fragestunde am 21. März deutlich gemacht.

Gleichwohl – und das habe ich auch nie bestritten – hat die Stabsstelle in den 14 Jahren ihres Bestehens diverse auch bekannte Fälle begleitet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich hat die Stabsstelle daher auch bei den Themen Shell und Envio Material gesammelt, rechtliche Einschätzungen abgegeben und auch Strafanzeige gestellt, Kontakt zu den ermittelnden Stellen gehalten. Aber beide Fälle wurden sachlich und federführend nicht durch die Stabsstelle Umweltkriminalität, sondern durch die zuständigen Umweltbehörden entdeckt und aufgeklärt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Noch ein weiteres Beispiel, das in einigen Medienberichten erwähnt wurde: die Akte Schulze Föcking. Von der Akte habe ich selbst erst im Nachgang einer Presseanfrage, die mein Haus am 11. April 2018 erreichte, erfahren.

(Zuruf von der SPD: Wer hat die denn bearbeitet?)

Die Inhalte dieser Akte könnten Sie sich ergoogeln, denn es ist eine Sammlung von Presseartikeln und Drucksachen des Landtags.

Zu erwähnen ist darüber hinaus eine sogenannte WE-Meldung, in der eine Demonstration in Essen angekündigt wird, die ohnehin an das allgemeine E-Mail-Postfach des Ministeriums gerichtet war.

Darüber hinaus enthält die Akte eine E-Mail des Leiters der Stabsstelle an den Staatssekretär, der eine Kopie eines Editorials aus einer juristischen Fachzeitschrift beigefügt war. Diese Mail war nicht, wie behauptet, am 25. Juli, sondern am 28. August 2017 versendet worden. Am 14. August 2017, also genau zwei Wochen vorher, hatte der Abteilungsleiter I meines Hauses dem Leiter der Stabsstelle bereits in einem persönlichen Gespräch deren Auflösung und die Aufgabenverlagerung angekündigt.

Es ist daher völlig konstruiert, einen Zusammenhang zwischen der Auflösung der Stabsstelle bzw. der Aufgabenverlagerung in meinem Haus und einer Akte, auf der mein Name steht, herzustellen, und zwar sowohl zeitlich als auch inhaltlich.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Am Rande sei noch erwähnt, Frau Düker, dass es danach noch weitere Akten gab, zum Beispiel die Akte Fipronil.

Erlauben Sie mir eine weitere Bemerkung. Die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Haus nach der Anzahl der Aktendeckel zu beurteilen, respektiert in keinster Weise die tatsächlich geleistete Arbeit der Kolleginnen und Kollegen. Ich meine nicht, dass es auf die Anzahl der vergebenen Aktenzeichen ankommt,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Wer hat das denn gemacht?)

sondern auf das, was zwischen den Aktendeckeln steht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Bekämpfung der Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität gestärkt.

(Lachen von der SPD)

Das war mein Ziel bei Amtsantritt. Vorgefunden habe ich jedoch eine Stabsstelle, die faktisch mit einer Person besetzt war. Ich wiederhole: mit einer Person. Wie dargelegt, machte im Wesentlichen der Artenschutz das operative Geschäft aus.

Ich frage Sie: Wie soll mit dieser von der Vorgängerregierung hinterlassenen Ausgangslage eine wirksame Bekämpfung der Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität realisiert werden – mit einer Person?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit der Umstrukturierung wird dies erst möglich. Schon kurz nach Amtsantritt wurden interne Gespräche zur Neuaufstellung der Bekämpfung der Umwelt- und Verbraucherkriminalität geführt. Unter anderem hat am 14. August 2017 der Abteilungsleiter I „Personal, Recht, Organisation“ dem Leiter der Stabsstelle die anstehende neue Organisation mitgeteilt.

Mit der Neuaufstellung und einer stärkeren fachlichen Anbindung habe ich die Bekämpfung der Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität auf eine solide Grundlage gestellt, um die zuständigen Behörden bei der Aufklärung von Missständen besser unterstützen zu können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zudem habe ich am Donnerstag der vergangenen Woche volle Transparenz geschaffen. Am 18. April habe ich vor dem Hintergrund der aktuellen Berichterstattung alle Fraktionen des Landtags sowie die weitere Öffentlichkeit dazu eingeladen, sich selbst ein umfassendes Bild von der Arbeit der ehemaligen Stabsstelle Umweltkriminalität zu machen. Dazu wird Akteneinsicht in sämtliche Unterlagen der Stabsstelle seit ihrer Gründung im Jahr 2004 gewährt. Zur Transparenz gehört auch, Sie zu informieren, dass davon bisher nur ein Abgeordneter Gebrauch gemacht hat und einzelne Medienvertreter angefragt haben. Mit Stand heute haben bisher ein Journalist und ein Politiker in die Akten gesehen.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU] – Nadja Lüders [SPD]: Wir machen Ihre Arbeit!)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Landesregierung verstärkt den Kampf gegen Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität mit dieser Neuausrichtung, und auf diesem Weg werbe ich erneut um Ihre fachliche und sachliche Unterstützung.

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Für die SPD erteile ich nun dem Abgeordneten Dahm das Wort.

Christian Dahm (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, wir hätten heute Morgen schon erwartet, dass Sie noch einmal auf die Fragen eingehen, die Sie gestern in der Fragestunde nicht beantwortet haben.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Was Sie uns hier heute Morgen dargelegt haben, war erste Stunde Fachhochschule Verwaltungsrecht. Und: Die aufgezeigten Verwirrungen

(Zurufe von der CDU)

sind nicht durch die Medien erweckt worden, sondern durch Ihre Presseveröffentlichungen und Pressestatements in der Öffentlichkeit. So sind die Irritationen entstanden, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Was Sie hier heute Morgen vorgetragen haben, Frau Ministerin, sind Textbausteine, die Ihnen wahrscheinlich Ihr Haus zusammengestellt hat, und zwar zur Beantwortung der Fragen, die Sie gestern in diesem Haus nicht beantwortet haben.

(Sven Wolf [SPD]: Und das war eine Menge!)

Sie haben damit, wie ich finde – und das sage ich auch ganz deutlich in die Richtung des Kollegen Schick –, die Rechte der Abgeordneten der Opposition und des Parlaments missachtet. Darauf haben wir meiner Meinung nach eine Antwort verdient.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Frau Ministerin, ich bin schon sehr erstaunt über Ihre Führung Ihres Hauses und darüber – wir alle haben gestern Abend und heute Morgen mehrfach das Wort Amtschef gehört –, wie Sie die Verantwortung an Ihren Amtschef delegieren.

Ja, er hat schon eine besondere Rolle in dem gesamten Verfahren. Das will ich hier noch einmal ganz deutlich machen. Ihr Amtschef, heute Staatssekretär, war nämlich seinerzeit Chef des LANUV und unterstand dem Umweltministerium damit in direkter Verbindung, als es um die Aufklärung des Kerosinskandals sowie des Envio-Umweltskandals ging. Insofern ist das eine interessante Verbindung, die wir hier feststellen.

(Zuruf von der CDU: Was wollen Sie denn damit unterstellen? – Bodo Löttgen [CDU]: Das verstehen aber nur Sie!)

Dieser versucht heute also, Ihnen hier den Rücken freizuhalten.

Ich will an dieser Stelle sehr deutlich machen, Frau Ministerin, dass ich es unerträglich finde, dass Sie die gesamte Verantwortung auf Ihr Haus, auf den Amtschef und Ihre Mitarbeiter abwälzen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich finde ein solches Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern Ihres eigenen Hauses unerträglich. Ich finde es zudem unerträglich, dass Sie hier gegenüber der Presse und dem Parlament sagen, das habe man Ihnen so aufgeschrieben. Sie haben die politische Verantwortung in Ihrem Haus. Sie haben die Führung und niemand anderes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir brauchen von Ihnen auch keine Belehrung darüber, was eine Stabsstelle vornimmt. Jeder, der Verwaltungserfahrung hat, weiß, dass eine Stabsstelle keine Ermittlungstätigkeiten vornimmt, dass sie vielmehr eine Koordinationsaufgabe und eine Beratungsfunktion erfüllt. Das brauchen Sie uns heute hier nicht zu erklären, das brauchten Sie uns auch gestern nicht darzulegen. Ich glaube, wer den Unterschied zwischen Stab und Linie kennt, der weiß, welche Aufgaben damit verbunden sind.

Wir wissen mittlerweile, insbesondere nach der „Westpol“-Berichterstattung und den Ausführungen der Staatsanwaltschaft Köln, dass die Stabsstelle wesentlich zur Aufklärung beim Shell-Kerosinleck beigetragen hat, und dafür, glaube ich, sollten wir den Mitarbeitern deutlich danken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Sehr interessant!)

Und die Kernfrage bleibt doch – das haben Sie heute angerissen, gestern übrigens nicht beantwortet – die nach der letzten Akte, die die Stabsstelle bearbeitet hat, wie der WDR ja auch recherchiert und Akteneinsicht genommen hat. Sie trug die Aufschrift: „Schweinehaltung Betrieb Schulze Föcking – stern TV“. Auf meine Frage gestern – das will ich sehr deutlich sagen – sind Sie nicht eingegangen. Wer hat diese Akte angelegt? Wann ist sie weitergeleitet worden? Wann ist sie an die Hausspitze weitergeleitet worden? Und was ist damit gemacht worden? Diese Fragen haben Sie gestern und heute auch nicht beantwortet, Frau Ministerin. Insofern werden wir weitere Fragen hierzu stellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU)

Hier wird doch eins deutlich, nämlich die Verquickung der persönlichen Familienverhältnisse auf Ihrem Schweinehof mit Ihrem Amt. Das, glaube ich, ist unwürdig.

(Zurufe von der CDU: Unglaublich! Unverschämtheit!)

Auch der zeitliche Zusammenhang zwischen der Auflösung der Stabsstelle …

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

– Ja, Herr Hovenjürgen, Sie sind ja gleich dran. Darauf freue ich mich schon.

Der zeitliche Zusammenhang

(Weitere Zurufe von der CDU)

ist doch nicht wegzureden!

(Zurufe von der CDU: Doch! Doch!)

Wem wollen Sie das eigentlich erklären, dass Sie erst von der Akte am 11. April 2018, knapp ein Jahr später, erfahren haben? Das glaubt doch – zumindest in unseren Reihen – kein Mensch, Frau Ministerin. Das will ich mal ganz deutlich sagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Und wenn, dann ist es traurig!)

– Ja, traurig vielleicht, wenn die anderen das glauben.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir dürfen hier festhalten, dass von Ihrer Seite kein Aufklärungswille besteht. Sie haben kein ernsthaftes Interesse, diese Vorgänge rund um diese Stabsstelle, rund um die vielen Fragen, die hier aufgeworfen werden, aufzuklären – in keiner Weise.

(Zurufe von der CDU: Was sollen wir noch machen?)

Ich sage hier ganz deutlich für unsere Fraktion: Frau Ministerin, in Ihre Amtsführung haben wir kein Vertrauen. Ich will es noch deutlicher sagen: Wir haben ein deutliches Misstrauen.

Ich glaube auch, dass Sie durch diese wirren Aussagen hier im Parlament, die Nichtbeantwortung der Fragen gestern, die Äußerungen in der Presse mittlerweile eine deutliche Belastung für diese Landesregierung darstellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der FDP)

Ich sage auch: Ja, wir werden die weitergehenden Rechte prüfen, werden durchaus auch das Angebot auf Akteneinsicht wahrnehmen.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Ah, ah, ah! – Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Weitere Zurufe)

– Ich verstehe Ihre Empörungshysterie nicht. Zunächst werden die Fragen im Parlament beantwortet und nicht im Ministerium, meine Damen und Herren. Das ist doch das Entscheidende, das ist doch der Unterschied!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich sage aber auch für die SPD-Fraktion: Auch nach den nicht beantworteten Fragen hier heute Morgen und dem fehlenden Aufklärungswillen werden wir weitere Prüfungen vornehmen. Ich sage Ihnen ganz deutlich, Frau Ministerin: Ich glaube, Sie sind näher an einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, als Sie glauben. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Nach dem Abgeordneten Dahm von der SPD-Fraktion spricht jetzt für die CDU-Fraktion Herr Kollege Hovenjürgen.

Josef Hovenjürgen (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dahm, was war das denn? Erst diffamieren und dann informieren – oder wie wollen Sie vorgehen?

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Ihr Auftritt macht schon sprachlos.

(Christian Dahm [SPD]: Das glaube ich!)

Sie fordern also die Ministerin auf, sich nicht hinter ihren Mitarbeitern zu verstecken etc., die Vorwürfe waren mal wieder lang. – Sie haben offensichtlich der Rede der Ministerin nicht wirklich gelauscht. Aber wenn Sie diesen Vorwurf gegen die Ministerin erheben: Sie haben einen Kollegen Jäger in Ihren Reihen. Wissen Sie, was der in seiner Amtszeit die ganze Zeit gemacht hat? Sich hinter seinen Mitarbeitern versteckt für alles, was er zu verantworten hatte!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Ministerin hat sich übrigens vor ihre Mitarbeiter gestellt und die qualitative Arbeit ihrer Mitarbeiter gelobt. Ich weiß nicht, ob Sie das gehört haben.

Ich weiß auch nicht, ob Sie gehört haben, dass die Ministerin Ihnen vorgetragen hat, dass die von Ihnen überhöhte Stabsstelle mit nur einer Person ausgestattet und am Ende diese Person überwiegend mit Greifvogelproblematiken beschäftigt war.

Dass die gesamte fachliche Breite der Umweltkriminalität in dieser Stabsstelle überhaupt nicht mehr abgedeckt wurde, ist Ihre Verantwortung, ist die Verantwortung eines Umweltministers Remmel, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist der Zustand, den die Ministerin vorgefunden hat. Es ist beschämend und es erinnert an eine Schmierenkomödie, was Sie hier aufführen. Herr Kutschaty, Sie haben die Möglichkeit, gleich an den Pult zu treten und zu erklären, wie Sie zu Ihrer Einschätzung, die Sie zum damaligen Schreiben, heute in der „Rheinischen Post“ zitiert, gebracht haben, gekommen sind. Es wäre schon von Interesse zu wissen, was denn der Vorfall war und warum Sie in dieser Form sehr deutlich gesagt haben, dass Sie sich die Einmischung verbieten.

(Thomas Kutschaty [SPD]: Nee, nee, nee!)

– Doch, so habe ich das interpretiert. Sie können es ja richtigstellen, Herr Kutschaty.

(Zuruf von der SPD: Sie interpretieren, bevor Sie sich informieren!)

Sie sind gerne aufgefordert, das zu machen. Sie haben auf die Unabhängigkeit der Justiz hingewiesen, und damit hat es offensichtlich den Versuch einer Einflussnahme auf dieselbe gegeben. Anders kann ich das nicht interpretieren.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Thomas Kutschaty [SPD])

Anders kann ich das nicht interpretieren!

(Zuruf von der SPD: Informieren Sie sich, bevor Sie interpretieren!)

Also, was haben wir angetroffen? Eine nicht ausreichend besetzte Stabsstelle, die dem, was Sie ihr zubilligen, nicht mehr nachkommen konnte, weil das eine Person gar nicht leisten konnte. Das hat die Ministerin dazu gebracht, die Arbeit dieser Stabsstelle so zu organisieren, dass sie – fachlich unterfüttert – im Hause geleistet werden kann. Das ist dankenswerterweise ein guter Schritt gewesen; es ist ein guter Schritt für die Bekämpfung von Umwelt- und Verbraucherkriminalität gewesen, meine Damen und Herren. – Deswegen noch einmal: Ich glaube, die Ministerin hat es sehr deutlich gemacht.

Wer aber an einer ehrlichen und, sagen wir mal, menschlich anständigen Aufarbeitung interessiert ist, der hätte die Angebote der Ministerin auf Akteneinsicht angenommen.

(Zuruf von Frank Müller [SPD])

Ich erspare mir übrigens, auf die Redebeiträge von Herrn Seifen und von Herrn Pretzell einzugehen. Ich wundere mich auch, dass Herr Pretzell heute überhaupt hier ist.

(Michael Hübner [SPD]: Brüssel hat geschlossen heute!)

Nichtsdestotrotz ist es wohl dankenswerterweise auch vom ganzen Haus so empfunden worden, dass das zwei unsägliche Redebeiträge waren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich sage auch noch mal: Herr Seifen, was Sie an Ungebührlichkeiten und Niedertracht

(Lachen von der AfD)

In Ihrem Redebeitrag abgeliefert haben …

(Roger Beckamp [AfD]: Er hält Ihnen den Spiegel vor! So sieht es aus!)

– Wissen Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen und dabei die Wortbeiträge abspielen lassen,

(Roger Beckamp [AfD]: Erzählen Sie mal!)

dann müsste es Ihnen kalt den Rücken herunterlaufen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Noch einmal zusammengefasst: Die Ministerin hat sehr deutlich gemacht, wie verantwortlich sie in Sachen Verbraucherschutz in ihrem Haus vorgegangen ist.

Und Sie haben sehr deutlich gemacht, dass Sie an Aufklärung kein Interesse haben, sondern an Skandalisierung. Das haben Sie, Herr Dahm, gerade gegen Ende Ihrer Rede zusammengefasst, indem Sie sagten, dass Sie sich jetzt vielleicht doch mal die Akten anschauen werden.

Meine Damen und Herren, wer Recherche nicht betreiben will,

(Christian Dahm [SPD]: Erst wird das Parlament hier informiert!)

weil die Diffamierung und Beschädigung von Personen das eigentliche Ziel des Handelns ist, der macht deutlich, was er eigentlich bezwecken wollte: nicht aufklären, sondern die Beschädigung von Personen, Diffamierungen und definitiv nicht, den Verbraucherschutz zu stärken – das ist das, was wir heute erlebt haben.

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Das ist bedauerlich. Aber wir unterstützen die Ministerin weiter bei ihrer sachgerechten und fachlich guten Arbeit. Im Übrigen: Fachlichkeit ist in einem Ministerium kein Geschmäckle, sondern aus unserer Sicht Voraussetzung, um einen erfolgreiches Haus zu führen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn wir dazu kommen, dass eine Ministerin mit fachlicher Kompetenz sich dafür entschuldigen muss, dass sie sich ihre Erfahrungen mit eigenem Handeln und im eigenen Betrieb erarbeiten konnte und diese Fachkompetenz nun in ihr Amt einbringen kann, und dabei die gesamte Familie mit in Haftung genommen wird, dann muss ich sagen, dass ich mich für die politische Kultur in diesem Land schäme. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Kollege Rüße.

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, hier im Raum besteht nicht wirklich Klarheit darüber, was die Aufgabe einer Stabsstelle ist

(Daniel Sieveke [CDU]: Oh!)

und wie im Unterschied dazu etwas in Abteilungen bearbeitet wird.

(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

Ich will ganz deutlich sagen: Mich persönlich interessieren die Akten der Stabsstelle viel weniger

(Zuruf von der CDU: Ach! – Dietmar Brockes [FDP]: Das ist Skandalisierung!)

als eine Akte aus dem Ministerium, in der ich mal nachvollziehen könnte, warum und wieso Sie diese Stabsstelle aufgelöst haben. Wo ist denn der Vermerk?

(Beifall von den GRÜNEN)

Wo ist denn der Vermerk, dem man entnehmen könnte: Das und das sind die Gründe; auf diese Weise habe ich entschieden. – Diesen Vermerk müssten Sie uns vorlegen.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Quatsch! Das ist doch Unsinn!)

Die Frage, was die Stabsstelle bearbeitet hat, ist hinreichend geklärt.

(Zurufe von der CDU und der FDP – Bodo Löttgen [CDU]: Das ist ja unglaublich!)

Es ist längst erwiesen, dass es ungefähr eine Drittelung der Fälle gab und dass es eben nicht – wie Sie zunächst behauptet haben – nur noch um die Verfolgung von Greifvogeljagd gegangen wäre. Es war viel mehr.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dass sich in einer Stabsstelle im Zeitverlauf die Schwerpunkte verlagern, ist doch völlig klar. Große Umweltskandale, die es gab – zum Beispiel bei Envio – tauchen in manchen Jahren auf; dann ist das ein Schwerpunkt. In anderen Jahren ist das weniger; dann ist vielleicht die illegale Greifvogeljagd Schwerpunkt. So verläuft es, und deshalb müssen Sie das Gesamtbild der letzten Jahre heranziehen, und da wird klar, welche wichtige Arbeit diese Stabsstelle geleistet hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Noch etwas dazu, wo Reibungen hinsichtlich der polizeilichen Ermittlungsarbeit aufgetreten sind. Ich kann nur sagen: Wenn es diesen Brief denn gegeben hat, ist er ja ein Hinweis darauf, wie aktiv diese Stabsstelle war!

(Beifall von den GRÜNEN – Arndt Klocke [GRÜNE]: So ist es! Genauso ist es!)

Das ist ja ein Beleg dafür!

(Christof Rasche [FDP]: Gewaltenteilung ade!)

Natürlich gibt es – das müssen Sie doch wissen – immer wieder Reibungen und auch kleinere Überschneidungen, und dann wird das geklärt.

(Christof Rasche [FDP]: Gewaltenteilung ade! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

– Das ist ja spannend! Der Bund Deutscher Kriminalbeamter, also die Polizei, hat ausdrücklich kritisiert, dass Sie die Stabsstelle auflösen wollen. Er hat gesagt, dass diese Stabsstelle gute Arbeit leistet.

(Beifall von den GRÜNEN – Christian Dahm [SPD]: So ist das!)

Wenn die Polizei also dagegen wäre, wäre dieser Kriminalbeamte an der Stelle wohl anderer Meinung.

Frau Schulze Föcking, insgesamt hat mich das, was Sie hier erneut und auch gestern vorgetragen haben, null überzeugt. Das war gar nichts. Sie haben Ihre Chance wieder vertan, wirkliche Aufklärung zu betreiben.

(Zuruf von der SPD: Wie auch?)

Sie haben Ihr Grundprinzip beibehalten: Sie sagen nichts, Sie haben nichts gehört, und Sie haben für nichts Verantwortung.

(Bodo Löttgen [CDU]: Hatten Sie den Kopfhörer auf?)

Das geht als Ministerin nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meiner Meinung nach treten Sie als Ministerin wie eine Gutsherrin aus dem 19. Jahrhundert auf.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Sie sollten aber wie eine Politikerin im 21. Jahrhundert auftreten.

(Beifall von den GRÜNEN – Minister Karl-Josef Laumann: Das stimmt nicht! – Minister Herbert Reul: Das ist eine Frechheit! – Rainer Schmeltzer [SPD]: „Frechheit“ sagen, aber lachen!)

Ich will daran erinnern: Sie haben gestern selbst simpelste Fragen nicht beantworten können. Die Kollegin Brems hat nach „ja“ oder „nein“ gefragt – eine Ja-oder-Nein-Frage konnten Sie nicht beantworten, sondern Sie haben wieder drumherum geschwurbelt. Das macht einen sprachlos.

(Christof Rasche [FDP]: Dann müssen Sie aufhören!)

Sie haben anscheinend keinen Plan, wohin Sie mit Ihrem Ministerium wollen. Anders kann man auch wirklich nicht erklären, warum Sie keinen Vermerk vorlegen können. Es scheint in der Tat irgendwie mal im Gespräch geklärt worden zu sein: Die Stabsstelle hauen wir mal weg. – Sie gehen im Ministerium nicht planvoll vor, und Sie wissen anscheinend selbst gar nicht genau, was da passiert.

Im Nachgang sind dann andere verantwortlich. Da ist dann das LANUV schuld, das Sie nicht richtig informiert hat, dann ist es der Staatssekretär, der die Verantwortung hat, und nicht Sie. Aber Sie sind der Kopf des Ministeriums. Sie tragen für alles, was im Ministerium passiert, die politische Verantwortung. Dazu sollten Sie sich endlich auch mal bekennen!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Am erstaunlichsten finde ich: Wenn Sie sagen, dass Sie die Umweltkriminalität viel besser und stärker verfolgen, dann legen Sie uns doch mal ein zwei- oder dreiseitiges Papier vor – das es ja längst geben muss –, in dem Sie erklären, wie Sie das zukünftig machen werden.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Es gibt doch keine Papiere mehr im Haus!)

Aber da ist ja nichts zu finden. Es gibt im Geschäftsverteilungsplan des Ministeriums nichts mehr. Es ist im Ausschuss nichts dazu gesagt worden. Sie haben uns auch hier im Plenum nichts dazu sagen können.

Das, was ich jetzt im ersten Amtsjahr von Ihnen erlebt habe – ich kann es nicht anders sagen –, macht mich sprachlos und lässt einem wirklich die Haare zu Berge stehen. Ich fühle mich hier als Abgeordneter völlig unzureichend informiert.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

In der Presse heute Morgen geht es auch wieder um die Frage, ob Sie vielleicht doch noch weiter an dem landwirtschaftlichen Betrieb beteiligt waren.

(Bodo Löttgen [CDU]: Spekulation!)

Ich merke, ich habe gar kein Vertrauen mehr in das, was Sie sagen. Ich frage mich dann, ob Sie mich an der Stelle auch schon wieder falsch informiert haben. Haben Sie die Ministerehrenkommission falsch informiert? Ihre Glaubwürdigkeit ist wirklich ziemlich weit nach unten gesackt. Sie ist eigentlich nicht mehr vorhanden.

Mein Eindruck ist, Frau Schulze Föcking: Sie haben ein völlig falsches Verständnis von Ihrem Amt als Ministerin. Sie scheinen das mehr als eine Art Präsidentschaft zu sehen. Sie sitzen da irgendwie einem Gremium vor und delegieren mal ein bisschen. Das ist nicht Ihre Aufgabe.

Zur Stabsstelle hätten Sie uns, finde ich, umfassender informieren müssen. Sie hätten sofort informiert sein müssen. Sie hätten auch mal ein Gespräch mit den Mitarbeitern führen können. Das haben Sie anscheinend nie gemacht. Erklären Sie mir doch mal, was Ihre Arbeit ist! Danach bewertet man das.

Sie sagen, die 600 Seiten hätten Sie nicht lesen können. – Ich glaube, Ihre Vorgänger hätten sich nachts 50 Akten genommen …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Norwich Rüße (GRÜNE): … und hätten mal reingeguckt und nicht gesagt: „Das LANUV hat mir das nicht richtig zusammengestellt.“

(Bodo Löttgen [CDU]: Die Vorgänger haben zugelassen, dass die Stabsstelle am Rande der Legalität tätig war!)

Ich habe keinerlei Vertrauen mehr. Ich habe auch wirklich keine Hoffnung mehr,

(Zurufe von der FDP: Oh!)

dass Sie uns noch Rede und Antwort stehen und uns wirklich an der Stelle aufklären.

Nach dem, was Sie hier jetzt an Auftritten geleistet haben, kommen wir aus meiner Sicht an einem PUA nicht vorbei, wenn Sie nicht bereit sind, wirklich Butter bei die Fische zu geben und endlich Aufklärung zu betreiben. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Nach Herrn Abgeordneten Rüße spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Höne.

Henning Höne (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese gesamte Aktuelle Stunde, die gestrige Fragestunde und auch die gesamte Argumentation der Opposition stehen doch in Wahrheit auf Treibsand, und zwar aus zwei ganz wesentlichen Gründen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist einmal die Frage, wie überhaupt die Arbeit der ehemaligen Stabsstelle bewertet wird, und das ist die Frage Ihrer vermeintlichen Skandalisierung einer Zeitschiene. Auf beides will ich noch einmal kurz eingehen.

Kollege Stinka hat eben in Bezug auf die Arbeit dieser Stabsstelle von einem Skandal gesprochen, von weiteren Skandalen rund um die Ministerin. – Herr Kollege Stinka, das Einzige, was Sie damit meinen können, sind ja wohl die gewerbsmäßigen Einbrüche auf dem Hof der Ministerin,

(Beifall von der FDP und der CDU)

die Bedrängung der Familie der Ministerin. Die Tatsache, dass perfide geplant selbsternannte Tierrechtler auf Höfen einbrechen, Angst und Schrecken verbreiten und mit diesen Bildern dann auch noch Geld verdienen, das ist doch der eigentliche Skandal!

(Beifall von der FDP und der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Aber die Bilder gab es?)

Ich zitiere gerne noch einmal die Staatsanwaltschaft, die sich das ganze ja nach den damaligen Debatten dazu auch angeguckt hat: „nicht ansatzweise Fehlverhalten erkennbar“. – Zitat Ende.

(Minister Karl-Josef Laumann: So ist es!)

Also können wir doch diesen Bereich schon einmal verlassen.

Was mich doch sehr wundert, ist, wie dann jetzt hier ein Brief innerhalb eines Kabinettes einer Koalition vom Justizminister an den Umweltminister kleingeredet wird, mit dem der eine Ressortchef den anderen Ressortchef auf die Gewaltenteilung hinweisen muss. Herr Kollege Dahm, da geht es gar nicht um die Frage: öffentliche Verwaltung, erstes Semester. Das sind Grundlagen des Staatsorganisationsrechts, die da schriftlich zwischen den Ressorts ausgetauscht wurden!

(Lebhafter Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist doch nicht normal. So einen Brief, Herr Kutschaty, können Sie doch nicht als normal und als gängiges Geschäft der Verwaltung bezeichnen und sagen, das sei halt mal so, dass man als Justizminister hin und wieder auch auf die Grundsätze der Gewaltenteilung der demokratischen Verfasstheit des Staates hinweisen müsse.

Die Wahrheit ist doch übrigens auch: Eine solche Stabsstelle hätte sich doch niemals so weit aus dem Fenster gelehnt, dass so ein Brief notwendig wird, ohne die Rückendeckung der alten Hausspitze, Herr Kollege Remmel. Schöne Grüße auch an Sie in dieser Frage!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dann kommen wir zur Zeitschiene. Auch darauf baut ja im Wesentlichen Ihre Argumentation hier auf, so nach dem Motto: Da wurde eine Akte angelegt, und danach kam dann die Abschaffung.

(Minister Karl-Josef Laumann: Ja!)

Hätten Sie von dem Angebot Gebrauch gemacht, selber Akteneinsicht zu nehmen, hätten Sie das ja selber noch einmal nachlesen können. Der Zeitablauf war ein anderer. Die Tatsache, dass Sie nicht Gebrauch gemacht haben von dem Angebot des Hauses, von dem Angebot der Ministerin, Akteneinsicht zu nehmen, zeigt noch einmal, worum es Ihnen hier in Wahrheit geht. Sie wollen erst einmal möglichst viel Dreck aufheben und schmeißen in der Hoffnung, dass irgendwie schon etwas kleben bleibt, ob der von Ihnen skizzierte Zeitablauf nun zutrifft oder eben nicht.

Dann geht es weiter, Herr Kollege Rüße, weil Sie auch auf aktuelle Berichterstattungen des WDR hinweisen. Dazu will ich mal ganz grundsätzlich sagen: Wenn man sich mal etwas genauer die Berichterstattung zu diesem gesamten Bereich anguckt, insbesondere vom WDR, stößt man schon auf verdammt viele Fragezeichen, aber nicht solche, die ich nach dem Lesen habe, sondern die in den Texten des WDR auftauchen,

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das ist aber dünnes Eis! Jetzt ist das Fernsehen schuld! Aha!)

weil da vermutet wird, weil da gemutmaßt wird: hätte, könnte, vielleicht, müsste dann so sein.

Herr Kollege Rüße, Sie haben ja noch einmal die Eigentumsverhältnisse angesprochen. Ich glaube, Herr Kollege Stinka hat das auch angesprochen. Ich empfehle Ihnen zum Beispiel den Umweltinspektionsbericht des Kreises Steinfurt vom Februar dieses Jahres. Sie kommen ja aus dem Kreis Steinfurt, Herr Kollege Rüße. Schauen Sie doch mal rein!

(Bodo Löttgen [CDU]: Hat er nicht nötig!)

Der ist online abrufbar. Darin wird alles das, was im WDR heute über die Eigentumsverhältnisse des Hofes gemutmaßt wird, klargestellt, aber nicht so, wie es der WDR sagt, sondern genau andersherum. Der Ehemann führt den Betrieb, so wie es die Ministerin von Anfang an auch immer angegeben hat. Aber es galt dann auch wohl hier das Motto: Erst einmal Schlagzeile, erst einmal Skandalisierung, ein bisschen was wird schon irgendwie hängenbleiben.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von der CDU: Genau so!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diffamieren, erst einmal Dreck werfen, nachtreten – vom eigentlichen Thema der Umweltkriminalität sind wir mittlerweile meilenweit entfernt. Und das sind wir, weil Sie auf parteipolitische bzw. parteitaktische Geländegewinne hoffen und noch dazu irgendwie versuchen müssen, zwei Ex-Minister in Ihren eigenen Reihen zu schützen, sie ein bisschen herauszuhalten und deren doch durchaus dubiose Rolle dabei herunterzuspielen. Unser Verständnis von Politik ist ein anderes.

(Lebhafter Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Kollege Höne. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Wagner.

Markus Wagner (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, Frau Düker hat zu Beginn dieser Aktuellen Stunde bereits festgestellt, dass die vier Parteien der heiligen Vierfaltigkeit aus CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen das kriminelle Eindringen in Ihre Privatsphäre verurteilt haben und Ihnen ihre Solidarität versichert haben.

Ich möchte an dieser Stelle betonen und feststellen, dass ich in einem persönlichen Gespräch mit Ihnen die Solidarität der AfD-Fraktion zum Ausdruck gebracht und das kriminelle Eindringen in Ihre Privatsphäre verurteilt habe.

(Michael Hübner [SPD]: Dann gratuliere ich aber ganz herzlich zu der Solidaritätsbekundung!)

Meine Vorredner haben Ihnen bereits ziemlich ordentlich die Leviten gelesen. Sie haben in der letzten Fragestunde falsche Behauptungen aufgestellt, und das geht natürlich gar nicht. Aber warum soll ich dafür als was-weiß-ich-wievielter Redner auch noch auf Sie einprügeln, zumal die Grünen Sie hier aus ganz anderen, durchsichtigen Motiven angehen? Die mögen Landwirte wie Sie ohnehin nicht so gerne. Die wollten Ihren Rücktritt am liebsten schon vor Ihrem Amtsantritt.

Ich hoffe für Sie, dass das nur ein bitterer Zufall war: Sie sind erstaunlicherweise über Ihre eigene Partei gestolpert. Von zwölf Fragen in der mündlichen Befragung stammten elf von den Grünen – die haben Sie ja sowieso auf dem Kieker. Reingefallen sind sie aber vor allem auf die einzige Frage aus Ihren eigenen Reihen, auf die Ihres CDU-Kollegen Deppe.

(Heiterkeit von den GRÜNEN – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Das ist schon etwas – jetzt will ich mal ganz vorsichtig sein – bemerkenswert Merkwürdiges. Ich habe zwar bisher keinen Anlass, Ihnen bei Ihren Falschaussagen Vorsatz zu unterstellen, und diesen Eindruck machen Sie auf mich auch nicht. Aber entweder haben Sie nicht die richtigen Stichwortgeber als Mitarbeiter oder derjenige hatte einen schlechten Tag oder Sie haben einen unfähigen Amtsleiter.

(Zuruf von Stefan Kämmerling [SPD])

Wie dem auch sei – Sie müssen die Verantwortung nach außen dafür übernehmen und vor allem nach innen schleunigst die Arbeitsprozesse in Ihrem Hause optimieren. Oder es gibt Heckenschützen in Ihrem Hause? Dann haben Sie ein weniger einfach lösbares Problem, Frau Schulze Föcking.

(Zuruf von der SPD: Sie mögen sich aber, oder?)

In Rücktrittsgeschrei will ich wegen so einer einmaligen – oder vielleicht auch mehrmaligen – Fehlleistung jedenfalls noch nicht verfallen, aber über einen Untersuchungsausschuss muss man langsam mal nachdenken –

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Da sind wir dabei!)

zumal heute bei WDR 5 die Nachricht auftauchte, dass Sie bei Ihrem Eintritt in die Regierung durchaus noch an Ihrem Schweinemastbetrieb beteiligt waren.

(Bodo Löttgen [CDU]: Das ist Schwachsinn! – Markus Diekhoff [FDP]: Schwachsinn!)

Ich erwarte dahin gehend Transparenz und eine klare, nachvollziehbare Aussage Ihrerseits, ob dem so war oder nicht.

(Bodo Löttgen [CDU]: Es trifft nicht zu! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Was Sie alles wissen, Herr Löttgen!)

Ich will mich noch auf ein paar andere Aspekte konzentrieren. Es ist hier zu Recht davon gesprochen worden, dass es so etwas wie einen Geist des Parlaments, des Parlamentarismus gibt. Dazu gehört selbstverständlich auch: Vor dem Parlament lügt man nicht. – Allerdings – und das muss ich Ihnen nach einem Dreivierteljahr im Haus sagen –, klingt für mich dieses Beschwören des Geistes des Parlaments doch etwas hohl; denn zu diesem Geist, zu den geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen gehören noch ganz andere Dinge.

Alle, die sich heute so moralisch und voller Pathos gegen Frau Schulze Föcking bemühten, haben diesen Geist im letzten Dreivierteljahr wieder und wieder verletzt und missachtet.

Ich erinnere nur daran, dass wir als AfD nicht die üblichen Räumlichkeiten bekamen, dass kein Vizepräsident unsere Wähler im Landtag repräsentieren darf, dass wir nicht dem Beirat des Härtefallfonds angehören dürfen. Dazu gehören auch die stillosen Berichterstattungsgespräche zum Haushalt, Ihr Verhalten zum Einzelplan 01, die Ungleichbehandlung unserer Stiftung, die unwürdige Wahl der Verfassungsrichter oder auch Ihre Nacht-und-Nebel-Aktion, um sich eine Erhöhung der Abgeordnetenmitarbeiterpauschale um sage und schreibe 89 % zuzuschanzen.

(Zuruf von Henning Höne [FDP] – Rainer Schmeltzer [SPD]: Heißt das, dass Sie grundsätzlich nicht mehr zum Thema reden?)

All das, meine Damen und Herren, hat mit der Würde des Hauses, dem Geist des Parlaments nichts zu tun.

Im Gegenteil: Sie von den alten Fraktionen zerstören diesen Geist. Aber in Ihrer dreisten Haltet-den-Dieb-Attitüde wollen Sie daran natürlich nicht erinnert werden. Es ist schon eine feine Ironie dieser Geschichte, dass Sie uns durch den CDU-Abgeordneten Kerkhoff ausrichten ließen, wir würden den parlamentarischen Rasen – eine etwas unübliche Metapher –, also den parlamentarischen Geist zerstören. Er sagte uns das übrigens just an dem 21. März, als seine Parteikollegin hier die Unwahrheit sagte, über die wir heute sprechen müssen.

Es ist also nicht nur Ministerin Schulze Föcking – von der wir noch nicht wissen, ob der Ministerpräsident ihr gegenüber loyal bleibt –, die man an den Geist des Parlamentarismus erinnern kann. Es wäre schön, wenn auch die, die die Ministerin heute an ihn erinnert haben, sich auch selbst dessen in ihrem alltäglichen Handeln erinnerten. – Schönen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Nach Herrn Abgeordneten Wagner spricht jetzt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Stinka.

(Dietmar Brockes [FDP]: Wieder nicht der Fraktionsvorsitzende! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Erst, wenn Sie gesprochen haben, Herr Brockes!)

André Stinka (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hovenjürgen hat vorhin einen Satz gesagt, der die ganze Dramatik dieser Entscheidung noch mal deutlich macht: Nun überhöht nicht die Stabsstelle Umweltkriminalität! – Das ist doch die Aussage die dahinter steckt: Sie soll aufgelöst werden, damit nicht zentral Umweltkriminalität verfolgt werden soll. Das ist doch der Punkt, den es aufzuklären gilt.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Henning Höne [FDP])

– Herr Höne, wenn Sie von Treibsand reden: Ich glaube, die Ministerin steht selbst auf Treibsand, und auch die Fundamente, die Sie versuchen, einzuziehen, werden ihr nicht helfen.

(Henning Höne [FDP]: Suchen Sie sich doch eine eigene Metapher!)

Wenn Sie jetzt plötzlich von Ihrer Transparenz- und Charmeoffensive sprechen und davon, wir könnten uns jetzt Akten im Ministerium angucken, dann sage ich: Ich bin Parlamentarier.

(Christof Rasche [FDP]: Ihr habt das doch gefordert!)

Wir haben im April dieses Jahres konkrete Fragen gestellt, zu denen gestern keine Antwort erfolgt ist. Wir laufen nicht ins Ministerium und machen damit das Parlament klein, Herr Höne. Das tun wir auf keinen Fall.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der SPD: Hier ist das Parlament! – Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Wenn darauf keine Antwort erfolgt und bei der Nachfrage, was die Ministerin dazu bewogen hat, die Stabsstelle aufzulösen, der Fall konstruiert wird, sie hätte etwas in einer Personalakte gefunden,

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

dann komme ich noch einmal auf Herrn Höne zurück:

Ich habe auch Verwaltung gelernt. Ich wäre ausgelacht worden, wenn ich meinen Vorgesetzten gesagt hätte, man löse eine Verwaltung auf, indem man in eine Personalakte gucke. Das wollen Sie uns doch nicht hier in diesem Haus erzählen, meine Herren!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben als Parlamentarier im April dieses Jahres dezidierte Fragen gestellt: Wie ist die Entscheidung zustande gekommen? Welche Akten wurden dann aufbereitet? Und heute sollen wir, nachdem im Oktober 2017 die Anordnung zur Auflösung der Stabsstelle erfolgt ist, Monate später glauben, dass alle Akten im Zimmer 13 im Ministerium liegen? Sagen Sie einmal, ziehen Sie sich die Buchse mit der Kneifzange an, Kolleginnen und Kollegen?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das Problem ist, dass die Ministerin seit Amtsantritt nicht erkennt, dass sie in einer anderen Rolle ist als in der Rolle der CDU-Sprecherin für Landwirtschaft.

Herr Höne und ich waren gemeinsam im Kreistag. Sie wissen sehr wohl: Wenn es um Dinge gegangen wäre, die ein Kreistagsmitglied betreffen würden, dann würde derjenige herausgehen.

Wir haben im Ausschuss erlebt, dass die Ministerin den Brief ihres Mannes zitiert und sagt, sie sei unabhängig. Das kann auch keiner glauben, Herr Höne. Das hätte auch keiner getan.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Henning Höne [FDP])

Wenn ich alles das zusammenfasse, muss ich sagen: Das Problem der Ministerin ist doch, dass sie nicht erkennt, wie sie handelt. Denn dass es immer wieder zu Nachfragen kommt, ist doch ihrer Arbeit und ihrer Argumentation zu schulden. Sie löst eine Stabsstelle auf, kann aber gestern nicht erläutern, wann sie mit wem darüber gesprochen hat. Eine solch weitreichende Entscheidung wird doch nicht in der Kopierstelle getroffen. Das muss die Ministerin tun.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es vermittelt ja ein tragisches Bild. Und wenn sie nicht wusste, dass die Kopierstelle diese Stelle auflöst, lässt das tief blicken, was die Führungsqualitäten der Ministerin angeht. Dann kommen wir wieder zum Treibsand, Herr Höne.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Matthias Kerkhoff [CDU]: Was nicht passt, wird passend gemacht!)

Deswegen, Herr Höne und CDU-Kolleginnen und ‑Kollegen, ziehen alle ihre Nebelkerzen und gefundenen Briefe eines Justizministers nicht. Der Justizminister hat nach Geschäftsordnung darauf zu achten, dass Kolleginnen und Kollegen im Kabinett sich so verhalten, dass es nicht justiziabel ist. Und das hat Herr Kutschaty gemacht.

(Zurufe und Lachen von der CDU und der FDP)

Ich hätte Sie einmal hier erleben wollen, wenn Herr Kutschaty das nicht getan hätte. Dann hätten Sie das auch kritisiert. Insofern hat er seine Amtspflichten erfüllt.

(Zurufe von der CDU)

Wir erwarten – das sage ich abschließend – kein lautes Gelächter, sondern, dass das Parlament gestärkt wird und dass das Parlament das Recht hat, die Ministerin zu fragen. Bleiben die Antworten aus, wird es einen Untersuchungsausschuss geben. Dort werden wir die Fragen stellen. Dann werden wir sehen, wie weit wir damit kommen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Kollege Stinka. – Weitere Wortmeldungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen gegenwärtig nicht vor. Ich gucke aber vorsichtshalber in die Runde. – Das bleibt auch so. Dann können wir gemeinsam den Tagesordnungspunkt 1, die Aktuelle Stunde, verlassen.

Ich rufe auf:

2   Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen – Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2351

erste Lesung

Als erster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Reul das Wort.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind als neue Landesregierung mit dem Versprechen angetreten, dass wir das Vertrauen in den Rechtssaat wiederherstellen wollen und die Sicherheit verbessern wollen.

Die Eingriffsbefugnisse des Polizeigesetzes sind hierbei ein ganz zentraler Punkt. Die offensichtlichen Unzulänglichkeiten des bisherigen Gesetzes wurden nämlich über Jahre von der Polizeibasis kritisiert. In den Behörden gab es große Unzufriedenheit. Aber das wurde immer ignoriert.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben jetzt eine erste umfassende Änderung des Polizeigesetzes vorgelegt, um damit die Handlungsfähigkeit der Polizei für die Zukunft zu sichern. Ich will hinzufügen: Das war auch ein sehr intensiver Diskussionsprozess zwischen den Koalitionsfraktionen, weil es schwierig ist, hier abzuwägen und das richtige Maß zu finden. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir das in einem sehr fairen Miteinander gemacht haben.

(Beifall von der CDU)

Diese Veränderungen führen offensichtlich zu größerer Unruhe in Teilen der Öffentlichkeit. Ich habe gesehen, dass heute erstmalig eine Demonstration zu meinen Ehren veranstaltet wird. Ich hätte nicht gedacht, dass ich in meinem Leben so etwas noch erlebe. Ich war auch gerade da und habe versucht, mit den 20 oder 30 jungen Leuten zu diskutieren. In Teilen ist das gelungen, in Teilen nicht.

Aber ich finde schon, dass es sich lohnt, darüber zu streiten und zu diskutieren, weil es um Instrumente geht, die die Polizei braucht, damit sie sicher und vernünftig arbeiten kann, um die Sicherheit der Menschen zu verbessern.

Dazu gehören neben der strategischen Fahndung auch die Telekommunikationsüberwachung. Beides sind wichtige Instrumente und eigentlich längst überfällige Befugnisse, die in diesem Gesetzentwurf enthalten sind.

Unsere Polizei muss der gegenwärtigen terroristischen Gefahr mit klugen und zeitgemäßen Regulierungen entgegentreten können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich sage diese beiden Worte bewusst, weil dieser Vorschlag abgewogen ist und nicht einfach drauflosgeschrieben wurde.

Es geht um Beispiele wie orts- und gebietsbezogene Aufenthaltsgebote bzw. ‑verbote und Kontaktverbote.

Es geht um die Einführung einer strafbewehrten präventivpolizeilichen elektronischen Aufenthaltsüberwachung, also die berühmte Fußfessel.

Es geht um die Ausweitung des Unterbindungsgewahrsams in Fällen einer drohenden Gefahr oder drohenden terroristischen Gefahr oder eines Verstoßes gegen das eben genannte Aufenthaltsgebot bzw. ‑verbot oder Kontaktverbot.

Des Weiteren geht es um die Verlängerung der Gewahrsamsfrist bis zu einem Monat – bis zu einem Monat. Das ist nämlich nicht eine Frist für alle, sondern es sind sehr unterschiedliche Maßnahmen.

Zu den Vorfeldmaßnahmen: Wir haben – ich will darauf hinweisen – dieses Paket mit Augenmaß geschnürt. Im Hinblick auf die viel diskutierten Vorfeldmaßnahmen haben wir uns eng an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in dem Urteil aus dem Jahre 2016 gehalten.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Das stimmt nicht!)

– Dann empfehle ich Ihnen, es einmal genau zu lesen. Ich bin genau wie Sie kein Jurist. Aber es ist klug, erstens genau zu lesen und zweitens mit ein paar Experten zu reden.

Im Gegensatz zu anderen Gesetzen, die in Deutschland an anderer Stelle gemacht werden, bin ich sicher, dass wir die Maßnahmen sehr klug abgestimmt haben. Deswegen sind sie in Bezug auf dieses Urteil auch zurückhaltend.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Sven Wolf [SPD])

Wir haben bei jeder einzelnen Eingriffsbefugnis sorgfältig abgewogen, wie weit diese im Vorfeld gelagert sein darf.

Zum Beispiel haben wir uns dafür entschieden, eine Telekommunikationsüberwachung bei terroristischen Gefahren ausschließlich im Vorfeld einer konkreten Gefahr zuzulassen.

Die elektronische Fußfessel haben wir in erster Linie nur für terroristische Gefährder zugelassen.

Die Überwachung darf nur in wenigen besonderen Ausnahmefällen als Ultima Ratio durchgeführt werden. Bei Sexualstraftätern, Stalkern oder bei häuslicher Gewalt ist das der Fall. Sie wird aber nur dann eingesetzt, wenn kein anderes Mittel mehr greift.

Auch der Unterbindungsgewahrsam wurde nicht pauschal geregelt, sondern es wurden Fallgruppen mit unterschiedlichen Höchstfristen gebildet.

Meine Damen und Herren, ich halte das erarbeitete Sicherheitspaket für eine effektive und auch ausgewogene Grundlage für polizeiliche Arbeit in Nordrhein-Westfalen.

Wenn Sie es mir allein nicht glauben, können Sie doch sicher sein, dass die Konstellation dieser beiden Fraktionen dafür gesorgt hat, dass wir sehr abgewogen haben und uns die Sachen sehr ausgewogen angeguckt haben.

Freiheit und Sicherheit schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Mehr Sicherheit bedeutet auch mehr Freiheit. Das ist die Haltung, die dieser Entwurf der beiden Koalitionspartner auch ausdrückt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Katzidis das Wort.

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der linken Opposition, gestern, als unser Ministerpräsident kurz etwas zum Thema „innere Sicherheit“ gesagt hat, waren Ihre Reaktionen wieder einmal bezeichnend. Offensichtlich leben Sie auch ein Jahr nach Ihrer Abwahl immer noch in Ihrem Paralleluniversum und verdrängen, was die Menschen auf den Straßen nicht nur in Nordrhein-Westfalen wirklich bewegt. Das ist unter anderem das Thema „innere Sicherheit“. Dort besteht dringender Handlungsbedarf, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Frau Kollegin Schäffer, wenn Sie uns vorwerfen, die schwarz-gelbe NRW-Koalition würde rechtsstaatliche Grenzen verschieben, kann ich nur sagen: Es ist Ihr Innenminister gewesen, der sich im Nachgang zum Fall Amri hingestellt und – wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe – gesagt hat: Wir sind bis an die Grenzen des Rechtsstaates gegangen.

Wir verschieben keine rechtsstaatlichen Grenzen. Wir schaffen in einem parlamentarischen Verfahren mehrheitlich die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür, dass unsere Polizei effektiv Gefahren bekämpfen und Terrorabwehr durchführen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Ich komme jetzt einmal zur rechten Seite und zu dem, was Herr Seifen heute Morgen gesagt hat. Er hat uns ja vorgeworfen, wir würden nichts tun; wir hätten viel angekündigt und den Mund relativ voll genommen. – Dazu kann ich nur sagen: Dieser Gesetzentwurf ist ein Quantensprung in der Sicherheitspolitik in Nordrhein-Westfalen. Er ist bereits der vierte Baustein innerhalb eines Jahres.

Damit haben wir in einem Jahr schon mehr gemacht als die rot-grüne Landesregierung in sieben Jahren vorher.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Ich kann Ihnen auch gerne ganz kurz darstellen, was wir alles schon gemacht haben.

Wir haben – das ist der erste Baustein – eine neue politische Führungskultur im Sicherheitsbereich geschaffen. Stichwort: Wertschätzung gegenüber unseren Polizistinnen und Polizisten und keine Misstrauenskultur, so wie es in der Vergangenheit gewesen ist. Null-Toleranz-Politik statt einer weichen Welle in Nordrhein-Westfalen, die es in der Vergangenheit gegeben hat! Das sind die Kerne unserer Politik.

(Beifall von der CDU)

Wir haben – das ist der zweite Baustein – eine massive Verstärkung des Personals jetzt schon auf den Weg gebracht und werden das noch weiter machen. In dieser Legislaturperiode werden wir mehr Stellen schaffen als die Landesregierungen in den letzten 16 Jahren zuvor.

Wir sorgen – das ist der dritte Baustein – für die materielle Ausstattung.

Der Gesetzentwurf, den wir heute einbringen, ist der vierte Baustein.

Alles das geschah innerhalb eines Jahres. Das ist, glaube ich, schon ziemlich viel. Damit wird die zukünftige Situation in Nordrhein-Westfalen eine ganz andere sein als in der Vergangenheit. Nordrhein-Westfalen wird in der Zukunft ganz zweifelsfrei sicherer sein, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Herr Minister Reul hat gerade die Einzelheiten des Gesetzentwurfes dargestellt. Ich möchte sie jetzt nicht noch einmal wiederholen.

Lassen Sie mich nur einen Punkt aufgreifen, bei dem ich die bisherige Situation skandalös finde. Wir reden immer von Terror- und Gefahrenabwehr. Ein Punkt aber wird immer ausgeblendet, nämlich der Opferschutz. Allein im Rahmen von häuslicher Gewalt gibt es jedes Jahr ca. 26.000 Einsätze. Die nordrhein-westfälischen Polizistinnen und Polizisten können Wohnungsverweisungen für zehn Tage gegenüber häuslichen Schlägern aussprechen. Sie können sie aber nur für maximal 48 Stunden in Gewahrsam nehmen. Dann müssen sie wieder herausgelassen werden. Wenn sie sich nicht an die Maßnahme halten, können sie wieder nach Hause gehen.

Das ist, finde ich, ein Skandal. Da müssen wir dringend etwas tun. Auch das beinhaltet der Gesetzentwurf, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Minister Reul hat es dargestellt: Die Zusammenarbeit mit der FDP war sehr konstruktiv und sehr fruchtbar. Dafür bin ich der FDP sehr dankbar. Ich halte diesen Gesetzentwurf auch für eine sehr wohlüberlegte Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit.

Daran, dass die letzte Gesetzesänderung mit diesem Umfang knapp 28 Jahre zurückliegt – sie wurde im Jahr 1990 vorgenommen –, wird doch deutlich, was wir mit diesem Gesetzentwurf in diesem Jahr aufarbeiten, nämlich die letzten 28 Jahre. Insofern besteht dringender Handlungsbedarf.

Auch in der Zukunft wird weiterer Handlungsbedarf bestehen. Das betrifft gerade den gesamten Bereich von IT-Kriminalität, Internet usw. Es geht aber insbesondere auch um die Videoüberwachung im öffentlichen Raum. In Berlin, wo es eine rot-rot-grüne Landesregierung gibt, hat eine repräsentative Umfrage gerade ergeben, dass sich 84 % der Bevölkerung mehr Möglichkeiten und eine Ausweitung der Videobeobachtung im öffentlichen Raum wünschen – die Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, immer hartnäckig verweigert haben. Das werden wir ändern.

(Beifall von der CDU)

Wir machen eine andere Sicherheitspolitik. Wir machen eine neue Sicherheitspolitik. Wir machen eine ganzheitliche Sicherheitspolitik. Nordrhein-Westfalen wird in der Zukunft sicherer sein. Dafür setzt sich die NRW-Koalition ein. Das haben wir im Wahlkampf nicht nur versprochen, sondern wir tun es auch, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Dr. Katzidis. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Ganzke.

Hartmut Ganzke (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass wir uns nach der Rede des Kollegen Katzidis einmal fragen müssen: Worum geht es denn eigentlich?

Es geht hier um die Verabschiedung eines Gesetzes, und zwar keines Gesetzes für 100 oder mehr Gefährder. Das ist kein Gesetz für einige Tausend Salafisten. Es ist auch kein Gesetz für 40.000 Polizistinnen und Polizisten in Nordrhein-Westfalen. Vielmehr ist dieses Gesetz, das hier von der Landesregierung eingebracht wird, ein Gesetz für knapp 18 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner in Nordrhein-Westfalen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb müssen wir ein bisschen mehr tun, als Sie gemacht haben, Herr Kollege Katzidis. Wir müssen hier ein bisschen mehr als Wahlkampfrhetorik machen. Wir müssen uns mit diesem Gesetz einmal befassen – nicht nur heute im Rahmen unserer fünf Minuten, sondern auch hinterher in den Anhörungen und Sachverständigenbefragungen sowie anschließend im Plenum.

Wir müssen uns deshalb auch mit mindestens zwei Themen in diesem Gesetz befassen.

Das erste Thema, das ich jetzt einmal ansprechen will, ist das Thema der drohenden Gefahr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur Gefährder, denen terroristische Angriffe zugetraut werden, nicht nur Anhänger terroristischer Gruppierungen, nicht nur verblendete Anbeter falscher Ideen sind von dieser Änderung des Polizeigesetzes, das Sie, Herr Minister Reul, hier einbringen, betroffen. Nein, jedermann, jede Bürgerin, jeder Bürger in Nordrhein-Westfalen, ist von der Änderung in diesem Polizeigesetz und der Einführung des Rechtsbegriffs der drohenden Gefahr betroffen.

Durch die Einführung des Rechtsbegriffs der drohenden Gefahr kann es zu einer massiven Ausweitung der polizeilichen Befugnisse kommen. Denn ab Verabschiedung dieses Gesetzes soll die Polizei grundsätzlich nicht mehr nur bei einer konkreten Gefahr durch ein konkretes Handeln, sondern auch bei einer drohenden Gefahr eingreifen können.

