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Landtag

Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen

17/22

17. Wahlperiode

21.03.2018

 

22. Sitzung          Neudruck

Düsseldorf, Mittwoch, 21. März 2018

Mitteilungen des Präsidenten. 7

Vor Eintritt in die Tagesordnung. 7

Verpflichtung eines neuen Mitglieds des Landtags  7

Antrag der Fraktion der AfD auf Änderung der Tagesordnung  7

Markus Wagner (AfD) 7

Matthias Kerkhoff (CDU) 8

Ergebnis. 8

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen auf Änderung der Tagesordnung  9

Ergebnis
(Nachtrag zu dem Ergebnis
s. nach Abstimmung zu TOP 2) 9

1   Wahl und Vereidigung von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2216. 9

Ergebnis. 10

2   Luftqualität in unseren Städten verbessern, Fahrverbote vermeiden – Maßnahmen der Landesregierung für eine nachhaltige Mobilitätswende

Unterrichtung
der Landesregierung

In Verbindung mit

Hardware-Nachrüstung bei Dieselfahrzeugen auf Kosten der Automobilindustrie – jetzt!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2144. 11

Ministerpräsident Armin Laschet 11

Christian Dahm (SPD) 15

Arndt Klocke (GRÜNE) 17

Bodo Löttgen (CDU) 20

Bodo Middeldorf (FDP) 24

Dr. Christian Blex (AfD) 26

Marcus Pretzell (fraktionslos) 28

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 29

André Stinka (SPD) 32

Johannes Remmel (GRÜNE) 34

Christian Loose (AfD) 35

Ergebnis. 36

3   Gesetz zum Abbau unnötiger und belastender Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen – Entfesselungspaket I

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/1046

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für
Wirtschaft, Energie und Landesplanung
Drucksache 17/2170

Änderungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2212

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/1249

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/1990

zweite Lesung. 37

Henning Rehbaum (CDU) 37

Frank Sundermann (SPD) 37

Ralph Bombis (FDP) 38

Horst Becker (GRÜNE) 40

Christian Loose (AfD) 41

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 42

Oliver Kehrl (CDU) 44

Horst Becker (GRÜNE) 45

Frank Sundermann (SPD) 45

Christian Loose (AfD) 46

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 46

Ergebnis. 47

Ergebnis der namentlichen Abstimmung
über Art. 1 des Änderungsantrags
Drucksache 17/2212 siehe Anlage 1

4   Ganztag für die Zukunft fit machen – OGS-Gipfel einberufen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2164. 48

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD) 48

Claudia Schlottmann (CDU) 49

Alexander Brockmeier (FDP) 50

Sigrid Beer (GRÜNE) 51

Helmut Seifen (AfD) 53

Ministerin Yvonne Gebauer 54

Jochen Ott (SPD) 55

Nichtförmliche Rüge  
des Abgeordneten Jochen Ott
s. Protokoll der 23. Plenarsitzung unter
Vor Eintritt in die Tagesordnung. 56

Ergebnis. 56

5   Insektenvielfalt erhalten – Neonicotinoide endgültig aus dem Verkehr ziehen!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2146

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2219. 56

Norwich Rüße (GRÜNE) 56

Bianca Winkelmann (CDU) 57

Annette Watermann-Krass (SPD) 59

Markus Diekhoff (FDP) 59

Dr. Christian Blex (AfD) 60

Ministerin Christina Schulze Föcking. 61

Ergebnis. 62

6   Der deutschen Nationalhymne gebührt eine gesetzliche Normierung in der historisch überlieferten Form

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2148. 62

Thomas Röckemann (AfD) 62

Dr. Marcus Optendrenk (CDU) 63

Prof. Dr. Rainer Bovermann (SPD) 64

Stephen Paul (FDP) 66

Josefine Paul (GRÜNE) 67

Minister Herbert Reul 68

Ergebnis. 68

Namentliche Abstimmung
siehe Anlage 2

7   Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes (AG-TPG) vom 9. November 1999 in der Fassung vom 13. Februar 2016

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2121

erste Lesung. 68

Jochen Klenner (CDU) 68

Susanne Schneider (FDP) 69

Angela Lück (SPD) 70

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 71

Dr. Martin Vincentz (AfD) 72

Minister Karl-Josef Laumann. 72

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 73

Ergebnis. 74

8   Wir brauchen ein Demokratiefördergesetz!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/508

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 17/2172. 74

Daniel Hagemeier (CDU) 74

Elisabeth Müller-Witt (SPD) 75

Angela Freimuth (FDP) 77

Verena Schäffer (GRÜNE) 78

Markus Wagner (AfD) 79

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 80

Dr. Stefan Nacke (CDU) 81

Thomas Kutschaty (SPD) 82

Roger Beckamp (AfD) 83

Nichtförmliche Rüge  
des Abgeordneten Roger Beckamp
s. Protokoll der 23. Plenarsitzung unter
Vor Eintritt in die Tagesordnung. 83

Ergebnis. 84

9   Fragestunde

Drucksache 17/2200. 84

Mündliche Anfrage 11

der Abgeordneten Wibke Brems (Bündnis 90/Die Grünen )

Stimmt die Landesregierung einem Transport der 152 Castoren aus Jülich nach Ahaus zu?  84

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 84

Mündliche Anfrage 12

des Abgeordneten Norwich Rüße (Bündnis 90/Die Grünen )

Erschwert die Landesregierung die Bekämpfung von Umwelt- und Lebensmittelkriminalität?  90

Ministerin Christina Schulze Föcking. 91

Mündliche Anfrage 13

des Abgeordneten Arndt Klocke (GRÜNE) 96

Beantwortung in der
nächsten Fragestunde

10 Chancen für alle – eine solide Ausbildung sicherstellen, neue Arbeitsplätze schaffen, Beschäftigte weiterbilden

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2154. 96

Marco Schmitz (CDU) 96

Stefan Lenzen (FDP) 97

Gordan Dudas (SPD) 98

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE) 99

Herbert Strotebeck (AfD) 100

Minister Karl-Josef Laumann. 101

Ergebnis. 104

11 Landesregierung muss die Einführung einer Statistik über Angriffe mit Stichwaffen veranlassen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2162. 104

Entschließungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2221. 104

Ergebnis. 104

12 Förderlücke schließen: Ausbildung und Studium für Asylsuchende in andauernden Asylverfahren ermöglichen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2145. 104

Ergebnis. 104

13 Vertrauen in unsere Hochschulen stärken – Hochschulfreiheit wiederherstellen!

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2155. 104

Dr. Stefan Berger (CDU) 104

Moritz Körner (FDP) 105

Dietmar Bell (SPD) 106

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE) 107

Helmut Seifen (AfD) 108

Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. 109

Ergebnis. 110

14 Kassenbetrug schadet der Allgemeinheit – Schnelles Handeln ist gefragt

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2165. 110

Markus Herbert Weske (SPD) 110

Bernd Krückel (CDU) 111

Ralf Witzel (FDP) 112

Monika Düker (GRÜNE) 113

Herbert Strotebeck (AfD) 114

Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 115

Ergebnis. 116

15 Zufriedenheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst stärken und hohe Krankenstände in der Landesverwaltung durch ein aktives behördliches Gesundheitsmanagement senken

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2160. 116

Ergebnis. 116

16 Gesetz zur Änderung des Gesundheitsfachberufeweiterentwicklungsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2113

erste Lesung. 116

Minister Karl-Josef Laumann
zu Protokoll
(siehe Anlage 3)

Ergebnis. 116

17 Gesetz zur Änderung des Polizeiorganisationsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2114

erste Lesung. 117

Minister Herbert Reul 117

Ergebnis. 117

18 Gesetz zur Modernisierung des Bauordnungsrechts in Nordrhein-Westfalen – Baurechtsmodernisierungsgesetz (BauModG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2166

erste Lesung. 117

Ministerin Ina Scharrenbach
zu Protokoll
(siehe Anlage 4)

Ergebnis. 117

19 Willkommenskultur für gute Ideen – Initiative ergreifen für das Gründerland NRW

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2153. 117

Ergebnis. 118

20 Integration strukturiert gestalten – Qualifizierung und Professionalisierung von Migrantenselbstorganisationen weiterentwickeln

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2157. 118

Ergebnis. 118

21 Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der U. GmbH & Co.KG, vertreten durch den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH H., – Bevollmächtigte: MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Holbeinstraße 24, 04229 Leipzig – gegen die §§ 3, 4, 6, 11 und 12 des Gesetzes über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an Windparks in Mecklenburg-Vorpommern (Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz – BüGembeteilG M-V) vom 18. Mai 2016 (GVOB 2 M-V S. 258)

1 BvR 1187/17 –

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 17/2116. 118

Ergebnis. 118

22 Noch nicht genehmigte über- und außerplanmäßige Ausgaben des Haushaltsjahres 2016

Vorlage 17/616

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/2173. 118

Ergebnis. 118

23 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 5
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/2199. 118

Ergebnis. 119

24 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/10
gemäß § 97 Abs. 8
der Geschäftsordnung. 119

Ergebnis. 119

Anlage 1. 121

Namentliche Abstimmung zu TOP 3 – Gesetz zum Abbau unnötiger und belastender Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen – Entfesselungspaket I (hier Änderungsantrag Drucksache 17/2212 betreffend die Änderung des Artikels 1 – Änderung des Ladenöffnungsgesetzes

Anlage 2. 127

Namentliche Abstimmung zu TOP 6 – Der deutschen Nationalhymne gebührt eine gesetzliche Normierung in der historisch überlieferten Form – Drucksache 17/2148

Anlage 3. 133

Zu TOP 16 – „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesundheitsfachberufeweiterentwicklungsgesetzes“ – zu Protokoll gegebene Rede

Minister Karl-Josef Laumann. 133

Anlage 4. 135

Zu TOP 18 – „Gesetz zur Modernisierung des Bauordnungsrechts in Nordrhein-Westfalen – Baurechtsmodernisierungsgesetz (BauModG NRW)“ – zu Protokoll gegebene Rede

Ministerin Ina Scharrenbach. 135

 

 

Entschuldigt waren:

Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner

Minister Lutz Lienenkämper

Armin Jahl (SPD)

Hannelore Kraft (SPD) 
(bis 13 Uhr)

René Schneider (SPD)

Christof Rasche (FDP)

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE)   
(bis 14 Uhr)

Iris Dworeck-Danielowski (AfD)

 


Beginn: 10:04 Uhr

Präsident André Kuper: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 22. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen in den Medien und auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Geburtstag feiern heute Herr Dr. Günther Bergmann von der Fraktion der CDU

(Allgemeiner Beifall)

und Herr Dr. Werner Pfeil von der Fraktion der FDP.

(Allgemeiner Beifall)

Herzlichen Glückwunsch und alles Gute im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Landtags!

Vor Eintritt in die Tagesordnung haben wir gemäß § 2 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung eine neue Abgeordnete des Landtags zu verpflichten. Der Landeswahlleiter des Landes Nordrhein-Westfalen hat mir mit Schreiben vom 19. März 2018 mitgeteilt, dass mit Wirkung vom 19. März 2018 Frau Inge Blask von der SPD für die ausgeschiedene Abgeordnete Frau Svenja Schulze von der SPD Mitglied des Landtags geworden ist.

Ich darf nun Frau Blask zu mir bitten, damit ich die nach § 2 unserer Geschäftsordnung vorgesehene Verpflichtung vornehmen kann. Alle anderen Anwesenden bitte ich, sich für die Verpflichtung von den Plätzen zu erheben, soweit es Ihnen möglich ist.

(Die Anwesenden erheben sich.)

Sehr geehrte Frau Blask, ich bitte Sie, die folgenden Worte der Verpflichtungserklärung anzuhören und anschließend durch Handschlag zu bekräftigen:

Die Mitglieder des Landtags von Nordrhein-Westfalen bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des Landes Nordrhein-Westfalen widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegenüber jedem Menschen dem Frieden dienen werden. – Sie bekräftigen das mit dem Handschlag.

Herzlichen Glückwunsch und auf eine gute Zusammenarbeit zum Wohle der Menschen in unserem Land!

(Allgemeiner Beifall – Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

Bevor wir in die heutige Tagesordnung eintreten, müssen wir uns mit zwei Anträgen zur Änderung der Tagesordnung für die heutige und die morgige Plenarsitzung befassen.

Zum ersten Antrag auf Änderung der Tagesordnung: Die AfD-Fraktion hat mit Schreiben vom gestrigen Tag beantragt, gemäß § 20 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung den heutigen Tagesordnungspunkt 1 „Wahl und Vereidigung von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen“ abzusetzen.

Zur Begründung dieses Antrags hat sich der Vorsitzende der Fraktion der AfD, Herr Abgeordneter Wagner, zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort mit dem Hinweis, dass sich der Redebeitrag gemäß § 29 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung nur auf die geschäftsordnungsgemäße Behandlung beziehen und nicht länger als drei Minuten dauern darf. – Herr Wagner, Sie haben das Wort.

Markus Wagner (AfD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hier soll also gleich die Wahl von Verfassungsrichtern vonstattengehen, von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen. Dazu möchte ich einige Anmerkungen machen.

Die Wahl von Verfassungsrichtern ist sicherlich eines der vornehmsten Privilegien des Parlaments. Dieses Parlament besteht allerdings aus mehr als vier Fraktionen. Die AfD-Fraktion hat die Personalvorschläge zur Wahl der Verfassungsrichter am gestrigen Abend um ca. 18 Uhr per Drucksache erhalten. Wegen der Kürze der Zeit war es uns daher nicht möglich, darüber zu beraten, ob die Kandidaten für die AfD-Fraktion zustimmungsfähig sind, ob wir sie ablehnen oder ob wir uns enthalten.

Schlimmer jedoch ist: Hier wurde ein Verfahren gewählt, nach dem Mitglieder des höchsten Gerichts in Nordrhein-Westfalen gewählt werden sollen, ohne dass sie sich jemals persönlich bei den Fraktionen – zumindest in nichtöffentlicher Sitzung im Rechtsausschuss – vorgestellt hätten. Diese Art und Weise ist eines Parlaments nicht würdig. Würdig wäre es gewesen, wenn alle Fraktionen dieses Parlaments rechtzeitig über die Personalia unterrichtet worden wären. Würdig wäre es vielleicht auch gewesen, wenn sich die Kandidaten allen Fraktionen vorgestellt hätten, zumindest in nichtöffentlicher Sitzung im Rechtsausschuss.

Es geht hier nicht alleine darum, dass die AfD-Fraktion nicht über die Personalvorschläge informiert wurde, es geht hier auch um die Würde des Parlaments. Die Würde des Parlaments besagt zumindest in meinen Augen, dass alle Fraktionen in gleichberechtigter Art und Weise über solche Personalvorschläge informiert sein müssen. Dabei ist es mir völlig egal, ob die „heilige Vierfaltigkeit“ aus CDU, SPD, FDP und Grünen gemeinsam einen solchen Vorschlag macht und wir dabei außen vor gelassen werden.

Entscheidend ist für mich: Der Parlamentarismus verlangt von uns, dass alle Fraktionen in gleicher Art und Weise, in gleichem Maße und mit einem vernünftigen Vorlauf über diese Personalia, die immerhin den Verfassungsgerichtshof in Nordrhein-Westfalen betreffen, informiert werden.

Deswegen beantragen wir die Absetzung dieses Tagesordnungspunkts, damit sich alle Fraktionen dieses Parlaments in angemessener Weise und in angemessener Zeit mit den Personalia beschäftigen können.

Wenn es allerdings so sein sollte, wie ich befürchte, nämlich dass die vier anderen Fraktionen unseren Antrag ablehnen, dann werden wir ihnen diese Bühne gerne freiwillig überlassen und uns bei der Wahl der Mitglieder für den Verfassungsgerichtshof zurückziehen. Aber bevor Sie sich zu früh freuen: Wir kommen dann auch wieder.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Ich sehe, das ist der Fall. Herr Kerkhoff, bitte.

Matthias Kerkhoff (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Wahl von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, und die Wahl findet ohne Debatte statt. Dies heute im Rahmen einer Geschäftsordnungsdebatte doch zu thematisieren, ist gegen den Geist dieser Vorschrift und beschädigt damit auch den Verfassungsgerichtshof.

(Beifall von der CDU und der FDP – Helmut Seifen [AfD]: Geist des Parlaments!)

Da der Wahlvorschlag von CDU, SPD, FPD und Bündnis 90/Die Grünen gemacht wird, ist die eben angesprochene Mehrheit von zwei Dritteln sichergestellt. Der Wahlvorschlag ist im Übrigen allen Abgeordneten des Landtags gestern zugegangen und auch gestern bzw. vorgestern in den antragstellenden Fraktionen beschlossen worden.

Herr Wagner, Sie können diesem Wahlvorschlag mit Ihrer Fraktion zustimmen, Sie können ihn ablehnen. Das ist einzig und allein Ihre Angelegenheit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich will dann noch – weil Sie es angesprochen haben – die Kategorie „Umgang im Parlament“ erwähnen.

(Helmut Seifen [AfD]: Ausgerechnet Sie!)

Ich verstehe dieses Parlament, diesen Landtag als Ort der politischen Auseinandersetzung. Wenn es ein Fußballfeld wäre, dann würde ich sagen: Hier spielen Regierung und Oppositionsfraktionen gegeneinander. Tore fallen mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Es steht auch mal jemand im Abseits, und es gibt Fouls. Aber den Rasen pflegen wir alle gemeinsam. Dieser gemeinsam gepflegte Rasen ist die demokratische Kultur, sind die Regeln, die wir uns geben, der persönliche Respekt auch bei unterschiedlicher Meinung. Sie sind nicht hierhin gekommen, um mitzuspielen, sondern um diesen Rasen kaputt zu treten. Das lassen wir uns nicht gefallen und benennen das auch klar und deutlich.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Im Ernst: Meinen Sie wirklich, dass wir mit Ihnen über die Frage von Verfassungsrichtern verhandeln und diskutieren, während ein Teil Ihrer Fraktion in Syrien Fotos mit dem Großmufti macht, Poolfotos aus Syrien verschickt …

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zurufe von Christian Loose [AfD])

– Sie müssen sich das schon anhören. – … und twittert: „Hier ist alles super, die Sonne scheint, die Menschen sind freundlich“?

(Zurufe von der AfD)

Sie verhöhnen die Opfer des Krieges,

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

die unschuldigen Opfer von Terror und Gewalt und beklagen sich darüber, dass Sie hier nicht eingebunden sind.

(Christian Loose [AfD]: Reden Sie zur Sache!)

Das kann nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag der AfD. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Abgeordneten der AfD plus die fraktionslosen Abgeordneten. Wer ist dagegen? – Das ist die SPD, das sind die Grünen, das ist die CDU, und das ist die FDP. Wer enthält sich der Stimme? – Das ist der fraktionslose Abgeordnete Pretzell. Damit ist der Antrag, Tagesordnungspunkt 1 „Wahl und Vereidigung von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen“ abzusetzen, abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir kommen dann zu einem zweiten Antrag auf Änderung der Tagesordnung. Die Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben mit Schreiben vom gestrigen Tag beantragt, gemäß § 20 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung die heutige und die morgige Tagesordnung wie folgt zu ändern:

Erstens. Der Antrag der Fraktion der Grünen Drucksache 17/2144 „Hardware-Nachrüstung bei Dieselfahrzeugen auf Kosten der Automobilindustrie – jetzt!“ soll in verbundener Debatte mit der für heute angemeldeten Unterrichtung durch die Landesregierung, die unter Tagesordnungspunkt 2 vorgesehen ist, beraten und abgestimmt werden.

Zweitens. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/472 „Präventionsmaßnahmen gegen Neosalafismus in Nordrhein-Westfalen nachhaltig verankern und ausbauen“ soll nicht heute, sondern in der morgigen Plenarsitzung als Tagesordnungspunkt 3 beraten und abgestimmt werden.

Drittens. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2146 „Insektenvielfalt erhalten – Neonicotinoide endgültig aus dem Verkehr ziehen!“ soll nicht heute, sondern in der morgigen Sitzung als Tagesordnungspunkt 5 beraten und abgestimmt werden.

Schließlich soll viertens gemäß § 82 Abs. 2b unserer Geschäftsordnung der Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/1818 „Abitur nach 9 Jahren – (Oberstufen)Reform richtig angehen“ in der morgigen Plenarsitzung, wie bereits ausgewiesen, unter Tagesordnungspunkt 2 mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Dauer der Bildungsgänge im Gymnasium (13. Schulrechtsänderungsgesetz)“ in einem Beratungsverfahren behandelt werden.

Eine Aussprache zu diesen beantragten Änderungen wird von den antragstellenden Fraktionen nicht gewünscht. Gibt es gleichwohl Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Ich frage zunächst, ob es Bedenken gibt, über diesen Antrag insgesamt, also in allen vier Nuancen, abzustimmen. – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die SPD, die Grünen, die CDU, die FDP und die drei fraktionslosen Abgeordneten. Wer ist dagegen? – Das ist die Fraktion der AfD. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag angenommen.

Wir treten damit in die heutige Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1   Wahl und Vereidigung von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen

Wahlvorschlag
der Fraktion der CDU,
der Fraktion der SPD,
der Fraktion der FDP und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2216

Zu diesem Tagesordnungspunkt darf ich die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Frau Dr. Ricarda Brandts, und die erste Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen, Frau Margarete Gräfin von Schwerin, sowie weitere Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs herzlich begrüßen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Die Mitglieder der Fraktion der AfD verlassen den Saal.)

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 hat der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen mitgeteilt, dass Frau Präsidentin des Oberlandesgerichts Anne-José Paulsen mit Ablauf des Monats Februar aus ihren Ämtern als Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf und als Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofs ausscheidet. Damit scheidet auch ihr bisheriger Vertreter, Herr Vizepräsident des Oberlandesgerichts Düsseldorf, Dr. Ulrich Thole, als stellvertretendes Mitglied des Verfassungsgerichtshofs aus.

Ich danke Ihnen im Namen des Hohen Hauses für Ihre geleistete Arbeit.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen werden die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs vom Landtag in geheimer Wahl ohne Aussprache mit Zweidrittelmehrheit für die Dauer von zehn Jahren gewählt. Für jedes Mitglied ist ein bestimmter Vertreter zu wählen.

Mit Drucksache 17/2216 liegt Ihnen ein Wahlvorschlag vor, der vorsieht, Herrn Dr. Matthias Peter Röhl als ordentliches Mitglied des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen und Herrn Benno Scharpenberg als dessen Stellvertreter zu wählen. Eine Aussprache ist nach dem Gesetz ausgeschlossen, sodass wir unmittelbar zur geheimen Wahl kommen. Es ist beabsichtigt, für die Wahl einen gemeinsamen Wahlgang durchzuführen. – Ich sehe, hiergegen gibt es keine Bedenken. Dann verfahren wir so.

Zu dem Wahlverfahren gebe ich noch folgende Hinweise: Die Ausgabe der Wahlunterlagen erfolgt an den hierfür vorgesehenen Tischen. Nach Aufruf Ihres Namens erhalten Sie dort zwei Stimmzettel in verschiedenen Farben, auf denen Sie jeweils mit Ja, mit Nein oder mit Enthaltung stimmen können.

Für die Stimmabgabe nutzen Sie bitte die hinten links und rechts aufgestellten Wahlkabinen, die so platziert worden sind, dass die Durchführung einer geheimen Wahl sichergestellt ist. Bitte werfen Sie beide Stimmzettel jeweils einmal gefaltet in eine der beiden Wahlurnen.

Beim Ausfüllen der Stimmzettel bitte ich Sie, nur die in den Wahlkabinen ausliegenden Dokumentenstifte zu benutzen. Eine anderweitige Kennzeichnung mit Tinte, Kugelschreiber oder Farbstift gewährleistet die Geheimhaltung der Wahl nicht, da in solch einem Fall die Stimmabgabe dem Wahlberechtigten zugeordnet werden könnte. Derartig gekennzeichnete Stimmzettel müssten deshalb als ungültig gewertet werden.

Gibt es noch Fragen oder Anmerkungen zum Wahlverfahren? – Das ist nicht der Fall.

Dann bitte ich nun die eingeteilten Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Positionen an den Tischen zur Ausgabe der Wahlunterlagen und an den Wahlkabinen sowie den Wahlurnen einzunehmen, damit wir mit der geheimen Wahl beginnen können. Ich eröffne die Wahlhandlung und bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt.)

Meine Damen und Herren, der Namensaufruf ist abgeschlossen. – Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Stimmen abzugeben.

(Die Schriftführerinnen und Schriftführer geben ihre Stimmen ab.)

Nachdem auch die Schriftführerinnen und Schriftführer gewählt haben, frage ich: Haben alle Abgeordneten, die willens waren, ihre Stimme abgegeben? – Das ist offenbar der Fall.

Dann schließe ich die Wahlhandlung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen. Ich unterbreche die Sitzung für kurze Zeit bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Da die Auszählung voraussichtlich nicht lange dauern wird, bitte ich Sie, während der Unterbrechung im Plenarsaal zu bleiben bzw. sich nicht zu weit vom Plenarsaal zu entfernen.

(Die Auszählung erfolgt.)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe Ihnen die Ergebnisse der beiden Wahlen bekannt. Dem Landtag gehören 199 Abgeordnete an. Fünf Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt. An den Wahlen haben sich 178 Abgeordnete beteiligt.

Zur Feststellung des Ergebnisses der Wahl des ordentlichen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Herrn Dr. Matthias Peter Röhl: Gültige Stimmen gab es 178, ungültige Stimmen 0. Von den gültigen Stimmen entfielen auf „Ja“ 175, auf „Nein“ 0, Enthaltungen 3. Nach dem vorliegenden Ergebnis entfallen auf Herrn Dr. Matthias Peter Röhl mehr als zwei Drittel der Stimmen. Dies stelle ich ausdrücklich gemäß Art. 44 Abs. 2 der Landesverfassung in Verbindung mit § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung fest. Damit ist Herr Dr. Röhl zum ordentlichen Mitglied des Verfassungsgerichtshofs gewählt.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Landesregierung)

Zur Feststellung des Ergebnisses der Wahl des stellvertretenden Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Herrn Benno Scharpenberg: Gültige Stimmen 178, ungültige Stimmen 0. Von den gültigen Stimmen entfielen auf „Ja“ 171, auf „Nein“ 3, Enthaltungen 4. Nach dem vorliegenden Ergebnis entfallen auf Herrn Benno Scharpenberg mehr als zwei Drittel der Stimmen. Dies stelle ich ausdrücklich gemäß Art. 44 Abs. 2 der Landesverfassung in Verbindung mit § 46 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung fest. Damit ist Herr Benno Scharpenberg zum Stellvertreter von Herrn Dr. Röhl gewählt.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Landesregierung)

Ich frage Herrn Dr. Röhl: Nehmen Sie die Wahl an?

(Dr. Matthias Peter Röhl: Ja, ich nehme sie an!)

Ich frage Herrn Scharpenberg: Nehmen Sie die Wahl an?

(Benno Scharpenberg: Ja, ich nehme sie an!)

– Dann gratuliere ich Ihnen im Namen des Hohen Hauses und bitte Sie, zur Vereidigung nach vorne an das Mikrofon zu treten. Ich bitte die Anwesenden, sich für die Vereidigung von den Plätzen zu erheben, soweit es Ihnen möglich ist.

(Präsident André Kuper, Dr. Matthias Peter Röhl und Benno Scharpenberg treten an das vor dem Redepult aufgebaute Mikrofon. – Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Nach § 5 Abs. 2 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen leisten sämtliche Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und ihre Vertreter, bevor sie ihr Amt antreten, vor dem Landtag den in dieser Vorschrift formulierten Eid.

Sehr geehrter Herr Dr. Röhl, ich darf Sie bitten, zur Vereidigung an das Mikrofon zu treten. Bitte heben Sie die Schwurhand und leisten Sie den vorgesehenen Amtseid. Ich erinnere daran, dass Sie den Eid auch ohne religiöse Beteuerung leisten können.

Dr. Matthias Peter Röhl: Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.

(Beifall im ganzen Haus)

Präsident André Kuper: Sehr geehrter Herr Scharpenberg, ich darf nun Sie bitten, zur Vereidigung an das Mikrofon zu treten. Bitte erheben Sie die Schwurhand und leisten Sie den vorgesehenen Amtseid. Ich darf auch Sie daran erinnern, dass Sie den Eid auch ohne religiöse Beteuerung leisten können.

Benno Scharpenberg: Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.

(Beifall im ganzen Haus)

Präsident André Kuper: Danke sehr. Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.

Ich rufe auf:

2   Luftqualität in unseren Städten verbessern, Fahrverbote vermeiden – Maßnahmen der Landesregierung für eine nachhaltige Mobilitätswende

Unterrichtung
der Landesregierung

In Verbindung mit

Hardware-Nachrüstung bei Dieselfahrzeugen auf Kosten der Automobilindustrie – jetzt!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2144

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 16. März 2018 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag zu dem oben genannten Thema zu unterrichten. Die Unterrichtung erfolgt durch Herrn Ministerpräsident Laschet. Ich erteile Herrn Ministerpräsident Laschet das Wort.

Armin Laschet, Ministerpräsident: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Millionen Menschen in unserem Land beschäftigt die Debatte um den Diesel, um die Stickoxidwerte, um mögliche Gesundheitsauswirkungen, um die Luft in unseren Städten, aber auch um Mobilität, um den Weg von zu Hause zur Arbeit. Viele Tausend Menschen haben Sorge um die Zukunft ihrer Arbeit, ihre Arbeitsplätze in unserer Leitindustrie, der deutschen Autoindustrie. Das gilt auch für die vielen Tausende, die in der Zulieferindustrie gerade auch in Nordrhein-Westfalen arbeiten.

Das legt uns Politikern, aber auch den Medien, den Gerichten, den Verwaltungen und, wie ich finde, selbst Lobbyverbänden oder Abmahnvereinen eine hohe Verantwortung auf. Die schnelle Schlagzeile, der flotte Spruch, die simple Zuspitzung, die Verkürzung oder Verfälschung verunsichern jedes Mal Menschen. Mich wundert manchmal, mit welcher Leichtfertigkeit wir über eine Quelle unseres Wohlstands und des sozialen Zusammenhalts angesichts einer dramatisch veränderten Arbeitswelt reden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es legt allerdings besonders der Autoindustrie eine besondere Verantwortung auf. Die Manipulationen und Tricksereien gefährden das Ansehen einer ganzen Branche und eines ganzen Landes. Ich finde, solches Verhalten und solche Faktoren sollten genauso auf Bonizahlungen angerechnet werden wie Bilanzen. In diese Zeit passt das nicht hinein.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Dieseldebatte hat aber auch enorme Bedeutung für unsere Gesellschaft und unser Land. Es geht um die Zukunft von Arbeitsplätzen. Ein Aus der Dieseltechnik träfe massiv auch den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen.

Vor dem ersten „Nationalen Forum Diesel“ habe ich deshalb im vergangenen Sommer als Erstes das Gespräch mit der IG Metall und unternehmer nrw gesucht, um zu sehen, wie auch deren Interessen in einen solchen Gipfel einmünden können. Es geht um Technologieführerschaft im internationalen Wettbewerb. Und es gibt außerhalb Deutschlands auch ein Interesse daran, dass die Dieseltechnik weicht. Es gibt ohne Zweifel nicht nur durch den Protektionismus mancher großer Supermächte, sondern auch auf andere Weise eine Art Handelskrieg, der mit den Fragen, die wir hier diskutieren, eng verknüpft wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Alles das muss man im Blick halten. Gleichzeitig muss man im Blick halten, dass, wenn der Diesel diskreditiert wird, die Menschen auf Benziner umsteigen und wir bezüglich der CO2-Werte in absehbarer Zeit eine völlig andere Debatte führen müssen, weil die CO2-Werte beim Benziner natürlich wesentlich ungünstiger sind als beim Diesel.

Deshalb steht die Landesregierung in dieser Frage in einer Kontinuität zu der Vorgängerlandesregierung. Ich denke, es war richtig, dass sich Ministerpräsidentin Kraft immer gegen Fahrverbote ausgesprochen hat. Es war richtig, dass die Vorgängerlandesregierung bereits erste Aktivitäten angestoßen hat, um zu einer Minderung der Stickoxidwerte zu kommen. Und es war richtig, dass die Vorgängerlandesregierung eine Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht gegen das Düsseldorfer Urteil angestrengt hat, um für eine Klärung der rechtlichen Verhältnisse zu sorgen. Diese Klärung ist jetzt da. Ich will dazu nachher noch einiges sagen.

Ich will in Erinnerung rufen, was schon vor Mai 2017 an Initiativen ergriffen worden ist.

Im Januar 2016 ist das Land Nordrhein-Westfalen wegen des Luftreinhalteplans Düsseldorf verklagt worden. Im September 2016 erfolgte das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, in welchem die Möglichkeit bejaht wurde, nach bestehendem Recht Fahrverbote für Dieselfahrzeuge anzuordnen. Im Juli 2017 kam dann das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Der Tenor entsprach im Wesentlichen dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf.

Genau in diese Phase fiel der Regierungswechsel, sodass es eine Kontinuität von vorherigem Handeln und vorheriger Rechtsbeurteilung hin zu den dann folgenden Urteilen gab. Es war eines der ersten Themen der Nordrhein-Westfalen-Koalition, in der sogenannten Dieselkrise eine Antwort zu finden.

Im August 2017 fand das „Nationale Forum Diesel“ statt, auf dem wir mit Gewerkschaften, Wirtschaft und Experten unsere Position abgestimmt haben. In vier Expertengruppen hat das Land Nordrhein-Westfalen mitgearbeitet: „Emissionsreduzierung in den im Verkehr befindlichen Fahrzeugflotten“, „Verkehrslenkung, Digitalisierung und Vernetzung“, „Umstieg öffentlicher Fahrzeugflotten auf emissionsarme Mobilität“ und „Optimierung von Antriebstechnologien und alternative Kraftstoffe“.

Dann, im September 2017 – das alles passiert nach dem Urteil; es ist wichtig, dass man erkennt, dass Maßnahmen nach dem Urteil von 2016 ergriffen werden –, fand der Dieselgipfel mit der Bundeskanzlerin und den Kommunen statt. Hier in Nordrhein-Westfalen gab es vorab einen eigenen Termin mit den nordrhein-westfälischen Oberbürgermeistern, um unsere Forderungen für diesen Gipfel vorzubereiten.

Im Oktober 2017 haben wir eine interministerielle Arbeitsgruppe zur Luftreinhaltung eingesetzt, wo die beteiligten Ressorts sich vernetzt haben, der Informationsaustausch mit den Arbeitsgruppen auf Landes- und Bundesebene stattfindet und die Informationen an die Bezirksregierungen weitergegeben werden.

Dieser Prozess des Dialogs mit den Bezirksregierungen findet ständig statt. Sie waren natürlich auch über die Rechtsauffassung der Landesregierung zu Fahrverboten unterrichtet, was in der letzten Woche von einigen Verbänden versucht wurde, in Zweifel zu ziehen.

Ende November 2017: zweiter Dieselgipfel mit konkretem Maßnahmenpaket für die betroffenen Kommunen. Unser Maßstab bei allem war immer, Maß und Mitte auch in dieser Frage einzuhalten, Abstand von einer Ausstiegsmentalität zu nehmen und Problemlösungen vor Ort zu suchen.

Wir haben in den letzten Tagen noch einmal verdichtet Studien und Informationen darüber bekommen, dass es keine monokausalen Erklärungen für die Belastungen in den Städten gibt.

Wir haben die Studie von Wissenschaftlern der Universität Duisburg-Essen zur Kenntnis genommen, die sich mit der Binnenschifffahrt beschäftigt hat, die natürlich insbesondere für Düsseldorf, Köln und Bonn eine hohe Relevanz hat.

Wir wissen, dass die Industrie, die bei uns besonders verdichtet ist, natürlich Einfluss auf die Städte hat, und wir wissen auch, dass der Flugverkehr mit den großen Flughäfen in Düsseldorf und Köln/Bonn Einfluss auf die Luftqualität in den Städten hat.

(Monika Düker [GRÜNE]: Aha! – Christian Dahm [SPD]: Hat das Einfluss auf die Corneliusstraße? – Monika Düker [GRÜNE]: Weiß das auch der Wüst?)

Wenn die Werte auch dort hoch sind, wo kaum Autos fahren, dann fragen die Menschen doch zu Recht, ob Fahrverbote überhaupt der richtige Weg sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb brauchen wir pragmatische und individuelle Lösungen. Wir wollen und wir werden die Stickoxidwerte im Sinne der Menschen, ihrer Gesundheit und ihrer Mobilität herunterbringen.

Auch an dem Punkt muss man feststellen – das gehört zur Abwägung bei Fahrverboten dazu –, dass in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland seit Jahren die Stickoxidwerte Monat für Monat und Jahr für Jahr sinken. Die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid ist laut Umweltbundesamt im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr erneut zurückgegangen.

Der Rückgang der Zahl der deutschen Kommunen mit Grenzwertüberschreitungen beläuft sich nach erster Schätzung auf 20 Kommunen – von 90 auf 70. Ein Diagramm des Umweltbundesamtes zeigt, dass von 1990 bis 2015 der Stickoxidausstoß um über 1,7 Millionen t bzw. um 59 % gesunken ist.

Für Nordrhein-Westfalen lauten die aktuellen Zahlen, dass es in 2016 – als das erste Urteil erfolgte – noch 32 Kommunen mit Grenzwertüberschreitungen gab. In 2017 gab es unter diesen 32 Kommunen nur vier, in denen die Messwerte gestiegen sind. In zwei Kommunen sind sie gleich geblieben, und in 26 Kommunen sind die Messwerte signifikant gesunken. Bei sechs Kommunen führte der Rückgang inzwischen zur Einhaltung des Grenzwerts.

Wir hatten 2017 noch 27 Kommunen mit Grenzwertüberschreitungen. Ich zitiere aus dem Bericht des LANUV zur Luftqualität 2017, der gestern dem Landtag überstellt worden ist, dass, verglichen mit dem Vorjahr, an den Verkehrsstandorten in Nordrhein-Westfalen beim Stickstoffdioxid ein Rückgang der Belastung um fast 5 % feststellbar ist. Damit ist der Rückgang im Jahre 2017 deutlich stärker ausgefallen als im Mittel der letzten Jahre.

Die Werte sinken also, und sie sind im letzten Jahr sogar proportional noch stärker gesunken als in den Jahren davor. Dieser dynamische Rückgang scheint sich – bei aller Vorsicht – fortzusetzen; denn die monatlich verfügbaren aktuellen Messdaten, die jeder im Internet einsehen kann, zeigen sowohl für den hochbelasteten Clevischen Ring in Köln als auch für die Düsseldorfer Corneliusstraße für die ersten beiden Monate des Jahres 2018 einen Rückgang der Werte um rund 15 %.

Das zeigt: Wir sind auf einem guten Weg.

Hinkommen wird die weitere technische Entwicklung.

Der kontinuierliche Austausch der Fahrzeugflotten geht weiter. Berechnungen im Handbuch „Emissionsfaktoren für den Straßenverkehr“ – das ist die Quelle für Umweltämter, Landesumweltämter und das Bundesumweltamt – zeigen: Das Problem der Stickoxidabgasbelastung ist in Bezug auf die jetzt produzierten Diesel gelöst und wird sich durch eine kontinuierliche Flottenerneuerung materialisieren.

Anders gesagt: Alle Experten, auf die sich die Umweltämter stützen, sagen: Wir sprechen hier über ein Problem von nur noch wenigen Jahren, und wir sprechen vor allem über alte Dieselfahrzeuge. Wir sprechen auch über Dieselfahrzeuge, die mit der Manipulationsdebatte wenig zu tun haben. Das ist ein eigenes Thema. Da muss die Industrie ihren Beitrag leisten. Aber wir haben auch nicht manipulierte alte Dieselfahrzeuge, die hohe Stickoxidwerte ausstoßen, und die gehen derzeit Stück für Stück mit großer Dynamik aus dem Markt. Der moderne 6d-Diesel ist im Augenblick die ökologisch beste Lösung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das Zweite: Der Bund hat nach dem Urteil jetzt ein „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 bis 2020“. Wir müssen ja Maßnahmen benennen, die wir als Staat, als Bund, als Land und als Kommune nach dem Urteil einleiten.

Nach dem Urteil sind das für Elektrifizierung zusammen 393 Millionen €. Das betrifft den urbanen Wirtschaftsverkehr. Das betrifft die Elektrifizierung von Taxis, Mietwagen und Carsharing. Das betrifft die Elektrifizierung von Busflotten im öffentlichen Personennahverkehr, die Ladeinfrastruktur für die beschafften Elektrofahrzeuge und die Förderung für die Errichtung von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge im engen Zusammenhang mit dem Abbau bestehender Netzhemmnisse.

Wir haben in den Dieselgipfel die Lage der nordrhein-westfälischen Kommunen mit eingebracht. Es ist ja nicht jede Kommune direkt in der Lage, Elektrofahrzeuge zu kaufen. Hamburg hat erklärt, es hat die ganze Flotte umgestellt; dort fahren 2020, glaube ich, nur noch Elektrofahrzeuge. Das kann nicht jede auch finanziell hoch belastete Kommune beispielsweise im Ruhrgebiet leisten.

Wir haben gesagt, wir brauchen für die Zwischenzeit einen Zwischenschritt. Es gibt eine eigene Software, mit der man jeden alten Dieselbus auf bessere Werte umrüsten kann. Diesen Vorschlag hat der Bund aufgegriffen. Von der Milliarde, die bereitsteht, werden allein 107 Millionen € für diese provisorische Umrüstung der alten Busse zur Verfügung gestellt, die insbesondere Städten in Nordrhein-Westfalen zugutekommt.

Auch die Landesregierung hat eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen: den Ausbau alternativer Antriebe sowie der entsprechenden Infrastruktur, neue Verkehrskonzepte für Städte und Gemeinden und für Wirtschaftsunternehmen, die Weiterentwicklung emissionsarmer konventioneller Antriebe, den Ausbau des ÖPNV und die Schaffung von elektro- und wasserstoffbetriebenen Linienbussen.

Hinzu kommen 100 Millionen € im Programm „Kommunaler Klimaschutz NRW“ mit 40 Millionen € für das Sonderprogramm „Emissionsfreie Innenstädte“.

Die NRW.BANK stellt in verschiedenen Förderprogrammen zinsgünstige und zinsfreie Darlehen für Kommunen bereit, damit diese durch Ersatzinvestitionen für Lärm- und Schadstoffreduktionen sorgen oder sich Elektrofahrzeuge und entsprechende Infrastruktur anschaffen.

Seit Februar, also seit einem Monat, fördert das Land auch die Errichtung von öffentlichen Ladesäulen und unterstützt die Kommunen bei der Elektrifizierung ihres Fuhrparks. Gleichzeitig arbeiten wir an der Erhöhung von ÖPNV-Kapazitäten auch und vor allem in den besonders belasteten Gebieten wie zum Beispiel mit dem Rhein-Ruhr-Express.

In den Kommunen gibt es ebenfalls große Aktivitäten gerade in den letzten Monaten, zum Beispiel in Düsseldorf und Köln. Die Rheinbahn in Düsseldorf investiert 70 Millionen € in neue Leichtbaubusse und Gelenkbusse mit der Euro-6-Norm sowie elektrisch angetriebene Busse. Die Kölner Verkehrs-Betriebe beschaffen bis 2021 rund 50 weitere E-Busse. Mit dann 58 E-Bussen werden die KVB voraussichtlich die größte E-Bus-Flotte Deutschlands betreiben. Die Wirkung ist groß. Bis 2021 werden alle Dieselbusse Euro 6 erfüllen.

Sie sehen: Bund, Land und Kommunen arbeiten an diesem Thema zusammen.

Darüber hinaus wollen wir auch den Umstieg in die Elektromobilität mit neuer Dynamik versehen. Der Bundespräsident hat ja bei seinem Besuch in Nordrhein-Westfalen in der letzten Woche die RWTH besucht und den Streetscooter der Deutschen Post noch einmal als Modell gewürdigt. Die erste Produktionsstätte hat inzwischen so viel Nachfrage, dass in Düren in wenigen Wochen die zweite Produktionsstätte errichtet werden wird. Wir merken plötzlich: Neue Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen entstehen aus dem Wissen der Hochschule, die das Ganze in industrielle Produktion übersetzt. Ford in Köln hat ähnliche Absichten, sodass wir in Nordrhein-Westfalen bei diesem Thema „Elektromobilität“ an der Spitze sein können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der Expertenrat, den wir einberufen haben, beschäftigt sich mit der Förderung der Elektromobilität auf der kommunalen Ebene, mit der Zulieferindustrie am Standort Nordrhein-Westfalen und mit der Entwicklung verschiedener Speichertechnologien sowie dem autonomen Fahren. Unser Ziel ist es, in fünf Jahren 100.000 E-Fahrzeuge in Nordrhein-Westfalen zu haben.

(Zuruf von der AfD)

Im Verkehrsministerium hat der Verkehrsminister eine neue Fachabteilung mit dem Namen „Grundsatzangelegenheiten der Mobilität, Digitalisierung und Vernetzung“ errichtet. Dort steht interdisziplinäres Arbeiten im Mittelpunkt, um die Chancen der vernetzten Mobilität für unser Land auszuschöpfen. Das betrifft alle Verkehrsträger und einen besseren Verkehrsfluss verschiedener Verkehrsmittel – zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem Auto, mit dem Bus und mit der Bahn. Es gibt für alles eine App, also ÖPNV-Ticket inklusive Mietfahrrad und Sharingangeboten.

Bei diesem Thema brauchen wir ebenfalls mehr Kreativität und Innovation, die ebenfalls den Verkehr in den Städten entlasten werden.

Dies alles und wissend, was passiert, muss man jetzt das Urteil in den Blick nehmen, das die Vorgängerregierung beim Bundesverwaltungsgericht angestrengt hat. Dieses Urteil ist ein gutes Urteil. Manche haben versucht, es umzuinterpretieren – nicht hier im Parlament, nicht im politischen Streit, sondern lnteressenvertreter von außerhalb –,

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

als hätte das Bundesverwaltungsgericht gesagt: Es kommen Fahrverbote.

Das aber war gar nicht der Klagegegenstand. Die Vorgängerregierung hat gesagt: Es gibt keine bundesrechtliche Grundlage für Fahrverbote. Das Bundesverwaltungsgericht hat gesagt: Ja, das stimmt. Da habt ihr recht. Es gibt keine bundesweite Rechtsgrundlage für Fahrverbote. Man kann aber im alleräußersten Falle als Ultima Ratio unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips aus dem europäischen Recht ableiten, dass gegebenenfalls auch ein Fahrverbot in Betracht kommen könnte.

Meine Antwort darauf ist: Angesichts der umfassenden Maßnahmen, die Bund, Land und Kommunen zur Luftreinhaltung jetzt ergriffen haben, angesichts der externen Faktoren, die mit dem Fahren gar nichts zu tun haben – wie Flughäfen, Schiffen, Industrieanlagen – und angesichts der ohnehin Stück für Stück sinkenden Werte wären Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Das ist die Position der Landesregierung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das Urteil gibt uns vor, sie trotzdem zu prüfen. Das Urteil gibt vor, diese Abwägung vorzunehmen. Aber in die Abwägung hat das einzufließen, was ich gerade gesagt habe.

Ich kann Ihnen mitteilen – ich weiß gar nicht, ob es hier im Rahmen des Parteienstreits überhaupt ein strittiges Thema ist; das ist nicht immer ganz so klar –: Unter den Ministerpräsidenten der deutschen Länder – wie Ministerpräsident Kretschmann, Ministerpräsident Weil und anderen, die betroffen sind –, die letzte Woche mit Jean-Claude Juncker über die europäischen Regeln in Brüssel gesprochen haben, gibt es eine hohe Übereinstimmung in der Auslegung dieses Urteils.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb sollten wir alles tun, um die Luftqualität in unseren Städten zu verbessern. Wir sollten alles tun, um Fahrverbote zu vermeiden. Wir sollten vor allem alles tun, um nicht jeden Tag aufs Neue dieses Schreckensszenario der Fahrverbote an die Wand zu malen. Denn mit jeder Diskussion in dieser Weise verunsichern wir Millionen Menschen und gefährden Arbeitsplätze unserer Zukunftsindustrie. Wir sind es unserem Land schuldig, hier verantwortlich zu handeln!

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Laschet, für die Unterrichtung. – Der Ministerpräsident hat die Redezeit der Landesregierung um 2:13 Minuten überzogen.

(Michael Hübner [SPD]: Das haben wir gar nicht gemerkt!)

Die Überziehung der Redezeit wird den Fraktionen bei der Aussprache gutgeschrieben. – Aussprache ist das Stichwort. Ich eröffne die Aussprache zur Unterrichtung der Landesregierung. Für die SPD-Fraktion erhält Herr Kollege Dahm das Wort.

Christian Dahm (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Am 22. Februar dieses Jahres hat das Bundesverwaltungsgericht Leipzig das Urteil über die Zulässigkeit von Dieselfahrverboten verkündet. Danach wurden explizit Fahrverbote für Dieselfahrzeuge als Maßnahme zur Senkung der Stickstoffdioxidbelastung – NO2 – genannt.

Der Schwarze Peter liegt damit bei den Bezirksregierungen, die für die Prüfung und Genehmigung der Luftreinhaltepläne zuständig sind, und bei den Kommunen, die diese umsetzen müssen. Betroffen wären all jene Dieselfahrer, die ihren Pkw als vermeintlich umweltschonende Variante gekauft haben und nun feststellen müssen, dass sie betrogen wurden.

Interessanterweise hat gestern – ich glaube, das fällt nur zufällig zusammen – nur einen Tag vor der heutigen Unterrichtung die Umweltministerin über die Beurteilung der Luftqualität in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2017 berichtet. Erfreulicherweise hat sich, wie vom Ministerpräsidenten dargestellt, die Anzahl der Kommunen mit Grenzwertüberschreitung von 32 im Jahr 2016 auf 27 im Jahr 2017 reduziert. Nach wie vor sind aber Kraftfahrzeugverkehr und insbesondere Dieselfahrzeuge als Hauptursache der hohen Stickstoffdioxidbelastung anzusehen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben uns Abgeordnete im Landtag heute darüber informiert, was aus Sicht der Landesregierung unternommen werden soll, um Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen zu vermeiden. Herr Ministerpräsident, wir erwarten von Ihnen eine klare und deutliche Haltung der Landesregierung, wie Sie den Kommunen aktiv helfen wollen,

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

wie Sie Fahrverbote vermeiden wollen,

(Sven Wolf [SPD]: Genau!)

wie Sie die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen schützen wollen.

Und: Wir erwarten von Ihnen klare Handlungskonzepte.

(Widerspruch von der CDU – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Ich sage Ihnen: Davon haben wir eben nichts gehört.

(Beifall von der SPD – Bodo Löttgen [CDU]: Sie haben nicht zugehört!)

– Davon haben wir heute nichts gehört, Herr Löttgen!

(Zuruf von Bodo Middeldorf [FDP])

Was Sie uns heute vorgetragen haben, ist schon enttäuschend. Das ist nichts Neues. Ganz offen und ehrlich gesagt: Neues habe ich auch nicht erwartet.

Zu den von Ihnen vorgebrachten Vorschlägen zur Verbesserung der Infrastruktur frage ich Sie: Was ist bisher in Düsseldorf an der Corneliusstraße passiert, was ist bisher in Köln am Clevischen Ring passiert, damit die Stickstoffdioxidbelastung gesenkt wird? Eine Senkung wurde im Übrigen auch durch die Oberbürgermeisterin beziehungsweise durch die dortige Ratsmehrheit verhindert.

Sie haben die Elektrifizierung angesprochen. Das ist durchaus positiv. Aber machen wir uns nichts vor, sondern machen wir uns ehrlich: Problematisch sind die Dieselfahrzeuge der Kategorien Euro 3, 4 und 5. All das, was Sie angesprochen haben, reicht nicht aus, um an das Problem heranzugehen.

Eines ist doch klar, meine Damen und Herren: Wir brauchen einen Maßnahmenkatalog des Landes Nordrhein-Westfalen, der nicht die Besitzer von Dieselfahrzeugen für das Versagen der Industrie bestraft. Wir brauchen einen Schulterschluss mit den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, damit die nicht allein die Suppe auslöffeln. Und wir brauchen ein landesweit abgestimmtes Luftreinhaltekonzept, das die Betroffenheit von Regionen und Städten beinhaltet.

Wir brauchen keine Landespressekonferenzen von Ihnen, Herr Ministerpräsident, oder Sonntagsreden wie heute Vormittag in diesem Parlament. Denn die verhindern wahrlich keine Fahrverbote und schützen erst recht nicht die Gesundheit der Menschen in diesem Land.

(Beifall von der SPD)

Ich frage Sie an dieser Stelle: Wo bleiben eigentlich die neuen Maßnahmen der Mitte-rechts-Regierung,

(Widerspruch von der CDU)

die keine Fortschreibung der Maßnahmen aus den Jahren 2016 und 2017 der Vorgängerregierung von Rot-Grün sind, sondern zusätzliche Instrumente beinhalten, die die neue Situation nach der Rechtsprechung aufnehmen?

Sie, Herr Ministerpräsident, haben eine umweltpolitische, eine gesundheitspolitische, aber auch eine sozialpolitische Verantwortung in diesem Land gegenüber den Anwohnern belasteter Straßen in Köln, in Düsseldorf, in Wuppertal, in Hagen, in Bielefeld und in anderen Städten. Was sagen Sie denen? Was sagen Sie den Dieselfahrern, den Handwerkern, den Pendlern und den verantwortlichen Räten in den Kommunen? Diese Verantwortung, Herr Laschet, liegt allein in Ihren Händen und in den Händen dieser Landesregierung.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie vertreten die Rechtsauffassung, dass Dieselfahrverbote unverhältnismäßig und damit rechtswidrig sind.

(Henning Höne [FDP]: Richtig!)

Ich finde das sehr bemerkenswert. Ist das eigentlich Ihre persönliche Meinung, oder ist das eigentlich die Meinung der Landesregierung? Ist das schon im Kabinett abgestimmt? Wie können Sie das überhaupt behaupten, da uns die schriftliche Urteilsbegründung noch überhaupt nicht vorliegt?

(Lachen von Bodo Löttgen [CDU])

Ihre Umweltministerin war da etwas zurückhaltender und, wie ich finde, etwas geschickter. Sie wollte erst einmal das Urteil abwarten und sich dann ein Bild machen, sich dann eine Meinung bilden. Das halte ich auch für richtig.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Ihre Meinung, Herr Ministerpräsident, ist sicherlich nicht gefragt, sondern Handlungen sind gefragt; es müssen Taten folgen. Es geht darum, die hohe Schadstoffbelastung in den Städten rasch und deutlich zu senken – im Interesse der dortigen Anwohner. Dabei brauchen die Städte die Hilfe des Landes.

Wenn Sie jetzt das Instrument des Fahrverbots generell ausschließen, erwarten wir von Ihnen auch, dass Sie konkrete Maßnahmen vorschlagen. Was Sie bisher hier und heute vorgestellt haben, reicht vorne und hinten nicht aus, um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zu schützen.

(Beifall von der SPD)

Übrigens will ich hier für die SPD-Fraktion, für die SPD Nordrhein-Westfalen klarstellen: Auch wir wollen keine Fahrverbote.

(Dietmar Brockes [FDP]: Gut, dass Ihnen das noch eingefallen ist!)

Das sage ich hier ausdrücklich. Das haben wir immer wieder gesagt.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

– Herr Löttgen, das wird Sie sicherlich verwundern: Das ist und kann nur die Ultima Ratio sein. Andere Maßnahmen müssen daher vorgezogen werden.

Wir dürfen feststellen: Es gibt kein klares Konzept, keine Koordination innerhalb der Landesregierung. Das haben wir eben gehört, und das hat mich nicht überrascht. Wir fordern von Ihnen, meine Damen und Herren der Landesregierung, dass Sie die Automobilindustrie bei der Umrüstung der Hardware zu kundenfreundlichen und kostenfreien Nachrüstungen verpflichten, denn ohne technische Umrüstung wird es keine signifikante Schadstoffsenkung geben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir erwarten von Ihnen, auf Bundes- und Landesebene darauf einzuwirken, dass die Kommunen nicht nur Einmalzahlungen erhalten, sondern eine dauerhafte Förderung. Wir erwarten ein langfristig wirkendes Maßnahmen- und Förderprogramm zur landeseinheitlichen Unterstützung, Koordinierung und Beratung der Kommunen, der Verkehrsverbünde und der Verbände. Dabei sollten Sie beachten, dass die Kommunen mit den derzeitigen Förderprogrammen schon ausgelastet sind und dringend Personalkapazitäten benötigen. Laden Sie ein weiteres Mal zu einem NRW-Mobilitätsgipfel ein, Herr Ministerpräsident.

Herr Laschet, nach Ihren Äußerungen in der vergangenen Woche, aber auch vom gestrigen Tag dürfen wir feststellen: Viele Dieselfahrer in Nordrhein-Westfalen sind weiterhin verunsichert, nicht zuletzt durch Ihre Äußerungen. Sie haben Angst, zukünftig als Dieselautobesitzer ihr Auto nicht weiterverkaufen zu können. Sie haben Angst, als Pendler nicht mehr zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. Sie haben Angst, als Handwerker und Unternehmer nicht mehr in die Städte zu kommen, um ihre Kunden zu bedienen.

Nehmen Sie daher Ihre Verantwortung in diesem Land wahr! Nehmen Sie die Sorgen der Bürger in diesem Land ernst!

Durch Ihr Zurückrudern von der von Ihnen gemachten Aussage, Dieselfahrverbote seien rechtswidrig und Sie würden diese Sicht der Dinge auch den weisungsgebundenen Bezirksregierungen mitteilen, ist in Sachen Dieselfahrverbote wieder alles offen.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Nein!)

Aber das war wieder eine Ihrer typischen Aussagen, denn es hat weder einen Erlass der Landesregierung an die nachgeordneten Behörden, an die Bezirksregierungen, gegeben, noch hat es ein klares Laschet-Machtwort gegenüber den Bezirksregierungen gegeben.

(Zuruf von der SPD: Laschet-Plaudern!)

Die Verwirrung um die möglichen Dieselfahrverbote ist nicht gesunken, Herr Ministerpräsident, sondern ganz im Gegenteil erneut angestiegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dieser Zickzackkurs, den Sie hier fahren, führt zum Rätselraten und zur Verunsicherung in diesem Land.

Ein weiteres Zuwarten ist nicht hinnehmbar, denn bei der Luftreinhaltung gilt das Verursacherprinzip. Daher ist ganz klar: Die Besitzer von Dieselfahrzeugen dürfen nicht für das Versagen der Automobilindustrie bestraft werden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie steht gegenüber den Verbrauchern in der Pflicht und muss für die Nachrüstung der mängelbehafteten Bestandsflotten sorgen. Wir fordern deswegen auch die sofortige Einführung der Musterfeststellungsklage, um die Rechte der Verbraucher zu stärken. Helfen Sie uns dabei, und unterstützen Sie uns.

(Beifall von der SPD)

Bitte klären Sie auch einmal die Differenzen innerhalb der Landesregierung, innerhalb des Kabinetts. Während Verkehrsminister Wüst eindeutig die Industrie auffordert und in der Pflicht sieht, alte Diesel auf eigene Kosten umzurüsten, werden Sie, Herr Ministerpräsident, in der Öffentlichkeit zitiert, dass Hardwareumrüstungen für Sie nicht oberste Priorität haben. Was denn dann?

Ich denke, wir dürfen als Ihre Position festhalten – so werden Sie heute auch in der landesweiten Presse zitiert –: Lassen Sie uns nicht weiter darüber diskutieren; in zwei bis drei Jahren hat sich das Problem eh erledigt; Grenzwertüberschreitungen werden in den nächsten Jahren sinken; die Grenzwerte werden wir einhalten.

Also das Fazit der heutigen Unterrichtung der Landesregierung, meine Damen und Herren, lautet: aussitzen, abwarten und auf gutes Wetter hoffen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dahm. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klocke.

Arndt Klocke (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Ministerpräsident, mit Ihrer heutigen Unterrichtung sind Sie der Beantragung weiterer Aktueller Stunden der Opposition zuvorgekommen, denn das Thema liegt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße, insbesondere nach Ihrer bemerkenswerten Pressekonferenz, die Sie vor zwei Wochen hier gehalten haben.

Wenn Sie eben gesagt haben, es sei nicht die Zeit für flotte Sprüche und schnelle Aussagen oder das Urteil wäre uminterpretiert worden, muss ich Sie fragen: Wer war denn derjenige, der mit flotten Sprüchen und mit einer Uminterpretation des Urteils vor zwei Wochen vor der Landespressekonferenz gesessen hat? – Das waren Sie, Herr Ministerpräsident Laschet!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

In Ihrem Kabinett besteht eine große Vielstimmigkeit, wie man mit diesem Urteil umzugehen hat. Da gibt es die Aussagen seitens des Verkehrsministers – Herr Kollege Dahm hat sie eben angesprochen –, der zwar auf der einen Seite die Deutsche Umwelthilfe angreift, aber auf der anderen Seite sagt: Ohne Hardwarenachrüstung werden wir in diesem Punkt nicht weiterkommen.

Dann gibt es die Aussagen der Umweltministerin, die zunächst das Urteil prüfen und die Urteilsbegründung abwarten will, die etwa im Mai vorliegen wird. Weiterhin haben wir den Ministerpräsidenten, der sich vor die Presse stellt und – ohne mit den Bezirksregierungen gesprochen zu haben und ohne dass die Staatskanzlei mit den Regierungspräsidien Kontakt aufgenommen hat – ein Urteil uminterpretiert und mögliche Fahrverbote, die unter bestimmten Bedingungen erfolgen, per se als nicht umsetzbar und als nicht tolerierbar darstellt. Das haben Sie getan, Herr Ministerpräsident.

(Ministerpräsident Armin Laschet: So ist das Urteil!)

– So ist nicht das Urteil, sondern das ist Ihre Interpretation dieses Urteils. Wir wissen es jedenfalls aus Gesprächen mit den Bezirksregierungen, dass Ihre Aussagen dort für Irritationen gesorgt haben, weil mit ihnen nicht gesprochen worden ist und weil Sie sich vor die Presse stellen und eine sehr eigenartige und eigenständige Rechtsauslegung vornehmen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Was Sie hier gemacht haben, Herr Ministerpräsident, ist das Gegenteil von dem, was Sie – so vermute ich –, wenn man es gut mit Ihnen meint, eigentlich wollen, nämlich die Städte bzw. die Autofahrerinnen und Autofahrer schützen. Mit Ihrem Vorpreschen werden Sie letztlich, wenn Sie diese Linie weiterführen, genau das Gegenteil erreichen.

Wenn Sie nicht klar Ross und Reiter benennen, wenn Sie nicht einen klaren Maßnahmenkatalog vorlegen, dann wird es in der Folge dazu kommen, dass – jedenfalls in einigen Städten und auf einigen Routen – Fahrverbote ausgesprochen werden. Das haben Sie in Ihrer Rede gerade auch nicht ausgeräumt.

In jeder Sitzung des Verkehrsausschusses machen uns die Vertreter der Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen klar, dass hier sieben Jahre lang nichts getan wurde. Daher ist es durchaus bemerkenswert, dass Sie anerkannt haben, dass die vorige Landesregierung in wichtigen Bereichen Dinge auf den Weg gebracht hat, die Sie jetzt entsprechend weiterführen. Sie haben in Ihrer Rede vorhin versäumt, zu verdeutlichen, was die Landesregierung über die bisher schon laufenden Maßnahmen hinaus tun wird, um Fahrverbote in den Städten zu verhindern.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dazu machen Sie noch den Fehler, dass Sie Recht und Gesetz infrage stellen. Ich möchte gerne wissen, Herr Ministerpräsident, wie Sie und auch der FDP-Koalitionspartner reagiert hätten, wenn ein grüner Landesminister oder ein grüner Ministerpräsident es gewagt hätten, eine solche Urteilsauslegung eines höchstrichterlichen Spruchs des Bundesverwaltungsgerichts vorzunehmen, wie Sie das hier in Düsseldorf vor der Landespressekonferenz getan haben Herr Ministerpräsident, und was dann hier im Plenarsaal los gewesen wäre!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Auch Sie sind an Recht und Gesetz gebunden. Wo kämen wir denn hin, wenn die Regierung oder der Ministerpräsident in Gutsherrenart darüber befände, wie ein Urteilsspruch umzusetzen ist?

(Ministerpräsident Armin Laschet: Der ist klar!)

– Das Urteil ist klar, aber das, was Sie sagen, ist nicht klar. Sie haben keine klare Linie in dieser Frage.

(Beifall von den GRÜNEN – Ministerpräsident Armin Laschet: Glasklar!)

Herr Löttgen, nun zu Ihnen und Ihrer Pressemitteilung zur Deutschen Umwelthilfe. Sie haben in einer bemerkenswerten Presseerklärung zehn Tage nach dem Richterspruch darauf abgehoben, dass die Deutsche Umwelthilfe möglicherweise bestechlich sei, weil im Spendenportfolio Eingänge von Toyota stehen. Toyota macht gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe seit einigen Jahren ein Projekt für Umwelttaxis und hat bundesweit eine große Umfrage zu Dienstwagen durchgeführt.

Sie haben sehr süffisant eingefügt, dass die Unabhängigkeit der Deutschen Umwelthilfe ja nicht gewährleistet sei.

Lieber Herr Löttgen, ich habe … Das unterstellen Sie ...

(Bodo Löttgen [CDU]: Wo steht das?)

– Glasklar in Ihrer Pressemitteilung.

(Bodo Löttgen [CDU]: Zitieren Sie doch mal! Lesen Sie doch mal vor!)

– Ich zitiere jetzt mal den Spendenbericht des Deutschen Bundestages aus dem Jahre 2017, der dem Bundestagspräsidenten vorliegt. Dort steht, dass im letzten Sommer zwei Spenden in Höhe von 50.000 € seitens BMW an die CDU geflossen sind. Außerdem gibt es eine Spende in Höhe von 100.000 € seitens Daimler Benz an die CDU.

(Zurufe)

Würden Sie, Herr Löttgen – Sie haben gleich im Rahmen Ihres Redebeitrags die Möglichkeit, hierzu etwas zu sagen –, der Deutschen Umwelthilfe wirklich unterstellen wollen, dass sie aufgrund dieser Zuwendung von Toyota von der Industrie gekauft worden ist?

Angesichts der Spendeneingänge bei der CDU auf Bundesebene müssten Sie doch das Urteil fällen, dass Sie genauso der deutschen Automobilindustrie hinterherrennen und deren Maßnahmen unterstützen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt komme ich zum eigentlichen Forderungskatalog: Wir brauchen verbindliche Hardwarenachrüstungen. Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir zeitnah, schnell und flexibel Fahrverbote verhindern können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dazu hat der Verkehrsminister klare Aussagen getätigt, aber auch ADAC, DGB, Deutscher Städtetag, Städte- und Gemeindebund, der CDU-Oberbürger-meister von Essen und die Kölner Oberbürgermeisterin fordern die verbindlichen Hardwarenachrüstungen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben hier keine klare Linie. Ihr Verkehrsminister unterstützt diesen Vorschlag. Sollten wir sagen: „Mehr Wüst, weniger Laschet“? – Sie haben heute die Möglichkeit, klarzumachen, ob Sie als Ministerpräsident des größten Bundeslandes auf die Bundesregierung Druck und Einfluss ausüben, damit der neue Bundesverkehrsminister hierzu ein klares Konzept vorlegt, das die Automobilindustrie verpflichtet, auf ihre Kosten diese Hardwarenachrüstung vorzunehmen. Herr Ministerpräsident, bekennen Sie Farbe!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich komme zum zweiten Schritt. Es ist doch möglich, hier genauso vorzugehen, wie es seinerzeit bei der grünen Plakette gelaufen ist – begonnen unter Ihrem Landesumweltminister Uhlenberg, weitergeführt von Herrn Remmel. Da ist es doch hinsichtlich der Feinstaubfrage und der Frage nach dem CO2 mit einem guten landesweiten Maßnahmenpaket gelungen, die Werte deutlich zu senken und mit der grünen Plakette eine Kontrollmöglichkeit zu schaffen.

Warum verweigert die Landesregierung weiterhin die Unterstützung für die Einführung der blauen Plakette, die ja die Kontrollmöglichkeit böte, im Anschluss an durchgeführte Hardwarenachrüstungen nachzuvollziehen, ob die Fahrzeuge sauber sind?

Sie zitieren hier immer wieder Herrn Kretschmann. Herr Kretschmann hat da eine klare Haltung. Er setzt sich für die Einführung der blauen Plakette und die Durchführung entsprechender Hardwarenachrüstungen mit Unterstützung der Industrie ein, die das eins zu eins bezahlen soll.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie sich also auf Herrn Kretschmann berufen, dann müssten Sie Herrn Kretschmann in diesem Punkt auch unterstützen.

Herr Ministerpräsident, ich habe Ihnen eben sehr genau zugehört und fand durchaus bemerkenswert, dass Sie in Ihre Rede ein paar Punkte eingepflegt haben, die bisher seitens Ihrer Regierung in der Debatte eher unter „ferner liefen“ oder gar nicht angesprochen worden sind.

Beispielsweise haben Sie von der Hintergrundbelastung durch die Braunkohlekraftwerke gesprochen. Das ist in Köln ein reales Thema. Unter anderem sind es die Kraftwerke und die Industrie, die hier zu einer entsprechenden Belastung führen.

Sie haben auch die Flughäfen angesprochen. Wäre es nicht heute an der Zeit, die Chance zu nutzen, hier eine klare dahin gehende Aussage zu formulieren, dass es – um die Innenstadtluft sauber zu bekommen – keine Kapazitätsausweitung am Düsseldorfer Flughafen über das hinaus geben wird, was wir heute schon an Flugbewegungen haben? Das wäre eine klare Aussage gewesen!

(Zurufe)

Was bedeutet es ansonsten, wenn man sagt, dass die Flughäfen zur Belastung beitragen? Es interessiert uns wirklich, was die Landesregierung unternehmen wird, um die deutliche Belastung, die von den Flughäfen ausgeht, zurückzudrängen.

Sie haben auch die Binnenschifffahrt angesprochen. Das ist ja durchaus richtig. Es steht aber die Frage im Raum, mit welchem Maßnahmen- und Handlungspaket die Landesregierung dazu beitragen wird, dass die Partikuliere auf dem Rhein für saubere Luft auf dem Rhein sorgen können? Wir alle wissen, dass das ein sehr schwieriges Projekt ist. Es gibt viele eigenständige Unternehmer. Die Schiffe werden für einen Zeitraum von 40 oder 50 Jahren angeschafft.

Es gibt eine neue EU-Richtlinie, die ab 2019 gilt. Diese fordert zumindest saubere Kraftstoffe. Die Frage lautet aber doch: Wie wird die Landesregierung antreten, um die Schiffer dabei zu unterstützen, von ihren dreckigen Antrieben wegzukommen und die Schifffahrt auf dem Rhein sauberer zu machen?

Wenn Sie es schon ansprechen, Herr Ministerpräsident, sage ich Ihnen: Sie regieren, Sie stellen die Ministerien. Sagen Sie uns, welches Maßnahmenprogramm Sie vorstellen wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum Abschluss: Sie erwähnen so gerne Aachen. Das ist im Grunde ein Geschenk, das Ihnen gemacht worden ist. Die vorige Landesregierung respektive die Wissenschaftsministerin hat über Jahre hinweg mit guten Förderprogrammen die Elektromobilität in Aachen ausgebaut. Wir waren schon damals dort und haben vor Ort Gespräche am Lehrstuhl geführt. Wir haben uns dort den ersten Prototypen des Streetscooter angeschaut.

Sie kommen zufällig aus Aachen und nutzen jede Gelegenheit, auf dieses Projekt abzuheben. Sie rekurrieren immer auf Aachen, haben aber jetzt die Gelegenheit versäumt, uns deutlich zu machen, mit welchen Maßnahmenprogrammen Sie über das hinaus – ich spreche dabei von den 100 Millionen €, die seitens des vorherigen Umweltministers im Bereich „emissionsfreie Innenstädte“ schon auf den Weg gebracht worden sind – tätig werden wollen, was bereits läuft. Was also wird die Landesregierung des Weiteren auf dem Gebiet der Elektromobilität fördern? Auch das wäre eine Chance gewesen.

Gleich folgt noch eine zweite Runde. Ich habe meine Rede bewusst ein Stück weit moderat angelegt, ….

(Heiterkeit von der CDU)

– Ja, ich finde schon, dass das moderat war. Ich habe Fragen gestellt. Sie haben heute die Chance, hier Farbe zu bekennen. Was Sie gerade geliefert haben, war eher ein Rumlavieren. Sie haben sich an der Rechtsmaterie abgearbeitet, ohne eine klare Aussage zu treffen.