„Drohende Gefahr“ bedeutet, dass etwas irgendwann möglicherweise einmal gefährlich werden kann. Das ist der Inbegriff und die Definition einer drohenden Gefahr. Aus dem Grunde sind Grundrechte wie die Freiheit der Person, das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen.

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir nicht einfach so darüber hinweggehen wie Kollege Katzidis und sagen: Wir werden alle sicherer sein, und das wird alles anders.

Vielmehr müssen wir uns fragen: Müssen wir diese konkreten Grundrechte, die die Mütter und die Väter des Grundgesetzes damals an den Anfang unserer Verfassung gestellt haben, möglicherweise so weit einschränken, dass Bürgerinnen und Bürger diese nicht mehr wahrnehmen können?

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir können nicht einfach sagen, dass wir das so machen, weil irgendetwas jetzt so ist, sondern müssen intensiv darüber diskutieren.

(Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können es uns auch nicht so einfach machen und sagen: Diejenigen, die sich rechtstreu verhalten, haben ja nichts zu befürchten; derjenige, der nichts zu verbergen hat, muss ja keine Angst haben, dass etwas passiert.

So vorzugehen, wäre genau das Falsche, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn wir müssen sehen, dass auch derjenige, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist und mit den falschen Menschen nur redet, möglicherweise aufgrund des Begriffs „drohende Gefahr“ – unter anderem das steht in diesem Gesetz – bis zu einem Monat in Gefährderhaft genommen werden kann.

Auch da müssen wir uns hier in Nordrhein-Westfalen fragen: Wollen wir das? Wollen wir Gesetze aushöhlen? Wollen wir den Gefährderbegriff über alles stellen und damit möglicherweise unsere Grundrechte einschränken? – Auch das muss intensiver diskutiert werden, statt solche Wahlkampfreden zu halten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will Ihnen noch eines sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: So ganz einfach geht das nicht. Da will ich den Herrn Minister direkt ansprechen. Ich glaube auch, Herr Minister, es geht nicht so einfach, wie Sie das in „WESTPOL“ gemacht haben. In „WESTPOL“ haben Sie wortwörtlich gesagt – ich habe mir das von unserem Referenten aufschreiben lassen und zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

Wenn ich die Wahl habe, jemanden aufgrund einer falschen Nachricht vielleicht einen Tag zu lange im Gefängnis zu haben oder zu verhindern, dass eine Bombe hochgeht und 100 Menschen tot sind, dann entscheide ich mich dafür, das Leben der Menschen zu sichern.

Wissen Sie, was das ist, Herr Minister? Das ist Populismus pur.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Nein!)

Und wissen Sie, was das auch ist? Das ist eines Ministers, der der Verfassungsminister des Landes Nordrhein-Westfalen ist, nicht würdig. Ich sage Ihnen auch, warum.

Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – auch hier zitiere ich – gilt: Jede quantifizierende Betrachtungsweise menschlichen Lebens ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Der Staat darf also nicht etwa viele Menschenleben gegen ein einzelnes abwägen. Jedes Menschenleben ist gleich wertvoll. Jeder Mensch besitzt die gleiche Würde.

(Zuruf von Minister Herbert Reul)

Jeder Einzelne hat daher einen Anspruch, dass sich der Staat schützend vor ihn und sein Leben stellt, Herr Minister.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Aus dem Grund geht es nicht einfach und holzschnittartig. Vielmehr müssen wir intensiv diskutieren. Ich kann Ihnen Folgendes sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir werden in den Anhörungen sehr intensiv mit Sachverständigen diskutieren. Ich will nicht verhehlen, dass ich sehr gespannt bin, wen unter anderem die FDP als Sachverständigen vorschlägt

(Zuruf von der SPD: Nicht Herrn Lürbke!)

und wie die Freiheitspartei sich bei der Anhörung verhält. – Ich danke für die fünfminütige Aufmerksamkeit. Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und Verena Schäffer [GRÜNE])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Herr Kollege Ganzke. – Für die FDP hat Herr Kollege Lürbke das Wort.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist schon ein besonderer Tag für Nordrhein-Westfalen. Denn mit der heute eingebrachten Novelle des Polizeigesetzes stärken wir unsere Polizistinnen und Polizisten bei ihrer tagtäglichen Arbeit und bringen passgenaue Verbesserungen bei der inneren Sicherheit auf den Weg.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Folgendes – das vielleicht einmal vorweg – wird sich aber durch das Gesetz nicht ändern: Das A und O für die Aufklärung und die Verhinderung von Verbrechen ist und bleibt gute Polizeiarbeit. Neben besserer Ausstattung stärken wir unseren Beamten deshalb konsequent mit mehr Personal den Rücken und bringen mehr Polizisten auf die Straße. Schließlich fangen nicht Gesetze die Verbrecher, sondern unsere Polizistinnen und Polizisten im Land.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, dazu müssen sie den Tätern auch auf Augenhöhe begegnen können. Daher ist es höchste Zeit, dass die Politik nach sieben Jahren Stillstand den hierfür notwendigen rechtlichen Rahmen justiert.

(Vereinzelt Beifall von der FDP und der CDU)

Nicht nur unsere offene, liberale Gesellschaft, sondern auch die Kriminalität in unserer Gesellschaft unterliegt einem ständigen Wandel. Effektive Kriminalitätsbekämpfung erfordert deswegen stets, und zwar nach sorgfältiger Analyse und Bewertung, eine Anpassung von Ermittlungsinstrumenten und Befugnissen der Sicherheitsbehörden an neue Entwicklungen und Bedrohungslagen.

Uns allen im Raum ist ja hoffentlich nicht unbekannt, dass sich in Nordrhein-Westfalen inzwischen mehr islamistische Gefährder aufhalten als in jedem anderen Bundesland. All dies länger zu ignorieren, wäre mehr als fahrlässig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es einmal auf den Punkt bringen. Wir haben mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen versprochen. Absurderweise werfen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, uns genau das immer wieder vor. Ich höre immer die Reden im Innenausschuss, in denen es heißt, all das sei nur heiße Luft im Wahlkampf gewesen. Meines Erachtens spricht da glasklar das schlechte Gewisse der SPD, dass Sie es selbst nicht hinbekommen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich kann das auch mit einem Beispiel unterlegen.

Tobias Blasius schreibt am 8. April dieses Jahres über den seit dieser Woche ehemaligen GdP-Vorsitzenden Adi Plickert – ich zitiere –:

„Er leidet an seiner SPD, die offenbar nicht kapiert, dass sie sich als Partei der inneren Sicherheit neu erfinden muss. Dass die schwarz-gelbe Landesregierung gerade in Windeseile mehr Polizisten einstellt, zusätzliche robuste Hundertschaften aufstellt, das Polizeigesetz mit allerhand neuen Befugnissen versieht – es freut und ärgert Plickert zugleich. ,Alles richtig‘, sagt er. Nur: Seine eigene Partei wollte es nicht wahrhaben.“

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das ist eben der Unterschied: Wir machen, und wir handeln.

(Zuruf von Sven Wolf [SPD])

Damit es hier nicht zu Missverständnissen kommt: Für uns als Freie Demokraten ist es selbstverständlich, dass bei allen Neujustierungen stets die notwendige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit gewahrt bleiben muss.

(Beifall von der FDP)

Basis für eine offene und freie Gesellschaft sind starke Bürgerrechte. Daher ist für uns klar: Gesetzesänderungen müssen rechtssicher und verfassungsfest sein.

Der klare Auftrag, die Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger in unserem Land zu verbessern, darf nicht dazu führen, dass unsere tagtägliche Freiheit schleichend ausgehöhlt und entwertet wird.

Deswegen wurde sehr genau geprüft. Es wurden Urteile ausgewertet. Die Rechtslage bei uns wurde mit der Rechtslage in anderen Bundesländern abgeglichen. Wir haben geschaut: Welche Defizite gibt es in unserem Polizeigesetz, und wie wird das in anderen Polizeigesetzen sinnvoll gelöst?

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Unser Ziel dabei ist klar: Statt anlassloser Überwachung aller Bürgerinnen und Bürger wollen wir in Nordrhein-Westfalen ganz gezielt Kriminellen und Terroristen konsequent auf den Füßen stehen. Das ist auch der Geist dieser Novelle des Polizeigesetzes. Und das ist nicht nur notwendig, sondern auch genau richtig.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Damit all das klappt, damit gute Polizeiarbeit stets funktioniert und möglich ist, damit die Menschen sich in unserem Lande in jedem Winkel und zu jeder Uhrzeit sicher fühlen können, muss dann aber auch – das ist die Bedingung dafür – in erster Linie die personelle und technische Ausstattung unserer Polizei passen. Das bleibt für die Freien Demokraten in dieser Legislaturperiode eine ganz wichtige Kernaufgabe.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Ich freue mich sehr auf die weiteren Beratungen im Ausschuss. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lürbke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Schäffer.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass das Gesetz und auch die Debatte hier noch einmal sehr deutlich zeigen, wie sehr CDU und FDP doch zu Getriebenen ihrer eigenen Wahlkampfversprechen und der von ihnen geschürten Ängste geworden sind.

Jetzt legen Sie hier ein Gesetz vor, das unter dem Strich gesehen gar nicht mehr für mehr Sicherheit sorgt. Denn es strotzt zwar vor Symbolpolitik – die man natürlich, Herr Reul, sehr gut verkaufen kann; das ist überhaupt keine Frage. Nur: Es bringt eben nicht mehr Sicherheit, aber dafür massive Einschränkungen unserer Bürgerrechte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie direkt unterbreche. Herr Kollege Lürbke würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Klar, sehr gerne.

Marc Lürbke (FDP): Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie Zwischenfrage zulassen. – Ich bin beim Stichwort „Symbolpolitik“ hellhörig geworden, weil das für mich nicht recht zusammenpasst. Wenn es denn so wäre, müssten Sie vielleicht auch einmal ein ernstes Gespräch mit Ihrer von den Grünen geführten Landesregierung in Baden-Württemberg führen, die ja ähnliche Maßnahmen wie die elektronische Fußfessel oder die Quellen-TKÜ längst eingeführt hat.

(Dietmar Bell [SPD]: Frage! Keine Intervention!)

In Baden-Württemberg geht man ja sogar noch weiter und ermöglicht dort eine Onlinedurchsuchung.

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie passt das denn zusammen? Ist das dann grüne Doppelmoral? Oder wie habe ich das zu verstehen?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Herr Lübke, vielen Dank für diese Frage. Soweit ich weiß, diskutieren wir heute über die Einbringung des Polizeigesetzes in erster Lesung in Nordrhein-Westfalen. Ich kann Ihnen sehr gerne darstellen, weil Sie es ja offenbar nicht wissen, wo ich hier Symbolpolitik sehe. Das erspart mir noch ein bisschen Redezeit. Insofern bedanke ich mich für die Frage.

Symbolpolitik gibt es in diesem Gesetzentwurf an sehr vielen Stellen.

Man kann zum Beispiel die Quellen-TKÜ anführen. Bereits nach § 100a Strafprozessordnung besteht nach der letzten Reform die Möglichkeit für die Polizei, präventiv TKÜ- und auch Quellen-TKÜ-Maß-nahmen durchzuführen.

Zu nennen ist auch das Thema „Videobeobachtung“. Sie wollen, dass der Ausschluss von Verdrängungseffekten jetzt Gesetz wird. Sie haben gerade argumentiert – das fand ich sehr interessant –, Sie wollten den Terroristen auf den Füßen stehen. – Dann frage ich mich doch allen Ernstes: Wo laufen denn auf dem Ebertplatz oder auf dem Neumarkt oder am Wiener Platz in Köln permanent Terroristen herum, die man jetzt per Videobeobachtung beobachten sollte? Auch das ist für mich Symbolpolitik.

Auch die von Ihnen ebenfalls angesprochene Fußfessel ist Symbolpolitik. Offenbar meinen Sie, dass Sie mit der Fußfessel Anschläge verhindern können. Sie werden mit der Fußfessel aber keinen einzigen Anschlag verhindern. Im Gegenteil: Der furchtbare Anschlag auf die Kirche in Nordfrankreich vor zwei Jahren – wir erinnern uns alle daran – hat das doch gezeigt. Er hat sehr deutlich gemacht – dort hat ja ein Terrorist eine Fußfessel getragen –: Man wird mit der Fußfessel keinen Anschlag verhindern.

Deshalb sage ich, dass Sie hier Symbolpolitik betreiben. Sie verkaufen das groß mit viel Tamtam. Aber es ist letztendlich Symbolpolitik. Sie versprechen den Bürgerinnen und Bürgern mehr Sicherheit, die Sie aber im Endeffekt nicht liefern können. Das ist genau meine Kritik, die ich an diesem Gesetzentwurf habe, Herr Lürbke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, darf ich Sie noch einmal unterbrechen? – Herr Kollege Katzidis, Sie hatten sich eben für eine weitere Zwischenfrage eingeloggt und haben sich jetzt wieder ausgeloggt. Soll ich Frau Schäffer fragen, ob sie eine zweite Zwischenfrage beantworten möchte?

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Ja, sehr gerne.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Dann schalte ich Ihnen jetzt das Mikrofon frei.

Dr. Christos Georg Katzidis (CDU): Sie haben gerade dargestellt, dass auf der Grundlage von § 100a Strafprozessordnung Telekommunikationsüberwachung möglich sei – präventiv, haben Sie gesagt. Nach Ihrer Rechtsauffassung ist TKÜ dann also ohne Vorliegen einer Straftat möglich. Ist das so korrekt?

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Es ist so. Dazu gibt es Rechtsprechung vom Bundesverfassungsgericht. Die letzte war, glaube ich, 2005 zum Niedersächsischen Polizeigesetz. Dort hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal sehr deutlich gemacht, dass die Anwendungsbereiche für den Landesgesetzgeber – also für uns – im Polizeigesetz sehr, sehr gering sind, weil es diese Möglichkeit im § 100a Strafprozessordnung schon gibt und dieser Paragraf in der Regel auch zuerst anzuwenden ist.

Insofern wird es in Nordrhein-Westfalen aufgrund dieser Rechtsprechung und aufgrund der Strafprozessordnung kaum Anwendungsfälle geben, die nach dem Landespolizeigesetz möglich sind.

Auch deshalb sage ich: Das ist Symbolpolitik. Wir brauchen diese Regelung in diesem Gesetz nicht, weil wir hier den § 100a Strafprozessordnung haben. Ja, das ist unsere Rechtsauffassung, die auch durch das Bundesverfassungsgericht gestärkt wurde. Vielen Dank für die Nachfrage, Herr Katzidis.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube, das waren alle Zwischenfragen, die möglich waren. Das ist ein bisschen schade. Ich hätte gern noch mehr entgegengenommen. Aber dann komme ich zurück zu meiner Rede.

Ich hatte mit dem Punkt „Symbolpolitik“ aufgehört. Ich finde, das ist genau das Gefährliche an diesem Gesetzentwurf, Herr Reul: Wenn Sie diese Maßnahmen umsetzen, nehmen Sie damit auch in Kauf, dass Sie gegen die Verfassung verstoßen.

Ich finde, Sie setzen dem Ganzen noch eine Krone auf, indem Sie gegenüber dem WDR erklärt haben, dass es Ihnen egal sei, ob Unschuldige in Gewahrsam sitzen.

(Gregor Golland [CDU]: Was für ein Quatsch! – Zuruf von der CDU: So ein Quatsch!)

Herr Reul, wissen Sie was? Genau weil Sie diese Gefahren auf sich nehmen und wegen dieser Äußerung sind Sie ein Risiko für unsere Freiheit und ein Risiko für unsere verbrieften Rechte.

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Das Schlimme ist, Herr Lürbke, dass die FDP all das mitmacht. Die FDP ist keine Bürgerrechtspartei. Was Sie hier vorgelegt haben, ist ein Armutszeugnis für Sie.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte nur einige Punkte herausgreifen, weil ich nur noch drei Minuten Zeit habe, und komme auf die Quellen-TKÜ zurück. – Die technischen Voraussetzungen für die Quellen-TKÜ sind derzeit noch gar nicht gegeben. Es stellen sich Fragen wie: Kann der Trojaner tatsächlich nur auf laufende Kommunikation zugreifen, oder liest er gleich das ganze Handy aus? – Wenn das so wäre, wäre das ein massiver Eingriff in das IT-Grundrecht.

(Minister Herbert Reul: Das machen wir nicht!)

– Sie sagen, das machen Sie nicht. In der Presseerklärung haben Sie selbst gesagt, dass die technischen Voraussetzungen noch gar nicht geklärt seien. Insofern haben wir hier ein Problem. Auch Experten sagen, dass wir diesen Trojaner so noch gar nicht haben.

Das andere ist: Der Staat macht sich zum Hacker. Der Staat nutzt Sicherheitslücken aus. Deshalb gibt es eben auch scharfe Kritik aus der IT-Branche, zum Beispiel von dem größten Verband Bitkom, der die Quellen-TKÜ sehr scharf kritisiert. Dem schließen wir uns als Grüne an.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Zum Thema „Unterbindungsgewahrsam“: Sie wollen die Dauer des Unterbindungsgewahrsams massiv ausweiten. Das ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, weil er in die Freiheit der Personen eingreift.

Auch hier muss ich Ihnen widersprechen, Herr Reul. Sie haben gesagt, Sie hätten sich an das BKA-Urteil angelehnt. Das stimmt aber nicht ganz. Das BKA-Urteil besagt, der Staat darf auch im Vorfeld Maßnahmen zur Informationsgewinnung durchführen. Es wurde aber noch nicht geurteilt, ob es auch Maßnahmen zur Gefahrenabwehr geben darf. Insofern betreten Sie rechtliches Neuland. Wir haben hier ein verfassungsrechtliches Risiko. Ich bin gespannt, wie sich die Rechtsprechung dazu entwickelt.

Auch das ist im Übrigen ein gutes Beispiel für Symbolpolitik. Glauben Sie allen Ernstes, dass ein Gefährder nach einem Monat in einer Ausnüchterungszelle im Polizeipräsidium tatsächlich geläutert ist?

(Daniel Sieveke [CDU]: Es geht um was ganz anderes!)

Es ist doch wirklich an Naivität nicht zu überbieten, Herr Reul, wenn Sie das wirklich meinen.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf)

Der dritte Punkt, den ich hier ansprechen will, ist die Identitätsfeststellung. Derzeit ist es so, dass die Polizei jemanden für zwölf Stunden zur Identitätsfeststellung mit auf die Wache nehmen darf. Das wollen Sie auf bis zu sieben Tage ausweiten,

(Beifall von der CDU)

und das, obwohl es keine Straftat ist, sich nicht ausweisen zu können, und es in Deutschland auch nicht die Pflicht gibt, an der Klärung der eigenen Identität mitzuwirken.

(Zurufe von der CDU)

Daran ändert auch Ihr Applaus nichts. Wir reden hier von Personen, die keine Straftaten begangen haben und die auch nicht im Verdacht stehen, Straftaten zu begehen.

(Zurufe von der CDU)

Wir reden von der Identitätsfeststellung und von nichts anderem. Diese Personen wollen Sie für eine Woche einsperren.

Da kommen Sie nicht nur an die Grenzen des Rechtsstaats, wie es gestern Herr Laschet auf der Veranstaltung der GdP gesagt hat; CDU und FDP waren ja leider nicht da.

(Angela Freimuth [FDP]: Wir waren im Plenum!)

Man kommt hier nicht nur an die Grenzen des Rechtsstaats.

– Ja, Sie waren im Plenum, das ist schön. Herr Laschet war als Abgeordneter und Ministerpräsident ebenso wie Herr Reul und andere nicht im Plenum. Insofern haben wir es uns herausgenommen, auch einmal die Gewerkschaft zu besuchen.

Der Punkt ist, dass hier nicht nur an die Grenzen des Rechtsstaats gegangen wird. An dieser Stelle werden die Grenzen des Rechtsstaats ganz klar überschritten. Aus meiner Sicht ist diese Regelung zur Identitätsfeststellung rechtswidrig. Sie ist verfassungswidrig. Das werden wir als Grüne nicht hinnehmen.

Es ist viel Aktionismus. Das hatte ich gerade schon ausgeführt. Es ist viel Symbolpolitik, aber kein Mehr an Sicherheit. Dafür gibt es insgesamt massive Eingriffe in die Grundrechte. Ich sage auch – das Lob von Herrn Katzidis in Richtung FDP war ja gerade sehr vergiftet –:

(Gregor Golland [CDU]: Was machen Sie sich denn Sorgen um die gute FDP?)

Für denjenigen, der wirklich einmal wegen der Bürgerrechte in diese FDP eingetreten ist, ist es jetzt aus meiner Sicht der Zeitpunkt, aus dieser Partei auszutreten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schäffer. – Nächster Redner ist Herr Röckemann für die AfD-Fraktion.

Thomas Röckemann (AfD): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Man kann es gar nicht oft genug wiederholen; jede Plenarsitzung beweist es aufs Neue: Die AfD wirkt.

Etwas mehr als vier Monate nach der unbegründeten und sinnlosen Ablehnung unseres Entwurfs eines Gefährdergesetzes legt die Landesregierung nun einen nicht zielführenden Entwurf vor, der angesichts der offensichtlichen Nachahmung, aber auch bezüglich handwerklicher Schwächen zu diskutieren sein wird.

(Zuruf von der CDU: Bitte was?)

So heißt es in dem neu einzufügenden § 8 Abs. 5 PolG:

„Sofern die drohende Gefahr bestimmt und geeignet ist, … die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, … handelt es sich um eine … terroristische Gefahr.“

Wie darf man sich das denn bitteschön vorstellen? Wann ist die Bevölkerung nach Ihrer Vorstellung derart eingeschüchtert, dass die Vorschrift greift? Wollen Sie den Menschen einen Fragebogen aushändigen, auf dem sie ankreuzen können, wie eingeschüchtert sie sich angesichts einer drohenden Gefahr fühlen, zum Beispiel a) sehr eingeschüchtert, b) ein bisschen eingeschüchtert oder c) eher nicht eingeschüchtert?

Wer weiß denn schon so genau, wann sich die Bevölkerung eingeschüchtert fühlt? Ist sie heute eher mutig, oder ist sie infolge Ihrer Politik eher verzagt?

Der Tatbestand ist zwar gut gemeint, allerdings realitätsfern und damit untauglich.

(Beifall von der AfD)

Nehmen wir § 20c des Polizeigesetzes. Die Einführung einer Telekommunikationsüberwachung wird der neuen Gefährdungslage des ausländischen bzw. des islamischen Terrorismus nicht ansatzweise gerecht. Wir sind Zeuge einer unredlichen Symptombekämpfung, und all das, weil Sie nicht bereit sind, die Grenzen zu schließen, Abschiebungen durchzuführen und dem Rechtsstaat auf diese Weise Geltung zu verschaffen.

(Beifall von der AfD)

Meine Damen und Herren, die erste praktische Hürde Ihrer Telekommunikationsüberwachung stellt bereits die Sprache dar. Ist denn geplant, gleich nach der Einreise der Menschen dieser Welt nach Deutschland Übersetzer für jede Sprache dieser Welt zu generieren?

Was passieren kann, wenn man den Bock zum Gärtner macht, haben wir Ende letzten Jahres aus der Berliner Polizeiakademie erfahren. Dort fühlen sich viele künftige Polizisten eben nicht dem Schutz der Bevölkerung, sondern ihrem kriminellen Familienclan verpflichtet. Ich mag mir nicht ausmalen, was geschieht, wenn ein als Flüchtling getarntes IS-Mitglied die Telefonate der Salafistenszene in Duisburg oder Essen observiert.

(Beifall von der AfD)

Das ist doch völlig lebensfern und zum Scheitern verurteilt, aber nicht nur die Laschet-Regierung, auch Ikarus hatte so seine Ideen.

Nun zur Videoüberwachung: schon wieder reine Symptombekämpfung! Neben Kriminalitätsverlagerung sowie dem massiven Eingriff in die Bürgerrechte – haben Sie sich einmal gefragt, mit welchen Leuten Sie die Überwachung durchführen wollen? Die Landesregierung bekommt ja mangels Masse und schlechter Bedingungen nicht einmal genug Einstellungen für die Justiz auf die Kette. Wer entscheidet eigentlich darüber, welches Gebiet sicher sein wird? – Sicher nicht die betroffene Bevölkerung.

Weiter: Die sogenannte Einführung von Anhalte- und Sichtkontrollen ist nicht durchdacht und am Thema vorbei. Sie erschweren der Polizei vor Ort erheblich die Arbeit, da jede diesbezügliche polizeiliche Maßnahme nun unter dem Vorbehalt der Rechtfertigung durch die Polizei steht. Lassen Sie endlich Grenzkontrollen zu – dann sparen Sie sich das Grenznahe –, und ersparen Sie uns damit Ihre Potemkinschen Dörfer.

(Beifall von der AfD)

Den möglichen Einsatz von Elektrodistanzwaffen begrüßen wir.

Der Vorschlag der elektronischen Fußfessel ist zu großen Teilen von uns abgeschrieben.

Ähnlich sieht es beim Unterbringungsgewahrsam für Gefährder aus. Hier wollten wir bis zu drei Monaten. Sie schlagen nun bis zu einem Monat vor. Das ist zu kurz gesprungen.

Mit Ihrem populistischen Entwurf machen Sie ein scharfes Schwert stumpf.

Da allerdings etwas Licht im Dunkeln zu erkennen ist und wir gerne bereit sind, der aktuellen Landesregierung weitere Tipps und Vorschläge zu unterbreiten, stimmen wir der Überweisung zu.

Aber eigentlich zeigt die Halbherzigkeit dieses Entwurfs nur Ihr Dilemma. Sie wollen nämlich das Gesetz im Grunde genommen gar nicht. Schließlich erklärte Ihr Innenminister Reul mit Blick auf die aktuelle Kriminalitätsstatistik Nordrhein-Westfalen als bereits viel sicherer. Doch anscheinend glauben Sie den Statistiken genauso wenig wie wir. – Schönen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Röckemann. – Für die Landesregierung hat sich noch einmal Herr Innenminister Reul zu Wort gemeldet. Die Redezeit für die Landesregierung ist knapp bemessen. Das sehen Sie. Fünf Sekunden haben Sie noch. Aber Sie dürfen ja machen, was Sie wollen.

Herbert Reul, Minister des Innern: Erstens. Hintergrund für die Ermöglichung einer Verlängerung des Gewahrsams auf sieben Tage ist, wenn jemand missbräuchlich die Identitätsfeststellung verhindert. Zum Beispiel verklebt sich jemand im Hambacher Forst die Kuppen, sodass man die Identität nicht feststellen kann. Für einen solchen Fall ist das gedacht. Das finde ich auch richtig.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zweitens: „bei drohender Gefahr“. Früher musste es einen konkreten Plan mit konkreter zeitlicher Angabe geben, wann was wo passieren wird. Beim Terrorismus kann man das leider nicht immer genau vorhersagen. Genau dafür brauchen wir das Instrument.

Diese Aufklärung wollte ich noch leisten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.

Wir kommen zur Abstimmung.  Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 17/2351 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss. Wer stimmt der Überweisung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

3   Einsetzung einer Enquetekommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen“

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2405 – Neudruck

Ich eröffne die Aussprache. Herr Kollege Bell von der SPD-Fraktion tritt ans Pult. Bitte schön.

Dietmar Bell (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die SPD-Fraktion stellt heute den Antrag, dass sich der Landtag Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer Enquetekommission mit dem Thema der digitalen Transformation der Arbeitswelt in unserem Bundesland befasst.

Kaum ein Thema wird in den nächsten Jahren die soziale Realität in unserem Bundesland so prägen wie die Frage, ob wir die hierdurch entstehenden Herausforderungen bewältigen und gestalten können oder ob es zu disruptiven Entwicklungen kommt. Fast wie bestellt titelt heute die „Zeit“ in Bezug auf die Frage der digitalen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt: „Wo bleibt die Arbeit? Eine Katastrophe? Oder eine Verheißung?“

Dabei ist die vor uns liegende Herausforderung, dass dieser Strukturwandel nur noch in geringem Maße regional verortet werden kann. Vielmehr werden durch die stattfindenden und vor uns liegenden Veränderungen nahezu alle Branchen und Qualifikationsebenen in allerdings unterschiedlichem Maße betroffen sein. Das bedeutet im Klartext, dass eine Vielzahl von Menschen in Nordrhein-Westfalen vor Veränderungen in ihrem Arbeitsumfeld steht.

Ich will dies an einem praktischen Beispiel erläutern. Ich bin Vorsitzender des Aufsichtsrates des Stadtwerkekonzerns in Wuppertal. Wir beschäftigen in der Verkehrstochter aktuell mehr als 700 Busfahrerinnen und Busfahrer. Wenn die technisch getriebenen Szenarien des autonomen Fahrens und der digitale Wandel der Verkehrsszenarien Raum greifen, werden diese schlichtweg in der Perspektive nicht mehr benötigt.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: In 100 Jahren vielleicht!)

Wir wissen, dass zeitgleich die Chance besteht, dass in erheblichem Maße auch neue Arbeitsplätze entstehen. Dabei ist zunächst einmal völlig offen, ob es gelingt, vorhandene Qualifikationen von Beschäftigten so weiterzuentwickeln, dass es zu einer möglichst hohen Deckungsgleichheit zwischen der neuen Nachfragerealität auf den Arbeitsmärkten in Nordrhein-Westfalen und den Menschen in unserem Bundesland kommt.

Ungesteuert und ohne politische Gestaltung dieses Prozesses droht ein steigender Fachkräftemangel gepaart mit steigender Arbeitslosigkeit. Dies kann nicht im Interesse unseres Landes sein.

Aus diesem Grund muss die Frage beantwortet werden, ob die Konstruktion unserer Weiterbildungslandschaft den skizzierten Herausforderungen gerecht werden kann. Ich persönlich glaube, dass wir hier wahrscheinlich neue Wege und Zugänge schaffen müssen.

Dies muss aus meiner Sicht mit den handelnden Akteuren in unserem Bundesland bewertet und diskutiert werden.

Zudem ist auch völlig offen, ob es sich bei den neu entstehenden Arbeitsplätzen um Arbeitsplätze handelt, die dem Bedürfnis nach qualitativer Anreicherung entsprechen und angemessen entlohnt und sozial abgesichert sind. Beschäftigungsformen wie Crowdworking weisen auf potenzielle Risiken für die Beschäftigten und unsere sozialen Sicherungssysteme hin.

Wir müssen die Frage beantworten, welche Regelungsnotwendigkeiten bestehen, um Arbeit und die Beschäftigten weiterhin nachhaltig in unserem System der sozialen Marktwirtschaft zu verankern.

(Beifall von der SPD)

Die Enquetekommission soll sich deshalb diesen Fragestellungen unter den Handlungsfeldern „Wandel der sozialen Marktwirtschaft“, „Wandel der Arbeitswelt und soziale Herausforderung“ und „Weiterbildung, Qualifizierung und Forschung“ widmen.

Die Arbeit der Enquetekommission kann dabei dazu beitragen, in den aufgeworfenen Fragestellungen Zukunftsfähigkeit für die Menschen in unserem Bundesland zu erarbeiten, und das in dem Feld, das die Lebensrealität immer noch über alle Maßen bestimmt, nämlich der Erwerbsarbeit.

Ich würde mich sehr freuen, wenn auch die anderen Fraktionen unserem Antrag zustimmen und sich engagiert in die Arbeit der Enquetekommission einbringen würden. Letztlich haben wir es gemeinsam in der Hand, die digitale Herausforderung auf dem Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen erfolgreich zu gestalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bell. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Schmitz.

Marco Schmitz (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gute parlamentarische Tradition, dass dem Antrag einer Fraktion auf Einrichtung einer Enquetekommission entsprochen wird. Daher werden natürlich auch wir dem Antrag der SPD zustimmen.

Der parlamentarischen Debatte um das Thema müssen Sie sich aber dennoch stellen. Denn auch der Austausch der Argumente ist ebenfalls gute parlamentarische Sitte, der sich die CDU-Fraktion verpflichtet fühlt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema „Digitalisierung“ ist der Zukunftsmotor für unser Land. Das wissen wir alle, und das sieht auch die NRW-Koalition so. Von daher ist Digitalisierung auch ein Schwerpunkt auf unserer politischen Agenda. Das kann man auch daran erkennen, dass wir als CDU-Landtagsfraktion erst jüngst ein sehr umfangreiches Positionspapier beraten und beschlossen haben.

Interessant fand ich übrigens, dass kurz darauf, am Folgetag, vor unserer Pressekonferenz zur Vorstellung dieses Papiers die SPD-Fraktion die heute beantragte Enquetekommission per Pressemitteilung ankündigte. Aber es wäre für unser Land besser gewesen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie hätten vorher einmal in unser Papier hineingeschaut.

Das Thema „Digitalisierung“ muss in einem angemessenen und breiten Rahmen behandelt werden, um so dem Landtag und der Landesregierung eine zukunftsweisende Handlungsempfehlung zu geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns liegt zwar ein sehr umfassender Antrag der SPD-Fraktion vor. Doch als ich ihn gelesen hatte, war das nicht die Bandbreite, die ich bei Digitalisierung erwartet hatte. Ist die digitale Transformation der Arbeitswelt ein wichtiger Punkt? Ja, außer Frage. Aber sie kann nicht singulär betrachtet werden.

Das Thema ist in jeder Diskussion mit Beteiligung der SPD ein echter Klassiker so wie die nicht enden wollende Auseinandersetzung bei Ihnen um Hartz IV. Ist es also ein Thema, das uns gute zwei Jahre lang beschäftigen kann? Ja, auch das steht ganz außer Frage. Aber auch das funktioniert nur in Verbindung mit den anderen Fachbereichen, die von Digitalisierung betroffen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, statt eines tollen und großen Buffets zur Digitalisierung haben Sie, hat die SPD-Fraktion, die Sparvariante bestellt. Am Ende behandelt ein acht Seiten langer Antrag tatsächlich nur einen, wenn auch wichtigen Aspekt der Digitalisierung: die Arbeitswelt. Leider, muss ich sagen; schade, möchte ich hinzufügen.

Warum diese Beschränkung? Hat die SPD den Anspruch aufgegeben, thematisch breit aufgestellt zu sein? Warum hat die SPD nicht eine Enquetekommission beantragt, welche die ethischen, sozialen, ökonomischen, ökologischen und auch datenschutzrechtlichen Facetten der Digitalisierung beleuchtet?

Das ist umso bemerkenswerter, als uns die Kollegin Kampmann – ich habe sie heute Morgen noch nicht gesehen, spreche sie trotzdem an –, immerhin in ihrer Fraktion für die Digitalisierung zuständig und damit sicherlich an der Erstellung des Antrags beteiligt, erst in der letzten Plenarsitzung zu unserem Antrag „Chancen der Digitalisierung erkennen und nutzen“ vorgeworfen hat, dass wir keine Antworten auf diese Fragen liefern würden. Nun stellen Sie selbst Fragen, und nach der Lektüre dieses Antrags sehe ich mich bestätigt: Die SPD hat keine Antworten darauf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, daraus hätte man mehr machen können. Ich hatte eben bereits das Positionspapier der CDU-Fraktion benannt. Ich möchte es noch einmal bemühen, um Ihnen zu zeigen, wie man es besser machen kann, wie man zumindest versuchen kann, die Digitalisierung in ihrer ganzen Komplexität zu fassen.

Ich will es konkret machen. Statt im zweiten Teil des Antrags mehr als 50 Mal eine Variation derselben Frage „Wie verändert die Digitalisierung die Arbeitswelt?“ hätte ich mir einen Arbeitsauftrag für die Enquetekommission gewünscht zum Wechselspiel von Digitalisierung und Wirtschaft, Ökologie, Landwirtschaft, Energie, Verkehr, Kommunikation, dem Schutzraum des Individuums, Gesundheit, Pflege, Wohnen, Sicherheit, Kriminalität, Ehrenamt, Verwaltung, Kommunen, Bildung, Medienkompetenz,

(Michael Hübner [SPD]: Alles?)

Wissenschaft, Forschung, Ethik usw.

(Michael Hübner [SPD]: Genau!)

Das waren jetzt einmal 20 Punkte, die ohne großes Nachdenken klar gewesen sind.

(Beifall von der CDU – Michael Hübner [SPD]: Was ist denn mit der Landwirtschaft?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz dieses Mangels möchte ich noch kurz auf Ihren konkreten Vorschlag eingehen. Studien zeigen, dass die Befürchtung, Arbeitsplätze würden durch technologischen Fortschritt, die sogenannte technologische Arbeitslosigkeit, wegfallen, nie eingetreten ist. Auch jetzt geht das IAB davon aus, dass durch die Digitalisierung rund 1,5 Millionen neue Jobs geschaffen werden, auf der anderen Seite aber auch 1,5 Millionen Jobs wegfallen werden.

Die CDU-Fraktion wird die Verschiebung von Aufgaben und Anforderungsprofilen dennoch sehr genau beobachten. Wir sehen die betriebliche und persönliche Aus-, Fort- und Weiterbildung von Beschäftigten hin zu einer digitalen Arbeitswelt als einen Schlüssel für den Erhalt und den Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung.

Wir werden daher auch in Zukunft mehr ESF-Mittel in die Fort- und Weiterbildung, vor allem in den Bildungscheck, stecken.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Angesichts des Fachkräftebedarfs liegt dies im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber selbst. Wir wollen den Wandel aktiv gestalten und die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Daher bin ich gespannt auf die Arbeit und die Ergebnisse der Enquetekommission. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schmitz. – Für die FDP-Fraktion hat das Wort nun Herr Diekhoff.

Markus Diekhoff*) (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Digitalisierung ist ohne jeden Zweifel die tiefgreifendste Veränderung unserer Gesellschaft seit der Industrialisierung. Sie umfasst nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche und wird selbstverständlich auch besonders die Grundlagen des Arbeitens verändern.

Die Potenziale dieser Entwicklung sind zwar heute noch nicht abschließend, aber doch sehr umfassend zu erkennen. Wir wissen zwar nicht, wie die Arbeit von morgen aussieht, aber wir wissen, dass die Digitalisierung prägend sein wird. Wir wissen auch, dass einige Tätigkeitsfelder komplett wegfallen werden, dürfen aber nicht vergessen, dass natürlich auch ganz viele neue Tätigkeitsfelder dadurch entstehen.

Von daher sollten wir uns richtigerweise fragen, welche Rahmenbedingungen Arbeitnehmer und Arbeitgeber brauchen, um aus der Digitalisierung Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven zu gestalten. Welche Anstrengungen müssen unternommen werden, damit die erforderlichen Wandlungsprozesse nicht verpasst, sondern aktiv mitgestaltet werden können, und welche Herausforderungen ergeben sich speziell für unser industriestarkes Nordrhein-Westfalen? Welche Auswirkungen wird die Digitalisierung auf die verschiedenen Branchen und vor allem auf die Qualifikationsniveaus der Mitarbeiter haben? Anders gefragt: Wie können wir die Chancen der Digitalisierung in der Arbeitswelt nutzen und Risiken vermindern?

Wir Freien Demokraten möchten, wie bekannt, die Digitalisierung als Chance begreifen, als Zeichen der Fortschrittsorientierung unserer Gesellschaft. Wir leben in einem chancenreichen Land und sind davon überzeugt, dass wir uns auch die Digitalisierung zunutze machen müssen, um das Leben unserer Bürgerinnen und Bürger einfacher und sicherer zu gestalten, um eine wettbewerbsfähige Wirtschaft zu betreiben und um auch den modernen Staat zu gestalten. Dieses digitale Zeitalter wollen wir als diesen Gestaltungsraum prägen.

Diese Chancen der Digitalisierung kommen in Ihrem Antrag etwas kurz, die Chancen müssen ergriffen werden. Wir müssen überlegen, wie wir gefährliche und körperbelastende Arbeit dadurch so umlagern können, dass mehr Zeit für den Menschen selbst zur Verfügung steht. Diese Chancen entstehen, wenn die Digitalisierung arbeitnehmerfreundliche Rahmenbedingungen schafft, flexible Arbeitszeiten, das Homeoffice, die verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Digitalisierung kann vielleicht sogar Teile unseres Verkehrsproblems lösen, weil nicht mehr alle Menschen zur Uhrzeit x am Platz y sein müssen. Das sind interessante und spannende Chancen.

Dieser Prozess muss selbstverständlich gut vorbereitet und begleitet werden. Wir als Politik können diese Debatten anstoßen, wir können Sorgen aufgreifen, einordnen und bearbeiten. Wir müssen vielleicht auch die Rahmenbedingungen setzen, damit diese Potenziale der Digitalisierung bestmöglich genutzt werden können. Wir müssen abschätzen, wir müssen die Unternehmen unterstützen, diesen Weg mitzugehen. Auch die müssen ihre Geschäfts- und Produktionsprozesse anpassen. Da stimme ich Ihnen zu, das ist ein wichtiger Auftrag.

Sie wissen natürlich auch, dass wir Freien Demokraten und die Landesregierung sich dazu bekannt haben, diese Chancen der Digitalisierung auch zu nutzen.

Die Bestandsaufnahme in Ihrem Antrag ist sinnvoll, wenn diesen Herausforderungen natürlich auch die Chancen gegenübergestellt werden. Das dürfen wir nicht vergessen. Wir dürfen Menschen nicht verunsichern.

Von daher stimmen wir Ihrem Enquetevorschlag sehr gern zu und freuen uns darauf, dieses spannende und hochaktuelle Themenfeld mit Ihnen zu bearbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Diekhoff. – Jetzt spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Becker.

Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Künstliche Intelligenz oder Industrie 4.0 sind zwei Begriffe, die je nach Betrachtung irgendwo zwischen Heilsbotschaft oder Katastrophenszenario wahrgenommen werden. Sie werden nicht zuletzt gerade während der CEBIT auch in den Medien hoch gehandelt. Herr Kollege Bell, nicht nur in der „Zeit“, sondern auch in der „Süddeutschen“ und in der „FAZ“ konnte man in den letzten Tagen immer wieder große Artikel zu diesem Thema lesen.

Unternehmen versprechen sich Effizienzsteigerungen, Prozessbeschleunigungen, mehr Flexibilität bis hin zu selbstoptimierten Vorgängen und auch intelligente Wartung ihrer Maschinen. Produkte sollen immer spezifischer auf Kunden zugeschnitten werden können, Produktionsvorgänge in Echtzeit gestaltet und verwaltet werden.

Studien zeigen aber, dass die grundsätzlichen Überlegungen und die grundsätzliche Bereitschaft zur Implementierung oft nicht sehr konkret sind. 87 % der Teilnehmer an einer Studie zu diesem Thema haben erklärt, dass sie in den nächsten Jahren künstliche Intelligenz in die Produktion einbringen wollen, aber gleichzeitig haben 72 % dazu überhaupt noch keine detaillierten Pläne.

Auf der Unternehmensseite stehen folgende Fragen im Vordergrund: Ersetzen nicht Vermittlungsplattformen das klassische Verhältnis von Auftraggeber und Auftragnehmer? Reißen solche Plattformen nicht die Wertschöpfung immer mehr an sich? Sind Unternehmen in den USA, in China und in Indien nicht schon viel weiter bei der Umsetzung von künstlicher Intelligenz in die Produktionsprozesse?

Die sogenannten Erstanwender sind in den USA mit 25 %, in China mit 23 % und in Indien mit 19 % besonders stark vertreten. China, um das noch hinzuzufügen, hat im letzten Jahr durch den Staatsrat einen sogenannten Entwicklungsplan für die künstliche Intelligenz der nächsten Generation beschlossen, der eine dreistufige Entwicklungsstrategie zur Erreichung der Weltvorherrschaft bis zum Jahr 2030 als Ziel festgelegt hat.

Alleine in der Stadt Tianjin, nahe Peking, wurden 5 Milliarden Dollar in einem Fonds zur Unterstützung der KI-Industrie an diesem einen Standort bereitgestellt. Deutschland wiederum liegt bisher weltweit im Mittelfeld. Es stellt sich die Frage, ob wir insgesamt in diesen Prozessen mithalten können.

Wenn es nach Professor Wahlster von dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz geht, ist das so. Er ist der Meinung, dass zwar ein Rückstand in der Auswertung von Konsumentendaten besteht und Europa da zu Recht zurückhaltend ist, aber beispielsweise bei Werkzeugmaschinenbau, Medizintechnik und Agrarmaschinen und auch Haushaltsgeräten sei Deutschland genauso führend wie bei der Sensorik, die im Zusammenhang mit KI-Robotern und KI-basierten Produktionsplanungssystemen von entscheidender Bedeutung sei.

Es gibt also zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und damit auch der NRW-Industrie sehr unterschiedliche Stimmen.

Aber die Arbeitnehmerseite ist mindestens genauso wichtig. Wie viele Arbeitsplätze und welche werden wegfallen? Welche Folgen hat das Crowdsourcing, also die Entkoppelung von bisher normalen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnissen? Welche Folgen entstehen für die Existenzsicherung, für Sozialsysteme, für das Arbeitsrecht, für Renten und vieles mehr? Welche Auswirkungen hat KI auf Anzahl, Struktur und Entwicklung von Arbeitsplätzen insgesamt sowie auf die Notwendigkeit von Weiterbildung?

Wir können auch zusammenfassend sagen: Insgesamt geht es auch um Standortfragen bei Forschung, bei Universitäten und bei Hochschulen.

Meine Damen und Herren, wer sich mit Gewerkschaften unterhält, merkt schnell, dass es erhebliche Sorgen gibt. Nicht umsonst und nicht zufällig führen der DGB und die IG Metall zu diesen Themen zurzeit große Kongresse durch.

Die Arbeitnehmerfragen, die Fragen also, wie die einzelnen Menschen in der Zukunft von diesen Entwicklungen betroffen sind, sind wichtige Fragen auch für unsere Menschen in NRW. Insofern kann diese Kommission jedenfalls aus grüner Sicht wichtige Beiträge zur Produktions- und Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen leisten. Wir werden der Einrichtung zustimmen, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Becker. – Für die AfD-Fraktion hat Herr Tritschler das Wort.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist lustig, dass man zwar immer hört, Digitalisierung sei so wichtig, die Diskussion darüber dann aber entweder immer in der Mittagspause oder kurz vor Feierabend stattfindet. Ich weiß nicht, woran das liegt.

(Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU])

Wenn ich höre, dass sich die SPD mit dem digitalen Strukturwandel befassen will, packt mich ein kalter Schauer. Schließlich ist vermutlich keine andere Partei wirtschafts- und sozialpolitisch so konsequent im 19. Jahrhundert unterwegs wie Sie. Gerade hier in NRW können wir uns bis heute jeden Tag ansehen, was passiert, wenn man es Ihnen erlaubt, die Zukunft zu verschlafen.

Nichtsdestotrotz freuen wir uns auch über die Möglichkeit, im Rahmen dieser Kommission über dieses so wichtige Thema zu sprechen. Ich habe zwar ernste Zweifel daran, dass Sie, meine Damen und Herren, willens und in der Lage sind, den digitalen Transformationsprozess ernsthaft anzugehen, und es erschließt sich auch nicht so recht, warum bei der Fragestellung solche Dinge wie die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Frauen gesondert ermittelt werden müssen, aber das ist wahrscheinlich Ihrer Genderabteilung geschuldet.

Da Sie aber wenigstens eine wichtige Diskussion anstoßen, steht Ihnen meine Fraktion nicht im Wege und wird dem Antrag daher zustimmen.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Tritschler. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Laumann das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal möchte ich für die Landesregierung und mein Ministerium sagen, dass das Einsetzen von Enquetekommissionen die ureigenste Aufgabe des Parlamentes ist und es uns als Regierung interessieren sollte, wir aber nicht darüber entscheiden.

Darüber hinaus ist es mir wichtig zu sagen, dass wir uns schon mitten in diesem Digitalisierungsprozess befinden. Es ist schließlich nicht so, dass die Digitalisierung anklopft und sich anmeldet. Vielmehr sind wir schon mittendrin.

Es ist auch richtig und verständlich, dass wir bei der Digitalisierung natürlich nicht nur über die technischen Fragen reden dürfen und darüber, wie wir überall für Glasfaser und somit für schnelles Internet sorgen können, so wichtig das auch für die Entwicklung der Räume und damit auch der regionalen Arbeitsplätze ist.

Mich interessiert vor allem die Frage, wie wir Digitalisierung so gestalten können, dass auch diese Entwicklung, in der wir uns gerade befinden, eine dienende Funktion für die Menschen hat, und nicht dabei etwas entsteht, wodurch der Mensch vielleicht nicht mehr so stark im Mittelpunkt steht, wie wir uns das alle wünschen.

Dazu gehört natürlich auch die Frage, wie wir die jetzt arbeitenden Menschen, die jetzt existierenden Belegschaften in unseren Firmen, in den Büros auf diesen Weg der Digitalisierung mitnehmen.

Ich möchte auf einen Aspekt eingehen, der mir in dem Zusammenhang durch den Kopf geht. Ich habe als junger Abgeordneter 1990 noch die Zeit miterlebt, in der wir aufgrund der damaligen Automatisierung in der gewerblichen Wirtschaft sehr viele Arbeitsplätze verloren haben. Damals haben wir diese Umbrüche durch Vorruhestand sozial begleitet. Es ist die Wahrheit, dass man Anfang und Mitte der 90er-Jahre – und dieser Zustand hält fast bis jetzt an – kaum noch einen 60-Jährigen gefunden haben, der in größeren Betrieben und Verwaltungen gearbeitet hat.

Eines ist wohl jedem klar: Aufgrund der demografischen Entwicklung in unserem Land können wir im Zusammenhang mit den Umbrüchen, die mit Digitalisierung zusammenhängen, nicht wieder über Vorruhestand reden.

(Beifall von der CDU und Markus Wagner [AfD])

Deswegen ist die Frage danach, wie wir den Prozess, dass die Unternehmen zusammen mit ihren Belegschaften, dass die Sozialpartner eine gemeinsame Verantwortung haben, gestalten, aus Sicht eines Arbeitsministers äußerst spannend.

Ich freue mich, dass diese Aspekte auch in dieser Enquetekommission eine Rolle spielen. Wir werden das mit Interesse und auch mit Unterstützung begleiten, sofern Sie sie benötigen und wir sie bieten können. Denn eine Diskussion darüber, wie wir die Menschen auf diesem Weg mitnehmen, ist meiner Meinung nach genauso wichtig wie die Frage nach technischen Lösungen.

Auf diesem Weg sind wir zurzeit auch als Landesregierung unterwegs. Wenn wir die Menschen mitnehmen wollen, müssen wir sie befähigen, hiermit umzugehen. Das hat bei mir ganz praktisch dazu geführt, dass ich gesagt habe: Wir müssen mehr Mittel in die Weiterbildung investieren, und deswegen bauen wir – als eine konkrete Antwort – in großem Umfang den Bildungsscheck aus.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir werden zusammen mit den großen Gewerkschaften in den einzelnen Branchen unseres Wirtschaftssystems, der IG BCE, der NGG und der IG Metall, in großen Projekten zeigen, wie man Sozialpartnerschaft und Belegschaften auf diesem Weg mitnehmen kann. Noch in der letzten Woche habe ich ein Projekt mit ver.di bewilligt. Ich finde, das ist eine wichtige Sache.

Die Landesregierung wird natürlich auch die Initiative „Wirtschaft und Arbeit 4.0“ weiter fortführen, in enger Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsministerium und Arbeitsministerium, zwischen Herrn Pinkwart und mir. Am 9. Mai findet eine Veranstaltung zu diesem Thema statt. Ein Grundsatz dieser Arbeitsgruppe, die es schon in der vorherigen Regierung gab, ist, dass wir sehr darauf setzen, dass in der Sozialpartnerschaft versucht wird, auch die Antworten in der Arbeitswelt gemeinsam zu geben.

Das sind spannende Fragen. Gerade in dem Land Nordrhein-Westfalen, wo die soziale Partnerschaft eine große Tradition hat, müssen wir auch in dieser neuen Form der Arbeitswelt die Werte der sozialen Partnerschaft in eine gute Zukunft retten. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Weitere Wortmeldungen gibt es nicht.

Deshalb kommen wir zur Abstimmung. Über diesen Antrag haben wir direkt abzustimmen. Also stimmen wir ab über den Inhalt des Antrages Drucksache 17/2405 – Neudruck. Wer stimmt dem Antrag zu? – SPD, GRÜNE, CDU, FDP, AfD. Gibt es Enthaltungen? – Gibt es Gegenstimmen? – Das ist beides nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2405Neudruck – einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

4   Freiheit, Recht und Verantwortung im digitalen Zeitalter sichern – Konsequenzen aus dem Facebook-Datenskandal ziehen!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2390

Für die Aussprache, die wir jetzt eröffnen, tritt zunächst für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Bolte-Richter ans Pult.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es war uns wichtig, heute diesen Antrag zum Facebook-Datenskandal zu stellen, weil 310.000 Menschen in Deutschland und weltweit über 87 Millionen Menschen betroffen sind. Dabei ist dieser Datenskandal letztlich nur ein Symptom für viel tiefergehende Probleme.

Über viele Jahre wurden Datenschutz und IT-Sicher-heit ein zu geringer politischer Stellenwert eingeräumt. Die digitale Zivilgesellschaft wurde geschwächt, anstatt sie zu stärken. Digitale Verbraucherrechte wurden viel zu lange nicht durch Gesetze, sondern durch Kaffeerunden angepackt, und die großen Digitalunternehmen sind ihrer Verantwortung, die sie haben, in der Vergangenheit nicht gerecht geworden. Im Gegenteil: Sie haben das Race to the bottom beim Datenschutz vorangetrieben und aktiv ausgenutzt. Sie haben die Standards lax ausgelegt und über das Legale hinaus überdehnt.

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

Sie haben Hass und Hetze viel zu lang eine Plattform geboten und sich auch noch darauf zurückgezogen, dass sie ja nur eine Plattform seien und mit alledem nichts zu tun hätten. Deshalb, meine Damen und Herren, offenbart dieser Datenskandal einen Angriff auf das Herz unserer Demokratie.

(Beifall von Monika Düker [GRÜNE] und Horst Becker [GRÜNE])

Denn da, wo Wahlen und Abstimmungen beeinflusst werden, ist es eine Bedrohung für die Demokratie, und da ist dann auch der Gesetzgeber gefordert.

Wir machen Ihnen heute, meine Damen und Herren, konkrete Vorschläge, wie es weitergehen kann, wie wir politisch mit diesem Datenskandal umgehen können. Wir machen Ihnen Vorschläge für viele Einzelmaßnahmen, aber auch für eine Gesamtstrategie.

Hier im Land schlagen wir Ihnen vor, Informationsangebote für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfalen aufzulegen. Wir fordern Sie auf, Angebote zur Förderung der Medienkompetenz zu stärken, denn nur kompetente Verbraucherinnen und Verbraucher, nur kompetente Nutzerinnen und Nutzer sind in der Lage, die Chancen, die ohne Frage – und es ist wichtig, dass das gerade beim vorigen Tagesordnungspunkt betont wurde – mit der Digitalisierung einhergehen, dann auch zu nutzen.

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn wir so oft kritisch mit den Betreibern solcher Plattformen wie den sozialen Netzwerken umgehen – sie bieten doch eine große Chance für Bürgerinnen und Bürger, sich zu vernetzen, Meinungen auszutauschen, zusammenzukommen und die Zivilgesellschaft zu stärken. Diese Chancen müssen wir wieder in den Mittelpunkt stellen, aber dafür brauchen wir eben einen handlungsfähigen Rechtsrahmen.

Die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union beispielsweise bietet dafür einen Handlungsrahmen, aber auch da sehen wir wieder, wie er in Deutschland auf der Bundesebene, aber auch hier auf der Landesebene, geschwächt wird. Wenn wir uns anschauen, wie dieses Umsetzungsgesetz zur Datenschutz-Grundverordnung aussieht, dann wird Datenschutz drübergeschrieben, aber Datenschutzabbau betrieben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich bin mir sehr sicher, dass gleich eines der Argumente seitens der regierungstragenden Fraktionen sein wird: Na ja, gute Ideen sind irgendwie drin, aber da ist ja doch viel Bundesrecht, und da haben wir nicht so viel mit zu tun. Ich erinnere Sie einfach nur einmal daran, dass es kaum jemanden gab, der hier den angeblich fehlenden Einfluss Nordrhein-Westfalens in Berlin so sehr beklagt hat, wie Herr Laschet das zu seiner Oppositionszeit getan hat. Also machen Sie doch Ihren Einfluss bitte schön in Berlin geltend!

Sie hätten ja sogar Verbündete. Thomas Jarzombek forderte diese Woche exakt das, was wir mit diesem Antrag vorschlagen, was in unserem Antrag steht. Lassen Sie sich doch einmal seinen Artikel aus der „Bild“-Zeitung vom Montag faxen, wir haben ihn auch aus dem Internet für Sie ausgedruckt und können ihn auch direkt weitergeben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf von der FDP)

Also, meine Damen und Herren, wir brauchen einen handlungsfähigen, einen stabilen Rechtsrahmen, wir brauchen aber auch auf Bundes- wie auf Landesebene Regierungen, die sich dieser Thematik endlich annehmen, die endlich aktiv werden. Wir brauchen einen Innenminister, der den Datenschutz achtet, statt seine Hackerbrigaden loszuschicken. Wir brauchen eine Schulministerin, die endlich digitale Sicherheit für Lehrerinnen und Lehrer, für Schüler, für Eltern schafft. Wir brauchen eine Verbraucherministerin, die sich um Verbraucherrechte kümmert, die Verbraucherrechte schützt, statt immer nur Gefahrenabwehr in eigener Sache zu betreiben.