Die Bürgerinnen und Bürger, die Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister sowie auch die Bezirksregierungen sind überhaupt nicht zufrieden; denn Sie sprechen nicht mit ihnen. Sie sollten überhaupt mehr mit Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern sowie mit Bezirksregierungen reden anstatt mit der Automobilindustrie. Sie sollten auch nicht immer eins zu eins …

(Zuruf von der CDU)

– Ja, es ist so! Man kann sich noch einmal das Interview ansehen, das Herr Mattes am Donnerstagabend als neuer VDA-Präsident in den „Tagesthemen“ gegeben hat. Darin werden die Forderungen der Automobilindustrie im Anschluss an das Urteil genannt. Das, was Sie am Freitag in der Pressekonferenz als Ihre Forderungen wiedergegeben haben, entspricht wirklich eins zu eins der Position von Herrn Mattes.

Herr Ministerpräsident, natürlich ist es wichtig, sich mit den Konzernen und den Vorständen zu unterhalten. Sie als Ministerpräsident haben die Aufgabe, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Auge zu haben, deren Gesundheit zu schützen und zu einem Ausgleich zu kommen. Das machen Sie aber nicht!

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie plaudern munter das nach, was in den Konzernzentralen diskutiert wird.

Das gilt für die Industrie und für die Energiepolitik, leider aber auch für die Verkehrspolitik. Sie nutzen nicht die Chance, Druck auf Berlin zu machen. Sie könnten den neuen Bundesverkehrsminister in die Pflicht nehmen, jetzt ein entsprechendes Maßnahmenprogramm vorzulegen. Sie könnten sich für Hardware-nachrüstungen gegenüber der Automobilindustrie einsetzen.

Sie sind der Ministerpräsident des größten Bundeslandes. Nutzen Sie diese Chance, und nutzen Sie in der zweiten Runde auch die Chance, hier, wie man so schön sagt, ein bisschen mehr Butter bei die Fische zu tun! Erklären Sie uns klar und deutlich, wohin Sie eigentlich wollen! – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Löttgen.

Bodo Löttgen (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion um Luftreinhaltung und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ist zumindest teilweise von einer Art unversöhnlichem Lagerdenken geprägt, von berechtigter und manchmal auch unberechtigter Interessenswahrung, von Zweifel, Sorge und Mut, aber natürlich auch von knallharten Geschäftsinteressen.

Die Kampflinien machen sich an Grenzwerten fest, die Gegenstand von Rechtsprechung sind, und deren Entstehung und Bedeutung in der heutigen Zeit – übrigens wahrscheinlich allein aus diesem Grund – eigentlich niemand mehr hinterfragen darf.

„Grenzwert überschritten“ – das ist die moderne Übersetzung eines Fallbeil-Urteils: Stehst du auf der falschen Seite, spürst du die Folgen. – Mit welchen Folgen muss ich rechnen? Diese Frage möchten 15 Millionen Diesel-Pkw-Fahrer – 2,3 Millionen davon in Nordrhein-Westfalen – und die Besitzer der gut 5,6 Millionen registrierten Nutzfahrzeuge, die in der Mehrzahl mit Diesel betrieben werden, von der Politik und heute auch von uns beantwortet haben.

Mit welchen Folgen muss ich rechnen? Diese Frage wollen Tausende von Anwohnern verkehrsreicher Straßen von der Politik und heute auch von uns beantwortet haben.

Deshalb bin ich dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er gerade – im Übrigen völlig unaufgeregt und jenseits jeglicher Polarisierung – Fakten benannt und auf dieser Grundlage detaillierte Antworten gegeben hat.

(Zurufe)

Ich finde es schon schade, Herr Dahm, dass Ihre anscheinend vorgeschriebene Rede diesen Antworten nicht mehr Rechnung tragen konnte.

Herr Klocke, ich weiß gar nicht, ob das alles bei Ihnen angekommen ist. Vielleicht muss man die Vielzahl der Maßnahmen, die genannt worden sind, tatsächlich noch einmal nachlesen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Eines möchte ich jedoch hinterfragen. Auch Sie, Herr Klocke, sagen: Ohne Hardwarenachrüstung geht bei NO2 nichts. – Habe ich Sie da richtig verstanden?

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Ja!)

Auch Ihnen ist dieses Chart des Bundesumweltamtes bekannt?

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Auf die Entfernung kann ich es nicht erkennen!)

Das Erstaunliche ist ja, dass im Zusammenhang mit dem NO2-Eintrag von Energiewirtschaft, Haushalt, Industrieprozessen und verarbeitendem Gewerbe seit 1990 lediglich der Anteil des Verkehrs substanziell und signifikant zurückgegangen ist. Jetzt sagen Sie mir bitte mal, welche Hardwarenachrüstung seit 1990 stattgefunden hat, die bewirkt hat, dass tatsächlich eine Diesel-NOX-/NO2-Reduktion erfolgt ist! Dann können wir darüber reden.

(Zuruf von der SPD: Fahrverbote!)

Ich habe eine Menge zu diesem Thema gelesen – Texte und Artikel von Menschen, bei denen diese Diskussion Existenzängste auslöst, sowie von Befürwortern, die eine ernste Sorge um die Gesundheit ihrer Mitbürger haben. Je häufiger ich mich mit Vertretern beider Seiten unterhalten habe, desto mehr stellen sich auch mir Fragen: Schütten wir hier das Kind mit dem Bade aus? Wollen wir des Guten zu viel? Oder schießen wir vielleicht mit Kanonen auf Spatzen?

Ich habe einige Fakten zusammengetragen, die uns notwendige Antworten ermöglichen.

Lassen Sie mich mit dem Thema „Grenzwert“ beginnen. Fakt ist: Dieser Grenzwert – 40 µg/m3 Luft – gilt. Er ist Grundlage für Gerichtsurteile, und das ist in keiner Weise zu kritisieren.

Wenn Fahrverbote aber auf Messwerten beruhen sollen, dann sollte klar sein, was die Messstationen wirklich messen. Seit dem VW-Abgasskandal ist Stickoxid zum meistbeachteten Luftschadstoff geworden. Vor allem Stickstoffdioxid gilt als Krankmacher. Tatsächlich ist es so: An vielen deutschen Messpunkten, auch bei uns in Nordrhein-Westfalen, wird die Schadstoffkonzentration von 40 µg/m3 Luft im Jahresmittel überschritten.

Eine Randbemerkung, weil gerade das Thema „VW-Abgasskandal“ so aktuell ist: Ich finde es in einer Zeit, in der gerade wieder Durchsuchungen in der VW-Zentrale stattfinden, in der VW im vergangenen Jahr den operativen Gewinn auf 13,8 Milliarden € fast verdoppelt hat, in der bekannt wird, dass sich die Vorstandsbezüge bei Volkswagen fast um ein Drittel auf gut 50 Millionen € erhöht haben, geradezu unanständig, dass sich dieser Konzern nicht an einer Lösung der Probleme beteiligt.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD)

Und jetzt werfen wir mal einen Blick auf die Corneliusstraße in Düsseldorf. Ein Angestellter beispielsweise, der über die Corneliusstraße in sein Büro im Stadtteil Bilk fährt, muss sich solchen Dosen von oberhalb 40 µg/m3 immer wieder aussetzen. Danach sitzt er gut geschützt an seinem Schreibtisch und kann sich erholen – könnte man meinen. Doch da stimmt etwas nicht. Achtung! Für Büros gilt laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz die mittlere Arbeitsplatzkonzentration – MAK –, ein Grenzwert von 60 µg, und für manche Industriearbeitsplätze – Achtung! – von 950 µg/m3 Luft.

(Zurufe von der AfD)

– Passen Sie doch einfach auf, Herr Seifen! Sie sind doch Lehrer, da können Sie noch was lernen.

An keiner Stelle …

(Fortgesetzt Zurufe von der AfD)

An keiner Stelle in Deutschland wurde ein derart hoher Wert festgestellt. Warum aber ist für viele Stickoxid, wenn es für lange Zeit aufgenommen wird, harmlos und für kurze Zeit so todbringend? – Antwort: Die Grenzwerte kommen durch unterschiedliche Herangehensweisen an das Problem zustande.

Für den Arbeitsplatz gibt es die toxikologische Untersuchung zur Giftigkeit des Stoffs mit der Feststellung, dass Reizungen über 2.000 µg gefährlich sind. Beim Grenzwert an der Straße gibt es jedoch eine völlig andere Herangehensweise, nämlich die epidemiologische. Dabei wird die gesundheitliche Beeinträchtigung von Betroffenen statistisch erfasst.

Das Ergebnis: An Stellen, an denen die durchschnittliche Stickstoffdioxidkonzentration deutlich über 40 µg liegt, erleiden die Menschen gesundheitliche Beeinträchtigungen. Deshalb hat die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, diese Zahl 2005 empfohlen, und die EU hat sie umgesetzt.

Eines sollte aber wirklich zum Nachdenken anregen: Bei dieser epidemiologischen Untersuchung ging es damals gar nicht um Stickoxide. Deren Vorhandensein, so die WHO damals, sei nur ein starker Hinweis auf Fahrzeugemissionen. Also wird alles, was sonst noch an Gift in der Luft ist, plötzlich dem Schadstoff Stickoxid in die Schuhe geschoben.

Im Klartext: Wenn wie im Januar 2018 in der Düsseldorfer Corneliusstraße 51 µg/m3 Stickstoffdioxid im Jahresmittel gemessen werden, heißt das nicht, dass es dieser Stoff ist, der krank macht, sondern es heißt lediglich, dass die Summe der verkehrsbedingten Emissionen schädlich ist. Ob nun Stickoxid aus Dieselabgasen der Bösewicht ist oder Feinstaub aus Benzinmotoren – das wurde gar nicht untersucht. Und schon dies führt die Forderung nach einem isolierten Dieselfahrverbot völlig ad absurdum.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Eigentlich ist NOX also nur ein Hinweisgeber auf viel Verkehr und die damit verbundenen Schadstoffe. Insofern löst auch die alleinige Reduktion von NOX das Problem nicht. Die anderen, auch schädlichen oder noch schädlicheren Schadstoffe sind nach wie vor in der Luft.

Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist die Aussage der Epidemiologin Annette Peters vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zur VW-Abgasaffäre, die für noch niedrigere NOX-Werte eintritt. Sie räumte laut Protokoll vor den Abgeordneten ein, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Stickoxiden und Gesundheitsschäden epidemiologisch noch nie untersucht wurde. Zitat:

„Für NO2 bin ich mir keiner Studie bewusst, die das schon mal systematisch angeguckt hat.“

Das bedeutet: Niemand weiß, welche Schadstoffe Schäden verursacht haben, für die in dieser Debatte pauschal Stickoxide verantwortlich gemacht werden.

Ein weiterer Grund, warum man noch einmal über die Festlegung der WHO diskutieren kann,

(Zuruf von der SPD)

die aber augenscheinlich heute auch keine Rolle mehr spielt: Die Untersuchung damals wurde in Zeiträumen und Regionen vorgenommen, in denen es noch keine wirksame Abgasreinigung gab. Viele der statistisch erfassten vermeintlichen NOX-Gesund-heitschäden können gar nicht mehr entstehen. Diese Schadstoffe sind in der Wirklichkeit der Luftreinhaltung von heute verschwunden.

Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe sind mit der Einführung des Dreiwegekatalysators kein Problem mehr. Schwefeldioxid, der Hauptverursacher des damaligen sauren Regens, ist mit der Einführung schwefelfreier Kraftstoffe aus der Luft verschwunden. Asbest als krebserregender Bestandteil von Bremsbelägen ist europaweit und in weiten Teilen der restlichen Welt verboten.

Es bleibt der Feinstaub. Ein Großteil der schädlichen Partikel kam früher aus dem Auspuff von Dieselfahrzeugen. Früher! Das ist mit der Einführung von Rußfiltern heute kein Thema mehr. Heute sind Benzinabgase eine wichtige Feinstaubquelle, weshalb auch Benziner künftig Filter haben müssen. Dazu kommen Feinstäube durch Reifenabriebe und durch den Abrieb von Bremsbelägen. Sie bleiben ein Problem, das sich aber nicht eindeutig dem Benziner oder dem Diesel zuordnen lässt.

Deshalb das erste Fazit: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit einem Grenzwert arbeiten, der die aktuelle Situation der Fahrzeugentwicklung nur unzureichend abbildet, ist hoch. Die verkehrsbedingten Schadstoffe sind überschaubar geworden. Stickoxide kommen heute überwiegend aus Dieselmotoren, Rußpartikel dagegen überwiegend aus Benzinmotoren, Reste früherer Schadstoffe gibt es noch.

Bevor man über Fahrverbote auch nur nachdenkt, sollten Toxikologen und Epidemiologen unter heutigen Bedingungen gemeinsam erforschen, welcher Schadstoff welche Wirkungen in welcher Konzentration hat. Alles andere ist aus meiner Sicht Scharlatanerie.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das zweite Thema ist die Messstation, hier am Beispiel Stuttgart, weil dort – so steht es in einem „WeLT“-Artikel vom 19. November 2017 – sehr ausführlich untersucht wurde, was wie wo gemessen wird. Stuttgart gilt als Stadt mit der schlechtesten Luftqualität Deutschlands und das Neckartor als dreckigste Kreuzung im Land; 81,6 µg/m³ wurden 2016 offiziell gemessen. Das ist die eine Wahrheit.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Die andere Wahrheit hat das Karlsruher Institut für Technologie, KIT, herausgefunden. Dessen Messungen zeigen, dass sich die Stickoxidwerte schon 20 bis 25 m von der Straße entfernt halbieren. Geht man in die Höhe, wird die Luft ebenfalls besser. Zeitweilige Messungen der Behörden haben ergeben, dass die Stickoxidkonzentration in angrenzenden Straßen des Neckartors um 60 % geringer ist als an der Messstelle. Die KIT-Ingenieure stellten sich die Frage, ob man von den vier Messstationen in Stuttgart, dazu noch an besonders belasteten Orten, Rückschlüsse für ganze Städte ziehen kann, und kamen zu dem Ergebnis: Nein, das glauben wir nicht.

(Michael Hübner [SPD]: Das macht man ja deshalb auch nicht!)

Das Gesamtbild wird verfälscht. Der Konflikt mit den Umweltverbänden und Anwohnern ist vorprogrammiert, denn selbst die Wissenschaft ist sich nicht einig, wie man objektive Messergebnisse erzielt.

Für die Wissenschaftler und Ingenieure des KIT steht fest: Mit jedem Schritt weg von der Straße verringert sich die Belastung. – Direkt am Straßenrand – das kann ich mir zumindest bei uns nicht vorstellen – wohnt doch niemand.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Oh, Mann! – Zurufe von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und Michael Hübner [SPD])

– Herr Rüße, nennen Sie mir jemanden, der direkt dort wohnt, wo die Messstation ist. Niemand tut das. 20 m entfernt ist die Belastung halbiert.

(Helmut Seifen [AfD]: Das haben Sie jetzt davon, dass Sie AfD-Positionen vertreten!)

– Ich lasse mir von Ihnen nicht unterstellen, dass ich irgendeine Ihrer Positionen vertrete. Ich vertrete die Position der CDU-Fraktion.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der CDU, der SPD, den GRÜNEN und der AfD)

Noch einmal für Herrn Rüße: Bereits auf Höhe des dritten Stockwerks, unmittelbar an der Straße, sind die Stickstoffdioxidemissionswerte um etwa 30 % reduziert.

(Michael Hübner [SPD]: Dann sollen die jetzt alle in den dritten Stock ziehen? – Weitere Zurufe)

– Bleiben Sie doch mal ganz locker. Das ist außen am Gebäude, Herr Hübner. Jetzt kommen wir zum Gebäudeinneren.

(Michael Hübner [SPD]: Das sind doch unterschiedliche Sachverhalte, Herr Kollege!)

– Sie können doch einfach mal Fakten zur Kenntnis nehmen. Oder wollen Sie Fahrverbote? Eben haben Sie Nein gesagt. Wenn Sie keine wollen, dann müssen Sie sich mit den Fakten beschäftigen.

(Beifall von der CDU, der FDP und Roger Beckamp [AfD])

Diese Fakten sagen: In Gebäuden an hoch verkehrsbelasteten Straßen ist der Grenzwert typischerweise halbiert.

Zweites Fazit: Exakt am Ort der Messstation werden justiziable Grenzwerte gemessen, wenige Meter weiter, höher oder in Gebäuden wird der Grenzwert nicht überschritten.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Warum setzt nun die Deutsche Umwelthilfe alles daran, bei dieser zumindest höchst unklaren Faktenlage Fahrverbote gegen die Fahrer von Diesel-Pkw zu erwirken und Diesel-Nutzfahrzeuginhaber quasi –

(Helmut Seifen [AfD]: Zu enteignen!)

– ja – fast zu enteignen?

(Zurufe von der SPD, den GRÜNEN und der AfD)

Wie kommt ein solcher Verein dazu, sich zu Aussagen zu versteigen, der NRW-Ministerpräsident ignoriere das Leipziger Urteil, oder der lange Arm der Dieselkonzerne – wie Sie es eben auch gesagt haben – reiche offensichtlich bis in die Staatskanzlei?

Jetzt zu Ihnen, Herr Klocke, weil Sie das eben angesprochen haben. Möchten Sie die Argumentation noch einmal hören, Herr Klocke?

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

– Danke schön.

Mit Blick auf die Pressemitteilungen der Deutschen Umwelthilfe und den Geschäftsbericht 2017 beschleichen mich höchst ambivalente Gefühle, was die Motivationslage angeht. Bei Gesamteinnahmen von rund 8 Millionen € in 2017 sind 2,4 Millionen € sogenannten Erträgen aus ökologischer Marktüberwachung zuzuordnen. Das ist der Euphemismus des Jahres! Dahinter verbirgt sich nichts anderes als simple Abmahnungen. 2,4 Millionen € nur durch simple Abmahnungen!

(Beifall von der CDU und der FDP)

4,2 Millionen € stammen aus Spenden, Sponsoring und Zuschüssen – darunter Spenden von Toyota,

(Ministerpräsident Armin Laschet: Super!)

der amerikanischen Ford Foundation sowie der ebenfalls amerikanischen ClimateWorks Foundation.

An dieser Stelle habe ich nur die Frage gestellt, ob es nicht endlich an der Zeit ist, den Einfluss der genannten Firmen und Organisationen zu überprüfen

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Sie unterstellen einen Einfluss!)

– das haben Sie eben auch gesagt –,

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Ich unterstelle ihnen das nicht, aber Sie unterstellen es!)

deren über die Umwelthilfe gesteuerte Kampagnen offensichtlich nur einen einzigen Zweck erfüllen: schärfere Grenzwerte bei so ziemlich allem, darunter auch Stickoxiden – ich vermute, um die eigenen Marktchancen zu erhöhen.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Herr Klocke, wo bleibt denn der Aufschrei all derjenigen Organisationen, die sich fortwährend um Transparenz und Lobbyismus kümmern? Oder schauen sie in diesem Fall einfach einmal weg, wenn es um die Durchsetzung valider Geschäftsinteressen ausländischer Stakeholder gegenüber deutschen Firmen geht?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ein Beispiel für die aus meiner Sicht fehlende Seriosität der Deutschen Umwelthilfe aus diesem Bericht geben. Zitat des Bundesgeschäftsführers Resch zum NOx-Rechtsstreit:

„,Wir kämpfen für Saubere Luft in unseren Städten.‘ Die DUH klagt durch alle Instanzen und Gerichte bestätigen: 2018 muss das Recht auf Saubere Luft in Deutschland durchgesetzt werden.“

So weit die DUH.

Was sie nicht darstellt, ist die wirkliche Rechtslage. Deutsche Bürger können die Behörden dazu zwingen, einen Aktionsplan zur Verringerung der Umweltbelastungen – Achtung! – durch Feinstaub, nicht durch NOx, zu erstellen. Das hat der Europäische Gerichtshof im Mai 2010 entschieden. Allerdings müssen die Mitgliedsstaaten in einem solchen Aktionsplan keine Maßnahmen ergreifen, die dafür sorgen, dass die Feinstaubgrenzwerte nicht überschritten werden. Nötig ist lediglich, die Überschreitung der Grenzwerte auf ein Minimum zu verringern. Punkt! Das sagt die Deutsche Umwelthilfe nicht.

Damit bin ich beim letzten Punkt, der rechtlichen Situation. Der Ministerpräsident hat bereits vieles Richtige zur Einordnung dieses Urteils gesagt. Ich möchte mich auf einige wenige Sätze aus der Presseveröffentlichung beschränken, die auch zur Unterstellung der Deutschen Umwelthilfe gegenüber dem Ministerpräsidenten geführt haben – ähnlich, wie Sie das heute getan haben –, er bzw. die Landesregierung verhalte sich bei der Auslegung des Urteils nicht rechtskonform. Die Sätze aus der Pressemitteilung lauten – ich weiß nicht, ob Sie davon ausgehen, dass in der Pressemitteilung etwas anderes steht als im kompletten Urteil –:

„Allerdings sind bei der Prüfung von Verkehrsverboten für Diesel-Kraftfahrzeuge gerichtliche Maßgaben insbesondere zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu beachten.“

Und konkreter für Düsseldorf:

„Ergibt sich bei der Prüfung, dass sich Verkehrsverbote für Diesel-Kraftfahrzeuge als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte darstellen, sind diese – unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – in Betracht zu ziehen.“

Ein doppelter Ansatz von Verhältnismäßigkeit! Daraus abzuleiten, es gebe zwangsläufig in kürzester Zeit Fahrverbote, wie es die DUH in ihren Pressemitteilungen weismachen will und wie auch Sie das hier insinuieren, ist geradezu abenteuerlich und darauf angelegt, sowohl die Fahrer von Dieselfahrzeugen als auch die um ihre Gesundheit besorgten Bürgerinnen und Bürger in die Irre zu leiten. Das ist Fakt, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Für einen verantwortungsvoll handelnden Ministerpräsidenten scheint es geradezu geboten – aus Sicht der CDU-Fraktion ist das mehr als notwendig –, dem mehr als deutlichen Hinweis des Bundesverwaltungsgerichts zu folgen und dem für Legislative und Exekutive konstitutiven Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wenigstens die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Prüfung dieses Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – juristische Grundklausur – besteht immer aus Beurteilung der Maßnahmen in vier Punkten. Klarheit herrscht, was das Erfordernis des legitimen Zwecks angeht. Aber dann kommt es: Ob Fahrverbote geeignet, erforderlich und angemessen sind – und alle drei Kriterien müssen erfüllt sein –, um das Ziel der Luftreinhaltung zu erreichen, darf nach allem Vorgenannten zumindest in Zweifel gezogen werden.

Daher ist das richtig, was Armin Laschet gesagt hat. Dieser Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird bei Fahrverboten nicht eingehalten. Deshalb wären sie rechtswidrig.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Nichts anderes hat er gerade hier getan. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge nicht die einzige geeignete Maßnahme sind. Er hat eine ganze Reihe von Maßnahmen vorgestellt, die geeignet sind, das Ziel ohne Fahrverbote zu erreichen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Erklären Sie es doch einmal!)

Diese Antworten auf die Fragen von Dieselfahrern und um die Gesundheit besorgten Bürgern respektieren das Urteil und zeigen Lösungen jenseits Ihrer zementierten Meinungen auf. Dafür sage ich im Namen der CDU-Fraktion herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Löttgen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Middeldorf das Wort. Bitte schön.

Bodo Middeldorf (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, das wir heute hier beraten, liegt seit etwa sieben Jahren auf dem Tisch dieses Hauses. Seit sieben Jahren ist das, was der Ministerpräsident heute vorgetragen hat, die umfassendste und nachdrücklichste Erläuterung von Lösungsansätzen, die wir hier jemals gehört haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Ministerpräsident, dafür bedanke ich mich im Namen der FDP-Fraktion ausdrücklich.

Da ist es geradezu absurd, wenn von der Opposition der Vorwurf gemacht wird, der Ministerpräsident habe hier keine Maßnahmen beschrieben.

(Christian Dahm [SPD]: Keine neuen!)

Ich empfehle ausdrücklich die nachträgliche Lektüre der Unterrichtung und des Vortrags von Herrn Laschet.

Herr Laschet, Sie haben in Ihrer Unterrichtung darüber hinaus dankenswerterweise klargestellt, welche weitreichenden wirtschafts-, aber auch gesellschaftspolitischen Folgen dieses Thema hat.

Wenn Pendler nicht mehr zur Arbeit kommen, wenn Handwerksbetriebe ihre Kunden nicht mehr aufsuchen können, wenn Paketzusteller ihre Adressaten nicht mehr erreichen, wenn die Müllabfuhr stillstehen müsste, dann wäre der Lebensnerv unseres Landes getroffen.

Darum kann man nicht oft genug wiederholen: Die FDP-Fraktion und die NRW-Koalition sprechen sich eindeutig dafür aus, Fahrverbote unter allen Umständen zu vermeiden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Koalitionsfraktionen haben bereits im vergangenen Jahr sehr frühzeitig eine parlamentarische Initiative hierzu ergriffen, der die Landesregierung nun ohne Verzögerung gefolgt ist. Im Gegensatz zur Vorgängerregierung ist es eben gerade nicht bei Lippenbekenntnissen geblieben. Der Ministerpräsident hat in seinen Ausführungen deutlich gemacht, dass alle beteiligten Ressorts mit Hochdruck an konkreten Maßnahmen arbeiten. Das ist genau der richtige Weg.

Die Anforderungen, die sich jetzt nach dem Urteil des Bundesverwaltungsberichtes an alle Beteiligten richten, sind zweifellos gewachsen. Das Urteil heißt aber auch eines: Es ist kein Automatismus, der zu Fahrverboten führen muss. Fahrverbote für Kraftfahrzeuge – das hat auch der Kollege Löttgen noch einmal deutlich gemacht – sind zwar nach geltendem Recht möglich, und sie müssen auch geprüft werden, ihre Verhängung ist aber vom Gericht klar an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geknüpft worden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Da die Fahrverbote einen massiven Eingriff in die Eigentumsrechte bedeuten, müssen alle anderen Mittel, die den gleichen Zweck erfüllen oder vielleicht sogar noch wirkungsvoller sind, systematisch ausgeschöpft werden.

(Beifall von der FDP)

Mit anderen Worten: Fahrverbote können immer nur die Ultima Ratio staatlichen Handelns darstellen. Der Ministerpräsident hat dies klar benannt und noch einmal deutlich gemacht. Er steht zu seiner Position. – Für diese klare Positionierung danken wir Ihnen ausdrücklich, Herr Laschet.

Die NRW-Koalition und die Landesregierung sind damit nach jahrelangem Abwarten endlich auf bestem Wege, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen. Es muss unser Anspruch sein, die Regeln unseres gesellschaftlichen Miteinanders wieder politisch zu gestalten und nicht auf Gerichte abzuwälzen, meine Damen und Herren.

Mir ist es aber auch wichtig, zu sagen: Wir dürfen uns in unserem staatlichen Handeln nicht durch dubiose Institutionen wie die Deutsche Umwelthilfe treiben lassen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Es handelt sich bei Weitem nicht – das ist auch schon ausgeführt worden – um einen altruistischen Verein, wie vielleicht der Name suggeriert. Die Deutsche Umwelthilfe ist ein kommerzieller Abmahnverein mit unklaren Trägerstrukturen und offensichtlichen geschäftspolitischen Interessen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Was dieser Verein in den letzten Wochen an Forderungen erhoben hat, hat nichts, aber auch gar nichts mehr mit dem Streben nach sauberer Luft zu tun. Es ist der systematische Versuch, den Individualverkehr in unseren Innenstädten zum Erliegen zu bringen. Fahrverbote sind für die Deutsche Umwelthilfe zum Selbstzweck geworden.

Deshalb will ich für die FDP-Fraktion unmissverständlich sagen: Wir werden die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land vor dem blindwütigen Aktionismus der Deutschen Umwelthilfe schützen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Für uns besteht dabei ausdrücklich kein Widerspruch zwischen dem Erhalt individueller Mobilität und der Sicherung der Luftreinhaltung.

Natürlich machen auch uns die teilweise weit auseinanderklaffenden Aussagen verschiedener Mediziner und Wissenschaftler zu unterschiedlichen Grenzwerten nachdenklich. Wichtig ist: Selbstverständlich haben auch die Menschen, die an den belasteten Straßen wohnen, einen Anspruch auf bestmöglichen Schutz. Und diesen Schutz werden wir ohne Fahrverbote erreichen, meine Damen und Herren.

Die Koalition und die Landesregierung wollen und werden alle Instrumente ausschöpfen – das hat der Ministerpräsident deutlich gemacht –, die Fahrverbote vermeiden.

Ich will an dieser Stelle noch einmal die wichtigsten Ansatzpunkte wiederholen, weil das einige Kolleginnen und Kollegen vorhin offensichtlich nicht mitbekommen haben: gezielter Ausbau der Elektromobilität samt Infrastruktur, Unterstützung alternativer Antriebe, Nachrüstung und Umstellung von ÖPNV-Busflotten, Ausbau von Radwegen, Förderung von Projekten im Rahmen des Programms „Emissionsfreie Innenstadt“ usw. usf.

Uns helfen keine – das will ich hier auch sagen – unausgegorenen Schnellschüsse wie etwa der Vorschlag eines kostenlosen ÖPNV. Die Finanzierungsfrage ist vollkommen ungeklärt. Es ist vor allem aber auch keine Lösung für die drängenden Probleme im Bereich der Grenzwertproblematik. Die Kapazitäten sind doch in den Hauptverkehrszeiten schon heute vollkommen ausgeschöpft. Außerdem würde das Angebot ins Leere laufen, weil für eine dauerhafte Nutzungsentscheidung – das wissen wir – ganz andere Faktoren verantwortlich sind.

Die Lösung ist eine Steigerung der Attraktivität des ÖPNV. Vor allem müssen die Kapazitäten nachfragegerecht ausgebaut werden, Frequenzen erhöht werden. Die Zuverlässigkeit muss verbessert werden, und wir brauchen endlich E-Ticket-Systeme, die die Nutzungshürden senken. Daran arbeitet die Landesregierung an der Seite der Verkehrsverbünde und Verkehrsunternehmen ebenfalls intensiv.

Langfristig steht die NRW-Koalition zugleich – das will ich ausdrücklich sagen – für eine Weichenstellung zugunsten einer nachhaltigen, in die Zukunft gerichteten Verkehrspolitik. Ideologische Fragen gehören für uns heute schon der Vergangenheit an. Längst führen wir keine Debatte mehr über die Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Verkehrsträger.

Künftig wollen wir innovative Mobilitätsangebote auf der Basis neuer Technologien ermöglichen. Fortschritte in der Digitalisierung, der Informationstechnik, der Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsträger und beim autonomen Fahren können zu neuen Formen der Mobilität führen, die wir systematisch erschließen wollen. Sie bieten die Chance, die bestehende Infrastruktur besser und vor allem effizienter zu nutzen und die Verkehrsströme gleichmäßiger als bisher zu verteilen.

Der ÖPNV etwa kann in Verbindung mit Pooling-Ansätzen und Sharingangeboten seine Attraktivität deutlich steigern und damit echte Umstiegsargumente liefern. Darüber hinaus erreichen wir damit nennenswerte Beiträge zur Verringerung der innerstädtischen Belastung.

Die FDP hat sich in der Auseinandersetzung um die Maßnahmen zur Verringerung der NO2-Belastung immer auch für einen eigenen Beitrag der Automobilindustrie ausgesprochen, und dazu stehen wir weiterhin. Wir sehen in der sogenannten Hardwarenachrüstung ein technisch geeignetes Mittel, um den Ausstoß wirksam zu reduzieren. Wir erwarten von den Herstellern, dass sie ihrer Verantwortung gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern gerecht werden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich will aber genauso deutlich sagen: Wir brauchen hier ausdrücklich keine Nachhilfe von einer Partei, die die Autofahrer seit Jahren mit ihrer autofeindlichen Politik geradezu schikaniert.

(Beifall von der FDP und der CDU – Arndt Klocke [GRÜNE]: Das ist noch unter AfD-Niveau! – Helmut Seifen [AfD]: So hoch kommt er nicht!)

Dass die Grünen jetzt – Herr Klocke, das kann ich Ihnen nicht ersparen – mit ihrem Antrag so tun, als seien sie der Schutzpatron der Autofahrer, ist wohlfeil, aber es sind doch gerade Vereine wie die Deutsche Umwelthilfe, die Teil der grünen Ideenwelt sind. Das haben Sie vorhin durch Ihre undifferenzierte Haltung zur Deutschen Umwelthilfe noch einmal deutlich gemacht.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Mit der Forderung nach der Einführung einer blauen Plakette – das muss auch einmal klar gesagt werden – würden auf einen Schlag Millionen von Autofahrern faktisch enteignet. Das können wir doch so nicht vertreten!

(Beifall von der FDP)

Wir lehnen den Antrag der Grünen aber vor allen Dingen deswegen ab, weil er mit der heutigen Unterrichtung durch die Landesregierung schlichtweg gegenstandslos geworden ist.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Ach, wirklich?)

Gerade der Forderung nach Berichterstattung über die Maßnahmen zur Luftreinhaltung und zur Unterstützung der Kommunen kommen die damit befassten Ressorts regelmäßig nach. Und dass stadtbezogene Maßnahmen gemeinsam mit den Kommunen entwickelt und umgesetzt werden müssen, versteht sich von selbst.

Aktuell arbeiten die Bezirksregierungen und die betroffenen Städte intensiv an einer Weiterentwicklung der jeweiligen Luftreinhaltepläne. In der Düsseldorfer Corneliusstraße etwa verursachen veraltete Busse der Rheinbahn immer noch einen erheblichen Anteil an Stickoxiden. Deswegen muss man mit den Bundesmitteln bei der Umrüstung der ÖPNV-Busflotten ansetzen.

(Monika Düker [GRÜNE]: In Düsseldorf fährt man Straßen- und U-Bahn!)

Solche Ansatzpunkte können Pilotcharakter für andere Luftreinhaltepläne haben.

Klar ist aber auch: Jeder Luftreinhalteplan ist bezogen auf sein Maßnahmenbündel immer auf die spezifischen Bedarfe und Möglichkeiten der jeweiligen Kommune auszurichten. Um das politische Ziel der Vermeidung von Fahrverboten rechtssicher umzusetzen, braucht es den Schulterschluss zwischen Ministerialverwaltung, Bezirksregierungen und Kommunen.

Wir vertrauen auf die Behörden, dass sie den Prüf- und Abwägungsprozess bezogen auf den Einsatz einzelner Maßnahmen kompetent durchführen und dabei immer im Blick haben, dass Fahrverbote nur die Ultima Ratio sein können.

Das zu erreichen – das will ich ausdrücklich sagen –, erfordert zugleich eine klare Haltung und das Zutun unserer Städte. Auch ihr Interesse muss es sein, alles zu tun, damit auch künftig Händler, Handwerker und Beschäftigte nicht aus unseren Innenstädten ausgeschlossen werden. Wir appellieren daher an alle Stadtoberhäupter, sich nicht vorschnell für die Verhängung von Fahrverboten auszusprechen. Unsere Landesregierung wird sie hierbei unterstützen.

(Beifall von der FDP)

Abschließend noch eine grundsätzliche Anmerkung zur Zukunft des Dieselantriebs: Die Dieselhysterie muss ein Ende haben. Dieselmotoren der neusten Kategorie, der Euro-6-Kategorie, sind nahezu sauber. In der Gesamtbetrachtung der Emissionen schlagen Sie nach wie vor viele andere Antriebstechnologien. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduzierung. Deshalb wird der Diesel für uns auch in Zukunft Bestandteil eines zukunftsfähigen Antriebsmixes auf nordrhein-westfälischen Straßen sein. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Middeldorf. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Dr. Blex das Wort.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Die AfD wirkt, das muss man sagen.

(Beifall von der AfD)

Ich hatte eben den Eindruck, dass Sie offensichtlich …

(Bodo Löttgen [CDU]: Haben Sie diese Erkenntnisse in Syrien gewonnen? – Gegenruf von der AfD)

– Herr Löttgen, hören Sie mal zu. Hören Sie genau zu. Sie können mich in Zukunft gerne weiterhin plagiieren. Dagegen habe ich nichts. Denn wir machen Politik für unser Land. Wenn es dadurch besser für unser Land wird, haben wir überhaupt kein Problem damit, dass Sie abschreiben.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Ich möchte Ihnen eines zeigen: Drucksache 17/68 vom 4. Juli 2017 mit dem Titel „Wirksame Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen“.

(Der Redner hält ein Schriftstück hoch.)

Sie haben fast eins zu eins meine Rede dazu abgeschrieben. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung!

(Beifall von der AfD)

Sie haben alle unsere Argumente, die wir da angeführt hatten, übernommen. Jedes einzelne Argument haben Sie übernommen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Nein, ich habe Ihre Rede noch nicht mal gelesen! – Weitere Zurufe)

Eine grandiose Leistung! Danke schön, dass Sie das geschafft haben. Ganz toll! Ich bin vollkommen zufrieden.

(Beifall von der AfD)

Herr Pinkwart kennt mittlerweile Lastlinien – die hat er von uns übernommen –, und Sie verstehen mittlerweile, dass die Grenzwerte ökoradikaler Unsinn waren. – Danke schön, dass Sie das abgeschrieben haben.

(Beifall von der AfD)

Die AfD wirkt für unser Land.

Wenn Sie sich schon meine Reden anschauen, dann haben Sie sicherlich auch meine Rede zur Drucksache 17/2016 angeschaut. Ich habe sie ausgedruckt und hier vorliegen. Als Lehrer weiß ich, dass man manchmal etwas wiederholen muss, damit Sie etwas verstehen. Aber wir haben es jetzt oft genug wiederholt. Jetzt ist es endlich bei Ihnen angekommen. 950 µg am Arbeitsplatz, 60 µg, das ist der Grenzwert im Büro. Alles das haben wir gesagt. Es ist die Richtlinie, es ist alles gut. Sie haben alles aufgegriffen und gelernt. Danke, dass Sie lernen – für unser Vaterland.

(Beifall von der AfD – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Es ist super, dass Sie das gemacht haben, dass Sie uns kopieren. Wunderbar, dass Sie uns kopieren. Wir sind Ihnen nicht böse. Ich wäre nur für eines dankbar: Es ist gut, dass Sie uns kopieren, aber haben Sie doch den Mut, auch zu sagen, von wem Sie kopiert haben. Es wäre fair, wenn Sie das sagen würden.

(Beifall von der AfD)

Sie stellen sich sehr selbstgerecht hier vorne hin

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Das sagt gerade der Richtige!)

und reden alten Kaffee, den wir Ihnen vorgebetet haben. Aber es ist schön, dass Sie endlich verstehen. Manche im Parlament brauchen wahrscheinlich sehr viel länger, bis sie das verstehen, wenn ich mir den Linksblock anschaue. Aber gut, Sie sind auf dem Weg, es zu verstehen, und das ist schon einmal ein Anfang für unser Vaterland.

Sie schauen ja öfters auf meine Facebook-Seite. Schauen Sie ruhig weiter da herein. Meine Reden stehen dort. Sie finden dort auch viele Bilder, die Sie zum Nachdenken anregen könnten. Schauen Sie mal nach, machen Sie das mal. Auch da werden Sie lernen und merken, dass Sie – das hat Herr Laschet eben angesprochen – die Geister gerufen haben, die Sie jetzt wieder einzufangen versuchen. Aber das bekommen Sie so ohne Weiteres nicht mehr hin.

Die Rede von Herrn Laschet hat mich erinnert an: „Haltet den Dieb!“ – Gut, Sie haben erst jetzt von uns gelernt. Als Sie damals die ökoradikalen Grenzwerte in der EU mitgetragen haben, haben Sie es vielleicht noch nicht gewusst – das mag so sein –, aber Sie können sich doch jetzt nicht hier hinstellen, Herr Laschet, und sagen: „Das ist jetzt mal so. Da kann keiner was dafür. Das ist jetzt vom Himmel gefallen.“ –

Es fällt nichts vom Himmel, weder eine Massenzuwanderung noch Grenzwerte. Es fällt nichts vom Himmel. Das haben Sie ganz bewusst veranlasst, und Sie sind mit allen anderen Linksfraktionen hier im Parlament über das Stöckchen gesprungen.

Herr Löttgen hat es ja verstanden. Deshalb komme ich zu Herrn Laschet; der hat es nämlich nicht verstanden. Das war nämlich inhaltlich heiße Luft. Sie haben eine Pseudoproblemanalyse ohne irgendwelche Handlungskonzepte aufgegeben. Das ist ja schon eine Sache. Es ist ja schön, dass Sie überhaupt mal eine Tatsachenbeschreibung von sich gegeben haben. So gesehen muss ich den Links- und Grünen-Fraktionen recht geben. Eine Lösung für das von Ihnen selbst geschaffene Problem haben Sie jedoch in keiner Weise geboten. Die Lösung ist natürlich ganz einfach: Wir senken die Grenzwerte; sie sind zu hinterfragen. – Herr Löttgen ist Ihnen da ein bisschen voraus. Der hat zugehört.

(Beifall von der AfD)

Das Einzige, was Ihnen eingefallen ist, ist Elektromobilität. Ja, die Autos brennen beim Unfall schön – das mag so sein –, aber es ist in absehbarer Zukunft kein vernünftiger Antrieb, der dazu beitragen kann, irgendwelche Grenzwerte, die zu hinterfragen sind, zu senken.

Unabhängig davon sinken die Grenzwerte. Auch das hat sich Herr Löttgen bei meinen Reden abgeschaut. Ich freue mich. Manchmal ist es so wie bei Schülern. Ich kenne das. Gerade bei Jungs dauert es manchmal etwas länger. Aber irgendwann kommt die Erkenntnis. Wunderbar, Herr Löttgen, dass Sie das gelernt haben.

(Beifall von der AfD)

Die FDP ist noch im Prozess des Lernens. Gut, dort sind einige jünger. Das ist auch so: Manche jüngeren Jungs brauchen länger, bis sie es verstanden haben. Es ist alles gut. Ich habe Hoffnung für unser Land.

Nun komme ich allerdings zu Menschen, bei denen ich weniger Hoffnung habe, nämlich zu den Grüninnen, von denen wir den Antrag vorgelegt bekommen haben. Da muss man sagen: Ja, Sie müssen noch sehr lange lernen.

Es ist ganz interessant, was Sie hier machen. Sie unterstützen hier die Deutsche Umwelthilfe, die der Landesregierung praktisch ein Ultimatum gestellt hat, ein Ultimatum zur Einführung von Dieselfahrverboten. In was für einem Land leben wir eigentlich, dass eine Umwelthilfe, ein privater Verein unserer Regierung, dem Ministerpräsidenten ein Ultimatum stellt? Aber es ist klar: Sie und die Deutsche Umwelthilfe führen einen Krieg gegen unser Land und gegen die deutsche Wirtschaft.

(Beifall von der AfD)

Die Umwelthilfe betreibt ein Messinstitut, will ihre eigenen Lösungsvorschläge gerichtlich durchsetzen und verdient nebenbei Millionen durch Massenabmahnungen. Die Heraufbeschwörung dieses Problems und der Verkauf der Musterlösung aus einer Hand – das ist doch mal ein feines Geschäftsmodell.

(Zuruf von der AfD)

Das, was wir gesagt haben und was Herr Löttgen mittlerweile gelernt hat, ist: Die gesamte Debatte um den Dieselskandal, die wir hier führen, ist eine Phantomdebatte. Wir – Sie vielleicht schon, aber zumindest wir nicht – lassen uns nicht als Lemminge von diesem antideutschen Abmahnverein instrumentalisieren.

Mitschuldig an der ganzen Misere sind natürlich die Schönwetterpolitiker, die durch ihre Reden zum Klimaschutz die Bürger erst dazu angestiftet haben, Dieselautos zu kaufen. Jetzt hat die Dieseltechnologie ihre Schuldigkeit getan, und jetzt kann man sie vernichten. Sie wissen – das ist bereits angesprochen worden –: Wenn die Menschen auf Benziner umsteigen, dann wird wieder der CO2-Ausstoß steigen. Das stört uns nicht. Sie sind doch die Gläubigen der Church of Global Warming und nicht wir!

(Beifall von der AfD)

Der nächste Politkrimi ist schon vorprogrammiert, nämlich die Verteufelung des Benziners. Aber das freut uns – zwar nicht für unser Land; aber unsere Wähler werden es uns danken und Ihre ehemaligen Wähler auch, wenn Sie so weitermachen.

(Beifall von der AfD)

Abschließend noch etwas zu den grünen Bessermenschinnen: Bitte bedenken Sie doch eines: Wenn Sie Ihr Fahrverbot endlich haben, das Sie haben wollen, dann können Sie mit Ihrem Diesel-SUV nicht mehr zu den Bio-Supermärkten fahren. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Blex. – Es hat nun der fraktionslose Abgeordnete Pretzell das Wort. Bitte schön.

Marcus Pretzell (fraktionslos): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Herr Ministerpräsident, fast hätte ich Sie partiell loben müssen. Die Peinlichkeit ist uns beiden erspart geblieben: Ich kann jetzt den Kollegen Löttgen loben; er hat die weit bessere Rede gehalten.

(Michael Hübner [SPD]: Fanden wir nicht! – Frank Sundermann [SPD]: Da stehen Sie relativ allein mit Ihrer Meinung!)

Eines möchte ich vorwegnehmen. Ich habe mich sehr gefreut – zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass es sich um eine Mitte-rechts-Regierung handelt; so viel Lob muss sein –, dass wir einhellig die Deutsche Umwelthilfe so stark kritisiert haben.

Das Ganze geht im Übrigen auf eine parlamentarische Anfrage meines Parteikollegen Mario Mieruch an die Bundesregierung zurück, die es erst so richtig ins Rollen gebracht hat. Deshalb freut es mich ganz besonders, dass so etwas in den Parlamenten tatsächlich ankommt und die Debatte bereichert.

Herr Laschet, zum Thema „Protektionismus“ – Sie sprachen vorhin über Supermächte und Protektionismus; die Europäische Union hält sich ja hin und wieder auch für eine Supermacht –: Bei der Einfuhr eines Kraftfahrzeugs in die Europäische Union zahlt man 10 % Protektionismusabgabe – das nur nebenbei. Der Satz liegt in den USA bislang sehr viel niedriger.

Wir haben heute richtigerweise gehört, dass die Stickoxidbelastung in Deutschland stark sinkt. Wir haben noch nicht so deutlich gesagt, dass insbesondere die deutschen Hersteller weit überdurchschnittlich gute Dieselfahrzeuge herstellen – mit deutlich unterdurchschnittlicher Stickoxidbelastung.

Ich will das anhand einiger Zahlen deutlich machen. Die viel gescholtenen Unternehmen BMW und VW liegen zum Beispiel ganz vorn – mit einer flottenweiten Gramm-pro-Kilometer-Leistung von 0,141 g/km bzw. 0,146 g/km gefahrenem Diesel in Deutschland. Wenn Sie das mit Fahrzeugen von Mazda – 0,250 g/km –, Peugeot – 0,263 g/km –, Fiat – 0,561 g/km – oder Renault – 0,684 g/km – vergleichen, zeigen sich erhebliche Größenordnungsdifferenzen.

Wenn wir nun über Dieselfahrverbote sprechen – ich stimme dem Ministerpräsidenten ausdrücklich zu; es wäre völlig unverhältnismäßig, globale Dieselfahrverbote zu verhängen –, dann müsste man diese Differenzen auch in Betracht ziehen. Dann muss man nämlich mal schauen, welche Fahrzeuge Stickoxide rausblasen.

Es sind ausdrücklich nicht die deutschen Hersteller BMW und VW – trotz all der Manipulationen, die ich gar nicht schönreden will –, sondern es sind im Wesentlichen andere Hersteller, darunter insbesondere Hersteller, die sich maßgeblich mit der Deutschen Umwelthilfe gegen die Dieselfahrzeuge hier im Land verschworen haben. Sie versuchen ganz bewusst und auf unlautere Weise, den deutschen Diesel ungerechtfertigterweise mit Lügen und Kampagnen kaputtzumachen.

Ich freue mich, dass wir dazu heute so deutliche Worte aus den Regierungsfraktionen gehört haben. – Danke.

(Beifall von Alexander Langguth und Frank Neppe [fraktionslos])

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Pretzell. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Professor Dr. Pinkwart das Wort.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier in der Debatte, insbesondere von Herrn Klocke, gehört, dass die Maßnahmen nicht erkennbar seien, obwohl der Ministerpräsident sie sehr ausführlich vorgetragen hat; das hat ja diese Debatte mit bestimmt. Ich freue mich, dass wir uns für die Landesregierung eher bestätigt sehen können: Quer durch die Fraktionen ist ganz offensichtlich deutlich geworden ist, dass diese Landesregierung handelt und entsprechend tätig ist.

Ich will für Sie gerne noch einmal festhalten, was die Landesregierung alles fördert. Sie fördert beim Ausbau alternativer Antriebe, bei der Unterstützung der Städte, Gemeinden und Wirtschaftsunternehmen, bei der Umsetzung neuer Verkehrskonzepte, bei der Förderung der Weiterentwicklung emissionsarmer konventioneller Antriebe sowie in Forschung und Entwicklung in den Bereichen Leichtbau, synthetische Kraftstoffe und neue Fertigungsverfahren. Sie fördert außerdem beim Ausbau des ÖPNV und insbesondere bei der Anschaffung von elektro- und wasserstoffbetriebenen Linienbussen – inklusive der dafür notwendigen Infrastruktur.

Hierfür stehen verschiedene laufende Unterstützungsleistungen des Landes zur Verfügung: 60%ige Förderung der Mehrkosten von elektro- und wasserstoffbetriebenen Linienbussen gegenüber herkömmlichen Dieselbussen, 15 Millionen € im Bereich Nahmobilität, das Programm „Kommunaler Klimaschutz Nordrhein-Westfalen“ mit einem Umfang von 100 Millionen € inklusive 40 Millionen € für das Sonderprogramm „Emissionsfreie Innenstädte“, die wir bereits im vergangenen Jahr prämieren konnten. Dieses Programm legen wir im Verlaufe dieser Wochen erneut auf; wir stellen also erneut 100 Millionen € für dieses Thema zur Verfügung

(Christian Dahm [SPD]: Aha!)

und richten uns damit, Herr Klocke, genau an diejenigen, die Sie eben benannt haben, nämlich an unsere Kommunen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das gab es ja schon vorher, das Programm!)

– Nein, das gab es nicht vorher! Es wurde auf den Weg gebracht, aber wir setzen es jetzt um.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist doch auch gut!)

Dann können Sie doch nicht sagen, der Ministerpräsident hätte hier nichts an Maßnahmen vorgetragen, wenn wir diese Maßnahmen – sogar solche, die Sie selbst geplant haben – umsetzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das hat doch mit Wahrheitsfindung nichts zu tun.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Wenn Sie es selbst vorgedacht, aber nicht umgesetzt haben, könnte ich Ihnen jetzt sagen, Sie hätten das schon einige Jahre vorher planen und dann auch selbst umsetzen können. Das wäre natürlich noch besser gewesen; dann hätten wir nämlich schon die Busse usw. in modernster Form zur Verfügung. Sie haben es relativ spät begonnen, aber immerhin: Sie haben etwas vorgeplant, und wir setzen es jetzt um. Es findet statt; das müssten Sie doch bitte auch zur Kenntnis nehmen.

Wir haben die Förderrichtlinie „Zuwendungen für die Umweltwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen“ vorgelegt. Wir fördern unter anderem Vorhaben zur Entwicklung von Gütern, Dienstleistungen, Technologien für umweltfreundliche Mobilität und auch für Radschnellwege werden zusätzliche Mittel bereitgestellt. Wir haben die ÖPNV-Pauschale erhöht; daraus können auch Mittel für Nachrüstungen der ÖPNV-Flotten auf Euro-6-Norm vorgenommen werden. Die NRW.BANK stellt entsprechende Fördermittel bereit.

Seit dem 5. Februar 2018 gibt es das Programm „Elektromobilität“, in dem wir nun Gelder bereitstellen, damit die Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen ausgebaut werden kann, sodass wir Ladestationen bekommen und die Kommunen mehr Geld erhalten, um Elektrofahrzeuge zu kaufen. Das haben Sie nicht aufgelegt, lieber Herr Klocke, sondern das haben wir sehr schnell gemacht, nachdem wir in die Verantwortung kamen und gesehen haben, dass es Handlungsbedarf gibt.

Wir fördern 40 % der Anschaffungskosten bis maximal 30.000 € beim Kauf von Elektroautos durch unsere Kommunen. Jetzt ab Februar läuft das Programm. 60 %, maximal 60.000 €, beträgt der Fördersatz beim Erwerb von besonders innovativen Brennstoffzellenfahrzeugen. Also wir sind auch hier nicht technologisch nur auf eine Technologie ausgerichtet. 80 %, maximal 8.000 €, bekommen die Kommunen pro Ladepunkt, wenn sie entsprechende Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge einrichten, sowohl normale als auch die Intensivladestationen.

(Beifall von der FDP)

Für den Aufbau öffentlicher Ladesäulen können Unternehmen und Kommunen vom 5. Februar bis zum 30. Juni 2018 eine Förderung von 40 % der Investitionskosten in Anspruch nehmen. Hier können auch Sie natürlich dafür werben, dass das gelingt.

Ich will Ihnen nur einmal eine Zahl vorlegen, wo wir hier in Nordrhein-Westfalen herkommen, auch bei der Elektromobilität, Herr Klocke. Sie waren ja sieben Jahre dabei und haben es mitgestaltet. Wir haben bundesweit in 2017 60.000 Elektrofahrzeuge im Bestand. Ein Jahr vorher waren es 34.000. In Nordrhein-Westfalen ist der Bestand von 5.300 auf 9.500 angewachsen. Damit sind wir noch unterdurchschnittlich im Bundesvergleich.

Schauen Sie sich den Markthochlauf an: 2015: 1.800 Elektroautos, 2016: 1.800. Im vergangenen Jahr waren es schon 4.300. Das heißt, die Anzahl der Zulassungen ist um 150 % gestiegen. Ich gehe davon aus, dass sich das in diesem Jahr und im Folgejahr sehr dynamisch fortsetzen wird, auch weil wir die Infrastruktur deutlich ausbauen.

Auch hierzu eine Zahl, die ich doch für bemerkenswert erachte: GoingElectric kommt zu dem Ergebnis, dass wir für halböffentliche und öffentliche Ladepunkte einen Zuwachs haben von ca. 3.500 im Juni 2017 auf 6.800 im Jahr 2018. In der Zeit, seit wir hier die Regierung übernommen haben, hat sich allein die Anzahl der Ladepunkte nach dieser Statistik nahezu verdoppelt. Das nenne ich eine Politik, die nicht nur etwas verspricht, sondern es auch hält, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nur wenn wir so agieren, können wir auch diese Probleme besser lösen.

Lassen Sie mich aber auch hinzufügen: Nicht nur das Land ist aktiv. Der Bund ist ja auch aktiv. Der Ministerpräsident hat sich sehr persönlich bei den Gipfeln im Bund für diese Maßnahmen des Bundes eingesetzt. Ich denke etwa an die Nachrüstung von Dieselbussen im ÖPNV mit Abgasnachbehandlungssystem, ein Anliegen dieser Landesregierung, auch des Verkehrsministers. Das ist vom Ministerpräsidenten durchgesetzt worden.

Jetzt müssen – das will ich hier allerdings auch sagen – natürlich die kommunalen Verkehrsbetriebe diese Förderung auch annehmen und schnell nachrüsten.

Es gibt Maßnahmen für die Elektrifizierung des urbanen Wirtschaftsverkehrs, für die Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme, für die Elektrifizierung von Taxis, Mietwagen und Carsharing-Fahrzeugen, für die Elektrifizierung von Busflotten im ÖPNV, für die Förderung der Ladeinfrastruktur für die beschafften Elektrofahrzeuge, die Förderung der Errichtung von Ladeinfrastruktur im engen Zusammenhang mit dem Abbau bestehender Netzhemmnisse sowie last but not least dem Aufbau von Low-Cost-Infrastruktur und Mobile-Metering-Ladepunkten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land gibt eine Menge zusätzlicher Mittel in den verschiedenen Programmen, um die Kommunen zu unterstützen. Der Bund wird tätig, und die Kommunen handeln. Das ist doch interessant.

Schauen Sie sich Düsseldorf an! Die Rheinbahn Düsseldorf investiert ihrerseits 70 Millionen € für den Ersatz von 80 Solobussen in den Jahren 2017 bis 2019 durch Leichtbaubusse mit der Abgasnorm Euro 6. 74 neue Gelenkbusse mit der Euronorm 6 kommen im April 2018 mit der Option für weitere 40 Busse für die darauf folgenden zwei Jahre, die Beschaffung von zehn elektrisch angetriebenen Bussen im Jahr 2019 und der fahrplanmäßige Einsatz auf den Linien in der Innenstadt. Die Rheinbahn wird dadurch bis 2021 ihren Anteil an den NOx-Belastungen der Düsseldorfer Innenstadt von derzeit 14 % auf rund 2 % senken, meine Damen und Herren. Das sind ganz konkrete Maßnahmen, die die Programme von Bund und Land natürlich einbeziehen, aber auch städtische Mittel mobilisieren.

Richten wir einen Blick auf die Stadt Köln! Die Kölner Verkehrs-Betriebe beschaffen bis 2021 rund 50 weitere Elektrobusse. Mit dann 58 Elektrobussen werden die KVB voraussichtlich die größte Elektrobusflotte Deutschlands betreiben. Derzeit sind noch 46 Dieselbusse den Eurokategorien 3 und 4 zuzuordnen. Bis Ende 2018 werden es nur noch drei sein. Die übrigen sind dann Euro 5 oder 6. Bis 2021 werden alle Dieselbusse der Stadt Köln Euro 6 erfüllen.

(Beifall von der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, an solchen Beispielen wird deutlich, dass diese Landesregierung mit ehrgeizigen Zielen nicht nur antritt, sondern sehr konkrete Maßnahmen selbst ergreift und die Kommunen unterstützt, damit sie die Luftreinhaltepläne auch tatsächlich erfüllen können. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern in den Städten schuldig, aber das sind wir auch den Autobesitzern schuldig, nicht zuletzt auch dem Handwerk, den freien Berufen, dem Mittelstand, die natürlich mit ihrem Fuhrpark auch weiter ein Anrecht haben, in unsere Innenstädte kommen zu können, um ihren wichtigen Dienst dort auch verrichten zu können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Klocke, Sie hatten gesagt, Sie seien eben besonders sachlich gewesen. Sie sehen: Wir antworten auch sehr sachlich mit Fakten. Ich will noch einen weiteren Beitrag leisten, um die Faktenlage zu verstärken. Sie hatten dem Ministerpräsidenten – an der Stelle fand ich das nicht so sachlich – unterstellt, dass er seine Politik und die der Landesregierung etwa danach ausrichten könne, dass gewisse Wirtschaftsunternehmen Parteien in Wahlkämpfen unterstützen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das war eine Frage!)

– Das haben Sie hier so vorgetragen, ja. Dann haben Sie Ihren grünen Ministerpräsidenten Herrn Kretschmann auch noch für Ihr Argument bemüht und gesagt, dass sich Herr Kretschmann massiv dafür einsetzen würde, dass wir jetzt die Dieselfahrzeuge nachrüsten müssten. Sie haben ihn als Kronzeugen dafür genommen, dass das jetzt dringend gemacht werden muss.

Ich persönlich halte es – auch aus fachlicher Sicht – sicherlich für einen Weg, dass man so etwas erwägen kann, wenn es die Technologie gibt. Genauso hat sich der Kollege Wüst natürlich dazu eingelassen, und so sehen wir das auch als Landesregierung. Wenn es eine Technologie gibt, die wirklich leistungsfähig eingesetzt werden kann, warum sollte sie nicht genutzt werden? Natürlich hätte auch die Automobilindustrie die Verpflichtung, sich dann an diesem Einbau zu beteiligen.

Nur wissen wir eben auch, dass diese Technologie im Moment so nicht verfügbar ist. An ihr wird gearbeitet. Fachlicherseits geht man davon aus, dass es bis zu zwei Jahre dauern kann, bis sie verfügbar wäre – von den Einbaumaßnahmen ganz abgesehen, die erhebliche Leistungen in den Werkstätten binden würden. Das heißt: In diesem und im nächsten Jahr werden wir damit nicht die großen Erfolge feiern.

Ich komme jetzt zu Herrn Kretschmann. Was sagt Herr Kretschmann – Sie können es googeln – in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 2. März? Er sagt es im Übrigen als Keynote Speaker beim Verband der Automobilindustrie in Berlin. Da kennt sich Herr Kretschmann aus, da spricht er häufig. Herr Kretschmann sagt: Er hält die Nachrüstung für wenig realistisch. – Das können Sie nachlesen: Er hält die Nachrüstung von alten Dieselfahrzeugen für wenig realistisch. Das ist Herr Kretschmann. Er ist eben nicht der Vorreiter, als den Sie ihn hier dargestellt haben!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Kretschmann ist ein verantwortungsvoller Ministerpräsident, der mit der Faktenlage verantwortungsvoll umzugehen weiß und der das vor der deutschen Automobilindustrie genauso mannhaft vertritt wie auf Ihren Grünen-Parteitagen. Wir und auch Sie erwarten sicherlich zu Recht auch von unserer Landesregierung, das faktengestützt zu machen.

Lassen Sie mich einen zweiten Punkt aus der Debatte aufgreifen. Auch hier hilft ein Faktencheck. Wo ist der Abgeordnete Blex?

(Zurufe: Er ist in Syrien! Blex ist weg!)

– Ich denke, wenn man sich hier in die Debatte eingebracht hat, sollte man sich auch mit den Beiträgen der anderen Redner auseinandersetzen. Aber sei‘s drum. Er liest es im Protokoll nach.

(Zurufe von der AfD)

Ich möchte nur mit Blick auf die Debatte anmerken: Er hat gesagt, dass seine Reden etwa von Herrn Löttgen zitiert worden seien und er sozusagen den Sachverstand erst einmal in den Landtag getragen habe.

Wenn Sie den Unterschied zwischen Außenluft und Arbeitsplatzgrenzwerten beim Thema Stickstoffdioxidkonzentration besser verstehen wollen, lohnt es, dazu die Lektüre des Bundesumweltamtes zu lesen. Denn die gibt es schon seit 2016,

(Zurufe von der AfD: Oh, oh!)

und darin finden Sie genau die Argumente, die Herr Löttgen vorgetragen hat, sehr sachverständig. Insofern möchte ich betonen: Es gibt auch seriöse Quellen, mit denen wir das belegen können und die fachlich über jeden Zweifel erhaben sind.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der AfD – Arndt Klocke [GRÜNE]: Geben Sie den Bericht auch an Herrn Löttgen weiter!)

– Ich bin ganz sicher, dass sich Herr Löttgen bei seiner Redevorbereitung auf dieserlei Quellen gestützt hat.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das kann ich mir nicht vorstellen!)

– Da bin sehr sicher, lieber Herr Klocke. Wenn Sie die Rede von Herrn Löttgen nehmen, werden Sie feststellen, dass er sich mit dem Sachverhalt sehr sachverständig und sehr abgewogen auseinandergesetzt hat.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Lesen und Verstehen sind diametrale Gegensätze!)

Das genau ist das Ziel der Unterrichtung der Landesregierung, meine Damen und Herren. Wir können die Bürgerinnen und Bürger nicht allen Ernstes in eine Entwicklung hineingehen lassen, in der Politik Sachverhalte unreflektiert emotional zu verarbeiten versucht. Wir müssen doch versuchen, faktengestützt zu argumentieren.

Herr Klocke, ich möchte Ihnen und Herrn Abgeordneten Dahm, der eingangs hierzu gesprochen hat, mit Blick auf das Urteil aus Leipzig entgegenhalten: In dem Urteil ist eindeutig dargelegt – das müssen wir als Landesregierung, die wir damit umgehen, doch auch kommunizieren dürfen –, dass ein eingeschränktes Fahrverbot nur unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit infrage kommen kann, wenn keine andere Maßnahme geeignet sein könnte, um die Grenzwerte zu erreichen.

Genau um diese Maßnahmen geht es, die wir gemeinsam mit den Kommunen ergreifen müssen, um solche Grenzwerte auch in Zukunft besser einhalten zu können. Es wäre sinnvoll, wenn auch Sie, meine Damen und Herren, bei Ihrer Arbeit in den Kommunen daran mitwirken würden, die in Land und Bund vorhandenen Maßnahmenbündel umzusetzen, damit sich die Kommunen schnell anpassen und ihre Grenzwerte einhalten können.

Dass das besser gelingt, haben wir anhand der Zahlen deutlich machen können. Diese Diskussion gilt es fortzusetzen, im Übrigen nach vorn.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte für die Landesregierung deutlich machen: Wir brauchen eine starke Automobilindustrie in Deutschland. Wir brauchen eine starke Zulieferindustrie für die Automobilwirtschaft in Deutschland. Es wird darauf ankommen, dass die Automobilindustrie die Herausforderungen der Zukunft verantwortungsvoll annimmt. Das betrifft die Fragen der Motorisierung und der Digitalisierung sowie neue Mobilitätsformen und neue Geschäftsmodelle, die wir in den Blick nehmen müssen.

Wir in Nordrhein-Westfalen tun gut daran, die Rahmenbedingungen dafür zu setzen, dass die Automobilindustrie und ihre Zulieferer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch in den nächsten Jahren behalten. Die Industrie muss diesen Transformationsprozess, vor dem sie steht, auch in unserem Interesse bewältigen. Dazu muss sie in den klassischen Dienstleistungen – in den klassischen Motorisierungen – ihre Innovationen weiter vorantreiben können, auch indem sie die neuen Themen aufgreift.

Indem wir das Thema Elektromobilität zu einem ganz zentralen Thema in Nordrhein-Westfalen gemacht haben – anders als zu Ihrer Regierungszeit – und auch integrative Systeme der Energieumwandlung einbeziehen mit dem Ziel, aus umweltfreundlichen Energiequellen Elektromobilität zu erzeugen, schaffen wir im Dialog mit Unternehmen und Gewerkschaften, liebe SPD, die Voraussetzungen dafür, dass sich die Automobilindustrie und die Automobilzulieferer in Nordrhein-Westfalen auch in Zukunft dynamisch weiterentwickeln können.

Insofern leistet die aktuelle Debatte, wenn wir sie klug auflösen, einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich unsere Industrie in Nordrhein-Westfalen nachhaltig modernisiert. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Redner erhält nun für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Stinka das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

André Stinka (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion wird nicht durchgehen lassen, was Sie, Herr Ministerpräsident, hier versuchen, nämlich eine völlige Tatsachenverdrehung Ihrer Zuständigkeiten und eine völlige Verdrehung der Kampagne, die der Deutschen Umwelthilfe in die Schuhe geschoben wird.

Was sind die Fakten, von denen der Ministerpräsident so gerne spricht und die Herr Löttgen hier angeführt hat? Er ist momentan nicht im Saal. So eine unterirdische Rede habe ich in all den Jahren im Landtag nicht gehört. Er sollte wirklich mit dem, was er hier erzählt hat, noch einmal in sich gehen.

(Beifall von der SPD)

Kommen wir mal zu den Fakten.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP] – Gegenruf von Michael Hübner [SPD]: Sie haben auch schon geredet! Das weiß Herr Kollege Stinka!)

Nein, Kolleginnen und Kollegen, wir reden nicht darüber, dass die Deutsche Umwelthilfe eine Klage einreicht, sondern dass die EU-Kommission Deutschland verklagen wird, weil wir geltendes Recht nicht einhalten. Wenn die CDU-Fraktion als große Europapartei die europäischen Institutionen infrage stellt, dann soll sie das klar und deutlich sagen und sich nicht hinter irgendwelchen Schadstoffdebatten verstecken.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Welche Rede haben Sie denn gehört?)

– Herr Hovenjürgen, hören Sie zu; dann können Sie was lernen.

(Beifall von der SPD – Widerspruch von der CDU)

Das ist der erste Punkt.

Der Ministerpräsident hat mit wolkigen Worten darüber berichtet, was er hier tun will. Wir stehen nach einem Urteil vor der Situation, dass im größten Bundesland der Bundesrepublik Deutschland die Pendler, die Handwerker und die Kommunen nichts wissen. Das, was er hier vorgestellt hat, sind alte Pläne, auf die er sich bezieht. Zum anderen ist dabei deutlich geworden, dass er die Automobilindustrie zwar in einem Nebensatz erwähnt, aber nie irgendeine Folge nennt, beispielsweise, dass die Menschen, die ein Auto in gutem Glauben gekauft haben, wirklich eine Entschädigung bekommen.

Es wird von Herrn Pinkwart vom großen Dialog gesprochen. – Nein, das geht nicht im Dialog. Haftung muss durchgesetzt werden.

(Beifall von der SPD)

Wir haben hier Musterfeststellungsklagen eingebracht. Sie haben sich dem nicht angeschlossen. Sie führen die Verbraucher in die Irre, indem Sie dem Landtag Maßnahmenkataloge vortragen, die niemals eine Wirkung entfalten.

Herrn Löttgens Rede, die ich gerade erwähnt habe, ist an unterirdischen Fakten wirklich nicht mehr zu übertreffen. Er hat hier eine Schadstoffgrenzdebatte geführt. Wollen wir demnächst der Kita Zauberstab in Essen sagen, dass sie den Unterricht im hinteren Raum organisieren soll, weil da die Schadstoffwerte um 50 % niedriger sind?

(Zuruf von der CDU: Das ist doch Quatsch! – Daniel Sieveke [CDU]: So ein Blödsinn! – Gegenruf von Michael Hübner [SPD]: Genau so hat er es vorgetragen!)

Dann gehen Sie als Ministerpräsident, der Sie sich jetzt wegducken, in die Kita in Essen und sagen Sie das den Kindern!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will hier noch einmal betonen, dass ich sehr gespannt bin auf die Debatte der CDU, ob wir, wenn Tempolimit 50 überschritten wird, eine Kommission einrichten und das Tempolimit 50 infrage stellen. Oder stellen wir die Alkoholgrenze infrage, sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir hier darüber reden? Das ist ja unglaublich! Sie führen die Deutsche Umwelthilfe an und verstecken sich hinter der EU-Kommission. Wir werden hier verklagt. Sie legen die Axt an und bekommen dann noch Beifall von diesen vaterlandslosen Gesellen, die da sitzen, und heischen diesen auch noch ein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was glauben Sie eigentlich? Sie müssen einem Sozialdemokraten nicht erklären, was Vaterland ist! Sie ganz sicher nicht!

(Beifall von der SPD – Widerspruch von Christian Loose [AfD])

Kommen wir zurück zur Debatte. Wenn der ADAC in seinen Ausführungen klarmacht, dass Nachrüstungen möglich sind – und der ADAC ist bei Weitem keine Vorfeldorganisation der Sozialdemokratie –, dann müssen wir doch davon ausgehen, dass das technisch möglich ist. Wenn der Wirtschaftsminister des Landes sagt, dass wir Jahre brauchen, müssen wir uns jetzt auf den Weg machen.

Aber wir müssen den Menschen in der Corneliusstraße sagen: Ja, die Grenzwerte sinken dank rot-grüner Politik, aber die Grenzwerte werden noch lange nicht eingehalten werden, weil die Verkehrsbelastung doch steigt. Schauen Sie doch in die Statistiken, Herr Pinkwart; Sie sind doch so belesen. Schauen Sie sich das an und machen Sie den Leuten nicht ein X für ein U vor. Wir müssen in den Hotspots jetzt Lösungen anbieten, die kurzfristig greifen müssen.

Der Ministerpräsident hat sich doch selbst ins Abseits gestellt. Er spricht in seiner Rede von Leichtfertigkeit. Wer hat denn leichtfertig, ohne dass er das Urteil kannte, letzte Woche schon einmal überlegt, die Bezirksregierung anzuweisen, wie sie zu arbeiten hat? Wenn ich in meiner Beamtenausbildung so vorgegangen wäre, wäre ich durchgefallen, meine Damen und Herren. Das ist doch kein Staatsverständnis hier!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Eine Landesregierung ohne Ziel und ohne Plan, und immer wird die Schuld auf Kommunen, die Deutsche Umwelthilfe, vielleicht sogar auf die EU-Kommission abgeschoben. Das kann doch nicht das Ziel Ihrer Politik sein. Sie nennen sich Mitte-rechts-Koalition. Das sind Sie auch, weil Sie nämlich nur den Blick zurück haben.

(Widerspruch von der CDU und der FDP)

– Herr Löttgen, ich war wirklich enttäuscht; ich sage Ihnen das mal ganz ehrlich:

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Sie fangen hier eine Schadstoffdebatte an. Sie sind ja nicht einmal Umweltpolitiker. Sie reden hier über Dinge, über die Sie bislang relativ selten geredet haben. Ich weiß nicht, wer Ihnen den Text aufgeschrieben hat.

(Christian Dahm [SPD]: Das war ja sehr diplomatisch!)