Das brauchen wir – und einen handlungsfähigen Rechtsrahmen. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bolte-Richter. Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Dr. Geerlings.

Dr. Jörg Geerlings (CDU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als im März bekannt wurde, dass das Unternehmen Cambridge Analytica die Daten von rund 87 Millionen Facebook-Nutzerinnen und -Nutzern abgegriffen hat, war die Empörung groß, und das zu Recht. Sie ist es immer noch.

Wer sich bei einem sozialen Netzwerk anmeldet – sei es Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat oder welche Anbieter auch immer –, der muss darauf vertrauen können, dass seine Daten nur dort verwendet werden und nicht beliebig – sei es an andere Firmen oder zu anderen Zwecken – weitergegeben werden. Hier aber wurden Millionen von Nutzern getäuscht, Ihr Vertrauen wurde missbraucht.

Es liegt nun am Unternehmen Facebook, dieses verlorengegangene Vertrauen wieder zu gewinnen. Ob die bereits begonnenen Maßnahmen wie Datenschutzhinweise im Netzwerk selbst oder Anzeigen in Medien, wie wir dieser Tage vielfach – und wahrscheinlich sehr teuer bezahlt – sehen konnten, ausreichen, sei einmal dahingestellt.

Bei aller Enttäuschung und Empörung brauchen wir jedoch eines nicht: politischen Aktionismus. Nicht mehr und nicht weniger ist der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, über den wir heute diskutieren. Beim Lesen Ihres Antrags weiß man ja gar nicht, ob er im Landtag oder besser im Bundestag oder im Europaparlament behandelt werden sollte – das haben Sie vorhin schon richtig angedeutet –, so sehr springen Sie zwischen den politischen Ebenen hin und her.

Im Übrigen tun Sie so, als ob Fragen des Datenschutzes politisches Neuland wären und als ob die Politik dieses Thema bislang noch nie behandelt hätte. Wir wissen aber längst, dass Daten die Rohstoffe des 21. Jahrhunderts sind – so hat es unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Die kennt sich aus!)

Wir wissen auch, dass der Umgang mit Daten zu den Schlüsselkompetenzen unserer Zeit gehört. Wir wissen aus der alltäglichen Arbeit – auch hier im Landtag –, dass Anpassungen der Gesetze an neue Herausforderungen sowie ihre Weiterentwicklung wichtige Aufgaben der Parlamente sind, die wir auch sehr ernst nehmen.

Als NRW-Koalition setzen wir dabei nicht auf Aktionismus, sondern auf sorgfältige Sacharbeit. Lassen Sie mich das an drei Gedanken ausführen.

Erstens. Geltendes Recht muss konsequent angewendet und behutsam weiterentwickelt werden. Derzeit beschäftigen wir uns ganz aktuell mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung in unserem Landesrecht. Schon in meiner Rede bei der Einbringung des Gesetzentwurfs habe ich gesagt, dass wir nicht über die Vorgaben der Europäischen Union hinausgehen wollen.

Wir benötigen keine Überregulierung. Und eine Gesamtstrategie, wie sie im Antrag gefordert wird, ist nicht nur überflüssig, sondern auch erheblicher Aufwand – erst recht, wenn sie bis zum Ende des Jahres fertig sein soll.

Die von Ihnen angeregte Neuregelung des Wettbewerbs- und Kartellrechts ist im Übrigen Bundes- bzw. Europaangelegenheit. Vielleicht bringen Sie das bei Ihren Kollegen entsprechend ein.

Zweitens. Die Medienkompetenz der Menschen in unserem Land muss gestärkt werden. Hierzu zitiere ich den deutschen Staats- und Verwaltungsrechtler und ersten Bundesbeauftragten für den Datenschutz Hans Peter Bull. Zitat:

„Es ist nicht Aufgabe des Datenschutzrechts und der Datenschutz-Kontrollinstanzen, die Menschen von autonomen Entscheidungen über ,ihre‘ Daten abzuhalten.“

Autonome Entscheidungen erfordern einen Verbraucher, der verständig und souverän mit seinen Daten umgeht. Das ist unsere Baustelle, nicht die maßlose Regulierung.

Auch in diesem Bereich ist unser Land nicht untätig. Akteure wie das Grimme-Institut, die Landesanstalt für Medien oder die Landeszentrale für politische Bildung engagieren sich vielfältig. Auch lokale Verbraucherzentralen, Volkshochschulen und viele andere Einrichtungen tun etwas für die Stärkung der Medienkompetenz und werden es sicherlich auch weiterhin tun.

Drittens. Die NRW-Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, in all ihrem Tun Maß und Mitte zu bewahren. Auf der einen Seite steht das natürlich berechtigte Anliegen des Datenschutzes, auf der anderen Seite möchten wir Rahmenbedingungen für Innovationen, insbesondere für neue Geschäftsmodelle und für Forschung schaffen. Wir möchten, dass Daten, die die Rohstoffe unserer Zeit sind, auch zur Wertschöpfung und damit zum Wohlstand in unserem Land beitragen. In dieser Hinsicht ist der Antrag viel zu einseitig und viel zu restriktiv.

Anhand dieser drei Grundsätze werden wir auch in Zukunft arbeiten und Probleme, die neu auftauchen, lösen. Einen unsortierten politischen Rundumschlag brauchen wir aber nicht. Deswegen lehnt die CDU-Fraktion den Antrag ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Geerlings. Nun kommt Frau Dr. Büteführ für die SPD-Fraktion ans Redepult. Auf meinem Sprechzettel steht, dass es Ihre erste Rede ist, Frau Dr. Büteführ.

(Dr. Nadja Büteführ [SPD]: Das ist so!)

Dann wünschen wir Ihnen alle viel Glück dazu. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Dr. Nadja Büteführ (SPD): Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um einen Antrag, an dem man sich im gegebenen Zeitrahmen überhaupt nicht vollständig inhaltlich abarbeiten kann. Er ist meiner Ansicht nach ein ziemlich grünen-typischer, überaus sendungsbewusster Rundumschlag, der es gut meint und in ganz vielen Punkten auch recht hat, an manchen Stellen aber über das Ziel hinausschießt.

Beginnen wir mal, das Ganze etwas zu ordnen. Auf fünf Seiten geht es darum, Freiheit, Recht und Verantwortung im digitalen Zeitalter zu sichern und Konsequenzen aus dem aktuellen Facebook-Datenskandal zu ziehen. – Wer von uns Demokraten möchte das denn nicht? Wer würde dem nicht zustimmen?

Dass der gültige Rechtsrahmen – das Datenschutzrecht und das Wettbewerbs- und Kartellrecht – mit der immer rasanteren digitalen Entwicklung nur schwer mithalten kann, ist richtig. Das wird uns von den globalen Akteuren in diesem Bereich nur allzu oft und auch aktuell wieder eindringlich vor Augen geführt.

Es geht in Ihrem Antrag um nicht weniger als um informationelle Selbstbestimmung, um die europäische Datenschutz-Grundverordnung, um deren Durchsetzung auf Bundes- und auf Landesebene, um die Kombination von Datensätzen. Es werden konkrete Maßnahmen, klare Rechte und vielfältige Angebote zur Stärkung der Medien- und Datenschutzkompetenz auf allen Ebenen eingefordert. Weitere Stichworte sind: Maßnahmen gegen Hass und Hetze, gezielte Manipulation und einiges mehr. Das sind wichtige Anliegen, die der zügigen Umsetzung bedürfen.

Ihren abschließenden Feststellungen können wir nur in Teilen zustimmen; denn zum jetzigen Zeitpunkt ist manches entbehrlich. Einige Initiativen und Gesetzesänderungen sind doch gerade im Fluss oder soeben erst begonnen – da sollten wir etwas mehr Geduld haben.

Ich meine damit zum Beispiel auf Bundesebene die Änderungen im Kartell- und Wettbewerbsrecht. Beispielsweise das Missbrauchsverfahren gegenüber Facebook läuft aktuell, und das Bundeskartellamt wird im Frühsommer Ergebnisse und etwaige Konsequenzen präsentieren.

Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist in Deutschland das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft. Dort sind ebenso erste positive Effekte zu beobachten wie beim Verhaltenskodex der Europäischen Union und der großen IT-Unternehmen.

Hier ist jetzt die Landesregierung gefragt, auch in NRW ein ähnliches Instrument auf den Weg zu bringen und zu befördern – Stichwort: Initiative „Netzkodex“ der Vorgängerregierung; Hannelore Kraft hat das auf den Weg gebracht. Ob der jetzige Ministerpräsident hier auch aktiv wird, muss sich erst noch erweisen.

Die Kritik, die Sie an der Bundesregierung äußern – sowohl an der vergangenen als auch an der jetzigen –, kann ich so auch nicht stehen lassen. Hier gar von fehlender Handlungsbereitschaft zu sprechen, ist schon ein starkes Stück.

(Beifall von der SPD)

Außerdem haben doch Ihre Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene erst kürzlich, am 12. April, eine sogenannte Kleine Anfrage mit sage und schreibe 53 Fragen an die gerade erst im Amt befindliche Regierung verfasst. Warten Sie die Beantwortung doch erst mal ab, bevor Sie zum Marsch nach Berlin aufrufen!

Bundesministerin Barley forderte kürzlich, die Datenschutzaufsichtsbehörden zu stärken. Da wird sicherlich etwas passieren, und da muss auch etwas passieren.

Die Landesregierung ist natürlich ebenso in vielen Bereichen in der Pflicht. Mein Kollege Vogt hat in der letzten Woche bereits mit einer Kleinen Anfrage zum Thema „Hate Speech“ den Handlungsbedarf unterstrichen. Für eine Ausweitung der in der letzten Legislaturperiode durch die rot-grüne Landesregierung aufgesetzten Projekte zur Förderung von Medien- und Datenschutzkompetenz gibt es in NRW bereits ein gutes Fundament. Das muss jetzt nur genutzt werden.

(Beifall von der SPD)

Die Europäische Datenschutz-Grundverordnung wird im Augenblick hier im Landtag durch alle Gremien gepeitscht. Die Anhörung war erst Ende letzter Woche. Sollten wir die nicht erst einmal auswerten?

Wir sollten uns gemeinsam bei diesen wichtigen Themen auf unseren Wirkungskreis hier in NRW beschränken. Die Bundes- und die Europapolitik haben ihre eigenen Zuständigkeiten.

Die SPD-Fraktion stimmt dem Antrag der Grünen in vielen, vielen zentralen Anliegen und Zielsetzungen zu, nicht aber in allen Punkten, die zum Ende aufgelistet werden. Darum werden wir uns bei der Abstimmung enthalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Dr. Büteführ, und Glückwunsch zur ersten Rede. Das wäre überstanden.

(Beifall von der SPD)

Ich habe gesehen, dass Sie gleich zum nächsten Tagesordnungspunkt eine zweite Gelegenheit haben werden. Wir kennen ja hier oben die Zukunft schon.

(Heiterkeit)

Als nächster Redner spricht für die FDP-Fraktion Herr Hafke.

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Skandal rund um abgegriffene Facebook-Daten durch das britische Unternehmen Cambridge Analytica ist der vorläufige traurige Höhepunkt einer langen Reihe von Datenskandalen. Stand heute wurden mehr als 80 Millionen Nutzerdaten unrechtmäßig weitergegeben. Mindestens 300.000 betroffene Nutzerinnen und Nutzer sind es, Stand heute, in Deutschland.

Die Reaktionen der Facebook-Verantwortlichen gleichen sich dabei ein ums andere Mal: öffentliche Entschuldigungen, Beteuerungen, es in Zukunft besser zu machen. Und am Ende passiert nichts. Im Gegenteil, Facebook, Google und Co. machen sich bei Steuern und Haftbarkeitsfragen einen schlanken Fuß in den Staaten, in denen sie Gewinne erwirtschaften.

Es wird also ganz deutlich, dass es über die tagesaktuelle Lage hinaus Rede- und vor allem Handlungsbedarf gibt.

Vor diesem Hintergrund danke ich den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen für ihren Antrag und teile in vielen Punkten auch die vorgebrachte Kritik am Vorgehen der Internetkonzerne.

Ich stimme Ihnen zu: Das Wettbewerbs- und Kartellrecht muss mit den Entwicklungen im digitalen Zeitalter Schritt halten. An der Stelle ist der Bund, ist Frau Ministerin Barley, gefordert, zu handeln und nicht bloß Steigbügelhalter der Internetgiganten zu sein. Monopolisierungstendenzen, wie wir sie aktuell bei Amazon in der digitalen Wirtschaft beobachten können, muss politisch und rechtlich entgegengewirkt werden.

Klar ist aber auch, dass es bereits umfangreiche Anpassungen des Kartellrechts gegeben hat und abzuwarten bleibt, ob diese Änderungen den neuen Herausforderungen gerecht werden.

Die Ausgestaltung der EU-Datenschutz-Grundver-ordnung durch die Landesebene liegt dem Parlament bereits vor. Ich denke, wir sind gut beraten, die Umsetzung eng zu begleiten und diese Wegmarke europäischer Rechtsprechung so auszugestalten, dass der maximale Schutz der Bürgerinnen und Bürger sichergestellt ist. So schafft die Grundverordnung eine neue Qualität für den Datenschutz und die entsprechenden Werkzeuge, um die Verbraucherrechte auch wirklich zu schützen.

Darüber hinaus fehlt mir in der Debatte rund um den Datenschutz jedoch oft ein Aspekt, der die Bürgerinnen und Bürger nicht zu unreflektierten Erfüllungsgehilfen finsterer politischer Mächte degradiert, der Aspekt der Datenhoheit. Es ist völlig klar: In der digitalen Wirtschaft sind Daten der Rohstoff der Gegenwart und Zukunft. Sie sind die Grundlage von Unternehmensgewinnen. In vielen Diskussionsbeiträgen stehen sich dabei unternehmerisches Interesse und Datenschutzrecht des Einzelnen unversöhnlich gegenüber, ein Fehler aus meiner Sicht.

Das Ziel sollte es vielmehr sein, Bürgerrechte und Unternehmensinteressen zusammenzubringen. Datenhoheit bedeutet in diesem Fall also, dass der Nutzer jederzeit Herr seiner Daten ist, diese zur Verfügung stellen kann, sie aber auch genauso gut wieder zurücknehmen kann.

(Beifall von der FDP)

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Unternehmen wie Facebook und Google viel transparenter mit der Verwendung von Nutzerdaten umgehen.

Hier sehe ich die Aufgabe für die Politik in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland, in Europa und in der Welt. Nur wenn es gelingt, hier Augenhöhe herzustellen, lassen sich Skandale wie der aktuelle in Zukunft besser verhindern oder gegebenenfalls sanktionieren.

Viele Anmerkungen des Antrages haben also durchaus das richtige Ziel vor Augen. Allerdings – das finde ich an dieser Stelle ausgesprochen schade – driftet der Antrag schließlich ab in politischen Aktionismus.

Sie fordern die bessere Ausstattung des Landesdatenschutzbeauftragten. – Genau das ist bereits geschehen, personell und finanziell. Obwohl er selber gar nicht darum gebeten hat, hat der Landtag ihn bereits mit drei zusätzlichen Stellen unterstützt.

Sie fordern weiter, die Landesregierung solle sich für die Verabschiedung der ePrivacy-Verordnung einsetzen. – Genau das tut sie in den entsprechenden Gremien seit geraumer Zeit und begleitet den Prozess dort eng und im intensiven Austausch mit den zuständigen Stellen.

Noch hanebüchener wird es allerdings, wenn Sie in Ihrem Antrag eine ressortübergreifende Gesamtstrategie fordern. – Erstens wissen Sie selbst am allerbesten, dass eine Fristsetzung hierfür bis Ende 2018 das Anliegen einer solchen Strategie, einen qualitativ hochwertigen Beitrag zum Datenschutz zu leisten, konterkariert. Zweitens arbeitet das Ministerium von Herrn Minister Pinkwart bereits seit Beginn der Legislaturperiode an einer ganzheitlichen Digitalstrategie für Nordrhein-Westfalen, in der der Datenschutz auf Landesebene ebenfalls entsprechend Berücksichtigung findet.

Schließlich gibt es Ihren als Forderung formulierten Vorwurf an die Landesregierung, Datenschutz immer mitzudenken und – Zitat – „nicht mehr pauschal hinter andere Zielsetzungen zurückzustellen“:

Meine Damen und Herren von den Grünen, an dieser Stelle entlarvt sich Ihr gut begonnener Antrag selbst als bloße Profilierung, anstatt einen echten Beitrag zur Debatte zu leisten. Denn würden Sie eine echte Diskussion anstoßen wollen, wäre eine Überweisung an den neu gegründeten Ausschuss für Digitalisierung und Innovation sicher die bessere Wahl gewesen als eine direkte Abstimmung.

Deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie mich folgende Zusammenfassung des Antrages versuchen: zu viel Alarm, zu viel Parteipolitik und zu wenig, um unsere Zustimmung zu finden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Ich danke Ihnen, Herr Hafke. – Jetzt spricht für die AfD-Fraktion Herr Tritschler.

Sven Werner Tritschler (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grünen sprechen mit ihrem Antrag grundsätzlich ein wichtiges Thema an. Die Daten unserer Bürger bedürfen besonderer Sicherheit. Ja, neue Technologien und Geschäftsmodelle bergen auch viele neue Herausforderungen in diesem Zusammenhang. Und ja, der Zugriff des deutschen Rechtsstaates auf Big-Data-Konzerne ist schwach.

Aber wenn man sich Ihren Antrag weiter durchliest, weiß man gar nicht, ob man das überhaupt ändern will.

Meine Damen und Herren von den Grünen, das ist, wie so oft, nichts als pure Heuchelei. Es geht Ihnen nämlich gar nicht um den vermeintlichen oder tatsächlichen Missbrauch von Daten, sondern lediglich darum, dass Sie und Ihre Freunde in der Welt kein Monopol mehr darauf haben. Warum sonst nennen Sie nur genau zwei Beispiele? Warum nennen Sie nur die Trump-Kampagne und die Brexit-Kampagne?

Kein Wort davon, dass in Ihren Reihen noch 2012 Barack Obama, damals Ihr Poster Boy, dafür gefeiert wurde, dass er seine Wiederwahl unter massiver Mithilfe der großen Internetkonzerne gesichert hat! Seine Kampagne verfügte nämlich nicht nur wie Trumps Kampagne über einen Ausschnitt der Facebook-Daten, sondern unter anderem über eine vollständige Aufstellung sämtlicher Freundschaftsbeziehungen im gesamten Facebook-Netzwerk.

Und das ist keine wilde Verschwörungstheorie, sondern das sagt Carol Davidsen, Datenbeauftragte der Obama-Kampagne 2012. Zitat:

„Facebook war überrascht, dass wir das gesamte Freundschaftsnetz heraussaugen konnten … Tage nach der Wahl kamen sie in unser Büro und sagten sehr freimütig, dass sie uns Dinge erlaubt hatten, die sie anderen verboten hätten, weil sie auf unserer Seite waren.“

Meine Damen und Herren von den Grünen, wo war da der Aufschrei? Wo war da die Empörung, die jetzt aus diesem Antrag trieft?

In Wahrheit geht es Ihnen doch gar nicht um Datenschutz, sondern um Bestandsschutz – Bestandsschutz für Sie und Ihresgleichen in der Welt. Ihre Angst ist in dem Antrag mit Händen zu greifen. Sie haben Angst, die Meinungshoheit zu verlieren. Sie haben Angst davor, dass wir den in Deutschland sorgfältig abgesteckten Meinungskorridor, der irgendwo zwischen Ihnen, ARD und ZDF zusammengezimmert ist, aufbrechen könnten. Und dazu führen Sie jetzt ein Rückzugsgefecht.

Die Menschen in Deutschland vertrauen Ihnen nicht mehr; deshalb wählen sie uns. Die Menschen in den Vereinigten Staaten vertrauen ihren Freunden dort nicht mehr; deshalb wählen sie Trump. Die Menschen in Großbritannien haben dem Establishment nicht vertraut; deshalb haben sie für den Brexit gestimmt.

Daran, Herr Hafke, sind keine finsteren Mächte schuld. Daran ist auch nicht Facebook schuld, nicht Putin und nicht Fake News und auch keine Eidechsenmenschen. Dafür sind Sie und Ihre Politik, die die Menschen nicht mehr haben wollen, verantwortlich. Die Menschen wollen eben keine offenen Grenzen, kein Multikulti, keine Klima-Religion usw.

(Beifall von der AfD)

Die sozialen Medien, allen voran Facebook, geben den Menschen nun die Möglichkeit, sich frei, selbstbestimmt und im besten Sinne demokratisch auszutauschen – ohne einen Rundfunkrat, ohne handverlesene Intendanten und ohne Redakteure mit linker Schlagseite.

Meine Damen und Herren von den Grünen, es bedarf keiner großen Fantasie, sich auszurechnen, warum Sie das nicht wollen und warum Sie jetzt diesen Antrag stellen. Aber nicht mit uns! Wir lehnen ihn deshalb ab.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Tritschler. – Nun spricht der fraktionslose Abgeordnete Herr Pretzell.

Marcus Pretzell (fraktionslos): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Der Datenskandal bei Facebook kann eigentlich niemanden überraschen, der die Szenerie schon ein bisschen beobachtet hat. Eigentlich, so hatte man das Gefühl, sind nur Politiker davon überrascht.

Wir wissen, dass so etwas in vielen Fällen passiert. Wir haben es in den letzten Jahren häufiger gehört. Allerdings ist nichts passiert. Wir sehen eine Monopolbildung, die sich dem deutschen Rechtsstaat völlig entzieht. Wir sehen eine Flucht in US-amerikanisches oder anderes Drittrecht. Wir sehen eine Hilflosigkeit deutscher Behörden bis hin zur Steuerpolitik.

Meine Damen und Herren, Ihr Ansatz, gegen solche illegalen Datenzugriffe vorzugehen, ist zwar grundsätzlich richtig. Er ist aber insofern etwas bigott, weil es auf der anderen Seite – nachdem sich hier alle darüber einig sind, was für ein übler Konzern Facebook ist – überhaupt kein Problem darstellt, Facebook zum Erfüllungsgehilfen für die eigenen Interessenlagen einzusetzen.

Ich spreche vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Dort hat man sich ganz einfach Facebooks bedient – im Übrigen auch auf rechtstaatlich höchst zweifelhafte Art und Weise, wenn man bedenkt, was dort passiert und wer insbesondere von den Löschungen betroffen ist.

Hochinteressant – ich weiß nicht, wer von Ihnen sich das einmal angetan hat – ist die Anhörung von Mark Zuckerberg im US-amerikanischen Kongress. Dabei ist nämlich vor allem eines herausgekommen: Facebook nimmt politisch Einfluss. Facebook löscht in ganz besonderem Maße Seiten konservativer Blogger, Dutzende katholisch-christliche Seiten, insbesondere der Pro-Life-Bewegung, und die Seiten anderer Facebook suspekter Organisationen.

Es gibt bei einigen dieser großen Big-Data-Unternehmen eine politische Agenda. Darum geht es. Natürlich müssen wir diesen Konzernen Grenzen aufzeigen; das ist vollkommen klar. Aber das geht eben nicht nur einseitig, also dann, wenn es Ihnen nicht in den Kram passt. Vielmehr gilt das auch dann, wenn es gegen den aus Ihrer Sicht vermeintlich richtigen politischen Gegner geht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von Markus Wagner [AfD] und Nic Peter Vogel [AfD])

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Pretzell. – Als Nächstes hat die Landesregierung das Wort. Es spricht Herr Innenminister Reul.

Herbert Reul, Minister des Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag greift den aktuellen Datenskandal bei Facebook auf. In großem Umfang sollen von dem britischen Unternehmen Cambridge Analytica Daten ausgewertet worden sein. Diese Weitergabe und Nutzung der Facebook-Daten verstößt voraussichtlich gegen geltendes Recht.

Das ist unbestritten nicht in Ordnung. Darüber gibt es in diesem Hause gar keinen Dissens.

Daraus ergibt sich für mich Handlungsbedarf im Sinne einer Ahndung dieses Verstoßes. Der Fall muss aufgeklärt werden, und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Jeglichen weiteren Handlungsbedarf, wie Sie ihn hier fordern, sehe ich im Moment nicht. Ganz im Gegenteil: Wir haben in Nordrhein-Westfalen einen guten Datenschutz. Die Umsetzung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung wird dies noch einmal verbessern – übrigens „verbessern“ in dem Sinne, dass die Regelungen dann gleichermaßen für ganz Europa gelten. Datenschutz muss nämlich über die Grenzen hinaus beachtet werden. Dafür, dass diese Gesetze dann auch eingehalten werden, sorgen wir. Sollte es Verstöße geben, werden sie geahndet. Auch Datenschutzverstöße werden wir konsequent verfolgen und ahnden.

Ich setze aber auch auf Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Sie müssen auch selbst entscheiden, was sie von sich preisgeben. Das bewusste Umgehen mit eigenen Daten ist wichtig. Da hilft übrigens kein Gesetz.

Die zuständige Datenschutzbehörde bietet dazu zahlreiche Informationsangebote an, besonders im Hinblick auf die Nutzung sozialer Medien. Somit bieten wir eigentlich schon das an, was Sie fordern, nämlich unabhängige Informationen darüber, wie Bürgerinnen und Bürger sich schützen können.

Das muss man allerdings auch nutzen und annehmen. Die Schlüsselkompetenz dafür ist Medienkompetenz.

Dafür tut die Landesregierung viel. Wir haben eine ressortübergreifende Projektgruppe für Medienkompetenz. Diese widmet sich auch den Themen „Hate Speech“ und „Fake News“. Zu diesen Themen stimmt sich die Landesregierung kontinuierlich ab. Daher verfügt das Land Nordrhein-Westfalen schon über eine ganz gute Struktur zur Förderung von Medienkompetenz.

Der Datenschutz ist eines unserer zentralen Themen. Wir sind da auf einem guten Weg und arbeiten kontinuierlich daran. Insofern brauchen wir auch keinen Facebook-Skandal, um zu handeln. Das haben wir auch schon vorher getan. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Reul.

Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Inhalt des Antrags Drucksache 17/2390 zu? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Abgeordnete Herr Pretzell. Wer enthält sich? – Es enthält sich die SPD-Fraktion. Gleichwohl ist der Antrag Drucksache 17/2390 mit breiter Mehrheit im Hohen Haus abgelehnt.

Tagesordnungspunkt

5   Kinderbetreuung – echte Wahlfreiheit für Eltern durch Einführung eines alternativen Elterngeldes

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2396

Die Aussprache ist eröffnet. Ans Pult tritt für die AfD-Fraktion Frau Dworeck-Danielowski.

Iris Dworeck-Danielowski (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eltern zu werden, ist sicher eine der gravierendsten Veränderungen im Leben erwachsener Paare. Nicht selten wird über die Fragen „Wer kümmert sich um das Kind? Wer bleibt zu Hause? Wer tritt zurück? Wie können wir Familie und Beruf unter einen Hut bringen?“ heftig gerungen. Für die meisten gibt es allerdings kaum eine Wahlfreiheit bei der Entscheidungsfindung, wann die Rückkehr in den Beruf sinnvoll ist.

Laut Statistischem Bundesamt sind gerade einmal gut 20 % aller Eltern Akademiker. Der Löwenanteil aller Eltern sind also Arbeiter und Angestellte. Ein Blick auf die Durchschnittsgehälter von Arbeitern und Angestellten in Nordrhein-Westfalen macht eines sehr deutlich: Damit eine Familie gut über die Runden kommt, müssen beide Elternteile arbeiten gehen. Deshalb ist für viele der U3-Betreuungsplatz existenziell notwendig.

Wir von der AfD widmen unseren Antrag ganz bewusst den Eltern, die grundsätzlich gerne selber ihre Kinder erziehen und betreuen würden, insbesondere die Kleinkinder, und das aufgrund der soeben genannten Zwickmühle nicht können.

Dafür gibt es auch andere Gründe.

Erstens. Sie betonen immer wieder, wie wichtig ihnen die Familie ist. – Aber wenn Ihnen Familie wirklich so wichtig ist, dann geben Sie den Familien doch endlich wieder die Chance, ihr Familienleben selbst zu gestalten.

(Beifall von der AfD)

Ich weiß schon, welche Einwände gleich kommen werden – wahrscheinlich eine ähnliche Gegenargumentation wie gegen das Betreuungsgeld, also „rückwärtsgewandt“ oder „anti-emanzipatorisch“. – Dazu möchten wir Ihnen Folgendes sagen: Bei einer Erwerbsbiografie von mittlerweile mindestens 45 Jahren ist eine Auszeit von gegebenenfalls drei Jahren sicher nicht die Rückkehr in althergebrachte Rollenklischees.

(Beifall von der AfD)

Ganz davon abgesehen, gönnen wir auch jedem Vater diese Auszeit von Herzen.

Zweitens. Aktuell gibt es lediglich eine Förderung der Kinderbetreuung von staatlicher Seite. Für jedes Kind unter drei Jahren fließen nicht unerhebliche Summen, mindestens 1.000 €, in der Regel mehr. Je nach Kommune und Einkommen der Eltern fließt ein eigener Beitrag zurück. Aber wenn wir uns an den Durchschnittsverdienern Nordrhein-Westfalens orientieren, müssen wir feststellen, dass der Platz zu mindestens 80 % von der öffentlichen Hand bezahlt wird. Investitionskostenzuschüsse für Ausbauten, Umbauten und Neubauten sind dabei gar nicht mit eingerechnet.

Wer von dieser Förderung keinen Gebrauch macht und sein Kind zu Hause erzieht, erfährt auch keine monetäre Entlastung. Das finden wir ausgesprochen unausgewogen; denn Förderung ist auch Steuerung.

(Beifall von der AfD)

Der dritte und wohl wichtigste Grund: Die Zustände an vielen Kitas sind katastrophal und entsprechen nicht den Standards, die überhaupt den Nutzen von frühkindlicher Bildung garantieren können. Vielmehr macht insbesondere der Fachkräftemangel den Alltag im Kindergarten für das Personal und für die Kinder zur Belastung. Diese Missstände sind selbst in den Leitmedien angekommen und extrem besorgniserregend.

Wir diskutieren hier ständig über weitergehende Betreuungsangebote, Betreuung in Randzeiten usw., sind aber nicht einmal in der Lage, das aktuelle Angebot zu decken.

Wenn der VBE recht hat und bis 2025 allein in Nordrhein-Westfalen 75.000 Erzieher fehlen, dann droht doch der Kitalandschaft der Kollaps. Das ist doch vorprogrammiert. Und wer sind die Leidtragenden? Das sind die Kinder.

Es ist völlig irrsinnig und für uns nicht nachvollziehbar, wie man immer weiter lediglich auf dieses eine Pferd setzen kann – sehenden Auges, dass dieses Angebot in dem Umfang, den Sie planen, nicht gestemmt werden kann. Wir brauchen mehr Erzieher, mehr Pfleger – Altenpfleger, Krankenpfleger –, mehr Lehrer, mehr Handwerker, mehr Ärzte. Woher wollen Sie die denn alle nehmen?

Zu guter Letzt wissen auch wir, dass das Betreuungsgeld so, wie es das einmal gab, ziemlicher Kokolores war. 150 € Taschengeld, mit der Gießkanne ausgeschüttet, tragen natürlich nicht zur Wahlfreiheit bei.

(Beifall von der AfD)

In diesem Sinne fordern wir Sie auf: Schaffen Sie die Voraussetzung, dass Fremdbetreuung solchen Qualitätsstandards entspricht, dass der Nutzen von frühkindlicher Bildung überhaupt tatsächlich zum Tragen kommen kann. Noch viel wichtiger: Solange das nicht der Fall ist, wenden Sie endlich den Schaden von unseren Kindern ab, der durch die miserable Situation an vielen Kitas entsteht. Erkennen Sie vor allen Dingen bitte die Realität an. Schon alleine durch den Mangel an Personal ist der Ausbau von Kita und Co begrenzt.

Deshalb bitten wir Sie: Schaffen Sie eine Alternative, damit die Eltern, die ihre Kinder in den ersten drei Lebensjahren gerne selber betreuen würden, das auch können – und vor allen Dingen unabhängig vom eigenen Geldbeutel. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Dworeck-Danielowski. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Frau Gebauer.

Katharina Gebauer (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag folgt leider dem Muster, das die meisten Anträge der AfD-Fraktion aufweisen. Sie malen den Teufel an die Wand und reden das bestehende System schlecht. Dabei stützen Sie sich auf einige wenige Fakten, die Sie aus dem Zusammenhang reißen und so zu Halbwahrheiten machen. Bei allem schimmert ein Weltbild durch, welches vermutlich selbst meine Großeltern rückschrittlich genannt hätten.

(Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so funktioniert Landesparlamentarismus nicht. Das fängt schon beim Titel des Antrages an. Da wird die Einführung eines – ich zitiere – „alternativen Elterngeldes“ gefordert. – Darüber, was das konkret sein soll, wird im Antrag aber kein Wort verloren. Sie lehnen das Betreuungsgeld als zu niedrig ab, halten sich aber nicht damit auf, wie denn ein vom Land gezahltes alternatives Elterngeld aussehen könnte. Sie bringen es nur zur Ablehnung des Bestehenden. Etwas Eigenes zu formulieren, fällt Ihnen nicht ein.

An dem Tag, an dem Ihr Antrag eingebracht wurde, kündigte Markus Söder an, dass auch Bayern das Betreuungsgeld abschaffen und durch ein Familiengeld ersetzen will.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten sie eine Zwischenfrage?

Katharina Gebauer (CDU): Im Moment nicht. – Also Herdprämie ade, sollte man meinen. Nicht so bei der AfD!

Eine pauschale Geldleistung, die es als Kompensation gibt, wenn man keine U3-Betreuung in Anspruch nimmt, geht an dem Ziel vorbei. Der Staat will und darf nicht den natürlich gegebenen Erziehungsauftrag der Eltern erfüllen. Er soll nur da unterstützen und fördern, wo es notwendig ist. Unabhängig von der Herkunft müssen bereits in frühkindlichen Phasen auch bildungsfernen und sozial schwachen Familien Chancen ermöglicht werden. Wenn das nicht in der Familie geht, muss der Staat da unterstützen.

Des Weiteren sollen Familien frei entscheiden können, wie ihr Familienleben aussehen soll. Hier sehen wir auch einen wichtigen Punkt in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Durch den Ausbau der U3-Plätze ist da in den letzten Jahren viel passiert.

Außerdem haben sich die Realitäten seit den 50er-Jahren verändert. Die Frauenerwerbsquote hat sich verändert. Die gesellschaftliche Realität hat sich geändert. „Vater, Mutter, Kind“ ist das vorherrschende Familienmodell. Frauen wollen aber nach einer Familienpause wieder in den Beruf zurückkehren.

Familien, die sich für die U3-Betreuung entscheiden, werden von Ihnen an den Pranger gestellt: Sie würden ihrem Kind schaden. – Das geht gar nicht.

(Beifall von der CDU)

Stichwort „Alleinerziehende“: Die Alleinerziehenden sind ganz besonders auf staatliche Betreuung für ihre Kinder angewiesen.

Stichwort „Flexibilisierung der Arbeitszeit“: Zwar ist der Achtstundentag vorherrschend. Die Ausnahmen – wie Schicht- und Sonderdienste sowie Überstunden – haben aber zugenommen, sodass ein Angebot für Eltern mit ungewöhnlichen Arbeitszeiten vorgehalten werden muss.

Das ist doch die Realität von heute und morgen, die Politik anzunehmen hat. Das kann doch nicht beiseitegeschoben werden.

Wer sein Kind auch nach einem Jahr, 14 Monaten oder zwei Jahren weiter zu Hause erziehen möchte, der soll das auch tun. Wer sich allerdings aufgrund der Realitäten dagegen entscheiden muss oder möchte, sollte vom Staat unterstützt werden. Das müssen wir gewährleisten; das muss funktionieren.

Als Erzieherin ist mir aus meinem Berufsalltag klar: Es gibt Probleme und Schwächen, die es aus dem Weg zu räumen gilt. Genau das können wir als Land machen. Sie können aber doch nicht pauschal von Schäden an Kindern durch Erzieherinnen und Erzieher bei der U3-Betreuung sprechen.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Auch die Qualität der Betreuung ist nicht generell unbefriedigend oder mangelhaft. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Erzieherinnen und Erzieher, die tagtäglich einen verdammt harten, aber eben auch schönen und anerkennenswerten Job machen.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der AfD)

Sie werfen uns vor, einseitig zu sein, verkennen aber, dass Ihre Anträge genau das sind – einseitig, polemisch und dogmatisch. Sie verweigern sich den Realitäten und hängen einem Gesellschafts- und Frauenbild nach, das es schon lange nicht mehr gibt. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Gebauer. – Sie haben schon gesehen, dass das rote Lämpchen leuchtet. Es wurde eine Kurzintervention vom Fraktionsvorsitzenden der AfD, Herrn Wagner, angemeldet. Frau Dworeck-Danielowski …

(Markus Wagner [AfD]: Ich habe sie nur angemeldet!)

– Das habe ich gesagt, Herr Fraktionsvorsitzender. Sie müssen immer genau zuhören, was ich sage. Sie haben sie angemeldet, und Ihre Kollegin wird die Kurzintervention jetzt durchführen. – Bitte schön. Sie haben das Wort, Frau Kollegin.

Iris Dworeck-Danielowski (AfD): Vielen Dank. – Sie haben ja gerade gesagt, wir würden die Realität verkennen. – Ich glaube, dass eher Sie die Realität verkennen.

Leider haben Sie auch den Inhalt des Antrags in keiner Weise erfasst. Es geht nicht darum, den Erzieherinnen den Vorwurf zu machen, dass sie eine Gefahr für die Kinder sind, sondern es geht um die miserable Situation an den Kindergärten, die vor allen Dingen durch Personalmangel verursacht ist.

Ein Beispiel: Herr van den Berg ist, glaube ich, leider nicht vor Ort. In seinem Wahlkreis ist eine Kita mit 120 Plätzen vollmundig an den Start gegangen. Sie wurde sehnsüchtig erwartet, weil es in Pulheim sehr wenige Kindergärten gibt. Von Beginn an konnten aufgrund der miserablen Personalsituation lediglich 90 Plätze angeboten werden.

Im März wurde zu einer Elternversammlung eingeladen. Dort hat man mittwochs 30 Eltern gesagt: Ab Montag haben Sie keinen Kindergartenplatz mehr, weil wir auf 60 Plätze heruntergehen müssen. – Das war notwendig, weil kein Personal mehr gefunden werden konnte. Das ist eine Gefährdung. Die Mütter sind dort teilweise mit Tränen in den Augen hinausgegangen. Denn es ist wirklich ein Problem, seinem Arbeitgeber so kurzfristig zu verklickern, dass man keine Betreuung hat.

Sie verkennen die Realität. Ständig wird einem an sämtlichen Kindergärten, wenn es Krankheitswellen gibt, mittlerweile immer wieder gesagt: Können Sie Ihre Kinder nicht bitte zu Hause lassen? – Letztens musste eine Arbeitskollegin dem Kindergarten sogar schriftlich angeben, wer berufstätig ist und wer nicht, damit diejenigen, die nicht berufstätig sind, ihre Kinder zwischendurch öfter einmal zu Hause lassen, weil es zu wenig Personal gibt und der Personalschlüssel ständig unterschritten wird. Das ist gefährdend. Nicht die Erzieher sind gefährdend. Es ist sehr schade, dass Sie den Sachverhalt leider nicht erkannt haben.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Gebauer, Sie haben 1:30 Minuten zum Erwidern. Bitte.

Katharina Gebauer (CDU): Den Sachverhalt habe ich mit Sicherheit sehr genau erkannt. In diesem Antrag wird aber ziemlich deutlich, dass es um Schäden sowie mangelhafte bzw. miserable Bedingungen für die Kinder in Tageseinrichtungen geht.

Wenn ich mir die Realität angucke, dann weiß ich, was Erzieher vor Ort leisten. Ich weiß mit Sicherheit auch, dass es Herausforderungen gibt. Das habe ich am eigenen Leib erfahren.

Der Antrag in dieser Form bringt uns aber nicht ans Ziel. Ich habe in meiner Rede auch ganz klar gesagt: Es gibt Probleme und Herausforderungen, die wir angehen. Da wollen wir weiter vorankommen und unsere Anstrengungen verstärken. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der AfD: Wann?)

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Gebauer. – Als Nächstes spricht Frau Dr. Büteführ für die SPD-Fraktion. Sie haben das Wort. Bitte schön.

Dr. Nadja Büteführ (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich dachte ja spontan, ich sei im falschen Film, als ich den AfD-Antrag zur Einführung eines Elterngeldes las.

Erstens. Mittels Copy-and-paste – und trotzdem noch mit ein paar Grammatikfehlern – wurde als Aufhänger ein Artikel verarbeitet, den uns die „Welt“ Heiligabend letzten Jahres unter den Baum legte. – Das wäre aber nur ein klein wenig von gestern gewesen. Viel erschütternder sind die folgenden Punkte.

Zweitens. Inhaltlich wird bei der Gegenüberstellung von institutioneller Kitabetreuung und der ach so idyllischen familiären Kinderbetreuung auf Studienergebnisse Bezug genommen, die teilweise 13 Jahre alt sind. Die Ergebnisse werden dann in Ihrem Antrag durch selektive Wahrnehmung ausschließlich in eine Richtung interpretiert, nämlich die, die Ihnen zupasskommt und Ihrer rückwärtsgewandten Gedankenwelt entspricht.

(Zurufe von der AfD)

Drittens. In diesem Zusammenhang habe ich einen Artikel in der „Zeit“ gefunden, der sich im Februar 2007 auf diese von Ihnen zitierte amerikanische Studie bezog und seltsamerweise ein ganz anderes Fazit präsentiert. Ich darf kurz vollständig zitieren:

„Das Ergebnis ist vielschichtig. Doch die Hauptaussage ist und bleibt: Wie die Mutter mit dem Kind umgeht, ist das Hauptkriterium für sein Wohlergehen. Familienvariablen sind mindestens doppelt so wichtig für die Entwicklung eines Kindes, wie die Dauer seines Aufenthalts in der Krippe oder seine Bindung zu den Erziehern. Das liebevolle, einfühlsame Verhalten der Eltern ist ausschlaggebend, die Krippenunterbringung kann die Bindung nicht zerstören. Daneben“

– aufgepasst! –

„wirken allerdings sehr stark auch Ausbildung, Intelligenz, Einstellungen zur Erziehung – und das Familieneinkommen.“

Zusammen wird also ein Schuh daraus. – An die Adresse der AfD gerichtet: Das war ein vollständiges Zitat. Immer schön sauber recherchieren und die Adressaten nicht für dumm verkaufen!

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Viertens. Jetzt wird es noch schlimmer. Die gesamte bundes- und landespolitische Diskussion über das Betreuungsgeld inklusive der juristischen Bewertung des letzten Jahrzehnts wird vom Antragsteller zumindest in der schriftlichen Form komplett ignoriert. Lassen Sie sich doch einmal alle Protokolle, Anträge und Bewertungen der letzten Jahre von Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammentragen. Das ist vielleicht ein bisschen zu aufwendig. Aber da kann man sehr viel Erhellendes finden, was diesen Antrag komplett überflüssig gemacht hätte. – Die Argumente hier erneut aufzuführen, würde die meisten Anwesenden sicher unterfordern.

Fünftens. Ihre pseudowissenschaftliche Einleitung über zwei Seiten täuscht in Ihrem Antrag nicht über die dürftigen Feststellungen am Ende und Ihre schwammigen Forderungen hinweg. Das hatte meine Vorrednerin gerade auch schon erwähnt. Ich glaube, Sie wissen selbst noch nicht so ganz genau, wohin Sie eigentlich wollen.

Die SPD-Fraktion im Landtag hat mit Anfragen, Anträgen und Anhörungen zum Thema „frühkindliche Betreuung und Bildung“ in den letzten Monaten und Jahren ganz klar aufgezeigt, wohin die Reise gehen soll.

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Nadja Büteführ (SPD): Nein, im Augenblick nicht. – Kolleginnen und Kollegen, Eltern haben in Deutschland und in NRW natürlich die Wahl, ab wann, wie lange und ob ihr Kind eine Kita besucht. Das ist gut und richtig so. Diese Entscheidung sollte jeder Mensch für seine Kinder selbst treffen dürfen.

Gleichwohl hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten die praktische Lebenswirklichkeit von Familien gravierend verändert. Um heute den Bedürfnissen der jungen Menschen gerecht zu werden, bedarf es nicht veralteter Rollen- und Familienbilder, sondern einer modernen, personell und finanziell optimal ausgestatteten Bildungsinfrastruktur. Diese Landesregierung ist jetzt in der Pflicht, da auch zu liefern.

Eine präventive, gute Familien- und Bildungspolitik muss dazu beitragen, unterschiedliche familiäre Voraussetzungen und auch Defizite auszugleichen. Sie sollte allen Kindern möglichst früh gleiche Ausgangs- und Bildungschancen eröffnen sowie Frauen und Männern, Alleinerziehenden und Paaren gleiche berufliche Möglichkeiten sichern.

Genau das gelingt durch die Kitabetreuung. Deshalb gehört die Kitabetreuung vom Staat finanziell unterstützt – nach unseren Vorstellungen bis hin zur kompletten Beitragsfreiheit.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wer profitiert davon, anstatt, wie Sie behaupten, sogar darunter zu leiden? Alle, aber vor allem die Kinder! Daran will und wird die SPD weiterarbeiten – und übrigens nicht daran, dass Mutti hinter dem Herd oder, neumodisch ausgedrückt, vor dem Thermomix steht.

Einer, wie ich finde, inhaltlich eigentlich überflüssigen Überweisung in den Fachausschuss werden wir trotzdem natürlich zustimmen. Dort können wir gerne weiter im Detail diskutieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Dr. Büteführ. – Sie bleiben bitte am Pult. Denn die AfD-Fraktion hat eine Kurzintervention angemeldet, wie Sie am roten Lämpchen sehen. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Loose.

Christian Loose (AfD): Frau Dr. Büteführ, ich hatte eigentlich nur eine kurze Frage; aber es gibt ja die Kurzintervention. – NRW steht mit 26,3 % der U3-Betreuungsplätze in Deutschland als Schlusslicht da. Ist das die gute Betreuung für die Kinder, die Sie eben angesprochen haben, die Sie sich vorstellen? Ist das die soziale Politik, die Sie sich vorstellen, mit der Sie die Mütter, wie hier gerade gesagt wurde, im Stich lassen, weil sie keinen Betreuungsplatz haben?

(Zuruf von den GRÜNEN)

Wäre es da nicht sinnvoll, zu erkennen, dass man irgendwann einmal vielleicht nicht mehr die entsprechenden Erzieher hat, sodass man den Leuten dann die Möglichkeit gibt, ihr Kind zu Hause glücklich zu betreuen? – Danke.

(Zuruf: Völlig egal, ob Vater oder Mutter!)

Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Dr. Büteführ, Sie haben 1:30 Minuten Zeit, zu reagieren.

Dr. Nadja Büteführ (SPD): Sie sprechen zwei durchaus wichtige Punkte an. Die Quote ist mit Sicherheit nicht so, wie wir uns das als SPD vorstellen. Sie sollte deutlich ausgeweitet werden und dem tatsächlichen Bedarf entsprechen. Man muss schrittweise in diese Richtung arbeiten.

Ebenso gilt es natürlich, den Fachkräftemangel zu bekämpfen und die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung finanziell und auch in sonstigen Punkten attraktiver zu machen, damit dort wirklich qualifizierte Leute zur Verfügung stehen. Das wird eine der sehr wichtigen Aufgaben der Zukunft sein. Wenn Sie mögen, können Sie daran gerne mitarbeiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Dr. Büteführ. – Nun hat das Wort für die FDP-Fraktion Herr Freynick.

Jörn Freynick (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag scheint einen gewissen Anschein erwecken zu wollen, nämlich dass in Nordrhein-Westfalen ein Zwang zur außerfamiliären Kinderbetreuung bestünde.

Ich möchte an dieser Stelle in aller Klarheit betonen: Das ist absolut nicht der Fall. Die außerfamiliären Betreuungsmöglichkeiten für Kinder sind als ein Angebot an die Eltern zu verstehen, Familie und Beruf bestmöglich miteinander zu vereinbaren, völlig ohne Zwang.

Mit dem Ehegattensplitting und dem Elterngeld Plus sind unter anderem viele Möglichkeiten gegeben, die Betreuung der eigenen Kinder zu Hause zu fördern. Von einer einseitigen staatlichen Bevorzugung der außerfamiliären Kinderbetreuung kann daher keine Rede sein. Diese Entscheidungsfreiheit hat die NRW-Koalition deutlich im Koalitionsvertrag festgehalten. Die entsprechende Passage wird sogar auch in Ihrem Antrag zitiert.

Des Weiteren ist Ihre Annahme, die Betreuung in einer Kita sei für die Kinder schädlich, nicht nachvollziehbar. Zwar ziehen Sie hier wild ausgesucht einige Studien für Ihre Behauptungen heran, aber insbesondere die NICHD-Studie ist mit ihren wissenschaftlichen und empirischen Methoden kaum auf Deutschland anwendbar, vor allem da diese in den USA durchgeführt wurde, deren Kinderbetreuungssystem wohl kaum mit unserer Situation verglichen werden kann.

Andere Untersuchungen zeigen, dass insbesondere Kinder aus sozialschwachen Familien von einer guten Kitabetreuung profitieren.

(Christian Loose [AfD]: Von einer guten, da haben Sie recht gesprochen!)

Die seit 1962 durchgeführte Perry-Preschool-Studie zeigt auf, dass besonders bei benachteiligten Kindern eine frühe Förderung mit einer deutlich positiveren Entwicklung und darüber hinaus mit einem positiven Nutzen für die Gesellschaft einhergeht.

(Zuruf von der AfD)

Das von Ihnen behauptete Nichterfüllen der Mindestanforderung an eine quantitativ befriedigende Betreuung in NRW lässt sich im Übrigen kaum empirisch belegen. So betreut bei uns eine Erziehungskraft durchschnittlich 3,7 U3-Kinder. Bundesweit liegt der Durchschnitt bei 4,3 Kindern. Beim Personalschlüssel ist NRW daher bereits auf einem guten Weg.

Dass insbesondere die finanzielle und personelle Situation in der frühkindlichen Bildung in NRW noch stark verbesserungswürdig ist, liegt auf der Hand. Hier hat die NRW-Koalition erste Schritte eingeleitet. Mit dem im letzten Herbst initiierten Kita-Rettungspaket im Umfang von einer halben Milliarde € wurde den Kitaträgern vorerst eine finanzielle Atempause für notwendige Sanierungen und Investitionen gegeben.

Eine langfristige, solide und qualitativ finanzielle Ausstattung und verbesserte Standards in der pädagogischen Arbeit vor Ort in den Kitas sind bereits in Arbeit. Das Nichtzustandekommen einer verbesserten Kitafinanzierung der rot-grünen Vorgängerregierung darf daher nicht dazu führen – wie Sie es in Ihrem Antrag suggerieren –, die Kinderbetreuung gänzlich in die Familien abzugeben.

Der Staat hat die Aufgabe und die Pflicht, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken, sowohl für Mütter als auch Väter. Auch ich muss ehrlicherweise gestehen, dass ich die Ausschussüberweisung für fragwürdig halte, aber dennoch werden wir ihr zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Freynick. – Nun spricht Frau Paul für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Familien sind bunt und vielfältig, und so sind auch ihre Bedarfe. Ich muss ganz ehrlich sagen, bei der Lektüre dieses Antrags habe ich gedacht: Die Debatte ist doch längst über Ihre Forderungen hinweggegangen. Schauen Sie sich doch einmal an, was sozusagen auf dem Marktplatz der Ideen angeboten wird, wie man Familienförderung zukunftsfähig aufstellen kann.

Die Grünen sprechen zum Beispiel davon, dass wir eine Familienzeit Plus brauchen. Das heißt, dass sich Mütter und Väter – wenn die Paare zusammenleben, bei Alleinerziehenden natürlich nicht – die Elternzeit aufteilen und auch noch flexibel Monate dazubekommen. Denn anders, als Sie in Ihrem Antrag zu Protokoll geben, brauchen Kinder ihre Eltern ja nicht nur im U3-Bereich, sondern vielleicht gibt es auch noch andere Phasen im Leben von Kindern, in denen ihre Eltern sie gerne mehr unterstützen würden: bei Übergangsphasen oder zum Anfang der Pubertät.

Deswegen lautet der Vorschlag der Grünen: Bis 14 Jahre sollte man mehr Flexibilität in die Elternzeit bringen, wann Eltern ihre Elternzeitmonate nehmen können. Das ist ein Beispiel dafür, wie man moderne Familienpolitik nach vorne denken kann.

Auch die Familienberichterstattung in Bund und Ländern zeigt: Familien brauchen in allererster Linie den Dreiklang aus Geld – also Elterngeld und perspektivisch hoffentlich eine Kindergrundsicherung –, Infrastruktur – die Sie gerade massiv schlechtgeredet haben – und Zeit – dafür gibt es Elternzeit; wir brauchen aber auch flexiblere Arbeitszeitmodelle, und wir brauchen endlich ein Rückkehrrecht auf Vollzeit.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Das ist der Dreiklang, den Familien tatsächlich brauchen. Was Sie nicht brauchen, sind irgendwelche Anträge, die relativ im Nebulösen rumschwadronieren.

Mit dem Elterngeld Plus ist auf Bundesebene ein Schritt in Richtung zu mehr Flexibilität gegangen worden.

Ich habe es gerade schon erwähnt, aber will es noch einmal unterstreichen – meine Kolleginnen und Kollegen haben das ja auch schon getan –: Die Art und Weise, wie Sie hier die frühkindliche Bildung, unsere Kindertageseinrichtungen und auch die dort engagiert Tätigen schlechtgeredet haben, möchte ich noch einmal entschieden zurückweisen.

(Christian Loose [AfD]: Dann zitieren Sie das doch mal! – Nic Peter Vogel [AfD]: Lesen Sie den Antrag!)

– In Ihrem Antrag steht ja relativ viel heiße Luft. Sie kritisieren ständig, wie schlecht unser frühkindliches Bildungssystem für unsere Kinder ist.

(Zuruf von der AfD: Genau! – Christian Loose [AfD]: Das System funktioniert nicht; die Menschen leisten gute Arbeit!)

Das ist unredlich und zeugt davon, dass Sie keine Ahnung haben, wie die Menschen in den Kindertageseinrichtungen arbeiten. Auf die können Sie sicherlich nicht zählen.

(Christian Loose [AfD]: Die Menschen leisten Gutes, und das sagen wir auch!)

– Hören Sie auf zu schreien, hören Sie zu!

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wahlfreiheit ergibt sich aus dem Dreiklang, den ich gerade schon genannt habe: Geld, Zeit und Infrastruktur. Sie ergibt sich aus einer Arbeitswelt, die sich auf Familien einstellt, und nicht umgekehrt. Und sie ergibt sich aus flexiblen Arbeits- und Elternzeitmodellen. Woraus sie sich nicht ergibt, ist aus Ihrem überflüssigen Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Paul. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Dr. Stamp das Wort.

(Zuruf von der AfD: Von welcher Arbeitswelt redet sie denn? – Weiterer Zuruf von der AfD: Weiß die gar nicht; die war doch noch nie arbeiten!)

Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eben in Zwischenrufen mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung gefordert worden. Genau das werden wir im Rahmen der KiBiz-Reform und auch der Reform der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher angehen.

Warum wir hier noch einmal eine solche Debatte führen sollten, nachdem sich Bayern jetzt auch noch vom Betreuungsgeld verabschiedet hat, erschließt sich mir nicht. Deswegen schlage ich vor, den Antrag im Ausschuss abzulehnen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2396 an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend. Die abschließende Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer ist dagegen, dass das so gemacht wird? – Niemand. Gibt es Enthaltungen? – Auch nicht. Damit ist einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

6   Praxiserfahrung von Feuerwehrangehörigen stärken – dezentrale Übungsgelände bereitstellen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2398

Für die CDU-Fraktion begründet Herr Schnelle diesen Antrag.

Thomas Schnelle (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Weit über 80.000 freiwillige Feuerwehrfrauen und ‑männer sorgen täglich dafür, dass wir in unserem Land vor Feuer und anderen Gefahren geschützt werden. Sie bringen sich nicht selten selbst in Gefahr, um andere zu retten und um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.

Wie bereits in unserem Antrag ausgeführt, möchte ich auch an dieser Stelle nochmals unseren Dank, unseren Respekt und unsere Anerkennung für diesen Einsatz kundtun und deutlich machen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist die Aufgabe der Politik, der Ministerien und der Verwaltungen in Bund, Land und Kommunen, den Feuerwehren für diesen Einsatz die bestmögliche Aus- und Fortbildung zukommen zu lassen. Hierzu soll dieser Antrag dienen.

Eine kontinuierliche Verbesserung des baulichen, anlagetechnischen und betrieblichen Brandschutzes sowie die Pflicht zu Rauchmeldern haben dazu geführt, dass die jährliche Anzahl von Bränden in Nordrhein-Westfalen stetig zurückgegangen ist. Dies ist eine erfreuliche Entwicklung.

Die zurückgehende Zahl an Bränden führt jedoch auf der anderen Seite dazu, dass sich die Einsatzerfahrung des einzelnen Feuerwehrangehörigen verringert. Diese geringere Praxiserfahrung kann nur durch Übungen unter möglichst realistischen Einsatzbedingungen aufgefangen werden. Nur hierdurch werden die Feuerwehrfrauen und ‑männer in die Lage versetzt, im dann doch eingetretenen Brandfall handlungssicher und professionell agieren zu können.

Im viel beachteten Projekt „Feuerwehrensache“ haben sich viele Fachleute aus der Feuerwehr zu verschiedenen Bereichen der Feuerwehr Gedanken gemacht und diskutiert. Auch hier wird festgestellt, dass nicht die Zahl der Köpfe im Einsatzfall entscheidend ist, sondern die gute und einheitliche Ausbildung.

Der Abschlussbericht kommt aber auch zu der Erkenntnis, dass es den Feuerwehren an Übungsmöglichkeiten für die Grundtätigkeiten fehlt, und zieht daraus die Schlussfolgerung, dass auf Nordrhein-Westfalen verteilt dezentrale Übungsgelände geschaffen werden müssen. Dies haben unsere Gespräche mit dem Verband der Feuerwehren bestätigt, der sich ebenfalls seit einiger Zeit in einer Arbeitsgruppe mit diesem Thema beschäftigt.

In Nordrhein-Westfalen kommt den Kommunen die Aufgabe der Schulung und Fortbildung der Feuerwehrangehörigen zu. Das Land kümmert sich um die Aus- und Fortbildung der Führungskräfte. Daher ist es natürlich zunächst die Aufgabe der Kommunen, diese dezentralen Übungsgelände zur Verfügung zu stellen. Einige wenige Übungsgelände stehen bereits zur Verfügung. Dazu kommt das vom Land getragene große Übungsgelände in Münster-Handorf.

Diese bislang vorhandenen Übungsgelände reichen aber nicht aus. Wir wollen daher die Kommunen bei der Schaffung weiterer Übungsgelände unterstützen und prüfen, wie das Land Anreize zur Schaffung solcher Übungsgelegenheiten bei Kommunen oder kommunalen Kooperationen schaffen kann.

Hierbei sollen auch Synergieeffekte geprüft werden, die durch eine gemeinsame Nutzung dieser Übungsgelände durch Feuerwehr, Polizei oder andere Organisationen des Katastrophenschutzes entstehen.

Im Umkehrschluss soll natürlich auch die Nutzung von Übungsgeländen anderer Institutionen durch die Kommunen für ihre Feuerwehren geprüft werden.

Ebenso sollen Musterszenarien für sogenannte Großschadensereignisse entwickelt werden, damit die Einheiten aus Feuerwehr und Hilfsorganisationen eine gemeinsame Grundlage zur Übung im Ernstfall haben.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass wir mit dem hier vorliegenden Antrag einen Prozess zur Verbesserung der Übungsmöglichkeiten der Feuerwehren in NRW starten wollen. Dies soll mit allen Beteiligten, also mit den Kommunen, mit dem Verband der Feuerwehren und mit weiteren Fachleuten in der Feuerwehr, geschehen.

Ich bitte um Zustimmung zur Überweisung unseres Antrags an den Innenausschuss und freue mich auf die anstehenden Beratungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Schnelle. – Nun spricht Herr Dr. Pfeil für die FDP-Fraktion.

Dr. Werner Pfeil (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen!

Brandschutz, Großschadensereignisse, Naturkatastrophen, Starkregenfälle: In all diesen Fällen helfen die Einsatzkräfte der Feuerwehren gemeinsam mit Polizeieinsatzkräften und Mitgliedern des Technischen Hilfswerks. So steigt der Bedarf an speziell geschulten Einsatzkräften mit der Größe des Einsatzfahrzeuges, der Komplexität seiner technischen Ausstattung und dem jeweiligen Einsatz.

Mit dem vorliegenden Antrag wird ein erster Schritt gemacht, um die Praxiserfahrung von Feuerwehrangehörigen zu stärken. Hierbei sind insbesondere zwei Aspekte hervorzuheben:

Zum einen hängt der Erfolg von einem guten Trainingszustand der handwerklichen Feuerwehrtätigkeiten ab. Daher ist das Trainieren von Grundtätigkeiten eine wichtige Voraussetzung, damit die Feuerwehrangehörigen im Ernstfall richtig agieren und die jeweils notwendigen Maßnahmen ergreifen.

Das Trainieren von Grundtätigkeiten setzt aber zum anderen voraus, dass geeignete Übungsmöglichkeiten bestehen, für die zunächst die Kommunen zuständig sind. Die Kommunen in NRW allein wären damit aber überfordert, überall kommunale Übungsgelände und Übungszentren zu errichten. Auch wäre eine solche Forderung unverhältnismäßig.

Daher sind regionale Ausbildungs- und Übergangszentren einzurichten, in denen unter realen Bedingungen die unterschiedlichsten Szenarien geübt werden können. Dazu gehören unserer Meinung nach auch Brandsimulationsanlagen, die den Feuerwehrangehörigen die reale Situation eines Brandereignisses vor Augen führen und dann von ihnen das theoretisch erlernte Wissen abverlangen.

(Beifall von der FDP)

Diese Voraussetzungen zu schaffen, auch zum Schutz der Feuerwehrangehörigen selber, ist das erste Ziel dieses Antrages.

Damit komme ich zur zweiten Forderung des Antrags. Es sind Übungsszenarien zu entwickeln, die möglichst real in den Übungszentren bzw. auf den Übungsgeländen durchgeführt werden können, damit die Feuerwehrangehörigen unter möglichst realen Umständen den Ernstfall proben können. Die Tatsache, dass manche Feuerwehren diese Übungsmöglichkeiten derzeit nicht haben und noch nicht einmal das Löschen eines Brandes mit Wasser üben können, ist ein unhaltbarer Zustand. Dass hier sofort für Abhilfe zu sorgen ist, dürfte für uns alle außer Frage stehen.

Unsere Forderungen mit dem vorliegenden Antrag gehen aber weiter, viel weiter. Bezüglich Musterszenarien für Großschadensereignisse geht die Forderung des Antrags dahin, dass diese kreisübergreifend und regionsweit notwendigen Szenarien erst einmal entwickelt werden müssen, denn auch daran krankt das aktuelle System. Zehn Jahre nach Kyrill und unzähligen Vorfällen ist die Schaffung solcher Musterszenarien eine zwingende Notwendigkeit. Im Moment liegen diese nur rudimentär vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen, der Grundlagenbericht Katastrophenschutz liegt seit einigen Wochen vor und wurde vom Innenminister vorgestellt.

Die größten Katastrophenrisiken hierzulande sind Extremwetter, Hochwasser, Chemieunfälle, Pandemien, Tierseuchen sowie der Ausfall wichtiger Infrastrukturen etwa in der Telekommunikation oder in der Stromversorgung.

Der Bericht warnt insbesondere vor der Möglichkeit des Eintretens gleich mehrerer dieser Szenarien auf einmal. Dies sei im Ballungsraum NRW mit viel Industrie und Verkehr ein besonderes Risiko, sodass sich die Katastrophenschutzszenarien in NRW deutlich von denen in vielen anderen Teilen Deutschlands unterscheiden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im März 2018 fragten besorgte Eltern in der Region Aachen im Hinblick auf die Erfahrungen mit dem Sturm Friederike und die nicht vorhandenen Katastrophenschutzpläne für einen Vorfall in Tihange, wann sich da etwas bewegt. Dem wird mit diesem Antrag Rechnung getragen. Ich bin zuversichtlich, dass wir die richtigen Szenarien entwickeln werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Pfeil. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Bongers. Es ist Ihre erste Rede, Frau Bongers. Wir alle wünschen Ihnen viel Erfolg und viel Glück.

Sonja Bongers (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich meine erste Plenarrede zu so einem wichtigen Thema wie der Unterstützung von Rettungsdiensten halten darf.

Wenn wir von Feuerwehreinsätzen sprechen, sprechen wir von diesen Momenten, von denen wir eigentlich alle hoffen, dass sie niemals eintreten werden, wie zum Beispiel:

Der Rauchmelder geht mit einem begründeten Verdacht an, und die Wohnung muss nachts evakuiert werden. Der Schwiegervater bekommt einen Herzinfarkt und muss mit Blaulicht ins Krankenhaus gebracht werden. Ein Hochwasser überflutet den Keller. Oder eine uns nahestehende Person wird bei einem Unfall im eigenen Auto eingeklemmt. – Aber wenn sie tragischerweise doch passieren, dann sind wir nicht nur froh, sondern auch darauf angewiesen, dass schnelle und professionelle Hilfe an Ort und Stelle verfügbar ist.

Die Feuerwehren und Rettungsdienste in unserem Land retten tagtäglich Leben und verdienen dafür nicht nur unseren Respekt und Dank sowie unsere Anerkennung, sondern auch die bestmögliche Unterstützung.

(Beifall von der SPD und Verena Schäffer [GRÜNE])

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, gerne möchte ich einmal aufzeigen, was die nordrhein-westfälischen Feuerwehren und Rettungsdienste leisten.

Im vergangenen Jahr sind die Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen mehr als 1,7 Millionen Mal ausgerückt und haben nicht selten dabei ihr eigenes Leben riskiert. Die Einsätze umfassten sowohl Brandeinsätze als auch technische Hilfeleistungen und Rettungsdiensteinsätze.

Im Jahr 2016 wurden die Berufsfeuerwehren und die Freiwilligen Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen zur Bekämpfung von rund 38.000 Bränden und Explosionen eingesetzt, wobei die häufigsten Brände mit 30,5 % in Wohngebäuden aufkamen.

Die Feuerwehren haben außerdem rund 125.000 technische Hilfeleistungen durchgeführt, wovon in etwa 28.000 Fällen Menschen und in etwa 8.000 Fällen Tiere aus Notlagen befreit werden konnten. Hilfeleistungen sind unter anderem Betriebsunfälle, Verkehrsunfälle, Verkehrsstörungen, Unfälle mit gefährlichen Stoffen und Gütern sowie Wasser- und Sturmschäden.

Außerdem – und nicht zu vergessen – haben die öffentlichen Feuerwehren im Rettungsdienst rund 1,5 Millionen Noteinsätze und Krankentransporte durchgeführt. Das waren im Einzelnen mehr als 1 Million Notfalleinsätze. Hinzu kamen noch allgemeine Krankentransporte und Infektionstransporte.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, weil ich nicht nur als Landtagsabgeordnete, sondern auch kommunalpolitisch im Rat der Stadt Oberhausen tätig bin, weiß ich genau, wie wichtig es ist, dass die kommunalen Aufgabenträger bei der Verbesserung der Übungsmöglichkeiten für die Feuerwehren und für den gesamten Katastrophenschutz unterstützt werden.

(Beifall von der SPD und Verena Schäffer [GRÜNE])

Genau weil die Feuerwehren die bestmögliche Vorbereitung auf ihre oft lebensrettenden Einsätze haben müssen, bin ich dafür, dass wir die Kommunen darin unterstützen, zusätzliche Übungsgelegenheiten zu schaffen. Besonders sinnvoll fände ich es, wenn die Feuerwehrleute mehr Übungsmöglichkeiten bekämen, Realsituationen von Einsätzen zu simulieren. Dabei finde ich und finden wir als gesamte SPD-Fraktion es ebenfalls wichtig, Synergieeffekte mit der Polizei und allen anderen Organisationen des Katastrophenschutzes zu generieren.

Aus diesem Grund unterstützt meine Fraktion den vorliegenden Antrag. Wir stimmen der Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Bongers, und herzlichen Glückwunsch zur ersten Rede.

(Allgemeiner Beifall)

Als Nächstes spricht für die grüne Fraktion Frau Schäffer.

Verena Schäffer*) (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Allererstes möchte ich mich dem Dank an die Einsatzkräfte von Feuerwehren und Hilfsorganisationen anschließen. Der Dank geht natürlich insbesondere an die vielen ehrenamtlichen Kräfte.

Man muss ja eines feststellen: Die Feuerwehren würden ohne die Freiwilligen Feuerwehren so nicht funktionieren. Der Anteil an freiwilligen Kräften in unseren Feuerwehren beträgt mehr als 90 %. Also wirklich nur ein kleiner Teil von denen macht es hauptamtlich. Ich finde, das muss man immer wieder berücksichtigen.

Die anerkannten Hilfsorganisationen funktionieren im Prinzip komplett auf Ehrenamtlichkeit. Ich finde, auch das muss man hervorheben, wenn man über das Thema spricht. Insofern verbindet uns, glaube ich, alle hier der Dank und die Anerkennung für diese vielen Ehrenamtlichen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Natürlich müssen genau diese Personen auch entsprechende Übungsmöglichkeiten haben. Das steht völlig außer Frage. Ich bin immer total beeindruckt, wenn ich beim Institut der Feuerwehr die Übungsmöglichkeiten sehe. Wenn Sie noch nicht dort waren: Ich kann es sehr empfehlen, einmal dort hinzufahren und sich das anzuschauen.

Doch Sie haben natürlich recht: Es muss auch vor Ort regional entsprechende Trainings- und Übungsmöglichkeiten geben, damit unsere Einsatzkräfte für den Ernstfall entsprechend ausgebildet und trainiert sind.

Gegen den Antrag kann man wenig einwenden. Wenn man ganz ehrlich ist: Der Antrag enthält viele Prüfaufträge. Sie schreiben: zu unterstützen, Anreize zu schaffen, zu prüfen, festzustellen, zu entwickeln. Man kann a) inhaltlich und b) betreffend die Prüfaufträge wenig dagegen haben.

Mir sei vielleicht die kleine Spitze erlaubt, dass Regierungsfraktionen auch direkt mit der Regierung sprechen können und ein Herr Reul und eine Abteilungsleiterin Frau de la Chevallerie, die ich auch sehr schätze, das wahrscheinlich auch sofort umgesetzt hätten. Es hätte also nicht unbedingt des Antrags bedurft. Aber ich verstehe, dass auch CDU und FDP hier gern Anträge stellen wollen. Insofern habe ich dafür vollstes Verständnis.

Ich habe eine Frage zu dem Beschlusspunkt 5, wo Sie fordern, Musterszenarien zu entwickeln. Das stimmt sicherlich. Ich glaube, dass wir durchaus ein Vorbild haben. Das sind die LÜKEX-Übungen, die sehr regelmäßig stattfinden, also diese länderübergreifenden Regelungen. Das stimmt. Die finden natürlich auf der Ebene der Länder, die sich daran beteiligen, statt.

Ich war bei der letzten LÜKEX-Übung im Lagezentrum des Innenministeriums. Es war außerordentlich spannend. Auch hier kann ich nur empfehlen, sich das, wenn die nächste Übung ansteht, einmal anzuschauen. Dort gibt es Szenarien von Großschadensereignissen. Beim letzten Mal hieß das Thema „Großflächiger Stromausfall“, also Blackout. Aber es gab in den Vorjahren auch immer spannende Themen, die dort erprobt wurden.

Man hat da schon gewisse Vorbilder, die man allerdings auf die örtliche Ebene runterbrechen muss. Wir können im Innenausschuss sicherlich noch diskutieren, wie es in der Praxis konkret umgesetzt wird. Aber wie gesagt: Auch von unserer Seite aus eine große Zustimmung zu diesem Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schäffer. – Für die AfD-Fraktion hat nun Herr Beckamp das Wort.

Roger Beckamp (AfD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir unterstützen selbstverständlich unsere Feuerwehren, ob hauptamtlich oder ehrenamtlich. Auch der Gedanke, Übungsgelände etwas auszuweiten, dezentral zu lokalisieren, ist sinnvoll. Dort kann man überlegen, ob nicht seitens der Landesregierung für den jeweiligen Regierungsbezirk eigene Gelände vorgesehen werden wie es in Münster-Handorf der Fall ist.

Der Antrag fängt etwas lustig an: „Von der Eifel bis zur Lippe und vom Münsterland bis ins Siegerland“ steht die Feuerwehr bereit.

Das ist eine lustige Anspielung auf das Lied der Deutschen. Das können Sie sich erlauben; das finden wir ganz unterhaltsam. Im Kern ist es aber sehr unterstützenswert. Die Problematik an sich ist nicht, dass es so viele Einsätze gibt, sondern die Problematik ist insbesondere, dass nur 2 % bis 5 % der Einsätze wirkliche Brandeinsätze sind. Diese Brandeinsätze sind gerade die größten Problematiken, und genau für die muss auf den Übungsgeländen geübt werden. Insofern ein sinnvoller Beitrag.

Noch ein Nachsatz: Das Ganze resultiert ja aus der Projekt-Studie „FeuerwEhrensache. Dort sind noch viele weitere Maßnahmen genannt, noch 14 Stück, denke ich. Ein wesentlicher Punkt davon war auch, das Ehrenamt überhaupt zu ermöglichen, und zwar dadurch, dass die Arbeitswelt, in der die Ehrenamtler stehen, es durch die Arbeitgeber zulässt, das Ehrenamt auch auszufüllen. Das wäre noch eine wichtige weitere Aufgabe, um die Möglichkeiten aller zu erhöhen. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Beckamp. – Für die Landesregierung hat das Wort der Innenminister, Herr Reul.

Herbert Reul, Minister des Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag befasst sich mit der Frage Übungsgelände für Einsatzkräfte; die sollen verbessert werden. Das ist mit Sicherheit ein richtiger Ansatz.

Wir haben mittlerweile einen guten Brandschutz, zum Beispiel durch die Rauchmelder. Es gibt auch weniger Brandeinsätze. Das ist keine schlechte Entwicklung, hat allerdings auch eine Kehrseite, nämlich weniger praktische Erfahrung bei der Feuerwehr. Es geht darum, diese Lücke zu schließen, das heißt, möglichst zu schließen. Denn die einzelnen Punkte dieses Antrags müssen wir schon ganz sorgfältig prüfen, um auch geeignete Lösungen zu finden.

Die Ausbildung der Führungskräfte der Feuerwehr liegt beim Land. Hier sind wir auf einem ganz guten Weg. Wir suchen schon nach zusätzlichen Übungsgeländen. Denn nur dort kann die praktische Vorbereitung auf die Prüfungen stattfinden. Wir denken da insbesondere an die Ausbildung der Gruppen- und Zugführer. Unser eigenes Gelände – davon ist eben schon gesprochen worden – in Münster-Handorf ist bereits an der Auslastungsgrenze, auch weil wir es den kommunalen Feuerwehren an Wochenenden zur Verfügung stellen.

Schon dabei – darauf will ich hinweisen – sehen wir erhebliche Kosten auf uns zukommen: Organisation, Trägerschaft, laufende Instandsetzung. Weitere Übungsgelände werden dann eben eine neue und zusätzliche Herausforderung bedeuten. Wir würden als Landesregierung gern die im Antrag enthaltenen Anregungen in unsere Überlegungen einbeziehen. Insbesondere die Nutzung bereits vorhandener Gelände werden wir prüfen. Hier kommen übrigens auch Gelände von Kommunen, der Polizei oder privaten Anbietern infrage.

Wir werden auf jeden Fall die kommunalen Aufgabenträger, die für die Ausbildung der Einsatzkräfte im Brandschutz sorgen müssen, mitnehmen, sie bei ihrer Aufgabe bestmöglich unterstützen, ihre Einsatzkräfte auf hohem Niveau auszubilden. Das ist selbstverständlich.

Für uns alle – da schließe ich mich den Rednern an – müssen eine gute Ausbildung und ein gutes Praxistraining wichtig sein. Denn das sind die entscheidenden Faktoren für die Sicherheit unserer Einsatzkräfte und damit auch für die Sicherheit von uns allen. Die Landesregierung nimmt die Prüfanträge gern an, und wir warten dann auf die gemeinsamen Gespräche.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Der Vorschlag des Ältestenrats ist die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2398 an den Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dem zu? – Gibt es dazu Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

7   Sicherheit von Großveranstaltungen gewährleisten – Landesregierung muss Veranstaltungsgesetz vorlegen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2406

Die Aussprache ist eröffnet. Für die SPD kommt Frau Weng ans Mikrofon. Sie haben das Wort. Bitte schön, Frau Weng.

Christina Weng (SPD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nie wieder – das sind zwei kleine Worte, doch mit großer Bedeutung. Wir in der Politik stehen in der Verantwortung, dass diese zwei Worte nicht inhaltsleer bleiben.

Aktuell läuft der Prozess zur Duisburger Loveparade-Katastrophe. Dem Veranstalter werden gravierende Fehler in der Planung vorgeworfen. Die Duisburger Stadtverwaltung muss sich dafür verantworten, die Genehmigung für diese Großveranstaltung erteilt zu haben, obwohl infrastrukturelle Gefahren absehbar waren. Diese Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen kosteten 21 jungen Menschen das Leben, und die Trauer um sie ist immer präsent.

Unser Ziel kann es nur sein, dass so etwas nie wieder passiert. Ereignet sich bei einer Veranstaltung ein tragischer Vorfall, darf es nicht nur darum gehen, dass unsere Judikative die Schuldigen ausfindig macht. Wir als Legislative haben die Verantwortung und die Pflicht, entsprechende Gesetze und Maßnahmen zu verabschieden, um unserer Bürgerinnen und Bürger trotz wachsender Risiken bestmöglich in der Zukunft vor solchen Tragödien zu schützen.

Eine hundertprozentige Sicherheit, das ist uns dabei klar, wird es nicht geben, doch unser Ziel muss es sein, die Rahmenbedingungen von Großveranstaltungen so gut wie es nur geht zu gestalten. Daher brauchen wir ein Veranstaltungsgesetz. Gerade bei einmaligen Veranstaltungen, wie damals in Duisburg, bei denen es vor Ort weder eingespielte Abläufe noch einschlägige Erfahrungen gibt, ist eine transparente, verbindliche Rechtslage unabdingbar.

(Beifall von Christian Dahm [SPD])

Doch die gibt es in Nordrhein-Westfalen schlichtweg nicht.

Stattdessen existiert ein unübersichtlicher Wust aus Ordnungspflichten, Verkehrspflichten, Baupflichten, Anzeigepflichten und Genehmigungspflichten. Aus diesem Bürokratiewirrwarr klare Verantwortlichkeiten oder eine einheitliche Verwaltungspraxis herzuleiten, ist schier unmöglich. Das führt nicht nur dazu, dass Abläufe und Zuständigkeiten von Stadt zu Stadt völlig unterschiedlich sind. Viel alarmierender ist, dass teilweise nicht einmal innerhalb einer Kommune Klarheit darüber herrscht, inwieweit Bauaufsichtsämter, Ordnungsämter oder Polizeibehörden für eine Großveranstaltung zuständig sind.

Die zuständigen Behörden befinden sich in einem permanenten Zustand der Rechtsunsicherheit. Und völlig zu Recht prangern die Kommunen diese massiven Regelungslücken an. Wir müssen das Ziel verfolgen, dass nie wieder intransparente Prozesse eine reibungslose Durchführung von Großveranstaltungen verhindern. Auch Bayern und Thüringen haben längst rechtlich verbindliche Rahmenbedingungen per Gesetz geschaffen.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich trotz vermehrter Vorkommnisse bislang nicht dazu verhalten. Wann wird es für Sie Priorität bekommen, Herr Reul? Es sollte nicht noch mehr passieren müssen, damit auch Sie ein Veranstaltungsgesetz für notwendig erachten. Wir müssen dieses Ziel umso dringender gemeinsam verfolgen, damit von den derzeit zersplitterten Rechtsgrundlagen in Nordrhein-Westfalen nicht länger zusätzlich Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger ausgehen kann.

In der nächsten Woche findet in Bonn wieder „Rhein in Flammen“ statt, ein riesiges Event. Im Sommer werden wahrscheinlich nicht nur Tausende Fans in Nordrhein-Westfalen, sondern auch viele hier Anwesenden die Spiele der Fußball-WM beim Public Viewing verfolgen. Bei all diesen Großveranstaltungen haben ausgefeilte Sicherheitskonzepte höchste Priorität, gerade vor dem Hintergrund gestiegener Risiken.

Daher fordern wir die Landesregierung auf, ein Veranstaltungsgesetz auf den Weg zu bringen und damit eine einheitliche, klare und kohärente Rechtsgrundlage für die Verantwortlichen von Großveranstaltungen aufzustellen.

Lassen Sie uns die Worte „Nie wieder“ mit Inhalt füllen. Ich bitte um die Zustimmung für die Überweisung und freue mich auf die Debatte dazu im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin Weng. – Für die CDU erteile ich dem Abgeordneten Sieveke das Wort.

Daniel Sieveke (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Weng, ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: Warum haben Sie das nicht gemacht? – Denn die Worte „Nie wieder“ gab es schon etwas länger. Aber, das wäre zu kurz gegriffen, denn in drei Punkten Ihres Antrages sind wir uns doch hoffentlich alle einig.

Erstens. Die Gewährleistung der Sicherheit von Großveranstaltungen seitens Behörden und Veranstaltern gleichermaßen wollen wir alle.

(Christian Dahm [SPD]: So ist das!)

Zweitens. Ob es die tragischen Ereignisse, die Sie selber eben erwähnt haben, der Loveparade sind oder der sorgsame Ausblick auf die Fußball-WM in diesem Jahr – Stichwort „Rudelgucken“ – und nicht zuletzt die terroristische Bedrohung: Wir können leider aktuell nicht unbeschwert in diesen Dingen sein. Aber wir müssen auch immer wieder darauf hinweisen, dass unsere Behörden, seien es die der Kommunen oder die des Landes und des Bundes alles dafür tun, dass Menschen friedlich und auch ausgelassen zu Großereignissen zusammenkommen können, ohne Angst haben zu müssen.

Drittens wollen wir alle doch hier die besten und sichersten Veranstaltungskonzepte, ohne dabei alle Beteiligten in einem nicht mehr überschaubaren Maß an Bürokratie untergehen zu lassen, was sonst nämlich in meinen Augen zu weniger anstatt zu mehr Sicherheit führen würde.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

An dieser Stelle sind wir uns auch hoffentlich einig, dass die kostenmäßige Belastung von Schaustellern, Schützen- und Karnevalsvereinen schon heute grenzwertig ist.

(Beifall von der CDU, der FDP und Christian Dahm [SPD] – Christian Dahm [SPD]: Das kann man unterstützen!)

Aber diese Ziele werden in bestehenden Rechts- und Regelungsrahmen – und das unterscheidet uns –, der in Nordrhein-Westfalen anzulegen ist, nach unserer Auffassung bereits erreicht; denn mit dem nach der Loveparade entwickelten Orientierungsrahmen für die Sicherheit von Großveranstaltungen im Freien – so heißt dieses Papier – haben wir in Nordrhein-Westfalen quasi das Handbuch, das die Akteure vor Ort benötigen. Dieses bündelt auf etwa 60 Seiten alles, was zu bedenken ist. Darin sind Checklisten für die Planung enthalten und etliche konkrete Hilfestellungen sowie die Regelung zentraler Koordinierung von Großveranstaltungen.

Aber ich gebe Ihnen noch einmal recht. Es gibt natürlich einen Unterschied zwischen neugeplanten und vielleicht einmaligen Großevents auf der einen Seite und langjährig eingeübten Traditionsveranstaltungen wie zum Beispiel Libori in meiner Heimatstadt Paderborn oder der Soester Allerheiligenkirmes auf der anderen Seite.

Aber eben aus diesem Grund bin ich davon überzeugt, dass der Ansatz eines Handbuches, wie wir ihn in Nordrhein-Westfalen haben und wie er auch schon zu Ihrer Regierungszeit erarbeitet worden ist, der bessere Ansatz ist. Denn was würde ein Sammelgesetz vereinfachen oder verbessern? Was wäre mit anzuwendenden Regelungen des Bundes, auf die nur verwiesen würde oder die nur wiederholt werden könnten? Würde das den Überblick in der Praxis verbessern? – In meinen Augen wohl kaum.

Nun sind die Hauptunterzeichner des SPD-Antrages zu drei Vierteln Rechtswissenschaftler im weiteren Sinne. Herr Römer als Mitunterzeichner ist von Haus aus Verwaltungsbeamter. Ich bin mir sicher, dass die geschätzten Herren allesamt Gesetzestexte ganz besonders lieben und jederzeit gerne studieren. Das wird bei Herrn Kutschaty nicht anders sein. Bei dem Großteil der Bevölkerung sieht das allerdings etwas anders aus.

Wenn Sammelgesetze etwas bringen, dann in den Fällen, in denen sie fehlende Abstimmungen zwischen bestehenden Einzelgesetzen korrigieren. Das ist hier in Nordrhein-Westfalen aber bereits durch den erwähnten Orientierungsrahmen erledigt worden.

Dennoch freuen wir uns auf die inhaltliche Diskussion und Bearbeitung im federführenden Innenausschuss sowie in den weiteren Ausschüssen. Ich bin davon überzeugt, dass es hier nicht um ein Politikum geht oder dies in einen politischen Streit münden sollte. Die Suche nach dem besten, flexibelsten Weg, auch für die Akteure vor Ort, sollte uns in diesem Punkt einen. Wir glauben, dass der bestehende Rahmen dafür ausreicht und wir kein neues Gesetz brauchen. Dennoch bin ich gespannt auf die angeregte Diskussion. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Für die FDP hat nun der Abgeordnete Herr Brockmeier das Wort.

Alexander Brockmeier (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Konzerte, Public Viewing und Festivals – das alles sind Veranstaltungen, die wir alle gerne besuchen, um uns zu amüsieren, Leute zu treffen und Spaß zu haben. Das Aufeinandertreffen von Hunderten oder gar Tausenden Menschen führt zu tollen Festen und besonderen Veranstaltungen für alle Besucherinnen und Besucher.

Dabei ist die Sicherheit immer und jederzeit der wichtigste Aspekt bei der Planung, Genehmigung und Durchführung von derartigen Veranstaltungen; denn natürlich gehen mit Großveranstaltungen auch besondere Gefährdungslagen einher. Diese Sicherheit muss zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein, damit – und darin sind wir uns alle einig – Katastrophen wie die bei der Loveparade 2010 in Duisburg nie wieder vorkommen.

Gleichzeitig soll kein Veranstalter und keine Veranstalterin davon abgehalten werden, Veranstaltungen, egal ob groß oder klein, zu planen und durchzuführen, nur weil es eine Flut an Genehmigungsverfahren zu durchlaufen gilt. Deswegen ist es in unser aller Sinn, dass bürokratische Vorgänge möglichst unkompliziert vonstattengehen können und die Freude an der Ausrichtung von Veranstaltungen bestehen bleibt.

Der springende Punkt bei der Gewährleistung dieser Sicherheit ist aber nicht eine landesweite Rechtsgrundlage, wie sie die Kollegen der SPD-Fraktion hier beantragen. Bei Ihrem Antrag habe ich gleich zwei Bedenken, die ich auch gerne mit Ihnen im Ausschuss noch einmal intensiver diskutieren möchte.

Sie beschreiben völlig richtig, dass es eine Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Regelungen gibt, die für die Sicherheit von Großveranstaltungen relevant sind. Diese betreffen unter anderem das Gewerbe- und Gaststättenrecht, das Straßen- und Wegerecht, das Straßenverkehrsrecht, das Baurecht, das Immissionsschutzrecht und viele andere Rechtsgebiete.

Das Problem an Ihrem Vorschlag ist, dass viele der Regelungen bundesgesetzliche Regelungen sind, beispielsweise die Straßenverkehrsordnung, die wir in Nordrhein-Westfalen nun einmal nicht selber beschließen. An diesen Regelungen und damit verbundenen Verfahren kann vom Landesgesetzgeber nichts geändert werden, da es uns hier an der entsprechenden Rechtsgrundlage fehlt.

Des Weiteren würde eine durch das Landesgesetz vorgeschriebene organisatorische Verfahrensbündelung in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen. Mit allen kommunalen Besonderheiten, Sonder- und Einzelfällen scheint es mir kaum möglich geschweige denn sinnvoll von Düsseldorf aus für alle 396 Städte und Gemeinden in ganz Nordrhein-Westfalen eine einheitliche Regelung zu treffen.

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die tragischen Ereignisse der Loveparade 2010 in Duisburg hat in der letzten Legislaturperiode durch das damalige Ministerium für Inneres und Kommunales eine eingesetzte Projektgruppe den sogenannten Orientierungsrahmen für die kommunale Planung, Genehmigung, Durchführung und Nachbereitung von Großveranstaltungen im Freien geschaffen.

Dieser Orientierungsrahmen empfiehlt den Kommunen die Ernennung eines Ansprechpartners, an den sich der Veranstalter wenden kann, sowie insbesondere bei Großveranstaltungen eine Koordinierungsgruppe, die sich mit diesen Großveranstaltungen beschäftigt. Wer eine Veranstaltung plant, soll sich dann an diesen zentralen Ansprechpartner der Kommunalverwaltung am Veranstaltungsort wenden.

Dieser leitet die Veranstaltungsanfrage wiederum an die zuständigen Ämter weiter und holt die zuständige Expertise ein. Somit können auch sicherheitsrelevante Maßnahmen getroffen werden.

Dieser Orientierungsrahmen, der von den SPD-Kollegen unterstützt und begleitet und auch von den kommunalen Spitzenverbänden erarbeitet wurde, verringert die Komplexität des Verfahrens für den Veranstalter oder die Veranstalterin deutlich. Alle nötigen Anzeigepflichten – Herr Sieveke hat das vorhin bereits dargelegt – sind in diesem Orientierungsrahmen dargestellt.

Das beschriebene Verfahren des Orientierungsrahmens hat sich darüber hinaus auch in der Vergangenheit bewährt und die Verantwortlichkeit der Veranstalter gesenkt. Uns ist von allen Seiten ein positives Feedback widergespiegelt worden.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden der Überweisung natürlich zustimmen und freuen uns auf eine konstruktive Debatte. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Für die Grünen hat nun die Kollegin Schäffer das Wort. Bitte schön.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten im Ausschuss noch einmal sehr intensiv über die Bedarfe für ein Gesetz diskutieren. Offenbar kam das Thema im Rahmen der Landesbauordnung und der dortigen Beratung noch einmal auf. Insofern sollten wir uns das noch einmal intensiv anschauen.

Nichtsdestotrotz finde ich, dass man, wenn man ein Gesetz machen will, erst einmal die Frage nach dem Bedarf klären muss. Insofern ist es für mich der erste Schritt, danach zu fragen: Besteht hier ein Regelungsbedarf, ja oder nein?

Es ist gerade schon gesagt worden, dass nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg eine Projektgruppe mit verschiedenen Fachleuten aus Feuerwehr, Polizei, Veranstaltungsmanagement und vielen anderen Bereichen eingerichtet wurde und dass Personen aus den Kreisen und Kommunen dabei waren, die eben im Jahr 2012 – Herr Sieveke hat uns das gerade gezeigt – einen Orientierungsrahmen vorgelegt haben.

Dieser Orientierungsrahmen gibt ein paar Dinge vor bzw. empfiehlt sie. Er sagt, dass es einen zentralen Ansprechpartner für die Abstimmungs- und Genehmigungsprozesse bei Großveranstaltungen geben soll. Er sagt auch, dass man zum Beispiel ein Koordinierungsgremium einberufen sollte, um Sicherheitskonzepte frühzeitig zu prüfen und sich mit dem Veranstalter abzustimmen. Insofern haben wir da schon einiges.

Es ist also nicht so, dass wir bei null starten würden. Ich meine auch, dass wir nochmal sehr genau prüfen und diskutieren sollten, welche weiteren Fragenstellungen sich bei einem solchen Gesetz auftun würden.

Mir fiel als erste Frage beim Lesen des Antrags die Frage der Definition ein. Wann fängt eigentliche eine Großveranstaltung an? Wie definieren wir Großveranstaltungen rechtssicher? Es gibt auch im Orientierungsrahmen eine Definition. Wenn sie aber im Gesetz steht, muss sie auch rechtssicher definiert sein. Ist zum Beispiel der St.-Martins-Umzug eine Großveranstaltung? Oder der Schützenumzug? Oder reden wir erst bei den Silvesterfeierlichkeiten einer Stadt über eine Großveranstaltung? Wir hatten das ja im Rahmen von Silvester in Köln als Thema. Die letzte Silvesternacht ist da als Veranstaltung durch die Stadt angemeldet worden.

Das sind Fragen, die sich dann ergeben und Probleme mit sich bringen, wenn wir über ein Gesetz und eine Definition sprechen.

Auch die Frage, wer die Kosten trägt, und die Haftungsfrage sind Fragen, die man dann im Rahmen eines Gesetzes diskutieren müsste. Insofern ist es sicher eine spannende Diskussion.

Nur meine ich, was auch hier Konsens ist: So ein Gesetz dürfte auf keinen Fall dazu führen, dass die Hürden so hoch gelegt werden, dass Veranstaltungen vor Ort nicht mehr durchgeführt werden können. Das ist die Gefahr, die zumindest ich bei so einem Vorhaben sehe.

Ich glaube, deshalb lohnt sich die Diskussion darüber. Bei mir gibt es schon noch Skepsis, das hören Sie vielleicht durch, aber ich bin offen für weitere Beratungen und freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

 Präsident André Kuper: Als nächster Redner ist der Abgeordnete Wagner an der Reihe.

Markus Wagner (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Tolle an Ihrer Migrationswelle ist ja, dass sie tatsächlich neue Jobs schafft. Zwar leider nicht für die Migrierten selber, aber für Rechtsanwälte, Polizisten, die Sozialindustrie und eben auch für uns Politiker.

Die Kollegen der SPD kommen jetzt mit einem Antrag um die Ecke, den wir in Teilen schon mal hatten. Erinnern Sie sich noch dessen, dass wir beispielsweise eine Regelung wollten, dass die seit zwei Jahren sprunghaft notwendig gewordenen höheren Kosten für die Sicherung von Volksfesten, Karneval, Weihnachtsmärkten und anderen Großveranstaltungen an Frau Merkel – also an den Bund – weitergereicht werden können? – Sie haben das natürlich abgelehnt.

Nun soll es also ein Veranstaltungsgesetz sein, und Sie versuchen das durch die Loveparade zu begründen, um wohl auch ein bisschen zu kaschieren, woran es denn neben schrecklichen Einzelfällen wie der Loveparade-Katastrophe eigentlich liegt, dass wir hier Handlungsbedarf haben.

Ehrlich gesagt erscheint es aus heutiger Sicht zweifelhaft, ob ein Landesveranstaltungsgesetz die Verletzten, die Toten und das Leid der Angehörigen verhindert hätte. Aber wir wollen uns dieser Diskussion nicht versperren.

Trotzdem stellt sich auch mir wie dem Kollegen Sieveke die Frage, warum Sie nach der Loveparade-Katastrophe nicht die Gelegenheit genutzt haben, in Ihrer Regierungszeit ein solches Veranstaltungsgesetz zu entwickeln und zu verabschieden, wenn Sie es denn für notwendig gehalten haben.

(Beifall von der AfD)

Nordrhein-Westfalen hat also bisher kein solches Gesetz, sondern einen unverbindlichen Orientierungsrahmen für Großveranstaltungen. Ich finde, wir sollten den Antrag der SPD durchaus ergebnisoffen im Ausschuss diskutieren, ganz im Gegensatz übrigens zur Ansicht von Herrn Minister Stamp. Denn Herr Minister Stamp hat unter Tagesordnungspunkt 5 empfohlen, einen Antrag, noch bevor er überhaupt im Ausschuss behandelt worden ist, abzulehnen. Meine Damen und Herren, respektloser kann ein Mitglied der Exekutive ein Gremium des Parlaments nicht behandeln.

(Beifall von der AfD – Zuruf von der AfD: So ist es!)

Wir sollten also diesen Antrag der SPD ergebnisoffen im Ausschuss diskutieren. Reicht es womöglich aus, ja ist es sogar angezeigter, diesen Orientierungsrahmen weiterzuentwickeln und in den Kommunen die Nachbesprechungen von Großveranstaltungen zu intensivieren, wie es zum Beispiel eine Projektarbeit von Studenten der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Münster herausgefunden haben will? Oder bietet ein solches Gesetz tatsächlich mehr Rechtssicherheit für die Kommunen, wie es sich einige Kommunen versprechen und wie es sich die SPD neuerdings scheinbar auch verspricht?

Als AfD sind wir da nicht dogmatisch, und wir freuen uns auf die Arbeit im Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Als Nächstes redet für die Landesregierung Herr Minister Reul.

Herbert Reul, Minister des Innern: Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Angesichts der latenten Terrorgefahr stehen wir ohne Zweifel vor besonderen Herausforderungen, was die Sicherheit von Großveranstaltungen angeht. Übrigens auch die tragischen Ereignisse bei der Loveparade 2010 haben gezeigt, wie sorgfältig Großveranstaltungen geplant werden müssen. Es ist deshalb wichtig, für jede Veranstaltung die beste und sicherste Lösung zu finden.

Die Beurteilung der konkreten Sicherheitslage ist nach Art und Ort der Veranstaltung allerdings höchst individuell zu treffen. Sicherheitsmaßnahmen für die Vielzahl der unterschiedlichen Veranstaltungen sind einer Kodifizierung deshalb meines Erachtens nicht zugänglich.

Außerdem gibt es in Nordrhein-Westfalen einen sogenannten Orientierungsrahmen. Dieser enthält Verfahrensregeln, unter anderem die Koordination über eine federführende Stelle. Das ist meistens die Kommune. So bekommt der Veranstalter eine Entscheidung aus einer Hand, die aber durchaus aus mehreren Genehmigungen bestehen kann.

Ich finde, das müsste genügen, denn ein einheitliches Veranstaltungsrecht kann es schon deshalb nicht geben, weil die meisten Veranstaltungssachverhalte bereits landes- oder bundesgesetzlich geregelt sind. Bei Letzterem würde uns sogar jede Gesetzgebungskompetenz fehlen.

Fakt ist allerdings auch, dass keine Veranstaltung wie die andere ist, dass jeder Veranstaltungsort spezielle Gefahren aufweist. Ebenso sind Publikumsreaktionen und daraus resultierende Gefahren von Veranstaltung zu Veranstaltung unterschiedlich.

Die Sicherheit von Veranstaltungen muss deswegen in allererster Linie vor Ort und in Kenntnis der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten beurteilt werden. Dazu arbeiten Polizei und Kommunen zusammen. Die Polizei berät die Kommunen im Rahmen von anlassbezogenen Sicherheitskonferenzen, und nach eigener Lagebeurteilung setzt sie dann Kräfte in angemessener Stärke zur Erhöhung der Sicherheit ein.

Veranstaltungen sind keine genormten Konstruktionen. Sie können nicht immer nach gleichen Kriterien betrachtet werden; so etwas lässt sich deshalb auch nicht abstrakt durch ein einziges Gesetz regeln.

Viel wichtiger ist, dass es regelmäßige Sitzungen der fest etablierten Sicherheits- und Ordnungspartnerschaften gibt. Hier erörtern Kommunen und Polizei Optimierungspotenziale sowohl zu aktuellen als auch zu grundsätzlichen Sicherheitsaspekten. In diesem Rahmen stimmen sie dann auch die gemeinsame Vorgehensweise ab.

Übrigens: Auch wenn die Besucherzahlen gleich sein können, kann ein Kirchentagstreffen auf einem großzügigen Stadtplatz nicht anhand derselben Maßstäbe wie eine Technoparty auf einem eng umgrenzten Platz der Industriebrache bewertet werden. Das zeigt, dass solche Sachverhalte nicht einheitlich geregelt werden können. Derart überhöhten Erwartungen an Regelungstiefe und Inhalte einer gesetzlichen Regelung muss man entschieden entgegentreten.

Die Einschätzung der konkreten Gefahrensituation muss der vor Ort kundigen Ordnungsbehörde überlassen werden. Das kann nicht der Gesetzgeber leisten.

Ich möchte deshalb noch einmal darauf hinweisen, dass ein Mehr an Kontrolle und Verwaltung auch einen weitgehenden Eingriff in Handlungs- und Berufsausübung sowie in die Gewerbefreiheit der Veranstalter darstellt. Würde das Land die organisatorischen Verfahren bündeln, würde es zudem unmittelbar in die Organisationshoheit der Kommunen eingreifen.

Nach unserer Auffassung besteht also immer Handlungsbedarf, dieses Potenzial zu optimieren, aber kein Handlungsbedarf, hier ein einheitliches Gesetz auf Landesebene zu erlassen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Daher schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2406 an den Innenausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen und an den Rechtsausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wenn Sie dem so zustimmen wollen, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. – Das sind die SPD, die Grünen, die CDU, die FDP, die AfD und der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Ist jemand dagegen? – Enthält sich jemand? – Dann ist das einstimmig beschlossen.

Ich rufe auf:

8   Keine Entscheidung über eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung für den Flughafen Köln/Bonn vor Abschluss des laufenden Planfeststellungsverfahrens!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2387

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Becker das Wort.

Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Schon seit 1997 beschäftigt die Frage des Interessenausgleichs zwischen dem Flughafen und der Anwohnerschaft den Landtag hier in Nordrhein-Westfalen.

Erstmals 1997 und dann auch in den Jahren 2007 und 2010 – da nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig – hat der Landtag beschlossen, ein Passagiernachtflugverbot zwischen 0 Uhr und 5 Uhr einführen zu wollen. Die Beschlüsse gelten bis heute; andere Beschlüsse zu dem Thema gibt es nicht.

Dazwischen gab es eine Kette von Anträgen an die Bundesverkehrsminister, und immer wieder wurden von dort verschiedene Überlegungen dazu vorgebracht, warum es nicht rechtmäßig sei, was wir im Landtag beschlossen haben. Bis heute sind diese Überlegungen immer widerlegt worden. Zuletzt haben die Verkehrsminister Ramsauer und Dobrindt die Anträge der rot-grünen Landesregierung abgelehnt.

Die jetzige Landesregierung will offensichtlich diesen Antrag an die neue Bundesregierung nicht erneut stellen. Sie gibt auch keine Auskunft darüber, ob sie die bis 2030 laufende Betriebsgenehmigung in absehbarer Zeit bis 2050 ohne Veränderung verlängern will. Sie sagt auch nicht, ob sie diese Verlängerung ohne Beteiligung des Parlaments durchführen will, wie es Oliver Wittke, der Vorgänger vonseiten der CDU, seinerzeit getan hat.

Wir sind nun aber in einer neuen Situation. Der Flughafen muss jetzt, nach gegen Anwohner verlorenen Prozessen für diverse Vorhaben ein Planfeststellungsverfahren durchführen. Die Gerichte und zuvor die Planfeststellungsbehörde könnten verschiedene Maßgaben für den Interessenausgleich vorgeben. Eine davon – das wäre denkbar – wäre das Passagiernachtflugverbot.

Der schon erwähnte Oliver Wittke hat sich übrigens am 28.08.2007, nach dem damaligen Landtagbeschluss, im „General-Anzeiger“ auf die Frage danach, wann die Kernruhezeit kommen wird, wie folgt geäußert: „Umsetzbar wird eine solche Regelung wahrscheinlich erst beim nächsten Planfeststellungsverfahren am Flughafen Köln/Bonn.“

Meine Damen und Herren, genau dieses Verfahren läuft jetzt, und deswegen gilt: Die Landesregierung darf auf keinen Fall einer Verlängerung der Betriebsgenehmigung ohne Passagiernachtflugverbot zustimmen und so die Möglichkeit einer Einführung des Passagiernachtflugverbots im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens spätestens für 2030 boykottieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Landesregierung sollte sich außerdem dergestalt an die Beschlüsse des Landtags halten, dass sie auch an die neue Bundesregierung den Antrag stellt, das Passagiernachtflugverbot endlich umzusetzen. Das haben übrigens auch die Wahlkämpfer aus den Wahlkreisen rund um den Flughafen vor der letzten Landtagswahl gefordert – auch von Ihrer Koalition. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die CDU spricht nun der Abgeordnete Lehne.

Olaf Lehne (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Becker, warum habe ich eigentlich immer den Eindruck, dass Sie, wenn Sie eine Anfrage oder einen Antrag mittragen, immer gegen etwas sind? Ich habe noch nie erlebt, dass Sie für etwas waren.

(Horst Becker [GRÜNE]: Weil Sie immer falsche Eindrücke haben!)

Ich hoffe, dass sich das irgendwann mal ändern wird.

(Beifall von der CDU und der FDP – Norwich Rüße [GRÜNE]: Wie lange sind Sie denn schon hier?)

Soweit mir bekannt, ist bisher nicht einmal ein Antrag auf Verlängerung der Betriebsgenehmigung des Flughafens Köln/Bonn beim Verkehrsministerium eingegangen.

Getrennt von der Betriebsgenehmigung ist das Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung zu sehen. Beim Flughafen Köln/Bonn geht es da um das Vorfeld A.

(Horst Becker [GRÜNE]: Nicht nur!)

Es geht auch um das Abstellen von Flugzeugen und weitere Baumaßnahmen, damit Planungssicherheit gewährleistet ist. Zusätzliche Rollwege und neue Start- und Landebahnen sind nicht Bestandteil des Planfeststellungsverfahrens.

Der schwarz-gelben Koalition liegen das Interesse der Bürger, der Arbeitnehmer, die um den Flughafen herum und am Flughafen arbeiten und wohnen, sowie die Umwelt und die Wirtschaft Nordrhein-Westfalens besonders am Herzen.

Der Flughafen Köln/Bonn gehört zu den wesentlichen Jobmaschinen Nordrhein-Westfalens. Er ist in seiner Funktionsfähigkeit einzigartig. Gerade deshalb sind die Interessen aller Beteiligten so objektiv wie möglich gegeneinander abzuwägen.

Positiv hervorzuheben ist zunächst die Entwicklung des Flughafens in wirtschaftlicher und insbesondere auch in emissionstechnischer Hinsicht. Um den Fluglärm für die Anwohner zu verringern, wurden die An- und Abflugrouten erheblich verändert. Die Spreizung der Lärmzuschläge zwischen der niedrigsten und der höchsten Lärmklasse wurde erheblich erhöht und die Tag- und Nachtpreise den Gegebenheiten insofern angepasst, als dass der Nachtflug erheblich teurer geworden ist.

Die Landesregierung hat hier bereits deutlich gemacht, dass sie sich für eine weitere Spreizung der Entgelte insbesondere in der Nacht einsetzen wird.

Zudem wird auch die Einführung einer Anreizregelung zur Nachrüstung von Flugzeugen der A320-Serie mit sogenannten Wirbelgeneratoren vom Verkehrsministerium unterstützt. Es werden also erhebliche Anreize geschaffen, lärmärmeres Fluggerät zu nutzen und lärmempfindliche Nachtzeiten zu meiden.

Laute Flugbewegungen wie zum Beispiel mit der MD-11 sind um 37 % zurückgegangen, während die Flugbewegungen mit der leiseren Boeing 777 um 101 % zugenommen haben. Zwischen 2000 und 2007 war die Anzahl der Flugbewegungen pro Jahr um ca. 10.000 höher als im Jahr 2017.

Der Flughafen investiert bereits 76 Millionen € in Lärmschutz. Das muss kein Ende sein. Da kann auch mit Sicherheit noch etwas gehen.

Die Betriebsgenehmigung, 24 Stunden am Tag starten und landen zu können, macht den Flughafen Köln/Bonn zu einem der wichtigsten Mobilitätsschwerpunkte in Deutschland und stärkt die Position Nordrhein-Westfalens.

Köln/Bonn ist mit 786.000 t Frachtflughafen Nummer eins in Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2017 hat er über 12 Millionen Fluggäste befördert. Knapp 14.000 Menschen arbeiten bei 122 Unternehmen am Flughafen. Weitere 7.400 Menschen sind um den Flughafen herum beschäftigt.

Richtig ist, dass der ehemalige Verkehrsminister Oliver Wittke im Jahre 2007 den Wunsch äußerte, in der Kernruhezeit von 0 bis 5 Uhr keine Passagierflugzeuge mehr starten und landen zu lassen. Das Zitat aus der Plenarsitzung vom 24. August 2007 haben Sie dennoch aus dem Zusammenhang gerissen, da Herr Wittke im Nachsatz betonte:

„Ich vermag aber nicht etwas zu versprechen, was ich nachher nicht halten kann.“

Herr Wittke bekannte sich wie die Landesregierung und die CDU heute zu einer realistischen Einschätzung und erklärte:

„Das haben Sie acht Jahre lang nicht hinbekommen, das hat die Bundesregierung nicht geschafft, und wir sehen uns auch außerstande, das zum jetzigen Zeitpunkt unter den derzeitigen Verhältnissen tatsächlich zu verwirklichen.“

Wenn Sie schon aus Plenarprotokollen von Sitzungen zitieren, die über zehn Jahre zurückliegen, dann tun Sie das bitte richtig und auch vollständig.

Sie können Herrn Wittke also nicht vorwerfen, die Betriebsgenehmigung ohne das Passagiernachtflugverbot bis 2030 verlängert zu haben. Ihm fehlte dazu die rechtliche Handhabe. Das nennt man „vorausschauend regieren“.

Herr Becker, Sie wissen, dass Herr Wittke nicht gegen europäisches Recht verstoßen wollte und deshalb eine Betriebsgenehmigung bis 2030 erteilt hat.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig ist zurzeit nicht von Relevanz, da die Betriebsgenehmigung bis 2030 läuft und die bereits aufgeführten Positionen umfasst.

Herr Becker kennt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit Sicherheit auch schon seit zehn Jahren. Auffällig ist, dass die Grünen seit der Landtagswahl bis zum 23. April 2018 bereits zehn Kleine Anfragen zum Flughafen Köln/Bonn gestellt haben. Herr Becker ist besonders fleißig und hat an dem Tag, an dem er sein Amt als Parlamentarischer Staatssekretär beendete, die erste Anfrage gestellt.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Hört! Hört!)

Die Frage, warum nicht während der Regierungszeit solche Anträge kamen, müssen Sie beantworten.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Der Wähler wird auch beim nächsten Mal entscheiden müssen, ob er ein solches Verhalten belohnt.

Den Antrag werden wir ablehnen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Für die SPD spricht nun Frau Dos Santos Herrmann.

Susana Dos Santos Herrmann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Grünen mag zwar gut gemeint sein. Er ist aber leider schlecht gemacht. Denn wir müssen aus der Vergangenheit schon lernen. Das hat mein Vorredner bereits festgestellt.

Es gab seinerzeit wirklich dezidierte Versuche aus NRW, am Passagierflug in der Nacht etwas zu verändern. Der Bundesverkehrsminister hat diese Vorstöße aber mehrfach deutlich abgelehnt. Wir sehen derzeit auch keine Rahmenbedingungen, die eine Änderung dieser Haltung der Bundesregierung herbeiführen könnten.

Deswegen glauben wir, dass es richtig ist, sich die Gesamtlage anzuschauen, einen ordentlichen Interessenausgleich herbeizuführen und praktische Schritte zu gehen, die den Lärmschutz für die Bevölkerung rund um den Flughafen Köln/Bonn verbessern.

Zu suggerieren, man könne in kurzer Zeit, spätestens aber 2030 auf jeden Fall, ein Nachtflugverbot für Passagiere herbeiführen, ist nichts anderes, als Sand in die Augen der Bevölkerung rund um den Flughafen zu streuen – ganz abgesehen davon, dass Sie nichts dazu sagen, dass dieser Flughafen natürlich eine besondere Bedeutung für den gesamten europäischen Luftverkehr und eine besondere Bedeutung für einen der wichtigsten Wirtschaftsstandorte in Europa hat.

(Zuruf von den GRÜNEN: Was ist das denn jetzt für ein Vorwurf? Ist das der Abschied von …)

– Das ist kein Abschied. Das ist ein Ernstnehmen der Zielsetzung, Herr Kollege. Es ist ein Ernstnehmen der Zielsetzung. Wollen wir Lärmschutz erreichen, müssen wir praktische Schritte gehen

(Beifall von der CDU und Sarah Philipp [SPD])

und dürfen nicht vorgaukeln, dass wir mit Initiativen, die nichts bringen, morgen mehr Schutz haben. Das werden wir so nicht erreichen.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klocke?

Susana Dos Santos Herrmann (SPD): Ja, bitte.

Arndt Klocke (GRÜNE): Danke, Frau Kollegin. Danke, Herr Präsident. – Frau Kollegin, Sie haben ausgeführt, dass sich die Bedeutung des Flughafens Köln/Bonn europaweit darstellt. Mein Wissensstand ist, dass sich die Abflüge von Passagiermaschinen in der Nacht – wir reden hier ja über ein Passagiernachtflugverbot – im Wesentlichen auf die Flughäfen Antalya, Mallorca und Ibiza beziehen.

Vielleicht können Sie uns darlegen, wie Sie zu der Einschätzung kommen, dass gerade die nächtlichen Passagierflüge in diesem Bereich notwendig sind, um eine europäische Bedeutung des Flughafens Köln/Bonn weiter aufrechtzuerhalten, und zwar angesichts der Urlaubsflüge, die dort in der Nacht abgefertigt werden.

Susana Dos Santos Herrmann (SPD): Das wäre mein nächstes Argument, Herr Klocke. Wir brauchen in jedem Fall eine Gesamtstrategie für den Luftverkehr in Nordrhein-Westfalen und Deutschland – und das natürlich in einem europäischen Rahmen. Natürlich hat der Flughafen Köln/Bonn als der zweitwichtigste Frachtflughafen in Deutschland eine europäische Dimension,

(Beifall von Frank Müller [SPD])

und natürlich hat der Flughafen Köln/Bonn mit seinen hohen und ständig steigenden Passagierzahlen eine Bedeutung nicht nur für den Tourismus, sondern auch für den Geschäftsflug in Deutschland und Europa.

Wir sind schon der Meinung, dass im Lärmschutz noch viel zu tun ist. Das ist keine Frage. Wir müssen aber aus den Ergebnissen der Vergangenheit lernen, dass wir mit diesem Schritt, lediglich einer Monstranz des Passagierflugverbots zwischen 0 und 5 Uhr, nicht weiterkommen. Wir möchten mehr Lärmschutz für die Bevölkerung in diesem Zeitraum.