Ich habe es gerade noch einmal gesagt: Sie ernten dann von Syrienbesuchern auch noch Beifall, und das als CDU-Fraktion. Sie sollten sich wirklich schämen. Das tut einem wirklich weh.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Abschließend, Kolleginnen und Kollegen: Sie kommen irgendwann nicht umhin – ich habe das in meiner Antwort auf die kleine Regierungserklärung der Umweltministerin gesagt –,

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

die erste Landesregierung zu sein, die Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen wird anordnen müssen, weil die Fakten, von denen Sie hier sprechen, deutlich gegen Sie sprechen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Selbstverschuldet!)

Sie haben keinerlei Antwort. Der Ministerpräsident redet von großem Einfluss, den er weder im Kanzleramt noch in Berlin noch in der EU hat. Das sind die Fakten, über die wir reden. Ihre aufgeregte Haltung zeigt uns, dass wir damit richtig liegen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Stinka. – Für die grüne Fraktion spricht nun Herr Remmel.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Jetzt kommt ein Beitrag von jemandem, der sieben Jahre lang keinen Beitrag geleistet hat! – Gegenruf von Christian Dahm [SPD]: Kümmer du dich lieber um die schwarzen Kassen der CDU in Lippe!)

Johannes Remmel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, so manche Aufregung habe ich in der Debatte nicht verstanden, denn auch in solchen Debatten ist es sinnvoll – bei allen Notwendigkeiten, sich zu streiten –, das Gemeinsame festzuhalten. Ich habe es auch schon im Ausschuss betont – darüber brauchen wir uns, glaube ich, hier nicht zu streiten –, dass wir alle, die wir hier im Landtag versammelt sind sowie die Landesregierung, keine Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen wollen. Das haben wir immer alle betont.

Aber – und da fängt dann die Auseinandersetzung an – das eine ist das politische Wollen, und das andere ist das rechtliche Können. Von der Landesregierung und von den regierungstragenden Fraktionen habe ich nur Ausflüchte gehört, aber keine konkrete Befassung mit dem, was rechtlich gekonnt werden kann von dieser Landesregierung.

Wenn der Grundsatz gilt, insbesondere für eine Landesregierung, dass politisches Handeln auf dem Boden von Recht und Gesetz, und zwar europäischem Recht und Gesetz, nationalem Recht, stattfindet, muss man sich mit diesen Rechtssetzungen auseinandersetzen und die Spielräume des rechtlichen Könnens ausloten. Es sind drei Punkte, die von der Landesregierung und von den Koalitionsfraktionen geschickt umschifft und nicht genannt worden sind.

Das Erste ist die europäische Luftreinhalterichtlinie, die es nicht erst seit 2010, sondern schon seit 1996 gibt. Es gibt konkrete Zeitläufe. Diese konkreten Zeitläufe enden. Im Mittelpunkt steht der Gesundheitsschutz, im Übrigen ein Verfassungsgrundsatz, nämlich der der körperlichen Unversehrtheit.

Ich muss schon sagen: Es ist zynisch, Herr Löttgen, wenn Sie die Menschen auf die zweite und dritte Etage verweisen. Das sind oft Menschen, die sich keine andere Wohnung leisten können, als an dieser Straße zu wohnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das, lieber Herr Löttgen, haben sowohl das Verwaltungsgericht in Düsseldorf und das Verwaltungsgericht in Stuttgart als auch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass dieser Grundsatz über allem steht und einzuhalten ist.

Die Grenzwerte sind einzuhalten, und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt. Der zeitliche Spielraum ist ausgesprochen begrenzt. Wir können nicht erst im Jahr 2030 mit entsprechenden Maßnahmen die Grenzwerte einhalten, sondern sie müssen jetzt eingehalten werden. Das ist die Vorgabe des Gerichts, und das engt unser rechtliches Können erheblich ein. Deshalb müssen jetzt Maßnahmen auf den Weg gebracht werden.

Da verstehe ich Ihre zögerliche Haltung bezogen auf die Automobilindustrie schon gar nicht, denn das ist der einzige Ausweg, jetzt schnell zu Ergebnissen zu kommen, also 2018, 2019.

Herr Pinkwart, das Problem liegt nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern das Problem liegt in Berlin. Die Bundesregierung hat sich bisher geweigert – und damit übrigens auch einem einstimmigen Beschluss der Umweltministerkonferenz nachzugehen –, die Automobilindustrie gesetzlich zu verpflichten, nachzurüsten.

Ich finde, die Automobilindustrie hat eine verdammte Pflicht, das zu tun, weil sie nämlich mit bestimmten Maßnahmen dazu beigetragen hat, dass wir diese Grenzwertsituation haben und

(Beifall von den GRÜNEN)

sie damit die armen Autofahrerinnen und Autofahrer alleine lässt. Deshalb ist eine politische gesetzliche Grundlage jetzt nötig. Wir brauchen ein Gesetz, das die Automobilindustrie verpflichtet, nachzurüsten.

Da gibt es kein technisches Problem. Der ADAC hat erklärt, dass das möglich ist. Wir haben im Übrigen, Herr Wirtschaftsminister, in Nordrhein-Westfalen auch die Unternehmen, die das können. Wir würden auch noch ökonomisch davon profitieren, wenn wir in diese Richtung gehen.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege Remmel, kommen Sie bitte zum Schluss. Die Zeit ist abgelaufen.

Johannes Remmel (GRÜNE): Warum prügeln Sie auf der einen Seite auf die Automobilindustrie ein wie auf einen Strohsack, fordern aber nicht, sie gesetzlich zu verpflichten, wenn es darum geht, Milliardenzahlungen an die Autofahrerinnen und Autofahrer zur Nachrüstung zu leisten?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deshalb stimmen Sie doch bitte schön unserem Antrag zu.

Leider ist der Ministerpräsident …

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Remmel, die Zeit ist um, hatte ich gesagt. Darauf muss man schon eingehen, wenn ich das sage.

Johannes Remmel (GRÜNE): Ja. – Leider ist der Ministerpräsident jetzt nicht mehr da, aber wir haben ja gleich noch die Fragestunde zu den Fragen,

Vizepräsident Oliver Keymis: Genau!

Johannes Remmel (GRÜNE): wer wann wie die Haltung der Landesregierung den Bezirksregierungen erklärt. Dazu hat er bisher nichts gesagt.

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Schluss jetzt!)

Das wäre schön, wenn die Landesregierung uns das noch erläutert.

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Remmel, für Ihren Redebeitrag.

(Beifall von den GRÜNEN)

Als nächster Redner spricht Herr Loose für die AfD-Fraktion.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte jetzt sagen „Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!“, aber er ist nicht da. Er sprach von Verantwortung und meinte doch nur die anderen.

Aber wie ist es mit der eigenen Verantwortung, Herr Laschet? – Es geht um die Zukunft der Arbeitsplätze, so sagten Sie. Aber was machen Sie? – Sie verteuern unser Land, wo Sie können. Im Blindflug wollten Sie noch vor Kurzem sieben Kohlekraftwerke schließen, was den Strompreis noch weiter in die Höhe geschossen hätte. Sie verteuern die Energie, die für unsere Autobauer und deren Zulieferer so wichtig ist, mit jedem Windrad, mit jeder PV-Anlage, die Sie in Nordrhein-Westfalen zulassen.

Wir haben europaweit mit die höchsten Strompreise. Und Sie, Herr Ministerpräsident, gefährden unsere Arbeitsplätze. Sie zerstören unsere Industrie hier in NRW – mit Ihren Einflüsterungen in Berlin und mit Ihren Freunden in der EU.

(Beifall von der AfD)

Wenn es Ihnen um Arbeitsplätze geht, hätten wir heute ja zum Beispiel über die Arbeitsplätze bei RWE und bei E.ON reden können, wo jetzt 5.000 Menschen um ihren Arbeitsplatz fürchten. Der Grund dafür ist die Energiewende, die Sie unserem Land beigebracht haben.

(Beifall von der AfD)

Dann reden Sie hier von dem tollen Elektroscooter als eine Maßnahme; den Elektroscootern der Post, die schon mehrfach auf der Straße liegengeblieben sind und gerade im Winter Probleme haben, denn dann versagen die Batterien sehr schnell ihren Dienst. So ist es sogar so, dass Postmitarbeiter ihren Elektroscooter in der Fahrzeughalle mit strombetriebenen Heizlüftern vorheizen, damit sie die Batterien während der Fahrt schonen können.

(Beifall von der AfD)

Die CO2-Bilanz von Elektroautos ist verheerend. Für die Herstellung der Batterie wird so viel CO2 emittiert, wie ein Dieselfahrzeug in acht Jahren nach 200.000 km verfährt.

(Beifall von der AfD)

Die Batterie von dem Elektroauto ist dann kaputt, und der Diesel fährt immer noch bis zu 20 Jahre.

Hören Sie auf mit diesen laschen Nullnummern, Herr Laschet.

Noch eins vorweg. Allein die Diesel-Pkw sparen uns pro Jahr mehr als 5 Millionen t Treibstoff, allein in Deutschland. Das ist für unsere Umwelt und für uns Deutsche ein prima Produkt.

(Beifall von der AfD)

Seit dem Jahr 2013 führt der ADAC den sogenannten EcoTest von Dieselfahrzeugen durch. Dabei werden die Fahrzeuge unter realitätsnahen Bedingungen getestet. Der ADAC zeigt auf, welche Fahrzeuge besonders wenig und welche besonders viel Stickoxid ausstoßen. Dabei fällt eines im Ergebnis auf: Auf den Spitzenplätzen mit dem geringsten Schadstoffausstoß sind vor allem die deutschen Autobauer, und auf den Verliererplätzen finden sich häufig die Fahrzeuge der ausländischen Autobauer. Diese fallen zum Teil mit abenteuerlich schlechten Abgaswerten auf.

Wenn man einmal einen Gewinner und einen Verlierer vergleicht, dann kann man sich zum Beispiel den Renault Grand Scénic anschauen, der 896 Einheiten ausstößt, während der Mercedes E 220 D nur 24 Einheiten ausstößt. Das ist somit der 37. Teil des Renault Grand Scénic. Aber auch Toyota findet man auf den Plätzen mit den dreckigsten Autos wieder.

Jetzt fragen wir uns mal, wer von der Abgas-Hysterie in Deutschland am meisten profitiert. – Das ist vor allem Toyota. Der japanische Autobauer konnte seinen Absatz in Europa im letzten Jahr um 14 % steigern und verkündet jetzt nun ganz nebenbei den Verkaufsstopp von Diesel-Pkw in Deutschland. Das hat einen guten Grund. Die Japaner waren einfach nicht in der Lage, so gute Diesel wie die Deutschen zu bauen. Da liegt es nur nahe, den deutschen Diesel in Misskredit zu bringen. So verwundert es auch nicht, dass Toyota einer der Hauptsponsoren der Deutschen Umwelthilfe ist.

(Beifall von der AfD)

Nun fordern die Grünen als Erfüllungsgehilfe des Lobbyvereins Deutsche Umwelthilfe eine Nachrüstung von Diesel-Pkw.

Dabei ist eine solche Umrüstung durchaus problematisch. Es handelt sich um eine komplexe bauliche Veränderung am Fahrzeug. Es wird ein SCR-Katalysator mit Abgasrohr benötigt, dazu ein AdBlue-Tank inklusive Pumpe und Heizelement sowie Sensoren und ein Motorsteuergerät. Und es ist damit zu rechnen, dass die Lichtmaschine nach dem Umbau 5 % mehr Energie verbraucht.

Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ kostet die Umrüstung 2.500 € pro Diesel-Pkw. Bei der Umrüstung von den mehr als 5 Millionen Pkw wäre das ein zweistelliger Milliardenbetrag.

Und nur eines am Rande, was ich klarstellen möchte: Die illegale Abschaltsoftware muss natürlich völlig unabhängig von einer möglichen Nachrüstung durch ein Update ersetzt und der Autokäufer für seinen Schaden entschädigt werden.

Warum aber sollte der deutsche Autobauer eines Euro-4-Diesels dazu gezwungen werden, die Euro-6-Norm einzuhalten, die zum Zeitpunkt der Produktion noch gar nicht gegolten hat? Das ist genauso abwegig, als wenn Sie von einem Kühlschrankhersteller nach zehn Jahren fordern würden, er möge doch bitte seine Kühlschränke nachrüsten, weil sich inzwischen die Energielabels geändert hätten.

Und: Die Totengräber aus dem Linksaußenlager blenden gerne aus, dass die Gefahr eines Fahrverbots auch über nachgerüsteten Diesel-Pkw schwebt. Denn bereits jetzt kommt das Umweltbundesamt unter Führung der Genossin Krautzberger auf eine neue Idee: Es soll zwei verschiedene blaue Umweltplaketten geben: eine dunkelblaue und eine hellblaue. Demnächst kommt wohl eine regenbogenfarbene Plakette. Das ist aber nichts anderes als ein gestaffeltes Fahrverbot auf Zeit. Dabei kommt das eine früher, das andere später.

In der Sache ist der Antrag der Grünen wirtschaftspolitischer Vandalismus und schädlich für unsere Autorepublik Deutschland. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Loose. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt.

Wer also stimmt dem Inhalt des Antrages Drucksache 17/2144 zu? – Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion stimmen zu. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – CDU-, FDP- und AfD-Fraktion sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten Herr Langguth und Herr Pretzell stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2144 mit Mehrheit im Hohen Hause abgelehnt.

Vor Aufruf des Tagesordnungspunktes 3 darf ich unter Bezugnahme auf die Befassung mit dem Antrag auf Änderung der Tagesordnung von CDU, SPD, FDP und Grünen heute Morgen darauf hinweisen, dass sich ein Übertragungsfehler eingeschlichen hat.

Wie von den vier Fraktionen schriftlich beantragt und an alle Fraktionen weitergeleitet, soll der ursprünglich heute unter TOP 9 vorgesehene Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2146 „Insektenvielfalt erhalten – Neonicotinoide endgültig aus dem Verkehr ziehen“ als Punkt 5 der heutigen Plenarsitzung vorgezogen werden. – Ich sehe, hiergegen gibt es keinen Widerspruch. Gibt es wirklich nicht. Danke schön, dann verfahren wir so.

Jetzt rufe ich auf:

3   Gesetz zum Abbau unnötiger und belastender Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen – Entfesselungspaket I

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/1046

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für
Wirtschaft, Energie und Landesplanung
Drucksache 17/2170

Änderungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2212

Entschließungsantrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/1249

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/1990

zweite Lesung

Die Aussprache ist eröffnet, und zwar mit dem Redner für die CDU-Fraktion, und das ist Herr Kollege Rehbaum.

Henning Rehbaum (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als mittelständischer Unternehmer hat man es heutzutage nicht leicht. Azubis und Fachkräfte sind Mangelware, in unzähligen Gewerbegebieten gibt es kein schnelles Internet, dafür aber Funklöcher. Wer investieren will, bekommt ständig Knüppel zwischen die Beine geworfen. Und ein einsamer Feldhamster ist oft wichtiger als ein neuer Arbeitsplatz. Dauerstau auf unseren Straßen sägt an den Nerven der Mitarbeiter, Unternehmen und Kunden.

Das Belastendste aber – das berichten uns die Unternehmer unisono – ist die überbordende Bürokratie. Deswegen sagen wir von der NRW-Koalition: Wirkungslose, unnötige und belastende Regelungen müssen weg.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das gilt zum Beispiel für das alte Tariftreue- und Vergabegesetz. Wir wollen fairen Wettbewerb für Arbeitnehmer und Unternehmer. Was wir nicht wollen, sind wirkungslose Papiertiger. Das neue Tariftreuegesetz schützt Arbeitnehmer und Unternehmer vor Dumpingangeboten vom billigen Jakob und entlastet Unternehmer von zeitraubender, aber wirkungsloser Bürokratie. Das haben wir vor der Wahl versprochen, und jetzt machen wir das so.

(Beifall von der CDU)

Das gilt zum Beispiel auch für die Hygieneampel. Wir haben eine hervorragend funktionierende Lebensmittelüberwachung. Wo Mängel sind, werden sie abgestellt. Betriebe von schwarzen Schafen werden dichtgemacht.

Der rot-grüne Handwerkspranger ist unfair und verunsichert die Kunden. Die Hygieneampel ist der Inbegriff des Misstrauens gegenüber unseren Handwerkern, für die Sauberkeit, Zuverlässigkeit und Kundenzufriedenheit der Mittelpunkt ihrer Arbeit ist.

Die Hygieneampel stellt Handwerksbetriebe unter Generalverdacht. Die NRW-Koalition vertraut Bäckern, Metzgern und Gastwirten. Deswegen schaffen wir die Hygieneampel heute ab.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zum Ladenöffnungsgesetz werden Sie gleich unseren Handelsexperten Oliver Kehrl aus dem Kölner Süden hören.

Zum Bereich der Altenpflege möchte ich sagen, dass mit dem vorliegenden Entwurf dafür gesorgt wird, dass eine Entbürokratisierung auch in der Altenpflege stattfinden kann. Wir wollen in einem weiteren Schritt das Altenpflegegesetz grundlegend reformieren. Deswegen werbe ich auch für die Zustimmung zu diesem Entschließungsantrag.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das Entfesselungspaket I ist der erste Schritt für den systematischen Bürokratieabbau und schnellere Verfahren in Nordrhein-Westfalen. Viele weitere werden folgen. Heute ist ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen. Wir sorgen für Verwaltungsvereinfachungen in Pflege und Behörden. Wir nehmen den Unternehmen Steine aus dem Rucksack, damit sie wachsen und attraktive Arbeitsplätze schaffen können. Das ist soziale Marktwirtschaft pur, und das ist gut für unser Land. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Rehbaum. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kollege Sundermann.

Frank Sundermann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden heute zum wiederholten Male über dieses vorgelegte Paket. Drei Punkte sind hier sicherlich wesentlich: die Hygieneampel, das Tariftreue- und Vergabegesetz und das Ladenöffnungsgesetz. Ich möchte zu all diesen drei Punkten kurz etwas sagen.

Zum Ersten zur Hygieneampel. Mit dieser Hygieneampel wäre eine Transparenz für Verbraucher geschaffen worden. Und diese Transparenz, nach der sich die Verbraucher sehnen, werden diese sich jetzt zukünftig auf dem freien Markt holen. Das heißt, sie werden sich nicht bei staatlichen Stellen informieren können – neutral –, sondern in irgendwelchen Foren, wo durchaus auch Unternehmen diskreditiert werden. Ich sage voraus, dass die Unternehmen im Laufe dieser Legislatur auf Sie zukommen und Sie bitten werden, etwas Ähnliches oder auch die Hygieneampel einzuführen, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Zum Tariftreue- und Vergabegesetz: Meine Damen und Herren, hier müssen Sie sich vorwerfen lassen, dass Sie uns in unzähligen Debatten immer gesagt haben, dass Sie hinter den Zielen stehen, aber wir diese Ziele nicht erreichen würden. – Was erleben wir nun hier? Wir erleben ein reines Tariftreuegesetz. Ob das gut oder schlecht gemacht ist, wird man in der Praxis sehen.

Aber: Alle anderen Punkte, zum Beispiel betreffend die Entrechtung von Mitarbeitern in Dritte-Welt-Ländern, alles das haben Sie gestrichen. Es gibt dafür zwei Begründungen. Entweder Sie haben hier jahrelang die Unwahrheit gesagt und es ist gar nicht Ihr Ziel gewesen, oder Sie sind unfähig, es umzusetzen. Das sind die beiden Erklärungsansätze, die ich für diese Frage habe.

(Beifall von der SPD)

Der dritte Punkt ist das Ladenöffnungsgesetz. Wie dieses Ladenöffnungsgesetz allerdings in ein Entfesselungspaket gekommen ist und wie es Bürokratie abbauen soll – dieses Ziel hat der Kollege Rehbaum eben genannt –, können Sie vielleicht noch erklären, verständlich ist es jedenfalls aus unserer Sicht nicht.

Sie haben gesagt, dass Sie das Ladenöffnungsgesetz aus zwei Gründen aufsetzen wollen: erstens, um Rechtssicherheit zu schaffen, zweitens – das ist in Diskussionen wiedergekäut worden –, um Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Onlinehandel zu schaffen.

Zur Rechtssicherheit: Die Anhörung hat – und das ist nun wirklich eindeutig; das kann man hin und her drehen – ergeben, dass genau das Gesetz, das Sie vorgelegt haben, eben nicht rechtssicher ist.

Meine Damen und Herren, wenn man die Diskussion im Ausschuss verfolgt hat, dann dämmert das mittlerweile auch Ihnen. Am Anfang sind Sie mit breiter Brust hier aufgetreten und haben behauptet, Sie hätten ein rechtssicheres Gesetz gemacht. Jetzt wird von Ihnen schon eingeräumt, dass es sicherlich dort die entsprechenden Verfahren gibt, und wenn es Verfahren gibt, gibt es keine Rechtssicherheit, meine Damen und Herren.

Wenn Sie hätten rechtssicher sein wollen, dann hätten Sie dem Vorschlag der Kirchen folgen sollen, nämlich sich weiterhin am runden Tisch zusammenzusetzen, den Gerald Duin eingerichtet hat. Die Kirchen haben verlautbart, man sei kurz vor einem positiven Ergebnis gewesen. Sie haben sich nicht getraut, diesen Dialog weiterzuführen.

Meine Damen und Herren, man kann nun überlegen, warum Sie sich nicht getraut haben – weil nämlich nicht die Rechtssicherheit und auch nicht der Onlinehandel – oder dieser nur bedingt – das Ziel waren.

Warum steht das Ladenöffnungsgesetz heute auf der Tagesordnung? – Da steht es, weil das einer der Preise war, den die FDP in den Koalitionsverhandlungen gefordert hat; denn die FDP hat in ihrem Wahlprogramm manifestiert, jedes Geschäft solle selbst entscheiden, wann es öffnet und wann es schließt – klassisch: 24/7. Das ist die Position der FDP, die im Prinzip aus ihrer DNA und ihrer Herangehensweise heraus so nachvollziehbar ist. Die Forderung ist von uns nicht zu kritisieren.

Wir wenden uns an dieser Stelle deshalb auch eher an den Teil in diesem Raum, der der christlich-demokratischen Union angehört. Im Ausschuss ist deutlich geworden, dass auch Sie Probleme damit haben. Sie werden mit den Kirchenvertretern, die hier vor dem Haus demonstriert haben, gesprochen haben. Die werden Sie gefragt haben, was Sie denn da tun? – Auch insofern sind Sie im Ausschuss um einiges zurückgerudert.

Aber eins ist klar, und diese Botschaft muss doch von der heutigen Debatte ausgehen: Die Sonntagsruhe wird in diesem Land zukünftig an doppelt so vielen Sonntagen gestört wie vorher. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik, der Politik der christlich-demokratischen Union.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, auch deswegen geben wir Ihnen die Gelegenheit, zum Ausdruck zu bringen, dass Ihnen die Sonntagsruhe als christlicher Wert nicht nur in den Sonntagsreden etwas wert ist; Sie können mit einem Ja oder Nein hier zeigen, ob Ihnen die Sonntagsruhe, dieser christliche Wert, wirklich wichtig ist. Oder ist Ihnen die Koalition bzw. das Zugehen auf den Koalitionspartner wichtig? Diese Frage kann jeder Einzelne von Ihnen heute hier beantworten. Diese Gelegenheit geben wir Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Abschließend zu diesem ganzen Paket, was als Etikett „Entfesselung“ trägt: Wir sehen hier keine Entfesselung. Wir sehen eine Entrechtung, meine Damen und Herren. Sie entrechten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Einzelhandel, sie entrechten die Verbraucher, indem Sie ihnen den Zugang zu transparenten Daten verwehren, und Sie entrechten die Menschen in den Dritte-Welt-Ländern, die Sie weiter unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen arbeiten lassen. Das ist keine Entfesselung, das ist Entrechtung, meine Damen und Herren. Und deswegen werden wir das ablehnen.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Sundermann. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Bombis das Wort.

Ralph Bombis (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrten Herren! Heute ist ein guter Tag für die Menschen in Nordrhein-Westfalen, es ist ein guter Tag für die Betriebe und die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen und damit für Nordrhein-Westfalen insgesamt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die NRW-Koalition hatte angekündigt, die Wirtschaft und damit auch die Menschen von unnötigen und belastenden Vorgaben zu befreien, die Innovations- und Investitionsfähigkeit der Betriebe zu stärken und damit zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen beizutragen.

Mit dem Entfesselungspaket I, das sehr zügig von Wirtschaftsminister Pinkwart und seinem Haus vorgelegt worden ist, gehen wir heute einen ersten deutlichen Schritt in diese Richtung, und die nächsten werden folgen. Diesen Weg, wie wir wieder mehr Bewegungsfreiheit, mehr Zeit für das Wesentliche durch weniger Zeit für Bürokratie schaffen können, möchte ich an drei Punkten kurz deutlich machen.

Zunächst ist als Erstes der Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen zu nennen, der derzeit unter den Einschränkungen und Unsicherheiten, Herr Sundermann, leidet,

(Frank Sundermann [SPD]: Die werden jetzt noch größer!)

die die rot-grüne Vorgängerregierung den Betrieben und vor allen Dingen ihren Beschäftigten auferlegt hat.

(Beifall von der FDP)

Sie haben doch dem Einzelhandel bei der Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit eben nicht nur nicht geholfen, Sie haben ihm auch aktiv Knüppel zwischen die Beine geworfen mit den gesetzlichen Regelungen, die Sie geschaffen haben.

Dass Sie in der Opposition heute gegen die Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes sind, zeigt nur, dass Ihnen die Zukunft des stationären Einzelhandels offensichtlich nicht ganz so wichtig ist, meine Damen und Herren von der SPD.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Sie würden die Einzelhändler im Wettbewerb mit dem Onlinehandel und den großen Outlet-Centern alleine lassen. Wir dagegen geben den Betrieben ab jetzt wieder die Möglichkeit, besser auf sich aufmerksam zu machen und den Menschen den Vorteil des stationären Einzelhandels zu verdeutlichen.

(Zurufe von der SPD)

Wir wollen eine Zukunft für den stationären Einzelhandel und damit für lebhafte Innenstädte in diesem Land!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Dietmar Bell [SPD])

Deswegen ist es auch richtig und gut, die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage maßvoll – das ist doch ganz entscheidend, Herr Sundermann – zu erhöhen. Es geht doch nicht darum, wie Sie das ausgeführt haben, hier 24/7 anzubieten.

(Frank Sundermann [SPD]: Das steht doch in Ihrem Wahlprogramm!)

Die Kompromisslinie dieser NRW-Koalition – darüber reden wir hier doch – ist eine maßvolle Linie, die für den Einzelhandel, aber auch für die Beschäftigten, ausgesprochen positiv zu werten ist. Wir werden diese Zahl maßvoll erhöhen, und wir werden die Sachgründe dafür praxisgerechter ausgestalten.

Herr Sundermann, eines will ich Ihnen noch sagen:

(Zurufe von Dietmar Bell [SPD], Michael Hübner [SPD] und Frank Sundermann [SPD])

Wir werden damit zur Rechtssicherheit beitragen. Alleine der Umstand – zeigt schon Ihre Einstellung –, dass Sie hier gerade…

(Zuruf von Frank Sundermann [SPD])

– Jetzt beruhigen Sie sich doch mal! – Ich zitiere Sie, Herr Sundermann. Sie haben hier gesagt: Dass es zu Klagen kommen wird, die wir natürlich erwarten, zeigt schon, dass es keine Rechtssicherheit gibt. – Das haben Sie gesagt. Nein, Herr Sundermann – dass es zu Klagen kommt, zeigt, dass wir in einem Rechtsstaat leben!

(Zurufe von Dietmar Bell [SPD], Michael Hübner [SPD] und Frank Sundermann [SPD])

Wir haben dafür gesorgt, dass es in diesem Rechtsstaat wieder eine größere Verlässlichkeit für den stationären Einzelhandel gibt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Ich möchte kurz einen zweiten Punkt ansprechen. Die alte Landesregierung hat den Betrieben und Kommunen im Vergaberecht unnötige Fesseln angelegt. Auch diese werden wir lösen. Mit der Novelle des Tariftreue- und Vergabegesetzes bekommen auch die kleineren Betriebe, die derzeit aufgrund des Aufwandes und der Bürokratie von Angeboten der öffentlichen Hand de facto ausgeschlossen sind, wieder die Möglichkeit, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen. Das ist nicht nur wirtschaftspolitisch klug und geboten; das ist nicht nur für die Mitarbeiter in diesen Betrieben gut, sondern es ist auch für die öffentliche Hand gut, die wieder mehr Angebote und damit auch günstigere Angebote bekommt. Das war Ihnen als rot-grüne Landesregierung völlig egal.

Wir sagen: Wichtig dabei ist, dass die Tariftreue bleibt. Niemand muss sich Sorgen machen. Soziale und ökologische Kriterien – auch das gehört zur Wahrheit dazu – können und werden auch weiterhin Einfluss über das allgemeine Vergaberecht erhalten. Ihr Gesetz hingegen war in diesem Bereich völlig wirkungslos. Das haben diverse Anhörungen dazu gezeigt.

Ganz kurz noch ein dritter Punkt: Die von Ihnen als ach so transparent gepriesene Hygieneampel schaffen wir ersatzlos ab. Was es gab, war lediglich eine Pseudotransparenz. Den enormen bürokratischen Belastungen für die Betriebe stand überhaupt kein Gegenwert gegenüber. Die Kennzeichnung basierte auf zahlreichen Kriterien, die mit Hygiene rein gar nichts zu tun haben.

(Zuruf von der SPD: Nennen Sie mal zwei oder drei!)

Wir werden das ersatzlos streichen. Das ist die wirksamste Entbürokratisierung in diesem Bereich.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Auf die anderen Punkte will ich nicht weiter vertieft eingehen.

(Zurufe von der SPD)

Und es gibt zahlreiche weitere Beispiele: von der vollelektronischen Gewerbeanmeldung über den weitgehenden Wegfall des Widerspruchsverfahrens bis hin zum Alten- und Pflegegesetz.

Dazu ein kurzer Satz: Ich bin Minister Laumann extrem dankbar – und das zeigt auch die Einstellung dieser NRW-Koalition –, dass wir jetzt wieder die Menschen in diesem Land in den Blick nehmen.

Es geht doch darum, dass wir für die Versorgungssicherheit der Menschen Umstände schaffen, die es möglich machen, dass auch die zunehmende Zahl an pflegebedürftigen Menschen in diesem Land in der Zukunft versorgt wird. Dafür sind dringend Investitionen im Pflegebereich notwendig. Das haben Sie vernachlässigt. Wir als NRW-Koalition werden das wieder möglich machen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Bombis, Sie kommen zum Schluss? Ihre Redezeit ist schon abgelaufen.

Ralph Bombis (FDP): Ich komme zum Schluss, Herr Präsident! Ich entschuldige mich; wegen der Zwischenrufe hat es etwas länger gedauert.

(Zuruf von Dietmar Bell [SPD] – Weitere Zurufe von der SPD)

Wir befreien die Betriebe und die Menschen in Nordrhein-Westfalen von unnötigen Belastungen. Wir stärken die Innovationsfähigkeit und die Investitionsfähigkeit. Wir bringen NRW wieder nach vorne. Wir liefern jetzt das erste Entfesselungspaket ab – weitere werden folgen.

(Fortgesetzt Zurufe von der SPD)

Ich werbe um Zustimmung. Wir bringen NRW wieder nach vorne. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Bombis. – Für die grüne Fraktion spricht nun Herr Kollege Becker.

Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Debatte seit dem November letzten Jahres verfolgt, dann muss man feststellen: Es ist ein Treppenwitz, was Sie als Entfesselung eines Industrielandes wie Nordrhein-Westfalen verkaufen. Es ist ein Treppenwitz, wie Sie darstellen, dieses Land entlasten und fördern zu wollen – durch ein solches Gesetz, wie Sie es hier vorlegen.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Dass Sie dieses Gesetz als Wirtschaftsförderung, als Stärkung des Einzelhandels und als Kampf gegen den Versandhandel – zum Beispiel bei der Frage der Ladenöffnungszeiten – verkaufen, ist wirklich unterirdisch und lässt daran zweifeln, dass Sie wissen, was in der Wirklichkeit los ist.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ideologie und fester Glaube helfen nicht, wenn man die Wirklichkeit betrachtet.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Man sollte sich vielmehr damit auseinandersetzen, was Fachleute einem sagen. Und damit sind wir schon beim ersten Fehler. Der runde Tisch, der kurz davor war, konsensuale Ergebnisse vorzulegen – auch mit den Kirchen, die sich bis heute darüber beschweren, wie das einfach verhindert worden ist –, hätte in diesem Land ein Stück weit Rechtssicherheit und Befriedung geschaffen. Aber das war nicht gewollt, weil die Ideologie der FDP dem im Wege stand.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie behaupten, Sie würden mehr Rechtssicherheit schaffen und für weniger Bürokratie sorgen. Mit Ihren sogenannten Sachgründen – die weit gefasst sind, damit jeder alles darunter verstehen kann – bewirken Sie aber genau das Gegenteil. Das haben Ihnen die Expertinnen und Experten in der Anhörung durch die Bank bescheinigt. Das interessiert Sie aber nicht.

Das interessiert Sie noch nicht mal, obwohl das OVG in Münster Anfang Dezember letzten Jahres – also in Kenntnis Ihres Entwurfes – noch einmal ganz klar festgestellt hat, es sei die Pflicht des Landesgesetzgebers, den Sonntagsschutz sicherzustellen und zu erhalten.

Trotzdem gehen Sie so vor, wie Sie vorgehen. Dass Sie die Sachgründe so fassen, wie Sie sie fassen, aber die Feststellung den Kommunen überlassen, liegt daran, dass Sie um die nicht vorhandene Rechtssicherheit wissen. Mit den Klagen müssen sich hinterher die Kommunen auseinandersetzen. Es werden auch nicht weniger Klagen werden, und es werden nicht weniger Kosten werden, sondern es werden mehr Klagen und mehr Kosten sein. In ein, zwei Jahren werden wir uns darüber unterhalten. Das lässt sich ja am Ende des Tages sehr einfach feststellen.

Ich halte fest: Es interessiert Sie deswegen nicht, weil Sie – wie in vielen anderen Fällen in diesem Parlament in den letzten acht Monaten – den Kommunen am Ende den Schwarzen Peter zuschieben.

Wenn Sie dann nicht mehr weiterwissen – wir haben es eben wieder bei Herrn Bombis gehört –, argumentieren Sie mit dem Versandhandel. Als ob Sie Amazon, eBay und Co tatsächlich durch vier Sonntage, an denen Sie die Läden öffnen, in die Schranken weisen könnten! Das ist mitnichten möglich; überhaupt nicht.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wenn Sie – damit meine ich insbesondere Herrn Pinkwart – das ernsthaft wollten, könnten Sie sich einmal überlegen, ob Sie ein Einzelhandelsstärkungsgesetz vorlegen, ob Sie, der Sie so gerne von der Digitalisierung reden, tatsächlich einmal die regionalen Onlinemarktplätze massiv ausweiten.

Sie könnten sich überlegen, ob Sie sich mit dieser Landesregierung und insbesondere dem Verkehrsminister dafür einsetzen, dass die Logistiker, die mit zig Autos zur Auslieferung der Pakete in die Städte fahren und die Parkplätze und die Straßen zustellen, sich auf ein Lieferfahrzeug einigen müssen, und die Städte die Instrumente dafür in die Hand bekommen. Sie müssten sich zusammen mit der Bundesregierung bei der EU dafür einsetzen, dass der Onlinehandel besteuert wird und faire Bedingungen herrschen. – Von alledem höre ich aber nichts. Sie arbeiten sich hier an vier Sonntagen im Jahr ab und liegen damit völlig daneben.

Ähnlich sieht es bei Ihren Gesetzesvorhaben auch in der Frage des Tariftreue- und Vergabegesetzes aus. Für Sie sind faire Löhne, nachhaltige Produktion, Frauenförderung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Arbeitsverhältnisse in Schwellenländern offensichtlich nur Gedöns. Wir aber meinen, wie die Kirchen: Das sind wichtige Fragen. Die öffentlichen Vergaben in Nordrhein-Westfalen mit 50 Milliarden € im Jahr spielen eine wichtige Rolle, um diese Grundsätze durchzusetzen.

(Daniel Sieveke [CDU]: Dafür haben Sie auch in der Vergangenheit nichts getan!)

Sie sind nicht egal. Sie sind kein Gedöns. Die Ideologie der FDP ist an dieser Stelle völlig fehl am Platz.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dass Sie noch nicht einmal davor zurückschrecken, mehr Bürokratie zu schaffen, zeigen alleine Ihre Änderungen im Justizgesetz. Wer die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens beim LANUV für Verbraucherschutz, Lebensmittelüberwachung und Tierschutz schwächt, schwächt nicht nur den Rechtsschutz für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern sorgt auch für mehr Klagen vor den Verwaltungsgerichten. Sie verursachen höhere Kosten, weil es mehr Anwälte geben wird, die die Klagen begleiten. Sie sorgen außerdem dafür, dass die Gerichte am Ende des Tages wieder stärker belastet und sogar überlastet werden.

Mit anderen Worten: Sie schaffen Bürokratie. Sie nehmen Rechtsschutz weg. – Der Ideologie opfern Sie auch den Verbraucherschutz der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Becker. – Nun spricht für die AfD-Fraktion Herr Loose.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angekündigt wurde im Sommer letzten Jahres von der Mitte-links-Koalition mit großem Tamtam nicht weniger als ein Neustart in der Wirtschaftspolitik. Wir waren alle sehr gespannt. Da war von Innovationskräften, die freigesetzt werden sollen, zu lesen. Da war von einer wirtschaftsfreundlichen Willkommenskultur zu lesen. Da war vom Leitbild des unkomplizierten Staates zu lesen.

Tja, und dann kam Ihr Entfesselungspaket. Ich sprach damals von einem kleinen Senfkorn Hoffnung. Ich hatte fast nichts erwartet und wurde trotzdem enttäuscht. Die Saat des Körnchens ist nicht aufgegangen; denn Sie haben es leider versäumt, dieses zu hegen und zu pflegen. Stattdessen kamen Sie mit vertrockneten Rezepten aus der Schublade.

(Beifall von der AfD – Zuruf von der CDU)

– Noch mehr vertrocknete Rezepte? Darauf freuen wir uns. – Jetzt ist das Bisschen aber nun einmal da. Verstehen Sie mich bitte richtig: Alles, was es dem Bürger, dem Unternehmer und dem Staat erleichtert, seinen Betrieb abzuwickeln und seine Leistungen zu erbringen, ist uns willkommen.

Hygieneampel weg: Ja, das nehmen wir mit. Jedes rot-grüne Bürokratiemonster, das uns verlässt, ist ein Gewinn für uns alle.

(Beifall von der AfD)

Entfristung des IHK-Gesetzes: Ja, das nehmen wir auch mit. Wir kritisieren zwar den Zwang zur Kammermitgliedschaft; dennoch macht es Sinn, das Gesetz zu entfristen, wenn es ohnehin immer wieder ohne nennenswerte Änderungen, also praktisch im Blindflug, verlängert wird.

Ladenöffnungszeiten am Sonntag: Ja, das geht in die richtige Richtung. Aber die rechtliche Unsicherheit bleibt bestehen, und es wird wieder Klagen geben.

Auf das von den Städten gewünschte einstufige Verfahren wurde leider verzichtet. So ist es eben nicht der angekündigte große Wurf.

Entfesselung war angesagt. Entfesselung stellen wir uns jedoch deutlich kraftvoller, mutiger und entschlossener vor, als einfach nur einen kleinen rot-grünen Scherbenhaufen aus der Ecke zu fegen.

(Beifall von der AfD)

Handwerklich ist da auch so manches hin und her gestolpert. Die versprochene Vereinfachung bei den Gewerbeanmeldungen entpuppt sich als aufgeblasene Luftnummer. Die Bestätigungen kommen weiterhin von den Gemeinden. Die IHKs sind im Grunde nur ein erweitertes Postamt, das Anträge entgegennimmt und an die Gemeinden weiterleitet.

Kommen wir zum Fazit: Sie haben sich wenigstens stets bemüht. Es ist auch etwas weniger schlimm als zuzeiten der rot-grünen Bürokratiefestspiele. Der Bürger und die AfD erwarten aber mehr von Ihnen. Wir wollen echte bürokratische Befreiungsschläge von Ihnen sehen, die diesen Namen auch wirklich verdienen. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Loose. – Nun spricht für die Landesregierung Herr Minister Professor Dr. Pinkwart.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es freut mich außerordentlich, dass wir heute zur abschließenden Lesung des ersten Entfesselungspaketes kommen können. Ich halte es für ganz entscheidend, dass die neue Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen im Parlament hiermit auch deutlich machen, dass wir es ernst meinen mit unserem Ziel, Nordrhein-Westfalen wieder zu einem dynamischen, wachstumsorientierten und umweltfreundlichen Land weiterentwickeln zu können.

Das ist auch dringend notwendig. Vorhin war von Entrechtung der Arbeitnehmer die Rede. Herr Sundermann, Sie haben es so genannt, glaube ich. Ich frage Sie einmal, ob nicht eine überhöhte Arbeitslosigkeit durch verfehlte Wirtschaftspolitik eher eine Entrechtung von Arbeitnehmern ist und deren Interessen zuwiderläuft.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das frage ich hier mal allen Ernstes.

Nehmen Sie doch nur mal die Wachstumsentwicklung der letzten Jahre in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik Deutschland und das Delta, das wir bei der Arbeitslosigkeit haben. Wir hatten Anfang dieses Jahres in Nordrhein-Westfalen eine Arbeitslosigkeit von 7,2 %, bundesweit von 5,7 %. Das ist doch nicht nur eine statistische Zahl, sondern dahinter verbergen sich 160.000 Schicksale – mehr Arbeitslose als im Bundesvergleich. Hätten wir gar die Zahlen Baden-Württembergs oder Bayerns, stünden 360.000 Menschen mehr in Nordrhein-Westfalen in einer Beschäftigung.

Darum muss es uns doch gehen: Wie schaffen wir es, dass wir die viel zu hohe Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen abgebaut bekommen und unserer Wirtschaft wieder mehr Dynamik verleihen können? Das ist doch die zentrale Frage im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Lieber Herr Becker, von Ihnen ist vorhin gesagt worden, wir sollten uns mit der Wirklichkeit auseinandersetzen. Es gibt eine Studie der alten Landesregierung, in Auftrag gegeben beim Institut für Mittelstandsforschung, vom November 2016. Die Studie trägt auch einen bemerkenswerten Titel: Untersuchung einer möglichen Investitionsschwäche in Nordrhein-Westfalen. Ich zitiere, Seite 66:

Die nach Umsatzgröße repräsentative Unternehmensbefragung, die dort durchgeführt worden ist, bestätigt für das verarbeitende Gewerbe und im Vergleich zu Baden-Württemberg und Bayern ein zurückhaltendes Investitionsverhalten der Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen. Schon geplante Investitionen werden branchen- und größenübergreifend signifikant häufiger unterlassen, investive Chancen also häufiger nicht umgesetzt. Getätigte Investitionen dienen in Nordrhein-Westfalen außerdem seltener dem Ausbau produktiver Kapazitäten. Der Investitionsschwerpunkt liegt seltener auf Erweiterung.

Zum Thema „Ursachen“ darf ich aus der Studie auf derselben Seite zitieren: Die Unternehmen, die befragt wurden, bewerten ihr wirtschaftliches Umwelt signifikant häufiger als festgefahren, verkrustet, strukturschwach und weniger profiliert.

Lieber Herr Becker, das war die Wirklichkeit im Herbst 2016 unter der von Ihrer Partei mitgetragenen Landesregierung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es war ein Land, das in Fesseln lag, das die Unternehmen und auch die Arbeitnehmerseite frustriert hat,

(Norwich Rüße [GRÜNE]: So ein Unfug!)

weil Sie versucht haben, eine Regelung nach der anderen auf EU- und Bundesrecht draufzusatteln, und weil Sie für ein sehr kompliziertes Rechtssystem gesorgt haben – nicht nur bei Gesetzen und Verordnungen, sondern auch in der Durchführung. Nun arbeiten wir daran, dies zurückzunehmen.

Wir versuchen, in Nordrhein-Westfalen, wo wir nur können – hier sind viele Regelungen enthalten, mit denen wir das tun –, Schritt für Schritt kleinere, mittlere und größere Fesseln abzulegen. Dazu gehören natürlich solche Maßnahmen wie das Tariftreue- und Vergabegesetz. Wir setzen eben Tariftreue durch. Wir setzen durch, dass die Kommunen verantwortlich die Vergabe organisieren, und zwar, indem wir das Regelwerk entfrachten,

(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Stimmt doch gar nicht!)

damit sie es auch tun können. Die Kommunen waren doch völlig verzweifelt mit Ihrem Gesetz! Die Unternehmer waren so verzweifelt, dass sie sich um öffentliche Aufträge schon gar nicht mehr bemüht haben! Diese Regelung wird jetzt wieder vom Kopf auf die Füße gestellt.

(Beifall von der FDP)

Außerdem ist es wichtig – das ist ein hartes Ringen; das will ich hier sagen –, dass Nordrhein-Westfalen endlich eine elektronische Gewerbeanmeldung hinbekommt. Daran wird seit Jahren gearbeitet, auch zusammen mit den Kommunen und den Kammern. Ich sage das hier auch als fachzuständiger Minister: Wir schaffen jetzt die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass die Kommunen die Digitalisierung vorantreiben können und dass die Kammern sie darin unterstützen.

Wenn das so eingeführt wird, wie wir das hier vorschlagen, dann werden die Jungunternehmer nicht mehr verpflichtet sein, 450 Fragen auf bis zu 20 verschiedenen Formularen beantworten zu müssen. Wir können insgesamt – wir haben das mal hochgerechnet – pro Jahr bei 65.000 Gründungen 520.000 Arbeitsstunden bei unseren Gründerinnen und Gründern einsparen.

Die müssen sie dann nicht mehr für Bürokratie aufwenden, sondern die können sie einsetzen, um sich um ein vernünftiges Geschäftsmodell zu kümmern und um Kunden zu finden. Sie können diese Zeit nutzen, um Umsätze zu machen, sodass sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das Gleiche gilt beim sogenannten Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz, der sogenannten Hygieneampel. Hier war ja schon der Name Programm. Wir müssen hier entschlacken und mehr Verantwortung in die Betriebe verlagern. Auch hier können wir die Unternehmen und die Behörden um rund eine halbe Million Arbeitsstunden pro Jahr entlasten.

Alleine diese beiden Maßnahmen führen zu einer Entschlackung von mehr als einer Million Arbeitsstunden in diesem Land. Genau das ist die Entfesselung, die wir brauchen! Die Menschen wollen sich mit ihren eigentlichen Aufgaben beschäftigen. Wir wollen sicherstellen, dass wir Regelungen haben, die der Staat kontrollieren und durchsetzen kann. Das war bei Ihren Regelungen leider auch nicht der Fall. Deswegen schlugen sie fehl und führten zu Wettbewerbsverzerrungen.

Lassen Sie mich noch etwas zur Ladenöffnung anführen: Wir schaffen mit dem Ladenöffnungsgesetz verlässliche Rahmenbedingungen für Kunden, Händler und Kommunen. Dies war auch dringend erforderlich, um die durch eine Vielzahl an Gerichtsverfahren – mehr als 70 Untersagungen in den vergangenen zwei Jahren – entstandene Verunsicherung bei den Kommunen aufzulösen.

Da stellen Sie sich hierhin, Herr Becker, und sagen, wir würden jetzt etwas auf die Kommunen verlagern. Das haben Sie getan, aber mit einer Regelung, die diese Rechtsunsicherheit und diesen Aufwand für die Kommunen gebracht hat!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir ändern das jetzt. Wir haben Ihnen hier eine rechtssichere Lösung vorgetragen.

Ich will es noch einmal für die Landesregierung deutlich machen: „Maß und Mitte“ – das gilt auch für die Entfesselungspakete, und zwar unter sozialen wie ökologischen Gesichtspunkten sowie unter dem Aspekt der Pflege unserer kulturellen Eigenarten. Deswegen war es so wichtig, dass wir bei der Ladenöffnung einen sehr moderaten Weg vorgeben. Wir eröffnen den Kommunen die Möglichkeit, aber sie entscheiden, ob sie an bis zu acht Sonntagen im Jahr von 13 Uhr an fünf Stunden Öffnungen zulassen wollen oder nicht.

Wir haben das Ganze an ganz enge Bedingungen geknüpft: Die Feiertage haben wir in besonderer Weise geschützt. Wir sind eines der wenigen Bundesländer, das für den Heiligabend endlich Klarheit schafft: Wenn der Heiligabend auf einen Sonntag fällt, lassen wir keine Öffnungen mehr zu.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit Blick auf die Arbeitnehmerorganisationen sage ich zudem: Wir haben auch den 1. Mai rausgelassen. Sie sehen: Wir machen hier keine ideologische Politik, sondern wir machen eine Politik für die Menschen in Nordrhein-Westfalen, damit sie sich hier wohlfühlen und damit sie sich hier einbringen können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich einen letzten Satz anfügen. Wir arbeiten an dem zweiten und an dem dritten Paket. Wir wollen mehr wirtschaftliche Dynamik in den Körperschaften ermöglichen, in den Agglomerationen wie im ländlichen Raum, und zwar für mehr Wohnraum und für mehr Gewerbeflächen. Zudem wollen wir die Genehmigungsverfahren verkürzen.

Eines ist mir noch ganz wichtig: Wenn es uns gelingt – und daran arbeiten wir –, Genehmigungsverfahren zu verkürzen, werden Unternehmer eher bereit sein, in Nordrhein-Westfalen in neue Anlagen zu investieren. Wer in neue Anlagen investiert, der investiert in aller Regel in die umweltfreundlichere Technologie und schafft wettbewerbsfähigere Arbeitsplätze. Wenn wir es also mit diesem und den nächsten Paketen schaffen, mehr Dynamik nach Nordrhein Westfalen zu bringen, dann helfen wir sowohl der Umwelt als auch den Beschäftigten. Das ist eine verantwortungsvolle Politik für eine sozial und ökologisch verantwortungsvolle Marktwirtschaft. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Professor Dr. Pinkwart. – Die Landesregierung hat damit die Redezeit ein bisschen überzogen. Ich habe genau 4 Minuten und 19 Sekunden registriert. Das gebe ich so weiter. Es stehen noch zwei angemeldete Redner auf der Liste. Zunächst einmal spricht für die CDU-Fraktion Herr Kehrl. Er hat jetzt das Wort.

Oliver Kehrl (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein sehr kluger grüner Spitzenpolitiker sagte einmal: „Im Schutz der Sonntagsruhe gedeiht nicht das Christentum, sondern Amazon.“ – Heute reformieren wir als NRW-Koalition das Ladenöffnungsgesetz, das dem mittelständischen Handel zumindest ansatzweise die gleichen Chancen wie den Onlinemitbewerbern geben soll.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Glauben Sie das selbst?)

Sie dürfen demnach als Ausnahme von der verfassungsmäßigen Regel an einigen Sonntagen verkaufen.

Die Menschen in diesem Land haben heute ein anderes Freizeitverhalten: Sie fahren sonntags nach Holland, und sie kaufen an diesem Tag besonders gerne in Onlineshops ein.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Aber nicht alle! Teilweise müssen sie ja arbeiten!)

Wir wollen es den Geschäften erlauben, maximal 40 Stunden im Jahr sonntags zu öffnen – und das selbstverständlich immer erst nach dem Gottesdienst, nämlich von 13 bis 18 Uhr.

(Zuruf von der SPD: Ah!)

Erstens ist unser Gesetz richtig und wichtig für den inhabergeführten Handel, weil dieser Tag gebraucht wird, um sich neuen Kundenschichten zu präsentieren.

Zweitens ist er wichtig für seine Mitarbeiter und ihre Arbeitsplätze. Kein Tag ist bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäfte zum Arbeiten so beliebt wie der Sonntag. Es gibt das doppelte Geld, und in den Läden ist was los. Da finden Veranstaltungen statt, und da herrscht Betrieb.

Drittens ist das Gesetz richtig und wichtig für die Lebensfähigkeit von Städten und Stadtteilen.

Viertens – das kam hier bisher zu kurz – ist dieses Gesetz richtig und wichtig für das Ehrenamt und die unzähligen Interessengemeinschaften in NRW, die unglaublich viel Zeit und Arbeit in das Organisieren von Veranstaltungen und Festen investieren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

All diese Beteiligten haben unter dem alten Gesetz gelitten, weil es viel zu eng formuliert war. Städte, Gemeinden, Handel, Mitarbeiter und Bürger brauchen ein verlässliches Gesetz und Richtlinien, mit denen sie leben und arbeiten können. Das schaffen wir mit diesem Gesetz. Sie alle haben unter Ihrer alten Regierung gelitten, die zusammen mit einer wild gewordenen Gewerkschaft den guten, alten Kompromiss der Sonntagsöffnungen torpediert hat.

Mit dem neuen Gesetz schaffen wir Abhilfe. Es ist im öffentlichen Interesse und damit im Interesse von uns allen, dass die innerstädtischen Strukturen am Leben bleiben. Die Sonntagsöffnungen sind da nur ein Instrument, aber ein sehr wichtiges; denn das Überleben vitaler Städte ist wichtig für unser soziales Zusammenleben, für die Daseinsvorsorge und damit die Gesellschaft als Ganzes.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Noch eine Anmerkung, um so vielleicht einen Bogen zu spannen: In italienischen Städten, wo Don Camillo und Peppone noch etwas zu sagen haben, öffnen sonntags die Geschäfte, und die Welt bleibt in Ordnung. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kehrl. – Nun spricht für die grüne Fraktion noch einmal Herr Kollege Becker.

Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer interessant, neben dem, worauf die Redner eingehen, auch auf das zu hören, worauf sie nicht eingehen. Ich stelle zunächst fest, dass der Minister nicht auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster von Anfang Dezember letzten Jahres eingegangen ist. Das Gericht hat in Kenntnis Ihres Gesetzentwurfs ausdrücklich festgestellt, dass der Gesetzgeber zum Schutz des Sonntags verpflichtet ist.

(Henning Höne [FDP]: Möchten Sie, dass der Minister noch mal eine gute Rede hält?)

Liest man das Urteil des Gerichts aufmerksam, stellt man im Übrigen fest, dass es den Ermessensspielraum sehr eng ausgestaltet hat.

Sie haben eben nonchalant darauf hingewiesen, dass Sie den Kommunen Freiheit geben. Ich sage Ihnen: Das ist eine vergiftete Freiheit; denn so, wie Sie das angelegt haben, werden die Kommunen hinterher den „Spaß“ haben, weil sie wieder beklagt werden.

Und wenn Herr Kehrl von der CDU von einer „wild gewordenen Gewerkschaft“ redet, dann kann ich Ihnen nur sagen: Sie haben irgendwie nicht verstanden, was da gerade passiert. Diejenigen, die am runden Tisch gesessen haben – übrigens nicht nur Gewerkschafter, sondern auch beide Kirchen –, sind zutiefst entsetzt darüber, dass man die weit fortgeschrittenen Einigungsversuche einfach abgeräumt hat – abgeräumt, um dem Genüge zu tun, was die FDP wollte. Sie nennen das „Entfesselung“, es ist aber nichts anderes als Ideologie.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die Kommunen werden am Ende des Tages unter den weiteren Klagen – übrigens auch seitens der Kirchenvertreter und der gesamten Initiativen – zu leiden haben. Rechtssicherheit sieht anders aus.

Ich sage Ihnen noch einmal: Sie können immer wieder behaupten, dass Sie den Versandhandel durch vier weitere öffnungsfreie Sonntage tatsächlich in Schach halten können.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Wenn Sie das ernst meinen, dann haben Sie den Schuss nicht gehört und wissen nicht, was „inhabergeführter Einzelhandel“ und was „großflächiger Einzelhandel“ bedeutet. Das sind völlig unterschiedliche Bereiche. Sie sollten sich endlich damit beschäftigen, wie man den inhabergeführten Einzelhandel wirklich stützen kann. Man stützt ihn, indem man massiv die regionalen Plattformen im Onlinehandel ausbaut, und indem man das Kaputtfahren der Straßen seitens der Paketfirmen beim Nutzen des öffentlichen Raums massiv eindämmt.

(Ralph Bombis [FDP]: Dafür sind Sie abgewählt worden!)

Man nutzt sie, indem man endlich Steuerkonzepte entwickelt, die den Versandhandel ein Stück weit zurückdrängen und dem Einzelhandel, der seine Steuern bezahlt, eine faire Wettbewerbsmöglichkeit bietet.

(Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU])

Von all dem habe ich weder von Ihnen noch vom Minister etwas gehört. Deswegen ist das Hokuspokus, was Sie hier verkaufen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Becker. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Sundermann.

Frank Sundermann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem, worüber wir hier debattiert haben, noch zwei, drei Sätze sagen.

Das eine ist die Frage des Onlinehandels. Ich werde Ihnen das Zahlenspiel auch heute nicht ersparen können. Ein Jahr hat 8.760 Stunden. An 8.760 Stunden können Sie online einkaufen. Sie sagen nun: 20 zusätzliche Stunden retten den Einzelhandel. – Das ist zu kurz gegriffen, meine Damen und Herren. Das müssen Sie sich hier anhören!

(Beifall von der SPD – Ralph Bombis [FDP]: Sie sagen es immer so, wie es Ihnen passt! Ist das zu viel oder zu wenig? – Weitere Zurufe von der FDP)

Sie müssen den Einzelhandel – Herr Kollege Becker hat es auch gesagt – flankierend unterstützen. Legen Sie ein Einzelhandelskonzept auf. Nehmen Sie die Dinge, die wir in unserer Regierungszeit aufgelegt haben, um den stationären Einzelhandel mit dem Onlinehandel zu verknüpfen, auf. Dann sehen Sie uns an Ihrer Seite, aber nicht, wenn Sie solche Gesetze vorlegen. Mit 20 Stunden mehr soll der Onlinehandel eingedämmt werden. Das ist wirklich Blödsinn.

(Ralph Bombis [FDP]: Sollen wir mehr machen?)

– Sie wollen ja mehr, Herr Bombis, 24 Stunden an sieben Tagen. Daran, dass Sie jetzt so reingehen, Herr Bombis, merke ich, dass Sie genau das wollen. Da kann ich die Kollegen von der CDU-Fraktion nur beglückwünschen. So können Sie erahnen, was in den nächsten Jahren vielleicht auf Sie zukommt.

Lassen Sie mich noch eine Sache sagen, die mich wirklich ein Stück weit betroffen gemacht hat. Hier wurde über Arbeitnehmervertreter in diesem Land gesprochen, und diese wurden als „wild geworden“ bezeichnet. Das ist eine Unverschämtheit. Das weise ich als Sozialdemokrat entschieden zurück, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Abschließend: Man merkt auch an den Beiträgen heute wieder, dass Sie sich dafür abfeiern lassen, dass Heiligabend nicht gearbeitet werden kann, weil die Läden nicht offen sind. Meine Damen und Herren, Herr Laumann, ich habe es Ihnen eben schon gesagt: Heute zählen nicht die Sonntagsreden, die Sie beim KAB behalten, heute zählt hier Ihre Entscheidung. Schützen Sie den Sonntag, oder machen Sie ihn vogelfrei? Das ist die Entscheidung, die Sie persönlich hier treffen müssen. Ich hoffe, Sie treffen die richtige. – Vielen Dank dafür.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: So ein Blödsinn!)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sundermann. – Für die AfD hat sich der Abgeordnete Loose gemeldet.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss mich sehr über das wundern, Herr Sundermann, was Sie hier sagen. Sie wollen die Ladenöffnung behindern und dass im Grunde wieder Ruhe und Frieden herrschen. – Ja, das haben Sie unter Ihrer rot-grünen Regierung geschafft. Sie haben die Ladenöffnung behindert. Die Geschäfte, die öffnen wollen, werden beklagt. Kurz vorher, am Freitag, sagt dann der Richter: Die Ladenöffnung ist gestrichen.

Die Arbeitnehmer haben sich im Frühjahr darauf gefreut, einen Zuschlag zu bekommen; denn fünf Stunden Sonntagsarbeit werden wie ein ganzer Tag bezahlt, und sie bekommen zusätzlich noch Zuschläge. Im Frühjahr werden die Listen ausgelegt. Die Arbeitnehmer streiten sich darum, wer am Sonntag arbeiten darf.

(Unruhe von der SPD)

Dies können sie mit ihrer Familie abstimmen und dann klarmachen. Meine Schwester zum Beispiel ist Krankenschwester. Sie arbeitet sehr gerne am Wochenende; der Mann kann dann auf die Kinder aufpassen. Sie müssen den Menschen doch die Möglichkeit geben. Aber Sie nehmen ihnen die Freiheit, überhaupt arbeiten zu können.

(Unruhe – Glocke)

Das ist keine Politik für Arbeitnehmer, das ist eine Politik, die den Gewerkschaften hilft. Die Gewerkschaften vertreten aber nicht alle Arbeitnehmer, sondern nur einen sehr kleinen Teil. Das ist die Wahrheit in Deutschland. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Präsident André Kuper: Für die Landesregierung hat noch einmal Herr Minister Professor Pinkwart um das Wort gebeten.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es aufgrund der Einlassungen von Herrn Becker für notwendig, einiges noch einmal deutlich zu machen. Wir haben im Ausschuss hinreichend darüber diskutieren können.

Bemerkenswert ist, dass Ihre Fraktion und auch die SPD-Fraktion uns zwischenzeitlich zu einem einstufigen Verfahren verleiten wollten und meinten, es wäre viel besser, wenn wir hier alles alleine regelten und die Kommunen nicht einbeziehen würden, wissend darum, dass das verfassungsrechtlich nicht geht. Deswegen haben wir uns nach langem Abwägen zu dieser Regelung entschieden, weil wir für Nordrhein-Westfalen bewusst eine verfassungsfeste Regel haben wollen, die auch hier das Ausnahme-Regel-Verhältnis quantitativ und qualitativ, wie vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben, berücksichtigt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das ist vom Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die Berliner Regelung, an der wir uns hier orientiert haben, ja schon entschieden worden. Also, wir haben hier bewusst eine Regelung gewählt, die Verfassungsfestigkeit zeigt.

Ein zweiter Punkt, Herr Becker: Sie bringen hier immer wieder einen runden Tisch zu Ihrer Regierungszeit in die Debatte ein, auch schon im Ausschuss. Ich habe meine Fachbeamtinnen und Fachbeamten gefragt, die zu Ihrer Regierungszeit für die Begleitung des runden Tisches zuständig waren. Sie haben mir auch gerade eben noch einmal versichert, dass aus diesen Beratungen – leider, mag man hinzufügen – nichts herausgekommen sei.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Ah! – Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Dann können Sie dem Parlament doch nicht vortragen, dass dort konkrete Ergebnisse zustande gekommen seien. Das ist eben nicht der Fall. Und dass nichts dabei herausgekommen ist, zeigt ja auch der Tatbestand,

(Horst Becker [GRÜNE]: Sie haben den doch abgeschafft!)

Herr Becker, dass Ihre Regelung – die haben Sie geschaffen, das war Ihr Gesetz – auch nach Ihrer Regierungszeit immer wieder beklagt worden ist. Das heißt, Sie haben es nicht geschafft, Rechtsfrieden herzustellen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Herr Minister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Kollegin Müller-Witt?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ja, gerne.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Die Witt nehmen wir noch mit!)

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Herr Minister, es gab ja eine Anhörung zu diesem Thema. Darin haben die Kirchen die Ansicht vertreten, dass der runde Tisch fast einen Durchbruch erreicht hat.

(Zurufe von der FDP: Fast!)

Behaupten Sie, dass die Kirchen eine falsche Aussage getätigt haben?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Meine sehr verehrte Frau Abgeordnete! Ich habe hier nicht über den Wahrheitsgehalt von Aussagen in Anhörungen derer zu befinden, zu denen ich in keinem unmittelbaren Beziehungsfeld stehe.

Ich habe von den Beamtinnen und Beamten meines Hauses gesprochen. Diese haben den runden Tisch für mein Ministerium in der alten Regierungszeit unter der Verantwortung meines Amtsvorgängers begleitet.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Ich habe noch heute nachgefragt, und ich habe in den letzten Monaten nachgefragt, ob es irgendein Ergebnis gegeben hat, an dem wir uns hätten orientieren sollen. Das ist verneint worden. Mehr kann ich Ihnen hier nicht vortragen,

(Horst Becker [GRÜNE]: Weil Sie ihn abgeschafft haben!)

aber das kann und möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Wir sind damit am Schluss der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung.

Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung empfiehlt in Drucksache 17/2170, den Gesetzentwurf Drucksache 17/1046 in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung Drucksache 17/2170 und nicht über den Gesetzentwurf.

Erstens stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2212 ab. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zu diesem Änderungsantrag Einzelabstimmung beantragt, soweit er sich auf die Änderung des Art. 1, Änderung des Ladenöffnungsgesetzes, bezieht. Alle anderen Teile des Änderungsantrags sollen gemeinsam abgestimmt werden.

Da die antragstellende Fraktion Einzelabstimmung beantragt hat, muss diese gemäß § 42 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung auch stattfinden. Wir kommen zur Einzelabstimmung über den Änderungsantrag Drucksache 17/2212, a) Art. 1, Änderung des Ladenöffnungsgesetzes.

Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben gemäß § 44 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zum Änderungsantrag Drucksache 17/2212 beantragt, soweit er Art. 1 betrifft. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen der Geschäftsordnung erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit „Ja“ oder „Nein“ zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

Ich bitte den Abgeordneten Schrumpf, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt.)

Meine Damen und Herren, haben jetzt alle Abgeordneten, die das wollten, ihre Stimme abgegeben? – Das scheint der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen.

(Die Auszählung erfolgt.)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Ihre Stimme abgegeben haben 191 Abgeordnete. Mit Ja stimmten 81 Abgeordnete, mit Nein stimmten 110 Abgeordnete. Kein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 17/2212, soweit er Art. 1, also die Änderung des Ladenöffnungsgesetzes, betrifft, abgelehnt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich komme dann zur Abstimmung über alle übrigen Teile des Änderungsantrags. Wer diesem Votum folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und AfD sowie die drei fraktionslosen Abgeordneten. Wer enthält sich? – Das ist die SPD-Fraktion. Damit sind auch alle übrigen Teile des Änderungsantrags Drucksache 17/2212 abgelehnt worden.

Ich lasse zweitens über die Beschlussempfehlung in der Drucksache 17/2170 abstimmen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU, FDP, AfD sowie zwei fraktionslose Abgeordnete. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD. Wer enthält sich? – Der fraktionslose Abgeordnete Pretzell. Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 17/2170 angenommen und der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses in der zweiten Lesung verabschiedet.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich lasse drittens abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1249. Wer diesem Entschließungsantrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und AfD sowie die drei fraktionslosen Abgeordneten. Wer enthält sich? – Das ist die SPD-Fraktion. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/1249 abgelehnt.

Ich lasse viertens abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/1990. Wer diesem Entschließungsantrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU, FDP und AfD. Wer ist dagegen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Das sind die SPD-Fraktion und die drei fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist dieser Entschließungsantrag Drucksache 17/1990 angenommen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Damit haben wir Tagesordnungspunkt 3 beendet.

Ich rufe auf:

4   Ganztag für die Zukunft fit machen – OGS-Gipfel einberufen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2164

Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Voigt-Küppers das Wort. Bitte schön.

Eva-Maria Voigt-Küppers (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche wurde in Berlin der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung unterzeichnet. Eine Zusage ist, dass Eltern ab 2025 einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz haben. Das ist ein ausgesprochen wichtiger Schritt, denn für die ersten sechs Lebensjahre haben Eltern bereits eine Platzgarantie in der Kita. Mit der Einschulung droht derzeit eine Lücke in der Betreuung.

Ein Platz in der Kita oder in der Ganztagsschule hilft Familien sehr, denn es ist verständlich, dass beide Elternteile arbeiten möchten. Häufig gibt es aber auch den Fall, dass Familien schlichtweg darauf angewiesen sind, zwei Einkommen zu haben, weil sie ihre Lebenskosten sonst nicht decken können. Zudem spielt der Ganztag für Alleinerziehende eine große Rolle, um von Transferleistungen unabhängig zu sein. Es ist wichtig für die Würde des Einzelnen, sein Geld selbst verdienen zu können, während das Kind in der Kita oder in der Schule ist.

Neben dem Betreuungsaspekt gibt es ein zweites wesentliches Argument für die Ganztagsschule. Wir wissen aus vielen Studien, dass die Abhängigkeit zwischen guter Bildung und sozialer Herkunft nirgendwo so stark ist wie in Deutschland. Zuletzt hat die Resilienzstudie noch einmal deutlich gemacht, dass dieser Zusammenhang durch den Ganztag aufgebrochen werden kann. Deshalb sind wir uns hoffentlich alle einig, dass der qualitative und der quantitative Ausbau des Ganztags weitergehen muss.

Meine Damen und Herren, liebe Frau Ministerin, trotz der Initiative des Bundes, für die sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen eingesetzt hat, ist klar: Es wird eine enorme Anstrengung für alle Beteiligten, den Rechtsanspruch ab 2025 zu ermöglichen. Wir haben dafür zwar noch sieben Jahre Zeit, aber ich warne davor, die Herausforderung zu unterschätzen.

Es gibt viele Fragen, die zu klären sind. Ganz verschiedene Aspekte und Akteure sind betroffen.

Die staatlichen Ebenen müssen vereinbaren, wie die Finanzierung aussieht. Ich nenne hier nur das Stichwort Konnexität. Mit Kommunen, Trägern und Gewerkschaften ist zu klären, auf welches Personal zurückgegriffen wird, wer für die Beschäftigten zuständig ist und welche Aufgaben sie zukünftig haben. Insgesamt ist es sehr zu begrüßen, wenn sich auch die Situation der Beschäftigten bessert.

Wir müssen außerdem darüber reden, wie der Ganztag inhaltlich weiterentwickelt werden soll. Wir dürfen uns nicht darauf beschränken, das jetzige System um einige Plätze auszubauen. Nein, es gibt große Chancen beim Ganztag, die wir bei einer Reform unbedingt aufgreifen müssen. Bildung ist nicht nur Vermittlung von Fachwissen, sondern es gibt verschiedene Formen des ganzheitlichen Lernens, zu denen beispielsweise auch die sportliche und die kulturelle Bildung gehören.

Wenn es uns gelingt, Sport- und Musikvereine weiter einzubinden, dann wertet das Schulen als Lebensorte im Quartier auf. Für eine derartige Zusammenarbeit gibt es jetzt schon in vielen Kommunen gute Beispiele, an denen man sich orientieren kann, über die man aber diskutieren muss. All das soll heißen: Sieben Jahre sind eine kurze Zeit.

Deshalb fordern wir; schnellstmöglich einen Ganztagsgipfel einzuberufen. Natürlich müssen Einzelgespräche geführt werden, aber es ist wichtig, dass es einen Tisch gibt, an dem alle Betroffenen sitzen und an dem gemeinsam die großen Fragen diskutiert und die Ziele festlegt.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, der angekündigte Rechtsanspruch muss als Allererstes für uns ein Ansporn sein. Er muss in unser aller Interesse liegen, die vielfältigen Fragen, aber auch Chancen, die im Ganztag liegen, mit allen Beteiligten zu erörtern.

Eine letzte Bemerkung an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP: Auch wenn Sie in Vorgesprächen zu unserem Antrag Distanz gehalten haben, bitte ich Sie trotzdem um Unterstützung in der Hoffnung auf eine fruchtbare und konstruktive Beratung im Sinne einer guten Weiterentwicklung des Ganztags. – Glück auf!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU hat die Kollegin Schlottmann das Wort.

Claudia Schlottmann (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In der Tat, die Situation an den offenen Ganztagsschulen im Land ist schwierig. Der öffentliche Druck ist so groß, dass Sofortmaßnahmen eigentlich dringend notwendig erscheinen.

So heißt es in einer Pressemitteilung der GEW unter dem Titel „Offener Ganztag: Standards statt Flickenteppich“ – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Die Einführung von verbindlichen Standards für mehr pädagogische Qualität ist … eine Frage der Bildungsgerechtigkeit. Die freiwillige Nachmittagsbetreuung soll laut Erlass ein hochwertiges und umfassendes Bildungs- und Erziehungsangebot liefern, für individuelle Förderung und Chancengleichheit sorgen. Eingelöst hat die Politik dieses Versprechen … bisher nicht.“

Der VBE ergänzt, dass die reale Situation an den Grundschulen deutlich schlechter ist, als die Landesregierung es uns durch ihre Schönfärberei glauben machen will.

Jetzt kommen wir aber zum Punkt. Schade ist nämlich, dass genau diese beiden Pressemitteilungen vom 27. September 2016 stammen und damit bereits ein vorweggenommenes Fazit Ihrer Politik im Schulbereich waren, für das Sie am 14. Mai 2017 die Quittung erhalten haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Jetzt wollen Sie uns, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, weismachen, wir müssten nur aufgrund der Ankündigung im Koalitionsvertrag des Bundes schnellstmöglich einen Ganztagsgipfel mit allen beteiligten Akteuren einberufen?