Ich möchte die Landesregierung ausdrücklich ermuntern, die Möglichkeiten, die Sie in Ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben, zu nutzen und durch Start- und Landegebühren die Fluggesellschaften zu leiserem Flugmaterial zu bewegen und damit den Lärm, den Abflüge und Landungen mit sich bringen, zu verringern. Da ist noch – um ein passendes Bild zu wählen – Luft nach oben.

Ja, wir teilen die Zielsetzung Ihres Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünenfraktion. Wir glauben nur nicht, dass Sie das richtige Mittel einsetzen. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. Wir setzen uns für praktischen Lärmschutz ein.

Ihr Vorschlag ist mit dem Planfeststellungsverfahren verknüpft. Das ist ein geregeltes Verfahren. Es ist auch geregelt – das kann man bedauern oder nicht; es ist aber nun einmal so –, dass Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle die Ausführung für den Bund übernimmt und eben nicht eigenständig mal eben Regelungen treffen kann, die dann an anderer Stelle doch wieder kassiert werden.

Wir unterstützen alles, was dazu führt, dass die Lärmbelastung für die Bevölkerung unter anderem durch eine entsprechende Gebührenpolitik gesenkt wird. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass es einen ordentlichen und guten Interessenausgleich zwischen dem Wirtschaftsstandort und den Interessen der Bevölkerung rund um den Flughafen gibt. Sand wollen wir nicht in die Augen streuen. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt – Sie offenbar nicht.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Dos Santos Herrmann. – Für die FDP hat nun der Abgeordnete Middeldorf das Wort.

Bodo Middeldorf (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuletzt haben wir uns mit dem Flughafen Köln/Bonn kurz vor Weihnachten letzten Jahres befasst. Damals ging es um die Frage der Privatisierung. Ich kann Ihnen sagen, dass die Landesregierung in dieser Frage in kürzester Zeit klare Verhältnisse geschaffen hat. Wir haben uns ganz eindeutig zum Flughafen Köln/Bonn bekannt.

Umgekehrt aber – das muss ich sagen – sind die Grünen damals schon ein eigenes klares Bekenntnis zum Flughafen schuldig geblieben. Und heute fällt die grüne Maske.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie beweisen mit Ihrem Antrag nur eins: Ihnen ging es auch bei der Privatisierungsdebatte nie um den Flughafen selbst, sondern immer nur darum, Ihren Einfluss aufrechtzuerhalten, um den Flughafen insgesamt zu schwächen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das zeigt sich schon daran, dass Ihr Antrag substanziell vollkommen unbegründet ist. Das geht schon mit der angeblich bevorstehenden Verlängerung der Betriebsgenehmigung los. Allerdings läuft die aktuelle Genehmigung noch bis 2030. Das haben wir hier schon gehört. Der Flughafen hat keinerlei Anträge gestellt. Keine Behörde hat irgendeine Grundlage, sich jetzt mit diesem Vorgang zu beschäftigen.

Das angesprochene Planfeststellungsverfahren steht im Übrigen in keinem sachlichen Zusammenhang mit dieser Betriebsgenehmigung. Das aktuelle Verfahren schafft lediglich den Rahmen für eine Erweiterung und Optimierung der bestehenden Infrastruktur. Es besteht deshalb weder die Notwendigkeit noch der rechtliche Rahmen, dies mit der zukünftigen Genehmigungsfrage zu verknüpfen.

Auch rechtlich liegen Sie vollkommen neben der Spur. Luftverkehrsrecht – das haben wir auch schon gehört – ist Bundesrecht. Da ist es völlig irrelevant, was der Landesgesetzgeber tut.

Es kommt noch besser: Sie formulieren, dass das mehrfach vom Landtag beschlossene und von der Landesregierung NRW beim Bundesverkehrsminister beantragte Passagiernachtflugverbot unterstützt werden soll. Es gibt aber heute keine solche Beantragung der Landesregierung beim Bundesverkehrsminister.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Ja, das wollten wir!)

Diese Willensbekundung früherer Landtage ist ja mittlerweile hinfällig. Ich kann Ihnen sagen – um es direkt vorwegzunehmen –: Mit uns ist eine solche Verhinderungspolitik nicht zu machen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Sie verschweigen auch bewusst grundlegende Verbesserungen im Interesse der Anwohner. Der passive Lärmschutz wurde in den letzten Jahren massiv ausgebaut. 60.000 Lärmschutzfenster wurden verbaut. Gleichzeitig sind die Flugbewegungen trotz eines wesentlich gestiegenen Passagieraufkommens konstant geblieben. Die Maschinen sind im Übrigen leiser geworden.

Schließlich ignorieren Sie auch das Urteil des OVG Münster von 2015. Die Klagen zur Durchsetzung eines Nachtflugverbots wurden dort abgewiesen. Es wurde nicht einmal eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, und zwar, weil sie durch die durchgeführten Maßnahmen gegenstandslos geworden ist.

Von all dem sagt Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, nichts. Das, was Sie hier tun, ist vor diesem Hintergrund blanker Populismus. Dahinter offenbart sich Ihre wahre Motivlage.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Hier zeigt sich der wahre Herr Middeldorf!)

Es handelt sich beim Flughafen Köln/Bonn mit seiner Passagier-, aber vor allen Dingen mit seiner Frachtfunktion um einen der wichtigsten Standortfaktoren in Nordrhein-Westfalen. Über 21.000 Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt an diesem Flughafen. 2 Milliarden € Wertschöpfung hängen an diesem Flughafen.

(Beifall von der FDP)

Eines der wichtigsten Alleinstellungsmerkmale ist die Nachtflugerlaubnis. Und genau da wollen Sie jetzt Hand anlegen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: So ein Blödsinn!)

Sie gefährden mit Ihrem Antrag nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit eines unserer wichtigsten Luftverkehrsdrehkreuze; Sie legen die Axt an den wichtigsten Arbeitgeber in der gesamten Region, meine Damen und Herren.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Demagogie pur!)

Ich sage es Ihnen noch einmal: Die rot-grünen Hetzkampagnen gegen den neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Merz, die scheinheilige Privatisierungsdebatte und nun die Verunsicherung durch das Infrage-Stellen der Betriebsgenehmigung – all das folgt einem wohlkalkulierten Ziel: Sie wollen den Flughafen Köln/Bonn schwächen.

Für die NRW-Koalition sage ich Ihnen unmissverständlich: Wir werden das nicht zulassen. Wir stehen ohne jede Einschränkung – das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen; das können Sie auch wörtlich nehmen – zu dem Flughafen. Deswegen werden wir diesen Antrag selbstverständlich ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Präsident André Kuper: Für die AfD spricht als Nächster der Abgeordnete Herr Vogel.

Nic Peter Vogel (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich verursacht Fluglärm bei den Anwohnern massive Belastungen, vor allem nachts. Es ist wohl kaum von der Hand zu weisen, dass Sie, wenn Sie wochenlang, monatelang, jahrelang keinen geregelten Schlaf finden, nicht mehr so arbeitsfähig sein werden und dass Kopfschmerzen oder Migräne wahrscheinlich noch die geringsten Probleme sind, mit denen Sie sich bis zum Rentenalter beschäftigen müssen.

Ich bin generell immer für einen Ausgleich zwischen der Wirtschaft und den Menschen. Es ist auch unsere Pflicht, auf die 90.000 betroffenen Anwohner und ihre berechtigten Anliegen zu schauen. Das sind wir diesen Leuten schuldig. Das hat etwas mit Anstand zu tun.

(Beifall von der AfD)

Als ich den Antrag der Grünen das erste Mal gelesen habe, habe ich mir gedacht: Oh ha, darin stehen ja ein paar vernünftige Sachen. – Aber nach dem zweiten Lesen und etwas stärkeren Eintauchen in die Materie bin ich doch etwas ernüchtert worden. Sie sagen hier, Sie wollten das Ganze ins Plenum, in den Landtag, in den Verkehrsausschuss tragen; und dann geht es erst einmal um die direkte Abstimmung.

Dann nennen Sie dauernd das Planfeststellungsverfahren, das, wie eben schon mehrfach erwähnt wurde, rein faktisch überhaupt nichts mit Luftbewegungen zu tun hat. Das sind Baumaßnahmen. Ich bin auch auf den September 2018 gespannt. Das wird eine spannende Kiste werden. Die Diskussion sollte auch wieder eröffnet werden. Aber wir sollten halt nicht den Leuten Sand in die Augen streuen.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Es ist doch so, dass alle Beteiligten im Grunde genommen, wenn man sich ehrlich macht, davon ausgehen, dass es nachher leider zu einem Rechtsstreit kommen wird. Und damit haben wir bei der ganzen Sache wieder Zeit verloren.

Wenn ich mir als Außenstehender – wir sind ja noch nicht so lange hier – einmal anschaue, was in den letzten 20 Jahre passiert ist, frage ich mich auch: Sollten wir den Hebel nicht vielleicht ein bisschen anders ansetzen?

Wir reden die ganze Zeit, seit 20 Jahren, über ungefähr 20 Passagiermaschinen, die da nachts landen. Die ca. 70 Frachtmaschinen werden hier zumeist ausgeblendet. Dabei sind die Frachtmaschinen doch eigentlich diejenigen, die weitaus lauter sind. Das wurde gerade von Herrn Lehne schon erwähnt.

Nehmen wir beispielsweise die MD-11. Sie verursacht beim Landeanflug 103,8 dB(A). Das ist ungefähr vergleichbar mit einem Konzert von Manowar; das ist die lauteste Heavy-Metal-Band der Welt. 83 bis 87 dB(A) kommen noch unten an. Um da noch einmal einen Vergleich zu bemühen: Das ist ungefähr so, als wenn Sie sich schlafen legen wollen, und alle drei Minuten – das ist ungefähr die Nachttaktung – macht jemand neben Ihrem Kopfkissen den Staubsauger an. Da sage ich: Gute Nacht und erholsamen Schlaf!

Vielleicht sollten wir wirklich einmal an den Kern der ganzen Sache herangehen. Was müssen wir dringend machen? – Wir müssen die Flugbelastung bzw. die Lärmbelastung unbedingt einschränken und den Leuten entgegenkommen. Vielleicht sollten wir unseren Fokus nicht explizit und ausschließlich auf die Passagiermaschinen legen, sondern generell die lautesten Flieger vom Nachthimmel holen.

Das geht auch ohne Verbote. Da haben nämlich unsere großen Flughäfen, die ich im Übrigen sehr schätze – es wurde auch eben schon gesagt; sie sind Jobmotoren; sie sind Arbeitsmotoren; wir sollten in diesem Bundesland verdammt stolz darauf und froh darüber sein –, noch einen gewissen Spielraum, auf die Airlines ein bisschen Druck auszuüben.

Über die in Köln/Bonn erhobenen Gebühren müssen wir wirklich noch einmal diskutieren. Deshalb wäre es auch schön, wenn diese Debatte nicht nur kurz im Plenum mit direkter Abstimmung geführt würde. Wir sollten das ganze Thema vielleicht noch einmal aufarbeiten – und das vor allen Dingen auch im Verkehrsausschuss.

Ich fasse zusammen: Mit Verboten müssen wir gar nicht so viel regeln. Es ist der Dialog zwischen der Wirtschaft, in diesem Fall dem Flughafen, der Politik und den Bürgern. Dann wird vielleicht ein Schuh daraus. Denken wir das Thema einmal neu!

Diesen Antrag, der sich nur auf „hätte“ und „es wäre möglich“ bezieht, müssen wir leider ablehnen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Als Nächster spricht für die Landesregierung Herr Verkehrsminister Wüst.

Hendrik Wüst, Minister für Verkehr: Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung steht dafür ein, dass jeder zu seinem Recht auf Lärmschutz kommt. An keinem Flughafen ist freiwillig so viel getan worden wie in Köln/Bonn. Es gehört quasi schon zur DNA des Flughafens, dort besonders beweglich zu sein.

Aber, meine Damen, meine Herren, für Show – und dieser Antrag ist Show – stehen wir nicht zur Verfügung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Jeder Bürger, der schon einmal mit Behörden zu tun gehabt hat, kennt die Situation, wenn ein Beamter einer Behörde erst einmal prüft: Bin ich eigentlich zuständig? – Gelegentlich löst das dann den faden Eindruck aus: Will der eigentlich? – Aber die Zuständigkeitsprüfung ist ganz elementare Grundlage eines jeden Handelns von Verwaltung, von Staat. Aus der Zuständigkeit ergibt sich nämlich erst, ob eine Behörde überhaupt tätig werden darf, und wenn ja, auf welcher Grundlage. Handeln ohne Zuständigkeit ist wirkungslose Show.

Prüfen wir also einmal die Zuständigkeit für die Forderungen in Ihrem Antrag. Die Luftverkehrsverwaltung ist gemäß Luftverkehrsgesetz als Bundesauftragsverwaltung ausgestaltet. Das heißt, dass die Länder bei der Luftverkehrsverwaltung im Auftrag des Bundes und eben nicht aus eigener Zuständigkeit tätig werden. Das wiederum heißt: Die Länder haben sich an die Vorgaben des Bundes zu halten und können sich nicht darüber hinwegsetzen. Das gilt auch für das Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen als zuständiger oberster Luftfahrtbehörde des Landes.

In Ihrem Antrag sprechen Sie zwei Themenfelder an, die strikt voneinander zu trennen sind:

Erstens. Der beim Verkehrsministerium anhängige Planfeststellungsantrag des Flughafens Köln/Bonn wird ausschließlich nach rechtlichen Vorgaben und eben nicht politisch – man könnte auch „willkürlich“ sagen – zu entscheiden sein. Das Verfahren ist keiner freien politischen Entscheidung zugänglich. Es handelt sich also nicht um eine politische Entscheidung, sondern um eine rechtliche Entscheidung, die nachher auch gerichtlich überprüft werden kann.

Zweitens. Davon ist ein möglicher Antrag des Flughafens Köln/Bonn zur Regelung des Nachtflugbetriebes zu trennen. Ich sage deshalb „möglicher“, weil es einen solchen Antrag überhaupt nicht gibt. Er liegt nicht vor. Deswegen kann man über einen solchen Antrag derzeit auch nicht entscheiden und das eine Thema irgendwie mit dem anderen in einen Topf werfen.

(Beifall von der CDU)

Sollte irgendwann einmal ein solcher Antrag gestellt werden, ist über diesen Antrag durch das Land in Auftragsverwaltung wieder rechtlich und nicht politisch zu entscheiden. Genau das wird das Verkehrsministerium dann tun; denn die Landesregierung ist an Recht und Gesetz gebunden.

Politisch kann ein Nachtflugverbot nicht hier in Düsseldorf, sondern nur in Berlin erreicht werden.

Da die Forderungen Ihres Antrags rechtlich nicht umzusetzen sind, empfiehlt die Landesregierung ebenfalls die Ablehnung. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die Grünen hat sich noch einmal der Abgeordnete Becker zu Wort gemeldet. Herr Becker.

Horst Becker (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, der Wert dieses Punktes und dieser Minuten liegt in den protokollarischen Notizen.

Zunächst einmal will ich auf Sie, Herr Minister Wüst, eingehen. Ich glaube, Sie werfen hier absichtlich Nebelkerzen – das gilt übrigens auch für Sie, Frau Dos Santos Herrmann –, wenn Sie so tun, als wollten wir das Ergebnis eines Planfeststellungsverfahrens vorwegnehmen.

Das ist nicht unser Ziel, sondern unser Ziel ist, dass Sie nicht durch eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung eine mögliche Abwägungsentscheidung – und zwar eine rechtliche und von Ihrer Planfeststellungsbehörde zu treffende Entscheidung – vorwegnehmen. Das könnten Sie rechtlich. Dazu sind Sie übrigens als Genehmigungsbehörde in der Lage, auch ohne den Landtag damit zu beschäftigen. Das hat Herr Wittke damals ja genau so gemacht.

Deswegen ist es schon von Bedeutung, dass man feststellt – das ist das, was wir in dem Antrag begehren; Sie sollten noch einmal genau hineinschauen –, dass keine Genehmigung der Verlängerung vorgenommen werden kann, bevor das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist, damit in einem ordentlichen rechtlichen Verfahren die Möglichkeit eines Passagiernachtflugverbotes nicht verwehrt ist. Genau das wollen Sie nicht, und genau deswegen werfen Sie Nebelkerzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und: Es ist natürlich bezeichnend, wenn Redner der FDP hier so tun, als sei das eine rechtswidrige Forderung, während die FDP in jedem Landtagswahlkampf der vergangenen Jahre – wie übrigens die anderen Parteien auch; CDU und SPD haben das ebenfalls getan – vor Ort genau dieses Passagiernachtflugverbot gefordert hat.

Sie fordern das in Resolutionen der Räte sowie als Kandidatinnen und Kandidaten für den Landtag. Der Kollege Franken hat zuletzt noch bei seiner Silvesterrede in Lohmar ausweislich der Presse gesagt, dass das Passagiernachtflugverbot kommen muss.

Ich komme zu einem weiteren Punkt. Meine Damen und Herren, man redet hier davon, dass der Flughafen mit unserem Antrag als Frachtflughafen in Gefahr sei. – Der Frachtflug ist sicherlich eine Angelegenheit, die, was den Lärm angeht, von großer Bedeutung ist. Frau Dos Santos Herrmann, wenn Sie aber den Passagiernachtflug mit der weltweiten Bedeutung dieses Flughafens in Einklang bringen – und zwar genau dann, wenn es eigentlich nur um Flüge in die Warmwasserziele geht –, dann ist das, was Sie uns vorwerfen, schlicht und einfach Populismus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Herr Becker, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Horst Becker (GRÜNE): Ja, gerne. Erst würde ich aber gerne noch den Satz zu Ende führen. – Populismus besteht nämlich nicht darin, richtige Forderungen zu wiederholen, sondern Populismus ist das, was Sie mit der Argumentation mit der weltweiten Bedeutung des Frachtfluges gemacht haben. Sie wollten im Zusammenhang damit den Passagiernachtflug weiter schützen, nur weil der Flughafen das Geschäftsfeld ausbauen will.

Präsident André Kuper: Frau Dos Santos Herrmann.

Susana Dos Santos Herrmann (SPD): Herr Becker, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. – Meine Frage bezieht sich auf die Zeit, die frei würde. Nehmen wir an, Sie bekämen das durch, und es gäbe für Passagiermaschinen ein Nachtflugverbot. Sie haben gerade selber gesagt, dass Sie den Nachtflug im Frachtbereich nicht antasten möchten. Dann gewinnen Sie doch am Ende Zeitslots für die in der Regel, zurzeit jedenfalls, lauteren Frachtmaschinen. Glauben Sie, dass das dem Lärmschutz der Bevölkerung dienlich ist?

Horst Becker (GRÜNE): Frau Dos Santos Herrmann, ich kann Ihnen diese Frage sehr genau beantworten. Ich glaube, dass Sie sich da ein wenig auf die Propaganda des Flughafens, der das in den letzten zwei Jahren immer zur Vermeidung des Passagiernachtflugverbotes vorgetragen hat, verlassen haben, ohne die Fakten genügend zu kennen. Wenn Sie sich mit den Fakten beschäftigen, werden Sie sehen, dass der Passagiernachtflug im Winter …

(Susana Dos Santos Herrmann [SPD] unterhält sich mit ihrem Sitznachbarn.)

– Nun hören Sie doch auch zu. Sie haben doch gefragt. Ich gebe Ihnen jetzt eine Antwort. Dann sollten Sie sie wenigstens kennen.

Im Winter macht der Passagiernachtflug 20 % der gesamten Nachtflüge aus. Diese Flüge werden nicht durch Frachtflüge aufgefüllt. Im Sommer macht er inzwischen über 40 % der gesamten Nachtflugbewegungen aus, weil die Flüge in die Warmwasserziele tatsächlich, wie gerade beschrieben, in der Nacht starten.

Das zeigt ganz deutlich, dass das, was Sie sagen, nicht zutrifft. Vielmehr trifft zu, dass jede Möglichkeit, mehr Umläufe in die Warmwasserziele zu fliegen – drei statt zwei oder vier statt drei; je nachdem, wohin es geht –, genutzt wird.

Das ist übrigens das gleiche Phänomen, das wir in einer anderen Form, nämlich mit Verspätungen, auch in Düsseldorf kennen. Dabei ist immer das Prinzip, möglichst viele Umläufe zu fliegen, um den Fixkostenanteil pro Flug zu drücken. Das ist im Sommer der Fall. Im Winter ist das, weil dann weniger Flüge in diese Ziele stattfinden, weniger der Fall. Es wird im Winter nicht durch Frachtflüge aufgefüllt.

Insofern ist das ein Bedenken, das nur und falsch vorgebracht wird, damit dann der Passagiernachtflug weiter ausgebaut und als Geschäftsfeld gepflegt werden kann. Das sollten Sie also nicht als Argument wiederholen. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Daher schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der Grünen hat zu diesem Antrag Drucksache 17/2387 direkte Abstimmung sowie Einzelabstimmung zu Punkt 1 des Beschlussteils IV beantragt; die übrigen Punkte des Antrags sollen gemeinsam abgestimmt werden. Da die antragstellende Fraktion die Einzelabstimmung beantragt hat, muss diese gemäß § 42 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung stattfinden.

Wir kommen zur Einzelabstimmung über Abschnitt IV Ziffer 1 des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2387.

Zu dieser Einzelabstimmung ist zusätzlich die namentliche Abstimmung beantragt worden. Nach § 44 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben beim Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

Ich bitte Frau Abgeordnete Stock, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt.)

 

 

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können die unterbrochene Sitzung fortführen.

Das Abstimmungsergebnis liegt vor. Ihre Stimme abgegeben haben 179 Abgeordnete. Mit Ja haben zwölf Abgeordnete, mit Nein haben 167 Abgeordnete gestimmt. Kein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Damit ist der Abschnitt IV Ziffer 1 des Antrags Drucksache 17/2387 abgelehnt.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung, nämlich über die beiden noch ausstehenden Ziffern IV 2 und IV 3 des Antrags Drucksache 17/2387 zusammen. Wer diesen beiden Punkten zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten Pretzell und Neppe. Wer enthält sich? – Niemand?

(Zuruf von der SPD: Wir sind dagegen! – Unruhe)

– Dann halte ich für das Protokoll fest: Mit Nein haben gestimmt die CDU, die FDP, die SPD-Fraktion, die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Enthaltungen gab es keine.

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind alle drei Punkte unter den arabischen Ziffern des Antrages abgelehnt worden. Das heißt, gemäß unserer Vereinbarung sind damit alle Teile des Antrags abgelehnt; eine Gesamtabstimmung über den Antrag entfällt an dieser Stelle. – Dagegen erhebt sich auch kein Widerspruch.

Damit sind wir am Ende von Tagesordnungspunkt 8.

Ich rufe auf:

9   Keine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Ahmadiyya Muslim Jamaat-Gemeinde in Nordrhein-Westfalen

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2392

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, heute keine Aussprache und abschließende Abstimmung durchzuführen.

Deshalb kommen wir jetzt zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung. Es ist uns die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2392 an den Hauptausschuss empfohlen – der bekommt die Federführung –; die Mitberatung geht an den Innenausschuss, an den Integrationsausschuss sowie an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen. Die abschließende Aussprache findet im Plenum statt. Möchte jemand gegen diese Überweisungsempfehlung stimmen? – Sich enthalten? – Beides nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf:

10 „Dritte Orte“ – Pilotprojekte für kulturelle Aktivitäten erarbeiten

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2402

Entschließungsantrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2467

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat für die antragstellenden Fraktionen Herr Kollege Petelkau das Wort.

Bernd Petelkau (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einer zunehmend individualisierten und digitalisierten Welt kommt der persönlichen Begegnung eine besondere Bedeutung zu. Denn nur sie eröffnet die Chance der direkten Kommunikation, des Austausches, des Miteinanders, des sozialen, ja des menschlichen Zusammenlebens.

Eine klassische analoge Form des persönlichen Austausches benötigt natürlich Räume, Orte außerhalb der eigenen Wohnung und des Arbeitsplatzes, an denen sich Menschen zusammenfinden, verweilen, miteinander kommunizieren. Seit alters her hat es diese Orte gegeben: die Agora im klassischen Griechenland, das römische Forum, die mittelalterlichen Marktplätze, das Wiener Kaffeehaus und vieles andere mehr.

Das Handelsmarketing hat dieses Bedürfnis der Menschen zur Kommunikation in den 80er-Jahren aufgegriffen und neue, erlebnisorientierte Räume wie zum Beispiel Einkaufszentren, Großbuchhandlungen und auch Eventstätten geschaffen. Im Vordergrund dieser kommerziellen Entwicklung stand aber die Schaffung von positiven Emotionen bei Kunden, um diese dann in eine Richtung zu lenken, die für den neuen Dritten Ort profitabel ist.

Mit unserem Antrag wollen wir definitiv nicht diesem kommerziellen Ansatz folgen, sondern dem ursprünglichen: Wir wollen „Dritte Orte“ als Räume der Begegnung, die Integration, Kreativität und das menschliche Zusammenleben fördern – ein Ansatz, der hervorragend zur Kultur passt, denn Kultur ist nicht das einzige, aber eines der wichtigsten Bindeglieder für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

Gerade im ländlichen Raum, in kleineren Städten und Gemeinden sind kulturelle Einrichtungen wie Bibliotheken, Museen oder Volkshochschulen bereits heute zentrale Orte der Begegnung und Kommunikation. Deshalb ist es empfehlenswert, die bereits bestehenden Einrichtungen zu Zentren der Kultur weiterzuentwickeln.

Es besteht die große Chance, diese „Dritten Orte“ dazu zu nutzen, die kulturellen Aktivitäten einer jeweiligen Umgebung zu bündeln und damit die kulturelle Infrastruktur insgesamt zu stärken. Damit können wir von Landesseite das gelingende Miteinander in den Kommunen stärken und somit auch den ländlichen Raum insgesamt.

Deshalb unterstützen wir als NRW-Koalition die Absicht der Landesregierung, den Kommunen bei der Einrichtung von „Dritten Orten“ zu helfen, und wollen sie beauftragen, ein Förderkonzept zu entwickeln sowie die Erarbeitung von Pilotprojekten zu unterstützen.

Den Entschließungsantrag der SPD lehnen wir ab, da die meisten Punkte in unserem Antrag enthalten und einige Punkte bereits überholt sind wie zum Beispiel die breite Fachdiskussion über „Dritte Orte“, die es bereits seit Jahren gibt. Andere Punkte gehören in den Zuständigkeitskreis der Verwaltung. Warum sollen wir zum Beispiel festlegen, dass es genau sieben Pilotprojekte gibt? Das ist Verwaltungssache und nicht Aufgabe der Politik. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Petelkau. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Deutsch.

Lorenz Deutsch (FDP): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Heute bringen wir ein wichtiges Thema des Koalitionsvertrages der NRW-Koalition in die praktische Umsetzung. Mit dem Begriff des „Dritten Ortes“ geht es ja erst in zweiter Linie um konkrete Gebäude und Einrichtungen. In erster Linie geht es um eine wichtige soziale Funktion. Es geht um gesellschaftliche Begegnungen, um die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger an einem niederschwelligen Ort zusammenkommen können für Kultur, für Bildung oder auch nur zum geselligen informellen Beisammensein.

Solche Orte müssen durch Offenheit und weltanschauliche Neutralität gekennzeichnet sein. Bibliotheken, gerade in modernen Ausgestaltungen, sind ideale Beispiele dafür. Es können aber auch soziokulturelle Zentren oder nur ein Café im Gemeindehaus sein. Diese wenigen Beispiele zeigen schon, dass es gute Vorarbeiten braucht, die die Möglichkeiten für passgenaue Konzepte in sehr unterschiedlichen lokalen Situationen erkunden müssen.

(Beifall von Andreas Bialas [SPD])

Der ländliche Raum sieht nämlich in verschiedenen Teilen unseres Landes sehr unterschiedlich aus. In manchen Kommunen gibt es funktionierende Einrichtungen im Sinne eines „Dritten Ortes“, in anderen Kommunen sind solche Einrichtungen bedroht, in wieder anderen Kommunen gibt es sie nicht oder nicht mehr.

Unser Antrag soll dem Ministerium den Auftrag geben, dieses Feld zu bearbeiten. Deshalb beauftragen wir die Ausarbeitung von Förderkonzepten und Pilotprojekten. Wir möchten dabei keine Zeit verlieren und deshalb auch mit der direkten Abstimmung gleich den Startschuss geben.

Noch ein Wort zum Entschließungsantrag der SPD. Ich freue mich zunächst einmal, dass deutlich wird, dass sie das allgemeine Ziel unseres Vorhabens teilen. Was Sie aber hier in sechs Punkten ausdifferenziert fordern, ist von unserem – deutlich schlankeren – Text im Wesentlichen abgedeckt.

Sie beantragen Modellprojekte wie wir.

Dann führen Sie – ich möchte das so deutlich sagen – Selbstverständlichkeiten aus: Die Landesregierung soll ein Gesamtkonzept und Rahmenbedingungen entwickeln. Oder Punkt 4: „Die Landesregierung ergreift Maßnahmen zur Stärkung und Stabilisierung von kulturellen Angeboten im ländlichen Raum.“ – Das ist die Überschrift über dieses ganze Projekt. „Die Landesregierung prüft die Möglichkeiten zur Unterstützung der Kommunen …“ – Das ist in unserem Antragstext abgedeckt. Und: Sie „identifiziert Handlungsbedarfe und entsprechende Lösungskonzepte ...“

Man kann diese Selbstverständlichkeiten beantragen. Wenn man aber glaubt, dass das Ministerium in der Lage ist, sachgerecht zu arbeiten, muss man es nicht. Wir haben dieses Vertrauen und freuen uns auf die Vorschläge. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Deutsch. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bialas.

Andreas Bialas (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was sind „Dritte Orte“, was sollen sie sein, was kann Kunst, und was können oder gar sollen die Kultureinrichtungen hierbei leisten? Das ist eine der zentralen Fragen. Denn um kommerzielle Cafés kümmern wir uns mit der öffentlichen Hand erst einmal nicht.

Lassen Sie mich kurz ein Bild in Ihrer Vorstellung zeichnen, nämlich das Bild des Soziologen Ray Oldenburg 1989 „The Great Good Place“: amerikanische Vorstadtidylle, quadratisch angelegte Wohnblocks, kleine gleich aussehende Häuschen, dazwischen eine Garage, kurzer Rasen, sonst nichts an Bepflanzung. Die Menschen gehen aus diesem Häuschen zu ihrer Arbeit, und von der Arbeit zurück im Häuschen sitzen sie im Häuschen, schauen vielleicht noch Fernsehen, meistens in der Kleinfamilie.

Dann stellt sich in der Tat die Frage: Wie finden diese Menschen zueinander, wie begegnen sie sich, wie und wo kommunizieren sie, wie und wo bauen sie einen tragfähigen sozialen Raum um sich herum auf? Nennen wir diesen tragfähigen Raum meinetwegen auch ruhig „Heimat“.

Dann wäre die Frage: Wie sollten Räume beschaffen sein, in denen sich Menschen als soziale Wesen wohlfühlen können und friedlich mit sich selbst und dem Nachbarn leben. Etwas allgemeiner – Sie gingen auch schon darauf ein –: Wie stellen wir einer desintegrierenden Umgebung und desintegrierenden Verhältnissen etwas auf eine Gemeinschaft hin Gerichtetes entgegen?

Dann ist für uns hier nicht ganz unwichtig – das sollte man auch schon detailliert herausarbeiten –: Was kann die Kunst, und vor allem was können die Kultureinrichtungen hierbei leisten?

Natürlich sind zum Beispiel Einrichtungen wie Bibliotheken geradezu dazu prädestiniert, Menschen zu verbinden. Sie haben sich in den letzten Jahren sehr deutlich gewandelt und werden dies auch noch weiter tun. Sie sind Orte der Kultur, der Bildung und der Begegnung. Es ist kein Problem, diesen eingeschlagenen Weg an allen Stellen dieses Landes weiter fördernd zu begleiten. Der Verband der Bibliotheken, dessen Präsident ich sein darf, steht hier jederzeit hilfreich zur Verfügung. Konzepte und Ideen gibt es genug. Wir sind schon seit langer Zeit auch im Austausch mit dem Ministerium.

Natürlich sind Ensembles beispielsweise der Laienmusik, Volksmusikgruppen und Chöre in besonderem Maße gerade im ländlichen Raum geeignet, neben dem inhaltlichen Angebot Begegnung zu ermöglichen. Natürlich müssen auch baulich geeignete Örtlichkeiten bestehen. Allein nur auf grünen Wiesen kann man sich nicht stets treffen.

Klären Sie ruhig in Ihrem Haus und auch mit anderen Ministerien, besonders mit dem Heimatministerium, wie in strukturschwachen Gebieten oder auch im ländlichen Raum Maßnahmen ergriffen werden können. Hier bieten sich folgende Dinge an:

Bibliotheksentwicklungsplan, Ausbau regionaler Kulturförderung, Erhöhung der Förderung für die Laienmusik, für die Laienspielgruppen, Erhöhung der Förderung für Ensembles der Volksmusik und der Chöre, Förderung und Kooperationen von Sparten, Erhalt von baulichen Einrichtungen, städtebauliche Entwicklung durch Maßnahmen, meinetwegen auch der „Sozialen Stadt“, Sicherung und Stabilisierung vorhandener Einrichtungen.

Das können Sie alles unmittelbar angehen; die Dinge sind auch alle schon vorhanden. Es handelt sich dabei zumeist um die Fortsetzung bereits bestehender Programme. Mir ist klar, dass das für Sie nicht zwingend attraktiv ist. Sie wollen etwas Neues oder zumindest dieses neu etikettieren.

Jedoch ist die Diskussion um „Dritte Orte“ deutlich mehr. Sie ist eben keine primäre Diskussion um die Strukturstärkung des ländlichen Raums, und wir sollten sie nicht darauf reduzieren. Wenn Sie in 16 Zeilen dreimal das Wort „ländlicher Raum“, zweimal das Wort „kleinere Kommunen“ verwenden, dann ist die Zielrichtung relativ klar. Das möchten wir umfangreicher öffnen.

Die Diskussion um die „Dritten Orte“ hat übrigens auch wieder eine Diskussion um eine grundsätzliche Ausrichtung der Kulturförderung im Spannungsverhältnis zwischen einer bürgerlichen Nutzungsgewohnheit von Kultureinrichtungen der Postmoderne und anderweitiger eben auch partizipativer, dialogischer und eigenkreativer Formen angefacht, also quasi noch einmal ein Neuaufflackern der Diskussion um die Stellung der Soziokultur.

Lassen Sie uns daher diesen kulturpolitisch hochinteressanten und richtungsweisenden Diskurs nicht auf die Stärkung des Dorfes reduzieren, wenn ich es einmal in dem Bild sehr deutlich sagen darf. Die Fachwelt diskutiert darüber, in der Tat, das Parlament sollte das auch tun, deswegen auch die Punkte in dem Antrag. Die anderen Maßnahmen zur Stärkung von Einrichtungen und auch die Stärkung des ländlichen Raums können Sie problemlos jederzeit auch ohne unsere Anträge durchführen.

Insoweit bedauere ich es ausdrücklich, dass Sie den Antrag noch nicht einmal in den Ausschuss überweisen wollen, sondern ihn hier unmittelbar abstimmen lassen. Ich sage einmal: Der Kulturpolitik in diesem Haus sollte nicht die Debattenkultur verloren gehen.

Wir werden Ihren Antrag ablehnen und stellen ihm einen Entschließungsantrag entgegen, für dessen Unterstützung wir werben. Folgen Sie unserem Vorschlag und diskutieren Sie breit über die „Dritten Orte“.

Initiieren Sie die Modellprojekte auch jenseits des ländlichen Raums im ganzen Land!

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Andreas Bialas (SPD): Evaluieren Sie die Modelle und überprüfen Sie durch ein hochwertiges Berichtswesen, wie sich auch das Nutzerverhalten entwickelt! Wenn Sie ehrlich in sich blicken, dann wissen Sie: Unser Weg ist besser. Möge die Qualität mit uns sein! – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Bialas. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Keymis.

Oliver Keymis (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Grünen haben uns das kurz und gründlich überlegt. Wir werden dem Antrag zustimmen, die „Dritten Orte“ weiterzuentwickeln und zu stärken. Wir werden uns bei dem Entschließungsantrag der SPD enthalten. Man kann bedauern, dass beide Anträge nicht noch einmal in den Ausschuss gehen, ganz bestimmt, man kann aber auch sagen: Macht mal voran, weil vieles von dem, was jetzt zu tun ist, uns bekannt ist.

Kollege Bialas hat gerade noch einmal, wie ich finde, sehr eindrücklich beschrieben, wie vielfältig das Land kulturell schon aufgestellt ist und dass es insbesondere darum geht, zu sehen, wie man diese vielen Stärken noch einmal vernünftig stärkt. Denn der Vorwurf, den man der alten Regierung, also uns, als rot-grünen Vertretern machen kann, ist der, dass wir das in den letzten sieben Jahren nicht deutlich genug haben herausarbeiten können. Wir haben aber immerhin gemeinsam das, was Herr Bialas gerade beschrieben hat, wahren und zum Teil auch stärken können, wenn auch nicht ganz so, wie wir beide uns das als Kulturpolitiker gewünscht hätten, aber so ist das manchmal.

Insofern freuen wir uns, dass sich die neue Landesregierung das entsprechend auf die Fahnen geschrieben hat, dieses Feld auch materiell stärker zu machen, als es in der Vergangenheit war.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das ist gut so, das begrüßen wir ausdrücklich. Deshalb sollten wir da auch keine Scheingefechte führen. Das ist jedenfalls die Position meiner Fraktion an dem Punkt.

Ich will noch einmal deutlich machen: Wir sollten gerade die Einrichtungen im Land, die das sogenannte niedrigschwellige Angebot bereithalten, also das, wo viele Menschen hingehen, ohne groß darüber nachzudenken, ob sie jetzt eine besondere Kultureinrichtung besuchen, besonders in den Blick nehmen. Das sollten Sie als Regierung, wenn Sie den Arbeitsauftrag jetzt vom Landtag Nordrhein-Westfalen erhalten, auch tun.

Solche Einrichtungen sind die rund 65 soziokulturellen Zentren in unserem Land. Der Name klingt ein wenig sperrig, aber dort gibt es ein breites Kulturangebot in den verschiedensten Orten sowohl in ländlichen als auch in städtischen Räumen, und zwar – ich sage es noch einmal – niedrigschwellig für alle Menschen der jeweiligen Städte, Stadtteile und Gemeinden, in denen solche Angebote bestehen.

Das ist sicher ein Angebot, von dem wir uns alle wünschen können, dass es breitere und viel bessere Unterstützung erfährt. Diese Zentren sind heute faktisch darauf angewiesen, etwa 60 bis 80 % ihres Geschäftes selbst zu erwirtschaften.

Das ist schwer, das ist nicht ganz einfach. Da sind dann oft Discos oder andere Angebote, die sehr, sehr niedrigschwellig sind und wo auch viele Menschen zusammenkommen. Wir würden uns aber wünschen, dass gerade diese Bereiche stärker in die Betrachtung der Kulturpolitik, die hier formuliert wird, gezogen werden.

Zweitens ist es wichtig, dass wir uns über die Stärkung der Bibliotheken unterhalten. Das sind wirklich „Dritte Orte“ in einem ganz klassischen Sinne, weil die Menschen aus verschiedenen Gründen in Bibliotheken gehen, einmal um sich etwas zu leihen, zum anderen, um sich dort zu bilden, aber auch um sich zu treffen, um sich auszutauschen.

Deshalb ist eine Frage ganz wichtig, die Sie dringend mit anstoßen müssen, die, ob Bibliotheken wie Museen, wie Theater, wie andere Einrichtungen auch sonntags ein Angebot bereitstellen. Das muss nicht parallel zum Kirchgang laufen, da haben wir sonst sicher Diskussionen auch in unserem Land, das wollen wir nicht. Aber spätestens ab mittags sollte da ein Angebot sein.

Ich weiß, dass einer der kulturpolitischen Vordenker der Christlich Demokratischen Union, Herr Professor Dr. Lammert, das all die Jahre immer schon gefordert hat. Nicht nur ich habe das immer unterstützt, andere auch. Wir müssen allerdings sehen, wie man das arbeitsrechtlich in Berlin regelt. Die Initiative dazu sollten Sie mit aufnehmen. Es ist sinnvollerweise in dem Entschließungsantrag der SPD enthalten, unsinnigerweise haben wir es in den sieben Jahren nicht umsetzen können, wie wir wollten. Aber Sie werden das jetzt tun, und wir werden Sie in diesem Punkt unterstützen.

Wie wir uns abstimmungsmäßig enthalten, habe ich gesagt. Ansonsten wünsche ich uns weiterhin viele interessante Debatten, auch zu dem Thema, wenn auch nicht anhand dieser Anträge. Wir werden das aber mit Sicherheit, wenn Sie das Konzept vorlegen, im Kulturausschuss noch einmal entsprechend beraten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön, Herr Kollege Keymis. – Für die AfD-Fraktion spricht Frau Abgeordnete Walger-Demolsky.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Dritte Orte“ – welche sind das genau heute? Gibt es die nicht längst? Und wenn ja, gibt es nicht auch schon alternative Nutzungen? Und wenn es die schon gibt, warum brauchen wir dann jetzt ein Pilotprojekt?

Die Idee, Bibliotheken, Volkshochschulen oder andere Einrichtungen für kulturelle Veranstaltungen zu nutzen, ist nicht wirklich neu, und dazu braucht es eigentlich auch den Landtag nicht. Auf diese Idee sind Kreise und Städte im ländlichen Raum längst gekommen.

Ganz im Gegenteil: Schulaulen, Kirchen und sogar ehemalige Höfe sind längst zu „Dritten Orten“ geworden, insbesondere dort, wo das Geld für die Erhaltung von Stadtteilen gefehlt hat. Es ist nicht jede ländliche Gemeinde so erfolgreich in der Generierung von Einnahmen wie Monheim. Wenn die Verschuldung auch zum Glück selten mit der von Städten, zum Beispiel in Städten des Ruhrgebiets, vergleichbar ist, so ist doch die Belastung durch Aufgaben, die man den Gemeinden im ländlichen Raum übertragen hat, sehr hoch.

Während sich die Städte in den Ballungsräumen in eine Schuldenspirale begeben haben, haben ländliche Kommunen oftmals freiwillige Ausgaben reduziert. Das trifft dann eben leider auch häufig Erhaltungsaufwendungen von Stadthallen oder Bibliotheken oder auch die adäquate Unterstützung von Chören und Laienschauspielgruppen.

Ein Beispiel ist der wunderbare Städtische Musikverein Gronau, ein Oratorienchor, dessen Aufführung großer Werke vor allem in den dortigen Kirchen stattfinden. Dieser 99 Jahre alte Chor bräuchte neben den Einnahmen aus Veranstaltungen ca. 15.000 € für Orchester und Solisten, um kostendeckend und mit guter Zukunftsaussicht seine Werke aufführen zu können. Tatsächlich bekommt der Chor eine Zuwendung in Höhe von 1.500 € aus dem kommunalen Haushalt. Das sichert die langfristige Existenz eher nicht.

Neben dem Erhalt der Räume und Einrichtungen oder gegebenenfalls auch deren Neueinrichtung muss es zunächst also auch um die Erhaltung unterschiedlicher Ensembles gehen. In dieser Hinsicht ist es längst fünf vor zwölf.

(Beifall von der AfD)

Wer das kulturelle Angebot auf dem Land stärken will und so einen Teil der ländlichen Infrastruktur verbessern oder wenigstens erhalten will und damit auch der Landflucht positiv entgegentreten möchte, wird mehr tun müssen, als mal ein Pilotprojekt auf den Weg zu bringen. Ich hoffe tatsächlich, dass das Ministerium hier schon weiter ist, als es der kleine Schauantrag von CDU und FDP vermuten lässt.

(Beifall von der AfD)

Die SPD hat sich die Mühe gemacht und den Antrag mit einem Entschließungsantrag regelrecht aufgewertet und der Regierung ein paar Handlungsempfehlungen mit auf den Weg gegeben, die wir durchaus nachvollziehen können und daher auch unterstützen. Ob die Regierung diese gebraucht hätte, kann ich nicht beurteilen. Dennoch werden wir Ihren Antrag unterstützen, Herr Bialas.

Den Schauantrag von CDU und FDP werden wir ablehnen. Wenn er in die Ausschüsse überwiesen worden wäre, wäre es sinnvoll gewesen, so aber nicht. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke, Frau Walger-Demolsky. – Für die Landesregierung spricht jetzt Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Landesregierung begrüßt den vorliegenden Antrag. Es sind in der Tat vor allem kleine Städte und Gemeinden im ländlichen Raum, die vor der Herausforderung stehen, eine kulturelle Grundversorgung sicherzustellen. Neben Kultureinrichtungen wie Kulturzentren, Gemeinde- oder Bürgerhäusern sowie Museen, Bibliotheken und Musikschulen treten dort immer häufiger auch Volkshochschulen, Tourismusbüros, Vereine, Kirchengemeinden und Nachbarschaftstreffs als Kulturakteure und Orte der Begegnung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts auf.

Viel zu oft mangelt es diesen Initiativen jedoch an den notwendigen Ressourcen.

Vor diesem Hintergrund erarbeitet das Ministerium zurzeit, wie im Antrag gefordert, ein Förderkonzept für ein Pilotvorhaben „Dritte Orte“ als Kulturorte. Der Fokus liegt dabei explizit auf ländlichen und oft auch strukturschwachen Räumen, also dort, wo die intelligente Vernetzung und gezielte Weiterentwicklung von Angeboten besonders wichtig sind.

Damit ein solcher „Dritter Ort“ das kulturelle Leben vor Ort auch nachhaltig bereichern kann, müssen einige Kriterien erfüllt sein. Benötigt wird ein Ort bzw. eine Lokalität mit guter Erreichbarkeit und Zugänglichkeit. Erfolgsentscheidend ist außerdem, dass es sich um einen wirklich einladenden und attraktiven Ort handelt, den die Menschen gerne aufsuchen und der gleichzeitig qualitätsvolle und vielfältige kulturelle Angebote macht. Natürlich muss es ein belastbares Konzept geben, wie der laufende Betrieb organisiert und finanziert wird.

Das Beispiel der Bibliotheken, das Sie vorhin angeführt haben, Herr Keymis, ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Frage der Sonntagsöffnung ist rechtlich zwar schwer zu lösen, aber wir haben uns intern vorgenommen, noch einmal rechtlich zu untersuchen, was wir machen können. Es gibt einzelne Fälle, in denen das gemacht wird, und die sind so überzeugend, dass wir es gerne übertragen würden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wo es gelingt, „Dritte Orte“ in der beschriebenen Art zu schaffen, können diese entscheidend zur Lebensqualität der Menschen vor Ort beitragen. Wie ein solches Förderkonzept hier möglichst wirksame Entwicklungsimpulse geben kann, wird, wie ich eben sagte, derzeit erarbeitet. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Wir sind am Ende der Aussprache zu Tagesordnungspunkt 10.

Wir kommen zur Abstimmung, erstens über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/2402. Sie haben bereits mehrfach in der Debatte gehört, dass die antragstellenden Fraktionen direkte Abstimmung beantragt haben. Wer also dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die SPD-Fraktion, die AfD-Fraktion und der fraktionslose Abgebordnete Neppe. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall.

(Zuruf)

– Entschuldigung. Das habe ich falsch gesehen, als Sie sich ein zweites Mal gemeldet haben. Ich korrigiere für alle Kolleginnen und Kollegen und insbesondere für das Protokoll, dass der fraktionslose Abgeordnete Neppe mit Ja gestimmt hat. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2402 von CDU und FDP mit dem jetzt korrekt festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2467. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Das sind die SPD-Fraktion

(Zurufe von der CDU: Oh!)

und die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Neppe.

(Unruhe)

Gibt es Stimmenthaltungen? – Wie angekündigt bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wenn sich das Erstaunen über das Abstimmungsergebnis gelegt hat, würde ich gerne feststellen, dass der Entschließungsantrag Drucksache 17/2467 mit dem von mir genannten Abstimmungsergebnis abgelehnt ist.

Damit sind wir am Ende von Tagesordnungspunkt 10.

Ich rufe auf:

11 Nordrhein-Westfalen kooperiert im Gesundheitsbereich mit Partnerland Ghana

Antrag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2400

Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat für die antragstellenden Fraktionen Herr Kollege Krauß von der CDU-Fraktion das Wort.

Es mag sein, dass wir den Kollegen von hier oben gerade nicht sehen. Jedenfalls hätte der Kollege Krauß von der CDU-Fraktion das Wort. Wir sehen ihn alle nicht. – Dann bitte ich den Kollegen Neumann, für die SPD-Fraktion zu sprechen.

(Andreas Bialas [SPD]: Der spricht jetzt eure Redezeit mit!)

Josef Neumann (SPD): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ghana ist seit Jahren ein wichtiges Partnerland von Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen hat bereits in den letzten Jahren zahlreiche Projekte zur Entwicklung und bei der Entwicklung dieses Landes unterstützt, und zwar als Landesprojekte im Bereich von NGOs oder anderen, die sich in Ghana engagieren.

Mit 29 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, von denen 54 % in den städtischen Regionen Ghanas leben – 40 % der Bevölkerung sind unter 16 Jahre alt, und im Gegensatz zu uns sind nur 4,2 % der Bevölkerung über 65 Jahre –, hat Ghana eine gesellschaftliche Struktur, die anders ist als die, die wir hier bei uns kennen.

Ghana ist auch geprägt durch eine enorm hohe Obdachlosigkeit von Kindern und Jugendlichen, insbesondere im städtischen Raum. Die UNICEF schätzt, dass wir allein in der Hauptstadt Accra von etwa 15.000 bis 20.000 Kindern sprechen können, die von Obdachlosigkeit betroffen sind.

Ghana, ein Land, das in Westafrika am Atlantik liegt, hat natürlich eine tropische Zone, die, was den Gesundheitsbereich angeht, durchaus geprägt ist von Krankheiten wie Malaria, Cholera, Tuberkulose, Gelbfieber, Hepatitis A und B und sicherlich vielen anderen.

Da der Präsident der Republik Ghana den Wunsch geäußert hat, dass Nordrhein-Westfalen beim Aufbau des medizinischen und pharmazeutischen Systems in Ghana helfen und unterstützen soll, sollte es für uns als eine Selbstverständlichkeit angesehen werden, unserem Partnerland hier zu helfen.

Dass wir das tun, ist aber auch ein klares Bekenntnis zu der bisherigen Eine-Welt-Politik, die Nordrhein-Westfalen in diesem Bereich in den letzten Jahren schon betrieben hat, und ein Bekenntnis dazu, dass wir hinter diesen Wünschen nicht nur stehen, sondern versuchen werden, sie in konkrete Maßnahmen umzumünzen.

Wir wissen nicht sehr viel über das medizinische und pharmazeutische System dieses Landes. Wir wissen, dass die dortige pharmazeutische Produktion nur ausreicht, um ein Drittel der Bevölkerung zu versorgen. Wir wissen, dass ein wesentlich weiterer Aufbau notwendig ist. Wir wissen, dass das Gesundheitssystem in Ghana insbesondere außerhalb der Großstädte für viele Menschen noch nicht ausreichend ist und es deshalb notwendig ist, zu ermitteln:

Welche Hilfssysteme sind hier notwendig? Mit welchen adäquaten Partnern können wir das von Nordrhein-Westfalen aus unterstützen?

Es ist jetzt nicht angesagt, jemand einfach etwas überzustülpen und zu sagen, wir wissen es besser, sondern wir müssen gemeinsam mit adäquaten Partnerinnen und Partnern nach Lösungen suchen und schauen, mit wem wir gemeinsam diese Projekte umsetzen, unterstützen und auf den Weg bringen.

Nordrhein-Westfalen ist in der Eine-Welt-Politik mit vielen Institutionen gut aufgestellt. Wir haben viel Beratungspotenzial in diesem Lande. Ich erinnere allein an die Institution „Engagement Global“, die uns bei vielen Projekten durch Beratung schon geholfen und unterstützt hat.

Deshalb sollten wir jetzt insbesondere Wert darauf legen, dass wir erst einmal eine genaue Analyse machen, dass wir die Wünsche dieses Landes zur Kenntnis nehmen, uns anschauen, wo und an welcher Stelle Hilfe zuerst notwendig ist und mit wem wir diese Hilfe umsetzen können.

Ich bin davon überzeugt, dass dieses Bekenntnis zu unserem Partnerland ein wichtiger Teil unseres Bekenntnisses für eine vernünftige Eine-Welt-Politik ist.

Dabei ist Ghana ein Land, das selbst auf der einen Seite von Migration betroffen ist – viele Menschen aus Ghana verlassen das Land, kommen nach Europa und gehen auch nach Nordamerika –, aber Ghana ist auch betroffen von Immigration, weil viele Menschen aus den umliegenden Staaten dieses Land aufsuchen, um für sich eine bessere Lebensstruktur zu erreichen.

Insofern ist dieser gemeinsame Antrag ein wichtiger Schritt, unserem Partnerland zu helfen. Ich denke, es ist notwendig, dass wir das tun, und das sollten wir auch gemeinsam vollziehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Neumann. – Jetzt hat Herr Kollege Krauß das Wort.

Oliver Krauß (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Haben Sie vielen Dank für den kulanten Tausch der Redner. Auch dem Kollegen Neumann herzlichen Dank.

Ghana, das westafrikanische Land, über 7.000 km von NRW entfernt, liegt uns am Herzen, meine Damen und Herren, und das nicht erst seit gestern, sondern bereits seit über zehn Jahren. Das Kooperationsabkommen, das unter dem seinerzeitigen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers initiiert wurde, füllen wir mit neuem Leben.

Dafür haben wir bereits im Oktober des letzten Jahres mit dem Antrag „Zehn Jahre Partnerschaftsabkommen mit Ghana – Nordrhein-Westfalen übernimmt auch in Zukunft internationale Verantwortung“ eine erste parlamentarische Initiative gestartet. Es gibt viele unterschiedliche Bereiche, in denen Bürgerinnen und Bürger unseres Bundeslandes mit Menschen aus Ghana zusammenkommen, sich kennenlernen oder miteinander arbeiten können. Initiatoren sind die zivilgesellschaftlichen Gruppen, die Diaspora-Gemeinschaft, die Privatwirtschaft, die Kommunen, Unternehmen oder Bildungseinrichtungen.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir die Partnerschaft in einem spezifischen Politikfeld, im Gesundheitsbereich, stärken. Lassen Sie mich ausdrücklich betonen, dass wir mit Ghana eine Partnerschaft auf Augenhöhe leben.

Es ist mitnichten so, dass wir unter einer Kooperation im Gesundheitsbereich zum Beispiel nur das Verschiffen von Medikamenten, von technischen Geräten oder gar das Entsenden von in Deutschland ausgebildeten Ärzten verstehen. Das, meine Damen und Herren, mag vor Jahren das Verständnis von Entwicklungshilfe gewesen sein. Heute sprechen wir von Entwicklungszusammenarbeit. Wir reden und arbeiten auf Augenhöhe zusammen und werden von hier aus nur tätig, wenn unsere Arbeit auch gewünscht wird.

Im Februar dieses Jahres war der ghanaische Präsident Akufo-Addo hier im Landtag zu Besuch. Dabei hat er ausdrücklich den Wunsch nach einer Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich geäußert. Eine solche Bitte nehmen wir gern zum Anlass, die Möglichkeit einer Kooperation auszuloten.

Wie sieht die Situation in Ghana in diesem Bereich aus? – Dort gibt es aktuell 38 Arzneimittelhersteller, die etwa 30 % des Gesamtbedarfs an Medikamenten produzieren. Eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung im pharmazeutischen Bereich spielt die ghanaische Aufsichtsbehörde Food and Drugs Authority. Diese Behörde ist bemüht, eine hohe Qualität bei der lokalen Produktion sicherzustellen und die teuren Importe von Medikamenten in naher Zukunft überflüssig zu machen. Seminare und Lehrgänge zur Entwicklung und Herstellung von Medikamenten unterstützen die Bestrebungen, die gesamte Produktionskette vor Ort in Ghana zu gewährleisten.

Neben der Produktion und Sicherstellung der Qualität von Medikamenten ist die Ausbildung von qualifiziertem Pflegepersonal ein weiteres sehr wichtiges Thema und gleichzeitig eine große Herausforderung.

Als Gesundheitsland Nummer eins ist Nordrhein-Westfalen besonders geeignet, mit Ghana im Gesundheitsbereich zu kooperieren, wenn dies gewünscht ist.

An dieser Stelle muss ich – der Kollege Remmel ist leider nicht da – gegenüber den Kolleginnen und Kollegen der Grünenfraktion meine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass Sie diesem Antrag nicht beigetreten sind.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Das können wir gleich begründen!)

Gerade Kollege Remmel hat oft hier im Hause angekündigt, dass er Initiativen zur Stärkung internationaler oder europäischer Partnerschaften gern unterstützen will. Es wäre doch ein starkes Signal für unsere Partnerschaft gewesen, wenn alle demokratischen Fraktionen auch bei diesem Thema geschlossen ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Ghana dokumentiert hätten.

Ich danke daher ausdrücklich der SPD-Fraktion und den Kollegen Weiß und Neumann. Sie haben sich im Sinne der Sache der vorliegenden Initiative angeschlossen. Dafür danke ich sehr.

Zumindest unterstützen die vier demokratischen Fraktionen in diesem Hause einvernehmlich unsere Initiative für eine Ausstellung zur Zusammenarbeit zwischen der Republik Ghana und Nordrhein-Westfalen.

Vom 10. bis zum 21. Dezember 2018 werden in der Bürgerhalle des Landtags die unterschiedlichen Facetten der Partnerschaft zwischen Ghana und Nordrhein-Westfalen präsentiert – vom kommunalen Engagement über das wirtschaftliche, zivilgesellschaftliche und universitäre Engagement bis hin zu den Aktivitäten unserer Landesregierung. Darauf können wir uns heute schon freuen.