In dieser Legislaturperiode fand ja bereits eine mit Sicherheit gut gemeinte Abendveranstaltung der SPD zum Thema „Zukunft des Ganztags – Wichtiger Baustein für gute Bildung“ statt. Der geladene Referent, Bildungsforscher Professor Dr. Klaus-Jürgen Tillmann, stellte in seiner Studie Empfehlungen für einen guten Ganztag vor.

Einen echten praktischen Mehrwert für unser OGS-System vor Ort habe ich nach den Reaktionen eines Großteils der anwesenden Gäste dabei jedoch leider nicht feststellen können. Die Studie nimmt bundesweit gerade einmal zehn Schulen mit unterschiedlichen Ganztagskonzepten und -systemen in den Blick, darunter keine einzige Schule mit offenem Ganztag in NRW.

Aus einer solchen Studie globale Forderungen für den Ganztagsschulbereich in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen abzuleiten, ist zumindest aus wissenschaftlicher Sicht mehr als fragwürdig. Denn was an Vorschlägen geäußert wurde,

(Jochen Ott [SPD]: Wie wäre es, wenn Sie jetzt zum Antrag sprechen würden?)

ist lediglich eine Ansammlung von Wünschbarem, ohne konkrete und vor allem umsetzbare Handlungsempfehlungen anzuschließen.

(Jochen Ott [SPD]: Zum Antrag!)

In der anschließenden offenen Fragestunde wurden Sie dann von nahezu allen Gästen aus der Bildungsbranche direkt oder indirekt für die verfehlte Politik der letzten sieben Jahre kritisiert.

Nicht dass wir uns falsch verstehen: Wir haben uns im Koalitionsvertrag der Nordrhein-Westfalen-Koalition dazu bekannt, dass wir mit der Beteiligung des Bundes langfristig den Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz ermöglichen wollen. Dazu stehen wir selbstverständlich auch; denn wir halten es für richtig, und wir freuen uns, dass die neue Regierung in Berlin uns in diesem Anliegen unterstützen möchte.

Dennoch wollen wir einen Schritt nach dem anderen tun und dabei sorgfältig vorgehen. Wir halten nichts von öffentlichkeitswirksamen Scheingipfeln und leerer Symbolpolitik. Das entspricht nämlich nicht unserem Verständnis von guter Politik.

(Beifall von der CDU)

An dieser Stelle möchte ich noch einmal Revue passieren lassen, was die NRW-Koalition im Bereich des offenen Ganztags in der Zeit seit dem letzten Sommer auf den Weg gebracht hat – ganz so, wie es die NRW-Koalition im Koalitionsvertrag festgelegt hat und wie wir es auch den Wählerinnen und Wählern versprochen haben.

Zunächst einmal war es uns ein großes Anliegen, dass endlich Klarheit und Sicherheit für Eltern sowie für Schulen, Kommunen und Träger bezüglich der Abholzeiten herrscht.

(Marlies Stotz [SPD]: Pädagogisches Highlight!)

Dies haben wir durch die Ausschärfung des Erlasses erreicht. Die Ergänzung des Ganztagserlasses vom 16. Februar 2018 sorgt für Rechtssicherheit, indem die wesentlichen Fallgruppen, für die eine Freistellung vom OGS-Besuch ermöglicht werden sollen, ausdrücklich genannt werden. Von nun an ist es Eltern rechtssicher möglich, ihre Kinder aufgrund von regelmäßigen außerschulischen Bildungsangeboten etwa in Sportvereinen oder Musikschulen, ehrenamtlichen Tätigkeiten beispielsweise in Kirchen oder Jugendvereinen oder bei rein familiären Ereignissen vom Ganztagsunterricht zu befreien.

Des Weiteren haben wir die Finanzierung verbessert. Die Fördersätze steigen in diesem Jahr zum 1. August um zusätzlich 3 %. Das heißt ganz konkret, dass beispielsweise der Grundfreibetrag pro Schuljahr und Kind von 766 € auf 812 € steigt. Die Haushaltsmittel erhöhen sich um 26,7 Millionen € auf fast eine halbe Milliarde €.

Die Vorgängerregierung hat letztendlich einen unkontrollierten Aufwuchs der Ganztagsplätze gefördert, ohne jedoch Regelungen zur Steigerung von Qualität und Verlässlichkeit voranzubringen.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Unkontrollierter Aufwuchs? Waren es zu viele Ganztagsplätze?)

Genau dieses Feedback gab es auch bei der SPD-Veranstaltung im Januar. Den entstandenen Wildwuchs wird die NRW-Koalition in einem strukturierten Prozess aufarbeiten.

Meine Damen und Herren, wir sind hier auf einem ausgesprochen guten Weg. Die Ministerin verfolgt ein klares Konzept, und die ersten wichtigen Schritte sind durch Gespräche mit den zentralen an der OGS beteiligten Akteuren gemacht. Ziel ist jetzt aber in Zusammenarbeit mit Experten und Betroffenen die Erarbeitung von Eckpunkten für die Standards. Natürlich werden wir uns in Zukunft intensiv mit dem Rechtsanspruch für einen OGS-Platz beschäftigen.

Die CDU-Fraktion stimmt selbstverständlich der Überweisung zu. Den Rest berichte ich Ihnen dann gerne im Schulausschuss.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die FDP hat der Abgeordnete Brockmeier das Wort.

Alexander Brockmeier (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich schon ein bisschen gewundert, dass die Kollegen von der SPD, die sich vor Kurzem noch gegen die große Koalition geäußert haben, jetzt in ihrem Antrag den Koalitionsvertrag als das große Papier und den großen Wurf verkaufen.

(Zurufe von der SPD)

Ja, im Koalitionsvertrag wird der individuelle Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung bis 2025 angekündigt. Und ja, es gibt auch ein Investitionspaket

(Zuruf von der SPD)

– hören Sie doch erst mal zu! –

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Sie erzählen Unsinn!)

von 2 Milliarden €. Das ist ja so weit ganz gut. Aber der Koalitionsvertrag ist reichlich unkonkret. Sie reden von zwei Milliarden Investitionen. Fakt ist aber: Sie haben noch gar nicht aufgeschlüsselt, wo die hingehen sollen. Sollen die in den Betrieb gehen, oder soll das wirklich eine Investition sein? Das ist nicht ersichtlich aus dem Koalitionsvertrag.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Sie haben ja gar keinen Koalitionsvertrag hingekriegt!)

Darüber hinaus gibt es auch gar keine Berechnungsgrundlage für diese Summe; also die Zahl ist eigentlich aus dem luftleeren Raum gegriffen.

(Weiterer Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Ich würde vermuten, dass es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.

(Beifall von der FDP)

Es bleiben noch viele weitere Fragen bestehen. Soll das Ganze für den gebundenen Ganztag sein, für den offenen Ganztag? Wer soll die Lücke dann weiterfinanzieren? Soll es das Land machen oder gar die Kommunen, die eh schon belastet sind? Tausende Fragen stehen noch offen.

Wir als NRW-Koalition haben hingegen sehr konkret in den Koalitionsvertrag geschrieben, was wir vorhaben. Wir wollen nämlich erstens den Ausbau weiter fördern, wir wollen zweitens die Qualität steigern und drittens die Flexibilisierung ausbauen.

(Zuruf von der SPD: Da stellen sich noch tausend Fragen!)

Im Koalitionsvertrag haben wir auch klargestellt, dass mit Hilfe eines Sofortprogramms neue Plätze geschaffen werden. Die Koalition aus CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen hat sich auch für einen Rechtsanspruch unter Begleitung des Bundes ausgesprochen.

Aber für uns sind auch viele weitere Punkte wichtig. Ich habe es gerade schon gesagt:

Die Flexibilisierung beispielsweise ist eine der ersten großen Maßnahmen, die wir in diesen wenigen Monaten, die wir bis jetzt regieren, schon in Angriff genommen haben.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

Sie erinnern sich sicherlich an den OGS-Erlass, wonach jetzt für die Jugendlichen und die Schüler Möglichkeiten bestehen, außerschulischen Bildungsmöglichkeiten nachzugehen, herkunftssprachlichem Unterricht nachzugehen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten zu folgen. Das ist jetzt alles möglich. Eine Anmeldung zum offenen Ganztag bedeutet auch nicht mehr, dass man sich zwangsläufig für fünf Tage lang binden muss. Wir haben nämlich verstanden, dass es ein Angebot an die gesamte Familie sein muss

(Zuruf von der SPD: Haben Sie das erst einmal gelesen?)

und kein Pflichtprogramm für die Schüler sein darf. Solche starren Regelungen, wie sie bisher galten, halten wir für nicht sinnvoll und auch dem heutigen Lebensalltag der Familien nicht mehr angemessen.

(Beifall von der FDP)

Darüber hinaus gibt es jetzt auch für die Schulen Rechtssicherheit, denn sie wussten vor Ort oft gar nicht, wie sie mit diesem starren System umgehen sollen.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Komisch, das Gegenteil ist der Fall, wird mir berichtet! – Weitere Zurufe von der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden den OGS ganzheitlich zu einem Erfolgsmodell machen, indem wir beispielsweise jetzt ab August

(Zuruf von der SPD)

8.000 zusätzliche Plätze zur Verfügung stellen. Natürlich ist uns ein enger Dialog mit den betroffenen Akteuren besonders wichtig – übrigens auf Augenhöhe zwischen der Jugendarbeit und der Schule, was in der Vergangenheit nur sehr, sehr selten stattgefunden hat. Natürlich finden auch schon Gespräche mit den Beteiligten statt, und es gibt auch eine Arbeitsgruppe zwischen den Ministerien, zwischen dem MKFFI und dem Schulministerium, die sich genau mit diesen Themen auseinandersetzt. Deswegen geht Ihre Forderung, einen OGS-Gipfel einzuberufen, ins Leere.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass wir uns alle bei den grundlegenden Punkten einig sind, selbst SPD und FDP. Wir wollen den offenen Ganztag ausbauen und stärken, sowohl quantitativ als auch qualitativ.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Dann hätten Sie doch zustimmen können!)

Dafür ist natürlich eine Einbindung der Träger und aller Betroffenen nötig. Wir haben gezeigt, dass wir das wichtige Thema OGS direkt zu Beginn unserer Legislatur angehen und mit den entsprechenden Erlassen und Maßnahmen unterfüttern, nicht nur darüber reden. Dies hat bereits in den ersten Monaten Form angenommen.

Deswegen möchte ich bei diesem Konsens enden, und ich sehe, auch die Redezeit läuft langsam ab. Wir, die FDP-Fraktion, werden natürlich der Überweisung in den Ausschuss zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Brockmeier. – Für die Grünen hat die Kollegin Beer das Wort.

Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Brockmeier, erst einmal etwas zu Ihren Ausführungen zur Großen Koalition. Ich würde das einmal so sagen: Wer als Jamaika-Braut vom Altar flieht vor der Verantwortung, der sollte sich hinterher nicht zur Eheberatung aufschwingen.

(Zuruf von Alexander Brockmeier [FDP])

Das ist, glaube ich, nicht gut.

(Beifall von den GRÜNEN)

 Das Zweite:

(Zurufe von der FDP)

Wie Sie sich geäußert haben zum OGS-Erlass …

(Erneut Zurufe von der FDP)

– Es ist einfach so: Sie fliehen vor der Verantwortung. Herr Lindner ist vor der Verantwortung geflohen.

(Zuruf von der FDP: Nein, vor der falschen Politik!)

Das ist doch eine Figur, die Sie dauernd hier aufs Parkett legen.

(Widerspruch von der FDP – Beifall von den GRÜNEN)

So, und jetzt komme ich zum OGS-Erlass und zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Brockmeier: Ich habe gestern zufällig eine Veranstaltung zur Zukunft der Grundschule gehabt. Was erzählt uns da die Beigeordnete aus Dortmund? Anfragen von Eltern, die jetzt sagen: Wie ist das, bekomme ich Beiträge zurückerstattet, weil ich meine Kinder jetzt nur noch bestimmte Tage reingebe? Wie sieht das aus? Es gibt Schulen, die Bedenken haben, dass das pädagogische Konzept verloren geht, weil keine Klarheit da ist.

(Zuruf von der CDU: Es gibt kein pädagogisches Konzept!)

Sie füttern ja mit Ihrem OGS-Erlass geradezu die Äußerungen der kommunalen Spitzenverbände, das heißt vom Landkreistag und vom Städte- und Gemeindebund. Ich darf Ihnen aus der Stellungnahme zum OGS-Erlass – Landkreistag und Städte- und Gemeindebund – zitieren: Die vorgeschriebenen rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt zur OGS führen dazu – und jetzt wortwörtlich –,

„dass die OGS in Nordrhein-Westfalen derzeit eigentlich nur ein Instrument zur Erfüllung der bundesrechtlichen Betreuungspflicht der Träger der kommunalen Selbstverwaltung darstellt. Eine wie auch immer geartete Bildungsfunktion impliziert dies nicht.“

Und genauso ist das Empfinden. Ich finde, das ist wirklich ein starkes Stück.

(Zuruf von der CDU: Sieben Jahre hatten Sie Zeit!)

Dass kommunale Spitzenverbände sagen, es gibt keinen Bildungsanspruch im Bereich der OGS, ist das Erste. Das Zweite ist, dass klar ist: Sie verwirren, weil es in Richtung einer Buchungsmentalität in diesem Bereich geht.

(Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Sie verstärken diesen Effekt hin zu der Frage: Ist das Betreuung – ja oder nein? – Wir wollen dezidiert ein Bildungsangebot.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Schlottmann, zu dem, was Sie hier ausgeführt haben: Ich glaube, dass alle, die in Schulen beteiligt und betroffen sind, leider in hoher Alarmbereitschaft sind.

(Zuruf: Och!)

In hoher Alarmbereitschaft! Denn das, was Sie hier ausgeführt haben, erfüllt in der Tat die Ansprüche nicht.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sieben Jahre hatten Sie Zeit, das zu ändern! – Weitere Zurufe)

Dann komme ich jetzt zu dem, was der Kollege Hovenjürgen sagt: sieben Jahre. – Ja, wir haben – und immer zuerst – in die Grundschule investiert. Insgesamt haben wir mehr als 4 Milliarden € in den Schulbereich investiert. Und, Herr Hovenjürgen, ich sage auch: Es hat nicht gereicht. Wir hätten noch mehr tun müssen. Wir hätten gerade im Bereich der Grundschule noch mehr tun müssen.

(Ralf Witzel [FDP]: Ah!)

Nur, zum Vergleich: über 4 Milliarden € in den sieben Jahren. Was Sie jetzt in den Haushalt gepackt haben, das ist ja noch nicht einmal die Hälfte von dem, was Sie tun müssten, um das zu halten, was wir vorgelegt haben.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Einen Trümmerhaufen haben Sie uns hinterlassen!)

Und mit diesem Stückwerk enttäuschen Sie die Schulen. Grundschulen stärken. Grundschulen first und Digitalisierung second – das war gestern eine Aussage von Schulleitungen, die sagten, die Schwerpunktlegungen seien völlig falsch. Wir müssen die Grundschulen stärken, in die Menschen investieren. Und natürlich brauchen wir Problemlösungen, da stehen wir genauso davor, wie Sie davor stehen, was zum Beispiel die personellen Kapazitäten angeht. Wir müssen in Gesprächen klären, wie man die Personaldecke erweitern kann und wie das aussieht.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

– Ach, Herr Witzel, das ist doch so armselig. Das, was bisher von der Landesregierung vorgelegt wird, ist doch nur die Fortführung auch der Ideen und Personalkonzepte, die wir in rot-grüner Politik schon gehabt haben und womit wir arbeiten. Was hat die Ministerin gemacht? Die Frage, ob Sek-II-Lehrkräfte dafür gewonnen werden können, auch in der Grundschule zu arbeiten, ist keine Idee von Schwarz-Gelb, sondern ist vorher angelegt worden.

Das ist ein schwieriges Unterfangen, das wissen wir ganz genau. Dann muss man aber doch jetzt denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die für die Grundschulpädagogik Feuer gefangen haben, auch die Besoldungsmöglichkeiten bieten, dass sie da bleiben können und dies über zwei Jahre hinaus eine Perspektive bekommt.

Außerdem müssen wir dafür sorgen – das ist eine Lehre, die wir aus den letzten sieben Jahren gezogen haben; wir haben das hart erkämpft –, dass die prozentuale Aufstockung in der OGS dann überhaupt passiert. Nachdem unter Schwarz-Gelb erst einmal gar nichts passiert ist, haben wir dann mit 14 % die Personalkosten und die Sätze aufgestockt. Zum Schluss haben wir die prozentuale Aufstockung gemacht. Jetzt haben Sie – löblich – noch einmal für ein Jahr 3 % draufgelegt.

Nur löst das nicht die Problematik, die aufgrund der kommunalen Ausgangslage besteht. In mancher OGS kommt es an und in mancher OGS kommt es eben nicht an.

Deswegen brauchen wir ganz andere Konzepte, und deswegen ist es wichtig, dass wir in die Standards, das heißt in Personal, investieren, zum Beispiel zusätzliche Erzieherinnen stellen, von der Landesebene.

Das wollen wir in einem OGS-Gipfel gerne diskutieren. Deswegen stimmen wir dem zu.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Präsident André Kuper: Danke schön, Frau Kollegin. – Für die AfD hat Herr Abgeordneter Seifen das Wort.

Helmut Seifen (AfD): Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion ist wieder einmal Beispiel für einen Showantrag, der Aktivität vortäuscht, der jedoch in seiner Substanzlosigkeit die Unkenntnis und Ahnungslosigkeit der Antragsteller offenbart.

(Vereinzelt Beifall von der AfD)

Mir wird immer deutlicher, dass die Unkenntnis und Ahnungslosigkeit innerhalb der SPD-Fraktion in Schulbelangen auch die Quelle der desaströsen Schulpolitik der vergangenen sieben Jahre sein muss. Hier im Land NRW vom Wähler aus dem Führerhaus der Regierungslokomotive hinausgeworfen, springen Sie nun auf die alte, schnaufende Dampflok der GroKo in Berlin auf und glauben, einige der mit Füllsand beladenen Waggons dem Land NRW zurangieren zu können. Ich kann Ihnen nur sagen: viel Dampf und Rauch, aber wenig Kraft und Geschwindigkeit.

(Beifall von der AfD)

Der Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung im Primarbereich, den die Bundesregierung gesetzlich festlegen will, suggeriert dem geneigten Bürger, dass der Staat schon alles richten wird.

Aber hier sollen die Kommunen wieder Zwängen ausgeliefert werden, welche sie völlig überfordern. Die versprochenen 2 Milliarden €, mit denen der Bund die Gemeinden unterstützen will, werden nicht das Problem lösen, genügend Plätze bereitzustellen. Unter anderem die katastrophale Zuwanderungspolitik hat die Kommunen bereits an den Rand des finanziellen und organisatorischen Kollapses gebracht.

(Beifall von der AfD – Jochen Ott [SPD]: Unverschämt!)

Ja, hören Sie einmal zu, so ist es doch: 49,5 % der Kommunen können ihre Haushalte nur noch mit dem Griff in die Rücklagen ausgleichen. 38,9 % der Kommunen sind bereits in der Haushaltssicherung. Aber das ist Ihnen offensichtlich gleichgültig.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

So ist diese große Ankündigung im Koalitionsvertrag reine Augenwischerei, um den Eltern so etwas wie fürsorgliches Regierungshandeln zu suggerieren. Ob sie dann tatsächlich einen Platz in der OGS für ihre Kinder erhalten, bleibt doch ungewiss. Das zeigt uns nicht zuletzt das Kitaranking NRWs. In diesem Ranking ist NRW bundesweit Schlusslicht mit einer Betreuungsquote von gerade einmal 26,3 %. Und Sie machen hier so einen riesigen Dampf!

(Beifall von der AfD)

Einmal abgesehen davon, dass das Vorhaben, den Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz gesetzlich zu garantieren, lediglich Augenwischerei ist, plustert nun der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion eine bereits im Alltag über ein Jahrzehnt erprobte Verfahrensweise als problembeladen auf. Da soll also endlich – so fordern Sie – ein OGS-Gipfel einberufen werden, um ein Ganztagskonzept zu erarbeiten.

Liebe Frau Voigt-Küppers, die Konzepte für die Betreuung der Kinder im offenen Ganztag werden seit mehr als einem Jahrzehnt durchgespielt und an die jeweiligen Umstände angepasst und weiterentwickelt. Schulleitungen, Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter und die verantwortlichen Städte und Gemeinden haben längst solche Konzepte entwickelt, überprüft und weiterentwickelt. Da braucht es keine paternalistische Aktion des Landes. Wenn solche Feinabstimmungen bei der Qualitätsentwicklung von Betreuungsangeboten in der OGS notwendig sein sollten, werden sie in der jeweiligen Region oder im jeweiligen städtischen Umfeld vorgenommen.

Darüber hinaus lassen sich die Konzepte nicht beliebig variieren. Betreuung von Hausarbeiten, Nachhilfeunterricht, Angebote an Arbeitsgemeinschaften im Bereich Kunst, Musik, Naturwissenschaften, Sport, „Jugend forscht“ oder „Schüler experimentieren“ oder einfach, Frau Beer, nur Pausenspiele auf dem Schulhof – das sind die Angebote, welche die Schulen zur Gestaltung der offenen Ganztagsschule machen können, und dafür brauchen wir keinen Gipfel.

Frau Beer, die Kinder müssen auch spielen dürfen. Sie dürfen nicht von Ihrer Bildung überrannt werden.

(Beifall von der AfD)

Alles ist aber von dem Personalangebot, der räumlichen Situation und der finanziellen Ausstattung abhängig.

Für die Planung der finanziellen Umsetzung des Rechtsanspruchs haben wir eine Behördenhierarchie, die extra dafür geschaffen wurde, die Verteilung und den Einsatz finanzieller Mittel zu planen und zu organisieren. Dazu bedarf es keines OGS-Gipfels.

Der gesamte Antrag ist eine Schnapsidee, um der Öffentlichkeit politische Tätigkeit vorzugaukeln. Sie hatten sieben Jahre Zeit, Ihre Verantwortung für die Schulen in diesem Lande gewissenhaft wahrzunehmen. Dieser Antrag zeigt symptomatisch, dass es Ihnen nicht nur am guten Willen fehlt, sondern auch an Kenntnissen und Wissen.

(Beifall von der AfD)

Das ist für Sie aber auch nicht maßgebend. Ihnen geht es offensichtlich sowieso nur um die „Lufthoheit über die Kinderbetten“. Das war ein Zitat. So ließ sich Ihr neuer Finanzminister Scholz bereits 2002 vernehmen.

Wenn es dann zum Schwur kommt, wählen Sie den Notausgang aus dem öffentlichen System und schicken Ihre Kinder auf kirchliche Privatschulen, wie es Ihre Genossin Manuela Schwesig uns allen gezeigt hat. – Vielen Dank, meine Herrschaften. Wir lehnen diesen Antrag ab.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Nach dem Abgeordneten Seifen von der AfD-Fraktion hat nun Frau Ministerin Gebauer für die Landesregierung das Wort.

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich versuche jetzt einmal, die Debatte von hier aus ein wenig leiser zu führen, als das an einigen Stellen bis dato der Fall gewesen ist.

Ich bin der SPD gar nicht einmal undankbar für diesen Antrag. So habe ich doch die Möglichkeit, heute noch einmal auf den einen oder anderen Punkt einzugehen und auch einmal aufzuzeigen, was wir als Landesregierung in diesem Zusammenhang bereits auf den Weg gebracht haben.

Zur Quantität, zur Flexibilisierung und zu allen anderen Aufgaben, die der Koalitionsvertrag uns gegeben hat, haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon etwas gesagt. Einige Dinge möchte ich an dieser Stelle aber doch ansprechen.

Sie fordern in Bezug auf den Rechtsanspruch, den die Bundesregierung bis zum Jahre 2025 umsetzen möchte, dass wir uns im Rahmen eines Ganztagsgipfels damit befassen. – Ich war letzte Woche bei der KMK. Eines ist ganz deutlich gewesen: Auf dem Papier gibt es diesen Rechtsanspruch. Den begrüße ich sehr. Die Koalition hat ja gesagt, dass sie mit Beteiligung des Bundes diesen Rechtsanspruch will. Bis heute ist aber mitnichten klar, um was für einen Rechtsanspruch es sich hier handelt.

(Jochen Ott [SPD]: Genau!)

Heißt das „offene Ganztagsschule“? Heißt das „gebundene Ganztagsschule“? Die Beantwortung all dieser Fragen steht im Bund in Bezug auf die 2-Milliarden‑€-Finanzierung aus.

(Jochen Ott [SPD]: Richtig!)

Im Übrigen sind die 2 Milliarden € im Hinblick auf ganz Deutschland recht wenig. Auch das muss man einmal ganz deutlich sagen.

In Bezug auf den Ganztag haben die Länder in Deutschland alle unterschiedliche Interessen. Wir haben großes Interesse daran und müssen großes Interesse daran haben, dass wir diese Gelder im offenen Ganztag in der Grundschule einsetzen können. Das sieht in anderen Bundes…

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Ministerin, Entschuldigung, dass ich Sie mitten im Wort unterbreche. Aber Kollege Ott von der SPD-Fraktion würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Das darf er gerne tun.

Jochen Ott (SPD): Herzlichen Dank, Frau Ministerin, dass Sie das zulassen. – Ich stimme dem, was Sie gerade gesagt haben, ausdrücklich zu und frage deshalb: Ist es vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll, dass wir in Nordrhein-Westfalen mit einer gemeinsamen Position in diese Debatten im Bund hineingehen, weil es keine einheitlichen FDP-, CDU-, SPD- und Grünen-Positionen auf Bundesebene gibt und deshalb umso wichtiger ist, eine landesspezifische Position gemeinsam zu formulieren?

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Generell würde ich einem solchen Ansinnen zustimmen. In diesem Fall tue ich das aber nicht, weil wir in Nordrhein-Westfalen aufgrund unserer Vergangenheit ziemlich genau wissen, was wir wollen. Wir haben auch als jetzige Landesregierung gesagt, dass die OGS in Nordrhein-Westfalen ein Erfolgsmodell ist, das wir jedes Jahr entsprechend finanziell unterstützen.

Wir bauen jedes Jahr – das hat die Vorgängerregierung auch getan – die Plätze entsprechend aus. Wir haben alle Plätze, die von den Kommunen beantragt worden sind, in den vergangenen Jahren immer genehmigt. Das werden wir auch weiter tun. In Nordrhein-Westfalen wissen wir, was wir wollen. Der Bund aber sollte erst einmal wissen, was er möchte. Dann macht es Sinn, sich noch einmal hinzusetzen.

Frau Voigt-Küppers hat es angesprochen: Die OGS besteht seit dem Jahre 2003, also jetzt seit 15 Jahren. Der erste Arbeitsauftrag, den ich ins Haus gegeben habe, war, sich einmal Gedanken darüber zu machen, ob die OGS so, wie sie damals im Jahre 2003 angelegt worden ist, eigentlich heute noch das Modell ist, das wir für unsere Kinder und Jugendlichen brauchen.

Es geht um den großen Bereich Erziehung, den großen Bereich Bildung und den großen Bereich Betreuung. Kann die OGS diese drei Bereiche heute bei ihrer Zusammensetzung und ihrer Finanzierung eigentlich leisten? Was leisten die anderen Modelle?

Diesen Auftrag habe ich erteilt, und zwar einer Arbeitsgruppe, die im Mai dieses Jahres schon zum dritten Mal tagen wird – zusammen mit dem Ministerium von Herrn Dr. Stamp, der Liga der freien Wohlfahrtsverbände und den kommunalen Spitzenverbänden. Sie haben sich bereits zweimal getroffen und erarbeiten gerade ein Papier. Im Nachgang schauen wir dann, wie wir in Sachen OGS weiter vorgehen.

Ich bin Herrn Ott dankbar, weil wir in der Vergangenheit gemeinsam zahlreiche Gespräche geführt haben, bei denen es immer auch um die Frage ging, inwieweit wir Qualitätsstandards im Gesetz verankern. Ich kann mich an viele …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Frau Ministerin. Wahrscheinlich haben Sie sogar gesehen, dass Frau Beer sich gemeldet hat. Sie hat sich jetzt auch eingedrückt und würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Auch das lasse ich sehr gerne zu.

Sigrid Beer (GRÜNE): Ganz herzlichen Dank, Frau Ministerin. – Diese Gespräche laufen. Im neuen Amtsblatt kann man auch darüber lesen. Dort erklären Sie auch in einem Beitrag, was in Vorbereitung ist. Es ist aber natürlich wichtig, das auch in der Öffentlichkeit hier miteinander zu diskutieren. Wann gibt es denn von Ihrer Seite einen Bericht zum Ergebnisstand und dazu, in welche Richtung Sie denken?

Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Liebe Frau Beer, das Ergebnis gibt es dann, wenn wir eines zu verkünden haben. Wie ich gerade gesagt habe, haben zwei Sitzungen schon stattgefunden. Eine dritte Sitzung ist im Mai 2018 terminiert. Ich finde, dass wir, nachdem wir die Regierung im vergangenen Jahr übernommen haben, an dieser Stelle schon sehr weit gekommen sind.

Sie haben in den letzten sieben Jahren – ich schaue ungern zurück; in diesem Fall muss ich das aber doch tun – ja auch viele Gespräche geführt. Da habe ich am Ende des Tages leider nicht viele Ergebnisse gesehen.

Jetzt bitte ich Sie um etwas Geduld. Wir werden diese Ergebnisse, wenn sie denn dann spruchreif sind, auch entsprechend verkünden. Noch befinden wir uns mit dem Nachbarhaus und mit der Liga der freien Wohlfahrtsverbände und mit den kommunalen Spitzenverbänden entsprechend in der Abstimmung, auch in Bezug auf dieses Papier. Wenn es dann soweit ist, werden wir auch damit nach draußen gehen.

Eigentlich ist schon alles gesagt. Ich glaube, dass wir auf einem sehr guten Weg sind. Wir haben die Überprüfung der Maßnahmen, die es gilt, zu überprüfen, auf den Weg gebracht. Dass wir jetzt auf Augenhöhe diskutieren, dass die Jugendhilfe hier mit Schule auf Augenhöhe diskutiert, das war ein lang gehegter Wunsch der Träger vor Ort. Schule ist nicht closed shop, sondern hier muss gemeinsam auf das Kind geschaut werden. Ich glaube, das haben wir deutlich zu verstehen gegeben, indem wir direkt diese Arbeitsgruppe eingerichtet haben. Da geht es um solche Dinge wie Raumgröße. Da geht es um den Personalschlüssel. Die Probleme sind bekannt.

Wenn es denn bei unserer damaligen Grünen-Landtagskollegin Frau Schneckenburger Beratungsbedarf gibt, liebe Frau Beer,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Nicht nur da!)

dann nehme ich das jetzt gerne mit in Bezug auf den Erlass. Wir werden das in schriftlicher oder in bilateraler Form miteinander klären. Ich denke, dass wir da auch zu einem sehr guten Ergebnis kommen werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Ott noch einmal das Wort. Er weiß, dass er das mit Blick auf die verbleibende Redezeit sehr sportlich zu handhaben hat.

Jochen Ott (SPD): Das weiß ich. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Ministerin! Gerade vor dem gerade Dargestellten glaube ich, wäre es gut – wir haben es bewusst vorab den Fraktionen zur Kenntnis gegeben –, dass man sich gemeinsam auf den Weg macht, einen Plan zu entwickeln.

Denn wenn es zum gesetzlichen Anspruch kommt, dann werden die Eltern einklagen. Und da sind sieben Jahre eine ganz kurze Zeit. In vielen Kommunen Nordrhein-Westfalens ist allein der benötigte Raumbedarf schon gar nicht gegeben. Deshalb halte ich sehr viel davon, miteinander zu reden. Schön, dass in Nordrhein-Westfalen vieles auch durch Rot-Grün gut angestoßen ist. Aber es ist sinnvoll, gemeinsame Positionen Richtung Berlin zu formulieren.

Ich würde mir wünschen, dass aus dem Reflex, immer nach hinten zu gucken, eine produktive Kraft nach vorne würde, und biete weiter an, dass wir gemeinsam im Sinne eines Ganztagsgipfels versuchen, für Nordrhein-Westfalen eine gute Umsetzung des Rechtsanspruchs hinzukriegen.

Und Herr Seifen, Sie sind und bleiben ein Rassist.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Jochen Ott (SPD): Das, was Sie hier dargestellt haben, ist das Hinterletzte.

(Widerspruch von der AfD)

Da können Sie sich sonst noch so tünchen. Das ist eine Schande für NRW, wie Sie hier die Argumente pflegen.

(Beifall von der SPD – Andreas Keith [AfD]: Es ist eine Schande, wie Sie hier mit Herrn Seifen umgehen! Sie spalten die Gesellschaft! – Zahlreiche weitere Zurufe von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Das war der Kollege Ott für die SPD-Fraktion. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wenn das so bleibt, kann ich an dieser Stelle die Aussprache schließen, und wir kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2164 an den Ausschuss für Schule und Bildung in der Federführung sowie an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend. Die abschließende Abstimmung soll dann im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Das ist nicht der Fall. Sich enthalten? – Ebenfalls nicht. Dann haben wir jetzt so überwiesen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4.

Ich rufe auf:

5   Insektenvielfalt erhalten – Neonicotinoide endgültig aus dem Verkehr ziehen!

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2146

Entschließungsantrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2219

Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist für die antragstellende Fraktion, wie Sie sehen, Herr Kollege Rüße. Wir sind alle gespannt, ob Ihnen das ganz flüssig über die Lippen kommt.

Norwich Rüße (GRÜNE): Warten wir mal ab. – Frau Präsidenten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt genau zehn Jahre her, dass wir erstmals über Neonicotinoide gesprochen haben. Im Jahr 2008 kam es im Oberrheingraben zu einem Vorfall, bei dem massiv Bienenvölker vergiftet worden sind. Tausende Bienenvölker sind damals gestorben.

Das Ganze wurde damals als Unfall deklariert. Es waren die Maislegegeräte noch gar nicht in der Lage, mit diesem Stoff umzugehen. Bei diesen pneumatischen Geräten wurde die Beize durch Luftstrom verweht, in die Umwelt freigesetzt, anstatt in den Boden eingetragen, wie es sein sollte. Angeblich hatten die Saatgutunternehmen damals die Beize auch nicht richtig auf die Maiskörner aufgetragen.

Aus meiner Sicht war das ein Riesenfehler, dass damals alles auf einen Unfall geschoben wurde, weil da eine Chance vertan wurde, diese Wirkstoffgruppe Neonicotinoide intensiv zu untersuchen, zu gucken: Welche Auswirkungen hat dieser Stoff auf die Umwelt, auf Insekten, Vögel, eben auf Lebewesen? Denn es handelt sich immer – das muss man sich klarmachen bei dem schönen Wort Pflanzenschutzmittel – um Gift. Das muss man in der Deutlichkeit sagen. Es sind Giftstoffe.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da ist die Chance vertan worden, die letzten zehn Jahre seit 2008 intensiv für eine Analyse, für wissenschaftliche Untersuchungen zu nutzen. Ich habe das Gefühl, dass in dem Entschließungsantrag, der uns vorgelegt wurde, genau das wieder fortgesetzt werden soll. Es wird viel geredet von weiteren Untersuchungen. Wir müssen noch mal gucken: Ist das alles so? Wir schieben es noch einmal um zehn Jahre nach hinten. Damit kommen wir, glaube ich, nicht wirklich weiter.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Thema „Artensterben“ – das wissen wir mittlerweile alle – brennt. Es ist ein aktuelles Thema. Spätestens seit den Ergebnissen der Krefelder Forschergruppe ist es auch international in aller Munde. Die Studie wird international wahrgenommen.

Gerade heute Morgen gab es noch einen langen Bericht über die Situation in Frankreich, wo es genau so ist, dass in den Agrarlandschaften das Insektensterben massiv ist, wo genau die Ergebnisse auch noch einmal bestätigt werden. Und das Ganze fassen die französischen Forscher zusammen mit dem Satz: Es ist eine Katastrophe. Wir sind dabei, unsere ländlichen Räume zu „Artenvielfaltswüsten“ zu machen, wo eben kein Tier, keine Natur mehr wirklich existieren kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alles hängt – auch das ist klar – in unserem Ökosystem mit allem zusammen, so auch mit dem Insektensterben. Es ist ein Netz von Artenvielfalt. Wenn an irgendeiner Stelle etwas wegbricht, fehlt etwas, was Konsequenzen für andere Arten hat.

Bei Insekten haben wir lange gerätselt. Als ich angefangen habe, haben wir viel stärker über das Vogelsterben diskutiert. Nach und nach wird klar, dass es eine Parallele zwischen dem Rückgang der Insekten und dem Rückgang der Vögel gibt; denn die einen sind Futtergrundlage der anderen. Wir sind alle aufgerufen, massiv daran zu arbeiten, dass das besser wird.

Insekten haben aber auch – ich sage das, weil in Ihrem Entschließungsantrag die wirtschaftliche Bedeutung von Pflanzenschutzmitteln so sehr nach vorne gestellt wird – eine wirtschaftliche Bedeutung bei der Bestäubung. So sind zum Beispiel die Obstbauern auf sie angewiesen.

Klar ist aber auch, dass Landwirtschaft die Artenvielfalt, die wir heute haben, hervorgerufen hat. Das kann man auch mal zur Kenntnis nehmen. Der Artenreichtum der heutigen Kulturlandschaft war bis in die 50er-Jahre hinein noch nie so groß gewesen. Der Prozess der Intensivierung – stärkere Düngung, stärkere Bearbeitung, Flurbereinigung und eben auch Pflanzenschutzmittel – haben diesen Prozess umgekehrt. Wir verlieren massiv Arten. Bei der Artenvielfalt sind wir auf dem Weg zurück ins Mittelalter.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zu den Neonicotinoiden möchte ich gerne einen anderen Politiker zitieren, der etwas zu genau dieser Wirkstoffgruppe sagt:

„Es ist ein katastrophaler Zustand auf unseren Feldern. Die Insekten sind weg, mausetot ist alles auf den Feldern. Das liegt unter anderem an einem Pflanzenschutzmittel namens Neonicotinoide. Das ist ein Teufelszeug, …“

(Roger Beckamp [AfD]: Wer hat das gesagt?)

Meine Damen und Herren, dieser Politiker hat absolut recht. Es war übrigens Karl-Heinz Florenz von der CDU, der das im November letzten Jahres sagte.

Seit 2013 haben wir uns auch aus Nordrhein-Westfalen heraus – der ehemalige Minister Remmel hat es stark mit vorangetrieben – mit der Wirkgruppe der Neonicotinoide beschäftigt. Immer wieder wurde von den Ländern über die AMK Druck gemacht, dass da was passieren muss. Frau Aigner – kaum jemand erinnert sich noch an sie als Landwirtschaftsministerin – hat das eher blockiert, Herr Schmidt hat dasselbe getan.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Norwich Rüße (GRÜNE): Ich glaube, es wäre gut, wenn wir aus Nordrhein-Westfalen heraus ein Signal setzen würden, dass wir erkannt haben, dass diese Wirkstoffe aus dem Verkehr gezogen gehören. Man kann übrigens bei Karl-Heinz Florenz gut nachlesen, in welche Richtung sich Landwirtschaft seiner Meinung nach entwickeln muss.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Norwich Rüße (GRÜNE): Lesen Sie das Papier „Nachhaltige Landwirtschaft“ der DLG. Sie kommt zu genau demselben Ergebnis. Tragen Sie unseren Antrag mit. Nehmen Sie nicht Ihren schlechten Entschließungsantrag, der nur nach hinten weist. Gehen Sie mit uns nach vorne. Stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Danke schön, Herr Kollege Rüße. Herr Kollege Rüße hat die Redezeit großzügig ausgelegt. Das werden wir bei den nachfolgenden Rednerinnen und Rednern auch tun.

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Winkelmann für die CDU-Fraktion das Wort.

Bianca Winkelmann (CDU): Ich brauche also heute nicht ganz so schnell reden wie sonst.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bienen, Hummeln und Insekten im Allgemeinen sind für eine vielfältige Fauna und Flora und für den Erhalt unserer Kulturlandschaft von zentraler Bedeutung. Auch die Frage, ob die Ernte von Früchten und Blütenpflanzen erfolgreich ist, hängt mit einer lebendigen, aktiven Insektenvielfalt zusammen.

Für die NRW-Koalition steht daher außer Frage, dass wir gemeinsam dieses wichtige Thema angehen müssen.

Kommen wir zum heutigen Antrag. Einmal mehr liegt uns ein Antrag der Fraktion der Grünen vor, der suggeriert, dass der Landtag von Nordrhein-Westfalen über ein Verbot von Wirkstoffen aus der Gruppe der Neonicotinoide entscheiden könnte. Dass dies mitnichten so ist, wissen auch Sie, liebe Kollegen von den Grünen, ganz genau. Über Zulassung oder Verbote von Pflanzenschutzmitteln entscheiden in Deutschland nicht die Landesparlamente. Offensichtlich dient Ihr Antrag also wieder einmal dazu, Aufsehen auf der politischen Bühne zu erregen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Die Landesparlamente wären schon wichtig! Das wissen auch Sie!)

Erst für morgen – auch das wissen Sie sicherlich ganz genau – ist ein erster Beratungstermin auf EU-Ebene angesetzt. Mit einer Entscheidung, ob einzelne Wirkstoffe – wir sprechen über einzelne Wirkstoffe – aus der Gruppe der Neonicotinoide kurzfristig für eine Ausbringung im Freiland verboten werden sollen, ist zu diesem Termin noch nicht zu rechnen.

Gleichwohl würden wir es sehr begrüßen, wenn zu diesem Thema eine schnelle Entscheidung getroffen würde; denn es geht um den wichtigen Bereich des Bienenschutzes.

Nachdem nun die aktualisierten Ergebnisse der 2013 begonnenen Studie der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit vorliegen, wissen wir, dass ein Teil der Wirkstoffe der Neonicotinoide mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Risiko für Hummeln, Honig- und Wildbienen darstellt.

Wir als NRW-Koalition beschäftigen uns schon sehr lange mit diesem Thema – auch, wie eingangs bereits erwähnt, im Hinblick auf die Insektenvielfalt insgesamt. Wir sind daher dem zuständigen Ministerium dankbar, dass bereits jetzt wichtige Maßnahmen zum Erhalt der Insektenvielfalt auf den Weg gebracht wurden.

Über eine Weiterentwicklung des landesweiten Insektenmonitorings, eine Ausweitung des Vertragsnaturschutzes bis hin zur Verstärkung der Maßnahmen in Entwicklung und Forschung – vieles ist bereits schon auf den Weg gebracht, vieles kann und muss aber noch besser werden. Deshalb ist unser Weg, dieses Thema mit Maß und Mitte und gesundem Menschenverstand anzugehen, ein anderer als der, den die Grünen mit ihrem Antrag einschlagen wollen. Ihr Weg ist uns eindeutig zu kurz gesprungen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das ging zu schnell!)

Daher liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der NRW-Koalition vor, der sich diesem komplexen Problem viel mehr in der Tiefe annähert.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das sieht Karl-Heinz Florenz aber anders, glaube ich!)

Nur ein sofortiges Verbot zu fordern, bringt den Tier- und Pflanzenschutz nicht einen Deut weiter.

(Beifall von der CDU)

Bereits seit 2009 sind Neonicotinoide als Beizmittel im Maisanbau verboten – der Kollege Rüße hat vorhin schon darauf hingewiesen –, und seit 2013 auch beim Anbau von Raps und Wintergetreide.

Wir wissen, dass seitdem der Anbau von Raps um 100.000 ha zurückgegangen ist. Diese Frucht, die uns nicht nur durch ihre wundervoll gelb blühenden Blütenstände im Frühjahr erfreut, ist eigentlich unter anderem als alternativer Energieträger entdeckt worden – Stichwort: Biodiesel. Sie geht allerdings leider durch das Beizverbot in vielen Bereichen verloren.

Wenn wir nicht ähnliche Einbrüche zum Beispiel beim Zuckerrübenanbau riskieren wollen, müssen wir zielgerichteter vorgehen. Ein sofortiges Verbot würde Zuckerrübenanbauer vor große Probleme stellen; denn immerhin ist Deutschland der viertgrößte Zuckerrübenproduzent weltweit und gerade bei uns in Nordrhein-Westfalen gibt es große Anbaugebiete für Zuckerrüben, beispielsweise in der Jülich-Zülpicher-Börde. Deshalb müssen wir natürlich die Auswirkungen eines Anwendungsverbots genauer betrachten.

Wir fordern daher, dass sich die Landesregierung für eine ergebnisoffene Nutzen-Risiko-Prüfung der betroffenen Neonicotinoide zur Beizanwendung insbesondere im Zuckerrübenanbau auf Bundesebene einsetzen möge.

Die Zuckerrübe, die vor der Ernte nämlich gar nicht blüht, ist eigentlich gar kein Zielobjekt für Bienen.

Des Weiteren muss die Forschung im integrierten Pflanzenschutz weiter vorangetrieben werden. Alternative Wirkstoff- und Bekämpfungsverfahren müssen mit Hochdruck erforscht und Zulassungsverfahren auf den Weg gebracht werden. Mit einem kompletten Verbot der Neonicotinoiden würde eine Wirkstoffgruppe verloren gehen, die beispielsweise auch beim Resistenzmanagement eine Rolle spielt. Daher ist uns eine maßvolle Herangehensweise wichtig.

Der Schutz der Bienen, der Hummeln und aller Insektenarten steht für uns bei all diesen Überlegungen, die ich Ihnen vorgestellt habe, an erster Stelle.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Wirklich? Dann hätten Sie einen anderen Antrag stellen müssen!)

Ich bitte daher um Unterstützung unseres Entschließungsantrags. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Kollegin Winkelmann. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Watermann-Krass.

Annette Watermann-Krass (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Winkelmann, wenn ich mir Ihren Entschließungsantrag ansehe und vergegenwärtige, was Sie hier vorgetragen haben, nämlich ergebnisoffene Nutzen- und Risikoprüfungen, das Insektenmonitoring, das wir ja eingeführt haben, bis 2022 abwarten, warten, welche Erkenntnisse Bund und EU-Ebene haben, dann muss ich auch in Anbetracht dessen, was Ihr Kollege Löttgen heute hier vom Zaun gebrochen hat, sagen: Sie verabschieden sich heute hier von einer ernst zu nehmenden Umweltpolitik.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Im November haben wir hier über den Antrag der SPD-Fraktion, basierend auf der Erkenntnis der Entomologen aus Krefeld, dass 75 % unserer Fluginsekten weg sind, beraten. Das war der Antrag, in dem wir gesagt haben: Bitte aufwachen! Wir müssen etwas tun. – Auch damals hat ihr Kollege Deppe uns erzählt, dass in seinem Garten noch alles summt. Also, wer sich die Welt so malt, der hat den Ernst der Lage noch nicht erkannt.

(Beifall von Norwich Rüße [GRÜNE])

Jetzt komme ich zur EU-Ebene. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die EFSA, hat eine Risikobewertung herausgegeben. Frau Winkelmann, ich frage Sie im Ernst: Unterstützen Sie die Bewertung, dass man diese drei Stoffe aus der Gruppe der Neonicotinoiden aus dem Freilandversuch herausnehmen sollte? Darauf hätte ich gerne heute eine Antwort. Natürlich weisen Sie darauf hin, dass wir Bienen, Hummeln, Honigbienen brauchen. Fest steht aber doch: Neonicotinoide schaden Bienen und Hummeln. Das heißt: Wir müssen jetzt und hier handeln. Etwas anderes kann ich daraus nicht ableiten. Wir brauchen ein generelles Freilandverbot für diese besagten Stoffe.

Wir sind hier und heute aufgefordert, etwas gegen das dramatische Artensterben auch unserer Bestäuber, die für uns in der Landschaft wichtig sind, zu unternehmen. Denn ich möchte nicht, dass meine Enkelkinder in Zukunft fragen: Wie war das denn mit Birne, Apfel und anderen Dingen? Oder sollen wir demnächst Roboterbienen die Besteuerung übernehmen lassen?

Im Übrigen weise ich darauf hin: Die SPD hat die Verbote der Neonicotinoide immer unterstützt – schon lange, auf allen Ebenen, sowohl im Bundestag als auch im Europäischen Parlament. Jetzt besteht eine gute und realistische Chance, dass die EU dieses Verbot noch in diesem Monat – morgen tagt die EU schon – beschließt. Ich hoffe, wir kriegen das hin.

Vorhin wurde die AMK genannt. Natürlich hat sie Einfluss, Frau Winkelmann. Wir müssen uns hier im Landesparlament damit beschäftigen. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass sowohl in Berlin als auch in Brüssel das geltend gemacht wird und dieses Verbot endlich auf den Weg gebracht wird.

Seit wenigen Tagen ist ja unsere neue Bundesregierung im Amt. Ich hoffe, dass in dieser neuen Koalition eine bessere Absprache zwischen dem Umweltressort und dem Landwirtschaftsressort stattfindet.

(Rainer Deppe [CDU]: Die Zeiten von Frau Hendricks sind vorbei!)

Ich bin zuversichtlich, dass sich unsere neue Umweltministerin, Svenja Schulze, genau wie ihre Vorgängerin einem Verbot nicht verschließen wird. Es bleibt zu hoffen – deswegen auch noch mal der Appell an die CDU –, dass die jetzige Landwirtschaftsministerin Klöckner sich an Absprachen hält und ebenfalls für ein Verbot stimmt.

Also, ich stelle fest: Die SPD ist für ein endgültiges Freilandverbot von Neonicotinoiden auf Bundes- und EU-Ebene. Deshalb stimmen wir dem Antrag zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Watermann-Krass. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Diekhoff.

Markus Diekhoff (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über einen Antrag der Fraktion der Grünen und einen entsprechenden Entschließungsantrag der NRW-Koalition zum Einsatz von Neonicotinoiden auf unseren Äckern.

Warum ist das so? – Bei einem so wichtigen Anliegen wie dem Schutz unserer Insekten, vielleicht sogar weiterer Wildtiere vor eventuell schädlichen Insektiziden sollte doch eigentlich ein gemeinsamer Schulterschluss aller Fraktionen hier im Haus möglich sein. Aber das ist leider nicht so. Das geht eben nicht, wenn die einzige und reflexhafte Forderung der Grünen ein sofortiges Verbot der Neonicotinoide ist.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Wir schließen uns der Forderung der EFSA an!)

– Die EFSA fordert das auch nicht. Sie fordert das ausdrücklich nicht.

Sie haben doch vorhin selbst von der vertanen Chance gesprochen, dass damals nicht die Chance ergriffen wurde, vernünftig zu forschen, sich einen Kopf darüber zu machen, ob diese Stoffe in unserer Umwelt etwas zu suchen haben oder nicht.

Jetzt haben wir diese Chance. Die EFSA hat den Scheinwerfer auf dieses Thema gelenkt, spricht aber selber sehr im Konjunktiv: dass es eventuell sein könnte, dass man Verdachte habe, dass unter bestimmten Umständen ... Es steht nicht eindeutig in dem Papier, dass es in allen Fällen giftig ist und in allen Fällen zum Insektensterben beiträgt, sondern es steht drin, dass es sein könnte und dass es einen Blick lohnt.

Diesen Blick lohnt es, glaube ich, durchaus. Das würde ich genauso sehen. Denn wir müssen jede Chance ergreifen, die uns dabei helfen kann, das Problem zu lösen, das es in der Tat gibt und das man nicht wegdiskutieren kann. Aber eine reflexhafte Forderung nach einem sofortigen Verbot gibt es nicht.

Laut dem Antrag der Grünen sollen – anders als die SPD gerade glaubhaft machen wollte, nämlich dass es sich nur um die drei umstrittenen Bereiche handelte – alle Neonicotinoide verboten werden. Das ist reflexhaft und greift zu kurz.

Es ist genau so wie bei der Auseinandersetzung um Glyphosat, bei der die völlig überspitzte Debatte der Sache am Ende auch geschadet hat. Glyphosat ist den meisten seriösen Untersuchungen zufolge nicht verantwortlich für all das, was damit in Verbindung gebracht wurde – Insektensterben usw.

Trotzdem wurde mit falschen Behauptungen öffentlichkeitswirksam ständig an dem Verbot geschraubt. Das hinterlässt Spuren; denn jetzt sieht es für viele Menschen so aus, als ob mit den Neonics einfach nur die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird. Das ist schade, und es schadet der sachlichen Debatte.

(Beifall von der FDP und von Bianca Winkelmann [CDU])

Deswegen eignen sich Zulassungsverfahren und Risikobewertungen auch nicht zur Politisierung. Nicht umsonst werden solche Untersuchungen und Bewertungen nicht von Parlamenten, sondern von Experten in Behörden vorgenommen.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Aber irgendwann muss man sich entscheiden – Artenvielfalt oder Pestizide! – Dr. Christian Blex [AfD]: Das ist doch Quatsch!)

Es gibt kein Sowohl-als-auch. Wir werden beides brauchen, um die Weltbevölkerung und uns selbst zu ernähren. Der Kampf gegen Schadinsekten hört ja nicht morgen auf, nur weil die Grünen das wollen. Die Schadinsekten werden ja da sein. Wir müssen uns nur die besten Mittel heraussuchen.

Wie gesagt: Die EFSA sieht nicht in allen Neonics direkte Gefahren für Insekten. Die Mittel, die zum Beispiel beim Raps angewendet werden, sind nach B4 – nicht bienengefährlich – eingestuft. Das wurde schon untersucht, und da ist es auch klar. Warum sollte man diese Mittel nun verbieten?

Das macht aus dieser Sicht keinen Sinn, sondern wir müssen neu forschen und schauen, welche Mittel ein Problem darstellen. Da werden wir dann tätig, und das ist auch der Inhalt des Entschließungsantrags. Das ist sinnvoller, als etwas pauschal zu verbieten und es im Zweifel durch etwas zu ersetzen, das noch schlechter ist. Denn wir werden es ersetzen müssen; irgendetwas wird die Schädlingsbekämpfung auf dem Acker ja leisten müssen.

Wir wollen Erkenntnisse sammeln, wir wollen bewerten, und wir wollen auf Grundlage dieser Ergebnisse eine Entscheidung treffen und Alternativen untersuchen. Die Grünen fordern ein generelles Verbot – wir fordern, Alternativen zu suchen, Zulassungsverfahren zu beschleunigen und sich auch auf der Bundesebene für Prüfungen der betroffenen Neonicotinoide einzusetzen.

Wir nehmen das Thema ernst und wollen uns inhaltlich damit beschäftigen. Ein Showantrag mit vermeintlich einfachen Lösungen eignet sich dafür nicht. Deshalb stellen wir unseren Entschließungsantrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Diekhoff. – Für die AfD spricht nun Herr Dr. Blex.

Dr. Christian Blex (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Der Antrag der Grünen ist handwerklich mal wieder schlecht gemacht.

(Roger Beckamp [AfD]: Und menschenfeindlich!)

– Insektenfeindlich, menschenfeindlich – er ist für alles feindlich! Aber das ist egal. Er ist auch insektenfeindlich; darauf gehe ich gleich ein.

Erneut begründen Sie Ihre Verbotspolitik mit der Langzeitstudie des Entomologischen Vereins Krefeld, die in ihrer wissenschaftlichen Qualität gleich zweimal die Auszeichnung „Unstatistik des Monats“ erhalten hat.

Eigentlich ist der Antrag auch unnötig; denn er bedient nur ein Einzelthema, das aus ökotoxikologischer, wirtschaftlicher und politischer Sicht schon seit Jahren bearbeitet und in Fachkreisen diskutiert wird. Dass Sie jetzt nicht darüber diskutieren wollen, zeigt auch die Tatsache, dass Sie nicht eine Überweisung, sondern die direkte Abstimmung wollen. Sie wollen für Ihre Hintergrundorganisation natürlich einen Showantrag stellen.

Die Breite und Tiefe dieser Erörterung und Entscheidungsfindung lässt sich anhand der Dokumente der EU-Kommission und der Fachinstitute gut nachverfolgen. Dabei wurde nicht nur auf die Wirkung auf Bienen und andere Insekten abgestellt, sondern auch auf warmblütige Tiere und Fische sowie auf allgemeine Verdachtsmomente – auf Ökotoxizität.

Dem vorliegenden Antrag kann die AfD-Fraktion nicht zustimmen, weil darin wesentliche Elemente für eine umsichtige Entscheidung fehlen.

Erstens. Der enorme Nutzen der NNI für den Anbau von Nahrungsmitteln sowohl in der Phase des Aufwuchses als auch in der Saatgutvorbereitung wird überhaupt nicht erwähnt.

Zweitens. Die sehr sichere Wirkung dieser Pestizide auf die Schädlinge – ohne nennenswerte Risiken für die Gesundheit von Menschen und Wirbeltieren – wird nicht gewürdigt.

Drittens. Die Alternativen zum Schutz der Pflanzen, die dem Landwirt, dem Gärtner und dem Pflanzenzüchter nach dem beantragten Verbot der drei NNI zur Verfügung stehen, werden nicht aufgeführt.

Zu bedenken ist zudem, dass die hier im Fokus stehenden Bienen auch noch massenhaft Opfer anderer Krankheiten und anderer Schädlinge werden. Als Krankheit ist hier die bedrohliche Colony Collapse Disorder zu nennen; als Schädling der Bienenvölker ist die Varroamilbe besonders besorgniserregend.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das sind doch deutsche Bienen! – Heiterkeit von den GRÜNEN und von der SPD)

Man muss also auch die Insekten vor anderen Insekten schützen! Bereits die Römer nahmen die Bedrohung durch die Anopheles-Mücke sehr ernst und versuchten, durch die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe, den gefährlichen Plagegeist ganz ohne Pestizide zu bekämpfen.

In der europäischen Diskussion um NNI muss die Landesregierung jetzt ihr Votum gegenüber der Bundesregierung und der EU-Kommission abgeben. Sie muss auch die Umsetzung der Bewertung der EFSA ausarbeiten; denn dieses Fachinstitut bewertet das Risiko der bedenklichen NNI, enthält sich aber ausdrücklich bei konkreten Handlungsempfehlungen.

Die AfD-Fraktion legt besonderen Wert darauf, dass die Entscheidung der Landesregierung noch einmal abschließend begründet wird und dass den Nutzern dieser demnächst nicht mehr zugelassenen Pestizide Perspektiven für die Zukunft gegeben werden.

Die Landesregierung kann sich in ihrer Urteilsfindung hinsichtlich der Zulassung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf den reichhaltigen Sachverstand in Deutschland und im Ausland stützen. Neben der genannten Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit gibt es große Forschungsinstitute im Bereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

Die Landesregierung muss darlegen, welche Mittel zur Kontrolle der Insektenplagen für die vielfältigen Kulturen unserer Bauern und Gärtner in Zukunft verbleiben. Sie muss das auch mit einem Beratungsangebot verbinden; denn sie steht viel stärker in der Verantwortung, die Menschen vor den Insekten zu schützen, als die Insekten vor dem Menschen.

Die Landesregierung sollte auch dafür Sorge tragen, dass die Gesundheit der Bienen und ihr Bestand langfristig nach gleichbleibenden Maßstäben überwacht werden, damit die unvermeidlichen Schwankungen vernünftig eingeordnet werden können.

Dem Entschließungsantrag der Mitte-links-Regierungsfraktionen können wir zustimmen.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Das war der Abgeordnete Dr. Blex für die AfD-Fraktion. Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Schulze Föcking das Wort.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Rüße, wenn die Rettung der Insekten so einfach wäre, wie Ihr Antrag suggeriert, wäre das wirklich schön. Ich bin mir sicher, dass wir alle hier sofort dafür unterschreiben würden.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Ich fürchte aber: Wenn wir die Ursachen für das Insektensterben nur bei den gesamten Neonicotinoiden suchen, dann liegen wir falsch. Das wird einem solch komplexen Thema, bei dem die Ursachen noch nicht bekannt sind, einfach nicht gerecht.

Ich habe auch deshalb Zweifel an dieser Lösung, Herr Kollege Rüße, weil die drei im Antrag genannten Stoffe in Deutschland für bestimmte Anwendungen und aufgrund bestimmter Auflagen schon seit fast zehn Jahren nicht mehr zugelassen sind. Ihre Forderung, Frau Watermann-Krass, ist somit schon erledigt. Aber trotzdem geht es den Insekten nicht besser. Daran kann es also nicht so einfach liegen.

Zu den Fakten. Die EFSA, also die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, ist für die Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln zuständig. Sie hat mehr als 1.500 wissenschaftliche Studien zu drei Wirkstoffen aus der Klasse der Neonicotinoide ausgewertet. Ihr Fazit lautet: Diese drei Stoffe stellen bei Anwendung im Freiland insgesamt ein Risiko und teilweise sogar ein hohes Risiko für Bienen und Hummeln dar.

Ihre Empfehlung an die Europäische Kommission und an die Mitgliedstaaten lautet deshalb, Anwendungsbeschränkungen für diese drei Wirkstoffe festzulegen. Diese Empfehlung kann ich nachvollziehen und unterstütze sie vollumfänglich. Das muss so sein. Jetzt ist es Sache der Risikomanagementbehörden, hieraus die richtigen Schlussfolgerungen für die Zulassung dieser Stoffe zu ziehen. Das wird zu Recht vermutlich auf ein sehr weitgehendes Verbot für Freilandanwendungen hinauslaufen, was, wie gesagt, in Deutschland schon lange der Fall ist.

Betonen möchte ich vor allen Dingen: Wir brauchen unabhängige wissenschaftliche Verfahren zur Risikobewertung und zum Risikomanagement bei Stoffzulassungen. Das habe ich zuvor schon in anderen Debatten gefordert. Das gilt dann selbstverständlich auch für diese untersuchten Wirkstoffe. Für weitere Wirkstoffe aus dieser Klasse muss das gleiche Bewertungsverfahren erfolgen, bevor Verbote oder Beschränkungen ausgesprochen werden. Eines ist klar: Wenn eine Gefahr davon ausgeht, muss gehandelt werden.

Hier geht es aber auch um die Einhaltung von Spielregeln, die demokratisch festgelegt wurden. Es geht um das Vertrauen in unabhängige Zulassungsverfahren. Ich bin immer noch der festen Überzeugung: Wir brauchen wissenschaftliche Daten und Fakten.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang muss man auch wissen: In der Wirkstoffklasse der Neonicotinoide gibt es Wirkstoffe, die nach bisheriger Kenntnis für Bienen und Insekten deutlich weniger problematisch sind als die drei geprüften Substanzen. Deshalb lehne ich die Forderung nach einem pauschalen Verbot ohne weitere Prüfung bei der ganzen Wirkstoffklasse ab.

Genauso klar möchte ich aber auch Folgendes festhalten: Der Erhalt und der Schutz der Insektenvielfalt in NRW sind mir und uns sehr wichtig. Die Landesregierung ist hier aktiv und legt die Hände nicht einfach in den Schoß – ganz im Gegenteil.

Aus diesem Grund unterstützen wir unter anderem folgende Aktivitäten: Das umfangreiche Insektenmonitoring wird intensiviert. Wir unterstützen die Ausweitung der Agrarumweltmaßnahmen einschließlich des Vertragsnaturschutzes und des ökologischen Landbaus. Ich bin überdies im Gespräch mit den verschiedenen Aktiven, die in diesem Bereich tätig sind: von den Landnutzern über die Wissenschaft bis hin zur Forschung. Da findet ein breiter Dialog statt, und das ist wirklich sehr positiv.

Dazu gehört ebenso, dass wir die Suche nach Alternativen zur Anwendung von Pflanzenschutz noch einmal unterstützen. Ich habe in dieser Runde schon einmal darüber berichtet. Im vergangenen Herbst war ich auf der Agritechnica, und ich fand es höchst interessant, was in der Forschung auch im Technischen bereits alles in der Vorbereitung ist und in der Umsetzung erprobt wird.

Hier muss aber noch einiges geschehen. Dafür setze ich mich gerne ein. Ich würde mich freuen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie mich hierbei unterstützen würden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kann ich an dieser Stelle die Aussprache schließen.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat, wie Sie gesehen haben, direkte Abstimmung beantragt. Die führen wir jetzt auch durch, und zwar über den Inhalt des Antrages Drucksache 17/2146. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Die CDU, die FDP-Fraktion und die AfD-Fraktion. Enthaltungen? – Gibt es keine. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2146 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung, der über den Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/2219. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Das sind die CDU, die FDP und die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Die SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/2219 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen worden.

Wir sind am Ende von Tagesordnungspunkt 5. Ich rufe auf:

6   Der deutschen Nationalhymne gebührt eine gesetzliche Normierung in der historisch überlieferten Form

Antrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2148

Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Herr Abgeordneter Röckemann das Wort.

Thomas Röckemann (AfD): Der Text unserer Nationalhymne ist nicht disponibel. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es hat mich erschreckt, als die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums, Kristin Rose-Möhring, gierig nach dem Text unserer Nationalhymne griff. Frau Rose-Möhring möchte eines unserer Staatssymbole, unsere Nationalhymne, gendergerecht abändern; denn diese sei vom Sexismus regelrecht durchsetzt. So sollen die Worte „Vaterland“ und „brüderlich“ gegen „Heimatland“ und „couragiert“ ausgetauscht werden.

Ist es wirklich wahr, dass unsere Hymne frauenverachtend ist? Unterstützten Altpolitiker wie Kohl, von Weizsäcker, Adenauer, Heuss und selbst Friedrich Ebert etwa das Lied eines überzeugten Sexisten und Frauenhassers? Sind Begriffe wie „Vaterlandsliebe“ und „brüderlich“ nicht mehr zeitgemäß? Muss „Vaterland“ durch „Heimatland“ und „brüderlich“ durch „couragiert“ ersetzt werden? – Ich meine, nein.

(Beifall von der AfD)

Dabei lohnt es sich, die Gender-Gaga-Brille abzusetzen und sich genauer mit unserer Nationalhymne auseinanderzusetzen. Das Deutschlandlied hat als deutsche Nationalhymne eine ganz bewegte Geschichte hinter sich. Zudem entspringt es einer humanistischen Staatsphilosophie.

Das Wort „Vaterland“ ist eben nicht, wie Frau Rose-Möhring behauptet, einfach mit „Heimatland“ gleichzusetzen. „Heimat“ bezeichnet eine positive innere emotionale Einstellung zu einer Sache. Das kann ein Ort sein; das können aber auch eine Sprache, eine Religion sein. Oder um es mit den Worten eines bekannten Schlagers zu sagen: Seemann, deine Heimat ist das Meer.

„Vaterland“ hingegen bezeichnet einen Ort – in aller Regel einen Staat –, aus dem die Vorfahren stammen, und in dem häufig noch verwandtschaftliche Verhältnisse bestehen. Die deutsche Sprache ist übrigens so akkurat, dass das Wort „Mutterland“ eine gänzlich andere Bedeutung als das Wort „Vaterland“ hat.

Auch das Wort „brüderlich“ im Text speist sich aus der Grundidee der Brüderlichkeit, welche aus den Idealen der Französischen Revolution stammt. „Brüderlichkeit“ bezeichnet die freiwillige Solidarisierung einer Gruppe, die einer Familie gleicht, aber dennoch keine Verwandtschaft als notwendige Voraussetzung vorschreibt.

(Beifall von der AfD)

Da dürfte es jedem auffallen, dass das Wort „couragiert“ nicht einmal ansatzweise an den Bedeutungsgehalt von „brüderlich“ heranreicht.

Hoffmann von Fallersleben ging es darum, sich freiwillig und aus Überzeugung für etwas Großes einzusetzen. Er hatte zudem die Gnade der frühen Geburt und brauchte sich nicht mit den Ansichten der Frau Rose-Möhring auseinanderzusetzen.

(Beifall von der AfD)

Mit der dritten Strophe des Deutschlandliedes rühmte er die rechtstaatlichen Eigenschaften innerhalb der deutschen Staaten zur damaligen Zeit.

Ich bin kein vaterlandsloser Geselle. Ich liebe und ehre mein Vaterland. – Das staatlich verordnete gendergerechte Neusprech pervertiert diesen humanistischen Kerngedanken jedoch und verkehrt ihn ins genaue Gegenteil.

An dieser Stelle setzt unser Antrag an. Als identitätsstiftender Teil unserer deutschen Kultur müssen wir unsere Nationalhymne vor derartigen Auswüchsen schützen. Wir sollten unseren Blick einfach mal gen Frankreich richten. Dort ordnete letztes Jahr der französische Premierminister an, dass gegenderte Schreibweisen nicht mehr in der öffentlichen Verwaltung zu benutzen sind.

(Beifall von der AfD)

Lassen wir es nicht zu, dass fragwürdige Modeerscheinungen direkten Einfluss auf unsere kulturellen Überlieferungen, Brauchtümer und Traditionen nehmen! Unsere ehrwürdige deutsche Nationalhymne sollte nicht einfach nur aufgrund von Gewohnheitsrecht Nationalhymne sein. Lassen Sie uns unserer Nationalhymne endlich die öffentliche Ehre zuteilwerden, die ihr gebührt. Lassen Sie uns unsere Nationalhymne endlich gesetzlich verankern!

Wenn auch Ihnen unser kulturelles Erbe in dieser Angelegenheit wichtig ist, dann stimmen Sie unserem Initiativantrag doch mit Ihrem guten Namen zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Das war der Abgeordnete Röckemann von der AfD-Fraktion. – Ihm folgt für die CDU-Fraktion Herr Dr. Optendrenk.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Heinrich Hoffmann von Fallersleben am 4. September 1841 auf der damals britischen Insel Helgoland von seinem Hamburger Verleger Julius Campe das erste Exemplar seines „Liedes der Deutschen“ überreicht bekam, hat er sich kaum vorstellen können, dass dieses Lied einmal Gegenstand einer politischen Kontroverse in Deutschland werden würde.

Der Text brachte damals die Sehnsucht nach einer Überwindung von Fürstenstaaten und Kleinstaaterei im zersplitterten Deutschen Reich zum Ausdruck. Er beschreibt den damaligen deutschen Sprachraum vom Herzogtum Limburg an der Maas bis zum österreichischen Südtirol, und er formuliert die Sehnsucht nach einem Nationalstaat liberaler Prägung mit den Worten: Einigkeit und Recht und Freiheit.

Die Melodie ist bekanntlich noch älter. Sie stammt aus dem 1797 uraufgeführten Kaiserquartett von Joseph Haydn. Erstmals aufgeführt worden ist das Lied übrigens ausgerechnet an einem 3. Oktober – einem für die deutsche Geschichte glücklichen Tag – des Jahres 1841 in Hamburg.

Zur deutschen Nationalhymne ist es erst 1922 geworden; und zwar auf Vorschlag des damaligen Reichskanzlers Friedrich Ebert. Damals wurden alle drei Strophen als Hymne gesungen.

In der folgenden Zeit des Nationalsozialismus wurde nur die erste Strophe gesungen, gefolgt vom Horst-Wessel-Lied. Die dritte Strophe, in der es um Recht und Freiheit geht, spielte im Dritten Reich keine Rolle – wie denn auch? Gerade darum ging es in der damaligen politischen Wirklichkeit nicht.

1952 wurde dann die dritte Strophe offiziell zur deutschen Nationalhymne, und zwar durch einen offiziellen Schriftwechsel zwischen Bundeskanzler Adenauer und Bundespräsident Heuss. 1991 wurde dies für das wiedervereinigte Deutschland durch Bundespräsident von Weizsäcker und den damaligen Bundeskanzler Kohl bestätigt.

Nationalhymnen haben in der Regel eine ganz eigene Geschichte. Einen Teil der Geschichte unserer Nationalhymne habe ich dargestellt. Nationalhymnen stellen etwas dar, was mit Repräsentation zu tun hat. Vielfach sind sie aus der Vergangenheit heraus insbesondere militärisch geprägt, wie etwa die Marseillaise.

Unsere Hymne – das ist der Unterschied zu vielen anderen früheren Hymnen – bringt in ihrer dritten Strophe das Grundverständnis eines freiheitlichen demokratischen Rechtstaates zum Ausdruck, 

(Helmut Seifen [AfD]: Richtig!)

und das, obwohl der Text bereits 1841 verfasst worden ist.

(Beifall von der CDU)

Deshalb ist die ebenso absurde wie überflüssige Idee, den Text dieser Hymne zu verändern – die Idee, die vor einigen Wochen hohe Wellen schlug –, ein Zeichen für mangelndes Verständnis für die Verbindung von Tradition und Gegenwart, die im Lied der Deutschen zum Ausdruck kommt.

Wer einen grundlegenden Identifikationstext eines Staates der Mode von Begriffen unterwerfen will, hat im Kern nicht verstanden, worum es geht, nämlich um die Aussage des Textes, der in seiner Geschichtsbezogenheit trotzdem aktuell ist.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Was sollte denn eine Niederländerin singen, wenn in der im 16. Jahrhundert entstandenen Nationalhymne die Übersetzung der ersten Zeile lautet: „Ich bin Wilhelmus von deutschem Blut“? – Sie ist weder Wilhelm, noch männlich, noch fühlt sie sich heute als Deutsche. Trotzdem ist es bis heute die Nationalhymne des Königreichs der Niederlande.

In unserer Verfassung, dem Grundgesetz, sind staatliche Einheit, Rechtstaatlichkeit und Freiheit im Kern die Verfassungsprinzipien, an denen wir uns orientieren, und zwar gemeinsam mit unseren Grundrechten, verbindlich für alle staatlichen Organe – auch in Nordrhein-Westfalen, auch für uns als Parlamentarier.

Um dies auf Dauer zu sichern, braucht man aber keine Verankerung des Liedtextes von Hoffmann von Fallersleben im Grundgesetz. Ein solches Vorgehen ist nicht nur weltweit völlig unüblich, es wäre auch angesichts der Funktion einer Nationalhymne völlig überzogen.

Unsere Nationalhymne ist nicht unsere Verfassung und ersetzt sie auch nicht. Man kann es vielleicht so sagen: Unsere Nationalhymne gibt unseren Verfassungsprinzipien eine Melodie.

Um dem Anliegen unserer Nationalhymne, der dritten Strophe des Liedes der Deutschen, jeden Tag zu entsprechen, ist es am sinnvollsten, sich nicht Gedanken darüber zu machen, was man an dem Text ändern oder nicht ändern, in die Verfassung aufnehmen oder nicht aufnehmen kann, sondern jeden Tag das zu leben, was die Kernaussage vorgibt – sowohl für uns im Parlament als auch für die Menschen in unserem Land –, nämlich: „Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand.“ – Herzlichen Dank!

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP sowie von Roger Beckamp [AfD])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Dr. Bovermann.

Prof. Dr. Rainer Bovermann (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Staatssymbole sind geronnene Werte der politischen Kultur. Die Einstellungen ihnen gegenüber spiegeln die Bindung der Bevölkerung an die politische Gemeinschaft wider.

In diesem Fall spiegelt der vorliegende Antrag die Einstellung der AfD zu unseren Staatssymbolen wider. Die AfD fordert, die Nationalhymne in der historisch überlieferten Form gesetzlich zu normieren. Werfen wir also zunächst einen ideologiekritischen Blick auf die historische Überlieferung aus Sicht der AfD.

Das Gedicht August Heinrich Hoffmanns wird in den Kontext der Reaktion auf Gebietsansprüche Frankreichs und der deutschen Nationalbewegung eingeordnet.

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Tatsächlich – Herr Kollege Optendrenk hat es auch schon gesagt – ging es dem Autor nicht um territoriale Ansprüche anderer Staaten, sondern um die Kleinstaaterei im eigenen Land. Hoffmann war ein Patriot, aber er war kein Nationalist.

(Beifall von der SPD und der CDU)

Er gehörte zu den Freisinnigen einer Vorläuferbewegung des deutschen Liberalismus. Doch vom Vormärz und der Revolution mit den Werten „Recht und Freiheit“ liest man in dem AfD-Antrag nichts. Stattdessen wird der Mythos von Langemarck bemüht.

(Widerspruch von der AfD)

Auch hier kommt es auf die Botschaft an: die narrative Inszenierung blinder Opferbereitschaft aufgrund eines übersteigerten Nationalismus.

(Andreas Keith [AfD]: Jetzt geht aber Ihre Fantasie mit Ihnen durch! – Christian Loose [AfD]: Vielleicht sollten Sie den Antrag vorher lesen!)

Auch die Ausführungen zur NS-Diktatur sind euphemistisch. Die zweite und dritte Strophe der Hymne galten unter Nazis nicht nur als – Zitat – „verpönt“, sondern deren Werte wurden geradezu pervertiert. Richard von Weizsäcker hat dies 1991 sehr gut zusammengefasst. Ich zitiere:

„Das ‚Lied der Deutschen‘, von Hoffmann von Fallersleben vor hundertfünfzig Jahren in lauteren Gedanken verfaßt, ist seither selbst der deutschen Geschichte ausgesetzt gewesen. Es wurde geachtet und bekämpft, als Zeichen der Zusammengehörigkeit und gemeinsamen Verantwortung verstanden, aber auch in nationalistischer Übersteigerung mißbraucht.“

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Bovermann, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Seifen würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Prof. Dr. Rainer Bovermann (SPD): Nein, ich möchte gerne meine Argumentation geschlossen weiterführen.

(Zuruf von der AfD)

Hätten sich die Hobbyhistoriker der AfD ernsthaft mit der Geschichte der Hymne auseinandergesetzt, wäre ihnen vielleicht Folgendes aufgefallen: Während der historisch überlieferte Text blieb, veränderte sich dessen Interpretation mehrfach. In der Symbolforschung wird deshalb auch zwischen dem Zeichen, dem Symbol und dem eigentlichen Sinngehalt unterschieden.

Der Text der Hymne ist nur das Zeichen. Der Symbolgehalt und der Sinn erschließen sich nur im Kontext unserer demokratischen Werte. Begriffe wie „Vaterland“ und „brüderlich“ sind also aus dem heutigen Verständnis zu interpretieren, nicht aus dem des 19. Jahrhunderts. Aber der AfD geht es ja nicht wirklich um die Begriffe,

(Zuruf von der AfD: Doch!)

sondern um die Instrumentalisierung gegen die von ihr sogenannte – Zitat – „Genderideologie“, zu der auch geschlechterneutrale Sprache gezählt wird.

(Andreas Keith [AfD]: Reden Sie doch mal für Ihre Partei und nicht für uns!)

Die Programmatik der AfD zeigt auch in diesem Fall: Ungleichheit ist das zentrale Paradigma des Rechtspopulismus.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der AfD)

Doch zurück zur Hymne und zum zweiten Aspekt im AfD-Antrag. Die Diskreditierung der Hymne im Nationalsozialismus ist auch der Grund, warum sie in der jungen Bundesrepublik umstritten war und nicht durch Gesetz, sondern durch zwei Briefwechsel normiert wurde. Die Wirkung von Symbolen ist jedoch nicht von einer gesetzlichen Verankerung abhängig. Ihre Anerkennung kann man nicht verordnen. Im Übrigen fällt sie auch unter den Schutz von § 90a Strafgesetzbuch, der bei Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht.

Ich komme zum Schluss: Der Antrag der AfD ist abzulehnen. Es bedarf keiner Festschreibung der historisch überlieferten Form und keiner gesetzlichen Normierung der Hymne. Sie ist ein Zeichen für die Einigungs- und Freiheitsbewegung vor 1848. Als Symbol unterliegt sie dem geschichtspolitischen Diskurs. Ihre Interpretation ist selbst Teil unserer Geschichte. Ihr Sinn liegt in der Vermittlung zentraler Verfassungsgrundsätze, die gleichrangig nebeneinanderstehen: „Einigkeit und Recht und Freiheit“. – Danke schön.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Bovermann, Entschuldigung. Sie ist zwar sehr spät angemeldet worden, aber es gibt noch den Wunsch nach einer Kurzintervention bei der AfD, und zwar von Herrn Seifen.

Helmut Seifen (AfD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Professor Bovermann, Sie enttäuschen mich ein bisschen. Ich gehe davon aus, dass Sie Texte sehr genau und präzise erfassen können. In unserem Antrag steht ganz klar: Die dritte Strophe des Liedes der Deutschen ist die deutsche Nationalhymne.

Niemand von uns hat davon gesprochen, dass wir das Lied der Deutschen verfassungsmäßig verankern wollen. Die ersten beiden Strophen – das hat Herr Dr. Optendrenk doch eigentlich hervorragend vorgetragen – sind aus dem historischen Kontext zu verstehen. Sie heute zu singen, wäre unsinnig, weil sich die historische Situation völlig geändert hat.

Die dritte Strophe aber – auch das hat Dr. Opten-drenk richtig gesagt – hat einen staatsphilosophischen Gehalt, der weit über jede historische Epoche hinaus Gültigkeit hat, nämlich Einigkeit, Recht und Freiheit.

Die Brüderlichkeit war der Aspekt, dass der paternalistische Staat von einem brüderlichen Staat abgelöst worden ist. Ich denke, das muss ich Ihnen nicht erklären. Ich gehe eher davon aus, dass Sie das wissen und Ihre Rede hier wider besseres Wissen vorgetragen haben, um uns zu diffamieren.

Wir stehen vollkommen genau auf diesem staatsphilosophischen Fundamten der Einigkeit, des Rechts und der Freiheit. Uns gibt es genau aus dem Grunde,

(Zurufe von der SPD)

weil wir der Meinung sind, dass dieses staatsphilosophische Fundament gefährdet ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Bovermann, wenn Sie möchten, können Sie jetzt antworten.

Prof. Dr. Rainer Bovermann (SPD): Herr Seifen, ich habe Ihnen auch nicht unterstellt, dass Sie zur ersten Strophe zurückkehren wollen, sondern ich habe mir den Text Ihres Antrags kritisch angesehen und genau geprüft, in welchen Kontext Sie die Geschichte dieser Hymne gestellt haben.

Dabei ist mir aufgefallen, dass das, was Sie jetzt angeführt haben, Einigkeit und Recht und Freiheit, in dieser Gewichtung nicht vorkommt.

Ich glaube, Sie haben nur das erste Drittel

(Zuruf von der AfD: Sie glauben!)

ins Auge gefasst und das in einen, wie ich finde, sehr kritikwürdigen Kontext gestellt. Das habe ich nicht erfunden, sondern Sie haben selbst darauf verwiesen, dass die Hymne erst 1914 als Mythos von Langemarck zu einer bestimmten Bedeutung gelangt sei. Sie haben aus meiner Sicht auch nicht die Diskreditierung der Hymne im Nationalsozialismus herausgearbeitet.

Mir ging es darum, darzustellen, was eigentlich der Hintergrund Ihrer Gedanken zur Hymne ist. Ich denke, das ist mir mit meiner Analyse durchaus gelungen.

(Beifall von der SPD und Dr. Marcus Opten-drenk [CDU])

Dass wir da nicht einer Meinung sind, zeigt ja gerade, was ich auch gesagt habe, was man aus der Symbolforschung kennt: Symbole werden unterschiedlich interpretiert.

(Gabriele Walger-Demolsky [AfD]: Sehr unterschiedliche Interpretation!)

Das unterscheidet die Fraktionen hier voneinander. Sie haben eine andere Auffassung von, eine andere Einstellung gegenüber unseren Nationalsymbolen als die anderen Fraktionen hier im Landtag. – Danke schön.

(Beifall von der SPD – Roger Beckamp [AfD]: Das ist das Problem der SPD!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Professor Bovermann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Paul das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Stephen Paul (FDP): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was macht „Das Lied der Deutschen“ zu unserer Nationalhymne? Nach unserer Auffassung eben nicht, wie im vorliegenden Antrag gefordert, eine Mehrheitsentscheidung in einem Parlament. Eine Nationalhymne zeichnet sich doch nicht dadurch aus, dass sie eine Mehrheit von Parlamentariern überzeugt. Eine Nationalhymne lebt davon, dass sie von den Bürgerinnen und Bürgern aus Überzeugung und aus Zusammengehörigkeitsgefühl zu besonderen Anlässen gesungen wird. Auf „Das Lied der Deutschen“ trifft das unzweifelhaft zu.

Im liberalen Vormärz stimmten es die Studentenvereine inbrünstig als ihr Bannerlied an. Anfang des 20. Jahrhunderts zählte es zu den meistgesungenen Liedern in Deutschland. Auf Anregung der Deutschen Demokratischen Partei, DDP, in deren Tradition wir Freie Demokraten bis heute stehen, wurde es schließlich 1922 von Reichspräsident Ebert proklamiert und dann anlässlich des Verfassungstages von den Abgeordneten im Reichstag als Nationalhymne gesungen.

Wie damals schon das Reichsjustizministerium feststellte, bedurfte es keiner rechtlichen Normierung oder der Aufnahme als Hymne in die damalige Verfassung. Vielmehr nahm das Reichsjustizministerium an, dass – ich zitiere – nach der tatsächlichen Übung das erwähnte Lied inzwischen den Charakter der deutschen Nationalhymne angenommen haben dürfte.

Dass die Verantwortlichen von einer gesetzlichen Festlegung oder einer sonstigen Anordnung der Hymne absahen, hatte einen ganz einfachen Grund, liebe Kolleginnen und Kollegen: Eine Nationalhymne muss – ich zitiere weiter das damalige Reichsjustizministerium – im Empfinden des Volkes wurzeln und kann nicht vorgeschrieben werden.

Das musste auch der liberale Bundespräsident Heuss einsehen. Er versuchte nach der Missinterpretation der ersten Strophe des Deutschlandliedes während der Nazidiktatur eine eigens in Auftrag gegebene neue Hymne an Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg durchzusetzen. Doch der Versuch schlug fehl, und Heuss lenkte ein. Niemand, nicht einmal ein Bundespräsident, kann gegen die gelebte Tradition eine deutsche Nationalhymne verordnen.

Spätestens seit 1952 ist „Das Lied der Deutschen“ untrennbarer Bestandteil staatlicher Feiern sowie sportlicher Veranstaltungen und deshalb im Volke, wie Bundespräsident von Weizsäcker richtig feststellte, fest verankert. Daher hielt Richard von Weizsäcker 1991 in einem Briefwechsel mit dem damaligen Kanzler Helmut Kohl fest – ich zitiere –:

„Die 3. Strophe des Liedes der Deutschen von Hoffmann von Fallersleben mit der Melodie von Josef Haydn ist die Nationalhymne für das deutsche Volk.“

Die Anerkennungspraxis der Präsidenten Ebert, Heuss und von Weizsäcker war also stets von der Annahme geleitet, eine bereits vorgefundene Übung staatlich anzuerkennen. Eine gesetzliche Regelung, unabhängig davon, ob einfachgesetzlich oder per Verfassung, könnte viel eher in Versuchung führen, auch einmal gegen einen bestehenden Konsens im Volk zu entscheiden. Doch dann könnte eine zeitgeistig motivierte Parlamentsmehrheit tatsächlich den Text unseres Deutschlandliedes am allgemeinen Geschmack vorbei verändern.

Deshalb warnen wir Freie Demokraten davor, eine solche gesetzliche Normierung, wie hier von AfD beantragt, festzulegen. Deswegen werden wir den Antrag der AfD aus voller Überzeugung ablehnen. Eine Nationalhymne kann man genauso wenig verordnen wie Vaterlandsliebe oder Heimatgefühl.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir müssen es vielmehr alle gemeinsam leben. Statt „Das Lied der Deutschen“ also per Hymne, per Gesetz oder per Verfassung festzuschreiben, sollten wir lieber dafür sorgen, dass seine Anerkennung als unsere Nationalhymne Konsens unter uns allen bleibt, die hier ihre Heimat haben oder diese zwischenzeitlich bei uns in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland gefunden haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Paul. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Paul das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Hoffmann von Fallersleben „Das Lied der Deutschen“ dichtete, war Deutschland keine Nation, keine rechtsstaatliche Demokratie, und Frauen hatten keine Bürgerinnenrechte. Der gesamte Kontext ist hier schon weidlich dargestellt worden. Das ist eben der historische Kontext des „Liedes der Deutschen“.

Heute ist Deutschland natürlich und erfreulicherweise – von niemandem angezweifelt – eine rechtsstaatliche Demokratie. Wir sind eine Nation, und Frauen sind wahlberechtigte Staatsbürgerinnen. Frauen und Männer sind gleichberechtigt.

Im „Lied der Deutschen“ allerdings, deren dritte Strophe die Nationalhymne ist, finden sich Frauen nur in der zweiten Strophe, und zwar im Kontext von Wein, Gesang, Treue, aber eben nicht als bürgerliche Subjekte.

Nationalhymnen – es ist schon dargestellt worden – dienen auch der Identitätsstiftung, sie sind Ausdruck von Identität. Identitäten von Ländern, aber eben auch von Menschen, die diese Gemeinschaft ausmachen, unterliegen einem steten Prozess, einem konstanten Prozess, und sie sind natürlich einem konstanten Wandel unterworfen, nicht zuletzt einer wechselvollen Geschichte. „Das Lied der Deutschen“ von Hoffmann von Fallersleben zeigt exemplarisch, wie wechselvoll Geschichte ist und wie wechselvoll auch die Konnotationen sind, die ein einzelnes Lied mit dem gleichen Text immer wieder hervorrufen kann.

Gesellschaften leben im Wandel. Damit ist es natürlich erlaubt, zu fragen, ob der Text einer Nationalhymne noch zeitgemäß ist, ob sie dem entspricht, wie wir die Gesellschaft verstehen und wie wir uns gemeinsam identifizieren. Im Übrigen geht das natürlich über die Frage der Geschlechtergerechtigkeit hinaus, das ist gar kein Thema.

Österreich hat neben großen Söhnen unzweifelhaft auch große Töchter hervorgebracht. Die Frage von gesellschaftlichen Entwicklungen und auch Veränderungen haben Österreich und Kanada für sich beantwortet, indem sie ihre historisch überlieferten Texte überarbeitet und veränderten gesellschaftlichen Realitäten entsprechend angepasst haben.

Für mich ergibt sich daraus: Kann und darf man über Nationalhymnen und ihre Texte, auch wenn sie historisch überliefert sind, diskutieren? Natürlich darf man das. Braucht es dazu diesen Antrag? Den braucht es ganz sicher nicht. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Paul. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Reul das Wort. Bitte schön.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erstens. Ich mag unsere Nationalhymne. Ich schätze die Nationalhymne, ich schätze den Inhalt. Ich singe sie sogar gerne, und zwar so, wie sie ist. Es ist keine Debatte darüber vonnöten, da gibt es nichts zu ändern. Das ist relativ einfach und klar.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD)

Zweitens. Jahrzehntelang gab es – und gibt es immer noch – einen Konsens darüber, dass sie so gilt, wie sie ist: auf der Grundlage eines Briefwechsels zwischen einem Bundespräsidenten und einem Bundeskanzler, damals Heuss und Adenauer, 1991 durch von Weizsäcker und Kohl noch einmal wiederholt. Sie ist damit akzeptiert. Es gibt überhaupt keine Notwendigkeit, etwas zu ändern, und das ist gut so.

Drittens. Die Nationalhymne ist ein gesamtstaatliches Symbol und gehört damit in der Zuständigkeit des Bundes. Die Landesregierung akzeptiert diese Zuständigkeit des Bundes uneingeschränkt. Das heißt, meine Damen und Herren von der AfD, wenn Sie sie ändern wollen, wenn Sie die Argumente nicht überzeugen, die hier vorgetragen wurden, dann müssen Sie den Antrag im Deutschen Bundestag stellen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Das bleibt auch nach einem Blick in die Runde so, sodass wir am Schluss der Aussprache sind und zur Abstimmung kommen.

Die antragstellende Fraktion der AfD hat direkte Abstimmung beantragt. Somit kommen wir zu der direkten Abstimmung über den Antrag Drucksache 17/2148, und zwar gemäß § 44 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung in Form einer namentlichen Abstimmung, die ebenfalls von der Faktion der AfD beantragt wurde. Nach Abs. 2 dieses Paragrafen erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

Ich darf den Abgeordneten Terhaag bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es würde uns das Ganze hier oben wirklich sehr erleichtern, wenn Sie die Nebengeräusche etwas reduzieren könnten. Es ist in Teilen, insbesondere bei zarten Stimmchen, sehr schwer, das Abstimmungsverhalten hier festzustellen. – Danke.

(Der namentliche Aufruf der Abgeordneten wird fortgesetzt.)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben alle Abgeordneten ihre Stimme abgegeben? Oder gibt es noch Nachmeldungen? – Letzteres scheint nicht der Fall zu sein.

Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen. Bis das Ergebnis vorliegt, unterbreche ich die Sitzung.

(Die Auszählung erfolgt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegt ein Ergebnis vor, das ich Ihnen nun bekannt gebe.

Es haben 188 Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben 14 Abgeordnete gestimmt, mit Nein stimmten 174. Kein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2148 abgelehnt.

Ich rufe auf:

7   Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Transplantationsgesetzes (AG-TPG) vom 9. November 1999 in der Fassung vom 13. Februar 2016

Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2121

erste Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der CDU dem Abgeordneten Klenner das Wort.

Jochen Klenner (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Wochen haben wir hier in einer Aktuellen Stunde über den drastischen Rückgang der Organspenden in NRW gesprochen. Mit acht Organspendern pro einer Million Einwohner lag unser Bundesland im Vergleich mit den anderen Regionen an letzter Stelle. Jeden Tag sterben in Deutschland drei Menschen, weil sie vergeblich auf ein Organ gewartet haben. Das können und wollen wir alle nicht hinnehmen, und deshalb ist es gut, dass wir mit diesem Gesetzentwurf handeln.

In der Aktuellen Stunde und in vielen Gesprächen im Umfeld der Debatte ist deutlich geworden, wer eine ganz wichtige Schnittstelle im bestehenden System ist: Das sind die Transplantationsbeauftragten in den Kliniken. Deshalb wollen wir genau diese mit unserem Antrag stärken.

Die Statistik zeigt, dass es Krankenhäuser gibt, in denen über längere Zeiträume überhaupt keine Organspenden vorkommen. Das weist auf ein mögliches strukturelles Problem hin. Es gibt offenbar an einigen Stellen Schwierigkeiten, hirntote Patienten als mögliche Spender zu erkennen. Häufig werden intensivmedizinische Maßnahmen abgebrochen, ohne die Möglichkeit einer Organspende zu klären und ohne Rücksprache mit den Transplantationsbeauftragten zu halten.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation hat 14.000 Patientenfälle aus dem Jahr 2016 ausgewertet, und in über 1.000 Fällen gibt es Hinweise darauf, dass Organspenden möglich gewesen wären. Warum passiert das? Es wird von Informations- und Kommunikationsdefiziten berichtet. An manchen Stellen fehlt auch die notwendige Unterstützung durch die Klinikleitung, oder die Transplantationsbeauftragten werden nicht konsequent genug eingebunden.

Unser vorrangiges Ziel muss aber sein, dass alle potenziellen Organspender in den Kliniken identifiziert werden können. Das sind wir auch den Menschen schuldig, die sich zu Lebzeiten aktiv zu einer Organspende bereit erklärt haben. Ihr Wunsch darf nicht an fehlender Koordination oder Kommunikation in den Kliniken scheitern.

Die Kliniken und die Transplantationsbeauftragten haben eine wichtige Schlüsselstellung; denn nur sie können die Spender erkennen und dann noch eine Organspende veranlassen.

Wir wollen dabei unterstützen, indem zum Beispiel die Daten aus den Kliniken besser erfasst und ausgewertet werden. Das dient der Qualitätssicherung und zeigt uns auch, wo weitere Verbesserungen nötig sind.

Wir wollen eine regelmäßige Dokumentation und Berichtspflicht für die Krankenhäuser über die Todesfälle mit primärer und sekundärer Hirnschädigung. Das beinhaltet auch die Angabe von Gründen, warum es nicht zu einer Organspende gekommen ist.

Wir werden auch die Krankenhausträger stärker einbinden. Organspende muss Chefsache sein. Die Träger werden verpflichtet, sich aktiv bei den Beauftragten zu informieren und sich zu beraten. Niemand kann dann sagen, er hätte es nicht gewusst.

Neu ist die verbindliche Freistellung für Transplantationsbeauftragte in den Kliniken. Das bedeutet eine Verschärfung der bisherigen Regel. Ganz konkret ist ein abgestuftes System entwickelt worden, und dieses bezieht sich auf die Zahl der zu betreuenden Intensivbetten. Je mehr Betten, desto höher der Stellenanteil zur Freistellung. In großen Kliniken, wie zum Beispiel in Transplantationszentren, sollen die Beauftragten vollständig für die Durchführung ihrer Arbeit freigestellt werden.

Das bedeutet auch eine Wertschätzung für die wichtige Arbeit der Beauftragten. Wir können nur erahnen, wie schwer die Gespräche über Organspenden mit trauernden Angehörigen sind. Das geht nicht nebenbei zur eigenen Arbeit.

Wir wollen auch, dass der Austausch mit dem zuständigen Ministerium noch intensiver wird. Minister Karl-Josef Laumann hat sehr deutlich gemacht, dass er beim Thema „Organspende“ oberste Priorität setzt. In seiner ersten Amtszeit ist es schon einmal gelungen, die Zahl der Spender zu vergrößern. Auch jetzt wird deutlich – das sagen uns auch die Menschen aus den anderen Bundesländern –, dass wir in NRW das Problem erkannt haben, und wir zeigen, dass wir handeln wollen.

Es ist gut, dass wir künftig im Landtag regelmäßig über die Entwicklung der Zahlen der Organspende sprechen werden. Gemeinsam mit den vielen wartenden Patienten im Land setzen wir darauf, dass die beschriebenen Verbesserungen auch Wirkung zeigen. Die Menschen setzen große Hoffnungen in uns.

Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung und Unterstützung bei den Beratungen im Ausschuss und dann noch bei der Entscheidung zu dem Gesetzentwurf. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Klenner. – Als nächste Rednerin hat für die weitere antragstellende Fraktion der FDP Frau Abgeordnete Schneider das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Susanne Schneider (FDP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Januar haben wir in einer Aktuellen Stunde über den Rückgang der Organspendezahlen debattiert. Ich kann mich noch gut an die Vorwürfe der Opposition erinnern, eine Aktuelle Stunde reiche nicht aus. Es wurde gefragt, was die Landesregierung denn tue und was die regierungstragenden Fraktionen vorhätten.

Heute, zwei Monate später, legen die Fraktionen von FDP und CDU Ihnen einen Gesetzentwurf vor. Sie sehen also, dass die NRW-Koalition handelt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Der Handlungsbedarf wird durch die aktuellen Zahlen deutlich: Mit nur noch 146 Organspendern ist Nordrhein-Westfalen Schlusslicht. Die Spenderrate liegt niedriger als in den anderen sechs Regionen der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Auf eine Million Menschen kommen in NRW nur rund acht Organspender.

Die Situation ist für viele Menschen geradezu dramatisch. 10.000 Menschen warten deutschlandweit auf ein Spenderorgan, und viele warten vergebens. Täglich sterben statistisch drei von ihnen, weil für sie nicht rechtzeitig das passende Organ verfügbar ist. Bei vielen anderen Patientinnen und Patienten verschlechtert sich der Gesundheitszustand und somit die Erfolgsaussicht auf eine Transplantation aufgrund der langen Wartezeit. Die Transplantation von Organen Verstorbener ist aber für etliche Krankheiten oft die einzig mögliche Therapie. Organspende kann so Leben retten. Ein Organspender, von dem alle Organe transplantiert werden, schenkt durchschnittlich 56 neue Lebensjahre.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die Ursachen für den Rückgang der Organspende sind vielfältig. Eine Rolle dabei spielt die Verunsicherung durch negative Schlagzeilen. Gerade in dem sensiblen Bereich des Umgangs mit Leben und Tod kann der geringste Verdacht eines Missbrauchs dazu führen, dass Vertrauen zerstört wird. Wir sollten aber zur Kenntnis nehmen, dass es seit 2014 keine Anhaltspunkte für Manipulationen mehr gibt und die grundsätzliche Bereitschaft zur Organspende mit 80 % der Deutschen immer noch recht hoch ist.

Neben einer weiteren intensiven Aufklärung und Information über den Ablauf der Organspende und die möglicherweise bestehenden Bedenken müssen wir deshalb auch die strukturellen Probleme angehen. Es gilt, die Abläufe in den Krankenhäusern so zu verbessern, dass mehr potenzielle Spender vor einem Abbruch der intensivmedizinischen Maßnahmen erkannt werden.

Bayern hat mit konkreten Vorgaben zur Freistellung von Transplantationsbeauftragten gezeigt, dass sich so die Zahl der Organspenden erhöhen lässt.

In unserem Land haben wir bereits 2007 mit dem Krankenhausgestaltungsgesetz die Kliniken zur Bestellung von Transplantationsbeauftragten verpflichtet.

Wir wollen jetzt im Landesgesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes vergleichbare Vorgaben zur Freistellung wie in Bayern einführen. Mit den verbindlichen Freistellungsregelungen können die Transplantationsbeauftragten künftig ihre Aufgaben besser erfüllen und das Organspendepotenzial in den Kliniken optimal ausschöpfen.

Wir wollen hier möglichst schnell zu einer gesetzlichen Neuregelung kommen und bringen deshalb einen Gesetzentwurf von CDU-Fraktion und FDP-Fraktion ein. Ich würde mir wünschen, dass in den weiteren Beratungen auch die Opposition das gemeinsame Ziel mitträgt. Wir können damit den Beitrag leisten, für den wir im Land die Kompetenz haben. Nordrhein-Westfalen darf nicht länger Schlusslicht bleiben.

Wir werden uns aber auch auf Bundesebene mit der Frage der Organspende beschäftigen müssen. Wir wollen, dass mehr Menschen eine Entscheidung zur Organspende treffen. Deshalb werden wir darüber diskutieren müssen, wie wir das erreichen. Das könnte eine Widerspruchslösung nach dem Vorbild der Neuregelung in den Niederlanden oder eine verbindlichere Ausgestaltung der bisherigen Entscheidungslösung sein, die auf die Option verzichtet, keine Erklärung abzugeben. Das ist aber eine Frage, die wir im Landtag nicht entscheiden können.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, im Januar habe ich an Sie appelliert, darüber nachzudenken, Ihr Herz zu verschenken und sich einen Organspendeausweis zu holen. Ich freue mich, dass sich CDU und FDP in diesem Hause so schnell ein Herz gefasst haben und diesen Gesetzentwurf einbringen, und freue mich auf eine konstruktive und gute Begleitung in den Ausschüssen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schneider. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Lück das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Angela Lück (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist wahr, wir haben uns bereits in diesem Jahr intensiv mit dem Thema Organspende und Organtransplantation beschäftigt. Meine Vorredner haben es erwähnt.

Ich freue mich, Frau Schneider, dass die Regierungsfraktionen so schnell reagiert haben. Sie haben eben erwähnt, dass es auch daran liegt, dass die Opposition Sie ein Stück gefordert hat. Heute liegt nun der Gesetzentwurf vor, und das ist gut so. Denn wir waren uns alle schon im Januar einig, dass schnell gehandelt werden muss im Sinne aller Menschen, die dringend auf eine lebensrettende Organspende warten.

Im europäischen Vergleich stehen Deutschland und natürlich auch Nordrhein-Westfalen schlecht da. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl sind unsere Partnerländer bei der Vermittlungsstelle für Organspenden, bei Eurotransplant, solidarischer und erfolgreicher mit der Organspende als wir in Deutschland. Daran müssen wir etwas ändern.

Unsere Ausführungen zu dem Thema im Januar hatten unterschiedliche Schwerpunkte. Ich selbst habe beispielsweise bereits in meiner letzten Rede gesagt, dass die Erhöhung der Spenderzahlen auch erreicht werden kann, wenn wir eine ergebnisoffene Grundsatzdiskussion über eine Änderung der rechtlichen Grundlage hin zu einer Widerspruchslösung führen, so wie sie viele europäische Nachbarländer bereits haben.

Ich habe mich gefreut, heute diesen Anstoß auch von der FDP-Fraktion zu hören. Natürlich können wir diese Widerspruchslösung im Landtag nicht umsetzen, aber es geht natürlich darum, die Diskussion gesellschaftlich, aber auch politisch zu führen.

Das war aber nur einer der drei Punkte, die ich zur Verbesserung des Systems vorgeschlagen habe. Die anderen beiden sind für mich ebenso relevant.

Zum einen muss eine öffentliche Wahrnehmung durch noch mehr Öffentlichkeitsarbeit und positive Darstellung der Organspende in den Medien gesteigert werden.

Zum anderen muss das Entnahmesystem konsequent verbessert werden. Unter einer Verbesserung des Entnahmesystems verstehe ich – das habe ich bereits im Januar erläutert – eine höhere Sensibilisierung der Entnahmekliniken für mögliche Organspenden, eine bessere Qualifikation des Personals sowie eine Aufwertung der Transplantationsbeauftragten durch höhere Qualifikation und garantierte Freistellung.

Ich bin heute – das muss ich ehrlich zugeben – positiv überrascht. Die Fraktionen von CDU und FDP legen einen Gesetzentwurf vor, der zumindest bezüglich der Verbesserung des Entnahmesystems meinen eigenen Vorstellungen sehr nahekommt. Der Gesetzentwurf sieht strengere Meldepflichten und vor allem eine Begründung bei nicht erfolgter Hirntoddiagnostik sowie bei nicht erfolgter Organentnahme vor.

Außerdem wird die Position der Transplantationsbeauftragten gestärkt, und die Freistellung wird gesetzlich festgeschrieben – zu Recht; denn die Rolle der Transplantationsbeauftragten ist nicht zu unterschätzen. Ihnen obliegt es, die Handlungsabläufe innerhalb der Klinik für den Fall einer Organspende festzulegen, das ärztliche und pflegerische Personal im Krankenhaus regelmäßig über die Organspende zu informieren und vor allem natürlich die Angehörigen von möglichen Organspendern in angemessener Weise zu begleiten.

Deshalb sind die Maßnahmen im Gesetzentwurf generell begrüßenswert. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, der vielleicht helfen kann, die Organspendebereitschaft wieder zu erhöhen.

Darüber hinaus bleiben aber leider noch viele Fragen offen. Wir brauchen weitere Instrumente und Maßnahmen, um die Akzeptanz und das Vertrauen innerhalb der Bevölkerung wieder zu stärken. Organspende muss enttabuisiert werden. Dazu kann unter anderem eine gezieltere Öffentlichkeitsarbeit beitragen. Diese muss sowohl in der Bevölkerung für Organspende werben als auch in den Fachkreisen eine höhere Aufmerksamkeit auf das Thema lenken.

Ich freue mich darauf, die Problematik im Ausschuss fachlich intensiv zu diskutieren. Vielleicht gibt es sogar Punkte, an denen wir einvernehmlich zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen können; denn es wäre fahrlässig, dieses Herzensthema in politischen Streitereien zu zerreden. Wir stimmen deshalb der Überweisung in den Ausschuss zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Lück. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Mostofizadeh das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir sind der Meinung, dass dieses Thema nicht zerredet werden sollte und wir uns sachlich damit auseinandersetzen sollten.

Ich habe im Januar ausdrücklich die Rede des Kollegen Klenner gelobt und auch die wichtigen Punkte, die er damals genannt hat, angesprochen. Herr Kollege Klenner, ich hätte schon erwartet, dass wir dieses Thema, welches wir in den letzten Wochen intensiv gemeinsam besprochen haben – unter anderem in Obleuterunden und im Ausschuss –, auch gemeinsam angehen. Ich finde es sehr schade, dass das nicht gemacht worden ist; ich sehe nämlich keinen politischen Streit, der uns in den Landtagsfraktionen – zumindest in denen, die mir wichtig sind – trennen würde.

Es gibt sicherlich einen Streitpunkt die Widerspruchsregelung betreffend, der auf Bundesebene bestehen könnte, aber darüber ist hier im Landtag nicht zu entscheiden. Wir wären in diesem Punkt nicht der Auffassung der Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokraten. Bei den Problemen, die wir hier lösen können, sehe ich aber sehr viel Nähe.

Ich möchte an einigen Punkten anknüpfen, die die Kollegin Lück angesprochen hat.

Vertrauen zu schaffen ist aus meiner Sicht einer der zentralen Aspekte, die bei Organspenden eine Rolle spielen. Das haben wir im Januar ebenfalls schon diskutiert. Dazu gibt es negative Entwicklungen, die nun eine ganze Weile zurückliegen; es gibt aber auch nach wie vor den Bedarf, dass wir uns intensiv damit auseinandersetzen. Wo ist die Auseinandersetzung damit in der Schule? Wo ist der Hinweis in öffentlichen Einrichtungen? Welches Konzept verfolgen wir da? – Ich meine das nicht besserwisserisch, weil wir es zuvor auch schon anders und intensiver hätten machen können. Es wäre lohnenswert gewesen, gemeinsam darüber zu diskutieren.

Dann machen wir es nun anhand dieses Gesetzentwurfs. Der Gesetzentwurf selbst ist – soweit ich es sehen kann – eins zu eins aus Bayern übernommen, soweit er den Transplantationsbeauftragten betrifft. Ich habe die Gesetzestexte nebeneinander gelegt, und da gab es eine ziemlich hohe Ähnlichkeit.

Herr Minister, ich hatte Sie im Januar darauf angesprochen. Da sagten Sie, der Transplantationsbeauftragte sei das eine, es gebe aber auch verschiedenste andere Faktoren, die in dem Zusammenhang eine Rolle spielten. Das sollten wir dann im Ausschuss erörtern. Mich würde auch interessieren, wie wir bei den Menschen, die behandelt werden, mit der Vergütung der Intensivbetten umgehen. Es gibt noch verschiedene andere Fragen, über die Vertrauen geschaffen werden könnte.

Wir werden insofern selbstverständlich der Überweisung in den Ausschuss zustimmen. Es wäre lohnenswert gewesen, den Bogen in diesem Zusammenhang etwas weiter zu spannen, aber wenn es ein Anfang ist, dieses Transplantationsgesetz nach vorn zu bringen, dann ist das fachlich in Ordnung.

Trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte ich mir gewünscht, dass wir eine echte Anhörung durchgeführt hätten, dass wir den Bericht, den der Minister vorgelegt hat, ausgewertet hätten und dass wir in diesem Zusammenhang alle Facetten betrachtet hätten. Das haben wir jetzt nicht gemacht. Die Legislaturperiode hat aber noch einige Monate und Jahre zu bieten, und wir können es noch nachholen.

Wir werden der Überweisung zustimmen und im weiteren Beratungsverfahren unsere Vorschläge einbringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Fraktion der AfD hat nun Herr Abgeordneter Dr. Vincentz das Wort. Bitte schön.

Dr. Martin Vincentz (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ihre Fachreferenten haben sich wirklich wieder viel Mühe gemacht: Sie haben heute wieder viele allgemeine Dinge zur Transplantation erzählt.

Ich fasse mich hingegen kurz. Wir sind uns alle darüber einig, dass Transplantation ein wichtiges Thema ist, und das haben wir im Januar schon besprochen.

Herr Mostofizadeh hat es im Grunde schon gesagt: Sie adaptieren hier das sogenannte bayerische Modell. Es hat gegenüber der bisherigen Praxis einige Vorteile und wird in weiten Teilen von der Fachwelt – inklusive der Ärztekammern – goutiert. Den Gesetzentwurf kann man daher eigentlich als Schritt in die richtige Richtung sehen. Dem werden wir uns natürlich nicht in den Weg stellen und der Überweisung in den Ausschuss zustimmen.

Auf der anderen Seite kann man aber festhalten, dass die hier getroffenen Regelungen alleine das Problem nicht lösen werden. Wenn man über die Freistellung der Transplantationsbeauftragten spricht, muss man auch darüber reden, dass zum Beispiel die Intensivpflege in einer echten Krise ist. Dort lässt sich immer weniger Personal finden, weil der Job sehr anstrengend ist, und die Finanzierung – unter anderem über die Krankenhausfinanzierung – ist nicht wirklich gut.

Wenn man über den Rückgang von Transplantationszahlen spricht, muss man auch darüber reden, was die Menschen überhaupt dazu führt, sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden. Ich meine, dass man diese Frage in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext sehen muss.

Es geht dabei auch um Zusammenhalt: Inwieweit fühlen sich die Menschen einander verbunden? Inwieweit habe ich das Gefühl, dass es auch meine Mutter, meine Oma oder mein Bruder sein könnte, die dort liegen? Es ist meines Erachtens eine Aufgabe aller Parteien, daran zu arbeiten, dass diese Stimmung des Zusammenhalts wieder etwas zunimmt.

Das wirkt etwas weit hergeholt und konstruiert, aber gerade bei einem Thema wie „Organtransplantation“, das eines der moralischen Schwergewichte ist, muss man darüber diskutieren, was gesellschaftlicher Zusammenhalt konkret und im Einzelnen tatsächlich bewirken kann. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Vincentz. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Laumann das Wort. Bitte schön.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 18. Januar dieses Jahres hatten wir hier im Landtag, so finde ich, eine sehr gute Debatte über die Entwicklung der Transplantationsmedizin in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland, die natürlich immer mit Organentnahmen zusammenhängt. Bei der damaligen Debatte hatten wir alle den berechtigten Eindruck, dass wir uns aufgrund der Entwicklung der Organspenden gerade auch bei uns in Nordrhein-Westfalen in einer Krise der Transplantationsmedizin befinden – das kann man gar nicht anders ausdrücken – und dass diese Krise natürlich mit unsagbarem menschlichen Leid verbunden ist.

Das Einbrechen der Zahl der Organentnahmen bei uns in Nordrhein-Westfalen ist in allererster Linie in den 18 Krankenhäusern passiert, die bei uns im Land Nordrhein-Westfalen Schwerpunktkliniken im Bereich der Neurochirurgie sind.

Deswegen freue ich mich über diesen Gesetzentwurf, weil er genau an diesem Punkt natürlich stark ansetzt, an der Frage der Identifizierung von möglichen Organspendern in unseren Krankenhäusern.

Da ist zunächst einmal das größere Problem, was man schnell ändern kann. Wenn wir das ändern wollen, dann muss es in den Krankenhäusern dafür auch Ressourcen geben, die sich um dieses Thema kümmern.

Deswegen ist es richtig, was in diesem Gesetzentwurf steht, nämlich dass wir die Stellung derjenigen, die sich um dieses Thema in den Krankenhäusern kümmern, nachhaltig stärken und auch anteilsmäßig die Freistellungen regeln müssen.

Vor allen Dingen ist aber wichtig, dass diese Beauftragten auch eine Berichtspflicht gegenüber den Krankenhausleitungen haben. Denn es muss auch bei den Krankenhausleitungen ankommen, dass wir als Land von unseren Krankenhäusern erwarten, dass sie sich um dieses Thema kümmern.

Alle Fachleute sagen, es ist nicht in allererster Linie die Bereitschaft für Organspenden in der Bevölkerung unser Problem, sondern unser Problem ist die Identifizierung in unseren Krankenhäusern.

Deswegen werde ich auch einen Teil der Sommerpause dazu nutzen, in diesen 18 Kliniken mit dem Schwerpunkt Neurochirurgie Gespräche darüber zu führen, warum das so ist, warum die Zahlen so eingebrochen sind; wir haben sie ja Krankenhaus für Krankenhaus. Natürlich werde ich auch für eine Verbesserung der Situation werben.

Dann ist es natürlich gut, dass man in einer solchen Situation auch sagen kann, dass es Initiativen im Landtag von Nordrhein-Westfalen gibt, die uns auch gesetzlich in dieser Frage unterstützen. Deswegen bin ich dankbar für diesen Gesetzentwurf.

Der Gesetzentwurf hat einen weiteren Vorteil, nämlich dass er von den Fraktionen kommt. Denn eine Gesetzgebung im Landtag von Nordrhein-Westfalen über Fraktionen geht schlicht und ergreifend schneller als ein Gesetzentwurf über die Landesregierung. Jeder, der die Geschäftsordnung des Landtages kennt, weiß das.

Deswegen bin ich schon der Meinung, dass es schön wäre, wenn der Ausschuss die notwendigen Anhörungen und Beratungen zügig durchführen würde, da wir nach meiner Meinung diese gesetzliche Grundlage möglichst schnell brauchen. Denn wir haben keine Zeit zu verlieren.

Auch sind die Entnahmezahlen in den ersten Monaten dieses Jahres nicht wesentlich besser geworden. Mit jedem Monat, den wir verlieren, verlieren wir auch ganz konkret Menschen, denen wir nicht helfen können. Von daher ist mir das wichtig, dass man das nicht auf die lange Bank schiebt.

Eine andere Frage ist: Will man in der deutschen Gesellschaft eine Debatte über die Widerspruchslösung, die ja da ist? Ich sehe das so, dass diese Frage auch einfach noch einmal diskutiert werden muss.

Deswegen werden wir auch unsere Möglichkeiten nutzen, die wir in diesem Jahr haben, weil der Vorsitz in der Gesundheitsministerkonferenz bei uns liegt. Wir müssen auch im Kreis der Gesundheitsminister der Länder und der Amtsleitungen der Länder miteinander über diese Frage und darüber reden, ob es auch eine gemeinsame Initiative in dieser Richtung geben kann. Es nützt ja nichts, wenn man jetzt einen Alleingang unternimmt, sondern man muss in einer solchen Debatte das Für und Wider genau abschätzen und schauen, wie das Ganze in anderen Landstrichen gesehen wird.

Eine Debatte allein hilft uns aber nicht weiter, sondern man muss zu einer verantwortungsbewussten Entscheidung kommen, und jeder weiß, dass diese Frage zwei Seiten einer Medaille hat. Deswegen dauert die Debatte ja auch so lange.

Ich will meine persönliche Meinung auch nicht hinter dem Berg halten. Nachdem ich die Debatten über die letzten 20 Jahre verfolgt habe, komme ich zu dem Ergebnis, dass eine Widerspruchslösung Sinn machen würde. Das ist meine persönliche Meinung. Deswegen finde ich, dass man diese Frage auch ganz einfach ansprechen muss.

Mir ist wichtig, dass bei der Beratung dieses Antrages ein breiter Konsens im Landtag von Nordrhein-Westfalen besteht, weil für die Vertrauensbildung in dieser Frage sowohl in den Krankenhäusern als auch in der Bevölkerung eine gewisse Einigkeit der Politik, glaube ich, eine gute Voraussetzung ist, damit daraus etwas Gutes werden kann. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Für die grüne Fraktion hat sich noch einmal Herr Mostofizadeh zu Wort gemeldet.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rede des Ministers bringt mich jetzt doch noch einmal ans Pult. Ich bin nicht groß aufgeregt, aber Herr Minister: Wir werden die Beratung des Gesetzentwurfs weder verzögern noch irgendetwas anderes tun. Ich weiß gar nicht, woher Sie das nehmen.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

Das Einfachste wäre ja gewesen, wenn Ihre Fraktionsspitzen auf uns zugekommen wären und gesagt hätten, wir machen das gemeinsam, wir machen ein schnelles Verfahren, und dann bringen wir das zu Ende.

Wir werden diesen Gesetzentwurf ganz zügig – das muss natürlich die Vorsitzende regeln – beraten. Wir haben überhaupt kein Problem, hier etwas schneller zu machen, etwas besser zu machen und auch zügig durchzubringen. Das war schon im Januar unser Appell.

Wenn wir etwas Gemeinsames gemacht hätten, hätten wir ja heute auch schon gemeinsam den Gesetzentwurf einbringen können. Das hätten wir ja alles machen können.

Aber den Eindruck zu erwecken, als wenn wir in der Sache unterschiedlicher Auffassung wären, finde ich nicht in Ordnung. Als Minister, der diesen Gesetzentwurf noch nicht einmal eingebracht hat, den Anspruch zu erheben, der Ausschuss müsse jetzt mal schnell machen, fand ich nicht ganz in Ordnung.

Ich kann für meine Fraktion zusichern: Wir werden den Gesetzentwurf zügig beraten, wie wir das bei allen Gesetzentwürfen machen. Wir haben noch keinen Gesetzentwurf verzögert. Allerdings müssen wir uns das Recht rausnehmen, zu einem Gesetzentwurf die Fachleute im Rahmen einer Anhörung anzuhören. Als Parlamentarier bitte ich, das zur Kenntnis zu nehmen. Deswegen bin ich noch einmal an das Redepult getreten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat hat die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 17/2121 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales federführend sowie an den Wissenschaftsausschuss mitberatend empfohlen. Wer stimmt der Überweisung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Die sehen wir von hier oben nicht. Damit ist einstimmig so überwiesen. Ich schließe Tagesordnungspunkt 7.

8   Wir brauchen ein Demokratiefördergesetz!

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/508

Beschlussempfehlung und Bericht
des Hauptausschusses
Drucksache 17/2172

Die Aussprache ist eröffnet. Ans Pult tritt Herr Hagemeier für die CDU-Fraktion.

Daniel Hagemeier (CDU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Demokratie heißt wörtlich: Herrschaft des Volkes. Über die eigene Regierung mitzubestimmen, frei die eigene Meinung zu äußern – in Deutschland sind das relativ junge Errungenschaften; so kann man auf der Webseite der Bundezentrale für politische Bildung lesen.

Ich halte unsere parlamentarische Demokratie für die beste Regierungsform, die diesen Anspruch der Herrschaft des Volkes umsetzt, die es mit Leben zu füllen gilt und die wir Demokraten gegen innere und äußere Feinde verteidigen müssen.

In Zeiten wie diesen, in denen wir uns mit Extremismus von rechts und links – das geht im vorliegenden Antrag leider komplett unter; wir hätten uns dazu mehr Deutlichkeit gewünscht – und auch religiöser Art auseinandersetzen müssen, ist es wichtiger denn je, auf die Bedeutung von Demokratie und ihre Grundsätze hinzuweisen und diese zu fördern, wo immer es geht.

Der Antrag Drucksache 17/508 mit der Forderung im Titel „Wir brauchen ein Demokratiefördergesetz!“, über den wir heute beraten, hat sich in unseren Augen ein wenig überholt. Direkt im zweiten Absatz heißt es:

„Allerdings blockieren CDU und CSU die SPD-Forderung nach einem Demokratiefördergesetz. Eine bundesgesetzliche Grundlage würde aber notwendig, um die geleistete Präventionsarbeit abzusichern.“

Aus Sicht der CDU-Fraktion kann ich – Stand heute 21. März 2018 – sagen: Wir brauchen kein Demokratiefördergesetz, weil schon viele gute Maßnahmen auf dem Weg sind.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion: Warum haben Sie die Chance auf Bundesebene verstreichen lassen, Ihre Forderung nach einem Demokratiefördergesetz im Koalitionsvertrag der neuen GroKo zu verankern? Auf den Seiten 119 und 120 im Unterpunkt „Stärkung der Demokratie und Extremismusprävention“ wird lediglich von einer „nachhaltigen Absicherung von qualitativ guten Programmen zur Demokratieförderung und Extremismusprävention“ gesprochen.

Auf diese Sprachregelung sollten wir uns auch auf Landesebene verständigen. Natürlich sind wir dafür, notwendige und wichtige Programme beizubehalten und bei Bedarf auszubauen. Uns sind gute Rahmenbedingungen für die Arbeit der betroffenen Akteure wichtig. Darüber treten wir gern in einen Dialog ein.

Jetzt mit einem Antrag aus September 2017 die Landesregierung aufzufordern, sich auf Bundesebene für ein Demokratiefördergesetz einzusetzen, ist nach der gerade erfolgten Bildung einer Regierungskoalition über das Ziel hinausgesprungen.

Gerade in der Extremismusbekämpfung nimmt uns ein Gesetz in der gegebenen Schwerfälligkeit die notwendige Flexibilität, Handlungsweisen bei Bedarf so schnell es geht anzupassen. Viel sinnvoller ist es, den Fokus im Bereich der Demokratieförderung auf den schulischen und außerschulischen Bereich der politischen Bildung zu legen.

Ich zitiere aus der Stellungnahme von Herrn Dr. Ludger Gruber anlässlich der Expertenanhörung zu diesem Antrag am 25. Januar: Der wichtigste Ansatz zur Demokratieförderung und Extremismusprävention bestünde darin, die fortschreitende Erosion des Politikunterrichts zu stoppen.

Im Bereich der schulischen und außerschulischen politischen Bildung wirken unabhängig von der Parteicouleur – und das ist auch gut so – viele etablierte Akteure auf unterschiedlichsten Ebenen mit und leisten gute Arbeit.

Sie schreiben in dem Antrag, es gelte, von Anfang an zu verhindern, dass sich Menschen radikalisieren und unsere freie und offene Gesellschaft zum Feind erklären. Deswegen müssen wir Demokratie, Toleranz und Respekt nachhaltig fördern und Extremismus frühzeitig vorbeugen. In der Sache sind wir ganz bei Ihnen – aber nicht hinsichtlich des Weges eines Gesetzes.

Ein Demokratiefördergesetz ist ein ungeeigneter Ansatz zur Stärkung der Demokratie. Es könnte zu einer Schwächung der föderalen Zuständigkeiten führen. Die Vielschichtigkeit von Radikalisierungsursachen erfordert eine Vielfalt von Akteuren und Ansätzen. – Dieses Spektrum kann ein Gesetz niemals flexibel gewährleisten.

Nach der Beratung im Ausschuss und der Expertenanhörung zu diesem Thema steht der Entschluss der CDU-Fraktion fest: Wir lehnen den Antrag in der vorliegenden Fassung aus den erläuterten Gründen ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Hagemeier. – Für die SPD-Fraktion erhält nun Frau Müller-Witt das Wort.

Elisabeth Müller-Witt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am heutigen Tag beraten wir abschließend den von der SPD-Fraktion eingebrachten Antrag auf Unterstützung der Forderung nach einem bundesweiten Demokratiefördergesetz – ein Antrag, der angesichts des kürzlich verabschiedeten Koalitionsvertrages in Berlin an Aktualität nichts eingebüßt hat. Da widerspreche ich Ihnen ausdrücklich.

Unbestritten sind Demokratieförderung und Extremismusprävention nach wie vor erforderlich. Deshalb sind sowohl vom Bund beispielsweise das Programm „Demokratie leben!“ oder auch schon von der alten Landesregierung das Programm „Wegweiser“ erfolgreich auf den Weg gebracht und umgesetzt worden. Die Relevanz wird selbst von jenen nicht bestritten, die einer Verankerung in einem Demokratiefördergesetz skeptisch gegenüberstehen. Auch dies zeigt sich im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung.

Aber was ist der Sinn eines Demokratiefördergesetzes? – Ein Demokratiefördergesetz soll die bereits vorhandene Infrastruktur der Demokratieförderung ausbauen und unterstützen sowie die Möglichkeit schaffen, Strukturen dauerhaft zu finanzieren, also für eine Verstetigung zu sorgen, weg von der Beliebigkeit und Kurzfristigkeit einzelner Programme hin zu einer verlässlichen Struktur, aber auch – das müsste gerade der NRW-Landesregierung ganz besonders am Herzen liegen – den Abbau von unnötigem bürokratischen Aufwand bei der wiederkehrenden Antragstellung fördern. So meinte ein Sachverständiger in der Anhörung, das Programm „Demokratie leben!“ könne auch als „Bürokratie leben“ bezeichnet werden. – Ein deutlicher Hinweis.

Schließlich sendet die Politik durch die gesetzliche Verankerung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe des Kampfes gegen Extremismus in jeglicher Form auch ein Signal der Wertschätzung an die Initiativen vor Ort.

Derzeit sind zahlreiche Projekte gegen Extremismus, gegen Salafismus zeitlich eng begrenzt. Zwar wurde die maximale Förderdauer auf fünf Jahre ausgeweitet, aber das reicht nicht. Den Beteiligten muss dauerhafte Planungssicherheit gegeben werden. Dabei sorgen feste Strukturen auch für eine qualitativ hochwertige Arbeit der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die andernfalls – das ist Ihnen allen bekannt – aufgrund befristeter Arbeitsverhältnisse in ständiger Unsicherheit über ihre berufliche Zukunft leben müssen.

Wir Sozialdemokraten sehen es als eine wesentliche Aufgabe des Staates an, diese engagierte Arbeit zu unterstützen und die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit Demokratieförderung nachhaltig wirken kann.

Die vielen lokalen Initiativen und Einrichtungen brauchen eine gesicherte Finanzierung und verlässliche, verstetigte Rahmenbedingungen. Demokratieförderung und Extremismusprävention dürfen nicht nur als temporäre, als vorübergehende Aufgabe verstanden werden. Nein, ein Demokratiefördergesetz wäre der Wechsel von der Demokratisierungshilfe zu langfristig angelegter Demokratieförderpolitik und würde die lokalen Strukturen nachhaltig sichern sowie den Bundesländern signalisieren, dass es sich hier um eine gemeinsame gesamtstaatliche Aufgabe handelt.

Dabei ist das Aufgabenfeld konkret zu benennen; ich wiederhole es Ihnen noch einmal: Unterstützung zielgruppenspezifischer Unterstützungs- und Beratungsstrukturen, Stärkung der politischen Bildungsarbeit, Stärkung sozialräumlicher Präventionsangebote und Unterstützung flächendeckender Präventions- und Deradikalisierungsangebote sowie Ausbau der Extremismusforschung.

All das mag Ihnen angesichts der bereits vorhandenen, ohne Zweifel hervorragenden Angebote in NRW nicht erforderlich erscheinen. Aber Ziel ist es, dass mithilfe eines Demokratiefördergesetzes nicht nur einige Bundesländer hervorragende Arbeit leisten, sondern dass wir einen bundesweiten und verlässlichen Standard anstreben. Schließlich machen Extremismus, Populismus und Menschenfeindlichkeit weder an Ländergrenzen halt, noch halten sie sich an Bewilligungszeiträume.

(Beifall von der SPD)

Der im Sommer des vergangenen Jahres erschienene Bericht der damaligen Bundesregierung zur Extremismusprävention betonte aufgrund der aktuellen Zahlen die Notwendigkeit der Verabschiedung einer Strategie zur Extremismusprävention und Demokratieförderung.

Dies verstehen wir als ersten Schritt, dem die Verabschiedung eines Demokratiefördergesetzes folgen muss.

Selbstverständlich halten wir es darüber hinaus für dringend geboten, dass die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen das bestehende integrierte Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus fortführt und mit den lokalen Akteuren und Initiativen weiterentwickelt sowie dass das bestehende ganzheitliche Konzept zur Salafismusbekämpfung umgesetzt wird.

Mit der jetzt von der Landesregierung beschlossenen Ausweitung des Programms „Wegweiser“, einem Präventionsprogramm gegen gewaltbereiten Salafismus, ist ein guter Schritt getan, aber er alleine reicht nicht aus. Wir sind der Überzeugung, dass, wie im Koalitionsprogramm der neuen Bundesregierung vereinbart, weitere Vorschläge zur Stärkung demokratischer Prozesse erarbeitet werden müssen.

Dazu gehört ohne Zweifel das von uns im Antrag angesprochene Demokratiestärkungsgesetz. Ja, es wird im Koalitionsvertrag nicht wörtlich erwähnt; das haben wir auch festgestellt. Aber wer aufmerksam diesen Vertrag liest, findet dort all jene Elemente beschrieben, die wir als Bestandteile eines Demokratiefördergesetzes in unserem Antrag aufgezählt haben. Schließlich heißt es dort auch: Die Stärkung der freiheitlichen Demokratie muss allen am Herzen liegen.

(Beifall von der SPD)

Darum geht es.

Gerade in Zeiten, in denen eine wachsende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern verunsichert ist und mit wachsendem Desinteresse und Misstrauen demokratischen Institutionen und Parteien begegnet, wollen wir Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie und der Zivilgesellschaft ergreifen, um das zivilgesellschaftliche Engagement zu ertüchtigen und die Gesellschaft gegen jede Form von Extremismus zu stärken.

Dazu gehören die nachhaltige Absicherung von guten Programmen zur Demokratieförderung und Extremismusprävention, der Ausbau unserer erfolgreichen Programme gegen Rechtsextremismus, Linksextremismus, Antisemitismus, gegen Islamismus und Salafismus, aber auch – ich zitiere – „Stärkung politischer und kultureller Bildung“ und außerdem – ich zitiere erneut – „Ausbau der Koordinierung der Maßnahmen zur Extremismusprävention von Bund und Ländern und Weiterentwicklung auf Grundlage von externen Forschungs- und Evaluierungsergebnissen.“ All das ist nachzulesen im Koalitionsvertrag.

All dies kann ein Demokratiefördergesetz umfassen.

Im Rahmen der durchgeführten Expertenanhörung haben sich insbesondere die Praktiker unisono für eine gesetzliche Absicherung der Maßnahmen zur Demokratiestärkung ausgesprochen. Aber hierzu bedarf es einer Initiative unserer Landesregierung.

Deshalb fordern wir Sie auf, sich auf Bundesebene für ein Demokratiestärkungsgesetz einzusetzen, um so das zivilgesellschaftliche Engagement zu stärken und unsere Gesellschaft gegen jede Form von Extremismus zu immunisieren.

Zurecht erklärt der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung – ich zitiere erneut –:

„Unsere Geschichte mahnt uns, antidemokratischem, rassistischem und nationalistischem Gedankengut entschieden zu begegnen.“

Ich ergänze: Die politischen Entwicklungen in Nordrhein-Westfalen, in der Bundesrepublik und darüber hinaus haben gezeigt, dass vermeintlich der Vergangenheit angehörendes Gedankengut leider wieder Nährboden in der Gegenwart gefunden hat. Deshalb darf es nicht allein bei bloßen Bekenntnissen und kurzfristigen Programmen bleiben, sondern es sind verlässliche, verstetigte und durchfinanzierte Strukturen erforderlich.

Darum fordern wir Sie auf: Stimmen Sie für unseren Antrag. Die Förderung der Demokratie ist eine Aufgabe aller Demokraten. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Müller-Witt. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Freimuth.

Angela Freimuth (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Demokratieförderung ist für uns alle eine der vornehmsten Verpflichtungen. Das gebietet auch gerade die Erfahrung, die wir in der Geschichte unseres Landes im vergangenen Jahrhundert gemacht haben:

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die die Grundwerte und Grundpfeiler unserer weltoffenen freien Gesellschaft sind, sind eben nicht selbstverständlich, sondern müssen immer wieder neu verteidigt und erarbeitet werden. Wir müssen dafür werben, wir müssen überzeugen, damit diese Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, diese freie und offene Gesellschaft auch in den nächsten Jahren Bestand haben und widerstandsfähig sind gegen all die unterschiedlichsten Gefährdungen – die wir bedauerlicherweise feststellen müssen – durch Populisten, Radikale, durch Extremismus.

Aber natürlich gehört auch die Gefährdung durch diejenigen dazu, die sich in dieser Demokratie abgehängt und eben nicht mitgenommen fühlen und sich nicht als Teil des Volkes, von dem die Herrschaft ausgeht, empfinden.

Insofern ist Demokratieförderung für uns Verpflichtung, Aufgabe – nicht nur, weil es die Verfassung so vorsieht, sondern weil es unsere eigene Überzeugung ist und damit unsere vornehmste Pflicht.

Das voranstellend bin ich mit der Zielsetzung der Kollegen der SPD, was Demokratieförderung im Allgemeinen angeht, sehr d’accord.

Wir hatten auch eine Anhörung, die Hinweise gegeben hat, an welchen Stellen wir arbeiten müssen, besser werden können. Das werden wir auch tun – davon bin ich fest überzeugt –, und zwar nicht nur, indem wir es auf die Bundesebene schieben, sondern auch hier im Land.

Und die Landesregierung hat dazu bereits erste Schritte unternommen, wobei ich deutlich machen möchte, dass Extremismusbekämpfung nicht gleichzeitig auch Demokratieförderung ist.

Wir haben uns auch erst kürzlich zum Beispiel mit der Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung auseinandergesetzt. Auch dort überlegen wir, wie wir besser werden können.

Aber, der Antrag fordert uns auf, auf Bundesebene für ein Demokratiefördergesetz einzutreten. Schon in der Ausschussberatung habe ich gesagt: Okay, der Antrag ist wohl auch im historischen Kontext zu sehen. Er stammt vom September 2017. Ich kann das nachvollziehen: Zwischen den Regierungsparteien im Bund SPD und CDU/CSU war ein solches Demokratiefördergesetz im Koalitionsvertrag 2013 verabredet. Diese Verabredung ist aber nicht umgesetzt worden.

Jetzt sind wir aber in der ganzen Geschichte schon etwas weiter. Wir haben eine neue Bundesregierung, und die sie tragenden Parteien von SPD und CDU/CSU haben sich darauf verständigt, dass sie Demokratieförderung als ein wichtiges Anliegen verstehen, dass sie sie für sich als Selbstverpflichtung und als Anlass für Maßnahmen sehen. Sie schreiben zum Beispiel:

„Die Stärkung der freiheitlichen Demokratie muss allen am Herzen liegen. Deswegen wollen wir Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie und der Zivilgesellschaft umsetzen, um das zivilgesellschaftliche Engagement gegen jede Form von Extremismus weiter zu stärken.“

Dann wird eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen aufgeführt.

Ich bin selbstbewusste Landtagabgeordnete wie Sie alle. Aber ich bilde mir nicht ein, dass eine Bundesregierung – insbesondere mit Blick auf die sie tragenden Parteien – jetzt ganz plötzlich auf eine Initiative aus der Mitte des nordrhein-westfälischen Landtags hin ausgerechnet ein Demokratiefördergesetz ausgestalten wird, wenn sie sich in dem frisch verabschiedeten Koalitionsvertrag – abweichend zu 2013 – nicht auf ein Demokratiefördergesetz hat festlegen können.

Bei den Anhörungen ist deutlich geworden, dass wir eine Verlässlichkeit und eine Planbarkeit brauchen. Es ist aber auch sehr ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass wir aber eins nicht brauchen, nämlich zusätzliche Fesseln bei der Projektförderung, neue zusätzliche bürokratische Hürden, etwa bei Ausschreibungsverfahren für jeweilige Projekte. Die wären eben – und das ist in der Anhörung auch sehr deutlich geworden – auch bei einem Demokratiefördergesetz nicht abgeschafft, sondern weiterhin vorhanden.

Bei der Förderung von Initiativen zur politischen Bildung und Demokratieförderung bedarf es gerade keiner weiteren Formalisierung, sondern flexiblerer, langfristiger und beständiger Unterstützung. Insofern sind wir mit der antragstellenden Fraktion weiterhin gerne engagiert dabei, die Demokratie in unserem Land gemeinsam zu fördern. Den konkreten Antrag mit der Forderung nach einem Demokratiefördergesetz lehnen wir allerdings ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Freimuth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der SPD greift ein sehr elementares Thema auf, und zwar die langfristige und nachhaltige Förderung von Demokratie- und Präventionsprojekten.

Wenn man sich die Geschichte dieser Bundesprogramme anschaut – denn darüber diskutieren wir; wir reden nicht über politische Bildung seitens der Landes- oder Bundeszentrale für politische Bildung oder Ähnliches, sondern wir reden über die Bundesprogramme, die es derzeit schon gibt, und die einen sehr langen Vorlauf haben –, dann stellt man fest, dass die ersten Präventionsprojekte in den 90er-Jahren gegründet wurden, und zwar aus einem furchtbaren Anlass.

Anfang der 90er-Jahre mussten wir eine Serie von rassistischen Anschlägen erleben, auch hier in Nordrhein-Westfalen. In der Konsequenz haben sich daraus Präventionsprojekte entwickelt. Namentlich möchte ich das Programm „IDA-NRW“ nennen, das nach dem Anschlag in Solingen entwickelt worden ist. Das Land hat eine Förderung zugesagt, und es wird auch heute noch gefördert.

2001 hat dann die damalige rot-grüne Bundesregierung das erste Bundesprogramm „Jugend für Toleranz und Demokratie“ ins Leben gerufen. Diese Bundesprogramme wurden immer weiterentwickelt; das aktuelle Programm lautet „Demokratie leben“. Alle drei Jahre gibt es ein neues Bundesprogramm, und genau das ist der Kern des Problems.

In der Zwischenzeit hat sich sehr viel entwickelt. In Nordrhein-Westfalen haben wir nicht nur einzelne Projekte, sondern inzwischen gibt es hier eine ganze Beratungsstruktur und Beratungslandschaft, die fest verankert ist.

Ich möchte beispielhaft die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die Aussteigerberatung und seit 2011 auch die Beratung von Opfern rechtsextremer und rassistischer Gewalt anführen. Diese Programme werden vom Land gefördert, aber auch aus dem Bundesprogramm. Diese Strukturen leisten eine extrem wichtige Arbeit. Daneben gibt es auch eine Menge Modellprojekte.

Im Übrigen – das möchte noch in Reaktion auf den Redebeitrag von Herrn Hagemeier anführen – haben diese Bundesprogramme nicht nur den Fokus, Rassismus und Rechtsextremismus zu bekämpfen. Der Fokus ist inzwischen viel breiter geworden. Man hat gesagt: Wir müssen auch andere demokratiefeindliche und verfassungsfeindliche Phänomene angehen und bekämpfen, indem wir Prävention betreiben und indem wir Aussteigerberatungen anbieten. All das gehört zu den Bundesprogrammen dazu.

Die Tatsache, dass diese Bundesprogramme immer weitergeführt wurden – und das nicht nur unter einer rot-grünen Regierung, sondern auch unter Schwarz-Gelb und in der Großen Koalition –, macht sehr deutlich, dass alle Bundesregierungen, gleich welcher Konstellation, die Notwendigkeit dieser Bundesprogramme anerkannt und sie deshalb weitergeführt und weiterentwickelt haben. Das bestätigt die Notwendigkeit und die politische Akzeptanz dieser Bundesprogramme ebenso wie deren Evaluation. Alle Programme werden regelmäßig evaluiert, und sie erhalten regelmäßig gute Noten. Auch das macht die Notwendigkeit dieser Programme sehr deutlich.

Jetzt komme ich zum Problem mit der Programmlogik der Bundesprogramme. Die Programme haben – das hatte ich schon eingangs gesagt – immer eine dreijährige Laufzeit, und die Träger solcher Programme müssen jedes Mal einen neuen innovativen Ansatz wählen. Sie müssen jedes Mal sagen: Wir haben ein neues Projekt; wir haben einen neuen Fokus; wir sind wieder innovativ, und wir machen wieder ein neues Modell.

Das ist natürlich – wenn ich das, mit Verlaub, so sagen darf – Blödsinn. Wir alle wissen, dass die Träger die gute Arbeit, die sie vorher gemacht haben, auch weiterhin machen werden und sollen. Es ist eine Farce, zu glauben, dass es immer wieder etwas Neues gibt, wenngleich selbstverständlich auf neue Entwicklungen reagiert wird.

Es ist ja auch politisch gewollt, dass die Arbeit fortgeführt wird. Diese Form der Projektförderung führt jedoch dazu, dass jedes Jahr neue Förderanträge gestellt werden müssen, dass die Arbeitsverträge befristet sind, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer eine gewisse Unsicherheit haben und sich zum Teil in Jobs wegbewerben, wo ihnen mehr Sicherheit geboten wird. Das bedeutet zudem – auch das ist in der Anhörung sehr klar gesagt worden –, dass es für die Beratungsnehmerinnen und -nehmer sowie für die Projektpartner immer eine Unsicherheit gibt, weil nicht klar ist, ob das Projekt danach noch weiterläuft oder nicht.

Es gibt also eine Menge Probleme, die damit zusammenhängen. Insofern glaube ich, dass ein Demokratiefördergesetz ein geeignetes Mittel ist, um hier für Nachhaltigkeit zu sorgen und Sicherheit zu schaffen.

Frau Freimuth und Herr Hagemeier, das bedeutet im Übrigen nicht, dass es nicht auch eine Flexibilität geben kann. Ich gebe Ihnen recht: Es darf nicht zu mehr Bürokratie kommen. Wir brauchen aber die nachhaltige Struktur und Absicherung solcher Projekte, weil sie einfach elementar wichtig sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich erinnere daran, dass es den NSU-Untersu-chungsausschuss nicht nur hier im Lande gab, sondern auch zwei auf Bundesebene. Dort wurde sehr deutlich erklärt: Wir brauchen diese langfristige Finanzierung. Das haben alle im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen so anerkannt; es ist aber leider nicht umgesetzt worden.

Da muss ich leider auch in Richtung SPD sagen: Wenn man sich den aktuellen Koalitionsvertrag anschaut, dann stellt man im Vergleich zu dem Koalitionsvertrag von 2013 eine Abschwächung hinsichtlich dieser Vereinbarung fest. 2013 war man aus meiner Sicht zwar sehr schwammig – das ging mehr in Richtung Prüfauftrag –, aber man war doch einen Schritt weiter. Ich persönlich finde es sehr enttäuschend, dass man hier offenbar einen Schritt zurück gemacht hat.

Zur Wahrheit – das will ich hier ebenfalls so klar benennen – gehört aber auch: Die SPD hat im Kabinett schon längst einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wer da im Deutschen Bundestag blockiert, ist die CDU. Das gehört hier ganz klar benannt.

Gerade weil wir in Nordrhein-Westfalen solche demokratiefeindlichen Bestrebungen und Organisationen erleben, will ich die Zahlen nennen: Jeden zweiten Tag wird in Nordrhein-Westfalen ein Mensch Opfer von rechter Gewalt, sogar noch häufiger. Dabei rede ich jetzt nur über das Phänomen „Rechtsextremismus“; ich bin da noch gar nicht beim Phänomen „Salafismus“. Gerade wir in Nordrhein-Westfalen müssen klar sagen, dass wir diese Programme brauchen.