Ich danke Ihnen herzlich. – Frau Präsidentin, noch einmal herzlichen Dank für die kulante Regelung zur Reihenfolge der Reden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Krauß. Ich werde Ihren Dank gern an die andere Präsidentin weiterleiten. – Ich erteile nun dem Kollegen Nückel von der Fraktion der FDP das Wort. Bitte schön.

Thomas Nückel (FDP): Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, NRW und Ghana verbindet seit Jahren eine Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen. 2007 – das wurde schon erwähnt – wurde das Partnerschaftsabkommen geschlossen.

Wir müssen allerdings selbstkritisch zugeben, dass das Ganze dann etwas eingeschlafen ist. Deswegen war es auch so wichtig, dass wir anlässlich des zehnjährigen Jubiläums im letzten Herbst beschlossen haben, die Partnerschaft zu vertiefen und Projekte mit nachhaltiger Entwicklung zu fördern und zu verankern. Auch der Staatspräsident von Ghana, der im Februar dieses Jahres bei uns war, hat sich für eine Vertiefung und Intensivierung der Partnerschaft ausgesprochen. – Dieser Antrag ist ein Impuls und ein erster Aufschlag.

Es stimmt, dass Ghana Probleme hat. Wir alle kennen die Bilder von Müllhalden bzw. – „Halde“ ist untertrieben – Müllbergen mit Elektroschrott aus Asien und natürlich auch aus Europa. Dort ruinieren sich vor allen Dingen obdachlose Menschen ihre Gesundheit, weil sie versuchen, über Feuer die eisenhaltigen Teile des Elektroschrotts zu gewinnen und Draht von Gummi zu lösen, und dann die giftigen Dämpfe einatmen.

Aber Ghana verfügt auch über viel Potenzial. Es hat deutliche Ansätze für ein stärker werdendes, modernes Gesundheitssystem. Verschiedene medizinische Hilfsorganisationen engagieren sich seit Jahren vor Ort unter anderem beim Aufbau von Laboren zur Stärkung der lokalen Arzneimittelproduktion und Medikamentenherstellung.

Mit dem Antrag möchten wir unserem Partner Ghana bei der Weiterentwicklung in diesem Bereich, aber auch bei der Ausbildung von Pflegepersonal helfen. Wir wollen mit den Partnern dort Kooperationsmöglichkeiten suchen und geeignete Partner zur Umsetzung vermitteln.

Der FDP-Fraktion geht es dabei um Hilfe zur Selbsthilfe. Das möchte ich unterstreichen. Es geht uns vor allem darum, Strukturen zu stärken, also nicht zu ersetzen, und auf Wunsch vor Ort beim Ausbau dieser Strukturen und ihrer Ergänzung zu helfen.

Wir wollen ausdrücklich dazu beitragen, dass qualifiziertes Personal nicht anschließend in andere Länder auswandert, sondern dort vor Ort bleibt.

Aufbauen können wir in Ghana auf drei bereits vorhandenen medizinischen Ausbildungsstätten und mehreren Einrichtungen zur pharmazeutischen Ausbildung.

Das Stadt-Land-Gefälle ist in Ghana freilich auch ein großes Thema. Aber das kennen wir ja in anderer – sicherlich abgemilderter – Form auch von uns. – Danke.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Nückel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Aymaz das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Lieber Herr Kollege Krauß, ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, Ihnen, aber auch den anderen Kolleginnen und Kollegen zu verdeutlichen, warum wir nicht dem Antrag beigetreten sind.

Dass die Partnerschaft zu Ghana und ihre Stärkung uns sehr wichtig sind, haben wir durch den gemeinsamen Antrag, den wir im Oktober 2017 gestellt haben und zu dem wir sehr viele Aspekte beigetragen haben, sehr wohl bewiesen.

Gesundheit ist ein Menschenrecht. Dass jedes Jahr Millionen Menschen an eigentlich heilbaren Krankheiten sterben, ist nicht nur bitter, sondern auch inakzeptabel. Es ist klar, dass durch die Stärkung lokaler Gesundheitssysteme vor allen Dingen den Menschen in den Ländern des globalen Südens geholfen werden kann. Deshalb gehört Gesundheitspolitik auf die globale Entwicklungsagenda und auch auf die Agenda der Zusammenarbeit mit unseren Partnerländern.

Es ist daher tatsächlich auch sinnvoll, dass der Landtag sich mit dem Gesundheitsbereich in Ghana auseinandersetzt.

Das Land ist im Vergleich zu den anderen Ländern Westafrikas auch recht gut aufgestellt, hat aber dennoch erhebliche Probleme insbesondere in der Gesundheitsversorgung. So gehört Ghana laut Weltgesundheitsorganisation zu den 57 Ländern mit einer akuten Fachkräftekrise im Gesundheitssektor, weswegen eine Basisgesundheitsversorgung im gesamten Land gar nicht ermöglicht wird. Ganz besonders ist davon der ländliche Raum betroffen. Neben dem aktuellen Mangel an Ärztinnen und Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern fehlt es massiv an Laborfachkräften.

Die ghanaische Regierung hat sich in der Tat dieses Themas angenommen. Sie will mehr Ärztinnen und Ärzte ausbilden und dafür auch die Hochschulen ausbauen.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, der SPD und der FDP, auch wenn Sie teilweise in Ihren Reden hier auf diese Punkte eingegangen sind: Im vorliegenden Antrag werden all diese Themen absolut nicht erwähnt, obwohl das die Kernprobleme in der Gesundheitsversorgung des Landes sind.

Die einzige Maßnahme, die Sie in dem Antrag konkretisieren, ist die Versorgung mit Medikamenten. Das ist der zentrale Punkt des Antrags, wobei das Ganze schlichtweg mit einigen Zeilen abgespeist wird und da auch mehr Fragen entstehen als Antworten gegeben werden.

Aber noch einmal zurück zur Situation in Ghana: Wenn wir genauer hingucken, sehen wir, dass dort vor allen Dingen Probleme im Bereich der Infrastruktur liegen. So legt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit dar, es fehle vor allem an technischem Personal, einer guten Logistik, der Einhaltung von Kühlketten und entsprechenden Lagermöglichkeiten in den ländlichen Regionen.

Sie aber unterstreichen in Ihrem Antrag nur einen Punkt, und zwar die Produktion von preisgünstigen und – ich betone – sicheren Arzneimitteln.

Meine Damen und Herren, eines ist klar: Der Zugang zu Medikamenten ist wichtig. Er ist sogar essenziell. Das wissen wir. Aber das ist gleichzeitig auch ein hochsensibles Thema. Wir wissen, dass doch gerade die Preise für Medikamente eines der großen Probleme in Entwicklungsländern darstellen. Eine lokale und preisgünstige Produktion scheitert oft an Patentrechten der großen internationalen Pharmakonzerne.

Eine entscheidende Frage ist also: Welche Produkte werden als sichere Medikamente anerkannt und welche nicht? Das ist entscheidend. Auch dazu findet sich in dem Antrag kein Wort.

Wenn einem das Thema so wichtig ist – und uns ist es sehr wichtig –, dann sollte man in einem zweiseitigen Antrag nicht so vage in der Zielsetzung bleiben. Sie schreiben, die Landesregierung solle zu gegebener Zeit über die Umsetzung der Maßnahmen in geeigneter Form informieren. Auch das bleibt sehr unkonkret.

Deshalb können wir diesen Antrag heute nicht mittragen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir sind aber sehr offen dafür, in diesem Bereich der gesundheitlichen Versorgung mit unserem Partnerland Ghana konstruktiv zusammenzuarbeiten. Wir werden auch gerne mit konstruktiven neuen Vorschlägen auf Sie zukommen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Aymaz. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Dr. Vincentz das Wort. Bitte schön.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im demokratiedefizitären Westafrika gilt die unvollständige Demokratie Ghana als Musterschüler. Wenn man dem einen oder anderen heute hier zugehört hat, der wieder von den vier demokratischen Fraktionen spricht, kann man den Eindruck gewinnen, wir seien irgendwie auch demokratiedefizitär. Ich weiß gar nicht, warum Sie hier diesen Eindruck erwecken wollen. Wir sind doch alle demokratisch gewählt.

Aber bedenken wir, dass Ghana 2013 einen besseren Korruptionswahrnehmungsindex als beispielsweise Italien aufwies und Italien in der Eurozone verweilt! Das mag vielleicht stimmen. Oder die Eurozone ist möglicherweise einfach eine Fehlkonstruktion. Aber das ist ein anderes Thema. Diesen Aspekt diskutieren wir vielleicht an anderer Stelle.

Ghana hat gemessen an einer Reihe von Faktoren das investitionsfreundlichste Umfeld Westafrikas, was Ghana nicht nur zu einem möglichen, sondern zu einem guten Partner macht, vor allem, da das Wirtschaftswachstum von rund 7 % in den letzten Jahren auch effizient bei der Bevölkerung ankommt, was durchaus beachtlich ist – nicht nur für die Region, sondern auch im Vergleich zur Eurozone.

So ist das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen von rund 390 US-Dollar 2004 auf immerhin 1.550 US-Dollar 2012 gestiegen. Damit ist Ghana laut Weltbank kein Land mit niedrigem Einkommen mehr. Dadurch entwickeln sich gute Aussichten, dass einige der Millenniumsziele auch zu erreichen sind.

Ghana, ein politisch stabiles Land inmitten wackliger westafrikanischer Nachbarschaft, ist auch in der Gesundheitspolitik vorne mit dabei. Seit 2004 existiert eine gesetzliche Krankenversicherung. Das Leistungspaket ist für die Region beachtlich. Die Elfenbeinküste als vergleichbarer Nachbar hat eine fast doppelt so hohe Kindersterblichkeit und eine rund zehn Jahre geringere Lebenserwartung bei ähnlich hoher Fertilität.

Bei allen guten Nachrichten gibt es allerdings auch weiterhin erhebliche Probleme, die gelöst werden wollen. Ausschlaggebende Faktoren der anhaltenden gesundheitlichen Unterversorgung stellen die schlechten hygienischen Bedingungen, der unzureichende Zugang zu sauberem Trinkwasser, die hohe Fertilität und damit die rapide wachsende Bevölkerung sowie vor allem der Mangel an medizinischer Ausstattung und an Ärzten bzw. qualifizierten Fachkräften dar.

So gibt es in Großbritannien durch den anhaltenden Braindrain und die Gier des Westens nach günstigen Fachkräften ungefähr genauso viele ghanaische Ärzte wie in Ghana selbst. Während in Ghana ein Arzt auf 10.000 Einwohner kommt, sind es selbst in unserem oft besprochenen Ostwestfalen immerhin noch mehr als 20 Ärzte auf 10.000 Einwohner.

Ein erster Schritt wäre, selbst wieder in die teure Ausbildung medizinischen Personals zu investieren und eben nicht den Ärmsten der Welt ihre Krankenschwestern, Ärzte und Rettungskräfte abzuwerben. Denn das ist nicht – wie so oft dargestellt – sozial, sondern allzu oft das Gegenteil.

(Beifall von der AfD)

Auch das ist eine Form der Entwicklungshilfe, Afrika und die heimische Bevölkerung nicht gegeneinander auszuspielen.

Der nächste Punkt ist die stark wachsende Bevölkerung Ghanas. Bei rund vier Kindern pro Frau wird beinahe jede Bemühung zur Versorgung einer Generation spätestens durch die schiere Größe der nächsten zunichte gemacht. So lebten in Ghana 1960 etwa 6,5 Millionen Menschen. Heute, rund 60 Jahre später, hat sich die Zahl mehr als vervierfacht und ist auf rund 29 Millionen Menschen gestiegen. Dabei sind etwa 42 % der Bevölkerung jünger als 15 Jahre.

Wenn in Ghana gerade einmal etwas mehr als ein Viertel der Frauen Zugang zu einem Verhütungsmittel hat, dann ist auch Folgendes ein sinnvoller Schritt der Entwicklungshilfe: Aufklärung und Zugang zu Verhütungsmitteln und vor allen Dingen ein Fokus auf Frauenbildung.

Gestern sprachen wir darüber, wie der Westen sein Vertrauen in die Schulmedizin scheinbar in Teilen verliert. Ghana hat in Teilen dieses Vertrauen nie aufgebaut. Neben der westlichen Medizin sind dort traditionelle Heilverfahren weit verbreitet. Ähnlich, wie es in Deutschland wieder nötig wird, darüber aufzuklären, dass bei einer kritischen Erkrankung nicht der Schamane, sondern der Arzt aufzusuchen ist, ist ein wichtiger Teil der Entwicklungshilfe die Aufklärung und die Vertrauensbildung in westliche Medizin. Denn letztlich geht es nicht nur darum, die Versorgung bereitzustellen. Sie muss auch genutzt werden. Beispielsweise von globalen Impfprogrammen profitieren wir sogar alle.

Ein letzter Punkt bleiben – gerade in den nördlichen Teilen des Landes – schlicht die Armut und die damit einhergehenden, oft eigentlich mit einfachen Mitteln zu heilenden oder vorzubeugenden Infektionskrankheiten. Hier werden Ghana auf Dauer nur ein weiteres stabiles Wirtschaftswachstum, eine stabile Regierung und ein starker Handelspartner helfen. Zumindest den letzten Teil können wir tatsächlich gewährleisten.

Ich habe Ihnen drei konkrete Wege zur Entwicklungshilfe aufgezeigt. In Ihrem mehr als schwammigen Antrag – gestellt von den größten im Landtag vertretenen Fraktionen – bleiben Sie solche Antworten schuldig. Man kann dem Antrag natürlich zustimmen. Es steht ja kaum etwas Spruchreifes darin. Aber jemandem, der wirklich an Fairness, Entwicklungshilfe und einer Partnerschaft zu Ghana interessiert ist, kann das, was Sie da formuliert haben, auf Dauer nicht reichen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Vincentz. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Reul in Vertretung für Herrn Minister Holthoff-Pförtner das Wort. Bitte schön.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon davon gesprochen worden, dass es diese Partnerschaft seit über zehn Jahren gibt. Wir hatten vor Kurzem die Ehre, den ghanaischen Präsidenten bei uns begrüßen zu dürfen. Er hat den Landtag besucht und war auch bei einer Sitzung des Kabinetts anwesend. Wir freuen uns sehr darüber, dass die Partnerschaft mit Ghana ganz gut funktioniert, auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene und natürlich auch in der Zusammenarbeit der Regierungen.

Deswegen begrüßen wir es sehr, dass der Landtag – und noch besser: fraktionsübergreifend – ein immer stärkeres Interesse an der Fortentwicklung dieser Partnerschaft hat.

Das Thema „Gesundheit“ ist ein zentraler Punkt bei der öffentlichen Daseinsvorsorge und steht deswegen auf der Liste der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen bis 2030 an dritter Stelle. Dieses Ziel 3 lautet:

„Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“

Der ghanaische Präsident hat während seines Aufenthalts in Nordrhein-Westfalen eine mögliche Zusammenarbeit in diesem Bereich der Gesundheitspolitik thematisiert. In der gemeinsamen Absichtserklärung über die weitere Zusammenarbeit zwischen Ghana und NRW ist natürlich auch das Thema „Gesundheit“ aufgeführt.

Es hat bereits Projekte in diesem Bereich gegeben. Bereits 2014 förderte die Landesregierung eine Machbarkeitsstudie zur Einrichtung eines staatlich-pharmazeutischen Labors für die Zulassungsprüfung von Medikamenten in Ghana.

Aus diesen Gründen begrüßt die Landesregierung das Engagement des Landtags. Sie ist offen für mögliche Kooperationen in diesem Bereich. Wir werden demnächst übrigens unsere ghanaischen Partner nach ihren Plänen und Interessen für eine weitere Zusammenarbeit in diesem Bereich befragen.

Es darf allerdings nicht vergessen werden, dass es in erster Linie darauf ankommt, wie Ghana seine eigenen Bedürfnisse definiert. So weist der ghanaische Präsident immer wieder darauf hin, dass sein politisches Ziel ein Ghana jenseits der Entwicklungshilfe ist.

Wir können anbieten – wie bereits erwähnt –, Ghana auf diesem Weg im Rahmen einer Partnerschaft auf Augenhöhe in seine Zukunft zu begleiten. Diese Partnerschaft wird hoffentlich dazu führen, dass Ghana und NRW in gleichem Maße voneinander lernen können.

Die Vorstellung, dass wir hier im Norden alles besser wissen und alles richtig machen, ist entwicklungspolitisch veraltet. Deswegen freuen wir uns, von unseren ghanaischen Partnern zu hören, über welche Themen sie sich in nächster Zeit mit uns austauschen wollen, und vor allen Dingen, bei welchen Zielen wir sie auf welche Art und Weise unterstützen können und wie wir das gemeinsam erreichen können.

In diesem Sinne unterstützen wir die gemeinsame Erklärung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen uns nicht vor. – Das bleibt auch beim Blick in die Runde so, sodass wir am Schluss der Aussprache sind.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP haben direkte Abstimmung beantragt, sodass ich nun über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/2400 abstimmen lasse. Wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten …

(Roger Beckamp [AfD]: Nein, wir haben zugestimmt!)

– Vielen Dank für den Hinweis. – Ich stelle für das Protokoll ausdrücklich fest: Die Fraktion der AfD hat dem Antrag ebenfalls zugestimmt.

(Andreas Keith [AfD]: Nicht schlimm, Frau Freimuth! Das passiert Ihnen öfter!)

Ich frage jetzt: Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist damit der Antrag Drucksache 17/2400 angenommen.

Ich rufe auf:

12 Die Kosten der Umweltregulierung und GAP-Bürokratie – ein Wettbewerbsnachteil für deutsche Landwirte

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2395

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion dem bereits am Redepult befindlichen Abgeordneten Dr. Blex das Wort.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftszweig für unser Land. Die Landwirte produzieren unsere Lebensmittel, sie beschäftigen viele Menschen, und sie prägen weitgehend unsere Landschaft. Wie alle Wirtschaftszweige ist auch die Landwirtschaft allgemeinen und speziellen Anforderungen des Umweltschutzes unterworfen.

Für die Landwirtschaft ist die Umsetzung von Umweltanforderungen besonders kompliziert, weil sie bei jeder landbaulichen oder agrartechnischen Tätigkeit eingreifen. Die Anforderungen reichen von den Abgasnormen für die Viehhaltung über die rezeptgenaue Steuerung der Düngung bis hin zur Gestaltung von Landschaftselementen. Die Umsetzung dieser Anforderung ist zu einem erheblichen Teil des Arbeitslebens unserer Landwirte geworden.

Es ist also an der Zeit, über den Regulierungsaufwand nachzudenken, und zwar aufseiten der Landwirte und aufseiten der Agrarverwaltung.

Die AfD will eine produktive deutsche Landwirtschaft getragen von verantwortlichen bäuerlichen Betrieben. Deshalb dürfen die behördlichen Instanzen – seien diese in Brüssel, Berlin oder Düsseldorf angesiedelt – nicht einfach Anforderung auf Anforderung packen.

Eine kritische Betrachtung der gesamten Regulierung tut not. Die in unserem Antrag dargestellte Studie zu den Kosten des Umweltschutzes in der Landwirtschaft ist hierfür eine wichtige Hilfe. Wir möchten den Autoren der dargestellten Studie für die sorgfältige Arbeit und die Vielfalt der daraus abgeleiteten Empfehlungen danken. Wir danken auch dem Deutschen Bauernverband, der diese Studie veranlasst hat.

In unserem Antrag schlagen wir vor, dass die Kosten der Regulierung in den anstehenden Beratungen über die Agrarpolitik stärker berücksichtigt werden, die überbordenden Verfahren der Antragstellung und Mittelzuweisung vereinfacht werden und die Dauergrünlanderhaltungsverordnung des Landes entsprechend dem Nutzen und den Kosten überprüft wird.

Besonders schmerzlich ist es, dass der bürokratische Aufwand gerade kleine Betriebe hart trifft. Diese Betriebe können sich keine Rechtsabteilungen, Umweltbeauftragten oder Compliance Officers leisten.

Die Landesregierung sollte sich zur Aufgabe machen, bei der Gesetzgebung, aber auch bei der Gestaltung von Ausführungsvorschriften die Lasten und Probleme der produzierenden Betriebe und deren bescheidene Personalausstattung besonders zu berücksichtigen. Ich erinnere daran, dass dies im Grunde eine rechtlich bindende Pflicht des Gesetzgebers und der Autoren untergesetzlicher Normen ist. Denn es gehört zu deren Pflichten, nach dem Erfüllungsaufwand zu fragen.

Zentral für die Belastung der Landwirte sind die Kosten der Einhaltung der Nitratrichtlinie der EU, die durch das deutsche Düngegesetz umgesetzt wird. Schon bei der Konzeption der Umsetzung gibt es konzeptionellen Streit, wie wir auch im Landtag immer wieder erfahren. Für einen Betrieb, der sich der Produktion von Lebensmitteln widmen will, sind diese Anforderungen schwer zu verstehen und schwer rechtssicher umzusetzen. Für die Bauern kommt auf diese Weise eine Art zweite Steuererklärung hinzu.

Bei der Nitratrichtlinie stellt sich ohnehin die Frage, warum der Zustand der ortsgebundenen Grundwässer, die Mengen der zulässigen Düngeraufbringung und die Überwachung der Ergebnisse EU-weit einheitlich geregelt werden müssen. Die Quellen des Wassers sind örtlich. Die Belastungen treten örtlich auf, und Wasser wird nicht über die Grenzen gehandelt.

Auch hier widersprechen die Regelungen der EU-Kommission dem Subsidiaritätsprinzip. Nach diesem Prinzip wäre die Richtlinie insgesamt überflüssig. Es ist nicht erkennbar, dass die Trinkwasserqualität durch die Kommission in Brüssel besser geregelt wird als durch die jeweiligen nationalen Regelungen.

Daher möchten wir Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen – zum Wohle der deutschen Landwirte und zur besseren Ordnung der Agrarpolitik. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Blex. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der CDU Frau Abgeordnete Winkelmann das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Bianca Winkelmann (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche war ich im Kreis Warendorf und im Sauerland unterwegs. Dort habe ich mich mit einer größeren Gruppe von Sauenhaltern, mit Schweinebauern, mit Waldbauern, mit Betriebsleitern, die Eier in Direktvermarktung verkaufen, und auch mit Vertretern Milchvieh haltender Betriebe unterhalten und ausgetauscht.

Diese Menschen lieben ihren Beruf. Doch viele von ihnen stehen aktuell vor einem Scheideweg. Machen die Kinder mit der Landwirtschaft weiter, oder entscheiden sie sich für einen anderen Beruf? Bleibt der Hof in der Hand der Familie, oder steht am Ende des Tages vielleicht sogar das Aus für den Traditionsbetrieb?

Diese Landwirte haben ganz klar gesagt, dass die bürokratischen Hürden in vielen Bereichen einfach zu hoch sind. Das ist auch der Tenor vieler Veranstaltungen mit Landwirten. Das ist nichts Neues, auch wenn die AfD dieses Thema offensichtlich gerade für sich entdeckt hat. Genau diese Problematik macht es nicht gerade wahrscheinlicher, dass die kommende Generation die landwirtschaftlichen Familienbetriebe weiterführt.

Dessen sind wir uns als NRW-Koalition ohne jeden Zweifel bewusst. Und an dieser Situation möchten wir etwas ändern.

Die Bäuerinnen und Bauern, die durch ihre Arbeit dafür sorgen, dass wir täglich mit gesunden Nahrungsmitteln versorgt werden, brauchen mehr Planungssicherheit.

In dem vorliegenden Antrag erwähnt die AfD-Fraktion die Agrarministerkonferenz. Schon bei der Sonderagrarministerkonferenz im Januar 2018 hat sich das Gremium unter dem Vorsitz unserer Landesministerin richtigerweise mit dem Thema der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union beschäftigt. Die GAP müsse einfacher und effektiver werden, erklärte Christina Schulze Föcking damals.

Im Schulterschluss mit den anderen Bundesländern wollen wir im Hinblick auf das Jahr 2020 die Reform der GAP mitgestalten. Denn um in Deutschland weiterhin günstige, gute Nahrungsmittel zu produzieren und zu verkaufen, braucht es weiterhin eine auskömmliche finanzielle Unterstützung der Landwirtschaft: weniger Regelwerke und mehr Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten.

Ich zitiere an dieser Stelle unsere Ministerin:

„Ohne eine deutliche Reduzierung europäischer Vorgaben kann eine effektive Reform der GAP nicht gelingen.“

Ihr Antrag, werte Kollegen der AfD, kommt insofern einige Wochen zu spät und kann in dieser Form von uns nur abgelehnt werden.

Weil wir aber einmal dabei sind, bleibt Folgendes festzuhalten: Viel zu wenig wurde bislang darüber gesprochen, welche Aufwendungen die Landwirtschaft bereits heute auf sich nimmt, um die Umwelt zu schützen bzw. gesellschaftlich gewünschte Leistungen zu erbringen. Allein in Bezug auf die Bestimmung von Cross-Compliance-Verpflichtungen sind enorme bürokratische Hürden zu bewältigen und Kosten aufzubringen – von den Anforderungen durch das Greening ganz zu schweigen.

Wir brauchen – davon sind wir überzeugt – dringend eine Versachlichung der Debatte um die Weiterentwicklung der GAP in der EU. Dabei gilt: So viel Umweltschutz wie möglich, aber so wenig Bürokratie wie nötig!

Das sehen übrigens die eingangs erwähnten Landwirte in Warendorf, im Kreis Olpe und im Hochsauerland so. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Winkelmann. – Für die Fraktion der SPD hat nun Frau Abgeordnete Watermann-Krass das Wort.

Annette Watermann-Krass (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der sogenannten AfD hinterlässt mich als Bauerntochter und als erfahrene Umweltpolitikerin sprachlos.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Wir heißen so! Wir sind nicht „sogenannt!“)

– Sie nennen sich „Alternative“; deswegen sage ich „sogenannt“.

(Zurufe von der AfD)

Sie beziehen sich in Ihrem Antrag auf die Studie des Deutschen Bauerverbandes. Teilweise haben Sie es abgeschrieben. Dann machen Sie diese Studie zu einer antieuropäischen, indem Sie umdeuten und sich diese Studie zu eigen machen.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Das hat die CDU nicht gesagt! Interessant!)

Unter dem Deckmäntelchen der Wirtschaftlichkeit und der angeblichen Solidarität mit den landwirtschaftlichen Betrieben wollen Sie als Fraktion nun also nicht nur die europäischen Vereinbarungen über die gemeinsame Agrarpolitik, sondern auch noch den Umweltschutz aufkündigen.

Für eine Partei – das erlebe ich, seitdem ich Ihnen zuhören darf, Herr Blex –, die den Klimawandel leugnet,

(Dr. Christian Blex [AfD]: Sie lügen!)

die Grenzwerte bei Stickoxiden ablehnt und das Insektensterben nicht sehen will, ist das kein Wunder.

Diese Studie ist vom Bauernverband in Auftrag gegeben worden. Es wäre doch einmal interessant, eine Studie zu haben, die darstellt, wie teuer uns billiges Schweinefleisch zu stehen kommt. Denn die weltweiten Umweltkosten der auf Export ausgerichteten Fleischproduktion werden doch bis heute gar nicht eingepreist. Wer eine 100-%-Nutzung beantragt, also Grund und Boden zu 100 % zu nutzen, der muss sich am Ende doch nicht wundern, Herr Blex, dass Wasser, Boden und Luft belastet werden und damit unsere eigene Lebensgrundlage zerstört wird.

Noch ein Hinweis: Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass wir uns die Umweltkosten in Kanada anschauen sollen. Das ist völlig abwegig. Beschäftigen Sie sich einmal mit Kanada: Da gibt es so gut wie gar keine Subventionen.

Schauen Sie einmal in die EU: In der EU erzielen unsere Landwirtinnen und Landwirte im Durchschnitt 46 % ihres Einkommens aus Transferleistungen. Diese beziehen sich hauptsächlich auf die Größe der von ihnen genutzten Flächen. Agrarsubventionen machen im EU-Haushalt immer noch den größten Anteil aus.

Deshalb sage ich Ihnen: Die SPD ist da klar aufgestellt. Sowohl in NRW als auch im Bund als auch auf Europaebene setzen wir uns dafür ein, dass die GAP – die gemeinsame Agrarpolitik – klar ausgerichtet ist: Es gibt öffentliche Mittel für öffentliche Leistungen.

Dabei sind öffentliche Leistungen klar definiert: Es sind EU-weite Leistungen – es ist wichtig, dass wir das EU-weit machen –, die oberhalb der gesetzlich verankerten Umwelt-, Klima- und Tierschutzgesetzgebung liegen. Das ist die Zielsetzung, die wir als SPD auf allen Ebenen haben.

Die Mittel sollen für mehr Wasserschutz, den Schutz der Biodiversität, der Bodenfruchtbarkeit, der Bestäuber, der Humusschicht, des Klimas und ganz besonders für Tierwohlleistungen eingesetzt werden. Darum geht es.

Dieser Antrag ist, kann ich nur sagen, unerträglich unprofessionell und populistisch. Einfache Lösungen gibt es nicht, selbst wenn Sie von der AfD das immer wieder zu glauben scheinen.

(Zurufe von der AfD)

Wir lehnen diesen europafeindlichen und rückwärtsgewandten Antrag ab. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der AfD: „Handwerklich schlecht gemacht“ fehlt noch!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Watermann-Krass. – Als Nächster hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Diekhoff das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Markus Diekhoff (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So eine Studie vom Bauernverband ist sicherlich sinnvoll und richtig. Sie dient dazu, einmal grundsätzlich Sachen aufzuzählen und Probleme darzulegen.

Wenn man aber die Ergebnisse so umsetzt, wie es die AfD aus meiner Sicht in ihrem Antrag tut, ist das wenig zielführend. Man kann ja auch einmal selber recherchieren. Dann kann man feststellen, dass in Nordsibirien der Energieaufwand für Kühltransporte relativ niedrig ist. Der Energieverbrauch bei der Speisewarmhaltung in der Sahara wiederum ist niedrig. In der Pinguinproduktion ist die Antarktis sehr führend. Es gibt da einen klaren Standortnachteil in Südspanien.

(Zuruf von der AfD: Kleiner Witzbold!)

Da bin ich Fachmann, das sind die harten Standortfaktoren. – Das Problem haben wir halt in der Landwirtschaft auch.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der AfD: Sachlich gestellt!)

– Sachlich gestellt, genau.

Das ist doch das Grundthema. Sie können doch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Man kann doch nicht die Produktionskosten von Fleisch in Argentinien oder von Weizen in Kanada mit den deutschen Produktionskosten vergleichen. Denn wir haben – das haben Vorredner schon dargestellt – ein anderes System. Wir legen auch auf anderes Wert.

Am Ende stellt natürlich die Fläche das dar. Deutschland ist ein dicht besiedeltes Land. Ich glaube, die schwarz-gelbe Landesregierung steht – Sie wissen das nicht, weil Sie relativ neu hier sind – in einer guten Tradition und sicherlich nicht im Verdacht, landwirtschaftsfeindlich zu sein. Daher müssen Sie uns nicht zum Jagen tragen.

Aber wir erkennen natürlich auf der Grundlage logischer Gesichtspunkte an, dass in Deutschland – und gerade in einem dicht besiedelten Land wie Nordrhein-Westfalen – andere Bedingungen herrschen und dass wir Bürger, Natur und Landwirtschaft schützen müssen. Sie müssen nebeneinander existieren können. Dann funktioniert das, was Sie hier vorgeben, nicht. Unter dem Gesichtspunkt höherer Kosten kann auf Umweltschutz an sich nicht verzichtet werden.

Wir wollen eine Landwirtschaft mit wenig Bürokratie und ohne Ideologie. Ich glaube, damit ist den meisten schon geholfen. Wir wollen aber nicht eine Landwirtschaft ohne Umweltschutz.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Damit wäre eigentlich alles gesagt. Sie fordern in dem Antrag noch, die Dauergrünlanderhaltungsverordnung NRW kritisch zu überprüfen. Ist das hier ein rechtshistorisches Seminar? Wenn ich es richtig recherchiert habe, ist die zum 31.12.2015 außer Kraft gesetzt worden.

(Zurufe)

– Okay!

Aufgrund dessen können wir dem Ganzen auf jeden Fall nicht zustimmen. Der Antrag springt zu kurz. Sie müssen die NRW-Koalition bei der Landwirtschaft sicherlich nicht treiben. Das können wir schon ganz gut alleine. – Danke.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Diekhoff. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Abgeordnete Rüße das Wort. Bitte schön.

Norwich Rüße*) (GRÜNE): Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich diesen Antrag gesehen habe, habe ich mich, liebe sogenannte alternative Fraktion, gefragt:

(Dr. Christian Blex [AfD]: Sie sind die sogenannten Grünen!)

Wo waren Sie eigentlich vor zwei Wochen am Dienstag, als der ELER-Begleitausschuss im Ministerium tagte, wo wir alle als Fraktion einen Sitz haben und wo wir genau diese Fragen diskutieren? Wo waren Sie da? Sie können hier solch einen Antrag ja stellen, aber da wird fachlich darüber diskutiert. Es gab dort einen Vertreter der EU-Kommission. Der hat aufmerksam zugehört, was wir zum Punkt Bürokratieabbau – wie wir uns das vorstellen – gesagt haben. Es war davon die Rede, dass es dort Belastungen gibt, die heruntergefahren werden müssen. Das ist hier auch Konsens.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Das sagen Sie!)

Meine Vorredner haben das ja auch schon gesagt.

Der Punkt ist von der EU-Kommission aufgenommen worden. Er wird bearbeitet werden. Wenn Sie ein bisschen auf der Höhe der Debatte wären, was die GAP angeht, wüssten Sie längst, dass genau das in Angriff genommen wird. Die Frage des Greenings beziehungsweise all das, was Sie mit diesem Antrag hier wollen, ist überholt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was einen wirklich entsetzt: Ihr Antrag zielt doch darauf ab, die Umweltstandards herunterzufahren, um billig zu produzieren. Herr Diekhoff, da sind wir mal einer Meinung: Es gibt gesetzliche Standards, die schlichtweg einzuhalten sind. Wir wollen zum Beispiel nicht – und das will keine der anderen Parteien hier im Landtag, Sie wollen es vielleicht –, dass der Nitratwert wieder auf 100 mg erhöht wird, damit es irgendwie einfacher wird.

(Zuruf von der AfD)

Wir wollen Atrazin nicht wieder zulassen, weil man vielleicht beim Pflanzenschutz im Maisanbau ein Viertel weniger an Kosten hat. All das wollen wir nicht. Das ist genau der Punkt. Sie scheinen da anderer Auffassung zu sein.

Wir sind der Meinung, dass die allermeisten unserer Umweltgesetze sehr wohl eine Geschichte haben, auf etwas reagiert haben, was nicht stimmig war. Daher wollen wir diese Standards überhaupt nicht absenken. Insofern ist Ihr Antrag komplett überflüssig.

Ich kann Ihnen nur sagen, wenn wir mal von der Landwirtschaft weggehen und einen Blick auf andere Bereiche unserer Wirtschaft werfen: Sie sind weltweit führend – trotz unserer hohen Auflagen. Industrieunternehmen könnten auch den ganzen Tag jammern und sagen: Was haben wir für hohe Umweltauflagen; was haben wir für hohe Kosten. – Das tun sie aber nicht.

(Zuruf von der AfD: Dieselmotoren!)

Denn genau diese Standards ermöglichen es, hervorragende Produkte zu erzeugen und am Weltmarkt mitzuspielen.

Ich sage Ihnen noch etwas: Es ist ja nicht so, dass unsere Landwirtschaft nicht in der Lage wäre, in Europa zu produzieren und Produkte wie Milch zu auskömmlichen Preisen zu erzeugen. Daher sehe ich die Gefahr nicht.

Ihr Antrag zielt insgesamt komplett am Thema vorbei.

(Zuruf von der AfD)

Er ist überflüssig. Ihr Nichterscheinen im ELER-Begleitausschuss zeigt, dass Sie am Thema eigentlich überhaupt kein Interesse haben. Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rüße. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Scharrenbach in Vertretung für Frau Ministerin Schulze Föcking das Wort. Bitte schön.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Studie ermittelt die monetären Kosten, die bei der Agrarproduktion bei Einhaltung von Recht und Gesetz wie der Wasserrahmenrichtlinie oder der Düngeverordnung oder aufgrund von Auflagen bei der Agrarförderung anfallen. Sinn und Zweck dieser Ermittlung ist es, eine belastbare Zahlengrundlage bereitzustellen, aber nicht, die Kosten an sich zu kritisieren.

Anhand eines kleinen Beispiels möchte ich kurz verdeutlichen, was damit genau gemeint ist. Die Studie spricht beispielsweise – Herr Rüße hat es gerade angesprochen – von den Kosten des sogenannten Greenings.

Unter Greeningauflagen werden der Erhalt von Dauergrünland, die Verpflichtung zum Anbau mehrerer Fruchtarten und die Bereitstellung von mindestens 5 % der Ackerfläche als ökologische Vorrangfläche – zum Beispiel als Stilllegungsflächen, Pufferflächen oder ganz aktuell seit diesem Jahr die Anlage von Honigbrachen – verstanden. Dies sind Auflagen, die von den Landwirtschaftsbetrieben eingehalten werden müssen, um Direktzahlungen einschließlich der Greeningprämie im Rahmen der EU-Agrarförderung zu erhalten.

Deshalb ist es einfach falsch, die Regelungen zum Schutz der Umwelt allein als einen Kostenfaktor für die Landwirtschaft zu betrachten. Denn diese Auflagen dienen dem Erhalt der natürlichen Ressourcen und einer nachhaltigen Wirtschaftsweise, und dazu stehen auch unsere Landwirte in Nordrhein-Westfalen, um das sehr deutlich zu sagen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Gerade in einem dichtbesiedelten Bundesland wie Nordrhein-Westfalen sind die Herausforderungen, die der Schutz der Gewässer, des Bodens, der Luft sowie der biologischen Vielfalt an die Landwirtschaft stellt, absolut nicht mit denen der meisten Wettbewerbsländer außerhalb der Europäischen Union zu vergleichen.

Kommen wir zum zweiten Punkt. Der Abbau von Bürokratielasten ist der Landesregierung – das wissen Sie; das Entfesselungspaket I ist beschlossen, das Entfesselungspaket II ist auf den Weg gebracht – ein zentrales Anliegen. Dies gilt auch und im Besonderen für die Landwirtschaft.

Die Landesregierung hält im Zusammenhang mit der anstehenden Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik einen umfassenden, für die Betroffenen deutlich spürbaren Bürokratieabbau auch für zwingend notwendig. In dem unter dem Vorsitz meiner Kollegin Frau Schulze Föcking auf der Sonderagrarministerkonferenz am 18. Januar gefassten Beschluss kommt dies bereits klar zum Ausdruck.

Die gemeinsame Agrarpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren, gehört seit Beginn der europäischen Einigung vor 60 Jahren zu den wichtigsten Aufgabenfeldern europäischer Politik. Sie würdigt besonders die in der Kommissionsmitteilung dargestellten Leistungen der europäischen Landwirtschaft für die 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, die zuverlässig mit sicheren und hochwertigen Nahrungsmitteln zu bezahlbaren Preisen versorgt werden.

Die Landwirtschaft trägt darüber hinaus maßgebliche Verantwortung für den Schutz von Klima, Umwelt und für eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sowie für die Erhaltung der bäuerlichen Kulturlandschaften.

Grundlage hierfür ist die gemeinsame Agrarpolitik, durch die der am stärksten integrierte Binnenmarkt geschaffen werden konnte. Sie ist einer der Ausgangspunkte und bis heute einer der am stärksten vergemeinschafteten Politikbereiche der Europäischen Union. Vor allem die ländlichen Regionen profitieren in einem hohen Maße von den Wertschöpfungsketten der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei.

Letzter Punkt: Die 2011 erlassene Landesverordnung zur Erhaltung von Dauergrünland ist in der Tat seit 2016 aufgehoben, ohne jedoch das damit ursprünglich verfolgte Ziel aufzugeben. Das wird nämlich über das europäische Recht und das Bundesrecht sichergestellt. Wer der Rede aufmerksam gefolgt hat, weiß, dass der Erhalt des Dauergrünlandes nun auch Teil des Greenings ist.

(Beifall von der CDU)

Deshalb darf ich abschließend für die Landesregierung noch einmal sehr deutlich herausstellen, dass der Erhalt und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen elementare Voraussetzungen für die Erzeugung gesunder Lebensmittel und die Grundlage einer nachhaltigen Landbewirtschaftung sind und deshalb nicht allein als Kostenfaktoren betrachtet werden dürfen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor. – Das bleibt auch beim Blick in die Runde so.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der AfD hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/2395. Ich darf fragen, wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte. – Die Abgeordneten der AfD. Gegenstimmen? – Die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltung des fraktionslosen Abgeordneten Neppe. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2395 mit dem festgestellten Ergebnis abgelehnt.

Ich rufe auf:

13 Kommunale Theater und Orchester in Nordrhein-Westfalen sowie die freie Szene stärken – Weiterentwicklung von Strukturen ermöglichen

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/524

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Kultur und Medien
Drucksache 17/2384

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Petelkau das Wort.

Bernd Petelkau (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits am 5. September 2017 hat die NRW-Koalition den Antrag eingebracht, die kommunalen Theater und Orchester in Nordrhein-Westfalen sowie die freie Szene zu stärken und damit die Weiterentwicklung von Strukturen zu ermöglichen.

Wir haben damit einerseits einen weiteren Baustein in der Umsetzung unseres Koalitionsvertrages gesetzt, andererseits aber auch die Zeit des rot-grünen Stillstands in der Kunst- und Kulturpolitik beendet.

Nach der Schaffung eines eigenständigen Ministeriums und der Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel im Haushalt 2018 gilt es jetzt vordringlich, den Künstlerinnen und Künstlern sowie den Kulturinstitutionen die finanziellen Mittel auch zeitnah zur Verfügung zu stellen. Denn die Förderung greift nur dann, wenn sie auch beim zu Fördernden ankommt.

Deshalb begrüßen wir es sehr, dass die Frau Ministerin und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Zeit gut genutzt haben. Der im Kulturausschuss vorgestellte Vorschlag, der in enger Abstimmung mit den Institutionen und Häusern entstanden ist – nämlich die Grundförderung der Theater und Orchester in diesem Jahr um 6 Millionen € und in den nächsten vier Jahren um weitere 14 Millionen € zu erhöhen –, schafft Stabilität und Planungssicherheit.

Mit der Zusatzförderung, die ab nächstem Jahr jährlich um 2,5 Millionen € steigen soll, sollen zudem die Profilbildung und die Exzellenz der verschiedenen Theater und Orchester gestärkt werden. Dabei ist es genau der richtige Ansatz, dass die künstlerische Qualität die Vergabe der Zusatzförderung bestimmt.

Mit diesem dualen Ansatz – einerseits die Erhöhung der Basisförderung zur Absicherung der verschiedenen Häuser, andererseits die Einführung einer Zusatzförderung zur Stärkung von Exzellenz und Profil – wird ein wichtiger Beitrag zur Stärkung des Kulturstandorts Nordrhein-Westfalen geleistet, zumal diese neue Landesförderungen nicht die bisherige kommunale Förderung ersetzen, sondern ergänzen sollen. Denn das Förderkonzept sieht vor, dass die Kommunen vertraglich verpflichtet werden, ihre bisherige Förderung zwingend beizubehalten.

In den nächsten Wochen gilt es, analog zur Förderung der kommunalen Theater und Orchester auch die freie Szene in Nordrhein-Westfalen durch ein stringentes Förderkonzept wieder nach vorne zu bringen. Denn der kulturelle Humus unseres Bundeslandes besteht nicht nur aus den kommunalen Häusern, sondern auch aus einer breiten und vielfältigen freien Szene.

Wir sind gespannt auf die Vorschläge des Ministeriums. Ich möchte persönlich die Gelegenheit nutzen, liebe Frau Ministerin, Ihnen und Ihrem Team für die bisherige Arbeit zu danken. Sie ist ein wichtiger Beitrag dazu, Kunst und Kultur in Nordrhein-Westfalen wieder sichtbar zu machen. Weiter so!

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Petelkau. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Bialas das Wort. Bitte schön.

Andreas Bialas (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne gleich mit Ihrem eigenen Anspruch, den Sie aufgestellt haben: kommunale Theater und Orchester zügig, nachhaltig stärken – so formuliert in Ihrem Antrag. Ich bitte Sie ausdrücklich, diesen Anspruch ernst zu nehmen. Ich tue es, und ich darf direkt am Anfang sagen: Diesen Anspruch lösen Sie leider nicht ein.

Bisher haben wir die Ministerin im Ausschuss gehört. Wir haben einen groben Überblick erhalten. Wir haben hohe Summen genannt bekommen – eine Magie der großen Zahl wurde bereitet. Das war es. Wir haben erfahren, dass es deutlich mehr Geld geben wird. Das ist gut so. Mehr Geld für Kunst und Kultur kann nie falsch sein.

Die bisherige Verteilung von ca. 20 Millionen € wird beibehalten. Hinzu kommt eine zusätzliche Förderung, aufgeteilt in eine Basisförderung und eine Profilförderung; Sie haben es gerade vorgestellt.

Die zusätzliche Basisförderung – ebenfalls in Höhe von 20 Millionen € – soll sich am Personalkostenanteil der jeweiligen Häuser orientieren. Über die Profilförderung werden wir noch sprechen; wir haben ja auch zu diesem Thema bereits eine Anhörung beantragt. Ich gehe daher hier vor allem auf die Planung der zusätzlichen Förderung nach der Berechnung des Personalkostenanteils ein.

Den ersten Theater- und Orchesterpakt hat die rot-grüne Landesregierung aufgelegt. Sie hat ihn kontinuierlich gezahlt; das war richtig. Sie hat ihn nicht kontinuierlich gesteigert; das war falsch.

Richtig war aber auch, dass sie als Förderkriterium die finanzielle Leistungsfähigkeit der Träger, also der Kommunen, stärker berücksichtigt hat. Diesen Aspekt gibt die neue Landesregierung nun auf. Im Ausschuss wurde Ihrerseits darauf hingewiesen, dass ansonsten eine sogenannte Spreizung auftrete, die nicht mehr nachvollziehbar sei.

Das verwundert mich schon – bedeutet es doch, dass diejenigen, die mehr Hilfe brauchen, dieses Mehr nicht erhalten, während diejenigen, denen es relativ gut geht, dieses Mehr aber bekommen. Das heißt, die Schwachen erhalten prozentual so viel wie die Starken. Das heißt konkret: Die Starken bekommen richtig viel, die Schwachen bekommen richtig wenig. Bekommen tun sie allerdings alle, und das ist auch das einzig Gute. Daher werden wir uns enthalten und nicht dagegen stimmen.

Aber ist es auch eine tatsächliche Förderung nach Gleichheit der Kriterien? – Wir sagen eben: nein. Warum? – Die Basisförderung, ermittelt über den Personalkostenanteil, berücksichtigt eben gerade nicht, dass finanzschwache Kommunen ihre Häuser über mehrere Jahre hinweg bereits personell abgebaut und zusammengeschrumpft haben. Sie berücksichtigt nicht, wie die Kommunen die unterschiedlichen Sparten tatsächlich finanzieren, und bestraft geradezu die Kooperation von Häusern.

Für uns bleibt fraglich, ob nicht Ungleiches eben auch ungleich behandelt werden sollte. Unser Weg wäre ein anderer gewesen, nämlich auf die grundsätzliche und notwendige Grundausstattung eines Hauses zu schauen und auf die Leistungsfähigkeit der Kommune zu blicken.

Übrigens wissen wir heute immer noch nicht, wer tatsächlich wie viel erhält. Zu befürchten ist, dass trotz größerer Gesamtsumme im neuen Pakt die bedürftigsten Einrichtungen weniger erhalten als aus unserem ersten Theater- und Orchesterpakt. Daher kann dieser Weg nicht unsere Zustimmung finden.

Richtig war, dass die rot-grüne Landesregierung begriffen hatte, dass die Kulturförderung von Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft zwingend mit einer Stabilisierung der Kommunalfinanzen einhergehen muss.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD])

Sie brauchen nicht ständig das Lied zu singen, dass erst die jetzige Regierung Kunst und Kultur erkennt und ihr diese etwas wert sind. Das ist Quatsch. Ihre Ministerin erklärte noch am 8. März 2018 – Zitat –:

„Noch … ein kleiner Werbeblock für die weltweit wirklich einzigartige Theater- und Orchesterlandschaft in Deutschland und natürlich auch in Nordrhein-Westfalen, weil es hier ja auch noch eine so starke kommunale Prägung gibt.“

Ich sage einmal so: Diese Qualität ist doch nicht erst im letzten Jahr im Mai vom Himmel gefallen. Die war auch schon vorher da. Sie bauen weiter darauf auf. Das ist auch gut so. Aber es ist nicht so, dass hier alles fürchterlich darniederliegt.

Deswegen lassen Sie mich noch einmal wiederholen: Kulturförderung und Sicherung der finanziellen Leistungsfähigkeit einer Kommune sind im Hinblick auf Theater- und Orchesterförderung die zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Die größte Gefahr, die den Theatern und Orchestern droht, ist ein unausgegorenes Gemeindefinanzierungsgesetz. Halten Sie dort daher den von uns eingeschlagenen Kurs. Es hilft den Bürgerinnen und Bürgern beispielsweise von Oberhausen oder Hagen nicht, wenn Sie ihnen 200.000 € durch den Pakt zukommen lassen und den Städten gleichzeitig 20 Millionen € durch das GFG aus der Tasche ziehen.

(Zuruf von der FDP: Was für ein Quatsch!)

Die größte Gefahr, die den Theatern und Orchestern droht, ist ein unausgegorenes Gemeindefinanzierungsgesetz. Halten Sie dort den von uns eingeschlagenen Kurs;

(Beifall von der SPD)

denn die Häuser stehen ja nicht im luftleeren Raum, sondern in unseren und sie umgebenden Kommunen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bialas. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Deutsch das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Lorenz Deutsch (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zuerst einmal festhalten, dass das ein sehr guter Tag für die Kultur in NRW ist –

(Beifall von der FDP)

nicht nur, weil wir hier jetzt über Theaterförderung sprechen, sondern weil wir eben auch schon über „Dritte Orte“ gesprochen haben. Beide Initiativen verbindet ja etwas.

Wir sind hier nicht nur für eine Kulturpolitik angetreten, die sich um irgendwelche Leuchttürme kümmert, sondern wir gehen in die Fläche dieses Landes und kümmern uns um die Breite dieser Kultur. Beide Anträge zeigen das.

An der Stelle muss man sagen: Wir sind Partner der Kommunen. Deswegen, lieber Herr Bialas, möchte ich Sie doch darauf aufmerksam machen, dass über unserem Antrag nicht „Förderung von Kommunen und Theatern und Orchestern“, sondern „Kommunale Theater und Orchester … stärken“ steht.

Wir verfolgen das Ziel einer dezidierten Kulturstärkung. Das ist als solche eine Stärkung der Kommunen. Aber wir treten hier nicht an, um mit Kulturmitteln Kommunen zu stärken, sondern die Kommunen müssen ihre Hausaufgaben schon so machen, wie sie sie zu tun haben.

Nur nebenher gesagt: Ich bin kein Kommunalpolitiker, aber Ihre Aussagen zur Finanzierung der Kommunen sind, glaube ich, an der Stelle nicht so richtig belastbar.

Was tun wir? Wir erhöhen kontinuierlich Jahr für Jahr den Zuschuss für die Theater. Jedes Jahr gibt es 6 Millionen € zusätzlich zur Basis, die wir vorgefunden haben. Der Betrag wird am Ende von 19,5 Millionen € auf fast 50 Millionen € gestiegen sein – und das nicht nur als Basisförderung, die sozusagen die allgemeine Finanzierung stärkt, sondern auch mit einem wettbewerblichen Element, das wir aber möglichst offenhalten wollen.

Es soll also nicht nur spitze Avantgarde-Konzepte enthalten; alles Mögliche wie Publikumsentwicklungen und ähnliche Dinge können da auch als spezifische Profilentwicklungen von Theatern beantragt werden. Ich bin sehr gespannt, was sich unsere 18 kommunalen Theater und die Orchester einfallen lassen. Ich glaube, da können wir gespannt sein.

Die Koppelung an die Personalkosten ist auch sinnvoll, glaube ich. Das ist am Ende wahrscheinlich kein Modell, von dem man sagen kann: In jedem Detail ist das ideal; das kann man einräumen. Man wird aber sagen können: Eine solche Lösung wird man gar nicht finden können. – Dann kann sich diese Lösung wirklich sehen lassen, glaube ich.

Zu Ihrer Befürchtung, da werden jetzt Kommunen bzw. Theater gestraft, die vielleicht schon etwas gemacht haben, und andere sind vielleicht gehemmt, noch irgendwo nach Flexibilitäten zu suchen, weil es jetzt sozusagen Geld für Personal gibt: Wenn Sie das Geld, das wir jetzt zusätzlich geben, auf die Gesamtförderung der Theater und die Personalkosten umrechnen – dann kommen wir irgendwie auf 400 Millionen € oder so im Land an Personalkosten –, dann werden Sie sehen, dass die einzelne Stelle am einzelnen Theater kein solch besonderes Gewicht ausmachen wird, als dass man damit riesige Verzerrungseffekte erzielen würde, soviel zusätzliches Geld das jetzt auch ist.

Diese Sorge können wir einpacken und davon ausgehen, dass wir mit diesem Bezug auf die Personalkosten ein ziemlich gutes Kriterium entwickelt haben. Die detaillierten Ausgestaltungen werden uns noch vorgestellt. Dann werden wir Gelegenheit haben, darüber zu sprechen. Auch anlässlich Ihres Antrags, den wir noch in einer Anhörung behandeln, werden wir Gelegenheit haben, darüber zu sprechen. Gleichzeitig bringen wir das jetzt aber auf den Weg.

Das Ministerium hat jetzt die Aufgabe, mit den Kommunen genau über diese Dinge und auch darüber zu sprechen, dass jetzt keine Mitnahmeeffekte erzielt werden. – Ich glaube, das sind spannende Gespräche. Wir sind auf die Ergebnisse gespannt.

Gespannt können wir auch alle sein, was den letzten Teil unseres Antrags angeht; das muss man auch noch einmal festhalten: Da ist noch etwas offen, nämlich die freie Szene. Das wird jetzt in Kürze angegangen werden. Ich glaube, auch da werden wir deutliche Fortschritte erzielen können. Insofern sind wir auf dem Weg, auf einem guten Weg. Ich freue mich, wenn wir ordentlich vorankommen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Deutsch. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Abgeordneter Keymis das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Oliver Keymis (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Grünen werden dem Antrag zustimmen. Er ist zum einen deshalb richtig, weil er die kommunale Theater- und Orchesterförderung im Blick hat. Zum anderen ist er auch deshalb richtig, weil er die Förderung der freien Szene im Blick hat. Das miteinander zu verbinden, war schon ein ganz kluger Schachzug der Koalitionsfraktionen.

Herr Bialas hat natürlich recht: Es wird nicht auf Nichts gebaut, sondern auf ganz viel Vorhandenem; er hat das eben vernünftig ausgeführt. Das ist genau die Basis, auf der die kulturelle Vielfalt unseres Landes beruht, nämlich dass sich die Kommunen super stark engagieren – und das schon seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Das ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass Nordrhein-Westfalen das Kulturland Nummer eins ist. Nicht nur in Deutschland und nicht nur in Europa, sondern weltweit finden Sie eine solche Konzentration an kulturellem Angebot nicht, wie Sie sie hier in Nordrhein-Westfalen finden.

Das ist etwas, was wir alle mit einem gewissen Stolz betrachten können, aber wir müssen es auch als Aufgabe, als Herausforderung ansehen. Insofern ist es richtig, dass sich das Land Nordrhein-Westfalen jetzt einmal mehr vornimmt, noch stärker als bisher die Kultur zu fördern.

Bei dem, was Sie jetzt vorhaben, werden Sie selber merken, dass Sie an Grenzen stoßen. Denn Sie, Frau Ministerin und die Kollegen der Koalitionsfraktionen, werden jetzt durch das Land fahren, und alle werden Ihnen sagen: Wir auch noch; wir hätten auch gerne ein bisschen mehr.

Es geht also nicht nur um die kommunalen Theater und Orchester, sondern natürlich auch um die freie Szene, die eben schon erwähnten soziokulturellen Zentren, die freien Orchester, also die freie Musikszene, die Breitenkultur und, und, und. Das Spektrum ist so riesig und vielfältig, dass man auch mit dem stattlichen Aufwuchs von 50 % bis 2022 dem Ganzen, was da ansteht, nicht gerecht wird. Das muss man ehrlicherweise so sagen.

Deshalb haben die Grünen, kühn wie sie manchmal sind, eine Verdoppelung des Kulturetats gefordert. Man sollte sich – heimlich – überlegen, ob man das nicht doch noch anstreben sollte, um dem Land den Schub zu ermöglichen.

Wir haben in den nächsten Jahren viel vor uns. Wir haben Jubiläen wie das Beethoven-Jahr im Blick, ein Jahr, in dem weltweit auf Nordrhein-Westfalen geschaut wird, weil Ludwig nun einmal in Bonn geboren wurde. Das Jubiläum soll ja nicht nur in Bonn gefeiert werden – da sicher auch –, sondern im Land insgesamt.