Ich will aber nicht nur alles auf den Bund schieben, sondern – Frau Pfeiffer-Poensgen wird gleich noch reden – auch das Land muss in die Pflicht genommen werden. Auch das hat die Anhörung noch einmal sehr deutlich gemacht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Pfeiffer-Poensgen, Sie hören mir jetzt leider gerade nicht zu, aber vielleicht einer Ihrer Mitarbeiter, und Sie können mir dann gleich die Frage beantworten. Das Förderprogramm für die kommunalen Handlungskonzepte läuft Ende dieses Jahres aus. Ich habe von der Landesregierung bisher noch nicht gehört, ob es fortgeführt wird oder nicht. Auch das Handlungskonzept gegen Rassismus und Rechtsextremismus läuft Ende 2019 aus. Auch da, Frau Pfeiffer-Poensgen, bin ich sehr gespannt auf Ihre Äußerungen, was die Landesregierung hier plant.

Denn auch hier ist es so: Die Programme laufen aus, und Sie sind in der Pflicht, diese weiterzuführen. Eigentlich müssten wir noch einen Schritt weitergehen; denn auch das hat die Anhörung erbracht: Wir brauchen eigentlich ein Landesfördergesetz, ein Landesprogramm.

Das hat der NSU-Untersuchungsausschuss bei uns im Landtag in der letzten Legislaturperiode einstimmig als Handlungsempfehlung beschlossen.

Noch einmal zur Erinnerung: Mehrere Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses sitzen jetzt in der Regierung: Frau Gebauer, Herr Biesenbach, Herr Stamp und Frau Güler. Alle vier waren Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses hier im Landtag. Wir haben das dort einstimmig als Handlungsempfehlung beschlossen, und ich erwarte und gehe davon aus, dass diese Landesregierung das, was vom NSU-Untersuchungsausschuss in der letzten Legislaturperiode noch empfohlen wurde, jetzt auch umsetzt. Ich bin wirklich gespannt darauf, was Sie machen werden. Wir werden das sehr genau beobachten.

Noch eine letzte Bemerkung. Ich weiß, die Redezeit ist gleich vorbei. – Heute ist der Internationale Tag gegen Rassismus. Ich hätte es für ein gutes und sehr starkes Signal gehalten, wenn wir gerade an einem solchen Tag ein derart wichtiges Thema gemeinsam beschlossen hätten. Ich finde es sehr schade, dass das nicht der Fall ist. Das wäre ein wichtiges Signal gewesen. Die Baustellen sind riesig. Wir müssen gegen Demokratiefeindlichkeit und Rassismus vorgehen. Da sind wir alle miteinander gefragt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Schäffer. – Nun spricht für die AfD- Fraktion der Fraktionsvorsitzende Herr Wagner.

Markus Wagner (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der SPD-Fraktion! Als ich die Überschrift Ihres Antrages las – Sie wollen ja angeblich ein Demokratieförderprogramm oder sogar -gesetz – dachte ich mir: Das klingt erst mal gut – aber wozu eigentlich noch eines? Es gibt schon ein Demokratieförderprogramm für Deutschland: Es hat knapp 30.000 Mitglieder, sitzt in 14 Landtagen und ist drittstärkste Kraft im Deutschen Bundestag.

(Beifall von der AfD)

Das Demokratieförderprogramm heißt AfD. Mit uns bekommt der Wähler Volksabstimmungen auch auf Bundesebene. Mehr Demokratieförderung geht nicht. Mit uns bekommt Frau Merkel endlich eine echte Opposition – die einzige Opposition gegen ungesteuerte Massenzuwanderung, die einzige Opposition gegen überteuerte Strompreise durch die sogenannte Energiewende, die einzige Opposition gegen vertragswidrige Schuldenübernahme aufgrund der verfehlten Eurorettungspolitik.

(Beifall von der AfD)

Wie wichtig eine Opposition für die Demokratie ist, muss ich Ihnen als Oppositionspartei wohl kaum erklären. Es ist daher auch kein Wunder, dass mit dem Aufkommen der AfD auch die Wahlbeteiligung endlich wieder steigt. Viele Bürger haben mit der AfD endlich wieder eine Wahl, und auch das ist tatsächlich – ganz real, ganz ohne Antrag von Ihnen, liebe SPD – ein Demokratieförderprogramm.

(Beifall von der AfD)

Ich könnte Ihnen noch endlos lange begründen, warum die SPD eigentlich nur zur Wahl der AfD aufzurufen bräuchte, und sie hätte ihr Demokratieförderprogramm. Aber – ich habe dann noch Ihren Antragstext unterhalb der Überschrift gelesen – Ihr sogenannter Demokratieförderantrag ist gar keiner.

Da steht nichts davon, dass sich die SPD von ihrem Medienimperium trennen will. Da steht nichts davon, dass Ihre Zeitungen, an denen Sie beteiligt sind, die Leser wenigstens auf ihre Parteilichkeit hinweisen. In Ihrem Antrag steht auch nichts davon, dass Sie sich von der DKP-nahen VVN-BdA abgrenzen wollen.

(Helmut Seifen [AfD]: Hört!)

Überhaupt ist von Linksextremismus in Ihrem Antrag keine Rede. Sicherlich schwadronieren Sie gerne mal ein wenig über Extremismus, aber der Linksextremismus wird bei Ihnen konkret nicht genannt – ganz so, als hätte es die linken Krawalle rund um G20 gar nicht gegeben, ganz so, als gäbe es nicht täglich linke Gewalttaten in unserem Land.

(Roger Beckamp [AfD]: Die gibt’s ja gar nicht!)

Warum fällt es Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, eigentlich so schwer, sich von linker Gewalt und linkem Extremismus zu distanzieren? Dazu passt, dass ich in Ihrem Antrag auch nichts davon lesen konnte, dass Ihre Jugendorganisation, die Jusos, nun aufhört, gemeinsam mit der linksextremen Antifa auf Demonstrationen aufzutauchen. Wenn Sie den Antrag also irgendwann noch einmal stellen wollen, nehmen Sie das doch bitte mit auf.

(Beifall von der AfD)

Das Einzige, was Sie mit Ihrem Antrag wollen, ist eine Verstetigung des mit hart erarbeiteten Steuergeldern finanzierten Kampfes gegen rechts. Wenn es dabei erstens zielgenau um eine Bekämpfung des tatsächlichen Rechtsextremismus ginge, und wenn zweitens sichergestellt wäre, dass die Empfänger der Steuergelder auch wirklich anständige Demokraten und keine Sympathisanten von links wären, dann könnte man mit einigen Änderungen einem solchen Antrag sogar zustimmen. Aber gerade Sie waren es doch, die eine verpflichtende Demokratieerklärung dieser Leute auf unseren Antrag hin abgelehnt haben!

(Beifall von der AfD)

Förderbedarf in Sachen Demokratie haben Sie sicherlich auch in Essen, wo Ihre Parteifreunde den Ex-Genossen Guido Reil aus der Arbeiterwohlfahrt schmeißen wollen, nur weil er als neuer AfDler jetzt ein anderes, zugegebenermaßen besseres Parteibuch hat.

Wenn Sie die Demokratie fördern wollten, dann wählen Sie doch einen Vertreter der AfD-Fraktion in das Landtagspräsidium. Es ist ein guter, alter parlamentarischer Brauch, dass jede Fraktion im Landtagspräsidium vertreten ist – aber das ist Ihnen natürlich schon wieder viel zu viel Demokratie.

Ihre angebliche Sorge um die Demokratie erscheint daher in diesem Falle kaum glaubwürdig. Wenn Sie von Demokratieförderung sprechen, meinen Sie eigentlich Machterhalt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Ihr Antrag mit Demokratieförderung ungefähr so viel zu tun hat, wie eine Kuh mit dem Eierlegen.

(Beifall von der AfD)

Die AfD-Fraktion lehnt Ihren Antrag daher selbstverständlich ab.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Wagner. – Nun spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Anders als im Antrag der Fraktion der SPD beschrieben, ist der Umgang der Landesregierung mit Demokratieförderung und Extremismusprävention eindeutig.

Schon im Koalitionsvertrag wird hierzu deutlich Position bezogen. Ich zitiere:

„Wir werden dem Rechts- und Linksextremismus sowie politisch motivierter Gewalt in unserem Land entschieden entgegentreten. Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.“

Nordrhein-Westfalen verfügt über gut ausgebaute Strukturen der Demokratiebildung und ‑förderung, zum Beispiel im Bereich der Jugendarbeit, der politischen Bildung und der Demokratieerziehung in den Schulen. Diese wollen wir erhalten und weiterentwickeln. Das ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Prävention gegen Extremismus. Deshalb werden wir die Landeszentrale für politische Bildung institutionell und sachlich weiter stärken.

Das integrierte Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus, das hier vorhin bereits Erwähnung fand, werden wir unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft fortführen und weiterentwickeln, und zwar mit neuen Schwerpunkten.

Wir werden auch die Kommunen weiterhin in ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus und Rassismus unterstützen; denn wirksame Prävention bedarf immer auch passender Aktivitäten vor Ort. Nur so erreicht man konkrete Wirkungen. Hinzu kommen viele zivilgesellschaftliche Initiativen im Land, die aktiv für unseren gemeinsamen demokratischen Wertekonsens eintreten. Diese werden wir weiter unterstützen.

Die Anhörung im Hauptausschuss hat abermals gezeigt, dass die Förderung von Demokratie, Meinungsvielfalt und Toleranz in der Gesellschaft eine sehr wichtige Aufgabe der Politik ist. Insofern fühlt sich hier jeder angesprochen.

Die Beratungen zu einem Demokratiefördergesetz auf Bundesebene sind bisher nicht zu einem Abschluss gekommen; das haben wir heute mehrfach gehört. Im aktuellen Koalitionsvertrag der im Bund regierungstragenden Parteien wird es nicht mehr genannt.

Für uns hier steht die Arbeit vor Ort im Land im Mittelpunkt. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU, der FDP und Roger Beckamp [AfD])

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen. – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Dr. Nacke das Wort.

Dr. Stefan Nacke (CDU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Ihrem Antrag bescheinigen Sie Nordrhein-Westfalen eine gut ausgebaute Infrastruktur der Demokratieförderung. Zugleich fordern Sie aber ein Demokratiefördergesetz. Das tun Sie mit Formulierungen wie: Der Landtag solle feststellen, dass die Ausweitung der Präventionsarbeit weiterhin eine hohe Priorität in der Landes- und Bundespolitik haben müsse. Man solle sich auf Bundesebene für ein solches Gesetz einsetzen. Man solle ein bestehendes Handlungskonzept fortschreiben und schließlich ein ganzheitliches Konzept vorstellen und umsetzen.

Glauben Sie wirklich, dass mit solchen Politikersprechblasen Glaubwürdigkeit gewonnen und Demokratie gefördert werden kann? – Demokratie ist eine besonders fragile Kulturleistung, bei der es darauf ankommt, aus der Perspektive des anderen zu denken, Toleranz zu üben und Kompromissfähigkeit zu zeigen, wo Konsens nicht möglich ist. Die Qualität einer Demokratie ist am politischen Umgang mit Minderheiten abzulesen.

Der WDR-Moderator und Philosoph Jürgen Wiebicke schreibt in seinem sehr empfehlenswerten Bändchen „Zehn Regeln für Demokratie-Retter“, dass Demokratie nicht bloß eine Regierungsform oder nur eine Machttechnik für Politikprofis sei; Demokratie sei vielmehr eine Lebensform.

Eine solche Lebensform hat etwas mit Selbstbewusstsein, Haltung und Bildung zu tun, muss kulturell etabliert sein und lässt sich nicht einfach durch ein Demokratiefördergesetz deklarieren. Die Erfahrung, dass ein solch deklaratorischer Politikstil nicht funktioniert, haben Sie doch in den vergangenen Jahren im Bildungsbereich in Sachen Inklusion gemacht. Inklusion ist viel voraussetzungsvoller und kleinteiliger zu realisieren, als Sie glauben machen wollten. Nicht zuletzt deswegen wurden Sie abgewählt. Das Thema „Demokratie“ ist viel zu wichtig, als dass man es mit Alibimaßnahmen entwerten dürfte.

Jürgen Wiebicke gibt einige wichtige Hinweise. Das Grundlegende ist die kommunale Wirklichkeit. Angesichts neuer Unübersichtlichkeiten sollten wir den Begriff „Heimat“ wiederentdecken und ihn nicht den Rechten überlassen. Die NRW-Koalition hat ihn schon lange entdeckt.

Wir sollten alles tun, damit man sich im öffentlichen Raum unserer Städte und Gemeinden wohlfühlen kann und sich dort gerne aufhalten möchte. Denn Demokratie braucht auch in Zeiten der Digitalisierung analoge Orte, an denen Menschen sich als ganze Personen begegnen. Schließlich haben wir ein handfestes Geselligkeitsproblem, so Wiebicke; viele leben in Einsamkeit.

Auf die Provokationen der Demokratieverächter solle man klug und gelassen reagieren. Rechte Scheinriesen täten alles, um sich als Opfer zu stilisieren, seien aber auf sachlicher Ebene einfach zu stellen.

Wiebicke, der sich selbst als ein im weitesten Sinne Linker bezeichnet, unterscheidet starkes und schwaches Denken. Ersteres gehöre der Vergangenheit an. Wer wolle heute noch freiwillig Kommunist sein und vom neuen Menschen träumen? Die vermeintlichen starken Denker von heute, die rechten Identitären und die Islamisten, wären doch das eigentliche Problem. Wer dagegen sein eigenes Denken als schwach begreife, wisse um die Vorläufigkeit der eigenen Position. Schwaches Denken bedeute auch, dass man um seine eigene Manipulierbarkeit wisse und deswegen bestrebt sei, die eigene Blase zu verlassen.

Besonders aufschlussreich finde ich den Hinweis Wiebickes, dass wir verlernt hätten, in einer gemeinsamen Welt zu leben, und dass deshalb öffentliches Sprechen so wichtig sei. Zwar habe sich die postmoderne Linke jahrzehntelang mit großer Leidenschaft der Sprachpolitik gewidmet; sie habe darüber aber ihr Kernanliegen, die soziale Frage, aus den Augen verloren.

Wiebecke sagt wörtlich – Zitat –: Sie hat Unterstriche und Sternchen in Substantive eingebaut, um eine gendergerechte Sprache zu erfinden – ein reines Eliteprojekt.

Meine Damen und Herren, ich stimme Wiebecke zu, wenn er feststellt, dass demokratiebezogen das größte Defizit darin liege, dass zu viele den Eindruck hätten, auf sie käme es nicht an. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu werben, dass die Menschen als Bürger ihre, unsere gemeinsame Gesellschaft mitgestalten wollen, und zwar ganz konkret. Es geht um Partizipation. Die Antwort auf die Krise der Demokratie kann nur sein: mehr Demokratie. Für uns Politiker heißt das: Erst zuhören, dann entscheiden und handeln.

Gemeinhin sagt man, das Gegenteil von gut sei gut gemeint. Ihr Antrag für ein Demokratiefördergesetz ist beim besten Willen leider nur gut gemeint; deswegen müssen wir ihn ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Dr. Nacke. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Kutschaty.

Thomas Kutschaty (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den Beratungen des Ausschusses ist mir ein Satz besonders hängengeblieben. Da wurde gesagt: Als Demokrat wird man nicht geboren. – Das ist, so glaube ich, durchaus richtig. Das verlangt eine gute Erziehung, eine dauerhafte Bildung und viel tagtägliche Arbeit, um demokratische Strukturen zu erlernen und dann auch zu leben.

Ich bin halbwegs zufrieden, dass wir uns nach dem Antrag der SPD im Ausschuss, aber auch hier im Plenum mal wieder mit dem Thema „Demokratieförderung“ beschäftigt haben. Aber lassen Sie uns nicht nur darüber reden, lassen Sie uns auch handeln! Umso besser wäre es, wir würden auch diesen Antrag gemeinsam beschließen.

Wir reden in diesen Tagen sehr viel über Sicherheit, auch über das Sicherheitsgefühl der Menschen. Besonders die verschiedenen Ausformungen des Extremismus bedrohen unsere Demokratie. Viele Menschen haben Angst, Opfer von extremistischen Anschlägen zu werden. Eines will ich deutlich sagen: Es sind dies auch Anschläge auf unser freiheitlich-demokratisches Zusammenleben. Es sind Anschläge auf unsere Demokratie. Sie zielen auf das, was den Kern unserer Gesellschaft ausmacht.

Insbesondere die Innenpolitiker hier im Landtag beschäftigen sich schon seit Längerem mit der Bedrohung durch extremistische Täter und der Frage, wie man effektiv dagegen vorgehen kann. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Mehr Polizei, mehr Justiz und höhere Strafen alleine reichen dazu nicht aus. Das wird einen Selbstmordattentäter mit einem Sprengstoffgürtel sicher nicht davon abhalten, ein Attentat zu begehen.

Deswegen ist es wichtig, dass wir an die Ursachen, an die Entstehung von Extremismus herangehen. Wir müssen erforschen, was die Menschen dazu bringt, sich in die Fänge von Extremisten zu begeben. Wir müssen insbesondere junge Menschen abholen, noch bevor sie dort gelandet sind. Wenn junge Menschen in der Findungsphase sind, ihren Platz in der Gesellschaft suchen, dann sind sie natürlich besonders anfällig für solche extremistischen Ideen – gleich welcher Art des Extremismus, ob links, ob rechts oder ob salafistisch motiviert.

Umso differenzierter muss die Ansprache bei den betroffenen Gruppen erfolgen. Während wir beispielsweise im Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus über viele Jahre eine Menge Erfahrungen gesammelt haben, sind in den letzten Jahren neue Herausforderungen hinzugekommen, insbesondere durch den islamistischen Terrorismus. Da sind unsere Kenntnisse sicherlich noch weiter auszubauen.

Wichtig ist, dass sich Vereine, Verbände und Experten mit diesem Thema auseinandersetzen können. Da knüpfe ich an das an, was Frau Müller-Witt und Frau Schäffer völlig zu Recht gesagt haben. Die Anlaufstellen, die sich mit solchen Projekten und solchen Maßnahmen beschäftigen, brauchen Planungssicherheit.

Es kann nicht sein, dass man nur für drei Jahre oder maximal fünf Jahre eine Fördersicherheit hat und dann sein Programm umstricken muss, um eine neue Förderung zu bekommen. Da ist keine Kontinuität gewährleistet. Das aber ist doch das Mindeste, was wir vonseiten der Politik den Menschen, die sich in diesem Bereich engagieren, zurückgeben müssen.

Noch eines hängt untrennbar mit dem Begriff „Demokratie“ zusammen, und das dürfen wir nicht vergessen: der gesellschaftliche Zusammenhalt. Teilen in unserem Land – das geht bis in den rechten Bereich dieses Parlaments, wie wir gerade gehört haben – ist die Vorstellung einer geeinten Gesellschaft zuwider, weil damit ihr Geschäftsmodell zerstört würde. Es gibt Menschen, die diese Gesellschaft spalten wollen.

(Zuruf von Andreas Keith [AfD])

Eine Spaltaxt kann man erfolgreich jedoch nur in einen toten Baum treiben. Deswegen ist es wichtig, unsere Demokratie jetzt und auch für die nachfolgenden Generationen lebendig zu halten. Wir müssen täglich unter Beweis stellen, wie lebendig Demokratie ist, wie vielfältig, wie begeisternd und wie anstrengend, aber auch wie schwierig sie manchmal sein kann. Demokratie ist eben mehr, als wählen zu gehen. Demokratie ist auch Debatten-, Diskussions- und Streitkultur.

Deswegen müssen wir insgesamt den gesellschaftlichen Zusammenhang stärken, damit wir auch verhindern, dass Menschen sich radikalisieren, unsere freie und offene Gesellschaft als Bedrohung sehen oder ihr gar den Krieg erklären.

Wenn wir Demokratie, Toleranz, aber auch den Respekt vor den anderen fördern, dann beugen wir Radikalisierung vor. Jeden Cent, den wir dafür investieren, sparen wir später ein. Prävention ist um ein Vielfaches günstiger und nachhaltiger.

In dieser Debatte ist von Teilen meiner Vorredner viel dazu gesagt worden, warum wir ein Demokratiefördergesetz brauchen. Angesichts der aktuellen Herausforderungen und Bedrohungslagen halte ich ein bundesweit koordiniertes Vorgehen für zwingend notwendig – nicht nur im Bereich der Repression, sondern auch im Bereich der Prävention. Genau hier setzt die Demokratieförderung an.

Einem so großen Land wie Nordrhein-Westfalen steht es gut zu Gesicht, hier eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Wir brauchen uns hier nicht zu verstecken. Wir haben seit einigen Jahren erfolgreiche Landesprogramme auf den Weg gebracht, die dankenswerterweise in vielen Teilen von der jetzigen Landesregierung fortgesetzt und fortgeführt werden, wie zum Beispiel das Projekt „Wegweiser“.

Lassen Sie uns heute dafür sorgen, dass alle Maßnahmen in diesem Bereich eine langfristige Unterstützung, eine langfristige Planungssicherheit bekommen. Lassen Sie uns gemeinsam als Landtag von Nordrhein-Westfalen hierfür auch auf der Bundesebene werben. Lassen Sie uns also gemeinsam einen wichtigen Schritt für den Zusammenhalt in der Gesellschaft und gegen Rechtsextremismus, Linksextremismus sowie alle anderen Formen des Extremismus gehen! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kutschaty. – Für die AfD-Fraktion hat nun Herr Beckamp das Wort.

Roger Beckamp (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der heutigen Debatte zum Thema „Demokratieförderung“ fällt zunächst einmal auf, dass die SPD das Thema für so wichtig hält, dass sie die meiste Zeit mit weniger Leuten im Raum vertreten ist als zum Beispiel die AfD. Das zeigt, wie wichtig das Thema für Sie ist.

Es fällt auch auf, dass Sie in Ihrem Antrag immer wieder das Wort „Zivilgesellschaft“ bemühen. Wenn Sie dieses Nebelwort anführen, dann heißt es: Aufgepasst! „Zivilgesellschaft“ ist dann ein bunter, kreativer Verein wie zum Beispiel die Amadeu Antonio Stiftung. Das ist eines von vielen Netzwerken, die Sie seit Jahren mit Geld füttern – ganz genau eines der Netzwerke, die wir trockenlegen möchten. Das, was Sie vorhaben, ist keine Demokratieförderung. Sie versuchen schlichtweg, öffentliches Geld in eine Jobmaschine für das links-grüne Spektrum zu stopfen.

(Beifall von der AfD)

Das ist ein Problem. Genau deswegen gibt es uns. Genau deswegen sitzen wir hier, und genau deswegen haben wir erst kürzlich eine Große Anfrage gestellt, die sich mit dieser Problematik befasst: mit Linksextremen, mit dem links-grünen Spektrum und all den öffentlichen Mitteln, die dort missbraucht werden.

Wenn es Ihnen wirklich um Demokratieförderung ginge, wäre das völlig unproblematisch. Das geht ganz schnell, und Sie sitzen direkt am Hebel. Sagen Sie doch einmal den Herrschaften, die das „Netzwerkzersetzungsgesetz“ erfunden haben, dass das nicht gut und demokratiefeindlich ist, dass man das sein lassen soll. Das verengt den Meinungsdiskurs. Das ist feindlich gegenüber allem, was Demokratie bedeutet.

Überlegen Sie doch einmal, ob es vielleicht mehr Demokratie bedeutete, wenn wir direkte Demokratie zulassen würden. Sorgen Sie dafür, dass Volksabstimmungen stattfinden können, vor allem im Bund, zum Beispiel über Masseneinwanderung, über die Eurorettung oder auch über den EU-Beitritt der Türkei, die gerade mit ihren islamischen Steinzeitkriegern Afrin im Blut versinken lässt. Das wäre Demokratieförderung. Das wäre eine Diskurserweiterung, die dringend benötigt wird.

(Beifall von der AfD)

Ganz einfach, ganz konkret und ein ganz kleiner Schritt wäre es auch gewesen, eine Aktuelle Stunde zuzulassen, die wir zum Thema „Kurden und Türken“ beantragt hatten, zu dem Problem einer Multikonfliktgesellschaft, die Sie herbeigeführt haben. Darüber wollten wir sprechen. Das haben Sie – ich habe es bis heute nicht verstanden – mit rechtswidrigen Maßnahmen verhindert, weil Sie schlichtweg einen Machtklüngel im Präsidium haben

(Matthias Kerkhoff [CDU]: Was?)

und das einfach als unzulässig abgelehnt haben. Das werden wir rechtlich prüfen lassen.

(Henning Höne [FDP]: Das lassen Sie mal rechtlich prüfen!)

Leider müssen wir für die fehlende Demokratie manche Dinge einfach rechtlich angehen. – Vielen Dank für Ihr Gehör.

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Soweit ich das sehe, liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt in Drucksache 17/2172, den Antrag Drucksache 17/508 abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 17/508 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung.

Wer diesem Beschlussvorschlag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD und die Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind CDU, FDP, AfD und der anwesende fraktionslose Abgeordnete. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/508 abgelehnt.

Ich rufe auf:

9   Fragestunde

Drucksache 17/2200

Mit der Drucksache 17/2200 liegen Ihnen die Mündlichen Anfragen 11, 12 und 13 vor. Ich rufe die

Mündliche Anfrage 11

der Abgeordneten Wibke Brems von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf:

Stimmt die Landesregierung einem Transport der 152 Castoren aus Jülich nach Ahaus zu?

Laut „Aachener Zeitung“ vom Freitag, dem 16. März 2018, wurde in einer Kommission von Bundes- und Landesministerien Einigung darüber erzielt, dass die 152 Castorbehälter, die aktuell ohne Genehmigung in Jülich eingelagert werden, ab 2019 in das Zwischenlager nach Ahaus transportiert werden sollen. Die zwei weiteren bisher in der Prüfung befindlichen Alternativen, der Bau eines neuen Zwischenlagers in Jülich oder der Export in die USA, wären damit vom Tisch.

Ein Export in die USA ist rechtlich zweifelhaft und muss auch wegen der Gefahr, dass das wiederaufbereitete Material zum Bau von Atomwaffen verwendet werden könnte, abgelehnt werden.

Der Bau eines Zwischenlagers in Jülich sollte dagegen – trotz einer nicht unerheblichen Bauzeit – ernsthaft geprüft werden, da das Zwischenlager in Ahaus nur über eine Genehmigung bis zum Jahr 2036 verfügt, die Castoren also mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut in ein weiteres Zwischenlager transportiert werden müssten.

Es wird berichtet, dass die Planungen vorsähen, bis Ende 2020 alle Castoren auf Lkw nach Ahaus zu transportieren. Bei angenommener Einzelabfertigung bedeutete dies einen Transport alle fünf Tage. Die Gewerkschaft der Polizei hat bereits deutlich gemacht, dass dies unter der aktuellen Personalausstattung ein unrealistisches Szenario sei.

Auch die Stadt Ahaus hält eine Einlagerung im Zwischenlager Ahaus für rechtswidrig und hat gegen die Anordnung des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), den Atommüll aus Jülich in Ahaus zwischenzulagern, Klage vor dem OVG Münster eingereicht. Ein Transport stünde also unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Entscheidung.

Daher frage ich die Landesregierung:

Welche Position vertritt die Landesregierung zum weiteren Verbleib der 152 in Jülich gelagerten Castorbehälter?

Ich darf vorsorglich darauf hinweisen, dass die Landesregierung in eigener Zuständigkeit entscheidet, welches Mitglied der Landesregierung eine Mündliche Anfrage im Plenum beantwortet. Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Professor Dr. Pinkwart auf die vorliegende Mündliche Anfrage antworten wird. – Ich erteile Herrn Minister Professor Dr. Pinkwart das Wort.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Abgeordnete Brems! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die 152 Castorbehälter mit den Brennelementen aus dem AVR-Versuchsreaktor werden im sogenannten AVR-Behälterlager auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich aufbewahrt. Betreiber des Lagers ist das Bundesunternehmen Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen GmbH, kurz: JEN. Die JEN ist eine Tochter der Entsorgungswerk für Nuklearanlagen GmbH, kurz: EWN. Alleiniger Gesellschafter der EWN ist das Bundesministerium der Finanzen.

Die für die Aufbewahrung erforderliche Genehmigung wurde im Jahr 1993 durch das Bundesamt für Strahlenschutz, eine dem Bundesministerium für Umwelt nachgeordnete Behörde, für einen auf 20 Jahre befristeten Zeitraum erteilt.

Im Jahre 2013 ist die Befristung der Aufbewahrungsgenehmigung ausgelaufen. Der JEN als der atomrechtlich verantwortlichen Betreiberin des Zwischenlagers ist es nicht gelungen, rechtzeitig eine erneute Aufbewahrungsgenehmigung beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit, kurz: BfE, zu erwirken.

Wegen der fehlenden Aufbewahrungsgenehmigung hat das Wirtschaftsministerium als zuständige Atomaufsicht für das Land Nordrhein-Westfalen ihre im Atomgesetz zugewiesene Kompetenz wahrgenommen und die unverzügliche Entfernung der Brennelemente aus dem genehmigungslosen Zwischenlager angeordnet.

Der Adressat dieser Anordnung war im Jahre 2014, als sie ausgesprochen worden ist, die atomrechtlich verantwortliche Betreiberin des Zwischenlagers, die bundeseigene JEN.

Die JEN verfolgt seitdem die Ihnen bekannten drei Optionen: Neubau eines Zwischenlagers am Standort Jülich, Rückführung in die Vereinigten Staaten von Amerika und Transport in das Zwischenlager Ahaus.

Es ist einzig und allein Aufgabe der bundeseigenen JEN, die rechtlichen und technischen Voraussetzungen für die Realisierung einer dieser Optionen zu schaffen. Zu den rechtlichen Voraussetzungen zählen Genehmigungen für die Handhabung und Verladung der Behälter im Lager in Jülich, für die Aufbewahrung in einem anderen zugelassenen Lager, für Beförderungsvorgänge oder für die Ausfuhr der Brennelemente außer Landes.

Die Zuständigkeit der Landesatomaufsicht ist einzig für die Genehmigung im Bereich der Verladung der Castorbehälter in Jülich selbst gegeben. Sämtliche anderen genannten Genehmigungen sind von Bundesbehörden zu erteilen.

Da für keine Option die formalen und technischen Voraussetzungen existieren, werden weiterhin alle drei Optionen von der JEN verfolgt. JEN konnte bislang keine Festlegung für oder gegen eine der drei von mir eben genannten Optionen treffen. Insofern sind auch aktuelle Medienberichte unzutreffend, wenn dort gemutmaßt wird, es sei eine Entscheidung – von wem auch immer – getroffen worden, dass die Behälter in das Zwischenlager nach Ahaus transportiert werden sollen.

Auf die konkrete Frage von Frau Abgeordnete Brems: „Welche Position vertritt die Landesregierung zum weiteren Verbleib der 152 in Jülich gelagerten Castorbehälter?“, kann ich vor dem Hintergrund der von mir eben gegebenen Sacherläuterung zusammenfassend antworten:

Erstens. Für den weiteren Verbleib der Castoren im heutigen Behälterlager in Jülich fehlt es seit 2013 an der förmlichen Genehmigung. Daher hat die Atomaufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen – noch zu Ihrer Regierungszeit, möchte ich ergänzen – die unverzügliche Entfernung der Kernbrennstoffe angeordnet.

Zweitens. Atomrechtlich verantwortlich ist die JEN. Sie muss der Anordnung nachkommen. Sie verfolgt dazu drei verschiedene Optionen, die heute sämtlich noch nicht entscheidungsreif sind und Ihnen eben von mir dargelegt worden sind.

Drittens. Der Bund als alleiniger Anteilseigner hat hier eine besondere Verantwortung, unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, eine gesetzeskonforme und technisch sichere Perspektive für den Verbleib der Jülicher Castoren zu schaffen.

Unmittelbar nach Ernennung der neuen Bundesministerrinnen und Bundesminister, die hier unmittelbar in Verantwortung stehen, habe ich die Bundesforschungsministerin, die Bundesumweltministerin und den Bundesminister der Finanzen in persönlichen Schreiben auf ihre Verantwortlichkeiten entsprechend ihrer jeweiligen Funktion hingewiesen.

Ich hoffe sehr, dass der Bund insgesamt seiner Verantwortung alsbald nachkommt, damit der Kernbrennstoff aus dem AVR-Versuchsreaktor, der eben nicht aus der Welt zu schaffen ist, entweder im Rahmen einer Genehmigung zwischengelagert oder aber in das Herkunftsland USA zurückgeführt wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Präsident André Kuper: Eine erste Nachfrage von der Kollegin Brems.

Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank. – Herr Minister, ich habe die Nachfrage, bis wann nach Ihrer Kenntnis die Prüfung der drei Alternativen, die Sie gerade benannt haben, abgeschlossen sein wird.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Frau Abgeordnete Brems, wir haben hier die Situation, dass der Bund, also die JEN und die sie tragenden Bundesministerien, unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, Lösungen zu erarbeiten hat. Ich denke, diese Verantwortung wird dort auch gesehen und wahrgenommen.

Aber alle drei Optionen haben ihre Herausforderung, weisen Probleme in ihrer rechtlichen und technischen Umsetzung auf. Erst dann, wenn es eine Lösung gibt, die allen Anforderungen standhält, kann sie vereinbart werden. Wir sind im Interesse einer verantwortungsvollen Regelung natürlich an einer möglichst schnellen Lösung interessiert. Ich denke, das Hohe Haus wird das auch sein. Aber das muss ordentlich vorbereitet werden. Das können wir nicht absehen.

Es hat ja, wenn Sie das einmal rückwirkend betrachten – wir sind jetzt schon im Jahr 2018 –, bereits einiger Jahre bedurft, um diese Optionen zu überprüfen. Es ist noch keine Entscheidung getroffen worden. Wir hoffen sehr, dass die neue Bundesregierung einen kraftvollen Anlauf nimmt und die beteiligten Ministerien zu einer baldigen Sachentscheidung kommen.

Wir jedenfalls werden alles tun, um die Voraussetzungen im Land Nordrhein-Westfalen dafür zu schaffen, dass es eine für Mensch, Umwelt und die Belange in Fragen der Sicherheit, um die es hier geht, tragfähige Lösung gibt.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Zu ihrer ersten Zusatzfrage hat Frau Abgeordnete Schäffer das Wort.

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Zum Stichwort „Sicherheit“ würde ich gern noch einmal nachhaken. Bei zwei Optionen – sowohl beim Export in die USA als auch beim Transport nach Ahaus – würde ein Transport der 152 Castoren anstehen.

Die Gewerkschaft der Polizei hat bereits sehr deutlich gesagt, dass es aus ihrer Sicht ein völlig unrealistisches Szenario und nicht zu bewältigen ist, die Sicherheit bei diesen Castortransporten zu gewährleisten. Ich hätte gern eine Einschätzung dazu, wie die Landesregierung bei solchen möglichen Transporten, die bei zwei Optionen anstehen würden, für die Sicherheit sorgen will.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrte Frau Abgeordnete! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, dass alle in dieser Frage beteiligten Bundeseinrichtungen und auch das Land Nordrhein-Westfalen Wert darauf legen, dass bei allen Verfahren, die dort geprüft werden, auch solche Aspekte einbezogen werden und dass nur eine positive Entscheidung für eine dieser Optionen getroffen werden kann, wenn die Voraussetzungen, die Sie zu Recht ansprechen, gewährleistet werden können. Alles andere würde hier wohl auch niemand verstehen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist doch keine Antwort!)

Ich will noch ergänzen: Zu Ihrer Regierungszeit sind alle drei Optionen schon Gegenstand der Prüfung gewesen. Keine wurde ausgeschlossen, sondern sie wurden geprüft und …

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

– Ich will es ja nur erwähnt haben. Es ist ja nicht so, dass wir das Problem erst seit gestern zu lösen hätten. Sie haben sich sieben Jahre lang damit beschäftigt und keine Lösung herbeigeführt. Das will ich nur der guten Ordnung halber erwähnt haben. Alle drei Optionen standen im Raum, und alle drei Optionen sind immer nebeneinander geprüft worden – natürlich auch die Frage der Sicherheit von Transportwegen.

Wenn ich richtig informiert bin – Herr Präsident, ich sage das nur unter Vorbehalt –, wurden im Spät-herbst 2016 noch rechtzeitig von einem Bundesamt ergänzende Auflagen für mögliche Transporte kurzfristig ins Spiel gebracht, um möglicherweise weitere Entscheidungen vor der Wahl etwas weniger wahrscheinlich werden zu lassen.

Wir werden sehen. Die Dinge sind über all die Jahre hinweg sachbefasst behandelt worden, und ich bin ganz sicher, dass sie auch weiterhin sachlich vernünftig bearbeitet werden.

Wir werden alles tun, was wir können – das gilt auch für den Innenminister –, wenn solche Themen zu diskutieren sind. Nordrhein-Westfalen verfügt seit Jahrzehnten über viel Kompetenz, die wir einbringen werden.

Ich will Ihnen nur sagen – auch im Interesse der Menschen in unserem Land –: Jülich ist aufgrund der Erdbebengefahr nicht zwingend ein völlig sicherer Standort. Dort die Castoren lange in einer nicht genehmigten Zwischenlagerung zu belassen, halte ich nicht für verantwortungsvoll. Das möchte ich hier ganz klar zum Ausdruck bringen.

(Beifall von der FDP – Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die Fraktion der Grünen hat sich zu einer ersten Zusatzfrage die Kollegin Düker gemeldet.

Monika Düker (GRÜNE): Danke schön. – Herr Minister, meine Frage knüpft an Ihr letztes Stichwort „Erdbebensicherheit“ an. Das wird ja nun nicht erst seit gestern geprüft. Unabhängig von der jeweiligen politischen Zusammensetzung einer Regierung – das kann man für alle hier sagen –, soll und muss es eine möglichst sichere Lösung geben. Sie haben es erklärt: Alle drei Lösungen weisen erhebliche rechtliche und technische Probleme auf.

Wenn man den Transport vermeiden und die Verbleibslösung – Sie haben es benannt – angehen will, sage ich: Die Frage der Erdbebensicherheit, die nicht erst seit gestern in der Welt ist, muss nun geprüft werden. Wir müssen endlich in die Gänge kommen, um überhaupt mit den Planungen anfangen zu können.

Meine Frage an Sie: Wie weit sind diese Prüfungen, ein Zwischenlager am Standort selbst zu errichten, gediehen? Abgeschlossen scheinen sie ja noch nicht zu sein. Wie ist der Stand? Ist die Frage der Erdbebensicherheit denn nun endlich abschließend geprüft worden?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Frau Abgeordnete, nach den mir vorliegenden Informationen sind die seismologischen Verhältnisse bislang nicht abschließend geklärt. Es sind allerdings von der JEN konservative Schätzungen vorgenommen worden, auch für die Abschätzung eines möglichen Neubaus am Zwischenlagerstandort Jülich.

Um Ihnen einen Eindruck zu verschaffen: Soweit mir die Informationen dazu vorliegen, würde ein Neubau inklusive der Genehmigungsverfahren, die für einen solchen Neubau notwendig wären, mindestens zehn Jahre dauern – immer unter der Prämisse, dass die noch nicht hinreichend geklärten seismologischen Fragen ausgeräumt bzw. positiv beantwortet werden können.

Wenn sich der Bund zeitnah in 2018 dafür entscheiden würde, müssten Sie also nach den mir vorliegenden Informationen zehn Jahre warten, bis auf dem Gelände Jülich eine sichere Zwischenlagerung vorgenommen werden könnte, wobei die Sicherheit einer solchen Zwischenlagerung immer noch unter dem Vorbehalt der noch nicht abgeschlossenen seismologischen Überprüfung und Unsicherheit stände. Das wäre eine erheblich längere Phase einer nicht sehr komfortablen Zwischenlagerung der Castoren in Jülich.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die AfD hat sich der Abgeordnete Loose gemeldet.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Von einigen Personen wird bei der Rückführung der Brennelemente die Gefahr gesehen, dass das wiederaufbereitete Material zum Bau von Atomwaffen genutzt werden könnte.

Jetzt ist meine Frage: Halten Sie es ebenfalls für problematisch, wenn wir die Brennelementekugeln an unseren NATO-Partner USA, der bereits über zahlreiche Atomwaffen verfügt, zurückführen würden? Ist die Rückführung aus Ihrer Sicht problematisch?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich mir darüber bislang noch keine Gedanken gemacht habe. Ich habe diese Frage auch mit unseren Fachexperten aus der Atomaufsicht nicht diskutiert. Deswegen möchte ich darauf nicht so stark fachlich bezogen, sondern politisch antworten.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind gerade unter dem Gesichtspunkt des atomaren Sicherheitsschirms unser wichtigster Verbündeter. Ich würde es politisch so einschätzen, dass sie in dieser Fähigkeit nicht von unseren Atomrücklieferungen abhängig sind, sondern uns die militärische Sicherheit im Prinzip aus ganz anderen, eigenen Fähigkeiten heraus verleihen.

Nach meiner politischen Einschätzung können wir da insofern keinen Zusammenhang herstellen, sondern wir sollten rein zivil betrachten, welche möglichen Optionen es hier gibt, und abschätzen, ob das ein Weg sein kann, der ja auch mit Transporten und anderen Fragen verbunden wäre, die es auf der rein zivilen Ebene weiter zu klären gilt.

(Beifall von der FDP und Christian Loose [AfD])

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Eine weitere Zusatzfrage von der Abgeordneten Brems.

Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank. – Herr Minister Pinkwart, Sie haben gerade ausgeführt, dass ja eigentlich der Bund zuständig sei. Aber Sie werden natürlich in die entsprechende Entscheidungsfindung einbezogen. Deswegen habe ich die konkrete Nachfrage an Sie, wie denn der weitere Prozess zur Entscheidungsfindung über eine der drei möglichen Optionen weiter geplant ist.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Abgeordnete Brems! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte es Ihnen ja deutlich gemacht. Wir haben ganz klar gesagt – schon die Vorgängerregierung –, dass hier unverzüglich eine Lösung erfolgen muss.

Ich habe Ihnen eben dargelegt, dass ich die neuen Bundesminister erneut darüber in Kenntnis gesetzt habe, dass es Teil ihrer Verantwortung ist, sich auf diese Aufgabenstellung einzustellen und ihr auch nachzukommen.

Die JEN ist eine bundeseigene Gesellschaft. Der Bund hat hier die Federführung und die Verantwortung. Ich habe keinen Zweifel, dass die neuen Bundesminister und die ihnen zugeordneten Beamtinnen und Beamten sehr verantwortungsvoll – wie auch unter der Vorgängerregierung – mit dieser Aufgabe umgehen werden. Ich kann nur der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es gelingt, diesen Knoten, den wir ganz offensichtlich seit Jahren haben, schneller aufzulösen, als es bisher gelungen ist.

Ich mache noch einmal darauf aufmerksam: Das ist auch im Interesse der Betroffenheit unserer Bevölkerung. Wenn wir das Thema ernst nehmen – und ich nehme es sehr ernst –, dann müssen wir das auch mit Blick auf eine solche interimistische Lösung, die wir im Moment haben, tun und uns darum bemühen, eine sicherere Lösung zu finden. Ich bin fest davon überzeugt, dass die neue Bundesregierung das jetzt mit dem notwendigen Ernst und der notwendigen Nachdrücklichkeit angeht. Wir jedenfalls werden alles tun, um sie dabei zu unterstützen.

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Für die Grünen hat sich der Abgeordnete Remmel nun zu Wort gemeldet.

Johannes Remmel (GRÜNE): Schönen Dank für die Möglichkeit, nachzufragen. Ich habe einfach eine Wissensfrage. Wer ad personam ist denn in den entsprechenden Aufsichtsgremien der JEN GmbH – so heißt sie jetzt, glaube ich – vonseiten der Landesregierung vertreten, und für welche Position stehen die Vertreter der Landesregierung dort?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Ich kann Ihnen die Namen nachreichen, ich habe sie jetzt nicht vorliegen.

Jedenfalls vertreten die Vertreter des Landes in dem Gremium die Haltung, die die Landesregierungen dazu jeweils auch vertreten haben – in der Vergangenheit wie auch heute. Das halte ich für selbstverständlich. Das ist die von mir hier eben vorgetragene.

(Zuruf)

– Das sind die von mir eben vorgetragenen Haltungen. Die werden von den Vertretern, die wir in die Gremien entsenden, genauso vertreten, wie ich sie Ihnen hier vorgetragen habe. Ich denke, das war in der Vergangenheit nicht anders.

Die Namen gebe ich Ihnen noch.

Präsident André Kuper: Eine weitere Zusatzfrage kommt erstmalig von dem Abgeordneten Bolte-Richter.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, Sie haben jetzt sehr oft auf die neue Bundesregierung abgehoben. Seit Ihrem Amtsantritt hatten Sie ja schon ein paar Monate Zeit, um mit einer alten bzw. einer geschäftsführenden Bundesregierung über dieses Thema zu sprechen.

Deshalb ist meine Frage: Gab es seitens der Landesregierung mit der alten bzw. geschäftsführenden Bundesregierung Gespräche über diese Thematik? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Ja, Herr Abgeordneter, natürlich hat es dazu schon Gespräche gegeben, unter anderem am 1. Dezember mit den zuständigen Bundesministerien, mit dem Finanzministerium Nordrhein-Westfalen, dem Innenministerium Nordrhein-Westfalen, dem Umweltministerium Nordrhein-Westfalen, dem BfE, der JEN und auch meinem Haus.

Es hat eine weitere Besprechung zu dem Thema am 15. März dieses Jahres gegeben, auch wieder mit den beteiligten Häusern.

Ich habe für die Vorbereitung meiner Rede jetzt nicht alle Besprechungen aufgezeichnet, die zu Ihrer Regierungszeit stattgefunden haben, aber das können wir gerne nachreichen.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Für die AfD hat zu einer zweiten und letzten zulässigen Frage Herr Loose das Wort.

Christian Loose (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sie hatten im Oktober auf meine Anfrage geantwortet, dass die Lagerkosten bei etwa 5,5 Millionen € pro Jahr liegen, dass der Bund 70 % davon finanziert und das Land 30 %. Wie wären die finanziellen Auswirkungen für das Land NRW bei den jeweiligen drei Optionen, die Sie genannt haben?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Sehr geehrter Abgeordneter! Das kann ich im Moment nicht darstellen. Ich kann versuchen, bei der JEN zu erfragen, ob dazu schon Kostenkalkulationen vorliegen. Sollten die vorliegen und auch für eine solche Unterrichtung des Parlaments zugänglich sein – das will ich einschränkend hinzufügen –, dann würde ich Sie darüber informieren.

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Zu einer zweiten und letzten Wortmeldung hat die Kollegin Düker das Wort.

Monika Düker (GRÜNE): Danke schön. – Stimmen Sie in der Abwägung und Prüfung der drei Optionen, Herr Minister, die nun hinlänglich dargestellt worden sind, mit mir überein, dass bei der Variante Ahaus nicht nur ein einmaliger Transport berücksichtigt werden muss, sondern, da Ahaus nur eine Genehmigung bis 2032 hat und bis dahin – das wissen wir nun – das Endlager nicht fertig sein wird, noch ein zweiter Transport, nämlich von Ahaus zu einem potenziellen neuen Zwischenlager und von diesem – was ja noch keiner weiß – dann zu einem neuen – das wissen wir auch noch nicht – Endlager?

Ist die gesamte Transportkette in der Prüfung, oder denkt man nur bis 2032 nach dem Motto „Dann wird uns schon etwas Neues einfallen“?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Die Prüfung der Optionen bezieht auch solche Aspekte ein. Gleichwohl sehen wir natürlich auch, wenn ich mir diese politische Bemerkung erlauben darf:

Was wir uns in Deutschland leisten – das sage ich sehr politisch –, dass wir es nicht fertig bringen, uns in absehbaren Zeiträumen auf Endlager zu verständigen – daran hat so manche Partei im Hohen Haus ihren Anteil –,

(Monika Düker [GRÜNE]: Ja!)

erleichtert die Lösungsfindung nicht und ist auch für die beteiligten Bundesländer, für den Bund, für die Bürgerinnen und Bürger eine Dauerbelastung. Ich wünschte mir sehr, dass der Bund seine Prüfungen viel schneller zu einem Abschluss führt.

Ich wünschte mir, dass die Parteien, ob im Land oder im Bund, die politische Kraft aufbrächten – die Mehrzahl der Fraktionen im Hohen Haus hat in Nordrhein-Westfalen schon einmal Verantwortung getragen, auch für dieses Problem –, solche Themen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger überparteilich so zu lösen, dass sie einer verträglichen, dauerhaften und nachhaltigen Lösung zugeführt werden können.

(Beifall von der CDU)

Das setzt ein Stück Ehrlichkeit voraus. Wir müssten uns Gedanken darüber machen, wie wir mit solchen Situationen verantwortlich umgehen: Wollen wir so lange Schwebephasen, wie wir sie haben, noch länger zulassen?

Ich sage Ihnen ganz ernsthaft: Ich halte das nicht für richtig. Wir müssen viel entschlossener sein und auch zusammenstehen, wenn es um so etwas geht. Ob es ein Neubau ist, ob es ein Transport ist – alles hat Probleme. Dann, wenn man sich unter Abwägung für eine Lösung entscheidet, sollte eine breite Mehrheit im Haus bereit sein zu sagen: Ja, die Lösung tragen wir mit. – Das würde vieles erleichtern, auch in der Umsetzung.

Für die nächsten Wochen und Monate wünschte ich mir – ich hoffe, dass es nur Wochen und Monate und keine Jahre sein werden; aber wir werden es sehen, ich weiß es nicht –, dass wir im Hohen Haus auch zwischen Regierung und Opposition die Kraft finden, zu versuchen, gemeinsam eine Lösung mitzutragen, wenn sie gefunden wird. Das würde vielen helfen, die in der Umsetzung involviert sind, und uns helfen, das in verantwortlicher Weise durchführen zu können. Ich würde mir das sehr wünschen. Wir werden sehen, ob wir das herstellen können.

Wir jedenfalls – das kann ich Ihnen versichern – sind sehr um Transparenz bemüht und möchten Ihnen deutlich machen, wo die Argumente liegen. Dann aber müssen wir, finde ich, auch zusammenstehen und denen Rückhalt geben, die letztlich die operativen Aufgaben im Auftrag des Bundes durchführen müssen. – Vielen Dank.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächsten Fragesteller habe ich zur zweiten und letzten Zusatzfrage Herrn Abgeordneten Remmel.

Johannes Remmel (GRÜNE): Schönen Dank. Ich möchte gern da anknüpfen, wo Sie gerade aufgehört haben. Gemeinsam getragene Lösungen setzen transparente Informationen und abschließende Informationen voraus.

(Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Klar!)

Sie selber haben darauf hingewiesen, dass die Gutachten über die Erdbebensicherheit noch nicht endgültig vorliegen und noch nicht abgeschlossen sind. Gibt es irgendeinen Zeitpunkt, bis zu dem Sie die Klärung dieser Frage erwarten?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Remmel! Meine Damen und Herren! Ich kann nur wiederholen: Wir brauchen bald abschließende Bewertungen dieser drei Alternativen, sonst können wir nicht entscheiden. Ich hoffe, dass wir bald eine solche Entscheidungsvorlage erhalten werden und der Bund den Druck auf die dort Verantwortlichen erhöht, diese Untersuchungen schnell abzuschließen.

Wir werden alles, was wir tun können und müssen, tun. Ich habe Ihnen dargelegt, wie eng unser genehmigungsrechtlicher Einfluss ist. Ich versichere Ihnen: Alles, was wir selbst genehmigungsrechtlich auf dem Gelände Jülich zu tun haben, werden wir sehr schnell zur Verfügung stellen. An uns wird es nicht liegen. Wir sind auf die JEN angewiesen. Wir sind auf die Kollegen des Bundes angewiesen. Ich bin aber zuversichtlich, dass diese Fragen jetzt einer schnellen Beantwortung zugeführt werden können. Sobald das vorliegt, werden wir entsprechend unterrichten.

Präsident André Kuper: Danke, Herr Minister. – Eine weitere Wortmeldung gibt es von Frau Brems zur letzten, dritten Zusatzfrage.

Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, ich finde einige Ihrer Aussagen ein bisschen widersprüchlich. Einerseits sprechen Sie davon, dass diese drei Alternativen gleichberechtigt sind. Andererseits hörten sich einige Ihrer Aussagen danach an, dass für Sie persönlich der Verbleib in Jülich nicht so sehr infrage kommt. Deswegen habe ich die konkrete Nachfrage: Sind für Sie alle drei Alternativen wirklich gleichberechtigt oder haben Sie eine eigene Priorität?

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Frau Brems, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das nachfragen. Wir gehen da ohne Priorität herein. Wir sind auch nicht diejenigen, die vorrangig eine Entscheidung zu treffen haben. Wir werden mit einbezogen und sind an der Umsetzung zu beteiligen – in welcher Form auch immer. Das ist völlig klar. Genehmigungsrechtlich habe ich unseren Spielraum dargelegt. Ich gehe da sehr neutral rein.

Auf Nachfragen kann ich nicht sagen, ein Neubau in Jülich würde sich im Moment völlig problemlos darstellen. Genauso wenig wären der Transport nach Ahaus oder der Rücktransport in die Vereinigten Staaten problemlos. Das ist nicht der Fall. Alle drei Varianten haben ihre spezifischen Probleme und offenen Fragen. Sonst wären die Fragen ja schon beantwortet.

Zu den offenen Fragen eines Zwischenlagers Jülich gehört unter anderem das Erdbebenproblem.

Das zweite Problem, was sich in der Abwägung stellt  – darauf habe ich Frau Kollegin Düker aufmerksam gemacht –, ist eben, dass wir, wenn dort neu gebaut werden müsste, von einem Zeitraum von mindestens zehn Jahren ausgehen müssen. Wenn ich diese Information habe, muss ich Sie ehrlicherweise auch auf diese Aspekte hinweisen.

Das heißt aber nicht, dass das für mich bedeutet, dass das keine Option wäre. Es ist natürlich eine, weil man abwägen muss, was denn die anderen Optionen sind und welche Probleme und Restriktionen sie aufweisen. Da das im Moment noch nicht abschließend zu beurteilen ist, sind für mich alle drei gleichrangig Gegenstand der Prüfung. Ich hoffe, dass man die Fragen bald abschließend beantworten kann und dass der Bund, die JEN als Bundesunternehmen, auch einen Vorschlag macht, mit welcher Begründung er welche dieser drei möglichen Lösungen präferiert und umsetzen möchte.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegt keine weitere Zusatzmeldung zu dieser Mündlichen Anfrage vor.

Daher rufe ich nun die

Mündliche Anfrage 12

des Abgeordneten Norwich Rüße von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf:

Erschwert die Landesregierung die Bekämpfung von Umwelt- und Lebensmittelkriminalität?

Umweltkriminalität gilt hinter Waffen-, Drogen- und Menschenhandel als das viertgrößte Verbrechen weltweit. Dies umfasst die Bereiche der Abfallwirtschafts- und der Lebensmittelkriminalität sowie all jene Handlungen, die gegen Vorschriften zum Schutz der Umweltgüter Boden, Wasser, Luft, Pflanzen und Tiere verstoßen.

Die Bekämpfung der Lebensmittelkriminalität richtet sich überwiegend nach den Schutzvorschriften des Lebensmittelschutzrechts.

Bei der Verfolgung und Ahndung von Straftaten im Bereich der komplexen und rechtlich anspruchsvollen Umwelt- und Lebensmittelkriminalität müssen Polizei, Justiz und Umweltverwaltungsbehörden eng zusammenarbeiten.

Um diese Zusammenarbeit besser organisieren und unterstützen zu können, wurde 2004 im nordrhein-westfälischen Umweltministerium die Stabsstelle Umweltkriminalität (später: „Umwelt- und Verbraucherkriminalität“) eingerichtet. Diese den Fachabteilungen übergeordnete und weisungsunabhängige Einrichtung übernahm wichtige Aufgaben der Koordinierung, Beratung und Unterstützung der beteiligten Stellen. Sie baute ein Netzwerk zu allen Einrichtungen, Behörden und Organisationen mit Berührungspunkten zum Bereich der Bekämpfung von Umweltkriminalität aus, versorgte diese mit den Informationen und nahm Hinweise entgegen. Die Stabsstelle erstattete selbst Strafanzeigen oder gab Stellungnahmen für Ermittlungs- und Strafverfahren ab.

Durch die Umorganisation des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV) wurde diese Stabsstelle durch die schwarz-gelbe Landesregierung kürzlich abgeschafft und die Zuständigkeiten auf zwei Fachreferate übertragen.

Frage:

Was waren die Gründe der Landesregierung für die Abschaffung der Stabsstelle „Umwelt- und Verbraucherkriminalität“?

Die Landesregierung hat angekündigt, dass Frau Ministerin Schulze Föcking auf die vorliegende Mündliche Anfrage antworten wird. Bitte, Frau Ministerin.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank für die Frage. – Um eins vorweg deutlich zu sagen: Ich habe dazu schon im zuständigen Ausschuss ausführlich ausgeführt, aber selbstverständlich wiederhole ich es hier noch einmal sehr gerne, weil ich finde, dass es wichtig ist, dass wir darüber ausgiebig sprechen, wenn ein solcher Vorwurf im Raum steht.

Die Aufgaben der bisherigen Stabsstelle Umweltkriminalität werden im Vergleich zur Situation bei Regierungsantritt nicht nur unverändert in meinem Hause wahrgenommen, sondern sie sind sogar erweitert worden. Die Entdeckung und Verfolgung von Umweltkriminalität und Verbraucherbetrug sind der Landesregierung sehr wichtig, weshalb wir insgesamt für eine höhere Schlagkraft gesorgt haben.

Bei Amtsantritt der Landesregierung war die Stabsstelle faktisch nur mit einer Person besetzt, deren Arbeitsschwerpunkt das Greifvogelmonitoring war. Die zweite, eigentlich für den Kampf gegen Verbraucherschutzkriminalität eingestellte Person war in diesem Bereich über Monate hinweg nicht tätig.

Mit unserer Organisationsentscheidung ist dies nun anders. Die Bekämpfung der illegalen Verfolgung von Greifvögeln und des illegalen Handels mit geschützten Arten erfolgt in der Naturschutzabteilung, also dort, wo eindeutig auch fachliche Bezüge zum Artenschutz bestehen. Mit der Bekämpfung des Lebensmittelbetrugs, die in der Verbraucherschutzabteilung angesiedelt wurde, haben wir einen, wie ich finde, wichtigen neuen Akzent gesetzt.

Die Bekämpfung der Verbraucherkriminalität ist damit jetzt erstmals überhaupt ein Thema in der operativen Arbeit des Ministeriums. Der Geschäftsverteilungsplan nennt hier die Mitwirkung bei Vorgängen des Ministeriums und des Geschäftsbereichs, bei denen konkrete Anhaltspunkte für betrügerische Praktiken im gesundheitlichen Verbraucherschutz bestehen.

Darüber hinaus gibt es die Abstimmung behördenübergreifender Maßnahmen in diesem Bereich, außerdem die Bewertung strafrechtlich relevanter Sachverhalte, die Auswertung einschlägiger Literatur und Rechtsprechung, den Aufbau und die Unterhaltung einer Netzwerkstruktur zu Einrichtungen, die Berührungspunkte zum Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes aufweisen.

Die Fachabteilung hat die Maßnahme wie folgt kommentiert: Durch die Umsetzung des Personals in die fachlichen Zusammenhänge konnten die Bereiche der betrügerischen Praktiken im Verbraucherschutz, im Tierschutz und in der Landwirtschaft deutlich gestärkt werden. Insbesondere konnte die enge Zusammenarbeit der verschiedenen zu beteiligenden Behörden strukturell verbessert werden. – Zitatende.

Alle übrigen Fragen zur Umweltkriminalität, die nicht in die beschriebenen fachlichen Zuständigkeiten der Linienorganisation fallen, werden vom Justiziariat des Ministeriums koordiniert. Der Geschäftsverteilungsplan benennt künftig ausdrücklich Grundsatzfragen der Umweltkriminalität und des Umweltstrafrechts sowie die Unterstützung der Fachabteilung bei Straftaten gegen die Umwelt.

In diesem Zusammenhang möchte ich ebenso klarstellen: Bei der Stabsstelle handelte es sich mitnichten um eine Strafverfolgungsbehörde, denn diese Aufgaben obliegen den Staatsanwaltschaften und der Polizei. Das ist damals bei der Einrichtung auch ausdrücklich festgehalten worden. Die Stabsstelle hat – Zitat – keine polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Befugnisse. – Die erwähnten Umwelt-skandale sind somit sachlich nicht durch die Stabsstelle, sondern durch die Umweltbehörden – etwa vom Landesamt oder durch die Bezirksregierungen – entdeckt und aufgeklärt worden.

(Beifall von der CDU)

Die Verfolgung dieser Delikte oblag den Strafverfolgungsbehörden, die dabei fachlich durch die Umweltverwaltungen, auch durch die Fachabteilungen meines Ministeriums, beraten wurden.

Ich fasse zusammen: Damit arbeiten in diesem Bereich heute je nach Bedarf mindestens zwei bis zu vier Beschäftigte statt wie vorher nur einer, und dies in drei Referaten und nicht, wie in der Mündlichen Anfrage dargestellt ist, in zwei Referaten. Zudem besteht auf Leitungsebene ein intensiver Austausch zu Fragen der Kriminalitätsbekämpfung mit dem dafür federführenden Innenministerium.

Abschließend sage ich gerne noch einmal: Die Entdeckung und Verfolgung von Umweltkriminalität oder von Verbraucherbetrug ist der Landesregierung sehr wichtig, weshalb wir insgesamt für eine höhere Schlagkraft gesorgt haben und das neu umgesetzt und weiterentwickelt haben. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich habe jetzt eine erste Wortmeldung zu einer ersten Zusatzfrage von Frau Schäffer.

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, danke schön für die Antwort. Die Stabsstelle Umweltkriminalität war bisher weisungsunabhängig und hat auch unabhängig agiert. Sie haben jetzt gesagt, dass die Zuständigkeiten auf die Fachabteilungen aufgeteilt wurden. Da stellt sich mir natürlich die Frage, ob die Weisungsunabhängigkeit jetzt auch für die Fachabteilungen gilt.

Präsident André Kuper: Frau Ministerin.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Liebe Kollegin Schäffer, selbstverständlich ist es uns ein Anliegen, dass nach wie vor sehr sauber und dementsprechend frei gearbeitet wird.

Im Moment ist es so, dass das, was vorher an Koordination bei der Stabsstelle lag, jetzt über das Justiziariat läuft, um dann weiter in die Fachabteilungen zu gehen. Sie halten bei entsprechenden Anliegen selbstverständlich Rücksprachen, auch mit der Hausspitze. Sie erhalten aber keinerlei Weisungen dergestalt, dass gesagt wird, es dürfe nicht weitergearbeitet werden – sofern Sie darauf hinauswollen. Auf gar keinen Fall!

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Zu einer ersten Zusatzfrage hat der Abgeordnete Rüße das Wort.

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie haben eben gesagt, es seien jetzt vier Personen, wenn ich es richtig verstanden habe, mit den Aufgaben betraut. Das seien ja mehr als zwei bzw. eine Person. Ich wüsste gerne von Ihnen, ob diese vier Personen vollumfänglich mit diesen Aufgaben betraut sind, sich also ausschließlich diesen Aufgaben widmen, die aus der Stabsstelle herausgenommen worden sind, und ob diese Personen konkret benannt sind, die diese Aufgaben übernommen haben.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Lieber Kollege Rüße, ich habe gesagt: zwei bis vier Personen. Zwei sind hier auch konkret benannt. Dann wird je nach Bedarf, was an Fällen bzw. Anfragen kommt, verteilt. Wichtig ist meiner Meinung nach für Sie, zu wissen, dass das die oberste Priorität hat. Wenn der Bedarf dafür vorhanden ist, wird im Haus dafür dementsprechend die Unterstützung gegeben.

Bei Antritt war es so, dass faktisch nur eine Person für diesen Bereich zuständig war bzw. die Arbeit geleistet hat. Dementsprechend wollten wir hier die Schlagkraft erhöht wissen; denn es ist uns selbstverständlich wichtig zu gewährleisten, dass die Umwelt sicher ist und wir all diesen Fällen, die da kommen, unterstützend nachgehen können.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Als Nächstes hat der Kollege Klocke das Wort.

Arndt Klocke (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie haben zu der Neuorganisation jetzt schon einiges gesagt. Trotzdem ist es mir nicht ganz plausibel. Ich erinnere mich an eine der letzten Sitzungen des Verkehrsausschusses, in der Ihr Kollege Wüst die Einrichtung der Stabsstelle „Dauerstau“ im Ministerium als großen Schritt nach vorne, als Aufwertung eines Themas vorgestellt hat. Die Einrichtung einer Stabsstelle stellt ja grundsätzlich, wenn man das in einem Haus konzentriert, eher die Aufwertung eines Themas dar. Sie stellen das jetzt so dar, dass die Abschaffung der Stabsstelle und die Neuorganisation die Aufwertung dieses Themas voranbringt.

(Bodo Löttgen [CDU]: Gibt es noch eine Frage?)

Könnten Sie das noch einmal erläutern? Mir ist es bis jetzt nicht klar, warum die Zerschlagung dieser Stabsstelle eine Aufwertung der Möglichkeiten in diesem Bereich …

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

– Entschuldigung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU. Ich stelle hier eine sachliche Frage.

(Zuruf von der CDU: Stimmt nicht! Bisher haben Sie nur Feststellungen getroffen!)

– Unabhängig davon bin ich jetzt derjenige, der hier im Plenum das Wort hat, und der Präsident erteilt das Wort. Wenn Sie sich gern zu Wort melden wollen, dann können Sie das ja tun. Sie müssen mir jetzt keine Anweisungen geben.

(Zuruf von der CDU: Bisher waren das nur Wortbeiträge!)

– Ich habe der Ministerin eine Frage gestellt, und ich würde mich freuen, wenn sie die beantworten würde.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! – Herzlichen Dank, Herr Kollege Klocke, für die Frage. Selbstverständlich beantworte ich Ihnen das gerne. Ich würde gar nicht an dem Namen, wie Sie es derzeit tun, festhalten wollen. Viel wichtiger ist doch, wie wird dieses weiterentwickeln und welches das Ziel ist, das wir, glaube ich, am Ende sehr ähnlich formulieren können.

Wir haben schon festgestellt, dass wir unterschiedliche Fachlichkeiten brauchen. Deshalb haben wir in diesen drei Abteilungen die Aufteilung vorgenommen, um immer die bestmöglichen Kolleginnen oder Kollegen aus dem Haus zur Unterstützung zu haben.

Was aus meiner Sicht noch wichtig ist: Die Frage war ja, welche Behörden und welche Bereiche für die Bekämpfung, Entdeckung und Aufklärung von Delikten gegenüber Umwelt zuständig sind. Das ist ja immer noch die Kernfrage, die sich bei Ihnen im Ausschuss abgezeichnet hat. Insgesamt, das möchte ich noch einmal betonen, sind mehrere Tausend Menschen auf verschiedenen Behördenebenen in Nordrhein-Westfalen mit der Umweltüberwachung und daher mit der Aufdeckung potenzieller Umweltdelikte sowie deren Aufklärung und Verfolgung zuständig.

Das fängt bei den unteren Umweltbehörden der Kreise und kreisfreien Städte an, geht weiter über die zuständigen Dezernate der Bezirksregierungen, die zum Beispiel Industrieanlagen überwachen, bis hin zum Landesumweltamt, dem LANUV, das für die Gewässerüberwachung sowie für Luft und Boden zuständig ist.

Die Stabsstelle Umweltkriminalität spielte bei der Umweltüberwachung da überhaupt keine Rolle. Insofern ist es, finde ich, eine Missachtung der vielen engagierten Mitarbeiter in der nordrhein-westfälischen Umweltüberwachung, wenn behauptet wird, das Ministerium spreche eine Einladung an Straftäter aus. Diese Diskussion hatten wir auch. Richtig ist: Die Behörden schauen ganz genau hin. Wir wollen hier nach wie vor an einem Strang ziehen, um Umweltdelikte aufzuklären.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Nun darf ich zur zweiten und letzten Frage Frau Schäffer das Wort erteilen.

Verena Schäffer (GRÜNE): Herzlichen Dank, Herr Präsident. Ich freue mich sehr, dass auch der Innenminister gerade zugegen ist. Es ist so, die Umweltkriminalität ist das viergrößte Verbrechen weltweit. Hinter Menschenhandel und Drogenhandel kommt sehr schnell die Umweltkriminalität. Wir hatten in einer Kleinen Anfrage die Zahlen zur Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen abgefragt. Wir wollten wissen, wie viele Delikte es gibt. Die Zahlen sind sehr unübersichtlich.

Deshalb ist meine Frage an die Landesregierung, ob angedacht wird, dort für mehr Klarheit zu sorgen, indem zum Beispiel die Polizeiliche Kriminalstatistik so umstrukturiert wird, dass man die Delikte zur Umweltkriminalität dann auch direkt einordnen kann, um eine bessere Übersicht über diese Delikte zu bekommen.

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Frau Ministerin Schulze Föcking hat das Wort.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Frau Kollegin Schäffer, vielen Dank für die Frage. Ich habe mir diesbezüglich auch noch einmal die Polizeiliche Kriminalstatistik der Bundesrepublik Deutschland angeschaut, um einen Überblick zu haben, wie es bundesweit aussieht.

Von den Straftaten insgesamt entfallen 0,5 % auf den Umwelt- und Verbraucherschutzsektor. Wir haben die NRW-Zahlen. Ich habe die Kleine Anfrage Drucksache 17/1938, die mir hier vorliegt, im Februar bereits beantwortet. Der Antwort haben wir auch eine Anlage hinzugefügt bezüglich der Straftaten gegenüber der Umwelt, wie die Aufschlüsselung ist, und da sind sehr genau die einzelnen Fälle in den jeweiligen Jahren erfasst. Bekannt gewordene Fälle, Aufklärungsquote – das kann man alles in dieser Anlage verfolgen.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Eine weitere Wortmeldung für eine Zusatzfrage ist von Frau Düker gekommen.

Monika Düker (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Frau Ministerin, ich habe Ihren Worten nicht entnommen – ganz banal gesagt –, warum man das eigentlich abgeschafft hat. Man schafft ja strukturell etwas ab, wenn es sich nicht bewährt hat. Nun haben Sie argumentiert, da habe nur ein Mensch gesessen. – Dann hätte man die Stabsstelle aufstocken können. Es geht ja um die strukturelle Entscheidung, wobei Sie offenbar in irgendeiner Form festgestellt haben, dass sich diese Stabsstelle nicht bewährt hat. Letztlich haben Sie uns gegenüber dazu keine Aussage getroffen, was sich konkret an der Stabsstelle nicht bewährt hat. Das möchte ich gerne von Ihnen konkret wissen.

Präsident André Kuper: Frau Ministerin.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! – Liebe Kollegin Düker, herzlichen Dank auch für die Frage. Es ging im Endeffekt um Effizienz, und deshalb ist das im Haus entsprechend weiterentwickelt worden. Ich sage Ihnen auch ganz offen: Würden wir feststellen, dass es so nicht effizient ist, dann muss noch einmal nachentwickelt werden.

Nur, der jetzige Stand war, dass die Stelle nicht so effektiv war; wir haben uns nur in einem Bereich bewegt. Die weit überwiegende Tätigkeit der Stabsstelle bezog sich auf – ich habe mir das noch einmal herausgeholt – die Artenschutzkriminalität. Hier wurden von 2005 bis 2017 insgesamt 340 Fälle illegaler Greifvogelverfolgung dokumentiert und teilweise zur Anzeige gebracht. Diese Aufgabe wird im vollen Umfang so heute in der Naturschutzabteilung weitergeführt. Aber wir müssen das breiter sehen. Wir müssen auch den Bereich Verbraucherschutz und alle anderen Bereiche sehen, die auch über das Justiziariat gemacht werden. Dementsprechend haben wir gesagt, wir möchten das lieber in den Abteilungen mit dem Fachwissen und der Effizienz breit verankert wissen.

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Das Wort zu einer Zusatzfrage hat nun Frau Paul.

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, anknüpfend an das, was Sie gerade ausgeführt haben, das breiter aufzustellen innerhalb des Hauses: Wenn ich es richtig verstehe, hat die Stabsstelle durchaus eine wichtige Bündelungsfunktion gehabt, also die Funktion, Netzwerke zu knüpfen und auch eine zentrale Anlaufstelle zu sein für Behörden, für Einrichtungen, für Organisationen. Wenn Sie nun sagen, Sie wollen das mehr im Haus verteilen, stellt sich für mich die Frage, inwieweit die Funktion einer zentralen Anlaufstelle – gerade um die Wichtigkeit des Themas zu unterstreichen – überhaupt noch gegeben ist.