Darüber hinaus gibt es in den nächsten Jahren eine Reihe von Jubiläen, die sich mit dem Land, aber auch mit den vielen Szenen, die wir haben, befassen. Kürzlich – das ist noch nicht so lange her – hatten wir das Jubiläum „40 Jahre soziokulturelles Zentrum“. Die soziokulturellen Zentren sind inzwischen klassische Einrichtungen unseres Landes. Ich sprach eben schon in meinem Beitrag darüber, und ich werde nicht müde, weiter darüber zu sprechen, weil ich glaube, wir müssen diese weiter fördern.

Wir haben ein tolles Netzwerk von Kulturbüros, das dringend mehr Unterstützung braucht, weil die einzelnen Kulturbüros in die Fläche hinein organisiert Kultur ermöglichen.

Wir brauchen dringend mehr, eine noch besser vernetzte und eine sich noch stärker aufstellende kulturelle regionale Arbeit, wie wir sie durch die Kultursekretariate schon betreiben und kennen. Das ist ein Modell, das immer noch bewundert wird. Alle sagen: Genau diese Kooperationen von Städten, die sich zusammenschließen, in Verbindung mit dem Land machen kulturpolitisch die Stärke aus, immer mit Blick auf die Vielfalt dieses wunderbaren Kulturlandes Nordrhein-Westfalen. Also weiter so an dieser Stelle!

Der Antrag der SPD wird noch beraten. Anfang Juni werden wir dazu gemeinsam mit Expertinnen und Experten eine Anhörung durchführen.

In den letzten anderthalb Minuten meiner Redezeit will ich deutlich machen: Bei all dem, worüber wir reden, reden wir immer über Leute, die für sehr wenig Geld sehr, sehr viel leisten,

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Theatermenschen, Orchestermenschen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an diesen Häusern leisten für relativ kleines Geld eine enorme Arbeit, weil es ihr Ding ist. Genau dafür müssen wir die politische Verantwortung wahrnehmen. Wir müssen uns – das ist meine feste Überzeugung – in den nächsten Jahren verstärkt dafür einsetzen, weil der kulturelle Reichtum unseres Landes auch etwas damit zu tun hat, wie sich die Menschen in unserem Land entwickeln können. Da wir kein Gas und kein Öl haben, kommt es halt auf den Kopf, auf den Geist an: es kommt auf den Verstand und auf das Herz an. Zu all dem tragen die kulturelle Bildung und die kulturelle Lebenserfahrung bei.

Deswegen kann man nur hoffen, dass Sie diesen Weg weiter beschreiten, dass Sie möglicherweise im Laufe der Legislaturperiode noch mutiger werden, was die Zahlen betrifft, hier und da noch ein bisschen nachbessern. Wir müssen unsere Landestheater, unsere Landesorchester, unsere eigenen Einrichtungen, die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, das Düsseldorfer Schauspielhaus weiter fest im Blick haben. Überall muss noch ordentlich investiert werden. Investitionen in die Kultur sind Investitionen in unsere Gesellschaft. Darauf kommt es uns allen hier im Hohen Hause hoffentlich gemeinsam an. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der AfD Frau Kollegin Walger-Demolsky das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Gabriele Walger-Demolsky (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es schön, dass heute mal bei der Beratung über einen Kulturantrag mehr im Plenarsaal sitzen.

Kommunale Theater und Orchester sowie die freie Szene weiterentwickeln und Strukturen ermöglichen ist sicherlich eine gute Sache. Als ich den Antrag zum ersten Mal gelesen habe, fiel mir natürlich auf, dass die Mittel für dieses historisch vorwiegend kommunale Projekt im Land sehr ungleich verteilt werden. Im Bereich Düsseldorf, hier im Rheinland wurde es den Städten leichter gemacht, indem Kultur vom Land gefördert und bezahlt wurde. Im Ruhrgebiet und in anderen Gegenden, auch weiter nach Köln runter, hingegen lag die ursprüngliche Aufgabe zunächst in den Händen der Städte. Die Städte haben Bedeutendes geleistet und tatsächlich eine wunderbare Theater- und Orchesterszene geschaffen. Dass diese schon von der letzten Landesregierung gefördert wurde, war wahrscheinlich notwendig. Ansonsten hätten die nicht überlebt.

Dass diese weiterhin und mehr gefördert werden müssen, ist mir klar. Ich habe einige Jahre im Kulturausschuss der Stadt Bochum gesessen und weiß – das steht auch im Antrag –, dass die Erhöhung der Personalkosten für verschuldete Städte eine Katastrophe ist und dass einige verschuldete Städte dann anfangen, zu überlegen: Wo spare ich denn – beim Straßenbau, bei den Kindergärten, bei den Schulen oder vielleicht lieber beim Theater? Das ist eine schwere Entscheidung. Die Städte haben sehr unterschiedlich entschieden. Insofern kommen auch wir zu sehr unterschiedlichen Bewertungen.

Ich halte den Weg der Landesregierung, die Mittel nach den heutigen Personalkosten und nach Qualität, also besondere qualitative Kriterien zu fördern, aufzuteilen, für geboten, wobei ich mir die Einbindung der Jugend wünsche. Die besonderen Kriterien für Qualität sind ja immer noch ein wenig unklar. Sie haben es in der letzten Ausschusssitzung etwas erklärt.

Die Städte, die entschieden haben, im Bereich Kultur zu sparen, werden einen Grund dafür gehabt haben. Und das war sicher nicht nur der Kostendruck, Herr Bialas, denn die haben an einer anderen Stelle nicht gespart. Die haben das wenige Geld, das sie hatten oder eigentlich nicht hatten, irgendwo anders hingesteckt.

Tatsächlich muss man ja auch sehen, dass wir insbesondere an der Rhein- und Ruhrschiene eine extreme Redundanz vorfinden. Ich als Bochumer war gegen den Bau eines Orchesterhauses. Das hat uns Unsummen gekostet. Das hat unsere Verschuldung vorangetrieben. Die EU hat es mitfinanziert. Aber es bleibt doch an Bochum hängen. Die Stadt hat jedoch in Kultur investiert, weil die Stadt glaubt, dass Kultur für sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist.

Ich glaube, auch das Land erkennt, dass die Kultur Nordrhein-Westfalens ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Zukunft sein kann, und wird das deshalb fördern. Das halten wir für richtig.

Ich bin nicht auf Ihrer Linie, Herr Bialas. Ich finde es richtig, dass man nach der Struktur, die im Moment da ist, mit einem Qualitätsanspruch fördert. Deswegen stimme ich dem derzeitigen Plan der Landesregierung und dem Antrag von CDU und FDP zu.

Es fällt mir etwas schwer. Sie hatten noch die freie Szene angesprochen. Der ganze Absatz ist sehr undeutlich, und die freie Szene ist sehr vielfältig. Nicht alles, was in der freien Szene ist, halten wir wirklich für förderungswürdig. Da wird beispielsweise in kommunalen Etats in der freien Szene auch eine Ausstellung von einer Antifa gefördert. Muss das sein? Haben Sie das auch vor? Ich hoffe, nicht. Ich hoffe, es wird eine Stärkung der freien Szene sein, wo es wirklich um Kultur und nicht um Parteipolitik geht.

(Beifall von der AfD)

Ich weiß, in der freien Szene werden natürlich auch kleine Museen und was nicht alles gefördert. Das ist ein breiter Blumenstrauß, deswegen, wie gesagt, etwas undeutlich, und daher ist das Lob, weil das da eingebunden ist, ein bisschen mit Bauchschmerzen verbunden. Ich hätte mir für die freie Szene einen klareren, differenzierteren Antrag und einen separaten Antrag gewünscht. Das wäre mir leichter gefallen. Aber wir stimmen Ihnen trotzdem zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Walger-Demolsky. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen das Wort.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Nordrhein-Westfalen verfügt über eine einmalige Theater- und Orchesterlandschaft. Ich wiederhole das gerne noch einmal, weil es so ist. Dieser Umstand ist in ganz besonderem Maße auf kommunales Engagement zurückzuführen. Insgesamt 18 rein kommunal getragene Stadttheater und 15 kommunale Orchester prägen die außerordentliche Vielfalt. Das ist schon – es wurde vorhin von Herrn Keymis bereits gesagt – eine große Besonderheit dieses Landes.

Die Aufrechterhaltung des anspruchsvollen Angebots stellt dabei für die Kommunen angesichts ihrer angespannten Finanzlage eine große Herausforderung dar.

Deshalb stimmt die Landesregierung dem vorliegenden Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu, dass die kommunalen Theater und Orchester in ihrem Fundament stabilisiert werden müssen. Nur so können sie sich gut entwickeln, zukunftsfähig werden. Nur so können sie mutige künstlerische Experimente wagen und bleiben uns als Orte des öffentlichen Diskurses erhalten. Man kann feststellen: Wir haben derzeit einen großen Nachholbedarf, was die Stabilisierung angeht.

Der Koalitionsvertrag setzt in Bezug auf die Planungssicherheit der Kultur im Land ein wichtiges Zeichen. 100 Millionen € zusätzlich wird die Landesregierung bis zum Ende der Legislaturperiode für Kunst und Kultur in Nordrhein-Westfalen bereitstellen können. Ein erheblicher Teil davon, nämlich ein Drittel, ist für die kommunalen Theater und Orchester vorgesehen.

Die Rahmenbedingungen für diese positiven Entwicklungen der hiesigen Kunst- und Kultureinrichtungen bestmöglich zu gestalten, ist eine Aufgabe, die ich sehr gern übernommen habe. Wir werden – darauf haben wir im Ausschuss schon einmal hingewiesen – derzeit von einem Finanzierungsanteil des Landeszuschusses im Schnitt zwischen 3 % bis maximal 5 % ausgehen und daher zu höheren Anteilen kommen müssen.

Hier möchte ich ausdrücklich begrüßen – nur als kleine Anmerkung –, dass der Antrag ebenfalls die Stärken der freien Szene spartenübergreifend mit ihren inzwischen vielen interdisziplinären und international ausgerichteten Arbeiten und Angeboten in den Fokus stellt. Das haben wir hier heute nicht vorgelegt, sondern das werden wir dann im Juni zunächst einmal im Kulturausschuss beraten. Wir werden dann dort ein Konzept vorlegen.

Heute werde ich Ihnen noch die Rahmensetzung der Förderung der kommunalen Theater und Orchester vorstellen, die im engen Austausch mit der künstlerischen Seite sowie Vertreterinnen und Vertretern von kommunalen Spitzenverbänden im Ministerium in diversen kleinen und am Ende auch sehr großen Runden erarbeitet wurde.

Wir haben einen strategischen Ansatz entwickelt, der langfristige Planungssicherheit schafft, den Raum für künstlerische Experimente erweitert und eine stärkere Profilierung ermöglicht. In den kommenden vier Jahren wird die kommunale Theater- und Orchesterförderung um 30 Millionen € erhöht. Das haben Sie schon gehört. 2022 stehen dann 50 Millionen € insgesamt zur Verfügung, um die Theater- und Orchesterlandschaft auf kommunaler Ebene abzusichern und weiterzuentwickeln. Sie wissen, derzeit sind es 20 Millionen €.

Unser Konzept sieht vor, dass sich die Mittel in eine Basis- und eine Zusatzförderung unterteilen. Bereits in diesem Jahr wird die Theater- und Orchesterförderung für die Sparten Oper, Musiktheater, Schauspiel, Tanz und Orchester um 6 Millionen € erhöht. In den Jahren 2019 bis 2022 wird dieser Betrag nochmals um jeweils 3,5 Millionen € aufgestockt, sodass am Ende eben die Basisförderung entsprechend erhöht wird – wie ich es gerade schon dargestellt habe –, man kann sagen: schlicht verdoppelt.

Im Rahmen der Zusatzförderung wollen wir die Profilbildung der Theater und Orchester stärken. Die Zusatzförderung wird in 2019 zunächst um 2,5 Millionen € aufgestockt. Das steigt dann bis 2022 um jeweils 2,5 Millionen € an, am Ende 10 Millionen € für die Zusatzförderung.

Die Vergabe dieser Förderung wird auch mit kompetitiven Elementen vorgesehen. Damit wird künstlerische Qualität zukünftig eines der Kriterien für die Förderung aus Landesmitteln sein. Die Vergabe der Sonderförderung erfolgt über zwei Ausschreibungen 2018 und 2020, jeweils mit Jurys für die Sparten Theater und Orchester.

Ziel ist es, Profilbildung und Exzellenz der Häuser zu ermöglichen. Ziel ist, wirklich die Häuser zu stärken. Dabei ist mir wichtig, auch die Expertise der künstlerischen Leitungsteams zu stärken. Denn ohne sie können wir eine solche Entwicklung nicht erreichen. Bereits begonnene Arbeitsschwerpunkte sollen dabei ausdrücklich auch eingebracht werden können.

Es geht nicht immer nur darum, dass unbedingt Neues, anderes gemacht werden muss. Es geht darum, dass man solche Profile stärkt. Ich weiß aus meiner langjährigen Tätigkeit in verschiedensten Kultureinrichtungen, dass gerade mehrjährige Förderungen auf der Basis konzeptioneller Überlegungen den nötigen Impuls hervorbringen können, sich auch an ungewöhnliche und auch ungewisse Projekte heranzuwagen.

Ich denke dabei vor allem an zeitgenössische Musik, an Digitalisierungsprojekte, an spartenübergreifende Ansätze, die nach wie vor eine große Herausforderung für die Häuser darstellen. Gerade hier wollen wir unterstützen und zugleich statt kleinteiliger Projektförderung nachhaltige Arbeitskonzepte in den Vordergrund stellen.

Insgesamt ist für diese Sonderförderung ein weit gefasster inhaltlicher Rahmen vorgesehen. Bei den Kriterien, die diesem Verfahren zugrunde liegen, werden selbstverständliche Aspekte wie kulturelle Teilhabe, Stärkung der künstlerischen Arbeit für das junge Publikum, Anreize für eine stärkere Förderung von Frauen in Leitungspositionen, auch in Theatern ein Riesenthema, oder auch – es wurde eben angesprochen – seriöse Gagen eine Rolle spielen.

Insofern gilt: Die Landesmittel werden zusätzlich gewährt. Das wurde hier gesagt. Es ist mir ein großes Anliegen, das herauszustellen. Diese Erhöhung darf ausdrücklich nicht zu einem Rückzug kommunaler Mittel aus der Theater- und Orchesterförderung führen.

Unser Entwurf sieht vor, dass alle Kommunen mehr Landesmittel für zusätzliche künstlerische Ressourcen erhalten. Das Ganze natürlich, damit hier keine Legendenbildung entsteht, auf der Grundlage der bisherigen Förderung, die – das wissen alle kundigen Thebaner – sehr, sehr unterschiedlich war. Trotzdem wird kein Theater weniger bekommen, sondern wir gehen von diesem Plateau aus.

Die Höhe muss natürlich jeweils an das kommunale Engagement gebunden werden. Uns ist dabei besonders wichtig, und das werden wir auch in allen Gesprächen zum Ausdruck bringen, dass die Tarifsteigerungen für die Mitarbeiter übernommen werden.

Es steht außer Frage, die Expertise für Kunst und für die Entwicklung von Neuem in der Kunst liegt bei unseren herausragenden Intendantinnen und Intendanten sowie den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Häuser, von der Technik, von den Gewerken bis zur Regie und Dramaturgie. Sie brauchen jedoch eine bessere Basis für ihre Tätigkeit, und sie brauchen die Ermutigung zu anspruchsvoller künstlerischer Arbeit; denn dafür leisten wir uns ja diese Häuser. Diese wollen wir ihnen mit dem neuen Förderprogramm zur Verfügung stellen.

In den bisherigen Beratungen mit verschiedenen Akteuren und Institutionen wie dem Städtetag NRW und dem Deutschen Bühnenverein, aber auch in den Ausschüssen wurde das Konzept der Landesregierung übrigens durchweg positiv aufgenommen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Die Personalkostenberechnung, die eben kritisiert wurde, ist übrigens ein Vorschlag des Städtetags. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Jetzt stehen die Vertragsverhandlungen an. Nicht zuletzt die einstimme Beschlussempfehlung im federführenden Kulturausschuss, aber auch im Kommunalausschuss – das ist mir auch sehr wichtig – zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat ihre Redezeit um 3 Minuten und 45 Sekunden überzogen. Ich frage, ob es den Wunsch nach weiteren Wortmeldungen gibt, da die Fraktionen selbstverständlich ebenfalls diese Redezeit in Anspruch nehmen können. – Beim Blick in die Runde ist das nicht der Fall. Somit sind wir am Ende der Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung. Der Ausschuss für Kultur und Medien empfiehlt in der Drucksache 17/2384, den Antrag Drucksache 17/524 unverändert anzunehmen, sodass ich zur Abstimmung über den Antrag selbst und nicht über die Beschlussempfehlung komme.

Ich darf fragen, wer dem Antrag zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der AfD und der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD. Damit ist der Antrag Drucksache 17/524 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Wir kommen zu:

14 Gesetz zur Umsetzung des bereichsspezifischen Datenschutzes im Bereich der Justiz (Justizdatenschutz-Anpassungsgesetz – JustDSAnpG)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2350 – Neudruck

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Landesregierung in Vertretung für Herrn Minister Biesenbach Herrn Minister Reul das Wort.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 1. März haben wir hier den Entwurf des Gesetzes zur Anpassung des Allgemeinen Datenschutzrechts an die Datenschutzgrundverordnung und zur Umsetzung der EU-Richtlinien in erster Lesung beraten. Ich habe damals als Innenminister ausgeführt, dass die europäische Datenschutzreform eine völlig neue Gestaltung des Datenschutzrechts in NRW erfordert. Das betrifft auch den Bereich der Justiz.

Heute bringe ich stellvertretend für meinen Kollegen, Herrn Minister der Justiz Biesenbach, den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des bereichsspezifischen Datenschutzes im Bereich der Justiz in das parlamentarische Verfahren ein.

Die Vorgaben der Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständige Behörde zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr machen eine grundlegende Neuregelung erforderlich, auch im Justizvollzug.

Um den Besonderheiten des Justizvollzugs Rechnung zu tragen und um die Rechtsanwendung zu erleichtern, soll der Datenschutz im Justizvollzug künftig in einem eigenständigen Gesetz geregelt werden, nicht wie bisher in einzelnen Abschnitten der Justizvollzugsgesetze.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält daher in Art. 1 den Vorschlag für ein Justizvollzugsdatenschutzgesetz und in den folgenden Artikeln Anpassungen der Justizvollzugsgesetze.

In das Jugendarrestvollzugsgesetz NRW soll außerdem eine Vorschrift aufgenommen werden, die die polizeiliche Zuführung von Jugendlichen zum Jugendarrest ermöglicht, Art. 6. Dies soll die bisherige Rechtslage konkretisieren.

Die erstmalige Zusammenführung der für den Justizvollzug geltenden Datenschutzbestimmungen in einem eigenen Gesetz trägt dem hohen Stellenwert des Datenschutzes im Justizvollzug Rechnung und macht die komplexe Materie des Datenschutzes in der Praxis des Justizvollzuges deutlich anwendungsfreundlicher.

Der Entwurf enthält eine klare Gliederung in allgemeine Vorschriften und besondere Verarbeitungsvorgänge.

In seinen allgemeinen Bestimmungen hebt er die zentralen Grundsätze für eine rechtmäßige Datenverarbeitung im Justizvollzug hervor.

Die besonderen Bestimmungen des Gesetzentwurfes übernehmen bewährte Vorschriften und Verarbeitungsvorgänge aus den Justizvollzugsgesetzen.

Daneben sieht der Entwurf die Möglichkeit der Entwicklung von videogesteuerten Assistenzsystemen zur Suizidprävention vor.

Die Einführung von gemeinsamen Fallkonferenzen mit den Polizei- und Verfassungsschutzbehörden bei einer bevorstehenden Entlassung von gefährlichen Gefangenen ist auch enthalten.

Die Regelung des Datenschutzes in einem eigenen Justizvollzugsdatenschutzgesetz entspricht den Bemühungen der meisten anderen Bundesländer. Sie beabsichtigen ebenfalls die Einführung eigener Gesetzeswerke. Nordrhein-Westfalen geht hier als eines der ersten Bundesländer voraus.

Auch bei diesem Gesetzentwurf gilt aufgrund der europäischen Vorgaben ein enger zeitlicher Rahmen. Ich hoffe daher auf eine kurze, aber intensive Beratung im zuständigen Rechtsausschuss, um diesen zeitlichen Vorgaben nachkommen zu können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Liebe Kolleginnen und Kollegen eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen somit unmittelbar zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates, der uns nahelegt, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2350Neudruck – an den Rechtsausschuss zu überweisen. Ich darf fragen, ob das die Zustimmung des Hohen Hauses findet. – Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Dann ist diese Überweisungsempfehlung in diesem Hause einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

15 Rechtssicherheit im Klimaschutz wiederherstellen und nordrhein-westfälische Unternehmen vor unberechtigten Klagen schützen

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/1445

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 17/2117

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Kehrl das Wort. Bitte schön.

Oliver Kehrl (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Schon im Titel des Antrags zeigt sich, dass die AfD von der Arbeit unserer Justiz offensichtlich keine Ahnung hat.

(Lachen von der AfD)

Darüber hinaus macht die AfD mit diesem Antrag deutlich, dass sie das Prinzip der Gewaltenteilung in unserem Land offensichtlich noch nicht verstanden hat. Aktuell ist das Thema des Antrags kein Thema der Politik; es ist eines, das vor Gericht verhandelt wird.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Erst nach Abschluss des Verfahrens sollte die Politik die Initiative ergreifen und bis dahin die Gerichte unabhängig entscheiden lassen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter, wenn ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage, und zwar vom Abgeordneten Loose.

Oliver Kehrl (CDU): Ich habe doch noch gar nicht angefangen. Das können wir später machen.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Das deute ich als Nein.

Oliver Kehrl (CDU): Genau. – Sie sollten vielleicht zuhören, bevor Sie Zwischenfragen stellen.

(Christian Loose [AfD]: Lassen Sie die Zwischenfrage zu? Sie haben doch schon etwas behauptet! – Zurufe von der CDU: Oh!)

Die von der AfD geforderten Maßnahmen zielen aber gerade auf eine entsprechende Einflussnahme der Justiz ab. Es ist zunächst die Aufgabe des mit dem Klageverfahren befassten Gerichtes und nicht der Landesregierung, zu beurteilen, ob zum Beispiel die streitgegenständlichen Umweltwirkungen als höhere Gewalt und das laufende Verfahren als unberechtigte Klage im Klimaschutz zu bewerten sind.

Unabhängig vom Inhalt der Klage muss das Gericht, in diesem Fall das Oberlandesgericht in Hamm, bei einer schlüssig vorgetragenen Klage den Beweis erheben. Das gilt auch, wenn die Klage nicht in das Weltbild der AfD passt. Auch für dieses Gericht gilt die Zivilprozessordnung. Nach der kann eine formal korrekte Klage nur unter relativ engen Voraussetzungen als unzulässig abgewiesen werden. Das Gericht wird damit nicht darum herumkommen, sich mit ihr inhaltlich auseinanderzusetzen, auch wenn das manchen missfallen mag. Es wurde hier zunächst schlicht ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. Das ist ganz normal und sagt erst einmal nichts darüber aus, wie das Verfahren weiter ausgeht.

Das deutsche Zivilrecht gilt vor deutschen Gerichten für jeden und selbstverständlich auch für angebliche Verursacher des Klimawandels. Da wird eine Selbstverständlichkeit von den Anwälten als Sensation verkauft. Wenn es dann noch heißt, nach Aussage der Anwältin sei das Ziel der Kläger mit dieser Entscheidung vollständig erreicht, wird offensichtlich für die wahrscheinliche Zurückweisung der Berufung vorgebaut. Denn die Anwältin scheint selbst nicht davon auszugehen, dass am Ende mehr als ein „Schön, dass wir mal darüber geredet haben“ herauskommt.

Unsere Gerichte arbeiten mit großer Sorgfalt und sehr gewissenhaft. Sie nutzen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, von Gutachten über wissenschaftliche Forschung bis zur Sachverständigenanhörung, um sich ein umfassendes und detailliertes Bild zu machen und dann mit allergrößter Sorgfalt ein Urteil zu sprechen.

Aufgrund der Rüge des Beweisbeschlusses durch den Energiekonzern muss nun das Gericht erneut Stellung nehmen. Das sollte eigentlich im März geschehen sein, es kam aber zu Verzögerungen. Erst danach entscheidet sich, ob im Rechtsstreit tatsächlich Sachverständige hinzugezogen werden, um strittige Fragen zu klären.

Bislang wurden solche Klagen stets abgewiesen, weil es schwierig ist, einem Konzern eine konkrete Schuld nachzuweisen. Wie groß ist zum Beispiel der Anteil des Kraftwerks Neurath von RWE am Klimawandel? Ein Einzelner kann nicht für das haftbar gemacht werden, was von Unzähligen weltweit verursacht wird. Dass die Klage angenommen wurde, bedeutet noch lange nicht, dass der Bauer auch Schadensersatz bekommt – abgesehen davon, dass wir uns sicher einig sind, dass der Bauer nicht unbedingt ein Bauer ist, sondern möglicherweise irgendwelche NGOs dahinterstecken.

(Zuruf)

– Ja, richtig. An anderer Stelle kam genau das Thema bei der Musterfeststellungsklage zur Sprache. Daher sehen wir das Ganze sehr objektiv und neutral.

Der Bauer wird dazu normalerweise eine konkrete Ursächlichkeit von Handlungen von RWE für den ihm entstandenen Schaden nachweisen müssen, und das dürfte sehr schwierig werden. Oder er müsste alternativ nachweisen, dass die Klimaschädigung insgesamt bewusst organisiert und RWE ein aktiver und dann bestimmender Teil dieser Organisation ist. Dann kämen möglicherweise zivilrechtlich eine Unterstellung einer BGB-Gesellschaft und eine gesamtschuldnerische Haftung infrage.

Wir gehen davon aus, dass es nach der Rechtsordnung nicht vorgesehen ist, dass einzelne Emittenten für ein so globales und durch vielfältige Quellen verursachtes Thema wie den Klimawandel haftbar gemacht werden müssen. RWE bezieht sich dabei auf ein höchstrichterliches Urteil aus den 90er-Jahren. Damals gab es auch schon eine Klage zu Waldschäden als Folge von Schwefeldioxid-Emissionen. Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht haben damals eine Haftung für einzelne Anlagenbetreiber verneint.

Dass Sie von der AfD hier einmal mehr den von Menschen gemachten Klimawandel leugnen und sich über jegliche wissenschaftliche Forschung und Ergebnisse hinwegsetzen, ist erschreckend und nur schwer zu ertragen.

(Helmut Seifen [AfD]: Es gibt gar keine wissenschaftliche Forschung dazu!)

Wirtschaft und Wissenschaft lassen sich hier nicht gegeneinander ausspielen. Neulich hat eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss mit diesbezüglichen Experten von der AfD stattgefunden. Wir haben das noch sehr gut in Erinnerung. Selbstverständlich haben wir eine globale Verantwortung beim Thema „Klimaschutz“. Dafür setzt sich unsere Wirtschaft auch bereits stark ein.

Wir sind froh, dass heute bei Ihnen ausnahmsweise nicht die Flüchtlinge schuld sind an einer obskuren Klage vor einem deutschen Gericht.

(Heiterkeit von der SPD – Beifall von der CDU)

Sie bringen heute wieder einmal eine Ihrer ganz wenigen simplen und einseitigen Botschaften – hier die Klimawandel-Lüge – in einem Ihrer kruden Anträge unter.

Sie ignorieren oder wollen nicht wahrhaben, wie unser Rechtsstaat und Gewaltenteilung funktionieren. Stattdessen betreiben Sie hier im Landtag Showanträge, die Ihr fehlendes Rechtsbewusstsein und Ihre politische Eindimensionalität demonstrieren. Das machen wir aber nicht mit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von der AfD: Was sollen wir anderes machen, wir schauen das bei Ihnen ab!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Sind Sie mit Ihrer Rede fertig? – Der Abgeordnete Loose hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Bitte schön, Herr Abgeordneter Loose.

Christian Loose (AfD): Danke. – Herr Kehrl, ich wollte diese Frage ja als Zwischenfrage stellen.

Ganz am Anfang Ihrer Rede haben Sie uns unterstellt, wir würden die Gewaltenteilung nicht ernst nehmen. Wir wollen – das ist unser Punkt 1 – die Rechtsfolgen evaluieren.

Außerdem wollen wir geeignete Maßnahmen im Umweltrecht entwickeln. Das heißt, dass wir Gesetze ändern wollen. Genau das ist doch die Aufgabe des Parlaments. Die Auswertung eines Rechtsverfahrens ist auch nicht die Aufgabe eines Gerichts, sondern die Aufgabe zum Beispiel der Landesregierung oder anderer Institutionen.

Können Sie dementsprechend einmal klar darlegen, mit welcher Begründung Sie uns denn vorwerfen, dass wir die Gewaltenteilung nicht respektieren?

Oliver Kehrl (CDU): Das ist immer der entscheidende Vorteil, wenn man jemandem erst zuhört und dann eine Frage stellt. Ich glaube, ich habe in den letzten fünf Minuten klar aufgezeigt, was der …

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der AfD: Das ist Ihre übliche Masche!)

Gewaltenteilung bedeutet: Das Gericht befasst sich mit der Klage, und das Parlament und die Regierung befassen sich später mit dem Gerichtsurteil. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kehrl. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Kapteinat das Wort. Bitte schön.

Lisa-Kristin Kapteinat (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Lieber Herr Kollege Kehrl, nach der Debatte über die Musterfeststellungsklage im letzten Rechtsausschuss hätte ich nicht gedacht, dass ich heute einmal inhaltlich so sehr bei Ihnen und Ihrer Rede bin.

Aber worum geht es heute? Im November 2017 hat das Oberlandesgericht Hamm einen Hinweis- und Beweisbeschluss verkündet. Mit diesem Beschluss beschäftigt sich dieser Antrag. Wohlgemerkt: Das ist kein Urteil, sondern ein Hinweis- und Beweisbeschluss. Weiter sind wir nämlich noch gar nicht.

Inhaltlich geht es darum, dass ein peruanischer Bauer von RWE eine Entschädigung in Höhe von 17.000 € fordert. 17.000 €! 2017 lag übrigens allein das Gehalt des RWE-Chefs bei 3,5 Millionen €.

Der peruanische Bauer fordert diese Entschädigung, weil er mithilfe von Umweltverbänden errechnet hat, dass der Konzern statistisch gesehen etwa 0,47 % der globalen Treibhausgasemissionen zu verantworten hat.

In eben diesem Beweisbeschluss soll nun geklärt werden, ob dem Bauern eine Überflutung durch eine Schlammlawine droht und ob diese Bedrohung durch den vom Menschen verursachten Klimawandel entstanden ist. Im zweiten Schritt soll geklärt werden, ob RWE ein mess- und berechenbarer Anteil zugerechnet werden kann. So weit, so normal: Ein deutsches Gericht prüft durch Sachverständige Ansprüche.

Wenig verwunderlich ist auch, dass in einem solchen Fall, in dem sich ein peruanischer Bauer gegen den Megakonzern RWE wehrt, von David gegen Goliath gesprochen wird.

Verwunderlich ist jedoch der Antrag der AfD. Sein Titel lautet: „Rechtssicherheit im Klimaschutz wiederherstellen und nordrhein-westfälische Unternehmen vor unberechtigten Klagen schützen“. Im Feststellungsteil wird das dann auch gefordert.

In diesem Zusammenhang müssen wir offensichtlich zunächst klären, was „Rechtssicherheit“ bedeutet. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich hierzu die Bundeszentrale für politische Bildung. Sie sagt dazu, dass Rechtssicherheit dem Einzelnen die gleiche rechtliche Wertung gleichartiger Einzelfälle, die Vorhersehbarkeit von Rechtsfolgen sowie das Vertrauen darauf, dass eine vom Gericht getroffene Entscheidung durchgesetzt wird, gewährt.

Im vorliegenden Fall geht es darum, dass ein Gericht angerufen wird, um eine Entschädigung nach § 1004 BGB geltend zu machen. Dabei handelt es sich um einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch. Im Übrigen erkennt § 1004 BGB auch eine Haftung für rechtmäßiges Handeln an, wenn dadurch eine Eigentumsverletzung erfolgt. Das wird aber auch den meisten nordrhein-westfälischen Unternehmen bekannt sein.

Nun ist mir bewusst, dass die Leugnung des Klimawandels für die AfD nichts Neues ist. Der Rest der Welt hat jedoch erkannt, dass ein Einfluss des Menschen auf das Klima besteht und dass dieser den Wandel beschleunigt.

(Beifall von der SPD)

Ich denke, ein Antrag, in dem der Landtag feststellt, dass die Erde eine Scheibe ist, würde eine ähnliche Ablehnung erfahren.

Im Antrag wird weiter darauf eingegangen, dass die mögliche Entscheidung, also das potenzielle Urteil, nun sämtliche Industriestandorte in NRW gefährdet. Übersehen wird dabei jedoch die Bedeutung von RWE. RWE stößt schließlich mit seinen Kohlekraftwerken so viel CO2 aus wie kein anderes Unternehmen in ganz Europa. Darüber hinaus lässt das Gericht ja erst prüfen, ob ein zurechenbarer Verursachungsanteil besteht und nachgewiesen werden kann.

In Deutschland sind wir aber gerade stolz darauf, dass unsere Gesetze für alle gelten und dass sich bei uns nicht reiche Riesenkonzerne von ihrer Verantwortung freikaufen können, sondern dass auch ein David im Kampf gegen Goliath eine Chance hat, sein Recht durchzusetzen.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Wir werden den Antrag daher ablehnen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Kapteinat. – Für die Fraktion der FDP hat nun der Abgeordnete Mangen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Christian Mangen (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im März-Plenum wurden wir mit einem Antrag der AfD erhellt, in dem es um das jordanische Bildungssystem ging. Heute ist es dann die peruanische Landwirtschaft. Dass die Internationalität dieses Hauses gerade durch die AfD gewinnt, ist schon eine gewisse Komik für sich.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der AfD)

Heute Morgen haben wir vom Kollegen Seifen einen Vortrag über die Geschichte unseres Landes gehört und wurden dann von Herrn Wagner durch einen Vortrag über den Geist des Parlamentarismus erfreut. Und jetzt das: ein Antrag, der schlecht recherchiert ist, oberflächlich bleibt und mit Unterstellungen, die falsch sind, agiert.

(Markus Wagner [AfD]: Denken Sie sich doch einmal neue Floskeln aus!)

Man kann natürlich diskutieren: Ist es denn richtig, dass dieser peruanische Bauer klagt? Will er das überhaupt selber? Oder wird er vielleicht von Dritten missbraucht, um auch andere Ziele als seinen Schadenersatz durchzusetzen? Man kann darüber diskutieren, wie er den Gerichtskostenvorschuss bezahlt hat: Hat er ihn selber bezahlt? Hat das vielleicht ein Dritter gemacht? Kann er dafür ein paar Mal kostenlos nach Deutschland fliegen? Das wäre quasi Fliegen für den Klimaschutz. Man kann über alle solche Dinge reden – aber doch nicht so, nicht mit einem solchen Antrag.

Wir fangen einmal an: Was sollen wir heute hier beschließen?

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, … die Rechtsfolgen, welche sich aus der Klimaklage des peruanischen Kleinbauern … für NRW-Unternehmen geben, zu evaluieren.“

Um die Klage wird es sicherlich nicht gehen. Ich schätze einmal, dass Sie das Klageverfahren meinen. Selbst da können wir im Moment nichts evaluieren. Wie gerade schon gesagt wurde, existiert im Moment lediglich ein Beweisbeschluss und noch kein Urteil. Also gibt es noch nichts zu evaluieren.

(Markus Wagner [AfD]: Das kommt irgendwann!)

Darüber hinaus unterstellen Sie auf Seite 2 Ihres Antrags, dass das Gericht bereits einen kausalen Zusammenhang festgestellt habe. Aber genau das ist nicht der Fall. Das wurde hier auch schon gesagt. Es gibt einen Beweisbeschluss. Dieser Beweisbeschluss sagt gerade aus, dass dieser Zusammenhang herausgefunden werden soll, also herausgefunden werden soll – ich zitiere wörtlich –, ob und in welchem Umfange Emissionen von RWE den Anstieg des Wasserpegels am Gletscher beeinflussen. Damit ist genau das Gegenteil dessen, was Sie behaupten, der Fall.

Sie wiederholen das Ganze noch einmal, indem Sie schreiben:

„Alle schadensverursachenden Naturereignisse werden in einem betrieblichen Zusammenhang gesehen …“

Nein, genau das wird nicht gesehen. Das ist einfach falsch. Sie hätten vorher einmal einen Juristen fragen sollen und ihn bitten sollen, über Ihren Antrag drüberzugucken. Dann wären Sie hier schlauer gewesen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ganz beeindruckt war ich, als ich im Punkt 2 Ihres Antrags gelesen habe, dass Sie fordern, die Landesregierung dazu auffordern,

„ihrer Schutzfunktion für nordrhein-westfälische Unternehmen vor unberechtigten Klagen im Klimaschutz gerecht zu werden.“

Das sind natürlich starke Worte. Als der Verfasser diese Zeilen geschrieben hat, werden wahrscheinlich in den Räumen der AfD die Wände so sehr gewackelt haben, dass die Teller von der Wand gefallen sind.

(Heiterkeit von der FDP)

Aber was soll ich mir darunter vorstellen? Wie soll das gehen, der Schutzfunktion nachzukommen?

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Sollen wir jetzt ein Gesetz einführen, dass jede natürliche Person klagen darf, nur Peruaner nicht? Bolivianer dürfen dann wahrscheinlich auch nicht klagen. Wo ist dann die Grenze? Spanier? Schwierig; das sind die Gefährlichsten in der EU. Ich gehe einmal davon aus, dass Österreicher sicherlich klagen dürfen.

(Heiterkeit von der FDP – Gabriele Walger-Demolsky [AfD]: Moment!)

Diese Grenze müssten Sie aber schon selber liefern.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich sage deshalb in aller Klarheit und Deutlichkeit: Das macht den Unterschied zwischen Ihnen und uns aus. Während Sie dem süßen Charme von autoritären Elementen unterliegen, sind die anderen hier als freiheitsliebende Parteien für die Unabhängigkeit der Justiz.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und Wibke Brems [GRÜNE])

Es ist zwingend, die Unabhängigkeit der Justiz zu wahren und das Verfahren zunächst einmal den Instanzenzug durchlaufen zu lassen. Für die Landesregierung und den Landtag verbietet es der Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz, bereits zu diesem Zeitpunkt Maßnahmen zu ergreifen.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Wir lehnen den Antrag natürlich folgerichtig ab. – Vielen Dank und Glück auf!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Mangen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Abgeordnete Brems das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach diesen ganzen juristischen Fragen, die alle berechtigt sind und durchaus auch humorvoll beantwortet wurden, möchte ich noch einmal kurz darauf zurückkommen, um wen es hier eigentlich geht. Das vergessen wir nämlich manchmal.

Es geht um Saúl Luciano Lliuya, einen Peruaner aus der Bergregion Cordillera Blanca. Er ist Bergführer und Landwirt, wohnt unterhalb des Gletschersees an einer Lagune und ist davon bedroht, dass dieser Gletschersee durch eine Gletscherflut sein Haus irgendwann zerstört.

Was hat Herr Lliuya bei dem Gerichtsverfahren vorgebracht? Es geht nämlich darum, dass ganz konkret nicht nur Sachverständige gehört werden müssen, weil beispielsweise schon im 5. Assessment Report des IPCC ganz klare Auswirkungen auf die Bergregion Cordillera Blanca beschrieben werden.

Ich zitiere beispielhaft einige Aspekte daraus:

„Für den nördlichen und mittleren Teil der Peruanischen Anden wurde über die Periode von 1961 – 2009 ein Temperaturanstieg zwischen 0,2 und 0,45 % je Dekade beobachtet.“

„Der Rückgang der tropischen Gletscher und Eisfelder in den außertropischen und tropischen Anden während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts … können dem Anstieg der Temperatur zugeschrieben werden …“

„Insgesamt gibt es ein ,sehr hohes Maß der Überzeugung …‘ hinsichtlich des Zusammenhangs des Rückzugs der Gletscher in den Anden in Südamerika mit dem Klimawandel.“

Es geht dann eben nicht nur um Saúl Luciano Lliuya, sondern er steht exemplarisch für Millionen Menschen, die vom Klimawandel betroffen sind, deren Heimat bedroht ist oder die ihre Heimat bereits verloren haben.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Sie können ja alle zu uns kommen!)

Dann müssen wir einmal betrachten, was bei diesem Verfahren eigentlich passiert. Es geht darum, dass Herr Lliuya gegen RWE kämpft. Es geht um den Kampf zwischen David und Goliath. Und – oh Wunder! – auf welche Seite schlägt sich die AfD? Auf Goliaths Seite.

Das passt zu Ihrem wahnhaften Feldzug gegen den Klimaschutz. Es passt dazu, dass Ihnen das Einzelschicksal von bedrohten, benachteiligten Menschen vollkommen egal ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich muss ganz klar sagen: Ich dagegen bewundere Herrn Lliuya für seinen Mut und sein Gerichtsverfahren gegen Goliath. Ich finde es gut und richtig, dass sich eine Einzelperson traut, dieses Verfahren anzustrengen und für ihre eigenen Rechte zu kämpfen. Und ich habe mich gefreut, als das OLG Hamm der Argumentation des Klägers gefolgt ist und damit bestätigt wurde, dass grundsätzlich eine Haftung großer Emittenten besteht.

Jetzt kommt das Aber. Bei aller Freude muss für alle das Prinzip der Gewaltenteilung gelten. Wir schließen uns deswegen natürlich nicht Ihrem wahnwitzigen Feldzug an und mischen uns auch nicht in Entscheidungen der Justiz ein; denn wir erkennen die Prinzipien unseres demokratischen Rechtsstaats an. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Brems. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Loose das Wort. Bitte schön.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man dem peruanischen Kleinbauern glaubt, dann ist RWE schuld daran, dass der Gletscher schmilzt.

Gletscher haben sich aber im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gebildet oder sind geschmolzen. Einige Jahrhunderte vor Christi Geburt waren die Alpen weitgehend eisfrei. Dieses Phänomen soll ebenso im 12. Jahrhundert aufgetreten sein –

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

und das ganz ohne vermehrten CO2-Ausstoß. Auch für das Jahr 2100 wird mit eisfreien Alpen gerechnet.

Die Wärme- und Kälteperioden lassen sich für die Vergangenheit völlig ohne CO2 erklären. Nun scheint das aber offensichtlich nicht mehr zu gelten. Plötzlich hat die Natur aufgehört, zu wirken, und der Mensch hat es übernommen, die Erde allein zu erwärmen. So ist es zumindest nach Ansicht vieler Umweltlobbyvereine, nach Ansicht von Professoren, die viel Geld für die sogenannte Klimaforschung erhalten haben, nach Ansicht der hoch subventionierten Windkraft- und Solarkraftbranche und nach Ansicht der mit 8 Milliarden € unterstützten GEZ-Medien.

Wer aber den natürlichen Klimawandel leugnet, leugnet letztendlich auch die Naturgewalten der Erde. Warum hat sich denn das Klima auch schon gewandelt, als es den Menschen noch gar nicht gab?

Der peruanische Kleinbauer aber macht sich diese Meinungshoheit der Klimaleugner zunutze und erwirkt auf dieser Grundlage ein Verfahren gegen eines unserer Wirtschaftsunternehmen in Deutschland. Das Gericht lässt die Klage zu und eröffnet die Beweisaufnahme. Man würde sagen: Ein Stück aus dem Tollhaus. Was kommt als Nächstes? Verklagt jetzt ein österreichischer Skihersteller RWE oder STEAG auf Schadensersatz, weil weniger Schnee fällt und er weniger Skier verkaufen kann? Oder verklagt demnächst irgendein Kleinbauer aus Chile ein deutsches Unternehmen, weil es eine Missernte gibt?

Und was ist eigentlich mit den positiven Folgen der Klimaerwärmung? Denkbar sind zum Beispiel mehr eisfreie russische Häfen oder eine eisfreie Ölförderung in Sibirien. Wenn man diejenigen verklagen kann, die nach Medienmeinung schuld an der Klimaerwärmung sind, müsste man dann nicht auch diejenigen verklagen können, die die Klimaerwärmung aufhalten oder aufhalten wollen? Verklagen etwa demnächst russische Ölfirmen die deutschen Regierungen, weil diese mit der Subvention der sogenannten erneuerbaren Energien die Klimaerwärmung verlangsamen wollen? Schließlich schadet eine Verlangsamung der Erwärmung diesen Firmen nachhaltig.

Des Weiteren gibt es unbestritten bei relativ wärmeren Temperaturen im Winter weniger Kältetote, also vor allem weniger Grippetote. Verklagen etwa demnächst die Angehörigen von Grippetoten die Solarfirmen, weil diese nach Medienmeinung die Klimaerwärmung aufhalten und damit mittelbar den Tod der Grippeopfer verursacht haben?

(Beifall von der AfD – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

– Ja, man muss das alles einmal bedenken. Sie denken nur in die eine Richtung. Was ist mit den positiven Folgen?

Wir müssen die Klimaerwärmung eigentlich als das erkennen, was sie ist, nämlich größtenteils natürlichen Ursprungs. Der Mensch ist nicht Gott und sollte nicht versuchen, Gott zu spielen. Wir haben es hier mit einer höheren Gewalt zu tun.

Deshalb darf es auch nicht sein, dass ein Unternehmen, das keinerlei Vertragsbeziehung mit dem Kläger hat, aufgrund von Ereignissen der höheren Gewalt verklagt werden kann. Wir müssen unsere Unternehmen, unsere Arbeitnehmer und Deutschland vor solchen unangemessenen Klagen schützen.

Natürlich wollen wir dabei nicht in das laufende Verfahren eingreifen. Denn das wäre ein Eingriff in unser Rechtssystem. Und wir als einzig verbliebene Rechtsstaatspartei wollen unser Recht schützen.

(Beifall von der AfD)

Aber wir fordern weiterhin die Einführung einer solchen Klausel für höhere Gewalt im Umweltrecht, wie es auch in den Verträgen zwischen Firmen üblich ist. Jeder kennt die Schlechtwettertage beim Bau, die ebenfalls nicht zu einer Entschädigung führen, wenn sich dadurch der Bau verzögert. Nichts anderes fordern wir im Umweltrecht. Deutsche Firmen dürfen nicht willkürlich für höhere Gewalt bestraft werden.

Wir wollen natürlich auch wissen, was für Folgen das aktuelle Verfahren des Kleinbauern gegen RWE für unsere Unternehmen, für unsere Arbeitnehmer und für unser Deutschland hat, und fordern die Evaluierung des Verfahrens und seiner Folgen.

Schützen auch Sie unsere Unternehmen. Schützen auch Sie unsere Arbeitnehmer. Schützen auch Sie Deutschland. Stimmen Sie für unseren Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Loose. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Professor Dr. Pinkwart das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antragsteller haben nur insoweit recht, als dass mit dem Verfahren rechtliches Neuland betreten wird. Es geht um komplizierte Fragen der Ursächlichkeit und der Zurechenbarkeit im Umweltrecht.

Die rechtliche Kompliziertheit zeigt sich schon in der abweichenden Beurteilung durch das Oberlandesgericht Hamm im Verhältnis zur Vorinstanz, dem Landgericht Essen. Ersteres hat nun zunächst die Beweisaufnahme zugelassen und wird dann zu weiteren Bewertungen kommen. Gegen mögliche Entscheidungen hat der Beklagte im Rechtsstaat die Möglichkeit der Verfahrensüberprüfung, in diesem Falle durch den Bundesgerichtshof.

Nicht folgen kann ich den Bewertungen, Schlussfolgerungen und Forderungen des vorliegenden Antrags. Ich denke, zuerst einmal gilt es, eine rechtskräftige Entscheidung abzuwarten, bevor man Urteilsschelte betreibt oder schwerste hypothetische Folgen heraufbeschwört.

Ein Antragsteller, der auf der einen Seite hier noch vorgibt, er wolle den Rechtsstaat schützen, und auf der anderen Seite die Unabhängigkeit der Rechtsprechung infrage stellt, hat sein eigenes Ziel verfehlt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ich würde das gerne zusammenhängend vortragen, Frau Präsidentin. Zu Nachfragen bin ich später gerne bereit.

Aus dem gleichen Grund werde ich hier weder eine rechtliche Bewertung abgeben und Rechtsbegriffe definieren noch in irgendeiner Weise für die eine oder andere Seite Partei ergreifen.

Anders als die Antragsteller halte ich die menschengemachte Klimaerwärmung jedoch nicht für eine Erfindung irgendwelcher Kräfte, sondern für eine wissenschaftlich belegte Entwicklung.

Folglich bekennt sich die Landesregierung zu den Pariser Klimabeschlüssen von 2015 und den auch dort vereinbarten Reduktionszielen.

Es geht nicht um die Leugnung einer Veränderungsnotwendigkeit wie im Antrag, sondern um die wirtschaftlich vernünftige und sozial tragbare Gestaltung der Veränderung.

Soweit der Antrag eine Rechtsänderung fordert, um Klagen wie der vorliegenden durch eine, wie im Antrag formuliert, Wiederherstellung der Rechtssicherheit zu begegnen, wäre im Übrigen der Bundesgesetzgeber gefordert. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Pinkwart. – Der Abgeordnete Loose hat mir signalisiert, dass er seine Zwischenfrage zurückzieht. Insofern gibt es keinen Wunsch nach einer Zwischenfrage mehr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einem Blick in die Runde liegen mir auch keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass wir am Schluss der Aussprache sind.

Damit können wir zur Abstimmung kommen. Der Rechtsausschuss empfiehlt in der Drucksache 17/2117, den Antrag Drucksache 17/1445 abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Deswegen darf ich fragen, wer dem Antrag und dem Inhalt des Antrags seine Zustimmung geben möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der AfD. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 17/1445 mit dem festgestellten Abstimmungsverhalten abgelehnt ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich den Tagesordnungspunkt 16 aufrufe, möchte ich kurz auf Tagesordnungspunkt 12 zurückkommen und eine Rüge aussprechen.

Der Abgeordnete Dr. Blex hat sich dort ausweislich des vorliegenden Protokollauszugs unparlamentarisch geäußert. Das ist an dieser Stelle zu rügen. Er ist leider jetzt nicht im Raum, wird es aber dann im Protokoll nachlesen können.

Ich rufe auf:

16 NRW muss auf Bundesebene Impulsgeber für eine Neuausrichtung der Energieeinsparverordnung werden

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/1112

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses
für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen
Drucksache 17/2437

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2474

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Ritter das Wort. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Jochen Ritter (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Mehr, schneller und günstiger – so lässt sich unsere Herangehensweise an das Bauen in Nordrhein-Westfalen auf eine griffige Formel bringen.

Für „mehr“ und „schneller“ stellen – wie gestern bereits unter TOP 7 betreffend den Wohnraum angeklungen – der Landesentwicklungsplan und die Bauordnung die wesentlichen Stellschrauben dar. Sie sind in Arbeit. Hier gehen die Bauministerin und der Wirtschaftsminister dankenswerterweise das hohe Tempo, das die Landesregierung auch ansonsten an den Tag legt und das der Kollege Katzidis heute Morgen betreffend die innere Sicherheit zu Recht herausgestellt hat, mindestens mit, wenn sie es nicht sogar vorlegen.

Für „günstiger“ wollen wir an die Kostentreiber heran. Hier können wir uns ausnahmsweise ein wenig Entschleunigung vorstellen. Wir sehen da in erster Linie bei der Energieeinsparverordnung, kurz EnEV, Potenziale. Wenn in der Vorlage von „EnEV 2016“ die Rede ist, dann übrigens deswegen, weil die Änderungen aus 2014 im Wesentlichen erst dann wirksam geworden sind.

Die um 25 % erhöhten energetischen Anforderungen an Neubauten haben zu Kostensteigerungen zwischen 5 und 10 % geführt. Ihnen steht kein im selben Maße gewachsener Ertrag gegenüber.

Das war nach den Gesetzmäßigkeiten, die der Volkswirt Gossen um 1850 für solche Entwicklungen erkannt hat, auch nicht zu erwarten. Das ist es auch zukünftig nicht. Denn – mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich –:

„Die Größe eines und desselben Genusses nimmt, wenn wir mit der Bereitung des Genusses ununterbrochen fortfahren, fortwährend ab, bis Sättigung eintrifft.“

Dieser abnehmende Grenznutzen treibt, was die Gebäudehülle angeht, zuweilen bemerkenswerte Blüten. Fenster werden auf der einen Seite zwecks Wärmedämmung mit Dreifachverglasung versehen und auf der anderen Seite zwecks Sicherstellung des Luftaustausches wiederum gleich mit Löchern in Form von Falzlüftern versehen.

Auch die seit einigen Jahren vorzulegenden Lüftungskonzepte sind – jedenfalls teilweise – nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben stehen, weil die Praxis eine andere ist. Schimmel ist eine von mehreren unerquicklichen Folgen. Dabei ist nicht nur die Luft mit Feuchtigkeit gesättigt; auch manche tatsächlich am Bau beteiligten Praktiker haben es sprichwörtlich satt, zwangsläufig in der eingeschlagenen Richtung fortzufahren.

Kurzum: Der Punkt der Sättigung im Sinne des ersten Gossen’schen Gesetzes ist erreicht. Es ist Zeit, wie eben angesprochen, bei der Bereitung dieses zweifelhaften Genusses nun eine Pause einzulegen und innezuhalten.

Der Zeitpunkt dafür ist günstig, wird doch im Bund ohnehin erwogen, die Vorschriften der Energieeinsparverordnung, des Energieeinspargesetzes und des EEG-Wärmegesetzes in einem modernen Gebäudeenergiegesetz zusammenzuführen.

Diese Unterbrechung soll keine schlichte Pause sein, sondern soll genutzt werden, um die bisher verfolgte Strategie zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Dabei geht es nicht darum, die aktuellen Standards zu senken, sondern darum, avisierte weitere Steigerungen intensiver als bisher zu reflektieren.

Nicht zuletzt die vorgenannten Schwierigkeiten betreffend die Gebäudehülle sprechen dafür, an dieser Stelle etwas mehr als bisher die Haustechnik in den Blick zu nehmen. Dafür spricht ebenfalls die im Februar 2016 vorgestellte EU-Strategie für die Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden.

Das legt Gossen auch mit seinem zweiten Gesetz nah. Demnach soll man, bevor man kostenträchtig weiter in die eine Richtung läuft, überprüfen, ob mit demselben Budget, jedoch einem weiteren Ansatz nicht mehr zu erreichen ist, um den Nutzen insgesamt zu steigern.

Dabei ist es erfolgversprechend, den Blick auf ganze Quartiere zu weiten – etwa mit der Folge, veraltete Anlagen in einzelnen Gebäuden durch eine zentrale Anlage zu ersetzen.

Nicht zuletzt sollen Ausnahmen nach § 25 EnEV einfacher als bisher möglich sein.

In diesem Sinne wollen wir uns im Bundesrat verhalten – wohl wissend, dass der Koalitionsvertrag im Bund eine Harmonisierung der EnEV mit anderen diesbezüglichen Gesetzen, nicht aber ausdrücklich ein Moratorium vorsieht und dass auch der nach der EU-Gebäuderichtlinie aus 2010 auf mittlere Sicht zu erreichende Standard wenig Spielraum zulässt.

Gleichwohl wollen wir diesen Spielraum nutzen. Das haben wir bereits in unserer Vereinbarung mit den Freien Demokraten aus dem vergangenen Jahr angekündigt.

Bei den anderen Fraktionen werbe ich um Zustimmung zu unserem gemeinsamen Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der FDP und Roger Beckamp [AfD])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ritter. – Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Körfges das Wort. Bitte schön.

Hans-Willi Körfges*) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es mit der großen Linie nicht klappt, verliert man sich gerne einmal im Detail, lieber Kollege Ritter.

Die Bundesregierung sieht in der Energieeinsparverordnung ein wichtiges Element der Klima- und Energiepolitik. Die Bundeskanzlerin hat sich ganz offensichtlich sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt. Insoweit wundert mich das eine oder andere an dem Antrag, insbesondere bezogen auf das, was die CDU äußert, vor dem Hintergrund des von Ihnen zitierten Koalitionsvertrags doch ganz erheblich.

Die EnEV soll dazu beitragen, dass die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung – insbesondere ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis zum Jahr 2050 – erreicht werden können. Die CDU und die FDP sehen darin einen entscheidenden Kostentreiber für den Wohnungsbau und wollen bei der Energieeinsparverordnung ein Moratorium.

Die Entfesselungskünstler von Schwarz-Gelb wollen für drei Jahre aussetzen, umfassend evaluieren, den Betrachtungswinkel vom Einzelfall auf das Quartier verschieben und im Rahmen einer Bundesratsinitiative den Bundesgesetzgeber für ihr Vorhaben begeistern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Copacabana im Landtag! Jötz, Jürgen und Jünter von WDR 2 lassen grüßen. Das hört sich interessant an, ist es aber nicht.

(Beifall von der SPD)

Denn Ihr Antrag ist erstens aus der Zeit gefallen, und zweitens steht er argumentativ auf einem eher bescheidenen Niveau. Ich unterstelle hier niemandem aus den demokratischen Fraktionen – und kann nahtlos an das anschließen, was in einem vorherigen Wortwechsel hier gesagt worden ist –, dass Sie Zweifel am Klimawandel und an der Verursachung haben.

Aber ich darf Ihnen jetzt einmal den Koalitionsvertrag der GroKo wörtlich zitieren. Da heißt es:

„Wir werden das Ordnungsrecht entbürokratisieren und vereinfachen und die Vorschriften der EnEV, des EnergieeinsparG und des EEWärmeG in einem modernen Gebäudeenergiegesetz zusammenführen und damit die Anforderungen des EU-Rechts zum 1. Januar 2019 für öffentliche Gebäude und zum 1. Januar 2021 für alle Gebäude umsetzen. Dabei“

– jetzt kommt das entscheidende Zitat –

„gelten die aktuellen energetischen Anforderungen für Bestand und Neubau fort.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wünsche ich gute Reise, insbesondere den Vertreterinnen und Vertretern der CDU, auf dem Weg in den Bundesrat und ins Parlament. Das ist, grob gesagt, von der Zeit überholt worden. Sie täten besser daran, an der Stelle den Antrag zurückzunehmen. Das wäre dann weniger peinlich.

(Beifall von der SPD)

Es sind nämlich keine Verschärfungen bei der EnEV vorgesehen, aber auch keine Absenkung oder gar ein Moratorium.

Bezeichnenderweise hat der Vertreter der CDU hier kein Wort über die Anhörung verloren; ich kann mir vorstellen, warum, liebe Kolleginnen und Kollegen: weil da das Ansinnen von CDU und FDP eher als einfacher Unfug denn als sinnvolle Gestaltungsmöglichkeit der Landespolitik enttarnt worden ist.

Wir haben nämlich zum Beispiel damit zu tun, dass, wenn wir das jetzt ändern, einfrieren, zurückdrehen wollen, uns ein EU-Bestrafungsverfahren droht. Das haben mehrere Sachverständige betont.

Darüber hinaus hat der Vertreter des Städtetages – die kommunalen Spitzenverbände sind an der Stelle von uns allen garantiert als kritische Betrachter geschätzt – sehr deutlich gesagt – das will ich zitieren –, dass er eine Aussetzung für nicht erfolgversprechend hält und er dafür plädiert, auf Grundlage des eben von mir zitierten Koalitionsvertrages den bisherigen Weg weiter zu beschreiten und – jetzt zitiere ich wörtlich, liebe Entfesselungskünstlerinnen und Entfesselungskünstler –:

Für die Kommunen ist es zwingend erforderlich, Rechtsklarheit zu bekommen, denn ansonsten gebe es Schwierigkeiten bei den in Aussicht genommenen Investitionen. – So sieht die Wahrheit aus, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Darüber hinaus hat Herr Lintz von der Architektenkammer erläutert: Ein Zurückfallen auf eine Vorfassung der EnEV mache wenig Sinn, weil Markt und Architekten sich auf die derzeitige EnEV eingestellt haben.

Im Zusammenhang mit den langfristigen Wirkungen für Mieterinnen und Mieter hat Herr Professor Dr. Voss von der Bergischen Universität richtigerweise darauf hingewiesen, dass das ein Thema von sozial höchster Brisanz ist, denn Betriebskosten, liebe Kolleginnen und Kollegen, und Heizkosten fallen dann eben für die Mieterinnen und Mieter an. Das heißt, wenn nicht rechtzeitig Vorsorge getroffen wird, wird bei sich verändernden Klimabedingungen derjenige, der dann eine Wohnung mietet, die Kosten zu tragen haben. Das ist sozialer Sprengstoff, wie es wörtlich heißt.

Ich will mich jetzt nicht mit jeder einzelnen Position auseinandersetzen, empfehle Ihnen nur sehr herzlich und sehr intensiv: Lesen Sie doch bitte das Protokoll der Anhörung. Dann werden Sie zahlreiche gute Gründe finden, sich Energie für solche Anträge zu sparen. Da gibt es zwar keine Verordnung drüber. Aber wie ich eben schon gesagt habe: Das hört sich, wenn man genauer hinguckt, noch nicht einmal mehr interessant an. Das ist es auch nicht. Deshalb bitten wir darum, mit uns gemeinsam diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall von der SPD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP hat Kollege Paul das Wort.

Stephen Paul*) (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir Christdemokraten und Freien Demokraten sind angetreten, um das Bauen in unserem Land zu erleichtern. Nach gerade mal sieben Monaten

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

– Sie haben sieben Jahre dafür gebraucht –

hat unsere Bauministerin Ina Scharrenbach mit dem derzeit in Beratung befindlichen Baurechtsmodernisierungsgesetz ein zentrales Element vorgelegt, um das wichtige Ziel, das Bauen zu erleichtern, zu erreichen. Wie gut dieser Gesetzentwurf ist, werden wir noch im Ausschuss im weiteren Beratungsverfahren erörtern.

Aber nicht an allen Stellschrauben für ein positives Bauklima können wir hier unmittelbar selbst drehen. Es gibt Regelungen, die nur der Bundesgesetzgeber verbessern kann. Aber das macht uns gar nichts. Wir kämen gar nicht auf die Idee, hier etwa passiv nach Berlin zu schauen und den Leuten im Lande zu sagen: Das liegt leider nicht in unserer Macht.

Mit dem heutigen Antrag zur Neuausrichtung der EnEV untermauern wir unseren Anspruch, auch Impulsgeber für die Bundespolitik zu sein.

Die Sachverständigenanhörung hat deutlich gemacht, lieber Herr Körfges, dass die Energieeinsparverordnung neu gedacht werden muss. Der Landesverband des BFW bezeichnet die EnEV als Sackgasse und begründet das mit langen Wirtschaftlichkeitsberechnungen und langen Amortisationszeiten. Liebe Kollegen, wir wollen die EnEV aus dieser Sackgasse herausführen.

Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat in ihrer Stellungnahme ebenso noch einmal darauf verwiesen, dass es notwendig ist, über die – ich zitiere – „Weiterentwicklung des Gebäudeenergiegesetzes nachzudenken … Denn nicht umsonst ist das Gebäudeenergiegesetz in der zurückliegenden Legislaturperiode des Bundes gescheitert.“

Liebe Kollegen, daran sehen wir doch: In Berlin ist in den letzten Jahren nichts besser, sondern vielleicht lediglich teurer gemacht geworden. Wir müssen also ganzheitlich, wir müssen neu denken.

Wir wollen uns aus Nordrhein-Westfalen heraus nicht damit zufriedengeben, dass auf Bundesebene lediglich versucht wird, Symptomen des Wohnungsmangels mit neuen staatlichen Zuschüssen wie etwa dem Baukindergeld entgegenzutreten. Das ist volkswirtschaftlich ganz und gar nicht sinnvoll.

Wir können den Anstieg der Mieten viel besser dämpfen, wenn wir die Klima- und Energiepolitik mit den effizientesten Methoden neu denken und neu gestalten. Deshalb sehen wir hier auch Handlungsbedarf, liebe Kollegen.

Deshalb wollen wir auch, dass die Energieeinsparverordnung von einer Einzelfallbetrachtung wegkommt. Wir müssen zu einer Betrachtung auf Quartiersebene kommen.

Das trifft ebenfalls auf Zustimmung der Experten. Herr Graaff vom Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen – das ist ein kommunaler Spitzenverband – führte in der Anhörung des Ausschusses für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen aus, dass das natürlich sowohl einzelfallbezogen als auch auf Quartiersebene betrachtet werden könne. Er hat dann – ich zitiere – zutreffend festgehalten:

„Es ist aber sicherlich effektiver, wenn man dies im Rahmen des Quartiersbezugs macht, also als Quartiersmaßnahme.“

Diesen Ansatz halten wir – genau wie der Städte- und Gemeindebund – für den geeigneten Weg.

Liebe Kollegen, wir müssen auch die Komplexität der Berechnungsverfahren erkennen und reduzieren. Ich komme in diesem Zusammenhang zum Schluss und appelliere an die Landesregierung, bei der Ausgestaltung der Bundesratsinitiative und der Evaluierung der Energieeinsparverordnung streng darauf zu achten, dass es nicht zu Scheinwirtschaftlichkeiten bei den Berechnungen kommt. Denn diese Tendenzen sind im Bund offenkundig anhängig.

Diese Meinung vertrete ich hier nicht nur für die Freien Demokraten. Ich zitiere noch einmal Herrn Lintz von der Architektenkammer NRW:

„Nach unserer Auffassung … muss sich eine Investition in ein Gebäude nach 20 Jahren amortisieren.“

Und weiter:

„Die Gutachten, die der bisherigen Entwurfsfassung des Gebäudeenergiegesetzes zugrunde liegen, gehen eher von 30 Jahren aus.“

Die Kammer sagt weiter:

„Jetzt gibt es einen Gesetzesvorschlag … der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, die darin sogar von 50 Jahren spricht“.

Da wird also die 50-jährige Amortisation als Maßstab genommen. Die Kammer sagt weiter:

„30 oder 50 Jahre wären uns im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit viel zu lang.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sehen: Um das Bauen in Nordrhein-Westfalen zu erleichtern, liegen noch viele Baustellen vor uns. Packen wir es also an.

(Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Paul. – Für die Grünen hat die Kollegin Brems das Wort.

Wibke Brems (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Energiewende ist – das kommt manchmal in der öffentlichen Debatte etwas zu kurz – mehr als eine Stromwende. Denn die Wärme hat einen ganz erheblichen Anteil daran: Er beträgt in Bezug auf den deutschen Endenergieverbrauch 35 %. Die Wärmeerzeugung verursacht ca. 30 % der deutschen Treibhausgasemissionen. Das zeigt ganz deutlich: Wir müssen die Anstrengungen bei der Wärmewende erhöhen.

Man könnte aber, was die Beiträge von CDU und FDP angeht, meinen, dass diese Erkenntnis eben noch nicht angekommen ist. Denn Sie wollen die Energieeinsparverordnung aussetzen, statt Anreize für mehr Effizienz zu schaffen.

Ich muss einmal auf unsere Anhörung zurückschauen, die wir zu diesem Thema hatten: Kein einziger Experte hat die Kernforderungen des Antrags unterstützt, die Energieeinsparverordnung für drei Jahre auszusetzen. Kein einziger Experte – auch nicht Ihre Experten.

Die haben ganz im Gegenteil andere Sachen gesagt. Beispielsweise haben sie gesagt, dass die EU hohe Maßstäbe für Nichtwohngebäude ab 2019 und für Wohngebäude ab 2022 setzt. Danach ist der Niedrigstenergiestandard anzusetzen. Diesen EU-Maßstäben können wir uns richtigerweise natürlich nicht einfach entziehen.

Die von Ihnen eben zitierte Architektenkammer stellte fest, dass sich der Markt mittlerweile auf die Energieeinsparverordnung eingestellt hat und dass es Quatsch wäre, dahinter zurückzufallen, weil längst so gebaut wird.

Deshalb frage ich mich – das ärgert mich maßlos – wirklich: Wofür führen wir eine Anhörung durch, wenn Sie trotz einhelliger Meinung aller Expertinnen und Experten kein bisschen an Ihrem Antrag ändern? Ich finde, dass das ein taktisches Zeitspiel ist, das Sie auch auf unserem Rücken ausführen. Ich finde einfach, dass wir so nicht miteinander umgehen sollten. Vielmehr sollten Sie wirklich auch Änderungen vornehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde es einfach traurig: Sie bleiben dabei und wollen zurück in die Vergangenheit. Ich muss Ihnen aber sagen: Mit einer Rolle rückwärts in die Vergangenheit löst man eben nicht die Probleme der Zukunft.

Damit leider nicht genug: Sie machen die Energieeffizienzanforderungen auch noch zum Sündenbock für den Wohnraummangel und die Explosion der Mieten in den Städten.

Dazu haben – das haben wir eben auch gehört – Experten in der Anhörung ganz klare Aussagen getroffen: Die Energieeffizienzanforderungen haben mit diesem Problem kaum etwas zu tun. Beispielsweise haben zwei Experten dazu ganz klar gesagt, dass die Anforderungen der Energieeinsparverordnung zu einer 3%igen Baukostensteigerung beitragen. Sie tun das – aber eben in diesem Umfang, wenn man die gesamten Entstehungskosten betrachtet und eine Preisbereinigung vornimmt.

Die Kosten für Bauland haben sich hingegen seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Die Aussetzung der Energieeinsparverordnung ist also nicht der geeignete Hebel, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich meine, es wäre schön, wenn Sie sich einfach einmal auch auf Daten und Fakten beziehen würden. Ich fand eine Untersuchung sehr spannend, die in Hamburg anhand von realen Projekten ganz klar gezeigt hat, dass es keinen Kostenunterschied bei den unterschiedlichen Energiestandards gibt. Das geht bis hin zu Passivhäusern, die zum Teil günstiger gebaut werden können als zum aktuellen Standard oder in Bezug auf vorherige Bauten.

Da muss man ganz klar fragen: Warum steigen die Mieten in den Städten? Sie steigen wegen hoher Nachfrage, falschem Angebot und schlechter Politik. Statt mehr und mehr Luxuswohnungen brauchen wir bezahlbare Wohnungen. Wie Sie das erreichen wollen, darauf geben Sie hier keinerlei Antwort.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie sind sich auch nicht zu schade, hier das Märchen vom Schimmel zu wiederholen. Ich finde es wirklich unglaublich, dass Sie hier immer wieder Beispiele, die widerlegt sind, hervorbringen. Die Verbraucherzentrale hat in der Anhörung gesagt: Ordentliche Sanierungen beheben Schimmelprobleme, sie verursachen sie nicht.

Ich komme darauf zurück, dass es um mehr Energieeffizienz geht. Insoweit brauchen wir eine Vereinheitlichung beziehungsweise Vereinfachung der aktuellen Regelungen. Das ist eben das, was wir ganz konkret in unserem Antrag auch fordern.

Das von Ihnen vorgeschlagene Moratorium der Energieeinsparverordnung ist für keine der Herausforderungen der Wohnungspolitik auch nur der Ansatz einer Lösung. Vielmehr muss es das Ziel sein, möglichst schnell ein praktisch handhabbares und trotzdem ambitioniertes Gebäudeenergiegesetz zu verabschieden.

Daher ganz zum Schluss noch einmal mein Appell: Nehmen Sie derart eindeutige Ergebnisse von Anhörungen so ernst, wie wir alle es hier verdient hätten. Nehmen Sie Abstand von dem in Ihrem Antrag geforderten Moratorium und fangen Sie stattdessen an, zukunftsorientierte Wohnungs- und Energiepolitik zu machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Das Wort für die AfD hat nun der Abgeordnete Beckamp.

Roger Beckamp (AfD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bauen soll einfacher, günstiger und technisch sinnvoller werden. Genau der Punkt ist im Zusammenhang mit der EnEV sehr bedenklich. Denn viele Dinge, die die EnEV vorschreibt, sind technisch nicht sinnvoll. Das hat mit der Stärke der Dämmung zu tun. Das hat damit zu tun, dass Sie sich Sondermüll auf die Fassade hauen. All diese Punkte müssten dringend überdacht werden, und genau das passiert jetzt.

Insofern ist der Antrag von CDU und FDP unterstützenswert, wobei der soziale Sprengstoff, den der Herr von der SPD angesprochen hat, in der Tat auf uns zukommt, wenn wir so weitermachen: nicht, weil die Betriebskosten steigen würden – der Mieter guckt nicht nur auf die Betriebskosten, sondern auf die Gesamtmiete; insofern ist das eine Milchmädchenrechnung –, sondern weil Bauen immer teurer wird. Für welchen Zeitraum haben Sie die Steigerung von 3 % durch Energievorgaben angeführt? – Wahrscheinlich pro Jahr. Das Problem ist: Es wird immer teurer.

Allerdings ist ein Punkt bemerkenswert: Die regierungstragenden Parteien CDU und FDP halten weiterhin an den Klimaschutzzielen fest. Das passt nicht zusammen. Wenn Sie wirklich glauben, dass die Klimaschutzziele sinnvoll sind – und das glauben Sie ja angeblich, und Sie denken auch, all das sei menschengemacht –, müssten Sie eigentlich den Unfug der EnEV weitertreiben. Dann wäre konsequent an allen Fronten Unfug angesagt. Insofern verwundert das.

Aber an einer Stelle ist der erste Einbruch da. Das halten wir für sinnvoll, und wir unterstützen das. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Beckamp. – Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Scharrenbach das Wort.

Ina Scharrenbach*), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Koalitionsvertrag auf der Ebene des Bundes ist heute schon häufiger zitiert worden. Dort haben wir uns aus Nordrhein-Westfalen im Besonderen bei der Frage eingebracht: Wie werden die bestehenden Regelungen hin zu einem technologieoffenen Gebäudeenergieeffizienzgesetz weiterentwickelt?

Die Vorgängerregierung hatte den Ansatz schon mal getätigt. Zu einer Einigung ist es in der letzten Legislatur nicht gekommen. Aber durch das, was Sie hier diskutieren und was im Rahmen der Anhörung diskutiert worden ist, wissen wir alle, dass das Ordnungsrecht entbürokratisiert und vereinfacht werden muss und die einzelnen Vorschriften, die derzeit separat nebeneinanderstehen, zu einem modernen Energiegesetz zusammengeführt werden müssen.

Sie wissen, dass die Landesregierung die Einhaltung der Klimaschutzziele auch im Gebäudebestand verfolgt und trägt. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Insofern setzen wir uns gegenüber dem Bund für ein praktikables Regelwerk ein – auch im Einklang mit den europäischen Anforderungen. Denn, wie Sie wissen, wird auf der Ebene der Europäischen Union eine neue Energieeffizienzrichtlinie diskutiert, die gerade in deutscher Sprache veröffentlicht worden ist.

In dieser Richtlinie, die noch in nationales Recht transformiert werden muss, werden wieder neue Anforderungen geregelt, bei denen wir derzeit prüfen, ob sie in das nordrhein-westfälische Bauordnungsrecht umzusetzen sind – und wenn ja, inwieweit.

Es geht also darum, das neue Energierecht technologieoffen zu gestalten. Das ist auch der Kern des Begehrs der regierungstragenden Fraktionen, weniger mit detaillierten Vorschriften zu arbeiten, sondern im Bereich der Forschung, der Entwicklung, der Umsetzung und der Sinnhaftigkeit von energetischen Maßnahmen zu einem besseren Ergebnis im Bereich der Energieeffizienz von Gebäuden zu kommen.

Den Auftrag, den Sie wahrscheinlich heute erteilen werden, einheitliche Maßstäbe zur Beurteilung von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen im Zuge von Befreiungen gemäß § 25 EnEV anzulegen, werden wir natürlich prüfen. Wir werden im Besonderen auch die neuen Erkenntnisse zu dem Thema aus der Bund-Länder-Projektgruppe einfließen lassen.

Insofern herzlichen Dank und eine gute Abstimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. – Wir kommen zur Abstimmung.

Wir stimmen erstens über den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/1112 ab. Der Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen empfiehlt in Drucksache 17/2437, den Antrag Drucksache 17/1112 unverändert anzunehmen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 17/1112 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wenn Sie dem folgen wollen, bitte ich um Ihr Handzeichen. – Das sind die CDU, die FDP, die AfD. Wer ist dagegen? – Das sind die Grünen und die SPD. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/1112 angenommen.

Wir stimmen zweitens über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2474 ab. Wenn Sie dem folgen wollen, bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD und die Grünen. Wer ist dagegen? – Die CDU, die FDP, die AfD und der fraktionslose Abgeordnete. Gibt es Enthaltungen? – Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/2474 abgelehnt.

Ich rufe auf:

17 Konsultation der Monitoring-Stelle der UN-BRK in NRW zur Weiterentwicklung der Inklusion unmittelbar in der parlamentarischen Arbeit nutzen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2388

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Grünen Kollegin Beer das Wort.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie schon im Antrag ausgeführt, hat die rot-grüne Landesregierung im März 2017 das Deutsche Institut für Menschenrechte beauftragt, als Monitoringstelle die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Nordrhein-Westfalen zu fördern und zu überwachen.

Dieses Monitoring betrifft alle Lebensbereiche. Damit haben sich die damalige Landesregierung und das Parlament insgesamt einer sehr kritischen Reflexion gestellt, um den Umsetzungsprozess der Inklusion zu begleiten und sofort auf notwendige Korrekturen eingehen zu können.

Dass dort Korrekturen – Weiterentwicklungen, Umsteuerungen – notwendig sind, ist sicherlich unzweifelhaft. Das haben wir auch in der letzten Legislatur, zum Beispiel im Schulausschuss, sehr deutlich besprochen. Diese Aufgabe stellt sich. Eine kritische Selbstreflexion ist also angebracht.

Das Institut hat nach dem gestrigen Konsultationstag eine erste Pressemitteilung herausgegeben. Besonders im Schulbereich wurde großer Handlungsbedarf angezeigt und gleichzeitig die Zielrichtung benannt.

Die UN-Konvention gibt klar den Auf- und Ausbau der inklusiven Schule vor und spricht sich gegen Segregation aus.

Die Stellungnahmen der Verbände, die zum Teil schon öffentlich geworden sind, aber nicht alle, sagen sehr deutlich, dass gerade im Schulbereich die bisherigen Erwartungen an die neue Landesregierung enttäuscht worden sind.

Es ist versprochen worden, inklusive Schulen besser personell auszustatten – das tragen wir ausdrücklich mit –, das Fortbildungsangebot deutlich auszubauen und den weiterführenden Schulen gut aufgestellte inklusive Schwerpunktschulen einzurichten. Dazu liegen bis heute keinerlei Konzepte vor. Das wird von den Eltern angemahnt, die ihre Kinder inklusiv und durch gemeinsames Lernen beschulen wollen.

Es wird deutlich, dass es auch Probleme gibt mit dem, was angekündigt worden ist, nämlich ein Moratorium auszusprechen. Klärung ist gut, aber es muss dann zu Konsequenzen und zu Konzepten kommen.

Deswegen ist es jetzt gut und richtig, diesen Prozess der Monitoringstelle zu nutzen, dass wir in die Stellungnahmen hineinschauen und uns anschauen, welche Analysen und Bewertungen durch die Monitoringstelle vorgenommen werden – und das nicht nur im Schulbereich, aber da sind Fragen besonders drängend, weil das Schuljahr im August beginnen wird.

(Unruhe)

Präsident André Kuper: Frau Beer, darf ich Sie gerade einmal unterbrechen? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, der akustische Level der Unterhaltung ist derzeit so hoch, dass wir eine starke Unruhe haben. Es wäre nett, wenn Sie die Unterhaltungen in der Lautstärke etwas dämpfen. Danke schön.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident! – Es bezieht alle Lebensbereiche ein, weil natürlich auch die Fragen der Neuordnung der Bauordnung oder Mobilitätsfragen die Rechte der Menschen mit Behinderungen befassen. Überall gibt es Initiativen, die wir hier gemeinsam diskutieren.

Deshalb unser Antrag, dass wir uns die Ergebnisse und Stellungnahmen jetzt sehr zeitnah in den Fachausschüssen anhören möchten. Ich bitte Sie, dieses Verfahren dann auch entsprechend konstruktiv zu begleiten, damit wir in allen Handlungsfeldern zeitnah zu guten Entscheidungen kommen können. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die CDU spricht nun der Abgeordnete Kollege Rock.

Frank Rock (CDU): Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sie werden in diesem Hohen Haus – auch bei den wenigen Besucherinnen und Besuchern – nur wenige finden, die die gleichberechtigte Teilnahme von allen Menschen mit oder ohne Handicap am gesellschaftlichen Leben nicht unterstützen. Über alle Parteigrenzen hinweg ist der inklusive Gedanke angekommen; hier gibt es keinen Diskurs.

Fest steht aber auch, dass dieser inklusive Gedanke erst Ende des letzten Jahrhunderts in den Köpfen der Menschheit gereift ist. Wäre die Menschheit dem Spruch von Richard von Weizsäcker gefolgt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – „Was im Vorhinein nicht ausgegrenzt wird, muss hinterher auch nicht eingegliedert werden“, wären unsere Herausforderungen für diese Jahrhundertaufgabe Inklusion deutlich kleiner.

Die Inklusion ist eine Jahrhundertaufgabe und benötigt einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Deswegen benötigen wir für diesen breiten Konsens und für diesen Prozess auch Zeit. Die Veränderung für einen Prozess, der sehr, sehr lange in unserer Gesellschaft nicht präsent war, nicht als nötig, geschweige denn als selbstverständlich angesehen wurde, benötigt Zeit.

Diese Zeit müssen wir uns auch nehmen; ansonsten wird sich kein Erfolg einstellen. Ein Versagen durch zu viel Tempo konnten wir in den letzten Jahren vor allem in der Bildungspolitik spüren. Hier hat die Vorgängerregierung dem grundsätzlich positiven Ansatz, allen Kindern gerecht zu werden, großen Schaden zugefügt.

Liebe Frau Beer, wenn Sie eben zitieren, dass die Monitoringstelle Aufholbedarf festgestellt hat, frage ich mich wirklich, was Sie in den letzten sieben Jahren getan haben.

Mit Blick auf den Antrag der Grünen war und ist die Einrichtung einer Monitoringstelle, um den Prozess zu begleiten, die Einhaltung der Rechte von Menschen mit Behinderung zu fördern und auch die Umsetzung zu überwachen, gut. Die Begleitung der Landesregierung durch das Deutsche Institut für Menschenrechte als NRW-Monitoringstelle zog schon im Februar 2017, vor 14 Monaten, einen ersten Bericht nach sich.

Selbstverständlich wird und muss die Arbeit kontinuierlich fortgesetzt werden. Ob in den letzten Monaten verwertbare neue Informationen zu verzeichnen sind, weiß nur die Monitoringstelle. Wie ich gerade gehört habe, gibt es ja aktuell erste Ergebnisse.

Darum ist aber trotzdem zu beachten, dass erstens eine solche Stelle unabhängig und frei agiert und selbstständig ihre Entscheidungen trifft und dass zweitens die Monitoringstelle sich allen Fraktionen schon zum Gespräch angeboten hat und somit jederzeit eine kontinuierliche Information möglich ist.

Leider nimmt der große Teil der Bevölkerung oft nur die schulische Inklusion wahr. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. In der Begründung Ihres Antrags nimmt dieser Aspekt auch eine Rolle ein, denn Sie erwarten hier konzeptionelle Entwürfe.

Ja, richtig, diese Konzepte werden Sie bekommen, wenn wir sie ruhig und zielgerichtet in der Sache ausgearbeitet haben. Dieses Vorgehen unterscheidet uns sehr. Gründlichkeit vor Schnelligkeit – wir nehmen uns die notwendige Zeit.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wie die Bildungsministerin schon mitgeteilt hat, ist dieses Konzept zur Neuausrichtung der schulischen Inklusion spätestens für das Schuljahr 2019/20 angekündigt. Die von der Landesregierung jetzt schon umgesetzten, sinnvollen Maßnahmen zum Schuljahr 2018/19 – die Sie eben teilweise angesprochen haben, Frau Beer – möchte ich aufgrund der fortgeschrittenen Zeit heute nicht aufzählen.

Der Überweisung des Antrags stimmen wir selbstverständlich zu. Dennoch sollten die Antragsteller mal überdenken, ob sich das Beschäftigen mit Selbstverständlichkeiten politisch auch positiv auswirkt. Ich hoffe nicht, dass wir uns wieder mit einer Anhörung zu diesem Thema beschäftigen müssen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Danke schön, Herr Kollege Rock. – Für die SPD spricht nun Frau Voigt-Küppers.

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Sigrid, wir werden natürlich diesem sinnvollen Antrag in vollem Umfang zustimmen.

Es ist – das hat auch Herr Rock ausgeführt – immer klug, sich beraten zu lassen, insbesondere von betroffenen Menschen, die uns mitteilen können, was sie brauchen und wie sie es brauchen. Insofern gibt es keinen Dissens, dass es sinnvoll ist, wenn sich die Monitoringstelle dem gesamten Inklusionsprozess – dazu gehört natürlich auch der schulische Inklusionsprozess – widmet.

Etwas einschränkend will ich an dieser Stelle sagen: Im Grunde genommen habe ich mich gefreut, dass wir diese Diskussion, die oft sehr hitzig und manchmal auch polemisch geführt worden ist, in letzter Zeit etwas sachorientierter geführt haben, zumindest an den wenigen Punkten, wo wir sie geführt haben.

Ein wenig enttäuscht bin ich aber darüber, dass wir zur Inklusion lange nichts gehört haben. Wir haben über die Mindestgrößenverordnung diskutiert. Anschließend haben wir meines Wissens über Inklusion überhaupt nicht mehr diskutiert, obwohl zum nächsten Schuljahr Maßstäbe verändert werden sollen, obwohl wir neue Richtlinien zur Mindestgröße bekommen sollen und obwohl an ganz vielen Stellen Riesenunterschiede existieren, wie Inklusion umgesetzt wird.

Ich freue mich, dass wir mit diesem Antrag wieder in eine gute Diskussion einsteigen können, und habe die Hoffnung, dass uns dabei die Monitoringstelle gute Tipps geben kann.

Herr Rock, ich verstehe Sie nicht ganz. Sie haben gerade ausgeführt, wir wären in der Vergangenheit in vielen Dingen viel zu schnell gewesen, weshalb Sie das jetzt langsamer machen könnten. Dann haben Sie uns jedoch vorgeworfen, dass wir gar nichts getan hätten. Das ergibt keine sinnvolle Argumentation. So kann das nicht diskutiert werden. Sie müssen sich schon für eins entscheiden.

Wir haben in der letzten Legislaturperiode sehr häufig gesagt – hier stimme ich Ihnen wieder zu, Herr Rock –, dass Inklusion eine Generationenaufgabe ist. Wir müssen lernen, mit dieser Aufgabe umzugehen. Auch dafür ist es besonders gut, Beratung zu haben.

Darüber hinaus haben wir immer wieder gesagt, dass wir uns selber korrigieren wollen und bereit sind, uns evaluieren zu lassen. Insofern wäre es gut, wenn wir alle diesem Antrag zustimmen würden. Es kann eigentlich nur uns allen nutzen, und ganz besonders hoffe ich, dass es den Betroffenen nutzt. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. Glück auf!

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die FDP spricht der Kollege Lenzen.

Stefan Lenzen (FDP): Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln einen Antrag der Grünen, bei dem ich mich frage, was wir mit diesen Forderungen anfangen sollen. Die Intentionen der Antragsteller sind klar: Sie wollen sich mit Blick auf die gestrige Anhörung der behindertenpolitischen Verbände aus NRW durch die Monitoring-Stelle der UN-Behindertenrechtskonvention als deren vermeintlicher Sachwalter präsentieren und suchen verzweifelt nach Argumenten für eine Kritik an der Inklusionspolitik des Landes. Ihre Forderungen gehen aber völlig an der Sache vorbei.

Erstens. Die Monitoringstelle ist in ihrer Arbeit völlig unabhängig. Das sollte auch Ihnen bewusst sein.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Man kann doch berichten!)

Sie entscheidet ganz alleine, ob und wie sie die Landesregierung in ihre Aktivitäten einbindet. Dazu zählt die angesprochene Verbändekonsultation ebenso wie Gespräche im politischen Raum. So habe auch ich in der letzten Woche die Gelegenheit gehabt, mich mit Frau Dr. Grobosch als die für NRW Verantwortliche auszutauschen. Es gibt also bereits Verknüpfungen mit der Arbeit des Landtags.

Zweitens. Die Stellungnahmen von Verbänden wie auch andere Informationen werden ausschließlich von der Monitoringstelle selber gesammelt und ausgewertet. Sie hat angekündigt, auch in der weiteren Arbeit die Vertreter der Politik zu beteiligen. Vor einer Auswertung sollten aber keine unkommentierten Stellungnahmen veröffentlicht werden. Die Forderung nach einem Bericht der Landesregierung über die Stellungnahme der Verbände läuft damit völlig ins Leere.

Drittens. Die Monitoringstelle plant, am Ende des Sommers einen ersten Bericht zur Lage in NRW zu veröffentlichen. Das hätten Sie erfahren, wenn Sie vorher einmal mit der Stelle gesprochen hätten. Zu diesem Bericht wird es einen Austausch mit den Fraktionen und dem Ministerium geben. Erst dann haben wir eine Grundlage, über die wir diskutieren können. Dann können wir bewerten, wo wir in der Inklusion auf einem guten Weg sind und wo wir noch nacharbeiten müssen. Vorher kann auch die Landesregierung keine Analysen der Monitoringstelle in ihre Arbeit einbeziehen. Auch Ihre zweite Forderung ist daher gegenstandslos.

Viertens. Sie stellen vorrangig die schulische Inklusion in den Fokus.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das ist überhaupt nicht wahr!)

Aber die Monitoringstelle – das hat sie uns letzte Woche mitgeteilt – wird in ihrem ersten Bericht besonders verschiedene Lebensbereiche analysieren, sei es gesellschaftliche Teilhabe, Wohnen oder Mobilität. Die schulische Inklusion stellt hier nur einen Ausschnitt dar.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Richtig!)

Insofern wundere ich mich schon, dass sich der Schulausschuss federführend mit dem Antrag befassen soll und nicht unser Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der eher für die Monitoringstelle zuständig wäre.

Bezüglich der schulischen Inklusion sollten sich aber gerade die Grünen ein bisschen kritischer hinterfragen. Wer hat denn die Probleme bei der Umsetzung der Inklusion zu verantworten? Wer hat denn die Kinder mit Behinderung ohne ausreichende personelle Unterstützung überall in Regelklassen geschickt? Wer ist denn auch wegen des Unmuts der Eltern im letzten Jahr abgewählt worden? Diese Fragen sollten Sie einmal beantworten.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Bevor man irgendwelche Berichte einfordert, sollte man sich die Mühe machen, mit der Monitoringstelle zu sprechen. Die NRW-Koalition musste doch erst einmal Ihre schlimmsten Fehler angehen, damit überhaupt die Rahmenbedingungen für ein gemeinsames Lernen geschaffen werden. Das haben wir mit unserer Schulministerin, der Regierung und der Koalition auch getan. Insofern ist das kommende Schuljahr ein Übergangsjahr.

Aber seien Sie versichert: Das Konzept zur Neuausrichtung der Inklusion wird mit der entsprechenden Sorgfalt erarbeitet und dann dem Parlament vorgelegt. Ich gehe davon aus, dass unsere Schulministerin mit ihrer realistischen Inklusionspolitik auf dem richtigen Weg ist.

Insofern hilft Ihr Antrag keinen Deut weiter. Aber der Überweisung in die Ausschüsse werden wir zustimmen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die AfD hat nun der Abgeordnete Herr Seifen das Wort.

Helmut Seifen*) (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der Grünen verfolgt den Zweck, die jetzige Landesregierung an eine Entscheidung der Vorgängerregierung zu binden.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Blödsinn!)

Das Deutsche Institut für Menschenrechte soll weiterhin als Instanz den Integrationsstand von Behinderten im Land überprüfen, Mängel in diesem Bereich dem Parlament melden und die eigenen Vorstellungen von Inklusion in die parlamentarischen Entscheidungsprozesse einpflegen.

Was hier so harmlos daherkommt und so erscheint, als wenn damit einer Professionalisierung der Behindertenbetreuung das Wort geredet wird, ist in Wirklichkeit doch eine verdeckte Maßnahme zur einseitigen Beeinflussung gewählter staatlicher Instanzen und die partielle, wenn auch nur partielle Entmündigung all der Menschen vor Ort, die sich längst ohne Vormundschaft einer Menschenrechtsorganisation um die Teilhabe Behinderter am gesellschaftlichen Leben kümmern.

(Beifall von der AfD)

Man muss nämlich wissen, dass das Deutsche Institut für Menschenrechte als Verein Unabhängigkeit genießt und somit die Besetzung und die Arbeit unkontrolliert und intransparent vollzogen werden kann.

Von welchen Interessen lassen sich die Mitglieder des Vereins leiten? Welche Maßstäbe legen sie bei der Beurteilung von Menschenrechtsfragen an? Unabhängigkeit ist doch nicht gleichzusetzen mit Objektivität, Überparteilichkeit oder Ideologiefreiheit.

(Beifall von der AfD)

Im Zusammenhang mit der Inklusionsidee ist die Position des Vereins durch seine eigene Pressemitteilung vom 30. Januar 2018 offensichtlich geworden. Dort beklagt der Verein, dass 40 % der Auszubildenden mit Behinderungen ihre Ausbildung in eigens dafür geschaffenen Einrichtungen erfolge. Das beklagt er also.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte dagegen fordert, die Ausbildung von Menschen mit Behinderung viel stärker auf den ersten Arbeitsmarkt zu verlagern. Damit vertritt der Verein ein totales und holistisches Inklusionsverständnis.

Diesem aber steht eine Alternative entgegen, nämlich ein gemäßigtes, approximatives, differenziertes Inklusionsverständnis. Das Letztere war maßgeblich für die Schul- und Bildungspolitik der letzten zig Jahre, und es war ein unglaublich erfolgreiches Modell.

Das mehrgliedrige Schulsystem mit den Förderschulen war nach den Vorstellungen eingerichtet, dass für die jungen Menschen ein begabtengerechtes Angebot vorgehalten werden müsse, das ihnen die Entfaltung ihrer Talente optimal ermöglicht. Ich darf zitieren mit Erlaubnis des Präsidenten:

„Sonderpädagogische Förderung soll das Recht der behinderten und von Behinderung bedrohten Kindern und Jugendlichen auf eine ihren persönlichen Möglichkeiten entsprechende schulische Bildung und Erziehung verwirklichen. Sie unterstützt und begleitet diese Kinder und Jugendlichen durch individuelle Hilfen, um für diese ein möglichst hohes Maß an schulischer und beruflicher Eingliederung, gesellschaftlicher Teilhabe und selbstständiger Lebensgestaltung zu erlangen.“

So ein Auszug aus dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. Mai 1994.

Die Folge solch eines approximativen, differenzierten Inklusionsmodells war eben gerade die gelungene Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft und in das Arbeitsleben. Die Gesetzgebung tat natürlich dann noch ein Übriges, um dieses erstrebenswerte Ziel der Eingliederung von Behinderten zu erleichtern und zu befördern. Dieses Modell war sehr erfolgreich.

Die Förderschullehrer an den Förderschulen in den Gemeinden des Kreises Borken zum Beispiel, wo ich die Erfahrung habe, hatten intensive Beziehungen zu den Betrieben in ihren Städten und im Umland und schafften es in sehr vielen Fällen, manchmal über 90 %, ihre Schülerinnen und Schüler in den Betrieben unterzubringen. Die Betreuung ging manchmal sogar über die Schulzeit hinaus.

Die verantwortungslose Zerschlagung dieses approximativen, differenzierten Inklusionsmodells durch die letzten drei Landesregierungen und die Durchsetzung des holistischen Nivellierens in Inklusionsmodelle in NRW hat zu den Verwerfungen in allen Schulen geführt, die wir beklagen, und hat vor allem auch den Schülerinnen und Schülern geschadet, die besonderen Förderbedarf haben.

(Beifall von der AfD)

Im Übrigen ist diese Umorientierung völlig unnötig gewesen und war schon gar nicht von der UN-Behindertenrechtskonvention gefordert. Diese bezog sich auf Staaten, in denen Menschen mit besonderem Förderbedarf oder einer Behinderung völlig vom gesellschaftlichen und beruflichen Leben ausgeschlossen sind. Das war in Deutschland Gott sei Dank schon ewig lange nicht mehr der Fall.

Die Unterwerfung unter die Sichtweise eines Vereins, der offiziell als Hüter der Menschenrechte gilt, letztlich aber doch – den Verdacht habe ich zumindest – nur bestimmte ideologische Auffassungen gesellschaftlich durchsetzen will, macht die AfD nicht mit. Die Vorliebe der Grünen für die Formung gesellschaftlicher Prozesse durch schulmeisterliche Regelungen teilen wir von der AfD nicht. Aber wir sind natürlich recht begierig darauf, genau dieses, Frau Beer, im Schulausschuss zu diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Danke schön. – Für die Landesregierung hat nun Minister Laumann das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zu dem Hintergrund des Antrags gehört: Das Land hat sich im Inklusionsgrundsätzegesetz verpflichtet, eine unabhängige Monitoringstelle zur Überwachung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention für Nordrhein-Westfalen einzurichten. Der Auftrag wur-de dem Deutschen Institut für Menschenrechte übertragen.

Das Institut ist die unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands. Das Institut ist mit dem Monitoring der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention betraut worden und hat hierfür bereits im Jahre 2009 eine entsprechende Monitoringstelle eingerichtet. Diese hat den Auftrag, für ganz Deutschland die Einhaltung der Rechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern und die Umsetzung der Konvention auf nationaler Ebene zu überwachen.

Um die Begleitung der Umsetzung in NRW zu vertiefen, haben das Land und das Deutsche Institut für Menschenrechte mit Wirkung zum 1. März 2017 einen Vertrag geschlossen.

Die Fraktion der Grünen verkennt in ihrem Antrag die Position der Monitoringstelle. Diese ist entsprechend den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention in ihrer Stellung und Arbeit völlig unabhängig. Das bedeutet, dass diese selbst entscheidet, inwieweit sie die Landesregierung bei ihren Aktivitäten beteiligt.

Vertragsgemäß hat die Landesregierung einen Anspruch darauf, dass die Monitoringstelle regelmäßig über ihre Arbeit berichtet. Daher hat die Monitoringstelle die Landesregierung darüber informiert, dass sie – neben anderen Maßnahmen – eine Verbändekonsultation durchführen wird, um sich ein besseres Bild von der Gesamtlage in unserem Land machen zu können.

Die von den Verbänden eingereichten Stellungnahmen liegen der Landesregierung nicht vor. Sie kann deshalb den Landtag darüber auch nicht unterrichten. Nach Abschluss der Verbändeanhörung entscheidet die Monitoringstelle unabhängig, wie sie die Ergebnisse der Verbändeanhörung aufarbeitet und die Landesregierung informiert.

Allerdings hat die Monitoringstelle im Rahmen der Verbändeanhörung am 25. April die Verbände befragt, ob diese mit einer Weiterleitung der Stellungnahmen an die Landesregierung einverstanden sind. Die Verbände können dieses innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist entscheiden. Insofern kann ich Ihnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zusagen, ob und welche Stellungnahmen zur Verfügung gestellt werden können.

Nach den Planungen der Monitoringstelle wird diese der Landesregierung im Sommer eine Analyse der Lage in Nordrhein-Westfalen vorlegen, die dann allen frei zugänglich gemacht wird.

Soweit im Antrag ausgeführt wird, dass die Erkenntnisse und Bewertungen der Monitoringstelle für die parlamentarische Arbeit relevant sind, teilt die Landesregierung diese Einschätzung dem Grunde nach.

Wie schon im April 2017 in der Antwort auf die Kleine Anfrage 5683 dargelegt, wird die Monitoringstelle ihre Möglichkeit nutzen, um die Fraktionen über ihre Arbeit auf dem Laufenden zu halten, siehe Drucksache 16/14743. Die Monitoringstelle hat die Landesregierung in diesem Zusammenhang darüber informiert, dass sie sich an alle Fraktionen gewandt und einen Austausch angeboten hat. Inwieweit die Fraktionen dieses Angebot angenommen haben, weiß die Landesregierung nicht.

Zum Bereich der schulischen Inklusion ist Folgendes anzumerken: Ziel ist, die Rahmenbedingungen des gemeinsamen Lernens zu verbessern. Darüber wurde der Ausschuss für Schule und Bildung Anfang des Jahres informiert.

Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, den Antrag federführend in den Ausschuss für Schule und Bildung zu überweisen. Dort wird das Gesamtkonzept zur Neuausrichtung der Inklusion in der Schule und zur sonderpädagogischen Förderung beraten.

Ich will noch einen Zusatz machen: Es ist für mich selbstverständlich, dass wir alle Informationen, die wir aus der Monitoringstelle bekommen, den Abgeordneten des nordrhein-westfälischen Landtags zur Verfügung stellen. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Die Grünen haben durch Frau Beer darum gebeten, die restliche Redezeit von einer Minute und zwölf Sekunden auszunutzen. Frau Beer, Sie haben das Wort.

Sigrid Beer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass natürlich die Monitoringstelle unabhängig ist. Aber sie berichtet der Landesregierung. Uns geht es jedoch darum, jetzt im Parlament einen Bericht zu haben und im Austausch zu sein. Das ist ja das Recht des Parlamentes. Daher bitten wir, das in den Fachausschüssen zu beraten. Die Monitoringstelle wird dann entscheiden, in welcher Art und Weise sie sich in die Diskussion einbringen kann. Das Gleiche gilt für die Verbände.

Aber warum ist es jetzt wichtig, das zu tun? – Weil jetzt Entscheidungen anstehen. Es stimmt ja nicht, dass erst zum Schuljahr 2019/2020 Entscheidungen getroffen werden. Gerade wird etwas vorbereitet, das hat Auswirkungen. Die Frage, ob keine neuen Schulen zum Beispiel mehr in den Inklusionsprozess eingehen können, hat dramatische Auswirkungen auf das Platzangebot. Und in welche Richtung wird weiterentwickelt? Ich denke, dazu können uns die Behindertenverbände und auf der anderen Seite auch die Monitoring-Stelle wichtige Hinweise geben.

Herr Rock, ich denke, wir werden eine Anhörung machen müssen, damit wir genau in diesen Diskurs mit hineinkommen.

Ein letztes Wort an Herrn Seifen. Das Inklusionspositionspapier in Thüringen sieht zurzeit sogar vor, dass sie möchten, dass Eltern und andere Schüler darüber abstimmen können, ob behinderte Kinder in ihren Unterricht kommen. Die UN-Behinderten-rechtskonvention sagt: Inklusion ist ein Menschenrecht.

(Helmut Seifen [AfD]: Genau!)

Das ist der Grundsatz! Darüber stimmen wir nicht nach Beliebigkeit ab.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Und diesen Grundsatz hat die KMK im Jahr 2010 auch bekräftigt. Und von diesem Weg wird in Nordrhein-Westfalen nicht abgewichen.

(Markus Wagner [AfD]: Dieses Menschenrecht ist bereits erfüllt, Frau Beer! – Christian Loose [AfD]: Förderschulen waren Menschenrecht! Die haben Sie abgeschafft! Darunter leiden die Kinder!)

Wir werden uns über die Frage der Entwicklung unterhalten, aber um das Menschenrecht geht es nicht mehr.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsident André Kuper: Meine Damen und Herren! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind an den Schluss der Aussprache angekommen.

Wir stimmen ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2388 an den Ausschuss für Schule und Bildung – federführend –, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen, an den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen, an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend, an den Ausschuss für Europa und Internationales, an den Wissenschaftsausschuss, an den Verkehrsausschuss, an den Sportausschuss sowie an den Integrationsausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen.

Wenn Sie dieser Überweisungsempfehlung folgen wollen, bitte ich ums Handzeichen. – Das sind die SPD, die Grünen, die CDU, die FDP, die AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Haben wir Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall.

Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der heutigen Sitzung.

Das Plenum berufe ich wieder ein für Mittwoch, 16. Mai 2018, 10 Uhr.

Ich wünsche einen angenehmen Abend, ein schönes Wochenende und einen guten 1. Mai.

Die Sitzung ist geschlossen.

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

Schluss: 18:51 Uhr

 

Anlage

Namentliche Abstimmung zu TOP 8 – Keine Entscheidung über eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung für den Flughafen Köln/Bonn vor Abschluss des laufen Planfeststellungsverfahrens! – Drucksache 17/2387

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Frau Altenkamp

SPD

 

x

 

2

 Frau Aymaz

GRÜNE

x

 

 

3

 Herr Baran

SPD

 

x

 

4

 Herr Beckamp

AfD

 

x

 

5

 Herr Becker, Andreas

SPD

 

x

 

6

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

x

 

 

7

 Frau Beer

GRÜNE

x

 

 

8

 Herr Bell

SPD

 

x

 

9

 Herr van den Berg

SPD

 

x

 

10

 Herr Dr. Berger

CDU

 

x

 

11

 Herr Berghahn

SPD

abwesend

12

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

x

 

13

 Herr Bialas

SPD

 

x

 

14

 Herr Biesenbach

CDU

entschuldigt

15

 Herr Bischoff

SPD

 

x

 

16

 Frau Blask

SPD

 

x

 

17

 Herr Dr. Blex

AfD

 

x

 

18

 Herr Blöming

CDU

 

x

 

19

 Herr Blondin

CDU

 

x

 

20

 Herr Börner

SPD

 

x

 

21

 Herr Börschel

SPD

 

x

 

22

 Herr Bolte-Richter

GRÜNE

x

 

 

23

 Herr Bombis

FDP

 

x

 

24

 Frau Bongers

SPD

 

x

 

25

 Herr Boss

CDU

 

x

 

26

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

 

x

 

27

 Herr Braun

CDU

 

x

 

28

 Frau Brems

GRÜNE

x

 

 

29

 Herr Brockes

FDP

 

x

 

30

 Herr Brockmeier

FDP

 

x

 

31

 Frau Dr. Büteführ

SPD

 

x

 

32

 Frau Butschkau

SPD

 

x

 

33

 Herr Dahm

SPD

abwesend

34

 Herr Deppe

CDU

 

x

 

35

 Herr Déus

CDU

 

x

 

36

 Herr Deutsch

FDP

 

x

 

37

 Herr Diekhoff

FDP

 

x

 

38

 Herr Dudas

SPD

 

x

 

39

 Frau Düker

GRÜNE

x

 

 

40

 Frau Dworeck-Danielowski

AfD

 

x

 

41

 Frau Erwin

CDU

entschuldigt

42

 Herr Fortmeier

SPD

entschuldigt

43

 Herr Franken

CDU

 

x

 

44

 Frau Freimuth

FDP

 

x

 

45

 Herr Freynick

FDP

 

x

 

46

 Herr Frieling

CDU

 

x

 

47

 Frau Fuchs-Dreisbach

CDU

 

x

 

48

 Herr Ganzke

SPD

 

x

 

49

 Frau Gebauer, Katharina

CDU

 

x

 

50

 Frau Gebauer, Yvonne

FDP

 

x

 

51

 Frau Gebhard

SPD

abwesend

52

 Herr Dr. Geerlings

CDU

 

x

 

53

 Herr Göddertz

SPD

 

x

 

54

 Frau Gödecke

SPD

 

x

 

55

 Herr Goeken

CDU

 

x

 

56

 Herr Golland

CDU

 

x

 

57

 Herr Hafke

FDP

 

x

 

58

 Herr Hagemeier

CDU

 

x

 

59

 Frau Hammelrath

SPD

 

x

 

60

 Frau Hannen

FDP

 

x

 

61

 Herr Haupt

FDP

 

x

 

62

 Herr Herter

SPD

entschuldigt

63

 Herr Höne

FDP

 

x

 

64

 Herr Hoppe-Biermeyer

CDU

 

x

 

65

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

x

 

66

 Herr Hübner

SPD

 

x

 

67

 Herr Jäger

SPD

 

x

 

68

 Herr Jahl

SPD

entschuldigt

69

 Herr Jörg

SPD

entschuldigt

70

 Herr Kämmerling

SPD

 

x

 

71

 Herr Kaiser

CDU

 

x

 

72

 Herr Kamieth

CDU

 

x

 

73

 Frau Kampmann

SPD

 

x

 

74

 Frau Kapteinat

SPD

 

x

 

75

 Herr Dr. Katzidis

CDU

 

x

 

76

 Herr Kehrl

CDU

 

x

 

77

 Herr Keith

AfD

 

x

 

78

 Herr Kerkhoff

CDU

 

x

 

79

 Herr Keymis

GRÜNE

x

 

 

80

 Herr Klenner

CDU

 

x

 

81

 Herr Klocke

GRÜNE

x

 

 

82

 Herr Körfges

SPD

 

x

 

83

 Herr Körner

FDP

 

x

 

84

 Frau Kopp-Herr

SPD

 

x

 

85

 Frau Korte

CDU

 

x

 

86

 Herr Korth

CDU

 

x

 

87

 Herr Kossiski

SPD

 

x

 

88

 Frau Kraft

SPD

abwesend

89

 Herr Kramer

SPD

 

x

 

90

 Herr Krauß

CDU

 

x

 

91

 Herr Krückel

CDU

 

x

 

92

 Herr Kuper

CDU

 

x

 

93

 Herr Kutschaty

SPD

 

x

 

94

 Herr Langguth

fraktionslos

entschuldigt

95

 Herr Laschet

CDU

abwesend

96

 Herr Lehne

CDU

 

x

 

97

 Herr Lenzen

FDP

 

x

 

98

 Herr Lienenkämper

CDU

 

x

 

99

 Herr Löcker

SPD

 

x

 

100

 Herr Löttgen

CDU

 

x

 

101

 Herr Loose

AfD

 

x

 

102

 Frau Lück

SPD

 

x

 

103

 Frau Lüders

SPD

 

x

 

104

 Herr Lürbke

FDP

 

x

 

105

 Frau Lux

SPD

 

x

 

106

 Herr Dr. Maelzer

SPD

 

x

 

107

 Herr Mangen

FDP

 

x

 

108

 Herr Matheisen

FDP

 

x

 

109

 Herr Middeldorf

FDP

 

x

 

110

 Herr Moritz

CDU

 

x

 

111

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

x

 

 

112

 Herr Müller, Frank

SPD

 

x

 

113

 Herr Müller, Holger

CDU

 

x

 

114

 Frau Müller-Rech

FDP

 

x

 

115

 Frau Müller-Witt

SPD

abwesend

116

 Herr Dr. Nacke

CDU

 

x

 

117

 Herr Neppe

fraktionslos

 

x

 

118

 Herr Nettekoven

CDU

 

x

 

119

 Herr Neumann

SPD

 

x

 

120

 Herr Dr. Nolten

CDU

 

x

 

121

 Herr Nückel

FDP

 

x

 

122

 Frau Oellers

CDU

 

x

 

123

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

 

x

 

124

 Herr Ott

SPD

 

x

 

125

 Herr Panske

CDU

 

x

 

126

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

x

 

 

127

 Herr Paul, Stephen

FDP

 

x

 

128

 Frau Dr. Peill

CDU

 

x

 

129

 Herr Petelkau

CDU

 

x

 

130

 Herr Dr. Pfeil

FDP

 

x

 

131

 Frau Philipp

SPD

 

x

 

132

 Frau Plonsker

CDU

 

x

 

133

 Herr Pretzell

fraktionslos

 

x

 

134

 Herr Preuß

CDU

 

x

 

135

 Frau Quik

CDU

 

x

 

136

 Herr Rasche

FDP

 

x

 

137

 Herr Rehbaum

CDU

 

x

 

138

 Herr Remmel

GRÜNE

entschuldigt

139

 Herr Reuter

FDP

 

x

 

140

 Herr Ritter

CDU

 

x

 

141

 Herr Rock

CDU

 

x

 

142

 Herr Röckemann

AfD

 

x

 

143

 Herr Römer

SPD

entschuldigt

144

 Herr Prof. Dr. Rudolph

SPD

 

x

 

145

 Herr Rüße

GRÜNE

x

 

 

146

 Frau dos Santos Herrmann

SPD

 

x

 

147

 Frau Schäffer

GRÜNE

x

 

 

148

 Herr Schick

CDU

 

x

 

149

 Frau Schlottmann

CDU

 

x

 

150

 Herr Schmeltzer

SPD

 

x

 

151

 Herr Schmitz

CDU

 

x

 

152

 Herr Schneider, René

SPD

entschuldigt

153

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

x

 

154

 Herr Schnelle

CDU

 

x

 

155

 Herr Scholz

CDU

 

x

 

156

 Herr Schrumpf

CDU

 

x

 

157

 Herr Schultheis

SPD

 

x

 

158

 Frau Schulze Föcking

CDU

entschuldigt

159

 Herr Seifen

AfD

 

x

 

160

 Herr Sieveke

CDU

 

x

 

161

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

entschuldigt

162

 Herr Dr. Stamp

FDP

 

x

 

163

 Frau Steffens

GRÜNE

 

x

 

164

 Herr Stinka

SPD

 

x

 

165

 Frau Stock

SPD

 

x

 

166

 Frau Stotz

SPD

 

x

 

167

 Herr Sträßer

CDU

 

x

 

168

 Herr Strotebeck

AfD

 

x

 

169

 Frau Stullich

CDU

 

x

 

170

 Herr Sundermann

SPD

 

x

 

171

 Herr Terhaag

FDP

 

x

 

172

 Herr Tigges

CDU

 

x

 

173

 Herr Tritschler

AfD

 

x

 

174

 Frau Troles

CDU

 

x

 

175

 Herr Dr. Untrieser

CDU

 

x

 

176

 Herr Dr. Vincentz

AfD

 

x

 

177

 Herr Voge, Marco

CDU

 

x

 

178

 Herr Vogel, Nic Peter

AfD

 

x

 

179

 Herr Vogt, Alexander

SPD

abwesend

180

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

x

 

181

 Frau Voigt-Küppers

SPD

 

x

 

182

 Frau Voßeler

CDU

 

x

 

183

 Herr Voussem

CDU

 

x

 

184

 Herr Wagner

AfD

 

x

 

185

 Frau Walger-Demolsky

AfD

 

x

 

186

 Frau Watermann-Krass

SPD

 

x

 

187

 Herr Watermeier

SPD

 

x

 

188

 Herr Weiß

SPD

 

x

 

189

 Frau Wendland

CDU

 

x

 

190

 Frau Weng

SPD

 

x

 

191

 Frau Wermer

CDU

 

x

 

192

 Herr Weske

SPD

 

x

 

193

 Frau Winkelmann

CDU

 

x

 

194

 Herr Witzel

FDP

 

x

 

195

 Herr Wolf

SPD

 

x

 

196

 Herr Wüst

CDU

 

x

 

197

 Herr Yetim

SPD

 

x

 

198

 Herr Yüksel

SPD

 

x

 

199

 Herr Zimkeit

SPD

 

x

 

 

Ergebnis

 

24

124

0