Präsident André Kuper: Frau Ministerin.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! – Liebe Frau Kollegin Paul, gut, dass Sie das noch einmal so fragen, denn das könnte sonst zwar nicht missverstanden, aber zumindest nicht so gehört werden. Nach wie vor gibt es eine zentrale Anlaufstelle, das Justiziariat in der Abteilung I. Das hat gerade noch gestern hervorragend funktioniert. Da kam auch eine Anfrage. Anfragen werden dort gebündelt und gehen von dort weiter ins Haus, und die anderen Stellen werden beteiligt.

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Nun eine Wortmeldung der Kollegin Beer.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Ministerin, da Ihre Einschätzung so ist, dass man eine herausgehobene Stabsstelle nicht braucht und Sie von einer besseren Effizienz durch die Umorganisation ausgehen, möchte ich Sie fragen, ob es eigentlich Tätigkeitsberichte über die Stabsstelle und ihre bisherige Arbeit im Umweltministerium gibt und ob Sie uns als Parlament diese Tätigkeitsberichte zur Verfügung stellen.

Präsident André Kuper: Frau Ministerin.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Zu Tätigkeitsberichten: Das war das, Frau Kollegin Beer, was ich einmal geäußert habe, um nachzufragen, was in den vergangenen Jahren war, um hier die Zahlen deutlich zu machen. Gerade für den Bereich Greifvogelmonitoring gab es das. Alles andere ist da nicht genau erfasst worden. Insoweit kann ich zu dem, was in der Vergangenheit gelaufen ist, auch beispielsweise in Ihrer Regierungszeit, nichts sagen. Da lag der Schwerpunkt in der Naturschutzabteilung bei den Greifvögeln. Das gibt es nach wie vor.

Präsident André Kuper: Zu einer weiteren Zusatzfrage der Abgeordnete Rüße.

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, die Stabsstelle konnte ja bislang weisungsunabhängig und damit schnell arbeiten. Das ist ja in Fällen von Umweltkriminalität nicht unwichtig, dass man schnell agieren kann. Ich wüsste gerne, ob die jetzt damit betrauten Mitarbeiter auch genauso arbeiten können, also auch weisungsunabhängig sofort loslegen können. Oder wie ist das Konstrukt an der Stelle?

Präsident André Kuper: Frau Ministerin.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! – Lieber Kollege Rüße, in Fällen mit krimineller Energie können sie dementsprechend frei weiterarbeiten. Aber ich habe das, weil von Ihnen immer wieder die Anfrage kam, welche Stellung oder Befugnisse die Stabsstelle innerhalb des Ministeriums hatte, explizit herausholen lassen, auch im Vorfeld schon, weil wir uns Gedanken gemacht, wie man das umsetzen kann, damit es nicht weniger wird, sondern dass es mehr und besser wird.

Die Stabsstelle Umweltkriminalität wurde 2004 keineswegs als – Zitat – „den Fachabteilungen übergeordnete und weisungsunabhängige Einrichtung“ gegründet, wie es in der Mündlichen Anfrage irrtümlich dargestellt wurde; die Stabsstelle Umweltkriminalität wurde vielmehr dem Abteilungsleiter I zugeordnet. Sie war schon seinerzeit Bestandteil der Linienorganisation, und im Hauserlass wurden die Mitarbeiter lediglich gebeten – auch wieder Zitat –, „die Stabsstelle im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen.“ Ich zitiere weiter: „Ihre Aufgabe besteht aus Beobachtung, Koordination und Prävention. Sie hat keine polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Befugnisse.“

Vor dem Hintergrund wird deutlich, dass die Einschätzung, die Stabsstelle sei so etwas wie das Herzstück der Bekämpfung der Umweltkriminalität in Nordrhein-Westfalen, wie es suggeriert wird, ein Stück weit an der Wirklichkeit vorbeigeht. Es wäre mir wirklich ein Anliegen, nicht einen Anschein nach außen geben, der so gar nicht stimmt, sondern wir sollten schon sagen: Ziel ist es – und darüber sollten wir uns alle hier im Hohen Hause einig sein –, dieses zu verbessern, nach vorne konstruktiv zu arbeiten und auch den Schwerpunkt weiter auszuarbeiten.

(Beifall von der CDU)

Präsident André Kuper: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Als Nächstes hatte sich Herr Klocke noch einmal gemeldet. – Nein? – Das ist nicht der Fall. Dann hat Herr Mostofizadeh das Wort.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Frau Ministerin, Sie betonen immer wieder, dass die Umweltstabsstelle keine Strafverfolgungsbehörde ist. Das sind die Steuerbehörden im Übrigen auch nicht, aber wenn die Steuerabteilungen nicht ermitteln würden, würde es nicht zur Anzeige kommen können, weil die Daten nicht da wären. Ich weiß nicht, warum Sie uns das jetzt immer wieder vortragen.

Wir haben ja heute eine konkrete Festlegung eines Schwerpunktes der Koalition wahrgenommen. Sie haben vorhin per Gesetzentwurf eingebracht, dass ein Transplantationsbeauftragter ganz bestimmte Stundenkontingente bekommen soll. Die Begründung im Gesetzentwurf lautet, dass dies notwendig ist, weil es sich in der Vergangenheit als nicht ausreichend erwiesen hat, dass jemand neben seiner eigentlichen Tätigkeit diese Tätigkeit wahrnimmt.

Sie legen jetzt fest – das haben Sie in Ihrer Antwort vorhin dargestellt –, dass Sie diesen Schwerpunkt nicht wollen, sondern die Stabsstelle nach Bedarf arbeiten lassen wollen. Warum haben Sie den Schwerpunkt von der Ermittlung der Umweltkriminalität weggenommen?

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Herr Präsident! – Lieber Herr Kollege! Ich habe das heute zu Beginn auch hier einmal gesagt. Als ich kam, war die Stabsstelle faktisch mit einer Person besetzt, die die Arbeit geleistet hat. Heute sind es zwei Personen, die ständig damit beschäftigt sind, plus eventuell zwei weitere, also zwei bis vier, die je nach Bedarf dabei sind. Zwei sind ständig da.

Hinzu kommt der nachgeordnete Bereich, sei es einmal über Behörden, LANUV und Ähnlichem, aber eben auch vor Ort in den Kreisen, wo direkt Überprüfungen stattfinden.

Um das noch einmal zu betonen: Es war nicht so, dass die eine Person in der Stabsstelle die Arbeit vor Ort gemacht hat, all die Dinge entdeckt hat, sondern die Arbeit wurde im Haus gemacht. Deshalb ist es mir wichtig, dass wir diese Linie in Sachen Fachabteilung haben, weil da auch das Fachwissen vorhanden ist, auf das man schnell zugreifen kann.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt von Herrn Deppe.

Rainer Deppe (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die Stabsstelle hat ja offenbar so toll gearbeitet, Herr Rüße, dass sie Herrn Uhlenberg den PFT-Skandal und den Gammelfleischskandal von Frau Höhn vor die Füße gekippt hat. Das war dann offenbar der Erfolg Ihrer Umweltpolitik.

Meine Frage bezieht sich jetzt auf einen etwas kürzeren Zeitraum. – Frau Ministerin, in den Medien wurde behauptet, die Stabsstelle wäre an der Verfolgung und Aufklärung zahlreicher großer Umweltskandale in Nordrhein-Westfalen aktiv beteiligt gewesen. Als Beispiele wurden da etwa der Envio-Skandal oder das Kerosinleck bei Shell genannt.

Könnten Sie vielleicht einmal darstellen, inwieweit diese Behauptungen zutreffen und welchen Beitrag die Stabsstelle in diesen Fällen geliefert hat?

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Ministerin.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! – Lieber Kollege Deppe, nein, das trifft nicht zu. Ich möchte dies am Beispiel zweier Fälle deutlich machen, die mein Haus aus aktuellem Anlass noch einmal geprüft hat.

Beispielsweise die PCB-Belastung im Umfeld der Firma Envio: Erste Hinweise auf den Fall ergaben sich 2006/2007 durch auffällige Befunde im Wirkungsdauermessprogramm des LANUV im Bereich des Dortmunder Hafens. Diese wurden den zuständigen Immissionsschutzbehörden mitgeteilt und führten ab 2008 zu einer intensiven Quellensuche im Dortmunder Hafen. Federführend war die Bezirksregierung Arnsberg. Auch für das gesamte weitere Verfahren gab es nach Angaben des LANUV in der gesamten Zeit keine Kontaktaufnahme zur und durch die Stabsstelle Umweltkriminalität.

Beispiel Kerosinschadensfall bei Shell in Wesseling im Jahr 2012: Das Leck wurde durch Shell-Mitarbeiter entdeckt. Die Schadensmeldung erfolgte an die Bezirksregierung Köln, die ihrerseits den TÜV und das LANUV beteiligt hat. Alle Aktivitäten erfolgten unter Beachtung der Umweltalarmrichtlinie und der Störfallverordnung. Eine Beteiligung der Stabsstelle Umweltkriminalität war nach Angaben des LANUV weder vorgesehen noch notwendig.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Bevor ich Frau Brems das Mikrofon freischalte, möchte ich einmal nachfragen: Wir haben jetzt noch zwei Wortmeldungen, die von Frau Brems und Herrn Rüße. Ist das korrekt? Ich frage, weil die Anlage die ganze Zeit ein klein wenig gesponnen hat. – Das ist so. – Dann, Frau Brems, ist Ihr Mikro jetzt frei.

Wibke Brems (GRÜNE): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Ministerin, Umweltkriminalität ist ja ein Kontrolldelikt. Das heißt, man erfährt nur, ob irgendetwas verseucht, vergiftet wurde, wenn man danach sucht, wenn man es kontrolliert. Wie wir ja eben schon einmal gehört haben, gehört Umweltkriminalität zu den vier größten Verbrechen weltweit.

Deswegen noch einmal die konkrete Nachfrage an Sie: Was planen Sie zur Aufhellung des Dunkelfeldes ganz konkret, beispielsweise eine Dunkelfeldstudie oder doch mehr Kontrollen? Vielleicht können Sie dazu noch etwas sagen? – Danke schön.

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! – Liebe Kollegin Brems, ich glaube, es war, ist und sollte auch immer Aufgabe sein, Kontrollen weiterzuentwickeln, besser zu machen. Dementsprechend bearbeiten die Behörden das vor Ort. Es wurde keinerlei Veränderung vorgenommen, weswegen es auch nicht heißen kann, dass da reduziert worden wäre. Im Gegenteil, die Arbeit läuft genauso wie bisher auch weiter.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank. – Die letzte Frage hat dann Herr Rüße.

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Ministerin, die Stabsstelle war ja auch als koordinierende Stelle gedacht, um ein Netzwerk aufzubauen, Informationen bereitzustellen, auch für nachgeordnete Behörden.

Mich interessiert in diesem Zusammenhang, inwieweit Sie an dem Entscheidungsprozess, diese Stabsstelle umzubauen, die Partner in diesem Netzwerk beteiligt haben, also die Kunden, die es dann ja auch gibt. Welche Beteiligungsprozesse gab es da?

Christina Schulze Föcking, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! – Lieber Kollege Rüße, um es kurz zu machen: Die Netzwerke bleiben dementsprechend erhalten. Da ist keine Zerschlagung oder Ähnliches vorgesehen. Ganz im Gegenteil! Ich kann nur das wiederholen, was ich zu Beginn der Fragestunde auch gesagt habe: Es ist nicht vorgesehen, irgendetwas zu reduzieren. Vielmehr wurde es sogar auf breitere Beine gestellt, damit wir effektiver und auch fachlich vertiefter hineingehen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich frage vorsichtshalber noch einmal, ob es zu diesem Fragenkomplex noch bei jemandem den Wunsch nach einer weiteren Frage gibt. – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Mündliche Anfrage 12 auch beantwortet.

Mit Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass die Zeit für die Fragestunde beendet ist.

Uns liegt allerdings noch die

Mündliche Anfrage 13

des Herrn Abgeordneten Arndt Klocke von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema Wie will der Ministerpräsident das jetzt rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zum Luftreinhalteplan Düsseldorf umsetzen?“ vor. Soll sie beim nächsten Mal mündlich oder aber schriftlich beantwortet werden?

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Beim nächsten Mal!)

– Beim nächsten Mal. – Dann schließe ich die Fragestunde endgültig.

Ich rufe auf:

10 Chancen für alle – eine solide Ausbildung sicherstellen, neue Arbeitsplätze schaffen, Beschäftigte weiterbilden

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2154

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Herr Kollege Schmitz das Wort.

Marco Schmitz (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Akademisierung der Welt oder der Ausbildung schreitet immer weiter voran. Wir finden immer weniger junge Menschen, die bereit sind, eine Ausbildung zu machen. Immer weniger junge Menschen – und das merkt die Wirtschaft; wir alle bekommen das in Gesprächen mit Kammern und Unternehmen mit – beginnen eine Ausbildung.

Im letzten Jahr haben rund 7.000 junge Menschen keinen Ausbildungsplatz gefunden. Auf der anderen Seite hatten wir aber auch 7.000 freie Stellen, die nicht besetzt werden konnten. Hier ist es notwendig, dass wir ein entsprechendes Matching durchführen, um dann zu schauen, dass wir die richtigen Menschen auf die richtigen Positionen bringen.

Langfristig ist es notwendig und sinnvoll, dass wir junge Menschen unterstützen; denn langfristig in Arbeit zu sein, bringt finanzielle Sicherheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verschließen die Augen nicht vor den Problemen. Für die NRW-Koalition ist klar, dass Aufstieg durch Bildung machbar sein muss und auch notwendig ist. Wir wollen dafür einen ganzheitlichen Ansatz haben.

Wir müssen uns aber auch bewusst sein, dass es sich bei den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, nur um ein begrenztes Budget handelt. Vor diesem Hintergrund müssen wir natürlich entscheiden, wie wir das Ganze umsetzen werden.

Es gibt verschiedene Projekte, die von der Vorgängerregierung initiiert worden sind. Dazu gehören „Jugend in Arbeit plus“, die Starthelfende Ausbildungsmanagement“ und die Ausbildungsbotschafter. Diese Initiativen werden wir nach der Projektphase auslaufen lassen und dann schauen. Einzelne Elemente, die dort enthalten sind, werden wir aber in die zukünftigen Projekte, die wir planen, und in das Programm zur Ausbildung übernehmen. Der Bereich aber, der die über 19-Jährigen betrifft, wird hauptsächlich von der Bundesagentur für Arbeit übernommen werden.

Bei dem Programm zur Ausbildung werden wir eine Fokussierung der ESF-Mittel nutzen. Gerade junge Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen sind eine Gruppe, die einer besonderen Unterstützung bedarf.

Benachteiligte Jugendliche – das zeigen uns die Statistiken mehrfach –, die aus einem schwierigen Elternhaus kommen und keine vernünftige Ausbildung haben, also nachher nicht mit einem Gesellenbrief im Leben stehen, sind die Langzeitarbeitslosen von morgen. Eine abgeschlossene Ausbildung ist daher auch der beste Schutz vor Perspektivlosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit.

Wir wollen mit dem Programm zur Ausbildung rund 1.000 Plätze pro Jahr initiieren, auf denen die Jugendlichen betriebsnah ausgebildet werden. Wir sagen auch ganz klar: Die Unternehmen, die bereit sind, diese Jugendlichen zu nehmen, die wir auf dem freien Markt sonst vielleicht nicht unterbekommen hätten, sollen natürlich auch eine teilweise Vergütung erhalten.

Schon beim letzten Mal haben wir über die Produktionsschule und das Werkstattjahr gesprochen. Damals haben wir deutlich gemacht, dass wir die Produktionsschule auslaufen lassen werden und in das Werkstattjahr überführen wollen, damit die Jugendlichen, die noch nicht ausbildungsreif sind, dort fit gemacht werden können. Das betrifft vor allem die unter 19-Jährigen.

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Weil wir einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, werden wir auch den Bildungsscheck in den Blick nehmen. Wir stellen nach wie vor pro Bildungsscheck 500 € zur Verfügung, werden aber das Gesamtprogramm massiv ausweiten. Denn die im Rahmen der Digitalisierung auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zukommenden Herausforderungen werden immer vielfältiger. Wir wollen mit einer Herabstufung des Bildungsschecks erreichen, dass ihn auch Menschen mit mittleren und höheren Einkommen nutzen können, und die Maßnahmen verbreitern, sodass jeder in den Genuss kommt, den Bildungsscheck einsetzen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen zusammen ein nachhaltiges Konzept entwickeln. Dazu zählt: Fehlende Mobilität, zeitliche Einschränkung oder nicht vorhandene Abschlüsse dürfen in der Zukunft keine Hindernisse mehr darstellen.

Ich möchte in Zukunft auch nicht mehr die noch in der letzten Woche vom WDR verkündete Schlagzeile „So wenige Azubis wie nie zuvor in NRW“ sehen.

Daran müssen wir gemeinsam arbeiten. Dieser Antrag von uns ist ein erster Aufschlag. Lassen Sie uns gemeinsam – zusammen mit dem Ministerium – dafür kämpfen, dass wir möglichst viele junge Leute in Ausbildung bekommen. Denn Ausbildung ist der größte Schutz vor Langzeitarbeitslosigkeit. – Danke sehr.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Schmitz. – Für die FDP spricht Herr Kollege Lenzen.

Stefan Lenzen (FDP): Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zum Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft gehört die Chance auf Teilhabe am Arbeitsmarkt. Und dazu brauchen wir Ausbildung, Qualifizierung für möglichst viele Menschen. Daher sind wir von der NRW-Koalition auch der Meinung: Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist der beste Schutz vor Arbeits- und Perspektivlosigkeit und damit letztlich vor Armut.

(Beifall von der FDP)

Wir wissen, gerade für junge Menschen ohne Berufsabschluss ist der Weg in den Transferleistungsbezug oft vorgezeichnet. Da ist es richtig und wichtig, dass wir vonseiten von CDU und FDP die Initiative beim Thema „Ausbildung“ als einem zentralen Aspekt unserer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ergreifen. So haben wir es uns auch auf die Fahne geschrieben und zur Aufgabe gemacht.

Wir wollen ein Gesamtkonzept und ein Bündel abgestimmter Maßnahmen entwickeln, um jungen Menschen endlich wieder den Weg verstärkt in Ausbildung und Beschäftigung zu ebnen, Arbeitsplätze langfristig zu sichern und Beschäftigte durch Weiterbildung fit für die Zukunft zu machen.

Kollege Schmitz hat schon einiges zur Neuausrichtung der ESF-Förderprogramme ausgeführt. Ich möchte gerne auf vier weitere Aspekte eingehen.

Erstens. Natürlich kennen wir das Problem gerade zwischen Ausbildungsbewerbern und den angebotenen Ausbildungsplätzen. Die Zahlen hat Kollege Schmitz noch einmal ausgeführt. Das Problem, das wir besonders in NRW haben, ist das Mismatching. Die Gründe sind vielfältig: ob es unterschiedliche Berufswünsche, ob es Anforderungen oder Qualifikationen oder aber auch die regionale Verteilung von Ausbildungsplätzen sind. Daneben spielt auch eine Rolle, wie die Mobilität der Bewerber aussieht.

So ist es auch wichtig und richtig, die Instrumente von „Kein Abschluss ohne Anschluss“ zur Unterstützung der Berufswahl zu nutzen und das Engagement der Kammern noch einmal hervorzuheben. Aber wir brauchen darüber hinaus auch immer noch einen aufeinander abgestimmten Ansatz zur Behebung dieser Passungsprobleme. Dazu wollen wir ein entsprechendes Modellprojekt auf den Weg bringen, entwickeln, erproben und wollen den Übergang von Schule in den Beruf verbessern.

(Beifall von der FDP)

Zweitens. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Thema „junge Mütter und Väter“, die oft vor der Frage stehen: Wie kann ich Kindererziehung und das Erwerben eines Berufsabschlusses unter einen Hut bringen? Sie sind darauf angewiesen, dass wir diese klassische Vollzeitausbildung flexibilisieren.

Dazu hat das Land das Programm „Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen“ aufgelegt. Dabei werden Auszubildende und Betriebe beim Einstieg in die Ausbildung begleitet. Diesen Weg der Unterstützung von Teilzeitausbildung möchten wir weitergehen. So können wir auch dort einen Beitrag dazu leisten, dass Alleinerziehende endlich wieder eine Chance haben, einen Berufsabschluss zu erreichen und rauszukommen aus diesem häufigen Kreislauf von Bildungsarmut, Abkopplung vom Arbeitsmarkt und Hilfebedürftigkeit. Genau das wollen wir vermeiden.

Dritter Aspekt: Es wird auch Menschen geben, die aus vielfältigsten Gründen zunächst nicht direkt den Berufsabschluss erreichen können. Aber auch diesen Menschen müssen wir eine Perspektive bieten. So ist es wichtig, dass wir schauen: Wie können wir ihre Kenntnisse, die sie erlernt haben, verwerten? Wie können wir sie durch Institutionen anerkennen lassen, entsprechend zertifizieren? Da müssen wir beim Thema „Teilqualifikation“ verstärkt fragen: Wie können wir diese weiterentwickeln und zertifizieren, um dort einen Schritt weiterzukommen? Das wollen wir erreichen mit allen Partnern der beruflichen Bildung.

Aufbauend auf diese Teilqualifikationen möchten wir die jungen Menschen auf der Basis einer modularen Ausbildung schrittweise bis zum anerkannten Berufsabschluss führen.

Vierter und letzter Punkt: Wir haben viele Menschen, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind. Auch denen wollen wir eine dauerhafte und qualifizierte Beschäftigung ermöglichen.

Es ist wichtig, bei der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen zwei zentrale Aspekte zu berücksichtigen. Auf der einen Seite müssen die Verfahren sicherstellen, dass wir die hohe Qualität unserer deutschen Berufsbilder wahren. Aber andererseits ist es auch wichtig, die potenziell Beschäftigten zu unterstützen und ihnen schnell mitzuteilen, was ihnen von ihrem ausländischen Abschluss anerkannt wird und wo es Nachbesserungsbedarf gibt. Wie können wir das standardisiert, am besten modular, passgenau in Form einer Anpassungsqualifizierung anbieten? Da sollten wir auf jeden Fall stärker ansetzen, und zwar – gerade zu Beginn – bei den am häufigsten vorkommenden Abschlüssen und Herkunftsländern.

So können wir nicht nur den Einstieg in eine qualifizierte Beschäftigung erleichtern, sondern auch einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten. In diesem Sinne gehen wir das in der NRW-Koalition an. Ich bedanke mich für eure Aufmerksamkeit. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lenzen. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Gordan Dudas.

Gordan Dudas (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Mitte-rechts-Koalition! Ich warte darauf, künftig einmal bei einem Ihrer Anträge etwas wirklich Konstruktives zu finden. Als ich die Überschrift des vorliegenden Antrags, beginnend mit „Chancen für alle“ gelesen habe, dachte ich: Donnerwetter – Chancen schaffen, und das nicht nur für eine bestimmte Klientel. Das kann man durchaus begrüßen.

Chancengleichheit ist – das wissen Sie – meiner Partei und meiner Fraktion immer wichtig. Fast hätte ich also die Gelegenheit gefunden, Sie zu loben. Aber bei dem weiteren Lesen des Antrags bleibt es leider nicht dabei.

Es ist durchaus begrüßenswert, dass Sie sich auch mal mit dem Thema „Ausbildung und Qualifikation“ auseinandersetzen. Was aber nicht in Ordnung ist, ist Ihre Art, damit umzugehen. Es ist alles andere als akzeptabel, zu sehen, wie Sie mit Anstrengungen der Vergangenheit verfahren.

Sie sprechen unter anderem den Ausbildungskonsens an. Der Ausbildungskonsens und viele Maßnahmen wie etwa „Kein Abschluss ohne Anschluss“ sind wichtige Bausteine, um die Qualifikation bzw. den Übergang von Schule in Ausbildung erfolgreich zu gestalten.

Wenn ich mir Ihren Antrag durchlese, kann ich allerdings kaum Substanz erkennen. Vielmehr lassen Sie keine Gelegenheit aus, alles, was nicht von Mitte-rechts erfunden wurde, in den Dreck zu ziehen – als ob nicht in den ganzen Jahren zuvor vieles, was andere Regierungen getan haben, durchaus positiv gewesen wäre. Sie hingegen wollen so manches Projekt ganz auslaufen lassen. Das haben Sie auch gerade noch einmal bestätigt.

Nicht zuletzt hat daher der Paritätische Wohlfahrtsverband in Nordrhein-Westfalen diese Planungen kritisiert, etwa „Jugend in Arbeit plus“ und „Starthelfende“ auslaufen zu lassen. Andere Projekte wollen Sie, wie Sie es nennen, weiterentwickeln.

Was soll man denn eigentlich unter „weiterentwickeln“ verstehen? Ich jedenfalls kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass Sie erfolgreiche und anerkannte Projekte mit einem neuen Label versehen wollen, damit sie als vermeintlich Ihre Erfindung verkauft werden können.

Ich habe mich beim Lesen des Antrags gefragt, wo so manche Idee eigentlich herkommt und was dahinter steckt. Sie wollen beispielsweise eine Teilqualifikation vorantreiben. – Fein, aber das darf dem Ziel einer soliden Ausbildung nicht widersprechen, ein Ziel, dass Sie selbst in der Überschrift Ihres Antrags deutlich formuliert haben.

Leider lassen Sie die Fragen offen, wie ein ausreichendes Lohnniveau sichergestellt wird und ob jemand mit einer Teilqualifikation darüber hinaus für neue Arbeitgeber überhaupt noch interessant ist. Für uns jedenfalls steht fest: Was auch immer Ihr Ziel sein mag – und ich unterstelle Ihnen durchaus, dass es gut gemeint ist –, es darf keinesfalls zu einer Art Schmalspurausbildung kommen.

Auch das Azubi-Ticket – eine wichtige und gute Idee, die ursprünglich von den Jusos kam und wegen des starken Engagements der Jusos zum Konsens wurde – muss zügig vorangebracht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer Punkt, der mich an Ihrem Antrag stört: Wo übernehmen Sie eigentlich mal konkret Verantwortung für die Ausstattung der Berufskollegs? Sie betonen zwar die Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung mit der akademischen, aber gerade hier bestünde ein Ansatz, um nachzusteuern – zumindest dann, wenn man denn überhaupt etwas verbessern will.

Eine Stärkung der Berufskollegs und ebenso des Lehrpersonals ist daher unabdingbar. Gerade hier muss mehr Geld in die Hand genommen werden und nicht weniger, damit moderne Technik, Ausstattung und ausreichend Lehrpersonal vorhanden sind. Mir ist klar, dass Sie hier wieder die Schuld weiterreichen wollen, so wie Sie es immer tun. Das werden wir Ihnen aber nicht durchgehen lassen.

Wir kommen also leider zu dem Schluss, dass auch dieser Antrag mal wieder viel Schein und wenig Sein beinhaltet. Es ist vielmehr die übliche Mischung aus dem altbekannten Konzept Ihrer Mitte-rechts-Politik: alter Wein in neuen Schläuchen kombiniert mit ein wenig Gepolter und schlecht unterlegten Forderungen.

Was ich Ihnen ganz besonders zum Vorwurf mache, kommt zum Schluss: wieder einmal eine direkte Abstimmung, sodass ein Nachsteuern und Diskutieren im Ausschuss von Ihnen ganz bewusst vermieden wird. Dabei hätten Sie mal endlich die Gelegenheit gehabt, manche Punkte zu konkretisieren. Das haben Sie aber nicht getan, und das ist offensichtlich auch nicht gewollt. Manche Verbände sehen schon eine Basta-Politik des Ministeriums, und die Mitte-rechts-Koalition steht Ihrem Minister da in nichts nach.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus all diesen Gründen und noch vielen weiteren können und werden wir als SPD-Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dudas. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Koalitionsfraktionen liest sich wie ein Entschließungsantrag, den man zwischen Tür und Angel gestrickt hat. Man hätte ihn eigentlich in der letzten Plenarsitzung zu unserem Antrag zu den Produktionsschulen stellen können.

Sie sind nicht nur ein paar Wochen zu spät dran, sondern Sie erdreisten sich auch noch, diesen Antrag, der ein umfassendes Konzept – so schreiben Sie es ja selbst – für die Arbeitsmarktpolitik sein soll, ohne weitere Debatte in den Ausschüssen direkt abstimmen zu lassen. Indem Sie Ihre eigene Arbeitsmarktpolitik nicht diskutieren wollen, nehmen Sie sich doch selbst nicht ernst.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Auch inhaltlich ist das ganz dünne Suppe, die Sie hier anbieten. Der Minister hat ja immer gesagt: Um die über 19-Jährigen kümmern wir uns. – Auf Konferenzen verspricht er sich dann immer mal wieder und spricht dann von über 18-Jährigen oder unter 18-Jährigen. Tatsächlich ist es doch so: Sie wollen die gesamte Ausbildungstätigkeit und Betreuung der Bundesagentur für Arbeit überlassen. Für die zwischen 19- und 25-Jährigen ist bei Ihnen nichts mehr im Angebot; denn für sie wird jegliche Arbeitsmarktpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen eingestellt. Das halte ich für fahrlässig.

(Marco Schmitz [CDU]: Wir überlassen das Fachleuten!)

Sie weisen auf Ihre eigenen Schwerpunkte hin: Sie wollen Leute in Ausbildung bringen, die vorher nicht in Ausbildung waren. Ich verstehe aber die Instrumente, die Sie da anwenden, gar nicht. Sie schreiben selbst in Ihrem Antrag, dass das eigentlich die Arbeitgeber und die Handwerksbetriebe machen müssten. Komisch ist nur, dass ausgerechnet die IHKen und die Sozialverbände scharf kritisieren, was Sie da anstellen.

Beispielsweise soll das Programm „Jugend in Arbeit plus“, das in den letzten zwei Jahrzehnten sehr erfolgreich gearbeitet hat, auslaufen. Gerade Programme für prekäre Jugendliche, die keine Arbeitsstelle und keinen Ausbildungsplatz bekommen, wollen Sie auslaufen lassen. Sie wollen es mehr dem Zufall überlassen. Gerade die guten, von der IHK angestoßenen Programme wollen Sie nicht mehr durchführen. Da passen doch Zielrichtung, Maßnahme und das, was Sie versprochen haben, überhaupt nicht zusammen. Deswegen ist der Antrag von grüner Seite selbstverständlich abzulehnen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das Gleiche gilt für die Schwerpunktsetzung zu den Themen „Produktionsschulen“ und „Werkstattjahr“. Sie setzen auf ein sehr kostenintensives Programm und nehmen dabei von den fast 3.000 erfolgreich vermittelten Ausbildungsplätzen 1.000 bis 2.000 Stellen weg. Das ist aus meiner Sicht die völlig falsche Zielrichtung. Der Minister hat nach mehrfachen Versuchen immer noch nicht darstellen können, was an den neuen Programmen so viel besser ist. Er erzählt immer nur: Wir nehmen das Gute von dem einen Programm und packen das mit dem Guten von dem anderen zusammen. Das kostet zwar das Doppelte und wir erreichen nur die Hälfte, aber das soll bessere Politik sein. Ich verstehe nicht, warum Sie das machen.

Das Einzige, was ich verstehe, Herr Minister, ist Folgendes: In Ihrem Aktionismus brauchen Sie schlecht vorbereitete Programme, weil Sie sich einfach nur von der alten Regierung absetzen wollen. Das halte ich allerdings nicht nur für falsch, sondern sogar für fahrlässig. Machen Sie sich doch Gedanken, wie die Politik vernünftig laufen soll. Legen Sie Ihren Koalitionsparteien, die selbst nicht in der Lage sind, etwas vorzulegen, etwas Vernünftiges auf den Tisch. Das, was wir heute lesen, ist ja nichts anderes als das Nachvollziehen längst getroffener Entscheidungen, die nicht im Hause, sondern am Hause vorbei und nicht im Konsens mit den Sozialpartnern getroffen worden sind.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich Ihnen nur zurufen: Das ist keine Arbeitsmarktpolitik aus einem Guss, sondern das ist Aktionismus an den Leuten vorbei. Der Kollege Dudas hat es soeben schon gesagt: Das ist Basta-Politik. Da wird den Partnern eine Politik vor die Füße gekippt, die sie erstens nicht nur nicht wollen, sondern auch nie mitdiskutieren konnten. Sie setzen dem Ganzen die Krone auf, indem Sie sagen: Wir diskutieren das nicht mehr und bringen das heute direkt zur Abstimmung ein. Deswegen lehnen wir diesen Antrag selbstverständlich ab, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die AfD spricht Herr Abgeordneter Strotebeck.

Herbert Strotebeck (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der CDU-FDP-Antrag ist schön, zumindest in der Sprache. Er besteht aus vielen schönen, blumigen Sätzen. Beispiele gefällig? – Die Menschen bei uns können mehr. Nordrhein-Westfalen ist ein starkes Land mit Menschen, die anpacken können und wollen. – Ebenfalls ein blumiger Satz:

„Klare Programmlinien mit klaren Regelungen, um klar definierte Ziele zu erreichen, sind die Grundlage, aus der nachhaltige Lösungen entwickelt werden.“

Halten wir den letzten Satz einmal im Hinterkopf und vergegenwärtigen wir uns, was Sie mit dem Antrag erreichen wollen: „Chancen für alle – eine solide Ausbildung sicherstellen, neue Arbeitsplätze schaffen, Beschäftigte weiterbilden“. Bei einem solchen Antragstitel würde ich erwarten, dass Sie Ihren eigenen Worten auch Folge leisten. Sie stellen immerhin die Regierung. Ich habe aufmerksam im Antrag gesucht und kaum etwas gefunden, was sich als durchdacht und konkret bezeichnen lässt. Wir haben es gerade auch gehört.

Sie informieren uns im Antrag darüber, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit ist. Das ist mal was Neues! – Sie sagen, dass es wichtig sei, Arbeitsplätze langfristig zu sichern. Auch neu! – Jugendliche und Betriebe sollen besser zusammenfinden. Junge Menschen sollen andere junge Menschen begeistern. – Ich könnte meine komplette Rede mit solchen Allgemeinplätzen aus Ihrem Antrag füllen. Das erspare ich uns aber lieber.

Zwei Abschnitte in Ihrem Antrag möchte ich aber richtigstellen.

Sie schreiben, wir müssten Menschen, die auf der Suche nach Schutz vor Krieg und Vertreibung zu uns gekommen seien und nicht zurückkehren könnten, eine Perspektive bieten. – Theoretisch haben Sie recht, praktisch ist das aber Unsinn. Ich erkläre Ihnen gerne auch zum wiederholten Male, warum: So gut wie kein Mensch ist auf direktem Wege zu uns nach Deutschland gekommen, weil er auf der Suche nach Schutz vor Krieg und Vertreibung war. Alle Menschen, die nicht direkt mit dem Flugzeug aus einem Kriegsgebiet kamen, hatten diesen Schutz bereits in einigen anderen sicheren Ländern.

(Beifall von der AfD)

Diese Menschen sind nur aus einem Grund hier: weil der deutsche Sozialstaat lockt und löhnt.

(Minister Karl-Josef Laumann: Bitte!)

Ich finde es sehr befremdlich, dass Sie es auch im Jahre 2018 immer noch so hinstellen, als dass jemand sieben oder mehr Staaten durchquert und erst in der Bundesrepublik den Schutz vor Krieg und Vertreibung erhielte. – Das ist Unsinn! Und dass Ihnen die Bevölkerung diese Behauptung nicht mehr abnimmt, können Sie sehr schön an Ihren tollen Wahlergebnissen erkennen.

(Beifall von der AfD)

Davon abgesehen: Woher wollen Sie wissen, dass die sogenannten Flüchtlinge nicht mehr zurückkehren können, und hier von uns integriert werden müssen? Diese jungen Menschen werden in ihren Heimatländern dringend gebraucht, jedenfalls dann, wenn sie wirklich aus einem Kriegsgebiet kommen – Stichwort: Chancen für den Wiederaufbau!

(Beifall von der AfD)

Unsere Aufgabe ist es, in Deutschland unsere Bevölkerung in Lohn und Brot zu bekommen und dafür zu sorgen, dass sich in Zukunft wieder mehr Deutsche dafür entscheiden können, Kinder zu bekommen.

(Beifall von der AfD)

Der Amtsvorvorgänger von Herrn Laschet, Herr Rüttgers, prägte den Satz: „Kinder statt Inder“. Auch wenn dieser Satz in seiner Überspitzung grenzwertig ist, so steht er doch für ein grundlegendes Problem: Sie wollen aller Welt Chancen geben, vergessen aber zum Teil die Menschen, die schon etwas länger hier leben.

(Vereinzelt Beifall von der AfD)

Genau das zieht sich durch Ihren Antrag: Chancen für alle – aber wo bleiben die Chancen für Deutsche, zum Beispiel für die Deutschen, die in Klassen unterrichtet werden, in denen der Ausländeranteil über 90 % beträgt und kein ausgebildeter Lehrer vorhanden ist, weil wir einen eklatanten Lehrermangel haben?

(Beifall von der AfD)

Ich komme zum Kern Ihres Antrags, der Beschlussfassung. Sie stellen neun – höflich ausgedrückt – Ideen vor. Von diesen neun Ideen sind über die Hälfte weder klar noch konkret. Auch das haben wir bereits ausführlich gehört.

Meine Damen und Herren, das ist für einen Antrag von zwei Fraktionen, die die Regierung stellen, zu wenig. Wieso stellen Sie nicht dann Anträge, wenn Sie konkrete Maßnahmen zu verkünden haben? Wir als AfD-Fraktion werden uns enthalten, da wir die Stoßrichtung des Antrags begrüßen, jungen Menschen eine gute Ausbildung zu geben, den Antrag als solchen aber inhaltlich als zu mager bewerten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Für die AfD hat Herr Abgeordneter Strotebeck gesprochen. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Laumann das Wort.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag macht deutlich, dass die Arbeitsmarktpolitik, die wir in den letzten Monaten im Arbeitsministerium entwickelt haben, die volle Unterstützung von CDU und FDP genießt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Außerdem freue ich mich sehr darüber, Ihnen sagen zu können, dass wir für diese Arbeitsmarktpolitik auch die Zustimmung der Sozialpartner haben, sowohl der Kammern als auch des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

(Beifall von der CDU)

Deswegen möchte ich Ihnen heute noch einmal die klaren Linien dieser Arbeitsmarktpolitik vorstellen.

Ja, wir haben uns entschieden, an die aktuellen Probleme unseres Arbeitsmarktes heranzugehen und das Geld, das im Land Nordrhein-Westfalen hierfür zur Verfügung steht, in Programmlinien zu bündeln. Das bedeutet weniger trägergebundene Einzelprojekte, hin zu klaren Programmlinien.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Herr Minister Laumann, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Nein, ich möchte jetzt erst mal vortragen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Gerne!

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Eine erste Programmlinie geht dahin, dass wir in Nordrhein-Westfalen ein flächendeckendes Übergangssystem von der Schule in den Beruf weiterentwickeln werden. In den letzten Jahren ist hier vom Ausbildungskonsens eine gute Vorarbeit geleistet worden.

Aber man muss auch zugeben, dass dieses Übergangssystem in erheblichem Umfang arbeitsmarktpolitische Mittel verbraucht. Es kostet pro Jahr rund 50 Millionen €, wovon 25 Millionen € verlässlich vom Land Nordrhein-Westfalen und weitere 25 Millionen € von der Bundesagentur für Arbeit aufgebracht werden.

Dass die duale Ausbildung in unseren Schulen eine große Rolle spielt und junge Leute sich auch mit der dualen Ausbildung auseinandersetzen müssen, ist eine vernünftige Maßnahme – das steht doch wohl außer Frage.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zweitens. Wir müssen uns natürlich auch um diejenigen kümmern, die nach der Schule den Sprung in eine Ausbildung nicht ohne Weiteres schaffen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ja, das machst du aber nicht!)

Deshalb ist es richtig, dass wir für die schwachen Schüler ein Werkstattjahr anbieten. Wenn Sie sich den Programmaufruf für das Werkstattjahr anschauen, werden Sie feststellen, dass dort die Elemente des alten Werkstattjahres, die sich bewährt haben, mit guten Teilen der Produktionsschule zusammengeführt werden.

Wir haben uns mit der Bundesagentur für Arbeit – die in Nordrhein-Westfalen jedes Jahr immerhin 4 Milliarden € arbeitsmarktpolitischer Mittel einsetzt – darauf verständigt, dass sie den Bereich der älteren Schüler, die bislang in den Produktionsschulen waren, übernimmt.

Drittens liegt mir besonders am Herzen, dass wir für diejenigen, die zurzeit nicht für eine Ausbildung eingestellt werden, weil sie häufig – auch aus sozialen Gründen – nicht ausbildungsfähig sind, keine kurzfristigen Maßnahmen anbieten, sondern als erstes Land der Bundesrepublik Deutschland ein klares Angebot machen: Wir machen mit euch eine drei- oder dreieinhalbjährige Zusammenarbeit mit dem Ziel eines Facharbeiterbriefs oder – im Handwerk – eines Gesellenbriefs.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Dieses Programm werden wir für rund 1.000 Personen pro Jahr in Nordrhein-Westfalen anbieten. Wir werden es mit Sozialarbeit begleiten. Die Träger, die dieses Programm durchführen, sollen dabei nicht selber ausbilden; vielmehr besteht ihre Dienstleistung aus der sozialen Betreuung und darin, Unternehmen zu suchen, die ihre Lehrwerkstätten für diese Auszubildenden öffnen.

Damit will ich erreichen, dass Jugendliche, die in bestimmten Milieus leben, aus diesen Milieus herausgelöst werden und mit Menschen aus anderen Milieus zusammenkommen. Damit will ich auch erreichen, dass am Ende der Ausbildung ein Gesellenbrief bzw. ein Facharbeiterbrief steht.

Ich will beweisen, dass man auch junge Leute, die unser Schulsystem verlassen haben, für die die Schule nicht der Hit war, und die auf dem Weg sind, sich weit von einer Perspektive in dieser Gesellschaft zu entfernen, noch in die Berufswelt integrieren und ihnen die Perspektive eines eigenverantwortlichen Lebens, basierend auf einer durch berufliche Kenntnisse erworbenen existenziellen und materiellen Grundlage, bieten kann.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es kann doch nicht sein, dass ein solches Programm nicht genauso wichtig ist wie viele Einzelprojekte, die von der alten Landesregierung in einem großen Umfang gefördert worden sind! Aus meiner Sicht ist es sogar wichtiger.

Man muss das auch immer im Zusammenhang mit dem sehen, was wir im Koalitionsvertrag in Berlin vereinbart haben. Der soziale Arbeitsmarkt umfasst bei den Langzeitarbeitslosen in Nordrhein-Westfalen etwa um die 40.000 Stellen; wahrscheinlich allein 20.000 Stellen im Ruhrgebiet. Es gibt die klare Regelung, dass demnächst die Bundesagentur für Arbeit den Menschen, die länger als drei Monate lang arbeitslos sind, ein Qualifizierungsangebot machen muss.

Wenn man all das einmal im Zusammenhang sieht, dann erkennt man, dass wir es mit einem neuen Aufbruch der Arbeitsmarktpolitik in Nordrhein-Westfalen zu tun haben, der sich an den Menschen und den Tatsachen orientiert, der sich aber nicht daran orientiert, möglichst viele Träger glücklich zu machen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Arbeitsmarktpolitik ist in sich durchdacht. Ich bedanke mich bei CDU und FDP sehr dafür, dass Sie durch diesen Antrag deutlich gemacht haben, dass diese Politik auch in Ihrem Sinne ist. Schönen Dank dafür!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Minister, darf ich Sie ans Redepult zurückbitten? Es liegt eine Kurzintervention des Kollegen Dudas vor.

Gordan Dudas (SPD): Herr Minister, ich fühle mich gezwungen, nachzuhaken, weil Ihr Redebeitrag mehr als irritiert hat.

(Minister Karl-Josef Laumann: Warum?)

Es gibt derzeit Projekte, die von vielen verschiedenen Seiten anerkannt sind, gut laufen und auch dementsprechend funktionieren. Wenn man sich diesen Antrag durchliest, kommt man nur zu einem einzigen Schluss, nämlich dass dieser Antrag nicht mehr und nicht weniger als ein Sparpaket ist, und zwar auf Kosten der zukünftigen und der aktuellen Auszubildenden bzw. Schülerinnen und Schüler.

Wenn Sie nun sagen, dass die Verbände das Ganze begrüßen würden, dann bin ich insofern irritiert, als zum einen der Paritätische Wohlfahrtsverband erhebliche Kritik daran geübt hat und zum anderen gerade heute in der Presseschau zu lesen ist:

„IHK Siegen kritisiert die Landesregierung. NRW-Arbeitsminister Laumann will bewährte Ausbildung-Förderinstrumente kappen.“

Wie kommt es dazu, dass die IHK Siegen den Antrag kritisiert, während Sie gerade behauptet haben, dass er begrüßt wurde? Das ist ja ein offener Widerspruch. Können Sie ihn bitte erklären?

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Diesen Widerspruch kann ich Ihnen ganz einfach erklären. Ich habe gestern sowohl mit dem Chef des Handwerks in Nordrhein-Westfalen, Herrn Hund, als auch mit Herrn Meyer, Chef der Industrie- und Handelskammer NRW, Gespräche geführt. Das Ergebnis der Gespräche ist ganz eindeutig: Sie unterstützen diese Politik.

Ich muss ganz klar sagen: Wenn man ein Ausbildungsübergangssystem wie KAoA schafft – ich habe eben die Finanzmittel genannt, die wir dafür verwenden; schon im letzten Jahr und auch in diesem Jahr, weil es die ersten Jahre sind, in denen es flächendeckend gemacht wird –, dann kann man nicht jede Übergangsmaßnahme, die es vor der Erfindung von KAoA gab, bis in alle Ewigkeit fortführen.

Natürlich erfährt eine Umsteuerung in der Arbeitsmarktpolitik mit einem Volumen von etwa 60 Millionen € auch Widerstand. Ich nehme diesen Widerstand aber in Kauf, weil ich Politik gestalten will und weil ich vor allen Dingen dieses Ausbildungsprogramm mit dem Abschluss eines Gesellenbriefs gestalten und Menschen damit eine lebenslange Perspektive geben will.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dass damit Kritik verbunden ist und dass natürlich Träger, die bislang von den Einzelprojekten profitiert haben, das nicht toll finden, ist doch klar. Aber ich sage Ihnen: Wenn die Programmaufrufe rausgehen, werden Sie sich wundern, wie schnell sich die gleichen Träger um das Werkstattjahr und um andere Dinge bemühen werden,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: So wie damals!)

um dort ihre Dienstleistungen anzubringen.

Es gehört nun mal zur Politik, nicht nur alles Alte fortzusetzen, sondern auch Konflikte in Kauf zu nehmen, wenn man Altes abschafft, um Neues mit einer neuen Zielrichtung, die in der Gesellschaft gebraucht wird, zu verbinden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Deswegen habe ich – um das ganz klar zu sagen – bei dieser Frage wirklich ein richtig gutes Gewissen. Das Geld wird nicht eingespart, sondern es wird in allererster Linie in ein Ausbildungsprogramm für 1.000 junge Menschen investiert, nächstes Jahr für 2.000, übernächstes Jahr für 3.000. Dann reden wir über ein Finanzvolumen in Höhe von 36 Millionen € für dieses Ausbildungsprogramm.

Ich sage Ihnen eines: Einen Menschen, der im Rahmen dieses Programms in die Lehre geht, entsprechend zu fördern, kostet pro Jahr 12.000 €. Wenn am Ende im dritten Lehrjahr 3.000 Menschen in diesem Programm sind, können Sie hochrechnen, bei welcher Summe man angekommen ist. Man kann natürlich sagen, 36.000 € für einen Gesellenbrief sei viel Geld. Aber ich gebe gerne 36.000 € aus, um Menschen in diesem Land eine lebenslange Perspektive oberhalb des Mindestlohns zu besorgen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen werden wir es machen. Damit ist es klar!

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Minister. – Jetzt gibt es zwei Redezeitüberziehungen. In der „normalen“ Redezeit, die für die Beratung zum Tagesordnungspunkt 10 verabredet war, hat der Minister seine Redezeit für die Landesregierung um 1 Minute 29 Sekunden überzogen und gerade auch noch einmal um knapp eine Minute in der Beantwortung der Kurzintervention. Das heißt, es gibt jetzt, damit die Verhältnisse fair bleiben, für alle Fraktionen ebenfalls zusätzliche Redezeit. Wenn jemand diese Redezeit nutzen möchte, kann er oder sie sich gerne zu Wort melden. – Das scheint nicht der Fall zu sein.

Dann kommen wir zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 10. Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Wir stimmen somit ab über den Inhalt des Antrages mit der Drucksache 17/2154.

Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Enthaltungen sehe ich bei der AfD-Fraktion und bei allen drei fraktionslosen Abgeordneten. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist damit der Antrag Drucksache 17/2154 angenommen.

Ich rufe auf:

11 Landesregierung muss die Einführung einer Statistik über Angriffe mit Stichwaffen veranlassen

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2162

Entschließungsantrag
der Fraktion der AfD
Drucksache 17/2221

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen hben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, dass eine Aussprache heute nicht durchgeführt wird.

Wir kommen damit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2162 an den Innenausschuss. Nach Verständigung der Fraktionen erfolgt nun die abschließende Aussprache und Abstimmung nach Vorlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses. Der Entschließungsantrag Drucksache 17/2221 wird ebenfalls mit überwiesen. Ist jemand gegen die Überweisung? – Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen.

Wir können dann sofort Tagesordnungspunkt 12 aufrufen:

12 Förderlücke schließen: Ausbildung und Studium für Asylsuchende in andauernden Asylverfahren ermöglichen

Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 17/2145

Eine Aussprache hierzu ist heute ebenfalls nicht vorgesehen. Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass die abschließende Aussprache und Abstimmung nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgen soll.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Die Fraktionen empfehlen die Überweisung des Antrages Drucksache 17/2145 an den Integrationsausschuss in der Federführung und in der Mitberatung an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, an den Wissenschaftsausschuss sowie an den Ausschuss für Schule und Bildung. Wie gesagt, die abschließende Aussprache und Abstimmung sollen nach Vorlage einer Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Möchte jemand gegen die Überweisung stimmen? – Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? – Enthaltungen gibt es auch nicht. Damit haben wir so überwiesen.

Ich kann bereits Tagesordnungspunkt 13 aufrufen:

13 Vertrauen in unsere Hochschulen stärken – Hochschulfreiheit wiederherstellen!

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2155

Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Dr. Berger das Wort.

Dr. Stefan Berger (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt Anträge, die stellt man nicht nur um des Antrags willen, sondern um ein politisches Ziel klarzumachen. Natürlich ist mir klar, dass Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, unseren Antrag gleich diskutieren wollen. Sie werden versuchen, ein Haar in der Suppe zu finden und Argumente bringen, warum Sie ihn ablehnen.

Die Situation ist jetzt so, dass wir am Beginn eines Gesetzgebungsverfahrens stehen – eines Gesetzgebungsverfahrens, mit dem wir das klare Ziel verbinden, wieder mehr Hochschulfreiheit in Nordrhein-Westfalen einzuführen und die Hochschulfreiheit für alle Hochschulen insgesamt wiederherzustellen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir wollen mit diesem Antrag im Parlament klarmachen, dass wir nicht nur bei der letzten Landtagswahl eine gesellschaftliche Mehrheit errungen haben, sondern wir wollen zugleich klarmachen, dass eine gesellschaftliche Mehrheit in diesem Bundesland unser Anliegen teilt, wieder mehr Hochschulfreiheit herzustellen.

Das Hochschulzukunftsgesetz, das in Nordrhein-Westfalen derzeit noch Gültigkeit hat und das, nebenbei bemerkt, den Namen „Hochschulzukunftsgesetz“ völlig zu Unrecht trägt, hat Nordrhein-Westfalen nicht verbessert – im Gegenteil. Die organisatorischen Voraussetzungen, die im Hochschulzukunftsgesetz angelegt sind, sind geeignet, dieses Bundesland zu degenerieren. Es hieß nicht zu Unrecht an vielen Stellen „Hochschulentmündigungsgesetz“.

Die damalige Ministerin Schulze, der wir jetzt ein glückliches Händchen zum Segen der Bundesrepublik auch von hier aus wünschen, hat neben der Atomkugel-Affäre auch noch eine Affäre um die Veröffentlichung von Rektorengehältern auf der Homepage eines früheren SPD-Staatssekretärs benötigt, um dieses Hochschulzukunftsgesetz gegen den Widerstand aller Beteiligten im Parlament durchsetzen zu können.

Weil wir mit den Vorgängen um die Einführung des Hochschulzukunftsgesetzes schon nicht einverstanden waren, ebenso wenig mit der organisatorischen Ausgestaltung dieses Gesetzes, wollen wir mit diesem Antrag klar machen: Wir sind willens, ein Gesetzgebungsverfahren auf den Weg zu bringen, um wieder mehr Hochschulfreiheit einzuführen. Wir sind auch willens, das Ganze zu Ende zu bringen.

Beispielhaft haben wir in dem Antrag nur einige Punkte aufgeführt; unter anderem Rahmenvorgaben, die Zwangsmittel für die Hochschulen sind, um Verhalten zu erzwingen, sowie verbindliche Landeshochschulentwicklungspläne. Allein schon das Wort „Landeshochschulentwicklungsplan“ verträgt sich nicht mit dem Forschen und dem Streben von Tausenden von Professoren.

Wir wollen Zivilklauseln zurücknehmen, die die Forschungsvorhaben politisch diskreditieren sollen. Wir wollen im Gegensatz dazu die kreative Kraft unserer Hochschulen von unten ertüchtigen und fördern, um mit mehr Geld einen Ausgleich zu den anderen Bundesländern schaffen zu können.

In diesem Sinne bitte ich um Unterstützung für diesen Antrag, der der Auftakt für unser Gesetzgebungsverfahren ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Dr. Berger. – Für die FDP-Fraktion erhält Herr Kollege Körner das Wort.

Moritz Körner (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Kollege Dr. Berger hat ausgeführt, was der Inhalt unseres Antrags ist.

Zu Beginn möchte ich an die letzte Novellierung des Hochschulgesetzes erinnern: Da gab es einen massiven Protest der gesamten Hochschullandschaft. Die Zeitungen haben damals getitelt: Hochschulen laufen Sturm gegen NRW-Regierung. Uni-Aufstand in Nordrhein-Westfalen. – Das war die damalige Situation.

Ich habe jetzt relativ wenig Protest wahrgenommen; nach der Vorstellung der Eckpunkte zuletzt sogar einiges Lob. Ich habe explizit mit Studierendenvertretern sehr konstruktive Gespräche geführt. Wir sind nicht in allem einer Meinung, aber immerhin entwickeln wir die Hochschullandschaft wieder weiter.

Man muss sagen: Dieser Prozess hat bereits Wirkung gezeigt. Sie haben damals vieles, was ursprünglich geplant war, abgeschwächt und einige der Eingriffsrechte, die Sie sich ursprünglich zurechtlegen wollten, gar nicht genutzt. Umso wichtiger ist es, dass wir das Damoklesschwert der Rahmenvorgaben – das Eingriffsrecht des Ministeriums in die Hochschulen – wieder zurücknehmen und unseren Hochschulen die Freiheit zurückgeben. Denn das macht sie stärker und besser.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Autonomie und Wettbewerb sind immer bessere Steuerungsmechanismen als staatliche Regulierungen und Detailsteuerungen. Deswegen sind überzeugt: Die einzelnen Hochschulen können mit Finanzautonomie und Organisationsautonomie effizienter und effektiver arbeiten und bessere Bildungschancen für uns alle schaffen.

Die Hochschulen können wieder stärker eigene Schwerpunkte setzen sowie neue Innovationen und neue Ideen anschieben. Dass Hochschulen so etwas im Rahmen ihrer eigenen Freiheit gut gemacht haben, zeigt gerade die Tatsache, dass Nordrhein-Westfalen beispielsweise in der Runde der Exzellenzstrategie hervorragend dasteht. Wir haben viele Universitäten, die da hervorragend positioniert sind. Genau das konnten sie aufgrund der Freiheit, die wir ihnen mit dem Hochschulfreiheitsgesetz schon gegeben haben.

Gleich werden die Kritikpunkte kommen. Die Opposition sieht immer einen enormen Steuerungsbedarf. Es gibt hochschulübergreifende Landesziele, die formuliert werden sollen. Das will niemand zurücknehmen.

(Matthi Bolte-Richter [GRÜNE]: Sie wollen es abschaffen!)

Der Staat wird immer schon allein durch die Finanzierung, übrigens auch durch Hochschulverträge, einen Rahmen setzen.

Der Unterschied zu Ihnen ist aber: Wir glauben an die Vernunft der einzelnen Menschen, der Experten vor Ort. Wir glauben, dass man mit ihnen auf Augenhöhe gemeinsame Ziele für die Hochschullandschaft verhandeln kann. Sie wollten das über ministerielle Vorgaben, über Rahmenvorgaben durchsetzen. Genau das werden wir nicht machen! Das ist der Unterschied.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Deswegen ist es Quatsch, wenn Sie sagen, dass über eine Novellierung keine Steuerung mehr möglich sei.

Abschließend möchte ich noch auf ein Detail – es gibt verschiedene Aspekte, die noch intensiv beraten werden, wenn erst mal ein Gesetzentwurf vorliegt – zu sprechen kommen, nämlich die Zivilklauseln, die Sie im Hochschulgesetz vorgeschrieben haben. Man kann sicher darüber streiten. Meines Erachtens sollte man das grundsätzlich nicht ins Hochschulgesetz schreiben, sondern die Hochschulen sollten das selber regeln können.

Ich finde die Sache aber auch grundsätzlich problematisch. Mir konnte noch niemand die Dual-Use-Problematik erklären. Wie will man es sauber lösen, dass Grundlagenforschung nicht vielleicht auch zu militärischen Zwecken eingesetzt werden kann?

Ich finde es schon komisch, wie ernsthaft der Kollege Bolte, digitalpolitischer Sprecher seiner Fraktion, das Internet nutzt, obwohl es doch aus der Militärforschung hervorgegangen ist. Sie sind einfach nicht konsequent!

(Zuruf von Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])

Wir werden mit diesem Hochschulgesetz unseren Hochschulen die Freiheit zurückgeben. Das neue Hochschulgesetz ist ein Befreiungsschlag für die Hochschulen in diesem Land. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Körner. – Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Bell.

Dietmar Bell (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es ist nicht das erste Mal, dass wir in diesem Hohen Hause über Hochschulgesetzgebung diskutieren.

In der vorletzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses kam es zu einer bemerkenswerten Episode. Nach einem Redebeitrag des Kollegen Bolte hat Herr Dr. Berger zur Mäßigung in der Debatte über das Hochschulgesetz aufgerufen. Er telefoniert gerade im Plenum – macht auch nichts. Ich habe ihm damals in der Sitzung gesagt: Da sagt ja der Richtige etwas zur Mäßigung in der Debatte über das Hochschulgesetz.

Welches Niveau Sie haben, Herr Dr. Berger, um ein solches Gesetz zu diskutieren, haben Sie gerade wieder beispielhaft gezeigt.

(Zuruf des Dr. Stefan Berger [CDU])

– Wenn Sie den so ernst nehmen, dann Vorsicht an der Bahnsteigkante! – Wenn Sie allen Ernstes vortragen, unser Hochschulzukunftsgesetz wäre geeignet gewesen, dieses Bundesland zu degenerieren – ich habe mir extra mitgeschrieben, was Sie gesagt haben –, dann will ich darauf deutlich erwidern: Das ist an Niveau nicht mehr zu unterbieten! Sie legen damit den hochschulpolitischen Offenbarungseid ab. Es ist nur noch schäbig, wie Sie hier auftreten!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP)

Lassen Sie mich das so deutlich sagen. Sie sollten sich wirklich um die Inhalte kümmern, anstatt hier verbal in einer derartigen Qualität aufzutreten.

Ich will Ihnen auch noch Folgendes sagen: Dass Sie in Bezug auf die ehemalige Landesministerin und jetzige Bundesumweltministerin erneut nachtreten, ist erkennbar schlechter Stil. Ich habe Ihnen schon einmal erklärt, Herr Dr. Berger, dass es lümmelhaft ist, was Sie hier tun. Das ist das Niveau, das Sie hier auf die Platte bringen.

(Beifall von der SPD – Widerspruch von der CDU)

Jetzt will ich zu den Fragen kommen, die Sie in der Beschlussfassung aufrufen. Sie beauftragen „die Landesregierung, die Erfolge des Hochschulfreiheitsgesetzes zu würdigen.“ Es ist eine wirklich bemerkenswerte Formulierung, die Sie hier finden, wenn Sie meinen, die vorvorherige Landesregierung und ihr Gesetz noch einmal würdigen zu müssen.

Sie sollten sich eher den aktuellen Herausforderungen der Hochschulpolitik widmen. Dass Sie das nicht hinreichend tun, wird bei der Formulierung der Beschlussfassung deutlich. Sie schreiben unter anderem im ersten Punkt, „ministerielle Eingriffsbefugnisse wie beispielsweise Rahmenvorgaben und den verbindlichen Landesentwicklungsplan zurückzunehmen.“

(Beifall von der FDP)

Ich habe Ihnen schon in der Ausschusssitzung sehr deutlich gemacht – wir hatten dazu auch eine Kleine Anfrage –, dass Sie bei der Rahmenvorgabe nichts als einen Popanz aufrufen. Die Landesregierung hat in der Antwort auf die Kleine Anfrage und in der Debatte, die wir im Ausschuss hatten, erklärt, sie nehme keine der bisherigen Rahmenvorgaben zurück. Sie sind bisher jeden Beweis schuldig geblieben, Herr Körner, dass dieses Instrument missbräuchlich oder regulierend in die Hochschulen eingegriffen hätte. Die Rahmenvorgaben sind im Einvernehmen mit den Hochschulen erarbeitet worden. So steht es übrigens auch im Gesetz. Es ist nichts anderes als ein argumentativer Popanz, den Sie hier aufbauen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ein zweiter Punkt: Sie haben überhaupt nicht begriffen, dass der Landeshochschulentwicklungsplan keine Eingriffsbefugnisse des Ministeriums beinhaltet. Es war ein konsultativer Prozess mit den Hochschulen,

(Zuruf von der FDP)

der hier zu einem gemeinsamen Ergebnis geführt hat.

(Daniel Sieveke [CDU]: Jawoll! Davon merken die Universitäten nur nichts!)

– Nicht „jawoll“. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Sie sind der Hochschulexperte aus Paderborn, der immer dazwischenruft.

Das gemeinsam erarbeitete Ergebnis, das hier entsprechend erstellt worden ist,

(Zuruf)

wird, wenn Sie wirklich mit den Hochschulleitungen sprechen,

(Daniel Sieveke [CDU]: Das haben wir gemacht!)

von allen wertgeschätzt.

(Daniel Sieveke [CDU]: Nicht in Paderborn!)

Das Parlament wie auch die Landesregierung sollten sich das Instrumentarium einer gemeinsamen hochschulpolitischen Entwicklung für dieses Land, die Definition hochschulpolitischer Fragestellungen nicht nehmen lassen.

Sie definieren Hochschulpolitik anscheinend so: Die Hochschulpolitik wird weder in diesem Plenum noch unter anderem im gemeinsamen konsensualen Dialog gemacht. – Hier wird gar nichts gemacht, weil Sie sich komplett zurückziehen. Sie machen keine Hochschulpolitik. Das Einzige, was Sie machen, ist, sich komplett zurückzuziehen und zu glauben, das sei gute Politik. Das ist das Ende der Hochschulpolitik in diesem Lande und nichts anderes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bell. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Bolte-Richter das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Körner, das, was Sie hier vorgetragen haben, war schon hochinteressant. Ich möchte nur ein paar Beispiele dessen aufgreifen, was Sie zu den Rahmenvorgaben gesagt haben.

Sie müssten uns einmal darlegen, warum eine gemeinsame Rechnungslegung der nordrhein-westfälischen Hochschulen die Wissenschaftsfreiheit oder den wissenschaftlichen Fortschritt einschränkt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Lieber Kollege Körner, wir haben die Ministerin in der Fragestunde im November gefragt, ob sie uns ein konkretes Beispiel liefern kann, wo ein Forschungsprojekt an der Zivilklausel, an dieser maßvollen Regelung, wie wir sie im Hochschulzukunftsgesetz gefunden haben, gescheitert ist. Die Ministerin konnte kein Beispiel bringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Genauso ist es beim Landeshochschulentwicklungsplan. Er hat nichts abgewürgt, sondern das war ein dialogisches Verfahren, wie es sein sollte, weil wir gemeinsame Ziele der Hochschulen in diesem Land brauchen, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was CDU und FDP jetzt in ihrem Antrag vorlegen, ist nur ein Reproduzieren der Eckpunkte, die die Landesregierung schon vorgelegt hat. Diese Eckpunkte haben nichts mit Freiheit zu tun. Sie sind auch nicht neu. Insofern wird das kein neues Hochschulfreiheitsgesetz, das ist einfach nur ideologiegetriebene Retropolitik.

(Zuruf von der FDP)

– Das sagt der Richtige, Herr Kollege.

Sie wollen mehr Bevormundung für Studierende. Sie wollen einen Abbau akademischer Demokratie. Sie haben kein Hochschulfreiheitsgesetz vor, Sie planen ein Studierendengängelungsgesetz.

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP)

Ich finde es wichtig, dass wir die Studierenden an dieser Stelle in den Blick nehmen, und zwar stärker, als Sie es tun; denn sie sind nun einmal die größte Statusgruppe an den Hochschulen. Sie wollen Leistungsdruck statt guter Lehre. Ein Beispiel dafür sind die verbindlichen Studienverlaufsvereinbarungen, die Sie vorhaben.

Aus der Verpflichtung der Hochschulen, gute Lehre, gute Lernbedingungen anzubieten, wird die Verpflichtung für Studierende, Lernleistungen abzuliefern. Das widerspricht der Studierfreiheit. Ihr Vorhaben schränkt die individuelle Entfaltung im Studium massiv ein und würgt letztlich kritisches und kreatives Denken ab.

Mit dem Comeback der Anwesenheitslisten

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Genau!)

benachteiligen Sie Studierende, die auf einen Job angewiesen sind, die Kinder betreuen, die Angehörige pflegen, die eine chronische Erkrankung haben. Statt Freiheit planen Sie hier einen völlig sinnlosen Eingriff in das selbstbestimmte Studium.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ihre Devise lautet nicht nur an dieser, sondern auch an vielen weiteren Stellen nicht Bürokratieabbau, wie Sie immer behaupten, sondern es geht Ihnen um Demokratieabbau. Sie wollen die Gruppenparität de facto streichen und stattdessen – da grüßt Herr Pinkwart; schön, dass auch Sie da sind – die Befugnisse des Hochschulrates weiter ausweiten.

Statt Bürokratie im akademischen Alltag abzubauen, wird von Ihnen die akademische Demokratie zum Bremsklotz erklärt. Das ist doch demokratiefeindlich, was Sie da vorhaben.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Bei Ihnen ist studentische Mitbestimmung unerwünscht. Sie wollen Studienbeiräte abschaffen, die einzige echte Chance für Studierende, ihr Fach mitzugestalten. Wenn Sie die Beauftragten für die studentischen Hilfskräfte als „Fremdkörper“ diffamieren, dann ist das gerade in der heutigen Zeit, in der die Angriffe auf die Demokratie so vielfältig geworden sind, bitter. Denn es ist bitter nötig, mehr Demokratie in allen Lebensbereichen zu schaffen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist ein interessanter Wechsel Ihrer Strategie. Bisher hatten Sie alle immer nichts mit dem zu tun, was im Koalitionsvertrag steht. Die Ministerin hatte auch nichts mit der Koalition und mit den regierungstragenden Fraktionen zu tun. Jetzt ist es anders. Mit Ihrem heutigen Antrag zeigen Sie genau, was Sie wollen.

Heute können Sie nicht mehr behaupten, Sie wären es nicht gewesen. Ab heute sind das alles Ihre Projekte. Es sind Ihre Projekte für weniger Freiheit, für weniger Selbstbestimmung, für mehr Bürokratie und für schlechtere Beschäftigungsbedingungen. Das alles sind Ihre Projekte.

Mit dem heutigen Tag wissen die Menschen im Land auch, wo die Fronten in dieser Auseinandersetzung verlaufen. Die Studierenden wissen, dass sie für Schwarz-Gelb nichts zählen. Die Beschäftigten wissen, dass sie für Schwarz-Gelb nichts zählen.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Daniel Sieveke [CDU]: Immer vorsichtig!)

Die ausländischen Studierenden wissen, dass sie für Schwarz-Gelb nichts zählen. Wer gegen Studiengebühren ist, der weiß, dass wir seine Stimme sind.

Wenn dieser Antrag irgendetwas Gutes hat, dann, dass er das Ganze klar dokumentiert und die Grundlagen, die Konfliktlinien für die Auseinandersetzung in den nächsten Monaten aufzeigt. Ich freue mich auf diese Auseinandersetzung, Sie sollten das nicht tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bolte-Richter. – Für die Fraktion der AfD hat nun der Abgeordnete Seifen das Wort. Bitte schön.

Helmut Seifen (AfD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der CDU- und der FDP-Fraktion verweist auf die fesselnden Bestimmungen des Hochschulzukunftsgesetzes und enthält noch einmal eine Abrechnung mit den gesinnungslenkenden Vorschriften der rot-grünen Vorgängerregierung, die, von ihrem ideologischen Missionseifer getrieben, die Hochschulen in das Korsett ihrer gesellschafts- und wissenschaftspolitischen Utopien zwängte.

(Beifall von der AfD – Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Diese Abrechnung offenbart die tiefe Kluft zwischen utopiegeleiteten Eiferern linker Provenienz aus SPD, Grünen und bürgerlichen Demokraten, die ihr Denken und Handeln nach den Grundsätzen von Freiheit und Selbstbestimmung organisieren, dem Humboldt‘schen Ideal gemäß.

Sie bemängeln in Ihrem Antrag die Fesseln, die man den Hochschulen mit dem sogenannten Hochschulzukunftsgesetz angelegt hat. Da ist die Rede vom Damoklesschwert potenzieller Rahmenvorgaben für die verschiedenen Bereiche der Hochschulen, und Sie geben Ihrer Befürchtung Ausdruck, dass sogar die Möglichkeit ministerieller Eingriffe in die Fachaufsicht angelegt war.

Gegensätzlicher können die Ansätze zwischen CDU/FDP auf der einen und SPD auf der anderen Seite nicht sein, und doch muss man erleben, wie Sie mit dem hier beschworenen ideologischen Gegner immer wieder gemeinsame Sache machen, ob auf Bundesebene oder Länderebene. So ist mit diesem Antrag auch nur scheinbar ein Auftrag an die Regierung verbunden, in der Hochschulpolitik umzusteuern.

(Beifall von der AfD)

Herr Dr. Berger, ich schätze Sie persönlich sehr, aber ich denke, Ihre Absicht, politisch zu gestalten, gehen Sie hier zu ängstlich und zu zögerlich an.

Schaut man sich nämlich die Beschlussfassung an, erkennt man auch hier wieder den Stil Ihrer bisherigen Politik im letzten halben Jahr. Sie beheben die schlimmsten Schäden rot-grüner Bildungs- und Wissenschaftspolitik, kümmern sich aber nicht um die tieferliegenden Ursachen der Universitätsmisere, wie wir sie in unserem Land konstatieren müssen, blasen also ideologische Gegnerschaft in Ihren Anträgen ein bisschen auf, um dann die Blase des politischen Mainstreams letztendlich doch nicht zu verlassen.

(Beifall von der AfD)

Herr Bell befeuert das noch mit einer Heftigkeit seiner Rede, die fast an meine Jakobinerrede heranreicht.

Sie ignorieren in Ihrem Antrag sträflich viele Probleme, mit denen sich die Universitäten herumschlagen müssen. Ich nenne die Überfüllung von Universitäten und Fachhochschulen, die ungenügende Personal- und Sachmittelausstattung, die unselige Verpflichtung zum Aufbringen von Drittmitteln, die Bindung finanzieller Mittel an Absolventenzahlen, die Inflation guter und bester Noten und vor allem die Verschulung der Universitätsveranstaltungen im Zusammenhang mit der sogenannten Bologna-Reform.

Zu erwähnen wäre da noch eine linksideologische Aufheizung des universitären Klimas, das der Freiheit von Forschung und Lehre geradezu widerspricht und im Einzelnen sogar zu Rede- und Veranstaltungsverboten misslicher Professoren führt; Herr Ott führt es uns gerade vor.

(Beifall von der AfD – Jochen Ott [SPD]: Ich habe doch gar nichts dazu gesagt!)

Aber diese Probleme packen Sie lieber nicht an. Dann müssten Sie auch Maßnahmen zurücknehmen, die Sie selbst vor Jahren beschlossen haben und denen eine Ideologisierung Ihrer Bildungs- und Wissenschaftsvorstellung zugrunde lag.

Ihre Anlehnung an das anglo-amerikanische Universitätsmodell ist ebenso schädlich wie die ideologische Fixierung von SPD und Grünen. Mit Ihrer Politik haben Sie die Grundsätze Humboldt‘scher Forschung und Wissenschaft aufgegeben und gegen ein Modell eingetauscht, das von einem grundsätzlich anderen Standpunkt aus Forschung und Wissenschaft betreibt, nämlich vom Standpunkt der Nützlichkeit, der Anwendungsbezogenheit, des Gewinns. Das ist ein Standpunkt, den man einnehmen kann, der auch in bestimmten Fällen seine Berechtigung hat, der aber letztlich Forschung und Wissenschaft reduziert und den Erkenntnisgewinn von vornherein auf den schnellen Profit einengt.

Forschung und Wissenschaft gedeihen aber besonders dort, wo einzig die Neugier und das Wahrheitsstreben erkenntnisleitende Motive sind. Mit der Bologna-Reform haben Sie dem Wissenschaftsstandort Deutschland schweren Schaden zugefügt. Ihr Antrag behebt diese Schäden leider nicht, er beauftragt die Regierung mit ein bisschen Flickschusterei.

Wenn man den Antrag auf seine Substanz hin betrachtet, so kommt man zu dem Schluss, dass die Verpackung bei Ihnen doch noch mehr zählt als der Inhalt.

Diesen Etikettenschwindel mussten zuletzt die Schüler eines Münsterländer Gymnasiums über sich ergehen lassen, als sich die Kollegin Freimuth als parteipolitische Polemikerin entpuppte. Sie behauptete nämlich – zumindest laut Pressemeldung der Schüler –, alle AfD-Anträge enthielten nur Problembeschreibungen statt Lösungen.

Spätestens dann, wenn diese Schüler an die Hochschulen des Landes kommen, brauchen Sie ihnen nichts mehr von Problemlösungskompetenzen der Altparteien zu erzählen. Das ist auch der Grund, weswegen die Bürger uns inzwischen mehr Vertrauen schenken als Ihnen.

Wir werden den Antrag allerdings nicht ablehnen, sondern uns enthalten. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Seifen. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen das Wort. Bitte schön.

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ziel der Landesregierung ist es, die Rahmenbedingungen für Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen zu verbessern. Wir wollen die vorhandenen Potenziale stärken und besser nutzen, als es in den vergangenen Jahren der Fall war. Durch bürokratische und regulatorische Hürden wurden diese immer wieder gehemmt. Das wollen und werden wir durch eine Novellierung des aktuellen Hochschulgesetzes ändern.

Wir können nicht einerseits die Hochschulen und Forschungseinrichtungen auffordern, Spitzenforschung zu leisten, junge Menschen hervorragend auszubilden und sie möglichst dauerhaft ans Land zu binden, während wir sie andererseits mit vielerlei und weitreichenden Vorgaben einengen. Dieses Vorgehen zeugt von Misstrauen gegenüber denjenigen, die sich im nordrhein-westfälischen Wissenschaftssystem eigentlich am besten auskennen, nämlich gegenüber den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und am Ende natürlich auch gegenüber den Hochschulleitungen.

Ein solches Misstrauen entspricht nicht dem Politikverständnis der Landesregierung. Uns geht es um Partnerschaft und Augenmaß und nicht um Zwang und Kontrolle. Wir wollen die Hochschulen von unnötigem bürokratischem Ballast befreien, damit sie ihre Möglichkeiten ausschöpfen können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb werden wir das bestehende Hochschulgesetz überarbeiten. Die Richtung ist klar. Wir wollen den Hochschulen wieder mehr Freiheit und mehr Eigenverantwortlichkeit einräumen. Dabei knüpfen wir an das Hochschulfreiheitsgesetz an. Wir werden es weiterentwickeln und an die aktuellen Herausforderungen anpassen.

Vor diesem Hintergrund begrüße ich den Antrag der CDU und der FDP, der ein wichtiger Impuls für den weiteren Gesetzgebungsprozess ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen sind hier oben nicht ersichtlich. – Das bleibt auch nach einem Blick in die Runde so. Damit sind wir am Schluss der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt, sodass ich nun auch zur selbigen komme und den Inhalt des Antrags mit der Drucksache 17/2155 Ihrem Votum empfehle.

Wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte, den darf ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Das sind die Abgeordneten der AfD-Fraktion und die drei fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2155 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Wir kommen zu:

14 Kassenbetrug schadet der Allgemeinheit – Schnelles Handeln ist gefragt

Antrag
der Fraktion der SPD
Drucksache 17/2165

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD dem Abgeordneten Weske das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Markus Herbert Weske (SPD): Schönen Dank. – Wir haben 20:18 Uhr und kommen zum letzten Tagesordnungspunkt, der hier ordentlich beraten wird. Das ist die Chance für die Abgeordneten aus der letzten Reihe, hier auch reden zu dürfen. Da mache ich natürlich gerne den Anfang.

(Heiterkeit von der SPD – Zurufe von der SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema unseres Antrags „Kassenbetrug schadet der Allgemeinheit“ ist natürlich nicht neu. Der Bundesrechnungshof warnte die Politik bereits im Jahr 2004, die Finanzbehörden könnten – Zitat – „falsche Angaben über eingenommene Bargelder nicht mehr aufdecken“.

Schwarzgeldgeschäfte gibt es, seit Steuern erfunden wurden. Doch die Chancen der Finanzermittler, den Tricksern hinterm Tresen auf die Schliche zu kommen, nahmen ständig ab. Das lag insbesondere an den modernen Kassen, die – mit entsprechender Software angereichert – nicht nur Verkaufsvorgänge in Sekundenbruchteilen ohne jede Spur tilgen konnten, mitunter frisierten sie auch gleich Wareneinkauf und Lagerbestände mit.

Im April 2014 nahm sich unser damaliger nordrhein-westfälischer SPD-Finanzminister Norbert Walter-Borjans, der hartnäckigste Kämpfer für Steuergerechtigkeit …

(Beifall von der SPD – Heiterkeit von Bernd Krückel [CDU])

– Herr Krückel, Sie lachen. Das habe ich mir nicht ausgedacht, das ist eine Beschreibung aus dem „SPIEGEL“, die ich jetzt einmal übernommen habe.

(Beifall von der SPD)

… und zu diesem Zeitpunkt auch Vorsitzender der Finanzministerkonferenz, der Sache an. Er forderte als erster Finanzminister, den massenhaften Betrug an manipulierten Kassen nicht länger hinzunehmen. Gewerkschaften und Steuerprüfer unterstützten ihn dabei. Schließlich geht es hier um jährliche Steuerausfälle in Höhe von mindestens 10 Milliarden €.

Dieser Kampf gegen die mitunter simplen Tricks, wie beispielsweise die Funktion des Managerstornos in der Gastronomie, mit der Umsätze schon vor der Buchung frisiert werden können, ist übrigens nicht nur in unserem Sinne, sondern auch im Sinne der Inhaber gastronomischer Betriebe.

Ich erinnere an den Vorfall in einer Düsseldorfer Altstadtbrauerei. Durch geschickte Buchungsmanipulation, so der Vorwurf, wurden die alltäglichen Umsätze der Köbesse von drei leitenden Angestellten nach Geschäftsschluss nach unten verfälscht und die so geschaffene Differenz in bar dann in die eigenen Taschen gesteckt. Die Anklage sprach von 1.256 Einzelfällen und von rund 1,1 Millionen € Gesamtschaden. Eine schnellstmögliche Nachrüstung der Kassensysteme, um Manipulationen zu vermeiden, ist also im Sinne aller.

Das Problem ist, dass der ehemalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, obwohl es um Steuerausfälle im zweistelligen Milliardenbereich geht und es entsprechende Beschlüsse aller Länder gab, hier gesetzlich zu handeln, erst nach einer langen Hängepartie Ende 2016 ein Gesetz vorlegte, das nur ein schlechter Kompromiss war bzw. ist.

So gibt es für Taxameter oder Glücksspielgeräte gar keine Regelung, und ansonsten sind sehr lange Übergangszeiten vorgesehen, bis wirklich jedes Unternehmen eine Registrierkasse haben muss, die auch geprüft werden kann.

Immerhin scheint dieser Zeitraum auch Herrn Minister Lienenkämper etwas zu lange vorzukommen. Aber außer den Ankündigungen im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur ist von der Landesregierung bisher – Herr Pinkwart, Sie vertreten den Herrn Minister – nichts gekommen.

Finanzpolitik ist mehr, als nur einmal im Jahr dem Parlament einen Haushaltsentwurf vorzulegen, der noch nicht einmal ausgeglichen ist. Daher, liebe Landesregierung, legen Sie uns umgehend etwas Konkretes vor. Die Zeit dafür ist nicht nur reif, sondern die Rahmenbedingungen sind ausgesprochen gut, schließlich führt jetzt ein Sozialdemokrat das Finanzministerium in Berlin. Bei ihm werden Sie nicht nur offene Türen einrennen, er wird bei solchen Dingen auch etwas mehr Dampf machen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD – Monika Düker [GRÜNE]: Wow, da bin ich jetzt ja mal gespannt!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Weske. – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Krückel das Wort. Bitte schön.

Bernd Krückel (CDU): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Weske, Sie haben hier in wesentlichen Teilen Steuerhistorie vorgetragen. Die Wirklichkeit sieht anders aus.

Lassen Sie mich zu Ihrem Antrag kommen. Mich entsetzt die Oberflächlichkeit, mit der Sie hier vorgegangen sind, und die Tatsache, dass Sie wieder einmal versuchen, Unternehmer als potenzielle Steuerhinterzieher abzuqualifizieren.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Ich zitiere – mit Genehmigung der Präsidentin – aus dem Antrag der SPD. Dort heißt es:

„Im Jahr 2014 hat das nordrhein-westfälische Finanzministerium auf Basis von Studien aus Kanada errechnet, dass bundesweit pro Jahr etwa zehn Milliarden Euro Steuerausfälle durch diese Manipulationen zu verzeichnen sind.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann nicht erkennen, dass Erfahrungen aus Kanada auch nur annähernd auf die Handhabung von Kassen und auf daraus resultierende Steuerausfälle in Deutschland schließen lassen. Auf der Basis dieser durch nichts belegten Steuerausfälle wird der Anschein erweckt, die deutsche Gesetzgebung sei untätig. Das war das Bundesfinanzministerium unter Führung von Wolfgang Schäuble nicht, und ich habe keinen Zweifel daran, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz die bereits beschlossenen und beabsichtigten Maßnahmen umsetzen wird.

Mit einigen Maßnahmen zeige ich auf, dass der Bund weiterhin tätig ist und Finanzminister Lienenkämper eine aktive Rolle spielt. Ich nenne drei Maßnahmen aus drei Jahren, die belegen, dass die Ausführungen des Kollegen Weske Steuerhistorie sind.

Erste Maßnahme: Bereits Ende 2016 wurde das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen beschlossen und verkündet. Was soll hiermit erreicht werden? Zum Schutz vor Manipulationen digitaler Grundaufzeichnungen, zum Beispiel Kassenaufzeichnungen, soll die Unveränderbarkeit von digitalen Grundaufzeichnungen sichergestellt und der Manipulation ein Riegel vorgeschoben werden. Dies geschieht bereits sehr erfolgreich.

Zweite Maßnahme: Zum 1. Januar 2017 mussten die Unternehmen die elektronischen Kassen nachrüsten und die Speicherung und Auslesbarkeit der Daten sicherstellen.

Dritte Maßnahme: Zum 1. Januar 2018 folgte mit der Einführung der Kassennachschau ein weiterer Schritt. Ergänzend zu den bereits vorhandenen Instrumenten der Steuerkontrolle ist die Kassennachschau ein eigenständiges Verfahren zur zeitnahen Aufklärung steuererheblicher Sachverhalte im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Erfassung von Geschäftsvorfällen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme. Durch diese unangekündigte Kassennachschau während der üblichen Geschäftszeiten des Steuerpflichtigen können Amtsträger Grundstücke und Räume von Steuerpflichtigen betreten, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausüben.

Mit dem 1. Januar 2020 finden die neu eingeführten Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme sowie die neuen Ordnungswidrigkeitstatbestände Anwendung.

Als weiteres Instrument befindet sich die Kassensicherungsverordnung in Vorbereitung. Die Kassensicherungsverordnung legt fest, welche elektronischen Aufzeichnungen von den Regelungen der Abgabenordnung umfasst werden. Ich erspare Ihnen an dieser Stelle und zu so fortgeschrittener Zeit Details.

Das Bundesministerium der Finanzen sagte zu, noch in diesem Jahr in enger Abstimmung mit den Ländern die Überarbeitung der Verordnung mit dem Ziel zu starten, den Anwendungsbereich auf betrugsanfällige kassenähnliche Systeme auszudehnen. Diese Arbeiten sollen im ersten Halbjahr 2018 abgeschlossen sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich auf einen weitverbreiteten Irrtum hinweisen: Die Steuerzahlungen, die sich nach Betriebsprüfungen ergeben, resultieren häufig nicht aus der Aufdeckung von Steuerhinterziehungen. Sie haben oft formelle Gründe und mit Steuerhinterziehung und dergleichen nichts zu tun.

Gerne würde ich einmal in einem umfangreicheren Rahmen auf diese Problematik eingehen, aber wir diskutieren den Antrag ja nicht im Haushalts- und Finanzausschuss, sondern stimmen heute Abend darüber ab. Auf dieser dünnen Basis, also auf der Basis von nahezu nicht vorhandenen oder veralteten Fakten, kann meine Fraktion den Antrag natürlich nur ablehnen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krückel. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Witzel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Ralf Witzel (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf sagen, dass wir schon etwas überrascht waren, als wir diesen Antrag der SPD als Landtagsdrucksache vorgefunden haben. Denn sowohl hinsichtlich des Prozedere, das Sie für die Bearbeitung dieses Themas vorschlagen, als auch in inhaltlicher Hinsicht ist das, was Sie hier erarbeitet haben, wenig überzeugend.

Ich darf Sie daran erinnern, dass die SPD vor etwas mehr als einem Jahr im Deutschen Bundestag und im Bundesrat das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen verabschiedet hat.

Nun ist die SPD – entgegen allen Versprechungen und Ankündigungen, die Sie getätigt haben – erneut an der Bundesregierung beteiligt und stellt dabei sogar noch den Bundesfinanzminister. Sie haben also eine deutlich verbesserte Position mit ganz unmittelbarem Zugang zu der Arbeitsebene dort, während Sie im Land Opposition sind.

Daraus, dass Sie den Bundesfinanzminister stellen, im Bund Regierungspartei sind und vor einem Jahr in Bundestag und Bundesrat als SPD etwas beschlossen haben, ziehen Sie die Schlussfolgerung, dass Sie jetzt aus der Opposition heraus die schwarz-gelbe Landesregierung auffordern, eine Bundesratsinitiative zu starten. Hierzu wählen Sie in Ihrem Antrag eine Formulierung, mit der Sie politische Wettbewerber schlechtreden und deren Arbeit negativ darstellen. Somit haben Sie die Garantie, dass diese Landtagsdrucksache von der Mehrheit dieses Hauses so nicht beschlossen werden wird.

Das zeigt, dass Sie überhaupt nicht das Interesse haben, dieses Thema hier zu bearbeiten. Denn dann hätten Sie ergebnisorientiert gehandelt und wären ganz anders vorgegangen.

Bei den allgemeinen Wertvorstellungen besteht hier im Hohen Haus ja immer Einigkeit. Jede Form von Betrug – auch Steuerbetrug – ist natürlich hart zu bestrafen und zu verfolgen. Aber schon bei der Faktenbasis wird es bei Ihnen etwas schwieriger. Mein Vorredner hat schon darauf hingewiesen, dass Sie da sehr gerne spekulieren: Was bedeutet Kanada für Nordrhein-Westfalen im Vergleich?

Ich halte auch zumindest die Frage für berechtigt, ob Ihre These haltbar ist, dass 50 %, wie es in Ihrem Antrag steht, der Umsatzerlöse nicht oder fehlerhaft gebucht werden. 50 % der Umsatzerlöse halte ich für eine sehr große Hausnummer und eine sehr starke Ansage.

Sie behaupten im Antrag wörtlich – Zitat – „massiven Steuerbetrug“ und stellen damit viele Unternehmer mit Bargeldgeschäft unter Generalverdacht. Das halten wir für den falschen Weg. Denn wir wollen Unternehmern in allererster Linie Vertrauen und Ermutigung entgegenbringen, anstatt sie mit Misstrauen von unternehmerischer Tätigkeit in diesem Land abzuhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die heutige Rechtslage nach Abgabenordnung ist, dass Geschäftsvorfälle und andere Vorgänge einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen sind. Diese bestehende Rechtslage ist für Betroffene mit Problemen verbunden. Sie führt nämlich zur Produktion immenser unüberprüfbarer Datenmengen.

Das ist ähnlich wie bei der Vorratsdatenspeicherung. Da geht es Ihnen ja auch nur darum, erst einmal möglichst viel zu sammeln, egal ob es nachher im Rahmen der Kontrolle handhabbar ist. Sie sorgen für einen riesigen Bürokratieaufwand, wenn Sie diese Regelungen weiter ausdehnen wollen.

Da hat dieser Landtag heute Vormittag mit seinem Entfesselungsimpuls in Form des Entfesselungspaketes eine andere Philosophie bewiesen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Für Steuerhinterzieher!)

– Nein, wir haben die Wirtschaft entfesselt, um in diesem Land arbeiten zu können. Sie hingegen wollen immer nur noch mehr Bürokratie: tägliche Kassenschau, täglicher Kassensturz – und das Ganze für Kleinstgewerbetreibende wie zum Beispiel Markthändler. Die haben auch mal eine Aushilfe als eine Vertretung in ihrem Laden. Die muss dann auch geschult werden und rechtlich Verantwortung übernehmen. Damit schaffen Sie immense Bürokratie. Das ist für viele Kleinunternehmer oder für Gründer in Nordrhein-Westfalen nicht praktikabel. Sie wollen es aber weiter ausdehnen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Für Steuerbetrüger!)

Das ist eine finanzielle Belastung durch die Einführungskosten für neue Systeme und die Kosten für ständige Systemupdates. Hier muss man die Verhältnismäßigkeit wahren und das machen, was vernünftig ist, was gut geht, was aber auch nicht diejenigen überfordert, die in Nordrhein-Westfalen produzieren sollen, die etwas erarbeiten sollen, die ausbilden sollen und die für Beschäftigung in diesem Land sorgen sollen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Der Schutzpatron der Steuerhinterzieher!)

Deshalb ist die Situation kleiner Unternehmen dahin gehend, was sie für eine rechtliche Verantwortung haben, welche Dokumentationspflichten sie haben und wie viel Geld sie regelmäßig für Systemupdates neu in die Hand nehmen müssen, eine andere als bei großen Unternehmen. Klein- und Kleinstgewerbetreibende sind da in der Tat in einer anderen Situation.

All diese Perspektive fehlt Ihnen, weil Ihnen nicht an einer gelingenden Wirtschaft gelegen ist. Deshalb stellen Sie jetzt sogar Ihre eigene Gesetzgebung von vor einem Jahr hier in Zweifel. Das halten wir für unverhältnismäßig. Deshalb lehnen wir Ihnen Antrag auch gerne ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Witzel. – Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Düker das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Witzel, einmal mehr haben Sie hier gezeigt, dass Sie in der Koalition offenbar mehr miteinander reden sollten.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Denn Ihr Finanzminister – ich zitiere aus einer Agenturmeldung – sagte am 28. Januar 2018 zu den Schummeleien an Registrierkassen:

„Wir brauchen dringend möglichst einfache, praktikable, gut funktionierende Lösungen, damit wir dem Betrug mit manipulierten Registrierkassen einen Riegel vorschieben können.“

(Beifall von Stefan Zimkeit [SPD] – Sigrid Beer [GRÜNE]: Ja, der Herr Lienenkämper!)

Guter Mann; gutes Zitat! Offenbar applaudieren wir dem Finanzminister da eher als sein eigener Koalitionspartner.

Das verwundert etwas. Und, Herr Witzel, fünf bis zehn Milliarden € Steuerausfälle, geschätzt, Minimum, durch Steuerbetrug mittels dieser manipulierten Registrierkassen können keinen Finanzminister oder keine Landesregierung – gleich wird Herr Pinkwart dazu sprechen; 5 bis 10 Milliarden €, Herr Pinkwart, was können Sie in Ihrem Ressort damit nicht alles Schönes machen? –,

(Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart)

die können eine verantwortungsbewusste Regierung nicht kalt lassen. Offenbar sind das für Sie Peanuts, die es nicht wert sind, sich darum zu kümmern.

Norbert Walter-Borjans – das ist jetzt hier mehrfach gesagt worden – hat 2014 deswegen eine Initiative in der Finanzministerkonferenz ergriffen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es gab eine gesetzliche Regelung. Aber – und das ist die Lücke, die nach wie vor bleibt –, das was in Schweden offenbar seit 2010 möglich ist, nämlich manipulationssichere Registrierkassensysteme verbindlich einzuführen – offenbar ist in Schweden die Welt nicht untergegangen –, ist in Deutschland eben noch nicht Standard. Daher unterstützen wir die Initiative der SPD-Fraktion. Aber gestatten Sie mir, mein Befremden über diese Initiative doch noch einmal zu äußern.

2014 – ein sozialdemokratischer Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, eine Große Koalition in Berlin; wir haben hier nun einmal nicht die Gesetzeshoheit –, fordert ein sozialdemokratischer NRW-Finanzminister einen CDU-Bundesfinanzmi-nister auf, doch ein wirksames Gesetz gegen diese Form des Steuerbetruges zu machen, wohlgemerkt in einer Großen Koalition. Herr Schäuble war da ja nicht alleine. Gut, nun ist das Ganze umgekehrt. Wir haben einen CDU-Landesfinanzmi-nister, der nun – so können wir es der Presse entnehmen – einen SPD-Bundesfinanzminister, wiederum in einer Großen Koalition, auffordert, jetzt wirksame Regelungen zu schaffen und endlich in die Pötte zu kommen. Es ist immer noch die Große Koalition.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, es wäre, glaube ich, lieber Kollege Weske, zielführender, wenn Sie sich hier nicht über die Jahre gegenseitig auffordern würden, endlich wirksame Lösungen zu schaffen, sondern wenn Sie einfach mal handeln würden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ja, dieses gegenseitige Auffordern geht nun seit ein paar Jahren. Sie sitzen da in Berlin jetzt mit der Großen Koalition. Da sitzt ein SPD-Bundesfinanzmi-nister. Machen Sie es doch einfach! Dafür brauchen wir eigentlich solche Anträge nicht. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die Fraktion der AfD hat der Abgeordnete Strotebeck das Wort. Bitte schön.

Herbert Strotebeck (AfD): Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren!

(Unruhe)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Schscht!

Herbert Strotebeck (AfD): Keiner will sich betrügen lassen. Also ist es nur konsequent, wenn sich der Staat auch nicht betrügen lassen will. Der Staat sind bekanntlich wir alle. Also werden wir auch hoffentlich alle dieses gemeinsame Interesse haben.

Jeder, der ein Geschäft betreibt, muss eine nachvollziehbare und jederzeit prüfbare Kasse führen, und das geht. Andere Länder machen es uns vor. Schon seit 1983 sind alle Kunden in Italien verpflichtet, den Kassenbon, den sogenannten Scontrino, selbst für den kleinsten Kauf bei sich zu führen – ein Nachweis für beide, für Verkäufer und Käufer; das ist die sogenannte Belegerteilungspflicht.

Das Problem bei uns sind die Lücken in den Regelungen, die geschlossen werden müssen. Am 13. Juli 2016 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen beschlossen. Mit dem Gesetz sollte konsequent gegen Manipulationen der Umsätze und Steuerhinterziehungen vorgegangen werden. Die technischen Möglichkeiten sind gegeben, auch für einen durchaus akzeptablen Aufwand.

Grundlage für den Geschäftsbetrieb, und zwar unabhängig von der Größe, ist eine nachweisbare und jederzeit kontrollierbare Kassenführung, und zwar ohne Ausnahme. Nur wer sich diese Kassenführung leisten kann, kann auch ein Geschäft betreiben. Und ich wiederhole gerne: ohne Ausnahme. Eine den Anforderungen entsprechende Registrierkasse ist schon für unter 500 € zu bekommen. Die technischen Lösungen sind bekannt und gibt es durchaus, übrigens auch für Taxameter.

Die Ausnahmen sind aber das Problem, und zwar insbesondere die selbst anzugebende Umsatzuntergrenze für die Registrierkassenpflicht, die viel zu langen Übergangsregelungen bis zum 31.12.2022 und die bereits erwähnte halbherzige Belegausgabepflicht.

Aber zukünftig kann das ja alles – wir haben es mehrfach gehört – nur besser werden und direkt in Angriff genommen werden. In Berlin haben wir seit Mitte letzter Woche Herrn Olaf Scholz, einen SPD-Finanzminister im Amt. Der kann jetzt die Versäumnisse von Herrn Schäuble bereinigen und auch die vorgeworfene Verzögerungstaktik beenden.

Eines betone ich hier aber vorsorglich ganz ausdrücklich: Es darf hier nicht die generelle und nachvollziehbare Bezahlung …

(Unruhe – Nic Peter Vogel [AfD]: Ruhe!)

Ich wiederhole es gerne: Es darf hier nicht die …

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Schscht!

Herbert Strotebeck (AfD): … generelle und nachvollziehbare Bezahlung, natürlich am einfachsten bargeldlos, mit der Abschaffung des Bargelds in Verbindung oder gar gleichgesetzt werden, so wie es in Dänemark und Schweden weit bzw. sehr weit fortgeschritten ist. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Natürlich sind wir, wie eingangs bereits dargelegt, für Steuergerechtigkeit und gegen jeden Steuerbetrug. Selbstverständlich wollen wir schnelle, klare und handhabbare gesetzliche Regelungen, auch gerade zum Schutz für die steuerehrlichen Unternehmen. Ziel sollte ein einfaches und gerechtes Steuersystem sein.

Aber bei diesem lückenhaften und unkonkreten Antrag bleibt uns nur die Enthaltung. Wenn es ein Antrag von uns wäre – ich meine, so etwas würden wir nicht abgeben –, würde es wieder heißen: schlecht gemacht. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Strotebeck. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung in Vertretung für Herrn Finanzminister Lienenkämper Herr Minister Professor Pinkwart das Wort. Bitte schön.

Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, Herr Abgeordneter Weske, eingangs den Rückblick ein bisschen geraderücken. Nichts gegen Nostalgie in puncto Walter-Borjans, aber da ich der damaligen Vorgänger-Landesregierung selbst angehört habe, kann ich aus eigener Betrachtung bestätigen, dass es die schwarz-gelbe Landesregierung – im Übrigen im Land und im Bund – war, die den ersten Ankauf einer solchen Steuer-CD auf den Weg gebracht hat.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Sie wissen, dass wir von unterschiedlichen Dingen reden!)

Sie haben das dann fortgesetzt, erwecken aber den Eindruck, allein Sie hätten sich darum gekümmert, systematisch betriebene Steuerhinterziehung aufzudecken. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich da eine andere Erinnerung habe.

Im Übrigen habe ich auch im Hinblick auf ein aktuelles Thema eine andere Erinnerung. Sie sagen, der Haushalt sei nicht ausgeglichen. Ich habe es aber eigentlich so verstanden, dass wir in diesem Jahr erstmalig seit 1974 einen ausgeglichenen Haushalt im Landtag verabschiedet hätten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nur so viel eingangs zur Wahrheitsfindung.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Ihr erster Haushalt hat eine Milliarde Schulden gemacht!)

Nun zur Sache selbst. Unstreitig werden seit Jahren Umsätze, die in elektronischen Registrierkassen vermeintlich sicher verbucht sind, mit hoher krimineller Energie der Steuer und damit der Allgemeinheit vorenthalten.

In den letzten Jahren hat es zum Glück einen breiten politischen Konsens gegeben, hiergegen endlich etwas zu tun. Eine gesetzliche Neuregelung und eine dazugehörige Verordnung enthalten nun entscheidende Schritte und greifen wesentliche Forderungen der Prüfungsdienste der Länder auf – zum Beispiel eine gesetzlich verankerte Einzelaufzeichnungspflicht von Verkäufen, eine unangemeldete Kassennachschau, eine Belegausgabepflicht und endlich auch Sanktionen gegen das Herstellen und Vertreiben von Manipulationssoftware für Kassen.

Die Landesregierung hält diese Maßnahmen für notwendig und ist überzeugt, dass sich durch diese Maßnahmen die Rahmenbedingungen für die Betriebsprüfung und Steuerfahndung im Kampf gegen systematische Steuerhinterziehung in Bargeldbranchen gegenüber der heutigen Situation verbessern werden.

Ja, es ist richtig, dass Fachleuten zum Beispiel der Deutschen Steuer-Gewerkschaft die erreichten Maßnahmen nicht ausreichend erscheinen. Aber erinnern wir uns: Es war eine intensive Diskussion zwischen dem fachlich Notwendigen, dem politisch Machbaren und letztlich auch dem wirtschaftlich Vernünftigen, der zu diesem Kompromiss geführt hat.

Der politische Konsens, der im Übrigen von einer Bundesregierung aus Union und SPD und unter Einbeziehung des Bundesrates hergeleitet worden ist und an dem Sie als rot-grüne Landesregierung mitgewirkt haben, betraf auch – ich bitte Sie als antragstellende Fraktion, das zur Kenntnis zu nehmen – die Ablehnung der Einführung einer generellen Registrierkassenpflicht, die jetzt von Ihnen erneut beantragt wird.

Warum wurde diese Ablehnung konzertiert? – Sie würde zu erheblichen Problemen für kleine Unternehmen führen bzw. eine Vielzahl von bürokratischen Ausnahmeregelungen erfordern und ist daher weiterhin abzulehnen.

Natürlich besteht noch Ergänzungsbedarf – etwa die Einbeziehung der Taxibranche. Aber das ist auf den Weg gebracht. Das Bundesministerium der Finanzen hat die Ergänzung der Verordnung zugesagt. Ich gehe davon aus, dass die Zusage auch weiterhin gilt. Deshalb gibt es auch keinen Bedarf für eine Gesetzesinitiative.

Wichtig ist vielmehr, dass das Inkrafttreten der Verordnung zum 1. Januar 2020 nicht gefährdet wird. Darum geht es jetzt. Lassen Sie uns die dann geltenden Sicherungsmechanismen zunächst abwarten und im Anschluss über die Erfahrungen der Finanzämter aus unseren Prüfungsdiensten berichten. Ich bin zuversichtlich, dass die anhaltende Diskussion um die Ehrlichkeit an der Kasse und die deutlich steigende Entdeckungswahrscheinlichkeit zu einem positiven Effekt bei der Versteuerung von Kasseneinnahmen führen werden.

Wie hoch der zählbare Effekt konkret auch immer sein wird – eines ist jedenfalls klar, Frau Düker: Wir würden uns natürlich sehr freuen, wenn wir dadurch 5 bis 10 Milliarden € mehr für Nordrhein-Westfalen erhoffen könnten. Diese Zahl hatten Sie eben in den Raum gestellt. Ich muss Sie da leider enttäuschen. Geschätzt werden es bundesweit 10 Milliarden € sein, und auf NRW entfiele 1 Milliarde € pro Jahr. Aber auch das wäre sehr viel Geld; ich möchte es nur etwas relativieren.

Es geht dieser Landesregierung aber auch um Planungssicherheit für die große Zahl der ehrlichen Unternehmer dieses Landes, diejenigen, die in den nächsten Monaten ihre Kassensysteme für 2020 fit machen und Investitionen tätigen müssen. Diese haben einen Anspruch auf Verlässlichkeit der Politik. Dazu gehört auch, dass der Gesetzgeber die Regeln nicht immer wieder in kurzen Abständen ändern darf, sondern angestoßene Veränderungsprozesse zunächst abwarten und dann auf Wirksamkeit prüfen muss.

Ich betone: Die neuen Sicherungsmechanismen müssen wie geplant kommen. Verzögerungen wären nicht hinnehmbar. Die Einhaltung des Zeitplans wird Nordrhein-Westfalen überwachen, und NRW wird auch dem Bundesminister der Finanzen gemachte Zusagen und Versprechungen abringen. Der Bund ist hier im Wort.

Zusammenfassend gesagt: Die Landesregierung kennt die Problemlagen und vertraut auf die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen. Sie sieht aktuell keinen Grund, den politischen Kompromiss aufzukündigen und andere Regelungen einzuführen. Sie wird aber weiterhin konsequent auf die fristgerechte Einführung der neuen Maßnahmen drängen.

Ich erinnere die antragstellende Fraktion, dass sie damals beim Zustandekommen dieser gesetzlichen Regelung auf beiden Ebenen in der Verantwortung war, und ich rufe sie auf, mitzuhelfen, dass die getroffenen Vereinbarungen in der Praxis so umgesetzt werden, dass Vertrauen in diese Regelung bei den Bürgern und den Unternehmen erwachsen kann. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Professor Pinkwart. – Ich teile mit, dass die Landesregierung ihre Redezeit um 1 Minute und 14 Sekunden überzogen und damit auch die Redezeitüberziehung von CDU und FDP übertroffen hat. Ich frage die anderen Fraktionen, ob zu diesem Tagesordnungspunkt noch Redebedarf besteht. – Das ist nicht der Fall. Ich stelle fest, dass wir uns am Schluss der Aussprache befinden.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der SPD hat direkte Abstimmung beantragt, sodass ich nunmehr über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/2165 um Ihr Votum bitte. Wer dem Inhalt des Antrags zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU und FDP sowie die fraktionslosen Abgeordneten Neppe und Langguth. Gibt es Enthaltungen? – Das sind die Abgeordneten der AfD-Fraktion. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist der Antrag Drucksache 17/2165 mit dem gerade festgestellten Ergebnis abgelehnt.

Wir kommen zu:

15 Zufriedenheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst stärken und hohe Krankenstände in der Landesverwaltung durch ein aktives behördliches Gesundheitsmanagement senken

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2160

Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, dass eine Aussprache heute nicht durchgeführt wird.

Wir kommen daher zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2160 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie an den Innenausschuss. Nach Verständigung der Fraktionen erfolgt die abschließende Aussprache und Abstimmung nach Vorlage der Beschussempfehlung des federführenden Ausschusses im Plenum. Ich darf um das Votum zu dieser Überweisungsempfehlung bitten. – Das ist die Zustimmung aller Fraktionen sowie der fraktionslosen Abgeordneten Neppe und Langguth. Gibt es Enthaltungen? – Nein-Stimmen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

16 Gesetz zur Änderung des Gesundheitsfachberufeweiterentwicklungsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2113

erste Lesung

Herr Minister Laumann hat mitgeteilt, dass er die Einbringungsrede zu Protokoll gibt. Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Somit kommen wir zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrats, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2113 an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu überweisen. Ich frage, ob es Gegenstimmen oder Enthaltungen zu dieser Überweisungsempfehlung gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

17 Gesetz zur Änderung des Polizeiorganisationsgesetzes

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2114

erste Lesung

Zur Einbringung erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Reul das Wort. Bitte schön, Herr Minister Reul.

Herbert Reul, Minister des Innern: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte auch überlegt, meine Einbringungsrede zu Protokoll zu geben, aber ich bin seit heute Morgen hier, zwei Tagesordnungspunkte wurden vertagt und einer ist auf morgen verlegt worden. Deshalb rede ich jetzt – aber ich mache das kurz und bündig –, sonst hätte ich heute Morgen gar nicht kommen müssen.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP)

In der derzeitigen Fassung gewährt die landesgesetzliche Norm des Art. 9 des Gesetzes über die Organisation und Zuständigkeit der Polizei im Lande Nordrhein-Westfalen ausschließlich Bediensteten, die den Status des Polizeivollzugsbeamten haben, eine entsprechende Eilzuständigkeit.

Durch § 12d des Zollverwaltungsgesetzes hat der Bundesgesetzgeber im März des letzten Jahres eine Öffnungsklausel geschaffen. Die Länder können nach landesgesetzlichen Regelungen den Zollverwaltungen entsprechende Eilzuständigkeiten übertragen.

Dies soll hiermit geschehen. Durch Art. 1 des Änderungsgesetzes wird die bundesrechtliche Befugnisnorm des § 12d des Zollverwaltungsgesetzes mit der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 3 des Polizeiorganisationsgesetzes in Gleichklang gebracht.

Auf gut Deutsch: Zollbedienstete in den Vollzugsbereichen der Zollverwaltung sind im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung immer wieder Situationen ausgesetzt, in denen ein unmittelbares polizeiliches Handeln geboten erscheint. Ziel ist es, dass diese Zollbediensteten des Bundes künftig in Nordrhein-Westfalen im Rahmen ihrer originären Aufgabenwahrnehmung die Polizei NRW im Eilfall unterstützen und bei der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung tätig werden können.

Stimmen Sie dem einfach zu; das ist eine gute Tat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrats, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2114 an den Innenausschuss zu überweisen. Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich die einstimmige Zustimmung zu der Überweisungsempfehlung fest. Sie ist damit angenommen.

Wir kommen zu:

18 Gesetz zur Modernisierung des Bauordnungsrechts in Nordrhein-Westfalen – Baurechtsmodernisierungsgesetz (BauModG NRW)

Gesetzentwurf
der Landesregierung
Drucksache 17/2166

erste Lesung

Frau Ministerin Scharrenbach hat mitgeteilt, die Einbringungsrede zu Protokoll zu geben. Eine weitere Aussprache ist heute nicht vorgesehen.

Somit kommen wir zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrats, der uns nahelegt, den Gesetzentwurf Drucksache 17/2166 an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen – federführend –, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, an den Ausschuss für Kultur und Medien, an den Innenausschuss sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung zu überweisen. Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann stelle ich auch hier die einstimmige Zustimmung des Hohen Hauses zu dieser Überweisungsempfehlung fest.

Wir kommen zu:

19 Willkommenskultur für gute Ideen – Initiative ergreifen für das Gründerland NRW

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2153

Auch hier ist eine Aussprache heute nicht vorgesehen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrats, der uns nahelegt, den Antrag Drucksache 17/2153 an den Ausschuss für Digitalisierung und Innovation – federführend –, an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu überweisen.

Die abschließende Aussprache und Abstimmung soll nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Darf ich die Zustimmung des Hohen Hauses feststellen? – Gegenstimmen? Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

20 Integration strukturiert gestalten – Qualifizierung und Professionalisierung von Migrantenselbstorganisationen weiterentwickeln

Antrag
der Fraktion der CDU und
der Fraktion der FDP
Drucksache 17/2157

Auch hier ist eine Aussprache heute nicht vorgesehen.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/2157 an den Integrationsausschuss. Die abschließende Aussprache und Abstimmung soll nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgen. Ich darf fragen, wer der Überweisungsempfehlung folgen möchte, und bitte um das Handzeichen. – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Gegenstimmen und Enthaltungen sehe ich nicht. Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

21 Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der U. GmbH & Co.KG, vertreten durch den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH H., – Bevollmächtigte: MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Holbeinstraße 24, 04229 Leipzig – gegen die §§ 3, 4, 6, 11 und 12 des Gesetzes über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an Windparks in Mecklenburg-Vorpommern (Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz – BüGembeteilG M-V) vom 18. Mai 2016 (GVOB 2 M-V S. 258)

1 BvR 1187/17 –

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses
Drucksache 17/2116

Auch hier ist eine Aussprache nicht vorgesehen, sodass wir direkt zur Abstimmung kommen können.

Der Rechtsausschuss empfiehlt in Drucksache 17/2116, in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht Stellung zu nehmen, sodass ich nun über diese Beschlussempfehlung abstimmen lassen kann. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Gegenstimmen? Enthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung Drucksache 17/2116 einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

22 Noch nicht genehmigte über- und außerplanmäßige Ausgaben des Haushaltsjahres 2016

Vorlage 17/616

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushalts- und Finanzausschusses
Drucksache 17/2173

Auch hier ist eine Aussprache nicht vorgesehen, sodass wir direkt zur Abstimmung kommen können.

Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in Drucksache 17/2173, die in Vorlage 17/616 beantragte Genehmigung zu erteilen. Wir kommen somit zur Abstimmung über die Vorlage 17/616 und nicht über die Beschlussempfehlung mit der Drucksache 17/2173. Wer möchte dieser Vorlage zustimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und der AfD sowie der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Gegenstimmen? Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Vorlage 17/616 einstimmig angenommen.

Wir kommen zu:

23 In den Ausschüssen erledigte Anträge

Übersicht 5
gem. § 82 Abs. 2 GO
Drucksache 17/2199

Übersicht 5 enthält acht Anträge, die vom Plenum nach § 82 Abs. 2 der Geschäftsordnung an einen Ausschuss zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich.


Ich lasse nun über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den jeweiligen Ausschüssen entsprechend der Übersicht 5 abstimmen. Wer diese Abstimmungsergebnisse bestätigen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Gegenstimmen? Enthaltungen? – Damit sind die in Drucksache 17/2199 aufgeführten Abstimmungsergebnisse der Ausschüsse bestätigt.

Ich rufe auf:

24 Beschlüsse zu Petitionen

Übersicht 17/10
gemäß § 97 Abs. 8
der Geschäftsordnung

Gemäß § 97 Abs. 8 unserer Geschäftsordnung sind die Beschlüsse des Petitionsausschusses mindestens vierteljährlich dem Landtag zur Bestätigung vorzulegen.

Ihnen liegen mit Übersicht 17/10 die Beschlüsse zu Petitionen vor, über deren Bestätigung wir nun abstimmen. Auch hier ist keine Aussprache vorgesehen, sodass wir direkt zur Abstimmung kommen können.

Wer die Beschlüsse des Petitionsausschusses gemäß Übersicht 17/10 bestätigen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Gegenstimmen? Enthaltungen? – Damit sind die Beschlüsse des Petitionsausschusses in der Übersicht 17/10 hier im Hohen Haus einstimmig bestätigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung angelangt.

Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Donnerstag, den 22. März 2018, um 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend bzw. das, was davon noch übrig ist.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 21:06 Uhr

_______________________________________

*)    Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht
überprüft (§ 102 GeschO)

Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner.

 


Anlage 1

Namentliche Abstimmung zu TOP 3 – Gesetz zum Abbau unnötiger und belastender Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen – Entfesselungspaket I (hier Änderungsantrag Drucksache 17/2212 betreffend die Änderung des Artikels 1 – Änderung des Ladenöffnungsgesetzes

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Frau Altenkamp

SPD

X

 

 

2

 Frau Aymaz

GRÜNE

X

 

 

3

 Herr Baran

SPD

X

 

 

4

 Herr Beckamp

AfD

 

X

 

5

 Herr Becker, Andreas

SPD

X

 

 

6

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

X

 

 

7

 Frau Beer

GRÜNE

X

 

 

8

 Herr Bell

SPD

X

 

 

9

 Herr van den Berg

SPD

abwesend

10

 Herr Dr. Berger

CDU

 

X

 

11

 Herr Berghahn

SPD

X

 

 

12

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

X

 

13

 Herr Bialas

SPD

X

 

 

14

 Herr Biesenbach

CDU

 

X

 

15

 Herr Bischoff

SPD

X

 

 

16

 Frau Blask

SPD

X

 

 

17

 Herr Dr. Blex

AfD

 

X

 

18

 Herr Blöming

CDU

 

X

 

19

 Herr Blondin

CDU

 

X

 

20

 Herr Börner

SPD

X

 

 

21

 Herr Börschel

SPD

X

 

 

22

 Herr Bolte-Richter

GRÜNE

X

 

 

23

 Herr Bombis

FDP

 

X

 

24

 Frau Bongers

SPD

X

 

 

25

 Herr Boss

CDU

 

X

 

26

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

X

 

 

27

 Herr Braun

CDU

 

X

 

28

 Frau Brems

GRÜNE

X

 

 

29

 Herr Brockes

FDP

 

X

 

30

 Herr Brockmeier

FDP

 

X

 

31

 Frau Dr. Büteführ

SPD

X

 

 

32

 Frau Butschkau

SPD

X

 

 

33

 Herr Dahm

SPD

X

 

 

34

 Herr Deppe

CDU

 

X

 

35

 Herr Déus

CDU

 

X

 

36

 Herr Deutsch

FDP

 

X

 

37

 Herr Diekhoff

FDP

 

X

 

38

 Herr Dudas

SPD

X

 

 

39

 Frau Düker

GRÜNE

X

 

 

40

 Frau Dworeck-Danielowski

AfD

entschuldigt

41

 Frau Erwin

CDU

 

X

 

42

 Herr Fortmeier

SPD

X

 

 

43

 Herr Franken

CDU

 

X

 

44

 Frau Freimuth

FDP

 

X

 

45

 Herr Freynick

FDP

 

X

 

46

 Herr Frieling

CDU

 

X

 

47

 Frau Fuchs-Dreisbach

CDU

 

X

 

48

 Herr Ganzke

SPD

X

 

 

49

 Frau Gebauer, Katharina

CDU

 

X

 

50

 Frau Gebauer, Yvonne

FDP

 

X

 

51

 Frau Gebhard

SPD

X

 

 

52

 Herr Dr. Geerlings

CDU

 

X

 

53

 Herr Göddertz

SPD

X

 

 

54

 Frau Gödecke

SPD

X

 

 

55

 Herr Goeken

CDU

 

X

 

56

 Herr Golland

CDU

 

X

 

57

 Herr Hafke

FDP

 

X

 

58

 Herr Hagemeier

CDU

 

X

 

59

 Frau Hammelrath

SPD

X

 

 

60

 Frau Hannen

FDP

 

X

 

61

 Herr Haupt

FDP

 

X

 

62

 Herr Herter

SPD

X

 

 

63

 Herr Höne

FDP

 

X

 

64

 Herr Hoppe-Biermeyer

CDU

 

X

 

65

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

X

 

66

 Herr Hübner

SPD

X

 

 

67

 Herr Jäger

SPD

X

 

 

68

 Herr Jahl

SPD

entschuldigt

69

 Herr Jörg

SPD

X

 

 

70

 Herr Kämmerling

SPD

X

 

 

71

 Herr Kaiser

CDU

 

X

 

72

 Herr Kamieth

CDU

 

X

 

73

 Frau Kampmann

SPD

X

 

 

74

 Frau Kapteinat

SPD

X

 

 

75

 Herr Dr. Katzidis

CDU

 

X

 

76

 Herr Kehrl

CDU

 

X

 

77

 Herr Keith

AfD

 

X

 

78

 Herr Kerkhoff

CDU

 

X

 

79

 Herr Keymis

GRÜNE

X

 

 

80

 Herr Klenner

CDU

 

X

 

81

 Herr Klocke

GRÜNE

X

 

 

82

 Herr Körfges

SPD

X

 

 

83

 Herr Körner

FDP

 

X

 

84

 Frau Kopp-Herr

SPD

X

 

 

85

 Frau Korte

CDU

 

X

 

86

 Herr Korth

CDU

 

X

 

87

 Herr Kossiski

SPD

X

 

 

88

 Frau Kraft

SPD

abwesend

89

 Herr Kramer

SPD

X

 

 

90

 Herr Krauß

CDU

 

X

 

91

 Herr Krückel

CDU

 

X

 

92

 Herr Kuper

CDU

 

X

 

93

 Herr Kutschaty

SPD

X

 

 

94

 Herr Langguth

fraktionslos

X

 

 

95

 Herr Laschet

CDU

 

X

 

96

 Herr Lehne

CDU

 

X

 

97

 Herr Lenzen

FDP

 

X

 

98

 Herr Lienenkämper

CDU

entschuldigt

99

 Herr Löcker

SPD

X

 

 

100

 Herr Löttgen

CDU

 

X

 

101

 Herr Loose

AfD

 

X

 

102

 Frau Lück

SPD

X

 

 

103

 Frau Lüders

SPD

X

 

 

104

 Herr Lürbke

FDP

 

X

 

105

 Frau Lux

SPD

X

 

 

106

 Herr Dr. Maelzer

SPD

X

 

 

107

 Herr Mangen

FDP

 

X

 

108

 Herr Matheisen

FDP

 

X

 

109

 Herr Middeldorf

FDP

 

X

 

110

 Herr Moritz

CDU

 

X

 

111

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

X

 

 

112

 Herr Müller, Frank

SPD

abwesend

113

 Herr Müller, Holger

CDU

 

X

 

114

 Frau Müller-Rech

FDP

 

X

 

115

 Frau Müller-Witt

SPD

X

 

 

116

 Herr Dr. Nacke

CDU

 

X

 

117

 Herr Neppe

fraktionslos

X

 

 

118

 Herr Nettekoven

CDU

 

X

 

119

 Herr Neumann

SPD

X

 

 

120

 Herr Dr. Nolten

CDU

 

X

 

121

 Herr Nückel

FDP

 

X

 

122

 Frau Oellers

CDU

 

X

 

123

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

 

X

 

124

 Herr Ott

SPD

X

 

 

125

 Herr Panske

CDU

 

X

 

126

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

X

 

 

127

 Herr Paul, Stephen

FDP

 

X

 

128

 Frau Dr. Peill

CDU

 

X

 

129

 Herr Petelkau

CDU

 

X

 

130

 Herr Dr. Pfeil

FDP

 

X

 

131

 Frau Philipp

SPD

X

 

 

132

 Frau Plonsker

CDU

 

X

 

133

 Herr Pretzell

fraktionslos

X

 

 

134

 Herr Preuß

CDU

 

X

 

135

 Frau Quik

CDU

 

X

 

136

 Herr Rasche

FDP

entschuldigt

137

 Herr Rehbaum

CDU

 

X

 

138

 Herr Remmel

GRÜNE

X

 

 

139

 Herr Reuter

FDP

 

X

 

140

 Herr Ritter

CDU

 

X

 

141

 Herr Rock

CDU

 

X

 

142

 Herr Röckemann

AfD

 

X

 

143

 Herr Römer

SPD

X

 

 

144

 Herr Prof. Dr. Rudolph

SPD

X

 

 

145

 Herr Rüße

GRÜNE

X

 

 

146

 Frau dos Santos Herrmann

SPD

X

 

 

147

 Frau Schäffer

GRÜNE

X

 

 

148

 Herr Schick

CDU

 

X

 

149

 Frau Schlottmann

CDU

 

X

 

150

 Herr Schmeltzer

SPD

X

 

 

151

 Herr Schmitz

CDU

 

X

 

152

 Herr Schneider, René

SPD

entschuldigt

153

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

X

 

154

 Herr Schnelle

CDU

 

X

 

155

 Herr Scholz

CDU

 

X

 

156

 Herr Schrumpf

CDU

 

X

 

157

 Herr Schultheis

SPD

X

 

 

158

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

X

 

159

 Herr Seifen

AfD

 

X

 

160

 Herr Sieveke

CDU

 

X

 

161

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

X

 

 

162

 Herr Dr. Stamp

FDP

 

X

 

163

 Frau Steffens

GRÜNE

X

 

 

164

 Herr Stinka

SPD

X

 

 

165

 Frau Stock

SPD

X

 

 

166

 Frau Stotz

SPD

X

 

 

167

 Herr Sträßer

CDU

 

X

 

168

 Herr Strotebeck

AfD

 

X

 

169

 Frau Stullich

CDU

 

X

 

170

 Herr Sundermann

SPD

X

 

 

171

 Herr Terhaag

FDP

 

X

 

172

 Herr Tigges

CDU

 

X

 

173

 Herr Tritschler

AfD

 

X

 

174

 Frau Troles

CDU

 

X

 

175

 Herr Dr. Untrieser

CDU

 

X

 

176

 Herr Dr. Vincentz

AfD

 

X

 

177

 Herr Voge, Marco

CDU

 

X

 

178

 Herr Vogel, Nic Peter

AfD

 

X

 

179

 Herr Vogt, Alexander

SPD

X

 

 

180

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

X

 

181

 Frau Voigt-Küppers

SPD

X

 

 

182

 Frau Voßeler

CDU

 

X

 

183

 Herr Voussem

CDU

 

X

 

184

 Herr Wagner

AfD

 

X

 

185

 Frau Walger-Demolsky

AfD

 

X

 

186

 Frau Watermann-Krass

SPD

X

 

 

187

 Herr Watermeier

SPD

X

 

 

188

 Herr Weiß

SPD

X

 

 

189

 Frau Wendland

CDU

 

X

 

190

 Frau Weng

SPD

X

 

 

191

 Frau Wermer

CDU

 

X

 

192

 Herr Weske

SPD

X

 

 

193

 Frau Winkelmann

CDU

 

X

 

194

 Herr Witzel

FDP

 

X

 

195

 Herr Wolf

SPD

X

 

 

196

 Herr Wüst

CDU

 

X

 

197

 Herr Yetim

SPD

X

 

 

198

 Herr Yüksel

SPD

X

 

 

199

 Herr Zimkeit

SPD

X

 

 

 

Ergebnis

 

79

112

 

 


Anlage 2

Namentliche Abstimmung zu TOP 6 – Der deutschen Nationalhymne gebührt eine gesetzliche Normierung in der historisch überlieferten Form – Drucksache 17/2148

 


Lfd.
Nr.


Name des Abgeordneten


Fraktion

Abstimmung


ja


nein

Stimm-
ent-
haltung

1

 Frau Altenkamp

SPD

 

X

 

2

 Frau Aymaz

GRÜNE

 

X

 

3

 Herr Baran

SPD

 

X

 

4

 Herr Beckamp

AfD

X

 

 

5

 Herr Becker, Andreas

SPD

 

X

 

6

 Herr Becker, Horst

GRÜNE

 

X

 

7

 Frau Beer

GRÜNE

 

X

 

8

 Herr Bell

SPD

 

X

 

9

 Herr van den Berg

SPD

 

X

 

10

 Herr Dr. Berger

CDU

 

X

 

11

 Herr Berghahn

SPD

 

X

 

12

 Herr Dr. Bergmann

CDU

 

X

 

13

 Herr Bialas

SPD

abwesend

14

 Herr Biesenbach

CDU

 

X

 

15

 Herr Bischoff

SPD

 

X

 

16

 Frau Blask

SPD

 

X

 

17

 Herr Dr. Blex

AfD

X

 

 

18

 Herr Blöming

CDU

 

X

 

19

 Herr Blondin

CDU

 

X

 

20

 Herr Börner

SPD

 

X

 

21

 Herr Börschel

SPD

 

X

 

22

 Herr Bolte-Richter

GRÜNE

 

X

 

23

 Herr Bombis

FDP

 

X

 

24

 Frau Bongers

SPD

 

X

 

25

 Herr Boss

CDU

 

X

 

26

 Herr Prof. Dr. Bovermann

SPD

 

X

 

27

 Herr Braun

CDU

 

X

 

28

 Frau Brems

GRÜNE

 

X

 

29

 Herr Brockes

FDP

 

X

 

30

 Herr Brockmeier

FDP

 

X

 

31

 Frau Dr. Büteführ

SPD

 

X

 

32

 Frau Butschkau

SPD

 

X

 

33

 Herr Dahm

SPD

 

X

 

34

 Herr Deppe

CDU

 

X

 

35

 Herr Déus

CDU

 

X

 

36

 Herr Deutsch

FDP

 

X

 

37

 Herr Diekhoff

FDP

abwesend

38

 Herr Dudas

SPD

abwesend

39

 Frau Düker

GRÜNE

 

X

 

40

 Frau Dworeck-Danielowski

AfD

entschuldigt

41

 Frau Erwin

CDU

 

X

 

42

 Herr Fortmeier

SPD

 

X

 

43

 Herr Franken

CDU

 

X

 

44

 Frau Freimuth

FDP

 

X

 

45

 Herr Freynick

FDP

abwesend

46

 Herr Frieling

CDU

 

X

 

47

 Frau Fuchs-Dreisbach

CDU

 

X

 

48

 Herr Ganzke

SPD

 

X

 

49

 Frau Gebauer, Katharina

CDU

 

X

 

50

 Frau Gebauer, Yvonne

FDP

 

X

 

51

 Frau Gebhard

SPD

 

X

         

52

 Herr Dr. Geerlings

CDU

 

X

 

53

 Herr Göddertz

SPD

 

X

 

54

 Frau Gödecke

SPD

 

X

 

55

 Herr Goeken

CDU

 

X

 

56

 Herr Golland

CDU

 

X

 

57

 Herr Hafke

FDP

 

X

 

58

 Herr Hagemeier

CDU

 

X

 

59

 Frau Hammelrath

SPD

 

X

 

60

 Frau Hannen

FDP

 

X

 

61

 Herr Haupt

FDP

 

X

 

62

 Herr Herter

SPD

 

X

 

63

 Herr Höne

FDP

 

X

 

64

 Herr Hoppe-Biermeyer

CDU

 

X

 

65

 Herr Hovenjürgen

CDU

 

X

 

66

 Herr Hübner

SPD

 

X

 

67

 Herr Jäger

SPD

 

X

 

68

 Herr Jahl

SPD

entschuldigt

69

 Herr Jörg

SPD

 

X

 

70

 Herr Kämmerling

SPD

 

X

 

71

 Herr Kaiser

CDU

 

X

 

72

 Herr Kamieth

CDU

 

X

 

73

 Frau Kampmann

SPD

 

X

 

74

 Frau Kapteinat

SPD

 

X

 

75

 Herr Dr. Katzidis

CDU

 

X

 

76

 Herr Kehrl

CDU

 

X

 

77

 Herr Keith

AfD

X

 

 

78

 Herr Kerkhoff

CDU

 

X

 

79

 Herr Keymis

GRÜNE

 

X

 

80

 Herr Klenner

CDU

 

X

 

81

 Herr Klocke

GRÜNE

 

X

 

82

 Herr Körfges

SPD

 

X

 

83

 Herr Körner

FDP

 

X

 

84

 Frau Kopp-Herr

SPD

 

X

 

85

 Frau Korte

CDU

 

X

 

86

 Herr Korth

CDU

 

X

 

87

 Herr Kossiski

SPD

 

X

 

88

 Frau Kraft

SPD

abwesend

89

 Herr Kramer

SPD

 

X

 

90

 Herr Krauß

CDU

 

X

 

91

 Herr Krückel

CDU

 

X

 

92

 Herr Kuper

CDU

 

X

 

93

 Herr Kutschaty

SPD

 

X

 

94

 Herr Langguth

fraktionslos

abwesend

95

 Herr Laschet

CDU

 

X

 

96

 Herr Lehne

CDU

 

X

 

97

 Herr Lenzen

FDP

 

X

 

98

 Herr Lienenkämper

CDU

entschuldigt

99

 Herr Löcker

SPD

 

X

 

100

 Herr Löttgen

CDU

 

X

 

101

 Herr Loose

AfD

X

 

 

102

 Frau Lück

SPD

 

X

 

103

 Frau Lüders

SPD

 

X

 

104

 Herr Lürbke

FDP

 

X

 

105

 Frau Lux

SPD

 

X

 

106

 Herr Dr. Maelzer

SPD

 

X

 

107

 Herr Mangen

FDP

 

X

 

108

 Herr Matheisen

FDP

 

X

 

109

 Herr Middeldorf

FDP

 

X

 

110

 Herr Moritz

CDU

 

X

 

111

 Herr Mostofizadeh

GRÜNE

 

X

 

112

 Herr Müller, Frank

SPD

 

X

 

113

 Herr Müller, Holger

CDU

 

X

 

114

 Frau Müller-Rech

FDP

 

X

 

115

 Frau Müller-Witt

SPD

 

X

 

116

 Herr Dr. Nacke

CDU

 

X

 

117

 Herr Neppe

fraktionslos

X

 

 

118

 Herr Nettekoven

CDU

 

X

 

119

 Herr Neumann

SPD

 

X

 

120

 Herr Dr. Nolten

CDU

 

X

 

121

 Herr Nückel

FDP

 

X

 

122

 Frau Oellers

CDU

 

X

 

123

 Herr Dr. Optendrenk

CDU

 

X

 

124

 Herr Ott

SPD

 

X

 

125

 Herr Panske

CDU

 

X

 

126

 Frau Paul, Josefine

GRÜNE

 

X

 

127

 Herr Paul, Stephen

FDP

 

X

 

128

 Frau Dr. Peill

CDU

 

X

 

129

 Herr Petelkau

CDU

 

X

 

130

 Herr Dr. Pfeil

FDP

 

X

 

131

 Frau Philipp

SPD

 

X

 

132

 Frau Plonsker

CDU

 

X

 

133

 Herr Pretzell

fraktionslos

X

 

 

134

 Herr Preuß

CDU

 

X

 

135

 Frau Quik

CDU

 

X

 

136

 Herr Rasche

FDP

entschuldigt

137

 Herr Rehbaum

CDU

 

X

 

138

 Herr Remmel

GRÜNE

 

X

 

139

 Herr Reuter

FDP

 

X

 

140

 Herr Ritter

CDU

 

X

 

141

 Herr Rock

CDU

 

X

 

142

 Herr Röckemann

AfD

X

 

 

143

 Herr Römer

SPD

 

X

 

144

 Herr Prof. Dr. Rudolph

SPD

 

X

 

145

 Herr Rüße

GRÜNE

 

X

 

146

 Frau dos Santos Herrmann

SPD

 

X

 

147

 Frau Schäffer

GRÜNE

 

X

 

148

 Herr Schick

CDU

 

X

 

149

 Frau Schlottmann

CDU

 

X

 

150

 Herr Schmeltzer

SPD

 

X

 

151

 Herr Schmitz

CDU

 

X

 

152

 Herr Schneider, René

SPD

entschuldigt

153

 Frau Schneider, Susanne

FDP

 

X

 

154

 Herr Schnelle

CDU

 

X

 

155

 Herr Scholz

CDU

 

X

 

156

 Herr Schrumpf

CDU

 

X

 

157

 Herr Schultheis

SPD

 

X

 

158

 Frau Schulze Föcking

CDU

 

X

 

159

 Herr Seifen

AfD

X

 

 

160

 Herr Sieveke

CDU

 

X

 

161

 Frau Spanier-Oppermann

SPD

 

X

 

162

 Herr Dr. Stamp

FDP

 

X

 

163

 Frau Steffens

GRÜNE

 

X

 

164

 Herr Stinka

SPD

 

X

 

165

 Frau Stock

SPD

 

X

 

166

 Frau Stotz

SPD

 

X

 

167

 Herr Sträßer

CDU

 

X

 

168

 Herr Strotebeck

AfD

X

 

 

169

 Frau Stullich

CDU

 

X

 

170

 Herr Sundermann

SPD

 

X

 

171

 Herr Terhaag

FDP

 

X

 

172

 Herr Tigges

CDU

 

X

 

173

 Herr Tritschler

AfD

X

 

 

174

 Frau Troles

CDU

 

X

 

175

 Herr Dr. Untrieser

CDU

 

X

 

176

 Herr Dr. Vincentz

AfD

X

 

 

177

 Herr Voge, Marco

CDU

 

X

 

178

 Herr Vogel, Nic Peter

AfD

X

 

 

179

 Herr Vogt, Alexander

SPD

 

X

 

180

 Frau Vogt, Petra

CDU

 

X

 

181

 Frau Voigt-Küppers

SPD

 

X

 

182

 Frau Voßeler

CDU

 

X

 

183

 Herr Voussem

CDU

 

X

 

184

 Herr Wagner

AfD

X

 

 

185

 Frau Walger-Demolsky

AfD

X

 

 

186

 Frau Watermann-Krass

SPD

 

X

 

187

 Herr Watermeier

SPD

 

X

 

188

 Herr Weiß

SPD

 

X

 

189

 Frau Wendland

CDU

 

X

 

190

 Frau Weng

SPD

 

X

 

191

 Frau Wermer

CDU

 

X

 

192

 Herr Weske

SPD

 

X

 

193

 Frau Winkelmann

CDU

 

X

 

194

 Herr Witzel

FDP

 

X

 

195

 Herr Wolf

SPD

 

X

 

196

 Herr Wüst

CDU

 

X

 

197

 Herr Yetim

SPD

 

X

 

198

 Herr Yüksel

SPD

 

X

 

199

 Herr Zimkeit

SPD

 

X

 

 

Ergebnis

 

14

174

 

 


Anlage 3

Zu TOP 16 – „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesundheitsfachberufeweiterentwicklungsgesetzes – zu Protokoll gegebene Rede

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales:

Zur Erprobung von akademischen Ausbildungs-angeboten in den Pflege- und Gesundheitsfachberufen hat der Bundesgesetzgeber in mehrere Berufsgesetze „Modellklauseln“ aufgenommen.

Diese Modellklauseln ermächtigen die Länder, Ziele, Dauer, Art und allgemeine Vorgaben zur Ausgestaltung von Modellvorhaben sowie die Bedingungen für die Teilnahme festzulegen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht.

In § 2 des Gesundheitsfachberufeweiterentwicklungsgesetzes (GBWEG) hat es den landesrechtlichen Rahmen für die Durchführung von Modellstudiengängen geschaffen.

Auf Grundlage des Gesetzes wurde 2010 die Verordnung über die Durchführung von Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Berufe in der Alten- und Krankenpflege, in der Hebammenkunde, der Logopädie, der Ergotherapie und der Physiotherapie erlassen.

Seitdem wurden insgesamt elf Modellstudiengänge an sieben Hochschulstandorten genehmigt. Nordrhein-Westfalen ist damit bundesweit Vorreiter bei der Erprobung von hochschulischen Ausbildungsangeboten. Dies gilt auch für die Weiterentwicklung der Ausbildungen in den Pflege- und Gesundheitsfachberufen.

Die Modellstudiengänge sind sehr beliebt und attraktiv. Die Studierenden erwerben neben ihrem berufsfachlichen Abschluss auch einen berufsbezogenen Bachelorabschluss. Diese Studiengänge tragen somit zur Gewinnung qualifizierter Fachkräfte bei.

Durch das Dritte Pflegestärkungsgesetz (PSG III) hat der Bundesgesetzgeber die Modellklauseln in den Therapieberufen und der Hebammenkunde novelliert.

Die zuletzt bis zum 31. Dezember 2017 befristeten Modellklauseln wurden durch das PSG III um vier Jahre bis zum 31. Dezember 2021 verlängert. Des Weiteren wurden neue inhaltliche Möglichkeiten für die Unterrichts- und Prüfungsgestaltung eröffnet. Hierdurch wird zunehmend auf Gegebenheiten der hochschulischen Ausbildung eingegangen.

Das GBWEG wurde zuletzt im Jahr 2010 neu gefasst. Es berücksichtigt in seiner derzeitigen Fassung nicht die aktuelle bundesgesetzliche Rechtslage. Die im GBWEG zitierten Modellklauseln sind veraltet.

Das GBWEG soll daher an die aktuellen bundes-gesetzlichen Regelungen angepasst werden. Hierzu ist eine Novellierung des GBWEG und der darauf aufbauenden landesrechtlichen Modellstudiengangsverordnung erforderlich.

Die akademischen Ausbildungen leisten einen entscheidenden Beitrag zur Gewinnung von qualifizierten Fachkräften in den Pflege- und Gesundheitsfachberufen. Sie führen zu einer Attraktivitätssteigerung dieser Berufe.

Daneben erfordern immer komplexer werdende Versorgungssituationen aufgrund des demografischen Wandels von den Fachkräften vielfach erweiterte Kompetenzen.

Die Novellierung des GBWEG gewährleistet, dass Nordrhein-Westfalen die Weiterentwicklung der Ausbildungen in den Pflege- und Gesundheitsfachberufen auch zukünftig beispielhaft voranführt.

Durch die Anpassung der landesrechtlichen Regelungen an die aktuellen bundesrechtlichen Gegebenheiten hebt das Land Nordrhein-Westfalen die Bedeutung der akademischen Ausbildungen hervor.


Anlage 4

Zu TOP 18 – „Gesetz zur Modernisierung des Bauordnungsrechts in Nordrhein-Westfalen – Baurechtsmodernisierungsgesetz (BauModG NRW) – zu Protokoll gegebene Rede

Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung:

Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, das nordrhein-westfälische Bauordnungsrecht zu modernisieren und vor allem den Wohnungsbau zu vereinfachen, zu beschleunigen und somit zu fördern. Dies gilt es auch umzusetzen. Daher wurde das Inkrafttreten der Landesbauordnung von 2016 durch Gesetzesinitiative der neuen Landesregierung bis zum 1. Januar 2019 aufgeschoben. Den Zeitraum dieses Moratoriums haben wir genutzt, um die Regelungen darauf zu überprüfen, ob sie das Bauen durch unnötige Bürokratie und überflüssige Standards verzögern oder verteuern.

Das Bauen in Nordrhein-Westfalen soll einfacher, kostengünstiger und digitaler werden.

Diesem Ziel dient die Anpassung der nordrhein-westfälischen Bauordnung an die Musterbauordnung. Standortnachteile, die sich durch unterschiedliche Regelungen im Bauordnungsrecht in den Ländern ergeben haben, werden beseitigt.

Durch eine Verringerung der Abstandsflächen wird dem Grundsatz „Innen- vor Außenverdichtung“ Rechnung getragen. Die Nachverdichtungspotenziale in den nordrhein-westfälischen Ballungsräumen und Universitätsstädten werden dadurch wesentlich gestärkt. Zukünftig kann zudem ein Wohngebäude mit Bestandsschutz auch ohne Einhaltung der Abstandsflächen im Zuge des Ersatzneubaus an gleicher Stelle und in gleicher Größe neu errichtet werden. Das dringend notwenige „Klima für Neubau“ unterstützen wir dadurch.

Darüber hinaus wird die Gewährleistung sozialer Mindeststandards bei Anforderungen an die Barrierefreiheit, insbesondere von Wohngebäuden und öffentlich zugänglichen Bauten, neu gefasst. Die in der Bauordnung 2016 enthaltene Regelung über eine feste Quote an sogenannten rollstuhlgerechten Wohnungen wird durch einen effektiven und wirksamen ganzheitlichen Ansatz ersetzt. Die Anforderungen an die Barrierefreiheit werden wir im Rahmen einer Verwaltungsvorschrift näher definieren und damit Transparenz für die am Bau Beteiligten schaffen. Die so definierten Erfordernisse der Barrierefreiheit werden wir auf alle Wohnungen in Gebäuden der Gebäudeklassen 3 bis 5 ausweiten.

Der Gesetzentwurf berücksichtigt darüber hinaus Anpassungen, um das „Bauen mit Holz“ in Nordrhein-Westfalen auch in höheren Gebäudeklassen zu erleichtern. Selbstverständlich werden dabei die strengen Brandschutzanforderungen eingehalten.

Zudem enthält der Gesetzentwurf die Verpflichtung für Kommunen, bei Bauvorhaben die notwendigen Stellplätze, Garagen und Fahrradabstellplätze zu schaffen. In diesem Zusammenhang wird über eine Rechtsverordnung lediglich das unverzichtbare Minimum an Stellplätzen geregelt. Darüber hinaus wird den Städten und Gemeinden zur Flexibilisierung und unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verkehrsverhältnisse ein Satzungsrecht eingeräumt, um den örtlichen spezifischen Gegebenheiten besser Rechnung tragen zu können. Dadurch werden Veränderungsprozesse im Mobilitätsverhalten berücksichtigt und gleichzeitig mögliche Hemmnisse bei der Nachverdichtung innerstädtischer Quartiere durch starre Stellplatzregelungen vermieden. Ferner nehmen wir mit der Stellplatzregelung verstärkt das Fahrrad als Verkehrsmittel in den Blick.

Das bewährte und von vielen Kommunen sowie von Bauherrinnen und Bauherren gewünschte „Freistellungsverfahren“ bleibt in Nordrhein-Westfalen erhalten. Abweichend kann aber trotzdem durch die Bauherrschaft beantragt werden, ein Baugenehmigungsverfahren mit förmlicher Genehmigung durchzuführen.

Mit dem BauModG NRW wird die Durchführung einer Vollständigkeitsprüfung von eingereichten Bauvorlagen durch die Bauaufsichtsbehörde binnen zwei Wochen verankert.

Mit dem Gesetzentwurf wird darüber hinaus zur Senkung von Baukosten und zur Beschleunigung von Bauvorhaben erstmals eine sogenannte „referentielle Baugenehmigung“ geregelt. Nordrhein-Westfalen ist damit das erste Bundesland, das durch Landesrecht Voraussetzungen für serielle Bauvorhaben einführt.

Das Schriftformerfordernis, zum Beispiel bei Bauantrag und Bauvorlagen sowie bei der Baugenehmigung, kann künftig durch eine elektronische Form gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen ersetzt werden.

Die Landesregierung hat im Rahmen der Verbändeanhörung einen neuen Weg gewählt. Neben den Verbänden und Kammern konnten auch alle unteren Bauaufsichtsbehörden und Einzelpersonen eine Stellungnahme abgegeben. Die umfangreichen Anregungen und Empfehlungen sind berücksichtigt worden, sodass die Anforderungen der Beteiligten in der Praxis in großem Umfang eingeflossen sind.

Durch das vorgelegte BauModG NRW sind insgesamt die rechtlichen Grundlagen für ein modernisiertes Bauen in Nordrhein-Westfalen geschaffen.